Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet.
Zu der in der Fragestunde der 49. Sitzung des Deutschen Bundestages am 22. Juni 1966 gestellten Frage des Abgeordneten Dr. Marx ({0}), Drucksache V/720 Nr. VIII/21 *), ist inzwischen die schriftliche Antwort des Bundesministers Dr.-Ing. Seebohm vom 23. Juni 1966 eingegangen. Sie lautet:
Auf die Frage in der Fragestunde vom 10. März 1966 und au! Ihr Schreiben an den Bundesminister für Verkehr wegen der Einzelfälle habe ich die Hauptverwaltung der Deutschen Bundesbahn zu einer, grundsätzlichen Prüfung des § 5 Bahnbustarif veranlaßt. Die Hauptverwaltung der Deutschen Bundesbahn hat am 5. April 1966 einen entsprechenden Erlaß an die Bundesbahndirektionen herausgegeben. Nach diesem Erlaß soll die Einschränkung der wahlweisen Gültigkeit von Fahrausweisen im Bahnbus- und Schienenverkehr auf begründete Ausnahmefälle beschränkt bleiben. Eine solche Einschränkung läßt sich nach dem Erlaß rechtfertigen, wenn auf der Schiene noch ein ausreichendes Fahrtenangebot besteht und die Fahrpläne so abgestimmt sind, daß den Reisenden die Benutzung der Schiene zugemutet werden kann.
Bis zum 30. April 1966 sollten die Bundesbahndirektionen getroffene Einschränkungsmaßnahmen nochmals überprüfen und mit eingehender Begründung die Fälle mitteilen, in denen die Bundesbahndirektionen glauben, auf verfügte Beschränkungen nicht verzichten zu können. Es hat sich dabei herausgestellt, daß bei 14 Direktionen keine Einschränkungen der wahlweisen Gültigkeit der Zeitkarten für Schichtarbeiter gegenüber der Tarifanhebung zum 1. März 1966 verfügt worden sind. Die Bundesbahndirektion Mainz hat mitgeteilt, daß sie in mehreren Fällen festgelegte Einschränkungen in der Ausgabe der Zeitkarten Bahnbus/Schiene bereits aufgehoben hat.
Was die finanzielle Mehrbelastung anbelangt, so hat die Hauptverwaltung der Deutschen Bundesbahn inzwischen eine Verfügung vorbereitet, daß für Schichtarbeiter die Zahlung eines Aufschlags bei Benutzung des Bahnbusses entfällt, sofern keine zumutbaren Zugverbindungen bestehen. Ich glaube, daß damit Ihren Wünschen entsprochen ist. Das Ergebnis der Uberprüfung von Einzelfällen wird Ihnen noch mitgeteilt.
Die heutige Tagesordnung soll ergänzt werden um die Vorlagen, die in der Ihnen vorliegenden Liste bezeichnet sind. - Es erhebt sich kein Widerspruch; damit ist die Erweiterung der Tagesordnung beschlossen.
Es ist wohl zweckmäßig, die Zusatzpunkte sofort zu behandeln.
Ich rufe zunächst auf:
Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD betr. Verwaltungsrat der Lastenausgleichsbank
- Drucksache V/727 -
*) Siehe 49. Sitzung, Seite 2379 A
Es ist beantragt, die turnusmäßig ausscheidenden Mitglieder des Verwaltungsrates, Abgeordneten Kuntscher und Dr. Schulz-Frey, Freiburg, für die Amtsdauer von drei Jahren wiederzuwählen. - Es erhebt sich kein Widerspruch; es ist so beschlossen.
Ich rufe dann den zweiten Zusatzpunkt auf:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Wirtschaft und Mittelstandsfragen ({1}) über die von der Bundesregierung beschlossene Vierzigste Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1966 ({2}) - Drucksachen V/717, V/737 Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Serres
Es liegt der Schriftliche Bericht des Herrn Abgeordneten Dr. Serres vor. - Der Herr Abgeordnete nimmt auf seinen Schriftlichen Bericht Bezug. Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Es liegt der Antrag des Ausschusses vor, der Verordnung zuzustimmen. - Es erhebt sich dagegen kein Widerspruch; es ist so beschlossen.
Ich rufe dann den nächsten Tagesordnungspunkt auf:
Fragestunde
- Drucksache V/720 Ich rufe zunächst die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz auf, als erste die Frage III/1 des Abgeordneten Fritz ({3}) :
Beabsichtigt die Bundesregierung, dem Bundestag eine Novelle zum Gesetz über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen vom 26. Juli 1957 vorzulegen, um die Gebührensätze für gerichtliche Sachverständige den heutigen Verhältnissen anzupassen?
Das Gesetz über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen ist zuletzt durch das Gesetz vom 21. September 1963 geändert worden. Dabei sind die Gebühren für Sachverständige ganz erheblich erhöht worden. Die Entschädigung beträgt im Regelfall zur Zeit für jede Stunde der erforderlichen Zeit bis zu 15 DM. Unter bestimmten Voraussetzungen, die nicht selten vorliegen, kann die Entschädigung bis zu 30 DM pro Stunde erhöht werden.
Gleichwohl - das ist für Sie vielleicht besonders wichtig, Herr Abgeordneter - prüft das Bundesjustizministerium zur Zeit zusammen mit den Landesjustizverwaltungen und Sachverständigen, ob diese Sätze heraufgesetzt werden sollen. Gerade in dieser Woche finden Erörterungen mit den Landesjustizverwaltungen in Hannover statt, von deren Ergebnis es abhängen wird, ob gesetzgeberische Maßnahmen zu veranlassen sind.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Fritz ({0}).
Herr Staatssekretär, trifft es zu, daß im allgemeinen die Entschädigungen für Sachverständigengutachten nur 7,50 DM pro Stunde betragen, obwohl für eine Meisterstunde in der Regel Stundenlöhne von rund 15 DM bis 25 DM angesetzt werden?
Es ist sehr schwer, die Frage so allgemein zu beantworten, weil wir natürlich nicht über alle gerichtlichen Entscheidungen unterrichtet sind. Die Anwendung dieses Gesetzes liegt in der Hand der einzelnen Gerichte, und es ist natürlich möglich, daß nicht alle Gerichte dem Trend nach oben folgen, sondern bei den unteren Grenzen bleiben. Aber ich glaube, es wird sich vielleicht wieder etwas zugunsten der Sachverständigen ändern, wenn tatsächlich die Bewegung dahin geht, die Regelsätze zu erhöhen.
Keine weitere Zusatzfrage.
Dann rufe ich die Frage III/2 des Abgeordneten Hirsch auf:
Ist die Bundesregierung bereit, entsprechend dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 31. Januar 1966 ({0}), veröffentlicht in der Neuen Juristischen Wochenschrift 1966 S. 1021 ff., nach dem der Schadensersatzanspruch des Artikels 5 Abs. 5 der Menschenrechtskonvention für diejenigen, welche entgegen Artikel 5 ({1}) der Konvention von Festnahme oder Haft betroffen worden sind, zu seiner Verwirklichung der Eingliederung in und der Ausgestaltung durch das nationale Recht der Konventionspartner bedürfe, unverzüglich einen Gesetzentwurf vorzulegen?
Die von Ihnen gestellte Frage, Herr Abgeordneter, hängt in gewisser Weise zusammen mit derjenigen, die in der letzten Fragestunde behandelt worden ist, nämlich mit der Reform der Entschädigungsgesetze, zu denen der Minister selbst erklärt hatte, daß wir darangegangen sind, diese Gesetze zu ändern, und die Vorbereitungen dazu bereits getroffen haben. Auf die Frage des Herrn Abgeordneten Jahn ist bestätigt worden, daß diese Reform als besonders eilbedürftig behandelt wird.
Ich kann zu Ihrer speziellen Frage folgendes hinzufügen. Die Bundesregierung wird auf Grund des zitierten Urteils, das uns vorliegt, in extenso prüfen, ob besondere gesetzgeberische Maßnahmen notwendig sind, um die in Art. 5 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten gewährleisteten Schadensersatzansprüche zu verwirklichen. Dieser Fall liegt, wie ich hinzufügen darf, ganz besonders. Ich habe mir das Urteil genau angesehen und kann hinzufügen, daß die Hoffnung besteht, daß dieser Einzelfall, der in die Übergangszeit des Saarlandes hineinspielt, durch besonderen Akt besonders erledigt werden wird.
Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.
Wir kommen dann zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung. Im Ältestenrat ist vereinbart worden, daß zunächst die Fragen VII/10 bis 20 aufgerufen werden. Die Fragesteller haben die Bitte geäußert, daß die Fragen einzeln beantwortet werden.
Ich rufe die Frage VII/10 des Herrn Abgeordneten Dr. Hein auf:
Trifft es zu, daß der Minister von Hassel sein Amt als Bundesverteidigungsminister mißbraucht hat, indem er von Bediensteten seines Ministeriums die CDU-Broschüre „Wer Mißtrauen sät . . . . das Liebeswerben der SPD um die Bundeswehr" ganz, zumindest aber zum größten Teil erarbeiten ließ?
Ich darf zu der Frage VII/10 folgendes erklären.
Die Behauptung, der Verteidigungsminister habe die CDU-Broschüre „Wer Mißtrauen sät ... das Liebeswerben der SPD um die Bundeswehr" ganz oder zu einem Teil von seinen Bediensteten erarbeiten lassen, ist unrichtig. Ein Bediensteter des Verteidigungsministeriums hat ohne amtlichen Auftrag, ohne Aufforderung durch den Verteidigungsminister, aus eigener Initiative während seines Urlaubs das Rohmaterial für die genannte Broschüre zusammengestellt, die dann von der CDU fixiert, finanziert und herausgegeben worden ist.
Herr Abgeordneter Dr. Hein zu einer Zusatzfrage.
Herr Bundesminister, wenn es zutrifft, daß in Ihrem Haus weder Beamte noch Soldaten mit der CDU-Wahlbroschüre befaßt worden sind, warum sind Sie dann nicht mit der sonst bei Ihnen gewohnten Entschiedenheit der Behauptung eines Amtsmißbrauchs in der „Panorama"-Sendung vom 28. März 1966 öffentlich entgegengetreten?
von Hassel, Bundesminister der Verteidigung: Ich darf darauf verweisen, daß zu diesem Punkt nachher eine andere Frage vorliegt, und Ihnen erklären, daß ich nicht glaube, daß das Niveau der „Panorama"-Sendung die Antwort des Verteidigungsministers unbedingt erforderlich macht.
({0})
Herr Abgeordneter Dr. Hein zu einer zweiten Zusatzfrage.
Herr. Minister, halten Sie die negative Beantwortung meiner Frage im Hinblick auf die Tatsache aufrecht, daß der Kommentator der „Panorama"-Sendung zum Nachweis seines Vorwurfs der Identifizierung von Partei- und Staatsinteresse im Bundesverteidigungsministerium auf einen Brief des Prinzen zu Schleswig-Holstein verwies, in dem das Gegenteil dessen, was Sie sagten, geschrieben sein soll?
von Hassel, Bundesminister der Verteidigung: Die Passagen dieses Briefes, Herr Kollege, sind mir durch die „Panorama"-Sendung bekanntgeworden. Eine Abschrift des Briefes ist mir vor zwei Tagen zugeleitet worden. Der Brief enthält Unrichtigkeiten. Den wirklichen Sachverhalt habe ich Ihnen eben dargelegt.
Herr Abgeordneter Wienand zu einer Zusatzfrage.
Sind Sie bereit, Herr Minister, Offizieren und Angestellten Ihres Ministeriums Aussageerlaubnis zu erteilen im Hinblick darauf, daß sie mir gegenüber erklärt haben, daß diese Broschüre sehr wohl im Verteidigungsministerium erarbeitet worden ist?
von Hassel, Bundesminister der Verteidigung: Ich habe Ihnen erklärt, Herr Abgeordneter, daß einer unserer Mitarbeiter ohne einen Auftrag des Verteidigungsministers aus eigener Initiative während eines Urlaubs das Material für diese Broschüre zusammengetragen hat. Die CDU hat es übernommen, hat es honoriert und hat die Broschüre endgültig formuliert und herausgegeben.
({0})
- Ich habe keine Bedenken, eine solche Aussagegenehmigung zu erteilen.
Herr Abgeordneter Wienand zu einer weiteren Zusatzfrage.
Herr Minister, sind Sie bereit, hier ausdrücklich festzustellen, daß das Zitat des Briefes in der vorhin erwähnten Sendung nicht zutrifft, wo es heißt: Die Broschüre ist im Hause - also im Verteidigungsministerium; das sind meine Worte - entstanden und deshalb möchte der Minister nicht, daß es allgemein bekanntwird; deshalb hat er das unter „VS-Vertraulich" geschrieben.
von Hassel, Bundesminister der Verteidigung: Sie hätten den Schreiber dieses Briefes selber befragen können. Ich glaube, daß Ihnen der Brief bereits seit Jahresfrist vorliegt, Herr Kollege Wienand.
Herr Abgeordneter Berkhan zu einer Zusatzfrage.
Herr Minister, haben Sie durch Ihre Abteilung „Verwaltung und Recht" prüfen lassen, ob der Angestellte, Beamte oder Soldat - das war in Ihrer Antwort nicht ganz klar -, also der Mitarbeiter Ihres Hauses, der in seiner freien Zeit an der Erstellung dieser Broschüre mitgearbeitet hat, eventuell gegen § 52 des Bundesbeamtengesetzes, der ja auch für Soldaten Gültigkeit hat, verstoßen hat?
von Hassel, Bundesminister der Verteidigung: Ich kann diese Frage jetzt nicht beantworten. Ich muß darauf hinweisen, daß gemäß Art. 5 des Grundgesetzes auch Soldaten das Recht haben, ihre Auffassung in Wort, Bild und Schrift zu veröffentlichen, zumal dann, wenn der Betreffende selber in der Veröffentlichung nicht als Herausgeber in Erscheinung tritt.
Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Berkhan.
Herr Minister, sind Sie, wenn sich der Bedienstete Ihres Hauses nicht im Rahmen der allgemeinen Gesetze gehalten hat, bereit, zu überprüfen oder überprüfen zu lassen, ob es notwendig ist, gegen diesen Herrn ein Disziplinarverfahren einzuleiten?
von Hassel, Bundesminister der Verteidigung: Ich bin durchaus bereit, das prüfen zu lassen.
Herr Abgeordneter Marx ({0}).
Herr Minister, täusche ich mich in der Annahme, daß in Ihrem Hause eine Reihe von Bediensteten in ihrer freien Zeit bzw. in ihrem Erholungsurlaub Unterlagen zusammengestellt hat, die dann von der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands für ihre politischen Zwecke benutzt worden sind?
von Hassel, Bundesminister der Verteidigung: Ich gehe davon aus, daß das Ihrer Frage entsprechend geschieht.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Minister, da von einem Brief die Rede war, der in der damaligen Sendung - wenn ich es recht in Erinnerung habe - teilweise zitiert worden ist, darf ich Sie noch einmal bitten, diesen Brief vor diesem Hohen Hause in seiner Wirksamkeit und seiner Richtigkeit zu qualifizieren, weil ich glaube, daß von da aus eine Reihe der Angriffe vorgetragen wird.
von Hassel, Bundesminister der Verteidigung: Ich habe ausdrücklich erklärt, daß er eine Reihe von Unrichtigkeiten enthält, die den wirklichen Sach2424
Bundesminister von Hassel
verhalt nicht treffen. Den Sachverhalt habe ich hier dargelegt.
Herr Abgeordneter Dr. Schäfer zu einer Zusatzfrage.
Herr Minister, haben Sie geprüft, ob der Bedienstete, von dem Sie vorhin sprachen, bei dieser sogenannten Zusammenstellung Unterlagen des Ministeriums verwendet hat?
von Hassel, Bundesminister der Verteidigung: Ich darf darauf aufmerksam machen, daß meines Wissens nicht eine einzige Unterlage des Ministeriums verwendet worden ist, die nicht als offen qualifiziert worden ist. Der Mann hat eine Fülle von Material z. B. aus den Bundestagsprotokollen zusammengetragen. Geheimhaltungsbedürftiges Material ist darin meines Wissens nicht enthalten.
Eine weitere Frage, Herr Abgeordneter Dr. Schäfer.
Damit ist meine Frage noch nicht beantwortet, Herr Minister. Ich wäre dankbar, wenn Sie meine Frage, die ich jetzt noch einmal präzis stelle, beantworteten: Wurde Material des Ministeriums zur Verfügung gestellt?
von Hassel, Bundesminister der Verteidigung: Ich darf darauf aufmerksam machen, daß Mitarbeiter, insonderheit Mitarbeiter aus meinem engeren Mitarbeiterkreis, im Ministerium das gesamte Material zugänglich haben, insonderheit das, das beispielsweise allgemein verbreitet wird und niche unter „Geheimhaltung" klassifiziert ist. Dieses Material ist ihm zugänglich. Das kann er verwenden. Das verwendet er genauso auch für Aufgaben, die ihm etwa im Rahmen von Bitten anderer politischer Parteien gestellt werden.
Herr Abgeordneter Schulze-Vorberg.
Herr Minister, darf ich gerade aus Ihrer letzten Antwort entnehmen, daß es in Ihrem Hause nicht nur erlaubt, sondern geradezu erwünscht ist, wenn Ihre qualifizierten Mitarbeiter den politischen Kräften unseres Volkes Hilfestellung bei ihrer Arbeit leisten?
({0})
von Hassel, Bundesminister der Verteidigung: Herr Kollege Dr. Schulze-Vorberg, bei jeder Gelegenheit stellen wir unsere Mitarbeiter zur Verfügung, so, wenn etwa bei einer politischen Tagung der verschiedenen Parteien eine Sachdarstellung gegeben werden soll. Dann stellen wir sie zur Verfügung, weil wir glauben, daß auf diese Weise die Kenntnis der Details der Bundesverteidigungspolitik, der ganzen Verteidigungsorganisation und der
Fragen der Bundeswehr auch einem größeren Kreise mit politisch interessierten Kräften zugänglich gemacht werden sollte.
({1})
Ich rufe die Frage VII/11 des Herrn Abgeordneten Herold auf:
Bei welcher Gelegenheit hat Minister von Hassel dem Kyffhäuser-Verband und dem VdS, Schleswig-Holstein, schon vor Erscheinen der CDU-Broschüre „Wer Mißtrauen sät . . . . das Liebeswerben der SPD um die Bundeswehr" eine besondere Förderungswürdigkeit zuerkannt?
Ich kann mir vorstellen, Herr Präsident, daß es richtig wäre, die Fragen VII/11 und VII/12 zu verbinden; denn beide gehören zusammen.
Sind Sie einverstanden, Herr Abgeordneter Herold?
({0})
Dann rufe ich auch die Frage VII/12 des Abgeordneten Herold auf:
In welcher Form hat sich die in Frage VII/11 erwähnte Förderungswürdigkeit 'ausgewirkt?
von Hassel, Bundesminister der Verteidigung: Auf Antrag vom 25. Januar 1965 hat das zuständige Referat des Verteidigungsministeriums dem Deutschen Soldatenbund Kyffhäuser unter dem 26. Februar 1965 bestätigt, daß es die Anerkennung des Deutschen Soldatenbundes Kyffhäuser als gemeinnützig und förderungswürdig befürwortet. Diese Bestätigung war zur Vorlage beim Finanzamt beantragt worden unter anderem unter Hinweis auf die sozialen Leistungen des Deutschen Soldatenbundes Kyffhäuser. Die Anerkennung der Gemeinnützigkeit und der Förderungswürdigkeit durch die Finanzverwaltung würde steuerrechtliche Auswirkungen haben.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Herold.
Herr Minister, können Sie diesem Hause sagen, auf Grund welcher besonderen Leistung dieser Verband förderungswürdig sein soll?
von Hassel, Bundesminister der Verteidigung: Ich darf darauf verweisen, daß es zwei Komplexe gibt. Das eine ist die Aufgabe, die der Deutsche Soldatenbund Kyffhäuser übernommen hat, um den Gedanken der Verteidigungsbereitschaft unseres Volkes in der Bevölkerung zu vertiefen; ich halte das in der Tat für einen förderungswürdigen Gedanken. Das zweite ist die Tatsache, daß sich der Deutsche Soldatenbund Kyffhäuser sozial betätigt. Er hat beispielsweise Heime, in denen die Möglichkeit der Erholung gegeben ist. Auch das ist ein förderungswürdiger Zweck. Aus dieser Blickrichtung hat der zuständige Referent des Ministeriums zur Verwendung dem Finanzamt gegenüber diese Förderungswürdigkeit ausgesprochen.
Eine weitere Frage, Herr Abgeordneter Herold.
Herr Minister, darf ich noch eine Zusatzfrage stellen, weil Sie die Gemeinnützigkeit nur hinsichtlich der Abzugsfähigkeit von eventuellen Spenden erwähnten. Können Sie diesem Hause sagen, für welche besondere Arbeit, für welche Maßnahmen und in welcher Höhe dem Landesverband Schleswig-Holstein des Kyffhäuser-Verbandes finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt worden sind?
von Hassel, Bundesminister der Verteidigung: Ich bin hier überfragt. Persönlich bin ich der Auffassung, daß keine Mittel zur Verfügung gestellt werden. Diese Bescheinigung mußte in Blickrichtung auf die Anerkennung der Gemeinnützigkeit für die zuständigen Finanzbehörden gegeben werden. Ein solcher Antrag wird bei der Finanzbehörde eingereicht und dann auf dem Wege über die Oberfinanzdirektion entschieden. Sie überfragen mich, wenn Sie wissen wollen, ob irgendeiner der Soldatenverbände Zuschüsse bekommt. Ich glaube, daß das nicht der Fall ist. Ich kann Ihnen aber gern später schriftlich mitteilen, ob das der Fall ist.
Eine weitere Frage.
Herr Minister, ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie mir diese Liste persönlich zur Verfügung stellten.
von Hassel, Bundesminister der Verteidigung: Dazu bin ich bereit.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Wienand.
Herr Minister, nachdem Sie vorhin den Brief allgemein qualifiziert haben, darf ich Sie fragen, ob dann wenigstens zutrifft, was in dem vorhin erwähnten Brief stand oder gestanden haben soll und was im „Panorama" am 28. März 1966 vorgetragen worden ist. Ich darf zitieren:
Hiermit trage ich vor, daß mir heute der Herr Bundesminister der Verteidigung Kai-Uwe von Hassel einige Exemplare der Schrift übergab „Wer Mißtrauen sät - das Liebeswerben der SPD um die Bundeswehr". Wir haben vom Landesverband Schleswig-Holstein dem Minister Hinweise auf die Reaktion innerhalb der Bundeswehr gegeben. Diese Hinweise bezogen sich auf den Niederschlag der „Veröffentlichung Heye", der „Reden auf dem SPD-Parteitag in Karlsruhe" und spätere Ereignisse. Der Minister hat mir
- also dem Briefschreiber besonders gedankt, daß wir in Beziehung auf diese Ereignisse Hinweise geben konnten. Das Buch ist im Verteidigungsministerium erarbeitet worden. Wegen dieses Hinweises habe ich das Schreiben unter „VS-Vertraulich" abgefaßt,
da der Minister nicht möchte, daß allgemein bekannt wird, daß die Ausarbeitung im Verteidigungsministerium entstanden ist. Man hat wieder gesehen, daß die alten Soldaten zur positiven Mitarbeit bereit sind und mitgeholfen haben. Wenn wir
- also der Landesverband der alten Soldaten Wünsche an den Minister herantragen sollten, werden diese sicher mit Wohlwollen aufgenommen werden.
({0})
Ich weise nur darauf hin, in welch vorbildlicher Art der Minister dem Soldatenbund Kyffhäuser seine Förderungswürdigkeit und Gemeinnützigkeit auf meinen Antrag hin bescheinigt hat.
von Hassel, Bundesminister der Verteidigung: Ich kann zwar nicht übersehen, ob das eine Frage war oder
({1})
ob es hier eine Darstellung eines Briefes war, von dem ich ausdrücklich gesagt habe, er entspricht nicht den Tatsachen. Sie hätten im übrigen den Briefschreiber persönlich sprechen können, Sie hätten ihn fragen können; denn Sie, Herr Kollege Wienand, haben meines Wissens diesen Brief bereits seit Jahresfrist. Ich verstehe nicht ganz, daß Sie diesen Brief heute hervorholen, um ihn hier in dieser Fragestunde zur Sprache zu bringen, wenn Sie das praktisch bereits seit einem Jahr, wie mir vorgetragen worden ist, wissen.
({2})
Zu der Darstellung, die Sie gegeben haben! Erstens. Ich wiederhole, daß es nicht im Verteidigungsministerium erarbeitet worden ist. Ich habe Ihnen das erläutert; siehe Frage 10. Ich darf das wohl noch einmal nachzulesen bitten. Zweitens. Wenn der Vorsitzende des Deutschen Soldatenbundes Kyffhäuser in Schleswig-Holstein eine Darstellung über eine Reihe von Fragen gibt, dann bin ich höflich genug, ihm zu sagen, daß ich ihm für diese Darstellung danke. Ich bin nicht darauf angewiesen, daß der schleswig-holsteinische Landesvorsitzende des Kyffhäuser-Bundes mich über das unterrichtet, was draußen los ist, weil ich durch etwa 250 eigene Besuche bei Einheiten der Bundeswehr glaube, die Stimmung, die Auffassung, die Situation, die Probleme und Fragen sehr genau selber zu kennen.
