Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet.
Ehe wir in die Tagesordnung eintreten, möchte ich zunächst dem Herrn Abgeordneten Bading zu seinem 65. Geburtstag Glück wünschen, den er am 23. Mai 1966 gefeiert hat.
({0})
Dann habe ich folgendes mitzuteilen: Der federführende Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat zum Entwurf eines Gesetzes über die Unterbringung von Rüböl aus inländischem Raps und Rübsen - Drucksache V/320 - Beschlüsse gefaßt, .die eine zusätzliche Überweisung des Entwurfs an den Haushaltsausschuß gemäß § 96 der Geschäftsordnung erforderlich machen. Ist das Haus damit einverstanden? - Kein Widerspruch; es ist so beschlossen.
Ich habe noch darauf hinzuweisen, daß das Haus um 13 Uhr in die Mittagspause eintreten wird. Ab 14.30 Uhr sollen Fraktionssitzungen stattfinden. Das Plenum wird etwa um 17.30 Uhr wieder beginnen; der Termin wird von der Beendigung der Fraktionssitzungen abhängen. Der Herr Bundeskanzler wird dann eine Erklärung abgeben.
Die folgenden amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen.
Der Bundesminister des Auswärtigen hat am 16. Mai 1966 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Frau Strobel, Dr. Apel, Faller, Seifriz, Liehr und der Fraktion der SPD betr. Behandlung der SBZ im Rahmen des EWG-Vertrages - Drucksache V/553 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache V/633 verteilt.
Der Bundesminister für Verkehr hat am 18. Mai 1966 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Bauknecht, Dr. Reinhard, Struve, Ehnes und Genossen betr. Auswirkungen der Tariferhöhungen auf dem Verkehrssektor - Drucksache V/538 beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache V/634 verteilt.
Der Vorsitzende des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat mitgeteilt, daß gegen die
Verordnung Nr. 34/66/EWG des Rates vom 29. März 1966 zur Verlängerung der Geltungsdauer der Verordnungen Nr. 55/65/EWG des Rates und Nr. 56/65/EWG des Rates, die besonderen Bestimmungen über den Absatz bestimmter Käsesorten enthalten, sowie zur Änderung der Verordnung Nr. 56/65/EWG
Verordnung Nr. 35/66/EWG des Rates vom 30. März 1966 zur Verlängerung der Geltungsdauer der Verordnung Nr. 130/65/EWG des Rates über die Gewährung einer Erstattung bei der Erzeugung für die Grob- und Feingrießsorten aus Mais, die in der Brauerei-Industrie Verwendung finden
keine Bedenken bestehen.
Der Vorsitzende des Ausschusses für Wirtschaft und Mittelstandsfragen hat mitgeteilt, daß der Ausschuß die folgenden Vorlagen ohne besondere Bemerkungen zur Kenntnis genommen habe:
Verordnung Nr. 32/66/EWG des Rates vom 29. März 1966 zur Verlängerung der Geltungsdauer der Verordnung Nr. 88/65/EWG des Rates betr. die Erstattungen bei der Ausfuhr von Schweinefleisch, Eiern und Geflügelfleisch in dritte Länder
Verordnung Nr, 33/66/EWG des Rates vom 29. März 1966 zur Verlängerung der Geltungsdauer der Verordnung Nr. 3/66/EWG des Rates über einige besondere Maßnahmen bei der Einfuhr von gefrorenem Rindfleisch aus dritten Ländern
Verordnung Nr. 36/66/EWG des Rates vom 30. März 1966 zur Aussetzung der Zollsätze und Abschöpfungen, die von der Italienischen Republik auf Einfuhren aus Drittländern von Rindern, lebend, Hausrindern, anderen, mit einem Stückgewicht von höchstens 340 kg, der Tarifnummer ex 01.02 A II erhoben werden.
Der Bundesminister des Innern hat am 17. Mai 1966 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Schmidhuber, Dr.-Ing. Dr. h. c. Balke, Wieninger, Prinz von Bayern, Dr. Besold, Schlager und Genossen betr. Ausrichtung der Olympischen Sommerspiele 1972 in München - Drucksache V/567 - beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache V/640 verteilt.
Der Präsident des Bundestages hat entsprechend dem Beschluß des Bundestages vom 25. Juni 1959 die nachstehenden Vorlagen überwiesen:
Verordnung des Rats zur Durchführung einer Lohnerhebung in der Industrie - Jahr 1966 -- Drucksache V/628 an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 30. Juni 1966
Entwurf des Programms für die mittelfristige Wirtschaftspolitik ({1})
- Drucksache V/629 an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen - federführend - und an den Finanzausschuß sowie den Ausschuß für Arbeit und Haushaltsausschuß - mitberatend - mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 11. November 1966.
Der Präsident des Bundestages hat entsprechend dem Beschluß des Bundestages vom 23. Februar 1962 die nachstehende Vorlage überwiesen:
Vierunddreißigste Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1966 ({2})
- Drucksache V/639 an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen - federführend - und an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten - mitberatend - mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 30. Juni 1966.
Ich rufe Punkt 1 der Tagesordnung auf: Fragestunde
- Drucksache V/635 Zunächst rufe ich die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr auf. Frage XIII/1 des Abgeordneten Dr. Wuermeling:
Ist der Bundesverkehrsminister bereit, die Deutsche Bundesbahn zu veranlassen, ihrer Verpflichtung zur Unterhaltung der in der Gemeinde Herdorf ({3}) gelegenen Straßenbrücke bei km 90,478 der Bundesbahnstrecke Köln-Gießen dahin nachzukommen, daß die beim Bau der Brücke gewährleistete Belastbarkeit bis zu 26 t ({4}) wiederhergestellt wird?
Der Fragesteller hat sich mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt. Die Antwort des Bundesministers Dr. Ing. Seebohm vom 25. Mai 1966 lautet:
Wie ich einem Schreiben des Ministeriums für Wirtschaft und Verkehr des Landes Rheinland-Pfalz vom 5. April 1966 entnommen habe, ist es aus Gründen der Sicherheit und der Ab1978
Vizepräsident Dr. Schmid
wicklung des Verkehrs erforderlich, die in der Gemeinde Herdorf gelegene Straßenüberführung durch Umbau oder durch Abbruch des alten und Errichtung eines neuen Überführungsbauwerks umzugestalten.
Die früher nach den damals gültigen Sicherheitsvorschriften für eine Tragfähigkeit bis zu 26 t zugelassene Straßenbrücke entspricht heute nach DIN 1072/1952 und DIN 1075/1955 nur noch der Brückenklasse 9; dieser Umstand ist allein auf eine Verschärfung der Sicherheitsanforderungen und nicht etwa auf eine mangelhafte Unterhaltung des Bauwerks durch die Deutsche Bundesbahn zurückzuführen. Bei einer Fahrbahnbreite von 4,775 m, die für die Anlegung von 2 Fahrspuren nicht ausreicht, handelt es sich um eine einspurige Überführung. Sie enthält neben einer Fahrbahn lediglich einen Gehweg.
Die Umgestaltung hat eine Überführung mit der erforderlichen Tragfähigkeit bis zu 26 t zum Ziel, die eine zweispurige Fahrbahn mit vorschriftsmäßigem Regelquerschnitt und beiderseitigen Gehbahnen, ferner eine weniger steile Auffahrrampe zum Hüttenwerk hin besitzen soll.
Gleichzeitig sollte angestrebt werden, in die Umgestaltung auch die Beseitigung oder wenigstens eine Entschärfung der heute in der Brücke vorhandenen Kurve einzubeziehen.
Nach § 5 des Eisenbahnkreuzungsgesetzes vom 14. 8. 1963 ({5}) - EKrG - ist es Aufgabe der Kreuzungsbeteiligten, nicht nur über Art, Umfang und Durchführung einer derartigen Maßnahme, sondern auch über die Verteilung der Kosten eine Vereinbarung zu treffen. Wie mir aus dem genannten Schreiben des Ministeriums für Wirtschaft und Verkehr des Landes Rheinland-Pfalz bekannt ist, haben sich die Deutsche Bundesbahn und die Gemeinde Herdorf bisher in der Frage der Kostentragung jedoch nicht einigen können. Sollten die Verhandlungen hierüber endgültig scheitern und eine Vereinbarung insoweit nicht zustande kommen, so kann jeder der Beteiligten nach § 6 EKrG eine Anordnung über die Kostentragung im Kreuzungsrechtsverfahren beantragen. Bisher hat mir die zuständige oberste Landesbehörde einen solchen Antrag eines der Beteiligten nicht vorgelegt. Mit dem genannten Schreiben hat mir das Ministerium für Wirtschaft und Verkehr des Landes Rheinland-Pfalz lediglich seine Rechtsauffassung mit der Bitte um Stellungnahme vorgetragen. Diese läßt sich dahin zusammenfassen, daß das Land in der Verbreiterung des Gefälles der Brückenrampe zum Hüttenwerk hin und wohl auch in einer Änderung des Kreuzungswinkels eine Änderung der Kreuzung „in sonstiger Weise" im Sinne von § 3 Nr. 3 EKrG sieht, die die Kostenfolge des § 12 Nr. 1 EKrG dahin auslöst, daß die Gemeinde die Kosten der Maßnahme zu tragen hat.
Diese Auffassung des Landes deckt sich im Ergebnis mit der Rechtsansicht der Deutschen Bundesbahn, während die Gemeinde Herdorf die Deutsche Bundesbahn als zur Kostentragung verpflichtet ansieht.
Da ich - soweit an der Kreuzung die Bundesbahnstrecke Köln-Gießen beteiligt ist - ggf. nach §§ 6, 8 Abs. 1 und 10 Abs. 4 EKrG über den Antrag eines der Kreuzungsbeteiligten auf Erlaß einer Anordnung über die Kostentragung im Kreuzungsrechtsverfahren als Anordnungsbehörde zu entscheiden haben werde, vermochte ich eine verbindliche Stellungnahme zu den mir vom Ministerium für Wirtschaft und Verkehr des Landes Rheinland-Pfalz vorgelegten Rechtsfragen im Wege einer Vorabentscheidung zu meinem Bedauern nicht zu treffen. Ich
habe jedoch in meinem Antwortschreiben an das Landesministerium zum Ausdruck gebracht, daß mir gute Gründe für die vom Land vertretene Rechtsauffassung zu sprechen scheinen, denn die durchzuführende Maßnahme stellt sich rechtlich - entgegen der Auffassung der Gemeinde - nicht als Erhaltung, sondern als Änderung der Straßenüberführung dar ({6}).
In Anbetracht der geschilderten Rechtslage und insbesondere auf Grund meiner gesetzlichen Verpflichtung, über die Frage der Kostentragung gegebenenfalls im Kreuzungsrechtsverfahren entscheiden zu müssen, darf ich Sie um Verständnis dafür bitten, daß mir eine Einflußnahme auf die Deutsche Bundesbahn im Sinne Ihrer Anfrage leider nicht möglich ist.
Frage XIII/2 des Abgeordneten Fellermaier:
Ist der Bundesregierung bekannt, mit welchen Mehreinnahmen die Deutsche Bundesbahn infolge der am 15. März 1966 eingeführten tarifarischen Änderungen im Stückgutverkehr rechnet?
Herr Präsident, ich bitte, damit einverstanden zu sein, daß ich die drei Fragen des Herrn Kollegen Fellermaier wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantworte, wenn der Fragesteller damit einverstanden ist.
Herr Fellermaier, sind Sie einverstanden?
({0})
Dann rufe ich auch die Fragen XIII/3 und XIII/4 des Abgeordneten Fellermaier auf:
Welcher Anteil der auf Grund der in Frage XIII/2 erwähnten tarifarischen Änderungen erwarteten Mehreinnahmen entfällt auf den Zuschlag von 1 DM für Sendungen, die Stückgutabfertigungsstellen mit weniger als 8 Tonnen Gutaufkommen täglich durchlaufen?
Teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß durch die Einführung der K-Gebühr bei der Deutschen Bundesbahn eine Wettbewerbsverzerrung zwischen Unternehmen gleicher Branchen je nach Standortlage entsteht?
1965 hat die Deutsche Bundesbahn bei der Abwicklung des Stückgutverkehrs einen Verlust von mehr als 420 Millionen DM erlitten. Ein sehr hoher Teil dieses Defizits im Stückgutverkehr wird durch die Verteilung der Stückgüter zwischen den Verkehrsknotenpunkten und den Annahme- und Ausgabestellen in der Fläche hervorgerufen.
Die Deutsche Bundesbahn rechnet aus der Erhöhung des Stückguttarifs zum 15. März 1966 mit einer jährlichen Mehreinnahme von rund 75 Millionen DM. Davon entfallen auf den K-Zuschlag rund 11 Millionen DM, also rund 15 %. Die Bundesbahn hat sich genötigt gesehen, den K-Zuschlag einzuführen, um diesen 'besonders einschneidenden Teil des Defizits im Stückgutverkehr wenigstens zu mindern. Sie erfüllt damit die ihr durch die Verkehrsgesetznovellen vom 1. August 1961 auferlegte Pflicht zur kaufmännischen Geschäftsführung.
Es ist richtig, daß hierdurch zwischen Unternehmen gleicher Branchen je nach Standortlage Kostenunterschiede entstehen können. Verkehrspolitisch handelt es sich jedoch hier nicht um Wettbewerbsverzerrungen; vielmehr spiegeln die neuen Tarife, wenn auch keinesfalls in vollem Umfang, die gegebene Kosten- und Marktlage des Verkehrsträgers wider. Ich darf mich dazu auch auf die Antwort beziehen, die Herr Staatssekretär Seiermann auf die Frage des Herrn Kollegen Zerbe hier am 17. März gegeben hat.
Eine Zusatzfrage.
Herr Minister, wäre es, wenn nur 15 % der Erhöhung - also 11 Millionen DM - auf die K-Gebühr entfallen, nicht sinnvoller gewesen, zu überprüfen, ob durch eine Generalanhebung (bei diesen Tarifen - an Stelle der Einführung der K-Gebühr - vermieden werden könnte, daß Firmen, die sich auf dem flachen Lande befinden, wettbewerbsmäßig geschädigt werden?
Herr Kollege, das hat die Bundesbahn sicherlich sehr ernsthaft geprüft, als sie ihren Vorschlag machte. Aber der Vorschlag stammt ja nicht von mir, sondern von der Bundesbahn. Er geht außerdem davon aus, daß die Bundesbahn in eigener Zuständigkeit eine ganze Reihe dieser kleinen Annahmestellen in absehbarer Zeit aufheben wird. Das wird natürlich dann leichter sein, wenn bei etwas verlängerter Anfuhr zu den Annahmestellen diese K-Gebühr wegfällt.
Eine zweite Zusatzfrage.
Herr Minister, auch wenn Sie sagen, daß die Bundesbahn ausschließlich verantwortlich sei, darf ich Sie fragen, wie Sie unter dem Gesichtspunkt raumordnerischer Maßnahmen der Bundesregierung die Wettbewerbsverzerrung sehen, wenn beispielsweise eine betroffene Firma im Bereich des Lebensmittelsektors jetzt wegen der K-Gebühr nachweisbar 40 000 DM Gebühren mehr zu zahlen hat und eine andere Firma aus dem gleichen Sektor, nur weil sie das Glück hat, 50 km entfernt in einer anderen Stadt zu sein, diese Wettbewerbsverzerrung nicht zu tragen hat.
Herr Kollege, das muß im einzelnen überprüft werden. Ich habe zwei oder drei derartige Fälle bereits überprüft und festgestellt, daß diese Zahlen nicht zutreffen, weil man nämlich nur einfach die K-Gebühr rechnet, nicht aber berücksichtigt, daß man das Material, das man der Bahn usw. zuführen muß, auch an einen nächstgelegenen Bahnhof bringen kann, der wenige Kilometer entfernt ist und wo die K-Gebühr nicht anfällt. Die Transportkosten mit dem Lastkraftwagen dürften in diesem Falle keineswegs mit der K-Gebühr in Widerspruch stehen.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Minister, darf ich so fragen: Wenn eine Firma an einem K-Bahnhof daneben 120 t Expreßgut jährlich aufliefert und 3350 t Waggonsendungen kommen, dann ist das normale Volumen eines Kleinbahnhofs wesentlich überschritten. Weil aber gerade im Stückgutverkehr nur 7,2 t erreicht werden, muß eine solche Firma diese Mehrbelastung tragen, obwohl sie die Rendite dieser Bahnstrecke, die im Personenzugverkehr stillgelegt ist, durch ihre anderen Gütersendungen praktisch garantiert.
Herr Kollege, es ist ja nicht so, daß die Kriterien allein beim Stückgutaufkommen liegen, sondern es ist so, daß diejenigen Bahnhöfe und Annahmestellen, bei denen weniger als 8 t Stückgut täglich und eine entsprechend geringere Zahl an Wagenladungen aufkommen, wirklich nicht mehr rentabel sind und wahrscheinlich stillgelegt werden müssen, so daß in Kürze über diese Fragen vermutlich noch eher entschieden wird als über das Problem, daß die K-Gebühr diese oder jene Firma über Gebühr belastet.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dröscher.
Herr Minister, habe ich Sie vorhin richtig verstanden, daß Sie ausgeführt haben, man habe die K-Gebühr zunächst gewissermaßen als bittere Medizin eingeführt, um nachher die Aufhebung der kleinen Stationen mit dem Wegfall der K-Gebühr zu verbinden, wobei aber für den Anlieferer größere Antransportkosten entstünden?
Herr Kollege Dröscher, Sie wissen genauso gut wie ich, daß wir im Vergleich zu ganz Europa ein viel zu dichtes Netz von Annahmestellen bei der Eisenbahn haben. Ich habe das Hohe Haus wiederholt darauf aufmerksam gemacht, daß die Entfernung zwischen zwei Bahnhöfen bei uns im allgemeinen nur halb so groß ist wie in den Niederlanden und in Frankreich. Dieser Aufbau stammt aus der Zeit des Pferdefuhrwerks. Jetzt, wo die Güter sowieso mit dem Lastkraftwagen und dem Trecker dem Bahnhof zugeführt und dort umgeschlagen werden, macht eine etwas längere Anfahrt wirklich nichts Entscheidendes mehr aus. Sie sehen das auch daran, daß zahlreiche Firmen eben dann grundsätzlich den Lastkraftwagen benutzen.
Die Bundesbahn mußte, um ihre Verlustquellen nicht noch weiter zu vergrößern, im Sinne der Beschlüsse dieses Hohen Hauses und der Bundesregierung wirklich alles tun, um zu versuchen, diese Mehrkosten herunterzudrücken und andererseits die Annahmestellen aufrechtzuerhalten. Nur durch die K-Gebühr kann die Wirtschaftlichkeit der Annahmestellen verbessert werden.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Bundesverkehrsminister, halten Sie es für richtig, daß Firmen, die nun das Unglück haben, auf dem flachen Lande zu liegen, dadurch bestraft werden, daß sie die K-Gebühr bezahlen müssen?
Ich halte es für richtig, daß nach Möglichkeit jeder Verkehrsnutzer die Kosten bezahlt, die er verursacht.
Zweite Zusatzfrage.
Herr Bundesverkehrsminister, wäre es dann nicht besser gewesen, die Gebühren allgemein zu erhöhen, damit nicht gerade diese Firmen die Wettbewerbsverzerrung erleiden müssen?
Herr Kollege Strohmayr, die Erhöhung der Gebühr über diese 75 Millionen DM hinaus, mit der man die allgemeinen Knotenpunktverkehre stärker belastet hätte, wäre wirtschaftlich nicht ohne weiteres vertretbar, weil die Knotenpunktverkehre im allgemeinen nicht die defizitären Auswirkungen haben wie eben dieser Verteilungsverkehr. Wenn die Bundesbahn diese Fragen wie eine wirtschaftliche Unternehmung geschäftlich betrachtet - und dazu ist sie nach dem von diesem Hohen Hause beschlossenen Gesetz verpflichtet -, muß sie eben auch solche Wege beschreiten.
Ich habe leider keine Zusatzfrage mehr.
Nein, Sie haben keine Zusatzfrage mehr.
Wir kommen zu Frage XIII/5. des Herrn Abgeordneten Ertl:
Ist damit zu rechnen, daß wenigstens bis zu den Olympischen Spielen im Jahre 1972 der für den Ausflugsverkehr in die bayerischen Berge sehr wichtige Holzkirchener Bahnhof in München in einem seiner 'Bedeutung entsprechenden Zustand wiederhergestellt wird?
Herr Kollege, wie mir die Deutsche Bundesbahn mitteilt, hat sie die Absicht, den Holzkirchener Flügelbahnhof in München bis zur Olympiade 1972 wiederaufzubauen. Hinsichtlich der Gestaltung des neuen Empfangsgebäudes bestehen schon seit längerer Zeit klare Vorstellungen, die sich aber zur Zeit noch in Abstimmung mit den Straßenausbauplänen der Stadt und mit den Ausbauplänen der Deutschen Bundespost befinden. Jedoch ist die Frage der Kosten und der Finanzierung des Aufbaus des Holzkirchener Bahnhofs zur Zeit noch ungeklärt.
Zusatzfrage.
Herr Minister, da Sie gerade so einträchtig mit dem Bundespostminister beisammen sitzen, darf ich fragen: dauert es nochmals vier, fünf Jahre, bis man mit der Post zu einer Einigung darüber kommt, wie man diesen Holzkirchener Bahnhof aufbaut?
Ich möchte annehmen, daß diese Einigung jetzt auf dem besten Wege ist. Natürlich bestand vorher aber die Notwendigkeit, verschiedene Probleme hinsichtlich des Straßenausbaus der Stadt zu berücksichtigen. Post und Bahn müssen sich bei ihren Maßnahmen in erster Linie danach richten, wie die Stadt ihre Straßenausbaumaßnahmen durchzuführen gedenkt, damit der Publikumsverkehr sowohl zum Holzkirchener Bahnhof als auch zur Bundespost gut verlaufen kann.
Herr Bundesminister, darf ich in diesem Zusammenhang noch zusätzlich fragen:. denkt man auch daran, eines Tages die Verkehrsverbindungen sowohl bezüglich der Intensität als auch bezüglich der Schnelligkeit gerade auf den Strecken vom Holzkirchener Bahnhof aus zu verbessern?
Ich glaube, daß die Bundesbahn das sicher gern möchte. Sie wissen aber, daß die Frage die ist, wohin Sie fahren wollen, ob nach Schliersee/Bayrischzell oder zum Tegernsee. Auf der Strecke zum Tegernsee liegt ja noch die freundliche Privatbahn dazwischen, die natürlich auch ihre Berücksichtigung finden muß. Im großen und ganzen möchte ich natürlich auch eine weitere Verbesserung der Fahrzeiten anstreben.
Ich rufe die Fragen XIII/6 und XIII/7 des Herrn Abgeordneten Josten auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß die Bundesstraße 9, welche auf bestimmten Teilabschnitten in den Sommermonaten für den schweren Fernlastwagenverkehr gesperrt ist, von vielen ausländischen schweren Fernlastzügen weiter benutzt wird?
Was wird die Bundesregierung tun, damit ausländische Transportunternehmer die in Frage XIII/6 erwähnten Sperrvorschriften auf der Bundesstraße 9 beachten?
Herr Präsident, ich bitte auch hier darum, die beiden Fragen des Herrn Kollegen Josten zusammen beantworten zu dürfen, da sie den gleichen Sachverhalt betreffen. Ich darf annehmen, Herr Kollege Josten, daß Sie einverstanden sind.
({0}) - Danke sehr.
Die Verkehrsbeschränkungen für den schweren Lkw-Verkehr auf der Bundesstraße 9 wurden durch Erlaß des Ministeriums für Wirtschaft und Verkehr des Landes Rheinland-Pfalz angeordnet, zusätzlich dann im Verkehrsblatt 1964 Seite 319 veröffentlicht und durch amtliche Verkehrszeichen kenntlich gemacht. Die Verkehrsbeschränkungen gelten selbstverständlich auch für ausländische Kraftfahrer. Ihre Einhaltung zu überwachen, ist aber ausschließlich Aufgabe der zuständigen Landesbehörden, die natürlich ihrerseits auch Ausnahmen zulassen können, da ja das Verbot durch einen Erlaß des Ministeriums gedeckt ist.
Ich werde Ihre Anfrage, Herr Kollege Josten, zum Anlaß nehmen, beim Innenministerium des Landes Rheinland-Pfalz die Durchführung verstärkter polizeilicher Kontrollen auf der Bundesstraße 9 anzuregen.
Eine Zusatzfrage.
Herr Minister, wären Sie bereit, bei dieser Gelegenheit beim Innenminister von Rheinland-Pfalz anzuregen, daß auch überprüft wird, ob die Sondergenehmigungen für ausländische Lastzüge nicht zu großzügig bewilligt werden?
Ich will das gern anregen gerade auf Grund Ihrer Anfrage, Herr Kollege Josten, aber ich weiß nicht, ob das Innenministerium vielleicht vom Ministerium für Wirtschaft des Landes dazu veranlaßt worden ist und ob bestimmte wirtschaftliche Beziehungen bestehen, die diese Sondergenehmigungen in dieser großen Zahl rechtfertigen. Das kann ich Ihnen zur Zeit nicht beantworten, sondern ich kann nur versuchen, das beim Land Rheinland-Pfalz zu ermitteln.
Ich rufe die Fragen XIII/8, XIII/9 und XIII/10 des Abgeordneten Strohmayr auf.
Trifft es zu, daß die Bundesbahndirektion Augsburg aufgelöst und in die Direktionsbezirke München, Stuttgart und Nürnberg eingegliedert werden soll?
Welche Vorteile verspricht sich die Hauptverwaltung der Deutschen Bundesbahn von der in Frage XIII/8 erwähnten Umorganisation, die in Schwaben auf entschiedenen Widerstand stößt?
Bis wann ist mit einer Entscheidung in der Frage der Auflösung von insgesamt acht Direktionen der Deutschen Bundesbahn zu rechnen?
Vizepräsident Dr. Schmid
Sie sind mit der zusammenfassenden Beantwortung aller drei Fragen einverstanden.
Herr Kollege Strohmayr, ich darf bitten, die Fragen zusammen beantworten zu dürfen, wenn der Herr Präsident einverstanden ist.
Es liegen seitens des Vorstandes und des Verwaltungsrates der Deutschen Bundesbahn, Herr Kollege Strohmayr, keine Anträge auf Zusammenlegung von Eisenbahndirektionen beim Bundesminister für Verkehr vor. Daher sind natürlich auch bisher keine Entscheidungen darüber gefallen, ob, wann und welche Bundesbahndirektionen zusammengefaßt werden sollen. Auch feste Pläne über eine Aufteilung der Strecken der Bundesbahndirektion Augsburg auf die Bundesbahndirektionen München, Stuttgart und Nürnberg bestehen bisher nicht. Eine Entscheidung über diese Frage wird wesentlich von den Ergebnissen des abschließenden Berichtes der auf meine Anregung vom Vorstand der Deutschen Bundesbahn 1965 eingesetzten Organisationskommission abhängen. Mit der Vorlage des Berichtes rechne ich spätestens im Herbst dieses Jahres. Der Vorstand der Deutschen Bundesbahn hat dann zu prüfen, welche dier Vorchläge er zur Straffung der Organisation der Deutschen Bundesbahn machen will, um diese Organisation dem zukünftigen Leistungsangebot der Deutschen Bundesbahn anzupassen und der Verlustentwicklung entgegenzuwirken. Diese Vorschläge werden natürlich erst eingehend mit den Länderregierungen besprochen, sodann dem Verwaltungsrat .der Deutschen Bundesbahn zur Beschlußfassung und schließlich dem Bundesminister für Verkehr zur Genehmigung vorgelegt. Wenn es zu solchen Zusammenfassungen kommt, werden auch Wirtschaftlichkeitsberechnungen und Sozialpläne vorgelegt, dazu gegebenenfalls Vorschläge für einen Ersatz durch andere Behörden. Jedenfalls werden etwaige Umstellungen keine Entlassungen, frühzeitige Pensionierungen oder unzumutbare Versetzungen zur Folge haben und jedenfalls auch einen längeren Zeitraum für ihre Durchführung beanspruchen.
Eine Zusatzfrage.
Herr Bundesverkehrsminister, wären Sie bereit, bei den Verfahren der Zusammenlegung dafür zu sorgen, daß rentable und überschaubare Direktionen nicht unnötigerweise aufgelöst und dadurch weitere Mammutdirektionen geschaffen werden?
Herr Kollege Strohmayr, es ist so, daß bestimmte Kriterien für die Arbeit dies Organisationskomitees aufgestellt worden sind. Diese Kriterien lauten:
Erstens: Die Vorschläge sind ausschließlich nach eisenbahntechnischen und eisenbahnbetriebswirtschaftlichen Grundsätzen zu machen, um zu erreichen, daß durch die Straffung dier Organisation die
billigstmögliche und die schlagkräftigste Verwaltung erreicht wird.
Zweitens: Die neuen Direktionen sollen im Durchschnitt einen Umfang von etwa 3000 Betriebskilometern und von etwa 30 000 Bediensteten haben. Das sind überschaubare Einheiten.
Eine Zusatzfrage.
Herr Bundesverkehrsminister, wären Sie bereit, dafür Sorge zu tragen, daß die Bundesbahndirektion Augsburg nicht aufgelöst wird, nachdem es ja immer heißt, daß sie eine der rentabelsten Direktionen innierhalb des Bundesgebietes überhaupt ist?
Also, Herr Kollege, eine Direktion kann niemals rentabel sein.
({0})
Eine Direktion ist eine Verwaltungsstelle, die im Rahmen dies Ganzen an der Rentabilität des Ganzen mitwirkt. Aber man kann natürlich die Rentabilität der Strecken im schwäbisch-bayerischen Grenzgebiet und im schwäbisch-bayerischen Raum ebensogut von einem anderen Platz als Augsburg bewirken.
Ich rufe die Frage XIII/11 des Abgeordneten Richter auf:
Beabsichtigt die Deutsche Bundesbahn, die Eisenbahnstrecken Heilbronn-Lauda und Wertheim-Crailsheim zu elektrifizieren?
Der Fragesteller hat sich mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt. Die Antwort des. Bundesministers Dr.-Ing. Seebohm vom 25. Mai 1966 lautet:
Die Strecke Heilbronn-Lauda({0}) ist im Rahmen des 3. Abkommens, das zwischen dem Vorstand der Deutschen Bundesbahn und der Landesregierung von Baden-Württemberg am 28. April 1965 über die Elektrifizierung weiterer Strecken in Baden-Württemberg abgeschlossen wurde, zur Umstellung auf elektrischen Betrieb vorgesehen. Die Umstellung ist inzwischen von mir genehmigt worden. Ein genauer Zeitpunkt für die Ausführung kann jedoch noch nicht genannt werden, da die zeitliche Reihenfolge der in diesem Abkommen vorgesehenen Strecken von der Deutschen Bundesbahn im Einvernehmen mit dem Land Baden-Württemberg unter Berücksichtigung der betrieblichen und wirtschaftlichen Interessen der Deutschen Bundesbahn und der verkehrspolitischen Belange des Landes bestimmt wird.
Zur Strecke Wertheim-Crailsheim hat mir die Hauptverwaltung der Deutschen Bundesbahn mitgeteilt, daß die nicht sehr hohe Streckenbelegung dieser eingleisigen Hauptbahn bei einer Elektrifizierung keinen wirtschaftlichen Gewinn erwarten läßt. Die Deutsche Bundesbahn beabsichtigt daher, die Zugförderung auf diesem Abschnitt auf Dieseltraktion umzustellen.
Ich rufe die Frage XIII/12 des Abgeordneten Schmitt-Vockenhausen auf:
Kann die Bundesregierung auf die Flugzeugindustrie dahin gehend einwirken, daß die Industrie bei der Weiterentwicklung von Überschallflugzeugen gezwungen ist, gleichermaßen den mit dem Überschallflugverkehr verbundenen Überschallknall auf ein für die Bevölkerung erträgliches Maß zu beschränken?
Herr Kollege, Überschallverkehrsflugzeuge werden von der Flugzeugindustrie in den Vereinigten Staaten, Großbritannien und Frankreich zur Zeit entwickelt. Die Bundesregierung kann auf diese Industrie und auf ihre Entwicklungen keinerlei Einfluß nehmen.
Ich habe vor dem Hohen Hause auf ähnliche Anfragen hin mehrfach ausgeführt und betont, daß die Bundesregierung für die Erlaubnis des Überflugs der Bundesrepublik Deutschland im Rahmen der internationalen Abkommen der ICAO zuständig ist. Sie glaubt nicht, daß Überschallflugzeugen der Überflug mit Überschallgeschwindigkeit gestattet werden kann, solange der Überschallknall die bisher beobachteten Auswirkungen auf die überflogenen Gebiete und ihre Bewohner ausübt. Für den Flug mit Überschallgeschwindigkeit gebaute Flugzeuge können natürlich auch beliebig lange mit Unterschallgeschwindigkeit fliegen und müssen dies in einem Mindestzeit- und Mindestraumbereich vor und nach der Landung auch tun. Ihr Lärmpegel in der näheren Umgebung der Flughäfen wird sich deshalb von dem der Unterschalldüsenflugzeuge, wie sie jetzt verkehren, bei entsprechend gleichem Start- oder Landegewicht nicht unterscheiden.
Eine Zusatzfrage.
Herr Minister, sehen Sie keine Möglichkeit, daß sich die beteiligten Regierungen schon vorab verständigen, um auf die Flugzeugindustrie gemeinsam so einzuwirken, daß der Lärm, der die Bevölkerung belästigt, so weit wie möglich verringert wird?
Wir besprechen diese Fragen im Rahmen der ICAO-Konferenzen, Herr Kollege. Aber Sie wissen ja, daß die Entwicklung dieser Flugzeuge in den von mir genannten drei Ländern von den Regierungen mit sehr großen Mitteln gefördert wird, und zwar ganz allgemein und ohne daß man hierbei die Berücksichtigung des Lärmpegels als eines entscheidenden Faktors bei dieser Entwicklung gewissermaßen zur Auflage gemacht hat. Ich bin der Meinung, daß sich das von der Natur der Sache her selbst entwickelt. Denn auch die anderen Länder können nicht zulassen, daß bewohnte Gegenden mit Überschallgeschwindigkeit von schweren Verkehrsmaschinen überflogen werden. Dies kann man nur auf Meeren oder über relativ unbewohnten Gebieten tun.
Ich rufe die Frage XIII/13 des Abgeordneten Dr. Müller-Hermann auf:
Teilt die Bundesregierung die Meinung, daß die auch in befreundeten Ländern verstärkt geübte Praxis, in aller Offenheit und Öffentlichkeit für die ausschließliche Benutzung nationaler Flug- und Schiffahrtsgesellschaften zu werben, einen diskriminierenden Charakter hat und zu entsprechenden Reaktionen in der Bundesrepublik führen muß?
Herr Kollege, solange sich die Praxis auf die Werbung für die Benutzung nationaler Flug- und Schiffahrtsgesellschaften beschränkt, kann von einer Diskriminierung noch nicht die Rede sein. Die Grenze der Diskriminierung wird aber erreicht und überschritten, wenn - vielleicht sogar für Unternehmen, die sich ganz oder überwiegend in Staatsbesitz befinden - für die ausschließliche Benutzung nationaler Flug- und Schiffahrtsgesellschaften in einer von den üblichen Werbemethoden abweichenden Form geworben wird. Ganz allgemein sind unter Diskriminierung staatliche Eingriffe in den freien Wettbewerb der Flug- und Schiffahrtsgesellschaften zu verstehen, die auch in dieser versteckten Form erfolgen können.
Diskriminierungen werden auf dem Gebiet der Seeschiffahrt vor allem im Rahmen der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, der OECD in Paris, behandelt, soweit die Maßnahmen in Mitgliedsländern der OECD vorkommen. Andernfalls sind bilaterale Verhandlungen erforderlich. Dazu kann das Außenwirtschaftsgesetz als Handhabe dienen. Auf dem Gebiet der Luftffahrt gibt § 23 a des Luftverkehrsgesetzes die Möglichkeit zu entsprechenden Gegenmaßnahmen.
Eine Zusatzfrage.
Darf ich aus Ihrer Antwort schließen, Herr Minister, daß die Bundesregierung entschlossen ist, die ihr zur Verfügung stehenden Möglichkeiten auszunutzen, um gegen jede Form der Flaggendiskriminierung vorzugehen?
Herr Kollege Müller-Hermann, der Bundesminister für Verkehr ist entschlossen, dies dem Auswärtigen Amt jeweils mit allem Nachdruck vorzutragen.
Ich rufe die Frage XIII/14 des Abgeordneten Dr. Eppler auf:
Hält die Bundesregierung eine gesetzliche Regelung des Nachtfahrverbotes für möglich, die ungefähr dem Artikel 2 des schweizerischen Bundesgesetzes über den Straßenverkehr vom 19. Dezember 1958 entspräche?
Herr Kollege, ich darf die Frage mit Nein beantworten; denn das wird bei unserer Verkehrsdichte nicht möglich sein. Die schweizerische Regelung über das Nachtfahrverbot für schwere Motorwagen zur Güterbeförderung kann man auf unsere Verhältnisse nicht ohne weiteres übertragen. Bei der heutigen Verkehrsbelastung muß bei uns das Straßennetz auch nachts für die Verkehrsabwicklung herangezogen werden; das gilt vornehmlich für den Güterfernverkehr. Gewisse örtliche Verkehrsbeschränkungen sind durch die örtlich zuständigen Landesbehörden nach § 4 der Straßenverkehrs-Ordnung zum Schutze der Nachtruhe möglich. Der Entwurf der neuen Straßenverkehrs-Ordnung sieht darüber hinaus vor, daß die Straßenverkehrsbehörden zum Schutze der Nachtruhe auf bestimmten Straßen die Höchstgeschwindigkeit beschränken können.
Eine Zusatzfrage.
Herr Minister, halten Sie, wenn Sie keine Möglichkeit einer generellen Regelung sehen und nur auf die polizeilichen Möglichkeiten verweisen können, eine beschränkte generelle Regelung für Kurgebiete für möglich?
Ja, in Kurgebieten ist selbstverständlich diese Möglichkeit intensiver gegeben. Aber wir bemühen uns auch, dafür zu sorgen, daß in Kurgebieten dem Ruhebedürfnis der Erholungsuchenden durch Umgehungsstraßen grundsätzlich mehr Rechnung getragen wird. Wenn das noch nicht überall geschehen konnte, so liegt es manchmal auch an der schwierigen morphologischen Lage eines Kurortes, wie z. B. Baden-Baden.
Die beiden nächsten Fragen werden wohl zusammen beantwortet? - Ich rufe die Fragen XIII/15 und XIII/16 des Herrn Abgeordneten Bühler auf:
Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um die Schwierigkeiten am Grenzübergang Weil ({0})-Basel zu verringern, nachdem die Schweizerische Regierung in Bern angeblich erst im Jahre 1967 über die Abnahme der Bundesautobahn bei Weil ({1})-Basel entscheiden soll?
Welche Hindernisse stehen dem baldigen Wiederaufbau der so dringend benötigten Brücke über den Oberrhein bei Weil ({2})-Hüningen entgegen, nachdem die Pläne für den Wiederaufbau dieser Brücke schon längere Zeit fertig sein sollen und danach die stehengebliebenen Pfeiler benützt werden könnten?
Herr Kollege, ich bin darüber unterrichtet, daß von der Schweiz gegenwärtig geprüft wird, welche Trassenführung der Autobahn auf schweizerischem Gebiet im Raume Basel zugrunde gelegt werden soll. Nach dem Stand dieser Untersuchungen glaube ich damit rechnen zu dürfen, daß eine Entscheidung über die Trassenführung noch im Jahre 1966 getroffen werden kann. Die Schweizer Seite hat Bedenken gegen eine östliche Autobahnumfahrung Basels, und zwar aus Gründen des dort liegenden Wasserförderungsgebietes für die Stadt Basel, und hat daher einen Vorschlag für eine Stadtautobahn zur Diskussion gestellt.
Bedauerlicherweise bestehen nur geringe Möglichkeiten, die schwierigen Verhältnisse an der Grenzübergangsstelle Weil-Otterbach im Zuge der Bundesstraße 3, insbesondere während der sommerlichen Reisezeit, zu verbessern. Denn hier ist ein Ausbau, soweit er durch die beengte Lage zwischen Bahn und Bebauung überhaupt möglich war, bereits vorgenommen worden. Eine Entlastung des Grenzübergangs Weil-Otterbach kann deshalb nur erreicht werden, wenn ein größerer Anteil des Verkehrs auf die vorhandene Grenzübergangsstelle bei Weil-Friedlingen im Zuge der Bundesstraße 317 verwiesen wird. Dies könnte gegebenenfalls durch Bekanntmachungen in Presse und Rundfunk geschehen.
Eine Zusatzfrage.
Ist der Bundesregierung bekannt, ob die Bundesbahn noch eine Erweiterung ihrer Gleisanlagen westlich des Bahnhofs Weil am Rhein beabsichtigt? Laufen jetzt Verhandlungen über eine gemeinsame Planung zwischen dem Bundesautobahn-Bauamt und der Bundesbahndirektion?
Die Bundesbahn hat in der letzten Zeit ihre
Auffassung in dieser Frage geändert. Doch scheint es mir, daß die allerletzte Entwicklung dazu führt, daß wir um einen Ausbau des Verschiebebahnhofs Weil nicht werden herumkommen können.
Eine weitere Zusatzfrage.
Ist die Bundesregierung bereit, bei den Verhandlungen mit der Schweiz über die Abnahme der Autobahn westlich der Bundesbahn in Weil am Rhein zu berücksichtigen, daß die Stadt Weil nicht ohne Konzessionen der Gegenseite noch wertvolles Gelände opfern kann? Sie müßte nämlich erhebliche Flächen opfern, wenn die Schweizer Pläne auf diesem Gebiet durchgeführt würden. Die Schweiz sieht hier ein gemeinsames Zollamt - „Basel" wird es freundlicherweise genannt - auf ausschließlich deutschem Gebiet vor.
Sind Sie bereit, den Gegebenheiten und Notwendigkeiten der Stadt Weil am Rhein Rechnung zu tragen und in diesem Zusammenhang noch einmal über eine baldige Genehmigung der seit über 110 Jahren vertraglich zugesagten zollfreien Straße Weil-Lörrach zu verhandeln?
Herr Kollege, Ihre jetzigen Ausführungen gehen in die nächste Frage über. Vielleicht darf ich diese Frage zunächst beantworten und die Antwort auf die jetzige Frage mit einbeziehen.
Im Rahmen der Planung für eine Autobahnanschlußstelle Weil-Nord wurde auch die Möglichkeit geprüft, ob hier zu einem späteren Zeitpunkt eine Straßenbrücke über den Rhein angeschlossen werden kann. Pläne für eine solche Brücke, bei der die Benutzung eines noch vorhandenen Pfeilers der alten Eisenbahnbrücke „Palmrain" naheliegen würde, sind jedoch bisher nicht erstellt worden.
Gegenwärtig vermag die vom Bund betriebene Autofähre über den Rhein zwischen Weil und Hüningen dem relativ geringen Verkehr noch vollauf gerecht zu werden. Ob hier tatsächlich eine feste Brücke über den Rhein notwendig und zweckmäßig ist, oder ob besser eine weiter nördlich gelegene Brückenstelle gewählt werden sollte, kann erst entschieden werden, wenn das Ergebnis der von französischen und deutschen Stellen in Auftrag gegebenen verkehrswirtschaftlichen Untersuchungen über den Bau von festen Brücken am Oberrhein zwischen Karlsruhe und Basel vorliegt.
Ich füge diese Antwort deswegen bei, weil sie natürlich für die Lage der Autobahn westlich der Eisenbahn von entscheidender Bedeutung ist. Wenn die Schweiz darauf besteht, daß sie die Autobahn nur westlich der Eisenbahn abzunehmen beabsichtigt, dann denkt sie dabei auch an den Anschluß einer derartigen nahe gelegenen Brücke. Wir sind uns aber, wie gesagt, bisher nicht klar darüber, ob eine solche „Nahbrücke" gegeben und notwendig ist. Die französische Seite wünscht eine „Fernbrücke", wenn ich diesen Begriff einmal hier so einführen darf. Das sind also alles noch nicht geklärte Fragen.
Ich habe gestern abend mit dem Schweizer Bundesrat Gnägi, der das Ressort neu übernommen hat, über das Problem gesprochen. Er hat mir gesagt, daß man sich in der Schweiz noch keineswegs endgültig klar sei. ob sie mit der Fortführung der Autobahn mittels dieser Stadtautobahn einverstanden sein könne. Es scheint mir also, daß auf Schweizer Seite die Probleme in der höchsten Instanz noch nicht so weit geklärt sind, daß wir nun auch die Frage bezüglich der Lage der Zollstelle aufnehmen können.
Ich persönlich hatte vorgeschlagen, daß die ganze Zollstelle auf der östlichen Seite der Bahn und der Untertunnelung des Verschiebebahnhofes auf deutschem Boden liegen sollte, weil dort auch der Anschluß nach dem Wiesetal zu erfolgen hat. Das alles würde sich auf der westlichen Seite schwieriger gestalten. Wir werden selbstverständlich versuchen, Lösungen zu finden, die den Interessen der Stadt Weil soweit wie möglich entgegenkommen. Aber vorrangig ist und bleibt bei den Schwierigkeiten des jetzigen Straßenübergangs nach der Schweiz, daß wir endlich einen vernünftigen Übergang von unserer Autobahn in die Schweiz und eine Fortsetzung der Autobahn auf Schweizer Boden bekommen.
Eine Zusatzfrage.
Herr Bundesminister, nachdem Sie von relativ geringer Benutzung der Rheinfähre Weil-Hüningen gesprochen haben, darf ich fragen, ob Ihnen bekannt ist, daß sehr viele Kraftfahrer aus Südbaden, weil dieser Fährbetrieb eben doch nicht ganz genügt, den Weg über Basel nach dem Elsaß nehmen und nehmen müssen, solange diese Brücke nicht wieder aufgebaut ist, und ist Ihnen vielleicht nicht bekannt, daß beim Regierungspräsidium Freiburg fertige Pläne für den Wiederaufbau dieser Brücke unter Benutzung der stehengebliebenen Pfeiler vorhanden sind?
Daß solche Pläne vorhanden sind, ist mir bekannt. Ich bin aber bisher dahin unterrichtet, daß das Land Baden-Württemberg nicht bereit ist, diese Brücke auf seine Kosten zu bauen.
Frage XIII/17 des Herrn Abgeordneten Kulawig:
Was gedenkt die Bundesregierung im Falle der Nichtanerkennung der Als-ob-Tarife durch die europäischen Behörden zu tun, um den aus dieser Entwicklung für die Saarwirtschaft entstehenden Schaden abzuwehren?
Herr Kollege, zunächst müssen die drei bekannten Entscheidungen aus Luxemburg und Brüssel abgewartet werden. Ob die europäischen Behörden selbst dann, wenn sie die Als-ob-Tarife nicht als Wettbewerbstarife anerkennen sollten, auch sofort und gleichzeitig die Aufhebung der Tarife fordern werden, ist noch ungewiß. Erst dann kann beurteilt werden, ob sich für die Saarwirtschaft die Gefahr einer Schädigung ergibt. Derzeit erscheint eine breitere Erörterung dieser Fragen im Parlament oder an
anderer öffentlicher Stelle den Interessen der Saar nicht zuträglich.
Eine Zusatzfrage.
Ohne auf Ihre Verhandlungen störend einwirken zu wollen, Herr Minister, darf ich trotzdem fragen: Würde die Bundesregierung das Angebot von Unterstützungstarifen durch die Hohe Behörde, gegebenenfalls für einen längeren Zeitraum als gewöhnlich, annehmen?
Herr Kollege, die Frage der Unterstützungstarife ist sehr eingehend besprochen worden. Die Bundesregierung kann ein solches Angebot nicht annehmen. Es ist vielmehr Sache der Bundesbahn, ob sie dieses Angebot annimmt. Die Bundesbahn aber kann Unterstützungstarife nicht gewähren, weil das grundsätzlich nicht möglich ist.
Eine Zusatzfrage.
Wie stellen Sie sich zur Frage der Unterstützungstarife, Herr Minister?
Nun, wir sind der Meinung, daß wir, wenn wir hier anfangen, mit Unterstützungstarifen in dieser Form zu arbeiten, in eine vollständige Deroutierung des Gesamttarifs der Bundesbahn, ja aller Verkehrsträger, kommen müssen. Denn bei den Verhältnissen an der Saar kommen natürlich für eine Unterstützung verschiedene Stellen in Frage. Wir stehen aber auf dem Standpunkt, daß nicht die Verkehrsträger die Aufgabe haben, aus strukturellen oder sonstigen Gründen notleidend gewordene Gebiete zu unterstützen, sondern daß dies die Aufgabe anderer, dafür zuständiger Stellen ist. Nicht der Verkehr soll die Wirtschaft unterstützen, sondern die Wirtschaft soll die Wirtschaft unterstützen, auch soweit es die Ressorts angeht.
Frage XIII/18:
Sieht die Bundesregierung im Bau des Saar-Pfalz-Kanals die geeignetste Lösung zur Beseitigung der Standortnachteile des Saarlandes?
Herr Kollege, ich beantworte die Frage mit Ja. Um die Standortlage der Saarwirtschaft zu verbessern, hatte der Bundesminister für Verkehr im Einvernehmen mit den übrigen beteiligten Bundesministern im Jahre 1963 den Bau des Saar-PfalzKanals in Aussicht genommen. Einen formellen Beschluß brauchte die Bundesregierung damals nicht zu fassen, weil die Deutsche Bundesbahn ihrerseits dem Saarland und dem Land Rheinland-Pfalz aus eigentwirtschaftlichen Überlegungen kanalgleiche Tarife angeboten hatte und beide Regierungen auf dieses Angebot eingingen. Diese Lösung hat sich bisher bewährt. Daß sie international zu Schwierigkeiten geführt hat, ist Ihnen bekannt.
Eine Zusatzfrage.
Beabsichtigt demnach die Bundesregierung, Herr Minister, den Bau des SaarPfalz-Kanals nach Ablehnung der Als-ob-Tarife als Wettbewerbstarife unverzüglich in Angriff zu nehmen?
Herr Kollege, diese Frage haben wir gegenüber den verschiedenen internationalen Behörden bejaht.
Frage XIII/19 des Herrn Abgeordneten Kulawig:
Wann wird die Bundesregierung die Untersuchungsergebnisse über die wirtschaftlichen und verkehrspolitischen Auswirkungen der Schiffbarmachung der Saar zur Mosel und ihre Stellungnahme hierzu, die der Ausschuß für Verkehr, Post- und Fernmeldewesen in Übereinstimmung mit dem Wirtschaftsausschuß in seiner Sitzung vom 11. Februar 1965 in einem einstimmigen Beschluß bis zum 31. März 1965 verlangt hat, dem Bundestag vorlegen?
Der vom Verkehrsausschuß erbetene Bericht über die wirtschaftlichen und verkehrspolitischen Auswirkungen einer Saarkanalisierung kann erst nach der noch ausstehenden Entscheidung der europäischen Behörden über die Als-ob-Tarife erstattet werden. Für die Beurteilung des Kanalisierungsprojekts wichtige Gesichtspunkte sind nämlich von dieser Entscheidung abhängig. Der Bundesminister für Verkehr hat dies in seinen Schreiben vom 27. März und 19. Mai dem Herrn Vorsitzenden des Ausschusses für Verkehr und Post mitgeteilt.
Eine Zusatzfrage.
Herr Bundesminister, stehen Sie weiterhin zu Ihrer im Saarland vertretenen Auffassung, daß die Saar zur Mosel hin schiffbar gemacht und folglich statt des Saar-Pfalz-Kanals ein SaarMosel-Kanal gebaut werden solle?
Nein, Herr Kollege, so ist die Frage von mir auch niemals gestellt und beantwortet worden. Ich habe vielmehr immer darauf hingewiesen, daß eine Kanalisierung der Saar im Anschluß an die Mosel-Kanalisierung verhältnismäßig leichter und auch wesentlich billiger als ein Saar-Pfalz-Kanal auszuführen sei.
Auf der anderen Seite kann natürlich durch eine Kanalisierung der Saar die Verbindung des Saargebietes mit dem Raume Koblenz und mit den Rheinmündungshäfen, aber nicht die Verbindung zwischen dem Raume Saar und dem süddeutschen Absatzgebiet entscheidend verbessert werden.
Eine Zusatzfrage.
Habe ich Sie richtig verstanden, Herr Minister, daß also die Frage noch erörtert werden soll, ob zusätzlich zum Saar-Pfalz-Kanal auch die Schiffbarmachung der Saar in Erwägung gezogen werden soll?
Das sind zwei völlig verschiedene Fragen, die auch wirtschaftlich und fachlich ganz verschiedene Aspekte beinhalten, z. B. das Problem, ob und wie die Saar etwa mit ausländischen Erzen versorgt werden kann.
Noch eine Zusatzfrage?
Herr Minister, können Sie sich erinnern, daß Sie einmal in einer Wahlversammlung an der Saar fest zugesagt haben, die Saar zur Mosel hin zu kanalisieren?
Ich halbe ,das nicht fest zugesagt, sondern ich habe gesagt, daß es meine Auffassung ist, daß diese Arbeit wichtig wäre für die Saar, und daß ich die Auffassung auch deswegen vertrete, weil diese Lösung viel billiger ist als der Saar-Pfalz-Kanal. Und ich habe folgendes gesagt, Herr Kollege - und ich bitte, mir meine Worte nicht im Halse zu verdrehen -:
({0})
wenn die französische Regierung die Verbindung von der Mosel über die Saône zur Rhône herstellt, dann ist der Anschluß über die Saar nach Trier absolut notwendig.
Sind Sie also der Meinung, daß damals die Zeitungsberichte Ihre Worte verdreht haben?
Ich bin sicher, daß in keinem Zeitungsbericht ein Satz, den man frei spricht, genau wörtlich wiedergegeben werden kann. Da wären die Berichterstatter überfordert. Sie haben die Kernpunkte zu sehen. Ich habe damals Bezug genommen auf die kurz vorher erfolgten Äußerungen des französischen Ministerpräsidenten Pompidou in Metz, und ich bitte Sie, diese nachzulesen.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesminister für Wirtschaft. Frage I/1 des Herrn Abgeordneten Brück ({0}) :
Ist die Bundesregierung bereit, in Anbetracht der Krise im Kohlebergbau weitere Gebiete des Saarlandes in das regionale Förderungsprogramm des Bundes aufzunehmen?
Herr Abgeordneter, die Maßnahmen der Bundesregierung für .das Saargebiet im Rahmen des regionalen Förderungsprogramms dienten auch schon bisher der Umstrukturierung von Kohlebergbaugebieten. Die Bundesregierung überlegt in diesem Zusammenhang zur Zeit eine neue Maßnahme,
nämlich die Bestimmung eines sogenannten Bundesausbauortes im Saargebiet. Die Vorbereitungen dazu sind im Gange.
Können Sie mir sagen, wo das sein wird im Saarland?
Ich zögere, diese Frage mit einer Ortsangabe zu beantworten. Die Saarregierung hat uns einen Vorschlag gemacht. Ich glaube, ich kann zusagen, daß die Bundesregierung diesem Vorschlag folgen wird.
Frage I/2 des Herrn Abgeordneten Fritsch ({0}) :
Hält die Bundesregierung die Vorschriften der Zweiten Verordnung zur Durchführung des Gesetzes zur Förderung der Energiewirtschaft vom 31. August 1937, die eine regelmäßige Prüfung der elektrischen Anlagen in ländlichen Anwesen unter Mißachtung der Unverletzlichkeit der Wohnung und eine Anwendung des Prüfungszwanges beinhalten, noch für zweckentsprechend und zeitgerecht?
Ich habe die Auffassung der Bundesregierung genau zu dieser Frage in der Fragestunde des 13. Januar ausführlich dargelegt. Ich darf heute kurz wiederholen: die Bundesregierung beabsichtigt, für ländliche Anwesen die Prüfpflicht aufzuheben, weil diese für die Sicherheit der Bürger nicht mehr erforderlich ist. Für landwirtschaftliche Betriebe dagegen soll diese Prüfpflicht fortbestehen,
weil sie dort für die Sicherheit der Bürger noch unentbehrlich ist. Nach Meinung der Bundesregierung sind diese beiden Auffassungen mit dem Grundgesetz voll vereinbar.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, wann ist damit zu rechnen, daß die Prüfpflicht für nichtlandwirtschaftliche Betriebe und Einrichtungen auf dem Lande entfällt?
Wie Sie wissen, haben wir seit Januar auf die Antworten einiger Länder gewartet. Diese Antworten sind jetzt da; es steht dem raschen Vollzug dieser Aufhebung nichts entgegen.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, wird die Prüfpflicht für landwirtschaftliche Anwesen im bisherigen Umfange bestehenbleiben, oder ist wenigstens eine Änderung des Zeitraums der jeweiligen Untersuchungen vorgesehen, da die Verhältnisse, wie sie 1937 geherrscht haben, als man diese Verordnung erlassen hat, heute weitgehend nicht mehr zutreffen und auch landwirtschaftliche Anwesen schon weitgehend mit modernsten und sichersten elektrischen Geräten ausgestattet und mit entsprechenden Leitungen versorgt sind?
Herr Abgeordneter, die Prüfpflicht für ländliche Anwesen wird nicht weiterbestehen, sie wird aufgehoben werden. Die Prüfpflicht für landwirtschaftliche Betriebe, d. h. Erwerbsbetriebe, wird in dem technisch erforderlichen Maße fortbestehen und wird sich natürlich mit dem jeweiligen technischen Fortschritt ändern.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers für das Post-und Fernmeldewesen. Ich rufe die Frage II/1 des Abgeordneten Richter auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß der Bundespost-Fernsehsender Rohrbrunn ({0}), der das Zweite Fernsehprogramm ausstrahlt und in weiten Teilen Bayerns und in den Kreisen Tauberbischofsheim und Buchen ({1}) gesehen wird, seit Monaten „durchdreht" und nicht nur ein in Streifen und Gitter zerlegtes Bild, sondern auch einen mit Stör- und Brummgeräuschen überlagerten Ton liefert?
Der Fragesteller hat sich mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt. Die Antwort liegt noch nicht vor. Sie wird nach Eingang im Sitzungsbericht abgedruckt.
Frage II/2 des Abgeordneten Dr. Schulz ({2}) :
Ist der Bundesregierung bekannt, daß sich in den letzten Wochen unerklärliche Versäumnisse bei der Postzustellung ergeben haben?
Herr Präsident, ich bitte, damit einverstanden zu sein, daß die beiden Fragen zusammen beantwortet werden.
Das sind die Fra-, gen II/2 und II/3. - Herr Abgeordneter, sind Sie damit einverstanden?
({0})
Dann rufe ich auch die Frage II/3 des Abgeordneten Dr. Schulz ({1}) auf:
Ist die Bundesregierung für den Fall der Bejahung der Frage II/2 der Meinung, daß ein so eindeutiges Absinken der Dienstleistungen der Deutschen Bundespost im zeitlichen Zusammenhang mit der massiven Heraufsetzung der Tarife auf die Öffentlichkeit einen denkbar schlechten Eindruck machen muß?
Herr Abgeordneter, mit diesen Globalfeststellungen kann ich nichts, aber auch gar nichts anfangen. Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie mir konkrete Tatbestände mitteilten. Ich würde diese dann untersuchen lassen und die Mängel, sofern sie zutreffen, selbstverständlich umgehend beseitigen, sofern sie nicht zutreffen, Ihnen eine entsprechende Mitteilung machen.
Zusatzfrage.
