Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet.
Zunächst eine amtliche Mitteilung: Es liegt Ihnen eine Liste zur Überweisung von Vorlagen der Bundesregierung, die keiner Beschlußfassung bedürfen, an die zuständigen Ausschüsse gemäß § 76 Abs. 2 der Geschäftsordnung vor. Danach sollen überwiesen werden
der Bericht der Bundesregierung über die Lage der Jugend und über die Bestrebungen auf dem Gebiet der Jugendhilfe - Drucksache V/302 - an den Ausschuß für Familien- und Jugendfragen - federführend - sowie an den Ausschuß für Gesundheitswesen,
die Vorlage des Präsidenten des Bundesrechnungshofs betr. Übertragung von Aufgaben auf das Bundesverwaltungsamt - Drucksache V/417 - an den Innenausschuß.
Gegen die beabsichtigte Überweisung erhebt sich kein Widerspruch; es ist daher so beschlossen.
Folgende amtliche Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Nach einer Vereinbarung im Ältestenrat werden die nachstehenden Vorlagen nachträglich dem Rechtsausschuß zur Mitberatung überwiesen:
Antrag der Fraktion der CDU/CSU betr. Entwurf eines Architektengesetzes
- Drucksache V/306 -Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, FDP betr. Entwurf eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung der Bundesdisziplinarordnung
- Drucksache V/325 Antrag der Fraktion der SPD betr. Änderung der Bundesdisziplinarordnung
- Drucksache V/313 -.
Der Präsident des Bundestages hat entsprechend dem Beschluß des Bundestages vom 23. Februar 1962 die nachstehende Vorlage überwiesen:
Neunzehnte Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1966 ({0}) - Drucksache V/392 -
an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen - federführend - und an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten - mitberatend - mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 22. Juni 1966.
Der Präsident des Bundestages hat entsprechend dem Beschluß des Bundestages vom 25. Juni 1959 die nachstehenden Vorlagen überwiesen:
Verordnung des Rats über die teilweise Aussetzung des bei der Einfuhr von gefrorenem Rindfleisch anzuwendenden Satzes des Gemeinsamen Zolltarifs
- Drucksache V/413 -
an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 18. März 1966
Entschließung des Rats über die gemeinsamen Preise für Milch und Milcherzeugnisse, Rindfleisch, Reis, Zucker, Fette und Olivenöl
Entschließung des Rats über gewisse besondere Maßnahmen für Zucker
Entschließung des Rats über gewisse besondere Maßnahmen für Milch und Milcherzeugnisse
- Drucksache V/414 -
an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten - federführend - und an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen - mitberatend - mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 18. Mai 1966
Richtlinie des Rats für die Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Bremsvorrichtungen bestimmter Gruppen von Kraftfahrzeugen
- Drucksache V/427 -
an den Verkehrsausschuß mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 29. Juni 1966
Verordnung des Rats über die Regelung für Milchpulver für Futterzwecke und zur Änderung verschiedener Bestimmungen der Verordnung Nr. 166/64/EWG betreffend Mischfuttermittel - Drucksache V/430 -
an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 22. April 1966.
Zu den in der Fragestunde der 26. Sitzung des Deutschen Bundestages am 4. März 1966 gestellten Fragen des Abgeordneten Strohmayr, Drucksache V/339 Nr. IX/13, IX/14 und IX/15, ist inzwischen die schriftliche Antwort des Bundesministers Höcherl vom 10. März 1966 eingegangen. Sie lautet:
Zu Frage IX/13. Die EWG-Kommission hat dem Rat einen Vorschlag für eine Verordnung des Rates mit zusätzlichen Vorschriften für die Marktorganisation für Obst und Gemüse vorgelegt, in der vorgesehen ist, daß von den einzelnen Mitgliedstaaten bezeichnete Interventionsinstanzen bestimmte Obst- und Gemüsearten ankaufen, wenn bestimmte Mindestpreise dieser Erzeugnisse auf dem Markt unterschritten werden. Die von den
Interventionsinstanzen aufgekauften Erzeugnisse müssen für den menschlichen Genuß unbrauchbar gemacht werden.
Zu Frage 1X/14. Die Bundesregierung hält derartige, aus Steuermitteln finanzierte Maßnahmen nicht für vertretbar. Sie hat sie bei den Verhandlungen in Brüssel stets abgelehnt.
Zu Frage IX/15. Der Europäische Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft sieht in der Übergangszeit lediglich die Finanzierung folgender Ausgaben vor:
a) Erstattungen bei Ausfuhren nach dritten Ländern,
b) Interventionen auf dem Binnenmarkt,
c) Maßnahmen zur Strukturverbesserung.
d) Bisher hat die Bundesregierung der EWG-Kommission in Brüssel keinen Vorschlag unterbreitet, überschüssige Nahrungsmittel in Hungergebiete der Welt zu liefern. Die Bundesregierung wird prüfen, inwieweit diese sehr schwierige Frage, die in erster Linie durch Organisationen wie die FAO behandelt wird, auch durch
die EWG unterstützt werden kann.
Vizepräsident Dr. Dehler
Zu der in der Fragestunde der 27. Sitzung des Deutschen Bundestages am. 9. März 1966 gestellten Frage des Abgeordneten Dröscher, Drucksache V/386 Nr. III/1, ist inzwischen die schriftliche Antwort des Bundesministers von Hassel vom 10. März 1966 eingegangen. Sie lautet:
Die am I. Februar 1966 in Benutzung genommene Straße ist in ihrem derzeitigen Ausbauzustand lediglich auf die Belange der Bundeswehr abgestellt. Ziviler Anliegerverkehr ist gestattet. Dem allgemeinen Zivilverkehr kann diese Straße dagegen nicht eröffnet werden. Hierfür soll nach einer mir vorliegenden Entscheidung der Landesstraßenverwaltung Rheinland-Pfalz kein Bedürfnis bestehen.
Die bundeseigene Privatstraße verbindet einmal die Garnison Kusel ({1}) mit dem Truppenübungsplatz Baumholder. Sie erschließt gleichzeitig für diese Garnison Standortübungsplatz, Standortmunitionsniederlage und Standortschießanlage. Außerdem wird sie in erheblichem Umfang auch von nicht in Kusel stationierten Truppen als Zufahrt zum Übungsplatz Baumholder benutzt und insoweit in Gefechtsübungen mit einbezogen. Die Truppe soll sich bereits aus dem motorisierten Marsch zum Gefecht entwickeln können.
Seit Beginn der Straßenplanung haben sich die Behörden der Bundeswehr intensiv darum bemüht, die Landesstraßenverwaltung oder den Landkreis als Träger der Straßenbaumaßnahme zu gewinnen. Es war ursprünglich geplant, die gesamte Trasse nach dem Regelquerschnitt 11,5 ({2}) auf Kosten des Bundes auszubauen. Im Frühjahr 1960 wurde dies abgelehnt, da angeblich ein entsprechender Bedarf für den zivilen Verkehr nicht bestand. Obwohl sich auf meine Veranlassung danach auch noch der Herr Bundesminister für Verkehr wegen dieser Frage mit dem Land Rheinland-Pfalz in Verbindung setzte, änderte sich an dem Ergebnis nichts.
Infolgedessen mußte ich eine bundeseigene Privatstraße bauen lassen, die jedoch allein auf den militärischen Verkehrsbedarf abgestellt und daher entgegen der ersten Planung nur mit einer befestigten Fahrbahnbreite von 6,50 m zuzüglich befestigter Randstreifen von 0,50 m ausgebildet ist.
Zunächst war beabsichtigt, den gesamten zivilen Anliegerverkehr zu dulden. Auf eine Anregung des Bundestagsabgeordneten Dr. Müller-Emmert vom 14. Juni 1965 habe ich am 28. Oktober 1965 angeordnet, daß im Bereich der Gemeinden Blaubach und Oberalben auf eine Länge von ca. 2,5 km zu beiden Seiten parallel der bundeseigenen Straße mit einem Kostenaufwand von ca. 210 000 DM Feldwirtschaftswege gebaut werden, damit die von allen beteiligten zivilen und militärischen Stellen befürchteten Kollisionen zwischen den landwirtschaftlichen Anliegern und den militärischen Marschbewegungen vermieden werden. Soweit in anderen Abschnitten der Straße ein Bedarf für Anliegerverkehr besteht, ist dieser gestattet.
Die gleichen Gründe, die mich veranlassen, erhebliche Mittel aufzuwenden, um einen wesentlichen Teil der Anlieger von der Straße fernzuhalten, verbieten es, auf ihr den allgemeinen zivilen Verkehr zuzulassen. Bei der relativ geringen Fahrbahnbreite und der Besonderheit des vorgesehenen Militärverkehrs würden sich gegenseitige Störungen nicht vermeiden lassen.
Unter diesem Gesichtspunkt habe ich schon beim Bau der Straße auf Veranlassung der Landesstraßenverwaltung Mehrkosten für Teilmaßnahmen in Kauf genommen, die der Trennung des militärischen und des zivilen Durchgangsverkehrs dienten. So habe ich darauf verzichtet, einen Teil der Kreisstraße 22 im Bereich des Mayweiler Hofes in die Gesamtzufahrt einzubeziehen und außerdem einer höhenfreien Kreuzung der K 22 zugestimmt.
Schließlich wäre es mir auch nicht möglich, auf der 7 km langen Straße die Verkehrssicherungspflicht zu übernehmen, die ich zu erfüllen hätte, wenn der öffentliche Verkehr zugelassen würde.
Unter diesen Umständen bin ich z. Z. nicht in der Lage, außer den Anliegern allgemein anderen Zivilpersonen die Benutzung der bundeseigenen Straße zu gestatten. Da ich Ihrer Anfrage
entnehme, daß Sie ein ziviles Interesse an der Benutzung der Straße bejahen, darf ich Ihnen bei der geschilderten Sachlage empfehlen, sich mit diesem Anliegen an die Landesstraßenverwaltung zu wenden. Von ihr müßte nunmehr die Anregung ausgehen, diese Straße doch in öffentlichen Status zu übernehmen und sie auf ihre Kosten entsprechend dem gemeinsamen Verkehrsbedarf auszubauen.
Wir kommen zur
Fragestunde - Drucksache V/426 -.
Ich rufe zunächst die Frage des Abgeordneten Schmidt ({3}) aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft auf:
Sieht die Bundesregierung eine Möglichkeit, durch eine gesetzliche Übergangsregelung den durch das Bundesgesetz über die staatlichen Ingenieurschulen benachteiligten Studenten privater Ingenieurschulen, die vor Inkrafttreten des Gesetzes bereits ihr Studium begonnen hatten, einen Abschluß mit einer Ingenieurgraduierung zu ermöglichen?
Der Bund hat auf dem Gebiet des Ingenieurschulwesens keine Gesetzgebungskompetenz. Diese obliegt ausschließlich den Ländern. Das im vergangenen Jahr von diesem Hohen Haus verabschiedete „Gesetz zum Schutz der Berufsbezeichnung Ingenieur" schützt lediglich diese Berufsbezeichnung vor Mißbrauch. Für die Durchführung dieses Gesetzes sind die Landesregierungen verantwortlich.
Zur Verantwortung der Länder gehört auch der Erlaß von Übergangs- und Härteregelungen. Das Land Nordrhein-Westfalen hat dementsprechend durch Erlaß einer „Sonder-Prüfungsordnung" vom 30. November 1965 und durch Erlaß ergänzender Bestimmungen hierzu vom 25. Februar 1966 derartige Regelungen getroffen. Danach wird dem von Ihnen, Herr Abgeordneter, angesprochenen Kreis von Studenten privater Ingenieurschulen, also solcher Schulen, die staatlich nicht anerkannt oder genehmigt sind, die Möglichkeit eröffnet, nach Ablegung einer Sonder-Ingenieurprüfung zum Ingenieur graduiert zu werden.
In den übrigen Bundesländern sind nach unseren Feststellungen entsprechende Regelungen noch nicht getroffen worden. Die Bundesregierung würde es begrüßen, wenn auch in diesen Bundesländern ähnliche Regelungen wie in Nordrhein-Westfalen getroffen würden.
Zu einer Zusatzfrage Abgeordneter Schmidt.
Herr Staatssekretär, darf ich Ihre Antwort so verstehen, daß Sie keine Möglichkeit sehen, seitens des Bundes zumindest empfehlend auf die Berücksichtigung der .Auswirkungen des hier beschlossenen Gesetzes für diese Gruppe hinzuwirken und damit die Gesetzgebung in den Ländern zu beschleunigen?
Doch, Herr Abgeordneter. Für den 29. März hat der Bundesminister für Wirtschaft die Wirtschaftsministerien der Länder eingeladen, um ihnen solche Regelungen nahezulegen.
Keine weitere Frage? - Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers für das Post- und Fernmeldewesen.
Die Frage II/1 des Abgeordneten Fritz ({0}) :
Ist die Bundesregierung bereit, dem Zusammenwachsen von Mainz und Wiesbaden Rechnung zu tragen und die intensiven Bemühungen um stärkere wirtschaftliche, kulturelle und kommunalpolitische Zusammenarbeit dadurch zu unterstützen, daß für Telefongespräche zwischen den beiden Städten der Ortstarif eingeführt wird, nachdem sie ihre grundsätzlich ablehnende Haltung durch die Einführung des Ortstarifs im Telefonverkehr zwischen Bonn und Bad Godesberg hat fallenlassen?
wird schriftlich beantwortet. Die Antwort liegt noch nicht vor. Sie wird nach Eingang im Sitzungsbericht abgedruckt.
Vizepräsident Dr. Dehler
Auch die Fragen I1/2 und II/3 des Abgeordneten Faller:
Ist das Bundespostministerium bereit, das Angebot einer Privatfirma in Stidbaden wohlwollend zu prüfen, die bereit ist, die Kosten für den Bau eines Fernsehumsetzers für den Empfang des 2. Fernsehprogramms in Lörrach zu übernehmen?
Sind die technischen Voraussetzungen für den Bau eines Fernsehumsetzers in Lörrach bereits gegeben?
werden schriftlich beantwortet. Die Antworten liegen noch nicht vor. Sie werden nach Eingang im Sitzungsbericht abgedruckt.
Ich rufe die Frage II/4 des Abgeordneten Dr. Schmidt ({1}) auf:
Kann - in Ergänzung meiner ani 17. Februar d. J. beantworteten Frage V/15 ({2}) - nach § 13 Abs. 6 der Fernsprechordnung mit dem Wortlaut: „Die Gebühren verjähren in einem Jahr. Die Verjährung beginnt mit dem Schluß des Jahres, in dem die Gebühren entstanden sind." überhaupt die Nachforderung erhöhter Fernsprechgebühren auf 2 1/2, Jahre ausgedehnt werden?
Die Antwort lautet: ja. Verjährte Fernsprechgebühren können nachgefordert werden. Die Regelung der Verjährung in der Fernsprechordnung entspricht insoweit den betreffenden Vorschriften des bürgerlichen Rechts. Die eingetretene Verjährung hindert den Gläubiger eines Anspruchs nicht, den Anspruch geltend zu machen. Vielmehr gibt die Verjährung dem Schuldner lediglich die Möglichkeit, die Verjährungseinrede zu erheben und damit die Erfüllung des rechtlich in einwandfreier Weise entstandenen Anspruchs zu verweigern.
Zu einer Zusatzfrage Abgeordneter Dr. Schmidt.
Herr Staatssekretär, verstößt nicht das ganze Verhalten der Bundespost in dem konkreten Fall Altenau gegen den Grundsatz von Treu und Glauben?
Nein. Eine rechtliche Verpflichtung des Gläubigers, den Schuldner auf die Möglichkeit des Erhebens der Verjährungseinrede hinzuweisen, besteht nicht. Da der Anspruch besteht, muß er von der Behörde auch geltend gemacht werden.
Herr Abgeordneter Jahn zu einer Zusatzfrage!
Herr Staatssekretär, die Bundespost wird hier doch kraft ihrer Hoheitsgewalt tätig?
Ja.
Eine weitere Frage, Herr Abgeordneter Jahn.
Halten Sie es dann für angemessen, daß sich die Bundespost in einer solchen Situation, obwohl sie kraft ihrer Hoheitsgewalt tätig wird, gegenüber dem einzelnen Bürger geriert wie bei einem zivilrechtlichen Forderungsverhältnis?
Herr Abgeordneter, da der Anspruch entstanden ist, muß er von der Behörde auch geltend gemacht werden.
Bitte sehr, Herr Abgeordneter Jahn, das erste war ja nur die Vorbereitung.
Herr Staatssekretär, das wird gar nicht bestritten. Meine Frage ist nur: Meinen Sie nicht, daß es zu den Aufgaben der Post in ihrer hoheitlichen Funktion gehört gegenüber dem Bürger ein anderes Verhältnis an den Tag zu legen als ein Kaufmann, der lediglich Forderungen einzutreiben hat?
Die Behörde steht natürlich auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts den einzelnen Teilnehmern anders gegenüber als im bürgerlichen Recht. Aber hier ist doch ein Anspruch entstanden, der eine Verpflichtung des Teilnehmers zur Zahlung bedeutet, solange er nicht die Einrede der Verjährung geltend macht.
Bitte, Herr Abgeordneter Schmidt ({0}).
Herr Staatssekretär, gilt eigentlich die Fernsprechordnung nur für die Fernsprechteilnehmer oder auch für die Bundespost?
Selbstverständlich gilt die Fernsprechordnung für die Regelung des Gesamtverhältnisses zwischen Bundespost und Teilnehmern. Deshalb sind darin die Ansprüche und auch die Verjährungsfrist geregelt.
Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.
Ich -rufe die Frage des Herrn Abgeordneten Schmidt ({0}) aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte auf:
Wie viele Fälle haben sich seit Inkrafttreten des § 44 a des Kriegsgefangenenentschädigungsgesetzes ergeben?
Seit Inkrafttreten des § 44 a des Kriegsgefangenenentschädigungsgesetzes wurden von den obersten Landesbehörden insgesamt 54 Anträge an mein Ministerium weitergegeben, um die beantragte
Leistung zuzulassen. Jedoch nur in rund zwei Dritteln der Fälle konnten alle Voraussetzungen als erfüllt anerkannt werden. In diesen Fällen wurde die Zustimmung erteilt.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Schmidt.
Herr Staatssekretär, wie hoch war dabei der Mittelaufwand im Verhältnis zu dem, was man vorausgeschätzt hat?
Ein Minimum! Der gesamte Mittelaufwand hat 84 000 DM nicht überschritten.
Eine weitere Zusatzfrage.
,Schmidt ({0}) ({1}) : Wie hoch waren die vorgesehenen Mittel, die man eingeplant hatte?
Es waren gar keine 'besonderen Mittel eingeplant. Von vornherein bestand die Überzeugung, daß diese Härtefälle im Rahmen der üblichen Bereitstellung von Mitteln im Bundeshaushalt geregelt werden könnten.
Ich danke, Herr Staatssekretär.
Dann die Frage aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Familie und Jugend, und zwar der Abgeordneten Frau Freyh:
In welcher Höhe sind für das Haushaltsjahr 1965 Einsparungen von Bundesmitteln für die Ausbildungs- und Erziehungsbeihilfen nach bundeseinheitlichen Regelungen sowie für die Studentenförderung nach dem Honnefer Modell zu erwarten, die durch die Verrechnung der Ausbildungszulagen mit diesen Beihilfen entstanden sind?
Ist die Frau Kollegin im Saal? - Bitte, Herr Staatssekretär!
Ich darf Ihre Frage, Frau Abgeordnete, wie folgt beantworten: Alle bundesrechtlichen Regelungen über die Gewährung von Ausbildungsbeihilfen sehen vor, daß die Ausbildungszulage nach dem Bundeskindergeldgesetz angerechnet wird. Das gilt für die Kriegsopferfürsorge, für die Sozialhilfe, für den Lastenausgleich und für die Studentenförderung nach dem Honnefer Modell.
Ihre Frage, in welcher Höhe durch diese Anrechnung Einsparungen zu erwarten sind, macht besondere und sehr zeitraubende Erhebungen erforderlich. Aus den statistischen Unterlagen, die der Bundesregierung zur Verfügung stehen, geht nicht hervor, in welchem Umfang sich die Berücksichtigung der Ausbildungszulage bei den einzelnen Förderungsarten auswirkt. Für das Jahr 1965 steht noch nicht einmal die Zahl der Geförderten fest. Sie wird sich vermutlich erst im Herbst dieses Jahres ermitteln
lassen. Deshalb kann ich Ihre Frage auch in Schätzwerten heute noch nicht beantworten.
Frau Abgeordnete Freyh zu einer Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, dann können Sie mir also bestätigen, daß die Bundesregierung nicht in der Lage war, den Ansätzen für das Haushaltsjahr 1966 in einem doch ziemlich breiten Fächer von Ausbildungshilfen Zahlen zugrunde zu legen, die diese Einsparungen berücksichtigen?
Diese Einsparungen können zur Zeit im Haushalt, wie ich eben gerade gesagt habe, nicht berücksichtigt werden, weil alle Unterlagen darüber fehlen und die Feststellung dieser Zahlen überaus mühsam ist.
Eine weitere Frage, Frau Abgeordnete Freyh.
Darf ich Sie weiter fragen, Herr Staatssekretär, wie es dann aber möglich war, daß der Vertreter des Innenministeriums in der letzten Sitzung des Wissenschaftsausschusses zumindest für das Honnefer Modell Zahlen nennen konnte, die die Einsparungen bereits berücksichtigten.
Das trifft für das Honnefer Modell möglicherweise zu, weil es sich dabei um etwa 20 000 bis 25 000 Geförderte handelt. Dort lassen sich ungefähre Feststellungen treffen. Das ist aber nicht möglich für die sehr viel größere Zahl derjenigen, die durch die Kriegsopferfürsorge gefördert werden oder Ausbildungs- und Erziehungsbeihilfe erhalten.
Danke, Herr Staatssekretär.
Dann rufe ich die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesschatzministers auf, zunächst die Frage V/1 des Herrn Abgeordneten Müller ({0}) :
Kann die Bundesregierung bestätigen, daß die Vereinigte Elektrizitäts- und Bergwerks-AG ({1}) den Sitz ihrer Gesellschaft verlegen will?
Bitte, Herr Minister!
Dr. Dollinger, Bundesschatzminister: Mit Genehmigung des Herrn Präsidenten darf ich beide Fragen zusammengefaßt beantworten.
Dann rufe ich noch die Frage V/2 des Herrn Abgeordneten Müller ({0}) auf:
Welche Gründe sind gegebenenfalls für die Sitzverlegung der VEBA maßgebend?
Dr. Dollinger, Bundesschatzminister: Die Bundesregierung kann die Absicht einer Verlegung des Sitzes der Vereinigten Elektrizitäts- und BergwerksAG, der VEBA, an der der Bund nach deren Teilprivatisierung noch mit derzeit 40,23% beteiligt ist, nicht bestätigen. Wie mir der Vorsitzende des Aufsichtsrats der Gesellschaft mitteilt, sind bisher in den zuständigen Organen in dieser Hinsicht noch nicht einmal Erwägungen angestellt worden.
Im übrigen darf ich darauf hinweisen, daß nach den Vorschriften des Aktiengesetzes die Hauptversammlung eine Sitzverlegung beschließen müßte.
Ich danke Ihnen, Herr Minister.
Dann rufe ich die Frage aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen auf, zunächst die Frage X/1 des Herrn Abgeordneten Dr. Jahn ({0}) :
Ist die Bundesregierung bereit, den Leitungen der Forschungsanstalten des Bundes in den Titeln, die unmittelbar der Forschung dienen, die Auswechselbarkeit von Titeln oder Teilen derselben in stärkerem Maße als bisher zu überlassen?
Herr Präsident, darf ich bitten, die Fragen X/1 und X/3 wegen des engen Sachzusammenhangs zusammen beantworten zu dürfen.
Dann rufe ich noch die Frage X/3 des Herrn Abgeordneten Dr. Jahn ({0}) auf:
Ist die Bundesregierung bereit, Mittel, die unmittelbar der Forschung dienen, in übertragbare Titel umzugestalten?
Eine zu weitgehende Deckungsfähigkeit ist geeignet, Sorglosigkeit bei der Mittelanforderung Vorschub zu leisten, und führt zu einer unerwünschten Verwischung der Zweckbestimmungen. Dadurch wird die Durchsichtigkeit des Haushalts, vor allem aber das Etatrecht dieses Hohen Hauses beeinträchtigt. Ähnliche Gefahren birgt auch eine allzu großzügige Zulassung der Übertragbarkeit von Haushaltsmitteln, da die am Ende des Rechnungsjahres in das neue Jahr zu übertragenden Mittel im Ergebnis der Neubewilligung durch den Gesetzgeber entzogen werden. Es liegt daher im Interesse des Parlaments, die Deckungsfähigkeit und Übertragbarkeit in Grenzen zu halten.. Gleichwohl wurde und wird den Bedürfnissen der Bundesforschungsanstalten nach Flexibilität in der Haushaltsgestaltung weitgehend Rechnung getragen.
Nach den Beratungen des Unterausschusses „Mahlow-Gutachten" des Haushaltsausschusses ist die Bewirtschaftung der Haushaltsmittel der Bundesforschungsanstalten in erheblichem Umfang erleichtert worden. Durch entsprechende Haushaltsvermerke im Haushaltsplan wird weitgehend die gegenseitige Deckungsfähigkeit der Sachtitel, die unmittelbar der Forschung dienen, und die Übertragbarkeit der eigentlichen Forschungsmittel im
Bereich der allgemeinen Haushaltsausgaben zugelassen. Dabei wird bei der Auslegung des Begriffs „unmittelbar der Forschung dienend" großzügig verfahren. Somit wird den Bedürfnissen der Bundesforschungsanstalten im Rahmen des haushaltsrechtlich Zulässigen weitgehend entsprochen.
Eine Zusatzfrage? - Nein.
Dann rufe ich die Frage X/2 des Herrn Abgeordneten Dr. Jahn ({0}) auf:
Ist die Bundesregierung bereit, Rechenmaschinen, die in Forschungsanstalten als wissenschaftliche Hilfsmittel gelten, aus den Büroausstattungstiteln herauszunehmen, um damit die Schwierigkeit der Ausstattung der wissenschaftlichen Institute zu erleichtern?
Die Frage 2 des Herrn Abgeordneten Jahn beantworte ich wie folgt. Der Haushaltsausschuß hat angeregt, von 1967 an die Mittel für Geräte, Maschinen und dergleichen mit einem Preis bis etwa 10 000 DM bei den Sachausgaben zu veranschlagen, während Geräte und dergleichen mit Beschaffungs- kosten von im einzelnen mehr als 10 000 DM grundsätzlich bei den einmaligen Ausgaben ausgebracht werden sollen. Damit werden Schwierigkeiten, die sich durch lange Lieferfristen gerade bei kostspieligen Maschinen für Forschungszwecke und durch Verfall der Mittel am Ende des Rechnungsjahres ergeben, behoben, weil die Mittel für einmalige Ausgaben grundsätzlich nach § 30 der Reichshaushaltsordnung übertragbar sind.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Jahn.
Herr Bundesfinanzminister, würden Sie die Liebenswürdigkeit haben, in Zukunft, wenn Sie den Kollegen gleichen Namens in diesem Hause erwähnen, den Übungen dieses Hauses entsprechend seinen vollständigen Namen zu nennen, nämlich „Dr. Jahn ({0})" zu sagen?