({3})
Aber ich bekomme eine Fülle von Darstellungen aller Art von Verbänden, von Organisationen, von Einzelpersönlichkeiten, auch letztlich von Politikern aller Parteien, die mich darauf aufmerksam machen, ihnen sei dieses oder jenes aufgefallen. In diesem Zusammenhang hat mich auch der Vorsitzende des Soldatenbundes in Schleswig-Holstein unterrichtet.
Herr Abgeordneter Wienand.
Herr Minister, Sie haben meine Frage nicht beantwortet. Aber sind Sie wenigstens bereit, mir jetzt zu bestätigen, nachdem Sie erklärt haben, welch guten Einblick in die Bundeswehr Sie haben, daß es dem staatsbürgerlich verantwortungsbewußten Verhalten der Opposition entsprach, die damals schon bekannten Tatsachen nicht noch als zusätzliche Belastung für die Bundeswehr auf Grund Ihres Verhaltens der Öffentlichkeit bekanntzugeben?
Das ist keine Frage. Eine Frage soll sich auf einen konkreten Tatbestand beziehen. Was Sie erbitten, Herr Abgeordneter Wienand, ist eine Wertung, ein Urteil.
Herr Abgeordneter Berkhan zu einer Zusatzfrage.
Herr Minister, sind Sie dann bereit, die wirklichen Tatsachen, die in diesem Brief stehen, zu bestätigen oder zu sagen, was denn nun eigentlich in dem Brief gestanden hat?
({0})
von Hassel, Bundesminister der Verteidigung: Verzeihen Sie, Herr Kollege Berkhan, das habe ich getan.
Herr Abgeordneter Schulze-Vorberg zu einer Zusatzfrage.
Herr Minister, da mir und, wie ich festgestellt habe, auch anderen Abgeordneten die Schrift nicht bekannt ist, die die SPD offensichtlich so erregt, könnten Sie den Inhalt dieser Schrift kurz skizzieren und uns erklären, warum sich die SPD so aufregt?
({0})
von Hassel, Bundesminister der Verteidigung: Die Schrift ist ein relativ umfangreiches Konvolut. Ich bin bereit, sie Ihnen, Herr Abgeordneter Dr. Schulze-Vorberg, durch die Bundesleitung der CDU zustellen zu lassen.
({1}) - Auch gern allen.
Herr Abgeordneter Schmidt ({0}) zu einer Zusatzfrage.
Herr von Hassel, identifizieren Sie sich als Verteidigungsminister mit dem Inhalt dieser Schrift?
von Hassel, Bundesminister der Verteidigung: Ich identifiziere mich mit dem Inhalt der Schrift, aber nicht mit ihrem Ton.
Zu einer weiteren Zusatzfrage Herr Abgeordneter Berkhan.
Herr Minister, haben Sie eben in Personalunion als Minister und Stellvertretender Vorsitzender der CDU gesprochen oder nur als Minister?
({0})
von Hassel, Bundesminister der Verteidigung: Ich verstehe, Herr Kollege Berkhan, Ihre Frage nicht.
({1})
Ich habe hier zu Anfang erklärt, daß die Schrift von der Bundeszentrale der CDU herausgegeben worden ist und nicht vom Verteidigungsministerium. Ich habe einem Abgeordneten erklärt, ich würde die Bundeszentrale der CDU veranlassen, ihm diese Schrift zuzuleiten, habe aber nicht gesagt, daß das Verteidigungsministerium ihm diese Schrift zuleiten würde.
({2})
Es geht in der Fragestunde natürlich um die Sache. Ein Bundesminister kann hier nur als Bundesminister antworten.
Ich rufe die Frage VII/13 des Herrn Abgeordneten Eschmann auf:
Warum benutzt Minister von Hassel den VdS und den Kyffhäuser-Verband, Schleswig-Holstein, um zweckdienliche Hinweise an die Truppe zu geben?
Die Frage ist an sich bereits durch die Antworten auf die Zwischenfragen beantwortet. Ich darf aber noch einmal wiederholen: Der VdS und der Kyffhäuser-Verband Schleswig-Holstein haben vom Bundesminister der Verteidigung keinen Auftrag, „zweckdienliche Hinweise an die Truppe zu geben". Der Bundesminister der Verteidigung benutzt nicht den genannten Verband, „um Informationen besonderer Art aus der Truppe zu erhalten". Der Bundesminister der Verteidigung erhält regelmäßig von Verbänden, Organisationen und Einzelpersonen in großem Umfange Zuschriften der verschiedensten Art, die sich mit der Bundeswehr befassen. Alle solche Zuschriften werden geprüft und gegebenenfalls ausgewertet, ohne daß der eine Einsender bevorzugt und der andere benachteiligt würde.
Damit ist auch die Frage VII/14:
Warum benutzt Minister von Hassel den VdS und den Kyffhäuser-Verband, Schleswig-Holstein, um Informationen besonderer Art aus der Truppe zu erhalten?
schon beantwortet.
Frage VII/15 des Abgeordneten Felder:
Trifft es zu, daß die CDU-Bundesleitung versucht hat, zur Finanzierung der CDU-Broschüre „Wer Mißtrauen sät . . . . das Liebeswerben der SPD um die Bundeswehr" Mittel aus dein Bundesverteidigungsministerium zu erhalten?
({0})
von Hassel, Bundesminister der Verteidigung: Die Broschüre der CDU „Wer Mißtrauen sät ... das Liebeswerben der SPD um die Bundeswehr" ist nicht durch Mittel aus dem Verteidigungshaushalt finanziert oder teilfinanziert worden. Die CDU-Bundesleitung oder von ihr beauftragte Personen haben auch nicht versucht, Mittel aus dem Hause, aus dem Kap. 14 03 Tit. 309 - das ist die Öffentlichkeitsarbeit in Verteidigungsfragen -, verwaltet beim Bundespresse- und Informationsamt, zur Finanzierung dieser Broschüre zu erhalten.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Wienand.
Herr Minister, sind Sie bereit, ausdrücklich zu bestätigen, daß die CDU-Bundesleitung bei keiner Stelle Ihres Hauses versucht hat, irgendwelche finanziellen Zuwendungen für die Finanzierung dieser Broschüre zu erhalten?
von Hassel, Bundesminister der Verteidigung: Ich habe Ihnen diese Frage inzwischen beantwortet.
Frage VII/16 des Herrn Abgeordneten Bals:
Trifft es zu, daß auf Grund der „Panorama"-Sendung vom 28. März 1966 dem „Panorama"-Redakteur keine Dreherlaubnis mehr bei der Bundeswehr gegeben werden soll?
von Hassel, Bundesminister der Verteidigung: Darf ich anregen, Herr Präsident, daß ich die drei Fragen des Herrn Abgeordneten Bals gemeinsam beantworte.
Einverstanden. - Auch Herr Abgeordneter Bals ist einverstanden. Fragen VII/17 und VII/18 des Herrn Abgeordneten Bals:
Trifft es zu, daß Presseoffiziere der Bundeswehr angewiesen worden sein sollen, Redakteuren der „Panorama"-Redaktion keinerlei Hilfe mehr bei Bundeswehrfilmen zu geben?
Ist es zutreffend, daß Presseoffiziere der „Panorama"-Redaktion keine Auskünfte mehr erteilen sollen?
von Hassel, Bundesminister der Verteidigung: Das Bundesministerium der Verteidigung hat kein Verbot gegen Fernsehaufnahmen der „Panorama"-Redaktion ausgesprochen. Diese Auskunft hat das Informations- und Pressezentrum des Verteidigungsministeriums auf Anfrage Redakteuren der „Panorama"-Redaktion gegeben. Die gleiche Auskunft wurde auch auf Anfrage von verschiedenen Zeitungen und Zeitschriften durch das Informations- und Pressezentrum erteilt. Die „Panorama"-Redaktion erhält Informationen und Aufnahmemöglichkeiten wie jede andere Redaktion auch. Das Bundesverteidigungsministerium geht allerdings hierbei von der Voraussetzung aus, daß gegebene Informationen und gebotene Aufnahmemöglichkeiten durch die betreffende Redaktion nicht verfälscht wiedergegeben werden.
({0})
Die Presseoffiziere der Bundeswehr haben keine Weisung erhalten, Redakteuren der „Panorama"Redaktion keine Auskunft mehr zu erteilen. In Anbetracht der überregionalen Wirkung des Ersten und des Zweiten Deutschen Fernsehens haben die Presseoffiziere vielmehr seit 1960 die grundsätzliche Weisung, Wünsche des Ersten und des Zweiten Deutschen Fernsehens an das Bundesministerium der Verteidigung weiterzuleiten, sofern es sich nicht um Sendungen handelt, die nur im regionalen Programm ausgestrahlt werden. Nach Prüfung der an das Bundesverteidigungsministerium herangetragenen Wünsche erhalten die in Frage kommenden Presseoffiziere Anweisung, das Fernsehen im Rahmen der dienstlichen Möglichkeiten zu unterstützen.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Bals.
Herr Minister, wie erklärt es sich, daß der Presseoffizier in Paris, Oberstleutnant Klipp, den „Panorama"-Leuten jede Kontaktaufnahme mit den dortigen Offizieren verweigert?
von Hassel, Bundesminister der Verteidigung: Die Frage kann ich Ihnen nicht beantworten, weil ich diesen Fall nicht kenne. Vielleicht schreiben Sie mir dazu einmal, dann werde ich der Sache nachgehen und Ihnen persönlich berichten.
Eine weitere Frage, Herr Abgeordneter Bals.
Das gleiche trifft für den Presseoffizier in Hamburg und Neumünster zu.
von Hassel, Bundesminister der Verteidigung: Ich werde der Sache nachgehen. Ich kann Ihnen hier nur eine Darstellung aus der Sicht des Verteidigungsministeriums geben und Ihnen sagen, welche Weisungen wir gegeben haben. Wenn unten eine Weisung nicht befolgt wird und uns das mitgeteilt wird, werden wir der Sache nachgehen.
Herr Abgeordneter van Delden.
van Delden ({0}) : Herr Minister, ist aus Ihrer Auskunft zur eigentlichen Frage zu schließen, daß schon verfälschte Darstellungen über die Bundeswehr vorgekommen sind, und was haben Sie gegebenenfalls dagegen unternommen?
von Hassel, Bundesminister der Verteidigung: Ich habe vorhin in einem anderen Zusammenhang erklärt, daß die Bundesregierung nicht jede Sendung von „Panorama" widerlegen kann oder nicht auf jede Sendung eingehen kann. Wenn das Verteidigungsministerium alle schiefen Darstellungen in der Öffentlichkeit korrigieren wollte, müßten wir ein großes Büro beschäftigen. Sie erinnern sich vielleicht an die Pressekonferenz des Bundeskanzlers, in der die Frage des Einsatzes deutscher Soldaten in Vietnam behandelt worden ist. Dazu ist in der „Panorama"-Sendung gesagt worden: Trotz Kennt2428
Bundesminister von Hassel
nis der Aussage des Herrn Bundeskanzlers glauben wir nicht daran. So etwa war die Formulierung; ich könnte sie Ihnen wörtlich vorlesen, aber ich glaube, daß die Zeit in der Fragestunde dazu nicht ausreicht.
Es gibt also eine Reihe von Beispielen dafür, daß die Bundesregierung bei „Panorama" Darstellungen gefunden hat, die den Tatsachen, die sie verbreitet hat, nicht entsprechen.
Herr Abgeordneter Kühn zu einer Zusatzfrage.
Herr Bundesminister, entspricht der Bereitschaft des Verteidigungsministeriums, die Redaktionen zu unterrichten, auch beispielsweise die Haltung der Redaktion der Sendung „Panorama", sich über die wahren Sachverhalte beim Ministerium zu unterrichten,
({0})
die von Ihnen richtig wiedergegeben worden sind?
von Hassel, Bundesminister der Verteidigung: Die Redaktion hat bei der fraglichen „Panorama"-Sendung von Ende März nicht den betroffenen Verteidigungsminister befragt, sondern seinen Gegenpaukanten hier, den Abgeordneten Wienand, zu Wort kommen lassen und mir nicht die Möglichkeit gegeben, mich dazu zu äußern.
({1})
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Minister, teilen Sie meinen Eindruck, daß der Einsatz der SPD für die „Panorama"-Sendung dem Einfluß der SPD auf die „Panorama" -Redaktion entsprechen könnte?
({0})
von Hassel, Bundesminister der Verteidigung: Diesen Eindruck teile ich in der Tat; denn mein Eindruck geht dahin, daß die SPD einseitig eine gute Grundlage der Verbreitungsmöglichkeit ihrer Auffassung, zumindest was den Komplex „Verteidigung" anlangt, in der „Panorama"-Sendung gehabt hat.
Herr Abgeordneter Berkhan zu einer Zusatzfrage.
Herr Minister, darf ich Ihrer Antwort entnehmen, daß Sie weder zu den Verwaltungsräten noch zu den Fernseh- und Rundfunkräten bei den öffentlich-rechtlichen Körperschaften der Rundfunk- und Fernsehanstalten Vertrauen haben?
Diesen Gremien gehören ja auch Angehörige der Mehrheitsparteien an.
({0})
von Hassel, Bundesminister der Verteidigung: Herr Kollege Berkhan, mein Name steht unter dem Staatsvertrag über den Norddeutschen Rundfunk.
({1})
Diesen Vertrag haben der hamburgische Bürgermeister, der niedersächsische Ministerpräsident und der schleswig-holsteinische Ministerpräsident von Hassel damals mit unterschrieben. Es ist nun einmal so, daß man vom Staat her auf das Fernsehen und den Rundfunk überhaupt keinen Einfluß hat, nicht einmal hinsichtlich des Musikprogramms. Wir müssen aber immer dafür geradestehen.
({2})
Herr Abgeordneter Berkhan zu einer weiteren Zusatzfrage.
von Hassel, Bundesminister der Verteidigung: Herr Präsident, ich möchte noch ein Wort zu dem Passus „Angehörige der Mehrheitsparteien" sagen.
Sie meinen den Herrn Fest. Verehrter Herr Berkhan, bisher habe ich noch nicht gemerkt, daß Herr Fest besonders nahe bei der CDU steht.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Minister, ist Ihnen entgangen, daß der ehemalige Bürgermeister der Freien und Hansestadt Hamburg, Herr Sieveking, Angehöriger der CDU ist und eine maßgebliche Rolle im Verwaltungsrat des NDR spielt?
von Hassel, Bundesminister der Verteidigung: Sie wissen, daß im Verwaltungsrat des NDR die Mehrheistverhältnisse 4 : 4 sind. Unternehmen Sie einmal den Versuch, mit vier CDU-Mitgliedern gegen vier geschlossene sozialdemokratische Mitglieder des Verwaltungsrates noch etwas auszurichten!
({0})
Herr Abgeordneter Draeger zu einer Zusatzfrage.
Herr Minister, haben Sie schon einmal den Versuch gemacht, in einer „Panorama"-Sendung persönlich aufzutreten und die Dinge, die dort entstellt und wahrheitswidrig der deutschen Öffentlichkeit vorgeführt werden, richtig-zustellen? Wie ist - gegebenenfalls - „Panorama" auf ein solches Angebot eingegangen?
von Hassel, Bundesminister der Verteidigung: Bisher habe ich eine solche Anfrage an „Panorama" nicht gerichtet.
({0})
Bundesminister von Hassel
Ich halte das für einen ziemlich untauglichen Versuch.
({1})
- Meine Herren Kollegen von der SPD, wir haben z. B. bei der „Panorama"-Sendung durch einen der höchstgestellten Offiziere der Bundeswehr, den General Graf Baudissin, ein Interview gegeben, das nachher nach Aussage des Grafen Baudissin auseinandergetrennt und mit Kommentaren des Sprechers verbunden worden ist, so daß dieses Interview im Grunde genommen in seinem Gehalt nicht mehr korrekt wiedergegeben worden ist. Das ist eine der Erfahrungen, die wir beispielsweise in der jüngeren Vergangenheit mit „Panorama" gemacht haben.
Eine weitere Zusatzfrage des Abgeordneten Draeger.
Herr Minister, wenn die Erfahrungen mit „Panorama" so schlecht sind, würden Sie dann wirklich nicht ernsthaft überprüfen wollen, ob es noch einen Sinn und einen Zweck hat und ob es staatsbürgerlich wertvoll ist, diesen Gremien immer wieder bei der Bundeswehr Aufnahmen zu gestatten, wenn nachher bestimmte Teilabschnitte, willkürlich aus dem Zusammenhang gerissen, dargestellt werden?
von Hassel, Bundesminister der Verteidigung: Nein, sie kriegen trotz der Erfahrungen, die wir in der Bundeswehr haben, weiterhin das Recht, bei uns Aufnahmen zu drehen, soweit es die dienstlichen Möglichkeiten gestatten.
Herr Abgeordneter Brück zu einer Zusatzfrage.
Herr Bundesminister, darf ich Sie in dem Zusammenhang doch einmal -jetzt gebrauche ich auch den Ausdruck - ausdrücklich fragen, ob es nicht zu überlegen ist, daß Sie in Ihrem Hause - oder insgesamt vielleicht die Bundesregierung - ein besonderes Gremium ansetzen, das diese Sendungen auch in ihrer ganzen Auswirkung untersucht, damit nicht die zum Teil zweideutigen Dinge in unserem Volke und darüber hinaus in der ganzen Welt für uns weiterhin sehr großen Schaden anrichten?
({0})
von Hassel, Bundesminister der Verteidigung: Ich glaube nicht, Herr Kollege Brück, daß ein solches Gremium, etwa eingesetzt von der Bundesregierung, in der Lage wäre, auf einen völlig unabhängigen Rundfunk und ein Team, das „Panorama" macht, irgendeinen Einfluß auszuüben oder auf die verantwortlichen Redakteure irgendeinen Eindruck zu machen. Sie haben ihre eigene politische Auffassung, sie haben ihren eigenen Stil; auf den wird die Bundesregierung oder ein von ihr berufenes Gremium nie irgendeinen Einfluß haben können.
Herr Abgeordneter Brück zu einer weiteren Frage.
Herr Minister, könnten Sie sich nicht vorstellen, daß dadurch doch bewirkt würde, daß vielleicht objektiver berichtet würde? Denn darauf kommt es mir nur an: auf die Wahrheit.
({0})
von Hassel, Bundesminister der Verteidigung: Auf die Wahrheit kommt es auch mir nur an, aber ich halte es für ziemlich unwahrscheinlich, daß man diesen Grundgedanken der Redaktion des „Panorama" eines Tages wird beibringen können, daß sie aus eigener innerer Überzeugung diesen Gedanken teilen wird.
Wenn wir in der Fragestunde über den Begriff der Wahrheit und seinen Inhalt diskutieren, entfernen wir uns vom Sinn und Wesen der Fragestunde, die sich auf ganz konkrete Tatbestände beziehen soll.
({0})
Herr Abgeordneter Dr. Schulze-Vorberg.
Herr Minister, finden Sie es nicht bedauerlich - wenn ich auf die Frage von Herrn Berkhan zurückkommen darf -, daß hier die Verwaltungsorgane des Norddeutschen Rundfunks ins Spiel gebracht wurden und dadurch der Eindruck erweckt wird, als ob diese Aufsichtsorgane des Rundfunks einen unmittelbaren Einfluß auf Sendungen hätten? Geht es hier nicht um die Frage der „Panorama"-Redaktion und um sonst nichts?
von Hassel, Bundesminister der Verteidigung: Ich teile Ihre Auffassung aus den Erfahrungen, die ich als schleswig-holsteinischer Ministerpräsident mit den Aufsichtsgremien persönlich gemacht habe.
Wir wollen fragen! - Herr Dr. Schulze-Vorberg, bitte!
Herr Minister, darf ich noch fragen, ob Sie nicht doch künftig Gelegenheit nehmen möchten, bei jeder Verzeichnung, die „Panorama" Ihrer Meinung nach bringt, tatsächlich eine Richtigstellung - sei es durch Sie selbst, sei es durch berufene Sprecher Ihres Hauses - zu erreichen?
von Hassel, Bundesminister der Verteidigung: Wir haben bisher nicht geglaubt, daß dabei sehr viel herauskommen würde. Wir haben damit außerordentlich viel zu tun. Wir haben es bei einer Reihe von Publikationsmitteln, auch bei Massenorganen, aus Prinzip aufgegeben, dauernd zu berichtigen.
Herr Abgeordneter Dr. Marx ({0}).
Herr Minister, da Sie vorhin von einer Sendung gesprochen haben, die den von mir besonders hochgeschätzten General Graf Baudissin betrifft, darf ich fragen: hat die betreffende Redaktion mit dem General Graf Baudissin, als man die Aufnahmen machte, einen gewissen Modus des Abspielens vor dem Fernsehen vereinbart und - wenn dies der Fall ist - hat man sich daran gehalten, oder hat man, wie es mein Eindruck war, die Antworten des Generals Baudissin auseinandergeschnitten und eine Reihe von Fragen dazwischengesprochen, so daß bei den vielen Millionen Zuschauern ein Eindruck entstehen mußte, der nicht in der Absicht des Interviewten lag?
von Hassel, Bundesminister der Verteidigung: Ich darf Ihnen dazu sagen, daß ich nicht weiß, ob - Graf Baudissin mit der „Panorama"-Sendung diese Vereinbarung getroffen hat. Nach der Sendung, die wir auch persönlich gesehen haben, die auch der Herr Generalinspekteur gesehen hat, hat er einmal mit Graf Baudissin darüber gesprochen, und dieser hat zum Ausdruck gebracht, daß durch das Dazwischenschalten von Kommentaren des Sprechers im Grunde sein Interview nicht mehr korrekt wiedergegeben wurde.
({0})
Ich bitte doch, keine Wertungen in die Fragen zu legen. Es sind ja keine Fragen mehr, es sind schon Plädoyers pro und contra. Ich bitte, die Fragen auf konkrete Tatbestände - besonders im Wissen des Herrn Ministers - zu erstrecken. - Bitte, Herr Dr. Marx!
Herr Präsident, ich habe mich nur an das gehalten, was ich als junger Abgeordneter von einigen älteren in diesem Hause gelernt habe.
Sie haben schlechte Vorbilder; das gestehe ich Ihnen zu.
Herr Minister, ich wollte noch zusätzlich fragen: Wenn es keine Abmachung gegeben hat, halten Sie es nicht für selbstverständlich und eigentlich der normalen Veröffentlichungspflicht entsprechend, daß ein Interview in der Art und Weise gesendet wird, wie man es aufgenommen hat?
Das ist doch keine Frage! Ich lasse diese Frage nicht zu.
von Hassel, Bundesminister der Verteidigung: Ich darf diese Frage bejahen.
Es ist doch selbstverständlich. Jeder im Hause bejaht diese Frage. Also, es ist keine Frage. - Herr Abgeordneter Sänger, eine Zusatzfrage.
Herr Minister, da wir uns wohl darüber einig sind, daß wir alle staatlichen Einflüsse auf die Redaktionen von meinungsbildenden Medien ablehnen, darf ich fragen: Wie wollen Sie eine Redaktion, mit der Sie unzufrieden sind, nach Ihrer Meinung verbessern - wenn ich den Ausdruck gebrauchen darf -, ohne daß Sie mit ihr Fühlung haben?
von Hassel., Bundesminister der Verteidigung: Ich darf darauf aufmerksam machen, daß mich die Redaktion des „Panorama" meiner Erinnerung nach zumindest nicht in den letzten zwölf Monaten irgendwann einmal selber um ein solches Gespräch gebeten hat. Im übrigen ist es leider so, Herr Kollege Sanger: in dem Augenblick, wo wir eine Gegendarstellung verlangen, wird meistens diese Gegendarstellung sofort wieder mit einem Kommentar verbunden, der die Auffassung des betreffenden ursprünglich Verantwortlichen für die Sendung widerspiegelt. Das ist jedesmal dasselbe.
Zu einer zweiten Zusatzfrage Herr Abgeordneter Sänger.
Herr Minister, die Gegendarstellung und die Gegendarstellung zur Gegendarstellung sind zulässig; das ist aber keine Frage. Ich darf nur die Frage hinzufügen: Finden Sie nicht, daß solche Gegendarstellungen und die Antwort darauf zu einem, wenn man es sachlich macht, fruchtbaren Gespräch führen können?
({0})
von Hassel, Bundesminister der Verteidigung: Sie haben generell durchaus recht, aber nicht, glaube ich, bei der „Panorama"-Sendung - nach den Erfahrungen, die wir in den letzten zwölf oder vierzehn Monaten mit ihr gemacht haben.
({1})
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Genscher.