Herr Minister, würden Sie nicht mit mir übereinstimmen, daß beispielsweise die Vokabel „Eilbrief" nicht mehr angebracht ist, wenn ein eingeschriebener Eilbrief einer Behörde geschlagene fünf Tage braucht, um von einem Ort des Bundesgebiets an einen anderen befördert zu werden?
Herr Abgeordneter, ich würde Ihnen uneingeschränkt zustimmen, wenn das generell so wäre. Wenn es aber Einzelfälle sind, so werden sich diese einfach nicht vermeiden lassen; man kann nicht auf Grund eines Einzelfalles ein Globalurteil fällen, sonst würde ich auch Sie auffordern - wie ich es schon öfter getan habe, wenn mein Weinkeller zur Neige geht -, mit mir eine Wette abzuschließen; denn dann bin ich sicher, daß mein Weinkeller von Ihrer Seite aufgebessert werden würde.
({0})
Das ist eine erfreuliche Nebenwirkung der Fragestunde.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Minister, darf ich Sie dann so verstehen, daß Sie mit mir übereinstimmen, daß eine Häufung derartiger Vorfälle nicht mehr als Zufall angesprochen werden kann, und Sie bereit sind - wenn Ihnen das entsprechende Material auf den Tisch Ihres Hauses gegeben wird -, diese nachprüfbaren Fälle bis in die Einzelheiten hinein zu verfolgen?
Selbstverständlich, in vollem Umfange.
Zusatzfrage.
Herr Minister, ich kann Ihnen Beispiele sagen, die wirklich das bestätigen, was in der Frage des Kollegen Schulz angesprochen worden ist. Beispielsweise möchte ich Sie fragen, ob es in Ordnung ist, wenn von Stadtbergen bis nach Haunstätten im Landkreis Augsburg - das sind in der Luftlinie ungefähr 10 km - ein Brief vier Tage braucht.
Herr Abgeordneter, wenn das die Regel wäre, würde ich das für völlig untragbar ansehen; wenn es aber ein Einzelfall ist, dann bin ich eben nicht in der Lage, diese auf menschlichem Versagen beruhenden Einzelfälle zu beseitigen. Das gibt es auf der ganzen Welt nicht. Wenn Sie aber der Meinung sind, daß es eine regelmäßig schlechte Verbindung ist, dann schreiben Sie mir das doch bitte. Sie bekommen dann von mir einen entsprechenden Untersuchungsbericht. Wenn Mißstände vorhanden sind, werden sie abgestellt. Ich bin aber nicht mehr bereit, auf Grund von Einzelfällen gefällte Pauschalurteile, allgemeine Verdächtigungen oder Beanstandungen hinzunehmen.
({0})
Herr Bundesminister, der Fall ist nicht nur einmal vorgekommen, sondern mindestens zehnmal.
Herr Abgeordneter, ich bin gerne bereit - das erkläre ich hier mit allem Nachdruck -, 100 Test-Sendungen an verschiedene Adressen von den beiden Orten aus, die Sie genannt haben, abzusenden. Ich will da gar keine Wette als Gegenleistung haben, sondern ich will nur eines haben: daß nach diesem Test auch hier vor dem Deutschen Bundestag und in der Öffentlichkeit bekanntgemacht wird, wie dieser Test ausgefallen ist
Wir kommen zu III: Geschäftsbereich des Bundesministers für Wohnungswesen und Städtebau. Die Frage des Abgeordneten Fritsch ({0}) ist zurückgezogen.
IV: Geschäftsbereich des Bundesministers für wissenschaftliche Forschung! Ich rufe die Frage des Abgeordneten Dröscher auf:
Wie lange kann es sich die Bundesrepublik Deutschland angesichts der wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Fortschritte bei der Uranverwertung für Energiezwecke in der Welt noch erlauben, auf die wertvollen Vorkommen im Schwarzwald deshalb zu verzichten, weil es angeblich nicht möglich ist, zwischen dem Uranabbau und der örtlichen Fremdenverkehrswirtschaft einen entsprechenden Interessenausgleich herbeizuführen?
Nach heutiger Kenntnis der Energiebedarfsentwicklung in Deutschland und der Uranversorgungssituation in der westlichen Welt wird die Bundesregierung bis etwa 1975 auf den Abbau eigener wertvoller Uranlagerstätten verzichten können. Auf jeden Fall aber muß eine Erschließung der in Frage kommenden Lagerstätten etwa zehn Jahre vor dem Beginn des Abbaus in Angriff genommen werden, um die Voraussetzungen für einen möglichen späteren Abbau zu klären. Diese Erschließung muß infolgedessen möglichst bald beginnen.
Zusatzfrage.
Herr Minister, sind Sie nicht in der Lage, konkret etwas über das Vorhaben und die Schürfungen im Falle Menzenschwand zu sagen, die uns ja schon seit Jahren beschäftigen, ohne daß wir da weiterkommen?
Ich darf darauf verweisen, Herr Kollege Dröscher, daß ich erst vor wenigen Wochen hier in der Fragestunde mehrere Anfragen zu dem Stand der Verhandlungen über Menzenschwand beantwortet habe. Sie finden sie im Protokoll des Deutschen Bundestages. Ich kann zusammenfassend nur noch wiederholen, daß die Bundesregierung bemüht ist, die Zustimmung der Landesregierung Baden-Württemberg und der anderen beteiligten Stellen für diese Erschließungsarbeiten zu erhalten, daß aber das gesetzlich vorgeschriebene Verfahren bisher noch nicht zu einem solchen Einvernehmen, zu einer solchen Zustimmung geführt hat. Ich hoffe aber, wie ich damals auch bereits gesagt habe, daß wir in Kürze zu einer Entscheidung des Kabinetts in Baden-Württemberg kommen, die allen Punkten Rechnung trägt.
Eine Zusatzfrage.
Herr Minister, können Sie ungefähr sagen, was uns die infolge dieser Verzögerung entstandene ungenügende Auslastung unserer Uranaufbereitungsanlagen in Ellweiler bisher gekostet hat?
Ich kann Ihnen diese Frage jetzt nicht auf Heller und Pfennig beantworten. Wir haben Ellweiler zum Teil ausgelastet durch die Aufbereitung ausländischen Urans. Aber es ist richtig, daß die nicht volle Auslastung der Kapazität zu einem gewissen Fehlbedarf führt, den wir gerne noch einmal berechnen und Ihnen schriftlich mitteilen wollen.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesschatzministers. Es liegen die Fragen V/1, V/2 und V/3 der Frau Abgeordneten Dr. Krips vor:
Wie ist der Stand der Verhandlungen zwischen der Bundesvermögensverwaltung und der Stadt Stuttgart wegen der Verwendung des Areals der ehemaligen Moltke-Kaserne?
Ist der Bundesverteidigungsminister bereit, den dringenden Wunsch der Stadt Stuttgart nach Überlassung von Grundstücken der ehemaligen Moltke-Kaserne für wichtige kommunale Einrichtungen ganz oder teilweise zu erfüllen?
Bis wann ist mit einer endgültigen Entscheidung der in
Frage V/2 erwähnten Grundstücksüberlassung zu rechnen?
Die Fragen werden schriftlich beantwortet. Die Antwort liegt noch nicht vor. Sie wird nach Eingang im Sitzungsbericht abgedruckt.
Damit sind wir beim Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern. Ich rufe die Frage VII/1 des Abgeordneten Dr. Lohmar auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung die Vorschläge der V. Hochschulkonferenz der Westdeutschen Rektorenkonferenz und des Verbandes Deutscher Studentenschaften zur Neuordnung der Studienförderung nach dem Honnefer Modell?
Die Vorschläge der Westdeutschen Rektorenkonferenz und des Verbandes Deutscher Studentenschaften sind bereits im zuständigen Interministeriellen Ausschuß vorberaten worden. Sie werden morgen mit dem Präsidenten der Westdeutschen Rektorenkonferenz und dem Vorstand des Verbandes Deutscher Studentenschaften im Innenministerium erörtert werden. Diese Vorberatungen dienen einer Beschlußfassung des Kabinettsausschusses für wissenschaftliche Forschung, Bildung und Ausbildungsförderung, die für den 24. Juni 1966 vorgesehen ist. Soweit es sich nach dem gegenwärtigen Stand der Beratungen sagen läßt, enthalten die Vorschläge sicherlich eine Reihe von sehr beachtlichen Anregungen. Ihre Befolgung wird freilich für Bund und Länder eine finanzielle Belastung bedeuten.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, darf ich Ihre Antwort so verstehen, daß nach dem 24. Juni, dem von Ihnen genannten Tagungstermin, nicht nur eine wohlwollende Äußerung des Bundesministeriums zu erwarten ist, sondern eine klare Folgerung?
Herr Abgeordneter, der Zweck der Verhandlungen wird der sein, mit der Rektorenkonferenz und dem Verband Deutscher Studentenschaften zunächst einmal herauszufinden, welche Gesichtspunkte aus der Fülle der Vorschläge, die in dem Schwarzbuch enthalten sind, eine besondere Priorität verdienen. Das ist sicherlich die Frage des Förderungsmeßbetrages und auch wohl die Frage der Einkommensgrenze der Eltern. Wir werden diese Fragen dann zunächst mit den Ländern besprechen müssen, ehe wir zu einer Entscheidung kommen. Ihnen ist ja bekannt, daß die Länder nicht nur hieran partizipieren, sondern, weil sie eine Fülle von Einrichtungen zu fördern haben, die nicht dem Honnefer Modell unterliegen, eine zusätzliche Last zu tragen haben. Aber unser gemeinsames Bestreben ist natürlich, möglichst bald zu einer klaren Entscheidung über diese Anregungen zu kommen.
Ich rufe die Fragen VII/2 und VII/3 des Abgeordneten Metzger auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß die in New York erscheinende Wochenzeitung „Aufbau" in ihrer Nummer vom 29. April 1966 unter der Überschrift „Bonner Visum-Schikanen" berichtet, Ausländer, die als Opfer des zweiten Weltkrieges ihre Heimat verlassen haben, im Ausland leben und staatenlos wurden, erhielten seit Herbst 1965 nur unter schwierigen Bedingungen und nach einer langen Wartezeit durch Behörden der Bundesrepublik einen Sichtvermerk für die Bundesrepublik?
Ist die Bundesregierung gegebenenfalls bereit, für Abhilfe der in Frage VII/2 erwähnten Schwierigkeiten zu sorgen?
Werden die Fragen übernommen? - Sie werden schriftlich beantwortet werden. Die Antwort liegt noch nicht vor. Sie wird nach Eingang im Sitzungsbericht abgedruckt.
Frage VII/4 des Abgeordneten Kahn-Ackermann:
Welche Vorsorge hat die Bundesrepublik getroffen, um sicherzustellen, daß die für Südvietnam bestimmte Sendung von fünfhundert Tonnen Medikamenten auch wirklich der Bevölkerung des Landes zugute kommt?
Die Verteilung der Medikamente ist auf Grund von Vorschlägen der deutschen Botschaft in Saigon, der zivilen amerikanischen Dienststellen in Südvietnam und deutscher Ärzte in Südvietnam vorbereitet worden. Mit der deutschen Regierungsdelegation, die Ende März dieses Jahres in Südvietnam war, ist auch ein Apotheker entsandt worden, um Vorschläge für die Empfänger, die Verteilung und den Transport der Arzneimittel zu machen.
Auf Grund dieser Vorbereitung ist vorgesehen, daß der größte Teil der Medikamente über die staatliche Versorgungsstelle für Medikamente an die 63 zivilen Provinzkrankenhäuser verteilt wird. Diese Zentrale ist nach übereinstimmenden Berichten aller befragten Stellen zur sicheren Verteilung der Medikamente in der Lage.
Kleinere Mengen von Arzneimitteln gehen über die deutsche Botschaft in Saigon an die deutschen
Ärzte an der Universität Hue, an die vom Büro für Internationale Soziale Hilfe eingerichteten Sozialzentren und an die in Vietnam tätigen karitativen Organisationen.
Die Verteilung und Verwendung der Medikamente soll laufend von der deutschen Botschaft in Saigon überwacht werden. Erfahrungen, die sich hierbei ergeben, werden selbstverständlich sofort berücksichtigt. Bisher sehen wir keinen Anlaß zur Änderung der vorgesehenen Verteilung.
Pressemeldungen, wonach Blutplasma aus der ersten Medikamentensendung auf dem Schwarzen Markt aufgetaucht sei, haben sich nach übereinstimmenden Berichten der Botschaft in Saigon und der amerikanischen Dienststellen in Südvietnam als nicht zutreffend erwiesen.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ist von der deutschen Botschaft Vorsorge dafür getroffen, daß diese 500 Tonnen, die ja zunächst einmal irgendwo gelagert werden müssen, sicher gelagert werden können?
Selbstverständlich, Herr Abgeordneter. Wir werden uns darum sehr bemühen, und die Delegation, die jetzt noch einmal hinüberfährt, wird sich insbesondere dieser Frage annehmen, wie wir überhaupt von vornherein bei allem, was auf dem Gebiet der humanitären Hilfe unternommen wird, immer erklärt halben, daß das alles erst Sinn hat, wenn die Lagerung und die Verteilung überhaupt in der menschenmöglich sichersten und zuverlässigsten Weise vorgenommen wird.
Eine zweite Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, Sie haben von „den deutschen Ärzten" in Hue gesprochen. Meinen Informationen nach ist überhaupt nur noch ein deutscher Arzt da. Können Sie mir erklären, wie Sie hier zum Plural kommen?
Nach den mir vorliegenden Unterlagen sind es noch drei Ärzte, die dort sind. Wenn eine Differenz bestehen sollte, werden wir sie sicherlich aufklären, Herr Abgeordneter.
Frage VII/5 des Abgeordneten Kahn-Ackermann:
Billigt die Bundesregierung das Vorgehen der Ausländerpolizei in Köln, die kürzlich auf dem Wege einer regelrechten Razzia in den Räumen der Deutschen Welle eine Ausweiskontrolle der farbigen Mitarbeiter dieser Rundfunkanstalt durchgeführt hat?
Die Länder führen die Bestimmungen des Ausländergesetzes als eigene Angelegenheit durch. Die Aufsicht über die örtlichen Ausländerbehörden liegt nicht bei der Bundesregierung, sondern bei den Ländern.
Der Herr Innenminister des Landes Nordrhein-Westfalen hat mir jedoch auf meine Bitte hin eine Mitteilung über die Vorgänge zukommen lassen. Ich darf bitten, diese Mitteilung in vollem Wortlaut verlesen zu dürfen. Ich glaube, das ist zumutbar, sie ist nur eine Seite lang. Die Mitteilung lautet wie folgt:
Es wird nicht verkannt, daß die „Deutsche Welle" wegen ihrer besonders gelagerten Aufgaben auf die Mitarbeit einer großen Zahl von Ausländern, insbesondere auch aus afrikanischen Staaten, angewiesen ist. Ich habe daher in den vergangenen Jahren wiederholt durch Weisungen darauf hingewirkt, daß diesen speziellen Belangen der „Deutschen Welle" Rechnung getragen und bei der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis an ihre ausländischen Mitarbeiter soweit wie möglich großzügig verfahren wurde. Die Praxis der Ausländerbehörde der Stadt Köln entsprach diesen Weisungen. Die Ausländerbehörde erhielt aber wiederholt Hinweise, daß bei der Afrika-Redaktion der Rundfunkanstalt dennoch Ausländer beschäftigt würden, die weder im Besitz der erforderlichen Aufenthaltserlaubnis noch ihrer Meldepflicht nach dem Meldegesetz nachgekommen seien. Daraufhin hat die Ausländerbehörde der Stadt Köln, wie sie es auch sonst bei Firmen und Behörden handhabt, am 6. 4. 1966 an Ort und Stelle eine Ausweiskontrolle durchgeführt, wozu sie in Ausführung der Vorschriften des Ausländergesetzes und des Ordnungsbehördengesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen verpflichtet und befugt war.
Die mit der Kontrolle beauftragten drei Bediensteten baten zunächst, zu einem verantwortlichen Herrn gewiesen zu werden, um ihn von ihrem Auftrag in Kenntnis zu setzen. Sie wurden in einen größeren Redaktionsraum zu einem Herrn geführt, der ihnen nach entsprechender Unterrichtung die Erlaubnis erteilte, die Pässe der im Raum anwesenden Ausländer zu kontrollieren, und hierbei den Bediensteten mit einer Angestellten die sprachliche Verständigung erleichterte. Die Kontrolle verlief reibungslos in ruhiger Atmosphäre.
Es stellte sich heraus, daß insgesamt 10 Ausländer - zum Teil seit mehreren Monaten - bei der „Deutschen Welle" tätig waren, ohne melderechtlich erfaßt und im Besitz der erforderlichen Aufenthaltserlaubnis zu sein.
Ich sehe keine Veranlassung, die Paßnachschau der Ausländerbehörde in Köln im Gebäude der „Deutschen Welle" zu beanstanden.
Da bei der Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen für die Mitarbeiter der Rundfunkanstalt stets größtes Entgegenkommen bewiesen wurde, konnte erwartet werden, daß die „Deutsche Welle" nicht eine größere Anzahl von Ausländern beschäftigen würde, die sich illegal im Bundesgebiet aufhalten und sich dem ausländer1990
behördlichen Aufenthaltserlaubnisverfahren
entziehen.
Soweit der Bericht des Innenministers in Düsseldorf.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Kahn-Ackermann.
Herr Staatssekretär, sind Sie bereit, sich auch von Angehörigen der Deutschen Welle einen Bericht über die Durchführung dieser Kontrolle geben zu lassen, deren Darstellung erheblich von der Darstellung des Herrn Innenministers von Nordrhein-Westfalen abweicht, und sind Sie weiter bereit, bei Ihren Verhandlungen mit den Innenministern darauf hinzuwirken, daß sich Ausweiskontrollen in Institutionen wie etwa der Deutschen Welle nicht in Formen vollziehen, wie sie vielleicht in zweifelhaften Lokalen üblich sind, in denen man erwartet, bei einer solchen Ausweiskontrolle eine Menge krimineller Elemente zu entdecken?
Herr Abgeordneter, mir sind die von diesem Bericht abweichenden Schilderungen bekannt. Es wird wohl zweckmäßig sein, wenn ich den Intendanten und den zuständigen Behördenleiter einmal zu einem Gespräch zu mir bitte, um diese Meinungsverschiedenheiten aufzuklären.
Ich rufe die Frage VII/6 des Abgeordneten Dr. Müller-Hermann auf:
Kann die Bundesregierung eine Zusage geben, daß die Erteilung von Einreisevisen für Staatsangehörige osteuropäischer Länder in Zukunft beschleunigt wird?
Im Zusammenwirken aller beteiligten Behörden ist es gelungen, die durchschnittliche Bearbeitungszeit solcher Anträge auf zwei Wochen seit Eingang bei den innerdeutschen Behörden zu beschränken. Das ist immerhin ein beachtlicher Erfolg, besonders wenn man berücksichtigt, daß die Zahl der eingehenden Anträge, die ja sehr schnell bearbeitet werden, groß ist. Ich habe mir gestern abend noch einmal die Zahl geben lassen; im April dieses Jahres waren es 5000 Anträge. Wir werden uns aber bemühen, eine noch weitere Verkürzung der durchschnittlichen Bearbeitungszeit herbeizuführen, insbesondere durch größeren Einsatz von Personal.
In Ausnahmefällen - darauf darf ich aufmerksam machen - werden Einreiseanträge schon jetzt bevorzugt bearbeitet und innerhalb weniger Tage, manchmal auch innerhalb weniger Stunden entschieden. Allerdings kann das nur bei einigen Anträgen der Fall sein; denn das geht natürlich auf Kosten der Gründlichkeit und Zuverlässigkeit der Prüfung, auf die wir ja generell bei den hier betroffenen Personen nicht verzichten können..
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Müller-Hermann!
Herr' Staatssekretär, gerade weil ich von allen beteiligten Stellen, so z. B. auch von Internationes, darauf hingewiesen werde, daß die Erteilung der Einreisevisen in der Regel immer noch mindestens vier Wochen dauert und mit allerlei Komplikationen und Reklamationen verbunden ist, möchte ich an die Bundesregierung die Frage richten, ob sie nicht die Meinung teilt, daß es kaum eine wirksamere Ostpolitik geben kann, als möglichst vielen Bürgern aus osteuropäischen Staaten Gelegenheit zu geben, sich in der Bundesrepublik umzusehen, sich von unserem friedlichen Aufbau zu überzeugen und den Widerspruch zu den ständigen Propagandathesen von den deutschen Revanchisten und Militaristen mit eigenen Augen festzustellen?
Herr Abgeordneter, ich teile diese Meinung völlig bei denjenigen Reisenden, deren Reise wirklich den Zweck hat, den Sie soeben geschildert haben. Aber dort, wo sich hinter dem Reisezweck etwas anderes verbirgt, als dem Wortlaut nach auf dem Einreiseantrag erscheint, sind wir eben leider doch genötigt, eine Prüfung zu vollziehen. Ich stimme jedoch mit Ihnen darin überein, daß wir alles tun sollten, um diese Prüfung so weit wie möglich zeitlich zu straffen.
Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Müller-Hermann.
Herr Staatssekretär, darf ich noch eine Frage stellen. Wenn wir davon ausgehen, daß Spione, Spitzel oder Untergrundfunktionäre notfalls sicherlich auch andere Wege finden werden, sich in die Bundesrepublik einzuschmuggeln als über die offizielle Erteilung von Einreisevisen, meinen Sie dann nicht, daß es doch wünschenswert wäre, wenn man die Gewährung von Einreisevisen zeitlich noch weiter beschleunigen könnte, als Sie es hier vorgesehen haben?
Soweit das ohne Beeinträchtigung des Sicherheitszwecks möglich ist, werden wir alles Erforderliche tun. Aber ich glaube, daß wir nicht einfach - und das ist sicherlich auch nicht Ihre Absicht - mit geschlossenen Augen Sichtvermerke für Reisen erteilen dürfen, die unter Umständen leider auch einen anderen Zweck haben, als in dem Antrag angegeben ist.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Brück.
Herr Staatssekretär, darf ich Sie, nachdem Sie die Personalverstärkung angesprochen haben, fragen, ob es zutrifft, daß die bisherige Anforderung in der Vergangenheit nicht erfüllt worden ist, um den sehr schwierigen Anliegen in beiden Richtungen Rechnung zu tragen, und
Brück ({0})
glauben Sie, daß nunmehr für die Zukunft diese Verstärkung möglich sein wird?
Ich möchte annehmen, daß wir durch Verstärkung des Personalansatzes Wege finden, das Verfahren noch kürzer zu gestalten, als es uns bisher durch organisatorische Maßnahmen wie Einführung von Fomblättern und Einschaltung des Fernschreibsystems gelungen ist.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Brück.
Herr Staatssekretär, trifft es zu, daß die Arbeit dieser Stelle bis zur Stunde praktisch von etwa eineinhalb Köpfen bewältigt werden muß?
Herr Abgeordneter, ich sagte Ihnen, wir seien darüber einig, daß eine Verstärkung dieser Stelle erwünscht sei. In welcher Form und in welchem Zeitraum diese Verstärkung möglich ist, kann natürlich nur im Rahmen einer gesamtpersonalpolitischen Entscheidung im Hause festgestellt werden.
Wir kommen zu dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz. Die Fragen VIII/1 und VIII/2 sind vom Fragesteller zurückgezogen.
Die Frage VIII/3 des Abgeordneten Dr. Jahn ({0})
Hält die Bundesregierung es für vertretbar, daß in Erbbaurechtsverträgen festgelegt wird, den Erbbauzins in bestimmten zeitlichen Abständen dem jeweiligen Grundstückspreis anzupassen?
wird schriftlich beantwortet.
Die Antwort .des Bundesministers Dr. Jaeger vom 23. Mai 1966 lautet:
Ihre Frage war, so meine ich, bereits in der Kleinen Anfrage der Herren Abgeordneten Dr. Stecker, Erpenbeck, Franke ({1}), Dr. Ritz, Varelmann und Genossen vom 8. März 1966 ({2}) enthalten. Diese Anfrage ist am 22. März 1966 für die Bundesregierung durch den Herrn Bundesminister für Wohnungswesen und Städtebau beantwortet worden. Ich darf auf die Drucksache V/467 verweisen.
Zusammenfassend darf ich daraus wiederholen: Es ist der Bundesregierung bekannt, daß manche Erbbaurechtsverträge vorsehen, daß der Erbbauzins in bestimmten zeitlichen Abständen dem jeweiligen Grundstückspreis anzupassen ist. Solche Vereinbarungen haben in einzelnen Fällen beträchtliche Erhöhungen des vom Erbbauberechtigten zu zahlenden Erbbauzinses zur Folge. Die Bundesregierung verfolgt die Entwicklung aufmerksam, sieht aber derzeit keinen Anlaß zu gesetzgeberischen Maßnahmen. Es muß vermieden werden, den Grundstückseigentümern durch gesetzliche Beschränkungen in der freien Vereinbarung des Erbbauzinses den Anreiz zu nehmen, Erbbaurechte zu bestellen. Der Erwerb eines Erbbaurechts ist angesichts der gestiegenen Kosten für Bauland in vielen Fällen für einkommensschwache Bauwillige die günstigste, oft sogar die einzige Möglichkeit, zu einem Baugrundstück für ein Eigenheim zu kommen. Diese Möglichkeit sollte nicht erschwert werden.
Die Frage VIII/4 des Abgeordneten Dr. MüllerEmmert lautet:
Wird die Bundesregierung zum Zwecke einer möglichen Änderung des § 61 Nr. 1 der Konkursordnung Erhebungen darüber veranlassen, in welchem Verhältnis der Gesamtbetrag der rückständigen Lohnforderungen zu dem Gesamtbetrag der Rückstände von Sozialversicherungsbeiträgen in den in der Bundesrepublik in den letzten fünf Jahren abgewickelten Konkursverfahren steht?
Die Frage wird schriftlich beantwortet. Die Antwort liegt noch nicht vor. Sie wird nach Eingang im Sitzungsbericht abgedruckt.
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers ,der Finanzen. Die Frage IX/1 des Abgeordneten Dr. Wuermeling
Warum verhindert die Besoldungsstelle der Bundesfinanzverwaltung, Bad Godesberg, die Abgabe der im Monat Mai fälligen Einkommensteuererklärungen für 1965 dadurch, daß die Lohnsteuerbescheinigungen für 1965 auf Grund der seit fünf Monaten vorliegenden Unterlagen auch auf Anmahnung nicht übersandt werden?
wird schriftlich beantwortet.
Die Antwort des Bundesministers Dr. Dahlgrün vom 23. Mai 1966 lautet:
Nach den steuerlichen Vorschriften sind die Lohnsteuerbescheinigungen bis Mitte Mai an das zuständige Finanzamt abzuliefern, soweit sie nicht von den Zahlungsempfängern im Einzelfall angefordert werden, um sie beispielsweise für die Einkommensteuererklärung zu verwenden. Wie mir berichtet wurde, hat der Leiter der Besoldungsstelle der Bundesfinanzverwaltung Ihre fernmündliche Rückfrage am 2. Mai 1966 leider nicht als eine Anforderung Ihrer persönlichen Lohnsteuerbescheinigung aufgefaßt. Seine Antwort bezog sich daher ganz allgemein auf die Absendung der Lohnsteuerkarten mit den Bescheinigungen an das Finanzamt, die bis Mitte Mai durchgeführt wurde.
Die Besoldungsstelle hat Ihnen inzwischen Ihre Lohnsteuerbescheinigung übersandt.
Frage IX/2 des Abgeordneten Dröscher:
Wann werden die Gemeinden mit alliierten Soldaten und Bundeswehrgarnisonen endlich mit einem Ausgleich für den ständigen Ausfall an Gewerbesteuer in Form der vorgesehenen Verwaltungskostenbeiträge rechnen können?
Herr Kollege, die Frage steht im Zusammenhang mit dem vom Bundesrat eingebrachten Entwurf eines Gesetzes über Ausgleichsbeträge für Betriebe des Bundes und der Länder sowie für gleichgestellte Betriebe. Die Gemeinden sollen für von der Gewerbesteuer befreite Betriebe des Bundes, der Länder und der auf Grund zwischenstaatlicher Vereinbarungen im Bundesgebiet stationierten Streitkräfte auswärtiger Staaten Ausgleichsbeträge erhalten. Die Stellungnahme der Bundesregierung war zunächst zurückgestellt worden, weil man das Gutachten der Sachverständigenkommission für die Finanzreform abwarten wollte. Die Vorlage wird dem Bundestag mit der Stellungnahme der Bundesregierung in Kürze zugehen.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dröscher.
Herr Bundesminister, haben Sie Verständnis dafür, daß die betroffenen Gemeinden, die schon jahrelang die Nachteile im Zusammenhang mit einer Belegung durch Streitkräfte in Kauf nehmen, nicht verstehen können, daß dieser Gesamtkomplex jetzt schon im dritten Bundestag unerledigt geblieben ist?
Herr Kollege Dröscher, Sie wissen, daß im 3. Deutschen Bundestag ein Versuch der Bundesregierung gemacht worden ist und daß der Bundesrat in der Legislaturperiode des 4. Deutschen Bundestags einen Versuch unternommen hat. Der Bundesrat hat die Vorlage in der fünften Wahlperiode erneut ein1992
gebracht. Ich hoffe, daß die Lösung des Problems im Interesse der Gemeinden im 5. Deutschen Bundestag gelingt.
Zweite Zusatzfrage.
Würden Sie, Herr Bundesminister, bereit sein, nachdem sich der Bundestag seit seiner dritten Wahlperiode mit dieser Frage beschäftigt, die ganze Unterstützung des Finanzministeriums wirken zu lassen, damit die Dinge vorwärtsgetrieben werden und in diesem Bereich endlich etwas geschieht?
Herr Kollege Dröscher, das Finanzministerium will die Dinge wirklich vorantreiben. Ich will aber nicht verschweigen, daß im Kern dieses Problems verfassungsrechtliche Bedenken stecken, die schon im 3. und 4. Deutschen Bundestag bei den Entwürfen der Bundesregierung und des Bundesrates eine Rolle gespielt haben.
Herr Abgeordneter p g
Könen zu einer Zusatzfrage.
Herr Minister, ist es nicht so - vielleicht haben Sie sich versprochen -, daß im vorigen Bundestag nicht die Bundesregierung, sondern der Bundesrat die Dinge vorangetrieben hat?
Im 3. Deutschen Bundestag hat die Bundesregierung einen Entwurf eingebracht, im 4. Deutschen Bundestag der Bundesrat und im 5. Deutschen Bundestag wiederum der Bundesrat.
Zweite Zusatzfrage.
Herr Minister, würden Sie, nachdem wir in der Vergangenheit die Erklärungen der Bundesregierung in den zuständigen Ausschüssen erlebt haben, einmal näher erläutern können, was Sie sich unter „in Kürze" vorstellen?
„In Kürze" heißt, daß die Bundesregierung zu dem Gesetzentwurf des Bundesrates in wenigen Wochen, jedenfalls noch vor der Sommerpause, ihre Stellungnahme ausarbeiten und dem Bundestag zuleiten wird.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Rinderspacher.
Herr Bundesminister, habe ich Sie recht verstanden, daß dieser Fragenkomplex im Zusammenhang mit der großen Finanzreform erledigt werden soll, oder ist Ihre jetzige Aussage, daß das noch vor den Sommerferien erledigt werden soll, außerhalb dieses Zusammenhangs zu sehen?
Herr Kollege, Sie dürfen sich, wie das mir aus Ihrer Frage so zu sein scheint, die Durchführung der Finanzverfassungsreform nicht als einheitlichen Akt vorstellen, das wird nicht möglich sein, sondern man wird auf Grund des Finanzverfassungsgutachtens ein Problem nach dem anderen lösen, wenn man dafür die zum Teil verfassungsändernden Voraussetzungen geschaffen hat, so daß ich mir durchaus vorstellen kann, daß dieses Teilproblem nach Lösung der verfassungsrechtlichen Generalfrage vorab oder möglichst schnell erledigt wird.
Die Frage ist beantwortet. Die Fragestunde ist beendet. Die weiteren Fragen werden in der nächsten Fragestunde aufgerufen werden.
Ich rufe auf:
Fortsetzung der zweiten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1966 ({0})
- Drucksache V/250 Berichte des Haushaltsausschusses ({1})
a) hier: Einzelplan 12
Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr
- Drucksachen V/581, zu V/581 Berichterstatter: Abgeordneter Haehser
Ich erteile Herrn Abgeordneten Haehser das Wort zur Begründung eines Antrags.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe die Aufgabe, Ihnen den Änderungsantrag der SPD Umdruck 51 und den dazugehörenden Änderungsantrag Umdruck 55 zu begründen. Zu diesen beiden Anträgen darf ich folgende Ausführungen machen.
In den Jahren 1960 bis 1965 stieg die Zahl der Kraftfahrzeugzulassungen - Fahrräder mit Hilfsmotor sind in dieser Zahl nicht registriert - von 8 Millionen auf 12 Millionen. In den letzten 10 Jahren hat sich die Zulassungsziffer verdoppelt. Zuverlässige Schätzungen weisen darauf hin, daß es 1970 rund 14 Millionen und 1975 rund 18 Millionen Kraftfahrzeuge in der Bundesrepublik geben wird.
Als Folge dieser Entwicklung ergab sich ein rapides Ansteigen der Unfallziffern im Straßenverkehr. Im Jahre 1965 geschahen fast 800 000 Unfälle, davon 315 000 mit Personenschaden. In einem Jahr lassen 16- bis 17 000 Menschen ihr Leben auf deutschen Straßen, die Bevölkerung einer Kleinstadt. Auch bei Haushaltsberatungen, meine Damen und Herren, die sich mit nüchternen Zahlen befassen, darf das unermeßliche Leid nicht übersehen werden, das durch diese schreckliche Bilanz über zahllose Familien gekommen ist. Straßenverkehrsunfälle haben viele Gründe. Gewiß spielen menschliches Versagen und Unzulänglichkeiten eine große Rolle.
Haehser
Zweifellos aber ist eine große Zahl von Unfällen auf das mangelnde und vielfach schlechte Straßenangebot zurückzuführen.
({0})
Jeder wird das zugeben müssen, und im Grunde genommen gibt das auch jeder zu. Dem Straßenbau muß man deshalb allergrößte Aufmerksamkeit widmen und demzufolge auch dem Straßenbauansatz im Haushaltsplan dieses Jahres im Einzelplan 12.
Dazu will ich Ihnen folgende Zahlen nennen. Für die Erfüllung des Vierjahresplans, bei dessen Aufstellung man sich ja ganz gewiß etwas gedacht hat
- es wäre schlimm, wenn es anders wäre -, benötigen wir im Jahre 1966 den Betrag von 3750 Millionen DM. Die Deckung dieses Betrages war durch die vom Bundestag beschlossene teilweise Zweckbindung des Aufkommens an Mineralölsteuer in Höhe von 3720 Millionen DM vorgesehen. Durch die Vollmacht, 30 Millionen DM Öffa-Kredite aufnehmen zu können, ergab sich die Deckung der Summe von 3750 Millionen DM, die wir, wie ich sagte, zur Erfüllung des Vierjahresplans als Rate im Jahre 1966 benötigen.
So schön das alles vorgesehen war, es blieb nur schön bis zum Erlaß des Haushaltssicherungsgesetzes. Das Haushaltssicherungsgesetz beschränkte die Haushaltsansätze, die ursprünglich vorgesehen waren, auf 3,5 Milliarden DM. Der fehlende Rest sollte über den Kreditmarkt beschafft werden. Der Regierungsentwurf für den Einzelplan 12 schließlich kürzt den Haushaltsansatz für den Bau von Bundesstraßen um weitere 100 Millionen DM. Das steht im Haushaltsgesetz. Damit tritt eine echte Deckungslücke von 100 Millionen DM ein.
Die Deckungslücke ist in Wirklichkeit weit größer. Warum? Angesichts der Lage auf dem Kapitalmarkt muß bezweifelt werden, daß die Finanzierungsmittel für den Straßenbau überhaupt beschafft werden können. Ich erinnere mich gut an den Vortrag eines Vertreters des Wirtschaftsministeriums im Haushaltsausschuß über die Lage auf dem Kapitalmarkt. Dieser Vortrag hat zu Entscheidungen des Ausschusses geführt, die zwar nachher zum Teil wieder rückgängig gemacht worden sind, - ({1})
- Ich weiß Bescheid, Herr Kollege. Der Herr Bundeskanzler hat in der vorigen Woche dem Kapitalmarkt auch einige Sätze gewidmet. Er sagte, die Bundesregierung wolle den Kapitalmarkt im Jahre 1966 nicht mehr in Anspruch nehmen, um ihn - wie er sagte - zu schonen. Warum sagte der Bundeskanzler das, wenn es zumindest für den Straßenbauansatz doch gar nicht zutrifft?
Bei der Beratung des Einzelplans 12 im Haushaltsausschuß hat die sozialdemokratische Gruppe eine Erhöhung des Ansatzes für den Straßenbau beantragt. Dieser Antrag und auch der Kompromißvorschlag, den wir machten, fanden im Ausschuß keine Mehrheit. Heute legen wir Ihnen erneut einen Erhöhungsantrag vor. 250 Millionen DM wollen wir mehr für den Straßenbau. Wenn wir diesen Antrag annehmen - Sie machen alle so zuversichtliche Gesichter; die Hoffnung scheint groß zu sein -, dann möchten wir, daß für den kommunalen Straßenbau und Straßenbaumaßnahmen in den Kommunen mehr Mittel zur Verfügung gestellt werden.
Lassen Sie mich noch einmal auf die Unfallziffern zurückkommen. Ich sagte, wie hoch sie sind. Im Jahre 1964 gab es in der Bundesrepublik 328 000 Unfälle mit Personenschaden, davon 226 000 innerorts. Das bedeutet doch, daß wir für den kommunalen Straßenbau und für den Straßenbau in den Kommunen mehr Mittel zur Verfügung stellen müssen.
Nun, meine Damen und Herren, ist der von uns beantragte Mehrbetrag von 250 Millionen DM willkürlich gewählt? - Wenn Sie den bisherigen Verlauf der Haushaltsberatungen aufmerksam verfolgt haben - und das darf man für die hier Anwesenden unterstellen -, dann haben Sie auch gehört, daß diese 250 Millionen DM im Rahmen der vom Kollegen Hermsdorf gemachten Deckungsvorschläge liegen.
({2})
- Da wir die Ermächtigung zur Aufnahme von Krediten nicht beschränken wollen, Herr Kollege Dr. Conring, kann durch Bereitstellung des von uns geforderten Betrages zuzüglich realisierbarer Kreditaufnahmen die Summe zur Verfügung gestellt werden, die vom Ministerium ursprünglich gefordert und für notwendig gehalten worden ist.
({3})
- Ich kann Sie nicht verstehen. - Wir haben ja auch noch den neuen Absatz 6 im § 7 des Haushaltsgesetzes, dem wir zugestimmt haben.
({4})
- Es ist vielleicht ganz vernünftig, um Ihr Stichwort aufzugreifen, diesen Absatz einmal vorzulesen, mit Ihrer Erlaubnis, Herr Präsident:
Der Bundesminister der Finanzen wird ermächtigt, eine Verstärkung der Ansätze für den Bau von Bundesfernstraßen und von Bundeswasserstraßen bis zu 450 Millionen DM zuzulassen, soweit entsprechende Mehreinnahmen im ordentlichen Haushalt zur Verfügung stehen.
Wir haben, wie ich sagte, diesem neuen Absatz zugestimmt. Aber dieser neue Absatz ist kein Ersatz für unseren Antrag auf Bereitstellung von mehr Mitteln im Einzelplan 12. Die Formulierung ist allenfalls ein Versuch, unseren Antrag zu unterlaufen. Der Kollege Mengelkamp hat in der Sitzung des Haushaltsausschusses, in der diese neue Formulierung zur Debatte stand, selbst von ;,eventuellen" Mehreinnahmen gesprochen.
({5})
Wären diese Mehreinnahmen mit Gewißheit zu erwarten, hätten sie ja auch wohl etatisiert, also veranschlagt werden müssen. Es erhebt sich aber auch
Haehser
die Frage: wann fallen solche eventuellen Mehreinnahmen an, am Jahresende? Was sollen sie dann noch für den Straßenbau Gutes bewirken?
({6})
Meine Damen und Herren, nach mir kommen gewiß noch gute und schöne Ansprachen von Kollegen aus dem Lager der Christdemokraten und der Freien Demokraten, der Regierungskoalition. Womöglich kommt für die dritte Lesung auch noch ein schön formulierter Entschließungsantrag. Irre ich mich, Herr Kollege?
({7})
- Ich irre mich nicht. Dort wird ganz gewiß zumindest andeutungsweise in wohlklingenden Worten, wie ich erwarte, auch auf die Notwendigkeit der verstärkten Förderung des Straßenbaus hingewiesen werden.
({8})
Dann werden Sie sich mit diesen wohlklingenden Worten sicher auf die folgenden Ansprachen beschränken. Meine Damen und Herren, diese Worte nützen uns nichts. Wir brauchen die 250 Millionen DM mehr. Schöner wäre es, wir hätten heute 350 Millionen DM, wie es ursprünglich für notwendig gehalten wurde, beantragen und beschließen können. Da wir das aus Gründen, die ich nicht weiter zu erklären brauche, nicht können, erbitte ich wenigstens Ihre Zustimmung für diesen unseren Antrag. Er erfüllt nicht alle unsere Wünsche, aber er scheint uns das jetzt Mögliche zu sein. Ich hoffe, daß Sie mit uns in positiver Form abstimmen, meine Damen und Herren.
({9})
Das Wort hat der Abgeordnete Mengelkamp.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Haehser hat bei seinen Ausführungen schon darauf hingewiesen, daß wir uns bei den Beratungen im Haushaltsausschuß mit der Problematik des hier vertretenen Antrages befaßt haben. Ich darf in diesem Zusammenhang einmal daran erinnern, daß wir ja im Haushaltsausschuß bereits die Prozedur erlebt haben, daß Sie, meine Damen und Herren von der SPD, uns sozusagen in schöner Abgestuftheit die verschiedensten Beträge zur Aufstockung vorgeschlagen haben, je nachdem, wie wir dazu unsere Zustimmung geben würden. Ich meine aber - das will ich zu dem Problem der Deckung vorweg sagen -, daß auch die Vertreter der Regierungskoalition mit allem Nachdruck eine große Bereitschaft gezeigt haben, ein entscheidendes Mehr an Haushaltsmitteln gerade für den Bundesfernstraßenbau zur Verfügung zu stellen. Wir hätten gern mehr getan, wenn uns dabei nur die sicherlich sehr attraktive und auch notwendige Aufgabe dieses Fernstraßenbaus vor Augen gestanden hätte; aber uns hat gleichzeitig die Aufgabe gedrückt, diesen Haushalt des Jahres 1966 in
Einnahmen und Ausgaben diesem Parlament in
einem vertretbaren Maße ausgeglichen vorzulegen.
Herr Kollege Haehser, ich habe ein gewisses Verständnis dafür, daß Sie als erste Begründung für diesen Erhöhungsantrag unter anderem auch auf den Straßenzustand, den Straßenausbau und auch auf die Unfallsituation auf den deutschen Straßen hingewiesen haben. Allerdings möchte ich in aller Ruhe und ohne Polemik doch darauf hinweisen, daß dieses Thema in diesem Hause schon zu früheren Zeiten wiederholt und ausführlich diskutiert worden ist und daß wir uns dabei - ich glaube, auf allen Seiten dieses Hohen Hauses - darüber im klaren waren, daß es zwischen dem Ausbau, dem Zustand und der jeweiligen Unfallquote auf den einzelnen Straßen nicht einen unbedingt schlüssigen Zusammenhang gibt. Denn woher kommt sonst die auch in diesem Hause schon oft festgestellte Tatsache, daß insbesondere auf sehr gut ausgebauten, modernen und großen Schnellstraßen, wie wir sie bezeichnen, die Unfallquote ganz besonders hoch ist? Meine Damen und Herren, ich glaube, daß wir diesen Schwerpunkt der früheren Diskussionen aus den in diesem Zusammenhang weiter anzustellenden Überlegungen durchaus ausklammern können.
Im übrigen hat es mich gefreut, zu hören, daß Sie, Herr Kollege Haehser, im Rahmen Ihrer Ausführungen darauf hingewiesen haben, daß immerhin nicht nur die Institution der Vierjahrespläne, sondern auch ihre Finanzierung bis zum sogenannten Haushaltssicherungsgesetz ausgezeichnet funktioniert hat. Auch wir sind froh und glücklich darüber, daß diese Pläne durch die Initiative des Bundesverkehrsministers und mit Unterstützung dieses Hauses in den vergangenen Jahren im vollen Umfang finanziert werden konnten.
Lassen Sie mich an dieser Stelle auch noch folgendes in Erinnerung rufen. Meine Damen und Herren, wir haben auch Jahre erlebt - zuletzt war es insonderheit das Jahr 1964 -, wo wir auf Grund der außerordentlich günstigen Witterungslage ein besonders hohes Bauvolumen bewältigen konnten, das weit über die zunächst veranschlagten Mittel hinausging. Dieses Haus hat sich im rechten Augenblick darauf besonnen, dem Ministerium die Mittel zur Verfügung zu stellen, die eine Ausnutzung der im späten Herbst des Jahres weiter anhaltenden günstigen Witterung zu zusätzlichen Straßenbaumaßnahmen erlaubt hat. Ich meine, daß wir damit nicht erst im Jahre 1966, sondern selbstverständlich in all den hinter uns liegenden Jahren, in denen és Programme zum Bundesfernstraßenbau gab, für die die Bundesregierung und der Bundestag die Verantwortung tragen, sehr deutlich gemacht haben, daß dieses Haus für diese Aufgabe als eine der großen Gemeinschaftsaufgaben immer ein ganz besonderes Augenmerk gehabt hat.
Noch ein anderer Gedanke! Herr Kollege Haehser - auch das, meine Damen und Herren, muß hier herausgehoben werden -, Sie sprachen von den unterschiedlichen Notwendigkeiten und Möglichkeiten, erstens mit der Zurverfügungstellung von Bar-und Kassenmitteln, zweitens mit Mitteln des Kapitalmarkts an diese Arbeit heranzugehen. Ich glaube,
es braucht hier nur in Erinnerung gerufen zu werden, daß wir uns des Mittels und des Instituts der Öffa-Kredite auch in den vergangenen Jahren immer wieder, und zwar mit ebenso ausgezeichnetem Erfolg, bedient haben. Wenn wir in diesem Jahr vor einer anders gelagerten Situation stehen, meine Damen und Herren, dann einfach deswegen, weil die allgemein bekannte und von Ihnen hier auch schon einmal kurz erwähnte Lage des Kapitalmarkts in diesem Jahr doch etwas anders aussieht.
Lassen Sie mich in diesem. Zusammenhang gleich auch auf das eingehen, was normalerweise hier erst beim Haushaltsgesetz hätte zur Sprache kommen können, was Sie aber wegen des sachlichen Zusammenhangs natürlich schon hier .zur Sprache gebracht haben. Sie halben - so glaubte ich feststellen zu können - darauf hingewiesen, daß das nicht ganz ungeschickt gewesen sei - sicherlich ist es richtig gewesen -, daß wir den berühmten § Y Abs. 6 während der Haushaltsberatungen bereits für das Haushaltsgesetz vorgesehen haben. Herr Kollege Haehser, wie sind wir zu diesem Antrag gekommen, und wie sind wir im gleichen Atemzug gezwungen gewesen, Ihre Anträge auf Barerhöhung abzulehnen? Einfach wegen der von mir vorhin schon erwähnten Notwendigkeit, diesen Haushalt so abzugleichen, wie uns das die derzeitige Haushaltslage erlaubt,
({0})
und gleichzeitig der Kapitalmarktsituation Rechnung
zu tragen. Deshalb steht dieser § 7 Abs. 6 hier, und
ich meine, er entspricht absolut den Realitäten des Kapitalmarktes in diesem Jahr
({1})
sowie den Wünschen dieses Hauses, auch in diesem Jahr trotz der Schwierigkeiten soviel wie möglich für die Straßenbauprojekte zu tun.
Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang noch ein anderes Moment in Erinnerung rufen, das bis jetzt nur in den Beratungen des Haushaltsausschusses angeklungen ist und daher dem gesamten Hohen Hause nicht bekannt sein kann. Ich kann nämlich noch an einem anderen Beispiel klarmachen, wie sehr dem Bundestag, insbesondere der Bundestagsmehrheit, daran liegt, das von Ihnen ferner aufgeworfene Problem dies innerstädtischen Verkehrs in den Griff zu bekommen. Ich möchte insbesondere die Kollegen des Haushaltsausschusses daran erinnern, daß wir uns in zwei oder drei Sitzungen auf Grund entsprechender Regierungsvorlagen mit dem vordringlichen Problem des Ausbaus des innerstädtischen Verkehrs in München befaßt haben. Ich denke dalbei weniger an die Tatsache der Mitfinanzierung durch den Bund und an die Umstände um die Finanzierung, sondern vielmehr an das, was wir in den Diskussionen um dieses Projekt immer wieder klar und deutlich zum Ausdruck gebracht haben. Wir haben gesagt, daß wir wegen der Notwendigkeit und Dringlichkeit dieses Projekt mitfinanzieren wollen, daß aber die Mittel, die der Bund jetzt im vorhinein gibt, zu dem Zeitpunkt, wo das gesamte Problem des innerstädtischen Verkehrs oder, anders ausgedrückt, die Lösung der Verkehrsprobleme in
den Ballungsräumen durch gezielte Planungs- und Finanzierungsmaßnahmen in Angriff genommen wird, angerechnet werden müssen. Allein daraus wird deutlich, daß der Bundesregierung wie auch der Bundestagsmehrheit eine eindeutige Planung, ein eindeutiges Konzept und auch eine eindeutige Finanzierungsmöglichkeit vorschweben. Wir wollen in einem großen Umfang und in einem großen Stil gerade dieses Problem lösen. Sie kennen die parlamentarischen und außerparlamentarischen Diskussionen. Wir werden uns, wenn nicht noch während dieser Haushaltsberatungen, so doch sehr bald im Anschluß daran im Verkehrsausschuß, im Haushaltsausschuß und auch im Plenum mit diesen Fragen zu befassen haben.
Ich meine, aus der Beschränkung des Ansatzes in Tit. 310 im Haushalt des Verkehrsministers, aus der Festlegung eines Abs. 6 in § 7 des Haushaltsgesetzes mit Bezugnahme auf die Maßnahmen des Fernstraßenbaus und schließlich aus unserer wiederholt im Haushaltsausschuß erklärten Absicht, das Gesamtproblem des innerstädtischen Verkehrs zu lösen, wird deutlich, daß uns ein klares, durchdachtes, auch in der Finanzierungsmöglichkeit gesichertes Projekt vor Augen steht.
Meine Damen und Herren von der Opposition, Sie werden es uns wohl nicht übelnehmen, daß wir natürlich mit unserer Mehrheit darauf bedacht sind, uns dieses Konzept nicht durcheinanderbringen zu lassen. Es wäre sicherlich für manchen von uns sehr wünschenswert und es wäre für uns auch sehr leicht, hier entsprechende Erhöhungsanträge zu stellen. Ich meine aber, wegen der übergeordneten Aufgabe sollten wir uns beschränken. Ich möchte wiederholen: die drei von mir aufgezeigten Gedankengänge müssen in einem gewissen Zusammenhang gesehen werden. Aus den dargelegten Gründen bitte ich Sie,, den Änderungsantrag der SPD Umdruck 51 abzulehnen.
({2})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Ramms. - Sie verzichten? - Dann der Herr Abgeordnete Dr. Müller-Hermann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Haushalt des Herrn Bundesverkehrsministers ist nach dem Verteidigungs- und nach dem Sozialhaushalt volumenmäßig der drittgrößte. Mir scheint, daß sich allein an dieser Tatsache zeigt, welche Bedeutung die Bundesregierung und auch dieses Hohe Haus dem Verkehrsproblem beimessen. Wir haben sogar festzustellen, daß das Volumen dieses Einzelplans in den letzten Jahren um etwa 1,3 Milliarden DM angewachsen ist, allerdings aus einem Grund, der nicht nur erfreulicher Natur ist, nämlich zusammenhängend mit der Situation der Deutschen Bundesbahn. Aber um noch einmal auf das zurückzukommen, was Herr Kollege Haehser hier ausgeführt hat: wir dürfen erfreulicherweise feststellen, daß die Bundesregierung und dieses Hohe Haus in seiner Gesamtheit insbesondere den Problemen des Straßenbaus, des Ausbaus unserer Fernstraßen, ich möchte sagen,
unter Federführung des Herrn Bundesverkehrsministers ganz besondere Bedeutung zugemessen haben. Wir können, auch wenn wir eingestehen, daß auf diesem Gebiet noch sehr viel mehr getan werden muß, immerhin mit -Stolz feststellen, daß wir in der Bundesrepublik mit den Straßenbauleistungen hinter den Vereinigten Staaten an der zweiten Stelle in der Welt stehen.
Ich möchte mit dem Dank an die Bundesregierung insbesondere auch den Dank an die Kollegen des Haushaltsausschusses verbinden. Wir wissen, daß die Aufgaben der Kollegen im Haushaltsausschuß nicht sehr angenehmer Natur sind. Mein Dank geht an alle Kollegen aus dem Haushaltsausschuß quer durch die Fraktionen dafür, daß, wie man objektiv feststellen kann, in wachsendem Maße die Belange des Verkehrs vom Haushaltsausschuß angemessen gewürdigt werden.
Ich freue mich ganz besonders, daß es im Haushaltsausschuß gelungen ist, in den § 7 den schon zitierten Abs. 6 einzufügen, der uns eine gewisse Gewähr dafür bietet, daß die zu erwartenden Mehreinnahmen aus der Mineralölsteuer dafür benutzt werden, daß in der Finanzierung des Fernstraßenbaus keine Lücken auftreten, sondern die Anschlußfinanzierung sichergestellt wird. In dem Entschließungsantrag, den Herr Kollege Haehser und auch Herr Kollege Mengelkamp bereits erwähnt haben, werden wir die Bundesregierung auffordern, uns bis spätestens zum 1. Oktober dieses Jahres einen Bericht darüber vorzulegen, wie sich die Einnahmeentwicklung auf dem Gebiet der Mineralölsteuer abzeichnet und in welchem Umfang die Bundesregierung von der Ermächtigung an den Bundesfinanzminister zur Auffüllung der Mittel für den Bundesfernstraßenbau und auch für den Bundeswasserstraßenbau Gebrauch zu machen gedenkt.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir können und müssen davon ausgehen, daß die Probleme des Verkehrs in ihrer volkswirtschaftlichen Bedeutung noch zunehmen werden und auch dieses Hohe Haus sich noch oft mit den Problemen des Verkehrs wird beschäftigen müssen. Ich hoffe, daß es möglich sein wird, mit der Opposition gemeinsam. an die zum Teil außerordentlich diffizilen und komplizierten Probleme in einer Weise heranzugehen, daß bei der Lösung ein größtmöglicher volkswirtschaftlicher Effekt erreicht wird.
Sehr verehrter Herr Kollege Haehser, Sie hatten die Freundlichkeit, an die Adresse der Koalitionsfraktionen die Worte zu richten, wir beschränkten uns auf wohlklingende Worte. Nun, ich bin wirklich versucht, wenn ich Ihren Entschließungsantrag zur dritten Lesung durchsehe, mir die Meinung zu erlauben, ohne böswillig zu werden, daß hier Aussagen mit wohlklingenden Worten gemacht werden, ohne daß man sich die Mühe gibt, in die Tiefe der Probleme einzudringen, und vor allem auch, ohne daß man den Mut aufbringt, die unbequemen, sehr schwierigen und vielleicht auch unpopulären Entscheidungen mit zu vertreten, an denen wir nicht vorbeikommen werden, wenn wir die Probleme des Verkehrs im Sinne einer optimalen volkswirtschaftlichen Verkehrsbedienung lösen wollen.
Vor allem, meine sehr verehrten Damen und Herren von den Bänken der Opposition, machen Sie sich die Finanzierungsprobleme, die angesichts des ungeheuer großen Investitionsbedarfs unausweichlich auf uns zukommen, einfach zu leicht. Ich würde es sehr begrüßen - und wenn es nicht auf Ihrer Seite geschieht, würde von unserer Seite dazu die Initiative ergriffen werden -, daß wir entweder bei Einbringung des Bundesbahnanpassungsgesetzes durch die Bundesregierung oder im Zusammenhang mit Großen Anfragen spezielle Probleme des Verkehrs in diesem Hohen Hause in aller Tiefe und in aller Ausführlichkeit erörtern. Und dann, bitte ich, sollen Sie aber auch Farbe bekennen bei den unbequemen und schwierigen Teilen der Lösung der Verkehrsprobleme.
({0})
Ich möchte mich heute auf vier Schwerpunkte beschränken. Der eine betrifft die gemeinsame Verkehrspolitik in der EWG. Die gemeinsame Verkehrspolitik ist so etwas der Hinkefuß, der Nachhinker im Gemeinsamen Markt. Ich sage das völlig ohne jeden Vorwurf. Es ist einfach bedingt durch die Konstitution des EWG-Vertrags, dadurch, daß man die Vertragsbestimmungen angesichts der diffizilen Probleme bewußt sehr vage gehalten hat. Wir müssen uns aber darüber im klaren sein, daß ein gemeinsamer Industriemarkt, ein gemeinsamer Agrarmarkt und der Abbau der Außenzölle nicht ausreichen, wenn wir nicht etwa auf dem Gebiete der Steuerharmonisierung und auf dem Gebiete der Bildung eines gemeinsamen Verkehrsmarktes terminlich Schritt halten. Hier bestehen beachtliche Schwierigkeiten. Ich hoffe nur, daß die Bundesregierung unter Federführung des Herrn Bundesverkehrsministers ihrerseits alles tun wird, um terminlich die Verkehrspolitik in der EWG so anzulegen, daß sich nicht durch das Nachhinken der Verkehrspolitik volkswirtschaftliche Nachteile gerade für die deutsche Wirtschaft ergeben.
Ich denke dabei nicht nur an die deutsche Verkehrswirtschaft, an die deutschen Seehäfen, sondern auch an diejenigen Teile unserer gewerblichen Wirtschaft und unserer Agrarwirtschaft, die insbesondere von den Transportkosten abhängen. Wir werden das Problem der Seehäfen, wie ich hoffe, durch eine interfraktionelle Kleine Anfrage auch in diesem Hohen Hause zur Sprache bringen. Aber wir müssen zweifellos in den nächsten Wochen auch das Thema EWG-Politik im Zusammenhang mit der EWG-Verkehrspolitik zur Sprache bringen, da gerade hier, wo die EWG-Regelungen ein einheitliches Preisgefüge vorsehen, ohne daß die preisbildenden Faktoren wie das Frachtenniveau harmonisiert werden, sich für die deutsche Landwirtschaft möglicherweise erhebliche Nachteile ergeben.
Ich möchte zum Abschluß des Themas gemeinsame Verkehrspolitik die Bundesregierung auch noch darum bitten, dafür Sorge zu tragen, daß wir nicht eine einseitige Liberalisierung auf dem gemeinsamen Verkehrsmarkt erleben, so notwendig zweifellos in der Gesamtkonzeption eine Liberalisierung ist, sondern daß sie gleichrangig auch eine Angleichung der
Wettbewerbsbedingungen bzw. den Abbau der offensichtlichen Wettbewerbsverzerrungen betreibt. Nach der derzeitigen Konzeption werden wir sehr schnell eine Liberalisierung erreichen, während der Abbau der Wettbewerbsverzerrungen terminlich hinterhergeht. Das muß zwangsläufig wiederum, da diese Wettbewerbsverzerrungen fast alle zu Lasten der deutschen Verkehrswirtschaft, der deutschen Wirtschaft, der deutschen Seehäfen gehen, weitere Wettbewerbsnachteile für uns bringen. Das ist, glaube ich, auf die Dauer nicht zu vertreten.