Das wäre an und für sich meine Aufgabe; hier „Dr. Jahn ({0}) ", hier „Jahn ({1}) ".
Ich rufe die Frage X/4 des Herrn Abgeordneten Dröscher auf:
Wird die seitens des Bundesfinanzministeriums vorgesehene Neuregelung der Umsatzsteuer beim Austauschverfahren mit KfzMotoren und -Einzelteilen, die mit den Grundsätzen einer möglichst einfachen und übersichtlichen Steuergesetzgebung nicht zu vereinbaren ist, infolge des dadurch erheblich wachsenden Verwaltungsaufwandes der Betriebe nicht letztlich zu einer vom Verbraucher zu tragenden Verteuerung auf diesem Sektor der Dienstleistungen führen?
Die Frage des Herrn Abgeordneten Dröscher beantworte ich wie folgt. Nach dem Grundsatzurteil des Bundesfinanzhofs vom 3. Mai 1962 sind die Umsätze beim Austauschverfahren in der Kraftfahrzeugwirtschaft als Tauschlieferungen zu versteuern. Die Ver1298
waltungspraxis ist dieser rechtlichen Beurteilung gefolgt. Entgegenstehende frühere Verwaltungsanweisungen werden nach Ablauf einer Übergangszeit seit dem 1. Juli 1965 nicht mehr angewendet. Das bringt für eine Reihe von Betrieben eine gewisse Verwaltungsmehrarbeit. Das Bundesfinanzministerium ist bemüht, diese Mehrarbeit durch eine Vereinfachungsregelung auf ein geringes Maß zu beschränken. Die Vorarbeiten hierfür sind weitgehend abgeschlossen; die in Aussicht genommene Regelung wird in Kürze mit den Verbänden der Kraftfahrzeugwirtschaft erörtert werden. Keinesfalls beabsichtigt das Bundesfinanzministerium eine Neuregelung, die beim Austauschverfahren einen zusätzlichen Verwaltungsaufwand und damit Preiserhöhungen auslösen könnte.
Herr Abgeordneter Dröscher zu einer Zusatzfrage.
Herr Bundesminister, ist, da die Feststellung des Werts der auszutauschenden Stücke bei der Eigenart und der Vielfalt der anfallenden Teile außerordentlich schwer ist, nicht damit zu rechnen, daß der von allen Verwaltungsstellen bei der Wirtschaft, aber auch bei den Finanzbehörden aufzubringende Aufwand größer sein wird als der Steuerertrag aus diesem Geschäft?
Herr Kollege Dröscher, ich komme über das Urteil des Bundesfinanzhofs nicht hinweg. Sie haben recht. Die Schwierigkeiten bei der gesetzlichen Besteuerung dieser Austauschumsätze bestehen im wesentlichen in der Ermittlung der Werte der ausgetauschten Teile. Das Bundesfinanzministerium beabsichtigt, die Bewertung nach allgemeinen Durchschnittssätzen zuzulassen, so daß auf der einen ,Seite das Urteil erfüllt wird und auf der anderen Seite die Geschichte schlank und einfach gehen kann.
Dann darf ich Ihre Antwort so verstehen, Herr Bundesminister, daß vorgesehen ist, eine Art Pauschalierung der Werte vorzunehmen?
Eine Pauschalierung, die ich aber, bevor wir diese Verordnung oder diese Richtlinien erlassen, mit der Kraftfahrzeugwirtschaft selber besprechen will, damit es nicht hinterher Auseinandersetzungen deswegen gibt.
Ich rufe die Frage X/5 des Herrn Abgeordneten Dröscher auf:
Ist es richtig, daß beim Kauf von Personenkraftwagen wegen der unterschiedlichen Umsatzsteuerbelastung Arbeitsnehmer letztlich einen uni 3 % hoheren Kaufpreis zahlen müssen als Inhaber von gewerblichen Unternehmen oder sonstige Käufer, für deren Käufe nur 1 % Umsatzsteuer gezahlt zu werden braucht?
Die Frage wird im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Wirtschaft wie- folgt beantwortet. Selbständige Kraftfahrzeug-Vertragshändler haben beim Verkauf von Personenkraftwagen für jeden
Fahrzeugtyp einheitliche Listenpreise einzuhalten, die ihnen von den Automobilherstellern vorgeschrieben und beim Bundeskartellamt zur Preisbindung angemeldet sind. Sofern die Automobilhersteller ohne Einschaltung von Händlern direkt an Letztabnehmer liefern, werden ebenfalls einheitliche Preise eingehalten. Die umsatzsteuerliche Behandlung der Personenkraftwagenlieferungen führt daher nicht zu unterschiedlichen Kaufpreisen, je nachdem ob es sich beim Abnehmer um einen Unternehmer oder einen Arbeitnehmer handelt.
Eine Frage, Herr Abgeordneter Dröscher.
Herr Bundesminister, ist es nicht in der Tat so, daß insbesondere bei der Hergabe von Altwagen der Käufer, für den der Händler nur 1 % Umsatzsteuer zu zahlen hat, gegenüber dein Käufer, für den 4% Umsatzsteuer zu zahlen sind, also gegenüber dem Arbeitnehmer, im Vorteil ist, weil der Händler den Umsatzsteuervorteil insofern weitergibt, als er den Altwagen höher bewertet, so daß also doch dieser Unterschied entsteht?
Herr Kollege Dröscher, meine Antwort bezog sich ausschließlich auf das Neuwagengeschäft. Das Geschäft mit Altwagen ist frei, soweit ich unterrichtet bin. Ich kann mir durchaus vorstellen, daß bei der Wertermittlung eines alten Wagens Manipulationen zwischen den beiden Vertragsparteien möglich sind.
Herr Bundesminister, besteht nicht die Möglichkeit, diesen doch in der Tat ungerechten Zustand durch eine Änderung des Umsatzsteuergesetzes, die man anregen könnte, zu beseitigen?
Ich glaube nicht, daß diese Möglichkeit besteht, Herr Kollege Dröscher. Denn dann müßten Sie praktisch das Umsatzsteuergesetz für den Sektor Altwagen ändern. Das halte ich nicht für zweckmäßig.
Ich rufe die Frage X/6 des Abgeordneten Schmitt-Vockenhausen auf:
Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, die Finanzschwierigkeiten zu beheben, die bei der Beseitigung von Verkehrsmißständen an Kreuzungen zwischen kommunalen Straßen und Bahnstrecken entstanden sind?
Die Frage des Herrn Kollegen Schmitt-Vockenhausen beantworte ich wie folgt. Die Finanzierung der Beseitigung und Verbesserung von Kreuzungen zwischen Eisenbahnen und Straßen richtet sich nach dem Eisenbahnkreuzungsgesetz von 1963. Die auf den Bund entfallenden Kosten werden in die Straßenbaupläne eingestellt. Bisher sind Finanzierungsschwierigkeiten nicht aufgetreten. Soweit der Bund nach dem Eisenbahnkreuzungsgesetz an einem Schienenweg der Deutschen Bundesbahn beteiligt ist
und den Gemeinden und Gemeindeverbänden neben seinem Kostenanteil einen Zuschuß zur Förderung der Beseitigung von Bahnübergängen zahlen kann, wurden Zuschüsse im Rahmen der hierfür veranschlagten Mittel zur Verfügung gestellt. Der Bundesminister für Verkehr prüft alle Anträge sehr sorgfältig. Meines Wissens ist bisher in allen Fällen eine angemessene Finanzierungshilfe geleistet worden.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Schmitt-Vockenhausen.
Herr Minister, dann ist die Denkschrift der kommunalen Spitzenverbände, vor allem des Städtetags, nicht bis zu Ihnen vorgedrungen, wonach in diesem Jahr Sorgen wegen der Finanzierung bestehen?
Herr Schmitt-Vockenhausen, wenn man sich nur nach den Wünschen richtet, dann möchte ich einmal den Bereich kennenlernen, bei dem keine Sorgen
vorhanden sind.
Eine weitere Frage, bitte.
Herr Minister, würden Sie aber diese Denkschrift, obwohl sie sicher eine zusätzliche Wunschliste darstellt, prüfen und in Ihre Überlegungen einbeziehen, weil ja gerade die Beseitigung der Kreuzungen zweifellos unter vielen. Gesichtspunkten besonders wünschenswert ist?
Selbstverständlich, Herr Kollege Schmitt-Vockenhausen. Diese Denkschrift wird bei allen Überlegungen zugrunde gelegt. Sie enthält wertvolles Material.
Ich rufe die Frage X/7 des Abgeordneten Varelmann auf:
In welchem Umfang werden die Arbeitgeber in der Lohnsumme in den verschiedenen Ländern der EWG durch gesetzliche soziale Abgaben belastet?
Ein Vergleich der Sätze der Beiträge der Arbeitnehmer zu gesetzlichen Sozialversicherungen, Herr Kollege Varelmann, stößt insofern auf einige Schwierigkeiten, als in den EWG-Staaten die Risiken teils unter die Versicherung fallen, teils über den öffentlichen Haushalt finanziert werden. Der Arbeitslosenversicherungsschutz in Frankreich und Luxemburg geht beispielsweise zu Lasten der öffentlichen Hand ebenso wie der Familienausgleich in der Bundesrepublik Deutschland, der in den anderen EWG-Staaten zu den Pflichtversicherungen zählt.
Die Belastung der Arbeitgeber in der Lohnsumme beläuft sich ohne Familienausgleich - mit allem Vorbehalt - in den Beneluxstaaten auf 8 bis 10%,
in Frankreich auf 14,25 % und in Italien auf über 20 % gegenüber 13 % in der Bundesrepublik. Unter Einschluß des Familienausgleichs liegen die Gesamtbelastungssätze in Italien, Frankreich und Belgien über, in den Niederlanden und Luxemburg jedoch unter der deutschen Belastung. Falls Sie nähere Angaben wünschen, stelle ich Ihnen eine detaillierte Übersicht zur Verfügung, aus der Sie auch die Berechnungsgrundlagen dieser Schätzungen ersehen können.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Varelmann.
Herr Finanzminister, darf man wohl behaupten, daß die Lohnsumme, wenn man den Familienlastenausgleich mit einbezieht, in Italien, Frankreich und Belgien wesentlich höher durch gesetzliche Abgaben belastet ist als in Deutschland?
Ich sagte Ihnen ja: Es ist sehr schwer, Sozialsysteme unterschiedlicher Struktur miteinander zu vergleichen. Ich wage nicht, diese Frage eindeutig mit Ja oder Nein zu beantworten. Ich habe Ihnen einige Zahlen genannt, und ich kann Ihnen gern die detaillierten Aufstellungen zuleiten, aus denen Sie ersehen können, wie schwierig es ist, eine solche präzis gezielte Frage zu beantworten. Äpfel und Birnen sind nicht vergleichbar. Die Systeme sind so verschieden, daß jeder Vergleich Schwierigkeiten bringt. Im großen und ganzen aber, so würde ich sagen, wird das in etwa schon so sein, wie Sie sagen. Aber dann müssen Sie auf der anderen Seite auch zusätzliche Belastungen berücksichtigen, die bei uns vorliegen und die es in anderen Ländern nicht gibt.
Frage X/8 des Herr Abgeordneten Varelmann:
Sind die Haushaltsschwierigkeiten der Bundesrepublik Deutschland in nicht geringem Umfang dadurch entstanden, daß hier als alleinigem Land der EWG das Kindergeld einschließlich der Ausbildungsbeihilfe aus dem Steueraufkommen bestritten wird?
Diese Frage darf ich wie folgt beantworten.
Ursprünglich wurde wie in anderen EWG-Staaten in der Bundesrepublik das Kindergeld im wesentlichen von der Wirtschaft finanziert. Bei der Einführung des Zweitkindergeldes in der Bundesrepublik im Jahre 1961 wurde die Finanzierung des Zweitkindergeldes aus Bundesmitteln vorgesehen. Das Bundeskindergeldgesetz brachte sodann die Finanzierung des gesamten Kindergeldes, also auch für dritte und weitere Kinder, aus Bundesmitteln mit Wirkung vom 1. April 1964. Durch diese Regelung wurde die Wirtschaft in Höhe von rund 1,1 Milliarden DM entlastet. Dieser Entlastung sollten ursprünglich durch die Reform der Krankenversicherung und durch das Lohnfortzahlungsgesetz neue Belastungen gegenüberstehen. Diese zusätzliche Belastung der Wirtschaft ist nicht eingetreten. Die Aufwendungen des Bundes für das Bundeskinder1300
geldgesetz im Jahre 1964 - im Jahre 1964 hatte die Wirtschaft noch rund 600 Millionen DM unmittelbar aufgebracht - haben rund 1,4 Milliarden DM betragen. Im Jahre 1966 sind es bereits 2,8 Milliarden DM. Die Leistungen für das Kindergeld erreichen damit einen für den Gesamthaushalt sehr beachtlichen Betrag. Diese Haushaltsmittel stehen für andere Zwecke selbstverständlich nicht mehr zur Verfügung.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Varelmann.
Herr Minister, war diese Verlagerung der Aufbringung des Kindergeldes von der Wirtschaft auf den Bund - gegenwärtig mit einer Gesamtsumme von 2,8 Milliarden DM nicht von negativem Einfluß auf die sonstige Familiengesetzgebung, insbesondere auf das Mutterschutzgesetz?
Herr Varelmann, diese Frage kann man eigentlich nicht beantworten. Wenn Sie das eine tun, müssen Sie überlegen, was Sie auf dem anderen Sektor dann noch tun können. Wir haben durch Entscheidung des Gesetzgebers das Kindergeld auf den Haushalt übernommen. Dafür leisten wir die von mir erwähnten 2,8 Milliarden DM. Da das Geld selbstverständlich für andere Zwecke nicht zur Verfügung steht, muß man sich überlegen, was man dann noch hat, um etwas anderes zu machen.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Varelmann.
Stand die Senkung der Einkommensteuer um 3,6 Milliarden DM im Einklang mit der gleichzeitigen Übernahme dieser erheblichen Belastung auf den Bundeshaushalt?
Herr Varelmann, zwischen diesen beiden Bereichen besteht kein unmittelbarer Zusammenhang. Ich glaube nicht, daß es erforderlich ist, auf Ihre Frage hin die Steuersenkung von 1964/65 hier noch einmal in aller Ausführlichkeit zu begründen; ich bin dazu bereit. Diese beiden Komplexe haben aber so miteinander nichts zu tun, Herr Kollege Varelmann, Sie sehen nur das Kindergeld und haben durch Ihre erste Frage auch Vergleiche mit anderen EWG-Staaten ins Gespräch gebracht. Ich darf Ihnen z. B. sagen, daß die Gewerbesteuer in allen anderen Staaten der EWG nicht bekannt ist, aber bei uns als Belastung der Wirtschaft. So könnte man, wenn man das umdreht, was Sie fragen, es z. B. in diesem Punkte genauso machen; es hat miteinander nichts zu tun.
Herr Abgeordneter Müller zu einer Zusatzfrage.
Herr Bundesminister, kann ich Ihre Antwort auf die erste Frage so verstehen, daß durch die Übernahme des Kindergeldes
auf den Bundeshaushalt zwar soundsoviel Mittel nicht mehr für andere Zwecke zur Verfügung stehen, daß dies aber nicht ausschließlich Ursache der Haushaltsschwierigkeiten ist?
Dr. Dahlgrün. Bundesminister der Finanzen: Ich bitte sogar darum, das so zu verstehen.
Dann Frage X/9 des Herrn Abgeordneten Varelmann:
In welchem Ausmaß wird der Bundeshaushalt von den Auswirkungen der Politik des Nationalsozialismus einschließlich des durch die NS-Herrschaft ausgelösten zweiten Weltkrieges in den Ausgaben beeinflußt?
Die durch den Krieg und das nationalsozialistische Regime bedingten Leistungen des Bundes für Wiedergutmachung, Kriegsopferversorgung, Versorgungnach dem Gesetz zu Art. 131 des Grundgesetzes, Bundeshilfe für Berlin und dergleichen beliefen sich. im Jahre 1965 nach den bisher vorliegenden Ergebnissen auf 14,5 Milliarden DM. Bei einem Gesamtvolumen des Bundeshaushalts von 64,6 Milliarden DM - nach Ausschaltung der durchlaufenden Mittel und Doppelzählungen - machten diese Ausgaben rund 22 % der gesamten Ausgaben des Bundes aus.
Im Regierungsentwurf des Bundeshaushaltsplans 1966 sind Gesamtaufwendungen zur Liquidation des Krieges und der NS-Herrschaft in nahezu der gleichen Höhe wie 1965, nämlich von rund 14,4 Milliarden DM, veranschlagt. Der Anteil am Haushaltsvolumen beträgt noch immer mehr als 20 %.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Varelmann.
Ist in diesem Aufwand nicht auch ein Teil des Bundeszuschusses zur Rentenversicherung mit einzubeziehen, weil ja die Rentenversicherung durch die Auswirkung des Krieges ganz erheblich belastet wurde?
Herr Kollege Varelmann, ich glaube nicht, daß es sinnvoll wäre, den Gesamtzuschuß an die Rentenversicherung aus dem Bundeshaushalt hier einzubeziehen. Zur Aufteilung der beiden Summen untereinander fehlen mir die Unterlagen.
Eine weitere Frage, Herr Abgeordneter Varelmann.
Herr Bundesfinanzminister, darf man nicht wohl auch behaupten, daß, wenn der Nationalsozialismus Deutschland nicht beherrscht hätte, der Kommunismus in Osteuropa nicht so mächtig wäre und wir deswegen nicht für die Verteidigung die heutigen Aufwendungen hätten?
1
Herr Abgeordneter Varelmann, ich meine, das ist keine Frage in unmittelbarem Zusammenhang mit der Grundfrage.
Ich habe die Frage hier oben nur zum Teil verstanden. Ich bitte, sie zu wiederholen.
Herr Abgeordneter Varelmann, ich bitte Sie, darauf zu verzichten. Ich meine, das ist für eine Fragestunde eine zu weit gespannte Frage.
Die Frage X/10 des Herrn Abgeordneten Dr. Müller-Emmert wird schriftlich beantwortet. Sie lautet:
Wann werden die Gemeinden Elschbach, Gries, Kübelberg, Miesau, Sand und Schonenberg im Landkreis Kusel die Schäden ersetzt erhalten, die ihnen dadurch entstanden sind, daß in ihren im Jahre 1949 von amerikanischen Streitkräften beschlagnahmten und bis heute von diesen benutzten Gemeindewäldern zum Zwecke der Errichtung von militärischen Anlagen große Flächen von wertvollem Jungwald vernichtet wurden?
Frage X/11 des Herrn Abgeordneten Hirsch wird vom Herrn Abgeordneten Jahn ({0}) übernommen:
Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um eine beschleunigte Verbescheidung der 22 230 Ansprüche der Nationalgeschädigten gemäß Artikel VI des BEG-Schlußgesetzes, die am 1. Januar 1966 anhängig waren und von denen bis zu dem gleichen Zeitpunkt nur 3362 erledigt wurden, insbesondere durch Maßnahmen beim Bundesverwaltungsamt auch für diesen Personenkreis im Interesse des Ansehens der Bundesrepublik Deutschland zu erreichen?
Es trifft zu, daß nach Artikel 1 des Abkommens vom 5. Oktober 1960 mit dem Hohen Flüchtlingskommissar über Nationalgeschädigte sowie nach Artikel VI des BEG-Schlußgesetzes bis zum 1. Januar 1966 beim Bundesverwaltungsamt in Köln 22 230 Anträge gestellt worden sind, von denen bis zu diesem Zeitpunkt 3362 erledigt werden konnten. Von den verbleibenden 18 868 Anträgen entfallen nach Sichtung der Akten durch das Bundesverwaltungsamt über 9000 auf unsubstantiierte Anträge, die trotz Bemühens des Bundesverwaltungsamtes, die Antragsteller zu einer Ergänzung ihrer Anträge zu veranlassen, von vornherein nicht bearbeitet werden konnten.
Ferner ist zu berücksichtigen, daß es bis zum Inkrafttreten des Bundesentschädigungs-Schlußgesetzes nicht sinnvoll gewesen wäre, in größerem Umfang Ablehnungsbescheide zu erlassen oder über rechtlich zweifelhafte Fälle zu entscheiden, da der Rechtsweg von den Verwaltungsgerichten auf die ordentlichen Gerichte übergegangen und eine neue Antragsfrist auch für unanfechtbar oder rechtskräftig gewordene Entscheidungen eröffnet war. Das Bundesverwaltungsamt hat daher in der Vergangenheit in Kenntnis des Hohen Kommissars für Flüchtlinge überwiegend nur positiv zu entscheidende Anträge bearbeitet und bis zum 1. Januar 1966 über 40 Millionen DM an Kapitalentschädigungen, Rentennachzahlungen und laufenden Renten erbracht. Die Bundesregierung ist bemüht, die Anträge der Nationalgeschädigten, auch soweit sie negativ entschieden werden müssen, beschleunigt zu bearbeiten und die Durchführung dieser Sonderregelung in angemessener Zeit abzuschließen. Das erscheint jetzt möglich.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Jahn.
Herr Minister, können Sie einmal konkret sagen, was nun die Regierung tun wird, damit die Dinge ein bißchen schneller in Gang kommen?
Herr Kollege Jahn, ich habe eingehend zu begründen versucht, warum bis jetzt die Verzögerung eingetreten ist. Ein Teil der Fälle ist, wie gesagt, in Kenntnis des Hohen Kommissars verzögerlich behandelt worden, um Schwierigkeiten bei ablehnenden Bescheiden durch die Gesetzesänderung zu vermeiden. Es wird jetzt hoffentlich flott gehen, Herr Kollege Jahn. Wir werden jedenfalls alles tun.
Eine weitere Frage.
Wann wird die Bundesregierung das Amt des Leiters des Bundesverwaltungsamtes neu besetzen?
Das kann ich Ihnen im Augenblick aus dem Kopf nicht sagen.
Ich rufe die 1 Frage X/12 des Herrn Abgeordneten Schmidt ({0}) auf:
Welche Vorstellungen hat die Bundesregierung, um in den bevorstehenden Verhandlungen bezüglich einer Änderung des Artikels 56 Abs. 1 f des Zusatzabkommens zum NATO-Truppenstatut eine Gleichstellung der Bediensteten bei den ausländischen NATO-Streitkräften in der Bundesrepublik Deutschland mit vergleichbaren Bediensteten im öffentlichen Dienst zu erreichen?
Nach Artikel IX Abs. 4 des NATO-Truppenstatuts wird der örtliche Arbeitskräftebedarf der Truppen eines Mitgliedstaates in gleicher Weise wie der vergleichbare Bedarf des Aufnahmestaates über die Arbeitsvermittlungsstellen befriedigt. Dies gilt auch für die Stationierungsstreitkräfte in der Bundesrepublik und besagt, daß die ausländischen NATO-Streitkräfte das Recht haben, in Deutschland Arbeitnehmer zu beschäftigen und als Arbeitgeber ihr eigenes Personalwesen zu führen. Daraus ergibt sich, daß die in den Dienststellen und Betrieben der Stationierungsstreitkräfte tätigen zivilen Arbeitskräfte nicht im deutschen öffentlichen Dienst sind. Art. 56 Abs. 1 f des Zusatzabkommens sagt dasselbe; das Zusatzabkommen geht hier der Sache nach nicht über das NATO-Truppenstatut hinaus.
Die Gleichbehandlung mit den Arbeitnehmern des öffentlichen Dienstes wird aber dadurch nicht gehindert. Sie ist schon seit mehreren Jahren weitgehend hergestellt. Nach Artikel 56 Abs. 1 a des Zusatzabkommens gelten für die Beschäftigungsverhältnisse der Arbeitnehmer der Stationierungsstreitkräfte
grundsätzlich die für die zivilen Bediensteten bei der Bundeswehr maßgebenden arbeitsrechtlichen Vorschriften. Von der Entwicklung überholte Ausnahmen, die das Zusatzabkommen von diesem Grundsatz noch macht, möchte die Bundesregierung beseitigen. Das ist das Ziel der vor der Tür stehenden Verhandlungen. Es würde durch eine Änderung des Art. 56 Abs. 1 f nicht gefördert. Worauf es ankommt, ist vielmehr die weitere Angleichung der arbeitsrechtlichen Bestimmungen des Zusatzabkommens an das für Arbeitsverhältnisse mit der Bundeswehr gültige Arbeitsrecht.
Eine Zusatzfrage.
Herr Minister, darf ich Ihre Antwort so verstehen, daß die Bundesregierung bemüht ist, in absehbarer Zeit eine Gleichstellung zu erreichen, und daß dabei auch ein Erfolg zu erwarten ist?
Ich bitte darum, das zu tun.
Zu einer Zusatzfrage der Herr Abgeordnete Schmitt-Vockenhausen.
Herr Minister, habe ich Ihrer Antwort ,an den Kollegen Schmidt richtig entnommen, daß die vom Bundestag seit langem gewünschten Verhandlungen über die Rechtsstellung dieser Arbeitnehmer noch nicht aufgenommen worden sind?
Sie sind aufgenommen gewesen und werden in Kürze in Stuttgart fortgesetzt.
Eine weitere Frage, Herr Abgeordneter Schmitt-Vockenhausen.
Wann sind sie aufgenommen worden?
Wir haben die ganzen Jahre laufend verhandelt - Herr Schmitt-Vockenhausen, das wissen Sie -, um den Status zu verbessern.
Herr Abgeordneter Eschmann zu einer Zusatzfrage.
Herr Minister, liegt die Federführung für die Verhandlungen, die nach Ihren Aussagen schon begonnen haben, bei Ihrem Ministerium?
Nein, beim Bundesministerium des Innern.
Herr Minister, sind Sie, soweit Sie bei diesen Verhandlungen mitwirken, bereit, auf eine Änderung 'des Artikels 56 c zu drängen,
der zur Zeit noch besagt, daß die zivilen Beschäftigten keinen Anspruch auf einen festen Arbeitsplatz haben?
Ich glaube, daß das einer der Hauptpunkte der Verhandlungen sein wird.
Würden Sie auch bereit sein, auf eine Änderung des Artikels 56 f zu drängen, damit eine Angleichung an den öffentlichen Dienst erfolgt?
Jawohl.
Noch eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Müller.
Herr Bundesminister, habe ich Sie richtig verstanden, daß für die Verhandlungen über das Zusatzabkommen zum NATO-Truppenstatut das Innenministerium zuständig ist?
Es kann sein, daß ich mich da geirrt habe. Es kann das Auswärtige Amt sein.
Herr Abgeordneter Folger.
Herr Bundesminister, wie ist Ihre Bemerkung, daß die Frage der Sicherheit des Arbeitsplatzes Gegenstand der Verhandlungen sein wird, mit einer Stellungnahme des Generalinspekteurs der amerikanischen Armee in Europa zu vereinbaren, wonach das eine interne deutsche Angelegenheit sei und ausschließlich zur Zuständigkeit der Bundesregierung gehöre?
Diese Äußerung ist mir nicht bekannt. Ich verstehe sie auch nicht.
Keine weiteren Fragen. Ich danke Ihnen, Herr Minister.