Herr Bundesminister, nachdem Sie bei der Beantwortung einer früheren Frage bedauert haben, daß der Staat keine Einwirkungsmöglichkeiten auf die Programmgestaltung der Rundfunk- und Fernsehanstalten habe, sind Sie zur Vermeidung von Mißverständnissen bereit, hier zu bestätigen, daß die Bundesregierung nach wie vor kein staatliches Rundfunkmonopol anstrebt?
von Hassel, Bundesminister der Verteidigung: Ich möchte das bestätigen und den ersten Teil der Frage des Abgeordneten Sänger noch einmal aufnehmen. Auch ich bin nicht für einen staatlichen Einfluß in diesen Organen. Ich möchte das ausdrücklich betonen.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Moersch.
Herr Minister, wenn Ihnen das Recht auf Gegendarstellung in der gegenwärtigen Form nicht weitreichend genug erscheint, wären Sie dann bereit, bei Ihrem Kollegen im Innenministerium dahin zu wirken, daß in einer Vorlage der Bundesregierung zum Presserecht diese Fragen auch für Rundfunk und Fernsehen zweifelsfrei geklärt werden können?
von Hassel, Bundesminister der Verteidigung: Ich glaube, daß das nicht nur die Aufgabe des Verteidigungsministers ist, sondern aller, die sich um diese Fragen bemühen.
Das hat beinahe den Eindruck, man sei in einem Seminar über Presserecht und Gestaltung der Publicity.
Ich rufe auf Frage VII/19 des Abgeordneten Neumann ({0}) :
Warum überläßt die Bundesregierung der CDU-Bundesgeschäftsstelle Klarstellungen oder Berichtigungen der „Panorama"-Sendung vom 28. März 1966, da doch ein Mitglied der Bundesregierung des Amtsmißbrauchs bezichtigt worden ist?
von Hassel, Bundesminister der Verteidigung: Herr Präsident, die Polemik der Sendung schloß eine sachliche Erwiderung der Bundesregierung aus.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Neumann ({0}).
Herr Minister, sind Sie nicht mit mir der Meinung, daß gerade, weil Sie als Minister zugleich auch stellvertretender Vorsitzender der CDU sind, durch Fälle, wie sie „Panorama" kritisiert, der Amtsmißbrauch um so leichter vermutet, konstruiert oder tatsächlich festgestellt werden kann, je weniger die Bundesregierung, aber um so mehr die CDU dementiert?
({0})
von Hassel, Bundesminister der Verteidigung: Ich habe Ihnen gesagt, daß die Polemik der Sendung eine sachliche Erwiderung der Bundesregierung nach meinem Dafürhalten ausschließt.
Eine weitere Frage, Herr Abgeordneter Neumann ({0}).
Herr Minister, würden Sie mit mir darin übereinstimmen, daß der Vorwurf des Deutschland-Union-Dienstes, „Panorama" sei der verlängerte Arm des Kollegen Wienand, nur eine Retourkutsche gegen den indirekten Vorwurf von „Panorama" vom 28. März 1966 ist, daß Sie, Herr Minister, das Verteidigungsministerium als verlängerten Arm des stellvertretenden CDU-Vorsitzende Kai-Uwe von Hassel betrachten?
von Hassel, Bundesminister der Verteidigung: Auf diese Frage bin ich nicht bereit zu antworten.
({0})
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Schulze-Vorberg. Sie wollen die Qual noch etwas verlängern.
Ich darf die Frage meines Vorgängers noch einmal aufgreifen, Herr Minister -
Ich wollte die Frage schon nicht zulassen, und Sie wollen sie aufgreifen!
({0})
Ich möchte den ersten Teil dieser Frage aufgreifen, nämlich ob Sie, Herr Minister, tatsächlich diese Behauptung des Deutschland-Union-Dienstes für sich übernehmen, daß „Panorama" auf Sie wirkt wie der verlängerte Arm des Herrn Wienand, was die Verteidigungspolitik betrifft.
von Hassel, Bundesminister der Verteidigung: In dieser Sendung ja.
({0})
Ich rufe die Frage VII/20 des Abgeordneten Neumann ({0}) auf:
Ist es zutreffend, daß Minister von Hassel selbst Kontakt mit den Vorgesetzten des verantwortlichen Redakteurs der „Panorama"-Redaktion aufgenommen hat mit dem Ziel, die Entlassung dieses Redakteurs zu erreichen?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es trifft nicht zu, daß der Bundesminister der Verteidigung Kontakt mit dem Vorgesetzten des verantwortlichen Redakteurs der „Panorama"-Sendung aufgenommen hat.
Herr Abgeordneter Neumann ({0}) zu einer Zusatzfrage.
Herr Minister, darf ich Ihre Antwort so verstehen, daß Sie mit Sicherheit gegenüber dem Vorgesetzten des verantwortlichen Redakteurs von „Panorama" - ich will mich vorsichtig ausdrücken keine Bitte, keinen Wunsch geäußert haben, dieser möge den betroffenen Redakteur entlassen?
von Hassel, Bundesminister der Verteidigung: Ich muß Ihnen zunächst einmal sagen: Ich kenne seinen Vorgesetzten überhaupt nicht, jedenfalls nicht wissentlich. Ich könnte Ihnen nicht sagen, wer es ist.
Herr Abgeordneter Wienand zu einer Zusatzfrage.
Herr Minister, sind Sie auch bereit, hier vor dem Deutschen Bundestag zu bestätigen, daß Sie nicht mit anderen Leuten beim Norddeutschen Rundfunk, die Einfluß darauf hätten, daß so etwas geschieht, Kontakt mit dem hier erwähnten Ziel aufgenommen haben?
von Hassel, Bundesminister der Verteidigung: Ich habe zunächst einmal, glaube ich, nicht Rechenschaft darüber abzulegen, mit wem ich alles Kontakt aufnehme.
({0}) Ich möchte Ihnen aber sagen, daß ich - ({1})
Herr Kollege -
Einen Augenblick!
({0})
- Darf ich bitten, Herr Abgeordneten Dr. Marx! - Auf jeden Fall kann in diesem Hause jede sachliche Frage gestellt werden. Was Herr Kollege Wienand gefragt hat, ist zulässig. Der Herr Minister ist nicht verpflichtet, darauf zu antworten. Es besteht also gar kein Grund zur Erregung.
von Hassel, Bundesminister der Verteidigung: Herr Präsident, ich antworte darauf und erkläre Ihnen, Herr Abgeordneter Wienand, daß ich selbst gegenüber dem schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten, meinem Nachfolger, der als Regierungschef eines der drei Träger des Norddeutschen Rundfunks eine Mitverantwortung dafür trägt, meine sehr tiefe Verwunderung über diese „Panorama"-Sendung zum Ausdruck gebracht habe und der Meinung bin, daß er als schleswig-holsteinischer Ministerpräsident gehalten ist, die Aufgaben des Norddeutschen Rundfunks zu überwachen und zu beobachten, ob er auch der Wahrheit gemäß berichtet. Das habe ich dem Ministerpräsidenten gesagt, und bei dieser Auffassung verbleibe ich.
({1})
Eine weitere Frage, Herr Abgeordneter Wienand.
Sind Sie mit mir einer Meinung, Herr Minister, daß Sie mir dankbar sein sollten, daß ich Ihnen Gelegenheit gab, das richtigzustellen, während Sie sonst wieder in einem falschen Licht gestanden hätten?
von Hassel, Bundesminister der Verteidigung: Nein, ich bin Ihnen nicht dankbar. Ich wäre Ihnen dankbar gewesen, wenn Sie dieses Thema in dem Augenblick aufgegriffen hätten, wo Sie Kenntnis des Briefes des Vorsitzenden des Schleswig-holsteinischen Soldatenbundes erlangt hatten, nämlich vor einem Jahr, und wenn Sie diesen Brief nicht so lange in Ihrem Schreibtisch hätten schmoren lassen.
Herr Abgeordneter Sänger zu einer Zusatzfrage.
Herr Minister, da der Herr Präsident uns heute verschiedene Male gemahnt hat, nur von unmittelbaren Tatsachen auszugehen, möchte ich fragen: Halten Sie es wirklich für zweckmäßig und für vertretbar, daß ausgerechnet der Minister der Landesverteidigung, dem die Söhne des ganzen Volkes aus allen Schichten und Gruppen anvertraut sind, sich ständig zwischen dem Amt des Ministers und einem hohen Parteiamt, wie heute geschehen, hin und her bewegen muß?
({0})
von Hassel, Bundesminister der Verteidigung: Obwohl ich nicht den Eindruck habe, daß diese Frage zu diesem Thema unmittelbar gehört, möchte ich sie beantworten. Ich möchte Ihnen sagen, Herr Kollege Sänger, daß nicht der ärgste meiner Gegner mir auch nur im leisesten einen Amtsmißbrauch durch Vermischung eines politischen Amtes in der Christlich-Demokratischen Union und eines staatlichen Amtes als Verteidigungsminister miteinander vorwerfen kann. Ich achte peinlich genau darauf, daß ich nicht in eine Kaserne, in eine Bundeswehreinrichtung aller Art gehe, um dort politisch für die CDU Propaganda zu machen. Ich glaube, daß Sie in mir ein Musterbeispiel einer Trennung zwischen diesen beiden Ämtern sehen können.
({1})
Eine zweite Zusatzfrage.
Herr Minister, würden Sie mir glauben, daß ich nicht der Auffassung bin, daß Sie Amtsmißbrauch getrieben hätten, daß ich wohl aber der Auffassung bin, daß im Interesse der Stärkung und des Ansehens der Landesverteidigung im ganzen deutschen Volk eine Ämtertrennung sehr sinnvoll und, wie mir scheint, sehr nötig wäre?
von Hassel, Bundesminister der Verteidigung: Das war keine Frage, das war eine Aussage. Ich bin persönlich der Auffassung, daß ein Verteidigungsminister, der nicht einen ganz klaren politischen Standort hat, sich in der Bundesrepublik Deutschland nie wird vernünftig durchsetzen können.
({0})
Herr Abgeordneter Krammig zu einer Zusatzfrage.
Herr Bundesminister, gehe ich fehl in der Annahme, daß, wenn die FraKrammig
gen zu einem wesentlichen Teil auf Informationen beruhen, diese Informationen nicht zutreffend waren und damit die Informanten charakterisieren?
von Hassel, Bundesminister der Verteidigung: Ich glaube, daß meine Antworten, Herr Kollege Krammig, die Dinge klargestellt haben.
({0})
Eine Zusatzfrage Herr Abgeordneter Berkhan.
Herr Minister, halten Sie es für angemessen, daß ein Mitglied der Bundesregierung hier gewissermaßen sich selber die Note „Sehr gut" ausstellt?
Das sind alles keine Fragen. Wir wollen uns doch nicht auf das Niveau begeben.
({0})
Ich lasse diese Frage nicht zu.
Eine weitere Frage, Herr Abgeordneter Berkhan? - Keine weitere Frage.
Ich rufe die Frage VII/1 des Herrn Abgeordneten Draeger auf:
Treffen Rundfunk- und Zeitungsmeldungen zu, wonach der Befehlshaber eines Bundeswehrkorps die Anwendung des Gesetzes über die Anwendung unmittelbaren Zwanges und die Ausübung besonderer Befugnisse durch Soldaten der Bundeswehr und zivile Wachpersonen vom 12. August 1965 in seinem Befehlsbereich wegen Überforderung der Wachposten verboten hat?
Wie Sie wissen, Herr Kollege Draeger, gründete sich das Recht zum Gebrauch von Schußwaffen bis zum 18. November 1965 auf das Notwehrrecht. Das Zwangsgesetz, das am 18. November 1965 in Kraft getreten ist, hat in den §§ 15 ff. die Möglichkeiten zum Schußwaffengebrauch erweitert. Der Kommandierende General eines Korps hat nun für seinen Bereich angeordnet, daß von diesen erweiterten Möglichkeiten erst mit Wirkung vom 1. Januar 1966 an Gebrauch zu machen sei, weil er der Meinung war, daß diese Zeit benötigt werde, um eine ausreichende Ausbildung der betroffenen Truppenangehörigen ({0}) zu gewährleisten. Aus Fürsorgegründen hat er angeordnet, daß es für einen kurzen Zeitraum von anderthalb Monaten noch bei den bisherigen restriktiven Bestimmungen über den Schußwaffengebrauch verbleiben soll. Er hat damit nicht etwa gegen das Gesetz verstoßen, sondern von den im Gesetz gegebenen Möglichkeiten in diesem Zeitraum keinen Gebrauch gemacht.
Frage VII/2 des Herrn Abgeordneten Draeger:
Teilt die Bundesregierung die gegen die praktische Durchführbarkeit des in Frage VII/1 erwähnten Gesetzes vorgebrachten Bedenken?
von Hassel, Bundesminister der Verteidigung: Die Frage ist mit „nein" zu beantworten. Das Gesetz zur Anwendung unmittelbaren Zwanges wurde Mitte August 1965 im Bundesgesetzblatt verkündet. Am 10. September 1965 wurde zusätzlich im VMBlatt des Bundesministeriums der Verteidigung die eingehende Ausführungsvorschrift als Ausbildungshilfe der Truppe bekanntgegeben. Außerdem ist die gesetzliche Änderung in die Vorschrift „Wach- und Ordnungsdienst" eingearbeitet worden. Diese ist der Truppe zu verschiedenen Zeitpunkten, in der Regel jedoch rechtzeitig vor Inkrafttreten des Gesetzes, zugegangen. Die Zeit für die Ausbildung bis zum Inkrafttreten des Gesetzes, also bis zum 18. November 1965, war sehr kurz. Aus diesem Grunde hat vorsorglich ein Kommandierender General eines Korps die Zeit für die Ausbildung verlängert. Es sind dem Bundesministerium der Verteidigung keine Fälle bekanntgeworden, die auf falsche Anwendung oder Unkenntnis des neuen Gesetzes zurückzuführen wären.
Eine Zusatzfrage Abgeordneter Draeger. - Darf ich um etwas Ruhe bitten.
Halten Sie den Zeitraum zwischen der Verabschiedung dieses Gesetzes im Bundestag und seinem Inkrafttreten für nicht ausreichend dafür, daß die davon betroffenen Wachmannschaften genügend instruiert werden konnten?
von Hassel, Bundesminister der Verteidigung: Diese Frage ist nicht eine Frage der Veröffentlichung und Instruierung. Nach der Veröffentlichung müssen zunächst einmal die Vorschriften, die es gibt, darauf adaptiert und die Ausbildungsvorschriften entsprechend gedruckt, verteilt und draußen studiert werden, um in der Ausbildung der betreffenden Soldaten erst ihre Auswirkung zu finden. Dafür ist der Zeitraum sicher relativ kurz gewesen.
Eine weitere Zusatzfrage des Abgeordneten Draeger.
Herr Minister, wie stehen Sie zu dem Vorwurf, der im besonderen in einer sehr bekannten wehrpolitischen Monatsschrift erhoben worden ist, daß die Wachmannschaften, ob in Uniform oder in Zivil, durch die neuen gesetzlichen Bestimmungen einfach überfordert worden seien?
von Hassel, Bundesminister der Verteidigung: Herr Kollege Draeger, ich darf darauf aufmerksam machen, daß ein Gesetz zur Ausübung unmittelbaren Zwanges, das also auch den Schußwaffengebrauch regelt, sehr genau sein muß, damit kein Mißbrauch, auch kein Mißbrauch aus Versehen, passieren kann. Die Formulierung eines solchen Gesetzes obliegt nicht nur dem Bundesministerium der Verteidigung, sondern hier hat das Hohe Haus ganz besonders sorgfältig an der Regelung eines, wie Ihnen bekannt ist, sehr komplizierten Vorgangs
Bundesminister von Hassel
mitgewirkt. Dadurch ist ein kompliziertes Gesetz entstanden. Ein einfacheres Gesetz wäre leichter anzuwenden, könnte aber unter Umständen nachher zu großen Schwierigkeiten führen, wenn einmal etwas passieren sollte.
Ich rufe dann die Fragen XI/1, VII/3 und VII/4 des Abgeordneten Ott auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß die neuerbaute Kinderklinik in Augsburg ganz außerordentlich unter dem Fluglärm zu leiden hat und daß dadurch erhebliche Schwierigkeiten in der Wiederherstellung der Gesundheit der in dieser Klinik untergebrachten Kinder bestehen?
Hat die Bundesregierung die Absicht, die Schwierigkeiten, die entstehen, weil die neuerbaute Kinderklinik in Augsburg ganz außerordentlch unter dem Fluglärm zu leiden hat und daß dadurch erhebliche Schwierigkeiten in der Wiederherstellung der Gesundheit der in dieser Klinik untergebrachten Kinder bestehen, dadurch zu beseitigen, daß sie den Fluglärm, den das Jabo-Geschwader 32 entwickelt, dadurch eindämmt, daß sie der Radaranlage für den Anflug der Starfighter in Lager-Lechfeld eine größere Reichweite gibt und die Flugbereichskontrolle München den Anflugbereich des Geschwaders vom Nordwesten der Stadt auf den Nordosten verlegt?
Ist die Bundesregierung bereit, mit den US-Streitkräften in der in Frage VII/3 beschriebenen Weise Verbindung aufzunehmen, damit auch diese für ihre Hubschrauber den Fluglärm im Bereich der Kinderklinik der Stadt Augsburg auf ein Mindestmaß beschränken?
Ist Herr Abgeordneter Ott im Raum? - Ich bitte um etwas Ruhe.
von Hassel, Bundesminister der Verteidigung: Ich beantworte die erste Frage wie folgt - die Frage ist zunächst an den Bundesminister für Gesundheitswesen gegangen, und von dort ist sie mir mitgeteilt worden -. Erkundigungen bei den örtlichen Behörden haben ergeben, daß die Lärmeinwirkungen auf die Kinderklinik in Augsburg teils von den im kontrollierten Luftraum um Augsburg operierenden Flugzeugen der Bundeswehr und von Hubschraubern der amerikanischen Streitkräfte herrühren. Es wurde mir mitgeteilt, daß empfindliche Untersuchungsmethoden wie Elektrokardiogramme und Enzephalogramme nahezu nicht durchgeführt werden könnten. Auch kann die Freilufttherapie für an Lungenentzündungen oder asthmatischen Leiden erkrankte Kinder nicht durchgeführt werden.
Ich darf gleich die Antwort auf die zweite Frage anschließen. Es ist beabsichtigt, die Antenne der Radaranlage auf dem Fliegerhorst Lechfeld zu erhöhen, um dadurch einige nicht immer erfaßbare Bereiche, sogenannte „tote Zonen", besser überwachen zu können. Hierdurch werden die vorgeschriebenen Anflugverfahren nicht verändert. Die Bundesregierung hat jedoch veranlaßt, die Anflugverfahren erneut zu überprüfen, um eventuell eine Abhilfe zu schaffen. In diese Untersuchung müssen die Verfahren für Start und Landung in Gablingen, Fürstenfeldbruck und Landsberg mit einbezogen werden. Die Überprüfung, z. B. die Verhandlungen mit den amerikanischen Streitkräften, wird daher einige Zeit in Anspruch nehmen.
Drittens fragen Sie, ob die amerikanischen Streitkräfte in dieser Richtung unterrichtet worden sind. Das Hauptquartier der amerikanischen Armee ist gebeten worden, die Verfahren für Gablingen zu überprüfen und im übrigen alles zu tun, um die
Lärmbelästigung durch Hubschrauber auf ein Mindestmaß zu beschränken.
Keine Zusatzfrage. Ich rufe die Fragen VII/5 und VII/6 des Herrn Abgeordneten Dr. Rau auf:
Billigt es der Bundesverteidigungsminister, daß der Kommodore des in Leipheim stationierten Geschwaders der Bundeswehr ein Redaktionsmitglied der Schwäbischen Donau-Zeitung vom Gelände des Fliegerhorstes verwiesen hat, weil er mit der Berichterstattung des Journalisten nicht einverstanden war?
Teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß es sich in dem in Frage VII/5 geschilderten Fall um einen Verstoß gegen die Informationsfreiheit handelt, zumal, da der „Platzverweis" während einer öffentlichen Veranstaltung erfolgt ist?
von Hassel, Bundesminister der Verteidigung: Herr Präsident, ich darf folgendes antworten. Der Kommodore des leichten Kampfgeschwaders in Leipheim hat mir den Sachverhalt gemeldet, den ich in einer kürzeren Zusammenfassung Ihnen wie folgt darlege.
Das Redaktionsmitglied der Schwäbischen Donauzeitung, Herr Udo Philipp, war bis zum 30. September 1965 als Z 6-Soldat - Zeitsoldat auf sechs Jahre - Feldwebel und Angehöriger dieses Geschwaders. Noch während seiner Dienstzeit hat er als berufsfördernde Maßnahme mehrere Monate bei der Günzburger Zeitung volontiert. Mit seinem Presseausweis versuchte er beim Tag der Offenen Tür am 20. Juni 1965, also noch als Soldat, sich den Anweisungen eines zum Ordnungsdienst eingesetzten Offiziers zu widersetzen und äußerte sich dabei in ungehöriger Weise. Ich mache darauf aufmerksam: er war damals noch Soldat. Mit Rücksicht auf seine angestrebte Tätigkeit und auch auf seine bevorstehende Entlassung verzichtete der Disziplinarvorgesetzte auf eine Bestrafung. Eine andere Bestrafung war vorausgegangen.
Seit seiner Entlassung arbeitete Philipp bei der Schwäbischen Donauzeitung. Dort veröffentlichte er am 12. Mai dieses Jahres zwei Berichte, von denen der eine geheimzuhaltende Informationen enthielt, die Philipp aus seiner Dienstzeit bekannt waren. Er verstieß damit gegen § 14 des Soldatengesetzes, der ihn verpflichtet, auch nach seiner Entlassung Verschwiegenheit zu bewahren. Aus diesem Grunde hat der Kommodore den Kasernenoffizier angewiesen, Philipp den Zutritt zum Fliegerhorst zu verweigern. Als Philipp dennoch am 12. Juni 1966 anläßlich einer Luftsportveranstaltung, die öffentlich war, vom Kommodore auf dem Fliegerhorst angetroffen wurde, kam es zu dem in der Frage angesprochenen Zwischenfall. Die Maßnahme war im Rahmen des Hausrechtes gerechtfertigt.
In der zweiten Frage fragen Sie, ob die Bundesregierung die Auffassung teilt, daß es sich hier um einen Verstoß gegen die Informationsfreiheit handelt, zumal da der „Platzverweis" während einer öffentlichen Veranstaltung erfolgt ist. Ich darf Ihnen, Herr Kollege, darauf folgendes antworten. Aus der soeben gegebenen Darstellung ergibt sich, daß die Maßnahme keine unzulässige Einschränkung der Informationsfreiheit zum Ziele hatte, sondern sich ausschließlich gegen die Person dieses BerichterstatBundesminister von Hassel
ters wendete. Alle anderen Journalisten blieben in ihrer Informationsfreiheit unbeschränkt.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Rau.
Darf ich fragen, um welche geheimzuhaltende Angelegenheit es sich gehandelt hat, über die Philipp berichtete?
von Hassel, Bundesminister der Verteidigung: Diese Frage kann ich Ihnen im einzelnen nicht be-beantworten. Ich bin bereit, Ihnen das schriftlich mitzuteilen.
Eine weitere Frage des Herrn Abgeordneten Dr. Rau.
Ist Ihnen bekannt, Herr Minister, daß der Sachverhalt auch in einer eidesstattlichen Versicherung des Herrn Philipp dargestellt worden ist, aus der sich kleine Abweichungen, die aber vielleicht doch von wesentlicher Bedeutung sind, gegenüber Ihrer Darstellung ergeben?
Darf ich dazu gleich die nächste Frage stellen, Herr Präsident?
Einverstanden!
Sind Sie nicht der Meinung, Herr Minister, daß, selbst wenn in der Vergangenheit irgendein Verstoß stattgefunden haben sollte, die Journalisten an einem Tag der Offenen Tür gleiches Informationsrecht haben?
von Hassel, Bundesminister der Verteidigung: Ich bin bereit, Ihnen auf Grund des Berichts des Kommodore des Geschwaders eine längere Darstellung zugehen zu lassen, aus der Sie die Details erkennen. Ich glaube, daß Sie selber nach dem Studium dieser Darstellung der Meinung sein werden, daß die Maßnahme auf Grund unseres Hausrechts gerechtfertigt gewesen ist.
Noch 'eine Frage des Herrn Abgeordneten Dr. Rau.
Darf ich fragen, Herr Minister, ob Sie, wenn sich Diskrepanzen zwischen der eidesstattlichen Versicherung des Herrn Philipp und dem Bericht des Kommodore ergeben, bereit sind, eine Untersuchung über den Fall anzustellen.
von Hassel, Bundesminister der Verteidigung: Die eidesstattliche Erklärung ist mir nicht bekannt. Wenn Sie sie mir zuleiten, werde ich den Kommodore um Stellungnahme dazu ersuchen.
Herr Abgeordneter Fellermaier zu einer Zusatzfrage.