Ich komme zu einem zweiten Schwerpunkt. Das ist das, was wir unter dem modernen Begriff „Infrastruktur" verstehen. Dabei habe ich die Bitte an die Bundesregierung, noch mehr als bisher - und diese Bitte richte ich auch an alle Teile dieses Hohen Hauses - unser Verkehrswegenetz als eine große Einheit anzusehen. Es reicht nicht aus, wenn wir hier für die Bahn, dort für die Straßen, dort für die Wasserwege, dort für die Flughäfen oder die Umschlageinrichtungen vieles tun, wenn wir nicht immer wieder die Verzahnung aller Teile des Verkehrswegenetzes sehen und die ohnehin knappen Mittel angesichts des gewaltigen Investitionsbedarfs so einsetzen, daß die Gesichtspunkte der Dringlichkeit und der volkswirtschaftlichen Ergiebigkeit stets den Vorrang haben. Wenn wir ein optimales Verkehrswegenetz herstellen wollen, ist dazu auch eine noch intensivere Abstimmung mit den Ländern und auch mit den kommunalen Spitzenverbänden notwendig. Ich weiß mich hier mit dem Herrn Bundesverkehrsminister völlig einig. Wir sollten auch bei dem Abbau der Infrastruktur und dem Einsatz der knappen Mittel schwerpunktmäßig in der Weise verfahren, daß wir einerseits insbesondere die Ballungsgebiete bedienen, auf der anderen Seite aber bewußt unsere Infrastruktur auf die revierfernen Gebiete ausrichten, auf die Erschließung der Aufbaugebiete, um nicht zuletzt die zwangsläufige Randlage, in die weite Teile der Bundesrepublik durch die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft geraten sind, abzumildern, indem wir eben die Verkehrswege besonders in Richtung auf die Randgebiete erschließen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, viel ist auf dem Gebiet der Verkehrswegeinfrastruktur getan worden, viel bleibt zu tun übrig. Um es zu wiederholen: das Aufstellen von Forderungen allein, daß mehr getan werden müsse, reicht nicht aus, wenn man sich nicht auch mutig und bewußt den Problemen der Finanzierung stellt. Wir werden allesamt, wenn wir den Nachholbedarf an öffentlichen Investitionen befriedigen wollen, nicht daran vorbeikommen, allmählich eine Verlagerung - zumindest in dem Einnahmezuwachs - vom Sozialkonsum auf die Sozialinvestitionen zu tätigen. Ich glaube, das ist im Interesse eines gesunden Wachstums und einer gesunden Weiterentwicklung unserer gesamten Wirtschaft nötig und ist auch die Voraussetzung für gesunde wachsende .sozialpolitische Leistungen.
Ein dritter Schwerpunkt ist - und bleibt es auch sicherlich noch für einige Zeit - das Sorgenkind Bundesbahn. Nun, meine sehr verehrten Damen und Herren in der Opposition, man kann der Bundesregierung bescheinigen, daß sie sich mit ihrem verkehrspolitischen Programm für diese Legislaturperiode große Mühe gegeben hat, die Probleme zu analysieren und eine Konzeption zu entwickeln. Wir haben uns auch in unserer eigenen Fraktion dieser Arbeit unterzogen und kommen in den entscheidenden Fragen im Grundsatz zu ähnlichen Schlußfolgerungen wie die Bundesregierung selbst. Ich glaube, ohne Übertreibung sagen zu können, daß die in einer kleinen Arbeitsgruppe von unserer Fraktion entwickelten Gedanken über eine Bahn der Zukunft in bezug auf präzise Aussagen und ihre klaren Konzeptionen in der Öffentlichkeit eine besonders gute Resonanz gefunden haben und daß wir uns auch durch das Gutachten der Treuhandgesellschaft bestätigt und bekräftigt fühlen können.
Im Gegensatz- dazu - vielleicht werde ich von Ihnen eines Besseren belehrt - kann ich auf seiten der sozialdemokratischen Fraktion bisher eine klare einheitliche oder überzeugende Konzeption, wie sie sich die Sanierung und Gesundung der Bundesbahn vorstellt, nicht sehen. Ich muß im Gegenteil feststellen, daß hier öffensichtlich völlig konträre Meinungen bestehen. Herr Seibert hat aus seinem Herzen keine Mördergrube gemacht, als er auf dem Kongreß seiner Gewerkschaft seine Gedanken entwickelte. Ich kann mir aber nicht recht vorstellen, daß seine Vorschläge von den Kollegen seiner Fraktion geteilt werden. Das kann man gar nicht erwarten; denn er hat ja, was ich ihm nicht verüble, bewußt einen Interessenstandpunkt wahrgenommen, während wir hier als Politiker, als Parlament, natürlich immer wieder vor der Aufgabe stehen, über die Einzelinteressen der Verkehrsträger die Gesamtheit zu stellen. Unser Ziel ist ja nicht nur - auch wenn das mit eingeschlossen ist - eine gesunde Entwicklung unserer Verkehrsträger, sondern eben eine optimale Verkehrsbedienung für die Verkehrsnutzer, für die Verbraucher und auch für die Wirtschaft.
Meine Damen und Herren, in diesem Zusammenhang möchte ich Ihnen auch ganz offen sagen, daß mir der Ausdruck „negative Rationalisierung" für die notwendige Konzentration des Schienennetzes und für einen organisatorischen Umbau der Bundesbahn einfach nicht gefällt, weil er durch seinen negativen Aspekt etwas ganz Falsches ausdrückt. Denn bei dieser sogenannten negativen Rationalisierung geht es eben nicht um einen Ausverkauf oder eine Demontage der Bundesbahn, sondern es geht um eine Umstellung auf die zeitgemäße Entwicklung eines Schienenverkehrsmittels, eine Konzentration des Leistungsangebots, die zu einer Gesundung, zu einer Verbesserung der Marktsituation dieses Schienenverkehrsmittels führen soll. Es geht um eine Konzentration auf die dem Schienenverkehr angesichts der technischen Entwicklung zeitgemäßen Aufgaben.
Ich habe mir erlaubt, - ich weiß nicht, ob das schon in den Fächern ist -, einen bestimmt objektiven Bericht über die verkehrspolitische Entwicklung in Schweden allen Mitgliedern dieses Hohen Hauses vorzulegen. Eine Bremer Delegation, an der gerade auch Freunde aus Ihrem Bereich, der Sozialdemokratischen Partei, beteiligt waren, hat eine
Informationsreise nach Schweden angetreten und ein sehr ausführliches Gespräch mit dem schwedischen Verkehrsminister, einem Sozialdemokraten, geführt. Wie mir Anwesende erzählt haben, haben sich die Haare gesträubt über das, was der schwedische Verkehrsminister dargelegt hat. Es ist praktisch etwas Ähnliches wie das, was uns allen, die wir vernünftig an die Dinge herangehen, auch vorschwebt: diese Konzentration auf die heute einem Schienenverkehrsmittel gemäße Form.
In einem Bericht in den „Bremer Nachrichten" heißt es u. a.:
Das Geheimnis des Erfolges
- den der schwedische Verkehrsminister meint für sich verbuchen zu können; er ist unbestritten ist, mit wenigen Worten gesagt, die Stillegung unwirtschaftlicher Strecken und die Befreiung der Staatsbahnen von allen unzumutbaren sozialen Belastungen.
Es ist dann davon die Rede, daß das Eisenbahnnetz in Schweden von rund 15 000 km auf rund 7500 km reduziert wird.
Ziel dieser Eisenbahnpolitik ist, den Betrieb auf die Fernstrecken zu konzentrieren, während der Mittel- und Nahverkehr auf die Straße verlegt wird. Lediglich der Nahverkehr in den Großstädten bleibt auf der Schiene.
Es ist dann davon die Rede, daß man in Schweden 32 über das ganze Land verteilte Knotenpunkte entwickelt.
Bemerkenswert ist auch,
- erlauben Sie mir, das nur am Rande zu verlesen daß es im Sozialstaat Schweden auf den Staatsbahnen keine Sozialtarife, wie Arbeiterrückfahrkarten oder Schülerkarten, gibt.
Allerdings füge ich jetzt gleich einen Satz an:
Schüler und Studenten erhalten unmittelbar vom Staat einen Reisekostenzuschuß, der zum Kauf einer Fahrkarte zu vollem Preis ausreicht.
({1})
- Ich erwähne das fairerweise ausdrücklich. Selbstverständlich muß man dann auch die entsprechenden Konsequenzen ziehen. Es heißt dann weiter:
Während die Staatsbahnen mit Wirkung vom 1. Juli 1966 an von allen Monopolverpflichtungen, also vor allem von der Beförderungspflicht befreit werden, sollen in der dritten Etappe, die am 1. Juli 1968 beginnt, alle Verkehrsträger gleich behandelt werden. So wurde vom schwedischen Reichstag beschlossen, daß auch für ' den Lastwagenverkehr ein konkurrenzförderndes System verwirklicht werden muß. Voraussetzung dafür war unter anderem der Fortfall des bisher auch in Schweden geübten Dirigismus, mit dem eine Konzession für den Betrieb von Lastwagen verbunden war. Lastwagen werden in Zukunft freizügig zugelassen.
Dann kommt ein Abschlußwort:
Fürwahr, der rauhe Wind im harten Wettbewerb der freien Marktwirtschaft weht scharf im sozialdemokratischen Schweden.
Und der Verkehrkminister Palme fügt hinzu:
Daran können auch die widerstrebenden Interessengruppen nichts ändern.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich würdige durchaus, daß mit der Stillegung von Strecken natürlich auch schwierige Probleme verbunden sind und daß wir Sorge dafür tragen müssen, daß eine optimale Flächenverkehrsbedienung gesichert bleibt. Wir kommen aber an dieser Konzentration des Schienennetzes einfach nicht vorbei, wenn wir die Bundesbahn wieder deutlich auf ein gesundes Fundament stellen wollen.
Ein anderer Punkt in dem Zusammenhang ist natürlich die Frage, wie wir die sich ständig weiter öffnende Schere zwischen Kosten und Preisen schließen können. Meine Fraktion hat sich sehr eindeutig zu dem Grundsatz bekannt, daß in der Regel der Verkehrsnutzer die Dienstleistungen bezahlen soll, die er in Anspruch nimmt. Nur dann, wenn schwerwiegende übergeordnete gesellschaftspolitische oder auch wirtschaftspolitische Gründe dafür sprechen, wollen wir von dieser Regel eine Ausnahme gemacht wissen.
Wenn das aber so ist oder sein soll, müssen wir uns meines Erachtens, Herr Bundesverkehrsminister, auch Gedanken darüber machen, wie wir in Anlehnung an die Konzeption der EWG unser Tarifsystem für die nationalen Verkehrsträger so gestalten können, daß ihnen mit den Preisen eine schnellere Anpassung an die Kostenentwicklung, auch eine elastischere Anpassung an Marktveränderungen möglich ist. Mir will es also z. B. nicht einleuchten, warum wir der Bundesbahn oder auch anderen Verkehrsträgern nicht das Recht einräumen sollten, für Dauerbenutzer und zuverlässige Kunden Mengenrabatte einzuführen, und warum wir der Bundesbahn nicht auch die Möglichkeit eröffnen, dann, wenn Teile der Wirtschaft aus witterungsbedingten Gründen oder gewissermaßen als Ausnahme von der Regel schnell die Bahn in Anspruch nehmen und dadurch ein entsprechender Zuwachs in der Nachfrage entsteht, einen Zuschlag bei den Preisen vorzunehmen. Wir müssen also zweifellos unser Tarifsystem von den Verkehrsträgern elastischer handhaben lassen können.
Aber, meine Damen und Herren, auch dies möchte ich hier sehr deutlich betonen: wir sollten uns nicht der Illusion hingeben, daß allein mit Preisanhebungen, mit einer Anpassung der Preise an die gewachsenen Kosten die Situation der Verkehrsträger und speziell die Situation der Bundesbahn zu meistern sei. Die Möglichkeiten sind durch den Markt begrenzt. Die mögliche Abwanderung zum Werksverkehr kommt dazu. Ich glaube, daß zu gleicher Zeit ein noch größeres Gewicht darauf gelegt werden muß, insbesondere bei der Bahn Kosten einzusparen. Das ist sicherlich der entscheidende Ansatzpunkt für eine Gesundung der Bahn.
Nun stimmen wir sicherlich alle - ganz besonders sicherlich auch mit Ihnen, Herr Seibert - in
der Auffassung überein, daß Kosteneinsparungen bei der Bahn nicht nur eine Frage des good will oder einer besseren Organisation sind, sondern daß sie auch von den Investitionen abhängig sind, die man bei dem Unternehmen für Modernisierung, Rationalisierung und Automation tätigt. Ich möchte hier vor diesem Hohen Hause besonders unterstreichen, daß die rentierlichste Investition bei der Bundesbahn zweifellos die Elektrifizierung ihrer Hauptstrecken ist. Wir müssen aus diesem Grunde auch die Bundesregierung bitten, gemeinsam mit den Ländern dafür Sorge zu tragen, daß die Bahn kapitalmäßig, in ihrer finanziellen Ausstattung in die Lage versetzt wird, die dringlichsten Investitionen zu tätigen, weil hier wirklich der größtmögliche und schnellste Rationalisierungseffekt erreicht werden kann.
Der Herr Bundesfinanzminister - er ist im Augenblick nicht anwesend, was ich besonders bedauere - hat ja auch im verkehrspolitischen Programm der Bundesregierung den Auftrag erhalten, ein Sonderinvestitionsprogramm für die Bundesbahn vorzulegen. Nun, wir alle wollen uns nichts vormachen, sondern uns darüber klar sein, wie schwierig es ist, guten Ankündigungen gerade auf diesem Gebiet auch die Taten folgen zu lassen, und ich mache keinen Hehl daraus: auch ich würde sehr ungern in der Haut des Herrn Bundesfinanzministers stecken. Aber wir dürfen uns nicht der Illusion hingeben, der Herr Bundesfinanzminister am allerwenigsten, daß wir die Liquiditätshilfen für die Bundesbahn mit irgendwelcher Aussicht auf Wirksamkeit abbauen können, wenn es uns nicht gelingt, das Sonderinvestitionsprogramm nun auch in eine konkrete Form zu gießen. Da genügt nicht ein Programm für ein einzelnes Jahr. Ich glaube, gerade unsere Erfolge auf dem Gebiet des Fernstraßenbaues und auch des Wasserstraßenbaues beruhen nicht zuletzt darauf, daß wir langfristige Vierjahresprogramme entwickelt haben. Auch für die Bundesbahn ist es nötig, daß sie für einen überschaubaren Zeitraum von zunächst einmal vier Jahren eine klare Vorstellung haben kann, welche Möglichkeiten ihr in bezug auf die Rationalisierungsinvestitionen zur Verfügung stehen.
Meine Bitte an die Bundesregierung, speziell an den Herrn Bundesfinanzminister, geht dahin, uns möglichst bald konkret zu sagen, wie sich die Bundesregierung diese Investitionsprogramme vorstellt. Zumindest sollte sich die Bundesregierung als Übergangsmaßnahme überlegen, daß man der Bahn an Mitteln das, was bereits im Bundeshaushalt 1966 vorgesehen ist, für die folgenden Haushaltsjahre bereitstellt, mit der Maßgabe, daß Mittel, die die Bahn als Liquiditätshilfen nicht benötigt, ihr dann als Rationalisierungsinvestitionen zur Verfügung stehen. Auf jeden Fall sind wir - das sage ich mit allem Nachdruck an die Adresse der Bundesregierung - nicht bereit, die Bundesregierung aus Ihrer Verantwortung zu entlassen, für die Sanierung der Bahn langfristige Investitionsprogramme sobald wie möglich diesem Hohen Hause vorzulegen.
Ich komme zu einem letzten Schwerpunkt, der uns sicherlich in diesem Hohen Hause noch oft beschäftigen wird: das ist das Thema innerstädtischer Verkehr. Ich möchte hier zunächst wiederum ein Wort des Dankes an den Herrn Bundesverkehrsminister richten. Denn ich glaube, daß für einen Großteil unserer Gemeinden und insbesondere unserer Großstädte eine nicht zu unterschätzende Entlastung ihres innerstädtischen Verkehrs dadurch eingetreten ist, daß gerade in den letzten Jahren Fernstraßen, insbesondere Autobahnen, in großzügiger Weise im Umkreis der Gemeinden und Städte gebaut worden sind.
Ihnen allen, meine Damen und Herren, und auch der deutschen Öffentlichkeit ist es kein Geheimnis geblieben, daß in unseren eigenen Reihen intensive Beratungen über die Frage stattfinden, wie man das Problem des innerstädtischen Verkehrs finanziell bewältigen kann. Sie wissen, daß für die nächsten zehn Jahre nach sicherlich richtigen Schätzungen, die auch von der Bundesregierung bestätigt werden, ein Investitionsbedarf von etwa 65 Milliarden DM vorliegt und, vorausgesetzt, daß die bisherigen Leistungen von Bund, Ländern und Gemeinden fortgesetzt werden, eine Finanzierungslücke von 29 Milliarden DM bestehenbleibt. Diese zu füllen, ist ein nicht ganz einfaches Problem. So leicht, meine Damen und Herren von der Opposition, wie Sie es sich machen, darf man es sich eben nicht machen. Sie sagen einfach, 15% des Mineralölsteueraufkommens müßten den Gemeinden zur Verfügung gestellt werden. Das ist ein Vorschlag, der ja auch von anderen, nichtparlamentarischen Kommissionen unterbreitet wurde. Seine Realisierung hat aber - darüber müssen wir uns doch im klaren sein - eine Reform der Finanzverfassung, d. h. eine Neuverteilung der Steuereinnahmen zur Voraussetzung. Denn Sie können vom Bund nicht verlangen, daß er zusätzliche Mittel bereitstellt, ohne daß Sie sagen, wie die dadurch entstehenden Finanzlücken beim Bund wieder gefüllt werden. Wir kommen auch nicht daran vorbei, sehr verehrter Herr Börner, außer den fiskalischen auch konjunkturpolitische, die Stabilität unserer Währung und unserer Wirtschaft berücksichtigende Überlegungen einzubeziehen.
Ich möchte aber betonen, meine Damen und Herren, daß meine Fraktion dem Thema des innerstädtischen Verkehrs eine außerordentliche Dringlichkeitsstufe einräumt und fest entschlossen ist, in ihren internen Beratungen gemeinsam mit der Bundesregierung dafür Sorge zu tragen, daß im Jahre 1967 ein Finanzierungsplan anlaufen kann. Wir sind uns völlig bewußt, daß hier ein gesellschaftspolitisches Problem entstanden ist und daß es Pflicht des Bundes und noch mehr natürlich auf Grund der verfassungsmäßigen Ordnung Pflicht der Länder ist, den Gemeinden und Städten zu helfen, wenn wir uns ehrlich zu der städtischen Lebensform bekennen. Meines Erachtens kommt diesem Thema neben der Förderung von Wissenschaft, Forschung und Bildung heute die höchste Dringlichkeitsstufe zu.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich möchte aber auch unterstreichen, daß nach Auffassung meiner Fraktion eine echte Gemeinschaftsaufgabe von Bund, Ländern und Gemeinden vorliegt und daß es einfach zu billig ist, wenn von bestimmter Seite - und auch von Ihnen ({2}) - bewußt in der Öffentlichkeit der Eindruck erweckt wird: daß
das Problem des innerstädtischen Verkehrs nicht gelöst worden ist, ist einfach Bonn, sprich: der. CDU/ CSU, anzulasten.
({3})
({4})
Herr Bundeskanzler Erhard hat von dem Deutschen Gemeinschaftswerk gesprochen. Mir scheint, daß sich bei der Lösung des Themas innerstädtischer Verkehr ein erstes symboliches Exempel für die Praktizierung des Deutschen Gemeinschaftswerkes anbietet, vielleicht auch ein symbolisches Beispiel für -die später in größerem Umfange nachzuvollziehende Finanzreform. Ich würde mich freuen, wenn in den nächsten Jahren an Einzelprojekten im Bereich des innerstädtischen Verkehrs große Schilder zusehen wären: Dies ist ein Bau des Deutschen Gemeinschaftswerks, an dem Bund, Land und Gemeinde gemeinsam beteiligt sind.
Die Öffentlichkeit und auch Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, sollen wissen, daß wir dieses Problem auf jeden Fall noch in diesem Jahre einer Lösung zugeführt wissen wollen. Wenn wir dabei in realistischer Einschätzung aller gegebenen Möglichkeiten auch Ihre Mitwirkung, meine Damen und Herren von der Opposition, erhoffen können, dann soll uns das sehr freuen. Überhaupt lege ich Wert darauf, festzustellen, daß wir bei der Lösung ,der schwierigen Fragen auf dem Gebiet des Verkehrs um so besser vorankommen, je weniger wir sie zum Gegenstand polemischer parteipolitischer Auseinandersetzungen machen, sondern uns vielmehr gemeinsam bemühen.
({5})
- Ich habe mich doch sehr vornehm und zurückhaltend ausgedrückt. Wir sollten uns gemeinsam bemühen, nicht nur Bonbons an die Öffientlichkeit zu verteilen,
({6})
sondern Sie sollten mitwirken und auch bei unbequemen, vielleicht auch unpopulären Entscheidungen Ihren Teil beitragen.
({7})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Börner.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren!
Die Verkehrspolitik wird ihre Aufgaben nur meistern, wenn die politische Führung bis hinauf zu ihren Spitzen die gesamtwirtschaftliche und gesellschaftspolitische Bedeutung der Probleme erkennt und ihre Bewältigung in konstruktiver Weise fördert. Die Verkehrspolitik muß aus ihrem Ghetto herauskommen. Sie braucht eine klare und überschaubare Gesamtkonzeption, die sich der Generallinie der allgemeinen Wirtschaftspolitik anpaßt. Sie muß dabei naturgemäß die Besonderheiten des Verkehrs beachten, sich zugleich aber darum bemühen, den Erfordernissen der Finanz- und Konjunkturpolitik sowie der Raumordnung und Regionalpolitik Rechnung zu tragen. Die Verkehrspolitik ist ,ein wichtiges Glied im Räderwerk der Gesamtpolitik.
Meine Damen und Herren, diese Formulierung, die sicher von jedem hier im Hohen Hause unterstrichen werden kann, stammt von dem Herrn Abgeordneten Dr. Müller-Hermann; er hat dies am 1. Dezember 1964 geäußert.
Wenn man seine Rede heute morgen hier gehört hat, dann könnte man annehmen, daß hier ein Mann nach langen, harten Jahren der Opposition, in denen er keine Möglichkeit gehabt hat, seine Gedanken zu verwirklichen, nun an der Schwelle der Möglichkeiten zur Gestaltung steht und dem Hohen Hause einmal vortragen möchte, was alles besser gemacht werden könnte. So etwa ist die Rede von Herrn Müller-Hermann soeben von meinen Freunden und mir verstanden worden;
({0})
was er nämlich gesagt hat, waren keine neuen Erkenntnisse. Nur muß die Frage gestellt werden: wer regiert hier eigentlich seit langen Jahren,
({1})
wer hatte die Möglichkeit, zu gestalten, die Gutachten zu verwirklichen, die Bundesbahn zu sanieren und das Problem des Nahverkehrs zu lösen? Das sind doch alles Dinge, die nicht erst seit vorgestern bekannt sind, sondern wegen deren wir uns letztlich in den verkehrspolitischen Debatten - bildlich gesprochen - schon die Schuhsohlen abgelaufen haben.
Ich möchte heute morgen für meine Freunde hier ganz deutlich sagen: Die Opposition hat die Absicht der Aufstellung eines verkehrspolitischen Programms der Bundesregierung zu Beginn dieser Legislaturperiode ausdrücklich begrüßt, weil wir der Meinung sind - wir haben das in früheren Jahren hier oft genug gegen den Widerstand der damaligen Koalition vertreten -, daß Verkehrspolitik Strukturpolitik ist, die ihrer Natur nach nicht von der Hand in den Mund leben kann, sondern langfristig gemacht werden muß,
({2})
und daß deshalb nicht das Dogma der Antiplanungstendenzen gilt,
({3})
- wie sie immer von der Koalition im Hause vertreten worden sind -, sondern daß es im Gegenteil
- und das hat der Herr Bundesverkehrsminister z. B. beim Fernstraßenbau seit langen Jahren mit unserer Unterstützung verwirklichen können - in .der Verkehrspolitik entscheidend darauf ankommt, langfristig zu disponieren,
({4})
nicht nur zu planen, sondern auch die finanziellen Grundlagen langfristig abzustimmen und, was für die Debatte von heute von entscheidender Wichtigkeit ist, zu diesen langfristigen finanziellen Überlegungen auch zu stehen.
Die Bundesregierung und die Koalition müssen es sich gefallen lassen, beim ersten Haushalt dieser Legislaturperiode nicht an ihren Proklamationen und an den Erklärungen auf Pressekonferenzen, sondern an den Zahlen dieses Haushalts in Relation zu den Absichten des verkehrspolitischen Programms gemessen zu werden. Heute morgen geht es nicht darum, etwas verbal zu bekräftigen, was wir schon alle wissen, sondern die Frage ist zu stellen, inwieweit Erkenntnisse ihren Niederschlag in den Zahlen dieses Haushalts gefunden haben.
({5})
Meine Damen und Herren, ich möchte hier deutlich sagen: Die Opposition ist immer, wenn es um Gemeinschaftsaufgaben geht - dieser Begriff stammt ja von uns in der politischen Diskussion in der Bundesrepublik - gern bereit, tatkräftig mitzuarbeiten und ihren Sachbeitrag zu leisten. Aber - und das gilt insbesondere für das verkehrspolitische Programm der Bundesregierung - Absichtserklärungen sind noch lange keine Politik:
({6})
An ihren Taten sollt ihr sie erkennen, nicht an ihren Worten.
({7})
- Ich komme noch darauf, und ich werde auch deutlich sagen, wo uns etwas gefällt und wo uns etwas nicht gefällt bzw. wo wir nach unserer Meinung im Interesse des Ganzen, Herr Kollege, eine Verbesserung auch in der finanziellen Konzeption erwarten dürfen und erwarten müssen.
Wenn ich also das verkehrspolitische Programm vom Ende vergangenen Jahres bzw. vom Anfang dieses Jahres, das die Bundesregierung gegeben hat, einmal neben den Einzelplan 12 halte, dann muß ich sagen: Wenn man die Entwicklung der letzten fünf Monate sieht, muß man daran zweifeln, daß das, was in diesem verkehrspolitischen Programm steht, von der Regierungskoalition in ihrer ganzen Breite auch wirklich vertreten wird. Denn wie ist die Lage? Die Lage ist doch nicht, daß Bundesregierung und Koalition an der Verwirklichung dieses Programms mit Intensität und Verantwortungsbewußtsein arbeiten, sondern die Lage ist, daß hinter den Kulissen der Regierung und der Koalition ein wildes Durcheinander über die verschiedensten Lösungsvorschläge im Gange ist und daß durch diese Kulissenkämpfe die Lösung dieser Probleme verzögert, ja, in verschiedener Beziehung sogar unmöglich gemacht wird.
Man muß die Frage stellen - das ist ja auch Sinn einer solchen Haushaltsdebatte -, wenn hier von der Regierungskoalition auf Pressekonferenzen von „Verkehrspolitik aus einem Guß" gesprochen wird, wie es sich mit dem Verhältnis des Bundesverkehrsministers zu seinem Kollegen im Finanzressort verhält und wer eigentlich die Verkehrspolitik bestimmt, ob die Verkehrspolitik vom Bundesverkehrsministerium oder vom Finanzminister und seinem Haushaltsdirektor gemacht wird und inwieweit die Regierungskoalition bereit ist, hier ein klärendes Wort zu den ausstehenden Lösungen der Probleme zu sagen.
Meine Damen und Herren, ich will es einmal bildlich sagen. Die Verkehrspolitik stellt sich für die breite Öffentlichkeit zur Zeit wie folgt dar: Herr Dr. Seebohm und Herr Dahlgrün ziehen an einem Strick, aber jeder nach dem anderen Ende.
({8})
Was bedeutet das? - Ich habe gesagt, Verkehrspolitik ist Strukturpolitik; sie muß von einer klaren finanzpolitischen Konzeption untermauert werden. Es ist die Frage zu stellen, was sich von diesen Erklärungen des Monats Januar, was sich von den optimistischen Prognosen des Herrn Dr. Seebohm nun in den Zahlen dieses Haushalts niedergeschlagen hat.
Ein typisches Beispiel ist die Bundesbahnsanierung. Die Opposition hat gerade zu diesem Problem immer erklärt, daß sie sich dessen bewußt ist, daß in der Frage der Sanierung der Bundesbahn nicht nur populäre Entscheidungen zu treffen sind. Und wenn hier von Herrn Müller-Hermann die Darstellung versucht wird, als habe sich die Opposition hier nur die Rosinen aus dem Kuchen herausgesucht, dann muß ich sagen, sehr verehrter Herr Kollege: Wenn ich mir so die Fragestunden ansehe und die Rednerliste da Revue passieren lasse, stelle ich fest: die Fragen aus Ihrer Fraktion nach Strekkenstillegungen und nach Bundesbahndirektionen sind mindestens so zahlreich wie die aus der Opposition. Sie können also mit Ihren wohlklingenden Worten hier nicht den Eindruck erwecken, als läge es nur am schlechten Willen der Opposition, daß wir in der Frage der Bundesbahnsanierung nicht vorangekommen sind. Entscheidend ist doch die Feststellung, daß die großen Fragen, nämlich die Frage der Kapitalbeschaffung für die Sanierung und die Frage der sogenannten positiven Rationalisierung, eben nicht ohne ein klärendes Wort aus der Koalition und aus der Bundesregierung zu lösen sind.
Was sich hier in den letzten Wochen andeutet, ist doch eine politische Katastrophe.
({9})
- Ja natürlich, das ist eine Katastrophe. Ich will Ihnen gleich sagen und anhand einiger Beispiel beweisen, was die Vernachlässigung des Problems der Sanierung der Deutschen Bundesbahn für volkswirtschaftliche Konsequenzen heute schon hat und morgen haben kann, wenn Sie in Ihrer Fraktion bestimmte Entscheidungen so mit der linken Hand fällen, wie Sie das in den vergangenen Monaten getan haben.
({10})
- Ich danke Ihnen für den Zwischenruf: „Warten Sie das Anpassungsgesetz ab!" Meine Damen und Herren, ich kenne den Text bisher nicht, aber nach allem, was ich aus Ihren Reihen dazu gelesen habe - einige von Ihnen haben ja das Wasser nicht halten können und haben sich in den Zeitschriften schon verbreitet -, sieht es doch aus, daß für positive Maßnahmen durch dieses Gesetz kein Pfennig mehr bereitgestellt wird, sondern daß lediglich die Verantwortung, die heute zum großen Teil bei der Exekutive bzw. beim Bundesbahnvorstand liegt, nun mit auf das Parlament übertragen werden soll, ohne daß sich in den wirklich entscheidenden Fragen der wirtschaftspolitischen Betrachtung auch nur ein Deut ändert. Wissen Sie, was das ist? - Das .ist lediglich der Versuch, den „Schwarzen Peter" zur Hälfte an das Parlament loszuwerden; weiter ist das nichts.
({11})
Deshalb kann ich heute nur sagen: Natürlich werden wir von der Opposition dieses Bundesbahnanpassungsgesetz in seiner Substanz vorurteilslos behandeln und mitberaten.
({12})
Wenn sich aber herausstellen sollte, daß darin lediglich die Girlanden der Bundesbahnverkehrspolitik betroffen sind, nicht aber das Kernproblem, dann werden Sie auf eine positive Mitarbeit der Opposition nicht rechnen können; denn man muß das Problem von innen her lösen und kann nicht an dem Beiwerk die politischen Entscheidungen aufhängen.
({13})
Dieses Vorurteil ist begründet, nachdem aus Ihrem Bereich hier die bisherige Substanz des Gesetzes so einseitig in der Art dargestellt worden ist, wie ich es soeben zitiert habe.
({14})
Aber kommen wir doch zurück zu den Problemen, die heute mit dem Haushalt zur Debatte stehen; Die Sozialdemokraten haben als eine der wesentlichen Voraussetzungen für die Gesundung der Deutschen Bundesbahn immer die sogenannte Normalisierung der Konten betrachtet, und sie haben sich in ihrer praktischen Mitarbeit. in den Gremien dieses Hauses darauf eingestellt. Die sozialdemokratische Fraktion des Hauses begrüßt ausdrücklich, daß es dem Herrn Berichterstatter, unserem Kollegen Haehser, gelungen ist, im Haushaltsauschuß einen bescheidenen Anfang zu machen.
({15})
- Einen Monent. Wir hoffen, daß sich in dieser Weise die bisherige fachliche Unterstützung einiger Kollegen aus der Koalition, insbesondere des Mitberichterstatters, auch in Zukunft so auswirken
wird, Herr Kollege Müller-Hermann, daß die noch vorhandenen Widerstände in Ihrer Fraktion gegen die endgültige Kontennormalisierung überwunden werden können.
({16})
- Nein, ich kämpfe nicht gegen Phantome, sondern ich stelle fest, daß die Koalition in dem Durcheinander der Interessengruppen in dieser Frage bisher keine einheitliche Linie gefunden hat. Das ist die wirkliche Lage.
({17})
Meine Damen und Herren, wie gesagt, die Bereitschaft, im Haushaltsausschuß über dieses Problem quer über die Fraktionen hinweg sachlich zu diskutieren, ist ein guter Anfang. Ich meine, wir sollten weiter auf diesem Wege gehen. Aber, meine Damen und Herren, was hinzukommen muß, ist nicht nur der klare Ausweis der politischen Lasten der Deutschen Bundesbahn, sondern es ist auch die entscheidende Frage, die auch von Herrn Müller-Hermann - allerdings nach der Art eines Schwanengesanges - hier behandelt worden ist, der positiven Rationalisierung der Deutschen Bundesbahn durch die Zuführung entsprechender Mittel. Sie haben selber, verehrter Herr Kollege, darauf hingewiesen - und deshalb muß ich dieses Problem besonders ansprechen -, daß, nach Ihren Worten, das Sonderinvestitionsprogramm für die Deutsche Bundesbahn einer der Eckpfeiler des verkehrspolitischen Programms ist oder sein sollte. Ich kann nur sagen: ist das der Schnee vom letzten Jahr? Wo ist dieses Sonderinvestitionsprogramm geblieben? In den Beratungen des Verkehrsausschusses über diese Frage ist von den Vertretern der Bundesregierung schon eingeräumt worden, daß es sich bei diesem Sonderinvestitionsprogramm, bezogen auf den Haushalt 1966 - wenn wir einmal die 400 Millionen DM, die hier ausgewiesen sind, annehmen -, um nichts anderes handelt als um eine sogenannte Minimalaktion. Das heißt auf gut deutsch: hier ist das finanziell Allerdringendste, das Allerallerdringendste - das wissen Sie doch selbst, Herr Kollege Müller-Hermann -, gerade noch so in Aussicht gestellt worden.
Was erleben wir nun am Schluß dieser Beratungen? Das müßte Sie doch traurig stimmen. Sie haben schon vor einigen Wochen gewisse Konsequenzen auch für sich persönlich angekündigt, wenn die Dinge nicht anders gesehen werden. Am Ende dieser Haushaltsberatungen - jedes Mitglied dieses Hohen Hauses weiß aus langen Beratungen der letzten Monate, daß der Deutschen Bundesbahn eben nur durch Kapitalzuführung, durch die Verstärkung ihrer Elektrifizierungsvorhaben und andere Maßnahmen der Modernisierung geholfen werden kann - kommt das Wort des Bundeskanzlers von der Nichtinanspruchnahme des Kapitalmarktes, was praktisch bedeutet - und das muß doch heute
in einer solchen Debatte einmal festgestellt werden -,
({18})
daß die Deutsche Bundesbahn auch in diesem Jahr noch keine Aussicht hat, auch nur diese bescheidenen 400 Millionen DM über die Inanspruchnahme des Kapitalmarktes zu bekommen.
({19})
- Ich stütze mich dabei auf das, was in der Öffentlichkeit erklärt wurde.
({20})
- Ich stütze mich auf das, was von Ihnen in der Öffentlichkeit erklärt wurde, sehr verehrter Herr Kollege, und was auch aus Ihren Reihen entsprechend kommentiert wurde. Ich kann mich da auf sehr kompetente Sprecher aus den Reihen der Koalition in den letzten 14 Tagen berufen.
({21})
- Nun, wenn es möglich ist, durch Ihre Maßnahmen diese 400 Millionen DM sicherzustellen, dann, bitte, tragen Sie sich in die Rednerliste ein und erklären Sie uns, wann und wie. Denn, meine Damen und Herren, für die Bundesbahn gilt das, was für alle Strukturinvestitionen in der Bundesrepublik richtig ist: Wer schnell gibt, gibt doppelt.
Sie haben die Bundesbahn schon lange Jahre vertröstet. Ich erinnere nur daran - vielleicht beziehen Sie das in Ihre Überlegungen mit ein -, welch stiefmütterliche Behandlung das Investitionsprogramm der Deutschen Bundesbahn im letzten Haushaltsjahr erfahren hat und wie sehr man hier von dem Prinzip ausgegangen ist, die Kuh im Grunde nicht melken, sondern schlachten zu wollen. Das ist doch die Auswirkung davon, daß man auf der einen Seite der Bundesbahn die nötigen Mittel zur Modernisierung verweigert, auf der anderen Seite aber gebannt und fasziniert auf alle Pläne zur Streckenstillegung überall in der Bundesrepublik blickt, als wenn von diesen Dingen nun kurzfristig eine Erleichterung des Problems zu erwarten wäre.
({22})
Meine Damen und Herren, lassen Sie sich in aller Offenheit sagen: Die Frage der Streckenstillegurigen wird von der Opposition in der Diskussion sicher nicht zu einer Weltanschauungsfrage gemacht werden; man muß da von Fall zu Fall entscheiden. Aber man sollte sich auch hüten, so zu tun, als ob durch die Stillegungsaktion kurzfristig eine erhebliche Entlastung des Budgets der Deutschen Bundesbahn erreicht werden könnte.
({23})
Man muß wissen, daß auch der Personalabbau, der
von Ihnen immer als das Ei des Kolumbus dargestellt worden ist, eben diese kurzfristige finanzielle Entlastung nicht bringt,
({24})
weil sich die Auswirkungen noch bis in die 70er Jahre hineinziehen werden.
({25})
Ich will das Problem heute nicht vertiefen. Ich warne nur vor dem Wunderglauben, daß man die Bundesbahn jetzt mit der Streckenstillegung als der einzigen Rationalisierungskomponente des Jahres 1966 bedienen könnte.
({26})
Ich meine vielmehr, daß sich die Koalition große Verdienste um die deutsche Verkehrspolitik erwerben könnte, wenn sie sicherstellte, daß diese 400 Millionen DM der Bundesbahn möglichst noch vor dem 1. Juni zur Verfügung stehen. Denn was nachher kommt, meine Damen und Herren, wird schon zu großen Schwierigkeiten führen, d. h. die Durststrecke ist schon jetzt bedrohlich.
({27})
Ich will Ihnen das noch an ein paar Beispielen deutlich machen. Herr Kollege Müller-Hermann hat, ohne es zu wollen, gerade das Problem des Anschlusses des norddeutschen Raums an die Elektrifizierung hier zur Debatte gestellt. Ich halte es für einen entscheidenden Mangel der Strukturpolitik der Bundesrepublik, wenn es nicht gelingt, den Nordseehäfen die volle Elektrifizierung innerhalb der nächsten zwei Jahre zu geben. Gerade das, was Sie über die EWG gesagt haben und was mein Kollege Apel nachher noch aufgreifen wird, ist ein Punkt, bei dem wir uns überlegen müssen, ob wir es weiter dulden wollen, daß die Wettbewerbssituation der Nordseehäfen durch Unterlassungssünden dieser Art noch weiter verschlechtert wird.
({28})
Meine Damen und Herren, in diesen Zusammenhang gehört aber noch ein andere Sache. Das ist die Lage der deutschen Waggonbauindustrie, die Lage der Zulieferer der Deutschen Bundesbahn und damit indirekt auch die Lage der deutschen Stahlindustrie. Hierzu sind Ihnen genauso wie uns in den letzten Wochen eine ganze Reihe von Schreiben zugegangen, in denen dargelegt wird, wie ernst die Lage dieses Industriezweigs ist und was die weitere Drosselung der Investitionen der Deutschen Bundesbahn langfristig für Konsequenzen nicht nur auf dem Arbeitsmarkt, sondern auch für die Leistungsfähigkeit dieser Unternehmen überhaupt haben wird.
Wir meinen also, es ist hohe Zeit, abseits von der Diskussion über Organisationsfragen, Herr Müller-Hermann, die zwar geführt werden muß, aber nicht unbedingt bis zum 1. Juni geführt werden kann, der Deutschen Bundesbahn schnell zu helfen, um dieses Unternehmen in die Lage zu versetzen, bei dem
Wettbewerb im Markt in der Bundesrepublik und
auch in der europäischen Konkurrenz zu bestehen.
Meine Damen und Herren, dazu gibt es doch konkrete Festlegungen der Bundesregierung. Ich darf Ihnen einmal in die Erinnerung rufen, was derjenige gesagt hat, der die Richtlinien der Politik bestimmen soll. Herr Bundeskanzler Professor Erhard hat mit der ihm eigenen plastischen Ausdrucksweise am 3. Oktober 1964 vor Eisenbahnern folgenden denkwürdigen Satz geprägt:
Seien Sie also überzeugt: ich werde mich jetzt in die Dinge vertiefen; ich werde mich durchfressen, weil sie mich wirklich interessieren, weil auch ich das Gefühl habe: so können die Dinge nicht bleiben.
Wohlgemerkt, das sagte der Herr Bundeskanzler schon im Oktober 1964. Auch in Abwesenheit des Herrn Bundeskanzlers ist da die Frage der Opposition von heute morgen berechtigt. Hat er es gefressen? Was ist denn in diesen Monaten, die hinter uns liegen, geschehen? Welche Lösungsmöglichkeiten sieht derjenige, der die Richtlinien der Politik bestimmt? Ist es nicht an der Zeit, daß er den vielen gegensätzlichen Meinungen in der Koalition zur Frage der Bundesbahnsanierung einmal durch ein klärendes Wort ein Ende macht?
({29})
Wir meinen, daß es hoch an der Zeit ist, die Aufmerksamkeit des Bundeskanzlers auf die von ihm abgegebene Erklärung zu lenken, weil nämlich immerhin von der Lösung des Problems auch Hunderttausende von Eisenbahnern betroffen sind,
({30})
die ihre Pflicht und in den Jahren des Aufbaus nach dem Kriege mehr als ihre Pflicht getan haben, die an dem, was wir in der Umgangssprache das deutsche Wirtschaftswunder nennen, einen erheblichen Anteil haben und die es nicht verdienen, heute so dargestellt zu werden, als gehörten sie einem Unternehmen an, das nur im Defizit arbeitet und nicht in der Lage ist, das zu leisten, was die moderne Volkswirtschaft von ihm fordert.
Der Herr Bundesverkehrsminister Seebohm hat in den letzten Wochen erklärt, daß die Schiene das Rückgrat der zukünftigen Verkehrspolitik bleiben müsse und daß sie auch in der Verkehrswirtschaft von morgen eine Bedeutung habe. Das ist, wie wir meinen, ein richtiges und gutes Wort, und das trifft selbstverständlich nicht nur für die Fernstrecken der Deutschen Bundesbahn zu, sondern auch - und darauf muß sich der Verkehrsausschuß dieses Hauses in den nächsten Wochen besonders konzentrieren - für die Mitarbeit der Deutschen Bundesbahn an der Bewältigung des innerstädtischen bzw. des Nahverkehrs in den Ballungsgebieten. Wir meinen, daß die bescheidenen Ansätze, die sich in einigen Großstädten der Bundesrepublik andeuten, durch eine entsprechende Bundesförderung ausgebaut werden sollten. Wir begrüßen es, daß Ansätze vorhanden sind, die aus dem Ressortdenken früherer Jahre eindeutig herausführen.
Nach diesen Betrachtungen über die Bundesbahn, die mein Kollege Seibert nachher noch ergänzen wird, lassen Sie mich einiges zum Straßenbau sagen. In der Vergangenheit und auch vorhin in zwei Reden der Herren der Koalition ist so getan worden, als ob sich die Opposition überhaupt keine Sorge darüber mache, wie denn der Straßenbau finanziert werden solle. Ich muß das eindeutig zurückweisen. Auch in den zurückliegenden Besprechungen haben wir für jeden Pfennig, der hier im Haushalt verlagert werden sollte, einen Deckungsvorschlag eingebracht. Das wissen die Kollegen vom Haushaltsausschuß sehr genau. Auch Herr Hermsdorf hat in seinen Ausführungen über die von uns gewünschten Verlagerungen darauf hingewiesen.
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Wenn Sie aber einerseits erklären: Keine Steuererhöhungen, und wenn Sie andererseits hinterher sofort erklären: An den Subventionen wollen wir auch nichts ändern, dann bleibt eben der Haushalt so, wie er ist, und dann enthält er eben keine Manipulationsmöglichkeit mehr. Das ist aber die Konsequenz Ihrer Politik, und Sie dürfen jetzt der Opposition keinen Vorwurf machen, wenn sich unser Antrag von dem Ihren ganz klar dadurch unterscheidet, daß jetzt durch sofortige entsprechende Ausbringung von 250 Millionen DM im Haushalt die Klarheit geschaffen werden soll, die der Straßenbau braucht. Wir unterstellen durchaus Ihre gute Absicht mit der Änderung des Haushaltsgesetzes. Aber woran liegen denn die Schwierigkeiten des Straßenbaus zur Zeit und auch in früheren Jahren? Doch daran, daß er es nicht verträgt, wenn kurzfristig an ihm herummanipuliert wird, was die Haushaltsansätze betrifft. Jede Kürzung und jede Unsicherheit in der Dotierung für dieses Haushaltsjahr schafft natürlich in den Anschlußaufträgen die Lücken, die wir alle aus volkswirtschaftlichen und verkehrswirtschaftlichen Gründen dringend vermeiden müssen. Sie sollten es sich deshalb nicht so leicht machen, wie das vorher angeklungen ist, indem Sie sagen, auch die Opposition habe keine Lösungsvorschläge für die Bewältigung des innerstädtischen Verkehrs. Herr Kollege Seifriz wird nachher noch im einzelnen darauf eingehen. Ich muß Ihnen jetzt nur sagen: Wenn Sie meinen, unsere Erklärung sei ohne Substanz oder nur von wohlklingenden Worten getragen, meine sehr verehrten Damen und Herren von der Koalition, da stecken ein paar ganz harte Brocken von Sachentscheidungen drin, und wir bekennen uns dazu.
Wir meinen, daß es ,ein guter Weg wäre, die Zweckbindung der Mineralölsteuer zu erhöhen und nicht, wie Sie es getan halben, sie zu ,demontieren.
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Heute werden praktisch nur 44 % dessen, was der Kraftfahrer in der Mineralölsteuer aufbringt, wieder für den Straßenbau ausgegeben. Sie, Herr Müller-Hermann, hatten einmal mit uns im Verkehrsausschuß einstimmig beschlossen: 55 %. Dann hat das Hohe Haus zwar Abstriche gemacht. Aber wir waren uns alle einig: mindestens 50 %. Die gegenwärtige
Dotierung des Fernstraßenhaushalts ist einfach eine Flucht aus der Verantwortung, die da heißt, auch bei steigendem Aufkommen aus der Mineralölsteuer diese 50-%-Marge einzuhalten.
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- Natürlich wollen wir das Haushaltsjahresende sehen. Das mögen die Haushaltsfachleute so sehen. Aber für den Straßenbauer draußen heißt es, die jetzt aufklaffende Schere zwischen der Zahl der Automobilzulassungen in der Bundesrepublik und dem Ansteigen der Straßenbauleistungen nicht noch weiter klaffen zu lassen, sondern zu versuchen, wenn man sie nicht ganz schließen kann, sie zumindest einer Schließung anzunähern. Das ist das politische Problem, und daran, meine Damen und Herren, kommen auch Sie nicht vorbei.
Wir meinen, die heutige Mineralölsteuer ist ihrem Charakter nach eine Zweckabgabe. Sie ist in dieser Höhe und in diesem System nur gerechtfertigt, wenn man sie auch wieder der Straßenbauleistung zuführt. Wir haben in unserer Entschließung zur dritten Lesung hier einen ganz klaren Weg aufgezeigt, 1967 und 1968 erhebliche Mittel mehr zu mobilisieren. Wir wissen auch, daß das im Haushalt zu anderen und unter Umständen unbequemen Konsequenzen bei anderen Einnahme- und Ausgabetiteln führen kann.
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Aber wenn es uns ernst ist um Strukturpolitik und um Gemeinschaftsaufgaben, dann muß man sich auch hier nicht zu platonischen Erklärungen nach der Methode „möglicherweise - gegebenenfalls", sondern zu klaren Aussagen in der Sache bekennen.
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Meine Damen und Herren, wir sind überzeugt, daß diese Fragen -im einzelnen noch ausführlicher diskutiert werden müssen. Aber die Regierung und die Koalition sollen nicht so tun, als sei das, was sich jetzt in der Finanzpolitik dieses Haushalts verankert, eine Sache, die außerhalb der Diskussion steht, und als dürften zusätzliche Mittel für den Straßenbau, wie es verschiedene Abgeordnete in der Koalition wollen, nur durch eine Erhöhung der Mineralölsteuer gesucht werden. Es gibt - das müssen Sie sich sagen lassen, meine Damen und Herren - auch andere Wege. Wir meinen, die Erhöhung der Zweckbindung ist ein Weg, der auch die Ehrlichkeit des Haushalts in dieser Frage wiederherstellt und vor allen Dingen dem Steuerzahler, nämlich dem Kraftfahrer, nicht das Argument gibt, daß sein Geld immer erst für andere Dinge verbraten wird und er zum Schluß wieder zur Kasse gebeten wird, um dann die Schlaglöcher in unseren Straßen flicken zu helfen.
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Wir sind sicher, daß auch die Koalition diese Dinge sieht. Ich bin gespannt, wie die angekündigten Vorschläge einer Mineralölsteuererhöhung im ganzen von Ihnen und Ihren Kollegen beurteilt werden.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich in der Kürze der Zeit noch ganz kurz auf zwei Probleme eingehen, die auch mit dem Verkehrshaushalt zusammenhängen und bei denen die Opposition nicht die Kritik, sondern auch die Anerkennung der Leistungen der Bundesregierung betonen möchte.
Wir meinen, daß mit dem Abschluß der Verträge über das norddeutsche Wasserstraßennetz eine gute Entscheidung gefallen ist. Wir würden es begrüßen, wenn von der Bundesregierung ähnliche Lösungen für den süddeutschen Raum in den nächsten Monaten gefunden werden könnten. Wir sind der Meinung, daß auch dieser Teil der Infrastruktur unseres Landes von Bedeutung ist. Insbesondere die Vorschläge unseres Kollegen Jaksch über eine längerfristige wirtschaftliche Koordination mit den Entwicklungen im Ostblock haben auch für den Donau-Raum besondere Bedeutung.
Ich möchte auch in diesem Zusammenhang - ohne Herrn Kollegen Apel etwas vorwegzunehmen - sagen, Herr Müller-Hermann: wenn Sie hier von den Sorgen der Verkehrspolitik der Bundesrepublik in der EWG gesprochen haben, so kann das von der Opposition nur nachdrücklich unterstrichen werden. Auch wir verfolgen mit brennender Sorge, daß trotz der Mitarbeit der Bundesrepublik in diesen EWG-Gremien und ihrer Vorschläge unsere Infrastruktur und unser Verkehrswesen in weiten Bereichen auf die Konsequenzen, die da auf uns zukommen, nicht vorbereitet sind. Sie werden immer ein offenes Ohr finden, wenn Sie da zur gemeinsamen Haltung aller Fraktionen aufrufen. Aber Gemeinsamkeit bedingt auch, daß man miteinander und nicht nebeneinander spricht.
Lassen Sie mich zum Schluß meiner Ausführungen etwas zur Entwicklung der Deutschen Lufthansa sagen. Sie ist eine der wenigen erfreulichen Positionen in diesem Haushalt. Wir möchten aus der Sicht unserer Fraktion dem zurückliegenden Aufbau der Deutschen Lufthansa und dem Bemühen aller ihrer Mitarbeiter unsere Anerkennung zollen. Wir meinen aber auch, daß es an der Zeit ist, darauf hinzuweisen, daß die Revolution im Luftverkehr, die jetzt Ende der 60er und Anfang der 70er Jahre auf uns zukommt, die Verantwortung des Bundes als Mehrheitsaktionär in der Frage der Investitionspolitik ganz klar anspricht. Das heißt: wenn der Wunsch des Parlaments auf die Dauer respektiert werden soll, daß der Bund seinen Einfluß in der Lufthansa in der heutigen Höhe behält, dann muß sichergestellt werden, daß die notwendigen Investitionen dieses Unternehmens nicht durch die fiskalische, sondern durch die betriebswirtschaftliche Brille gesehen werden. Wir wehren uns ganz entschieden dagegen - auch das möchte ich bei dieser Diskussion sagen -, daß dieses Unternehmen mit politischen Auflagen in seiner Geschäftspolitik oder gar in seiner Streckenführung belastet wird. Wir bitten den Herrn Verkehrsminister, etwaigen Wünschen aus anderen Ressorts der Bundesregierung entschiedenen Widerstand entgegenzusetzen.
Ich möchte heute im Zusammenhang mit der Luftfahrtpolitik die Frage der Luftsicherheit nicht ansprechen. Die Bundesregierung hat auf Grund eines
Antrags unserer Fraktion dazu einen ausführlichen Bericht vorgelegt, der in der nächsten Zeit in den zuständigen Gremien dieses Hauses besprochen wird. Eines aber muß zum Haushalt auch gesagt werden: die Feststellungen dieses Berichts über die notwendigen Investitionen auf dem Gebiet der Flughafenpolitik und der Luftsicherung stimmen nicht überein mit den Haushaltstiteln im diesjährigen Haushalt. Auch hier ist ein deutliches Auseinanderklaffen zu beobachten. Wir meinen, daß wir bei der Entwicklung des Luftverkehrs in der Bundesrepublik und in der internationalen Zusammenarbeit alles tun müssen, um auch hier die haushaltsmäßigen Konsequenzen innerhalb der nächsten Monate zu ziehen. Denn Versäumnisse dieser Art können zu schwerwiegenden Katastrophen führen.
Ich möchte mich nun darauf beschränken, hier für unsere Entschließung in der dritten Lesung, die wahrscheinlich noch gesondert begründet wird, zu sagen, daß die sozialdemokratische Fraktion in den zehn Punkten, die sie angeführt hat, selbstverständlich nicht ihre optimalen Forderungen bekundet,
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sondern daß diese Entschließung die gegenwärtige verkehrspolitische Situation und auch die Sorgen der Koalition, Herr Kollege, in einem Maße in Rechnung stellt, wie wir es nur aus der Erfahrung, nicht aber aus unserer politischen Absicht unterstreichen können.
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Wir meinen, es wäre gut, wenn das Hohe Haus über die Entschließung nicht nur unter dem Gesichtspunkt debattierte, sie sei allgemein, sondern wenn wir auch darüber diskutieren könnten, ob sich für die von uns vorgeschlagenen Lösungen, z. B. in der Frage der weiteren Zweckbindung der Mineralölsteuer, hier eine entsprechende Mehrheit findet. Wir wären Ihnen dankbar, wenn Sie sich die Beratung dieser Entschließung nicht ganz so leicht machten, wie es Herr Müller-Hermann hier vorhin getan hat.
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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Dilemma der gegenwärtigen Verkehrspolitik der Bundesregierung besteht darin, daß sie - und das ist von Herrn Müller-Hermann ja unterstrichen worden - in der Rangfolge der Aufgaben nicht den Platz einnimmt, der ihr zukommt. Die Opposition wäre glücklich, heute ihr Ja zum Verkehrshaushalt erklären zu können, wenn er in Konzeption und Volumen den Notwendigkeiten und Erfordernissen von heute und morgen entspräche. Das ist aber bei weitem nicht der Fall. Einzelleistungen, die auch von uns anerkannt werden, wie z. B. der Bundesfernstraßenbau, können nicht darüber hinwegtäuschen, daß Regierung und Koalition zu den zwei Schwerpunkten der Verkehrspolitik - Bundesbahnsanierung und Behebung der Verkehrsnot der Gemeinden - bis jetzt nur Worte, aber keine Taten anzubieten hatten.
Wir werden diesen Einzelplan ablehnen müssen, obwohl er auch eine Reihe unserer Vorschläge berücksichtigt. Unsere Haltung ist kein Mißtrauen gegen die Mitarbeiter des Ministeriums oder gegen die Bediensteten der Bundesbahn, der Auftragsverwaltungen für den Fernstraßenbau und anderer Dienststellen, die mit der Verwirklichung dieses Planes befaßt sind. Wir danken allen, die sich für seine Verwirklichung einsetzen, für ihre Pflichterfüllung, wir können aber leider die politische Führung des Verkehrsressorts nicht in unser Vertrauen einbeziehen, denn sie hat es bei sicher vorhandener guter Absicht nicht fertiggebracht, das Anliegen der Verkehrspolitik im Kabinett in die richtige Rangfolge einzuordnen. Wir hoffen deshalb für diesen Haushalt und für die kommenden Monate, daß Herr Minister Seebohm in der Bundesregierung die Verkehrspolitik mit gleichem Temperament und gleicher Lautstärke vertritt, die dem Sudetensprecher Dr. Seebohm eigen sind.
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Das Wort hat der Abgeordnete Ramms.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn ich mir die einführenden Worte der Sprecher der Parteien anhöre, in denen immer wieder betont wird, daß Verkehrspolitik keine Parteipolitik sein sollte,
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dann muß ich doch eigentlich voraussetzen, daß man, bevor man Entschließungsanträge auf den Tisch legt, bevor von den einzelnen Parteien ganze Pläne auf den Tisch gelegt werden, sich innerhalb eines kleinen Ausschusses des Verkehrsausschusses, der vielleicht aus fünf Mann zusammengesetzt ist, einmal über die Maßnahmen unterhält, die man im einzelnen vorhat. Wenn Sie hier von der einen Partei oder von der anderen Partei zunächst nach draußen an die Presse hinausgeben, was Sie vorhaben, so erscheint das unter der Firmierung „Partei", egal, ob es CDU oder SPD ist. Es wäre viel, viel besser, wenn wir uns schon vor langen Jahren zusammengesetzt und das getan hätten, was wir von den drei großen Verkehrsträgern fordern, nämlich sich an einen Tisch zu setzen und die Probleme einmal gemeinsam mit dem Verkehrsminister, mit dem Finanzminister, mit dem Wirtschaftsmnister, der ebenfalls mit zu entscheiden hat, und in letzter Zeit nach der Raumordnung auch mit dem Innenminister diese Dinge zu beraten.