Ich rufe die Fragen des Herrn Abgeordneten Cramer aus dem Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramtes auf:
In wessen Auftrag wird z. Z. auf den Starfighter-Flugzeugen ein Lärmfilm gedreht?
Wer trägt die Kosten der unter VI/1 genannten Filmaufnahmen?
Welcher Zweck wird mit dem unter VI/1 genannten Filin verfolgt?
Ist der Herr Abgeordnete Cramer im Raum? - Werden die Fragen übernommen? - Das ist nicht der Fall. Die Fragen werden schriftlich beantwortet.
Vizepräsident Dr. Dehler
Ich rufe die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts auf, zunächst die Frage VII/1 des Abgeordneten Dorn:
Trifft es zu, daß es wegen des Vorschlags der Deutschen Botschaft auf Madagaskar, anläßlich des Staatsbesuchs von Bundespräsident Lübke der Friseuse seiner Gattin einen Orden zu verleihen, zu Schwierigkeiten mit dem Protokoll der madegassischen Regierung gekommen ist?
Herr Präsident, darf ich die drei Fragen des Herrn Abgeordneten Dorn im Zusammenhang beantworten?
Ja; ich rufe also auch die Fragen VII/2 und VII/3 des Herrn Abgeordneten Dorn auf:
Entspricht es den internationalen diplomatischen Gepflogenheiten, mit einem Ansinnen der vorstehend bezeichneten Art an die Regierungen befreundeter Staaten heranzutreten, oder handelt es sich um einen einmaligen Vorgang?
Welche Voraussetzungen müssen Personen, die zur privaten Begleitung des deutschen Bundespräsidenten und seiner Gattin zählen, erfüllen, um bei Auslandsreisen den Regierungen der Gastländer für eine Ordensverleihung vorgeschlagen zu werden?
Es hat in Madagaskar keine Schwierigkeiten mit dem Protokoll der madegassischen Regierung gegeben. Von deutscher Seite ist auch kein Vorschlag für eine Auszeichnung der von dem Herrn Abgeordneten genannten Dame gemacht worden. Es war vielmehr der Wunsch der madegassischen Regierung, auch die zur inoffiziellen Delegation des
Herrn Bundespräsidenten gehörenden Personen auszuzeichnen. Es entspricht internationaler Übung, daß bei derartigen Gelegenheiten die Mitglieder der offiziellen Delegation ausnahmslos Auszeichnungen erhalten. Es steht im Belieben des Gastgebers, ob auch Angehörige der inoffiziellen Delegation ausgezeichnet werden. In dieser Beziehung sind deutscherseits keine Wünsche geäußert worden. Die Begleitung des Staatsoberhaupts wird bei Staatsbesuchen in die offizielle und in die inoffizielle Delegation eingeteilt. Die Zugehörigkeit zu einer dieser beiden Gruppen ist die einzige Voraussetzung für den Gastgeber, eine Auszeichnung in Betracht zu ziehen.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dorn.
Herr Staatssekretär, trifft es demnach nicht zu, daß die deutsche Botschaft auf Madagaskar für vier Damen der deutschen Delegation die Verleihung des madegassischen Chevalier-Ordens angeregt habe, und trifft es darüber hinaus nicht zu, daß die madegassische Regierung diese Verleihung abgelehnt habe, dagegen nur für eine Dame der Begleitung den beantragten Orden verliehen habe und die drei anderen Damen, darunter auch die angesprochene, mit einer Verdienstmedaille ausgezeichnet habe?
Herr Abgeordneter, diese Informationen treffen nach den mir vorliegenden Nachrichten nicht zu.
({0})
Eine weitere Frage, Herr Abgeordneter Dorn.
Herr Staatssekretär, trifft es zu, daß der den Bundespräsidenten begleitende Arzt und der Chefpilot keine Auszeichnungen erhalten haben,
({0})
und wie vereinbart sich das mit der Erklärung des Herrn Staatssekretärs von Hase, daß die madegassische Regierung alle Mitglieder der nichtoffiziellen Delegation ausnahmslos ausgezeichnet habe?
Herr Abgeordneter, ich weiß nicht, ob der Chefpilot oder der Arzt eine Auszeichnung erhalten hat.
Herr Abgeordneter Schmidt ({0}) zu einer Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, hält es die Bundesregierung für rechtlich vertretbar, daß der Regierungssprecher einen Abgeordneten des Deutschen Bundestages, der sich nach der Richtigkeit von in dieser Frage tagelang nicht dementierten Pressemeldungen erkundigt, öffentlich kritisiert und ihm eine Herabsetzung der Bedeutung der Reise des Bundespräsidenten vorwirft?
Mir ist nicht bekannt, daß der Sprecher der Bundesregierung Derartiges getan hat, Herr Abgeordneter.
Herr Abgeordneter Jahn zu einer Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung bereit, dem Kollegen Dorn eine lückenlose Aufstellung aller anläßlich dieser Reise verliehenen und nicht verliehenen Orden zur Verfügung zu stellen und sie zugleich im Bulletin der Bundesregierung so zu veröffentlichen, daß sämtliche interessierten Publikationsorgane der Bundesrepublik in den Genuß dieser Aufstellung kommen?
({0})
Herr Abgeordneter, ich empfinde einen großen Reiz, Ihre Frage mit Ja zu beantworten.
({0})
Ich muß mich hier aber doch ein wenig nach den internationalen Gepflogenheiten richten
({1})
und darf mir die Beantwortung Ihrer Frage daher noch einmal überlegen.
Ich rufe die Frage VII/4 des Abgeordneten Dr. Mommer auf:
Sind der Bundesregierung die Gründe bekannt, die den Vorsitzenden der CDU, den Abgeordneten Dr. Adenauer, auf dem Landesparteitag der rheinland-pfälzischen CDU am 6. März d. J. zu der Anklage veranlaßten, die heutige außenpolitische Lage der Bundesrepublik sei die schlechteste seit 1945?
Die Frage des Herrn Abgeordneten Mommer darf ich wie folgt beantworten.
Die Bundesregierung nimmt zu Äußerungen von Mitgliedern des Deutschen Bundestages, die außerhalb des Hohen Hauses gemacht werden, nicht Stellung. Es wird andere Anlässe geben, bei denen die Bundesregierung darlegen kann, welches Ansehen die Bundesrepublik Deutschland in der Welt genießt und in wie hohem Maße ihre Stellung gesichert ist.
Herr Abgeordneter Mommer zu einer Zusatzfrage.
Heißt das, Herr Staatssekretär, daß eine solche Äußerung des Vorsitzenden der Partei, die zur größten Fraktion in diesem Hause gehört, nicht für so wichtig gehalten wird, daß dazu Stellung zu nehmen ist?
Herr Abgeordneter, die Bundesregierung muß unterscheiden zwischen dem, was hier im Hohen Hause gesagt wird, und dem, was außerhalb des Hohen Hauses gesagt wird. Es ist die ständige Übung der Bundesregierung, zu den außerhalb des Hohen Hauses gemachten Bemerkungen hier nicht Stellung zu nehmen.
Zu einer weiteren Zusatzfrage Herr Abgeordneter Dr. Mommer.
Und wenn i c h frage: Ist es so, daß wir Freundschaften verwirtschaftet haben, daß Freunde abhanden gekommen sind, ist es so, daß unser Verhältnis zu Israel beträchtlich getrübt ist, seitdem Herr Adenauer nicht mehr Bundeskanzler ist?, was würden Sie dann antworten?
({0})
Ich glaube, Herr Abgeordneter, die Bundesregierung kann mit Genugtuung auf das blicken, was sie in den letzten Jahren erreicht hat.
Dann rufe ich die Frage VII/5 des Herrn Abgeordneten Kahn-Ackermann auf:
Ist in diesem Jahr noch mit der Errichtung der für das Ab.. rüstungsreferat im Auswärtigen Amt geplanten Forschungsstelle zu rechnen?
Herr Abgeordneter, Ihre Frage bezieht sich auf eine Resolution des 4. Deutschen Bundestages vom 21. Januar 1965, in der zwei Ersuchen ausgesprochen worden waren.
Das erste Ersuchen bezog sich auf die Ernennung eines Beauftragten der Bundesregierung für Fragen der Abrüstung und der Rüstungskontrolle im Auswärtigen Amt. Diesem Ersuchen ist inzwischen entsprochen worden.
Das zweite Ersuchen ging dahin, einen Vorschlag für die Schaffung einer unabhängigen Forschungsstelle für Fragen der Strategie, .der Abrüstung und der Rüstungskontrolle sowie verwandter Gebiete zu erarbeiten und diesen Vorschlag dem Bundestag vorzulegen.
Zu diesem Ersuchen darf ich folgendes antworten. Bereits vor der Entschließung des Deutschen Bundestages hat die Bundesregierung an der Gründung der Stiftung Wissenschaft und Politik mitgewirkt, deren satzungsmäßig festgelegten Zwecke die in der Entschließung des Deutschen Bundestages beschriebenen Gebiete umfassen. Diese Einrichtung einer Stiftung des privaten Rechts ist in den Jahren 1963/64 als Trägerin eines unabhängigen Forschungsinstituts ins Leben gerufen worden. Die Bundesregierung hat ins Auge gefaßt, diese Einrichtung für die in dem Beschluß des Bundestages vom 21. Januar 1965 geforderten Zwecke mit heranzuziehen. Mit konkreten Forschungsaufträgen an die Stiftung kann noch in diesem Jahr gerechnet werden.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Kahn-Ackermann.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß die Funktionsfähigkeit dieses, ich darf einmal sagen, Hilfsinstituts für das Abrüstungsreferat dadurch gefährdet ist, daß - trotz der von Ihnen angekündigten Aufträge -keine ausreichende finanzielle Basis vorhanden ist und deswegen Gefahr besteht, daß die qualifizierten Mitarbeiter, die für die Inbetriebnahme dieser Forschungsstelle vorgesehen sind, abwandern?
Herr Abgeordneter, das ist mir nicht bekannt. Das, was Sie sagen, deckt sich auch nicht mit meinem eigenen Eindruck. Ich habe mich selber um die Aufgaben und das Zustandekommen dieses Instituts lange Zeit eingehend bekümmert. Es waren anfängliche Schwierigkeiten der Art, wie Sie sie andeuten, zu überwinden. Ich habe aber den Eindruck, daß diese Schwierigkeiten im wesentlichen überwunden sind.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Kahn-Ackermann.
Herr Staatssekretär, würden Sie diesen Punkt noch einmal mit dem Leiter des Instituts erörtern?
Ich will das gern tun, Herr Abgeordneter.
Frage VII/6 des Abgeordneten Flämig:
Welche Erfahrungen wurden in der Bundesrepublik Deutschland im vergangenen Jahre mit dem-Europatag gemacht, der auf Grund einer Empfehlung der Beratenden Versammlung des Europarates und auf Beschluß des Ministerausschusses des Europarates vom 31. Oktober 1964 alljährlich am 5. Mai in allen Ländern des Europarates begangen werden soll?
Darf ich, Herr Präsident, die Fragen des Herrn Abgeordneten Flämig zusammen beantworten.
Bitte! Ich rufe auch die Fragen VII/7 und VII/8 auf:
Teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß angesichts der Schwierigkeiten, die innerhalb der Europäischen Gemeinschaften aufgetreten sind, jetzt der mit dem Europatag beabsichtigten Weckung und Stärkung eines europäischen Gemeinschaftsbewußtseins in der Bevölkerung aller europäischer Länder besondere Bedeutung zukommt?
Hat die Zahl der Befürworter eines Vereinten Europas, die nach dem Ergebnis einer im Jahre 1962 im Auftrage des Gemeinsamen Informationsdienstes der Europäischen Gemeinschaften durchgeführten Umfrage in der Bundesrepublik nahezu 80% betrug, seit der EWG-Krise im Sommer 1965 abgenommen, zugenommen oder ist sie unverändert geblieben?
Die erstmalige Veranstaltung des Europatages hat in Deutschland durchweg ein vielversprechendes Echo gefunden. Die Anregungen, die den Ländern und Gemeinden für die Ausgestaltung dieses Tages gegeben worden sind, sind in erfreulichem Maße verwirklicht worden. Dies geschah u. a. durch Beflaggung öffentlicher Gebäude mit der Europafahne, Feiern an Universitäten und Schulen, durch Fernseh- und Rundfunksendungen und Presseveröffentlichungen in fast allen überregionalen und Lokalzeitungen.
Die Bundesregierung ist der Ansicht, daß ein fest eingebürgerter Gedenktag die Idee eines gemeinsamen Europas wirkungsvoll in alle Bevölkerungsschichten der europäischen Staaten tragen kann.
Der Gemeinsame Informationsdienst der Europäischen Gemeinschaften hat seit den Feststellungen im Jahre 1962 keine weitere Umfrage durchgeführt. Der Bundesregierung ist .auch nichts über Umfragen bekannt, die von anderer Stelle durchgeführt worden wären. Die Bundesregierung kann sich deshalb bei dieser Frage nicht auf Meinungsumfragen stützen.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ist beabsichtigt, auch in diesem Jahr in der Bundesrepublik am 5. Mai wieder den Europatag zu begehen?
Das ist beabsichtigt, und entsprechende Empfehlungen sind den Länderregierungen zugeleitet worden.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, welche Möglichkeit sieht die Bundesregierung, auf die Länder und die Gemeinden in der Bundesrepublik einzuwirken, um sie zu veranlassen, alljährlich am Europatag nicht nur auf öffentlichen Gebäuden die Europafahne aufzuziehen, sondern auch in öffentlichen Veranstaltungen und insbesondere in den Schulen für den europäischen Gedanken zu werben?
Herr Abgeordneter, die Bundesregierung ist bereit, den Ländern gegenüber derartige Empfehlungen auszusprechen.
Eine weitere Zusatzfrage, Abgeordneter Flämig.
Herr Staatssekretär, hält es die Bundesregierung für möglich, daß die Stagnation der politischen Integration Europas, die wir ja im letzten Jahr leider erleben mußten, zu einer gewissen Europaverdrossenheit breiter Schichten der Bevölkerung und damit zu einer verstärkten Hinwendung zu einer mehr nationalistischen Betrachtungsweise auch in der Bundesrepublik Deutschland führen könnte?
Herr Abgeordneter, Sie werfen eine sehr grundsätzliche Frage auf. Ich kann sie jetzt, im Rahmen dieser Fragestunde, offensichtlich nur mit wenigen Worten beantworten. Ich würde sagen, daß ein gesundes und kraftvolles Nationalbewußtsein durchaus mit dem Gedanken und der Fortführung der europäischen Einigung vereinbar ist.
Noch eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Flämig.
Herr Staatssekretär, darf ich Sie so verstehen, daß Sie von gesundem Nationalbewußtsein sprechen und dabei nicht das gemeint haben, was ich in meiner Frage zum Ausdruck brachte, nämlich die Gefahr einer nationalistischen Betrachtungsweise?
Nein, ich habe in der Tat von einem gesunden und kraftvollen Nationalbewußtsein in einem positiven Sinne gesprochen.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, sind Sie mit mir der Meinung, daß seitens des Bundes, der Länder und der Gemeinden sowie aller europäischen Organisationen in der Bundesrepublik alles getan werden muß, um der Möglichkeit des Aufkommens einer solchen Europaverdrossenheit durch eine ständige positive Werbe- und Aufklärungstätigkeit für Europa entgegenzuwirken?
Diese Frage beantworte ich mit ja.
Die Frage des Herr Abgeordneten Genscher ist zurückgezogen.
Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.
Ich rufe dann die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern auf, zunächst die Fragen VIII/1 und VIII/2 des Abgeordneten Dr. Martin:
Ist die Bundesregierung der Auffassung, daß die Errichtung einer Fernsehuniversität, wie sie die englische Regierung in einem Weißbuch vorschlägt, auch in der Bundesrepublik Deutschland verwirklicht werden kann?
Ist die Bundesregierung gegebenenfalls bereit, mit den Ländern und den Fernsehanstalten über die Errichtung einer Fernsehuniversität in Verhandlungen einzutreten?
Werden die Fragen übernommen? - Frau Abgeordnete Dr. Maxsein übernimmt die Fragen.
Der Bundesregierung ist das Projekt einer Fernsehuniversität aus der Fach- und Tagespresse bekannt. Nähere Einzelheiten liegen ihr jedoch noch nicht vor. Die Entscheidung über diese Einrichtung liegt nach der föderativen Ordnung in der Bundesrepublik bei den Ländern. Die Bundesregierung wird dieses Projekt mit den. Ländern, wenn sie es wünschen, erörtern. Die Länder haben, wie die Bundesregierung weiß, die Fragen einer Ordnung und Förderung des Fernsehunterrichtswesens allgemein in der Bundesrepublik seit längerem eingehend erörtert.
Eine Zusatzfrage der Frau Abgeordneten Dr, Maxsein.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, ob außer der in Großbritannien vorgesehenen Fernsehuniversität in anderen Ländern solche Einrichtungen schon bestehen?
Nähere Einzelheiten sind uns nicht bekannt, Frau Abgeordnete; aber wir sind bemüht, Erkundigungen einzuziehen.
Eine weitere Zusatzfrage der Frau Abgeordneten Dr. Maxsein.
Sind sie dann bereit, mit diesen Ländern Kontakt aufzunehmen, um die Erfahrungen zu sammeln und sie unter Umständen bei einer entsprechenden Einrichtung in der Bundesrepublik zu verwerten?
Das kann man sehr wohl tun; aber ich wies vorhin schon darauf hin, daß die Länder zuständig sind.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Moersch.
Herr Staatssekretär, sind Sie bereit, diese Frage im Bildungsrat erörtern zu lassen, und sind Sie vor allem bereit, die bereits vorliegenden reichlichen Erfahrungen aus den Vereinigten Staaten - ich denke besonders an Chikago und Kalifornien - diesem Gremium mitzuteilen, um die Fortbildungsbemühungen in der Bundesrepublik nachdrücklich zu unterstützen?
Ich glaube, daß sich der Bildungsrat mit diesem Problem befassen wird, und wir werden ihm die Materialien, sobald wir sie vom Ausland beschaffen können, zuleiten.
Keine weiteren Fragen.
Dann rufe ich die Fragen VIII/3 und VIII/4 des Abgeordneten Biechele auf:
Treffen nach Meinung der Bundesregierung die Feststellungen und Befürchtungen zu, die die „Neue Zürcher Zeitung" in ihrem Leitartikel „Linksradikalismus an der Freien Universität Berlin" mit dem Untertitel „Umstürzlerische Programme" in der Fernausgabe Nr. 54 vom 24. Februar 1966 darstellt und die so zusammengefaßt werden: „So, wie die Dinge stehen, ist damit zu rechnen, daß die revolutionär Gesinnten im nächsten Semester drei- bis viertausend Studenten auf die Straße bringen werden und daß die Neigung zum Umsturz wächst. Eine solche Annahme ist um so berechtigter, als die radikalen Studenten bereits die Absicht erkennen lassen, das Verbot des Parteitages der SED in Westberlin durch die Westmächte zum Anlaß zu nehmen, um die Demonstrationen gegen die Politik der Amerikaner in Vietnam mit Kundgebungen gegen eine angebliche Unterdrückung der Meinungsfreiheit in Westberlin durch die Amerikaner zu kombinieren."?
Erwägt die Bundesregierung Schritte, um den in dem vorstehend zitierten Artikel dargestellten Gefahren zu begegnen?
Die Bundesregierung verfolgt sehr aufmerksam die unerfreulichen Umtriebe radikaler Elemente in gewissen Kreisen der Berliner Studentenschaft. Die Feststellungen darüber sind jedoch noch nicht abgeschlossen. Es läßt sich aber bereits jetzt sagen, daß von einer wachsenden - wie es in der „Neuen Zürcher Zeitung" heißt - „Neigung zum Umsturz" unter den Berliner Studenten in dieser Allgemeinheit nicht gesprochen werden kann. Nach dem vorläufigen Ergebnis der Feststellungen stehen hinter diesen bedauerlichen Vorfällen einzelne radikale Elemente, deren Verbindung zu organisierten verfassungsfeindlichen Gruppen noch überprüft wird.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Biechele.
Herr Staatssekretär, . sind die Flugblätter revolutionären Inhaltes, die bei den Demonstrationen vor dem Amerikahaus in Berlin an die Mauern geklebt wurden - davon berichtet die „Neue Zürcher Zeitung" -, auch im übrigen Bundesgebiet verteilt und angeklebt worden, und bestehen vielleicht Verbindungen dieser linksradikalen Gruppen, von denen Sie gesprochen haben, auch zum übrigen Bundesgebiet?
Die Feststellungen, von denen ich soeben sprach, erstrecken sich naturgemäß auch hierauf. Plakate mit gleichen Texten wie in Berlin sollen inzwischen auch in München verwendet worden sein. Das Ergebnis der Feststellungen bleibt aber zunächst abzuwarten.
Frau Abgeordnete Dr. Maxsein zu einer Zusatzfrage.
Darf ich im Zusammenhang mit der Debatte um diese Berliner Vorkommnisse eine grundsätzliche Frage zur Sache stellen: Welche Möglichkeit sieht die Bundesregierung, nachdem sie mit erheblichen Mitteln den Ausbau der Universitäten fördert, um den Studenten angemessene Aufstiegsmöglichkeiten zu verschaffen, bei diesen Studenten das Verantwortungsbewußtsein gegenüber dem Staat, der sic trägt, besser zu entwickeln?
Es ist dankenswert, Frau Abgeordnete, daß Sie auf dieses Problem hinweisen. Aber Sie wissen, daß für die Universitäten grundsätzlich die Länder zuständig sind. Ich stehe jedoch nicht an, zu erklären, daß die politische Bildungsarbeit unter den Studenten noch sehr im argen liegt.
Zu einer weiteren Zusatzfrage Frau Abgeordnete Maxsein.
Wäre die Schärfung dieses Verantwortungsbewußtseins nicht deshalb besonders am Platze, weil die zur Förderung der Studenten und Universitäten benötigten Mittel vom Steuerzahler aufgebracht werden?
Ich stimme Ihnen völlig zu, Frau Abgeordnete.
Herr Abgeordneter Moersch zu einer Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, würden Sie künftig dafür Sorge tragen, daß auch in den Verlautbarungen der Bundesregierung zwischen den Begriffen „radikal" und „extremistisch" unterschieden wird, um weitere Verwechslungen und Verwirrungen auszuschalten?
Man wird in der Tat zwischen diesen beiden Worten unterscheiden müssen.
Darf ich dann Ihre erste Antwort so verstehen, daß Sie „extremistisch" gemeint haben, als Sie „radikal" gesagt haben?
Ich werde die Antwort noch einmal im Wortlaut nachlesen. Aber ich_ glaube nicht, daß dort eine Änderung notwendig gewesen wäre.
Herr Abgeordneter Müller ({0}) zu einer Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, inwieweit hat sich die Bundesregierung mit dem Berliner Senat ins Benehmen gesetzt, um eine Übereinstimmung in der Beurteilung der eben behandelten Situation oder gar um eine Gemeinsamkeit in der Abwehr subversiver Kräfte in Berlin zu erreichen?
Für die Sicherheit in Berlin sind, wie Sie wissen, Herr Abgeordneter, in erster Linie . die Behörden des Bundeslandes Berlin zuständig. Die Bundesregierung unterstützt aber den Berliner Senat, wenn ei das wünscht, und sie steht gerade auch wegen dieser Frage mit ihm in Kontakt.
Eine weitere Frage des Abgeordneten Müller.
Herr Staatssekretär, irre ich mich, wenn ich annehme, daß auch die Bundesregierung - mit den Schutzmächten in Berlin - für die Sicherheit Berlins verantwortlich ist?
Nein, Sie irren sich nicht, Herr Abgeordneter.
Sie haben nur zwei Zusatzfragen, Herr Abgeordneter Müller ({0}) .
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Dr. Müller ({1}).
Herr Staatssekretär, bezieht die Bundesregierung bei der Beobachtung extremistischer Strömungen in der Studentenschaft auch die Beobachtung rechtsradikaler Strömungen ein, und wie beurteilt sie die steigende Auflage rechtsradikaler Studentenpublikationen?
Die Bundesregierung bezieht pflichtgemäß sowohl links- wie rechtsradikale Ten1308
denzen in ihre Beobachtungen ein. Sie beurteilt die Radikalisierung auf der rechten Seite mit Sorge, wie der kürzliche Bericht des Herrn Bundesministers des Innern über den Rechtsradikalismus beweist.
Sie hatten schon zwei Zusatzfragen, Herr Abgeordneter Müller.
Dann noch die Frage VIII/5 des Abgeordneten Schmitt-Vockenhausen:
Welche Vorstellungen hat die Bundesregierung nunmehr hinsichtlich der Verbesserung der Besoldung der Lehrkräfte im Fachschuldienst des Bundes ({0}) in dem angekündigten Besoldungsänderungsgesetz ({1})?
Ist Herr Abgeordneter Schmitt-Vockenhausen im Raum? - Nein? Dann wird die Frage schriftlich beantwortet.
Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär. Wir sind damit am Ende der Fragestunde.
Ich rufe Punkt 2 der Tagesordenung auf:
Große Anfrage der Fraktionen der CDU/CSU, FDP
betr. Situation der Kohle - Drucksache V/201 -
e) Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Reichsknappschaftsgesetzes
- Drucksache V/390 -
f) Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Maßnahmen zur Anpassung des Steinkohlenbergbaues und der Struktur der Steinkohlengebiete an die veränderte Lage auf dem Energiemarkt sowie soziale Anpassungshilfen für die Beschäftigten im Steinkohlenbergbau
- Drucksache V/391 Das Wort zur Begründung hat Herr Abgeordneter Brand. - Darf ich um Aufmerksamkeit bitten.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Versorgung der Wirtschaft und der Bevölkerung mit ausreichender, billiger und sicherer Energie unter Wahrung der Interessen der heimischen Primärenergieträger ist zu einem weltweiten Problem geworden. Für die europäischen Staaten ist es schwieriger zu behandeln als für Länder, die über ausreichende Vorkommen aller wichtigen Energieträger verfügen, wie z. B. die Vereinigten Staaten von Nordamerika oder die Sowjetunion. Trotzdem behandeln auch diese Länder ihre Energievorkommen pfleglich und schonend. Während sich die genannten großen Weltmächte in ihrer Energieversorgung fast ganz auf die eigenen Reserven stützen können, ist Europa in ständig wachsendem Maße auf die Einfuhr von Energie angewiesen. Hinzu kommt, daß diese unumgängliche Einfuhr von Energie bei uns die heimischen Energieträger vor Wettbewerbsprobleme stellt, denen sie
auf Grund der gegebenen natürlichen Bedingungen nicht gewachsen sind. Um so mehr gilt es für uns, in dem größeren Wirtschaftsraum Europa einen Ausgleich anzustreben, um die energiepolitischen Belange aller Partnerstaaten der EWG auf einer gemeinsamen Basis zu regeln.
Meine Damen und Herren, ich beabsichtige nicht, mit einer verwirrenden Zahlenhäufung zu argumentieren. Doch gestatten Sie mir, einige Zahlen zu nennen, die mir eine Entwicklung zu kennzeichnen scheinen, vor deren Hintergrund die Große Anfrage der Koalition, die ich im Namen der CDU/CSU-und der FDP-Fraktion zu begründen die Ehre habe, zu sehen ist.