Herr Minister, darf ich Sie fragen, ob sich die Verweigerung des Besuches des Fliegerhorstes Leipheim für den Journalisten auch auf andere Einheiten der Bundeswehr beziehen würde, nachdem Sie ja hier erklärt haben, es hänge damit zusammen, daß er Informationen aus seiner Dienstzeit als Soldat preisgegeben habe, also doch wohl Informationen aus der Bundeswehr, die nicht nur einen bestimmten Ort betreffen.
von Hassel, Bundesminister der Verteidigung: Herr Kollege Fellermaier, ich bin bereit, diese Frage positiv zu beantworten. Ich mache darauf aufmerksam, daß bei dem ganzen Komplex nicht übersehen werden darf, daß der heutige Journalist und bisherige Soldat eigentlich auch gegenüber seiner alten Einheit eine gewisse kameradschaftliche Verbundenheit dokumentieren sollte. Daraus resultiert ja die Einstellung, die in dem dortigen Geschwader ihm gegenüber eingenommen wurde. Wenn er anderswo hingeht, habe ich persönlich keine Bedenken.
Eine weitere Frage des Herrn Abgeordneten Fellermaier.
Hat das Verteidigungsministerium seinerzeit versucht, zivil- und strafrechtlich nachprüfen zu lassen, ob er in der Tat Vertrauliches aus der Bundeswehr mitgeteilt hat, oder hat man das nur so hingenommen?
von Hassel, Bundesminister der Verteidigung: Wir haben nicht versucht, es strafrechtlich untersuchen zu lassen. Wenn wir jeden einzelnen derartigen Vorgang strafrechtlich untersuchen ließen, hätten wir sehr viel zu tun. Bei besonders gravierenden Vorgängen tun wir das; aber bei Vorgängen, die im Grenzbereich liegen - und das ist hier der Fall , tun wir es nicht.
Wir sind damit am Ende der heutigen Fragestunde. Ich danke Ihnen, Herr Minister.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 12 auf:
Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP eingebrachten Entwurfs - eines Gesetzes über die Befreiung von der deutschen Gerichtsbarkeit
- Drucksache V/690 Schriftlicher Bericht des Rechtsausschusses ({0})
- Drucksache V/744 Berichterstatter: Abgeordneter Benda ({1})
Der Bericht des Rechtsausschusses liegt vor. Ich danke dem Herrn Berichterstatter, der auf den Schriftlichen Bericht verweist.
Wir treten in die Einzelberatung ein. Ich rufe auf
§ 1, - § 2, - § 3, - § 4, - § 5, - § 6, - § 7, Einleitung und Überschrift. - Wer zustimmt, gebe bitte Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltun2436
Vizepräsident Dr. Dehler
gen! - Ich lasse die Abstimmung wiederholen. Wer dem Gesetzentwurf in zweiter Beratung zustimmt, erhebe sich. - Das ist die Mehrheit.
Ich schließe die zweite und eröffne die
dritte Beratung.
Das Wort hat der Herr Bundesminister der Justiz.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Gesetzentwurf, der dem Hohen Hause zur dritten Beratung vorliegt, erteilt der Bundesregierung eine begrenzte, aber bedeutsame Vollmacht. Die Bundesregierung hat diese neue Befugnis nicht erstrebt. Sie wünscht weder eine Beschränkung noch eine Ausweitung ihrer Rechte. Vor allem aber bedauert sie, daß die politischen Verhältnisse einen, wenn auch beschränkten, Eingriff in die überlieferte Ordnung unserer Gerichtsverfassung notwendig machen.
Die unselige Teilung unseres Vaterlandes behindert auf vielen Gebieten das normale Leben von Staat und Gesellschaft. Die von der üblichen Norm abweichende Regelung einer befristeten Freistellung von der deutschen Gerichtsbarkeit ist nur eines von vielen Symptomen dieser schmerzlichen, aber unleugbaren Tatsache.
Die Bundesregierung bejaht trotz mancherlei Bedenken den vorliegenden Gesetzentwurf. Sie ist bereit, von der ihr erteilten Befugnis einen sinnvollen Gebrauch zu machen. Sie betrachtet die durch diesen Gesetzentwurf ermöglichte Freistellung von der deutschen Gerichtsbarkeit jedoch als eine Ausnahmeregelung, die nur für besonders bedeutsame Vorhaben ausgesprochen werden soll. Die Bundesregierung wird es nicht zulassen, daß subversive Kräfte die durch dieses Gesetz eingeräumte Möglichkeit mißbrauchen.
Der Gesetzentwurf macht die ganze Problematik deutlich, die sich aus der Spannung zwischen Freiheit und Unfreiheit ergibt. Das Grundgesetz verbietet uns, einer unbegrenzten und willkürlichen Opportunität das Feld zu überlassen. Die Bundesregierung wird deshalb in jedem Einzelfall sorgfältig prüfen, welche politischen Gründe für eine befristete Freistellung von der deutschen Gerichtsbarkeit sprechen, zugleich aber auch, ob es unter Berücksichtigung aller Umstände möglich und für die Rechtsüberzeugung des Volkes auch zumutbar ist, einem einer schwerwiegenden strafbaren Handlung hinreichend oder sogar dringend Verdächtigen, wenn auch nur auf eng befristete Zeit, die Befreiung von der Gerichtsbarkeit zuzusichern.
Im übrigen vertraut die Bundesregierung auf den nüchternen Sinn aller Deutschen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Benda.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens der Fraktion der CDU/ CSU habe ich folgende Erklärung abzugeben.
Der Deutsche Bundestag hat heute über einen Gesetzentwurf zu entscheiden, dessen unmittelbarer und aktueller Anlaß nach Meinung einiger Beobachter vielleicht schon gefährdet oder gar weggefallen ist. Obwohl Spekulationen über das Schicksal des beabsichtigten Redneraustausches zwischen Sozialdemokratischer Partei und SED heute müßig sind, ist jedenfalls wohl Skepsis berechtigt und der Eindruck begründet, daß sich die Kommunisten dem offenen Austausch der Meinungen jedenfalls zunächst entziehen wollen.
Meine Damen und Herren, diese Entwicklung braucht die Entscheidung des Parlaments über den Gesetzentwurf nicht zu beeinflussen und sollte es nicht. Wenn ein Gesetz über befristete Freistellung von der deutschen Gerichtsbarkeit einen Sinn haben soll, dann kann er nicht allein darin liegen, aus einem aktuellen Anlaß einen politischen Vorgang mit rechtlichen Mitteln einmalig zu erleichtern, sondern vielmehr darin, der Bundesregierung ein Instrument zur Verfügung zu stellen, von dem sie nach. eigenem Ermessen unter Berücksichtigung der jeweils bestehenden politischen Situation Gebrauch machen kann. Jedenfalls sollte uns die bisherige Diskussion über die rechtlichen Konsequenzen eines Redneraustausches gezeigt haben, daß mehr als bisher auch schon vorsorglich überlegt werden muß, wie im einzelnen in gesamtdeutschen Angelegenheiten von unserer Seite zu handeln ist, als daß erst nachträglich und auf eine bestehende Lage reagierend Entscheidungen gesucht werden müssen, die ihrer Natur nach schwierig und daher auch zeitraubend sind und sicher nicht kurzfristig gefällt werden können.
Die CDU/CSU-Fraktion hat ihre Haltung zu dem zwischen der SPD und der SED vorgesehenen Redneraustausch seit langer Zeit festgelegt. Sie bleibt bei ihrer Auffassung und bekräftigt sie heute erneut. Wir sind für die offene und kämpferische Auseinandersetzung zwischen Kommunisten und den freiheitlichen und demokratischen Kräften überall in Deutschland. Wir haben diese Auseinandersetzung niemals zu fürchten, wenn wir an sie selbstbewußt, im Glauben an die Überlegenheit der freiheitlich-demokratischen Ordnung, aber auch ohne jede Illussion herangehen.
Wir wissen wohl, daß solche Streitgespräche weder die Wiedervereinigung noch vielleicht auch nur bescheidene menschliche Erleichterungen für die Bewohner der sowjetischen Besatzungszone bringen können. Aber sie können für diese Menschen und für uns alle ein Zeichen der Hoffnung und zugleich des ungebrochenen, ja immer stärker werdenden Willens zur Wiedervereinigung werden, den auch die Sowjetunion auf die Dauer nicht wird ignorieren können.
Zugleich mag eine solche offene Auseinandersetzung die hier und da in der Bundesrepublik bestehende Illussion zerstören, daß der Weg zur Wiedervereinigung über Verhandlungen mit den Machthabern des zowjetzonalen Gewaltregimes über eine Anerkennung dieses sich als Staat gebärdenden Machtgebildes oder über ähnliche, utopische Wege zu erreichen sei. Es gibt Symtome dafür, daß solche
Illusionen hier und da bestehen. Wenn sie zerstört werden, mag dies für die, die sie haben, schmerzlich sein, aber dies könnte zugleich den Blick für die Realitäten der Politik schärfen und neue, klärende Einsichten ermöglichen. Hierin allein schon könnte ein bescheidener, aber doch notwendiger Beitrag durch ein Vorhaben geleistet werden, dessen Verwirklichung heute allerdings zweifelhaft geworden ist.
Über die Rechtsprobleme eines Redneraustausches haben wochenlange und schwierige Diskussionen in den Fraktionen und zwischen den Fraktionen des Bundestages stattgefunden, die zu einer gemeinsamen Lösung geführt haben. Wir begrüßen die erreichte Gemeinsamkeit, ohne die Diskussion zu bedauern. Die Diskussion war notwendig, weil durch sie Grundfragen unserer rechtsstaatlichen Ordnung angesprochen worden sind, und sie war nützlich, weil sie zu einer Bestätigung unseres politischen Willens geführt hat, ohne Verletzung rechtsstaatlicher Grundsätze eine offensive gesamtdeutsche Politik zu betreiben. Niemand soll sich darüber wundern oder gar entrüsten, daß sich der Rechtsstaat schwertut, wenn er auf neue und ungewohnte Situationen in juristisch einwandfreier Weise reagieren soll. Der Unrechts-„Staat" bedarf solcher Überlegungen nicht, sondern kann sich nach eigener willkürlicher Entscheidung über selbstgesetzte Normen hinwegsetzen. Wir haben sicher keinen Anlaß, das manchmal umständliche, für die unmittelbar Beteiligten sehr mühselige Verfahren für ideal zu halten, an dessen Ende - wie hier - ein vielleicht nicht in allen Einzelheiten befriedigender Kompromiß steht. Aber ebensowenig brauchen wir uns dieser Methode zu schämen.
Die CDU/CSU-Fraktion hat von Anfang an ihre Bereitschaft bekundet, nach einer Regelung zu suchen, mit der bestehende rechtliche Schwierigkeiten gegen einen Redneraustausch beseitigt werden könnten, ohne dabei rechtsstaatliche Grundsätze zu verletzen, und die Fraktion hat hierzu auch eigene Vorschläge gemacht. Ein wesentlicher Teil dieser Vorschläge ist in dem nunmehr zur Entscheidung stehenden Gesetzentwurf enthalten. Andere Überlegungen wurden zurückgestellt, um eine gemeinsame Lösung zu erreichen. Es scheint uns überflüssig, am Ende einer langen Diskussion zwischen den Fraktionen noch einmal darüber zu reden, welcher der verschiedenen Vorschläge die politisch und rechtlich am meisten befriedigende Lösung enthalten hat. Ausschlaggebend ist die auch von meiner Fraktion getragene Überzeugung, daß der heute vorliegende Entwurf in Einzelfragen auch anders und vielleicht auch besser hätte ausgestaltet werden können, aber insgesamt eine einwandfreie, verfassungsrechtlich unbedenkliche und praktikable Lösung anbietet, der meine Fraktion auch zustimmen kann. Dabei respektieren wir die Meinung eines Teils der Fraktion, der auch jetzt noch unüberwindbare politische oder rechtliche Bedenken hat.
Wir halten es aber zugleich für erforderlich, mit unserer Zustimmung zu ,dem Gesetzentwurf unsere Position in einigen Grundfragen erneut zu bekräftigen, die durch die vorgeschlagene Regelung aufgeworfen werden. Die von uns hierzu vorgetragene Auffassung wird sicherlich in diesem Hause auch außerhalb der CDU/CSU-Fraktion geteilt werden - wir hoffen das -, aber manche Diskussion in der (ffentlichkeit macht es für uns deutlich, daß die Zeit gekommen ist, allen Unklarheiten in diesen Positionen schon in den Anfängen und zugleich der kommunistischen Agitation entgegenzutreten. Wir sagen daher folgendes.
Erstens. Kein einziger deutscher Staatsangehöriger bedarf, gleichgültig wo er innerhalb oder außerhalb Deutschlands wohnt, einer Erlaubnis zur Einreise in das Gebiet der Bundesrepublik. Kein einziger Deutscher braucht eine gerichtliche Maßnahme zu befürchten, wenn er nicht durch eigenes strafbares Verhalten hierzu einen begründeten Anlaß geboten hat.
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Soweit im Bereich des politischen Strafrechts nach geltendem Recht dem freien Austausch der Meinungen, einschließlich sogar des Verbreitens kommunistischer Ideen, Schwierigkeiten entgegenstehen, haben wir schon bei früherer Gelegenheit in diesem Hause unsere Bereitschaft bekundet, das materielle und das Verfahrensrecht zu überprüfen und so zu ändern, daß jedermann, solange er die verfassungsmäßige Ordnung unseres Landes respektiert, frei seine Meinung sagen kann. Wenn das geschehen sein wird - und wir hoffen, daß das bald der Fall sein wird -, dann wird erneut deutlich werden, daß ein unüberbrückbarer Gegensatz zwischen dem Gewaltregime in der Sowjetzone, das keine von der kommunistischen Sprachregelung abweichende Äußerung zuläßt, und der Gelassenheit eines freiheitlichen Rechtsstaates besteht, der keine Meinung zu fürchten braucht, sondern die offene Auseinandersetzung selbst mit seinen Feinden ertragen kann.
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Die entsprechenden Entwürfe liegen diesem Hause bereits vor oder werden von der Bundesregierung alsbald eingebracht werden; wir bekräftigen unsere Bereitschaft, an ihnen in dem dargestellten Sinne mitzuarbeiten.
Im übrigen bedarf niemand eines „freien Geleits" oder einer Freistellung von der deutschen Gerichtsbarkeit, sofern er nicht strafbare Handlungen begangen hat; die ihm als Deutschen grundrechtlich gewährleistete Freizügigkeit wird durch den Gesetzentwurf nicht erweitert oder verändert, weil sie ohnehin besteht. Der einzige Grund, der ein besonderes Gesetz überhaupt erforderlich macht, ist der Umstand, daß im Zuge eines Redneraustausches oder einer ähnlichen Aktion möglicherweise kommunistische Funktionäre im Bundesgebiet erscheinen sollen, die allen Anlaß haben, eine Strafverfolgung wegen schwerer Vorwürfe im Bereich der gemeinen Kriminalität zu befürchten. Der Bundesgesetzgeber kann, soweit das Grundgesetz ihm hierzu die Möglichkeit bietet, auf die sich hieraus ergebende Rechtslage einwirken; aber der Vorwurf einer Mittäterschaft oder Teilnahme an Verbrechen des Mordes, des Totschlags oder der Freiheitsberaubung kann von niemandem genommen werden, der
durch sein eigenes Verhalten hierzu Anlaß gegeben hat. Meine Damen und Herren, nur weil ein Gewaltregime an seiner Spitze Männer duldet, die möglicherweise solchem Vorwurf unterliegen, nur weil eben die, die zu gesamtdeutschen Gesprächen einladen, zugleich Morde dulden, ja befehlen, entsteht für den Deutschen Bundestag der Konflikt zwischen dem von allen geteilten Abscheu über solche Verbrechen und dem Versuch, vielleicht auch im Interesse potentieller neuer Opfer solcher Untaten einen politisch und rechtlich gangbaren Weg zu suchen.
Wer daher einem Gesetz über befristete Freistellung von der Gerichtsbarkeit zustimmt, der klagt zugleich den Mord und seine Täter an. Wer nicht das Bundesgebiet betreten kann, ohne eines solchen Gesetzes zu bedürfen, der klagt sich selber an.
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Zweitens. Eine Freistellung von der Gerichtsbarkeit ist nur möglich, soweit diese Gerichtsbarkeit besteht. Die Machthaber der Sowjetzone behaupten, daß die Gerichte in der Bundesrepublik keine außerhalb des Bundesgebietes begangenen Handlungen gerichtlicher Überprüfung unterziehen könnten. Demgegenüber unterstellt § 3 des Strafgesetzbuches von 1871 alle strafbaren Handlungen von Deutschen der deutschen Strafjustiz, und zwar mit einer gewissen Einschränkung selbst dann, wenn sie im Ausland begangen werden. Der sowjetisch besetzte Teil Deutschlands ist Inland, und seine Bewohner sind Deutsche wie wir. Wir bestehen darauf, daß wir nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht haben, gerade solche Unrechtshandlungen im Rahmen unserer tatsächlichen Möglichkeiten gerichtlich zu überprüfen, die von den Inhabern der Gewalt nicht nur nicht geahndet, sondern geduldet und sogar befohlen werden. Die im Grundgesetz wie übrigens auch in der Verfassung der sowjetisch besetzten Zone gewährleisteten Grundrechte auf Leben, körperliche Unversehrtheit und persönliche Freiheit gelten für alle Deutschen, und wir sind nicht berechtigt, unsere Fürsorgepflicht gerade gegenüber den Deutschen zu vergessen, die solcher Hilfe am meisten bedürfen.
Wer den Anspruch auf Ausübung der deutschen Gerichtsbarkeit leugnet, klagt sich zugleich an, selbst den Schutz der Grundrechte der Menschen in seinem Bereich zu versäumen; wer dem Gesetz zustimmt, erneuert zugleich den Anspruch der Bundesrepubblik, im Sinne der Präambel zum Grundgesetz auch für jene Deutschen zu handeln, denen die Mitwirkung an Freiheit und Rechtsstaat immer noch versagt ist.
Drittens. Die Bundesregierung hat vor dem Bundestag eben die Grundsätze dargelegt, in welcher Weise sie von der ihr erteilten Vollmacht Gebrauch machen will. Wir stimmen dieser Erklärung zu. Wir erwarten, daß die Bundesregierung, so wie sie es eben wörtlich erklärt hat, in jedem Einzelfall sorgfältig prüft, welche politischen Gründe für eine befristete Freistellung von der Gerichtsbarkeit sprechen, zugleich aber auch, ob es unter Berücksichtigung aller Umstände möglich und auch für die Rechtsüberzeugung des Volkes zumutbar ist, einem einer schwerwiegenden strafbaren Handlung hinreichend oder sogar dringend Verdächtigen, wenn auch nur auf eng befristete Zeit, die Freistellung von der Gerichtsbarkeit zuzusichern. Wir vertrauen darauf, daß die Bundesregierung von der ihr erteilten Ermächtigung nur in diesem Sinne Gebrauch macht, und haben daher davon abgesehen, das Ermessen der Regierung in bestimmten Fällen so zu beschränken, wie dies in früheren Vorschlägen vorgesehen war.
Viertens. Wir werden nicht davon ablassen, Gewalttaten, die in Deutschland gegen Deutsche verübt werden, bei ihrem Namen zu nennen.
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Wir werden nicht darauf verzichten, sie als strafbare Handlungen zu bezeichnen und auch zu behandeln. Die im Einzelfall im Für und Wider sorgfältig zu erwägende, zeitlich eng befristete, an Auflagen oder Bedingungen geknüpfte Freistellung von der Gerichtsbarkeit aus wichtigen Gründen des öffentlichen Interesses ist das Äußerste, was dem Rechtsstaat zugemutet werden kann, wenn er selbst nicht Schaden nehmen soll. Damit wird weder der Strafanspruch des Staates aufgegeben noch eine spätere Strafverfolgung rechtlich verhindert; aber weiter können und weiter wollen wir nicht gehen.
Meine Damen -und Herren, wir alle kennen die Gewalttaten, um die es sich handelt. Niemand von uns maßt sich ein abschließendes Urteil darüber an, wie das Verhalten eines an einer solchen Handlung unmittelbar oder mittelbar Beteiligten strafrechtlich zu würdigen ist. Über seine persönliche Verantwortung, über die persönliche Verantwortung der Befehlsgeber und der Befehlsempfänger entscheiden allein die Gerichte in richterlicher Unabhängigkeit und nicht politische Instanzen, auch nicht der Deutsche Bundestag. Aber unsere Sache ist es, die Tat zu kennzeichnen. Über allen im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Tatumstände und des Maß der persönlichen Schuld anzustellenden rechtlichen Erwägungen steht die uns gemeinsame Auffassung, daß es Mord darstellt, wenn ein Deutscher, der eine willkürliche Demarkationslinie in Deutschland zu überschreiten versucht, hierbei erschossen, „vernichtet" wird, wie es in der unmenschlichen Sprache des Schießbefehls heißt.
In seinem Brief an Professor Jaspers vor wenigen Wochen spricht Ulbricht selbst von „militärischen Befehlen", um die es sich dabei handele. Damit hat er selbst enthüllt, worum es geht, nämlich um die Durchführung eines gegen die eigene Bevölkerung geführten Bürgerkrieges.
Wir nennen es daher Mord, wenn ein Opfer wie Peter Fechter an der Mauer von Berlin angeschossen über eine Stunde lang liegengelassen und erst abtransportiert wird, wenn er verblutet ist.
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Wir nennen es daher Mord, wenn vor wenigen Wochen oder Monaten ein angetrunkener Westberliner, der in einen Kanal an der Grenze springt, um sich abzukühlen, ohne jeden Sinn und Grund erschossen wird. Wir nennen es daher Mord, wenn gegenüber dem Luftkurort Hohegeis der Flüchtling
Helmut Kleiner am 1. August 1963 erst angeschossen und dann zu einem Zeitpunkt, als er schon bewegungslos am Boden liegt und fluchtunfähig ist, erneut aus nächster Entfernung von zahlreichen Schüssen durchbohrt und getötet wird. Und wir nennen es Mord, wenn in einem Berliner Gewässer im November 1961 ein verwundeter Flüchtling, der sich erschöpft an das Polizeiboot klammert, um sich zu ergeben, von den Polizisten ins Wasser zurückgestoßen und dann aus einigen Metern erneut unter Beschuß genommen wird. Das alles und viele andere Taten sind Verbrechen aus Mordlust, also aus niedrigen Beweggründen, für die es keinerlei Entschuldigung gibt.
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Wir wissen dabei zugleich, daß die in die Uniformen der Volksarmee gesteckten jungen Menschen oft in schwerer Not zwischen Gewissen und Befehl stehen. Es wird auch der Tag kommen, an dem darüber gesprochen werden kann, in wie vielen Fällen sich das Gewissen und die Menschlichkeit solcher Menschen, oft unter einem sehr hohen persönlichen Risiko, gegenüber den Befehlen durchgesetzt haben.
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Solche Vorgänge, die wir auch kennen, ohne sie hier im einzelnen nennen zu können, sollten uns vor einer pauschalen Beurteilung oder Verurteilung warnen; aber sie befreien jedenfalls den, der die Befehle gibt, nicht von seiner eigenen Verantwortung.
Meine Damen und Herren! Alle diese Beurteilungen, an denen wir festhalten, werden durch den Gesetzentwurf weder abgeschwächt noch beeinträchtigt. Die Machthaber der Sowjetzone können, wenn sie den Redneraustausch überhaupt ernsthaft wollen, nicht mehr verlangen als die Gewährleistung der persönlichen Sicherheit ihrer Redner. Dies wird ihnen gegeben. Wir sind bereit, diesen rechtlich und politisch gangbaren und auch praktikablen Weg zu gehen, den der Entwurf vorschlägt. Mehr können wir nicht geben und mehr wollen wir nicht geben.
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Die Machthaber der Sowjetzone müssen wissen, daß sie selber jede weitergehende Überlegung verhindern, solange in ihrem Bereich auf Befehl geschossen und getötet wird.
Auch die Sozialdemokratische Partei hat aus gegebenem Anlaß mit vollem Recht erklärt,
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daß sie für den Redneraustausch, den sie will, nicht jeden Preis zahlen und nicht unverzichtbare Positionen aufgeben kann. Wir stimmen dem zu und erklären, daß mit der Verabschiedung des Gesetzes, die wir wünschen, eine klare Grenze des Möglichen und Zumutbaren in diesem Hause gezogen ist.
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Das Wort hat der Abgeordnete Jahn.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion habe ich folgendes zu erklären: Die Fraktion der SPD begrüßt das Zustandekommen des Gesetzes über befristete Freistellung von der deutschen Gerichtsbarkeit. Sie wird ihm zustimmen.
Mit Genugtuung ist festzustellen, daß damit eine langwierige Diskussion schließlich einen befriedigenden Abschluß gefunden hat. Nicht jedes Wort in der öffentlichen Auseinandersetzung über diese Frage, das in den letzten Monaten geäußert wurde, war hilfreich.