Sie haben zu Anfang gesagt, Herr Kollege Börner, daß die Verkehrspolitik aus dem Ghetto herauszuführen ist. Eigentlich habe ich hier bei mir als Punkt 1 stehen gehabt: Welche Wertigkeit kommt dem Verkehrsproblem zu? Sehen Sie, hier bin ich der Meinung, daß die Verkehrspolitik im allgemeinen nicht nur hier bei uns, sondern auch draußen in der Öffentlichkeit gewaltig unterschätzt wird. Ich bin der Meinung, daß Wissenschaft und Forschung wohl das vordringlichste Problem sind, glaube aber, daß dann nach den heutigen Zahlen bereits die VerRamms
kehrspolitik an die Reihe kommt. Es hat doch keinen Sinn, nur zu kritisieren, nur zu sagen, daß die Mittel, die für den Verkehr bereitgestellt werden, einfach nicht ausreichen, sondern man muß sich einmal die Frage vorlegen, wodurch es kommt, daß diese Mittel nicht ausreichen, nicht ausreichen können. Sie wissen genauso gut wie ich, daß mehr als 90 % unseres Etats durch Verträge, durch Gesetze bereits fest umrissen sind. Hier haben wir einmal die Frage zu klären, ob von den damals beschlossenen Gesetzen nicht unter Umständen längst ein Teil überholt ist, um aus dieser Neuformierung der Gesetze anschließend auch Gelder einzusparen und sie dann mit in den Verkehrshaushalt einzubeziehen.
Die Sanierung der Verkehrsverhältnisse in den Gemeinden ist sicherlich ein vordringliches Problem. Aber damit allein kann man nicht eine Erhöhung der Mineralölsteuer begründen. Sie würden mit der Erhöhung der Mineralölsteuer um 3 bzw. 5 Pf unsere Verkehrswirtschaft gegenüber dem Ausland weiter benachteiligen. Denn die steuerliche Belastung unserer Treibstoffe liegt innerhalb der Bundesrepublik bereits bei 32 Pf pro Liter, während sie in Belgien bei 5 Pf und in Holland bei nur 2 Pf liegt. Rechnen Sie sich diese Belastung einmal selber aus, dann wissen Sie, was unser Verkehr allein über den Treibstoff mehr aufzubringen hat.
Als wir 1961 die Verkehrsnovellen verabschiedeten und damit den Versuch machten, die Verkehrspolitik zu liberalisieren, glaubten wir die Verteilung des Verkehrsaufkommens allein über den Preis erreichen zu können. Das hat sich als Fehlspekulation erwiesen. Nur Preis, Leistung und Koordinierung der Verkehrsträger und der Aufgaben der Verkehrsträger werden auf die Dauer eine gesunde Verkehrspolitik zur Folge haben.
Obgleich wir Freien Demokraten an sich nicht für eine Kontingentierung sind, begrüßen wir es, daß die Bundesregierung in ihrem Verkehrsplan bei der Kontingentierung geblieben ist, weil sie selber weiß, wie schlecht die Verhältnisse auf unseren Straßen sind. Wenn Sie aber schon von der Regelung der Kapazitäten sprechen, müssen Sie auch sagen, wo die Regelung anfängt, wer zuviel Kapazität hat und wer abbauen muß. Sie müssen dabei überlegen, wann Kapazitäten und welche Kapazitäten zu gewissen Zeiten vorgehalten werden müssen. Der Güterkraftverkehr muß Kapazitätsreserven haben, weil er im Wintertag einen langsameren Umlauf hat. Die Bundesbahn muß Kapazitätsreserven behalten, weil im Wintertag und bei Kleinwasser die Binnenschiffahrt zum großen Teil ausfällt, dieses Gut aber dann von der Bundesbahn mit übernommen werden muß. Die Binnenschifffahrt braucht Kapazitätsreserven für die Fälle, wo sie bei Kleinwasser ihren Transportraum nur zu 50 % auslasten kann.
Man hat dann von der Misere der gesamten Verkehrswirtschaft gesprochen. Ich glaube, der einzige, der noch einigermaßen über die Runden kommt, ist der Güterkraftverkehr. Dabei sollte man sich aber auch die Frage vorlegen, ob das nicht unter Umständen auch an der Tarifgebarung der einzelnen Verkehrsträger liegt. Meine Damen und Herren, auf diese Frage sind Sie überhaupt nicht eingegangen. Unmittelbar nach den Verkehrsnovellen von 1961 hat die Bundesbahn insgesamt mehr als 90 Ausnahmetarife beantragt und genehmigt bekommen. Ich darf noch einmal daran erinnern, daß die Bundesbahn 1957 trotz der Fremdbelastungen ein Defizit von 600 Millionen DM gehabt hat. Es ist dann der Bundesbahn gelungen, dieses Defizit bis 1961 trotz der Fremdbelastungen, die die Bundesbahn auch damals schon aufzubringen hatte, auf 70 Millionen DM abzubauen. Erst nach 1961 ist das Defizit sprunghaft in die Höhe gegangen. Die Bundesbahn hat bereits 1954 mit der Elektrifizierung angefangen. Nordrhein-Westfalen hat mehrere hundert Millionen D-Mark für die Elektrifizierung in diesem Lande über die OFFA zur Verfügung gestellt. Auch dafür hat die Bundesbahn bis 1961 bereits die Zinsen zu tragen gehabt.
Dann kam die Abtarifierung der Deutschen Bundesbahn und im letzten Jahr, als die Kontingentserhöhung im Güterkraftverkehr kam, sogar die 25%ige Abtarifierung der Regeltarife. Meine Damen und Herren, wenn ich um 25 % abtarifiere, muß ich 33 1/3 % mehr tranportieren, um auf die gleichen Einnahmen zu kommen, ganz zu schweigen von den Mehrkosten, die hierbei auf die Deutsche Bundesbahn zugekommen sind. Die Deutsche Bundesbahn hat zwar ihr Transportvolumen behalten, ihr Einkommen ist aber in den letzten Jahren gesunken.
Man spricht so viel von den Defiziten im Personennahverkehr. Sicherlich ist der Personennahverkehr defizitär, in den Ballungsgebieten aber viel weniger als in Außen-, in peripheren Gebieten. Hier muß man ansetzen, den Nahverkehr lukrativer, schneller und wieder interessant machen. Vielleicht sollten wir uns in diesem Hause einmal überlegen, ob wir nicht das gleiche machen sollten, was wir hinsichtlich der Benutzung von Personenkraftwagen für Fahrten zur Arbeitsstelle gemacht haben, das heißt, ob wir nicht Steuervergünstigungen auch für die Benutzung der Bundesbahn gewähren sollten.
Ich bin der Meinung - wir haben ja seinerzeit die marktgerechten Tarife gefordert -, daß wir bei den Verkehrsträgern mehr oder weniger zu kostenechten Tarifen kommen müssen und daß sich dann manche Probleme von selber lösen werden.
Auch Rationalisierung und Modernisierung bei der Bundesbahn müssen weitergeführt und vielleicht sogar schneller durchgeführt werden. Mit einer Rationalisierung müßte aber normalerweise eine Einsparung von Arbeitskräften verbunden sein. Aus dem Gutachten der „Treuarbeit" geht hervor, daß mehr als 60 % lohngebundene Kosten die Unkosten bei der Bundesbahn gewaltig erhöhen. Darum eine Bitte in diesem Sinne an die Gewerkschaft. Machen Sie nicht jede Sanierungshilfe, machen Sie nicht jede Rationalisierung, die vorgenommen wird, durch überhöhte Forderungen wieder illusorisch. Meine sehr verehrten Damen und Herren, es hat keinen Sinn, in dem Augenblick, wo man durch Rationalisierung Einsparungen von Kräften vornehmen kann - sie werden ja auch bereits durch den natürlichen Abbau bewirkt -, sofort zu sagen:
Zuerst einmal wollen wir eine Verkürzung der Arbeitszeit, damit wir unsere Arbeitskräfte behalten. Wenn Sie das tun, bauen Sie Ihre Personalkosten nicht ab, und die Maßnahmen, die getroffen worden sind, werden illusorisch. In den ganzen letzten Jahren hat die Bundesbahn keine einzige Gehalts-und Lohnerhöhung in die Tarife einkalkuliert. Der private Verkehrsträger muß das tun, wenn er nicht in rote Zahlen abrutschen will.
Nach eines zu den Tarifsenkungen. Wem kommen sie zugute? Ist das Transportgut insgesamt überhaupt so stark mit Transportkosten belastet? Die 25%igen Tarifsenkungen seinerseits machten je Kilo Zucker 0,6 Pf aus, je Kilo Mehl - ich nehme jetzt extra nur Nahrungsmittel - 0,8 Pf, je Kilo Fleisch 1,2 Pf. Sind Sie der Meinung, daß diese Ersparnisse bei den Frachtkosten an den Verbraucher weitergegeben worden sind, ja daß sie überhaupt hätten weitergegeben werden können? Der einzige Nutzer dieser Tarifsenkungen ist die verladende Wirtschaft gewesen. Wenn Herr Dr. Müller-Hermann vorhin gesagt hat, die verladende Wirtschaft habe die Kosten für die Dienstleistungen zu tragen, die der Verkehrsträger erbringe, so bin ich der gleichen Meinung; aber die verladende Wirtschaft muß die echten Kosten tragen. Ich sehe nicht ein, daß nur bei der Bundesbahn das Defizit unter Umständen anschließend vom Staat übernommen werden soll, während die anderen Verkehrsträger die Verluste selber tragen müssen. Dann müssen alle drei Verkehrsträger auch gleich behandelt werden, und mir ist es lieber, daß über eine echte Errechnung
der Frachtkosten der Staat nicht in Anspruch gegenommen zu werden braucht, als daß man zu jeder Zeit nach dem Staat ruft.
Die Einführung einer gemeinsamen Verkehrspolitik innerhalb der EWG wird auch von der FDP unterstützt. Dafür sind aber gewisse Voraussetzungen nötig. Erstens muß eine zügige Angleichung der Wettbewerbsbedingungen unbedingt erfolgen, finanz-, steuer- und sozialpolitische Unebenheiten müssen beseitigt werden. Zweitens muß vor jedem Übergang zu der nächsten Stufe - Sie wissen, daß drei Integrationsstufen vorgesehen sind - eine Prüfung der Ergebnisse vorgenommen werden, damit ersichtlich wird, welche Auswirkungen die Einführung dieser oder jener Stufe gehabt hat. Drittens muß die Harmonisierung aller Steuern und die Beseitigung der Diskrepanzen im grenzüberschreitenden Verkehr erfolgen.
Nehmen Sie einmal die Tarifgebarung innerhalb der EWG! Die Vorschläge lauten: Margentarife für den Güterkraftverkehr und für den Eisenbahnverkehr; für die Binnenschiffahrt ist der Referenztarif vorgesehen. Was kann das zur Folge haben? Wenn im grenzüberschreitenden Verkehr nur bei der Binnenschiffahrt Referenztarife durchgeführt werden, ist mit Sicherheit zu erwarten, daß das Transportaufkommen unserer norddeutschen Seehäfen darunter leidet. In Hamburg läuft der Umschlag aus dem Hafen heraus heute zu mehr als 80% über die Deutsche Bundesbahn. Hier wird dann gleichzeitig die Deutsche Bundesbahn tangiert. Ihr wird von ihrem jetzigen Transportaufkommen in Hamburg ein gewaltiger Teil weggenommen werden. Die Verlagerung in die Häfen von Rotterdam und Antwerpen ist dann einfach nicht mehr aufzuhalten. Ich habe hier die Bitte an Herrn Bundesverkehrsminister Seebohm, daß er sich noch einmal mit seinem holländischen Kollegen überlegt, ob man nicht genau wie beim Güterkraftverkehr und bei der Eisenbahn auch für die Binnenschiffahrt zu den Margentarifen kommen kann, deren Innehaltung dann natürlich überwacht werden müßte. Die FDP ist der Ansicht, daß wir zu einer einheitlichen Tarifgestaltung nur kommen können, wenn wir eine Bundesanstalt für das Transport- und Tarifwesen haben. Diese Bundesanstalt kann dann später die Aufgaben übernehmen, die heute bereits innerhalb der EWG gefordert werden.
Der zweite Schwerpunkt liegt beim Straßenbau. Hier ist es zu begrüßen, daß der letzte Vierjahresplan nahezu hundertprozentig erfüllt worden ist. Ich sage: nahezu hundertprozentig erfüllt worden ist, und schließe so bereits die Kritik aus, die Herr Börner vorhin hier angebracht hat, daß der Herr Bundesverkehrsminister nicht bei seinen Zahlen geblieben sei. Wenn darüber hinaus für das kommende Jahr weitere 400 Millionen DM mehr oder weniger für den Wasserstraßenbau und den Straßenbau freigegeben worden sind, so dürfte sich Ihr Antrag, meine Herren Kollegen von der SPD, die 250 Millionen DM weiter zur Verfügung zu stellen, doch erübrigen. Denn Sie gehen ja auch bei Ihren Berechnungen nicht von einem Aufkommen an Mineralölsteuer von 7,4 Milliarden DM aus, sondern von 7,8 Milliarden DM. Darin liegt ja bereits ein Mehraufkommen für den Gesamthaushalt, so daß ich der Meinung bin, daß die von Ihnen geforderten 250 Millionen DM im Laufe des Jahres sehr wahrscheinlich noch zur Verfügung gestellt werden können.
Der Straßenbau ist eine Gemeinschaftsaufgabe von Bund, Ländern und Gemeinden. Hier muß man verhandeln, hier muß man die einzelnen Pläne koordinieren. Und damit die Straßenbaupläne schneller erstellt werden, sollte sich die Regierung überlegen, ob man nicht private Ingenieurbüros einschalten sollte, um schon vorsorglich alles fertig liegen zu haben, wenn dann die Mittel reichlich zur Verfügung stehen.
Ich habe vorhin schon gesagt, daß die FDP grundsätzlich nicht für eine Zweckbindung der Mineralölsteuer und überhaupt nicht für eine Zweckbindung von Steuern ist. Aber hier muß etwas getan werden, um den Straßenbau voranzutreiben, um auch im innerstädtischen Verkehr voranzukommen, und wir sollten uns gemeinsam überlegen, ob wir nicht zwar bei den 50 %, die wir bisher gehabt haben, bleiben, darüber hinaus aber das jährliche Mehraufkommen an Mineralölsteuer wenigstens zum Teil auch wieder dem Straßenbau, und zwar überhöht über die 50 %, zur Verfügung stellen sollten. Ich bin darüber hinaus der Meinung, daß die Aufgaben zunächst zusammengefaßt werden müssen und daß auch die Pläne der Gemeinden einmal durchgesehen werden müssen, um überhaupt zu wissen, welchen Finanzbedarf die Gemeinden in den kommenden Jahren haben. Denn ich bin nicht bereit, an die Gemeinden
Gelder herauszugeben, von denen ich nicht weiß, wie sie dann verwandt werden.
Ich habe die Hoffnung, daß der kommende Vierjahresplan mit seinen 21,8 Milliarden DM in vollem Umfange erfüllt werden kann. Ich habe nur eine Sorge, daß dabei unter Umständen die bereits beschlossenen Gesetze zu langsam durchgeführt werden könnten. Ich meine hier das Eisenbahnkreuzungsgesetz, das ebenfalls der Sicherung innerhalb des Verkehrs dient. Hier haben wir dafür zu sorgen, daß die schienengleichen Kreuzungen innerhalb der nächsten Jahre schneller beseitigt werden, als es bisher der Fall war.
Ein Wort zur Verkehrssicherheit! Ich möchte all denen danken, die dazu beigetragen haben, daß die Verkehrserziehung in der Bundesrepubik vorangetrieben worden ist. Mit der Verkehrserziehung und mit der Höflichkeit im Verkehr mildern sich die Unfälle von allein. Je höflicher wir im Verkehr sind, je defensiver wir fahren, desto geringer werden die Unfallquellen, die sich heute auf der Straße zeigen. Wir haben den Automobilklubs für ihre Aufklärung zu danken, wir haben dem Deutschen Roten Kreuz für die Hilfe auf den Straßen zu danken. Wir müssen die Unfallhilfen weiter ausbauen, damit nicht allzu schwer Verletzte nicht nach drei oder vier Wochen doch noch an den Unfallfolgen sterben. Unser Dank muß den Fahrlehrern gelten und vor allen Dingen den beiden Fernfahrerschulen Rieneck und Quelle.
Meine Damen und Herren, ich komme zu dem dritten Kapitel, dem Verkehrswegenetz. Es liegt hier eine Verzahnung vor. Sie könnten sagen: Jetzt spricht der Interessent. Wir begrüßen die Abkommen mit den einzelnen Ländern über den Ausbau des nordwestdeutschen Kanalnetzes. Wir begrüßen den Neubau des Nordsüdkanals Hamburg-Mittellandkanal. Ein Wort an die Kritiker, die sagen, das Geld hierfür sei weggeworfen. Ich darf hier einmal an den Ausbau des Neckars und der Weser erinnern. Die Industrieansiedlung an diesen beiden Flüssen wäre nie in einem solchen Maße vorgekommen worden, wenn der Neckar bzw. die Weser nicht kanalisiert worden wären. Das Wasser dient nicht allein dem Verkehr, sondern es ist hauptsächlich ein Faktor der Wasserwirtschaft; hier spielt die Entnahme durch die Industrie eine erhebliche Rolle. Bedenken Sie, daß in der eisenschaffenden Industrie für die Erzeugung einer Tonne Stahl 35 Kubikmeter Wasser benötigt werden. Berücksichtigen Sie weiter, daß bei der Kanalisierung des Neckars gewaltige Kraftwerke mitgebaut worden sind. Sie erzeugen billige Energie, und unsere Wirtschaft kann Gebrauch von dieser billigen Energiequelle machen.
Was nützen alle Investitionen, die die Binnenschiffahrt im Zusammenhang mit der Motorisierung ihres Frachtraumes vorgenommen hat - 1952 nur 12 % Motorschiffe, heute dagegen 67% -, wenn die Wasserstraßen nicht so ausgebaut werden, daß man diese Investitionen auch richtig ausnutzen und den Transportraum auch rationell einsetzen kann? Der Staat nimmt auf die Verkehrspolitik nicht nur über die Genehmigung der Tarife, sondern auch über den Ausbau der Verkehrswege und vor allen Dingen der Wasserstraßen Einfluß. Die Schnelligkeit des Verkehrs wird durch die engste Stelle im Verkehr bestimmt. Meiner Meinung nach sind manchmal die Zeiträume zu lang, in denen der Ausbau der Wasserstraßen vorgenommen wird. Ich möchte heute nicht über die Zweckmäßigkeit gewisser Schleusen im westdeutschen Kanalbereich sprechen. Nur 6 % des Verkehrsetats - nicht einmal 1 % unseres Gesamtetats - werden für die Wasserwege eingesetzt. Der Ausbau der Wasserstraßen wird auf den Kreditweg verwiesen und mehr oder minder aus dem ordentlichen Haushalt herausgenommen. Ich habe die Hoffnung, daß trotz der Verweisung auf den Kreditmarkt die Kontinuität der Baumaßnahmen nicht gestört wird, sondern daß sie so durchgeführt werden können, wie sie heute vorgesehen sind.
Im Wasserstraßenbau gibt es vier Schwerpunkte. Das ist einmal der Ausbau des Nordostseekanals, der dringend notwendig ist. Hier handelt es sich zum großen Teil um die Erhaltung einer Wasserstraße, die in jedem Jahr mehr und mehr verfällt. Der Tiefgang der Wasserstraße mußte in den letzten zwei Jahren schon herabgesetzt werden, weil die Ufer die Belastung nicht mehr ausgehalten haben. Zweitens handelt .es sich um den Ausbau des nordwestdeutschen Kanalnetzes und drittens um die Vertiefung des Mittel- und Oberrheins, damit hier eine sichere Fahrtiefe von 1,70 m gegeben ist. Bei dem Kleinwasser 1963 hat die deutsche Wirtschaft für Kleinwasserzuschläge in der Binnenschiffahrt allein mehr als 24 Millionen DM aufbringen müssen. Hier tritt also sehr deutlich ein Verlust für die deutsche Wirtschaft zutage, den wir mindern können, wenn wir dieses Projekt vordringlich und schnell durchführen.
Der vierte Schwerpunkt - er ist bereits von Herrn Kollegen Börner genannt worden - liegt im Ausbau des Rhein-Main-Donau-Kanals. Hier ergibt sich ein politisches Problem. Sie wissen, daß Überlegungen im Gange sind, einen Elbe-Donau-Kanal oder sogar einen Oder-Donau-Kanal zu bauen und daß mit dem Bau dieser Kanäle dann allerdings unsere Bundesrepublik beim Handel mit den Ostländern von den Durchgangswegen durch die Zone beeinflußt werden kann. Ich bin der Meinung, daß der Ausbau des Rhein-Main-Donau-Kanals, der schon lange zu den internationalen Abkommen gehört, in dieses Programm mit aufgenommen werden muß und daß die Weiterführung von Nürnberg bis zur Donau auch eines der vordringlichen Projekte ist. Ich hoffe, daß die Bundesregierung mit dem Land Bayern dazu kommt, Verträge abzuschließen, die die Finanzierung auch dieses Kanals garantieren.
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Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn der Haushalt von 1966 dazu dient, die verkehrspolitischen Aufgaben tatsächlich durchzuführen, die Verkehrssicherheit zu erhöhen, und sich auch positiv für unsere Wirtschaft auswirkt, dann sind die Ansätze, die hier gemacht worden sind, keine verlorenen Ansätze.
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Das Wort hat Herr Abgeordneter Lemmrich.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte auf einige Äußerungen unseres verehrten Kollegen Börner eingehen. Er hat erklärt, er könne dem Bundesverkehrsminister bei der Abstimmung über den Einzelplan 12 nicht das Vertrauen geben, weil der Bundesverkehrsminister der Verkehrspolitik nicht den entsprechenden Platz habe verschaffen können. Es muß festgestellt werden, daß der Verkehrshaushalt einer der großen Schwerpunkte des Bundeshaushalts ist. Nach dem Verteidigungshaushalt und dem Haushalt des Bundesarbeitsministers steht er an dritter Stelle. Ich gehöre diesem Hohen Hause seit 1961 an. Damals betrug der Etat des Bundesverkehrsministers 3,664 Milliarden DM. Heuer beträgt er 6,752 Milliarden DM. Das ist immerhin eine Steigerung von 82 %. Wer diese Zahlen kennt, kann dem Bundesverkehrsminister nicht diesen Vorwurf machen. In derselben Zeit nahm der Bundeshaushalt um ca. 43 % zu.
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Damit ist eine bemerkenswerte Leistung erzielt, und der Herr Bundesverkehrsminister verdient, daß man ihm Dank sagt für das, was er für die moderne Verkehrspolitik geleistet hat.
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Ich frage mich allerdings, wenn die Forderungen der SPD weitergehen, wie das eigentlich mit den Äußerungen des Wirtschaftsexperten der SPD, Herrn Professor Schiller, zusammenpaßt, der uns ja immer den Vorwurf macht, wir betreiben keine antizyklische Haushaltspolitik. Generell läßt sich so etwas leicht sagen. Wenn es dann um die Details geht, sieht es meistens doch etwas anders aus.
Wir waren außerordentlich froh, daß es im Haushaltsausschuß, auch auf Grund der guten Zusammenarbeit zwischen den Kollegen, die sich für die Verkehrspolitik verwenden, und den Kollegen, die dafür beim Haushalt tätig sind, doch gelungen ist, die Normalisierung der Konten fortzuführen. Ich weiß, in welch hohem Maße die Mitarbeiter und die Bediensteten der Deutschen Bundesbahn darunter leiden, daß man ihnen vorwirft, sie seien Angehörige eines Defizitbetriebes. Diese Männer und Frauen sind mit ihrem Unternehmen in einem Ausmaß verbunden, wie man es in anderen Wirtschaftsbereichen nicht immer in diesem Ausmaß findet. Wir werden daher bei allen notwendigen Maßnahmen an diese Männer und Frauen denken.
Die Normalisierung der Konten wird deutlich machen, was alle diese Auflagen kosten, die bisher unter „Liquiditätshilfe" segelten. Nur wenn unsere Mitbürger das genau und detailliert sehen, werden sie Verständnis dafür haben, daß die Deutsche Bundesbahn heuer 2550 Millionen DM aus dem. Bundeshaushalt erhält. Aber sie werden vielleicht auch überlegen, ob nicht doch die eine oder andere Leistung eingeschränkt und reduziert werden kann.
Wir sind uns allerdings darüber im klaren, daß die Normalisiernug der Konten nicht die Gesundung der Deutschen Bundesbahn an sich darstellt. Sie gehört in die breite Palette der Vielzahl von Maßnahmen, die hier notwendig sind. Es gibt kein Patentrezept, das nur eine Maßnahme als die entscheidende und einzige vorsehen würde.
Auch wir meinen, daß die Investitionen bei der Gesundung der Bundesbahn eine große Bedeutung haben. Die Finanznot der Gemeinden wird - und das ist heute morgen in der Fragestunde wieder deutlich geworden - als ein sehr schwerwiegendes Problem hingestellt. Dieses Problem wird anerkannt, und man ist bemüht, hier Abhilfe zu schaffen. Wenn man allerdings feststellt, daß die beiden deutschen Bundesunternehmen Bundesbahn und Bundespost nur um 9 % weniger verschuldet sind als alle deutschen Gemeinden, dann wird einem das Problem, um das es hier geht, in seiner ganzen Größe deutlich. Dem Bund wird vorgeworfen - ich möchte einmal diesen Zusammenhang herstellen -, daß er für die Gemeinden - und dieser Vorwurf kommt immer in besonderer Weise von Ihrer Seite - nicht genug tue. Dabei wird aber dieser Sachverhalt nicht in den Zusammenhang der allgemeinen Finanzpolitik und Finanzsituation hineingestellt, um den es hierbei geht.
Es ist nach meiner Meinung notwendig, daß der Bundesfinanzminister ähnliche Lösungen anstrebt und unterstützt, wie sie jetzt bei der Deutschen Bundespost eingeleitet worden sind, damit eine langfristige Gesundung erfolgen kann.
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Auf alle Fälle dürfte sicher sein, daß das Problem in
seiner Dringlichkeit im ganzen Hause erkannt wird.
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Allerdings können wir das nicht so machen, wie Sie das tun, meine verehrten Kollegen, die Sie die Dinge immer nur sehr sektoral betrachten. Wir stehen in der Verantwortung und müssen den Zusammenhang sehen, den Sie wohlweislich sehr oft ignorieren. Sicherlich, es ist Ihr gutes Recht, das so zu tun. Aber es ist unser gutes Recht, mit aller Eindeutigkeit darauf hinzuweisen.
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- Ach, Herr Seifriz, es wird hier kein Pappkamerad angesprochen, sondern ich sage genau das, was immer Ihre Politik ist, die Politik der sektoralen Betrachtungsweise, die Sie uns immer wieder demonstrieren und mit der Sie versuchen, auf leichte Weise Lorbeeren zu ergattern.
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Herr Abgeordneter Lemmrich, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Bitte, Herr Fellermaier!
Herr Kollege Lemmrich, Sie sprachen soeben davon, daß wir uns auf sektorale
Weise Lorbeeren ergattern wollen. Würden Sie dann auch die öffentlich erhobene Forderung von CSU-Abgeordneten, in Bayern die Bundesbahndirektion München aufzulösen und sie den Direktionen Regensburg und Augsburg einzugliedern, als den Versuch bezeichnen, sektorale Lorbeeren zu ergattern?
Herr Kollege Fellermaier, es ist vorhin von Herrn Kollegen Börner schon gesagt worden, daß natürlich die regionalen Interessen des einen oder anderen Kollegen unterschiedlich gelagert sind und daß es sein Recht ist, entsprechende Vorschläge zu machen.
Nun, meine sehr verehrten Damen und Herren, im Zuge der Haushaltsberatungen sind sehr weitreichende Entscheidungen im Bundeswasserstraßenbau gefällt worden. Wir von der Christlich-Sozialen Union sind sehr froh darüber, daß es in einer ausgewogenen Weise geschehen ist und daß neben den dringlichen Problemen des norddeutschen und des westdeutschen Wasserstraßenbaus, die- wir durchaus zu würdigen wissen, auch das Problem unserer bayerischen Wasserstraßen angesprochen worden ist. Wir im Süden erkennen an, daß es ein legitimes Recht der Häfen Hamburg und Bremen ist, gute Anschlüsse an das deutsche Binnenwasserstraßennetz zu haben, und daß sie in der Konkurrenzfähigkeit mit den anderen Häfen der EWG nicht ins Hintertreffen geraten wollen. Wir sind auch sehr froh darüber, daß der Haushaltsausschuß in der Frage des
Rhein-Main-Donau-Kanals bis zum 10. Oktober den Vertragsentwurf über den Weiterbau nach Regensburg vorgelegt haben will. In Bayern befinden wir uns mit den bayerischen SPD-Kollegen in einer Auseinandersetzung wegen der Frage Rhein-MainDonau. Ich habe den Eindruck, das soll einer der Schlager der SPD zur bayerischen Landtagswahl werden. Wenn die SPD uns vorwirft, wir täten hier nichts, so muß eindeutig festgestellt werden, daß dieser Vorschlag des Haushaltsausschusses und der Auftrag an die Regierung auf Grund eines Antrages erfolgt ist, den die CDU/CSU-Fraktion hier in diesem Hause eingebracht hat und der damals von mir formuliert worden ist.
Solange ich in diesem Hause bin, habe ich von den Initiativen der Sozialdemokratie in der Frage Rhein-Main-Donau-Kanal sehr wenig gehört und zu spüren bekommen. Bei den Aufstockungen der Mittel für Rhein-Main-Donau sind wir es gewesen, die die Anträge im Haushaltsausschuß gestellt und ihre Deckung nachgewiesen haben. Wir haben auch diesen Antrag betreffend den Weiterbau nach Regensburg, den ich gerade besprochen habe, eingebracht. Meine Kollegen haben in der Haushaltsberatung unser Anliegen vertreten, und ich bin sicher, daß es zu einer Lösung kommen wird, die auch unseren Interessen und Belangen entspricht. Bayern wird in der EWG das verkehrsfernste Land sein. Wenn die Liberalisierung der Verkehrsentgelte weitergeht, wird es von außerordentlicher Wichtigkeit sein, hier durch einen entsprechenden Angebotsfächer dafür zu sorgen, daß wir wirtschaftlich gegenüber anderen Gebieten nicht ins Hintertreffen geraten.
Meine verehrten Damen und Herren, ich möchte jetzt noch einige Ausführungen zum Bundesfernstraßenbau machen. Die Kürzungen im Haushaltssicherungsgesetz sind auch für uns keine Freude gewesen. Muß ich fragen: für wen waren es schon Freuden? Aber im Gegensatz zu der Opposition können wir uns der Gesamtbetrachtung der Bundesfinanzen nicht entziehen.
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- Es sind keine neuen Erkenntnisse, Herr Kollege Fellermaier. Ich hoffe nur, daß diese Erkenntnis von Ihnen nicht nur nachgesprochen wird, sondern daß sie einmal Ihr Handeln bestimmen wird.
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Dann, meine verehrten Damen und Herren, möchte ich feststellen, daß die Zunahme der Ausgaben im Bundesfernstraßenbau trotz der Kürzung im Haushaltssicherungsgesetz 5,7 % ausmacht. Die Steigerungsquote beim Straßenbau der Länder beträgt hingegen nur 4,2 %. Anscheinend haben die Bundesländer mit ähnlichen Schwierigkeiten wie der Bund zu kämpfen. So ist z. B. der Straßenbauetat des Landes Niedersachsen, in dem Sie mit uns ja in der Koalition sind und Ihr Freund Kubel Finanzminister ist, um 34 % gegenüber dem Vorjahr gekürzt worden.
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Das Land Hamburg scheint ähnliche Kümmernisse zu haben. Denn dort wurden die Ansätze für den Straßenbau gegenüber dem Vorjahr um 32 % verringert. Dort sind natürlich nicht wir in der Verantwortung, sondern die SPD.
Herr Kollege Börner hat hier verkündet, daß man sie nicht an ihren Worten, sondern an ihren Taten erkennen werde. Die Taten, die Sie von der SPD vollbringen, können wir dort in Niedersachsen und Hamburg sehen. Ich weiß, Sie sagen: Haben Sie Einfluß auf Ihre Landesfürsten? Aber ansonsten sitzen ja, wenn es heiß zugeht, Ihre Vertreter vom Bundesrat-wie der hessische Finanzminister - auch auf der Bundesratsbank. Dies macht doch sehr deutlich, wie außerordentlich eng und koordiniert die SPD-Politik durchgeführt wird. Sie können nicht sagen: Das sind nicht wir hier in Bonn, sondern das sind die dort in Hamburg und Hannover. Das muß einmal ganz deutlich gesagt werden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Bundesfernstraßenbau ist durchaus Gefahren ausgesetzt. Ich möchte in diesem Zusammenhang auf das Gutachten zur Finanzreform hinweisen, in dem davon die Rede ist, daß aus der derzeitigen Zweckbindung von 50 % 15 % für die gemeindlichen Verkehrsaufgaben abgezweigt werden sollten. Das steht dort schwarz auf weiß gedruckt, und es sollte jeden mit Besorgnis erfüllen.
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In diesem Gutachten wird festgestellt, der Bund nehme diese Zweckbindung für sich allein in Anspruch. Wir müssen aber einmal ganz deutlich die Rechtsverhältnisse sehen. Wir haben drei Straßen2012
netze: ein Bundes-, ein Länder- und ein kommunales, d. h. Landkreis- und Gemeindestraßennetz. Jeder dieser Baulastträger ist verpflichtet, seine Baumaßnahmen durchzuführen. Damit die Gemeinden und Landkreise ihr Straßennetz unterhalten und ausbauen können, müssen die Länder sie entsprechend ausstatten. Der Freistaat Bayern hat z. B. daraus die Konsequenzen gezogen und die gesamte Kraftfahrzeugsteuer den Gemeinden übergeben. Das sind in diesem Jahr 433,8 Millionen DM. Als das Grundgesetz geschaffen und die Steuerquellen verteilt wurden, war nicht die Rede davon, daß die Mineralölsteuer zweckgebunden werden müßte. Ich habe die große Befürchtung, daß diese Zweckbindung, wenn man sie überstrapaziert, in der Tat in Gefahr kommen könnte. Es ist für uns beruhigend, daß Herr Kollege Börner im Gegensatz zu dem früheren verkehrspolitischen Sprecher der SPD, Herrn Dr. Bleiß, der immer die totale Zweckbindung gefordert hatte, diese Forderung vorerst einmal auf 55 und dann 65% reduziert hat.
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- Ich freue mich sehr, daß Sie sagen, Sie seien Realpolitiker. Ich glaube, das ist ein Anknüpfungspunkt für ein Gespräch. Es wird der Eindruck erweckt, als würden die anderen 50 % irgendwo zum Schornstein hinausgeblasen. Man muß sich fragen: was geschieht mit dem Geld? Wir haben keine Zweckbindung und können keine Zweckbindung vornehmen z. B. für die 4,8 Milliarden DM der Kriegsopferversorgung. Uns ist auch keine Zweckbindung möglich, um z. B. die 1,5 Milliarden DM für die Wiedergutmachung zahlen zu können oder Mittel zur Bestreitung der Verteidigungsausgaben bereitzustellen.
Wenn von der Zweckbindung gesprochen wird, sollten wir die Bundesländer nicht übersehen, die die gesamte Kraftfahrzeugsteuer dem Straßenbau zuführen. Es ist jedoch bemerkenswert, daß das nicht alle tun. Das Land Niedersachsen wird in diesem Jahr voraussichtlich 300 Millionen DM an Kraftfahrzeugsteuer einnehmen. Es gibt für den Straßenbau 92 Millionen DM aus. Das ist ein Satz von 31 %. Vielleicht nehmen Sie einmal Einfluß auf Ihren Finanzminister dort; vielleicht läßt sich das ändern. Auch in Hamburg wird weniger Geld für den Straßenbau ausgegeben, als die Kraftfahrzeugsteuer erbringt. Sie sollten doch nicht den Eindruck erwecken, als ob es nur am guten Willen liege und als ob es nicht andere Schwierigkeiten gebe, die ich den Niedersachsen und den Hamburgern durchaus konzedieren will.
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Ich bin jedoch der Meinung - und damit möchte ich zu den Ausführungen im Gutachten zur Finanzreform abschließend Stellung nehmen -, daß der Bundesfernstraßenbau ungeschmälert fortgeführt werden muß. Er darf nicht deshalb gekürzt werden, weil wir ihm durch die Zweckbindung seit Jahren einen Vorrang gegeben haben. Jetzt soll der Bund dafür bestraft werden, daß er den Bundesfernstraßenbau zu einem Schwerpunkt unserer Verkehrspolitik gemacht hat. Jetzt will man, wie es in diesem Gutachten steht, 15 % der Mittel aus ihm herausnehmen. Die Notwendigkeiten, ihn fortzuführen, sind außerordentlich groß. Denken Sie an den Vorraum großer Städte. In Bremen brauchen wir z. B. 230 Millionen DM, in Nürnberg 200 Millionen DM. Wenn das Problem der Eisenbahnstilllegung an uns herankommt, ist es einfach unmöglich, im gleichen Zeitraum den Bundesfernstraßenbau einzuschränken. Wir halten es für sehr wichtig, daß gerade in wirtschaftlich schwachen Gebieten der Bundesfernstraßenbau in der bisherigen Weise fortgeführt wird, weil hier der Kraftwagen den Verkehr trägt. Wir halten nichts davon, daß man für andere wichtige Aufgaben, deren Bedeutung ich nicht herabmindern will, Mittel entnehmen zu können glaubt, wie das z. B. der sozialdemokratische Sprecher der nordrhein-westfälischen Landtagsfraktion gefordert hat. Laut der „Frankfurter Allgemeinen" vom 11. Januar 1965 hat er erklärt: Die SPD fordert die Bundesregierung auf, selbst bei Streichung des Fernstraßenbauprogramms in verkehrsarmen Gebieten Finanzzuschüsse zum Bau von Schnellbahnen an der Ruhr zu leisten.
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Das halten wir für einen unmöglichen Weg, und wir
dürfen Sie bitten, sich einmal mit Ihren Kollegen in
Nordrhein-Westfalen entsprechend zu koordinieren.
In dem dritten Vierjahresplan wird auch die erste Zeche in puncto Olympiade zu bezahlen sein. Um das Bundesfernstraßennetz in Bayern für die Olympiade herzurichten, sind bis 1972 Aufwendungen von einer Milliarde D-Mark notwendig. 750 Millionen DM müßten ohnedies in den Vierjahresplänen bis 1972 zur Verfügung gestellt werden. Also auch unter diesem Aspekt wäre eine Einschränkung einfach unmöglich.
Noch ein kurzes Wort zum innerstädtischen Verkehr. Es trifft einfach nicht zu, daß hier nichts getan worden ist. Mein Kollege Mengelkamp hat schon ausgeführt, daß mit dem Tit. 611 in Kap. 12 02 - V-Bahn in München - die ersten Maßnahmen bereits eingeleitet worden sind. Wir sind uns über die Probleme, die es zu lösen gilt, völlig im klaren. Wir wissen, daß es darum geht, innerhalb von 10 Jahren eine Finanzierungslücke von 22 bis 26 Milliarden DM zu schließen. Deshalb war die Erklärung des Herrn Bundesfinanzministers von großem Interesse; er hat heute morgen in der Fragestunde gesagt, daß eine entsprechende finanzielle Darstellung, die über den Finanzbericht 1966 hinausgehe, vorgelegt werden solle. In dem Finanzbericht 1966 wird von einer Deckungslücke in Höhe von 5 bis 6 Milliarden DM gesprochen. Wenn detailliert vorliegt, welche An- sprüche 1967 und 1968 an den Bundeshaushalt gestellt werden, wird ganz deutlich werden, wie hier gehandelt werden muß. An diesen Fakten wird letztlich wohl keiner vorbeigehen können. Ich bin überzeugt, daß wir dann auch mit der Opposition ein entsprechendes Gespräch führen können.
({7})
Auf Ihren Vorschlag, weitere 5 oder 10 % der Mineralölsteuer zweckzubinden, ist bereits eingegangen worden. Wir können es uns leider nicht so einfach wie Sie machen.
Nun ein letztes Wort zur Planung und zu langfristigen Plänen. Bundesverkehrsminister Dr. Seebohm war es, der in der Bundesrepublik die langfristigen Straßenbaupläne aufgestellt hat. Sie sind Vorbild gewesen für die Bundesländer. Wir haben diese langfristigen Investitionspläne auch für den Bundeswasserstraßenbau erstellt. Wir geben unserer Hoffnung Ausdruck, daß, da jetzt der Kapitalmarkt so unergiebig wird, auch für die deutsche Bundesbahn entsprechende Pläne anvisiert werden. Ich möchte meinen, daß unser Bundesverkehrsminister dafür, daß er diese langfristigen Pläne in die Wirklichkeit umgesetzt hat, unseren Dank verdient. Das ist eine beispielhafte Leistung.
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Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich möchte abschließend sagen, daß wir, wenn wir auch noch Wünsche in bezug auf den Verkehrsetat haben, doch feststellen müssen, daß die dort ausgewiesenen Leistungen beachtenswert sind und nicht Tadel, sondern ein echtes Lob verdienen. Sie machen deutlich, daß diese Bundesregierung, getragen von der CDU/CSU und der FDP, diesen wichtigen Schwerpunkt deutscher Politik erkannt und ihre Taten danach ausgerichtet hat.
({9})
Das Wort hat der Herr Bundesverkehrsminister.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich darf zunächst diejenigen Kollegen, die sich noch zu Wort gemeldet haben, um Entschuldigung bitten, daß ich jetzt das Wort ergreife und nicht mehr ihre Bemerkungen zu dem Haushalt abwarten kann. Seit gestern sind die 18 Verkehrsminister der europäischen Länder in der Schweiz versammelt, um sehr wichtige Beratungen, die wir einmal im Jahr haben, durchzuführen, vor allen Dingen auch zur Vorbereitung für Brüssel. Meine Kollegen sind so freundlich gewesen, die wichtigsten Punkte der heutigen Tagesordnung auf den Abend zu verschieben, damit ich heute noch an diesen Beratungen teilnehmen kann und heute früh zu Ihnen sprechen und Ihnen zuhören kann. Ich habe mein Flugzeug auf 1 Uhr bestellt. Das ist für mich die einzige Chance, gegenüber den Herren in der Schweiz nicht in eine unangenehme Lage zu kommen.
Nun darf ich zunächst einmal den Herren Berichterstattern, unseren Kollegen Haehser und Mengelkamp, sehr herzlich für die intensive und aufbauende Arbeit danken, die sie bei der Beratung dieses Haushalts geleistet haben. Ich erinnere mich gerade am heutigen Tage auch mit besonderem Dank der jahrelangen Arbeit, die unser Kollege Ritzel in dieser Weise geleistet hat, unterstützt von
unserem Kollegen Conring. Ich möchte das ausdrücklich herausstellen.
Ich darf aber auch sagen, daß ich sehr dankbar bin für die konstruktive Arbeit im Haushaltsausschuß in seiner Gesamtheit und im Verkehrsausschuß. Ich bedanke mich ebenso sehr herzlich für die hier gemachten Darlegungen verschiedener Kollegen über unsere verkehrspolitischen Fragen. Ich muß sagen, ich habe daraus manche Anregungen entnommen. Der gespendete Dank und das Lob sollen für meine Mitarbeiter und mich nur Ansporn sein, uns in diesen Dingen noch weiter und noch lebhafter Mühe zu geben, damit wir eine gute gemeinsame Leistung von Bundesregierung und Bundestag vor unser Volk hinstellen können.
Herr Kollege Lemmrich hat eben schon darauf hingewiesen, daß man keineswegs sagen kann. der Haushalt des Bundesministers für Verkehr werde innerhalb der Bundesregierung nicht entsprechend beachtet. Wenn ich feststelle, daß dieser Haushalt sich von 1950 bis heute vervierzehnfacht hat und damit wesentlich stärker angewachsen ist als der Gesamtbundeshaushalt, so zeigt dies klar, daß die Bundesregierung diesem Haushalt ihre hohe Aufmerksamkeit zugewendet hat.
Bei dem Straßenbau trifft das natürlich in ganz besonderem Maße zu. Denken Sie bitte daran, daß wir 1956/57 in diesem Hohen Hause das erste Ausbauprogramm, den ersten Ausbauplan verabschiedet haben. Er belief sich damals nach unserer Vorstellung auf 23 Milliarden DM in zwölf Jahren. Bereits in dem ersten und zweiten Vierjahresplan - der zweite endet am Ende dieses Jahres - werden wir über 20 Milliarden ausgegeben haben. Wir haben also den Ausbauplan in diesen ersten beiden Vierjahresplänen bereits fast ausgeschöpft. Die Verhandlungen haben in der Zwischenzeit ergeben, daß wir im dritten Vierjahresplan weitere 18 Milliarden zu mobilisieren hoffen, so daß wir insgesamt eine erhebliche Vergrößerung, ja fast eine Verdoppelung des 1957 vorgesehenen Planes in Aussicht genommen haben und bisher auch durchführen konnten. Das darf man nicht vergessen.
Herr Kollege Haehser, man darf diese Frage nicht nur nach der Unfallseite hin behandeln, so wichtig und entscheidend sie auch ist. Wir sind uns alle darüber klar - das ist hier auch schon dargelegt worden -, daß wir mit dem Straßenbau allein die Unfallzahlen leider nicht herabdrücken können. Das Entscheidende ist vielmehr die Tatsache, wie bei uns in Deutschland gefahren wird. Wir dürfen also nicht offensiv, sondern müssen defensiv fahren, d. h. zur Verteidigung der eigenen Gesundheit und des Lebens wie zur Verteidigung der Gesundheit und des Lebens der anderen Straßenbenutzer, und wir dürfen nicht vergessen - ich erinnere nur an die Debatte im amerikanischen Kongreß und an die Verordnungen der amerikanischen Regierung -, mehr für die innere Sicherheit unserer Kraftfahrzeuge zu tun.
({0})
Ich erinnere auch an unseren Unfallkongreß, der
jetzt läuft. Es ist mehr zu tun für die Behandlung der
Bundesverkehrsminister Dr.-Ing. Seebohm
Verletzten und für ihre Wiederherstellung. Ich glaube, auf diesen Gebieten bleibt uns noch manches zu tun, was unbedingt zur Bekämpfung der Unfälle vom Straßenbau her geschehen muß.
Ich habe mich sehr darüber gefreut, daß in Abs. 6 des § 7 des Haushaltsgesetzes Möglichkeiten eröffnet werden, um den Willen des Bundestages noch stärker zum Ausdruck zu bringen, alles zu tun, um die Verkehrsinfrastruktur zu fördern. Diese Verkehrsinfrastruktur in ihrer Gesamtheit stellt uns praktisch folgendes Ziel, das wir erreichen wollen: Die Nettoinvestitionen im Verkehr bilden die besten Voraussetzungen für ein organisches Wachstum des Bruttosozialprodukts. Da wir das Bruttosozialprodukt in organischer Weise und nicht etwa in etwas überspitzter, inflationärer, oder auch in antizyklischer Weise wachsen sehen möchten, sind gerade die Nettoinvestitionen im Verkehr von ganz besonderer Bedeutung. Das gilt natürlich sowohl für die Straße wie für die Wasserstraße wie für die anderen Verkehrsträger - insbesondere für die Bundesbahn.
Sie wissen alle - und ich darf das ganz kurz noch einmal erwähnen -, daß unser verkehrspolitisches Programm, dessen Zielsetzung es ist, eine optimale Verkehrsbedienung überall und für alle zu schaffen, keineswegs eine Schrumpfung der Bundesbahn oder ein Hinausdrängen der Bundesbahn aus der Fläche beabsichtigt, sondern der Bundesbahn sollen dort die Möglichkeiten gegeben werden, wo sie der Flächenverkehr wirtschaftlich eben bietet. Diese Maßnahmen beabsichtigen wir natürlich nicht allein durch Konzentration oder - wie Herr Kollege Müller-Hermann das nicht ausgedrückt wissen möchte - durch „negative Rationalisierung" durchzuführen, sondern wir brauchen gerade die positive Rationalisierung als entscheidendes Element. Nun ist es so, daß wir nicht nur für Wasserstraßen und Bundesstraßen, sondern auch bei der Bundesbahn sehr gut ausgearbeitete Investitionsprogramme vorliegen haben. Die Bundesbahn hat ein Vierjahresinvestitionsprogramm entwickelt, das mit 3 Milliarden pro Jahr ganz eindeutig auf 12 Milliarden in vier Jahren abgestimmt ist. Wir wissen, daß wir das in diesem Jahre genau wie im vorigen Jahre nicht erfüllen können. Wir mußten sogar einen Auftragsstopp verhängen, weil in den Mitteln, die im Haushalt für die Bundesbahn vorgesehen sind, mit der Liquiditätshilfe nur die Mittel gegeben sind, die das Erneuerungssoll und damit die Sicherheit des Betriebes garantieren sollen. Diese Mittel sollen nicht zu Umschuldungszwecken verwendet werden, und sie sollen und können auch nicht zu Nettoinvestitionen verwendet werden.
Deshalb ist bei der schwierigen Situation für dieses Jahr nur ein Sonderprogramm von 400 bis 500 Millionen DM aufgestellt worden, das mit dem. Finanzministerium zusammen bearbeitet wird und das ausschließlich den Nettoinvestitionen dienen soll. Wir wissen aber, daß diese Nettoinvestitionen, auch wo sie von den Ländern garantiert werden sollen, auf Schwierigkeiten stoßen, weil uns gemeinsam ein Hemmnis entgegensteht, nämlich die Verhältnisse auf unserem Kapitalmarkt. Ich darf erwähnen, daß es mir nicht richtig erscheint, wenn man sagt, die
Bundesbahn solle sich mit ihren Nettoinvestitionen an den Bundeshaushalt wenden. Es ist noch immer eine gute Haushaltspolitik gewesen, wenn Nettoinvestitionen, die sich verzinsen und amortisieren sollen, nicht den Steuereinnahmen angelastet, sondern auf lange Jahre verteilt werden.
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Wir müssen also sehen, daß diese Nettoinvestitionen wirklich vom Kapitalmarkt abhängig sind und daß, Herr Kollege Börner, hier nicht etwa mein verehrter Freund, der Herr Bundesfinanzminister, mit mir an den zwei entgegengesetzten Enden eines Strickes zieht, sondern daß wir leider Gottes jemanden haben, der diesen Strick hoch aufgehängt hat, so daß wir nur immer nach den Enden greifen und sie doch nicht fassen können. Dieser Jemand ist die Bundesbank - die sitzt auch in Frankfurt -, und diese Bundesbank hat die Währung zu schützen und also auch den Kapitalmarkt in bezug auf die Währung zu beobachten. Aus diesem Grunde können wir ihr auch nicht die Vorwürfe machen, die wir ihr gern machen möchten. Wir müssen wissen, daß dieser dritten Kraft in unserem Staatssystem - die wir von allen Einflüssen der Regierung unabhängig halten müssen, weil sie sonst natürlich in einer Weise ausgehöhlt würde, daß sie die Stabilität der Währung nicht mehr garantieren könnte - entsprechende Hochachtung gezollt werden muß. Wir bemühen uns mit aller Kraft gemeinsam mit der Bundesbank und den Ländern, den Kapitalmarkt wieder funktionsfähig zu machen. Heute sah es so aus, als ob die Renten neben den Aktien etwas angezogen seien, aber diese Schwalbe macht natürlich noch keinen Sommer. Wir können nur hoffen, daß es sich bessert. Ich hoffe, daß gerade auch der § 7 Abs. 6 des Haushaltsgesetzes hierbei wesentlich helfen wird, weil er die Möglichkeit eröffnet, die Öffa in stärkerem Maße bei der Bundesbahnfinanzierung einzuschalten, wie das zunächst beim Straßenbau und beim Wasserbau vorgesehen war.
Ich bin also sehr dankbar, daß wir unter diesen Schwierigkeiten, die wir nun einmal überwinden müssen, die Dinge konstruktiv anfassen. Mit Recht hat der Kollege Börner gesagt: Verkehrspolitik ist Strukturpolitik, die von einer klaren finanzpolitischen Konzeption untermauert werden muß. Aber wenn wir dieses sagen, so wissen wir doch, daß sich eine finanzpolitische Konzeption danach zu richten hat, was wir haben. Ich kann nur immer wieder das alte Sprichwort, das mir mein Vater gesagt hat und das auch hier gilt, wiederholen: Verpumpe nicht, was Du nicht verschenken kannst, und merke Dir das eine: nur ein Lump gibt mehr, als er hat. Auch in dieser Hinsicht müssen wir uns also wirklich nach der Decke strecken und können nicht alles auf einmal machen.
Wenn nun mit Recht darauf hingewiesen wird, daß manche Dinge nicht so klappen, wie wir das gerne hätten - es ist mit Recht gerade von unseren Nordseehäfen gesprochen worden -, so möchte ich doch erwähnen, was diese Bundesregierung in den letzten Jahren für die Nordseehäfen geleistet hat. Wir haben die Nord-Süd-Autobahn nach Bremen und Hamburg von Basel oder, wenn Sie wollen, von
München aus, ausgebaut und bauen jetzt die Hansalinie, die mit ihrem Anschluß an die Sauerlandlinie einer schnelleren Verbindung mit den Industriegebieten an Ruhr und Main dient. Wir sind dabei, die Elektrifizierung, die auf der Nord-Süd-Strecke fertiggestellt ist, weiter voranzutreiben. Sie wird in diesem Herbst Osnabrück erreichen und soll dann fortgesetzt werden. Wir haben die Wasserstraßen wesentlich verbessert: Wir haben den DortmundEms-Kanal für 1350-t-Schiffe ausgebaut, die Weserkanalisierung durchgeführt, den Küstenkanal ausgebaut, die Schiffahrtsverhältnisse auf der Elbe durch die Staustufe Geesthacht verbessert. Wir haben die seewärtigen Zufahrten der Trave, der Elbe, der Weser, der Jade und bei der Ems entscheidend verbessert. Man kann also, wenn man alle diese Nettoinvestitionen zusammen betrachtet, wirklich nicht sagen, daß die Nordseehäfen etwa die Stiefkinder der Bundesregierung seien.
In einer Sache gebe ich Ihnen durchaus recht, Herr Kollege Müller-Hermann. Es ist die Frage, die uns alle miteinander berührt: Wie werden sich bestimmte Ergebnisse der EWG, insbesondere bei den Tarifbildungsmaßnahmen, auf unsere Nordseehäfen auswirken? Sie haben mit Recht davon gesprochen, daß der gemeinsame Verkehrsmarkt nur so aufgebaut werden kann, daß die drei Komponenten der Harmonisierung, des Zugangs zum Markt und der Tarifbildung gleichmäßig gefördert werden. Wir bemühen uns um diese Dinge sehr stark, und wir hoffen auch, daß es gelingt, sie jetzt voranzubekommen. Sie haben in den letzten Tagen gelesen, daß - wie ich sagen darf, auf meine Veranlassung - Herr Botschafter Schaus sich dafür eingesetzt hat, daß diese Pause in der Behandlung der internationalen Verkehrspolitik - die nicht auf uns zurückzuführen ist - endet und daß noch vor der Sommerpause die Minister der EWG-Länder in Brüssel zusammentreten, um die Dinge weiter voranzutreiben.
Infolgedessen kann ich nur sagen: Wir betreiben dort keine einseitige Liberalisierung, weil wir von unserer Seite immer wieder auf den gleichzeitigen Abbau der Wettbewerbsverzerrungen hnweisen.
In diesem Zusammenhang darf ich weiter sagen, daß die Finanzminister der EWG-Länder und auch ihre Arbeitsminister eine ganze Reihe von Problemen zu lösen haben, für die wir ihnen Vorschläge gemacht haben, die sie aber bisher noch nicht lösen konnten. Allein das Wort „Mehrwertsteuer" wird Ihnen genau sagen, was ich dabei meine. Ich hoffe, daß es gelingen wird, auch diese Fragen voranzutreiben.
Wir möchten in diesem Rahmen natürlich auch auf jenem Weg weiter fortschreiten, den wir schon 1961 begonnen haben und der dahin geht, daß die Verkehrsträger für ihre Tarife selbst zuständig sein sollen und daß die Möglichkeiten des Staates, hier hemmend oder fördernd einzuwirken, weiter abgebaut werden sollen. Wir wünschen, daß die Verkehrsträger sich gerade im europäischen gemeinsamen Verkehrsmarkt frei entfalten können und daß sie nicht von den Staaten abhängig sind. Es ist ganz klar, daß dazu noch viel zu tun ist.
Mit Recht haben Sie, Herr Müller-Hermann, auf die Agrartarife hingewiesen, auch auf andere „tarifarische Bündelungen", möchte ich einmal sagen, die uns große Sorge machen. Aber das alles können wir nur in einer wirklich guten, gemeinsamen Arbeit überwinden, zu der ich alle Gruppen des Hauses herzlich bitten darf.
Nun noch ein Wort zur Frage des innerstädtischen Verkehrs und der Ballungsräume. Meine sehr verehrten Damen und Herren, vergessen Sie doch nicht, daß nach dem Grundgesetz und nach dem Fernstraßengesetz in den Orten über 50 000 Einwohner Bundesaufgaben nicht bestehen, daß wir diese Aufgaben dennoch an uns gezogen haben, daß wir in den letzten Jahren Hilfe in Höhe von Hunderten von Millionen gegeben haben und daß wir bei vielen Problemen durchaus bereit waren, diese Hilfe auszubauen. Ich bin dem Hohen Hause sehr dankbar, daß es damals im Gegensatz zu manchen Ressorts bereit war, wenigstens auf die 50 000-Einwohner-Grenze zu gehen. Damit haben wir praktisch schon mehr als zwei Drittel aller Ortsdurchfahrten von Bundesstraßen in unserer Verantwortung.
Wir brauchen natürlich für die ganze weitere Behandlung dieser Fragen auf Grund des Sachverständigengutachtens, das ja auch das Gesetz von 1961 hervorgerufen hat, ein Konzept zur Ausarbeitung, das die Finanzminister, die Länder, die Gemeinden und die Verkehrsminister gemeinsam vorantreiben müssen. Wir sind seit dem vorigen Jahr dabei. Ich darf Ihnen ganz bescheiden im Rande sagen, daß ich meine Hoffnungen auf die Ministerpräsidentenkonferenz im Juni setzen muß; ich hoffe, die Ministerpräsidenten werden endlich gestatten, daß die Verkehrsminister der Länder und des Bundes mit ihren Beamten sich an dieses Objekt heranbegeben und daß dort auch Vertreter der Gemeinden und Länder herangezogen werden. Seit drei Vierteljahren, eingeleitet durch einen Brief des Herrn Bundeskanzlers, ringen wir um diese Möglichkeit. Deswegen ist nicht etwa nichts geschehen. Die Länder haben sehr nachdrücklich gearbeitet. Aber diese gemeinsame Entschließung, die wir von der Ministerpräsidentenkonferenz in den nächsten Wochen erwarten, ist für uns von ganz entscheidender Bedeutung.
Meine Damen und Herren, ich bedanke mich sehr herzlich. Ich würde gerne noch ausführlicher über die Verkehrsprobleme sprechen und mit Ihnen diskutieren. Ich hoffe, wir werden das in den Ausschüssen weiter tun und vielleicht auch hier im Plenum noch einmal Gelegenheit nehmen können, uns in einer Verkehrsdiskussion auszusprechen. Ich weiß, welch wichtige Anregungen ich hier immer wieder bekommen kann, gerade auch von seiten der Opposition. Seien Sie bitte überzeugt, meine sehr verehrten Damen und Herren: Diese Bundesregierung ist keineswegs in sich zerstritten. Sie muß sich nach den Notwendigkeiten richten. Sie findet dabei die Unterstützung ihrer Regierungsfraktionen, die erkennen, was von diesen Notwendigkeiten möglich ist, und sie findet die Kritik der Opposition, die diese Möglichkeiten des Notwendigen steigern möchte.
Für all das kann ich Ihnen nur dankbar sein.