In den Ländern der Montanunion ist die Steinkohlenförderung in den vergangenen fünf Jahren, also von 1960 bis 1965, um 6,5 %, in der Bundesrepublik um 5 % gefallen. Trotzdem sind in der Montanunion 1964 6 Millionen t und 1965 11,5 Millionen t auf Halde gelegt worden. Die Inlandnachfrage ist in den Ländern der Montanunion um 5,5 % gefallen. Der Anteil der Kohle am Energieverbrauch ist von 53 % auf 38 % gesunken, der des Erdöls von 28 % auf 45 % gestiegen.
In England, das keine Kohle importiert, sind die Förderung um 3,5 % und die Inlandnachfrage um 6 % zurückgegangen. Der Anteil der Kohle am Energieverbrauch ist dort von 74% auf 63 % gesunken, gegenüber 38 % in der Montanunion.
In den USA, wo der Anteil der Untertageförderung nicht mehr als 60 % beträgt, was vieles erklärt und die amerikanischen Verhältnisse mit den europäischen schwer vergleichbar macht, ist eine gegenläufige Entwicklung festzustellen. Die Förderung stieg in den letzten fünf Jahren um 20 %, die Zahl der Beschäftigten sank dabei von 188 000 auf 145 000 Mann. Die mittlere Leistung stieg von 11,3 t auf 16 t. Die Förderkosten zeigen seit zwölf Jahren keine Veränderung. Die Folge hiervon ist, daß dort die Preise der Kohle gegenüber denjenigen der anderen Energieträger konkurrenzfähig sind und eine steigende Verwendung der Kohle in den amerikanischen Kraftwerken gestatten, deren Kohleverbrauch sich in elf Jahren verdoppelt hat.
Meine Damen und Herren, warum habe ich Ihnen diese Zahlen genannt? Sie ersehen daraus, daß es sich bei der augenblicklichen Kohlenabsatzkrise keineswegs um eine auf die Bundesrepublik beschränkte Erscheinung handelt, sondern um eine Entwicklung, von der auch die anderen Kohle produzierenden Länder der westlichen Welt außerhalb Amerikas ergriffen wurden.
In der Bundesrepublik ist der Anteil des wichtigsten heimischen Energieträgers, der Steinkohle, seit 1957 von 70 % auf heute 43 % zurückgegangen und der Anteil des Mineralöls im gleichen Zeitraum von 11 % auf 40 % gestiegen, wobei das Heizöl allein seinen Anteil von 4 % auf 23 % verstärkt hat. Während 1955 die Bundesrepublik noch einen Energieausfuhrüberschuß von 3 Millionen t Steinkohleneinheiten hatte, überwog 1965 die Energieeinfuhr um etwa 85 Millionen t SKE, wenn auch die Energie-Importabhängigkeit der Bundesrepublik
mit 50 % heute noch wesentlich niedriger ist als die der anderen EWG-Staaten.
Ich möchte jetzt nach diesen Vorbemerkungen die einzelnen Punkte der Großen Anfrage, ohne sie hier noch einmal vorzulesen, kommentieren.
Zunächst stelle ich fest, daß die Bundesrepublik dank unserer bisherigen energiepolitischen Maßnahmen über ein ausreichendes und auch preisgünstiges Energieangebot verfügt, daß die Energieversorgung der revier- und seehafenfernen Gebiete beachtlich verbessert wurde und der Steinkohlenbergbau seinerseits bemerkenswerte Rationalisierungserfolge erzielte. Unbestreitbar ist, daß sich der Strukturwandel in den Bergbaugebieten bisher ruhig und geordnet vollzogen hat. Trotz Zechenstillegungen und umfangreichen Rationalisierungen zum Zwecke der Leistungssteigerung sind ernste soziale Schwierigkeiten bisher nicht entstanden. Das Jahr 1965 hat uns nun insofern vor eine neue Situation gestellt, als es im vergangenen Jahr erstmals nicht möglich war, die Förderung des deutschen Steinkohlenbergbaus bei 140 Millionen t zu halten. Alle Anstrengungen der Bundesregierung und des Bergbaus haben dafür nicht ausgereicht. Wer die Liste von Maßnahmen zugunsten des Bergbaus betrachtet, wird zugeben müssen, daß im Rahmen unserer Wirtschaftsordnung und im Rahmen unseres Leistungsvermögens große Anstrengungen für die Aufrechterhaltung des Steinkohlenbergbaus in der genannten Größenordnung gemacht worden sind. Die Einfuhr von Steinkohle aus Ländern außerhalb der europäischen Gemeinschaften ist kontingentiert und seit Jahren auf 6 Millionen t begrenzt. Der Verbrauch von Heizöl ist einer Sondersteuer unterworfen, die 1965 ein Aufkommen von rund 650 Millionen DM erbracht hat. Der Transport von Steinkohle wird durch eine jährliche Frachthilfe verbilligt. Hinzu kommen die steuerlichen Maßnahmen zur Förderung der Rationalisierung sowie die Hilfen für die Finanzierung notwendiger Stillegungen. Darüber hinaus wird der Bau von Blockheizwerken auf Steinkohlebasis sowie die Auslagerung von Kohle unterstützt. Als wichtigste Maßnahme ist schließlich die Förderung neuer Steinkohlenkraftwerke seit 1964 durch eine steuerliche Begünstigung zu nennen. Im Bereich der Sozialversicherung ist der Bergbau von großen Lasten befreit worden.
Diese nur stichwortartige Aufzählung mag genügen, um die absurde Behauptung zu entkräften, die Regierung habe die Dinge einfach treiben lassen und es sei nur Unzulängliches für den Bergbau geschehen. Die Situation hat sich eben geändert und muß neu überdacht werden. Ich bin davon überzeugt, daß wir sie nach einiger Zeit wieder und erneut zu überdenken haben, wenn sich die energiepolitische Entwicklung in der Welt weiterhin so sprunghaft vollzieht wie in den vergangenen Jahren. Im Trend einer Verdrängungstendenz der Steinkohle durch andere Energieträger ist trotz der angeführten Maßnahmen eine Lage entstanden, .die von der Bundesregierung neue Entscheidungen verlangt. 16 Millionen t Steinkohle liegen auf Halde, obwohl zahlreiche Zechen stillgelegt wurden und die Förderung um 7 Millionen t gedrosselt wurde. Dieser Förderrückgang beruht nicht auf den Zechenschließungen im Rationalisierungsverband, sondern auf einer linearen Rücknahme der Förderung durch bezahlte Feierschichten - ein Verfahren, das die Wirtschaftlichkeit und die Ertragslage der Unternehmen in unerwünschter Weise verschlechtert und deshalb nicht fortgesetzt werden sollte. Durch die Tätigkeit des Rationalisierungsverbandes sind Gesamtkapazität und Förderung nicht gedrosselt, sondern durch Stillegung unrentabel arbeitender Zechen wirtschaftlicher gemacht worden. Diese Art von Einwirkungen hat aber ihre natürliche Grenze, jenseits der weitere Rationalisierungseffekte nur noch durch Leistungssteigerung in bestehenden Anlagen erzielt werden können.
Eine wichtige Rolle beim Absatzrückgang der Kohle spielt der steigende Verbrauch von Heizöl. Die Verhältnisse auf dem internationalen Erdölmarkt haben sich in den vergangenen zehn Jahren ebenfalls geändert. Die großen Gesellschaften vermögen die Entwicklung ,auf dem Markt nicht mehr in dem Maße zu steuern wie früher. Das hat sich bei der Realisierung der Selbstbeschränkung negativ ausgewirkt. Auch die kooperativen Unternehmen sind heute besorgt, ob die weitere Expansion des Heizöls in dem erwünschten Rahmen gehalten werden kann. Wie vielschichtig das Problem ist, sieht man daran, daß z. B. der Preiseinbruch des Jahres 1964 die deutschen Erdölgesellschaften vor ernste Probleme gestellt hat und daß eine höhere Belastung der Mineralölwirtschaft auch zu einer Existenzfrage für unsere eigenen Erdölunternehmen werden kann.
Vom Steinkohlenbergbau selbst müssen wir erwarten, daß er durch Flurbereinigung und Konzentration seiner Förderkapazitäten, die über die Unternehmensgrenze hinausgehen, in seinen eigenen Reihen alle Möglichkeiten der Selbsthilfe ausschöpft. Zügellose, die Regierung beleidigende Ausbrüche, wie wir sie heute in Nr. 50 des „Zechenkuriers" lesen, sind weder dazu geeignet, das Vertrauen in die Unternehmensleitungen des Bergbaus, noch dazu, die Hilfsbereitschaft für den Bergbau zu stärken.
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Die bisherigen Maßnahmen des Bergbaus zur positiven und negativen Rationalisierung haben zwar zu einer anerkennenswerten Leistungssteigerung geführt, sie haben die Marktstellung der Kohle jedoch nicht entscheidend zu verbessern vermocht. Leider hat die Entwicklung der letzten Jahre gezeigt, daß alle bisherigen Schutzmaßnahmen und finanziellen Hilfen nicht ausreichen, um die Absatzkrise des Bergbaus zu beheben.
Meine Damen und Herren, es ist uns bewußt, daß den finanziellen Hilfen zur Stärkung der Wettbewerbskraft der Kohle im Haushalt klare Schranken gesetzt und auch der Belastbarkeit der Gesamtwirtschaft durch energiepolitische Schutzmaßnahmen zugunsten des Bergbaus Grenzen gezogen sind. Unbeschadet dieses Hinweises auf die Grenzen unserer Möglichkeiten macht es die Lage des deutschen Steinkohlenbergbaus doch erforderlich, schnell und wirksam zu handeln. Eine Politik des Laisser-faire
kommt nicht in Betracht, und zwar nicht etwa, weil wir im Bereich der Energiewirtschaft planwirtschaftliche Vorstellungen hätten, sondern weil die Ordnungsvorstellungen der sozialen Marktwirtschaft uns verpflichten, ungeachtet aller Schwierigkeiten auch im Energiebereich eine geordnete Entwicklung zu sichern.
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Selbst diejenigen, welche Nutznießer einer völligen Liberalität im Energiebereich sein könnten, sind nicht für einen „Freistilringkampf" der Energieträger, da er ein Trümmerfeld hinterlassen würde. Auch der Mineralölmarkt verlangt nach Stabilität und Stetigkeit. Eine völlige Liberalität z. B. gegenüber der Einfuhr von Erdöl aus dem Ostblock oder gegenüber kurzfristigen Spekulationserscheinungen kann niemandem dienen, zu allerletzt dem Verbraucher, der sich dann auf kurzfristige extreme Preisschwankungen einrichten müßte.
Wie sehr wir auch eine europäische Lösung für notwendig halten - ich habe das bereits im Anfang meiner Ausführungen angedeutet, und ich werde noch ausführlicher darauf zurückkommen -, so können wir darauf doch nicht warten.
Diese Große Anfrage hat zum Ziel, eine Bestandsaufnahme der bisherigen Energiepolitik im Lichte der heutigen Situation des deutschen Steinkohlenbergbaus vorzunehmen. Sie soll der Regierung Gelegenheit geben, ihre energiepolitischen Vorstellungen für die nächsten Jahre darzulegen, und es soll hier der Bundesregierung der parlamentarische Rückhalt für ihre energiepolitischen Entscheidungen gegeben werden.
Die engeriepolitische Situation der Welt, Europas und der Bundesrepublik ist permanenten Veränderungen ausgesetzt durch das nicht vorherzusehende Aufkommen neuer Energiequellen, wie in der Vergangenheit des Erdgases, durch Verbesserungen bei der Förderung und Ausnützung der konventionellen Energieträger, durch wissenschaftliche Entwicklungen z. B. auf dem Gebiete der Nuklearenergie, morgen vielleicht schon auf dem Gebiete der Brennstoffzellen oder der Ausnutzung kosmischer Strahlungsenergien; das alles sind Dinge, deren praktische Folgewirkungen im Stadium ihrer Durchforschung und Entwicklung nicht kalkulierbar vorausgesagt werden können. Der Aussagewert der verschiedenen Enqueten und Gutachten des vergangenen Jahrzehnts ist deshalb auch nicht allzu langlebig gewesen, konnte es auch gar nicht sein, womit angedeutet werden soll, daß weder den drei Weisen noch den verschiedenen Energiekommissionen hieraus irgendein Vorwurf gemacht werden soll oder kann.
Angesichts dieser unbestreitbaren Tatsache würde es mir sinnlos erscheinen, hier „nachzukarten". Darunter verstehe ich, der Bundesregierung vorzuwerfen, entweder sie tue zuwenig für die Kohle und gewähre den anderen Energien zuviel Marktfreiheit oder umgekehrt, sie tue zuviel für die Kohle und enge die Freiheit der anderen Energieträger zu sehr ein. Die Bundesregierung und dieses Parlament, d. h. jeder von uns, wird sich in der Energiefrage immer wieder vor die Notwendigkeit gestellt sehen,
einen Ausgleich zu suchen zwischen der Forderung nach ausreichender, billiger und sicherer Energie einerseits und der Notwendigkeit, die Strukturprobleme unserer heimischen Energieträger zu lösen. Die Bundesregierung hat immer gezeigt, daß sie sich dieser Aufgabe bewußt ist, daß sie sich dieser Aufgabe verpflichtet fühlt, und sie hat diese Aufgabe auch mit Erfolg angefaßt.
Meine Damen und Herren, im Bergbau ist manches anders als in anderen Industrien. Im Bergbau muß sehr langfristig disponiert werden, personell, technisch und finanziell. Eine geordnete Fortführung der Betriebe macht es erforderlich, daß disponiert werden kann, rechtzeitig disponiert werden kann. Dafür muß man verläßlich wissen, welche Maßnahmen zur Absatzstabilisierung zur Verfügung stehen können. Wir erwarten von der Bundesregierung keine Patentlösung, weil wir wissen, daß es diese nicht gibt. Man wird Maßnahmen zu treffen haben, die den Unternehmungen des Bergbaus und den dort Beschäftigten für einen übersehbaren Zeitraum den Rahmen einer existentiellen Sicherung aufzeigen.
Es liegt in der Natur der Sache, daß immer dort, wo entgegengesetzte Interessen aufeinanderprallen, nicht jeder befriedigt von dannen zieht. Wer eine einseitige, nicht auf Ausgleich gerichtete Konzeption vertritt, der sollte aber auch den Mut zur Konsequenz haben und gleichzeitig aufzeigen, wie er die zwangsläufigen Folgewirkungen seiner Vorschläge, seiner Vorstellungen zu bewältigen gedenkt.
In der heutigen Debatte sollte eine klare energiepolitische Auffassung von Parlament und Regierung sichtbar werden. Die Große Anfrage soll dem Parlament Klarheit darüber verschaffen, wie die Regierung die Situation der Kohle beurteilt und welche Schritte sie für eine geordnete Fortsetzung ihrer Energiepolitik für notwendig hält. Die Debatte sollte aber auch zeigen, welchen Weg der Gesetzgeber in der Energiepolitik zu gehen bereit ist. Der damit verbundenen Verantwortung müssen wir uns alle bewußt sein. Die heutige Debatte wäre nutzlos, wenn sie sich darin erschöpfte, kritisch zu der bisherigen Energiepolitik Stellung zu nehmen oder die Schwierigkeiten der Situation zu beklagen. Es kommt heute entscheidend darauf an, daß dieses Hohe Haus entweder der Regierung volle Unterstützung ihrer energiepolitischen Vorschläge zuteil werden läßt oder sich der Aufgabe unterzieht, hier und heute einen besseren Weg aufzuzeigen. Die deutsche Öffentlichkeit und in besonderem Maße natürlich der Bergbau und die Bergleute müssen nach dieser Debatte Klarheit darüber haben, in welchem Rahmen der deutsche Steinkohlenbergbau in den kommenden Jahren seine weitere Entwicklung gestalten kann.
In unserer Großen Anfrage haben wir auch die Sicherung des Sozialstatuts der Bergarbeiter angesprochen. Der Beruf des Bergmanns gehört zu den ältesten in der Menschheitsgeschichte, und man sollte nicht übersehen, daß die inneren Bindungen des Bergmanns an seinen Beruf stärker sind als in den meisten anderen Gewerben. Es ist eben doch ein Unterschied, ob man die Schätze des Bodens in
Deutscher Bundestag - 5. Wahlperiode - 30. Sitzung: Bonn, Mittwoch, den 16. März 1966 1311
gefährlicher und anstrengender Arbeit birgt oder am Fließband Flaschen etikettiert. Das ist nicht Berufsromantik, sondern die Feststellung einer menschlich-geistigen Verwurzelung, auf die wir Rücksicht zu nehmen haben.
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Es wäre auch unbillig, diejenigen, die wir nach dem Kriege angehalten haben, unter Tage zu gehen, und die dem harten Beruf des Bergmanns treu geblieben sind, nach Stillegung einer Zeche einfach sich selbst zu überlassen.
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Niemandem kann ein Arbeitsplatz für sein ganzes Leben garantiert werden, aber der Bergmann hat nun einmal innerhalb der Arbeitnehmerschaft immer eine Sonderstellung eingenommen, die durch das soziale Sicherheitssystem der Knappschaft honoriert wird. Es ist in der Vergangenheit vieles für die von der Stillegung betroffenen Bergleute getan worden, so daß wirkliche soziale Härten nicht aufgetreten sind. Das ist auch in Bergmannskreisen anerkannt worden. Wenn wir diese Frage trotzdem in unserer Großen Anfrage angesprochen haben, so deswegen, weil wir von der Vorstellung ausgegangen sind, daß es nicht nur darum geht, wirtschaftliche Not durch Anpassungshilfen abzuwenden, sondern auch darum, den sozialen Status der Bergleute so weit wie eben möglich zu erhalten.
Nicht nur der Bergmann, auch die Zeche als Unternehmen nimmt in ihrem Wirtschaftsraum fast immer eine Sonderstellung ein. Meist hat sich um einen Zechenbetrieb herum ein selbständiger Ort oder Ortsteil gebildet, dessen Bewohner nicht nur mit der Zeche und den dort Beschäftigten verbunden, sondern in ihrer wirtschaftlichen Existenz von ihr abhängig sind. Das erklärt die tiefe Unruhe, von der die Bevölkerung der Bergbaugebiete erfaßt wird, sobald Gerüchte über weitere Stillegungen auftauchen. Auch das ist ein Grund, dafür zu sorgen, daß der deutsche Steinkohlenbergbau wieder ein sicheres und beständiges Fundament erhält.
Heizöl und Erdgas befinden sich in einer stürmischen Expansion, wobei nicht übersehen werden sollte, daß die Ölgesellschaften beide Energiearten kontrollieren und deshalb Preis und Absatz beider Energien gemeinsam manipulieren können. Wenn diese Expansion in einem für die heimische Kohle lebensgefährlichen Ausmaß den Zuwachs des Gesamtenergieverbrauchs überschreitet, dann müssen wir von der Regierung wirksame Gegenmaßnahmen erwarten.
Wir, meine Damen und Herren, d. h. Regierung und Parlament, müssen in enger Verbindung mit unserer Wirtschaft nach gesamtwirtschaftlichen Gesichtspunkten bestimmen, welche Kapazitäten unseres heimischen Energieträgers Steinkohle erhalten bleiben sollen. Wir haben darüber zu entscheiden, nicht aber die internationalen Ölgesellschaften.
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Es wäre auch wirtschaftlich nicht zu verantworten,
wenn wir Rationalisierungsinvestitionen bei Zechen
anregten, die dann in einigen Jahren doch stillgelegt werden müßten.
Wir erwarten deshalb von der Regierung, daß sie bei der Beantwortung unserer Großen Anfrage klar zu erkennen gibt, welche Möglichkeiten sie sieht, die Absatzverhältnisse zu stabilisieren. Es gibt zwei wesentliche Abnehmergruppen für die heimische Kohle, die Elektrizitätswerke und die Stahlindustrie. Es sollten Wege gefunden werden, die jetzige Höhe des Anteils der Kohle am Energieverbrauch dieser Industrien zu erhalten. Das ist, von der preislichen Seite her gesehen, bei der Elektrizitätswirtschaft durch das Anstreben eines Mischpreises sicherlich leichter als bei der Stahlindustrie, die im In- und Ausland dem rauhen Wind einer internationalen Konkurrenz ausgesetzt ist, einer Konkurrenz, die mit billigerer amerikanischer Kohle arbeitet. Aber auch hier sollten' Möglichkeiten gefunden werden, über die wir die Vorstellungen der Regierung hören möchten.
Hier sind wir an einem Punkt, an dem sich die Gedanken wieder, ich möchte sagen, zwangsläufig auf die Notwendigkeit einer europäischen Lösung richten. Es hat in der Vergangenheit nicht an Vorschlägen für eine gemeinsame europäische Energiepolitik gefehlt, doch haben sie nicht die notwendige Unterstützung aller Partner gefunden. Inzwischen haben wir einen Punkt erreicht, der gebieterisch Initiativen verlangt, die vom Willen aller Partnerstaaten zur Zusammenarbeit in den Fragen der Energieversorgung getragen werden. Es muß eine Antwort auf die Frage gefunden werden, welche Rolle den Energiequellen der Gemeinschaft bei der Versorgung der europäischen Wirtschaft in den nächsten Jahren zugedacht sein soll.
Hierbei spielt auch eine entscheidende Rolle, in welchem Maße und auf welche Weise die heimischen Energieträger die Sicherheit der Versorgung gewährleisten können. Wenn ich hier von Sicher-. heit spreche, dann denke ich dabei weniger an eine kriegerische Verwicklung unseres Landes oder Zentraleuropas, als vielmehr an die Gefahr wirtschaftlicher Störungen und Störungen des Weltverkehrs, wie wir sie zur Zeit der Suez-Krise erlebt haben. Zwischen Europa einerseits, den Öllieferländern und dem Kohlelieferant Amerika andererseits liegt der Atlantik; die eigene Tonnage, über die wir im Krisenfalle selbst verfügen können, ist klein.
Die Preisentwicklung der europäischen Energie dürfte vom Ausmaß unserer Importabhängigkeit auch nicht unbeeinflußt bleiben. Wir brauchen aber nicht nur eine sichere, sondern auch eine preisgünstige Energie, um die internationale Wettbewerbsfähigkeit der deutschen und europäischen Industrie zu erhalten. Hier möge der Hinweis genügen, daß die stromintensiven Industrien mit direkten Energiekosten von mehr als 10 % einen Anteil von 24 % am Export der EWG haben.
Den mit wachsenden Energieimporten steigenden Devisenbedarf sollte man auch nicht so einfach als eine quantité negligeable abtun. Die jüngste Entwicklung unserer Zahlungsbilanz dürfte uns hierauf hingewiesen haben.
Das sind nur einige der Gesichtspunkte - und ich habe diese nur andeutungsweise vorgetragen -, die zu einer europäischen Lösung drängen.
In diesem Zusammenhang muß daran erinnert werden, daß bei Abschluß des Römischen Vertrages das Gutachten der drei Weisen Pate gestanden hat, das der Gemeinschaft eine wachsende Energielücke voraussagt. Unter dieser Energiemangelkonzeption ist es dann zu der liberalen Energieimportpolitik und zur Gründung der Atomgemeinschaft gekommen. Der Montanvertrag beinhaltet eine Lieferverpflichtung der Kohleländer, aber keine Abnahmeverpflichtung der Kohle importierenden Länder. Auch diese Abmachung ist unter der Annahme einer sich über Jahrzehnte hinziehenden Kohlenmangellage getroffen worden und bedürfte heute unter dem umgekehrten Vorzeichen einer Kohleabsatzkrise der Revision im Sinne der Ergänzung durch eine Abnahmeverpflichtung oder eines finanziellen Beitrages für die Bereithaltung von Kohlekapazitäten.
Wir begrüßen deshalb die Ansprache des Herrn Bundeswirtschaftsministers vor dem Ministerrat der EWG am 7. März in Luxemburg. Wir begrüßen und unterstützen jede weitere Initiative der Bundesregierung, die in diese Richtung zielt.
Die Fusion der drei Exekutiven muß eine zügige Behandlung der Energiefragen in der Gemeinschaft bewirken. Darauf müssen wir drängen, nachdem wir selbst eine klare Konzeption unserer eigenen Vorstellungen von einer europäischen Energiepolitik erarbeitet haben.
Wir fragen deshalb die Regierung in der Großen Anfrage, wie sie die Aussichten für eine europäische Lösung des Kohleproblems beurteilt.
Zum Schluß möchte ich zusammenfassend folgendes sagen. Bei der heutigen durch unsere Große Anfrage ausgelösten Aussprache handelt es sich um mehr als um das Regionalproblem eines Landes, in ,dem die Bergwerke beheimatet sind, sosehr Nordrhein-Westfalen auch vordergründig davon betroffen wird. Es handelt sich nicht einmal ausschließlich um ein Kohleproblem, sondern darum: Wie wird in den kommenden Jahren die Wirtschaft und die Bevölkerung Europas mit ausreichender, preisgünstiger und sicherer Energie versorgt werden können, und zwar unter Stabilisierung und Erhaltung der heimischen Energieträger in ausreichendem Umfang? Die deutsche Industrie hat über alle Sonderinteressen hinweg eine anerkennenswerte solidarische Haltung gezeigt, indem sie in der Aktionsgemeinschaft Ruhr einen bedeutenden organisatorischen und finanziellen Beitrag zur Strukturbereinigung an der Ruhr zu leisten sich bereit erklärt hat. Das scheint uns ein gutes Omen für die heutige Debatte zu sein, die uns vereinen sollte in dem Willen, eine den heutigen Erfordernissen angepaßte energiepolitische Konzeption nicht nur zu finden und einzuleiten, sondern auch mit allen Kräften und auf allen Ebenen durchzustehen.
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Die Große Anfrage wird von dem Herrn Bundesminister für Wirtschaft und von dem Herrn Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung beantwortet. Zunächst hat das Wort der Herr Bundeswirtschaftsminister.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bundesregierung begrüßt die Große Anfrage der Fraktionen der CDU/CSU und der FDP zur Kohlesituation. Sie hofft, daß die durch diese Anfrage ausgelöste Debatte Klarheit in die heftigen energiepolitischen Diskussionen bringen wird. Diese Diskussionen mit teilweise überzogenen Standpunkten haben seit einigen Monaten eine bis dahin nicht gekannte Publizität und Intensität erreicht. Es ist dringend erforderlich, diese Debatte wieder in die richtigen Bahnen zu lenken.
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In den Diskussionen hat es eine Vielzahl von Vorschlägen gegeben. Oft war die Berichterstattung verwirrend. Angesichts der Vielzahl der Meinungsäußerungen konnte eine Richtigstellung falscher Informationen nur noch in besonders eklatanten Fällen erfolgen. Mir ist heute morgen eine Nummer des „Zechen-Kuriers" mit einem Artikel, der der „Politischen Welt" entnommen worden ist, auf den Tisch gelegt worden. Ich habe jedes Verständnis dafür, wenn diese Debatten leidenschaftlich geführt werden, aber ohne ein Minimum an Sachlichkeit geht es nicht.
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Dieser Artikel liegt unterhalb jeden Niveaus, und der Verfasser hat sich meiner Meinung nach als Gesprächspartner disqualifiziert.