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Nicht immer war das wünschenswerte Verständnis erkennbar. Offene Diskussion ist unverzichtbar; sie hilft, die Standpunkte zu klären, und macht damit das Wesen unserer Demokratie aus. Das gilt auch dann, wenn oft viel Geduld und langer Atem nötig sind, wenn man das eigentliche Ziel nicht aus dem Auge verlieren will.
Eines sollte uns allen zu denken geben. Die lange Dauer, oft wohl auch die Art und die Form der Argumente, deren man sich in der öffentlichen Aussprache bediente, hat Zweifel geweckt. Zweifel kamen besonders bei Menschen im anderen Teil Deutschlands auf, die voller Erwartung und Hoffnung auf uns sehen. Sie achten sehr genau darauf, wie wir mit unseren Problemen, die auch ihre Sorgen sind, fertig werden. In den letzten Wochen wurde zunehmend die Frage laut: Ist es denn nicht möglich, vorhandene Hindernisse mit mehr Entschlossenheit und mit mehr Selbstvertrauen aus dem Wege zu räumen? Hier ging und geht es um eine gemeinsame Sache aller demokratischen Parteien im freien Teil Deutschlands.
Kommt es im Zuge des offenen Austausches von Argumenten über die Kernfrage der deutschen Politik - ob den Menschen im gespaltenen Deutschland das Leben leichter gemacht werden soll - zur Gegenüberstellung von Rednern, dann werden wir Sozialdemokraten für den freien Teil Deutschlands stehen. Die Gewißheit, dabei in Übereinstimmung mit den anderen Parteien, die im Bundestag vertreten sind, zu handeln, sollte ihren Ausdruck auch in der Form finden, in der wir unsere Probleme lösen. Die Überzeugungskraft der Demokratie gewinnt nicht dadurch, daß Randfragen im Verhältnis zum politischen Ziel zum zentralen Diskussionsthema gemacht werden.
({1})
In Zukunft werden wir mehr darauf achten müssen, durch zielbewußtere Aussprache und durch entschlosseneres Handeln zu zeigen, daß wir nicht nur willens, sondern vor allem auch fähig sind, mit unserer freiheitlichen rechtsstaatlichen Ordnung die Auseinandersetzung mit jedem ihrer Gegner auch offensiv zu führen.
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Die vorliegende Lösung im Gesetz über befristete Freistellung von der deutschen Gerichtsbarkeit schafft eine Voraussetzung im freien Teil Deutsch2440
Jahn ({3})
lands dafür, daß der offene Austausch von Argumenten in ganz Deutschland möglich wird.
In diesem Zusammenhang ist eine Feststellung vonnöten. Der kommunistischen SED paßt es nicht, wie wir unsere Dinge regeln. Sie spricht von „unzumutbaren Diskriminierungen". Oft hat es gar den Anschein, als suche sie an dieser Stelle einen Weg für ihren Rückzug. Unsere Antwort ist: wie wir im Rahmen unserer rechtsstaatlichen Ordnung die erforderlichen Regelungen treffen, ist allein und ausschließlich unsere Sache.
({4}) Da hat uns niemand hineinzureden.
Noch eines. Zur gleichen Zeit maßt sich ,die kommunistische SED ,die Forderung auf Abänderung bzw. Aufhebung unseres Staatsschutzrechtes an. Seit gestern wird diese Forderung noch gesteigert. Jetzt sollen wir sogar unsere gesamte Rechtsordnung umgestalten. Auch hierauf ist unsere Antwort: wie wir den Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung gestalten, soweit dazu Mittel des Strafrechts unentbehrlich sind, ist allein unsere Sache.
({5})
Wir Sozialdemokraten haben dazu unsere Vorschläge vorgelegt. Gemeinsam mit den anderen Fraktionen dieses Hauses werden wir um die beste Lösung auf dem Boden unseres Grundgesetzes ringen.
Die Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland beruht auf dem Grundgesetz. Über ihre Ausgestaltung im einzelnen entscheidet der frei gewählte Deutsche Bundestag. Er übt dabei das Mandat für die Bürger unseres Landes aus, die ihre Abgeordneten in freier Entscheidung wählen. Wir, die frei gewählten Abgeordneten, sind nicht bereit, für unsere Entscheidungen Ratschläge von Leuten anzunehmen, die kein durch einwandfreie Wahlen zustande gekommenes Mandat haben, für deutsche Bürger zu sprechen.
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In der zweiten offenen Antwort der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands heißt es:
Wir werden uns bei den zuständigen Behörden vergewissern, daß den Rednern der SED aus Anlaß ihrer Teilnahme an der Veranstaltung in Hannover keine Schwierigkeiten erwachsen.
Der zur Abstimmung gestellte Gesetzentwurf wird die Voraussetzungen dafür schaffen, daß wir uns vergewissern können. Wir hoffen, daß der Bundesrat sich unserer Bitte um beschleunigte Behandlung nicht verschließt, damit das Gesetzgebungsverfahren schnell seinen Abschluß findet.
Dann wird die Bundesregierung über ein Instrument verfügen, das sie in die Lage versetzt, die erforderlichen Entscheidungen zu treffen. Dieses Instrument soll nicht nur für den gegenwärtigen Anlaß dienen; es kann und, soll der Regierung auch bei anderen Gelegenheiten, die sich bieten mögen, nützlich sein. Deshalb ist es richtig, daß der Rahmen, die Voraussetzungen für die Anwendung des
Gesetzes weit gefaßt sind. Die Bundesregierung muß frei sein, in verantwortlicher Prüfung und Abwägung aller Umstände zu entscheiden, in welchen Fällen sie von den ihr gegebenen Möglichkeiten Gebrauch macht. In ihrer Erklärung hat die Bunregierung deutlich gemacht, von welchen Überlegungen sie sich wird leiten lassen. Der Wortlaut dieser Erklärung findet unsere Billigung. Die Bereitschaft der Bundesregierung, von der ihr erteilten Befugnis sinnvoll Gebrauch zu machen, verstehen wir so, daß hier eine Hilfe gegeben werden wird, wenn es darum geht, den Menschen im gespaltenen Deutschland zu helfen.
Wir werden nach Verabschiedung dieses Gesetzes nunmehr in diesem Hause die Voraussetzungen dafür geschaffen haben, daß die Ausrede der SED, ihre Redner seien gefährdet, wenn sie nach Hannover gingen, nicht mehr gilt. Nun ist es an der anderen Seite, Farbe zu bekennen und zu klären, ob sie weiter nach Ausflüchten sucht oder ob sie sich der Auseinandersetzung stellen will. Wir Sozialdemokraten wollen diese offene und öffentliche Auseinandersetzung nach wie vor. Wir wollen sie führen in dem Willen, den Menschen im geteilten Deutschland zu helfen.
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Das Wort hat der Abgeordnete Busse.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren Kollegen! Namens der Fraktion der Freien Demokraten kann ich folgende Erklärung abgeben. Wir Freien Demokraten begrüßen das Zustandekommen dieses Gesetzes nachdrücklich. Wir begrüßen es um so mehr, als es ein schwerer Weg war, der zu dem heutigen Ergebnis geführt hat, ein Weg, der häufig den vollen Einsatz unserer Kräfte verlangt hat, und zwar in den Auseinandersetzungen, die in der Öffentlichkeit, aber auch denen, die zwischen den Fraktionen dieses Hauses über den Weg und das Ziel geführt worden sind.
Wir bitten dabei zu berücksichtigen, daß es auch uns nicht leicht gefallen ist, den Schritt zu tun, der mit dem jetzt vorliegenden Gesetzentwurf getan werden soll, enthält er doch eine Maßnahme, die aus allgemeinen Rechtsprinzipien heraus nicht ohne weiteres als unbedenklich bezeichnet werden kann. Gerade wir Freien Demokraten als eine liberale Partei wissen die Bedeutung eines strengen Legalitätsprinzips, das vor Willkür schützen soll, wohl zu würdigen. Es müssen schon schwerwiegende Gründe sein, die uns veranlassen, von diesem Prinzip abzuweichen. Aber Prinzipien sind nicht um ihrer selbst willen da, sondern sie müssen und können den jeweiligen politischen unabweisbaren Notwendigkeiten Rechnung tragen, wenn das im Rahmen der verfassungsrechtlichen Ordnung möglich ist. Wir sind in diesem Fall in der glücklichen Lage, daß verfassungsmäßige Bedenken gegen dieses Gesetz nicht erhoben worden sind und auch nicht erhoben werden können. Wenn wir deshalb hier zum ersten Male von dem strengen LegalitätsBusse ({0})
prinzip abweichen, so tun wir es aus wohlerwogenen politischen Gründen.
Das Hohe Haus ist sich einig im Streben nach der Wiederherstellung der Einheit Deutschlands - trotz . aller möglichen Meinungsverschiedenheiten über den Weg dorthin. Über einen Punkt aber sollte Einmütigkeit bestehen: Wer immer die Deutschen zusammenführen will - und wie immer er es tun will -, der darf die Auseinandersetzung mit den Ideologien und dem System, unter denen unsere Landsleute in Mitteldeutschland leben, nicht scheuen.
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Wir haben das Vertrauen zu der Überzeugungskraft unserer freiheitlichen rechtsstaatlichen Vorstellungen, so daß wir diese Auseinandersetzung nicht nur nicht fürchten, sondern sie gesucht haben und auch künftig suchen werden.
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Ein Schritt ,auf diesem Wege ist der vorliegende Gesetzentwurf, nur ein Schritt und ein Schritt, über dessen Auswirkungen man keine allzu großen Illusionen haben sollte.
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Ein weiterer Teil der Maßnahmen, die die Erreichung unseres Zieles erleichtern sollen, wird noch kommen müssen. Wir denken an das Gesetz zur Lockerung des Verfolgungszwanges, insbesondere auch an die Änderungen des Strafrechts, die hoffentlich nach den Parlamentsferien zügig in Arbeit genommen werden können, da wichtiger als die Lockerung der formellen Bestimmungen die Neugestaltung der materiellen Bestimmungen sein wird.
Mit all dem geben wir keine Position auf, die unsere Stellung in der gesamtdeutschen Politik irgendwie schwächen oder gefährden könnte. Insoweit stimmen wir mit den Vorrednern überein, daß ein Opfer unserer eigenen rechtsstaatlichen freiheitlichen Ordnung nicht gebracht werden kann, um andere Erleichterungen zu schaffen, sondern die Erhaltung und Festigung unserer eigenen freiheitlichen rechtsstaatlichen Ordnung ist die Voraussetzung und die Grundlage aller weiteren gesamtdeutschen Politik.
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Mit dem vorliegenden Gesetz wird der Bundesregierung eine sehr weitgehende Ermächtigung erteilt, und ich habe Verständnis dafür, daß die Regierung es nicht freudig begrüßt, daß ihr diese Ermächtigung erteilt wird; denn damit wird ihr eine schwere Aufgabe übertragen. Ich glaube, auch darüber sollten wir uns in diesem Hause einig sein. Gerade gewisse Ausführungen, die heute an dieser Stelle gemacht worden sind, haben evident gemacht, wie weit das Spannungsfeld ist zwischen den Möglichkeiten und den Gegebenheiten, deren Entscheidung hier der Bundesregierung angelastet wird. Sie hat zugesagt, einen sinngemäßen Gebrauch von dieser ihr erteilten Ermächtigung zu machen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich wünsche; daß die Bundesregierung die Weisheit findet, die notwendig ist, um die schweren Probleme, die ihr durch diese Ermächtigung übertragen werden, zu lösen; die Weisheit, sage ich deshalb, weil es mir nicht so sehr eine Frage zu sein scheint, wer wem was vorwerfen kann, als vielmehr eine Frage, was erforderlich ist, um unserem allgemeinen Anliegen und unseren Landsleuten in der mitteldeutschen Zone zu helfen und die Verbindung zwischen uns nicht nur zu erhalten, sondern zu stärken und zu festigen. Wenn dieses Gesetz einen kleinen Schritt auf diesem Wege bedeuten sollte, dann dürfte es seinen Zweck mehr als gut erfüllt haben.
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Das Wort hat Herr Abgeordneter Memmel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte, unter Bezugnahme auf § 59 der Geschäftsordnung und auf die von Herrn Bundestagspräsident Dr. Gerstenmaier in der 130. Sitzung am 28. Oktober 1960 dazu abgegebene Auslegung eine Erklärung zur Abstimmung abgeben zu dürfen.
Ich möchte hier erklären, daß ich gegen dieses Gesetz stimme. Ich will mich in der Begründung auf einen einzigen Gedanken beschränken. Dieses Gesetz stellt eine Ausnahmeregelung dar; das Wort ist von zwei Vorrednern gebraucht worden. Ich bin grundsätzlich gegen alles, was mit dem Wort „Ausnahme" oder „Sonder-" zusammenhängt, ob das eine Sonderregelung, eine Sondermaßnahme, ein Sondergesetz oder ein Sondergericht ist. Weil das hier ein Ausnahmegesetz ist, bin ich gegen dieses Gesetz.
({0})
Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Gesetz in der vorliegenden Fassung zustimmt, erhebe sich vom Platze. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das Gesetz ist - bei zahlreichen Gegenstimmen in der Mitte des Hauses - angenommen.
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Ich rufe Tagesordnungspunkt 13 auf:
a) Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. militärische Ausrüstungs- und Ausbildungshilfe
- Drucksache V/535 -
b) Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Ausführungsgesetzes zu Artikel 26 Abs. 2 des Grundgesetzes ({1})
- Drucksache V/691 ({2})
Ich darf bitten, die privaten Gespräche außerhalb
des Raumes zu verlegen. - Das Wort zur Begrün2442
Vizepräsident Dr. Dehler
dung der beiden Anträge hat Herr Abgeordneter Wischnewski.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich darf zuerst den Antrag der SPD Drucksache V/535 betreffend militärische Ausrüstungs- und Ausbildungshilfe begründen.
({0})
Das Problem ist im Hause bekannt. Ich habe deshalb die Möglichkeit, mich sehr kurz zu fassen. Wir haben zu dieser Frage bereits eine längere Debatte im Auswärtigen Ausschuß gehabt, die verhältnismäßig viel Übereinstimmung ergeben hat. Wir haben auch die Möglichkeit gehabt, anläßlich der Haushaltsberatungen einen wesentlichen Teil unserer Gedanken vorzutragen. Sie wissen, daß das Parlament bei diesem Titel nicht unwesentliche Streichungen an der Regierungsvorlage vorgenommen hat.
Es geht um folgendes Anliegen. Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion wünscht keine militärische Ausrüstungs- und Ausbildungshilfe außerhalb des Bündnisses. Ein militärisches Engagement der Bundesrepublik Deutschland außerhalb des Bündnisses, insbesondere in Afrika, erscheint uns überflüssig, ja, geradezu gefährlich. Im übrigen werden dafür nicht unerhebliche Mittel aufgewandt, die für andere Aufgaben zur Verfügung stehen sollten.
Der Herr Bundesminister der Verteidigung hat vor einiger Zeit zu diesem Problem Stellung genommen und hat die deutsche militärische Ausrüstungs- und Ausbildungshilfe als eine Entwicklungshilfe besonderer Art bezeichnet.
({1})
Darf ich bitten, dem Redner Gehör zu geben! Bitte, Herr Abgeordneter Wischnewski!
Ich darf hier in aller Deutlichkeit erklären, daß diese militärische Ausrüstungs- und Ausbildungshilfe in Entwicklungsländern mit Entwicklungspolitik nicht das geringste zu tun hat und daß wir uns sehr darum bemühen müssen, die beiden Dinge sehr klar und deutlich voneinander zu trennen, damit wir unserer eigenen Entwicklungspolitik, unserer sehr positiven Entwicklungshilfe keinen schlechten Dienst erweisen. Wer sich die Militärbudgets mancher Entwicklungsländer anschaut, der wird feststellen, daß sie derart hoch sind, daß sie die normale Entwicklung dieser Länder in sehr gefährlichem Maße beeinflussen.
Der Herr Bundesminister der Verteidigung hat in diesem Zusammenhang auch erklärt, daß die Bundesregierung diese militärische Ausrüstungs- und Ausbildungshilfe leistet, um ein besonders enges und freundschaftliches Verhältnis zu diesen Ländern herzustellen, denen die Hilfe gewährt wird. Leider gibt es Beweise dafür, daß genau das Gegenteil der Fall ist. Im vergangenen Jahr haben von den 13 arabischen Ländern zehn zur Bundesrepublik Deutschland aus den uns bekannten Gründen die diplomatischen Beziehungen abgebrochen. Drei Länder haben sie aufrechterhalten. Zu den zehn Ländern, die die diplomatischen Beziehungen abgebrochen haben, gehört das Land, das den größten Teil der deutschen militärischen Ausrüstungs- und Ausbildungshilfe erhalten hat, in einem ganz, ganz erheblichen Umfang. Diese Situation hat das Land nicht daran hindern können, die diplomatischen Beziehungen zur Bundesrepublik abzubrechen, während andere Länder von den 13 arabischen Ländern, die keine militärische Ausrüstungs- und Ausbildungshilfe von der Bundesrepublik erhalten und auch nicht verlangt haben, bereit waren, die diplomatischen Beziehungen aufrechtzuerhalten. Ich habe die Möglichkeit, später noch auf ein anderes Beispiel hinzuweisen.
Wir wollen mit unserem Antrag auch erreichen, daß Waffenlieferungen, Lieferungen von militärischem Material und Ausbildungshilfe nicht außerhalb des in Artikel 6 des NATO-Vertrages festgelegten geographischen Raumes erfolgt. Um hier ein ganz klares Beispiel zu sagen: Auch dann, wenn innerhalb des Bündnisses Hilfen erfolgen, legen wir Wert darauf, daß z. B. deutsche Waffen und deutsches militärisches Gerät nicht in Angola, nicht in Mozambique und auch nicht in PortugiesischGuinea gebraucht werden dürfen. Die Bundesrepublik Deutschland kann mit dieser Auseinandersetzung nicht das geringste zu tun haben.
Soweit rechtskräftige Verpflichtungen mit Zustimmung des Bundestages, bzw. seiner dafür zuständigen Gremien, eingegangen sind, sollen diese selbstverständlich erfüllt werden. Neue Verpflichtungen dürfen nicht eingegangen werden, insbesondere nicht ohne Zustimmung der zuständigen Gremien.
Punkt 4 unseres Antrages ist praktisch bereits erfüllt. Es ist in der Zwischenzeit eine neue Situation eingetreten. Seit den Haushaltsplanberatungen ist beschlossen worden, daß sowohl der Außenpolitische Ausschuß als auch der Haushaltsausschuß ihre Zustimmung zu erteilen haben. Das ist eine Änderung der Situation. Bisher war nur von einer Information die Rede.
Wir wollen darüber hinaus mit unserem Antrag erreichen, daß auch bei privaten Ausfuhren von Waffen nach den gleichen Grundsätzen gehandelt wird, daß die Praxis, die zur Zeit angewandt wird, überprüft wird und daß die Bundesregierung bereit ist, dem Bundestag über die jetzige Praxis und ihre Handhabung zu berichten.
Lassen Sie mich bitte einige wenige praktische Beispiele aus der bisherigen deutschen Ausbildungs- und Ausrüstungshilfe vortragen, um daran zu beweisen, warum wir an einer Änderung der gegebenen Praxis interessiert sind.
Ich habe bereits darauf hinweisen können, daß das Land, das bisher am meisten von der deutschen militärischen Ausbildungs- und Ausrüstungshilfe profitiert hat, nämlich der Sudan, inzwischen die diplomatischen Beziehungen zu uns abgebrochen hat; es bestehen keine. An den Sudan sind auch Waffen geliefert worden. Ein Teil der Waffen,
meine sehr verehrten Damen und Herren, ist dann später in einem anderen Lande aufgetaucht, nämlich bei den Rebellen im Kongo. Wir haben nicht die Garantie dafür in der Hand haben können, etwas Derartiges zu verhindern. Das beweist, in welch überaus schwierige Situationen man damit kommen kann.
Ein anderes Beispiel ist Somalia. Die Bundesrepublik rüstet die Polizeikräfte in Somalia aus, die Sowjetunion im selben Lande die Armee. Es ist übrigens fraglich, ob es eine gute Sache ist, wenn wir auf diese Art und Weise in einem Lande in der Dritten Welt mit der Sowjetunion in Konkurrenz treten. Aber Somalia hat mit seinen beiden Nachbarstaaten, mit Äthiopien und mit Kenia, in erheblichem Umfange Grenzschwierigkeiten. Die Bereitschaft, Somalia zu helfen, das sich in einem Spannungsraum befindet, hat dazu geführt, daß sich die Bundesregierung hat Bereiterklären müssen, auch Äthiopien und Kenia Zusagen zu machen. Das beweist, in welche Situationen man kommt, wenn man einmal damit beginnt.
Ein drittes Beispiel ist Nigeria. Ich darf feststellen, daß der Hauptteil der finanziellen Lasten zwar von Nigeria selbst getragen wird, daß wir aber die Ausbilder für die Luftwaffe stellen, daß sich nach wie vor Offiziere, Unteroffiziere und Mannschaften der Bundeswehr in Nigeria befinden. Meine sehr verehrten Damen und Herren, in welche Situationen man dort kommen kann, haben uns die letzten Wochen gezeigt. In Nigeria hat ein Militärputsch stattgefunden, der Ministerpräsident, der der Bundesrepublik besonders verbunden war, und eine Reihe von Ministern sind ermordet worden, zur selben Zeit, als der stellvertretende Oberbefehlshaber der Luftwaffe Nigerias ein deutscher Offizier war. Ich weiß, daß die Bundesregierung für diese schwierige Situation, in die wir dort gekommen sind, nichts kann. Ich möchte nur grundsätzlich aufzeigen, in welch gefährliche Situationen man hineinkommen kann, wenn man auf diesem Gebiet Aktivitäten ausübt. Unsere Offiziere, Unteroffiziere und Soldaten befinden sich nach wie vor in Nigeria, in Kadoua, in der Nordregion des Landes. Wer die Entwicklung in den letzten Tagen mit Aufmerksamkeit verfolgt hat, wird festgestellt haben, daß es dort bedauerlicherweise harte innere Auseinandersetzungen gibt. In den letzten Tagen ist es leider zu so harten Auseinandersetzungen gekommen, daß mehr als 500 Tote gerade in dem Raum, in dem sich die Bundeswehr befindet, zu verzeichnen sind.
Das gilt nicht nur für Nigeria, das Land, dem wir alle wünschen, daß es bald wieder zu seiner inneren Ruhe findet, sondern das gilt nahezu für den ganzen afrikanischen Kontinent. Dieser Kontinent ist insgesamt noch ein Spannungsgebiet; dieser Kontinent ist noch nicht zur Ruhe gekommen. Überall, wo man sich militärisch engagiert, setzt man sich damit automatisch einer gewissen Gefahr aus.
Die Bundesrepublik hat militärislche Hilfe - Ausbildungs- und Ausrüstungshilfe - auch an Tansaniageleistet. Aus politischen Gründen ist dann diese militärische Ausrüstungs- und Ausbildungshilfe an Tansania eingestellt worden. Das bedeutet im wesentlichen, daß die ausbildenden Offiziere, Unteroffiziere und Mannschaften abgezogen worden sind, daß aber das deutsche Material - hier insbesondere vier Boote, eine Reihe von Flugzeugen, ein ganzer Werkstattzug - im Werte von mehreren Millionen Mark dort stehengeblieben ist und nun verrottet. Ich will damit sagen: auch hier ist ein Beispiel dafür gegeben, in welche Schwierigkeiten man kommen kann.
Wir haben alle - ich bekenne mich dazu, ich gehöre auch zu denjenigen - das Beispiel der deutschen militärischen Ausrüstungs- und Ausbildungshilfe im Falle Guinea als besonders positiv empfunden. Hier ist die Bundeswehr eingesetzt worden zur Ausbildung von Pionieren, zum Straßenbau, zur Lieferung von Pioniergut. Das war eine gute Angelegenheit, und wir haben dem alle sehr positiv gegenübergestanden. In der Zwischenzeit treten aber auch hier politische Schwierigkeiten auf. In diesem Lande ist Herr Nkrumah aufgetaucht. Das hat dazu geführt, daß es erhebliche Differenzen mit den Nachbarländern gibt, insbesondere mit der Elfenbeinküste, mit der die Bundesrepublik auch sehr freundschaftliche Beziehungen hat. Nun kommen aus dieser Ecke Vorwürfe gegen die Bundesrepublik wegen der militärischen Hilfe an Guinea.
Im übrigen darf ich ehrlich sagen: wenn hier von der Bundeswehr eine Gerberei, eine Schuhfabrik, eine Kleiderfabrik und eine Kfz-Reparaturwerkstätte errichtet worden sind, dann sind das nach meiner Auffassung Aufgaben, die ohne weiteres im Rahmen der normalen technischen Hilfe der Bundesrepublik gelöst werden konnten; dazu bedarf es nicht der Bundeswehr.