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Meine Damen und Herren, wir wollen die Beratung des Einzelplans des Bundesverkehrsministers noch abschließen. Es sind noch gemeldet die Herren Kollegen Dr. Apel, Seifriz, Seibert, Graaff und Seidel.
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Spätestens bis 14 Uhr werden wir wohl mit den Beratungen zu Ende sein. Abstimmungen sollen dann erst bei Wiederaufnahme der Verhandlung heute abend erfolgen.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Apel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe bewußt meine Unterlagen dort liegenlassen,
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weil ich mir vorgenommen habe und von meiner Fraktionsgeschäftsführung auch angewiesen worden bin, mich kurz zu halten und Ihre Zeit nicht ungebührlich in Anspruch zu nehmen.
Ich habe die Aufgabe, hier einiges zur EWG-Verkehrspolitik zu sagen. Diese EWG-Verkehrspolitik ist - wie Herr Müller-Hermann es genannt hat - der „Hinkefuß" der Verkehrspolitik in der Bundesrepublik und auch in Europa. Das zeigt sich auch darin, daß wir jetzt nur noch so wenig Zeit für sie zur Verfügung haben.
Ihnen ist bekannt, daß in dem Aktionsprogramm der Bundesregierung für die fünfte Legislaturperiode in drei von insgesamt acht Punkten über Verkehrspolitik in der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft gesprochen wird. Diese drei Probleme sind die Zentralprobleme, die auch wir, die Opposition, sehen: erstens die Frage der künftigen Tarifordnung, zweitens die Frage der Kapazitätsregelung, drittens die Frage der Wettbewerbsharmonisierung, der Beseitigung der Wettbewerbsverzerrungen im Gemeinsamen Markt. Lassen Sie mich zu diesen drei Bereichen einiges sagen.
Was die Tarifpolitik anbelangt, so liegt auf dem Tisch dieses Hauses - zur Zeit im Verkehrsausschuß beraten - der Vorschlag der EWG-Kommission zu einer Margentarifordnung für Straße und Schiene und einer Referenztarifordnung für die Binnenschiffahrt und später für Massengutverkehre auf der Schiene.
Die zentralen Probleme, die sich hier stellen - wir haben bisher keine Antwort von der Bundesregierung, wie sie diese Probleme lösen will -sind dreierlei.
Erstens: Wie wollen wir mit dieser relativ großzügigen und zu einer freien Preisbildung tendierenden Tarifordnung verhindern, daß es zu ruinöser Konkurrenz kommt? Wie sollen die Margen gebildet werden? Die EWG-Kommission sagt lapidar: „Anhand der Kosten eines gut geführten Unternehmens." Diese Aussage reicht nicht aus. Sie ist um so bedenklicher, als die EWG-Kommission für die Binnenschiffahrt - wo wir nicht verbindliche Referenztarife haben werden - sagt, es müßten
mindestens, wenn außerhalb dieser nicht obligatorischen Marge tarifiert wird, die variablen Kosten gedeckt werden, und es müßten insgesamt für alle Transportvorgänge der Binnenschiffahrt die variablen Kosten und ein Teil der fixen Kosten gedeckt werden. Diese Aussagen lassen uns sehr deutlich die Gefahr sehen, daß sich Tendenzen zu ruinöser Konkurrenz durchsetzen und daß damit die Schwierigkeiten, die wir bereits heute im nationalen Bereich haben und über die mein Kollege Seibert sicherlich noch sprechen wird, von der europäischen Ebene her erneut angeheizt und verstärkt werden.
Wir halten es deswegen für gut, daß die EWG-Kommission in ihren Verordnungsentwurf quasi eine Notbremse eingebaut hat, daß, wenn ruinöse Konkurrenz einsetzt, an die Stelle der freien Preisbildung zum mindesten für eine gewisse Zeit obligatorische Tarife gesetzt werden können.
Die Antwort der Bundesregierung auf die Frage, ob sie diesen Vorschlag der EWG-Kommission unterstützen werde, war bisher ausweichend. Die Bundesregierung hat uns auf meine Anfrage hin in einer Fragestunde vor einigen Wochen gesagt, das könne man nicht machen, die Niederländer würden das nicht akzeptieren. Ich- persönlich kann dieses Argument nicht billigen. Es kommt darauf an, daß hier ein Verkehrsträger, die Binnenschiffahrt - ausstrahlend auch auf die anderen Verkehrsträger, Schiene und Straße - vor ruinöser Konkurrenz bewahrt werden muß und damit auch die Situation der deutschen Seehäfen in der EWG, in der Konkurrenz zu den Rheinmündungshäfen verbessert wird.
Das zweite Problem, das sich bei dieser Margentarifierung stellt, ist das Problem der Kapazitätsregelung. Wenn man bei der Preisbildung relativ großzügig sein will, muß man zum mindesten bei den Kapazitäten hart sein und dafür sorgen, daß man die Ausweitung der Kapazitäten verhindern kann und im Griff behält. Gut, der Ministerrat hat für die Straße eine Kapazitätsregelung beschlossen. Für die Binnenschiffahrt gibt es jedoch nur eine unverbindliche Äußerung des Ministerrats, die die Bundesregierung in ihr Aktionsprogramm für diese Legislaturperiode aufgenommen hat, man wolle prüfen, ob es nicht möglichk ist, auch für die Binnenschiffahrt in der EWG zu einer, Kapazitätsregelung zu kommen. Kollege Ramms hat diese Probleme angesprochen. Ich kann mich auf ihn beziehen. Ich bin in diesem Punkte völlig mit ihm einverstanden. Hier liegen zentrale Gefahren für die Binnenschifffahrt und damit für alle Verkehrsträger, die wir im Auge behalten müssen. Wir können uns hier nicht auf die Wünsche anderer Regierungen berufen und sagen, wir könnten aus diesen oder jenen Gründen gewisse Dinge nicht tun und nicht im EWG-Ministerrat vertreten.
Das letzte Problem der Margentarifierung ist die Frage der Termine. Ich will Sie damit nicht aufhalten. Jedenfalls soll nach den Vorstellungen der EWG-Kommission zum 1. Januar 1967 diese Tarifordnung in Kraft treten. Wir sind jetzt schon in der Mitte des Jahres 1966 und Sie sehen, daß wir keine Chance haben, diesen Termin einzuhalten.
Lassen Sie mich damit zum letzten Bereich meiner Darstellung kommen: dem Problem der Beseitigung der Wettbewerbsverzerrungen in der EWG. Das zentrale Anliegen, das auch Herr Müller-Hermann angesprochen hat, ist die Beseitigung der fiskalischen Wettbewerbsverzerrungen. Setzen Sie alle Belastungen, die der Güterstraßenverkehr in der Bundesrepublik zu tragen hat, gleich 100 - diese Berechnung ist abgestellt auf 100 000 km Fahrleistung im Jahr, 43 1 Dieselölverbrauch auf 100 km und einen 32-t-Lastzug -, so haben Sie in Belgien, Frankreich und Italien vergleichbare Belastungen, die sich zwischen 70 und 75 bewegen; die niederländischen Kraftfahrzeugunternehmer haben nur 40 V der deutschen Belastung zu tragen. Diese Zahlen machen Ihnen deutlich, meine Damen und Herren,. daß eine Harmonisierung der Wettbewerbsbedingungen notwendig ist, soll der Anteil des deutschen Güterkraftverkehrs im grenzüberschreitenden Verkehr nicht weiter zurückgehen.
Lassen Sie mich die politischen Schlußfolgerungen aus meinen Ausführungen ziehen.
Die erste Schlußfolgerung ist die, daß es in keinem Falle möglich ist, im Interesse einer Entzerrung der Wettbewerbsverzerrungen in der EWG an eine Erhöhung der Mineralölsteuer in der Bundesrepublik zu denken.
({1})
Sie erreicht doch genau das Gegenteil von dem, Herr Müller-Hermann, was Sie wollen. Sie würde nämlich die fiskalischen Lasten für unseren Güterkraftverkehr weiter erhöhen und damit die Schwierigkeiten der Wettbewerbsharmonisierung in der EWG verstärken.
Lassen Sie mich bei dieser Gelegenheit einige persönliche Worte an Sie richten, Herr MüllerHermann. Sie haben heute morgen gesagt, man müsse interfraktionell an die Bundesregierung herantreten, um die Wettbewerbsverzerrungen in der EWG, die ja zu Lasten der Bundesrepublik gehen, in den Griff zu bekommen. Das ist eine gute Idee. Aber, Herr Müller-Hermann, es ist für uns nicht tragbar, daß Sie gestern mit Ihren Vorschlägen vor die Presse gegangen sind und dort als Diva einen Solotanz getanzt haben und dann heute hier zu uns kommen und uns bitten, daß wir nun auch noch Ihre Schleppe tragen.
({2})
- Meine Kollegen haben mir gesagt, daß Sie diese Prozedur schon wiederholt gewählt haben. Sie müssen sich entscheiden, ob Sie die Unterstützung der Opposition wollen oder ob Sie Wert darauf legen, in die Presse zu kommen als „Müller-Hermann - Verkehrsexperte der CDU/CSU" mit der Fußnote: er ist doch eigentlich viel besser als der amtierende Verkehrsminister. Das ist Ihre Sache; aber wir haben jetzt - ich sage Ihnen das ganz offen - große Schwierigkeiten, Ihrer Initiative zu folgen. Wir werden es wahrscheinlich trotzdem tun, weil wir der Sache dienen wollen und in der Sache mit Ihnen weitgehend einer Meinung sind.
Ich war bei den politischen Schlußfolgerungen. Die erste Schlußfolgerung ist also: Keine Erhöhung der Mineralölsteuer! Das ist aus den von mir dargestellten Überlegungen einfach nicht möglich.
({3})
Die zweite Bemerkung: Es genügt nicht, daß die Bundesregierung uns fortlaufend Überschriften liefert. Die drei Abschnitte in dem Aktionsprogramm der Bundesregierung zur Verkehrspolitik in dieser Legislaturperiode, die sich mit der EWG beschäftigen, liefern nichts als Überschriften. Herr Bundesverkehrsminister Seebohm hat dem soeben in seinen Ausführungen einige unverbindliche Sätze hinzugefügt. Das reicht nicht. Wir müssen die Bundesregierung auffordern, sehr deutlich zu sagen, was sie will. Es gibt dazu Anregungen. Auch Sie, Herr Müller-Hermann, und einige andere Kollegen - Herr Ramms - haben dazu hier Beiträge geliefert. Ich könnte im übrigen auf das Memorandum der vier norddeutschen Küstenländer vom Jahresende 1965 hinweisen. Der zweite Punkt also: Keine Überschriften von der Bundesregierung, sondern endlich Aktion. Seit acht Jahrein hat die gemeinsame EWG-Verkehrspolitik auf der Stelle getreten. Einer der sechs dafür verantwortlichen Verkehrsminister wohnt in Deutschland, und auch er hat keine besondere Initiative entfaltet. Das wollen wir doch einmal ganz deutlich festhalten.
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Der dritte Punkt: Wir wollen eine gemeinsame Verkehrspolitik in der EWG. Wir müssen sie wollen. Ich bin mit Ihnen, Herr Müller-Hermann, einer Meinung: einseitige Liberalisierung kommt nicht in Frage; das muß sich im Gleichschritt mit der Wettbewerbisharmonisierung vollziehen. Die Entgegnung von Herrn Minister Seebohm, an Ihre Adresse gerichtet, hat mich nicht überzeugt. Ich sehe weiterhin die Gefahr einseitiger Liberalisierung zu Lasten der deutschen Verkehrswirtschaft.
Der letzte Punkt: Wir haben in den letzten Wochen und Monaten verzeichnen müssen, ,daß Partnerländer in dier EWG - ich will bewußt keine Namen nennen - einseitige Maßnahmen ergriffen haben, die zu Lasten der ,deutschen Verkehrswirtschaft gehen. Es genügt nicht, daß wir dagegen papierene Proteste in Richtung Brüssel loslassen und die Drohung aussprechen, vor den EWG-Gerichtshof zu gehen. Wir haben in diesem Hause die Interessen unserer Verkehrswirtschaft zu vertreten. Die Bundesregierung muß deswegen in Brüssel ihren Willen deutlich machen, es auf die Dauer nicht hinnehmen zu wollen, daß einseitig nationale Verkehrspolitik zu unseren Lasten gemacht wird. Es muß die Vorlage eines Planes gefordert werden, wie man mit diesen Dingen, wenn sie nicht abgebaut werden, fertig wird. Ichglaube, wir als Parlament sind es uns schuldig, das ,sehr deutlich zu sagen.
Ein letztes Wort! Wir sind in der Gefahr, daß die deutsche Verkehrswirtschaft die Zeche der Verkehrsintegration in der EWG zahlt. Europa kann sich nur in einem Geben und in einem Nehmen
vollziehen. Es ist die Aufgabe der Bundesregierung, dafür zu sorgen, daß unsere Verkehrswirtschaft nicht nur gibt, sondern auch nimmt. Das war der Sinn meiner Worte.
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Das Wort hat der Abgeordnete Seifriz.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren!
Ich möchte mir versagen, zum Bereich der EWG-Politik noch Ausführungen zu machen, zumal mein Kollege" Dr. Apel eben schon einiges dazu gesagt hat. Es wäre an der Zeit, in diesem Hause eine EWG-Verkehrsdebatte zu machen, um wirklich einmal aufzuhellen und aufzuklären - auch für die deutsche Öffentlichkeit und für die deutsche Verkehrswirtschaft -, um welche Probleme es sich hier handelt.
Aber lassen Sie mich noch einmal auf ein Problem zurückkommen, das heute im Mittelpunkt der Diskussion gestanden hat, nämlich auf die Straßenverkehrspolitik. Es liegen treffliche Programme und Absichtserklärungen von vielen Seiten vor, die eine konstruktive Verkehrspolitik zum Ziele haben. Auch die Bemühungen unseres Kollegen Dr. MüllerHermann haben sicherlich dazu beigetragen, diese Diskussion fruchtbar zu machen. Es geht darum, den besten Weg und einen Ausweg aus der Krise auf der Straße zu finden. Daß diese Aufgabe nicht
3) leichter wird, wenn man ihre Bewältigung immer weiter hinausschiebt, ergibt sich schon aus der Tatsache, daß das Sachverständigengutachten, von dem immer soviel gesprochen wird, bei den Gemeinden von einem Gesamtbedarf in Höhe von 247 Milliarden DM ausgegangen ist, während die Sachverständigen heute bereits von 360 Milliarden DM ausgehen. Das wären in den nächsten zehn Jahren statt 100 Milliarden DM 160 Milliarden DM. In diesem verhältnis mäßig kurzen Zeitraum eine solche Steigerung! Es wird auch zur dritten Lesung noch einiges zu der Frage beizutragen sein, wie eine über das Rahmenprogramm der Bundesregierung hinausgehende Verkehrsstrukturpolitik, auf die mein Freund Börner schon hingewiesen hat, insbesondere für den Bereich des Verkehrswegebaues zu finanzieren ist und welche Anstrengungen gemacht werden müssen, um die anstehenden Probleme zu lösen. ,An einer entsprechenden, von uns bereits angekündigten Initiative unsererseits dazu wird es nicht fehlen.
Aber ein anderes: Ob es nämlich gelingen kann, geeignete Voraussetzungen für die Verlagerung des Fernverkehrs von der Straße auf die Schiene zu schaffen, muß nach unserer Meinung vordringlich untersucht werden. Wenn es auf eine den Belangen des Verkehrsgewerbes, der Bundesbahn, der Verlader gerecht werdende Weise gelingen könnte, unsere Autobahnen und anderen Fernverkehrsstraßen von den LKW-Kolonnen frei zu machen, wäre damit Entscheidendes für die Verlagerung von Straßenbaukapazität, für die Flüssigkeit und die Sicherheit
des Verkehrs getan. Ich zögere dabei nicht, deutlich auszusprechen, daß die Freiheit des Marktes, wo es nicht andern geht, ihre Grenzen dort findet, wo übergeordnete volkswirtschaftliche und gemeinschaftliche Interessen auf dem Spiele stehen. Wir gehen davon aus, daß die Bedeutung dieses Problems jedenfalls im Hohen Hause unbestritten ist, und werden im Verkehrsausschuß eine eingehende Beratung des ganzen Komplexes - mit all seinen Tücken, das muß man dazu sagen - anregen.
Damit ist noch nichts darüber gesagt, was geschehen kann und muß, um ohne Verzug wenigstens mit den unerträglichsten Verkehrskalamitäten fertig werden zu können, mit denen wir es aktuell zu tun haben. Unsere Forderung lautet daher: Sofortprogramm zur Behebung besonders dringlicher Verkehrsprobleme in Städten, Gemeinden und Verkehrsregionen, weil wir der Meinung sind: Alle mittel- und langfristigen Pläne sind gut und nützlich, aber es muß sofort wesentlich mehr geschehen, wenn uns die Verkehrsnot in den Ballungsräumen nicht über den Kopf wachsen soll.
Wir denken dabei an die baldige Vorlage eines Gesetzes durch die Bundesregierung, das einen verbindlichen Maßstab zur Ermittlung von Dringlichkeiten setzt, dabei der finanziellen Förderung des schienengebundenen öffentlichen Nahverkehrs Priorität verleiht und zudem den Neu- oder Umbau von Straßenkreuzungen und anderen Straßenverkehrsknotenpunkten in zwei oder mehr Ebenen sowie den Bau wichtiger Teilstrecken von Umgehungsstraßen anteilig fördert.
Meine Damen und Herren, immer wieder hören wir den Einwand, die Gemeinden könnten eine erhöhte Zuweisung finanzieller Zuschüsse aus Planungsgründen nicht oder nur sehr schwer verkraften. Dazu möchte ich Ihnen erneut sagen: Eine Umfrage bei den Oberbürgermeistern der 16 größten deutschen Städte, die uns bereits Anfang 1965 vorlag, ergab, daß zu dieser Zeit baureife Verkehrsprojekte höchster Dringlichkeit mit einem Finanzbedarf von 5 Milliarden DM -bereits vorlagen. Entsprechend den finanziellen Möglichkeiten von Bund, Ländern und Gemeinden kann man natürlich Dringlichkeitsspitzen schaffen und diesen Betrag revidieren, da ja ein Sofortprogramm nur wirklich akute Notstände auf eine Weise beseitigen soll, daß nicht Provisorien durch neue Provisorien ersetzt werden. Eine Möglichkeit der Eingrenzung des von uns vorzuschlagenden Programms bietet seine Anwendung auf die im Sachverständigengutachten genannten Ballungsgebiete Hamburg, Bremen, Hannover, Rhein-Ruhr, Rhein-Main, Rhein-Neckar; Stuttgart, München und Nürnberg. Unter Zugrundelegung der erwähnten Städteumfrage halten wir einen Gesamtbedarf von 3 Milliarden DM für realistisch. In einem Zeitraum von drei Jahren wäre das eine Milliarde DM pro Jahr, die von Bund, Ländern und Gemeinden aufzubringen wäre- wir sollten hier die dreigeteilte Verantwortung durchaus sehen; da gebe ich Ihnen, Herr Lemmrich, recht -, wobei ich meine, daß der Bund etwa 50% der erforderlichen Zuschüsse übernehmen müßte und auch könnte. Über Einzelheiten läßt sich reden, auch über den Finanzierungsmodus.
Wie nach unserer Auffassung der Straßenbau finanziert werden muß, das werden wir in unserem Entschließungsantrag zur dritten Lesung deutlich machen. Jedenfalls überlassen wir es vorläufig einigen Herren der CDU, etwa den bequemeren Weg der Erhöhung der Mineralölsteuer zu gehen.
Einer, der meinte, das ganz besonders klug machen zu können, sagte, das merkt die Welt am wenigstens, wenn wir etwas auf die Mineralölsteuer drauftun.
Meine Damen und Herren, ich will nicht aus dem Nähkörbchen plaudern, aber die Pläne sind . . . in der Schublade verschwunden . . . Es kommt gar nicht in Frage, daß wir eine Ausweitung des Haushalts und einen Ausgleich des Bundeshaushalts dadurch herstellen, daß wir die Steuern erhöhen.
Und zum zweiten: Dieses Patentrezept mit der Mineralölsteuer wie auch eine Anhebung der Kraftfahrzeugsteuer ist doch unter keinen Umständen zu rechtfertigen!
({0})
- Verzeihen Sie, meine Damen und Herren, daß ich unversehens in die Passage einer Rede geraten war, die unser Kollege Dr. Müller-Hermann im Herbst 1965 auf der Generalversammlung der Fachvereinigung Güterfernverkehr Bremen und der Straßenverkehrsgenossenschaft Bremen gehalten hat. Heute ist er in der deutschen Öffentlichkeit, nach einem knappen halben Jahr also, der leidenschaftliche Vertreter der Steuererhöhung. Wie er diesen Zwiespalt mit sich ausmachen will, muß er selbst erklären. Oder er müßte erklären, daß sich in diesem halben Jahr die finanziellen Verhältnisse in der Bundesrepublik so sehr verschlechtert haben, daß von daher diese neuen Erkenntnisse kommen.
({1})
So einfach machen wir es uns nicht. Und so einfach sollten wir es uns alle nicht machen.
({2})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Müller-Hermann.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich fasse mich ganz kurz.
Sehr verehrter Herr Seifriz, das, was Sie soeben zum Schluß gesagt haben, empfehle ich zunächst einmal in Ihren eigenen Kreisen auszudiskutieren, vor allem mit den zahlreichen von Ihnen gestellten Herren Oberbürgermeistern. Ich könnte auch aus dem Nähkörbchen plaudern und sehr prominente sozialdemokratische Namen nennen, deren Träger zu mir gekommen sind und gesagt haben: Herr Müller-Hermann, Sie haben im Grunde völlig recht, bloß haben Sie viel zuwenig gefordert. - Aber ich bekenne ganz offen, meine Damen und Herren: dieses Thema ist nicht ausdiskutiert, auch in unseren eigenen Reihen nicht. Wir haben heute hier zum
Ausdruck gebracht, das Thema innerstädtischer Verkehr liegt auf dem Tisch und wird von uns auch in finanzieller Hinsicht einer Lösung zugeführt werden. Und wenn wir es schaffen, das unter gesamtwirtschaftlichen Aspekten, unter Berücksichtigung der fiskalischen Situation, auch unter konjunkturpolitischen Gesichtspunkten ohne Steuererhöhungen hinzukriegen, werden wir die ersten sein, die diesen Vorschlag dann gern weiterverfolgen und konkretisieren helfen.
Der zweite Punkt ist das, was Herr Kollege Apel zum Thema Situation der deutschen Seehäfen in der EWG gesagt hat. Herr Kollege Börner hat es für richtig gehalten, seine an und für sich vom Standpunkt der Opposition aus hier sehr klar dargelegten Ausführungen mit einem Seitenhieb, einem sehr persönlichen und meines Erachtens hier nicht hineinpassenden Seitenhieb gegen den Herrn Bundesverkehrsminister zu würzen. Ebenso hat auch Herr Kollege Apel gemeint, hier persönliche Polemik hineintragen zu müssen. Was diese Kleine Anfrage anbetrifft, möchte ich sagen, daß sie gestern bei uns im Arbeitskreis der Fraktion besprochen und behandelt worden ist. Und es ist ein altes, von allen Fraktionen geübtes Recht, daß man Beschlüsse der Fraktion und der Arbeitskreise der Öffentlichkeit mitteilt. Das hat nichts damit zu tun, daß wir selbstverständlich bemüht bleiben, in den Sachfragen mit allen Fraktionen dieses Hohen Hauses, ganz besonders bei dem speziellen Thema, eine gemeinsame Erklärung zustande zu bringen. Ich habe heute noch mit Ihren Kollegen gesprochen und gesagt: wenn Sie Änderungswünsche zu der Kleinen Anfrage haben, werden wir natürlich gern versuchen, darauf einzugehen.
Ein letzter Punkt, der auch von den Herren der Opposition verschiedentlich vorgetragen worden ist. Ich meine die Behauptung, die verkehrspolitischen Themen fänden in diesem Hohen Hause nicht die genügende Beachtung. Meine sehr verehrten Damen und Herren auf den Bänken der Opposition, es ist Ihr gutes Recht, ja Ihre Pflicht, durch eigene Anträge, durch eigene Gesetzentwürfe, durch Kleine Anfragen, in Fragestunden und auch durch Große Anfragen vor allem die öffentliche Behandlung bestimmter Themen in diesem Hohen Hause zu erzwingen. Ich sage Ihnen ganz offen-wir haben im Kreise unserer Fraktion natürlich viel bessere Möglichkeiten, unsere eigene Regierung nicht zu zitieren, aber zu konsultieren, zu befragen und unsere Vorstellungen zu entwickeln -, ich sage an Ihre Adresse gerichtet, Herr Börner - wir haben darüber auch persönlich wiederholt gesprochen -: ich vermisse im Grund gerade unter Berücksichtigung dessen, was Sie hier gesagt haben, daß praktisch in einem Jahr der Arbeit dieses Hohen Hauses von seiten der Opposition die brennenden verkehrspolitischen Themen überhaupt zur Diskussion gestellt worden sind.
({0})
Herr Dr. Müller-Hermann, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Bitte!
Herr Kollege Müller-Hermann, ohne mit Ihnen über die Monate, die in der jetzigen Legislaturperiode schon verstrichen sind, streiten zu wollen, möchte ich Sie fragen, ob Sie nicht auch mit mir der Meinung sind, daß es an der Zeit wäre, die Verkehrspolitik nicht durch Große Anfragen, sondern durch große Antworten, und zwar von der Regierungsbank, zu klären.
Wenn Sie mit den Arbeitsergebnissen der Regierung nicht zufrieden sind, haben Sie die Möglichkeit, entweder alternativ eigene Vorschläge zu entwickeln - Fehlanzeige - oder durch Große Anfragen die Regierung zu einer Stellungnahme vor diesem Hohen Hause zu veranlassen. Sie haben von beiden Möglichkeiten bisher leider keinen Gebrauch gemacht.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine weitere Frage?
Ja, natürlich.
Darf ich aus Ihren Darlegungen schließen, daß all die Ankündigungen der Regierung und der Koalition in bezug auf die baldige Gesetzesinitiative zu dem einen oder anderen verkehrspolitischen Problem damit für den Rest des Jahres ad acta gelegt sind
({0})
und daß die Opposition nun sozusagen den Aushilfskellner der Regierung machen soll?
({1})
Sehr verehrter Herr Kollege Börner, mit Sicherheit kann ich Ihnen heute schon erklären, daß die Regierung zumindest ein Gesetz sehr schnell einbringen wird. Wir haben dann, wenn Sie von sich aus keine Initiative ergreifen, die Möglichkeit, von uns aus die Diskussion herbeizuführen, die wir offensichtlich alle im Interesse der Sache für zweckmäßig halten.
({0})
Das Wort hat der Abgeordnete Seibert.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wenn wir mit Tit. 510 des Haushaltsplans das Thema . Bundesbahn ansprechen, dann sollten wir uns doch vor Augen halten, daß all das, was heute und hier über die Bundesbahn gesprochen wurde und auch zu sagen ist, untrennbar mit der nun im 17. Jahr betriebenen Bundesbahn- und Verkehrspolitik der Bundesregierung verbunden ist. Ich glaube daher, daß wir Ihnen, meine Damen und
Herren von der Koalition, einige Vorwürfe nicht ersparen können.
({0})
Es steht fest, wenn auf irgendeinem Gebiet eine zielstrebige Konzeption und der Mut, die notwendigen Entscheidungen zu treffen, gefehlt haben, dann war dies gerade dort in besonderer Weise der Fall. Es ist mir unverständlich, wenn man mitunter von Vertretern der Bundesregierung zu hören bekommt, sie sei durch die Entwicklung bei der Bundesbahn überrascht worden. Wie kann eine Regierung, die für die Entwicklung des größten öffentlichen Unternehmens in der Bundesrepublik doch an allererster Stelle eine hervorragende Verantwortung zu tragen hat, es denn so weit kommen lassen, daß die Schulden der Bahn ins Unermeßliche ansteigen - sie betragen zur Zeit über 12 Milliarden DM -, daß fast 800 Millionen DM Zinsen gezahlt werden müssen - genau sind es 788 Millionen im Jahre 1966 -, daß die Jahresverluste der Bahn die Milliardengrenze überschreiten - 1965 sind es rund 1,4 Milliarden DM - und daß der Zentralbankrat die Genehmigung für weitere Anleihen der Deutschen Bundesbahn, die sie ja so dringend braucht, wie auch heute vormittag mehrmals festgestellt wurde, von der vorherigen Vorlage eines Sanierungsplans abhängig macht? Was hat man sich eigentlich dabei gedacht, als auch das Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen Bedenken gegen eine weitere Geldmarktverschuldung der Bahn über die Deutsche Verkehrskreditbank äußerte?
Meine Damen und Herren, die Finanzmisere bei der Deutschen Bundesbahn ist ein untrügliches Zeichen dafür, daß die Bundesregierung nicht in der Lage gewesen ist, die Bundesbahn auf gesunde Beine zu stellen. Die mißliche Lage der Bundesbahn ist heute ein Beweis dafür, daß die notwendigen Entscheidungen in der zurückliegenden Zeit nicht getroffen worden sind. Darüber können auch die schönsten Erklärungen über die Bundesbahn der Zukunft nicht hinwegtäuschen. Der Bericht der Treuarbeit vom 16. Februar bescheinigt, daß die Zuwendungen des Bundes für die strukturell überhöhten Versorgungslasten der Deutschen Bundesbahn nicht ausreichend waren. Nach langem Hin und Her hat sich die Bundestagsmehrheit erstmals 1965 bereitgefunden, der Bahn die Versorgungslasten zu erstatten, soweit sie 30% der Bezüge der aktiven Beamten übersteigen. Die Treuarbeit hat nun schwarz auf weiß vorgerechnet, daß die Bundesmittel für diesen Zweck in den Jahren 1962, 1963 und 1964 um 189 bzw. 223 bzw. 249 Millionen DM hätten höher sein müssen, wenn diese 30%-Lösung zugrunde gelegt wird. Das sind zusammen immerhin 661 Millionen .DM, gewiß kein Pappenstiel für ein Unternehmen, das saniert werden soll.
Sie werden es nicht gern hören, aber es muß gesagt werden, meine Damen und Herren von der Koalition: erinnern Sie sich noch an die Etatdebatte im Jahre 1962, als die Bundesregierung in der Frage der Versorgungslasten im Etatentwurf einen Durchbruch nach vorn gewagt hatte, den seinerzeit die Mehrheit im Haushaltsausschuß wieder vereitelt
hatte? Der damalige Finanzminister hatte sich dazu durchgerungen, dier Bundesbahn für die überhöhten Versorgungslasten einen Beitrag des Bundes in Höhe von 555 Millionen DM zu zahlen. Der Haushaltsausschuß hatte demgegenüber in der Beratung eine Kürzung von 280 Millionen DM vorgenommen und damit die berechtigten Einwendungen der Opposition einfach übergangen. Sie müssen jetzt einsehen, daß dies ein entscheidender Fehler war.
Welche Bedeutung allein diese Frage hat, mögen Sie aus folgendem ersehen. Die Bundesbahn hat Ende ,des vergangenen Jahres ausgerechnet, wie sich die Einführung der 30 %-Lösung bei den Pensionen seit der Währungsreform ausgewirkt hätte. Demzufolge hätte der Bund von der Währungsreform bis 1964 der Bahn zusätzlich einen Betrag von 3393 Millionen DM zuführen müssen. Hätte der Bund diesen Betrag und die bis 1957 von der Bahn .zu tragenden betriebsfremden Lasten in Höhe von 2077 Millionen DM rechtzeitig übernommen - auf das „rechtzeitig" kommt es an -, dann wäre die Bundesbahn bis über das Jahr 1964 hinaus ohne jeglichen Verlust geblieben. Das können Sie nachlesen im Heft 21 der Zeitschrift „Die Bundesbahn" vom November 1965. Dort finden Sie außerdem die Angabe, daß sich der Jahresverlust der Bundesbahn von 970 Millionen DM im Jahre 1964 um 900 Millionen DM verringert hätte, wenn die 30 %-Lösung verwirklicht und-das Defizit aus dem Berufs-, Schüler- und sonstigen zu Sozialtarifen abgewickelten Personennahverkehr von rund 650 Millionen DM übernommen worden wäre.
Uns würde es wirklich sehr interessieren, von Ihnen gelegentlich zu erfahren, wie Sie diese Fragen beurteilen, und insbesondere, wie Sie es rechtfertigen wollen, daß ohne Lösung dieser schwierigen und wichtigen Fragen ein verschärfter Wettbewerbskurs eingeschlagen wurde. Sie können darauf nun natürlich antworten, der Zweck heilige die Mittel. Aber darauf müßte mit aller Deutlichkeit geantwortet werden, daß die vom Herrn Bundesverkehrsminister selbst zugegebene bedenkliche Verschlechterung der Ertragslage bei allen Verkehrsträgern ein Mittel gewesen ist, das der verladenden Wirtschaft zwar gefallen hat; den Interessen der Verkehrswirtschaft, insbesondere der Deutschen Bundesbahn hat man aber damit keinen Dienst erwiesen.
Wie sieht es mit den Tarifen aus? Die sind heute auch angesprochen worden. Sie kennen sicher die „Aktuellen Beiträge zur Wirtschafts- und Finanzpolitik", welche vom Bundespresseamt herausgegeben werden. Ich weiß, es handelt sich, dabei nicht um amtliche Pressemitteilungen, aber schließlich doch um einen Informationsdienst, der wie vieles andere mit Steuermitteln finanziert wird. Sicher geht man nicht fehl in der Annahme, daß die Verfasser der dort erscheinenden Beiträge Mitarbeiter der einzelnen zuständigen Ressorts sind und nicht Dinge zum Albdruck bringen, die in keiner Weise die Billigung der Regierung finden. Unter diesem Vorbehalt bitte ich folgendes zu verstehen. Am 17. Februar hat das Presseamt in diesem Dienst eine Verlautbarung herausgegeben unter der Überschrift „Bundesbahn und Bundespost - Die öffentlichen Dienste in der Marktwirtschaft". Da wurde zugegeben, daß die öffentlichen Dienste Jahre hindurch im Zeichen einer stabilisierenden Preispolitik standen. Der Bundesbahn wurde also lange Zeit nicht nur eine Abgeltung für politische Lasten verweigert und später in unzureichender Höhe gewährt, nein, idarüber hinaus wurde sie als Instrument der Preisstabilisierung verwendet, wobei man hinzufügen muß: mit wenig Erfolg. Als Begründung wurde angeführt: Da es mit den üblichen wirtschafts- und kreditpolitischen Mitteln nicht gelang, den Anstieg des allgemeinen Preisniveaus aufzuhalten, wurden Tarife und Gebühren für öffentliche Dienste vielfach zum Ausgleich der steigenden Preistendenz herangezogen und ohne Rücksicht auf die Kostenentwicklung gebunden. Dann heißt es weiter in einer so offenen Art: Zwar sei die Bundesbahn nach § 4 des Bundesbahngesetzes nach kaufmännischen Gesichtspunkten zu verwalten, in Wirklichkeit werde sie aber daran gehindert, da sie erhebliche betriebsfremde und politische Lasten zu tragen habe - von dem sozialpolitischen Charakter der Personentarife im Berufs- und Schülerverkehr einmal ganz abgesehen -, und die Uberwälzung dieser Lasten auf das Sondervermögen Deutsche Bundesbahn habe ursprünglich der Entlastung dies Bundeshaushalts dienen sollen.
Was ist eigentlich in diesen Fragen für ein Katzund-Maus-Spiel?! Die Bundesbahn soll den Bundeshaushalt entlasten. Sie soll eine Aufwendung für den Bund tragen. Aber die Bundesbahn soll auch im Wettbewerb stehen - das ist heute morgen wieder, wenn auch mit gewissen einschränkenden Bemerkungen, zum Ausdruck gebracht worden -, obwohl ihre Kostengrundlagen verzerrt sind und jahrelang dagegen nichts getan worden ist. Aber die Bundesbahn soll auch ihre Tarife nicht erhöhen, um so der steigenden Preisentwicklung vorzubeugen. Und dann werden dem Vorstand der Deutschen Bundesbahn, der bei einem solchen Wirrwarr von Vorstellungen nicht mehr zurechtkommen kann, noch Vorwürfe gemacht, wenn das alles schiefgeht. Bei einem solchen Hin und Her kann ja schließlich nichts Vernünftiges herauskommen.
Vor diesem Hintergrund zeigt sich deutlich, wie wenig begründet alle früheren Vorwürfe waren, etwa die Vorwürfe, die Bahn sei ein Faß ohne Boden, sie sei eine Wohlfahrtsanstalt mit einer eigenen Eisenbahn und sie habe 100 000 Eisenbahner zuviel. Der Herr Bundeskanzler hat sich gerade vor wenigen Tagen wieder deutlich über die Frage der Arbeitszeit geäußert. In dieser Frage kann natürlich jeder seiner Meinung Ausdruck verleihen. Aber eines dürfen Sie doch nicht übersehen, und das spielt bei den ganzen Beratungen über die Bundesbahn - ich denke z. B. an die Ausführungen des Herrn Kollegen Ramms - doch eine wichtige Rolle: Wenn es stimmt, was so oft und so gern gesagt wird, nämlich daß im Mittelpunkt der Wirtschaft der Mensch stehe, dann müßte das eigentlich doch auch für die Bundesbahn gelten, und wenn dem so ist, dann frage ich, wie Sie es den Eisenbahnern verständlich machen wollen, daß sie vier Stunden in der Woche länger arbeiten sollen als
die Arbeitnehmer in der Industrie - bei all den Schwierigkeiten, welche die Dienstpläne eines Verkehrsbetriebes ohnehin mit sich bringen -, oder wie Sie um Verständnis dafür werben wollen, daß die wöchentliche Höchstarbeitszeit bei der Bundesbahn bis zu 54 Wochenstunden beträgt. Diese und andere Nachteile, Herr Kollege Ramms, welche die Eisenbahner neben den niedrigeren Löhnen und Gehältern in Kauf nehmen müssen, die ebenfalls noch erheblicher Verbesserungen bedürfen, sind doch gewiß ein Ergebnis dieser ganzen Politik. Sie können nicht erwarten, daß das Personal darauf verzichtet, berechtigte Ansprüche geltend zu machen, um im Zuge der Rationalisierung auf dem Gebiet der Arbeitszeit und der Entlohnung mithalten zu können. Ich kann Ihnen aus zahllosen Gesprächen mit Bediensteten der Bundesbahn versichern, daß die Forderung nach Mehrarbeit - Bitte, Herr Kollege Ramms!
Herr Kollege Seibert, sind Sie dann nicht mit mir der Meinung, daß Sie, wenn Sie das durchführen wollen, die Gehaltserhöhungen echt in die Tarife einkalkulieren müssen, um damit einen Ausgleich zu schaffen, und nicht verlangen können, daß anschließend der Staat die Mehrkosten der Löhne und Gehälter trägt?
Sie dürfen von mir darauf keine Antwort erwarten und auch nicht verlangen.
({0})
Das ist Aufgabe der gesamten Verkehrspolitik. Aber eine Antwort kann ich Ihnen geben: Sie können keinesfalls verlangen, daß auf dem Rücken des sozial Schwächeren die fehlgeleitete Verkehrspolitik der Regierung ausgetragen wird.
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Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage?
Bitte sehr!
Wissen Sie, daß auch in der Binnenschiffahrt und im Güterkraftverkehr, vor allen Dingen aber in der Binnenschiffahrt, die tägliche Fahrzeit immer noch bei mindestens 12 bis 14 Stunden liegt?
Ich weiß das, Herr Ramms. Aber ich bin nicht gewohnt, mich an schlechten sozialen Bedingungen zu orientieren.
({0})
Wenn man europäische Verkehrspolitik machen will, dann heißt es: Lebensstandard verbessern. Der Kernsatz der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, auch des Vertrages, läuft auf eine Verbesserung des Lebensstandards aller im Berufsleben stehenden Menschen hinaus.
({1})
- Ja, machen Sie doch eine Tarifpolitik, die notwendig ist.
({2})
- Es ist nicht die Aufgabe des Parlamentariers, Tarifpolitik zu machen. Das ist Aufgabe der Verkehrsträger. Mein Standpunkt wurde unlängst bei einem verkehrspolitischen Gespräch von allen Verkehrsträgern akzeptiert. Ich bitte, das nachzulesen. Dann können wir uns die Zwischenfragen und Antworten hier ersparen.
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- Wir werden Gelegenheit haben, Herr Kollege Müller-Hermann - das möchte ich auch allen anderen Damen und Herren sagen -, bei der Diskussion über die Verkehrspolitik, die vorhin angeregt wurde, auch die Preispolitik einmal in aller Offenheit zu diskutieren. In Zusammenhang mit der jetzigen Diskussion sollten wir dieses Thema ausklammern.
({4})
Ich kann Ihnen aus zahllosen Gesprächen mit Bediensteten der Bundesbahn versichern, daß die Forderungen nach Mehrarbeit - jetzt geht es sogar schon um zwei Stunden wöchentlich - nicht nur keine Begeisterung, sondern nichts als Kopfschütteln verursachen. Das werden Sie mir doch abnehmen. Gehen Sie einmal hinein in den Betrieb der Bundesbahn und reden Sie mit den Eisenbahnern! Sie werden sich wundern, was Sie dort alles zu hören bekommen. Die hunderttausend, die schon zehnmal gesagt bekommen haben, daß sie überflüssig seien, sind gern bereit, einmal mit Ihnen zu sprechen. Bei dieser Gelegenheit können Sie auch erfahren, wie man über den Vorschlag denkt, zur Post versetzt zu werden.
Eines ist allerdings bei der Post besser geregelt. Ich meine damit nicht, daß die Bundespost jetzt nach der Vorlage des Gutachtens alles bekommen soll, was wir für die Bahn jahrelang vergeblich gefordert haben, weil die Bahn als abschreckendes Beispiel angesehen wird. Ich meine damit, daß der Herr Bundespostminister von Anfang an klar und deutlich erklärt hat, daß man die Ergebnisse der Rationalisierung nicht überschätzen darf. Anders bei der Bundesbahn. Hier ist das Wort Rationalisierung geradezu ein rotes Tuch geworden; nicht deshalb, weil die Eisenbahner gegen Rationalisierung sind. Aber sie sind in all den Jahren der ewigen Besserwisserei Außenstehender überdrüssig geworden. Ich glaube, daß darf man ihnen zubilligen.
Immer wieder hieß es, die Bundesmittel müßten herabgesetzt werden und die Bahn müsse eigene Anstrengungen zur Verbesserung ihrer Lage unternehmen.
({5})
- Von dem Herrn Bundeskanzler in seiner Regierungserklärung, die er abgegeben hat.
({6})
- Ich war jedenfalls so aufmerksam, ihm genau zu folgen.
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- Ich bitte, es nachzulesen. Es steht drin, daß die Bemühungen angestrengt werden müßten, die Bundesmittel herabzusetzen.
({8})
- Ich bitte das nachzulesen.
({9})
- Selbstverständlich. Aber das kann doch nicht dadurch geschehen, daß Sie einseitig die Bundesmittel kürzen. Sie müssen meinem Wortlaut folgen.
({10})
- Ich habe gesagt, es habe immer wieder geheißen, die Bundesmittel müßten herabgesetzt werden und die Bahn müsse eigene Anstrengungen zur Verbesserung ihrer Lage unternehmen. Das sind Äußerungen, die von höchster Stelle gemacht worden sind. Meiner Auffassung nach ist das nichts anderes als eine bequeme Redensart, deren Folgen wir heute ausbaden müssen.
({11})
Nun werden Sie natürlich sagen, Sie hätten jetzt das verkehrspolitische Programm vom 26. Januar 1966. Wir werden gewiß noch Gelegenheit haben, eine ausführliche Unterhaltung darüber zu führen. Meine Herren Kollegen, wir werden Ihnen da manches zu sagen haben.
({12})
Nur möchte ich heute vorweg sagen: wenn man sich dieses Programm ansieht, insbesondere hinsichtlich des Sondervermögens Bundesbahn, hat man tatsächlich wenig Hoffnung, daß in absehbarer Zeit eine Wende zum Besseren erfolgen könnte. Hier habe ich seltsamerweise keinen Widerspruch vernommen. Die Bundesregierung hat dem Vorstand der Deutschen Bundesbahn durch das In-Aussicht-Stellen eines Sonderinvestitionsprogramms für die Eisenbahn der der Zukunft Hoffnungen gemacht, die doch einfach nicht erfüllt werden können. Daß der Bundeshaushalt keine Mittel für ein solches Sonderprogramm hergibt, werden Sie sicher nicht bestreiten, und daß eine Besserung der Lage am Kapitalmarkt allenfalls die Abwicklung des regulären Investitionsvolumens gestattet, ist ebenso unzweifelhaft.
Es bleibt nur die Frage, was das eigentlich soll. Diese Vorstellungen sind genauso wenig realistisch, wie die immer wieder beschworene optimale Verkehrsbedienung praktikabel ist, weil Sie bis heute dem Parlament noch immer keine einwandfreien Kriterien entwickelt haben, was Sie damit eigentlich wollen. Wenn irgendwo der Satz, daß der Teufel im Detail steckt, richtig ist, dann ist es gerade hier der Fall.
Die Bundesregierung hat wiederholt erklärt, die finanziellen Beziehungen zwischen Bund und Bundesbahn würden geregelt, wenn das Gutachten vorliege. Daran müssen wir Sie heute erinnern. Das Gutachten liegt vor; die Regelung bleibt aus.
Meine Damen und Herren, die Frage der Versorgungslasten wurde bereits angesprochen. Daß die Bundesbahn in der Frage des Kindergeldes so gestellt wird wie ihre Konkurrenten, ist eine Selbstverständlichkeit. Aber wenn wir wirklich eine Normalisierung der Konten wollen, dann bleibt noch viel zu tun. Betrachten Sie z. B. die Erläuterung zum Tit. 510 a Ziffer 3. In der Formulierung ist sie ein Fortschritt. Dort finden Sie jetzt im Gegensatz zu der früheren Bezeichnung „Anpassungshilfe zur Erleichterung der Rationalisierung im Personenzugverkehr" die Bezeichnung „Beitrag des Bundes zur Kostenunterdeckung im sozialbegünstigten Personennahverkehr". Mit den dort eingestellten 120 Millionen DM wird aber noch nicht einmal ein Drittel des Verlustes aus dem Berufsverkehr abgedeckt. Das waren 1964 380 Millionen DM.
({13})
- Das Gutachten, das vorliegt, stellt fest, daß die Kostenrechnung korrekt ist, Herr Kollege Mengelkamp.
({14})
Sind Sie wenigstens bereit, im Jahre 1967 die Kontonormalisierung in dem Sinne anders zu machen?
({15})
- Gut, aber Sie sind der Sprecher, der Berichterstatter der Regierungspartei.
({16})
- Das ist aber keine ausreichende Hilfe, Herr Kollege. Wissen Sie, wie diese Hilfe angesprochen und bewertet wird? Da zitiere ich eine Zeitung aus Ihrer Heimat. Die „Süddeutsche Zeitung" hat am 16. Mai geschrieben, daß die sanierungsreifen Bundesunternehmen Bahn und Post „Brosamen" erhalten statt massive Hilfe. So wird die von Ihnen angesprochene Hilfe draußen beurteilt. Wenn Sie es schon so darstellen wollen, als wäre es eine Hilfe, möchte ich Sie fragen: Ist Ihnen bekannt, daß Sie im Haushalt von 2,5 Milliarden über 280 Millionen weniger angesetzt haben, als das Ist des vergangenen Jahres gewesen ist?
({17})
Sehen Sie, deswegen dürfen Sie nicht von großer Hilfe sprechen. Meine Damen und Herren, wir hof2024
fen - und wir sind dazu bereit -, daß wir die Liquiditätshilfe von 1,3 Milliarden DM - und darum geht es - im Etat 1967 nicht mehr vorfinden werden, sondern daß es bis dahin entsprechend den Zusagen des Herrn Bundesfinanzministers gelungen sein wird, diese Position in einzelne Verwendungszwecke klar aufzugliedern. Die Deutsche Bundesbahn hat dafür bereits Vorschläge unterbreitet und Einzelpositionen aufgeführt.
Wir können diese Frage heute nicht erschöpfend behandeln, aber wir werden dies nachholen, wenn wir Gelegenheit zu einer Aussprache über die Verkehrsprogramme haben. Aber so viel noch zum Abschluß. Wir sollten uns von der Illusion frei machen, man könne die Bundesbahn durch Stillegungen und Schließungen sanieren. Sonst werden Hoffnungen erweckt, die nicht gerechtfertigt sind. Unserer Meinung nach, meine Damen und Herren, ist dringend erforderlich: erstens die Normalisierung der Konten, zweitens eine sukzessive Kapitalaufstockung zur Sicherung der Finanzierung des Investitionsprogramms der Bundesbahn in Höhe von 12,1 Milliarden für vier Jahre bzw. 3 Milliarden jährlich. Eine Forderung, die für Sie vielleicht neu ist, ist drittens eine Stundung der Beförderungsteuer der Bahn durch den Bund und eine Zweckbindung dieser Mittel zur Teilfinanzierung des Investitionsprogramms. Mit dieser Maßnahme würde der Bahn besser geholfen als mit Anleihen, die man in Aussicht stellt und die der Kapitalmarkt nicht hergibt.
Meine Damen und Herren! Die Zeit der Reden und Vertröstungen muß endgültig vorbei sein.
({18})
- Was ich Ihnen heute vorgehalten habe, Herr Müller-Hermann, können Sie auch durch eine solche Bemerkung nicht wegwischen.
({19})
- Ich werde Ihnen dann Dank sagen, Herr Mengelkamp, wenn der Bund die jahrelange Vernachlässigung durch eine echte Hilfe ablöst und damit beweist, daß er bereit ist, das Bundesbahnvermögen als sein Vermögen auf eine gesunde Basis zu stellen. Wenn das geschehen ist, werde auch ich bereit sein, dieser Regierung Dank zu sagen.
({20})
Wir fordern, daß schönklingende Worte über die notwendige Klärung der finanziellen Beziehungen zwischen Bund und Bundesbahn durch eine echte Normalisierung der Konten abgelöst und die Investitionen der Bundesbahn finanziell gesichert werden. Wenn Sie diese Forderung erfüllen, werden wir ein Stück weiterkommen.
({21})
Das Wort hat der Abgeordnete Graaff.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Seibert, mit dem, was Sie jetzt eben gesagt haben, ließe sich ein abendfüllendes Programm bestreiten. Aber wir haben eine Generalverkehrsdebatte zum Haushalt des Bundesverkehrsministers und nicht speziell zur Lage der Bundesbahn. Trotzdem ist die Sanierung der Bundesbahn - das ist hier im Hohen Haus wohl unbestritten - eine zentrale Aufgabe unserer Verkehrspolitik.
Mir scheint aber, und das möchte ich hier einmal nachholen, eine Frage bei der ganzen Beurteilung der Dinge zu kurz gekommen zu sein. Ich darf dabei auf das Gutachten, das die Treuarbeit über die Bundesbahn erstattet hat, einschließlich der Konsequenzen, die dieses Gutachten zieht, Bezug nehmen. Es zieht ja beispielsweise in der Forderung der Stilllegung von 10 000 km Bundesbahnstrecken sehr weitgehende Konsequenzen. Ich möchte davor warnen, allein ein solches Programm der Streckenstilllegung der Sanierung der Bundesbahn zugrunde zu legen. Man darf dabei nicht übersehen, daß diese Strecken für die Bundesbahn Zubringerstrecken für die großen Fernstrecken sind. Wenn ich dann beobachte, daß plötzlich nichtbundeseigene Eisenbahnen Interesse an stillzulegenden Strecken bekunden, dann scheinen mir diese Strecken nicht ganz so unrentabel zu sein, wie es aus dem Gutachten allein hervorgeht. Aber das ist nicht das zentrale Problem.
Das zentrale Problem, das mit der Stillegung im allgemeinen und auch mit dieser Stillegung gelöst werden muß, ist die Frage der Kooperation der Verkehrsträger. Hier ist in der Vergangenheit vieles versäumt worden, nicht zuletzt in der technischen Entwicklung des Zusammenspiels von Schiene, Straße und Wasserstraße. Diese Frage ist im Überladeverkehr viele Jahre zu kurz gekommen, und die Lösung wird uns jetzt unter Umständen von ausländischen Entwicklungen aufgezwungen. Eine Kooperation der drei großen Verkehrsträger allein genügt auch nicht, sondern die Lösung der leidigen Frage der Frachtführung bei einer solchen Kooperation muß hinzukommen. Das ist die Frage der Hinzuziehung von Speditionen zur Lösung dieser gemeinsamen Verkehrsaufgabe.
Meine Damen und Herren, erst wenn wir eine solche abgestimmte Arbeitsteilung der Verkehrsträger haben, ist die Rationalisierung der Bundesbahn durch Stillegung unrationeller Strecken sinnvoll, weil dann nicht die Gefahr besteht, daß wegen der Streckenstillegung der Flächenverkehr auf der Straße sich gleichzeitig des Streckenverkehrs anstelle der Bundesbahn zusätzlich bedienen würde.
Eine andere kurze Bemerkung. Es ist sehr häufig davon gesprochen worden, daß man die Verkehrspolitik über die Tarife steuern und in Ordnung bringen könne. Ich glaube, wir müssen heute alle feststellen, daß diese Auffassung - jedenfalls so allein in den Raum gestellt - nicht stimmt. Es ist auch nicht die Frage der Kosteneinsparung insbesondere beim Verkehrsträger Bundesbahn das
Allheilmittel, wenn nicht gleichzeitig kostengerechte Tarife entwickelt werden, die auch die Kostensteigerungen auffangen können, die auf die Verkehrsträger zwangsläufig zukommen. Denn, Herr Kollege Seibert, es nützt uns keine Kontennormalisierung, wenn die Tarifpolitik diese Kontennormalisierung am nächsten Tage schon wieder ad acta legt und völlig kaputtmacht.
Eine letzte Bemerkung, meine Damen und Herren. Es ist heute wiederholt davon gesprochen worden, daß Verkehrspolitik auch eine Strukturpolitik ist. Dann muß man aber auch zur Kenntnis nehmen, daß eine Strukturpolitik ohne finanzielle Aufwendungen, die sich nicht rentieren werden, nicht betrieben werden kann. Wie wollen Sie Verkehrsstrukturen im Zonenrandgebiet, in der Randlage zur EWG sinnvoll und für die dort ansässige Bevölkerung verbessern, wenn Sie gleichzeitig sagen, daß diese Investitionen bis zur letzten Konsequenz rentabel sein müssen? Eine Strukturpolitik in diesen revierfernen Gebieten ist ohne Finanzopfer nicht zu betreiben. Ich wollte nur diese drei Anmerkungen zur Verkehrspolitik machen.
({0})
Das Wort hat der Abgeordnete Seidel.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Sprecher der CDU, Herr Kollege Lemmrich, hat einen Lobgesang auf die Leistungen der CSU bei der Förderung des Rhein-Main-Donau-Kanals gehalten. Meine Damen und Herren von der CSU, Ihr Bemühen sei nicht bestritten. Aber war deswegen unser Bemühen um so viel geringer? Doch keineswegs! Vor allen Dingen haben wir den einen Vorteil, meine Damen und Herren von der CSU, daß wir bei unseren Bemühungen die ganze Fraktion hinter uns haben. Das ist wesentlich bei der Förderung des Rhein-Main-Donau-Projekts.
({0})
Herr Lemmrich, war haben diesmal im Haushalt für den Rhein-Main-Donau-Kanal eine Situation, die keineswegs günstig ist. Diesmal ist nur ein Leertitel ausgewiesen und die Finanzierung auf den Kapitalmarkt verschoben und damit eine höhere Zinsbelastung für den bayerischen Staat vorgesehen. Aber zu Ihrer Orientierung - und vielleicht damit Sie die Vorurteile gegen unser Bemühen ein wenig abbauen - möchte ich verlesen, was der bayerische Ministerpräsident Dr. Goppel an unsere Bundestagsabgeordneten in dieser Angelegenheit geschrieben hat. Er hat einen Brief an den sozialdemokratischen Fraktionsvorsitzenden im bayerischen Landtag, Volkmar Gabert, gesandt. Dieser Brief - ich darf ihn mit Genehmigung der Frau Präsidentin zitieren - lautet wie folgt:
Die Rhein-Main-Donau-Großschiffahrtsstraße ist für Bayern zweifellos von so großer verkehrspolitischer Bedeutung, daß deren ehestmögliche Fertigstellung allen politischen Kräften unseres Landes ein dringendes Anliegen sein sollte. Ich begrüße es deshalb sehr, daß die bayerische
Landesgruppe der SPD-Bundestagsabgeordneten sich so entschieden für eine gegenüber den Kanalprojekten der nordwestdeutschen Länder gleiche Behandlung unseres Landes beim Ausbau der Rhein-Main-Donau-Großschiffahrtsstraße einsetzen will. Ich bitte Sie, sehr geehrter Herr Gabert, den Herren bayerischen Abgeordneten der SPD im Deutschen Bundestag hierfür den Dank der Bayerischen Staatsregierung übermitteln zu wollen.
Ich bitte Sie, das zur Kenntnis zu nehmen.
({1})
Das Wort hat der Abgeordnete Erhard als letzter.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte wenige Sätze sagen.
Zunächst zu Ihnen, Herr Kollege Seifriz! Sie hatten vorgeschlagen - und die Vorschläge sind meines Erachtens das Wesentliche, wenn man überhaupt welche macht -, 3 Milliarden DM für bestimmte Schwerpunkte - Hamburg, Bremen, Hannover usw.; ich will sie nicht alle aufzählen - zur Verfügung zu stellen. Von den 3 Milliarden DM in drei Jahren sollten die Gemeinden und die Länder je ein Drittel aufbringen, d. h. die Gemeinden 1 Milliarde DM und die beteiligten Länder - es sind nicht alle - ebenfalls 1 Milliarde DM.
({0}) - Hat er gesagt: jeder ein Drittel!
({1})
- Länder und Gemeinden; so habe ich ihn verstanden. Selbst wenn Sie die Gemeinden und die Länder auf 50 % rechnen, bitte ich Sie, sich einmal das Kraftfahrzeugsteueraufkommen der beteiligten Länder anzusehen; dann werden Sie staunen, daß nach Ihrem Vorschlag praktisch der gesamte Steuerverbund - ausgenommen Bayern -, soweit er bei der Kraftfahrzeugsteuer zugunsten der Gemeinden besteht, nur für diese ganz konkreten Schwerpunkte verwendet werden würde und alle anderen Gemeinden leer ausgingen. Ein unmöglicher Vorschlag.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Es geht auf meine Zeit.
Nur ganz kurz! Ist Ihnen nicht bekannt, daß schon heute eine ganze Reihe von Ländern glücklicherweise mehr für den Gemeindestraßenbau ausgeben, als sie an Kraftfahrzeugsteuer einnehmen,
({0})
und sind Sie nicht bereit, diesen Gedanken, den wir in die Diskussion gebracht haben, unter diesem Gesichtspunkt einmal zu prüfen?
Herr Kollege Börner, ich will Ihnen gern antworten. Es gibt kein einziges Land, das mehr für den Gemeindestraßenbau ausgeben würde, als es an Kraftfahrzeugsteuer einnimmt. Es gibt nur ein Land - das ist Bayern -, das das gesamte Aufkommen weitergibt. Im Lande Hessen, das Sie ja kennen sollten, wird der Steuerverbund zugunsten der Gemeinden 30% des Aufkommens betragen. Die übrigen Ausgaben der Länder für den Straßenbau insgesamt sind etwa so hoch wie das Aufkommen aus der Kraftfahrzeugsteuer. Gucken Sie bitte nach!