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Im übrigen habe ich mich bemüht, die für die Erarbeitung eines energiepolitischen Programms nun einmal notwendigen eingehenden Vorbereitungen und Gespräche ohne Störungen durchzuführen. Wenn den meisten Mitteilungen heute der Reiz der Neuigkeit fehlt, mag das bedauerlich sein. Mir kommt es aber nicht darauf an, publizistische Effekte zu erzielen, sondern in der Sache selbst voranzukommen.
Gestatten Sie mir, daß ich vor der Beantwortung der einzelnen Fragen zwei grundsätzliche Vorbemerkungen mache.
Erstens. In der Kohlepolitik geht es der Bundesregierung - und ich bin sicher, auch dem Parlament - in erster Linie um die darin liegenden sozialen und soziologischen Fragen. Diese Fragen müssen auch von demjenigen beantwortet werden, der sonst jeden staatlichen Eingriff in die wirtschaftliche Seite ablehnt. Wer auch die sozialen und soziologischen Probleme unbeeinflußt lassen will, ist für die Bundesregierung kein Gesprächspartner.
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Die Bundesregierung gibt also der sozialen Problematik in der Kohlefrage den absoluten Vorrang.
Zweitens. Jegliche Energiepolitik in unserem Lande muß auf zwei grundlegende Realitäten Rücksicht nehmen, einmal auf die Notwendigkeit der Versorgung unserer Wirtschaft, unserer Energieverbraucher mit billiger Energie und zum anderen die Existenz eines gewichtigen und unverzichtbaren Steinkohlenbergbaus, der sich in einem harten strukturellen Anpassungsprozeß befindet. Jede Energiepolitik - auch in Europa - muß diesen Realitäten Rechnung tragen. Die Energiepolitik kann dabei nicht ein Entweder-oder sein, sondern sie muß ein Sowohl-als-auch anstreben.
Die Wirtschaftspolitik eines exportorientierten Industrielandes, wie wir es sind, muß der Notwendigkeit Rechnung tragen, daß die exportierenden Industrien um ihrer Wettbewerbsfähigkeit willen auf billige Energie angewiesen sind. Wir müssen schon heute mit Sorge beobachten, daß für bestimmte Industrien der Energiepreis ein Grund ist, sich einen außerdeutschen Standort zu überlegen. Auf der anderen Seite können wir nicht einfach so tun, als ginge uns das Schicksal des Steinkohlenbergbaus, der einmal die Industrialisierung Deutschland einleitete und der heute unter ungünstigen Verhältnissen arbeitet, nichts an. Wir können ihn nicht seinem Schicksal überlassen. Wir müssen sehen, .daß dieser Steinkohlenbergbau eine der wesentlichen Grundlagen des Nachkriegswiederaufbaus unserer Wirtschaft gewesen ist, und wir müssen auch sehen, daß dieser Steinkohlenbergbau auch heute noch und auf absehbare Zukunft einer der wichtigsten Faktoren für die Stabilität und Preisbildung unserer Energieversorgung ist.
Die heftige Diskussion der letzten Monate hat gezeigt, daß diese beiden unausweichlichen Tatsachen nicht immer und überall gesehen werden. Auf der einen Seite werde ich immer wieder gefragt: Wann will diese Bundesregierung endlich begreifen, daß Energie so billig wie möglich sein muß und daß im übrigen Subventionen, die ohnehin von Übel sind, vergebliche Mühen darstellen? Die andere, genauso extreme Fragestellung an mich lautet: Wann will die Bundesregierung endlich begreifen, daß die einzig richtige Energiepolitik die Erhaltung unseres Steinkohlenbergbaus und seines Anteils an der Energieversorgung um jeden Preis sichern muß?
Ich möchte an dieser Stelle ganz deutlich sagen: die Bundesregierung sieht sowohl die Notwendigkeit billiger Energie; sie sieht aber auch die Strukturschwierigkeiten eines Wirtschaftszweiges, der für die Wirtschaftskraft unseres Landes Unschätzbares geleistet hat und nach unserer Überzeugung auch in der Zukunft leisten wird.
Wenn man dieses Verständnis hat und hier berechtigte Belange der Betroffenen sieht, dann muß man aber auch den Mut zur Konsequenz haben; dann kann man nicht gleichzeitig jegliche Intervention zugunsten des Bergbaus als fluchwürdigen Verstoß gegen den Geist der Marktwirtschaft geißeln. Mit Liebeserklärungen und sentimentalen Beteuerungen ist nichts getan. Hier muß eine echte Hilfe gegeben werden, und die kostet Geld und kostet Verzichte.
Mein Wunsch zu dieser Debatte ist es, daß sie sich deutlich von den halb durchdachten, fast feuilletonistischen energiepolitischen Diskussionen und Betrachtungen absetzt. Sie muß das Verständnis des ganzen Volkes für beide Seiten des Problems wecken: das Verständnis der Menschen in ganz Deutschland - auch in den revierfernen Gebieten - für die Probleme an der Ruhr und an der Saar, für die Probleme der Bergarbeiter und für die Probleme der Unternehmen des Steinkohlenbergbaus, aber auch das Verständnis der Menschen an Ruhr und Saar für die Unausweichlichkeit des strukturellen Anpassungsprozesses, der im Interesse der Erhaltung unserer Wirtschaftskraft in Ordnung vollzogen werden muß.
Es sollte ganz klar gesagt werden, daß derjenige, der einseitig jeden - vielleicht nur kurzfristigen - Preisvorteil am Weltmarkt mitnehmen will, als Konsequenz in Kauf nehmen muß erstens ein ungeregeltes Tempo von Zechenstillegungen, zweitens ein ungeregeltes Schicksal für die Bevölkerung in den Revieren, drittens gefährliche Auswirkungen für die betroffenen Gemeinden, viertens unabsehbare Folgen für die Existenz großer Unternehmen in unserem Land und fünftens den Verzicht auf einen der wesentlichen Faktoren für die Stabilität unserer Energieversorgung.
Auf der anderen Seite: Wer eine Unterstützung des Bergbaus um jeden Preis fordert, wer letztlich den strukturellen Anpassungsprozeß, der sich in Zechenstillegungen, in einer Verminderung der Belegschaftszahl und jetzt auch in der Unvermeidbarkeit einer Rücknahme der Förderung konkret äußert, unter allen Umständen vermieden sehen will, muß auch sehen, daß dies zu Lasten der Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft insgesamt und damit zu Lasten unseres allgemeinen Wirtschaftswachstums gehen muß. Ich behaupte sogar, dies würde die Kraft der deutschen Wirtschaft übersteigen.
Wir - Bundestag und Bundesregierung - waren uns immer darüber im klaren, daß eine sinnvolle Lösung für das politische und ökonomische Problem des Bergbaus notwendig ist. Wir waren uns auch darüber im klaren, daß dies Konsequenzen hat. Wir wußten, daß jede Intervention des Staates zugunsten des Bergbaus Geld kostet, und waren bereit, diese Konsequenzen zu tragen. Ich hoffe, daß dies auch heute so sein wird.
Nun zu den einzelnen Fragen! Frage 1:
Wie beurteilt die Bundesregierung die gegenwärtige energiepolitische Situation und die Wirkung der im Laufe des Jahres 1965 getroffenen energiepolitischen Maßnahmen?
Bei der Beantwortung dieser Frage, meine Damen und Herren, möchte ich mich kurz fassen. Ich habe Ihnen eine Zusammenstellung der wichtigen Daten vorab zugestellt. Ich möchte hier nur die wesentlichen Fakten hervorheben.
Die energiewirtschaftliche Situation des Jahres 1965 ist gekennzeichnet durch einen verlangsamten Anstieg des Gesamtenergieverbrauchs um etwa 3%
gegenüber 6,9, 7,6 und 4% in den Vorjahren, durch einen Rückgang des Steinkohlenexports von 26 auf 24 Millionen t, durch einen weiteren starken Zuwachs des Heizölverbrauchs, der über die im Rahmen der Selbstbeschränkung veranschlagten Zuwachsraten beträchtlich hinausging und bei leichtem Heizöl rund 20% sowie bei schwerem Heizöl rund 16% erreichte.
Das alles hat zusammen mit anderen Faktoren zu einem außergewöhnlichen Ansteigen der Halden von 8 auf 16 Millionen t Steinkohle geführt, obwohl die Steinkohlenförderung 1965 erstmalig von 142 Millionen t auf 135 Millionen t zurückgenommen worden ist. Es ist in den Halden ein Kapital von rund 1 Milliarde DM gebunden. Diese Lage hat zu einer neuen starken Belastung der Unternehmen des Steinkohlenbergbaus und zu einer erheblichen Beunruhigung der Bergarbeiterschaft und der Menschen an der Ruhr und im Saarland geführt. Die Möglichkeiten zu weiteren Aufhaldungen werden geringer. Die Unternehmen stehen vor der Entscheidung, Feierschichten fahren zu müssen.
Diese Entwicklung ist eingetreten, obgleich Bundestag und Bundesregierung im Jahre 1965 erhebliche Anstrengungen und Maßnahmen zugunsten des Steinkohlenbergbaus unternommen bzw. getroffen haben. Im einzelnen handelt es sich dabei um folgendes.
1. Das Gesetz zur Förderung der Verwendung von Steinkohle in Kraftwerken vom 12. August 1965, mit dem ein steuerlicher Anreiz für die Verstromung der Kohle geschaffen worden ist. Die Bundesregierung ist nach wie vor der Meinung, daß von diesem Gesetz eine wirksame Absatzförderung für die Steinkohle schon ausgegangen ist und weiterhin ausgehen wird. Allerdings ist einzuräumen, daß angesichts der gegenwärtigen Preisverhältnisse der Wirkungsbereich räumlich eingeschränkt ist. Wesentliche Impulse für den Kohlenverbrauch sind jedoch bei günstigen Transportentfernungen zu erwarten. Eine durchschlagende kurzfristige Auswirkung bereits im Jahre 1965 war
nicht möglich.
2. Die Einführung einer Meldepflicht für Raffinerie und Rohrleitungsbauten sowie die Lizenzierung der Mineralöleinfuhren. Diese beiden Maßnahmen sind zunächst darauf ausgerichtet, eine bessere Markttransparenz zu gewährleisten und verläßlichere Unterlagen über Einfuhrumfang und über Raffinerie- und Rohrleitungsplanungen zu gewinnen. Trotz der erst relativ kurzen Geltungsdauer der beiden Maßnahmen läßt sich feststellen, daß dieser Zielsetzung entsprochen ist, da die Bundesregierung in der Tat heute über eine schnellere und exaktere Information in diesem Bereich verfügt.
3. Die Begründung einer Revorratungspflicht für Mineralöl durch Gesetz. Die durch das Gesetz über Vorräte an Mineralöl und Mineralölerzeugnissen begründete Vorratshaltungspflicht ist erstmalig am 1. Januar dieses Jahres wirksam geworden. In dem Gesetz ist eine Aufbauphase von vier Jahren vorgesehen, aus der die Bundesregierung eine Erhöhung
der Versorgungssicherheit im Minerölbereich erwartet.
4. Die Selbstbeschränkung beim Mineralöl. Zur Selbstbeschränkung der Mineralölfirmen bei der Ausweitung ihres Heizölabsatzes ist festzustellen, daß die effektiven Zuwachsraten die zu Beginn zugrunde gelegten Raten beträchtlich überschritten haben. Gleichwohl möchte ich feststellen, daß bei den meisten Mineralölfirmen die Bereitschaft zu einer wirksamen Selbstbeschränkung vorhanden ist. Daß eine volle Wirksamkeit im Jahre 1965 noch nicht eintreten konnte, liegt zum Teil daran, daß die Selbstbeschränkung konkret erst verhältnismäßig spät eingeleitet werden konnte - im Februar für schweres Heizöl und im April für leichtes Heizöl -und daß im Laufe des Jahres 1964 in beträchtlichem Umfang langjährige Verträge abgeschlossen worden waren, in die nicht eingegriffen werden konnte. Für das Jahr 1966 haben die Unternehmen der Mineralölwirtschaft für den gesamten Heizölverbrauch eine Zuwachsrate von 8 % in Aussicht genommen. Im einzelnen komme ich auf diesen Themenkreis bei Beantwortung der Frage 5 zurück.
5. Schließlich ist die Lagerhaltungsaktion zu erwähnen, die die Bundesregierung im Sommer des vergangenen Jahres beschlossen hat, um zu einer kurzfristigen Neutralisierung des Haldenproblems zu kommen. Es ging dabei darum, angesichts der sehr angespannten Situation soziale Schwierigkeiten für die Bergleute kurzfristig zu vermeiden. Dieser Zielsetzung ist die Maßnahme gerecht geworden. Sie hat es den Unternehmen ermöglicht, durch vier von ihnen bezahlte Feierschichten die Förderung um rund 2 Millionen t herabzudrücken, und sie hat gleichzeitig eine Entlastung der Liquiditäts- und Haldensituation gebracht. Natürlich hat diese Aktion das Kohleproblem nicht gelöst. Das kann ich den Kritikern der Maßnahme uneingeschränkt bestätigen. Aber darum ging es ja auch gar nicht. Es handelte sich vielmehr um eine Aktion, die angesichts der starken Absatzverluste der Kohle kurzfristig Entlastung und eine Erleichterung für Bergarbeiter und Unternehmer bringen sollte, um so die für die Erarbeitung eines energiepolitischen Konsolidierungsprogramms nun einmal notwendige Zeit zu gewinnen. Diesen Zweck hat die Aktion durchaus erfüllt.
Zusammenfassend ist zur energiewirtschaftlichen Gesamtsituation festzustellen: Die Entwicklung der letzten Jahre und die dabei eingetretenen strukturellen Änderungen haben positive und negative Wirkungen ausgelöst. So sind insbesondere die revierfernen Gebiete - vor allem Bayern und Baden-Württemberg - begünstigt worden, deren Energiepreisniveau sich dem des übrigen Bundesgebietes weitgehend angenähert hat. Dadurch sind dort die industriellen Standortbedingungen nachhaltig verbessert worden; durch Frachtverbilligungen und Tarifmaßnahmen sind in diesen Gebieten auch die Kohlepreise für Großverbraucher zurückgegangen.
Diesen positiven Feststellungen stehen allerdings gestiegene Schwierigkeiten beim Steinkohlenbergbau gegenüber, der trotz der bereits ergriffenen Maßnahmen der Bundesregierung und trotz der erBundesminister Schmücker
heblichen Rationalisierungserfolge beträchtliche Absatzverluste hinnehmen mußte. Die unausweichlich notwendige Leistungssteigerung führt zwangsläufig der Tendenz nach zu einer Mehrförderung und wirkt damit der gegenwärtig ebenfalls notwendigen Fördereinschränkung entgegen. Beide Dinge - Leistungssteigerung und Fördereinschränkung - sind aber erforderlich, sie gehören zusammen, so schwer sie für die Unternehmen zu bewältigen sein werden.
Frage 2:
Welche Auswirkungen ergeben sich daraus für die Situation des deutschen Steinkohlenbergbaus? Hält die Bundesregierung eine Ergänzung der bisherigen energiepolitischen Maßnahmen für eine Konsolidierung der Verhältnisse im Steinkohlenbergbau für erforderlich, und welche Zielsetzung hat das vom Bundesminister für Wirtschaft angekündigte energiepolitische Programm?
Das Jahr 1965 hat für die Steinkohle Absatzverluste in nahezu allen Verbrauchssektoren gebracht. Die extrem niedrigen Heizölpreise des Jahres 1964 führten in verstärktem Maße zu Umstellungen der Verbraucher. Aber der Hauptgrund für die Umstellung ist die angespannte Arbeitsmarktlage und der daraus folgende Zwang zur Rationalisierung. Das gilt für die privaten Haushalte in gleicher Weise wie für die Industrie. Hinzu kam die verhältnismäßig ausgeglichene Witterung. Die sehr hohe Wasserdarbietung der Natur führte für 1965 selbst im Elektrizitätsbereich zu einem erheblichen Rückgang des Steinkohlenverbrauchs. Die Verbraucherbestände wurden abgebaut, die Exporte gingen bec. trächtlich zurück.
Diese Absatzentwicklung erzwang erstmals eine Einschränkung der Steinkohlenförderung von 142 auf 135 Millionen t. Diese Fördereinschränkung ist zum größten Teil durch eine lineare Verringerung der Produktion herbeigeführt worden. Daß dies für die Unternehmen und für die Volkswirtschaft die teuerste Methode einer Fördereinschränkung ist, muß offen gesagt werden und sollte bei weiteren Überlegungen stärker bedacht werden.
Die harte, aber unabweisbare Konsequenz aus dieser Entwicklung ist, daß die Steinkohlenförderung durch Schließung weiterer Schachtanlagen zurückgenommen werden muß und daß die gut gelagerten Zechen weiter rationalisiert werden müssen. Ich brauche hier nicht besonders zu betonen, daß die Notwendigkeit der Stillegungen weder vom Steinkohlenbergbau noch von der Bundesregierung begrüßt wird. Aber wir müssen mit der nun einmal gegebenen Situation fertig werden und sollten nicht versuchen, ihr mit unrealistischen Vorstellungen auszuweichen.
Ich habe bereits bei der Debatte über die Regierungserklärung deutlich zum Ausdruck gebracht, daß es sich bei der Zahl von 140 Millionen t niemals um eine Absatzgarantie gehandelt hat. Die öffentliche Diskussion hat dieser Zahl eine Art magische Bedeutung gegeben. So ist das nun einmal, wenn man mit Zahlen operiert. Die einen verdächtigen den Bergbau, hiermit einen rein quantitativen Besitzstand um jeden Preis zu verteidigen, andere versuchen, den Erfolg der Energiepolitik der Bundesregierung allein an der Frage zu messen, ob - unabhängig von den Gegebenheiten des Marktes, unabhängig von den Frachtraten, unabhängig von kaltem oder warmem Wetter, unabhängig von der Konzern- und Syndikatspolitik - in diesem Lande 140 Millionen t Kohle produziert und abgesetzt werden können. Die als Zielvorstellung gemeinte 140Millionen-t-Zahl wurde zu einer Fessel für alle Beteiligten. Niemand konnte wagen, an der Zahl zu rütteln, wenn er nicht der Treulosigkeit oder des wirtschaftspolitischen Versagens bezichtigt werden wollte.
Die Bundesregierung ist der Meinung, daß es unvernünftig wäre, die Zahl von 140 Millionen t durch eine andere Zahl zu ersetzen, da diese dann wieder Fehlinterpretationen ausgesetzt sein würde. Nach ihrer Überzeugung ist auch dem Bergbau mit einer neuen Zahl nicht gedient. Wichtiger ist für den Bergbau vielmehr, daß ihm die öffentliche Hand jede Unterstützung zuteil werden läßt, die ihm Rahmen der Leistungskraft unserer Volkswirtschaft möglich ist. Wichtig ist, daß energiepolitische Daten gesetzt werden, an denen die Unternehmen des Bergbaus selbst ihre Marktchancen messen und ihre Entscheidungen ausrichten können.
In diesem Sinne stellen sich für die heutige Debatte folgende politisch zu entscheidenden Fragen:
1. Ist auch dieses Hohe Haus der Meinung, daß die Lage des Bergbaus neue zusätzliche Hilfen zur Verbesserung seiner Lage rechtfertigt, und ist der Bundestag bereit, im gleichen Augenblick, in dem er die Notwendigkeit solcher Dinge diskutiert, anzuerkennen, daß dies erhebliche Opfer erfordert?
2. Wie können derartige Hilfen unter den Gesichtspunkten der Struktur-, der Regional-, der Energie- und der Sozialpolitik so wirkungsvoll wie möglich gestaltet werden?
Ich habe vorhin bereits gesagt, daß es für den Steinkohlenbergbau darauf ankommt, energiepolitische Daten zu erhalten, auf die er sich einrichten kann. Zu den bisher bestehenden Daten gehören:
Kohlezoll und Kohlekontingent zur Abschirmung gegenüber der Importkohle;
Heizölsteuer und Selbstbeschränkung, wobei eine wirksamere Ausgestaltung der Selbstbeschränkung durch eine verwaltungsmäßige Abstützung erforderlich ist;
die Frachthilfen zugunsten der Kohle; die Unterstützung der Rationalisierung;
die steuerlichen Vergünstigungen bei der Errichtung von Elektrizitätswerken auf Steinkohlenbasis.
Die Bundesregierung hält eine Ergänzung dieser Maßnahmen für notwendig. Sie schlägt hierfür außer der soeben genannten Verbesserung der Selbstbeschränkung im Heizölsektor folgendes Programm vor:
1. eine Rücknahme der Förderung durch eine geordnete Durchführung weiterer Stillegungen bei gleichzeitiger Unterstützung strukturpolitischer Ziel1316
setzungen des Bundes, des Landes Nordrhein-Westfalen und des Saarlandes; dazu gehört insbesondere die Nutzbarmachung von Grundstücken und Gebäuden für die Ansiedlung neuer, vor allem moderner Industrien;
2. eine zusätzliche Absicherung für den Steinkohlenbergbau in den Hauptabsatzbereichen, vor allem in der Elektrizitätswirtschaft;
3. die Verbesserung der sozialen Sicherungen für die vom Strukturwandel betroffenen Bergleute;
4. eine neue Initiative für eine europäische Lösung des Steinkohlenproblems, da es nicht vertretbar ist, das Kohleproblem aus der fortschreitenden Integration auszuschließen. - Schließlich hält die Bundesregierung
5. ein Rohrleitungsgesetz für Mineralöl- und Erdgasleitungen für erforderlich, das die Möglichkeit geben soll, ungünstigen Entwicklungen in der Marktstruktur der Mineralöl- und Erdgaswirtschaft und insbesondere der Gefahr monopolartiger Entwicklungen vorzubeugen. Dieser letzte Punkt steht allerdings nicht in einem unmittelbaren Zusammenhang mit diesem Problem.
Frage 3:
Welche Maßnahmen hält die Bundesregierung zur Sicherung des sozialen Status der Bergarbeiter für notwendig?
Die Bundesregierung ist sich darüber im klaren, daß alles getan werden muß, damit der Strukturwandel sich nicht zu Lasten des Bergarbeiters und der im Bergbau Beschäftigten vollzieht. Es muß jedoch darauf hingewiesen werden, daß der beste Schutz nach wie vor in einem gesicherten Arbeitsplatz liegt, sei es nun im angestammten Beruf oder in einem neuen Tätigkeitsbereich. Viele unserer Landsleute kennen das Schicksal, den erlernten Beruf, ihren Besitz und den heimatlichen Wohnort aufgeben zu müssen. Dies ist einer der härtesten Schläge, die einen Menschen treffen können. Was dabei verlorengeht, kann mit Geld allein nicht abgegolten werden.
Wir sollten gerade heute daran erinnern, was die Bergleute, als wir weder ausreichend Hausbrand- noch Industriekohle hatten, zur Überwindung unserer Not geleistet haben. Viele Mitbürger sind damals, vom Staate dazu aufgefordert oder unterstützt, in den Bergbau gegangen, weil sie hier die Chance einer neuen, sicheren Existenz sahen. Sie folgten einer Aufforderung - ich wiederhole das -, die vom Staat ausgesprochen wurde. Wir alle sind dem Bergmann Dank schuldig.
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Darum soll er auch eine Hilfe erhalten, die anderen Mitbürgern, die ähnliches wie er erleben, nicht gegeben wird.
Wir müssen aber auch gegen alle Demagogie und wirtschaftlichen Unverstand auf die wirtschaftlichen Realitäten hinweisen, die man auch bei Anerkennung aller Leistungen nicht außer Kraft setzen kann. Wer wirklich helfen will, muß die Wahrheit
sagen, Verständnis haben und jede mögliche soziale Hilfe leisten. Aber er muß auch in der Sache selbst das wirtschaftlich unerbittlich Notwendige tun. Die Freiheit der Konsumwahl, die jedem Verbraucher in unserem Lande zusteht, hat nun einmal zur Konsequenz, daß Strukturwandlungen rascher ausgelöst werden als in einer Zuteilungswirtschaft, die nicht vom Markt, sondern von der Produktion bestimmt wird. Wenn wir die Marktwirtschaft wollen, müssen wir uns auch ihren unangenehmeren Konsequenzen beugen, d. h. wir müssen die Unausweichlichkeit des Strukturwandels anerkennen und politisch versuchen, den Strukturwandel ordnend zu beeinflussen.
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Dazu gehören in erster Linie soziale Überbrükkungsmaßnahmen. Es besteht bereits heute ein umfassender Katalog von Hilfsmaßnahmen zugunsten der von Stillegungen betroffenen Bergarbeiter. Diese Maßnahmen werden gemeinsam mit der Hohen Behörde praktiziert. Sie haben dazu geführt, daß nachhaltige Schwierigkeiten in den bisherigen Fällen von Stillegungen verhindert werden konnten. Allein im Jahre 1965 sind erneut 21 000 Bergleute aus dem Bergbau ausgeschieden, ohne daß es zu großen sozialen Härten gekommen wäre. Es muß schließlich betont werden, daß auch die soziale Alterssicherung des Bergmanns im Rahmen der knappschaftlichen Versicherung den Besonderheiten dieses schweren Berufes durch ein eigenes Leistungssystem Rechnung trägt.
Für den einzelnen Bergmann und die betroffenen Familien ergeben sich aus einer Zechenstillegung und einem Wechsel des Arbeitsplatzes und insbesondere auch des Berufes eine Vielfalt von Sorgen. Aber es kann heute niemandem, auch dem Bergmann nicht, ein bestimmter Arbeitsplatz auf Lebenszeit garantiert werden. Die Wirtschaftspolitik kann wohl dafür sorgen, daß jedem Bürger ein Arbeitsplatz zur Verfügung steht. Für die Politik kommt es darauf an, die Übergänge zu erleichtern und die sozialen Härten zu mildern.
Die Bundesregierung hat erneut die bestehenden sozialen Sicherungen des Bergmanns überprüft. Sie schlägt zusätzlich folgende Maßnahmen vor.
1. Das System der Anpassungsbeihilfen nach Art. 56 des Montanvertrages soll verbessert werden. Die Bemessungsgrenze für die Lohnbeihilfe und für Wartegeld wind erhöht und der jeweiligen Lohnentwicklung angepaßt werden. Die Leistungsdauer für Trennungsentschädigung und Familienheimfahrten soll von jetzt einem Jahr auf drei Jahre, die für Übergangsbeihilfen von drei auf vier Jahre verlängert werden, die Übergangsbeihilfe soll erhöht werden. Außerdem sollen die Voraussetzungen für den Bezug von Abfindungen erleichtert werden. Die Bundesregierung wird sich darum bemühen, daß die Beihilfen sowohl für unmittelbar wie für mittelbar Betroffene gewährt werden. Die für die Durchführung dieser Verbesserungen notwendigen Verhandlungen mit der Hohen Behörde sind aufgenommen.
Im Rahmen der Anpassungsbeihilfen wird auch dafür gesorgt werden, daß den über fünfzigjährigen
Bergleuten, die noch nicht die Voraussetzungen für den Bezug der Bergmannsrente erfüllen und ihren Arbeitsplatz im Bergbau verlieren, kein unzumutbarer Schaden entsteht.