Am Montag hat sich die „Frankfurter Allgemeine Zeitung" sehr ausführlich, sehr fundiert und sehr sachlich mit dieser Frage beschäftigt. Ich komme nur darauf zurück, weil darin ein wesentlicher Fehler unterlaufen ist. Dort ist berichtet worden, daß Waffen überhaupt niemals geliefert worden seien. Das stimmt nicht. Im Rahmen der ersten Vereinbarung sind auch Waffen geliefert worden. Die Bundesregierung hat in dieser Frage ihre Meinung erfreulicherweise bereits geändert. In der Zwischenzeit werden keine Waffen mehr geliefert, sondern nur noch militärisches Material. Ich darf das als einen ersten Schritt zur Lösung des ganzen Problems begrüßen.
Ich darf noch einmal sagen, was wir mit unserem Antrag erreichen wollen. Wir wollen erstens nicht, daß sich die Bundesrepublik Deutschland, insbesondere die Bundeswehr, durch diese Art der Hilfe in anderen Erdteilen in durchaus gefährliche Abenteuer stürzt. Erheblicher Schaden ist bereits entstanden. Die Bundesrepublik soll vor weiterem Schaden geschützt werden.
Zweitens: Da man begonnen hat, einigen Ländern - insbesondere in Afrika - zu helfen, ist natürlich bei anderen eine Begehrlichkeit entstanden. Wir wollen der Bundesregierung helfen, denen, die noch weitere militärische Ausrüstungs- und Ausbildungshilfe von uns haben wollen - und das sind viele -,
ganz klar und eindeutig zu sagen: Der Deutsche
Bundestag will das nicht, der Deutsche Bundestag ist
nicht bereit, sich auf diesem Gebiet zu engagieren.
Drittens: Es kommt darauf an, auch die finanzielle Seite zu betrachten. Ich darf Ihnen sagen, daß sie gar nicht so gering ist, wie von einigen Damen und Herren des Hauses angenommen wird. Die Summe der Verpflichtungen außerhalb des Bündnisses-und ich spreche nur über militärische Ausrüstungs- und Ausbildungshilfe außerhalb des Bündnisses; innerhalb des Bündnisses ist die Situation völlig geklärt - beträgt um 300 Millionen DM. Das ist ein erheblicher Betrag. Ich bin der Meinung, daß wir diese Mittel gut für andere Dinge einsetzen können. Falls außerordentliche Umstände eintreten und wir glauben, daß ein Fall vorliegt, in dem eine deutsche Hilfe gewährt werden soll, muß die Bundesregierung die notwendige politische und haushaltsrechtliche Beschlußfassung herbeiführen. Ich darf hier allerdings in aller Deutlichkeit sagen: Bei den bisherigen Engagements der Bundesregierung scheinen mir Ausnahmeregelungen nicht notwendig gewesen zu sein.
So viel zu unserem ersten Antrag.
Eine ganz kurze Begründung auch zu dem zweiten Antrag der Fraktion der SPD Drucksache V/691, Entwurf eines Zweiten Ausführungsgesetzes zu Artikel 26 Abs. 2 des Grundgesetzes - Gesetz über die Beteiligung Deutscher an der Herstellung und dem Vertrieb von Waffen außerhalb des Bundesgebietes -. Ich darf Sie daran erinnern, meine Damen und Herren, daß die Bestimmung des Grundgesetzes wie folgt lautet:
Zur Kriegführung bestimmte Waffen dürfen nur mit Genehmigung der Bundesregierung hergestellt, befördert und in Verkehr gebracht werden. Das Nähere regelt ein Bundesgesetz.
Ein solches Bundesgesetz ist, soweit es unser besonderes Anliegen betrifft, bisher nicht erlassen worden. Deshalb dieser Gesetzentwurf der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion, der dem Hause nun zum zweitenmal vorgelegt wird, denn der gleiche Antrag hat bereits in der 4. Legislaturperiode vorgelegen.
Wir wünschen nicht, daß Deutsche an der Herstellung und dem Vertrieb von Waffen zur Kriegführung außerhalb des Bündnisses - auch das muß hier in aller Deutlichkeit gesagt werden: außerhalb des Bündnisses - beteiligt sind. Deshalb lautet der § 1 unseres Gesetzentwurfs:
Deutschen im Sinne des Grundgesetzes ist es verboten, im Ausland zur Kriegführung bestimmte Waffen zu entwickeln, herzustellen, an ihrer Herstellung mitzuwirken oder in den Verkehr zu bringen.
Das ist völlig klar und eindeutig.
Wir sagen dann weiter: Die Bundesregierung kann auf Antrag im Einzelfall Ausnahmegenehmigungen erteilen. Solche Ausnahmen sind nur für Länder möglich, mit denen die Bundesrepublik Deutschland in einem Bündnisvertrag steht. Die Bundesregierung hat also nach unserer Auffassung hier zu entscheiden. Wir haben uns in unserem Entwurf dafür ausgesprochen, daß die Zuständigkeit bei dem Herrn Bundesaußenminister liegen soll. Auf diese Weise hat die Bundesregierung die Möglichkeit, die Tätigkeit auf diesem Gebiet unter Kontrolle zu bekommen.
Unser Entwurf sieht auch Regelungen für den Fall vor, daß vorsätzlich gegen die Bestimmungen dieses Gesetzes verstoßen wird. Eine vorsätzliche verbotene Tätigkeit ohne Ausnahmegenehmigung soll zu Gefängnis- und Geldstrafen führen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich darf Sie an die schwierige Situation erinnern, in die wir durch das Engagement von Deutschen in Ländern außerhalb des Bündnisses vor zwei Jahren gekommen sind. Wir wollen für die Zukunft - ohne ein bestimmtes Land anzusprechen - derartige Schwierigkeiten verhindern. Wir glauben, daß dieser Gesetzentwurf geeignet ist, das Problem zu regeln.
({0})
Damit ist die Begründung abgeschlossen.
Ich eröffne die Debatte. - Das Wort hat der Abgeordnete Kliesing.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir einige kurze Bemerkungen zu dem Antrag der SPD Drucksache V/535. Ich kann mich deshalb kurz fassen, weil sich eine Diskussion in diesem Hause und auch in der Öffentlichkeit schon vor einiger Zeit vollzogen hat und weil ich der Auffassung bin, daß die hier angesprochenen Probleme noch einer sehr sorgfältigen Behandlung im Ausschuß bedürfen.
Sicherlich wirft dieser Antrag Probleme mannigfacher Art auf, solche außenpolitischer, finanzpolitischer und im Hinblick auf Punkt 5 auch wirtschaftspolitischer Natur. Ich möchte die finanziellen und wirtschaftlichen Aspekte, die hier gestellt sind, keineswegs bagatellisieren, meine aber, daß es der Natur der Sache gerecht wird, wenn ich mich in meinen Ausführungen auf die Fragen außenpolitischer Natur beschränke.
Zweifellos handelt es sich hier um sehr delikate Probleme. Der Kollege Wischnewski hat auf Grund der Erfahrungen - wir haben auf diesem Gebiet in diesem Hohen Hause ja gemeinsame Erfahrungen gesammelt - schon mit einem gewissen Recht auf die Schwierigkeiten hingewiesen, die sich in der Vergangenheit ergeben haben und zum Teil noch fortbestehen.
Allerdings sollte man, so glaube ich, auch einen anderen Tatbestand nicht übersehen. Mir scheint es doch so zu sein, daß ein sehr großer Teil der bestehenden Schwierigkeiten und Sorgen und Gefahren bereits durch Maßnahmen der Bundesregierung ausgeräumt wurde. Kollege Wischnewski hat auf die Erfahrungen mit dem Sudan und auf den Endverbleib dieser Waffen hingewiesen. Dazu meine ich, daß hier inzwischen doch Vorsorge dadurch getroffen wurde, daß in die anstehenden Verträge
Dr. Kliesing ({0})
die sogenannte Endverbleibklausel eingefügt wurde, die garantieren soll, daß mit dem, was die deutsche Regierung tut und leistet, nicht ein von uns nicht zu verantwortender Mißbrauch getrieben wird.
Noch wichtiger aber scheint mir eine zweite Maßnahme der Bundesregierung zu sein, die nämlich dahin zielt, daß eine militärische Ausrüstungs- und Ausbildungshilfe nicht in solchen Teilen der Erde geleistet werden sollte, die ein Spannungsgebiet darstellen oder möglicherweise, soweit man das politisch übersehen kann, in absehbarer Zukunft ein Spannungsgebiet werden könnten. Gewiß, man ist gegen politische Überraschungen nie gesichert. Das gilt aber nicht nur für Afrika, sondern, wie ich meine, für die heutige Weltpolitik als Ganzes.
Herr Kollege Wischnewski, Sie haben auf der einen Seite gesagt, die Ausbildungshilfe, die wir dem Lande Guinea hätten zuteil werden lassen, verdiene doch eine positive Bewertung, und auf der anderen Seite haben Sie gesagt, selbst in diesem Falle habe es aber doch gewisse Schwierigkeiten gegeben, weil inzwischen Nkruma dahingegangen sei und die Elfenbeinküste nun etwas verschnupft sei. So bedauerlich das sein mag: wenn wir etwas derartiges zum Maßstab unserer Außenpolitik machen, dann, glaube ich, können wir nicht nur auf dem Gebiete der militärischen Ausbildungshilfe, sondern schlechthin eine außenpolitische Initiative eigentlich überhaupt nicht mehr wagen und verurteilen uns selbst zu einer außenpolitischen Passivität.
Ich will damit das, was Sie hier angeführt haben, in seiner Bedeutung keineswegs herabmindern. Ich habe manches von dem, was Sie hier ausgesagt haben, in ähnlicher Weise gesehen und sehe es auch noch so. Es bleibt einiges an Problematik übrig, was, wie gesagt, im Ausschuß sehr sorgfältig zu prüfen ist. Aber ich warne davor, auf Grund einiger Beispiele - mögen sie noch so überzeugend sein - zu generalisieren. Was ich an Ihrem Antrag zu kritisieren habe, ist eben, daß er meines Erachtens geeignet ist, das Kind mit dem Bade auszuschütten.
Ich glaube fast, annehmen zu dürfen, daß diese Auffassung auch in Ihren eigenen Reihen ein gewisses Verständnis gefunden hat; denn sonst könnte ich mir nicht erklären, wie Sie Ihrer Nr. 1, die einegrundsätzliche Aussage trifft, die Nr. 4 folgen lassen können, die besagt, daß die Bundesregierung „künftig jegliche Absicht und Verpflichtung" - es handelt sich also um künftige Absichten und Verpflichtungen - „zur Militär- und Polizeihilfe an Staaten außerhalb des Nordatlantik-Vertrages" außerhalb des Nordatlantik-Vertrages! - „dem deutschen Bundestag zur politischen und haushaltsrechtlichen Beschlußfassung vorlegen" soll. Mit dieser Nr. 4 bin ich durchaus einverstanden.
Zu der Grundsatzerklärung der Nr. 1 aber, die durch die Nr. 4 in ihrem Aussagewert erheblich eingeschränkt wird, möchte ich folgendes sagen. Auf Grund der allgemeinen weltpolitischen Lage, insbesondere auf Grund der Spaltung Deutschlands, ist unsere außenpolitische Bewegungsfreiheit bekanntlich in einem außergewöhnlichen Maße ,eingeschränkt. Es stellt sich hier die Frage, ob wir angesichts dieser bereits so sehr eingeschränkten außenpolitischen Bewegungsfreiheit nun noch hingehen und durch eine derartige generelle Erklärung die uns verbliebene außenpolitische Bewegungsfreiheit freiwillig noch mehr einschränken sollen. Dagegen - das muß ich allerdings sagen - habe ich ,außerordentliche Bedenken.
Nicht jedes Petitum, das an uns herangetragen wird, ist von vornherein problematisch. Jedes Petitum, das an uns herangetragen wird, sollte angesichts der Schwierigkeiten, die hier nun einmal vorliegen, sorgfältig geprüft werden. Daß die Bundesregierung das tut, davon, glaube ich, haben sich die Mitglieder ,des Außenpolitischen Ausschusses dieses Hohen Hauses noch in der vorigen Woche überzeugen können, als uns das Auswärtige Amt eine derartige, sehr detaillierte Übersicht zur Kenntnis gebracht hat.
Ich fasse zusammen: keine generelle Regelung, wohl aber eine sorgfältige und von allem politischen Verantwortungsbewußtsein, das hier vonnöten ist, getragene Prüfung von Einzelfällen, wobei sowohl das Budgetrecht des Parlaments als auch die von ihm getragene Mitverantwortung auf außenpolitischem Gebiet die Grundlage für gemeinsame Beratungen von Bundesregierung und Parlament in der geeigneten Form bilden sollten, d. h. in einer Form, die im Hinblick auf den schwierigen und delikaten Charakter der hier angesprochenen Frage zweckmäßig erscheint.
In diesem Sinne beantrage ich die Ausschußberatung.
({1})
Herr Abgeordneter Schultz für die Freien Demokraten zu Punkt 13 a.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin der Meinung, daß dieser Antrag der sozialdemokratischen Fraktion ohne Zweifel nützlich ist, um über die Erörterungen, die bisher schon im Hause über militärische Ausrüstungshilfe stattgefunden haben, hinaus das Problem als solches im einzelnen noch im Ausschuß zu vertiefen. Denn ich glaube nicht - und damit schließe ich mich an sich dem an, was Herr Kollege Kliesing vorher schon sagte -, daß man diesen sehr verschiedenartigen Problemkreisen mit Generalisierung beikommen kann. In diesem Antrag sind ja mehrere Dinge enthalten, einmal das Problem der militärischen Ausrüstungs- und Ausbildungshilfe, andererseits darin involviert die Verwertung überschüssiger Waffen der Bundeswehr und schließlich auch der kommerzielle Export von Waffen, die in Deutschland produziert werden. Alle diese Dinge hängen miteinander zusammen; aber sie sind doch wiederum in einzelnen Problemen voneinander getrennt. Schließlich involvieren alle drei Dinge immer wieder auch die Verantwortung der Bundesregierung. Insofern meine ich, daß dieser sehr apodiktische Antrag in der Tat
Schultz ({0})
die Bewegungsfreiheit der Bundesregierung in einem Maße einengt, das ihr eigentlich nicht zuzumuten ist und wobei man sich überlegen muß, inwieweit hier die beiden Gewalten der Exekutive und Legislative miteinander vermischt werden.
Sie werden sich vielleicht erinnern, daß wir uns im Jahre 1965 schon über diese Probleme hier anläßlich der Nahostkrise unterhalten haben und daß damals auch diese Frage, nämlich die verfassungsrechtliche Frage, eine Rolle gespielt hat. Außerdem stellt nun der Antrag der SPD eine mögliche Waffenhilfe bzw. Ausrüstungshilfe allein auf die Staaten des Nordatlantikpaktes ab.
Wenn ich auch weitgehend dem zustimme, was Herr Kollege Wischnewski über Afrika gesagt hat, so muß man doch wissen, daß ja auch Waffen an, sagen wir, Staaten in Europa geliefert werden können, die nicht dem Bündnis angehören. Was soll mit denen geschehen; was soll mit diesem Problem als solchem geschehen? Wir wissen auch, daß sich die Ausrüstungshilfe auf ein Land im Vorderen Orient erstreckt, ein Land, zu dem wir sehr lange und enge freundschaftliche Beziehungen haben. Ich weiß nicht, wie es dort aufgenommen würde, wenn wir die zugesagte Hilfe, die auch schon den Auswärtigen Ausschuß und den Haushaltsausschuß passiert hat, dort nicht gewähren wollten. Dort kann diese Hilfe nicht in Form eines Krankenhauses oder einer Gewerbeschule oder von sonst etwas gewährt werden, sondern sie bezieht sich eben auf Handfeuerwaffen und auf Ausstattung eines schon vorhandenen Arsenals. Ich meine also, daß man sich in der Tat vor Generalisierungen hüten muß.
Nun im einzelnen zu den verschiedenen Nummern des Antrages. Es scheint mir - das geht vielleicht aus dem hervor, was ich bisher gesagt habe - in der Beratung zu klären zu sein, was nun in der Tat das Wort „grundsätzlich" in Nr. 1 des Antrages bedeutet, inwieweit also hier Ausnahmen vom Grundsatz, von der Regel zugelassen werden. Es ist weiter zu erklären, was Waffen sind. Sind darunter auch Waffen für polizeiliche Zwecke zu verstehen? Der SPD-Vorstand hatte am 19. Februar in einer Veröffentlichung bekanntgemacht, daß Handfeuerwaffen, Ausrüstung und Fahrzeuge sowie Ausbildungshilfe ausschließlich für polizeiliche Zwecke von den gewünschten Beschränkungen ausgenommen werden sollen. Das ist nun in diesem Antrag nicht mehr enthalten. Es ist also auch hier zu fragen, inwieweit man noch zu diesem Beschluß des Vorstandes der SPD steht, ob er obsolet geworden ist, ob er keine Bedeutung mehr hat. In Nr. 3 scheint mir auch ein Widerspruch in sich selbst zu bestehen, nämlich darin, daß zwar gesagt wird, daß die eingegangenen Verpflichtungen erfüllt werden sollen, auf der anderen Seite aber in Satz 2 gefordert wird, daß etwaige Erweiterungen, zeitliche Verlängerungen ausschließlich nach Nr. 1 und 2 des Antrages vorgenommen werden sollen. Auch hier muß uns eine nähere Begriffsbestimmung noch gesagt werden; denn wir wissen ja, daß sich die Erfüllung der bisher eingegangenen Verpflichtungen auf einen längeren Zeitraum erstreckt.
Sicher soll man sich auf die Länder, mit denen wir in dieser Beziehung in Verbindung getreten oder die an uns herangetreten sind, beschränken; und es ist ganz sicher, daß neue Verpflichtungen mit anderen Ländern, die eingegangen werden sollen, vorher vom Parlament gebilligt werden sollten, bevor die Bundesregierung ihre Zustimmung überhaupt geben kann. Allerdings ist ja - das hat Herr Kollege Wischnewski schon ausgeführt - dadurch, daß die Zustimmung des Auswärtigen Ausschusses und des Haushaltsausschusses notwendig ist, ein großer Teil unserer Wünsche schon erfüllt worden.
In Nr. 5 beschäftigt sich der Antrag mit der deutschen Rüstungsindustrie. Wenn man das Wort „deutsche Rüstungsindustrie" gebraucht, muß man sich allerdings klar sein, daß sie recht klein und beschränkt ist, daß sich also keine gewaltigen Vorstellungen damit verbinden können. Wir haben den Wunsch gehabt - und das war wohl auch der Wunsch des Hauses -, daß wir mit Hilfe dieser Industrie eigene Entwicklungen auf dem Waffengebiet möglich machen und daß wir uns eine Kapazität zur Instandhaltung der eigenen Waffen, der eingekauften Waffen und Waffensysteme schaffen. Wir wissen nun alle, daß die Bundeswehr allein nicht der Auftraggeber dieser Industrie sein kann, und es hat sich auf der anderen Seite schon ein gewisser Export entwickelt. Soll das nun alles abgeschnitten werden? Wollen wir dazu übergehen, daß in der Tat dieser Teil unserer deutschen Wirtschaft nur vom Verteidigungshaushalt alimentiert und unterstützt wird? Ich kann mir nicht gut vorstellen, daß das sinnvoll ist. Das würde, meine ich, dazu führen, daß wir nach wie vor in der technischen Entwicklung weitgehend vom Ausland abhängig bleiben und daß wir eigene Fähigkeiten und Möglichkeiten, die wir haben, nicht entsprechend ausnutzen können. Ich bin also der Meinung, daß auch hier die reine Beschränkung auf Lieferungen in NATO-Staaten und verbündete Staaten, im Bündnis mit uns befindliche Staaten, nicht ausgesprochen werden kann. Hier muß man wahrscheinlich doch von Fall zu Fall zu bestimmten Ausnahmeregelungen kommen.
Sicher hat die Bundesrepublik sich in all diesen Fragen eine weise Beschränkung aufzuerlegen, und ein behutsames Vorgehen ist notwendig. Ich meine aber,- und damit stimme ich mit Kollegen Kliesing überein -, wir können uns nicht aus der Politik heraushalten. Das ist nun einfach nicht möglich, und auch Ausrüstungshilfe ist natürlich ein Stück Politik. Wir meinen aber, daß immer wieder eine enge Abstimmung mit den Verbündeten bei Gewährung von Ausrüstungshilfe notwendig ist und daß dabei insbesondere die eigene Haushaltssituation beachtet werden muß. Diese ist sicher so, daß wir keine großen Sprünge machen können.
Wir glauben weiter, daß es notwendig ist, den Begriff „Spannungsgebiet" zu klären, denn das ist ein sehr vager Begriff. Es wäre sicher notwendig, darüber zu sprechen, was dann darunter fällt. Wir müssen uns in der Tat mit dem Problem der Verwertung des überschüssigen Bundeswehrmaterials beschäftigen. Wir müssen dann eine Entscheidung
Schultz ({1})
treffen: Wollen wir alles verschrotten, oder wollen
wir noch die Möglichkeit des Verkaufs offenhalten?
Ich glaube allerdings, daß wir uns auch mit dem Argument auseinandersetzen müssen, das da heißt: Wenn wir nicht die Hilfe geben, dann wird sie von anderer, uns politisch nicht wohlgesinnter Seite gegeben werden. Das hat ja in der Vergangenheit dazu geführt, daß wir in Schwierigkeiten hineingerieten, die wir gern vermieden hätten. Ich meine also, daß die Tendenz dahin gehen muß, uns zu offenherzig an uns herangetragenen Wünschen zu versagen. Eine starre Entscheidung wird aber in diesen Fragen nicht möglich sein, sie wird von Fall zu Fall getroffen werden müssen. Die Beurteilung dessen, was notwendig ist, hängt allerdings auch
von der ausreichenden Information - sachlichen Information - ab. Emotionen müssen hier weitgehend
aus dem Spiel bleiben.
Wie ich schon am Anfang sagte, halte ich es für begrüßenswert, daß dieser Antrag gestellt worden ist und daß wir nunmehr im Ausschuß die Möglichkeit haben, die Probleme, die mit der militärischen Ausrüstungshilfe, mit der Lieferung von Waffen zusammenhängen, in aller Offenheit bis ins - ich möchte es einmal so sagen - letzte Eßgefach hinein zu diskutieren. Mir scheint, daß der Hauptschaden, der uns in der Vergangenheit aus solcher Ausrüstungshilfe erwachsen ist, darin liegt, daß nicht. von Anfang an die Dinge ruhig und offen behandelt worden sind, die so hätten behandelt werden können. Das muß aber in Zukunft der Fall sein, dann werden wir auch die richtige Regelung finden.
({2})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Kopf zu Tagesordnungspunkt 13 b.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Antrag der Fraktion der SPD, der ein Gesetz über die Beteiligung Deutscher an der Herstellung und dem Vertrieb von Waffen außerhalb des Bundesgebietes vorsieht, ist in der gleichen Fassung und Form bereits dem 4. Deutschen Bundestag vorgelegt worden. Bereits damals sind zahlreiche Erwägungen rechtlicher und politischer Art angestellt worden, aber der Bundestag kam nicht mehr zur Verabschiedung dieses Antrages. Allerdings bestand damals eine Situation ganz besonderer Art; es war die Situation im Nahen Osten, kurze Zeit bevor die Bundesrepublik ihre diplomatischen Beziehungen mit Israel aufnahm.
Wenn dieser Antrag heute erneut in derselben Fassung eingereicht wird, dann bedarf es vor einer grundsätzlichen und politischen Entscheidung der Klärung bestimmter Vorfragen. Eine dieser Vorfragen lautet: Besteht in der heutigen Situation ein Bedürfnis, eine solche gesetzliche Regelung vorzunehmen, die der Bundesrepublik für die Zukunft in gewissem Umfange die Hände binden würde? Gibt es Deutsche, die heute noch in anderen Ländern bei der Herstellung von Waffen mitwirken, und in welcher Zahl gibt es solche Deutsche? Diese Fragen bedürfen der Klärung. Von dieser Klärung wird weitgehend auch die weitere Entscheidung abhängen, ob der Erlaß eines derartigen Gesetzes im jetzigen Augenblick als notwendig oder erwünscht anerkannt werden muß.
Die Fraktion der SPD hat in ihrem Antrag vorgesehen, daß eine Ausnahmegenehmigung von dem generellen Verbot in den Fällen erteilt werden kann, die sich auf eine Tätigkeit von Deutschen in Ländern beziehen, die mit der Bundesrepublik Deutschland einem gemeinsamen Verteidigungsbündnis angehören. Es ist zweifellos richtig und vernünftig, wenn der Bundestag ein generelles Verbot beschließen sollte, eine derartige Ausnahmeregelung durchzuführen. Aber es fragt sich dann, ob der Kreis dieser Ausnahmen nicht zu eng gezogen ist, ob es nicht notwendig ist, noch andere Ausnahmefälle vorzusehen. Würde man das aber tun, so würde die Systematik des Gesetzes durchlöchert.