Der Kollege Apel hat uns gesagt, welche Probleme anstehen, hat gesagt, die Regierung habe die gleichen Probleme angesprochen. Gut; das wissen wir auch. Lösungsvorschläge habe ich trotz aufmerksamen Zuhörens nicht gehört. Allein darauf käme es hier an.
({0})
- Wenn Sie in der Opposition etwas angreifen wollen, müßten Sie doch wenigstens den Schimmer von
einer Andeutung machen, wie Sie sich's vorstellen.
Nun einige Worte zu dem, was Sie, Herr Kollege Seibert, gesagt haben. Herr Kollege Seibert meint, die Regierung sei nicht in der Lage gewesen, die Bundesbahn auf gesunde Füße zu stellen, und er bringt als Gründe oder als Vorschläge vor, die Regierung hätte eigentlich die höheren Versorgungslasten - über 30 % der aktiven Bezüge - und die Aufwendungen für das Kindergeld usw. übernehmen sollen. Sie rechnen dann nach dem Gutachten aus, wieviel das gewesen wäre. Wenn eine solche Rechnung auf die Dauer angestellt werden soll, dann ist in der Struktur dieses Wettbewerbers - dem es wahrscheinlich gar nicht so recht ist - eben etwas falsch. Die Antwort, was falsch ist, sollten Sie sich geben. Entweder bejahen wir die Struktur der Bundesbahn als öffentlich-rechtliche Einrichtung mit allem, was an Besoldungsfragen usw. dazugehört, dann gehören höhere Versorgungslasten dazu; oder wir verneinen sie. Wir sagen: Wir wollen diese Struktur der Bundesbahn; aber die Konsequenz zu ziehen, daß das der Steuerzahler auf lange Sicht bezahlen sollte, wäre falsch. Genau das hat der Herr Bundeskanzler gemeint, wenn er sagte, die Zuschüsse müßten allmählich abgebaut werden. Das heißt, das Wirtschaftsunternehmen Bundesbahn muß auf lange Sicht gesehen auf eigenen gesunden Füßen stehen, und wir brauchen dann keine Zuschüsse mehr zu zahlen. Das ist das Kernproblem.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Herr Abgeordneter?
Nein, es geht auf .die Zeit, und wir wollen fertig werden.
Der Herr Abgeordnete lehnt ab..
Ich bin also der Meinung, wir sollten jetzt nicht mit solchen Vorwürfen aus der Vergangenheit heraus argumentieren, die früher keiner. gesehen hat. Dann hätten Sie gerechterweise sagen müssen, Herr Kollege Seibert, daß die Bundesbahn erhebliche Verluste durch den Krieg gehabt hat,
({0})
und wollen Sie, Herr Kollege, etwa die Behauptung aufstellen, daß die Regierung versagt habe, indem sie die Kriegsschäden nicht voll 'auf den Bundeshaushalt übernommen, sondern sie auch bei der Bahn belassen hat? Darin liegt nämlich ein großer Teil der Verschuldung der Bahn begründet, das müssen wir ganz deutlich sehen. Das haben wir alle zu tragen, auch die Bundesbahn.
Das Ziel muß also die wirtschaftliche Gesundung der Bundesbahn sein, und wir sollten dann nicht mit versteckten Vorwürfen und mit nur auf die Unzufriedenheit zielenden Vorstellungen diesen Prozeß erschweren, sondern sollten sagen, daß bei der Bundesbahn alles das, was getan werden kann, auch angesteuert wird - das ist das Ziel dieser Vorstellungen -, ohne. dabei zu sagen, bei der Bundesbahn habe man etwas Ernsthaftes versäumt, oder es werde dort gefaulenzt, und die Beamten und die Bediensteten der Bundesbahn täten nicht ihre Pflicht. Ganz im Gegenteil! Ich möchte jedenfalls für meine Fraktion und für meine Person sagen: Alle Hochachtung vor unseren Bundesbahnern! Sie halben bisher fleißig gearbeitet und werden es auch in Zukunft sicherlich tun.
({1})
Ich danke dem Herrn Redner für den pünktlichen Schluß seiner Rede.
Wir sind damit em Ende der Rednerliste. Die Abstimmung wird heute abend erfolgen.
Ich möchte aber noch den Punkt 2 der Tagesordnung erledigen:
Beratung der Sammelübersicht 5 des Petitionsausschusses ({0}) über Anträge von Ausschüssen des Deutschen Bundestages zu Petitionen
- Drucksache V/625 Wer dem Antrag des Ausschusses zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer ist dagegen? - Enthaltungen? - Keine Gegenstimmen, keine Enthaltungen. Der Antrag ist einstimmig angenommen.
Ich unterbreche die Sitzung bis 17.30 Uhr.
({1})
Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet.
Das Wort zu einer Erklärung hat der Herr Bundeskanzler.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach meiner Rückkehr aus London liegt mir viel daran, dem Hohen Haus so schnell wie möglich einen Bericht über die wichtigen Gespräche zu geben, die ich dort zusammen mit dem Bundesaußenminister geführt habe. Zu Anfang meines Berichts darf ich feststellen, daß zwischen der britischen Regierung und der deutschen Regierung in allen wesentlichen Fragen, die die gegenwärtige internationale Lage betreffen, volle Übereinstimmung besteht. Ich werde das noch näher erläutern. Es ist wesentlich, daß in einer so bewegten Zeit wie der jetzigen, die von so viel Unsicherheit, Ungewißheit und Unruhe erfüllt ist, zwischen zwei der großen Länder des freien Europa in so hohem Maße Übereinstimmung besteht.
Meine Gespräche in London, die in einer sehr angenehmen und freundschaftlichen Atmosphäre stattfanden, galten in erster Linie dem nordatlantischen Bündnis. Der britische Premierminister und ich waren uns einig, daß wir alles dazu beitragen wollen, um dieses Bündnis stark und funktionsfähig zu erhalten, eine Aufgabe, die allen Partnern der NATO gleichermaßen gestellt ist. Unsere beiden Länder sind ebenso wie die übrigen unserer 14 Partner entschlossen, an dem integrierten NATO-Verteidigungssystem festzuhalten und es weiter zu verbessern. Dieses Bündnis ist die Grundlage unserer Verteidigung, deren Notwendigkeit auch heute von niemandem bestritten werden kann und wohl auch ernsthaft von niemandem bestritten wird.
Das Bündnis ist aber auch zugleich die gemeinsame politische Plattform der freien Welt, um die großen politischen Fragen, insbesondere auch die Fragen des Ost-West-Verhältnisses, einer Lösung näherzubringen. Der Ost-West-Dialog sollte auf westlicher Seite von den Partnern dieses Bündnisses gemeinsam geführt werden oder zumindest in dem Geiste geführt werden, daß die Vorstellungen und Gespräche jedes Partners auf das engste mit den anderen Partnern abgestimmt werden. Dies dürfte ganz allgemein ein Gebot der politischen Vernunft sein. Aber darüber hinaus haben gerade wir Deutsche das lebhafteste Interesse daran, daß so verfahren wird. Denn nur durch eine gemeinsame Haltung der Bündnispartner kann Deutschland auf eine Lösung seiner wichtigsten nationalen Anliegen hoffen.
Wenn man alle diese Erwägungen zusammenfaßt, so kommt man zu der unabweislichen Schlußfolgerung, daß wir ein möglichst geschlossenes, möglichst eng verzahntes atlantisches Bündnis brauchen, um sowohl unsere Verteidigung sicherzustellen wie auch im politischen Bereich Fortschritte zu erzielen; ja selbst unsere wirtschaftliche Sicherheit und Stabilität bedarf dieses Zusammenhalts der freien Welt.
In diesem Zusammenhang müssen die jüngsten Maßnahmen gesehen werden, die Frankreich in bezug auf die NATO ergriffen hat. Ich will hier nicht das Bedauern wiederholen, welches wir und die übrigen Partner Frankreichs darüber empfinden, daß uns unsere französischen Freunde durch die von ihnen selbst gesetzten Termine der Möglichkeit beraubt haben, die aufgeworfenen Fragen in Ruhe zu erörtern und so zu lösen, daß die von Frankreich angekündigten Veränderungen gleichzeitig mit den auch nach französischer Ansicht notwendigen Anpassungsmaßnahmen in Kraft treten können. Die französischen Entscheidungen stellen alle Bündnispartner vor eine schwierige Lage. Denn nach der Auffassung der Partner Frankreichs ist das gegenwärtige eng verzahnte Bündnissystem besser und wirksamer als die von Frankreich erstrebte lockerere Zusammenarbeit. Wir müssen also nach Ersatzlösungen suchen, die selbst im günstigten Fall voraussichtlich hinter dem zurückbleiben dürften, was wir bisher erreicht hatten.
Um so wichtiger sind die Bemühungen, aus der Not gewissermaßen eine Tugend zu machen und der Organisation des Bündnisses, an der 14 Partner festhalten wollen, eine straffere und dadurch noch wirksamere Form zu geben.
Alle diese Fragen, die Gegenstand meiner Gespräche in London bildeten, werden von den 14 NATO-Botschaftern in Paris bearbeitet. ihre Vorarbeiten haben gute Fortschritte gemacht. Wir rechnen damit, daß ihre Vorschläge auf der Brüsseler Ratstagung Anfang Juni vorliegen werden, so daß die erforderlichen Entscheidungen dann gefällt und die Verhandlungen zwischen der NATO und Frankreich aufgenommen werden können.
In diesem Zusammenhang stellt sich ein wichtiges, wenn auch keineswegs das einzige wichtige Problem hinsichtlich der weiteren Anwesenheit der französischen Truppen in Deutschland. Die französische Regierung hat an uns die Frage gerichtet, ob wir wünschen, daß ihre Truppen in Deutschland bleiben. Diese Frage haben wir aus Überzeugung wiederholt bejaht.
({0})
Ich möchte sie hier vor dem Hohen Hause ausdrücklich noch einmal mit einem ganz klaren und eindeutigen Ja beantworten
({1})
und dazu hervorheben, daß sich diese bejahende Antwort nicht nur auf die französischen Landstreitkräfte in Deutschland bezieht, sondern nicht minder auf die französischen Luftwaffeneinheiten und auf die französischen Luftverteidigungsstreitkräfte.
Aber es ist wohl selbstverständlich - wie von uns wiederholt dargelegt worden ist -, daß französische Truppen in Deutschland im Rahmen der gemeinsamen Verteidigung einen bestimmten militärischen Auftrag zu übernehmen haben und daß ferner klare Verhältnisse hinsichtlich des Oberbefehls und des Zusammenwirkens aller im Bündnis zusammengeschlossenen Streitkräfte geschaffen werden müssen. Dies ist ein Fragenkomplex, der
nicht nur uns Deutsche, sondern alle NATO-Partner angeht. Er soll daher nach unserer Vorstellung zwischen den 14 NATO-Regierungen, die an der gemeinsamen Verteidigung in der bisherigen Form festhalten wollen, einerseits und Frankreich andererseits geklärt werden. Man hat uns gesagt, daß es sinnlos sein würde, Frankreich im Wege solcher Vereinbarungen gewissermaßen durch die Hintertür wieder in die Integration zurückzuführen, aus der Frankreich sich gerade herauslösen will. Ich möchte ganz klarmachen, daß dies nicht unsere Absicht ist.
Der Zweck der von uns und unseren Partnern für notwendig gehaltenen militärischen Vereinbarungen ist ein anderer. Diese Vereinbarungen sollen - ich wiederhole - die Unsicherheit und die Ungewißheit ausräumen. Wenn wir davon ausgehen, daß unser ganzes Bemühen auf die Verhinderung eines Krieges gerichtet ist, und wenn wir weiter annehmen, daß eine wirksame Abschreckung das sicherste Mittel zur Verhinderung eines Krieges ist, dann müssen eben jene Unsicherheit und Ungewißheit innerhalb unseres Bündnisses so weitgehend wie nur möglich beseitigt werden. Das wird das Ziel der militärpolitischen Verhandlungen sein. Klarheit ist auch notwendig im Hinblick auf die Sicherheit aller Truppen unserer Verbündeten auf deutschem Boden; denn in einem Bündnis muß sich in engem Zusammenwirken jeder auf den anderen verlassen können.
Hinzu kommt ein allgemein politischer, speziell aus deutscher Sicht wichtiger Gesichtspunkt. Er betrifft den künftigen Status der französischen Truppen in Deutschland, ihre Rechte und Pflichten und die Rechtsgrundlage, auf der ihre Anwesenheit beruht. Dazu ist gesagt worden, daß es sich hier um juristische Fragen handle, die man nicht unnötig in den Vordergrund stellen solle. Eine solche Annahme beruht wohl auf einem Irrtum. Die Frage, welche Rechte und welche Pflichten Truppen eines anderen Staates haben, die sich zum Zwecke der gemeinsamen Verteidigung auf deutschem Boden befinden, ist eine sehr wichtige politische Frage, und nur als solche will ich sie hier behandeln. Die Aufenthalts-, rechte, die wir in den Verträgen von 1954 eingeräumt haben, stehen bekanntlich in einem unlösbaren Zusammenhang mit der integrierten Kommandostruktur, in die alle auf deutschem Boden stationierten Truppen eingegliedert sind. Wie sie wissen, ist im Rahmen der derzeitigen integrierten Kommandostruktur der NATO ein deutscher General Oberbefehlshaber über alle im Abschnitt Mitteleuropa stehenden Landstreitkräfte. Wenn also Truppen eines Bundesgenossen diesem integrierten Oberkommando entzogen werden wollen, so ist es nur folgerichtig, daß alle mit dem Aufenthalt dieser Truppen auftauchenden Fragen durch neue. Vereinbarungen geregelt werden. Das ist eine sachliche Notwendigkeit und darum auch ein berechtigtes Anliegen.
In diesem Zusammenhang wirkt sich allerdings die von französischer Seite gesetzte kurze Frist, innerhalb derer die französischen Truppen dem gemeinsamen Oberbefehl entzogen werden sollen, nachteilig aus. Wenn bis zum 1. Juli dieses Jahres trotz unseres Bemühens noch keine neue Vereinbarung über die militärische Aufgabe und die rechtliche Stellung der französischen Truppen in Deutschland getroffen sein sollte, wird es notwendig sein, Ubergangsregelungen ins Auge zu fassen, die bis zum Zustandekommen einer diesbezüglichen Vereinbarung gelten würden. Wir hoffen, daß die französische Regierung dieser Auffassung zustimmt. Wir selbst streben baldige und zügige Verhandlungen an.
In meinen Gesprächen in London haben außerdem die europäische Frage und die Ost-West-Probleme eine Rolle gespielt. Unter der europäischen Frage verstehe ich nicht zuletzt das Verhältnis zwischen der EWG und Großbritannien sowie den anderen EFTA-Partnern. Mir scheint, daß, wenn wir uns schon bemühen, durch Ost-West-Gespräche das Verhältnis unserer Länder zu den osteuropäischen Staaten zu verbessern - was wir begrüßen und woran wir uns gern beteiligen -, es nur natürlich und um so notwendiger erscheint, als erstes die Beziehungen zwischen den Ländern des freien Europa enger zu gestalten. Wir begrüßen in Deutschland die jüngsten Erklärungen von Mitgliedern der britischen Regierung über das fortdauernde Interesse Großbritanniens an einem Beitritt zur Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft. Wir haben uns schon Anfang der sechziger Jahre mit Nachdruck für das Zustandekommen einer solchen Lösung eingesetzt und wir werden weiterhin alles nur Mögliche tun, um dieses Ziel zu erreichen. Wir sind uns bewußt, daß es hierzu noch großer Anstrengungen bedarf. Schwierige wirtschaftliche und technische Fragen müssen behandelt werden; vor allem aber bedarf es dazu eines eindeutigen politischen Willens aller Beteiligten.
Was ich von Großbritannien gesagt habe, gilt auch für die anderen Mitglieder der EFTA. Alle dieser Gemeinschaft zugehörenden Länder, die einen Beitritt zur EWG anstreben, sollten nach unserer Auffassung die volle Mitgliedschaft erwerben. Mit anderen interessierten Ländern sollte eine Assozitation hergestellt werden, die den jeweiligen besonderen Verhältnissen Rechnung trägt.
Wir alle wissen, daß die europäische Einigungspolitik nicht ohne Rückschläge geblieben ist. Sie war in den vergangenen eineinhalb Jahrzehnten zeitweilig schweren Belastungen und Krisen ausgesetzt. Aber immer wieder hat sich am Ende der Wille und die Sehnsucht ,der Völker des freien Teils Europas nach Verständigung und Zusammenarbeit durchgesetzt. Das gilt ganz besonders für das deutsch-französische Verhältnis und die Freundschaft zwischen diesen beiden Völkern. Das europäische Haus ist nicht nur in den Grundrissen sichtbar; es besteht Aussicht; den Bau zu vollenden, wenn wir entschlossen ans Werk gehen. Das sage ich mit besonderem Nachdruck gerade auch nach meinen Eindrücken aus den Verhandlungen mit der britischen Regierung und den Gesprächen mit allen politischen Parteien in Großbritannien, die in dieser Frage weitestgehend übereinstimmen.
({2})
Was darüber hinaus das Ost-West-Verhältnis betrifft, so bin ich mit dem britischen Premierminister darin einig, daß die Bemühungen um eine Verbesserung der Beziehungen fortgesetzt werden sollten. Unsere Friedensnote wird gerade von unseren britischen Freunden als ein wichtiger Beitrag in dieser Richtung angesehen. Obwohl die Antworten der osteuropäischen Staaten nicht ermutigend sind, wird die Bundesregierung das Gespräch dennoch fortsetzen. Die von uns unterbreiteten Vorschläge müssen weiter diskutiert werden.
Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang auch ein Wort über das sowjetische Projekt einer europäischen Sicherheitskonferenz sagen. Nach unserer Auffassung ist die Frage der europäischen Sicherheit untrennbar mit der Deutschlandfrage verknüpft. Eine Konferenz, auf der die europäische' Sicherheit unter Ausklammerung des Deutschlandproblems behandelt werden würde, wäre ein Widerspruch in sich selbst.
({3})
Sie ist somit ohne die Vereinigten Staaten von Amerika gar nicht denkbar. Auch insoweit stimmt Herr Wilson mit mir überein. Ebenso wie wir betrachtet die britische Regierung die Lösung der Deutschlandfrage auf der Grundlage des Selbstbestimmungsrechts des deutschen Volkes als eine unverzichtbare Forderung unserer gemeinsamen Politik.
In meinen Gesprächen mit dem britischen Premierminister ist auch eine Reihe anderer wichtiger Fragen erörtert worden, z. B. die gemeinsame nukleare Verantwortung im Rahmen des Bündnisses und der Devisenausgleich für die Kasten der britischen Truppen auf deutschem Boden. Ich möchte heute darüber aber keine näheren Ausführungen machen; denn es ist notwendig, diese Verhandlungen fortzuführen.
Lassen Sie mich aber, meine Damen und Herren, nochmals auf die Frage zurückkommen, die im Mittelpunkt unserer Sorgen, unserer Überlegungen und Bemühungen steht: die Überwindung der gegenwärtigen Krise im westlichen Bündnis.
1. Die NATO hat sich als Verteidigungsbündnis bewährt. Daß die Völker der europäischen Staaten ihre Freiheit gegen starke Bedrohung bewahren konnten, verdanken sie der Atlantischen Allianz, die Europa mit den Vereinigten Staaten von
Amerika und mit Kanada verbindet.
Die Sicherheit in Europa und im atlantischen Raum ist unteilbar. Auch Deutschlands und Frankreichs Sicherheit sind auf das engste miteinander verknüpft. Sie bedürfen der starken Allianz, um auch in Zukunft in Frieden zu leben und uns die Freiheit zu bewahren.
2. Das Verteidigungsbündnis darf nicht geschwächt werden. Seine Organisation muß den militärischen Erfordernissen der Gegenwart und Zukunft angepaßt werden. Eine Stärkung seines politischen Charakters ist unerläßlich.
3. Wir haben den Wunsch, daß französische Truppen auch nach dem 1. Juli 1966 in Deutschland
verbleiben. Mit dieser Zielsetzung wollen wir mit Frankreich und den übrigen NATO-Partnern über den Auftrag und den Status dieser Verbände verhandeln.
4. Wir streben Lösungen an, die dem Geiste der deutsch-französischen Freundschaft entsprechen und den gemeinsamen Sicherheitsinteressen Rechnung tragen. Der Bundesregierung und allen politischen Parteien und dem ganzen deutschen Volk ist daran gelegen, diese Freundschaft zu vertiefen, sie dauerhaft zu machen, um aus ihr heraus das große europäische Einigungswerk zu vollenden.
({4})
An der Krise in der Atlantischen Verteidigungsgemeinschaft, die wir tief bedauern, trägt die Bundesrepublik keine Schuld. Wir halten ihre Überwindung für unerläßlich. Wit wollen trotz der Schwere der aufgeworfenen Fragen zu Lösungen kommen, die aus der Krise herausführen und die europäische und atlantische Zusammenarbeit zu festigen geeignet sind. An unserer steten Bereitschaft soll es nicht fehlen.
({5})
Meine Damen und Herren, ich frage das Haus, ob in eine Aussprache zu dieser Erklärung des Herrn Bundeskanzlers gemäß § 48 Abs. 3 der Geschäftsordnung eingetreten werden soll. - 30 Abgeordnete zur Unterstützung sind vorhanden. Danke.
Ehe ich das Wort dem Herrn Abgeordneten Majonica gebe, begrüße ich hier im Hause den Herrn Außenhandelsminister der Sozialistischen Republik Rumänien, der uns mit seiner Begleitung die Ehre gibt, dieses Haus zu besuchen.
({0})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Majonica.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens der CDU/CSU-Fraktion danke ich dem Herrn Bundeskanzler und dem Herrn Bundesaußenminister für das Ergebnis der Verhandlungen in London.
({0})
Es ist ein Ergebnis, das ohne allen Zweifel zu einer Festigung der deutsch-britischen Freundschaft und der deutsch-britischen Zusammenarbeit geführt hat. Ich meine, daß es kaum eine andere Situation geben könnte, in der eine solche Zusammenarbeit und ein solches laufendes Aufeinander-Einstimmen notwendig ist, als die gegenwärtige. Ich begrüße es deshalb, daß diese Konsultationen demnächst in Bonn fortgesetzt werden.
Mit dem Herrn Bundeskanzler bin ich der Meinung, daß wir es vor allen Dingen zu begrüßen haben, daß in diesen Verhandlungen wiederum ein eindeutiges und klares Bekenntnis der britischen Regierung zum Selbstbestimmungsrecht für das deutsche Volk als der Grundlage für eine dauerhafte Lösung in Europa und ein Bekenntnis zur Verteidigung der Freiheit Berlins erreicht wurden.
Nun, Herr Bundeskanzler, Sie haben gesagt, daß Sie auf die Frage der Devisenhilfe für die britische Rheinarmee hier im einzelnen nicht eingehen möchten. Ich habe Verständnis dafür, daß es bei den Verhandlungen in London in dieser Frage noch nicht zu einem Ergebnis gekommen ist und daß Expertengespräche angekündigt wurden. Aber wir meinen, daß eine Lösung gefunden werden könnte, die einmal die Rheinarmee auf deutschem Boden hält und auf der anderen Seite der wirtschaftlichen und der haushaltsmäßigen Lage der Bundesrepublik Rechnung trägt.
In der Frage der Europapolitik ist eine erneute Bereitschaftserklärung der britischen Regierung erfolgt, der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft beizutreten, sicherlich unter den bekannten Vorbehalten. Aber wir hoffen, daß diese Vorbehalte einmal überwunden werden können und daß Großbritannien und die anderen beitrittswilligen Länder Europas der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft beitreten können. Der Herr Bundeskanzler hat wie schon so oft deutlich gemacht, daß die Bundesregierung und die Bundesrepublik diesen Beitritt Großbritanniens wünschen. Sie wünschen ihn aus vielerlei Gründen, aus wirtschaftlichen Gründen, aus politischen Gründen, aber auch um des Ziels der Wiedervereinigung willen; denn wir werden den immer noch vorhandenen Widerstand im Osten nur dann abbauen können, wenn es ein starkes Europa gibt. Ein starkes Europa ist notwendig, um ein wiedervereinigtes Deutschland aufzunehmen.
Im Vordergrund Ihrer Verhandlungen in London,
Herr Bundeskanzler, stand - wie sollte es anders sein! - das NATO-Problem. Wir stimmen mit Ihnen überein, daß in diesen Londoner Verhandlungen noch einmal deutlich gemacht wurde, daß wir, die britische und die deutsche Regierung, am integrierten Verteidigungssystem festhalten wollen, daß es verbessert werden soll, daß es gestrafft werden soll. Warum das eine zwingende Notwendigkeit ist, ist hier schon oft erörtert worden. Aber vor allen Dingen, Herr Bundeskanzler, wünsche ich mir, daß die Bundesregierung mit großer Energie und großer Intensität den Gedanken aufgreift, der NATO in höherem Maße als bisher politische Funktionen zu geben. Daran hat es in der Vergangenheit meines Erachtens sehr gefehlt. Die NATO hat sich zu wenig mit weltpolitischen Fragen, vor allen Dingen mit der Frage des West-Ost-Gegensatzes, beschäftigt und ist zu wenig ein Instrument gewesen, ihn zu überwinden. Sie wissen, meine Damen und Herren, daß gerade auch die Friedensnote, die die Bundesregierung vor einiger Zeit an eine Fülle von Staaten gerichtet hat, ein Versuch war, diesen Ost-West-Gegensatz zu überwinden. Angesichts der vorwiegend negativen Reaktionen aus dem Osten ist es sehr gut, daß die britische Regierung noch einmal ihre Bedeutung unterstrichen hat. Ihre große Bedeutung im Rahmen der Überwindung des Ost-West-Gegensatzes wird im Osten nur dann erkannt, wenn es eine permanente Unterstützung des Weges, den wir hier aufgezeichnet haben, durch unsere westlichen Verbündeten gibt.
Vor allem begrüße ich, daß die Begegnung in London nicht zu einer Frontstellung gegen irgendein europäisches Land - das habe ich auch gar nicht erwartet - geführt hat. Im Gegenteil, in London haben beide Regierungen ihrer Hoffnung Ausdruck gegeben, daß die NATO-Konferenz Anfang Juni zu Vereinbarungen führt, die es ermöglichen, daß Frankreich seinen Platz im Bündnis beibehält. Die grundsätzliche Entscheidung des französischen Staatspräsidenten, in diesem NATO-Bündnis zu bleiben, ist ja niemals in Frage gestellt worden, auch nicht über das Jahr 1969 hinaus.
Damit kommen wir zu dem Komplex der deutschfranzösischen Beziehungen gerade im Zusammenhang mit der NATO-Krise. Ich möchte nachdrücklich für meine Fraktion das unterstreichen, was der Bundeskanzler in dieser Frage gesagt hat: Wir von der CDU/CSU wünschen einhellig das Verbleiben französischer Truppen auf deutschem Boden im Sinne der gemeinsamen Verteidigung im Rahmen der atlantischen Allianz. Was diesen Wunsch betrifft, so sollte es nirgendwo und an keiner Stelle mehr irgendeinen Zweifel geben. Dieses Verbleiben französischer Truppen auf deutschem Boden scheint mir sowohl im deutschen als auch im französischen Interesse, ja im Interesse des gesamten Bündnisses zu liegen. Dabei gehen wir davon aus, daß Frankreich im Falle der Aggression mit allen Mitteln die Bundesrepublik verteidigen wird, so wie wir selbstverständlich die gleiche Bereitschaft in dieser Frage erklären.
Dazu ist es notwendig, daß unverzüglich mit Verhandlungen im Sinne der deutsch-französischen Freundschaft, im Sinne des deutsch-französischen Vertrages begonnen wird. Die Ausgangspositionen beider Seiten sind in den Noten geklärt worden. Jetzt muß es zu Verhandlungen kommen, und es scheint, daß das vordringlichste Ziel dieser Verhandlungen sein sollte, im beiderseitigen Einverständnis das Datum des 1. Juli 1966 vom Tisch zu bringen. Es ist meines Erachtens ein ungutes Datum, einmal wegen des allgemeinen Zeitdrucks, unter dem wir stehen, und zum anderen - lassen Sie mich das ganz offen aussprechen - wegen der Moskaureise des französischen Staatspräsidenten. Ein bis dahin nicht geklärtes deutsch-französisches Verhältnis schadet der Vertretung deutscher Interessen in Moskau, schwächt aber auch die Position des französischen Staatspräsidenten.
In der jüngsten französischen Note schlägt die französische Regierung zwei Verhandlungsgegenstände vor: einmal die Kampfaufgabe der französischen Truppen im Rahmen der Allianz. Das sind Verhandlungen, die die 14 Partner Frankreichs innerhalb der NATO angehen, uns aber besonders berühren, da es dabei um unsere Sicherheit geht. Zum anderen schlägt die französische Note Verhandlungen über den Status der französischen Truppen auf deutschem Boden vor. Damit erkennt meines Erachtens Frankreich an, daß die Herauslösung der französischen Truppen aus der Integration neue Tatbestände schafft, die geregelt werden müssen. Diese Tatbestände möchten wir so geregelt wissen, daß die französischen Truppen in Deutschland unter Wahrung der deutschen Gebietshoheit ein den anderen Truppen vergleichbares, benötigtes Recht erMajonica
halten. Im Sinne der deutsch-französischen Freundschaft sollten durch Kooperation Lösungsmöglichkeiten gefunden werden, die sowohl dem grundsätzlichen Standpunkt Frankreichs als auch den Erfordernissen des Bündnisses und unserer Sicherheit sowie der Tatsache Rechnung tragen, daß französische Truppen unter französischem Oberbefehl auf deutschem Boden stehen. Meine Damen und Herren, es scheint mir hohe Zeit zu sein, nun nach vorn zu diskutieren
({1})
und eine Situation zu schaffen, in der weder die westliche Abwehrbereitschaft noch unser besonderes deutsch-französisches Verhältnis Schaden leidet. Es ist hohe Zeit für Verhandlungen.
({2})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Erler.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im Auftrage der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion begrüße ich es, daß der Herr Bundeskanzler so schnell nach seiner Rückkehr aus London dem Bundestag die soeben gehörte Erklärung vorgetragen hat. Bei diesem Stil der schnellen Information des Parlaments über das Ergebnis wichtiger Reisen von Regierungsmitgliedern sollten wir auch in Zukunft bleiben.
({0})
Allerdings hat der Herr Bundeskanzler ja zuerst vor den Koalitionsfraktionen berichten müssen. Das ist ein Beweis für die nicht unerheblichen Meinungsverschiedenheiten innerhalb der CDU/CSU. Sonst hätte der Herr Bundeskanzler gleich hier vor das Haus treten können und auf diese Weise allen Fraktionen die gleiche Chance einräumen können, auf seine Erklärung zu antworten.
({1})
Ich gebe zu, daß sich diese Meinungsverschiedenheiten natürlich nicht etwa auf das Verhältnis zur deutschen Sozialdemokratie bezogen. Da sind Sie sich einig, das weiß ich. Sie bezogen sich erfreulicherweise auch nicht auf das deutsch-britische Verhältnis - das ist unumstritten -, sondern bei den Meinungsverschiedenheiten ging es in Ihren eigenen Reihen um die Art, wie die NATO-Krise behandelt wird, um das deutsch-französische Verhältnis und um die Art der Verhandlungen oder Auseinandersetzungen mit unseren französischen Freunden über die Rolle der französischen Truppen auf deutschem Boden.
({2})
- Ja, sicher, und gerade weil Sie eine lebendige demokratische Partei sind, sollte es guter Stil sein, daß das, was einige Ihrer Kollegen an der Regierungspolitik auszusetzen haben, von ihnen nicht nur in Zeitungsartikeln zum besten gegeben wird oder
in Fraktionszimmern, sondern im Bundeshaus hier an dieser Stelle.
({3})
Denn, meine Damen und Herren, diese Dinge bringen Sie sowieso in die Öffentlichkeit. Sind Ihre Helden müde? Wer etwas an der Regierungserklärung auszusetzen hat in den entscheidenden Punkten, um die es geht, die auch bisher umstritten waren, der soll das hier tun. Wer das hier nicht tut und nachher draußen durch die Lande zieht und dort seinen Widerspruch anmeldet, den kann man künftig in deutschen Landen nicht mehr ernst nehmen.
({4})
Meine Damen und Herren, wir sind befriedigt von den Mitteilungen über das deutsch-britische Verhältnis. Es hat eine erfreuliche Entwicklung genommen. Großbritannien hat sich auch unter der Labour-Regierung als ein zuverlässiger Verbündeter der Bundesrepublik Deutschland erwiesen.
({5})
- Nein, aber in Ihren Reihen wurde es in Wahlkämpfen gelegentlich bezweifelt, und deshalb ist es gut, daran zu erinnern.
({6})
Das gilt insbesondere für den Zusammenhalt des Bündnisses und vor allem, was mit Recht vorhin hervorgehoben worden ist, für die Unterstützung Großbritanniens in dem Ringen um die Durchsetzung des Selbstbestimmungsrechts für das deutsche Volk.
Natürlich ist ein schwieriger Punkt geblieben, nämlich der Ausgleich für die Belastung, die Großbritannien durch die Devisenausgaben für seine Truppen auf deutschem Boden erwächst. Wir haben dasselbe Problem auch mit unserem amerikanischen Verbündeten. Wir in Deutschland haben immer Verständnis gehabt für die Zahlungsbilanzprobleme unserer Freunde. Wir hoffen mit der Bundesregierung auf eine 'befriedigende Lösung dieses Problems. Es geht ja dabei um eine Angelegenheit der gemeinsamen Sicherheit, und wie wir Verständnis nicht nur im Wort, sondern auch in der Tat für die Zahlungsbilanzprobleme unserer Freunde bekundet haben, so müssen wohl auch wir Verständnis erwarten für die nunmehr eingetretenen deutschen Probleme unserer Zahlungsbilanz und unserer öffentlichen Haushalte.
Premierminister Wilson hat die Bereitwilligkeit Großbritanniens bestätigt, der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft beizutreten. So ist es in dem amtlichen Kommuniqué über die deutsch-britischen Gespräche zu lesen. Wir .sind wohl alle davon überzeugt, daß mit dieser Erklärung, die ja nicht allein geblieben ist - die anderen Erklärungen in ähnlicher Richtung folgten -, eigentlich die Zeit gekommen sein sollte, nun auch amtlich das Kapitel des Beitritts Großbritanniens und anderer beitrittswilliger europäischer Staaten zur Europäischen
Wirtschaftsgemeinschaft neu zu eröffnen. Man kann da anknüpfen an die Erklärungen, die z. B. auch der französische Staatssekretär de Broglie vor dem Rat der Westeuropäischen Union .abgegeben hat, und an jene anderen, die der stellvertretende britische Premierminister George Brown in Stockholm vor dem Forum der Sozialistischen Internationale abgab. Wir sind uns darüber einig - das wurde in jenen Erklärungen eigentlich auch betont -, daß die Grundlage eines Beitritts nichts anderes sein kann als der Vertrag von Rom. Hier liegen jetzt Absichtserklärungen vor. Natürlich müssen diesen Absichtserklärungen nun konkrete Verhandlungen folgen, und Gegenstand der Verhandlungen wird sicher 'eine ganze Reihe der Probleme sein müssen, die nach dem Abschluß der Verträge von Rom von den Partnern dieser Verträge unter sich geregelt worden sind; denn durch den Hinzutritt eines so wichtigen Partners wie Großbritanniens entstehen doch solche Gewichtsverschiebungen auch ökonomischer, finanzieller, politischer Art, daß man sie in die zu treffenden Neuregelungen mit einbauen muß.
Ich meine, Herr Bundeskanzler, es wäre Zeit, daß die deutsche Politik nunmehr einen Anstoß gibt, um alle Beteiligten beim Wort zu nehmen. Wir sollten klarmachen, daß ,die Erklärungen, die dort von Verantwortlichen ,abgegeben worden sind, von uns eben nicht als Lippendienst an der europäischen Sache betrachtet werden, sondern als die Erklärungen verantwortlicher Sprecher im Namen ihrer
Regierungen. Dann haben diese Erklärungen auch einen Anspruch darauf, von den Partnern entsprechend behandelt und gewertet zu werden. Ich meine also, man sollte alle Beteiligten beim Wort nehmen.
Aus den Ausführungen des Herrn Bundeskanzlers wurde klar, wie groß das Maß an Übereinstimmung mit Großbritannien über das gemeinsame Verhaften in der NATO-Krise ist. Es geht - so steht es auch im Kommuniqué - darum, das Verteidigungssystem wirksam zu erhalten und zu verbessern, und dabei heißt es ausdrücklich - das ist eine gemeinsame Sorge dieses Hauses -, daß Vereinbarungen ermöglicht werden müssen über den für Frankreich 'beizubehaltenden Platz im Bündnis. Das ist nicht leicht. Das wissen wir alle. Ein Bündnis gibt ja schließlich nicht nur Schutz und Rechte, sondern es bringt auch Pflichten mit sich. Wir Deutschen wissen das. Wir haben uns danach gerichtet und uns so verhalten. Aber das muß auf Gegenseitigkeit beruhen. Wer selbst die Pflichten im Bündnis erfüllt, der darf erwarten, daß Bündnis- und Vertragstreue auch von allen anderen Partnern aufgebracht wird.
Das letzte französische Aide-mémoire schließt erfreulicherweise keine Tür. Die französische Regierung weiß, daß wir Deutsche, Regierung und Opposition, die Anwesenheit französischer Truppen auf deutschem Boden als Teil der gemeinsamen Verteidigung wünschen, aber wir könnten losgelöst von dieser Verteidigung eigentlich keinen rechten Sinn darin erblicken. Das ist das wirkliche Problem.
Die Herauslösung der französischen Truppen aus in Friedenszeiten geschaffener Organisation für die Verteidigung gegen einen möglichen Angriff schafft Probleme. Das eine Problem betrifft die Rechtsgrundlage der Anwesenheit dieser Truppen. Dabei handelt es sich doch um den Ausdruck einer gemeinsam vereinbarten Politik und nicht um Ausübung eines einseitigen Rechtes, und zwar den Ausdruck einer gemeinsam vereinbarten Politik, die den Schutz unserer Freiheit und die gemeinsame Verantwortung für die Zukunft unseres Landes zum Gegenstand hat. Es kann sich nicht um einseitiges Besatzungsrecht handeln.
Das andere Problem betrifft die gesicherte Mitwirkung der französischen Truppen an der gemeinsamen, notwendigen, schon in Friedenszeiten geplanten Verteidigung und die tatsächliche Verwendung der französischen Truppen im Verteidigungsfall.
Zu den beiden von mir genannten Problemen hat die französische Regierung Verhandlungen angeboten; zum zweiten Problem hat sie sogar ausdrücklich den Einbau in die Vereinbarungen mit den anderen Bündnispartnern für unvermeidlich erklärt. Das ist richtig. Ich hoffe, daß die Verhandlungen erfolgreich verlaufen, dann wird es auch nicht notwendig werden, auf das französische Angebot einzugehen und über die Modalitäten eines eventuellen Abzugs zwischen dem 1. Juli 1966 und dem 30. Juni 1967 zu verhandeln.
Die britische Regierung - .das ergibt sich aus 'den Mitteilungen des Kanzlers und aus dem Londoner Kommuniqué - begrüßt die deutsche Friedensnote vom 24. März. Sie bekundet, daß sie darin einen Beitrag für eine Atmosphäre größeren Vertrauens zwischen den Völkern und den Beginn einer gerechten und dauerhaften politischen Lösung der Probleme sieht. Die Dinge haben sich in der Erörterung dieser Note in der Umwelt genauso entwickelt, wie wir Sozialdemokraten es seinerzeit in der Bundestagsdebatte über diese Note erwartet hatten. Deshalb sind wir nicht sehr enttäuscht. Wir hatten angenommen, daß für die Note mit einer positiven Aufnahme bei Freunden würde gerechnet werden können, daß es aber leider auch durchaus ein negatives Echo bei anderen, insbesondere den östlichen Staaten, geben würde. Wir hatten damals die Regierung aufgefordert - und wir wiederholen das auch heute -, daß sie sich auch durch ein solches Echo keinesfalls entmutigen lassen dürfe. Wir brauchen hier Geduld und Zähigkeit, um Schritt für Schritt den Friedenswillen der Deutschen allen anderen Völkern, insbesondere unseren osteuropäischen Nachbarn, überzeugend darzutun.
({7})
Die Note hat hierzu einen richtigen Beitrag geleistet.
Die sowjetische Antwortnote erwartet ausdrücklich eine Fortsetzung des Dialogs über die in der Note angeschnittenen Probleme und natürlich auch über die, welche die sowjetische Antwort enthält. Wir werden im Deutschlandgespräch bei dem Herrn Bundeskanzler zu prüfen haben, wie die Daten der
Landschaft für die Behandlung der deutschen Frage im Lichte der jüngeren Entwicklungen überhaupt beschaffen sind. Es ist wohl klar - und auch hierin pflichte ich dem Herrn Bundeskanzler bei -, daß der wichtige Faktor der Solidarität der Vereinigten Staaten von Amerika mit unserer und mit der europäischen Sicherheit und mit der Zukunft Deutschlands nicht ausgeschaltet werden darf. Daher müssen wir uns jedem Versuch widersetzen, die Vereinigten Staaten von Amerika aus diesen beiden Komplexen hinauszudrängen. Würde das nämlich gelingen, dann hätten wir es in Zukunft mit einem Übergewicht der sowjetischen Macht zu tun, das voll auf der europäischen Politik und damit auch auf der Zukunft ganz Deutschlands lasten würde. Wir werden daher jedem gegenüber, von wem auch ein solcher Versuch immer unternommen werden mag, klar bestehen müssen auf der Mitwirkung unseres amerikanischen Partners in den Fragen der Sicherheit und in den Fragen der deutschen Zukunft.
Herr Bundeskanzler, ich hoffe, daß dass in Ihrem Hause begonnene Deutschlandgespräch der Parteien bald fortgesetzt wird und daß es dann fortgesetzt werden kann auf der Grundlage dann hoffentlich vorliegender effektiver Vorarbeiten der Bundesregierung selbst.
({8})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Freiherr von KühlmannStumm.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Fraktion der FDP begrüßt die Erklärung der Bundesregierung. Die Gespräche des Herrn Bundeskanzlers mit der englischen Regierung haben die sich in den letzten Jahren anbahnende günstige Entwicklung der deutsch-britischen Beziehungen erneut unterstrichen. In einer ganzen Reihe von Fragen bestehen heute zwischen den beiden Regierungen wesentliche Übereinstimmungen, die eine optimistische Prognose für die künftige Zusammenarbeit zwischen unseren beiden Ländern rechtfertigen. Das gilt z. B. für die Auffassungen der britischen und der deutschen Regierung hinsichtlich der Zukunft Europas. Hier stellen wir Freien Demokraten mit Genugtuung eine wachsende Bereitschaft unserer englischen Verbündeten zum Zusammenschluß mit dem westlichen Kontinentaleuropa fest. Damit nähern wir uns dem von der FDP seit zehn Jahren angestrebten Ziel, auch Großbritannien und den anderen Ländern der EFTA den Eintritt in die europäischen Gemeinschaften möglich zu machen.
Das gilt aber auch und nicht zuletzt hinsichtlich der Zukunft der NATO. Die Bundestagsfraktion der FDP begrüßt in diesem Zusammenhang besonders die während der Londoner Besprechungen erkennbare Tendenz, die NATO nicht mehr allein als eine militärische Organisation zu betrachten, sondern der westlichen Verteidigungsorganisation künftig in wachsendem Maße die Aufgabe eines politischen Instruments zuzumessen, das einer Politik der Entspannung gegenüber Osteuropa zu dienen hat und das nach unserer Auffassung auch Ausgangspunkt eines späteren gesamteuropäischen Sicherheitssystems sein sollte.
({0})
Natürlich kann man trotz solcher positiver Momente in der Londoner NATO-Diskussion nicht über die leidige Tatsache hinwegsehen, daß eine Beendigung der Krise der Allianz noch keineswegs in Sicht ist. Besonderer und aktueller Ausdruck dieser Krise scheinen mir die verstärkten Forderungen nicht nur der britischen, sondern auch der amerikanischen Regierung nach verstärkten finanziellen Aufwendungen der Bundesrepublik für die in Deutschland stationierten Truppen zu sein. Ohne den noch bevorstehenden weiteren Verhandlungen mit London und Washington vorgreifen zu wollen, möchte ich doch in diesem Zusammenhang namens der FDP-Fraktion einige grundsätzliche Feststellungen treffen.
Die Truppen der Westmächte stehen nicht allein zum Schutz der Bundesrepublik auf deutschem Boden, sondern bekanntlich auch zur Verteidigung der Sicherheit ihrer eigenen Länder.
({1})
Daraus ergibt sich die Verpflichtung dieser Staaten, für ihre Truppenstationierungen in der Bundesrepublik ebenfalls finanzielle Aufwendungen in entsprechendem Umfang zu erbringen.
Die Bundesrepublik Deutschland hat in der Vergangenheit Milliardensummen aufgebracht, um die den Westmächten durch ihre Schutzfunktionen in Deutschland entstehenden Kosten wesentlich zu senken. Haushaltslage und Zahlungsbilanz unseres Staates verbieten weitere Erhöhungen dieser Ausgleichszahlungen.
({2})
Weder die amerikanischen noch die britischen Forderungen sind darum in vollem Maße erfüllbar. Die Bundesrepublik Deutschland ist bezüglich ihrer finanziellen auswärtigen Verpflichtungen an der Grenze des Möglichen angekommen. Neue finanzielle Zusagen im Rahmen der EWG oder des soeben abgeschlossenen Israel-Abkommens haben unsere Reserven nahezu erschöpft. Die Fraktion der FDP begrüßt daher die feste Haltung, die die Bundesregierung in der Frage der Devisenhilfe im Rahmen der Stationierungskosten für die britische Rheinarmee eingenommen hat.
Die Stärke der verbündeten Truppen auf deutschem Boden wird vornehmlich von den im Rahmen des Bündnisses gestellten Aufgaben bestimmt. Bei dieser Aufgabenstellung ist die Situation in Europa, der Grad der Spannung oder Entspannung, von besonderer Bedeutung. Die Frage der finanziellen Lasten für diese Truppen kann nicht über ihre Anwesenheit oder Abwesenheit. entscheiden, diese Frage ist vielmehr im Verhältnis der Verbündeten zueinander zu klären.
Diese Probleme, deren politische und militärische Konsequenzen nicht zu übersehen sind, haben ihre Ursache nicht zuletzt auch in den Desintegrationsab2034 Deutscher Bundestag - 5. Wahlperiode - 43. Sitzung. Bann, Mittwoch, den 25. Mai 1966
sichten Frankreichs. Die FDP hat an dieser Stelle wiederholt ihre Bedenken zur NATO-Politik Frankreichs geäußert. Jetzt aber ist nicht die Stunde, um anzuklagen, sondern um nach Auswegen aus einer Krise zu suchen, die in besonderem Maße das deutsch-französische Verhältnis belastet.
Die Antwortnote der französischen Regierung zum Aide-mémoire der Bundesregierung vom 3. Mai bietet erfreulicherweise Ansatzpunkte, um das für uns Deutsche besonders heikle Problem weiterer französischer Truppenstationierungen auf deutschem Boden einer vernünftigen Lösung zuzuführen. Wir halten die von der französischen Regierung vorgeschlagene bilaterale Erörterung einer Vereinbarung über die praktischen Bedingungen der Stationierung französischer Truppen für zweckmäßig, und wir begrüßen die Bereitschaft der französischen Regierung, zwischen dem interalliierten und dem französischen Oberkommando ein Abkommen über die weitere Zusammenarbeit zu erörtern, in dem die „von den französischen Truppen übernommenen Aufgaben sowie die Bedingungen hinsichtlich des Oberbefehls über diese Truppen für den Fall festgelegt würden, daß Artikel 5 des Vertrages von Washington zur Anwendung käme".
Es ersechint uns in der Tat unabdingbar zu sein, daß Frankreichs Truppen auf deutschem Boden im Konfliktsfall einen festumrissenen Auftrag im Rahmen des westlichen Verteidigungsbündnisses erhalten. Wir würden es auch aus politischen Gründen begrüßen, wenn die Verhandlungen eine Möglichkeit zum weiteren Verbleib französischer Truppen in der Bundesrepublik ergäben. Denn ohne Zweifel käme es zu einer erneuten ernsten Belastung der deutsch-französischen Beziehungen, wenn das Ergebnis der bilateralen Verhandlungen zwischen Paris und Bonn der Abzug der französischen Streitkräfte aus der Bundesrepublik sein würde. Nur eines sollte auch unseren französischen Freunden klar sein: ein Verbleib ihrer Streitkräfte im westlichen Deutschland um jeden Preis ist nach Lage der Dinge nicht möglich.
In dem Kommuniqué sind auch die Beziehungen zu den Ostblockstaaten angesprochen worden. Zusammen mit der französischen Note erreichte uns ein anderes diplomatisches Papier, das ebenfalls problematisch, wenn auch gleichermaßen nicht ohne Ansatzpunkte für weitere Verhandlungen ist. Ich meine die Antwortnote der Regierung der UdSSR auf die Friedensnote der Bundesregierung vom 25. März 1966. Mir scheint, daß diese jüngste sowjetische Deutschlandnote einer besonderen sorgfältigen Prüfung durch die Bundesregierung bedarf. Natürlich sind auch diesmal wieder Anschuldigungen gegen die Bundesrepublik Deutschland enthalten, die jeder Grundlage entbehren, und selbstverständlich werden wiederum Forderungen erhoben, die unakzeptabel sind; doch allein schon der vergleichsweise sachliche Ton der Note und die darin enthaltenen unverkennbaren teilweisen Übereinstimmungen mit Auffassungen auch unserer westlichen Verbündeten lassen es geraten erscheinen, dieses Schriftstück zu einem Anknüpfungspunkt für weitere deutsch-sowjetische Kontakte zu machen.
Besonders interessant scheint mir in diesem Zusammenhang der Teil der Note zu sein, der auf die „Möglichkeiten zur Aktivierung und Entwicklung auf gegenseitigem Vorteil beruhender friedlicher politischer, wirtschaftlicher, technisch-wissenschaftlicher, kultureller und anderer Verbindungen zwischen allen europäischen Staaten" hinweist. Auch stimmen wir weitgehend mit der Ansicht der sowjetischen Regierung überein, daß eine Beseitigung des Kalten Krieges und seiner Nachwehen ein sicherer Weg zur Schaffung einer Atmosphäre wäre, „in der sich die spruchreifen Probleme, die die europäischen Völker bewegen, darunter auch das deutsche Volk, leichter lösen lassen werden". Wir wollen hoffen, daß die Sowjetunion und andere kommunistische Staaten aus dieser Erkenntnis auch Konsequenzen hinsichtlich ihres Verhaltens gegenüber der Bundesrepublik und der deutschen Frage ziehen werden. Schon im Juli, bei den neuen deutschsowjetischen Wirtschaftsverhandlungen, wird es sich herausstellen, ob und inwieweit die Regierung der UdSSR tatsächlich an besseren Beziehungen zur Bundesrepublik interessiert ist.
Im übrigen begrüßen wir die Bestrebungen der Bundesregierung, die Beziehungen zu den anderen Ostblockstaaten weiterhin auszubauen und zu intensivieren.
Diese bewegenden außenpolitischen Ereignisse machen auch ein Überdenken der gesamtdeutschen Situation notwendig. Wir würden es begrüßen, wenn die Gespräche der Parteien mit dem Bundeskanzler über die Deutschlandpolitik recht bald fortgesetzt werden könnten. Dabei sollten alle mit der deutschen Frage zusammenhängenden Probleme gründlich beraten werden. Bei diesen Beratungen wird der notwendigerweise wiederherzustellende Zusammenhang zwischen den Fragen der Abrüstung, der europäischen Sicherheit und der deutschen Wiedervereinigung eine besondere Rolle spielen müssen. Eine enge Zusammenarbeit zwischen allen Parteien dieses Hohen Hauses ist heute, in einer politisch stürmischen Zeit, mehr denn je geboten. Denn nur gemeinsam werden die demokratischen Kräfte der Bundesrepublik Deutschland die außerordentlich schwierigen Probleme meistern, vor die sich die deutsche Politik in einer sich immer mehr verändernden Welt gestellt sieht.
({3})
Keine weiteren Wortmeldungen in der Aussprache über die Erklärung des Herrn Bundeskanzlers.
Wir kehren zur Tagesordnung zurück und fahren mit der
Zweiten Beratung des Entwurfs eines Haushaltsgesetzes 1966
fort.
Meine Damen und Herren, zunächst liegt mir hier ein Vorschlag vor, heute abend nur noch die Einzelpläne 15, 28, 32 und 60 aufzurufen. Das ist nicht möglich. Wir müssen heute abend bis 21 Uhr tagen. Wir sind mit den großen Einzelplänen 06 und 36, das ist der Geschäftsbereich des Bundesministers des
Präsident D. Dr. Gerstenmaier
Innern, Einzelplan 14, Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung, Einzelplan 23, Geschäftsbereich des Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit, und Einzelplan 27, Geschäftsbereich des Bundesministers für gesamtdeutsche Fragen, noch immer im Rückstand, und sie müssen nachgeholt werden.
Zunächst, meine Damen und Herren, müssen wir noch über den
Einzelplan 12 - Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr -
abstimmen, nachdem die Aussprache abgeschlossen ist.
Wir haben zunächst über den Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 51 *) abzustimmen. Wer ihm zuzustimmen wünscht, gebe bitte ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist abgelehnt.
Abstimmung über den Einzelplan 12 - Bundesminister für Verkehr - in zweiter Lesung. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei zahlreichen Gegenstimmen ist der Einzelplan 12 angenommen.
Jetzt erhebt sich folgende Frage: Wir können offensichtlich heute den Einzelplan 06, der mit dem Einzelplan 36 verbunden ist, nicht mehr aufrufen. Es ist die Frage, ob der Einzelplan 14 - Verteidigung - aufgerufen werden kann.
({0})
- Ich habe mir sagen lassen, daß es über den Einzelplan 15 keine lange Diskussion geben wird. Also bitte, meine Herren Fraktionsgeschäftsführer, zerbrechen Sie sich die Köpfe: es muß heute abend noch mehr als die Einzelpläne 15, 28 und 32 erledigt werden.
Ich rufe zunächst auf:
Einzelplan 15
Geschäftsbereich des Bundesministers für Gesundheitswesen
- Drucksache V/584 -
Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Tamblé
Ich frage den Herrn Berichterstatter, ob er das Wort wünscht. - Der Herr Berichterstatter verzichtet.
Ich eröffne die Aussprache in zweiter Lesung. Es liegt ein Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 52 *) vor. Das Wort zur Begründung hat Frau Abgeordnete Dr. Hubert.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich werde zunächst einige allgemeine Ausführungen machen und dann den Änderungsantrag der Fraktion der SPD begründen.
Der Bundeskanzler hat in seiner Regierungserklärung vom 10. November vergangenen Jahres die
*) Siehe Anlage 2
*) Siehe Anlage 3
Bedeutung der Gesundheitspolitik für die moderne Industriegesellschaft besonders hervorgehoben. Er hat von einem Gemeinschaftswerk gesprochen, für das einige Aufgaben der Gesundheitspolitik besonders geeignet seien, so die Modernisierung der Krankenhäuser, die Vor- und Ausbildung der Heilund Heilhilfsberufe und die gesundheitliche Aufklärung der Bevölkerung. Damit hat er einige dringende Probleme der Gesundheitspolitik berührt. Nur ist es bei diesen Bemerkungen geblieben. Von einer Aktivierung der Gesundheitspolitik, die zur Lösung einiger dieser Probleme führen könnte, ist nichts zu spüren gewesen.
Ich will darauf verzichten, im einzelnen Kritik an der Politik der Gesundheitsministerin oder ihren gesundheitspolitischen Vorstellungen. zu üben. Ich müßte sonst alles das wiederholen, was ich vor einem Jahr hier in diesem Hohen Hause ausgeführt habe, denn es hat sich nichts geändert. Ich möchte nur auf zwei Beispiele hinweisen.
Der neueste Entwurf für eine neue ärztliche Prüfungsordnung ist ebenso unzulänglich wie der vorherige. Die ärztliche Ausbildung an die Erfordernisse unserer Zeit anzupassen, ist aber nicht nur die Grundlage, sondern geradezu die Voraussetzung für jede erfolgreiche Gesundheitspolitik in der Zukunft.
Zweitens: Der Weg, den die Ministerin zu gehen versucht hat, um der unbezweifelbaren finanziellen Notlage der Krankenhäuser abzuhelfen, ist unserer Meinung nach nicht gangbar. Wir befinden uns hierin wahrscheinlich in Übereinstimmung mit einem erheblichen Teil der Fraktion der CDU/CSU.
Wir werden also auch in diesem Jahr den Einzelplan 15 ablehnen. Wir bedauern das, denn wir haben seinerzeit die Schaffung dieses Ministeriums begrüßt. Angesichts einer technischen Entwicklung, die bei allen Fortschritten den Menschen doch immer wieder mit neuen Gefahren für seine Gesundheit bedroht, die andererseits aber auch für die Wiederherstellung der Gesundheit ungeahnte Möglichkeiten eröffnet, die allen Menschen zugute kommen müssen, meinen wir, daß in einem modernen Industriestaat ein solches Ministerium erforderlich ist. Von ihm sollten nicht nur Initiativen und Impulse ausgehen, sondern es sollte auch der Koordinierung dienen, und zwar der Koordinierung nicht nur zwischen Bund und Ländern, sondern auch innerhalb der Bundesregierung selbst. Welch große gesundheitspolitische Aufgaben sind allein vom Bund zu erfüllen, schon im Rahmen der sozialen Krankenversicherung!
Ferner erinnere ich an die so wichtige Rehabilitation nicht nur nach Unfällen, sondern auch nach längeren Erkrankungen, bei der wir in der Bundesrepublik den Vorsprung der angelsächsischen und der skandinavischen Länder noch keineswegs aufgeholt haben. Es ist zwar erfreulich, daß der Titel für Rehabilitationsmaßnahmen von 1,5 auf 4 Millionen DM erhöht worden ist. Wenn man sich aber klarmacht, daß die Summe, die eigentlich erforderlich wäre, bei etwa 50 Millionen DM liegt, wenn wir alles das tun wollten, was in anderen Ländern hierfür schon geschieht, dann wird die Freude etwas gedämpfter. Nun, aber gut, es ist ein kleiner Ansatz.
Wie sehr könnte z. B. der Schutz -am Arbeitsplatz verbessert werden, wenn wir durch ein Werksärztegesetz dafür Sorge trügen, daß durch unabhängige Werksärzte auch kleinere Betriebe gesundheitlich überwacht würden.
Doch nun zu Einzelplan 15 selbst. Hier ist es zu begrüßen, daß Mittel für Einrichtungen zur Reinhaltung der Luft eingesetzt worden sind, d. h. zur technischen Entwicklung. Das will ich durchaus als positiv anerkennen. Aber gerade bei der Vergabe der Forschungsaufgaben vermißt man doch auch wieder jede wirkliche Zielsetzung.
Ich möchte abschließend den Antrag meiner Fraktion auf Umdruck 52 begründen. Eine Gesundheitspolitik, die sich zum Ziel setzt, dem Menschen zu helfen, in der technischen Umwelt zu leben, ohne Schaden an seiner Gesundheit zu nehmen, bedarf einer sehr gründlichen Kenntnis ,der Volks- und Zivilisationskrankheiten und ihrer Zusammenhänge mit der Zivilisation, besonders mit der industriellen Umwelt. Als die Infektionskrankheiten seinerzeit im Vordergrund standen und man deren Zusammenhang mit Bakterien und Viren erkannt hatte, gründete man das Robert-Koch-Institut für Infektionskrankheiten. Für das Gebiet der Zivilisationskrankheiten gibt es nichts Gleichartiges in ,der Bundesrepublik. Natürlich wird auch an unseren Hochschulen in dieser Richtung geforscht. Aber das war auf den Gebieten der Bakteriologie und Virologie auch immer der Fall.