2. Für ältere Bergleute, die erfahrungsgemäß in besondere Schwierigkeiten geraten, wird eine Änderung der Voraussetzungen für die Gewährung der Knappschaftsausgleichsleistung vorgenommen werden. Es soll allen Bergleuten, die 55 Jahre alt sind und die Voraussetzungen für die Gewährung von Altersruhegeld mit Vollendung des 60. Lebensjahres erfüllen, ermöglicht werden, auch auf eigenen Wunsch aus dem Bergbau auszuscheiden und dann die Knappschaftsausgleichsleistung zu beziehen.
3. Schließlich hat die Bundesregierung eine Änderung des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung vorgesehen, um die Gewährung des Arbeitslosengeldes, die nach der heutigen Regelung nur für 26 Wochen möglich ist, auf 52 Wochen auszudehnen. Es wird kein Unterschied mehr zwischen der beitragsfreien Beschäftigung knappschaftlich Versicherter und einer beitragspflichtigen Beschäftigung in anderen Wirtschaftszweigen gemacht werden.
4. Um den infolge von Rationalisierungsmaßnahmen aus dem Kohlenbergbau ausgeschiedenen Bergarbeitern die Wohnberechtigung in Bergarbeiterwohnungen zu erhalten, wurde auf Grund eines interfraktionellen Initiativantrages und bei gleichgerichteten Bestrebungen der Bundesregierung das Dritte Gesetz zur Änderung des Bergarbeiterwohnungsbaugesetzes vom 24. August 1965 erlassen. Zur Durchführung dieser Neuregelung wird eine Rechtsverordnung verabschiedet.
Die Bundesregierung glaubt, daß mit einer derartigen Vervollständigung der Maßnahmen für die soziale Sicherung des Bergmanns ein weiterer erheblicher Schutz gegeben wird, der die Durchführung wirtschaftlich unvermeidbarer Maßnahmen erleichtert. Die Bundesregierung erwartet, daß darüber hinaus die Unternehmen des Steinkohlenbergbaus sich wie bisher ihrer sozialen Verpflichtung gegenüber ihren Arbeitnehmern bewußt bleiben und auch im Rahmen ihrer Möglichkeiten dazu beitragen, den unvermeidbaren Anpassungsprozeß in seinen sozialen Auswirkungen erträglich zu gestalten. Bund und Länder werden ihre finanzielle Unterstützung jedenfalls davon abhängig machen, daß von den stillegenden Unternehmen die notwendigen Sozialpläne vorgelegt werden.
Frage 4:
Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung für eine Verbesserung der wirtschaftlichen Struktur in den Bergbaugebieten?
Meine Damen und Herren! Die in allen Teilen der Bergbaureviere bestehende Monostruktur macht diese Gebiete in ihrer gesamten Wirtschaftstätigkeit besonders anfällig. Dies ist von der Bundesregierung, aber auch von den beteiligten Landesregierungen stets gesehen worden. Vieles ist für die Auflockerung ,der Struktur dieser Gebiete bereits getan. Ich erinnere an das Strukturprogramm des Landes
Nordrhein-Westfalen, an den Gesamtplan der SaarBergwerke und an die Ansiedlung neuer Werke in Bochum. Daneben gibt es viele nicht so stark ins Auge fallende Aktivitäten, die bereits heute der einseitigen Wirtschaftsgliederung in den Bergbaurevieren entgegenwirken.
Gleichwohl sind die Bundesregierung und die Regierungen des Landes Nordrhein-Westfalen und des Saarlandes der Auffassung, daß die Bemühungen um die Lösung dieses Problems intensiviert werden müssen. Es kommt darauf an, ein Instrument zu schaffen, das drei Aufgaben übernimmt, nämlich für eine geordnete Durchführung der unausweichlichen Stillegungen zu sorgen, die Neuansiedlung von Ersatzindustrien aktiv zu betreiben und beides so aufeinander abzustimmen, daß Nachteile für das wirtschaftliche Wachstum und für die Bevölkerung in diesen Gebieten vermieden werden.
Um dieser Aufgabenstellung zu entsprechen, soll eine privatrechtliche Gesellschaft gegründet werden. Gesellschafter sollen in erster Linie die Unternehmen der gewerblichen Wirtschaft sein. Die für die Lösung der Aufgabe eingesetzten Maßnahmen und Mittel müssen auf die verschiedenartige Zielsetzung zugeschnitten, aber so koordiniert werden, daß im ganzen ein optimales Ergebnis erzielt wird.
Für die geordnete Durchführung der Stillegungen wird die öffentliche Hand einen maßvoll bemessenen Betrag je Tonne stillzulegender Förderkapazität als verlorenen Zuschuß und als Anreiz für die Stilllegung zur Verfügung stellen. In Aussicht genommen ist ein Betrag von 15 DM je Tonne Kapazität. Die Gewährung einer höheren Prämie ist angesichts der Situation der öffentlichen Haushalte und der Notwendigkeit einer Beschränkung der öffentlichen Ausgaben nicht möglich. Im übrigen wird von der öffentlichen Hand auch für die neuen Stillegungsfälle - wie bereits im Rahmen des Rationalisierungsverbandes - die Lastenausgleichsabgabe abgelöst werden müssen. Der hierfür erforderliche Betrag variiert von Fall zu Fall. Er beträgt im Durchschnitt 8 DM je Tonne Kapazität.
Es isst notwendig, die bei den Zechenstillegungen freiwerdenden Grundstücke zu mobilisieren und der strukturellen Aufgabe, der Neuansiedlung von Industriebetrieben, nutzbar zu machen. Die hierfür erforderlichen Mittel sollen von der Aktionsgemeinschaft selbst aufgebracht werden. Die Aktionsgemeinschaft soll auch aktiv um die Neuansiedlung von Betrieben und um die Auflockerung der Monostruktur der Kohlenreviere bemüht sein. Es ist vor allem an die Gründung von Werken gedacht, die zu einer modernen Industrie gehören und in unserem Lande noch nicht oder zu schwach vertreten sind. Es hat sich also nicht nur die Solidarität der deutschen Wirtschaft zu bewähren, sondern auch ihr vorwärtsdrängender Pioniergeist.
Ein besonderes Problem, das von der Landesregierung Nordrhein-Westfalens im Rahmen ihrer regionalpolitischen Verantwortung besonders intensiv verfolgt wird, liegt in der Frage des Bergschadensrisikos. Das Bergschadensrisiko ist dann für den ansiedlungswilligen Betrieb häufig ein entscheidendes Hindernis, das eine ungestörte Betriebsführung
erheblich belastet. Im Rahmen der Aktionsgemeinschaft wird auch für dieses Problem eine Lösung gefunden werden müssen.
Im Interesse einer straffen Durchführung der gesamten Aktion sollen alle Faktoren des dargestellten Programms einheitlich behandelt werden. Das bedeutet, daß das stillegungswillige Bergwerksunternehmen ein auf der Basis dieser Faktoren berechnetes einheitliches Angebot für die Durchführung der Stillegung einerseits und für den Verkauf der nicht mehr benötigten Grundstücke andererseits erhält.
Die Bundesregierung hat es sehr begrüßt, daß maßgebliche Vertreter unserer Industrie sich vor einer Woche im Grundsatz bereit erklärt haben, sich an einer derartigen Aktion zu beteiligen und sie aktiv und finanziell zu unterstützen. Ich bin überzeugt, daß auf diesem Wege ein unkompliziertes und unbürokratisch arbeitendes Instrument geschaffen wird, daß sowohl eine geordnete Durchführung der nun einmal notwendigen Stillegungen als auch eine Belebung der industriellen Aktivität in den betroffenen Gebieten ermöglicht.
Durch diese Aktion, meine Damen und Herren, wird der Beweis erbracht, daß die deutsche Wirtschaft fähig ist, in eigener Zuständigkeit große, kostspielige Gemeinschaftsaufgaben zu übernehmen. Die hierin bewiesene Solidarität, die ein Teil der unternehmerischen Verantwortung ist, steht höher als die mißmutigen Vorschläge, die in der Sozialisierung der Bergwerke den einzigen Ausweg sehen.
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Ich möchte dem Präsidium des Bundesverbandes der Industrie und allen Beteiligten aus der Wirtschaft für das gute Beispiel, das sie geben, und für die bewiesene Verantwortungsbereitschaft besonders danken.
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Frage 5:
Ist die Bundesregierung der Auffassung, daß von der Selbstbeschränkung der Mineralölwirtschaft im Jahre 1966 wirksame Ergebnisse zu erwarten sind?
Die Entwicklung des Heizölabsatzes im Jahre 1965 hat gezeigt, daß die Mineralölwirtschaft insgesamt gesehen zur Mitwirkung bei der Selbstbeschränkung bereit ist. Konkretere Vorstellungen über die Selbstbeschränkung konnten erst Anfang des Jahres 1965 entwickelt werden. Vor allem aus diesem Grunde dürfte der effektive Heizölzuwachs über die für das Jahr 1965 im Rahmen der Selbstbeschränkung zugrunde gelegten Raten hinausgegangen sein. Er belief sich beim leichten Heizöl auf rund 20 %. Vergleichsweise betrugen die Zuwachsraten des Inlandsabsatzes bei leichtem Heizöl 1962 49 %, 1963 30 % und 1964 13,3 %. Die aus dem Rahmen fallende geringe Nachfragesteigerung des Jahres 1964 in Höhe von 13,3 % war vor allem eine Folgewirkung der höheren freiwilligen Vorratshaltung, die nach den Versorgungsschwierigkeiten des kalten Winters 1962/63 eintrat. Bei
schwerem Heizöl betrug der tatsächliche Zuwachs des Inlandabsatzes im Jahre 1965 etwa 16 %. Dagegen betrugen die vergleichbaren Zuwachsraten 1962 20,5 %, 1963 19 % und 1964 19,8 %.
Zusammenfassend ist also - verglichen mit der langfristigen Entwicklungstendenz der Zuwachsraten - festzustellen, daß die Selbstbeschränkung schon im Anlaufjahr 1965 mengenmäßige Auswirkungen gehabt hat. Einen vollen Erfolg konnte sie 1965 jedoch nicht erziehlen.
Für das Jahr 1966 sind bei der Selbstbeschränkung globale Zuwachsraten von je 8 % in Aussicht genommen, die vom Kohlenbergbau für zu hoch, von der Mineralölwirtschaft für zu niedrig gehalten werden. Die Hauptschwierigkeit bei der Einhaltung dieser Zuwachsraten liegt vor allem beim schweren Heizöl. Falls es nicht gelingt, im Jahre 1966 durch freiwillige oder gesetzliche Regelung etwa 1,2 Millionen t, die von der Mineralölwirtschaft über die Lieferungen des Jahres 1965 hinaus von der Elektrizitätswirschaft angefordert sind, aus dem Markt zu nehmen, muß damit gerechnet werden, daß die Zuwachsrate von .8 % bei schwerem Heizöl 1966 tatsächlich nicht eingehalten werden könnte.
Die Entwicklung des Heizölabsatzes im Rahmen der Selbstbeschränkung wird in diesem Jahre von der Bundesregierung auf Grund der gewonnenen Erfahrungen des Jahres 1965 sehr sorgfältig beobachtet. Ich möchte nicht verhehlen, daß ich wegen des Verhaltens einiger Firmen und bei den geringen Zuwachsraten eine gewisse Besorgnis über das reibungslose Funktionieren der Selbstbeschränkung in diesem Jahre habe. Ich möchte daher keinen Zweifel daran lassen, daß angesichts der ernsten Schwierigkeiten auf dem Kohlenmarkt zusätzliche Störungen des Energiemarktes durch eine Überschreitung der Selbstbeschränkungsrate von der Bundesregierung nicht hingenommen werden würden.
({8})
Die Bundesregierung hat sich vor allem wegen des Verhaltens einiger weniger Unternehmen veranlaßt gesehen, das verwaltungsmäßige Verfahren zu ändern, mit dem die Lizenzierung der Mineralöleinfuhren bisher gehandhabt wurde. Sie hat vorgeschlagen, die Gültigkeitsdauer der Einfuhrgenehmigungen von bisher sechs Monaten auf drei Monate herabzusetzen, um eine bessere Überschaubarkeit der gestellten Einfuhranträge zu ermöglichen. Sie hat weiter die Möglichkeit geschaffen, die statistische Überprüfung der Einfuhranträge sorgfältiger als bisher zu gestalten, um jederzeit feststellen zu können, in welchem Ausmaß die Selbstbeschränkung von den einzelnen Unternehmen tatsächlich eingehalten wird.
({9}) Frage 6:
Mißt die Bundesregierung dem Gesichtspunkt der Versorgungssicherheit besondere Bedeutung bei? Ist sie bereit, insbesondere im Bereich der Elektrizitätswirtschaft dafür zu sorgen, daß hier ein angemessener Steinkohlenanteil erhalten bleibt?
Die Energiepolitik der Bundesregierung ist darauf ausgerichtet, sowohl dem Gesichtspunkt der preisgünstigen als auch dem Gesichtspunkt der sicheren Energie Rechnung zu tragen. In diesem Zusammenhang ist dem deutschen Steinkohlenbergbau schon immer eine besondere Rolle zugekommen, die sich einfach aus der Tatsache ergibt, daß er auch heute noch - und das sollte man nicht vergessen - die Grundlage der deutschen Energieversorgung ist. Zwar hat das Mineralöl heute in der Gesamtenergiebilanz einen nahezu gleichen Anteil wie die Kohle erreicht. Klammert man aber die Treibstoffe aus, so steht im Jahre 1965 auf dem Markt für Wärmeenergie einem Steinkohlenverbrauch von 115 Millionen t ein Heizölverbrauch von 62 Millionen t Steinkohleneinheiten gegenüber.
Auch in der Gesamtenergiebilanz ist Deutschland innerhalb der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft noch immer das Land, das am wenigsten von Energieeinfuhren abhängig ist. Die Bundesregierung begrüßt dies. Wir müssen uns aber darüber im klaren sein, daß auch Deutschland in zunehmendem Maße auf die Einfuhr von Energie angewiesen sein wird.
Die in der Fragestellung gesondert angesprochene Elektrizitätswirtschaft ist in ganz besonderem Maße auf eine kontinuierliche, störungsfreie Versorgung mit Einsatzenergien angewiesen, da die ungestörte Versorgung mit Elektrizität von ausschlaggebender Bedeutung für den gesamten Wirtschaftsablauf, aber auch für die privaten Haushalte ist. Es muß anerkannt werden, daß die Elektrizitätswirtschaft dieser Notwendigkeit in der Vergangenheit bereits in hohem Maße Rechnung getragen hat. Sie ist der beständigste Bezieher der deutschen Steinkohle.
Die Bundesregierung hat bereits mit der Vorlage des Gesetzes über die steuerliche Förderung der Verwendung von Steinkohle in Kraftwerken diese Gesichtspunkte anerkannt. Der Steinkohlenanteil bei der Elektrizitätserzeugung liegt heute bei etwa 50 %, davon 3 % Importkohle. Die Bundesregierung ist der Meinung, daß dieser Anteil weiterhin gehalten werden sollte. Angesichts der Preisunterschiede zwischen heimischer Steinkohle und schwerem Heizöl sind für die Erreichung dieser Zielsetzung zusätzliche Maßnahmen notwendig. Die Bundesregierung hat daher einen Gesetzesvorschlag beschlossen, der sowohl die Verbilligung des Mehrverbrauchs von Steinkohle in Kraftwerken regelt als auch Vorsorge dagegen trifft, daß der heute erreichte Anteil des Steinkohleneinsatzes in der Elektrizitätswirtschaft durch Umstellungen vermindert wird. Hierfür wird eine gesetzliche Verwendungsbeschränkung mit Genehmigungsvorbehalt notwendig sein.
In einem Gespräch mit maßgeblichen Vertretern der Elekrizitätswirtschaft ist der Bundesregierung zugesagt worden, daß die Elektrizitätswirtschaft in ihrer Investitionsplanung die Zielsetzung der Bundesregierung, 50 % der Stromerzeugung bei der Steinkohle zu halten, unterstützen wird. Auch an dieser Zusage, meine Damen und Herren, wird deutlich, zu welchen Anstrengungen die deutsche Wirtschaft zugunsten der Kohle bereit ist. Eine derartige Aktion kann aber nur dann ohne Auswirkungen auf
die Strompreise durchgeführt werden, wenn die erforderlichen Mittel über die Heizölsteuer aufgebracht werden. Die Bundesregierung ist der Meinung, daß ein Durchschlagen auf die Strompreise vermieden werden soll. Sie glaubt trotz der angespannten Haushaltssituation eine Finanzierung aus öffentlichen Mitteln vorziehen zu sollen. Die erforderlichen Mittel werden im nächsten Jahr auf 30 Millionen DM geschätzt und steigen an. Der Bedarf dürfte schließlich im Jahre 1970 bei 150 Millionen DM jährlich liegen.
Frage 7:
Wie beurteilt die Bundesregierung die Aussichten einer europäischen energiepolitischen Konzeption und insbesondere die Möglichkeiten einer europäischen Lösung des Kohleproblems?
Die Bundesregierung hält auch für die Energiepolitik europäische Lösungen für notwendig. Es geht nicht an, daß gerade dieser Bereich aus der fortschreitenden Integration ausgeklammert wird, da dann gravierende, wettbewerbsverzerrende Einflüsse für den gesamten Intregrationsprozeß in allen Bereichen entstehen könnten.
Im übrigen drängen die Verhältnisse im Steinkohlenbergbau der Gemeinschaft zu baldigem Handeln; andernfalls muß ein weiteres Auseinanderfallen der nationalen kohlepolitischen Maßnahmen befürchtet werden.
Der bisherige Verlauf der Verhandlungen und Diskussionen um eine europäische Energiepolitik ist behindert gewesen durch die organisatorische und materielle Aufsplitterung der Zuständigkeit für Energiefragen auf drei Behörden und in drei Verträgen und die sehr divergierenden Interessen der einzelnen Mitgliedsländer sowie die von ihnen angewandten sehr unterschiedlichen energiepolitischen Methoden.
Wir hoffen, daß die bevorstehende Fusion der Organe der Gemeinschaften ein neuer Ansatzpunkt zu gemeinsamem Handeln sein wird. Spätestens aber mit der Verschmelzung der Verträge, die als Verhandlungsziel ja bereits anerkannt ist, werden die noch offenen Fragen klargestellt und entschieden werden müssen.
Sehr viel dringender, meine Damen und Herren, ist ein gemeinsames Vorgehen in den Fragen der Kohlepolitik. Hier muß sofort gehandelt werden. Alle Produktionsländer befinden sich in großen Schwierigkeiten. Wenn jeder sich auf seine nationalen Bedürfnisse einrichtet und sich nicht um die Belange der Gemeinschaft kümmert, wird die Montanunion um ihren Sinn betrogen.
({10})
Das gilt in gleicher Weise auch für die Verbraucherländer. Wenn sie harmlos darauf hoffen, auf Grund des Art. 59 bei Mangellagen beliefert zu werden, so täuschen sie sich selbst. Entweder gibt es eine Gemeinschaft für Kohle und Stahl, dann muß man die Sorgen der Kohleproduktion gemeinsam tragen, oder es gibt sie nicht, dann werden die einzelnen Staaten mit diesen Sorgen selber fertig wer1320
den müssen, aber in Zeiten der Mangellage die Verbraucherländer nicht berücksichtigen können.
({11})
Meine Damen und Herren, dies ist keine Drohung, sondern ganz einfach die Aufforderung zu einer echten Gegenseitigkeit oder, wie es in der europäischen Sprache heißt, zum kommunitären Handeln. Die unterschiedliche Verwendung von Drittlandskohle in den einzelnen Industriezweigen der Gemeinschaft - vor allem in der Stahlindustrie - hat bereits zu Wettbewerbsverzerrungen geführt, die das Funktionieren des gemeinsamen Marktes glatt in Frage stellen.
Die Bundesregierung hat deshalb in der Ministerratssitzung am 7. März 1966 auf die Notwendigkeit eines gemeinsamen Vorgehens in der Kohlepolitik nachdrücklich hingewiesen. Sie hat insbesondere deutlich gemacht, daß es hier um Probleme geht, die nicht nur die kohleproduzierenden Länder angehen, sondern daß es um ein Thema geht, bei dem die Gemeinschaft als Ganzes angesprochen ist.
({12})
Die Hohe Behörde hat die bestehenden Gefahren klar erkannt und hat diese Linie der Bundesregierung, für viele überraschend, deutlich unterstützt.
({13})
Der Präsident der Hohen Behörde, Herr Del Bo, ist bei seiner Beurteilung der Kohlesituation in der Gemeinschaft zu einer ähnlichen Würdigung gekommen. Er hat festgestellt, daß die Kohlesituation in der Gemeinschaft sich so verschärft hat, daß es sich um ein echtes Gemeinschaftsproblem handelt, dessen Lösung einen festen Beitrag aller - aller! - Mitgliedsländer erfordert. Die Hohe Behörde hat daher dem Ministerrat empfohlen, sofort eine gründliche Untersuchung der Lage vorzunehmen, um fest umrissene, nicht aufschiebbare Lösungen zu erarbeiten. Die Bundesregierung hat also mit ihrer Initiative eine neue Verhandlungsphase einleiten können. Wir haben damit auch Resonanz bei unseren Partnern und der Hohen Behörde gefunden. Es ist ein Sonderausschuß eingesetzt worden, der unter Vorsitz der Hohen Behörde schon bis zur nächsten Sitzung des Ministerrates am 3. Mai 1966 eine Analyse der gegebenen Situation, aber auch konkrete Lösungsvorschläge erarbeiten soll.
Meine Damen und Herren, damit habe ich die gestellten Fragen beantwortet. Die Stellungnahme der Bundesregierung wäre aber unvollständig, wenn sie nicht auf die akuten Probleme einginge. Die Unternehmen des Steinkohlenbergbaues haben angekündigt, daß sie ab sofort Feierschichten einlegen müßten. Man spricht von 18 bis 20 Tagen. Wenn diese Feierschichten wahr werden, entstehen für den Bergmann erhebliche Lohneinbußen. Die Absatzlage der Kohle ist aber so schwierig, daß eine weitere Aufhaldung nicht in Frage kommt. Auf der Suche nach einer Lösung hat sich die Bundesregierung gegenüber der Industriegewerkschaft Bergbau und Energie und dem Unternehmensverband Ruhrbergbau
bereit erklärt, dem Bundestag eine vertretbare finanzielle Hilfe vorzuschlagen.
Von interessierter Seite sind mehrere Vorschläge gemacht worden. Der erste richtet sich auf einen bezahlten zusätzlichen Urlaub. Die Bundesregierung glaubt nicht, hierzu eine finanzielle Unterstützung geben zu können. Der zweite schlägt eine Regelung nach dem Beispiel des Schlechtwettergeldes vor, d. h. wenn die Kohle nicht verkauft werden kann, sollen die Bergarbeiter ähnlich wie die Bauarbeiter bei schlechtem Wetter entlohnt werden. Auch dieser Vorschlag wird von der Bundesregierng nicht akzeptiert. Der dritte Weg, Feierschichten auf die Bundeskasse zu übernehmen, findet wenig Sympathie.
Dagegen erscheint es der Bundesregierung erwägenswert, einer Anregung der IG Bergbau und Energie zu folgen. Im Bergbau gilt als Arbeitszeitregelung, daß Feiertage am Samstag nachgeholt werden müssen. Dies ist eine an sich sehr vernünftige Regelung. Würde sie dort gelten, wo Arbeitskräfte knapp sind, kämen wir über manche Schwierigkeiten hinweg.
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Daß sie aber im Gegensatz dazu ausgerechnet in den Bereichen gilt, wo wir staatlich eine Rücknahme der Produktion unterstützen, erscheint mir nicht ganz sinnvoll. Wer nüchtern die Entwicklung betrachtet, kann sich außerdem ausrechnen, wann diese Sonderregelungen fallen. Es handelt sich um 11 Nachholschichten im Jahre. Wenn man auf sie verzichtete, wäre das Problem der Feierschichten nicht ganz gelöst, aber doch erträglich gestaltet.
Ich wiederhole: die Bundesregierung wäre bereit, falls die Tarifpartner sich verständigen, dem Hohen Hause eine entsprechende Hilfe vorzuschlagen. Das Land Nordrhein-Westfalen hat erklärt, daß es sich an dieser Hilfe wie an allen anderen Maßnahmen zu einem Drittel beteiligen will. Der Unternehmensverband hat sich aber zu diesem Vorschlag bisher ablehnend geäußert.
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Ich möchte es vermeiden, Tariffragen hier im Bundestag anzuschneiden. Ich will darum darauf verzichten, alle Argumente zu behandeln. Bemerkenswert scheint mir der Hinweis zu sein, daß diese Arbeitszeitverkürzung auch diejenigen Zechen treffen würde, die an einer Arbeitszeitverkürzung nicht interessiert sind. Ich kenne die Zahl dieser Zechen, denen es wirtschaftlich gut geht, nicht, und alle Anstrengungen meines Hauses, diese Zahl zu ermitteln, sind bisher erfolglos geblieben.
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Aber ich muß wiederholen, daß dieser Hinweis recht bemerkenswert ist.
Ich gebe die Hoffnung nicht auf, daß die Sozialpartner zu einer befriedigenden Lösung kommen. Sollte dies nicht der Fall sein, so wird die Bundesregierung keinesfalls eine Hilfe für Feierschichten über die Unternehmen leiten, sondern vorschlagen, daß ähnlich der Regelung von 1959 vorgegangen
wird und Maßnahmen nur unmittelbar für die Bergarbeiter getroffen werden.
Alle Beteiligten sollen sich aber darüber im klaren sein, daß auch die Erfüllung des langfristigen Programms von einer befriedigenden Regelung der kurzfristigen Probleme abhängig ist.
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Das große Entgegenkommen, das die öffentliche Hand den Arbeitnehmern und den Eigentümern anbietet, ist geknüpft an ein sozial vernünftiges Verhalten aller Beteiligten.
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Ich vertraue darauf, daß die öffentliche Meinung gerade in diesem Punkte wachsam jeden Vorgang beobachtet.
Bevor ich das energiepolitische Programm noch einmal sehr kurz zusammenfasse, möchte ich noch ein Wort zum Ablauf der Entwicklung sagen. Im Auftrag des Herrn Bundeskanzlers habe ich sogleich nach der Bildung der neuen Bundesregierung mit der Ausarbeitung der Vorschläge zur Festigung der Lage im Steinkohlenbergbau begonnen. Die zuständigen Beamten aller beteiligten Ministerien übernahmen eine Arbeitslast, die weit über das Maß ihrer dienstlichen Pflichten hinausgeht, und sie lösten ihre Aufgaben in bestmöglicher Form. Ich habe mich bemüht, in der Gesamtwirtschaft die Bereitschaft zur solidarischen Hilfe zu stärken, und dies ist einschließlich derjenigen Bereiche gelungen, die mit der Kohle in Konkurrenz stehen. Natürlich können schneller Berichte geschrieben, Forderungen erhoben und Protestaktionen organisiert werden, als man positive Maßnahmen erarbeiten und absichern kann. Einen Wettlauf dieser Art kann eine verantwortungsbewußte Regierung niemals gewinnen. Der auf die Sache ausgerichtete Beobachter sollte dies bedenken; er sollte es bedenken bei der Beurteilung dessen, was heute die Bundesregierung mitteilt, und er sollte es auch in Rechnung stellen bei der Meinungsbildung über alles, was an Nachrichten über das Problem des Steinkohlenbergbaus, insbesondere aus dem Ruhrgebiet, gebracht wird. Er sollte es auch bedenken bei der oft genauso heftigen Reaktion in den revierfernen Gebieten, denen das Ausmaß der dem Steinkohlenbergbau zur Verfügung gestellten Hilfe sehr leicht zuviel wird.