Sosehr anerkannt werden soll, daß sich die Antragsteller Mühe gegeben haben, eine juristisch vertretbare Formulierung für das vorzusehende Verfahren zu finden, erscheint es doch fraglich, ob es für den Bundesaußenminister eine gute Aufgabe darstellt, gegenüber Ländern, zu denen die Bundesrepublik freundschaftliche Beziehungen unterhalten soll, Ausnahmegenehmigungen erteilen oder versagen zu müssen. Die Versagung einer Ausnahmegenehmigung kann sehr wohl als ein wenig freundlicher Akt angesehen werden. Es gehört aber zu den Aufgaben gerade des Außenministers, freundschaftliche Beziehungen zu anderen Ländern herzustellen.
Ich möchte mich nicht auf die rechtlichen Gesichtspunkte einlassen, die noch in den Ausschüssen eingehend behandelt werden müssen. Lassen Sie mich aber auf eines hinweisen. Wenn in dem Antrag die Umschreibung der zur Kriegsführung bestimmten Waffen einem anderen Gesetz, dem sogenannten Kriegswaffengesetz, entnommen ist, dann wird zu prüfen sein, ob eine derartige Umschreibung nicht als eine zu weitgehende Definition aufgefaßt werden müßte.
Alles in allem ist zu sagen, daß, bevor eine Entscheidung über die Grundsatzfrage, ob wir dieses Gesetz erlassen sollen, getroffen werden kann, die Klärung dieser Vorfragen notwendig ist. Die zuständigen Ausschüsse, vor allem der Auswärtige Ausschuß in vertraulicher Sitzung, werden zu prüfen haben, ob in Anbetracht der jetzigen Situation ein wirkliches Bedürfnis besteht, dieses Gesetz, so wie es beantragt worden ist, zu erlassen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Busse zu Punkt 13 b.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen, meine Herren! Die Überschrift „Entwurf eines Zweiten Ausführungsgesetzes zu Artikel 26 Absatz 2 des Grundgesetzes" besagt schon, daß bereits ein Ausführungsgesetz vorliegt. Nach Studium dieses Gesetzes glaube ich, es als ein wohlabgewogenes Gesetz bezeichnen zu können.
Busse ({0})
Ich gehe wohl auch nicht fehl in der Annahme, daß damals aus guten Gründen eine Regelung für Deutsche im Ausland nicht getroffen worden ist. Mein Vorredner hat schon einen Grund dafür angeführt: Ist es wirklich erforderlich, ein Strafgesetz - das ist doch die Quintessenz dieses ganzen Gesetzes - für einen Tatbestand zu schaffen, der unter Umständen gar nicht aktuell ist? Ich will hier den Ausführungen nichts weiter hinzusetzen. Es mag geprüft werden.
Darüber hinaus unterscheidet sich das jetzige Gesetz von dem vorhergehenden dadurch, daß es Handlungen von Deutschen im Ausland unter Strafe stellt, ein Faktum, dessen Realisierbarkeit mindestens erheblichen Bedenken unterliegt. Bleiben wir bei dem Beispiel, das uns in der vorigen Legislaturperiode beschäftigt hatte. Was hätte man ernsthaft gegen die Deutschen, die in Ägypten tätig waren, tun wollen, wenn wir das Gesetz gehabt hätten, um den Zwang, der hinter diesem Gesetz steckt, auch wirklich anzuwenden? Die Praktikabilität dieses Gesetzes scheint mir doch sehr problematisch zu sein.
Ein gewisses Kuriosum kommt hinzu. Trotz der Erschwerung der Praktikabilität, die darin liegt, daß es sich um Menschen handelt, die sich eben nicht in unserem Hoheitsgebiet aufhalten, hält man es für richtig, die Tatbestände, die man unter Strafe stellt, auszuweiten. Während nach dem bereits bestehenden Gesetz „die Herstellung und das Inverkehrbringen" von Waffen genehmigungspflichtig und gegebenenfalls unter Strafe zu stellen ist, will man
I jetzt auch das Entwickeln von Waffen, das bisher nicht strafbar ist, und die Mitwirkung an der Herstellung unter Strafe stellen. Ich sehe wirklich nicht ein - sowenig ich verkenne, daß dadurch, daß die Dinge sich im Ausland abspielen, gewisse Modifikationen möglich und nötig sind -, daß man nun umfangreichere Tatbestände gerade da aufstellt, wo die Einwirkungsmöglichkeiten der deutschen Behörden und Gerichte erheblich geringer sind. Ich glaube, das wird man zumindest als wenig glücklich bezeichnen können.
Hinzu kommt ein Letztes - auch das muß doch wohl in den Ausschußberatungen näher geklärt werden -: es handelt sich um die Frage, wann die Ausnahmegenehmigung erteilt werden soll. Es wurde bereits darauf hingewiesen, daß unter Umständen recht erhebliche politische Schwierigkeiten entstehen können, nicht so sehr bei der Erteilung der Ausnahmegenehmigung, als vielmehr bei der Versagung der Ausnahmegenehmigung. Daneben sehe ich aber noch eine andere Schwierigkeit, die damit verbunden ist. Sie liegt darin, daß diese Ausnahmegenehmigung ad personam erteilt werden soll, auf eine einzelne Person abgestellt. Unter Umständen werden eine Reihe von Personen einer kritischen Prüfung unterzogen, ob sie würdig, zuverlässig und ich weiß nicht was alles sind, im Ausland mitzuarbeiten, jedesmal abgestellt auf die einzelne Person. Auch das sollte man noch einmal sehr sorgfältig überlegen und ruhig prüfen, ob das überhaupt der richtige Weg ist, den Zielen des Gesetzes gerecht zu werden.
Am entscheidendsten scheint mir mein Anfangsbedenken gegen das Gesetz zu sein. Denn die Vergangenheit hat erwiesen, daß man manches regeln kann, ohne Strafgesetze zu schaffen. Soweit ich informiert bin, ist es tatsächlich gelungen, in Ägypten eine Regelung zu finden, die nicht zur Bestrafung, sondern zu dem geführt hat, was wir wollten. Und das scheint mir wichtiger zu sein.
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Das Wort hat der Herr Bundesaußenminister. - Ich danke dem Herrn Bundesaußenminister, daß er die Courtoisie hatte, seine Wortmeldung zeitlich etwas zurückzuziehen gegenüber Wortmeldungen von Mitgliedern dieses Hauses.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Erlauben Sie mir, daß ich ganz kurz zunächst einmal zu dem Antrag der Fraktion der Sozialdemokratischen Partei betreffend militärische Ausrüstungs- und Ausbildungshilfe ein paar Worte sage. Dieser Antrag wirft Fragen von erheblicher außenpolitischer Bedeutung auf, wie das die einzelnen Sprecher hier auch schon klargemacht haben. Da der Antrag sich zugleich auf die Ausfuhrkontrolle gemäß dem Kriegswaffenkontrollgesetz und auf die Verwertung von Überschußmaterial der Bundeswehr bezieht, sind auch finanzielle und wirtschaftliche Fragen von beträchtlichem Gewicht durch diesen Antrag berührt.
Die Bundesregierung begrüßt es, wenn die vorgesehene Überweisung des Antrages an die zuständigen Ausschüsse zu einer gründlichen Erörterung der angesprochenen Tatbestände und zu einer klärenden Prüfung des vorliegenden Antragstextes führt. Die Bundesregierung ist gern bereit, das Ihre dazu beizutragen dadurch, daß sie über Art und Umfang der bisher gewährten Ausrüstungs- und Ausbildungshilfe sowie über die Gründe und Richtlinien, von denen sie sich bisher dabei leiten ließ, den Ausschußmitgliedern umfassende Auskunft gibt. Die Bundesregierung ist allerdings - und das will ich hier gleich ganz deutlich sagen - nicht der Meinung, daß der Antrag in seiner jetzigen Form eine geeignete Richtlinie für unsere Politik auf dem Gebiete der Ausrüstungshilfe darstellt.
Nach dem Antrag der Fraktion der SPD sollen die NATO-Mitglieder im Hinblick auf Waffenlieferungen anders behandelt werden als die Nicht-NATO-Mitglieder. Genauer gesagt: in der Ziffer 1 des Antrags der SPD wird das Wort „grundsätzlich" verwendet, und es ist schon von meinen Vorrednern darauf verwiesen worden, daß zwischen Ziffer 1 und Ziffer 4 ein Zusammenhang besteht, der sich offenbar daraus erklärt, daß in der Ziffer 4 die Regelung eben nur als „grundsätzlich" angesehen wird und dann Ausnahmen davon behandelt werden.
Aber wenn auch eine Unterscheidung zwischen NATO-Mitgliedern und Nicht-NATO-Mitgliedern vom deutschen Standpunkt aus verständlich und in vielen anderen Fragen sogar sehr wichtig ist, wird
sie bei einigen der betroffenen Nicht-NATO-Mitglieder kein Verständnis finden können. Die Bundesregierung ist auf Grund dieser Erwägungen bereits bisher bei der Ausrüstungshilfe und bei der entgeltlichen Abgabe von Waffen dem Grundsatz gefolgt, in Zeiten akuter Spannungen in die betreffenden Gebiete keine Waffen zu liefern und andererseits auch bei NATO-Partnern durch die sogenannte Endverbleibsklausel sicherzustellen, daß die gelieferten Waffen im Hoheitsgebiet des Empfängerlandes verbleiben und nur für Zwecke des Nordatlantikpaktes selbst Verwendung finden.
Sicherlich ist es in der derzeitigen politischen Situation und auch angesichts unserer (besonderen politischen Lage, auf die vorhin hingewiesen worden ist, richtig, wenn im Prinzip keine Waffen in Spannungsgebiete geliefert werden. Die Bundesregierung hat daher auch Lieferungswünsche einer Reihe von Ländern abgelehnt. Aber, meine Damen und Herren, bei ,der Anwendung dieses Prinzips sollte nach der Art und dem Grade der Spannung gefragt werden, und es sollten die voraussichtlichen Auswirkungen einer Lieferung von Waffen ebenso geprüft werden wie die Folgen eines Lieferverbots. Schließlich sollte nach Art und Menge ebenso wie nach der Form des Liefergeschäfts differenziert werden, wobei zwischen einer unentgeltlichen Ausrüstungshilfe, zwischen regierungsseitigen Waffenverkäufen und Firmenexporten auf jeden Fall unterschieden werden muß.
Was im übrigen die Lieferung von Kriegswaffen gegen Entgelt anbelangt, so möchte ich darauf hinweisen, daß diese dem von dem Hohen Hause erlassenen Kriegswaffenkontrollgesetz unterliegt, so daß nach Ansicht der Bundesregierung dieser Teil des im vorliegenden SPD-Antrag angesprochenen Fragenkomplexes bereits ausreichend geregelt worden ist und es zusätzlicher Vorschriften, jedenfalls nach unserer Meinung, nicht bedarf.
Ich möchte hier nicht Stellung nehmen zu dem Entwurf eines Gesetzes über die Beteiligung Deutscher an der Herstellung und dem Vertrieb von Waffen außerhalb des Bundesgebiets. Diese Sache gehört, wie Sie wissen, in die Zuständigkeit meines Kollegen, des Bundesministers des Innern. Aber das, was die Bundesregierung zu dieser Vorlage meint, wird sie im Ausschuß vortragen. Ich selbst möchte für mich sagen, daß ich die hier von einigen der Kollegen dazu gemachten Anmerkungen durchaus unterstütze.
Meine Damen und Herren, das Hohe Haus ist sich ja darüber klar, daß es sich hier um sehr schwierige, sehr delikate Fragen handelt, die recht heiße Eisen darstellen und sich auch schon in der Vergangenheit als heiße Eisen 'gezeigt haben, so daß es gut sein wird, wenn wir darüber in voller Offenheit im Auswärtigen Ausschuß und in den anderen beteiligten Ausschüssen weiter sprechen. Ich glaube, daß wir dabei eine Linie finden werden, die sich nicht sehr unterscheidet von der, die wir schon jetzt befolgen.
({0})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Zimmermann.
Frau Präsidentin! Meine verehrten Damen und Herren! Ich darf mir erlauben, für die zweifellos langwierigen und intensiv zu führenden Ausschußberatungen zu diesem delikaten Gesamtkomplex noch einige zusätzliche Akzente zu setzen.
Zunächst zur Quantität. Insgesamt werden derzeit von mehr als 20 westlichen und östlichen Ländern in afrikanischen Staaten militärische Hilfsaktionen erbracht, und zwar in nicht weniger als 34 afrikanischen Ländern. Wir ersehen aus dieser Quantität, welche Bedeutung das Problem international hat.
({0})
- Darüber kann man durchaus sprechen, Herr Kollege Blachstein. Aber damit, daß wir es 'beklagen, schaffen wir das Gesamtproblem und die deutsche Position zu diesem Problem noch nicht aus der Welt.
Die Haushaltsansätze für die deutsche Ausrüstungshilfe haben sich ja keineswegs ständig nach oben entwickelt, sondern wir hatten z. B. 1964 125 Millionen DM im Haushalt, 1965 165,8 und 1966 nur mehr 110 Millionen DM. Allein daraus ersieht man wohl, wie behutsam diese ganze Frage von Regierungsseite und auch von der Seite des Parlaments angepackt worden ist.
Ganz sicher sind die Motive, unter denen westliche und östliche Länder solche militärische Ausrüstungs- und Ausbildungshilfe betreiben, außerordentlich verschieden. Aber das Gesamtproblem ist auch komplex.
Dort Wort „Spannungsgebiete", das in dieser Debatte mehrfach angeklungen ist, ist außerordentlich vielschichtig und entzieht sich als Begriff nach meiner Meinung einer klaren Definition. Wenn man den Verhütungsgesichtspunkt ins Auge faßt, nämlich die Verhinderung des Ausbruchs von Konflikten, dann könnte unter Umständen die Gewaltanwendung durch Zuführung von Waffen und Material an den Schwächeren, der regelmäßig nicht der Aggressor sein würde, zur politischen Stabilität und damit zur Verhütung von Gewaltanwendung im Einzelfall mehr beitragen als bloße Untätigkeit. Ich glaube, auch auf solche Gesichtspunkte muß man aufmerksam machen.
Wenn man die Meinung vertreten wollte, daß sich die Bundesrepublik, gleichgültig wann und wo, aus jeder Spannung herauszuhalten habe, so würde ein solcher, an sich vertretbarer Standpunkt konsequenterweise die Einstellung aller anderen Arten von Entwicklungshilfe bedingen. Die Einstellung solcher Entwicklungshilfe - darüber muß man sich klar sein - würde dann eine totale außenpolitische Manövrierunfähigkeit mit sich bringen.
Andererseits, meine Damen und Herren, ist auch wieder klar, daß man demjenigen, dem man Entwicklungshilfe irgendwelcher Art gewährt, damit die Möglichkeit verschafft, dadurch frei werdende
Beträge für seine Intentionen und Interessen und sehr oft natürlich für Waffenkäufe einzusetzen.
Der Klärung in den Ausschüssen bedarf wohl auch der Begriff der Waffe. Es gibt Waffen, die man auch bei Anlegung eines sehr strengen Maßstabs wirklich nur als Verteidigungswaffen ansehen kann und muß. Dazu gehören z. B. Panzerabwehrraketen, die nach meiner Auffassung für sonst nichts einsetzbar sind als zur Abwehr feindlicher Angriffe.
Die Notwendigkeit, diese Begriffe zu klären und insbesondere klarzustellen, was ein Spannungsgebiet ist, scheint mir auch noch aus einem anderen Grunde zu bestehen. Wenn man nämlich den Begriff „Spannungsgebiet" auf uns selbst, auf die Bundesrepublik Deutschland, angewandt hätte und nach wie vor anwendete, hätte es eine militärische Hilfe für uns überhaupt nie geben dürfen. Wir hätten dann eigentlich von niemandem, auch nicht von den Vereinigten Staaten oder sonst wem, ein einziges Gewehr bekommen dürfen. Denn ein Hauptspannungsgebiet in Europa waren wir bestimmt, und nach meiner Auffassung sind wir es noch.
Was tut man, meine verehrten Damen und Herren, denn nun eigentlich, wenn ein Staat, mit dem wir diplomatische Beziehungen unterhalten, wenn ein Staat, mit dem wir sogar befreundet sind, wenn ein Staat im Mittleren Orient, der auf allen großen internationalen Konferenzen unseren deutschen Standpunkt vertreten hat, zu uns kommt und sagt: „Wir tun uns mit der Abwehr des aggressiven sowjetischen oder chinesischen Kommunisten zunehmend schwer, und wir bitten euch, uns das und das zu liefern"? Kann man hier einfach mit den Schultern zucken und sagen: „Du bist ein Spannungsgebiet oder du wirst möglicherweise einmal ein Spannungsgebiet, wir können nichts für dich tun" ? Damit will ich sagen, daß diese Frage nach meiner Auffassung auch einen eminent ethischen und moralischen Gehalt hat und daß man sich nicht leichtfertig über solche Erwägungen und solche Bitten hinwegsetzen darf. Nach meiner Ansicht hat der SPD-Antrag die engste Auslegungsmöglichkeit des Begriffs „Spannungsgebiet" gewählt, und dagegen hätte ich doch große Bedenken.
Man wird, meine Damen und Herren, wie immer auch die künftige materielle Regelung aussehen wird, bei allen künftigen Grundsätzen von einer scharfen Trennung zwischen Ausrüstungshilfe und privaten kommerziellen Waffenlieferungen ausgehen müssen. Dabei wird zu berücksichtigen sein, daß die Rüstungsindustrie einen wesentlichen Teil zum sogenannten induzierten technischen Fortschritt einer Volkswirtschaft beiträgt und damit für das rasche Wachstum einer Volkswirtschaft von entscheidender Bedeutung sein kann. Das haben die Vereinigten Staaten, die Sowjetunion, Großbritannien und Frankreich längst erkannt. Da die Rüstungsindustrie wegen ihrer Kapitalintensität eine hohe Fixkostenstruktur hat, ist das Gesetz der Massenproduktion und damit bei beschränkter Aufnahmefähigkeit des Binnenmarktes auch der Export für sie und auch bei unserer Lage in der Bundesrepublik durchaus ein zwingendes Gebot.
Die drei großen Westmächte, die Vereinigten Staaten, England und Frankreich, und die Sowjetunion befinden sich seit längerer Zeit gerade im Nahen Osten geradezu in einem Wettlauf der Rüstung. Nach einem Bericht der Zeitschrift „Missile, Space Daily" vom 20. September 1965 beliefen sich die Waffenverkäufe der Vereinigten Staaten von Amerika während einer Laufzeit von vier Jahren auf 9,2 Milliarden Dollar. Auch England und Frankreich unternehmen auf diesem Gebiet die größten Anstrengungen. Kürzlich ist ein Auftrag in Höhe von 1,9 Milliarden DM in Saudi-Arabien plaziert worden, wo sich britische Firmen den größten Anteil gesichert haben.
Die Größenordnung des militärischen Programms Frankreichs geht aus einer Zusammenstellung von „Wehr und Wirtschaft", Heft 4/1965, hervor. Der Exportanteil militärischer Lieferungen Frankreichs betrug im Jahre 1954 allein 1,5 Milliarden Neue Francs, und Waffen wurden in rund sechzig verschiedene Länder geliefert.
Ich glaube, wenn man bei uns in Deutschland von „Spitzenforschung", „Spitzenentwicklung", „Spitzentechnik" spricht, darf man nicht vergessen, daß vieles von dem, was dann zu Standard und Wohlstand beiträgt, was uns die Konkurrenzfähigkeit auf den Märkten der Welt erhält, zunächst technisch und forschungsmäßig aus dem militärischen Bereich kommt, wie wir das bei den Vereinigten Staaten, vor allem aber auch bei Großbritannien und Frankreich ja immer wieder sehen.
Wir müssen deshalb dieses Problem auch unter diesen Gesichtspunkten betrachten; und das sind nicht primär militärische Gesichtspunkte, das sind eminent volkswirtschaftliche Gesichtspunkte im weitesten Sinne des Wortes.
Wegen der Bedeutung und Vielschichtigkeit der Gesamtproblematik bitte ich um Überweisung zur Mitberatung an den Verteidigungsausschuß.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Helmut Schmidt ({0}).
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ganz wenige Bemerkungen zur Motivation der beiden Vorlagen, die unsere Fraktion diesem Hause vorgelegt hat.
Sie, Herr Zimmermann, haben sich soeben mit der Vorstellung einiger hier in Bonn auseinandergesetzt, man könne die Waffenhilfe möglicherweise auf solche Gebiete beschränken, die nicht Spannungsgebiete seien. Ich möchte Sie darauf aufmerksam machen, daß in unseren Vorlagen dieser Ausdruck nicht vorkommt,
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sondern daß die Auffassung, gegen die Sie soeben kritisch Stellung genommen haben, diejenige des Bundeskanzlers vom 11. Februar des letzten Jahres war. Es ist notwendig, das in Erinnerung zu rufen. Sie haben nicht zu dieser Seite des Hauses gesprochen, sondern eigentlich mehr zur Regierungsbank hin. Wir teilen Ihre Meinung, daß die damalige AufSchmidt ({1})
fassung des Bundeskanzlers, man solle in Spannungsgebiete nicht liefern, aus zwei Gründen eine nicht ausreichende Definition ist. Zum einen ist es ja so: Unsere NATO-Partner können in Spannungen geraten, und dann sind wir ihnen gegenüber zum Beistand verpflichtet. Es ist völlig undenkbar, zu sagen: „Wir werden dir nicht helfen, weil du, NATO-Verbündeter, in einer Spannung bist". Im Gegenteil! Wir haben uns ja im Vertrag gerade verpflichtet, ihm dann zu helfen, falls er in Spannungen gerät. Insoweit ist also die Erklärung des Bundeskanzlers vom 11. Februar 1965 nicht zu Ende gedacht. Wenn man sie zu Ende denkt, kommt man zu dem Ergebnis, daß sie dem Geist und dem Sinn des NATO-Vertrages widerspricht. Im übrigen reicht die Aussage „wir liefern nicht in Spannungsgebiete" eben auch deswegen nicht aus, weil man nicht im Vorwege weiß, wo ein Spannungsgebiet entstehen wird. Die Beispiele, die Herr Wischnewski hier gegeben hat, sind von niemandem widerlegt oder angegriffen oder bezweifelt worden, und er hat weiß Gott eine sehr hohe Sachkenntnis auf diesem Gebiet.
Wir hätten diese Anträge auch deshalb vorlegen müssen, Herr Schröder, weil die Bundesregierung durch den Mund des Staatssekretärs von Hase am 8. Februar vorigen Jahres angekündigt hat, die Bundesregierung werde den Bundestag befassen - ich zitiere - „mit der Festlegung sehr klarer Regeln für die Frage deutscher Militärhilfe an das Ausland". Das ist eben nicht geschehen, und die Ankündigung ist nun anderthalb Jahre alt. Wir möchten mit unseren beiden Anträgen nichts weiter, als diese, wie alle Beteiligten mit Recht .gesagt haben, auf verschiedenen Gebieten sehr schwerwiegenden Probleme einer umfassenden, „klaren Regelung" zuzuführen.
Aus diesem Grunde ist z. B. der Antrag Drucksache V/535, relativ dehnbar gefaßt. Verschiedene Redner haben mit Recht darauf hingewiesen, daß hier im Verhältnis der Absätze 1 und 4 zueinander eine gewisse Dehnbarkeit liegt. Diese sollte aber auch drinliegen. Wir haben mit Absicht - das darf ich Herrn Kollegen Schultz sagen - eine Reihe von Einzelheiten nicht hineingeschrieben, über die wir uns auch schon Meinungen gebildet haben. Wir meinen, daß hier eine Grundlage gegeben ist, um den Versuch zu machen, jene „sehr klaren Regeln" vielleicht gemeinsam zu finden, die uns die Bundesregierung vor anderthalb Jahren angekündigt hat.
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Der Herr Bundesaußenminister noch einmal!
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Es ist natürlich immer schwierig, wenn in einer Debatte aus Erklärungen zitiert wird, die so weit zurückliegen wie im vergangenen Jahr - das ist in der Politik schon ziemlich weit -, dazu gleich Stellung zu nehmen. Aber soweit ich mich daran erinnere, bezogen sich selbstverständlich alle Erklärungen, die der Bundeskanzler damals abgegeben hat, nicht etwa auf den NATO-Bereich und NATO-Gebiete.
Das wäre in der Tat sinnwidrig gewesen, und das brauche ich wohl nur noch einmal zu unterstreichen. Wenn damals der Sprecher der Bundesregierung klare Regeln für Militärhilfe angekündigt hat, dann ist vom Standpunkt der Bundesregierung aus zu sagen, daß die Bundesregierung in diesem Bereich ganz klare Regeln befolgt und auch bei den Unterhaltungen, die in der Zwischenzeit über diesen Bereich stattgefunden haben, diese klaren Regeln deutlich ausgedrückt hat. Ich habe vorhin schon gesagt: wir haben nichts dagegen, daß darüber im Ausschuß ausführlicher gesprochen wird; nur möchte ich klar machen, daß die Bundesregierung nicht erst neue Ideen und neue Leitlinien braucht, sondern daß sie Ideen hat und bestimmte Leitlinien befolgt. Sie wird das im Ausschuß darlegen.