Aber die speziellen Forschungsaufgaben, die als Grundlage der Gesetzgebung dienen können, können nicht nur an den Universitäten durchgeführt werden. Einmal ist ja die Forschung an den Universitäten von dem Forschungsgebiet des jeweiligen Wissenschaftlers abhängig. Zum anderen müssen aber auch Forschungsaufträge erteilt werden können. Solche durchzuführen ist die gesetzliche Aufgabe des Bundesgesundheitsamtes. Es muß auch über längere Perioden Programmarbeit geleistet werden. Die Aufgaben eines solchen Instituts würden sein: Beobachtung der Volks- und Zivilisationskrankheiten, ihres Verlaufs, der Änderung ihrer Häufigkeit, ihrer Unterschiede in den verschiedenen Teilen ,der Bundesrepublik, aber auch der Vergleich mit dem Ausland; ferner die Erforschung ursächlicher Zusammenhänge und der Möglichkeiten der Bekämpfung, vor allen Dingen aber auch die Zusammenhänge zwischen Krankheiten und heutigen Lebens- und Umweltsverhältnissen sowie demographischen Gegebenheiten.
Ein solches Institut müßte natürlich auch die Möglichkeit zu klinischer und vorklinischer Beobachtung haben. Ich könnte mir ferner vorstellen, daß eine Reihe praktizierender Ärzte bereit wäre, die Unterlagen ihres Krankengutes zur wissenschaftlichen Auswertung zur Verfügung zu stellen; denn die heutigen Krankheiten kommen im Anfangsstadium zunächst zum praktischen Arzt. Die frei praktizierenden Ärzte aber haben nicht die Möglichkeit zu wissenschaftlicher Auswertung. Zum anderen übersehen sie auch nur ihre eigenen Kranken, es fehlen ihnen Vergleiche, so daß es unter Umständen zu Fehlschlüssen kommen könnte.
Zur Vorbereitung eines solchen Instituts sind zunächst einige Reisen von Wissenschaftlern in andere europäische Staaten und auch in die Vereinigten Staaten notwendig. Es liegt nur noch ein halbes Jahr dieses Bundeshaushalts vor uns. Daher der sehr bescheidene Ansatz, bei dem wir eine Änderung der Erläuterungen zu Kap. 15 02 Tit. 620 vorschlagen. Wir schlagen nämlich vor, daß der Ansatz in Nr. 1 um 50 000 DM gekürzt und daß folgende Nr. 5 angefügt wird:
5. Errichtung eines Instituts ({0}) für die Erforschung von Volks- und Zivilisationskrankheiten 50 000 DM
Viel mehr wird man für Vorarbeiten bis zum Ende dieses Haushaltsjahres nicht ausgeben können.
Meine Damen und Herren, das Robert-Koch-Institut hat einmal Weltruf gehabt. Ich meine, wir sollten ihm jetzt ein Institut an die Seite setzen, das den Erfordernissen unserer Zeit gerecht wird. Ich bitte Sie daher um die Annahme unseres Antrages.
({1})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Götz.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist in erster Linie meine Aufgabe, zu dem Änderungsantrag der SPD-Fraktion Stellung zu nehmen. Lassen Sie mich aber ganz kurz eine allgemeine Bemerkung vorausschikken und dabei Bezug nehmen auf die Kritik, sehr verehrte Frau Kollegin, die Sie an der Gesundheitspolitik der Bundesregierung und an der Arbeit des Bundesministeriums für das Gesundheitswesen geübt haben.
Sie haben die Auffassung vertreten, daß sich seit einem Jahr, seit der Regierungserklärung, in diesem Hause nichts getan habe. Ich glaube, daß diese Behauptung nicht bewiesen und begründet werden kann. Ich habe auch in Ihren eigenen Ausführungen einen Widerspruch gefunden; denn Sie selbst haben - um nur ein Beispiel zu nennen - hinsichtlich der Entwicklung der für die Rehabilitation vorgesehenen Ausgaben zugegeben, daß hier insofern ein Fortschritt zu verzeichnen ist, als die Mittel von 1,5 auf 4 Millionen DM gestiegen sind. Wenn man sich den Haushalt 1966 des Bundesministeriums für Gesundheitswesen ansieht und ihn mit den Haushalten der Vorjahre vergleicht, kann man in der Tat Fortschritte feststellen. Dabei habe ich noch nichts über die Fortschritte gesagt, die in diesem Hause z. B. hinsichtlich der Vorbereitung bestimmter Gesetzentwürfe oder der Vorbereitung bestimmter, sehr wichtiger Verordnungen auf dem Gebiete des Gesundheitswesens zu verzeichnen sind.
Einige Punkte Ihrer Kritik könnten sich, wenn sie überhaupt berechtigt wären, auch nicht allein gegen dieses Haus richten. Sie sprachen von der Krankenversicherung, verehrte Frau Kollegin, Sie sprachen von der Rehabilitation, Sie sprachen vom Schutz am Arbeitsplatz. Das sind Probleme und Fragen, die nicht allein in die Kompetenz dieses Hauses fallen,
sondern die auch zur Kompetenz des Arbeitsministeriums gehören. Ich füge aber hinzu: auch dort wäre Kritik in diesen Punkten unbegründet.
Aber nun zu Ihrem Antrag. Zunächst, sehr verehrte Frau Kollegin, stimmen wir mit Ihnen in der Sache, nämlich der Förderung der Forschung auf dem Gebiete der Volks- und Zivilisationskrankheiten und ihrer Bekämpfung sowie der Aufklärung über Gesundheitspflege, völlig überein. In diesem Punkte gibt es zwischen Ihnen und uns keinen Dissens.
Die Frage ist aber nun die: ist Ihr Antrag, der die Errichtung eines weiteren Instituts vorsieht, dazu auch wirklich notwendig? Zunächst einmal darf ich feststellen, daß Ihr Antrag eigentlich gar nicht in die Landschaft des Haushalts paßt. Ich glaube, darin wird mir der Berichterstatter für das Bundesgesundheitsministerium, Kollege Dr. Tamblé, recht geben. Meine Damen und Herren von der SPD-Fraktion, wenn Sie hier Mittel für die Errichtung eines Instituts beim Bundesgesundheitsamt vorsehen wollen, dann müssen diese Mittel - 50 000 DM - nicht beim Kap. 15 02, sondern beim Bundesgesundheitsamt, also beim Kap. 15 03, etatisiert werden. Sollten Sie nur die Absicht haben zu erreichen, daß das Bundesgesundheitsamt Forschungsaufträge vergibt, dann wäre das gleiche notwendig, nämlich die Mittel nicht bei Kap. 15 02, sondern bei Kap. 15 03 zu etatisieren.
Aber, verehrte Frau Kollegin, dies ist ein Formfehler, den man bereinigen könnte. Die Frage ist die: brauchen wir dieses Institut? Wenn man berücksichtigt, daß im Tit. 620 des Einzelplans 15 für dieses Jahr 2 Millionen DM für Forschungsvorhaben vorgesehen sind und der Haushaltsausschuß sich veranlaßt sah, den ursprünglichen Ansatz um 200 000 DM zu kürzen, so steht damit heute schon fest, daß das Ministerium voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, alle für dieses Jahr vorgesehenen Forschungsaufträge nun auch wirklich abzuwickeln. Daher bin ich zunächst der Meinung, daß eine weitere Kürzung dieses Titels auch um nur 50 000 DM einfach nicht vertretbar ist, wenn man die Durchführung bereits vergebener Forschungsaufträge nicht gefährden will.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Bitte sehr!
Herr Kollege, ist Ihnen nicht klar, daß wir die 50 000 DM in der Erläuterung bei den neuen Forschungsaufträgen gekürzt haben, nicht bei den schon vergebenen, schon laufenden Forschungsaufträgen, und daß die Vorarbeiten für ein Forschungsinstitut durchaus zunächst unter diesem Titel geleistet werden können?
Frau Kollegin, lassen Sie mich kurz darauf antworten. Um die bereits laufenden Forschungsaufträge abwickeln zu können, brauchte man allein einen Betrag von 1 995 000 DM in diesem Jahr. Das Ministerium ist nicht in der
Lage, neue Forschungsaufträge in dem geplanten Umfang zu vergeben. Aber Sie würden durch eine weitere Kürzung - ich wiederhole dies - um nur 50 000 DM auch die bereits laufenden Forschungsaufträge gefährden oder ihre Abwicklung zeitlich verzögern, und das können Sie bestimmt nicht wollen.
Ich will noch einmal auf die Frage eingehen, ob es wirklich notwendig ist, ein weiteres Institut zu schaffen. Ich darf darauf verweisen, daß wir ja auch einen anderen Titel haben, aus dem Forschungsaufträge an Vereine, an Institute, an Institutionen vergeben werden, und zwar in einem recht erheblichen Umfange, und daß diesen Institutionen die gleichen Aufgaben gestellt sind, die mit diesem Antrag einem neuen Institut beim Bundesgesundheitsamt übertragen werden sollen.
Wir haben im Haushaltsausschuß den Wunsch geäußert - und das Ministerium hat dem zugestimmt -, eine Konzentration der Mittel, auch eine Konzentration der Vergabe von Forschungsaufträgen an Institutionen vorzunehmen, um zu vermeiden, daß auf demselben Gebiet Doppelarbeit oder gar dreifache Arbeit geleistet wird.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Bitte sehr, Frau Kollegin!
Herr Kollege, sind Sie nicht der Meinung, daß eben hier auch von seiten der Bundesregierung über mehrere Jahre hinaus konzentrierte Forschungsaufträge erteilt werden müssen? Können Sie das bei den einzelnen Vergaben tun, die Sie hier vorgesehen haben?
Verehrte Frau Kollegin, ich bin der Meinung, wenn man im Grundsatz für eine Konzentration ist, dann sollte man versuchen, die Konzentration bei den Institutionen und Instituten vorzunehmen, die zur Zeit vorhanden sind. Man wird die Verwirklichung dieses Grundsatzes erschweren, wenn man vorweg noch ein weiteres Institut schafft.
Ich darf in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, daß wir ein Institut haben - die Deutsche Zentrale für Volksgesundheitspflege -, das mit einer Reihe von Forschungsaufträgen bedacht wurde, bei denen es gerade um die Probleme, geht, die Sie hier angeschnitten haben.
Sie sagten, verehrte Frau Kollegin, 50 000 DM seien nicht viel. Gewiß. Ich frage mich auch auf Grund unserer Erfahrungen mit anderen Institutionen, was damit eigentlich gemacht werden soll. Aber die Folge - und das ist das, was ich mir als Mitglied des Haushaltsausschusses überlege - ist, daß wir im kommenden Jahr wahrscheinlich die Anforderungen von 100 000 DM erwarten müssen. Im übernächsten Jahr werden es 150 000 DM sein, und so wird es weitergehen. Auch hier wieder die Frage: ist dies notwendig? In der Sache besteht Über2038
einstimmung. Aber ich glaube nicht, daß es erforderlich ist, dafür ein weiteres Institut zu schaffen.
Im übrigen sind wir nicht dafür - hierin unterscheiden wir uns von Ihnen vielleicht sehr -, Forschungsarbeit zu institutionalisieren, sondern dafür, die notwendigen Forschungsarbeiten weitgehend der freien Forschung zu überlassen.
Ich empfehle Ihnen, den Antrag der SPD auf Umdruck 52 abzulehnen.
({0})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Martin.
Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Der sehr pauschale Vorwurf, den. Sie, Frau Kollegin, im vorigen und vorvorigen Jahr hier mit denselben Worten vorgetragen haben, hat mich provoziert, einige Bemerkungen zu diesem Thema zu machen. Dieser pauschale Vorwurf erweist sich als völlig unzutreffend, wenn man einmal die Beurteilung anderer heranzieht, die nicht lediglich an Opposition interessiert sind.
Frau Kollegin, Ihnen ist ja wohl nicht entgangen, daß sich der amerikanische Präsident von seinem Innenminister Udall einen Sonderbericht über den Besuch von Frau Ministerin Schwarzhaupt in den Vereinigten Staaten hat anfertigen lassen. In diesem Bericht - würden Sie ihn gütigerweise einmal lesen - steht:
Wie verfolgen gegenwärtig mit großer Anteilnahme die Pionierarbeit, die man in Deutschland leistet.
({0})
Dann kommen Ausführungen betreffend Lärm und Luftverschmutzung. Dazu heißt es in dem amerikanischen Bericht: „Maßnahmen, die zu den wirksamsten der Welt gehören."
Meine Damen, meine Herren, wenn das der Fall ist, kann auch ein Abgeordneter der Opposition ruhig einmal die Arbeit eines Ministeriums anerkennen.
({1})
Mir liegt jetzt aber daran, einmal zu sagen, wo die Schwerpunkte dieser Arbeit liegen, damit es einige Maßstäbe für die Beurteilung gibt.
Frau Kollegin, Sie haben richtig gesagt: Es geht um die Umweltschäden. Aber Sie haben eigentlich nicht gesagt, was Volkskrankheiten und Zivilisationsschäden sind. Diese pauschalen Bemerkungen, die von der Karies bis zum Kreislaufschaden reichen, besagen wenig.
({2})
- Dann müssen Sie sich präziser ausdrücken; denn nur so kommt man zu politischen Entscheidungen.
Die Umweltschäden stellen sich uns heute sehr konkret in den Problemen des Lärms, der Verschmutzung des Wassers und der Luft dar. Auf diesem Gebiet, meine Damen und Herren, sind Maßnahmen eingeleitet worden. Ein Urteil von ausländischer Seite darüber habe ich eben vorgelegt.
Wir wissen, daß bei der Lösung des Problems der Zivilisationsschäden die Gesundheitserziehung im Vordergrund stehen muß. Viele Krankheiten, die es heute gibt, sind selbstgemachte Pein, die wir uns selber zufügen; denn viele Menschen verstehen es noch nicht, mit den Möglichkeiten, die man in einer modernen Industriegesellschaft hat, vernünftig, rational und förderlich umzugehen. Das ist der Grund, weswegen das Ministerium die Gesundheitserziehung mit vollem Recht zu einem Schwerpunkt seiner Arbeit macht.
Sie wissen, daß das Gesundheitsmuseum in eine Bundesanstalt für Gesundheitserziehung umgewandelt wird, und wir werden viele Sorgen nicht mehr haben, wenn es uns gelingt, die Menschen zu einem richtigen Verhalten gegenüber den Schäden, die in der Umwelt liegen, zu bringen.
Sie haben, teils anerkennend, angedeutet, daß die Modelleinrichtungen zu begrüßen sind. Ich möchte hier der Frau Ministerin ausdrückliche Anerkennung aussprechen.
({3})
Denn diese Modelleinrichtungen richten sich gegen spezifische Schäden unserer Zeit, die nur wenige Menschen - die aber tief leiden - betreffen und von der Öffentlichkeit sehr rasch vergessen werden. Ich nenne einige davon: Modelleinrichtungen für Neurosekranke - das ist schon gelaufen -, die Bekämpfung des Alkoholismus bei Jugendlichen - ein immer dringender werdendes Problem - und die Modelleinrichtungen für spastisch gelähmte Kinder. Ferner wird es eine Modelleinrichtung für anfallskranke Kinder geben, die in unserer Gesellschaft nachgerade vergessen worden sind. Man weiß, daß sehr viele anfallskranke Kinder vorhanden sind, bei denen es darauf ankommt, sie rechtzeitig in die richtige ärztliche Behandlung und in die Rehabilitation hineinzubringen. Wir werden das im nächsten Jahr haben und dann Tausenden von Jugendlichen dazu verhelfen, ein würdiges und sinnvolles Leben führen zu können.
Wir stehen überhaupt vor dem Problem, daß viele Einsichten auf dem Gebiet der Medizin schwer in praktische Arbeit am Menschen umzuwandeln sind. Das trifft für das ganze weite Gebiet der Jugendpsychiatrie zu. In Deutschland gibt es einen einzigen Lehrstuhl für Jugendpsychiatrie. Wir wissen, daß es 50 000 Jugendliche in unseren Heimen gibt und man einer großen Zahl von ihnen mit einer modernen Methodik und Systematik helfen kann.
Es stehen noch aus die Kinder aus dem Bereich der myopathischen Krankheiten, ein Problem, das wir unmittelbar in Angriff nehmen müssen.
Zu den Modelleinrichtungen gehört eine Klinik für Geriatrie, gehört der Versuch, die Einsichten der inneren Medizin fruchtbar zu machen, und das Leben der alten Menschen wieder würdiger zu machen.
Ich glaube, wenn man so vorgeht und konkrete Aufgaben in Angriff nimmt, hat man mehr getan,
als wenn man nur allgemein von Zivilisations- und
Volkskrankheiten spricht, die ja im übrigen bei den
Universitäten und Instituten durchaus in Arbeit sind.
Frau Kollegin, Sie haben die Frage der Krankenhäuser aufgeworfen. Eins werden Sie zugeben müssen: Frau Ministerin Schwarzhaupt hat diese Frage mit Energie angepackt. Der Bundestag hat interveniert und den weiteren Ablauf zunächst gebremst. Frau Schwarzhaupt ist es gelungen, diese Sache zu einer Angelegenheit zu machen, mit der sich jetzt Bund und Länder und alle Beteiligten befassen. Ich hoffe, daß Sie uns dabei helfen, eine Lösung zu finden.
({4})
Die Prüfungsordnung für Ärzte! Wie man weiß, ist unsere Welt eine der kompliziertesten. Sie wissen, daß der Wissenschaftsrat sich gerade in diesen Tagen dazu grundlegend geäußert hat. Es ist doch selbstverständlich, daß wir das erst einmal abwarten, und ich sage Ihnen: eine gute Prüfungsordnung ist besser als eine rasche Prüfungsordnung.
({5})
Sie können sich darauf verlassen, daß das bei uns in Arbeit ist.
Der Sinn meiner Ausführungen war, nur zwei, drei Argumente zusammenzutragen, die uns dazu berechtigen, der Frau Ministerin Schwarzhaupt und ihrem Hause für ihre Arbeit zu danken und sie zum Fortschreiten in dieser Arbeit zu ermutigen.
({6})
Keine weiteren Wortmeldungen. Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Änderungsantrag dier Fraktion der SPD Umdruck 52 *) zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das zweite war die Mehrheit, der Änderungsantrag ist abgelehnt.
Wir stimmen ab über den Einzelplan 15 - Geschäftsbereich des Bundesministers für Gesundheitswesen -. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Gegen zahlreiche Nein-Stimmen ist dieser Einzelplan 15 angenommen.
Meine Damen und Herren, wir haben uns inzwischen darauf geeinigt, was wir heute abend noch erledigen wollen. Erstens muß his 9 Uhr gearbeitet werden. Zweitens werden wir jetzt den Einzelplan 23 und anschließend die Einzelpläne 28 und 32 behandeln.
Ich rufe also auf Einzelplan 23
Geschäftsbereich des Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit
- Drucksache V/587 -Berichterstatter: Abgeordneter Gewandt
Ich frage den Herrn Berichterstatter, ob er dazu das Wort wünscht. - Der Herr Berichterstatter ver*) Siehe Anlage 3
zichtet. Wird sonst das Wort gewünscht? - Herr
Abgeordneter Gewandt, nicht als Berichterstatter?
({0}) *)
- Also jetzt als Abgeordneter. Bitte, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte mir erlauben, den Schriftlichen Bericht zu Protokoll zu geben, und mir zu der Frage der Entwicklungshilfe einige allgemeine Bemerkungen gestatten.
Wir haben in der Vergangenheit erlebt, daß die deutsche Entwicklungspolitik in der Öffentlichkeit kritisiert worden ist, der Umfang, die Art und Weise, die von uns angewandte Methode. Aber wir haben jetzt erstmalig feststellen können, daß in der seriösen Presse der Bundestag und insbesondere der Haushaltsausschuß gerügt worden sind, nicht weil sie des Guten zu viel tun, sondern weil nach Auffassung der Herren, die diese Artikel geschrieben haben, wir unter dem Leistungssoll geblieben sind. Ich begrüße im Prinzip diese Kritik. Aber ich glaube, wir müssen auch hei der Bemessung der Zahlen für die Entwicklungshilfe die Maßstäbe anwenden, die wir allgemein bei der Verabschiedung des Haushalts angewandt haben. Das heißt, wir müssen im Interesse des Ausgleichs gewisse Einsparungen vornehmen.
Nach konzentrierter und sachverständig gewordener Durchdenkung der Zukunft der Entwicklungshilfe liegen uns nun eine Reihe neuer Vorschläge vor, die alle klar darauf hinauslaufen, daß heute jede Entwicklungshilfe ein integraler Bestandteil der Weltwirtschaft geworden ist. Wir müssen klar erkennen, daß sich die Hoffnung der ersten Jahre, daß man durch einen verstärkten Einsatz an Entwicklungshilfemitteln einen schnellen Prozeß in Gangbringen könnte, nicht verwirklicht hat. Vielmehr ist an die Stelle der Hoffnung die Einsicht getreten, daß bleibende Veränderungen, die man erreichen will, nicht über Nacht, sondern nur durch mühsame Arbeit auf Jahrzehnte hinaus erreicht werden können. Diese Einsicht wurde gestärkt durch Enttäuschungen über relativ geringe Erfolge bei der Förderung einseitiger, groß angelegter Industrialisierungsmaßnahmen und durch die schlechten Erfahrungen, die gelegentlich mit Regierungen von Entwicklungsländern gemacht wurden.
Auf der anderen Seite dürfen wir nicht verkennen, daß auch die Industrienationen eine Reihe von Fehlern in der Methode zunächst einmal auf Grund von fehlenden eigenen Erfahrungen zu beseitigen hatten. Noch vor einiger Zeit war es so, daß man von einem Primat der öffentlichen Hilfe sprechen konnte. Heute ist in sehr viel stärkerem Umfang die Mobilisierung privater Kräfte an ihre Stelle getreten. Wir wissen, daß es sinnvoll ist, auch in der Zukunft
*) Siehe Anlage 4
dieses Miteinander von privater und öffentlicher Entwicklungsarbeit zur Diskussion zu stellen.
Wenn wir uns die Frage vorlegen, welche Aufgaben uns gestellt sind und welche Erfahrungen wir gesammelt haben, dann kommen wir zu einem ganz anderen Hintergrund bei der Erarbeitung einer Konzeption für die Lösung der ökonomischen Fragen in den Entwicklungsländern. Unsere Erfahrungen haben uns gelehrt - das ist auch durch die Arbeit der Wissenschaft deutlich geworden -, daß die wirtschaftlichen Verbesserungsvorschläge in unmittelbarer Beziehung zu sozialen, kulturellen und psychologischen Problemen stehen. Gerade das Scheitern bestimmter Projekte hat uns ins Bewußtsein gebracht, daß die Verbesserung der wirtschaftlichen Leistung ohne Berücksichtigung widerstreitender sozialer Faktoren beim Entwurf und bei der Durchführung von Projekten sinnlos ist.
Was daher not tut, sind Maßnahmen der sozialen Strukturhilfe, die wir bereits über private Kanäle eingeleitet haben. Ziel dieser Maßnahmen ist nicht kurzfristige Linderung der Not, sondern eine soziale Integrierung der Bevölkerung, eine Integration der Masse in das wirtschaftliche und gesellschaftliche Leben ihres Landes. Während man früher und auch heute noch bei der technischen Hilfe und der Kapitalhilfe ausschließlich nach der Produktivität fragte, haben wir gelernt, auch die Massenwirksamkeit sozialer Maßnahmen und der Bildungshilfe als wichtiges Kriterium anzuerkennen.
Nun liegt das Problem des gewünschten wirtschaftlichen Aufschwungs in den Entwicklungsländern vor allem darin, daß zwischen der aktuellen wirtschaftlichen Lage und den für eine umfassende Entwicklung nötigen Zielsetzungen in den Entwicklungsländern noch immer ein großes Mißverhältnis besteht, das nur durch eine intensive Ausnutzung der im Lande verfügbaren Kräfte und Mittel überwunden werden kann. Dabei muß neben vielen anderen Faktoren vor allen Dingen berücksichtigt werden, daß jedes wirtschaftliche Handeln sich als ein Hineinstoßen in komplexe soziale Situationen erweist, d. h. mit anderen Worten, daß jede technische und jede Kapitalhilfe in kausalem Zusammenhang mit den Auswirkungen auf die gesellschaftlichen Bedingungen in den Entwicklungsländern steht. Ich glaube, daß wir dieses bei der Überprüfung unserer Konzeption in Rechnung stellen sollten und daß wir Erfahrungen, die wir auch bei den strukturellen Maßnahmen im eigenen Lande gewonnen haben, bei der Übertragung dieser Maßnahmen auf Entwicklungsländer anwenden können.
Angesichts der konkreten Phänomene einer überschaubaren Region wurde immer wieder deutlich, daß makroökonomische Maßstäbe allein nicht genügen. Das vielfältige Geflecht wechselseitiger Bedingtheiten gilt es zu begreifen. Die planerischen Überlegungen setzen ineinandergreifende Aspekte technologischer, soziologischer und sozialökonomischer Probleme voraus. Jede Entwicklung - und das gilt ja nicht nur für die Entwicklungsländer - ist natürlich ein wirtschaftlicher Wachstumsprozeß. Es gibt kein wirtschaftliches Wachstum ohne eine dynamische Veränderung der Sozialstruktur, d. h.
jeder technisch-wirtschaftliche Wandel muß von einem entsprechenden Wandel der gesellschaftlichen Schichtung, von Verhaltensweisen, Arbeitsmentalitäten usw. begleitet werden. Es gibt keine wirtschaftliche Infrastruktur ohne ein adäquate gesellschaftliche Infrastruktur. Darum gibt es auch keine gesellschaftliche Entwicklung ohne eine wirtschaftliche.
Der entscheidende Ansatzpunkt für unsere Arbeit ist nach wie vor die Kapitalhilfe. Die Frage der Kapitalhilfe ist einmal eine Frage der Konditionen, zum anderen eine Frage des Umfangs. Wir haben ja erlebt, daß sich die Industrienationen bemüht haben, gemeinsame Bemessungsgrundlagen für ihre Leistungen zu erstellen; sie sind davon ausgegangen, daß etwa ein Prozent des Bruttosozialprodukts zur Verfügung gestellt wird. Wir sind leider im Augenblick von dieser Zahl etwas entfernt, aber - und das muß einmal gesagt werden - weniger deshalb, weil die öffentlichen Leistungen schwächer geworden sind, sondern vielmehr weil die privaten Aktivitäten insbesondere im Bereich der Kapitalhilfe nachgelassen haben. Ich glaube, das ist eine wichtige Feststellung, die es zu treffen gilt, damit kein falscher Eindruck über die Leistungsfähigkeit der öffentlichen Hand entstehen kann.
Nun hören wir immer wieder eine Reihe von Einwendungen gegen die Entwicklungspolitik. Ich glaube - und ich möchte das an die Regierung richten -, es ist weniger die Frage der Darstellung der Entwicklungspolitik in Form von Broschüren als vielmehr auch die Frage des politischen Engagements der Regierung und des Parlaments zugunsten dieser Frage. Ich meine also, daß Regierung und Parlament dem Volke die Bedeutung, die politische und wirtschaftliche Bedeutung der Entwicklungshilfe für die Zukunft klar und eindeutig darstellen müssen. Es geht um die Beseitigung von Spannungen in der Welt. Daran sind wir aus politischen, daran sind wir aber auch aus wirtschaftlichen Gründen interessiert. Es geht darum, den wirtschaftlichen Prozeß in den Entwicklungsländern anzukurbeln, damit auch wir zu intensiveren wirtschaftlichen Beziehungen zu diesen Ländern kommen.
Ich meine auch, wir sollten uns einmal ganz offen die Frage stellen, ob nicht gerade ein Land wie Deutschland darauf angewiesen ist, möglichst freundschaftlich und intensiv mit allen Ländern der Welt zusammenzuarbeiten. Wenn ich mir einmal vorstelle, was eintreten würde, wenn die Bundesrepublik auf einer der nächsten internationalen Welthandelskonferenzen eine schlechte Zensur erhielte, wenn also die Masse der Entwicklungsländer den Eindruck hätte, daß wir zwar um Verständnis für unsere Probleme werben, auf der anderen Seite aber nicht bereit sind, die Probleme der Entwicklungsländer zu prüfen, zu studieren und daraus Folgerungen zu ziehen, dann, so fürchte ich, könnte hierdurch ein sehr ungünstiges politisches Klima für uns entstehen.
Nun, ich habe vorhin bereits gesagt, daß wir bei der Verlagerung innerhalb des Etats die Akzente stärker zugunsten der technischen Hilfe zu setzen haben. Ich habe die sozialen Strukturmaßnahmen
genannt, ich möchte an die Entwicklungsarbeit der Kirchen erinnern, die ja nur durch die Arbeit der öffentlichen Hand ergänzt wird, und ich möchte daran erinnern, daß wir vielfältige Formen gefunden haben, um in allen Bereichen der Entwicklungsländer anregend und fördernd tätig werden zu können. Wir geben die Möglichkeit, durch gesellschaftspolitischen Maßnahmen in Entwicklungsländern ein gesundes gewerkschaftliches Leben zu entwickeln, wir bieten bei der technischen Hilfe die Möglichkeit der Schaffung einer demokratischen Struktur für die vielschichtigen Organisationen eines modernen Lebens. Wir sollten hier aber noch stärker als in der Vergangenheit die private Initiative nutzen. Wir kommen, so glaube ich, etwas von den Großprojekten ab, und so lobenswert viele Mustereinrichtungen wie Gewerbeschulen sind, müssen wir doch immer wieder feststellen, daß es heute Länder gibt, denen mit der Erstellung einer Gewerbeschule nicht gedient ist,
({0})
weil man zur Gewerbeschule selbst dann noch die Unterhaltskosten für viele Jahre zur Verfügung stellen müßte. Die Frage ist also, ob man nicht in sehr viel kleineren Einheiten denken muß, ob man nicht beispielsweise der Wirtschaft in stärkerem Maße auch die Möglichkeit geben muß, sich an der Ausbildung von Nachwuchskräften zu beteiligen.
Wir haben festzustellen, daß die Kapitalhilfeleistungen der privaten Hand in Entwicklungsländern nachlassen, und ich glaube, das sollte Anlaß sein zu Betrachtungen, in welcher Weise man hier fördernd eingreifen kann.
Es muß aber auch etwas zur offiziellen Kapitalhilfe gesagt werden. Ich möchte mir jetzt eine Bemerkung gestatten zu einem Kapitalhilfeabkommen, das in der vorigen Woche unterzeichnet worden ist. Ich begrüße es, daß die Bundesregierung in der Lage war, in so relativ kurzer Zeit ein Abkommen mit Israel abzuschließen. Die Normalisierung der Beziehungen zu Israel hatte ja das Ziel, Israel in die normalen Aktivitäten einzubeziehen, die wir in Entwicklungsländern entfalten. Allerdings glaube ich, daß Normalisierung - vielleicht von einem Ausnahmefall abgesehen - dann auch wirklich Normalisierung bedeuten muß,
({1})
weil sonst die Gefahr besteht, daß ein Berufungsfall geschaffen wird. Wenn ich mir die Konditionen ansehen, dann meine ich, daß man diese in Anbetracht der besonderen Verhältnisse akzeptieren könnte. Wir müssen aber an die Zukunft denken und dürfen keine Berufungsfälle schaffen, die uns in außerordentliche Schwierigkeiten bringen können. Ich glaube, wir müssen Kapitalhilfeverträge mit allen Ländern nach gleichen Gesichtspunkten ausstatten, und wir müssen zu einheitlichen Bedingungen kommen. Sonst begeben wir uns in die Gefahr erhöhter politischer Komplikationen.
({2})
Ich sagte vorhin schon, daß unsere Bedingungen relativ ungünstig sind. Das Ergebnis unserer Kapitalhilfebedingungen sind immer wieder Umschuldungsabkommen mit den betroffenen Ländern, weil unsere Bedingungen nicht der Wirtschaftskraft der Länder, die die Darlehen aufnehmen, entsprechen. Es gilt also, unsere Konditionen zu überprüfen, um zu verhindern, daß immer wieder Umschuldungen erforderlich werden und daß wir durch unsere Bedingungen eigentlich immer wieder selbst Schwierigkeiten produzieren.
Wir müssen allerdings auch davon ausgehen, daß die Kapitalhilfe naturgemäß nicht losgelöst von dem Problem des deutschen Außenhandels mit Entwicklungsländern gesehen werden kann. Hier treten wir jetzt in eine Phase ein, in der wir auf Grund der angespannten Haushaltslage nicht mehr in der Lage sind, unsere Leistungen in nennenswertem Umfang zu erhöhen, während auf der anderen Seite Ostblockländer und auch westliche Industrieländer im gegenwärtigen Zeitpunkt ihre Leistungen zu ungewöhnlich günstigen Bedingungen erhöhen. Die Frage ist also einmal: Inwieweit sind wir in der Lage, zu günstigeren Finanzierungen zu kommen? Das bedeutet, daß man das Problem der Mischfinanzierung wieder stärker ins Gespräch bringen muß.
Aber wir müssen auch ergänzende private Maßnahmen stärker fördern. Ich glaube, daß die steuerlichen Voraussetzungen für Investitionen im Ausland immer noch unzureichend sind. Es gibt eine Reihe von privaten Anstrengungen, so etwa den Plafond C der Ausfuhrkredit AG, die bereits zu einer Verbesserung und Erleichterung der längerfristigen Ausfuhrfinanzierung geführt hat. Aber das ist nur ein Teilaspekt. Ich glaube, wir müssen uns auf Grund der zunehmenden Knappheit öffentlicher Mittel überlegen, ob neben steuerlichen Maßnahmen und Anschlußfinanzierung nicht auch eine Überprüfung der Hermes-Bedingungen erforderlich ist, insbesondere im Hinblick auf das Selbstbeteiligungsrisiko, das die Firmen einzugehen haben. Wir müssen - ich glaube, das ist sehr wichtig - das wirtschaftliche und politische Risiko neu definieren. Ich meine, wir müssen der Frage des Rechtsschutzes bei Auslandsinvestitionen eine größere Aufmerksamkeit zuwenden. Sicher sind multilaterale Abkommen begrüßenswert. Aber wenn man multilaterale Abkommen nicht erreichen kann, wird man zumindest für eine Übergangszeit bilaterale Abkommen treffen müssen.
Wir dürfen bei der Erörterung der Entwicklungspolitik allerdings nicht nur die Situation der Entwicklungsländer betrachten und darauf aufbauend unsere Maßnahmen vorschlagen. Wir dürfen das Problem nicht nur im Zusammenhang mit unseren wirtschaftlichen Beziehungen zu diesen Ländern sehen, sondern wir müssen ganz deutlich unterstreichen, daß durch unsere Entwicklungspolitik die Bundesrepublik in aller Welt präsent ist in der Vielfalt der Helfer, der Techniker und der Kaufleute. Diese Präsenz in den verschiedenen Ländern der Dritten Welt ist ein politischer Faktor, den wir nicht übersehen dürfen und der es verdient, besonders gewürdigt zu werden.
Bei der Überprüfung der Entwicklungspolitik müssen wir also davon ausgehen, daß das sehr
diversifizierte Instrumentarium der deutschen Entwicklungspolitik weiter ausgebaut werden muß und daß wir bei unseren Maßnahmen strenger achtgeben müssen auf die Situation der Länder, ihre Aufnahmefähigkeit und die Möglichkeiten der Länder, sich zu verschulden. Wir müssen also die wirtschaftliche Situation der Länder stärker berücksichtigen, wenn wir nicht immer wieder zu Umschuldungs- und anderen Aktionen kommen wollen.
Ich glaube aber, wir müssen auch elastischer werden. Das ist natürlich sehr schwierig. Denn im Bereich der technischen Hilfe und der Kapitalhilfe sind wir im Grunde zu 80 bis 90 % bereits auf Jahre hinaus im voraus festgelegt, so daß kurzfristig eintretende neue Ereignisse - ich denke dabei an politische Entwicklungen, wie sie sich jetzt in Ghana und Indonesien abzeichnen, und neue politische Entwicklungen, die sich, wie ich hoffe, in absehbarer Zeit in der arabischen Welt abzeichnen werden - zu Schwierigkeiten führen, weil unsere Mänövrierfähigkeit außerordentlich eingeengt ist. Auf der anderen Seite besteht natürlich das Bedürfnis nach einer langfristigen Planung. Trotz der langfristigen Planung ist, glaube ich, ein Maximum an Manövrierfähigkeit wichtig.
Ich möchte abschließend etwas Grundsätzliches sagen. Eine Industrienation wie Deutschland, ein Land wie Deutschland, das seinen Aufstieg der wirtschaftlichen Hilfe eines anderen, sehr potenten Landes, nämlich der Vereinigten Staaten, verdankt, sollte sich seiner Verpflichtung bewußt sein, zur Lösung von Spannungen in der Welt beizutragen. Wenn wir uns hier in den Industrienationen in einer gewissen Sicherheit wiegen können, weil es uns gelungen ist, die sozialen Spannungen im wesentlichen abzubauen, dann haben wir eine Verpflichtung, soziale Spannungen und wirtschaftliche Diskrepanzen in der Welt mit abbauen zu helfen. Ich glaube, wenn unser Land hier ein gewisses Maß von Opfermut und Engagement zeigt, dann werden wir in der Welt nicht nur in Erscheinung treten als eine reiche Industrienation mit einer Reihe von politischen Problemen, die vielen Ländern nicht sehr sympathisch sind - Sie wissen, es gibt sehr viele Länder, die sich in der deutschen Frage lieber nicht engagieren -, sondern dann wird Deutschland auch als ein Land in Erscheinung treten, das auf Grund seiner Wirtschaftskraft bereit ist, einen angemessenen Beitrag zur Lösung der Spannungen in dieser Welt zu leisten. Ich glaube, wenn wir diese Arbeit intensivieren, werden wir über eine Vielzahl von Freunden in der Welt verfügen. Wir werden - das muß man ganz offen sagen - eine Reihe auch eigensüchtiger Ziele damit verfolgen können, nämlich die Erschließung neuer Wirtschaftsräume. Das Entscheidende ist aber: wir werden einen Beitrag leisten zum Abbau des Wohlstandsgefälles zwischen den Industrienationen und den Entwicklungsländern. Ein Abbau dieses wirtschaftlichen Gefälles bedeutet auch einen Abbau der politischen Spannungen, und ein Abbau politischer Spannungen ist ein Beitrag zum Weltfrieden. Dieses Land ist wie kein anderes daran interessiert, in Frieden zu leben. Deshalb, meine ich, ist die Entwicklungspolitik nicht nur in
der Gegenwart, sondern auch in der Zukunft eine große Verpflichtung der deutschen Politik.
({3})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Wischnewski.
Meine Damen und Herren, der Herr Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit hat sich entschuldigen lassen. Ich habe diese Entschuldigung mit Verständnis entgegengenommen. Der Herr Bundesminister befindet sich am Krankenbett seiner Frau, derer wir mit allen guten Wünschen gedenken.
Bitte, Herr Abgeordneter.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In diesem Jahr 1966 ist es genau zehn Jahre her, daß der Deutsche Bundestag sich zum erstenmal mit Fragen der Entwicklungspolitik beschäftigt hat. Vor zehn Jahren begann die Diskussion in diesem Hause und wurden auf parlamentarische Initiative, nicht auf Initiative der Bundesregierung, die ersten 50 Millionen DM für eine deutsche Entwicklungshilfe zur Verfügung gestellt. In der Zwischenzeit haben wir viele Erfahrungen gesammelt, haben manche Fehler gemacht, haben aber auch aus unseren Fehlern und aus den Fehlern anderer viel lernen können.
Über die Notwendigkeit der Aufgaben der Entwicklungspolitik braucht erfreulicherweise - das haben auch die Ausführungen meines Vorredners gezeigt - in diesem Hause nicht mehr geredet zu werden. Die Entwicklungspolitik ist ein entscheidender Faktor der deutschen Außenpolitik und unserer Deutschlandpolitik. Die Entwicklungspolitik ist insbesondere weltweite Friedenspolitik, und die Bundesrepublik hat allen Anlaß, sich aktiv daran zu beteiligen. Die Unterschiede zwischen arm und reich sind in den letzten Jahren noch größer, noch krasser geworden. Das Mißverhältnis des Einkommens pro Kopf der Bevölkerung zwischen der Bundesrepublik und den Entwicklungsländern beträgt 10 : 1; wenn man Indien betrachtet, beträgt es sogar 20 : 1. Wo ein solches soziales Gefälle in der Welt gegeben ist, ist auch der Frieden nicht garantiert, und wir haben hier unseren Beitrag zu leisten.
Entwicklungspolitik ist drittens aber auch weltweite Wirtschaftspolitik. Insbesondere unsere Handelsbeziehungen zu den Ländern der Dritten Welt sind unterentwickelt. Wir haben durch unsere Leistungen im Rahmen der Entwicklungspolitik dazu beizutragen, daß sie weiter ausgebaut werden können. Wenn man daran denkt, daß der Anteil unseres Afrikahandels an unserem Handel insgesamt nur ganze 4 % ausmacht - der Handel mit einem Kontinent, der 36 Staaten umfaßt und der unmittelbar vor unserer Haustür liegt -, dann sieht man, wie bedeutungsvoll dieses Problem ist.
Ich glaube, es kommt darauf an, daß wir uns gemeinsam darum bemühen, die Entwicklungspolitik aufzuwerten. Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion ist bereit, ihren Beitrag zur Aufwertung der Entwicklungspolitik zu leisten. Wir erwarten aber, daß die Bundesregierung hier mit gutem Beispiel
vorangeht und daß insbesondere der Bundeskanzler bereit ist, mehr als bisher klar, eindeutig und positiv zu diesem Problem Stellung zu nehmen.
({0})
Wir sollten die Entwicklungspolitik nicht als Last betrachten, wie das leider geschieht. Wir sollten sie als Chance betrachten. Das ist, glaube ich, die Aufgabe, die uns gestellt ist.
({1})
Wenn ganz bestimmte negative politische Kräfte in der Bundesrepublik jetzt eine besondere Aktion starten - ich will den Herren nicht die Ehre antun, sie hier in diesem Hause zu nennen -, dann sollten wir die Auseinandersetzung aufnehmen und sollten uns für diese Aufgabe ganz klar und eindeutig einsetzen.
({2})
Die öffentliche Meinung in der Bundesrepublik hat sich in der Zwischenzeit gebessert. Die Informationspolitik, die Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung zu diesem Problem ist unzureichend. Dazu braucht man natürlich Mittel. Wenn für das ganze Jahr 1966 für die Informations- oder Öffentlichkeitsarbeit über die Entwicklungspolitik in der Bundesrepublik 1,4 Millionen DM zur Verfügung stehen, dann kann das einfach nicht ausreichen, um ,den vielen Menschen in der Bundesrepublik klarzumachen, daß es sich hier um eine notwendige Politik handelt.
Ich darf besonders daran erinnern, daß die Bundesregierung leider auch die Chancen, die sich ihr bieten, nicht in dem notwendigen Maße wahrnimmt, nämlich dort, wo ein besonderer Einfluß gegeben ist, über die Entwicklungspolitik zu reden. Ich denke daran, daß ich vor wenigen Tagen mit einer Vielzahl von Offizieren und Unteroffizieren der Bundeswehr über Fragen der Entwicklungspolitik diskutiert habe und dabei leider feststellen mußte, daß sie zum weitaus größten Teil fast gar nichts von den Leistungen ,der Bundesrepublik wußten und zu einem nicht unerheblichen Teil einfach auf Grund der Unkenntnis auch eine sehr negative Einstellung hatten. Hier muß man sich also weit mehr bemühen.
Ein sehr deutliches Wort 'an die Regierungskoalition! Meine Herren, Sie haben erhebliche Streichungen ,an dem Haushalt vorgenommen. Der Kollege Gewandt, der ja vor mir gesprochen hat, hat dazu Stellung genommen und gesagt, daß das in der seriösen Presse negativ beurteilt worden sei. Ich kann mich diesem negativen Urteil nur anschließen.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Gewandt?
Ja.
Herr Kollege Wischnewski, ist Ihnen bekannt, daß wir bei den Streichungsvorschlägen zum Einzelplan 23 im Vergleich zu Streichungen in anderen Einzelplänen besonders zurückhaltend gewesen sind?
Ich bin gern bereit, auf die Frage einzugehen.
Würden Sie auch auf eine weitere Frage eingehen: Glauben Sie nicht auch, Herr Kollege Wischnewski, daß wir uns bei der Beurteilung des Einzelplans 23 von den gleichen Maßstäben leiten lassen müssen, die wir bei anderen Haushalten anwenden?
Ich darf dazu folgendes sagen: Von einer übermäßigen Zurückhaltung bei den Streichungen kann nicht die Rede sein. Sie haben Streichungen von fast einer Viertelmilliarde bei den Bindungsermächtigungen vorgenommen. Das ist ein entscheidender Faktor. Wir haben uns an diesen Streichungen nicht beteiligt. Sie haben damit die außenpolitische Bewegungsfreiheit der Bundesregierung in den kommenden Monaten, in einer schwierigen Zeit, entscheidend eingeschränkt.
({0})
Die Verantwortung für diese Angelegenheit müssen
Sie, meine Damen und Herren, allein übernehmen;
({1})
wir sind nicht bereit, uns an dieser Verantwortung zu beteiligen. Wir werden Sie zu gegebener Zeit darauf aufmerksam machen und Sie rechtzeitig daran erinnern.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Althammer?
Herr Kollege, ich hätte die Frage nicht gestellt, wenn Sie nicht so deutlich darauf angespielt hätten: Ist Ihnen bekannt, daß die Mitglieder der Opposition im Haushaltsausschuß keineswegs dagegen gestimmt, sondern sich lediglich der Stimme enthalten haben?
Ja, ich habe für die Haltung meiner Freunde sogar Verständnis. Es kann doch nicht die Aufgabe der Opposition sein, die Fahne der Regierung hochzuhalten, wenn Sie selber das nicht für notwendig halten. Ich halte die Entscheidung, die meine Freunde im Haushaltsausschuß getroffen haben, für völlig richtig.
Wenn ich nun über die Fragen der Entwicklungspolitik spreche, so lassen Sie mich zuerst einmal sagen, was mir an der Entwicklungspolitik und dem, was wir in den vergangenen Jahren entwickelt haben, nicht gefällt, was nach meiner Auffassung nicht in Ordnung ist.
Ungeklärt und völlig unbefriedigend gelöst ist nach wie vor das Problem der Kompetenzverteilung in Fragen der Entwicklungspolitik.
({0})
Ich will nicht bestreiten, daß sich das zuständige Ministerium sehr darum bemüht hat. Aber der Kabinettsbeschluß, der sich auf diese Frage bezieht, ist bei weitem noch nicht durchgeführt. Außerdem halte ich eine weitere Konzentration der Entwicklungspolitik auf dieses Haus für zwingend notwendig; es sollte nicht nur für die technische Hilfe, sondern auch für die Kapitalhilfe verantwortlich sein. Selbstverständlich muß, wenn es sich um politische Fragen handelt, das Auswärtige Amt einen entscheidenden Einfluß haben; das gleiche gilt für das Wirtschaftsministerium in wirtschaftlichen Fragen. Soweit es sich um Fachressorts handelt, sollten sie nur um ihren Rat gefragt werden. Dieser Kompetenzstreit, der leider schon Jahre dauert, ist überaus unerfreulich und wird uns dazu zwingen, dafür einzutreten, daß ein neues Gutachten des Bundesbeauftragten erstellt wird, der die augenblickliche Situation untersucht. Wir können mit der Situation, wie sie sich zur Zeit zeigt, nicht einverstanden sein.
Ein weiterer erheblicher Mangel unserer Entwicklungspolitik ist der, daß sowohl bei der Kapitalhilfe wie auch bei der technischen Hilfe der Zeitraum zwischen der Zusage der Bundesregierung und der Erfüllung der Zusage viel zu lang ist. Manche Projekte ziehen sich auf Jahre hinaus hin. Dabei will ich gern zugeben, daß nicht immer die Bundesregierung dafür verantwortlich ist, sondern daß in vielen Fällen die Verantwortung bei den Entwicklungsländern liegt. Aber ich könnte einige konkrete Beispiele nennen, wo gerade die Kompetenzstreitigkeiten dazu beigetragen haben, Herr Staatssekretär, daß eine Reihe von Projekten, die kurzfristig hätten erledigt werden können, verhältnismäßig lange gedauert haben.
Wr vermissen - ich hoffe, daß die Bundesregierung die Gelegenheit wahrnimmt, heute hier ein klares Wort zu sagen - eine ganze klare und eindeutige Abgrenzung zwischen Militärhilfe und Entwicklungshilfe.
({1})
Beide Dinge haben nichts miteinander zu tun.
({2})
Herr von Hassel hat sich neulich schriftlich festgelegt - ich darf das wörtlich zitieren - und gesagt: „Die deutsche Militärhilfe ist eine Art von besonderer Entwicklungshilfe". Dieses Wort, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist ein überaus gefährliches Wort.
({3})
Es wäre gut, wenn die Bundesregierung hier klar und deutlich zum Ausdruck brächte, daß das nicht ihre Meinung ist, sondern daß es sich hier höchstens um die Privatmeinung des Herrn von Hassel handelt. Das ist ganz klar und eindeutig schriftlich in der Zeitschrift der Deutschen Afrikagesellschaft von Herrn von Hassel erst vor wenigen Wochen festgelegt und zum Ausdruck gebracht worden.
({4})
Viertens. Bei der Vergabe waren wir uns bisher darüber einig, daß unsere Freunde in der Welt zuerst und bevorzugt berücksichtigt werden müssen. Wir haben in den letzten Tagen Anlaß, ein wenig besorgt darüber zu sein, ob dieser Grundsatz auch wirklich eingehalten wird. Wir waren uns über diesen Grundsatz einig. Wir werden in dieser Frage die Bundesregierung sehr hart und deutlich kontrollieren. Die Freunde sollen in erster Linie berücksichtigt werden und nicht diejenigen, die meinen, uns zu irgendwelchen Leistungen erpressen zu können.
({5})
Ich hoffe, die nächsten Tage werden beweisen, daß das nach wie vor die Haltung der Bundesregierung ist.
Fünftens. Unzufrieden sind wir mit der Art und Weise, wie die Erfolgskontrolle der deutschen Entwicklungspolitik durchgeführt wird. Die Erfolgskontrolle ist ein entscheidender Anteil unserer entwicklungspolitischen Arbeit. Wir müssen besser und mehr darüber informiert sein, wie sich unsere Aktivitäten ausgewirkt haben. Ich darf darum bitten, daß gerade diese Seite hier entscheidend informiert wird.
Was die Höhe unserer Leistungen anbetrifft - das bezieht sich auf Ihre Streichungen -, darf ich das zitieren, was die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit, die OECD, vorgestern bekanntgegeben hat; es wird Sie überaus interessieren. Ich darf wörtlich zitieren:
Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, OECD, in Paris hat die deutsche Entwicklungshilfe einer gründlichen Prüfung unterzogen und gelangt zu einer recht kritischen Stellungnahme. Der Anteil der Entwicklungshilfe am Volkseinkommen ging nämlich in der Bundesrepublik von 0,9 % im Jahre 1964 auf 0,84 % im Jahre 1965 zurück und dürfte 1966 noch niedriger liegen. Die Bundesrepublik wurde darauf aufmerksam gemacht, daß sie sich auf der Genfer Welthandelskonferenz grundsätzlich verpflichtet hätte, jährlich 1 % des Volkseinkommens der Entwicklungshilfe zu widmen.
Ich will nicht das Ganze verlesen. Ich glaube, wir sollten in der Weltöffentlichkeit nicht in die Situation geraten, als wenn wir nicht aus eigenem Willen und aus eigener Überzeugung unseren Beitrag leisten, sondern daß es internationaler Institutionen bedarf, die uns auf unsere Verpflichtungen hinweisen.
In diesem Zusammenhang darf ich noch einige Forderungen stellen und Feststellungen treffen, die sich an die Bundesregierung richten.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Haase ({0})?
({1})
Haase ({2}) .({3}): Herr Kollege, sollten wir uns bei der Erörterung dieses Tadels, der da
Haase ({4})
aus dem Ausland an uns herangetragen worden ist, nicht bewußt werden, daß wir Verpflichtungen in Höhe von etwa 7,8 Milliarden DM vor uns herschieben und gehalten sind, die Leistungsfähigkeit der deutschen Finanzen im Auge zu behalten, um diesen Verpflichtungen später auch nachkommen zu können?
Dazu darf ich folgendes sagen: Über die Frage der Abwicklung habe ich meine Meinung klar und eindeutig gesagt. Ich bin mit' Ihnen der Auffassung - und das habe ich vorher hier zum Ausdruck gebracht -, daß die Abwicklung der Zusagen zu lange dauert und daß auf diese Art und Weise der Berg zu hoch ist. Im übrigen würde ich die OECD nicht als ausländisch bezeichnen, sondern als eine internationale Organisation, an der die Bundesrepublik Deutschland beteiligt ist.
({0})
Das scheint mir wesentlich Wort zu sein.
Gestatten Sie noch eine Frage, Herr Abgeordneter Wischnewski?
Aber sicher, gern.
Bitte, Herr Abgeordneter Leicht!
Herr Kollege Wischnewski, würden Sie dazusagen, daß die OECD auch festgestellt hat, daß die Leistungen des Bundes und der Länder im Jahre 1965, insgesamt gesehen, gestiegen sind, während die Leistungen der Wirtschaft gesunken sind?
Ich stelle das gern fest.
Jedenfalls - und das ist das Entscheidende - stellt der OECD-Bericht fest, daß die Bundesrepublik ihre Verpflichtungen nicht erfüllt hat. Wir sollten uns gemeinsam darüber im klaren sein, daß wir in eine solche Situation nicht kommen dürfen. Es macht einen schlechten Eindruck, insbesondere auf der Welthandelskonferenz, wenn vorgetragen wird, daß die Bundesrepublik nicht in der Lage ist, ihre Verpflichtungen zu erfüllen.
Ich darf nun noch einige wenige Forderungen erheben und Feststellungen treffen, die sich an die Bundesregierung richten. Wir müssen Wert darauf legen, daß die Zusammenarbeit zwischen unserer offiziellen Entwicklungspolitik und der deutschen Wirtschaft noch enger wird. Private Investitionen sind nur dann zu erreichen, wenn man auch politisch die notwendigen Voraussetzungen dafür schafft und wenn man bereit ist, insbesondere in bezug auf die technische Hilfe zu einer noch engeren Zusammenarbeit zu kommen. Wir sind also bereit, dort, wo es gerechtfertigt ist, der deutschen Wirtschaft die notwendige Unterstützung zu gewähren, um in der Entwicklungswelt, in der Dritten Welt, erfolgreich tätig zu sein.
Ich darf bei dieser Gelegenheit daran erinnern, daß wir erwarten, daß sich die Bundesregierung noch kräftiger als bisher für die Interessen der deutschen Wirtschaft im Europäischen Entwicklungsfonds einsetzt. Das Verhältnis ist nach wie vor keineswegs zufriedenstellend. Es ist ein wenig besser geworden. Wir erhalten in der Zwischenzeit schon 7 % der Aufträge bei Leistungen von 34 %. Das ist nach wie vor ungesund, und ich hoffe, daß man in dieser Frage insbesondere auch den deutschfranzösischen Vertrag ausnutzt und zu Konsultationsgesprächen kommt. Der deutsch-französische Vertrag sieht ja vor, daß man auch in den Fragen der Entwicklungspolitik darum bemüht sein soll, zu einer Übereinstimmung zu kommen.
({0})
Ich habe gerade in den letzten Tagen festgestellt, daß eine deutsche Firma, völlig gerechtfertigt, zwar einen größeren Auftrag bekommen hat, daß ihr aber jetzt bei der Durchführung dieses Auftrages leider ganz erhebliche Schwierigkeiten gemacht werden. Wir werden dieses Projekt mit größter Aufmerksamkeit verfolgen und werden, wenn wir es für richtig halten, auch hier im Hause über diese Angelegenheit sprechen.
Ein Wort zu den Bedingungen. Nach wie vor sollte das Wort gelten, daß wir keine politischen . Bedingungen stellen. Natürlich kann niemand die Unterstützung der Bundesrepublik Deutschland erfahren, der meint, uns in den Rücken fallen zu müssen.
({1})
Das ist die Voraussetzung. Hier gibt es also eine ganz klare und eindeutige Grenze.
In anderen Fragen hat die Bundesregierung deutliche Bedingungen zu stellen. Eine Bedingung, an der wir Sozialdemokraten stets festhalten - sie kommt hie und da ein wenig in Verwischung - ist die Forderung der Projektbindung. Wir legen nach wie vor Wert darauf, daß alles, was im Rahmen der Kapitalhilfe getan wird, projektgebunden ist.
({2})
Auch wenn es sich um Planfinanzierung handelt, für die wir sehr viel Verständnis haben, sollten wir darum bemüht sein, im Rahmen dieser Pläne einzelne Projekte zu finanzieren und nichts anderes. An diesem Grundsatz muß auf alle Fälle festgehalten werden.
Ich darf sagen, daß die vernünftigen Politiker in der Entwicklungswelt damit völlig einverstanden sind. Auf einer Veranstaltung, die vor kurzem stattgefunden hat, hat der Ministerpräsident von Singapur zu dieser Frage Stellung genommen. Auch er meinte: selbstverständlich keine politischen Bedingungen. In allen anderen Fällen aber legen die vernünftigen Politiker in den Entwicklungsländern Wert darauf, daß Bedingungen gestellt werden, insbesondere, damit unsere Leistungen nicht der Korruption oder zum Teil der Korruption zum Opfer fallen. Deshalb ist das nach wie vor eine zwingende Notwendigkeit.
Wir wollen uns auch weiterhin nicht - und hier sind einige Dinge auch ein wenig ins Schwimmen gekommen - an der Finanzierung von Prestigeprojekten beteiligen. Nur die Projekte sind gerechtfertigt, die den Menschen in dem Lande auch wirklich nützen. Hier muß eine ganz klare und harte Kontrolle durchgeführt werden. Ich stimme mit dem Kollegen Gewandt darin überein, daß wir aus den Erfahrungen unserer gesellschaftspolitischen Hilfe Lehren ziehen sollten, daß wir aber für die Zukunft diesem Gebiet der gesellschaftspolitischen Hilfe in den Entwicklungsländern ganz große Bedeutung beizumessen haben. Hier ergeben sich neue Probleme. Ich denke an die Enttäuschung, auch die politische Enttäuschung, die in den meisten Ländern unmittelbar nach Herstellung der Unabhängigkeit eintritt. Hier sollten wir uns sehr klar und eindeutig einschalten.
Ein letztes Wort zu dem Verhältnis der bilateralen und der multilateralen Leistungen. Wir werden immer wieder aufgefordert, unsere multilateralen Leistungen zu steigern. Ich habe den Eindruck, daß zwischen multilateralen und bilateralen Leistungen der Bundesrepublik Deutschland in der Zwischenzeit ein ausgewogenes Verhältnis erreicht worden ist und daß wir in etwa bei diesem Verhältnis bleiben sollten. Für uns sind bilaterale Leistungen in einem bestimmten Umfange einfach eine Notwendigkeit.