Diese Debatte muß ohne Rücksicht auf Drohungen und Verlockungen geführt werden. Wenn sie dicht vor den Wahlen in Nordrhein-Westfalen liegt, ist das kein Grund, unangenehme Dinge zu verschweigen oder harte Konsequenzen zu vertagen. Ich wehre mich gegen die Verdächtigung, jede Regierung sei nach Zeiten eines Desinteresses vor Wahlen wieder geneigt, mit neuen Versprechungen zu kommen. Die Logik dieser Verdächtigung ist zu kurz, um ernst genommen zu werden. Alle Parteien sollten sich gegen eine derartige Taktik, die gegen sie insgesamt gerichtet ist, zur Wehr setzen, und wenn sie das schon nicht tun, sollten sie sich auf ein solches Spiel wenigstens nicht einlassen.
Leider ist es wahr, daß schwerwiegende Maßnahmen mit hohen Kosten sich nur bei einem gewissen Grad der Anspannung der Lage durchsetzen lassen. Die Unzulänglichkeit zu überwinden, ist eine wichtige Sache der gemeinsamen Politik. Was wir heute in der Kohle erleben, ist ein Akt der Modernisierung der Wirtschaft. Diese Modernisierung bringt hundertfache Vorteile, aber sie ist nicht frei von Erschütterungen. Wir können den Ablauf mildern, aber verhindern können wir ihn nicht. Darum sollten wir es auch nicht versuchen. Wer solches von einer Regierung verlangt, muß um eines vermeintlichen Vorteils willen wichtige Gesetze, nämlich Freiheit und wirtschaftliches Wachstum, in Gefahr bringen. Man kann in der sozialen Marktwirtschaft, wenn man ihre Freiheit will, nicht dann nach der Regierung rufen, wenn es nicht administrativ, sondern unternehmerisch und gewerkschaftlich um Kernfragen geht.
Diese Regierung jedenfalls meint es ernst mit ihrer marktwirtschaftlichen Konzeption. Sie gibt jede Hilfe, aber sie greift nicht über in die ureigenen Zuständigkeiten von Unternehmen und Gewerkschaften. Sie wird das nicht tun, auch wenn es noch so laut oder noch so harmlos gefordert werden sollte. Sie erwartet, daß alle bei dem hohen Maß an Hilfe, das sie erhalten, sich ihrer eigenen Funktion bewußt bleiben und diese auch voll wahrnehmen. Darauf haben die in der Kohle arbeitenden Menschen einen Anspruch. Das müssen aber auch alle diejenigen in gleicher Weise erwarten, die -angehalten von der Bundesregierung oder gezwungen durch Gesetz - für die Kohle Geld geben oder Verzichte leisten. Hier geht es um eine Gemeinschaftslösung, bei der jeder an seinem Platze das Bestmögliche tun muß. Die Bundesregierung erklärt, daß sie bereit ist, auf der Basis der Gegenseitigkeit auch in Zukunft weiterzuarbeiten.
Ich habe bei der Beantwortung der Großen Anfrage das energiepolitische Programm der Bundesregierung dargestellt. Ich fasse es in Stichworten zusammen. Es handelt sich um folgende Punkte:
1. Die Verbesserung der Maßnahmen für die soziale Sicherung der Bergarbeiter,
2. die Gewährung einer Stillegungsprämie zur geordneten Anpassung der Förderung an die Absatzverhältnisse,
3. in Verbindung damit die Gründung einer Aktionsgemeinschaft, um die Bemühungen um die Umstrukturierung, insbesondere des Ruhrgebiets und .des Saarlands, zu intensivieren,
4. eine zusätzliche Stabilisierung des Absatzes der Steinkohle im Elektrizitätsbereich mit dem Ziel, den gegenwärtigen Steinkohlenanteil zu halten,
5. eine Verbesserung der verwaltungsmäßigen Handhabung der Selbstbeschränkung bei der Ausweitung des Heizölabsatzes,
6. die Initiative für eine europäische Lösung des Kohleproblems,
7. ein Rohrleitungsgesetz für Mineralöl- und Erdgasleitungen.
Ich habe zu Beginn der Beantwortung der Großen Anfrage deutlich gemacht, daß man nicht Maßnahmen zur Verbesserung der Situation unseres Steinkohlenbergbaus vorschlagen kann, wenn man nicht gleichzeitig darauf hinweist, daß diese Maßnahmen Geld kosten und Verzichte verlangen. Die Bundesregierung hat deshalb beschlossen, dem Parlament vorzuschlagen, die für die Zeit vom 1. Mai 1967 bis zum 30. April 1969 vorgesehene Degression der Heizölsteuer zu beseitigen und die Geltung des Heizölsteuergesetzes um zwei Jahre zu verlängern. Aus der Beseitigung der Steuerdegression allein sind Mehreinnahmen für den Bundeshaushalt in der Größenordnung von 800 Millionen DM zu erwarten. Das gesamte Mehraufkommen wird auf über 2,5 Milliarden DM geschätzt.
Die Gesetzesvorlage im sozialen Bereich ist dem Bundesrat bereits zugeleitet. Die Gesetzesvorlagen zum Kohleeinsatz in der Elektrizitätswirtschaft sowie zur Heizölsteuer sind von der Bundesregierung gestern verabschiedet worden. Die Bundesregierung glaubt, daß mit diesem Programm eine Konsolidierung unseres Energiemarktes und insbesondere der Lage im Steinkohlenbergbau möglich ist. Wir wissen, daß das nicht von heute auf morgen geht, weil es kein Patentrezept für die Lösung derartiger Fragen gibt. Wir wissen auch, daß die Anstrengungen aller Beteiligten notwendig sind, um die Programme zum Erfolg zu bringen. Vom Steinkohlenbergbau erwartet die Bundesregierung, daß er sich auf die so gesetzten energiepolitischen Daten unternehmerisch einrichtet, seine Förderung den danach gegebenen Absatzchancen anpaßt und das Programm voll unterstützt.
Mein Wunsch an diese Debatte ist es, daß sie sich möglichst konkret mit diesen Vorschlägen auseinandersetzt und daß man dabei den beiden Realitäten des Energieproblems - den Strukturschwierigkeiten unseres Steinkohlenbergbaus und der Notwendigkeit der Versorgung unserer Wirtschaft mit billiger Energie - Rechnung trägt.
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Ich danke dem Herrn Bundesminister für Wirtschaft. Das Wort hat der Herr Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Schmücker hat Ihnen das langfristige Programm der Bundesregierung für den Bergbau vorgelegt. Er hat dabei - und ich bin ihm als dem Bundesminister für Wirtschaft besonders dankbar dafür - die Bedeutung der damit verbundenen sozialen Probleme herausgestellt.
Ich glaube, Sie werden mir alle zustimmen, wenn ich sage: Dieses Programm bedarf auf Grund der schwierigen Situation, in der sich der deutsche Steinkohlenbergbau befindet, dringend der Ergänzung durch schnell wirkende soziale Maßnahmen. Die Bundesregierung hat sich daher zu einem sozialen Strukturprogramm entschlossen, das Sofortmaßnahmen für den Bergmann und seine Familie vorsieht.
Dabei kommt es der Bundesregierung auf ein Dreifaches an. Erstens: Es darf keine Zechenstilllegungen ohne Sozialplan geben. Zweitens: Der Bergmann und seine Familie müssen wissen, welche sozialen Hilfen ihnen gegeben werden. Sie müssen wissen, was für Möglichkeiten zum Aufbau einer neuen Existenz und zur Sicherung ihrer Wohnung getan wird.
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Drittens: Dassoziale Strukturprogramm dient dazu, den wirtschaftlichen Umstrukturierungsprozeß zu erleichtern. Ich lege Wert darauf, hier festzustellen, daß dieses soziale Strukturprogramm angesichts der wirtschaftlichen Wandlung an Rhein, Ruhr und Saar eine zwingende Notwendigkeit ist.
Dieses Programm umfaßt drei Maßnahmen:
1. eine Änderung der Richtlinien über die Gewährung von Beihilfen für Arbeitnehmer des Steinkohlenbergbaus, die von Maßnahmen im Sinne des Artikels 56 § 2 des Montanunion-Vertrages betroffen werden,
2. eine Änderung des Knappschaftsgesetzes,
3. eine Änderung des AVAVG.
Diese Maßnahmen sind erforderlich, aber - ich gestehe es Ihnen freimütig - sie sind nicht problemfrei. Wenn wir auf Grund der wirtschaftlichen Wandlungen an Rhein, Ruhr und Saar diese Beschlüsse fassen, dann müssen wir alle, die wir diesen Beschlüssen die Zustimmung geben, wissen, daß die Staatszuschüsse zur Knappschaftsversicherung beträchtlich wachsen werden. Der Zuschuß, den der Bund gibt, beträgt heute 2,2 Milliarden DM jährlich, er wird nach vorsichtiger Schätzung im Jahre 1970 auf 4,5 bis 5 Milliarden DM im Jahr anwachsen. Ich sage das hier deshalb, damit später, nach einem oder zwei Jahren, nicht wieder Ursache und Wirkung verwechselt werden, damit man sich klar ist, daß die sozialen Maßnahmen, die wir dann zu bezahlen haben, ihre Ursache in dem wirtschaftlichen Umstrukturierungsprozeß haben, über den wir in dieser Stunde diskutieren.
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Ich sage das, meine Damen und Herren, gerade auch angesichts unserer Haushaltsdiskussion, ich sage das auch angesichts der Diskussion, die in der Öffentlichkeit über ,den Bundeszuschuß zur Rentenversicherung immer wieder aufflackert. Man kann morgen nicht das ändern, was man heute im Bewußtsein des Strukturwandels beschließt.
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Vorhin wurde mit Recht darauf hingewiesen, daß das, was wir jetzt zu tun beabsichtigen, vielleicht aus der Sicht 'des Bergmannes als zu wenig empfunden wird, daß es aber .aus der Sicht der revierferner gelegenen Gebiete vielleicht als zu viel angesehen werden könnte. Ich muß darauf hinweisen, daß natürlich all diese sozialen Maßnahmen nicht alleinstehen, sondern in dem gesamten Geflecht unserer Sozialpolitik und der Sozialversicherung ein spezieller, ergänzender Teil sind.
Lassen Sie mich zu diesem Aspekt noch eine Bemerkung machen. Ich habe darauf hingewiesen, daß
das, was wir jetzt tun, morgen zu erheblichen finanziellen Belastungen des Bundes führen wird. Ebenso deutlich muß ich auch auf die andere Seite hinweisen, daß wir heute nämlich etwas zu begleichen haben, was wir 1945 gewollt haben. Nach dem Zusammenbruch 1945 wäre uns ohne die Hilfe unserer Kohle der wirtschaftliche Aufstieg nicht möglich gewesen.
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Wir haben mit allen möglichen Mitteln Männer in den Bergbau geholt.
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Ich darf in die Erinnerung rufen, daß wir damals sogar Dienstverpflichtungen für den Bergbau ausgesprochen haben. Ich glaube, es gebietet unsere Verantwortung, nun alles, was in unseren Kräften steht, zu tun, um die Menschen im Bergbau vor einem sozialen Abstieg zu bewahren.
Wer das Ruhrgebiet und das Saargebiet und die Menschen kennt, die dort auf der Kohle und von der Kohle leben, der weiß, wie sehr ihr Lebensgefühl wie in kaum einer anderen Berufsschicht von ihrer harten Arbeit geprägt ist; der versteht deshalb aber auch, was es für den Bergmann heißt, in Unsicherheit über das Schicksal seines Arbeitsplatzes zu leben; der begreift, was es heißt, den Arbeitsplatz und oft genug auch den Beruf wechseln oder vorzeitig aus dem Arbeitsleben ausscheiden zu müssen. Selbst wenn damit keine materiellen Nachteile verbunden sind - ihn überfällt dann oft ein Gefühl der Entwurzelung.
Deshalb glaube ich,- daß Herr Kollege Schmücker mit Recht daran erinnert hat, daß es sich hier ganz wesentlich um ein menschliches Problem handelt. Ich glaube, dieses Parlament würde seiner Aufgabe nicht gerecht, wenn wir nicht von dieser Stelle aus zeigen würden, was uns in dieser Stunde am meisten bewegt. Ich glaube, am meisten bewegt uns das Schicksal jedes einzelnen Bergarbeiters, der von einer Zechenstillegung betroffen wird; am meisten bewegt uns das Schicksal seiner Familie; und der wollen wir helfen.
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Deshalb meine ich, daß es das wichtigste für uns ist, dem Bergmann Klarheit zu verschaffen, Klarheit insbesondere über die Hilfe, die er in Zukunft erwarten kann.
Das Ruhrgebiet wird seine wirtschaftliche Struktur verändern - es wird jedoch weder veröden noch sein Gesicht verlieren. Kohle und Stahl werden nach wie vor das Profil dieser Landschaft prägen. Die Ansiedlung von neuen Industrien wird jedoch wesentlich dazu beitragen, die Wirtschaftsstruktur so zu verändern, daß sie in Zukunft weniger anfällig für strukturelle Wandlungsprozesse sein wird. Hier ist überdies die große Chance gegeben, mit einer gesunden Wirtschaftsstruktur' gleichzeitig eine gesunde Raumordnung und eine ausgeglichenere Sozialstruktur herbeizuführen.
Dazu tragen nicht zuletzt die sozialen Maßnahmen bei, die die Bundesregierung heute dem Hohen Hause vorlegt. Diese Hilfe für den Bergmann soll
sofort und unmittelbar wirksam werden, sie soll sich gleichzeitig aber auch voll in die strukturpolitische Steuerung des Wandlungsprozesses an Rhein, Ruhr und Saar einfügen. Unser Ziel ist: Der qualifizierte Bergmann soll nicht Hilfsarbeiter werden. Wir werden für ihn alle Möglichkeiten schaffen, damit er bei Zechenstillegungen wieder zu einem angemessenen Arbeitsplatz kommt, zu einem Arbeitsplatz, der in bestmöglicher Weise den sozialen und wirtschaftlichen Status sichert, den er durch seiner Hände Arbeit erreicht hat.
Ich bin mir dabei darüber im klaren, daß das nur so weit möglich ist, als seine harte Arbeit ihm dazu die Kraft und die Gesundheit gelassen hat. Das aber ist im Bergbau bei weitem nicht so selbstverständlich, wie mancher vielleicht glauben mag.
Wir wissen, welche Schwierigkeiten für den einzelnen zu überwinden sind. Wir wissen aber auch von seiner Bereitschaft - und haben sie in der Vergangenheit erfahren -, nach bestem Vermögen seinen Platz in der Wirtschaft auszufüllen. Zu dieser Bereitschaft zur Selbsthilfe muß und wird deshalb auch die gezielte Hilfe der Gesellschaft und des Staates treten. Ich möchte hier betonen: ich glaube, daß die Industriegewerkschaft Bergbau und Energie Dank dafür verdient, daß sie bisher das Ihre dazu beigetragen hat, diesen sozialen Umschichtungsprozeß größten Ausmaßes in größter Ruhe und Besonnenheit zu vollziehen.
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Ich möchte das hier sehr deutlich aussprechen, weil jedermann, der politisch zu denken vermag, weiß, daß es dort Kräfte gibt, die diesen Anlaß mir benutzen, um andere politische Ziele zu erreichen. Wir sollten daher alles Interesse daran haben, die besonnenen Kräfte in den Gewerkschaften zu unterstützen und ihnen ihre Arbeit zu erleichtern.
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Neben der Hilfe der Gesellschaft steht die des Staates. Was wir tun können, sind - so habe ich gesagt - im wesentlichen drei Punkte:
Erstens die Änderung der Richtlinien über die Gewährung von Beihilfen für Arbeitnehmer des Steinkohlenbergbaus, die von Maßnahmen im Sinne des Art. 56 § 2 des Montanunion- Vertrages betroffen werden.
Mit den auf Grund der Richtlinien gewährten Beihilfen konnten in der Vergangenheit Härten vermieden werden und konnte der Sozialstatus des Bergmanns weitgehend gewahrt bleiben. Diese Maßnahmen haben sich bewährt. Der Katalog der Beihilfearten, die vom Bund und der Hohen Behörde zu je 50 % finanziert werden, erfaßt nahezu lückenlos die bei Arbeitsplatzwechsel und bei Arbeitslosigkeit auftretenden wirtschaftlichen Risiken und gestattet eine den jeweiligen Bedürfnissen angepaßte Hilfe.
Die Bundesregierung beabsichtigt, diese Richtlinien weiter zu verbessern. Die wichtigsten Verbesserungen sind folgende:
1. Die Bemessungsgrenze für das Wartegeld und die Lohnbeihilfe soll auf 1300 DM erhöht und künf1324
tig jeweils der Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung angepaßt werden.
2. Die Abfindung soll künftig allen in ihrem Leistungsvermögen geminderten Bergleuten gewährt werden. Die jetzige Altersgrenze von 50 Jahren soll entfallen. Die Abfindung soll in Zukunft 4000 DM, für Empfänger der Knappschaftsausgleichsleistung 2000 DM betragen.
3. Die Leistungsdauer für Trennungsbeihilfen soll von jetzt einem Jahr auf drei Jahre erhöht werden.
4. Die Entschädigung für Fahrkosten soll verbessert werden. Die möglichen Pendelkosten sollen mit 50 % erstattet, die Fahrkostenmehraufwendungen nach der Entlassung in voller Höhe ersetzt und die Kosten für die Anreise an den neuen Beschäftigungsort in voller Höhe abzüglich 10 DM Eigenbeitrag übernommen werden.
5. Die Hausbrandabfindung soll von jetzt 180 DM auf 240 DM erhöht werden.
6. Die Bezugsdauer der Übergangsbeihilfen soll von jetzt drei Jahren auf vier Jahre verlängert werden. Außerdem soll der erstattungsfähige Betrag von jetzt 400 DM auf 500 DM erhöht werden und der Vomhundertsatz der Erstattung vom dritten Jahr ab von jetzt 25 % auf 50 % verbessert werden.
7. Die Beihilfen sollen künftig nicht nur für unmittelbar, sondern daneben auch für mittelbar Betroffene gewährt werden.
Ich will dieses sogenannte Stellvertreterprinzip an einem Beispiel darstellen: Auf Grund einer Rationalisierungsmaßnahme wird ein jüngerer Bergarbeiter - nennen wir ihn A - auf eine andere Zeche umgesetzt, die nicht stillgelegt wird. An seiner Stelle wird ein älterer, auf dieser Zeche beschäftigter Bergarbeiter - nennen wir ihn B - entlassen. Nach den bisherigen Richtlinien konnte entweder der unmittelbar betroffene Bergmann A oder der mittelbar betroffene Bergmann B die Beihilfen bekommen. Meistens erhielt sie Bergmann B. Nach den neuen Bestimmungen, die wir Ihnen vorlegen, sollen jetzt beide einen Anspruch auf Beihilfen bekommen.
8. Insbesondere sollen auch die Lohnbeihilfen verbessert werden, und zwar sowohl was die Leistungsdauer als auch die Leistungshöhe betrifft. Gegebenenfalls soll auch die Möglichkeit eingeräumt werden, die Lohnbeihilfe durch eine einmalige Abfindung abzugelten. Ferner ist vorgesehen, bei der Berechnung der Lohnbeihilfe die jeweilige Lohnentwicklung zu berücksichtigen.
Im übrigen gilt wie bisher:
Die Umzugskosten werden in voller Höhe übernommen und es wird eine Einrichtungsbeihilfe je nach Familienstand von 750,- bis 1500,- DM gewährt.
Bis zu 12 Monaten, in Härtefällen bis zu drei Jahren, wird eine Trennungsentschädigung von 750,- DM monatlich gewährt.
Umschulungsbeihilfen werden dem Träger von entsprechenden Maßnahmen in voller Höhe ersetzt.
Der entlassene Bergmann erhält dabei neben dem Arbeitslosengeld das Wartegeld, ein Taschengeld, die Fahrkosten und gegebenenfalls Trennungsentschädigung.
Der Umfang der Umschulungen ließe sich dadurch erheblich erweitern, daß sich Unternehmen bereit finden, über den eigenen Bedarf hinaus Facharbeiter aus dem Bergbau in einem neuen Beruf als Facharbeiter auszubilden.
Bei solchen Umschulungen zahlt der Arbeitgeber den vollen Lohn eines Facharbeiters. Der Bund übernimmt davon bis zu 70 % der Lohnkosten und der Mehraufwendungen, die dem Unternehmen entstehen.
Diese Möglichkeit sollte in Zukunft vorausschauender genutzt werden. Für die Unternehmen liegen darin ebenso viele Vorteile wie für die hier auf einen neuen Fachberuf umgeschulten Bergleute. Denn so können sie mit Sicherheit auch einen Arbeitsplatz im Betrieb nebenan finden, der selbst über keine eigenen Umschulungseinrichtungen verfügt.
Diese Anpassungsbeihilfen sind jedoch nur ein Teil des sozialen Strukturprogramms für den Bergbau. Sie sind eine Ergänzung der sozialen Regelleistungen und ausdrücklich dazu bestimmt, den Bergmann vor jeder unzumutbaren Härte zu bewahren. Dabei müssen, glaube ich, zwei Dinge beachtet werden:
1. Die gegenwärtige Arbeitsmarktlage erlaubt es uns, den weitaus größten Teil der von Zechenstillegungen betroffenen Bergarbeiter wieder beruflich einzugliedern. Dafür sprechen auch die Ergebnisse der letzten Jahre, in denen im Steinkohlenbergbau die Belegschaftsstärke gegenüber 1957 um rund 38 % = 230 000 Beschäftigte zurückging, ohne daß es zu größeren sozialen Spannungen gekommen ist.
2. Das darf uns aber nicht darüber täuschen, daß eine größer werdende Schwierigkeit darin besteht, daß die älteren, vor allem unter Tage beschäftigten Bergleute für solche Maßnahmen sehr schwer in Betracht kommen. Hier hat die Bundesregierung deshalb beschlossen, das knappschaftliche Rentensystem, das in den letzten Jahren entwickelt wurde, durch eine Änderung des Knappschaftsgesetzes wesentlich zu verbessern. Der entsprechende Gesetzentwurf ist von der Bundesregierung verabschiedet und bereits dem Bundesrat zugeleitet worden.
Damit komme ich zu dem zweiten: Änderung des Knappschaftsgesetzes. Dieser Änderung des Knappschaftsgesetzes kommt eine große Bedeutung zu. Bilher erhielten nur die Versicherten eine Knappschaftsausgleichsrente, die infolge von Stillegungsund Rationalisierungsmaßnahmen nach Vollendung des 55. Lebensjahres und Zurücklegung bestimmter Wartezeiten aus dem knappschaftlichen Betrieb entlassen wurden. Nunmehr sollen langjährige Bergleute, die 25 Jahre versichert waren und während dieser Zeit 15 Jahre Hauerarbeiten oder vergleichbare Tätigkeiten unter Tage verrichtet haben, diese Leistung auch dann erhalten, wenn sie nach Vollendung des 55. Lebensjahres freiwillig aus einem knappschaftlichen Betrieb ausscheiden. Damit wird
gleichzeitig erreicht, daß einmal für jüngere Kräfte Plätze frei gemacht werden, daß zum anderen derjenige, der ausscheidet, eine leichtere Arbeit in einem anderen Beruf übernehmen kann, ohne finanziell schlechter gestellt zu werden.
Diese Knappschaftsausgleichsleistung beträgt heute durchschnittlich 650 DM monatlich. Bei einer neuen Beschäftigung außerhalb des Bergbaus erhält er sie in voller Höhe zu seinem neuen Verdienst. Findet er keine neue Beschäftigung, erhält er die Knappschaftsausgleichsleistung, und zusätzlich kann er zwischen Wartegeld und der Abfindung wählen, die in diesem Falle 2000 DM beträgt.
Lassen Sie mich das Bild vervollständigen: Für den Lebensabend des Bergmannes, für den Fall frühzeitiger Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit ist wie in keinem anderen Zweig der sozialen Altersversicherung gesorgt:
Ein Bergmann unter Tage erhält bei verminderter bergmännischer Berufsfähigkeit, d. h., wenn er seine schwere bergmännische Arbeit nicht mehr voll verrichten kann oder unter bestimmten Bedingungen von 50 Jahren an, eine Bergmannsrente, die bei 180 bis 250 DM monatlich liegt.
Bei Berufsunfähigkeit erhält er eine Knappschaftsrente von durchschnittlich 480 DM monatlich. Die Bergmannsrente fällt in diesem Falle weg. Der Empfänger der Bergmannsrente oder einer Knappschaftsrente wegen Berufsunfähigkeit erhält im Falle seiner Freisetzung die für ihn in Frage kommenden Beihilfen.
Die Knappschaftsrente wegen Erwerbsunfähigkeit beträgt im Durchschnitt 515 DM monatlich.
Mit 60 Jahren erhält der langjährige Bergmann bereits ein Altersruhegeld von durchschnittlich 715 DM im Monat.
Auch die übrigen knappschaftlich Versicherten, die mit 60 Jahren mindestens ein Jahr ununterbrochen arbeitslos gewesen sind, erhalten ein vorgezogenes Altersruhegeld in Höhe von durchschnittlich 600 DM im Monat.
Dies mag zur Abrundung des Bildes dienen, was wir tun und getan haben, um den sozialen Status des Bergmannes dann zu sichern, wenn alle anderen Bemühungen, ihn beruflich umzusetzen, nicht gelingen können.
Die Bundesregierung schlägt schließlich drittens eine Änderung des AVAVG vor. Knappschaftlich Versicherte haben nach dem bisher geltenden Recht nur einen Anspruch auf Arbeitslosengeld bis zur Höchstdauer von 26 Wochen. Nunmehr soll durch eine Änderung des AVAVG sichergestellt werden, daß alle langjährig beschäftigten Versicherten einschließlich der knappschaftlich Versicherten einen Anspruch auf Arbeitslosengeld für die Dauer von 52 Wochen haben. Ich habe zu Anfang gesagt und möchte das gerade an dieser Stelle wiederholen: Auch dieser Vorschlag ist nicht problemfrei. Ich muß das hier einmal sagen, damit auch in der deutschen Öffentlichkeit sichtbar wird, daß wir abgesehen von der Hilfe des Staates jetzt auch die Hilfe
von Solidargemeinschaften in Anspruch nehmen, zu denen der Bergbau selbst nichts beiträgt..
({8})
Weder die Unternehmungen des Bergbaus noch der einzelne Beschäftigte zahlt Beiträge zur Arbeitslosenversicherung. Ich möchte das hier einmal sagen, weil immer die Rede von dem großen Topf von 6 Milliarden DM ist, über den wir verfügen könnten. Meine Damen und Herren, darüber haben wir nicht zu verfügen. Denn das ist gar nicht unser Geld. Das ist das Geld der Unternehmen und der kleinen Arbeiter und Angestellten mit einem Monatsverdienst bis zu 750 DM, die diese Mittel aufbringen. Man soll da nicht in anderer Leute Tasche hineingreifen.