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Wir sind am Ende der Rednerliste. Ich komme zu den Ausschußüberweisungen.
Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, die unter Tagesordnungspunkt 13 a vorliegende Drucksache V/535, Antrag der Fraktion der SPD betreffend militärische Ausrüstungs- und Ausbildungshilfe, an den Auswärtigen Ausschuß - federführend - und zur Mitberatung an den Verteidigungsausschuß zu überweisen. Wer dafür ist, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer ist dagegen? - Wer enthält sich?
- Einstimmig so beschlossen.
Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, die unter Tagesordnungspunkt 13 b vorliegende Drucksache V/691 an den Rechtsausschuß - federführend - und an den Innenausschuß und den Auswärtigen Ausschuß zur Mitberatung zu überweisen.
Wer dafür ist, den bitte ich um das Handzeichen.
- Gegenprobe - Enthaltungen? - Es ist einstimmig so beschlossen.
Ich rufe Punkt 16 der Tagesordnung auf:
Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Internationale Polizeikonvention
- Drucksache V/643 Zur Begründung wünscht Herr Abgeordneter Lautenschlager das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Seit dem Herbst 1963 versucht meine Fraktion, die Bundesregierung mit entsprechenden Anträgen zu veranlassen, in der Frage einer Internationalen Polizeikonvention als Ergänzung und Klarstellung zur Haager Landkriegsordnung und zur Vierten Genfer Konvention initiativ zu werden. Unser Antrag Drucksache 1505 der 4. Wahlperiode wurde nach Behandlung im Innenausschuß und im mitberatenden Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten zwar im Grundsatz gebilligt; aber eine Anregung an die Bundesregierung, initiativ zu werden, wurde abgelehnt..
Auf Grund dieses in einem wesentlichen Punkt veränderten Antrages, der vom Plenum auf Empfeh2452
lung des Innenausschusses am 12. Mai 1965 angenommen wurde, erstattete die Bundesregierung am 30. März dieses Jahres mit der Drucksache V/496 einen Bericht, der im wesentlichen eine Darstellung der von außen an die Bundesrepublik herangetragenen Initiativen, Anfragen und Anregungen gibt und sich mit den Beratungsergebnissen der XX. Internationalen Rotkreuz-Konferenz in Wien befaßt. In einem weiteren Kapitel zählt die Bundesregierung die Ergebnisse von Fühlungnahmen mit den Regierungen verbündeter und befreundeter neutraler Staaten auf, die bis zum Zeitpunkt des Berichts von drei Staaten vorlagen. Abschließend versprach die Bundesregierung, von sich aus wieder auf die Angelegenheit zurückzukommen und dem Bundestag erneut zu berichten. Im übrigen wollte sie dem Problem im Rahmen der Bemühungen des Internationalen Roten Kreuzes ihre besondere Aufmerksamkeit widmen.
Diese schleppende Behandlung der sehr wichtigen Frage einer deutlichen Trennung von ziviler Verwaltung und militärischer Verteidigung ist zu bedauern.
In dem vorgesehenen Zeitraum von zwei Jahren ist es schwer, über den Entwurf der geplanten Notstandsgesetzgebung ausreichend und grundlegend zu diskutieren, wenn so wichtige Elemente wie die Abgrenzung zwischen ziviler Verwaltung und zivilem Bevölkerungsschutz einerseits und militärischer Verteidigung andererseits nicht ausreichend geklärt werden. Die anzustrebende Internationale Polizeikonvention ist ja ein Teil dieser Klärung. Eine ganze Reihe von Gutachten, die sich mit diesem Problem beschäftigt haben, kommen zu dem Schluß, wenn auch Art. 54 der IV. Genfer Konvention die Rechtsstellung der Beamten unverändert garantiere, so seien doch erhebliche Zweifel aufgetreten, ob jede Besatzungsmacht die Polizei als dazugehörig anerkennen werde. Das geht auch aus dem Kommentar hervor, den das Internationale Rote Kreuz zur IV. Genfer Konvention herausgegeben hat und aus dem ich mit Genehmigung der Frau Präsidentin zitieren darf:
Da die Anwendung der Konvention auf die Polizei besonders delikat ist, ist es wahrscheinlich, daß interne Gesetze oder Verordnungen die Berufspflicht dieser Beamten in Kriegszeiten bis ins einzelne regeln werden.
Bei den Beamten der Bereitschafts- und Vollzugspolizei besteht große Besorgnis, daß sie im Konfliktfall ihre Aufgabe, nämlich die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung, nicht mit ganzer Loyalität erfüllen können, weil sie unter Umständen ohne den Schutz einer internationalen Abmachung befürchten müssen, daß die Bestimmungen der IV. Genfer Konvention hinterher gegen sie ausgelegt werden können. Es muß ganz klar herausgestellt werden, daß Polizeidienst ziviler Dienst ist. Das ist auch das Ziel unseres Antrages.
Wir sollten nicht warten, bis andere Staaten initiativ werden. Maßgebend muß die Lage der Bundesrepublik sein. Die Ablehnung von befragten Staaten, selbst initiativ zu werden, liegt in innerpolitischen Gründen, die keine Parallelen in der
Bundesrepublik haben. Dafür haben aber diese Staaten - z. B. Großbritannien, Belgien und die Schweiz - ihr wohlwollendes Interesse an deutschen Vorschlägen bekundet. Dies allein dürfte für die Bundesregierung Veranlassung sein, mutig und energisch die nächsten Schritte zu tun. Dabei sind aber nach unserer Auffassung nicht nur die verbündeten und die befreundeten neutralen Staaten einzubeziehen, sondern auch alle Nationen, die das IV. Genfer Abkommen ratifiziert haben. Wir sind uns bei dieser Forderung der großen außenpolitischen Schwierigkeiten bewußt, die bei ihrer Erfüllung entstehen. Sie müssen aber in Kauf genommen werden, wenn wir im Interesse unserer Polizeibeamten zu einem befriedigenden Ergebnis kommen wollen.
Die Beschlüsse der internationalen Polizeibeamtenorganisationen zum Abschluß einer Konvention der Signatarstaaten der IV. Genfer Konvention sollten die Bundesregierung in ihrem von uns gewünschten Bestreben stärken, die notwendigen Verhandlungen bald aufzunehmen.
Mit nicht minder großem Ernst, den ich auch den vorangegangenen Ausführungen beigemessen wissen will, darf ich namens meiner Fraktion mit allem Nachdruck feststellen, daß wir der Bereitschaftsund der Vollzugspolizei im Konfliktsfall keine anderen Aufgaben zuweisen wollen, als für die öffentliche Ordnung zu sorgen und dem Bürger Schutz und Hilfe zu gewähren.
Zum Abschluß meiner Ausführungen stelle ich den Antrag, die Vorlage dem Innenausschuß - federführend - und dem Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten zur Mitberatung zu überweisen.
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Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Kempfler.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Für die Fraktion der CDU/CSU darf ich zu dem Antrag der Fraktion der SPD ganz kurz, und ohne auf die Problematik näher einzugehen, folgendes ausführen.
Unsere Fraktion steht nach wie vor auf dem Standpunkt, den ich dem Hohen Hause am 12. Mai des vorigen Jahres vortragen durfte, nämlich daß eine Polizeikonvention., wie sie von den Antragstellern angestrebt wird und auch vom Innenausschuß begrüßt worden ist, unbedingt erstrebenswert ist. Ich glaube, auch die Methode, die wir damals empfohlen hatten, hat sich irgendwie bewährt. Das beweist der Bericht der Bundesregierung über ihre Tätigkeit, die sich durchaus nicht bloß auf das beschränkt hat, was nun von anderer Seite hereingekommen ist, und beweist insbesondere auch die Tatsache, daß wir heute über den Fall schon wieder debattieren können.
Was nun den Antrag der SPD anlangt, so bedarf er meines Erachtens sorgfältiger Prüfung, wenigstens in dem Punkt, in dem verlangt wird, daß im Gegensatz zu dem damaligen Beschluß des InnenausDr. Kempfler
schusses nun die Bundesregierung die Initiative ergreifen soll.
({0})
- Doch, es gefällt mir schon. Ich bin sehr für Initiative am richtigen Platz. Es ist bloß die Frage, Herr Kollege Schmitt-Vockenhausen, ob wir in diesem Fall - um einen Lieblingsausdruck von Ihnen zu gebrauchen - direkt in den Vollen gehen sollten oder ob wir uns etwas zurückhalten müssen. Jedenfalls habe ich auch nicht gesagt, daß wir es von vornherein ablehnen.
Der Antrag bedarf deshalb sorgfältiger Prüfung, weil sich die Umstände staatsrechtlicher und politischer Natur, die damals zu unserem Beschluß geführt haben - ich brauche sie hier nicht aufzuführen -, mindestens dem ersten Anschein nach überhaupt nicht geändert haben.
Was uns aber auf alle Fälle begrüßenswert erscheint und was nur in den Einzelheiten noch einer Debatte bedarf, ist die Anregung, nun durch Sachverständige ein Gutachten 'erstellen zu lassen und es dem Internationalen Roten Kreuz zu übermitteln. Das deckt sich durchaus mit unseren Vorstellungen. Es dürfte uns ein Stück weiterbringen und dürfte eingroßes Anliegen auch der Antragsteller erfüllen.
Die Einzelheiten dieses Punktes und die anderen drei Punkte des Antrags dürften aber nur dann richtig geregelt werden, wenn wir sie in den Ausschüssen noch einmal gründlich beraten. Ich schließe mich deshalb dem Antrag der Antragsteller auf Überweisung der Vorlage an den Innenausschuß - federführend - und an den Auswärtigen Ausschuß zur Mitberatung an.
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Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor.
Ich komme zur Ausschußüberweisung. Es wird vorgeschlagen, den Antrag Drucksache V/643 der Fraktion der SPD betr. Internationale Polizeikonvention an den Innenausschuß - federführend - und an den Auswärtigen Ausschuß - mitberatend - zu überweisen. Wer dafür ist, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer ist dagegen? - Enthaltungen? - Das ist einstimmig so beschlossen.
Ich rufe als letzten Punkt der heutigen Tagesordnung Punkt 17 auf:
Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Verstärkung der dienstlichen und staatspolitischen Fortbildung der Angehörigen des Öffentlichen Dienstes des Bundes
- Drucksache V/644 Das Wort zur Begründung hat Herr Abgeordneter Schonhofen.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit dem vorliegenden Antrag auf Drucksache V/644, den ich hier mit einigen wenigen Sätzen kurz begründen darf, spricht die sozialdemokratische Fraktion erneut eine Frage an, die uns alle interessiert und die uns alle berührt. Wir bitten Sie, meine Damen und Herren, mit diesem Antrag um Zustimmung zu einem Ersuchen an die Bundesregierung, bis zum 1. Januar 1967 einen Bericht vorzulegen über den Umfang der dienstlichen und nicht zuletzt der staatspolitischen Fortbildung der Angehörigen des öffentlichen Dienstes des Bundes. Wir beantragen weiter, der Bericht solle insbesondere darlegen, durch welche Maßnahmen die Bundesregierung eine verstärkte Fortbildung zu erreichen gedenkt, die jene erhöhten Anforderungen berücksichtigt, denen die Bundesbediensteten gegenüberstehen.
Man mag einwenden, dieses Thema sei doch im Verlaufe der letzten Jahre hinreichend besprochen, und gerade der Haushalt 1966 verfüge über neue und erhöhte Mittel, die für diesen Zweck bereitgestellt worden seien, und zwar über die Ansätze der vergangenen Jahre hinaus. Trotzdem und vielleicht auch gerade deswegen 'erscheint es uns notwendig, diesen Bericht anzufordern, um übersehen zu können, welche weiteren Maßnahmen, die zweifellos erforderlich werden, für die Zukunft eingeleitet werden müssen.
Im übrigen darf ich zur Begründung unseres Antrages noch folgendes ausführen. Die sozialdemokratische Fraktion hat in der vergangenen Zeit durch Anfragen und Anregungen immer wieder auf die Bedeutung der dienstlichen und staatspolitischen Fortbildung der Angehörigen des öffentlichen Dienstes des Bundes hingewiesen und so tauch die Notwendigkeit einer Verstärkung dieser Arbeit deutlich gemacht. Letztmalig geschah das durch zwei Kleine Anfragen, die von der Bundesregierung am 11. Mai und am 2. September vorigen Jahres beantwortet wurden.
Meine Damen und Herren, wenn die Antworten der Bundesregierung eines deutlich gemacht haben, dann war es der Tatbestand, daß sie trotz der großen Bedeutung, die diesen Fragen beizumessen ist, über die ersten Anfänge in der Bewältigung dieser Aufgabe nicht hinausgekommen ist.
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Es ist dabei klargeworden, daß die einzelnen Ressorts sich offenbar mit recht unterschiedlicher Intensität diesen Problemen zuwenden. Und schließlich und endlich konnte man sich auch nicht des Eindrucks erwehren, daß ihre Bedeutung dort recht unterschiedlich beurteilt wird. So ist es beispielsweise durchaus zu begrüßen, wenn dort, wo das Bild des Arbeitsplatzes mehr und mehr von der modernen Technik geprägt wird, Anstrengungen gemacht werden, die Angehörigen dieser Verwaltungszweige auf dem laufenden zu halten. Aus den Antworten der Bundesregierung war zu entnehmen, daß , das insbesondere für die Betriebsverwaltungen und für den Bereich des Verteidigungsministeriums gilt. Damals sind ebenso mit einem gewissen Gewicht das Auswärtige Amt und auch das Finanzministerium hervorgehoben worden.
Sicher wird auch dort noch manches verbesserungsfähig sein, aber wie sieht es in den übrigen Teilen der Bundesbehörden und der Bundesverwaltungen aus? Wie sieht es insbesondere - um es ganz konkret anzusprechen - mit der dienstlichen und staatspolitischen Fortbildung der Beamten der allgemeinen Verwaltung der Bundesbehörden aus? Das ist doch die Frage, die hier gestellt werden muß. Wir meinen, daß dieser Verwaltungszweig in der Vergangenheit zu stiefmütterlich behandelt worden ist und daß hier noch einiges nachgeholt werden muß.
Die bisherigen Erörterungen haben weiterhin erkennen lassen, daß diese Aufgabe keinesfalls nach einem einheitlichen, klaren und zielstrebigen Konzept angegangen wird. Demgegenüber haben die Fraktionen dieses Hauses, auch maßgebende Vertreter der Bundesregierung, ebenso die Gewerkschaften, so z. B. der Deutsche Gewerkschaftsbund auf seinem Beamtentag im Januar dieses Jahres in Nürnberg, kurz alle Verantwortlichen und alle Interessierten seit längerer Zeit eine Verstärkung der Fortbildung der Angehörigen des öffentlichen Dienstes gefordert. Gleichzeitig bedauern oder kritisieren sie, je nach ihrem eigenen Standort, das Fehlen ausreichender Möglichkeiten hierzu.
Es ist sicher nicht zu bezweifeln - darüber wird es wohl auch keine Diskussion geben -, daß die Aufgaben des öffentlichen Dienstes nur mit einem Personalkörper bewältigt werden können, der die technischen und soziologischen Wandlungen erkennt und berücksichtigt, die sich fortlaufend in unserer heutigen Welt vollziehen. Das schließt nach unserer Meinung mit ein, daß vor allem die Führungskräfte, die zur Personalführung berufen sind, und auch solche, denen die wirtschaftliche Behördenleitung obliegt, in unsere Überlegungen einbezogen bleiben müssen.
Im übrigen brauchen wir heute den politisch denkenden und politisch handelnden Beamten, der sich bei jeder Tätigkeit als Mitarbeiter dieses Staates fühlt, der bei jedem zu vollziehenden Verwaltungsakt die Frage nach der inneren Gesetzmäßigkeit, nach der inneren Rechtmäßigkeit stellt. Nur so wird der Staatsbürger letzten Endes Vertrauen zur Demokratie, zur demokratischen Staatsform gewinnen. Wir können dieses Ziel aber nur erreichen, wenn wir hohe und höchste Anforderungen an die Qualifikation der Angehörigen des öffentlichen Dienstes stellen. Das wiederum setzt voraus, daß sich der Staat auf seine Verpflichtung besinnt und ihrem Umfang Rechnung trägt.
Es ist sicher richtig, daß die Fortbildung zu den wichtigsten Dienstpflichten gehört, die der Beamte selbst zu erfüllen hat. Richtig ist aber auch, daß der Staat ihm die Erfüllung dieser Pflicht ermöglichen muß. Ja, wir gehen noch weiter - und darin finden wir sicher auch Ihre Zustimmung -: die dienstliche und staatspolitische Fortbildung ist nicht nur eine wichtige Dienstpflicht, die der einzelne Beamte zu erfüllen hat, sie ist nicht nur eine Aufgabe, die zu lösen ihm der Staat ermöglichen muß, sondern sie ist zugleich auch eine Pflicht, die dem Staat obliegt und die der Staat seinen Mitarbeitern gegenüber zu erfüllen hat. Dabei - lassen Sie mich das noch mit einem Satz hinzusetzen - darf die staatspolitische Fortbildung nicht zurückstehen hinter der dienstlichen Fortbildung.
Wenn ich die Begründung für unseren Antrag zusammenfassen darf, dann ergeben sich folgende fünf Punkte. Wir haben diesen Antrag eingebracht, erstens um zu hören, welchen Fortschritt die Sache seit der letzten Erörterung genommen hat; zweitens weil wir den Eindruck haben - und deshalb wissen möchten, ob er bestätigt wird -, daß diese Frage in den einzelnen Ressorts mit unterschiedlicher Intensität behandelt und vielleicht sogar unterschiedlich beurteilt wird; drittens weil sich uns der Eindruck aufdrängt, daß vor allem in der allgemeinen Verwaltung die Fortbildung vernachlässigt wird und dort mehr oder weniger dem eigenen Fortbildungswillen der Beamten überlassen bleibt; zum vierten weil wir gern erfahren möchten, welche Bedeutung neben der dienstlichen, insbesondere der staatspolitischen Fortbildung in den praktischen Maßnahmen der Bundesregierung beigemessen wird; und fünftens weil wir wissen möchten, in welchem Umfang sowohl die neuen als auch die erhöhten Ansätze des Haushaltes 1966 nach den Erfahrungen dieses Jahres - zu einer verstärkten Fortbildung geführt haben bzw. noch führen werden.
Meine Damen und Herren, namens der sozialdemokratischen Fraktion darf ich Sie bitten, unserem Antrag zuzustimmen.
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Das Wort zur Debatte hat Herr Abgeordneter Picard.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Antrag der Fraktion der SPD hat zwei Anliegen. Das eine ist die sagen wir mal - allgemeine verwaltungsdienstliche Fortbildung. Das ist eine Frage, die immer aktuell sein wird. Hier haben die Verwaltung und auch der Beamte ein gleiches Interesse, das Interesse nämlich von seiten der Verwaltung, vom Dienstherrn her, den Beamten zu befähigen, im Interesse der Allgemeinheit, des Staates, eine höchstqualifizierte Arbeit zu leisten. Der Beamte hat das Interesse, für sich auf Grund dieser höchstqualifizierten Arbeit eine gute Aufstiegschance ständig wahrzunehmen. Ich glaube, hierüber brauchen wir uns im Ausschuß nicht lange zu unterhalten.
Eine solche innerdienstliche berufliche Fortbildung läuft, soweit ich sehe, mit unterschiedlicher Intensität überall in der Verwaltung. Es mag sein, daß in dem einen oder in dem anderen Ressort des Bundes die unterschiedliche Intensität zu Besserungswünschen Anlaß gibt. Das mag der Bericht der Regierung und dann die Debatte im Ausschuß zeigen.
Eine andere Frage von erheblicher Bedeutung ist die, ob die große Zahl der Beamten und der Bediensteten in der öffentlichen Verwaltung auf Grund ihrer Bejahung der demokratischen Ordnung heute eine - sagen wir - hinreichende Gewähr für den
Bestand dieser demokratischen Ordnung bietet. Meine Damen und Herren, wir sind uns wohl alle darüber im klaren, daß die Demokratie zu einem ganz erheblichen Teil nicht nur von der Verwaltung und von dem, der den Staat als Mitglied der Verwaltung repräsentiert, getragen wird, sondern daß die Beamtenschaft in ihrer staatsbejahenden Haltung, in ihrer Einsatzfreudigkeit über das hinaus, was nun durch das Salär abgegolten wird, eine wesentliche Stärke unserer Staatsordnung darstellt. Wenn wir, und das sei an dieser Stelle erlaubt, einmal einen Blick zurück in die Zeit der Weimarer Demokratie werfen, dann - ich glaube mich nicht zu täuschen - werden wir feststellen, daß es zu bedauern war und mit eine Ursache des Zugrundegehens dieser Demokratie in der Weimarer Zeit gewesen ist, daß es nicht gelungen war, eine große Mehrheit - wünschenswert wäre es gewesen, alle -, daß es also nicht gelungen war, alle Bediensteten in der öffentlichen Verwaltung zu dieser selbstverständlichen, staatsbejahenden Haltung, zu diesem inneren Engagement hinzuführen.
Ich möchte an dieser Stelle aussprechen, daß meine Fraktion und ich keinen Zweifel daran haben, daß das heute besser ist als damals.
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Ich weiß, daß auch die Antragsteller dieser Auffassung sind. Ich glaube, wir sind uns aber alle einig, daß wir vom Parlament her dieser Frage ständig neue Aufmerksamkeit zu widmen haben, der Frage nämlich, ob wir dem Beamten in einem genügenden Maße die Voraussetzungen und die Chance bieten, dieser seiner demokratischen Grundhaltung ständig immer wieder neue Untermauerung geben zu können. Wir dürfen den Beamten aber auch nicht überfordern und von ihm erwarten, daß er das alles außerhalb seiner Dienstzeit tun soll, sondern ich glaube, es ist mit Fug und Recht zu erwarten und wird ja weitgehend auch praktiziert, daß der Beamte die Chance erhält, sich während seiner Dienstzeit in Kursen, in Seminaren, in Tagungen, Tages- oder Wochenendseminaren und dergleichen mehr mit der Frage der inneren Staatsordnung, der Staatsgestaltung, -festigung usw. zu beschäftigen, auch deshalb, weil der Beamte damit den rechten Standort in diesem Staatsgefüge finden und immer wieder neu durchdenken kann.
Die Fraktion der Christlich-Demokratischen Union begrüßt den Antrag der SPD-Fraktion, weil er wieder einmal Gelegenheit gibt, über das hinaus, was ich mit diesen wenigen Worten schon andeuten konnte, beide Fragen - die berufliche und die allgemeinstaatspolitische Fortbildung der Angehörigen des Bundesdienstes - zu durchdenken und zu überlegen, ob wir diesen Fragen bisher genügende Aufmerksamkeit gewidmet haben. Das letzte möchte ich im großen und ganzen von mir aus bejahen, wenn es auch da und dort noch Chancen gibt, in beiden Punkten sowohl im Intéresse des Beamten wie aber vor allen Dingen - wie ich noch einmal betonen möchte - im Interesse des Staates und der Allgemeinheit zu Verbesserungen zu kommen.
Herr Abgeordneter Brück.
Frau Präsidentin! Meine verehrten Damen und Herren! Ich hätte nur hinsichtlich der Verfahrensweise eine Bitte an die Antragsteller. Sie haben bereits vom Kollegen Picard gehört, daß wir diesem Antrag, dessen Inhalt auch uns ein Anliegen ist, selbstverständlich zustimmen. Ich möchte jedoch bitten, Herr Kollege Schmitt-Vockenhausen, daß der Antrag dem Ausschuß überwiesen wird. Wir wollen nämlich über diese für uns alle sehr wichtige Frage im Innenausschuß noch einmal ein Grundsatzgespräch führen. Deshalb bitte ich Sie, mit der Ausschußüberweisung einverstanden zu sein.
Herr Schmitt-Vockenhausen.
Frau Präsidentin! Meine verehrten Damen und Herren! Die Fraktion der SPD ist mit der Ausschußüberweisung einverstanden. Die heutige Aussprache hat die große Bedeutung dieser Frage gezeigt. Der Herr Staatssekretär Dr. Schäfer hat kürzlich einmal gesagt, im Drange des Aufbaus der Ministerien habe diese Frage in den vergangenen Jahren nicht immer mit dem nötigen Nachdruck behandelt werden können. Um so mehr ist es von Bedeutung, daß wir in den Grundfragen einig sind und im Ausschuß möglichst zu einem einstimmigen Beschluß kommen können.
Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor.
Wir kommen zur Ausschußüberweisung. Es wird vorgeschlagen, den Antrag der Fraktion der SPD - Drucksache V/644 - dem Innenausschuß zu überweisen. Wer dafür ist, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Es ist einstimmig so beschlossen.
Damit sind wir am Ende der heutigen Tagesordnung angelangt. Ich berufe die nächste Plenarsitzung auf Freitag, den 24. Juni, 9 Uhr vormittags, ein.
Die Sitzung ist geschlossen.