Die Bundesregierung bedient sich bei der Durchführung ihrer Entwicklungspolitik in starkem Maße privater Organisation. Wir möchten das ausdrücklich begrüßen. Ich möchte hier die Gelegenheit wahrnehmen, den vielen, vielen privaten Organisationen, die Hervorragendes auf diesem Gebiet leisten, unseren Dank zu sagen. Das gilt insbesondere auch für die beiden Kirchen. Die Sammlungsergebnisse von „Misereor" und der Aktion „Brot für die Welt" steigen von Jahr zu Jahr. Wir sind hier, glaube ich, zu einer positiven Zusammenarbeit gekommen. Die wachsenden Leistungen beweisen aber auch, daß bei der Bevölkerung der Bundesrepublik für die Fragen der Entwicklungspolitik doch wohl ein wachsendes Interesse gegeben ist.
In diesen Tagen scheint es mir auch notwendig, ein Wort zum Deutschen Entwicklungsdienst zu sagen. Ich habe den Eindruck, daß der Deutsche Entwicklungsdienst die erste Bewährungsprobe bestanden hat. 600 junge deutsche Menschen sind in diesen Tagen in vielen Ländern der Dritten Welt tätig, bemühen sich, den Menschen dort zu helfen und leisten auch der Bundesrepublik ihren Dienst. Weitere 220 werden in wenigen Tagen die Bundesrepublik verlassen, um ähnliche Aufgaben zu übernehmen. Eine Reihe dieser Leute war in Ländern tätig, in denen es in der Zwischenzeit Krisen gegeben hat. Wir können feststellen, daß sie sich dabei in hervorragender Weise bewährt haben. Die ersten 60, die diesen Dienst für die Bundesrepublik draußen geleistet haben, werden in den nächsten Wochen zurückkommen. Wir sollten sie nicht nur mit offenen Armen empfangen, sondern wir sollten auch dafür sorgen, daß die wertvollen Erfahrungen,
die sie überall in der Welt haben sammeln können, für unsere Arbeit Verwendung finden.
({3})
Der Deutsche Entwicklungsdienst ist damals unter der Patenschaft des verstorbenen amerikanischen Präsidenten Kennedy gegründet worden. Zum Schluß lassen Sie mich an ein Wort von Kennedy erinnern. Er hat gesagt: „Es wird der Gesellschaft nicht möglich sein, die wenigen Reichen zu retten, wenn sie nicht in der Lage ist, den vielen Armen zu helfen."
Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion wird dem Einzelplan 23 zustimmen.
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Das Wort hat der Abgeordnete Kiep.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es freut mich, aus den Ausführungen des Kollegen Wischnewski entnehmen zu können, daß wir uns in allen wesentlichen Punkten der Entwicklungspolitik einig sind. Es freut mich besonders, feststellen zu können, daß der Kollege Wischnewski mit uns der Ansicht ist, daß die deutsche Entwicklungspolitik eine der wenigen, wenn nicht die einzige Ausdrucksmöglichkeit ist, die wir heute haben, um in der Dritten Welt das Deutschlandbild sichtbar zu machen.
Erlauben Sie mir zu Anfang meiner kurzen Ausführungen einige Anmerkungen zu dem, was Sie, Herr Wischnewski, hier gesagt haben.
Sie sprachen als ersten Punkt die Kürzungen des Entwicklungshaushalts an, mit denen wir uns hier zu befassen haben. Ich möchte darauf hinweisen, daß diese Kürzungen nach außerordentlich harten und schweren Überlegungen sowohl des Haushaltsausschusses als auch der Fraktion der CDU/CSU durchgeführt worden sind. Nur die schwierige Lage der Haushalte 1966 und der folgenden Jahre hat uns schweren Herzens dazu bewogen, dieser Kürzung unsere Zustimmung nicht zu verweigern.
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- Herr Wischnewski, wenn Sie zugehört hätten, wüßten Sie, daß ich gesagt habe: Wir haben in der Fraktion außerordentlich ernsthaft über diese Frage diskutiert und haben nur deshalb zugestimmt, weil wir der Ansicht sind, daß diese schwierige Haushaltslage, die uns in diesem und in den nächsten Jahren erwartet, solche Maßnahmen rechtfertigt. Nur die Zusage des Haushaltsausschusses, daß bei Vorliegen besonderer, politisch wichtiger Projekte die notwendigen Mittel in solchen Notfällen bereitgestellt würden, hat uns zu der Zustimmung veranlaßt.
Gestatten Sie eine Frage, Herr Abgeordneter?
Bitte!
Herr Kollege Kiep, Sie sprachen von der schwierigen Haushaltslage in diesem und im nächsten Jahr.
. . . und in den folgenden Jahren!
Sie haben nur von diesem und dem nächsten Jahr gesprochen. Ist Ihnen bekannt, daß die finanziellen Auswirkungen der Bindungsermächtigungen vor 1969 überhaupt nicht zu erwarten sind?
Mir ist bekannt, was Sie sagen, Herr Wischnewski. Aber ich möchte darauf hinweiweisen, daß ich ausdrücklich nicht allein von den Jahren 1966 und 1967 gesprochen habe - zumindest wollte ich das nicht so sagen -, sondern ebenfalls von den folgenden Jahren. Ich erinnere Sie daran, daß wir in der Tat einen Berg von etwa 8 Milliarden DM vor uns herschieben, der in den nächsten Jahren auf uns zukommt.
Sie haben auf besondere politische Krisensituationen hingewiesen, die es erforderlich machen könnten, zusätzliche Mittel bereitzustellen. In diesem Zusammenhang ist an die arabischen Staaten gedacht worden. Es wurden auch Indonesien und andere Gebiete erwähnt. Wir haben die Zusicherung des Haushaltsausschusses, daß in derartigen Fällen die notwendigen Mittel bereitgestellt werden, wenn eine solche Frage einer Lösung bedarf.
Ich habe mit Freude auch festgestellt, daß Sie der Ansicht sind, daß die von uns gewährte Entwicklungshilfe nicht in der heutigen Höhe bleiben darf, sondern daß es notwendig ist, ihren Anteil am Bruttosozialprodukt in den kommenden Jahren zu erhöhen. Sie haben den Satz genannt, den die OECD veröffentlicht hat. Er ist mir bekannt. Es ist in der Tat so, daß wir von dem Satz von 1 % des Bruttosozialprodukts - nach diesem Satz wurde die Entwicklungshilfe einmal als freiwillige Selbstverpflichtung gegeben - abgekommen sind. Daher wird es in den künftigen Jahren notwendig sein, die Entwicklungshilfe reichlicher zu bedenken, als das bei der momentanen Haushaltslage möglich ist.
Ich erinnere in diesem Zusammenhang an die Ausführungen von Bundeskanzler Erhard, die er kürzlich machte und in denen er darauf hinwies, daß wir bei steigendem Sozialprodukt auf die Dauer selbstverständlich bedenken müssen, daß auch unsere Leistungen in der Entwicklungshilfe entsprechend dem Wachstum unserer Wirtschaft und unseres Wohlstandes zunehmen müssen.
Sie haben die Art und Weise bemängelt, wie die Entwicklungshilfe ihre Arbeit im In- und Ausland bekanntmacht. Sie haben gesagt, daß 1,4 Millionen
DM ein zu geringer Betrag seien, um diese Arbeit im In- und Ausland deutlich zu machen.
({0})
Ich bin der Ansicht, daß gerade die Arbeit, die im Inland geleistet wird, nicht so sehr an Mangel an Mitteln leidet. Man müßte sich neue Wege überlegen, das, was wir mit der Entwicklungshilfe erreichen wollen, wirkungsvoller bekanntzumachen. Ich weiß, daß auch gerade die von Ihnen angezogene Bundeswehr - wir haben uns ja im Ausschuß mit dieser Frage befaßt - in besonderer. Art und Weise vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit auf die Entwicklungshilfe hingewiesen wird, und Ihre Bemerkung bestärkt mich in der Annahme, daß wir diese Anstrengungen wesentlich erhöhen müssen.
Sie haben von den Menschen gesprochen. Ich bin mit Ihnen der Ansicht, Herr Kollege Wischnewski, daß in der Tat unsere Entwicklungshilfe auf die Dauer nur wirkungsvoll und sichtbar wird, wenn wir noch mehr als bisher deutsche Menschen für die Entwicklungshilfe im Ausland einsetzen. Es ist eine gute Gelegenheit, hier an dieser Stelle all diesen Menschen, die in der einen oder anderen Funktion, sei es im deutschen Entwicklungsdienst, sei es mit GAWI-Verträgen, im Ausland tätig sind, unseren Dank für die geleistete Arbeit auszusprechen.
({1})
Mit der personellen Entwicklungshilfe ist die Frage des sozialen Status der Entwicklungshelfer im Ausland auf das engste verbunden. Wir sollten die Bundesregierung bitten, in dieser Frage recht bald initiativ zu werden, damit diese Entwicklungshelfer einen sozialen Status bekommen, der ihnen bei der schwierigen Tätigkeit, die sie für uns im Ausland ausüben, die notwendige Sicherheit gibt. Sie müssen ferner die Gewähr haben, daß für sie, wenn sie zurückkommen, gesorgt werden wird.
Auch wir bedauern, daß die Rückflüsse an Aufträgen aus den Einzahlungen in den EWG-Fonds nicht so sind, wie sie sein könnten. Mit Genugtuung können wir feststellen, daß die Rückflüsse an Aufträgen aus Weltbankgeschäften befriedigend sind. Auch aus unserer Kapitalhilfe gehen die Aufträge zum überwiegenden Teil an die deutsche Wirtschaft zurück. Aber die EWG-Fonds-Quote ist nach wie vor unbefriedigend. Ich bin mit Ihnen der Ansicht, daß man in diesem Zusammenhang einmal prüfen sollte, ob nicht im Rahmen des deutsch-französischen Vertrages die Möglichkeit besteht, diese Quote im Interesse unserer Wirtschaft zu verbessern.
Entscheidend ist die Verstärkung der Investitionen der deutschen Wirtschaft in den Entwicklungsländern. Sie und mein Freund Gewandt haben diesen Punkt schon erwähnt. Mit großer Freude habe ich zur Kenntnis genommen, daß Sie, Herr Kollege Wischnewski, und Ihre Fraktion bereit sind, uns bei den Bemühungen um eine Verbesserung des Klimas für Investitionen der deutschen Wirtschaft in den Entwicklungsländern zu unterstützen. Dazu sind eine Reihe von Maßnahmen notwendig, Einige sind schon genannt worden. Es ist von einer besseren
Kapitalschutzsicherung für solche Investitionen gesprochen worden. In diesem Zusammenhang sollten wir auch daran denken, das Entwicklungshilfesteuergesetz für Investitionen in den Entwicklungsländern in bezug auf die Abschreibungen zu verbessern. Ich denke dabei weniger an die Höhe des Satzes der Abschreibung als vielmehr an die Ausdehnung der Abschreibungsmöglichkeiten auf die gesamte Investition, möge es sich nun um Grundstückskäufe oder um Kredite, die Beteiligungen gleichzusetzen sind, handeln.
Ich bedaure, daß heute abend zu dieser späten Stunde so wenig Zuhörer zum Thema Entwicklungshilfe anwesend sind. Über die Notwendigkeit der Entwicklungshilfe besteht wohl kein Zweifel, und gerade der Kreis, der heute abend noch versammelt ist, braucht keine Belehrung darüber, wie wichtig die Entwicklungshilfe als einzige Ausdrucksmöglichkeit unseres politischen und kulturellen Wollens in der Welt ist. Vielleicht ist es aber angezeigt, hier einmal an diejenigen zu appellieren, die heute leider nicht anwesend sind, damit sie der Entwicklungshilfe mit mehr Bekennermut zur Seite stehen, wenn es darum geht, diese Maßnahmen auch nach draußen zu verteidigen. Leider ist die Entwicklungshilfe bei verschiedenen Anlässen von vielen Leuten lediglich als eine Art Feuerwehr zur Löschung politischer Feuer benutzt worden. Man hat es unterlassen, ihr auch in normalen Zeiten und bei normalem Verlauf die Bedeutung zuzuerkennen, die sie verdient. Sicher ist die Problematik groß. Wir haben aus unseren eigenen Fehlern und aus den Fehlern von anderen gelernt.
Ich glaube, wir überschätzen ständig das Verständnis der Entwicklungsländer für unsere politische Situation, für die Ost-West-Teilung und vielleicht auch für das deutsche Problem. Wir sollten uns darüber klar sein, daß die politische und soziale Situation in den meisten Entwicklungsländern diese zunächst einmal für kommunistische Ideologien eher empfänglich macht als für die Demokratie. Unsere Aufgabe besteht darin, in diesen Ländern die Freiheit zu demonstrieren, und dazu ist die Bundesrepublik Deutschland ganz besonders aufgerufen, nicht zuletzt auch auf Grund der Tatsache, daß sie nicht die koloniale Vergangenheit hat, die viele unserer westlichen Freunde bei ihrer Tätigkeit hemmt.
Ich glaube, wir sollten uns auch darüber klar sein, daß mehr Verständnis für die eigenen Probleme der Entwicklungsländer unbedingt notwendig ist. Wir sollten in den Gesprächen mit den Entwicklungsländern unsere Probleme nicht ständig überbewerten, sondern auch versuchen, ihre Wünsche, ihre Probleme und ihre Nöte zu sehen, und den Staatsmännern dieser Länder. das Gefühl geben, daß sie mit uns nicht nur über unsere Probleme, sondern auch über ihre Probleme sprechen können.
Erlauben Sie mir einige kurze kritische Bemerkungen über die Entwicklungshilfe des Westens. Wir haben infolge mangelnder Konzentration leider erleben müssen, daß die außerordentlich geringe Entwicklungshilfe des Ostens sehr oft sehr spektakuläre Erfolge erzielt hat, während wir mit unserer
großen Streuung diese Erfolge nicht erzielen konnten. Es ist in diesem Zusammenhang interessant, sich einmal vor Augen zu führen, daß die Entwicklungshilfe des gesamten Ostblocks zu der des Westens im Verhältnis von 3 : 97 steht. Interessant ist in diesem Zusammenhang auch eine weitere Zahl: Die Entwicklungshilfe der Zone beträgt 1 % der Entwicklungshilfe der Bundesrepublik Deutschland. Trotz dieses völligen Mißverhältnisses ist es der Sowjetunion und dem Ostblock gelungen, in einigen Gebieten durch eine starke Konzentration der Mittel auf wenige Länder Einbrüche zu erzielen.
Ich möchte hier nicht einer Politik das Wort reden, die sich ganz grundsätzlich aus vielen Ländern zurückzieht, um sich auf wenige zu konzentrieren. Aber wir sollten überlegen, ob wir auf die Dauer in der Lage sind, vernünftige Entwicklungshilfe an 85 Länder zu geben, und ob man nicht die vorhandenen Mittel noch stärker auf Länder konzentrieren sollte, in denen schon eine gewisse Basis gefunden worden ist, in denen sich schon gewisse Erfolge abzeichnen.
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Die Betrachtung unserer Entwicklungshilfe aus der Perspektive der Entwicklungsländer und aus der Perspektive unserer Konkurrenten, wenn ich sie so nennen darf, des Ostblocks und Chinas, gibt interessante Aufschlüsse. Während die Chinesen inzwischen dazu übergegangen sind, die Entwicklungshilfe der Sowjetunion, des Ostblocks und des Westens grundsätzlich in einen Topf zu werfen, hat sich in den Entwicklungsländern inzwischen doch eine Unterscheidungsfähigkeit für die Leistungen dieser drei verschiedenen Mächte herausgebildet. Wir können mit Befriedigung feststellen, daß die Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten dieser Länder, deren wir uns befleißigt haben, ihre Früchte zu zeitigen beginnt, während auf der anderen Seite die chinesische Entwicklungshilfe, die nichts anderes als verkappte Subversion ist, die Folgen gebracht hat, die von Anfang an zu erwarten waren. Ich brauche hier nur an die Entwicklung in Afrika zu erinnern.
Ich glaube, wir sollten eine solche Diskussion mit einigen Bitten und einigen Anregungen an die Bundesregierung, die sowieso noch zu den Ausführungen der verschiedenen Redner Stellung nehmen wird, schließen.
Ich möchte die Bundesregierung bitten, in Zukunft der Tatsache stärkere Berücksichtigung zu geben, daß Entwicklungshilfe, wenn sie auf die Dauer erfolgreich sein will, etwas langfristiger sein muß, als dies im Augenblick der Fall ist. Eine sinnvolle Entwicklungshilfe ohne eine etwas langfristige Finanzplanung ist sicherlich nicht erfolgreich. Ich bin der Ansicht, daß man - ich habe es schon erwähnt - vom Gießkannenprinzip abrücken sollte und stärker auf die Konzentration und auf die Schwerpunktbildung gehen sollte.
Ich bin der Meinung, daß wir in Zukunft die Kapitalhilfeprojekte und die Technische-Hilfe-Projekte enger aneinanderrücken sollten. Wir sollten Technische Hilfe geben, wo wir schon Kapitalhilfe gegeben haben, und wir sollten versuchen, einen
Verbund dieser Projekte herbeizuführen, um dadurch den Erfolg beider Projekte größer zu gestalten. Wir sollten nach meiner Meinung auch die Landwirtschaft stärker beachten, als das bisher der Fall war, und wir sollten vielleicht in manchen Ländern von Industrialisierungsprojekten zugunsten der Förderung der landwirtschaftlichen Produktion absehen. Wir sollten die Regierung bitten, noch mehr zu tun, um die menschliche Entwicklungshilfe, die Entsendung deutscher Entwicklungshelfer in die Entwicklungsländer zu verstärken, und wir sollten schließlich die Bundesregierung bitten, die Öffentlichkeitsarbeit innen und außen zu verstärken und zu verbessern, um gerade auch unserem Volk klarzumachen, worum es bei der Entwicklungshilfe geht, um vor allen Dingen auch deutlich zu machen, daß die gesamte deutsche Entwicklung projektgebunden ist, daß kein Projekt der Kapitalhilfe von uns genehmigt wird ohne die neutrale Prüfung der Kreditanstalt für Wiederaufbau, die in diesem Zusammenhang vielleicht etwas mehr herausgestellt werden sollte als eine unbestechliche neutrale Prüfungsstelle, die sämtliche Gelder vor der Auszahlung prüft. Ich glaube, wir sollten auf diese Art und Weise versuchen, unserer Bevölkerung deutlich zu machen, daß Entwicklungshilfe nicht nur notwendig ist, sondern daß sie auch in einer Art und Weise gewährt wird, die keinen Raum für die Kritik läßt, die wir heute leider so oft aus einer unsachlichen Presse hören müssen.
({3})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Hellige.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach einem so ausführlichen mündlichen Bericht und zwei so trefflichen Vorrednern kann man sich, wie ich glaube, in diesem Hohen Hause nur noch Freunde erwerben, wenn man sich recht kurz faßt.
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Sie werden also sicher damit einverstanden sein, daß ich den Katalog meiner Stichworte arg zusammenstreiche und nur noch spreche, wo ich glaube, Akzente setzen zu müssen, oder wo ich anderer Meinung bin.
Zunächst darf ich für meine Freunde sagen, daß auch wir Freien Demokraten in der Entwicklungshilfe eine Aufgabe sehen, der wir uns nicht entziehen können aus Gründen der Verantwortung gegenüber unseren Mitmenschen; weil andere uns in der Zeit geholfen haben, wo wir die Hilfe gebraucht haben; weil wir die jungen Nationen bei der freien Hälfte der Welt halten wollen und schließlich, weil auch wir der Auffassung sind, daß der Weltfrieden als Voraussetzung den Ausgleich der Spannungen zwischen den reichen und den armen Völkern hat. Wir treiben Entwicklungshilfe also auch durchaus im eigenen Interesse, weil wir der Meinung sind, daß Freundschaft gepflegt werden muß und daß wir Freunde gewinnen müssen, wenn wir unsere eigenen legitimen Interessen gefördert sehen wollen. Und schließlich wünschen wir, daß unsere Wirtschaft auf den Märkten der Zukunft heimisch wird.
Nun, meine Damen und Herren, es ist hier über die Verpflichtung, die wir gegenüber der Welthandelskonferenz und der OECD eingegangen sind, gesprochen worden. Es sind Zahlen genannt worden. Wir sind mit 0,9 % im vorigen Jahr und mit 0,84 % in diesem Jahr passiv gegenüber 1,0 % unseres Bruttosozialproduktes. Wir wissen, daß unsere öffentlichen Leistungen erheblich zugenommen haben, daß die Wirtschaft aber nicht recht mitgetan hat. Wir sehen die Schwierigkeiten, die sich aus dem Kapitalmangel ergeben. Der Kapitalmarkt ist ja heute sehr überfordert. Wir wissen, daß die Wirtschaft sich gern lukrativere Objekte auswählt. Wir wissen, daß wir noch einiges zur Kapitalsicherung und sicher auch zur Kredithilfe tun müssen, und ich meine, wir sollten uns über diese Probleme im Ausschuß noch einmal ausführlich unterhalten.
Als das Entwicklungsministerium vor vier Jahren zu arbeiten anfing, fand es bereits einen Zusagebetrag von 7 Milliarden DM vor. Das ist der Berg, von dem einer meiner Vorredner so nett gesagt hat, daß wir ihn vor uns herschieben und daß er in Kürze auf uns zukommt. Diese Zusagen, die inzwischen nun auf knapp 8 Milliarden gestiegen sind, werden im Schnitt innerhalb von fünf Jahren realisiert. Das besagt also, daß wir, wenn wir von diesem Berg jährlich 1,5 Milliarden abtragen, etwa die gleiche Summe zukarren müssen, wenn wir ihn in der gleichen Höhe erhalten wollen. Diese Höhe entspricht ja unserer Beteiligungsverpflichtung gegenüber den anderen Industriestaaten und gegenüber der OECD. Wenn wir weniger hinzukarren, werden wir in wenigen Jahren einen Leistungsabfall feststellen und werden dadurch in eine schwierige Lage gegenüber unseren Verbündeten und auch gegenüber den Entwicklungsländern kommen.
Nun wäre natürlich die Frage, ob man nicht das gleiche erreichen kann, indem man die Realisierung der Projekte hinausschiebt, indem man also das ganze etwas „in der Länge verdünnt". Eine .lange Dauer der Realisierungen verärgert die Partner. Ich habe das einmal sehr deutlich in einem südostasiatischen Staat gehört, als wir dort dem Staatschef mitteilten, wir hätten ein verhältnismäßig sehr billiges Objekt bewilligt, das 80 000 DM kostete, und als uns darauf gesagt wurde: „Un autre fantôme allemand", ein weiteres deutsches Luftbild. Der betreffende Herr wartete nämlich schon über fünf Jahre auf die Eisenbahnwaggons, die er für die 385 km seiner Staatsbahn so gerne gehabt hätte, und ich habe volles Verständnis dafür. Es ist eine alte Regel, daß doppelt gibt, wer schnell gibt. Die schnellere Abwicklung empfiehlt sich; nur, wenn wir sie durchführen wollen, dann müssen wir unsere Ansätze erhöhen. Ich glaube, darüber herrscht in diesem Hause durchaus Einverständnis. Zum anderen dürfen wir unter gar keinen Umständen eine genaue Prüfung der einzelnen Projekte unterlassen.
Der Entwicklungsausschuß hat den Regierungsvoranschlag sehr sorgfältig geprüft und ist der Mei2050
nung, daß er sorgfältig kalkuliert ist. Inzwischen kommen eine ganze Reihe weiterer Vorhaben auf uns zu, die nicht vorgesehen waren. Hier wurde schon die Hilfe für Israel in der Höhe von 160 Millionen DM genannt. Meine Damen und Herren, wir wissen genau, daß auch die Normalisierung unserer Beziehungen zu den Arabern nicht ohne Opfer unsererseits abgehen wird, die ebenfalls nicht vorgesehen sind in der bisherigen Kapitalhilfe.
Wir sprechen von Vietnam. Wenn ich mich nicht irre, sind bisher für Vietnam im Einzelplan 60 15 Millionen DM für das Schiff und die Medikamente vorgesehen. Wer aber heute in die Zeitung gesehen hat, der hat gefunden, was die Mysten schon seit langem wissen, daß wir nämlich noch sehr viel mehr tun müssen. Da ist die Rede von Omnibussen, die geliefert werden sollen, von Brunnen, die erbohrt werden sollen; wir müssen etwas geben für die Malteser, die dort hingeschickt werden sollen und dergleichen mehr.
Es war die Rede von Indonesien, und ich glaube, dort sollte in der Tat von uns Entwicklungshilfe geleistet werden. Wir werden für Südamerika etwas mehr tun müssen; Ghana ist auch schon genannt worden.
Dies sind alles Summen, die in den bisherigen Anschlägen nicht stehen.
Trotzdem ist die Entwicklungshilfe in der Kapitalhilfe um 220 Millionen DM und in der Technischen Hilfe um 29 Millionen DM gekürzt worden. Hier soll nun das eine einmal ganz deutlich ausgesprochen werden: Diese Kapitalhilfe ist nicht hinausgeworfenes Geld. Es handelt sich dabei zu etwa 95 % um rückzahlbare Darlehen, die uns bisher, da die Entwicklungsländer recht zuverlässige Schuldner sind, ja auch immer zugegangen sind. Denn jeder, der da sündigen würde, würde sich im Hinblick auf weitere Hilfe schädigen. Es ist ein geringer Trost, meine Damen und Herren, wenn wir uns vergegenwärtigen, daß die Hälfte des Jahres nun schon vergangen ist und daß wir in das nächste Jahr Vorhaben hinüberretten können. Wir haben noch so viele Projekte liegen, die verschoben worden sind, weil auch im letzten Jahr die Ansätze der Bindungsermächtigungen ungenügend waren. Wenn wir uns das vornehmen, dann müssen wir schon jetzt gewillt sein, im nächsten Etat erheblich größere Mittel einzusetzen.
Ich muß hier nun über die Kürzungen sprechen und mich mit dem Haushaltsausschuß befassen, wobei es mir völlig fernliegt zu polemisieren. Die Kollegen im Haushaltsausschuß leisten sehr viel Arbeit, das wissen wir alle, sie leisten eine sehr undankbare Arbeit. Man erwirbt sich mit Streichung keine Freunde. Freilich wird im Haushaltsausschuß - das sei am Rande gesagt - nicht nur gestrichen. Der Titel 304 ist beispielsweise von 4 Millionen auf 5 Millionen heraufgesetzt worden, ich möchte sagen: „Gewandt" heraufgesetzt worden; denn der Fachausschuß hatte das in gar keiner Weise gewünscht.
Dem Haushaltsausschuß kommt die bittere Pflicht zu, den Etat im Rahmen des haushaltsmäßig Möglichen zu halten. Wenn aber Entscheidungen getroffen werden müssen, die die Beweglichkeit der Bundesregierung auf einem wesentlichen Teilgebiet der Außenpolitikaufheben, dann sollte die Verantwortung für diese Beschlüsse nicht ausschließlich beim Haushaltsausschuß liegen; denn sonst könnten wir das übrige Parlament nach Hause schicken. Meine Damen und Herren, solche Probleme müssen in größerem Rahmen diskutiert werden. Es müssen vor allen Dingen die Ausschüsse beteiligt werden, die die Materie gründlich untersucht haben. Ich bin also der Meinung, daß wir in Zusammenarbeit mit den Kollegen des Haushaltsausschusses nach Möglichkeiten suchen sollten, Verantwortung sachgemäß abzugrenzen.
Ich bedaure es ganz besonders, daß die Kürzungen die Technische Hilfe betroffen haben. Den jungen Nationen Wissen und Können zu vermitteln, ist sicher eine unserer vornehmsten Pflichten. Hier ergeben sich die stärksten menschlichen Kontakte. Hier haben wir es mit Leuten zu tun, die die erworbene Kenntnis und die erworbene Freundschaft weiter vermitteln. Da Technische Hilfe im wesentlichen im Einsatz von Menschen besteht, ist lange Planung notwendig; denn wir können die Verträge doch unmöglich erst kurz vor Ablauf verlängern.
Lassen Sie mich noch einiges zu der multilateralen Entwicklungshilfe sagen. Sie beträgt in unserem Etat etwa 222 Millionen DM. Ein Teil unserer Entwicklungshilfe wird also mit den anderen Industrienationen zusammen vergeben. Sie kennen die Entwicklungsprogramme der UNO, der Weltbank und ihrer Tochter - der IDA -, der FAO, der EWG mit ihrem Europäischen Entwicklungsfonds und schließlich die eben erst gegründete Asiatische Entwicklungsbank.
Die Urteile über die bilaterale und über die multilaterale Entwicklungshilfe sind sehr verschieden. Es .gibt Befürworter nur der einen, es gibt Befürworter nur der anderen Art. Ich möchte sagen, der Nachteil bei der multilateralen ist, daß unsere eigene Leistung wenig in Erscheinung tritt. Oftmals werden unsere Firmen nicht gut beteiligt. Oftmals sind wir auch personell etwas unterrepräsentiert. Das ist leicht erklärlich. Die alten Kolonialmächte verfügen über Personal mit Auslandserfahrung. Oft ist dieses Personal im Lande geblieben. Häufig handelt es sich um die Frage, wie man die nun arbeitslos gewordenen Kolonialbeamten unterbringen könne. Wir Deutschen haben leider sehr wenig Welterfahrung. So glaube ich mich dem Beifall meiner beiden Vorredner für das Deutsche Institut für Entwicklungspolitik, das Akademiker für Führungsaufgaben ausbildet, voll anschließen zu können. Ebenso gilt mein Beifall den Arbeiten der CarlDuisberg-Geselischaft.
Meine Damen und Herren, Personalmangel ist in der Bildungshilfe natürlich ein sehr starkes Handikap. Der Bund hat weder Lehrer noch Wissenschaftler zur Verfügung. Die Länder haben sehr viel Verständnis und sind bemüht zu helfen. Aber die Länder leiden selbst unter Personalmangel. So haben sich die Hochschulen einer Reihe Patenschaften angenommen. Die Erfahrungen sind nicht immer sehr positiv. Ich denke an Hué, an Kabul; jetzt hat Göttingen in Ankara mit vielversprechenden UnterDr. Hellige
nehmungen gerade begonnen. Man sollte den Hochschulen und der Wissenschaft dafür danken.
Meine Damen und Herren, das Ministerium hat die Entwicklungshilfe vor vier Jahren aus den romantischen Vorstellungen der Anfangszeit auf eine sehr nüchterne Basis gestellt und den Anforderungen der Außenpolitik angepaßt. Es würde sicher sehr viel wirksamer arbeiten können - darin stimme ich Herrn Wischnewski voll zu -, wenn seine Zuständigkeit besser abgerundet würde. Seine Tätigkeit hat bei uns im Inland einen wachsenden Beifall gefunden, sie ist im Ausland hoch angesehen. Wir stimmen daher seitens der Freien Demokraten dem Einzelplan 23 zu.
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Vizepräsident' Schoettle: Das Wort hat der Abgeordnete Gewandt.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Um Mißverständnisse zu verhindern, möchte ich zu den effektiven Zahlen etwas sagen. Aber gestatten Sie mir eine ganz offene Bemerkung. Sicher wird im ganzen Haus gewünscht, daß wir möglichst bald zu allen Ländern des Nahen Ostens zu normalen Beziehungen kommen. Aber hier gewissermaßen vom Podium des Parlaments herab einen Anreiz zu geben, bei solchen Verhandlungen auf Entwicklungshilfe zu schielen, halte ich, offen gesagt, für untunlich.
Aber nun möchte ich zu den Zahlen zurückkehren. Kollege Wischnewski, es ist in Paris festgestellt worden, daß unsere Leistungen von 0,9 % auf 0,84 % gesunken sind. Das ist eine Senkung um 0,06 %. Sie werden zugeben, daß sich diese Reduzierung doch in einem kleinen Rahmen hält. Es muß hier aber gesagt werden - ich habe schon vorhin darauf hingewiesen -, daß es sich nicht um Leistungsminderungen handelt, die wir hier zu vertreten haben, sondern um Leistungsminderungen der privaten Hand.
Nun heißt es in dem Bericht - und wenn man über einen Bericht spricht, dann muß man ihn auch voll zitieren -:
Positiv bewertet wurde in Paris die Tatsache, ,daß die verlorenen Zuschüsse ,der Bundesregierung an die Entwicklungsländer auf 703 Millionen zugenommen haben.
Wie sieht denn nun das Zahlenwerk real aus? Im vergangenen Jahr waren von der Bundesregierung 810 Millionen DM Bindungsermächtigungen vorgesehen. In diesem Jahr sind es 1,5 Milliarden DM Hiervon sind nun Abstriche abgegangen. Wie sieht es aber mit den Baransätzen aus? Im vergangenen fahr haben die Baransätze der Länder - ich erwähne das hier nur aus Gründen der Courtoisie und des Bundes bei 1,4 Milliarden DM gelegen,
heute liegen sie bei 2,1 Milliarden DM. Das ist also eine erhebliche Zunahme. Es muß hier gesagt werden, daß die Streichungen bei einem Haushalt, der mehrere Milliarden umfaßt, tatsächlich nur 35 Millionen DM betragen haben. Das heißt also, daß
meine These, daß wir hier mit Streichungen zurückhaltend waren, zutrifft.
Eines sollten wir auch oder gerade bei der Erörterung dieses Haushaltsplans nicht übersehen. Warum haben wir denn Reduzierungen des Volumens vorgenommen? Um die Stabilität unserer Wirtschaft und unserer Finanzen zu erhalten. Und wem muß daran gelegen sein, daß wir stabile Verhältnisse haben? Den Entwicklungsländern, die nur dann Erwartungen an uns richten können, wenn wir eine prosperierende stabile Wirtschaft haben.
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Ich glaube, vor diesem Hintergrund betrachtet, ist durchaus gerechtfertigt, was im Haushaltsausschuß beschlossen wurde.
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Das Wort hat Herr Staatssekretär Dr. Vialon.
Herr Präsident! Meine verehrten Damen! Meine Herren! Herr Bundesminister Scheel wird es sicher am meisten bedauern, daß er wegen familiären Mißgeschicks, das ihn betroffen hat, nicht gleich zu der heutigen Debatte über seinen Einzelplan Stellung nehmen kann. Er wird das sicher bald in der gebotenen Weise nachholen, Ich selbst möchte mich darauf beschränken, zu einigen Darlegungen in dieser Debatte, die besonders wichtig erscheinen, einige kurze Bemerkungen zu machen, zunächst zur Frage der Position der Entwicklungshilfe in der deutschen Öffentlichkeit und der Anerkennung der Entwicklungspolitik.
Zuvor aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, möchte ich mich für das hohe Niveau der bisherigen Diskussion bedanken. Ich glaube, daß viele der hier geäußerten Auffassungen uns sehr weiterhelfen werden, uns ausgesprochen behilflich sind. Ich glaube auch jetzt schon sagen zu sollen, daß wir den meisten der hier geäußerten Ansichten ohne Vorbehalt zustimmen können. Das gilt insbesondere für die Feststellung, daß die Entwicklungshilfe der Bundesrepublik eine Verpflichtung der deutschen Politik überhaupt ist.
Lassen Sie mich - wenn ich nun rasch die Diskussion einmal vorüberziehen lasse - an die zweite Stelle etwas rücken, was wir mit großer Freude registrieren, nämlich, daß die heutige Finanzausstattung der Entwicklungshilfe möglicherweise noch verbesserungsfähig erscheint. Ich glaube wirklich, daß damit von den Beteiligten eine sehr klare Antwort zu unserem Hauptanliegen gegeben worden ist.
Wir teilen die Auffassung, daß die soziale Strukturhilfe verstärkt werden muß. Wir bemühen uns im Augenblick schon darum. Es ist auch ganz klar, daß eine wirtschaftliche Integration ohne gesellschaftliche Infrastruktur undenkbar ist. Ich glaube, Herr Abgeordneter Gewandt, daß wir diese These auch wissenschaftlich klargestellt haben. Die Be2052
deutung der Öffentlichkeitsarbeit muß außer Zweifel stehen. Ich möchte nachher in einer Sonderbemerkung darauf eingehen. Wir stimmen innerhalb der Bundesregierung und mit diesem Hohen Hause absolut darin überein, daß die Technische Hilfe noch stärker als bisher betont werden muß. Wir glauben ebenfalls, daß die Kapitalhilfe eine gewisse innere Umstellung erfahren muß. Es müssen, wie gesagt worden ist, kleinere Einheiten sein. Das Verhältnis zwischen Infrastruktur und kommerziellen Planungen muß etwas anders werden, und die Bedingungen der Kapitalhilfe müssen der Situation der Entwicklungsländer angepaßt werden.
Wir bedauern mit Ihnen, meine verehrten Damen und Herren, daß die bisherigen steuerlichen Hilfen für die Entwicklungspolitik nicht ganz ausgenutzt worden sind. Wir möchten daran die Bitte knüpfen, daß gewisse Vorschläge, die aus diesem Hause kommen werden, die steuerlichen Hilfen zu verbessern, auf einen guten Boden fallen.
Die Verschuldungslage der Entwicklungsländer ist die Hauptsorge der Geberländer. Deshalb ist es selbstverständlich, daß wir bei unserer täglichen Arbeit diesen Gesichtspunkt berücksichtigen.
Nun ist sehr bewegt darüber geklagt worden, daß der Zeitraum zwischen der Zusage einer Hilfe und der Erfüllung zu lang sei. Das ist in der Tat so. Alle Beteiligten, vornehmlich die Kreditanstalt, bemühen sich um dieses Problem. Ich darf sagen, daß wir die Dinge nun auch von der technischen Seite aufgegriffen haben, so daß wir diesem Schmerz der Regierungen der Entwicklungsländer in absehbarer Zeit wohl abhelfen können.
Das Problem der Abgrenzung von ziviler Entwicklungshilfe - wenn ich einmal diesen Ausdruck gebrauchen darf - und militärischer Ausstattungshilfe ist, glaube ich, Herr Abgeordneter Wischnewski, bisher richtig gesehen worden. Wir halten bei der Entwicklungshilfe die beiden Dinge streng getrennt. Ich bitte, sich darauf zu verlassen, daß hier keine Vermischung stattfindet, bei den Informationen selbstverständlich, denn gewisse reale Berührungspunkte können wegen des Inhalts der beiden Hilfen natürlich nicht vermieden werden.
Ich muß mit aller Klarheit sagen, daß der Grundsatz, daß die Freunde der Bundesrepublik den ersten Anspruch auf Entwicklungshilfe haben, von uns klar erkannt und gewürdigt wird.
Was die Frage der Erfolgskontrolle angeht, die hier angesprochen worden ist, darf ich sagen: Die Schwierigkeit besteht darin, daß die Entwicklungshilfe ihrer Natur nach eine langfristige Wirkung hat; sie soll aber schon kurzfristig gesehen werden. Hier müssen wir neue Methoden versuchen. Wie Sie wissen, haben wir einiges unternommen. Ich erkläre ganz offen, daß das noch nicht sehr erfolgreich ist; aber ich glaube, in absehbarer Zeit wird man auch hier klarer sehen.
Die Berücksichtigung der Interessen der deutschen Wirtschaft im Rahmen der Entwicklungspolitik ist ein Thema, von dem ich sagen kann, daß es uns täglich durch die Türen und Fenster hereingetragen
wird. Ich möchte nachher noch mit einem Satz darauf eingehen.
Soeben ist schon von dem Herrn Abgeordneten Kiep dargelegt worden, daß die Rückwirkung der Entwicklungshilfe auf die deutsche Wirtschaft prozentual gut ist; lassen Sie mich sagen: überaus befriedigend. Nicht so ist es allerdings bei dem EWG-Fonds. Nun darf ich darauf aufmerksam machen, daß mein Herr Minister vor einigen Wochen, wie ich glaube, in einer Form, die auch außerhalb unserer Grenzen Beachtung gefunden hat, die Frage aufgeworfen hat, ob nicht allmählich eine regionale Aufteilung der Fondsmittel der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft verordnet werden muß. Das Ganze ist nicht einfach. Aber ich glaube, wir müssen uns diesem Thema jetzt widmen.
Die Projektbindung als These der deutschen Entwicklungspolitik steht außer Zweifel. Wir haben bisher nur ganz wenige Ausnahmefälle, bei denen von der strengen Bindung der Hilfe an ein Projekt, das natürlich konkret, genau bezeichnet ist, abgesehen worden ist. Es sind aber bei diesen Ausnahmen überwiegend keine freien Programmhilfen gegeben worden, sondern es ist der Versuch gemacht worden, dies Hilfen mindestens in einen allgemeinen Projektbereich zu bringen.
Prestigeprojekte liegen wohl schon einige Jahre zurück. Ich will nicht bestreiten, daß sie uns gelegentlich angesonnen werden. Aber sie haben im Augenblick wohl keinerlei Aussichten.
Was schließlich das ausgewogene Verhältnis zwischen bilateraler und multilateraler Hilfe angeht, von dem der Herr Abgeordnete Wischnewski gesprochen hat, so möchte ich folgendes sagen: Wir sind der Auffassung, daß wir bei unserem Kurs bleiben sollten. Aber gerade ihm ist, glaube ich, bekannt, daß dieses Problem nicht zur Ruhe kommt und daß wir unsere Haltung täglich verteidigen müssen.
Die Bedeutung der personellen Hilfe liegt für jeden Kenner der Entwicklungspolitik klar auf der Hand. Die Marktlage der Bundesrepublik bereitet hier natürlich gewisse Schwierigkeiten. Erfahrene Kenner der Entwicklungsländer von früher her sind verhältnismäßig selten.
Die Sicherung des sozialen Status der Entwicklungsländer haben wir in die Hand genommen. Ich glaube, daß Sie die ersten Initiativen demnächst auch in diesem Hause feststellen werden. Das Problem ist schwierig. Ich darf mir erlauben, auf die Auseinandersetzung im Ausschuß für Entwicklungshilfe zu verweisen.
Die stärkere Konzentration der westlichen Hilfe, auf die der Herr Abgeordnete Kiep aufmerksam gemacht hat, gegenüber beispielsweise der Hilfsmethode des Ostblocks, ist eine schwierige Frage. Sie gehört zu den großen Problemen der Entwicklungspolitik. Sie betrifft die sogenannte Schwerpunktbindung.
Zugunsten erfolgreicher Länder wollen auch wir uns bemühen, immer mit geeigneten Hilfen zur Verfügung zu stehen. Bekanntlich ist das Ganze aber
auch eine schwierige außenpolitische Frage. Wir haben in unseren Statistiken immer darauf aufmerksam gemacht, daß eine gewisse Konzentration jetzt schon insofern stattfindet, als 70 % der deutschen Hilfen nur an etwa 15 Entwicklungsländer gegeben werden. Aber wenn wir weiteres anstreben, werden wir - wie ich vorsichtigerweise sagen möchte - möglicherweise bei unserer neuen Aktion von der Außenpolitik und von der Wirtschaft nicht ganz unterstützt werden.
Nun die angekündigten allgemeinen Bemerkungen. Es ist schon gesagt: es ist etwa zehn Jahre her, seitdem wir systematisch, und fünf Jahre, seitdem wir intensiv Entwicklungspolitik betreiben. Ohne Übertreibung kann man feststellen, in dieser Zeit haben wir einige Höhen und Tiefen dieser nicht ganz risikolosen Beschäftigung hinter uns gebracht. Wenn wir an diesem Haushalt 1966, den Sie jetzt verabschieden, mit 1,5 Milliarden beteiligt sind, verbietet diese Tatsache, die Höhe unserer Leistung - das darf ich einmal ganz klar sagen -, einfach die Behauptung, daß das deutsche Volk ein geiziges Volk sei, wie es kürzlich in einer noch etwas temperamentvolleren Formel eine besorgte ausländische Zeitung schrieb. 1,5 Milliarden - das ist gleichzeitig ein kleines Eingehen auch auf die Diskussion in ihrem letzten Stadium - sind ein ansehnlicher Betrag zur außenpolitischen Bewegungsfreiheit der Bundesrepublik, und gewiß hätten sich für diese anderthalb Milliarden auch andere Ausgabemöglichkeiten gefunden. Wir werden täglich, wie Sie ahnen, darauf aufmerksam gemacht, nicht nur vor und nach Wahlkämpfen. Aber die ganze Philosophie der Entwicklungshilfe steckt eben in der Gegenfrage, wie es um die politische und wirtschaftliche Zusammenarbeit Deutschlands mit der übrigen Welt stünde, wenn wir unseren Beitrag zu dem Fortschrittsprozeß der übrigen Welt unterließen.
Die Position der Entwicklungshilfe - das darf ich einmal mit der gebotenen Nüchternheit sagen - im innerpolitischen Leben der Bundesrepublik ist nicht sehr stark. Wir leiden gelegentlich darunter. Die demoskopischen Verbesserungen des Bildes erfreuen uns. Aber an vielen entscheidenden Stellen ist die Meinung über die Entwicklungspolitik noch nicht gut genug. Unsere Öffentlichkeitsarbeit - das darf ich klar sagen - betrachten wir selbst mit etwas nüchterner Sorge. Aber wir finden auch in anderen Geberländern keine besseren Programme; im Gegenteil. Wir haben z. B. 20 000 DM für die Öffentlichkeitsarbeit in den einzelnen Entwicklungsländern. Damit ist sicherlich nicht allzu viel Staat gemacht, und Sachverständige unter Ihnen bestätigen uns das täglich. Manchmal ist es auch wichtiger, in anderen Geberländern etwas über unsere Hilfen zu sagen, und das erfordert ebenfalls Mittel. Wir haben mit großer Freude registriert, daß man uns künftig einen gewissen Hundertsatz der Projektmittel für Öffentlichkeitsarbeit geben will. In der Tat ist mit der Darstellung der allgemeinen Motivation der Entwicklungshilfe nicht mehr viel Goodwill zu ändern. Die einen halten uns, wenn wir allzuviel die humanitäre Seite betonen, für verträumte Sozialpolitiker, die anderen für bloße Pädagogen, die dritten für Handelsvertreter usw. Da ist es viel besser,
konkret zu zeigen, was man tut, um die unerträgliche Spannung einiger Entwicklungsländer objektiv zu vermindern. Das ergibt nach unserer Auffassung eine sachliche Basis für unsere Öffentlichkeitsarbeit, von der wir hoffen, daß sie in diesem Hause bald eine etwas bessere Note erhält.
Nun darf ich ein paar Bemerkungen zu der finanzpolitischen Seite machen. Die 1,5 Milliarden werden draußen nicht als große Leistung anerkannt. Sie haben ja in der Debatte die Frage dieses 1 %, nicht des Brutto-Sozialproduktes, wie ich sagen darf, sondern des Volkseinkommens behandelt. Wir sind also per Saldo jetzt gegenüber unserer früheren Leistung etwas abgefallen. Es ist nicht nennenswert. Deshalb haben wir jetzt auch wegen dieses Haushalts einen gewissen Kummer gehabt. Es stünde mir schlecht an, wenn ich das verschweigen wollte.
Beim Ansatz der Kapitalhilfe waren wir betrübt, weil schon im Vorjahr eine Streichung dieses Ansatzes eine hohe überplanmäßige Leistung erforderlich machte.
Bei der Bindungsermächtigung sind es also effektiv 200 Millionen DM. Die Bindungsermächtigung im Vorjahr war wesentlich geringer; das ist klar. Aber gerade deshalb war ein Verpflichtungsstau eingetreten, den wir nur mit Mühe regulieren konnten. Darf ich auch noch folgendes sagen. Es geht viel Erfolg verloren, wenn man vorher immer einschränkt, aber dann schließlich doch nachgeben muß. Deshalb haben wir uns erlaubt, so um die Höhe der Bindungsermächtigungen zu kämpfen.
Über die anstehenden Prioritäten zu sprechen, muß ich mir versagen. Jedes Wort eines Regierungssprechers zur Frage der Priorität bedeutet eine politische Bindung, mindestens eine Erschwerung der Verhandlungssituation. Aber vielleicht kann ich folgendes feststellen: die Kontinuität unserer Leistung ist leider nicht mehr gesichert. Wir werden uns Mühe geben, durch sonstige, auch private Leistungen einen Ausgleich zu schaffen.
Darf ich- in diesem Zusammenhang ein kleines Beispiel nennen. Der Euphrat hat bisher das berühmte Verpflichtungsgebirge von 4 1/2 Milliarden DM mit 350 Millionen DM belastet. Dieses Verpflichtungsgebirge wird also jetzt vielleicht um diesen Betrag ohne eine deutsche Leistung abgetragen.
Eine zweite Meinung in aller Kürze: die 4 1/2 Milliarden DM der bilateralen Kapitalhilfe sind bei einem fünf- bis .sechsjährigen Abfluß wirklich keine so furchtbar besorgniserregende Sache.
Nun ein Wort zur technischen Hilfe. Diese 4 Millionen DM, die gekürzt worden sind - ich will es nicht dramatisieren -, sind für uns nur deshalb so schmerzlich gewesen, weil der Ansatz für neue Projekte überhaupt nur 7 Millionen DM betrug, so daß uns jetzt für die Entsendung von Sachverständigen für das ganze Jahr und für alle Entwicklungsländer nur 3 Millionen DM zur Verfügung stehen. Hier wird also der Schmerz vielleicht etwas erklärlich.
Was bei der Bindungsermächtigung zu sagen ist, ist vielleicht auch ein guter Beitrag. Sie wurde um 25 Millionen DM gekürzt. Dadurch sinken wir unter
den bisherigen Ansatz, weil auch bei der technischen Hilfe immer einige Projekte auf der Strecke blei- ben. Nun, die anderen Ressorts müssen sich auch trösten. Die Entscheidung ist gefallen. Es wäre nur schade, wenn diese Entscheidung eine Verkennung der politischen Aufgabe der Entwicklungshilfe bedeutete.
Die Frage, ob die Entwicklungshilfe in einigen Ländern schon wirksam geworden ist, bejahen wir mit aller Deutlichkeit. Wir sind nicht von Enttäuschungen verschont worden.
Die Agrarseite steht bei uns - um damit eine weitere Frage zu beantworten - im Vordergrund. Es steht im Vordergrund, daß wir dem Tüchtigen helfen wollen.
Nun darf ich noch in aller Kürze sagen, was nach unserer Auffassung stärker in den Mittelpunkt der Entwicklungspolitik der nächsten Zeit rücken wird. Es ist dies erstens die zunehmende Unruhe in der Welt. Ich erlaube mir, auf die bemerkenswerte Rede U Thants in Straßburg hinzuweisen. Daraus ergibt sich, daß wir andere Methoden suchen müssen, daß die Zielsetzungen etwas klarer formuliert werden müssen. Wir fürchten, daß sich eine Vernachlässigung dieser Fragen später nicht mehr gutmachen läßt.
Das zweite ist, daß die Import-Export-Situation der Bundesrepublik von uns auch entwicklungspolitisch etwas näher betrachtet werden muß. Meine Damen und Herren, wir spüren sehr deutlich, daß die Märkte der Zukunft sich zur Zeit formieren. Vielen Dank für die Hinweise auch von Ihrer Seite. Wir müssen überall den Mut haben, das klar zu sehen und zu sagen.
Das dritte ist die Verbindung aller nur denkbaren Kräfte und Mittel. Wir haben vorhin mit Freude gehört, daß auch Sie sehen: Verbundprojekte, Mischfinanzierung, die Zusammenarbeit von öffentlichen und privaten Organisationen, von bilateralen und multilateralen Hilfsformen .müssen zusammengebracht werden.
Schließlich zu unserer Haltung gegenüber der Welthandels- oder besser Weltentwicklungskonferenz, die ja 1967 erneut zusammentritt. Meine Damen und Herren, auch hier nur ein kurzer Satz: die letzte Konferenz hat erreicht, daß sich die Entwicklungsländer formiert haben. Es müßte jetzt gelingen, daß sich auch die Geberländer auf eine Linie einigen, nicht gegen die Entwicklungsländer, sondern auf eine gemeinsame Linie der Ausschöpfung aller Entwicklungsmöglichkeiten.
Meine verehrten Damen und Herren, ich darf meine kurzen Bemerkungen schließen,
({0})
indem ich den Dank an alle Kräfte auch in diesem Hause ausspreche, die geholfen haben, den heutigen Stand unserer Leistungen zu erreichen. Darf ich sagen, daß die Bundesregierung gerade auf diese Kräfte auch in der kommenden Zeit hofft.
({1})
Je später der Abend, um so relativer sind die Zeitbegriffe.
({0})
Damit, meine Damen und Herren, ist die Aussprache geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 23
Geschäftsbereich des Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit
- Drucksache V/587 -Berichterstatter: Abgeordneter Gewandt Änderungsanträge liegen nicht vor.
Wer dem Einzelplan zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Einzelplan ist .einstimmig angenommen.
Darf ich vielleicht, bevor ich die nächsten Geschäfte in Angriff nehme, selbst um eines bitten. Meine Damen und Herren, soweit Sie noch ausgehalten haben, würden Sie mir bitte bis zum. Schluß der Sitzung Gefolgschaft leisten. Ich beabsichtige, wenn die nächsten beiden Einzelpläne ohne Debatte und ohne Abstimmung, d. h. mit Ausnahme der Schlußabstimmung, über die Bühne gegangen sind, noch einen Teil der Tagesordnung zuerledigen. Ich verspreche Ihnen, ,daß das bis 21 Uhr erledigt sein wird.
({1})
Ich rufe nun auf den
Einzelplan 28
Geschäftsbereich des Bundesministers für Angelegenheiten des Bundesrates und der Länder
- Drucksache V/592 Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Emde
Ich eröffnet die Aussprache. Das Wort wird nicht gewünscht. Die Aussprache ist geschlossen. Anträge liegen nicht vor. Wir kommen zur Abstimmung.
Wer dem Einzelplan 28 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei zahlreichen Enthaltungen ist dieser Einzelplan angenommen.
Ich rufe auf den
Einzelplan 32 Bundesschuld - Drucksache V/596 -Berichterstatter: Abgeordneter Windelen
Ich eröffne die Aussprache. - Das Wort wird nicht gewünscht. Die Aussprache ist geschlossen. Anträge liegen nicht vor. Wir kommen zur Abstimmung.
Wer dem Einzelplan 32 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei zahlreichen Enthaltungen ist dieser Einzelplan in der zweiten Beratung angenommen..
Vizepräsident Schoettle
Meine Damen und Herren, ich rufe nun den Punkt 6 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Eignungsübungsgesetzes
- Drucksache V/419 Schriftlicher Bericht des Verteidigungsausschusses ({2})
- Drucksache V/566 -Berichterstatter: Abgeordneter Prinz von Bayern
({3})
Wünscht der Herr Berichterstatter das Wort? - Das ist nicht der Fall. - Auf eine Aussprache wird ebenfalls verzichtet. Wir kommen zur Abstimmung in der zweiten Beratung. Wer dem Gesetz in der zweiten Beratung zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Sie dürfen alle mitmachen.
({4})
Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das Gesetz ist einstimmig in der zweiten Beratung verabschiedet.
Wir kommen zur
dritten Beratung.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort wird nicht gewünscht. Die Aussprache ist geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung.
Wer dem Gesetz in dritter Beratung zustimmen will, den bitte ich sich zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das Gesetz ist einstimmig angenommen.
Ich rufe auf Punkt 7:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über eine Schlachtgewichtsstatistik
- Drucksache V/610 Punkt 8:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 4. Dezember 1965 zur Errichtung der Asiatischen Entwicklungsbank
- Drucksache V/620 Punkt 9:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 30. Januar 1965 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Vereinigten Republik Tansania über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapitalanlagen
- Drucksache V/621 Punkt 10:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 4. Dezember 1964 zwischen
der Bundesrepublik Deutschland und Kenia über die Förderung und den gegenseitigen
Schutz von Kapitalanlagen - Drucksache V/622 Punkt 11:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 7. Februar 1963 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Sudan über die Förderung von Kapitalanlagen
- Drucksache V/623 Punkt 12:
. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs einens Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Überführung der Anteilrechte an der Volkswagenwerk Gesellschaft mit beschränkter Haftung in private Hand
- Drucksache V/624 Punkt 13:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über eine Statistik der Kraftfahrzeugfahrleistungen 1966/67
- Drucksache V/627 Es handelt sich dabei ausschließlich um erste Beratungen. Eine Debatte ist für all diese Entwürfe nicht vorgesehen.
Ich schlage vor, daß das Haus den Überweisungsvorschlägen des Ältestenrats zustimmt:
Der Gesetzentwurf unter Punkt 7 soll an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten - federführend - sowie an den Innenausschuß zur Mitberatung, der Gesetzentwurf unter Punkt 8 an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen - federführend - sowie dem Ausschuß für Entwicklungshilfe zur Mitberatung und gemäß § 96 der Geschäftsordnung auch dem Haushaltsausschuß überwiesen werden. Mit den Vorlagen unter den Punkten 9, 10 und 11 sollen sich der Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen - federführend - und der Auswärtige Ausschuß und der Ausschuß für Entwicklungshilfe mitberatend befassen. Der Gesetzentwurf unter Punkt 12 soll dem Ausschuß für das Bundesvermögen - federführend - und dem Rechtsausschuß und dem Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen zur Mitberatung überwiesen werden. Für den Gesetzentwurf unter Punkt 13 ist der Verkehrsausschuß - federführend - sowie der Innenausschuß zur Mitberatung und gemäß § 96 der Geschäftsordnung der Haushaltsausschuß vorgesehen.
Wer diesen Vorschlägen für die Überweisung der Vorlagen zustimmt, den bitte ich um ein Handzeichen. - Es ist so beschlossen.
Ich rufe nun Punkt 14 auf:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und
Vizepräsident Schoettle
Forsten ({5}) über den von der Bundesregierung vorgelegten 4. Bericht über die Auswirkungen der EWG-Marktorganisationen auf dem Agrargebiet für die Zeit vom 1. Juli 1964 bis 30. Juni 1965
- Drucksachen V/29, V/569 -Berichterstatter: Abgeordneter Bauknecht
Der Berichterstatter wünscht das Wort nicht. Eine Aussprache findet nicht statt.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Antrag des Ausschusses zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Keine Gegenstimmen, keine Enthaltungen; der Antrag des Ausschusses ist angenommen.
Ich rufe auf Punkt 15 der Tagesordnung:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Verkehrsausschusses ({6}) über den Vorschlag der Kommission der EWG für eine Richtlinie des Rats für die Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Bremsvorrichtungen bestimmter Gruppen von Kraftfahrzeugen
- Drucksachen V/427, V/626 -Berichterstatter: Abgeordneter Meister
Ich eröffne .die Aussprache. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Die Aussprache ist geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Antrag des Ausschusses zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Weder Gegenstimmen noch Enthaltungen; der Antrag des Ausschusses ist angenommen.
Ich rufe auf Punkt 16 der Tagesordnung:
Beratung des Antrags des Präsidenten des Bundesrechnungshofes betr. Rechnung und Vermögensrechnung des Bundesrechnungshofes für das Rechnungsjahr 1963 - Einzelplan 20 -- Drucksache V/552 Diese Vorlage soll an den Haushaltsausschuß überwiesen werden. - Dem Vorschlag wird nicht widersprochen; die Überweisung ist beschlossen.
Ich rufe auf Punkt 17:
Beratung der Übersicht 5 des Rechtsausschusses ({7}) über die dem Deutschen Bundestag zugeleiteten Streitsachen vor dem Bundesverfassungsgericht
- Drucksache V/603 Die Vorlage soll dem Rechtsausschuß überwiesen werden. - Es wird nicht widersprochen; die Überweisung ist beschlossen.
Meine Damen und Herren, ich habe mein Versprechen eingelöst; es ist noch sechs Minuten vor neun.
({8})
Ich berufe die nächste Sitzung ein auf morgen, Donnerstag, den 26. Mai 1966, 9 Uhr.
Ich schließe die heutige Sitzung.