Der Bundeskanzler hat, als ich das vortrug, nachdrücklich erklärt: Dann soll man das als eine Solidarhaftung für einen Teil des Ganzen sehen, der in Schwierigkeiten geraten ist. Ich habe mich dem angeschlossen und gesagt „gut". Aber, meine Damen und Herren, gestatten Sie mir, daß ich folgendes einmal freimütig ausspreche. Wir haben uns diese Mittel sorgfältig erarbeitet. Ich füge hinzu, daß das, im Gesamtbereich der Sozialpolitik gesehen und gewertet, keine Selbstverständlichkeit ist. Das zeugt vielmehr von dem hohen Willen der Bundesregierung und, wie ich hoffe, dieses Hohen Hauses, dem Bergmann in seiner jetzigen Situation zu helfen.
({9})
Die Bundesregierung legt ein soziales Strukturprogramm für den Bergbau vor. Wir wollen eine optimale Hilfe für den einzelnen erreichen, gleichgültig, wie sein Fall gelagert ist.
Gleichzeitig haben wir uns bei allen Maßnahmen von dem Gesichtspunkt leiten lassen, daß damit die regionale und berufliche Mobilität der Arbeitnehmer gefördert wird, die von Zechenstillegungen betroffen werden. Meine Damen und Herren, die Anlage unserer heutigen Diskussion zeigt, daß wir bestrebt sind, alle Maßnahmen zu ergreifen, die notwendig sind, um den schwierigen wirtschaftlichen Umstrukturierungprozeß zu ermöglichen.
Wir haben uns gerade mit dem Land NordrheinWestfalen sehr eingehend darüber unterhalten, daß es eine gemeinsame Aufgabe des Bundes und der betroffenen Länder ist, für die individuellen Härten, die möglicherweise noch auftreten können, Abhilfe zu schaffen. Ich sähe gern, wenn der Strukturfonds in Nordrhein-Westfalen gerade für die Linderung solcher individueller Härten nutzbar gemacht werden könnte. Auch das möchte ich in diesem Zusammenhang noch hinzufügen. Neben die öffentlichen Mittel müssen noch weiterhin die Sozialpläne der Unternehmungen treten, die wir nicht nachdrücklich genug auffordern können, diese Pläne rechtzeitig vorzulegen. Denn das hat die Diskussion gezeigt: Nichts ist verheerender, als wenn der Bergmann heute von Beschlüssen überrascht wird, von denen er gestern noch keine Ahnung hatte.
({10})
Wir haben in diesem Hause in den letzten Jahren hin und wieder beklagt, daß in unserem Volke das Gemeinschaftsbewußtsein möglicherweise unterentwickelt sei oder gar entschwinde. In der Debatte zur Regierungserklärung haben wir versucht, deutlich zu machen, daß es zumindest das Bemühen der Bundesregierung ist, solchen Tendenzen keinen Vorschub zu leisten, und ich glaube, im ersten halben Jahr unserer Regierungszeit ist uns das weitgehend gelungen, und ich wäre glücklich, wenn diese Diskussion das auch heute bestätigen würde. Ich glaube, die Aufmerksamkeit, die das Schicksal der Menschen an Rhein, Ruhr und Saar heute findet, die Bereitschaft von 'allen Seiten - es hat auch die Bereitschaft der Kirchen gegeben, es hat buchstäblich von allen Seiten Bereitschaft zur Hilfe gegeben - zeigt, daß dieses Gemeinschaftsbewußtsein offenbar doch stärker ist, als wir glaubten. Wir sollten deshalb gerade auch in dieser Debatte das Gemeinsame unserer kontreten Lösungsvorschläge für den Bergbau betonen.
Alles in allem möchte ich sagen: Dieses soziale Strukturprogramm beweist, die Umstrukturierung des Bergbaus vollzieht sich nicht auf dem Rücken des Bergmanns, sondern wir alle sind bereit, dem Bergmann dabei, soweit wie eben möglich, zu helfen.
({11})
Ich danke dem Herrn Bundesminister für Arbeit.
Das Wort hat der Herr Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen.
({0})
Meine Damen und Herren, nach der Geschäftsordnung ist eine andere Behandlung der Wortmeldungen nicht möglich.
Ich bitte den Herrn Ministerpräsidenten, das Wort zu ergreifen.
({1})
Dr. Meyers, Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen: Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Seit mehr als 7 1/2 Jahren bin ich Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen.
({2})
In diesen 71/2 Jahren hat mich keine Sorge mehr bewegt als die um den Bergmann und um den deutschen Steinkohlenbergbau.
({3})
Wenn Sie, meine Damen und Herren von der SPD,
aber glauben, diese Probleme mit Lärmen und Zwischenrufen lösen zu können, sind Sie fehl am Platze.
({4})
Nur die ernste Lage im deutschen Steinkohlenbergban und die Sorge um die Menschen im Revier haben mich heute veranlaßt, hier als Ministerpräsident des Landes und Mitglied des Bundesrates erneut das Wort zu ergreifen, wie in der letzten Debatte dieses Hauses über den Steinkohlenbergbau.
Herr Ministerpräsident, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
({0})
Dr. Meyers, Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen: Ja.
({1})
Herr Abgeordneter Erler, ich bitte Sie, Ihre Frage zu stellen.
Vielen Dank, Herr Ministerpräsident. Darf ich Sie fragen, oh Sie bereit sind, zur Kenntnis zu nehmen, daß in diesem Hause selbstverständlich nicht das Recht eines Bundesratsmitgliedes bestritten wird, von dieser Tribüne zu jeder Zeit zu sprechen, sondern daß der Unmut in einem Teil des Hauses nur darauf zurückzuführen ist, daß an diesem Vormittag ausschließlich Angehörige einer einzigen Partei in diesem Hause zu Wort kommen.
({0})
Dr. Meyers, Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen: Herr Abgeordneter Erler, das war zwar keine Frage, aber immerhin. Ich möchte dazu sagen, daß die Sorge um die Menschen meines Landes mich zu diesem Zeitpunkt gezwungen hat, hier das Wort zu ergreifen, und wenn mir das zudem auch noch geschäftsordnungsmäßig zusteht, - ({1})
- Ja, ich muß schon sagen, wenn die Mitglieder des Hohen Hauses ihre eigene, dankenswerte Tätigkeit, für die ich mich gerade bedanken wollte, so darstellen, dann weiß ich nicht, ob meine Worte richtig gewählt sind, die ich jetzt an Sie richten wollte.
({2})
Ich wollte nämlich dem Hohen Hause dafür danken, daß es in den vergangenen Jahren - und ich bin erstaunt über den Verlauf der Debatte - ({3})
Ministerpräsident Dr. Meyers
Wir haben uns am 2. Dezember 1964 in derselben Reihenfolge hier bewegt, und keiner hat etwas gesagt. Darüber bin ich so erstaunt.
({4})
Also, meine sehr verehrten Damen und Herren, darf ich sachlich sagen, daß ich dem Hohen Hause dankbar bin. Ich darf weiterhin sachlich sagen, daß ich den Fraktionen der CDU/CSU und der FDP dankbar bin, daß sie hier und heute diese wichtige Frage erörtern. Ich darf der Bundesregierung meinen Dank dafür aussprechen, daß sie auf diese Anfrage heute in folgerichtiger Entwicklung ein Konzept vorgelegt hat, von dem ich hoffe, daß es, wenn es nun auch konsequent und zügig durchgeführt wird, den deutschen Bergbau einen entscheidenden Schritt in der Konsolidierung seiner Belange voranbringt.
Wie Sie wissen, hat der Landtag von NordrheinWestfalen - und das war der Anlaß meiner Wortmeldung - gestern nach einer ganztägigen Energiedebatte die durch die Strukturkrise im Steinkohlenbergbau ausgelösten sozialen, wirtschaftlichen und kommunalen Probleme besprochen. Auf Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP hat er mit Mehrheit eine Entschließung angenommen, die ich dem Inhalt nach dem Hohen Hause vortragen wollte, damit sie bei den späteren Erörterungen Berücksichtigung finden kann.
Dem Landtag schien die soziale Frage, die Frage nach dem Schicksal des Bergmanns besonders wichtig, und er hat sie in den Vordergrund gestellt. Er hat deshalb gefordert, für die Bergarbeiter folgende Änderungen zu treffen: erstens eine Änderung des Knappschaftsgesetzes mit dem Ziel, bereits dem 55jährigen Bergmann auch dann eine Knappschaftsausgleichsleistung zu gewähren, wenn er aus eilte-. nem Wunsch aus dem Bergbau ausscheidet, zweitens eine Novellierung des AVAVG dahin gehend, daß die Dauer der Gewährung des Arbeitslosengeldes von 26 auf 52 Wochen erhöht wird, und drittens den alsbaldigen Erlaß einer Rechtsverordnung zum Bergarbeiterwohnungsbaugesetz, um die von Stilllegungen betroffenen Bergleute in den Stand zu setzen, ihre Wohnungen unter zumutbaren Bedingungen zu behalten.
Er hat dann aber auch langfristige Maßnahmen vorgeschlagen, insbesondere die folgenden: Erstens muß sichergestellt werden, daß die zusätzliche
Mineralöl- und Erdgaseinfuhr den Umfang des jährlichen Zuwachses an Primärenergiebedarf nicht überschreitet. Zweitens muß auf die Degression der Heizölsteuer verzichtet und ihre Laufzeit verlängert werden. Drittens muß das Gesetz über den Kohlenzoll unverändert 'beibehalten werden.
Viertens soll durch Gesetz geregelt werden, daß die Elektrizitätserzeuger rund 50 % der Elektrizität, und zwar einschließlich des zu erwartenden Elektrizitätszuwachses, aus deutscher Steinkohle erzeugen. Fünftens soll das Gesetz zur Verwendung von Steinkohle in Kraftwerken dahin geändert werden,
daß die ursprüngliche Regierungsvorlage wiederhergestellt wird, um dadurch den revierfernen Gebieten die steuerlichen Vorteile im Hinblick auf die erhöhten Frachttarife voll zu gewährleisten. Sechstens sollen im Hinblick auf den Punkt 5 die Frachtbeihilfen verbessert werden. Siebentens soll sichergestellt werden, daß der weitere Ausbau der Raffineriekapazität und des Pipeline-Netzes dem Umfang des jährlichen Zuwachses der Öleinfuhren angepaßt wird.
Achtens ist der Landtag der Ansicht, daß die Bundesregierung mit der Hohen Behörde der Montanunion Verhandlungen weiter pflegen soll, daß der Lieferverpflichtung in Mangelzeiten eine Abnahmeverpflichtung in Überflußzeiten gegenübersteht. Insbesondere möge dafür Sorge getragen werden, daß die deutsche Kokskohle im EWG-Bereich vorrangig verbraucht wird.
Neuntens schlägt der Landtag vor, eine Gesellschaft zu gründen, die in der Lage ist, Gelände und Gebäude stillzulegender Zechen zu erwerben und diese an ansiedlungswillige Firmen zu veräußern. Dabei ist aber sicherzustellen, daß nur von solchen Zechengesellschaften Gelände und Gebäude erworben werden, die ihre Stillegungsabsicht rechtzeitig angemeldet und für ihre Belegschaft einen angemessenen Sozialplan aufgestellt haben. Der Staat sollte nur in solchen Fällen Stillegungsprämien gewähren.
Zehntens. Die Bereitstellung von Industriegrundstücken soll dadurch erleichtert werden, daß bei bergbaugefährdeten Grundstücken, die sich im Eigentum Dritter befinden, a) zu den Kosten die notwendigen vorbeugenden Bausicherungsmaßnahmen ergriffen werden können - dafür sollen Zuschüsse gegeben werden -; b) bei vorher bezeichneten bergbaugefährdeten Grundstücken das Haftungsrisiko bis zu einer bestimmten Höchstgrenze übernommen wird.
Sie haben, meine sehr verehrten Damen und Herren, aus den Ausführungen des Herrn Bundeswirtschaftsministers und des Herrn Arbeitsministers gehört, daß ein großer Teil der Maßnahmen von der Bundesregierung hier angekündigt worden ist. Darüber hat die Bundesregierung noch zusätzliche Maßnahmen, wie wir gehört haben, beschlossen. Ich bin Ihnen, Herr Bundeskanzler, und Ihnen, Herr Bundeswirtschaftsminister, und Ihnen, Herr Bundessozialminister, dankbar, daß Sie die Maßnahmen so schnell beschlossen haben. Meine Bitte an die Bundesregierung geht insbesondere dahin, die Verhandlungen im europäischen Bereich voranzutreiben; denn es ist natürlich nicht möglich, daß wir zwar auf wirtschaftliche Belange unserer Partner weitgehend Rücksicht nehmen - wir haben das in Italien und Frankreich gesehen -, daß aber unsere Partner nicht auf uns Rücksicht nehmen. Europäische Politik kann nur aus einem einheitlichen europäischen Geist heraus betrieben werden.
({5})
Nun hängt es von Ihnen ab, meine sehr verehrten Damen und Herren, wie schnell und wie zügig diese Maßnahmen beschlossen werden. Dazu meine erste
Ministerpräsident Dr. Meyers
Bitte: Lassen Sie alle, meine Damen und Herren, den Bergman und seine Familie nicht dadurch leiden, daß Uneinsichtige, ewig Uneinsichtige, im Bergbau Gedanken niederlegen und in Druck geben, die wirklich von gestern sind.
Meine zweite und größere Bitte geht an die Damen und Herren aus den revierfernen Zonen des Landes. Sie haben natürlich eine andere Einstellung zu den Problemen und Nöten als wir, die wir unmittelbar mit ihnen befaßt sind. Aber lassen Sie sich an dieser Stelle noch einmal in Erinnerung rufen, daß der wirtschaftliche Aufschwung der ganzen Bundesrepublik nicht zuletzt der Arbeit der Menschen im Revier und den Bodenschätzen des Reviers zu verdanken ist. Ich meine deshalb, daß die Gefahr besteht, daß wenn das Revier Schaden leidet, auch die Wirtschaft der ganzen Bundesrepublik Schaden leiden muß. Es ist deshalb richtig, daß wir alle in der Bundesrepublik die eine Verpflichtung haben, diesem nunmehr in Schwierigkeiten geratenen Teil unseres Vaterlandes gemeinsam zu helfen. So wie sich der wirtschaftliche Aufschwung der Bundesrepublik ausgewirkt hat, muß jetzt auch die Gemeinsamkeit unseres Wollens da sein, diesem Teil zu helfen.
Wenn Sie sich dazu bereit finden, dann werden wir - davon bin ich überzeugt - alle zusammen auch diese Krise unseres primären einheimischen Energieträgers bewältigen. Lassen Sie mich deshalb meine Ausführungen mit der Bitte schließen, daß Sie den Überlegungen und den Vorschlägen, die Ihnen vorliegen, sobald wie möglich zum gesetzlichen Erfolge verhelfen.
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Wir kommen nun zu Punkt 2 b der Tagesordnung. Das Wort zur Begründung hat Herr Arendt.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Namens der sozialdemokratischen Fraktion möchte ich einige Bemerkungen zur Begründung des Antrags auf Drucksache V/390 machen.
Bevor ich das aber im einzelnen tue, erlauben Sie mir ein ganz offenes Wort. Niemand von uns stellt das verfassungsmäßige Recht in Frage, daß die Herren Minister auf eine Große Anfrage antworten. Wir bestreiten auch nicht das Recht des Landeschefs von Nordrhein-Westfalen, sich zu Wort zu melden. Wir halten es aber für einen schlechten Stil und für nicht zeitgemäß, von einer Debatte zu sprechen, wenn vier Vertreter einer Partei in einem Aufwaschen über diese Frage reden.
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Wir können uns fast des Eindrucks nicht erwehren, daß Sie sich soviel Zeit nehmen wollen, wie bei der Beantwortung der Anfrage zur Bewältigung der Kohlenkrise bisher leider vergangen ist.
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Lassen Sie mich, bevor ich auf die Begründung im einzelnen zu sprechen komme, noch eine Bemerkung
machen. Der Herr Bundeswirtschaftsminister hat heute morgen von einem Artikel gesprochen, der im „Zechen-Kurier" erschienen ist, und gesagt, daß sich dessen Verfasser selbst disqualifiziert habe. Ich habe den Eindruck, daß Sie vermuteten, dieser Artikel sei in einem gewerkschaftlichen Organ erschienen.
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- Gut, um so besser. Ich wollte nur der Vollständigkeit halber sagen: Dieser „Zechen-Kurier" ist eine Publikation des Unternehmensverbandes Ruhrbergbau.
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Meine Damen und Herren, zur Sache selbst! Als wir am 13. November 1964 das letzte Mal in diesem Hohen Hause eine Große Anfrage der sozialdemokratischen Fraktion in Sachen Energiepolitik behandelt haben, haben wir diese 'Debatte nicht nur am 13. November gehabt, sondern wir haben sie am 1. Dezember weitergeführt. Damals hatte ich den Eindruck - und nachdem ich die Protokolle noch einmal gelesen habe, hat sich dieser Eindruck verstärkt -, daß damals, als die sozialdemokratische Fraktion die Große Anfrage einbrachte, in diesem Hause der Eindruck erweckt werden sollte, als wollten wir die Verhältnisse im Energiesektor und insbesondere im Steinkohlenbergbau dramatisieren. Diesmal haben die Regierungsparteien eine Große Anfrage eingebracht, und ich glaube, allein die Tatsache, daß die Regierungsfraktionen ihre eigene Regierung fragen, wie es um den Steinkohlenbergbau steht, wirft ein bezeichnendes Licht auf die Verhältnisse.
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Seit dieser Debatte, seit dem 13. November 1964, hat sich im Bergbau Entscheidendes ereignet. Es ist ein Absatzrückgang um 7,7 Millionen 't eingetreten, und die vielgerühmte Selbstbeschränkung beim Heizöl hat im letzten Jahr statt eines vorgesehenen Zuwachses um 8% in Wirklichkeit, einen Zuwachs um 18 % erbracht. Die Folge ist, daß die Haldenbestände bei den Schachtanlagen im Rhein-RuhrGebiet eine Höhe von 16 Millionen t erreicht haben und daß heute namhafte Vertreter des Unternehmensverbandes von der Gefahr drohender Feierschichten in der Größenordnung von 20 sprechen. Wenn das Wirklichkeit werden sollte, bedeutet das nicht nur, daß 20 Feierschichten eingelegt würden, vielmehr müßte eine Reihe von Belegschaften bei einigen Schachtanlagen 30, 40 und mehr Feierschichten hinnehmen, weil ja auch noch die Frage der Kohlesorten und -arten dabei eine Rolle spielt.
Diese unbezahlten Feierschichten und die in Aussicht gestellten Zechenschließungen würden eine erhebliche psychologische Auswirkung auf die bergmännische Belegschaft haben. Da wir zu diesen Fragen einen Antrag eingebracht haben, möchte ich dazu jetzt einige Bemerkungen machen.
Wir leben nun im achten oder neunten Jahr der Kohlenkrise, und da es so etwas wie Gewöhnung gibt, möchte ich Ihnen allen schnell noch einmal jene Fakten in die Erinnerung zurückrufen, die von 1958 bis heute über uns hinweggegangen sind. Mehr als
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41 Großschachtanlagen sind stillgelegt worden. Über 135 Kleinzechen sind in diesem Zeitraum stillgelegt worden. 16 Schachtanlagen sollen in der nächsten Zeit im Rahmen des sogenannten Rationalisierungsverbandes stillgelegt werden. Herr Burckhardt, der Vorsitzende des Unternehmensverbandes Ruhrbergbau, hat ja die Stillegung der Graf-BismarckGmbH als den Beginn einer neuen Stillegungswelle bezeichnet, und er hat angekündigt, daß „Bismarck sich sechs- bis achtmal wiederholen" müsse. Wenn das so käme, bedeutete es nicht, daß sechs oder acht Anlagen stillgelegt werden müßten, sondern „sechsbis achtmal Bismarck" bedeutet die zusätzliche Stilllegung von 18 bis 24 Großschachtanlagen. Was das im einzelnen bedeutet, glaube ich, kann jeder, der einigermaßen Phantasie besitzt, sich selber ausmalen.
In dieser Zeit sind aber auch 230 000 Bergleute abgewandert, pensioniert worden, oder sie haben ihren Arbeitsplatz verloren. Diese Auswirkungen - Stilllegungen, Feierschichten und Einkommensverluste mit den Unsicherheiten des Arbeitsplatzes in der Zukunft - haben dazu geführt, daß heute auf vielen Anlagen des Ruhrgebiets schon eine erhebliche Überalterung der bergmännischen Belegschaft festzustellen ist.
Ich möchte Ihnen bei dieser Gelegenheit nur ein Beispiel von einer Anlage sagen, das symptomatisch ist. Ein Werksarzt der Zeche Recklinghausen hat einmal die Struktur der bergmännischen Belegschaft untersucht. Er ist zu dem Ergebnis gekommen, daß nur ein Viertel der Hauer - das sind die Leistungsarbeiter im Bergbau - im Vollbesitz der physischen Kräfte ist. Es fehlen insbesondere die 20- bis 30jährigen. 1965 sind auf dieser Anlage Recklinghausen 210 Bergarbeiter aus freien Stücken abgewandert, davon allein 180 Hauer im Alter von 27 Jahren.
Warum sage ich Ihnen das? Ich sage das deshalb, weil hier eine Tendenz deutlich wird, die in einiger Zeit dazu führen wird, daß die bergmännische Belegschaft total überaltert ist und daß mit dieser überalterten Belegschaft jene epochalen Leistungszahlen nicht zu erreichen sind, die heute so gern gefeiert werden.
Wir haben, glaube ich, zwei Richtungen zu sehen. Wir haben darauf zu achten, daß wir den Bergleuten das Gefühl eines sicheren Arbeitsplatzes nicht nur im Jahre 1966, sondern auch in der kommenden Zeit vermitteln. Und wir haben auch die Verpflichtung, dafür zu sorgen, daß die Älteren, die gesundheitlich angeschlagen sind, die keine Möglichkeit haben, einen anderen Arbeitsplatz zu bekommen, sozial und wirtschaftlich abgesichert werden.
Wie solche Vorgänge, die wir jetzt schon seit acht Jahren zu verzeichnen haben, auf die Belegschaften wirken, möchte ich Ihnen noch an einem anderen Beispiel klarmachen. Ich glaube, es war im Jahre 1940, also während des zweiten Weltkrieges, als man das Ansehen des Bergmannsberufs steigern wollte. Damals hat man den Bergmannsberuf zu einem Lehrberuf gemacht. Die wichtigste Voraussetzung war aber, daß jemand, der einen Lehrvertrag haben wollte, mindestens die Volksschule bis zum letzten Jahrgang besucht haben mußte. Heute sieht das so aus, daß bei einem Bedarf von 7000 Berglehrlingen im Jahre 1965 638 gekommen sind. Bei einem Bedarf von in diesem Jahr 15 000 - da braucht man gar kein Prophet zu sein - werden recht wenige Lehrlinge aus den Jahrgängen der Schulentlassenen kommen, so daß die Tendenz und die Gefahren der Überalterung noch größer werden. Heute aber schon ist der Nachwuchsmangel so groß, daß man nicht nur Volksschülern, die aus dem dritten oder vierten Volksschuljahr entlassen werden, einen Lehrvertrag anbietet, sondern sogar - ich weiß nicht, ob man in diesem Fall „Absolventen" sagen darf - Besucher von Sonderschulen, früher sagte man ganz schlicht „Hilfsschulen", werden einen Lehrvertrag bekommen, um die Nachwuchslücken zu schließen. Was das für das Ansehen und für die Bedeutung des Bergmannsberufs ausmacht, darüber ist sich, glaube ich, jeder im klaren.
Wir haben aus dem Munde des Bundesarbeitsministers gehört - und wir haben ja auch die Drucksachen gesehen -, welche Maßnahmen die Bundesregierung auf diesem Gebiete Platz greifen zu lassen beabsichtigt. Wir haben in unserem Antrag Drucksache V/390 auch eine Änderung des Reichsknappschaftsgesetzes verlangt. Aber wir meinen, daß es besser wäre, die Altersgrenze für jenen Kreis der Beschäftigten, der die Voraussetzungen erfüllt hat, nämlich 25 Jahre in einem knappschaftlich versicherten Betrieb gearbeitet hat und davon 15 Jahre Hauerarbeit unter Tage verrichtet hat, herunterzusetzen, so daß die Betreffenden nicht erst mit 60 Jahren pensioniert werden, sondern generell mit 55 Jahren ausscheiden können.
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Das würde einerseits eine Entlastung für die bergmännische Belegschaft bedeuten, andererseits aber auch die Sicherheit des Arbeitsplatzes der verbleibenden Belegschaft in sehr starkem Maße erhöhen. Die Bergleute haben ein Gefühl dafür, mid ich finde, es ist eine untragbare Sache, wenn die Sicherheit ihres Arbeitsplatzes davon abhängt, wieviel Grad minus das Thermometer im Winter anzeigt. Damit werden wir nicht jene qualifizierte Stammbelegschaft bekommen, die im Interesse der Aufrechterhaltung des Bergbaus notwendig ist. Wir möchten also eine generelle Herabsetzung der Altersgrenze auf 55 Jahre. Unser Antrag zielt darauf ab, daß derjenige, der die Voraussetzungen erfüllt, unabhängig davon, ob stillgelegt wird oder nicht, die Möglichkeit des Ausscheidens zu annehmbaren Bedingungen bekommt.
Ferner beantragen wir eine Änderung des § 98 a des Reichsknappschaftsgesetzes. Erinnern Sie sich bitte daran, daß wir schon im Jahre 1962, also in der vierten Legislaturperiode, über einen Antrag der sozialdemokratischen Fraktion auf Herabsetzung der Altersgrenze gesprochen haben. Sie waren damals nicht bereit, unseren Vorstellungen zu folgen. Als Ersatzlösung haben Sie das Knappschaftsausgleichsgesetz vorgelegt. Wissen Sie, wie dieses Knappschaftsausgleichsgesetz in der Praxis gehandhabt wird? Nach dem Gesetz muß die Voraussetzung erfüllt sein, daß der Betreffende seinen Arbeitsplatz
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durch Rationalisierungsmaßnahmen oder aus Gründen, „die nicht in seiner Person liegen" - so heißt es im Gesetz -, verliert. In der Praxis sieht das wie folgt aus: Einem 55jährigen, der in der vergangenen Zeit einmal eine willkürliche Schicht eingelegt hat, sagt die Werksleitung: Dein Arbeitsplatz ist durch Rationalisierungsmaßnahmen in Wegfall gekommen; du kannst mit 55 Jahren auf Grund der Knappschaftsleistung ausscheiden. Bei demjenigen aber, der jahraus, jahrein treu und brav zur Schachtanlage gegangen ist, sagt man: Auf diesen All-round-Bergmann können wir gar nicht verzichten; sein Arbeitsplatz wird nicht durch Rationalisierungsmaßnahmen in Wegfall gebracht. Die Folge ist also, daß derjenige, der treu und brav seine Pflicht erfüllt hat, fünf Jahre länger arbeiten muß als der andere, dessen Arbeitsplatz durch Maßnahmen der Werksleitung in Wegfall gerät.
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- Das könnte am besten dadurch geändert werden, Herr Kollege Russe, daß Sie dem sozialdemokratischen Antrag folgen und damit die Altersgrenze für den Kreis, der die Voraussetzungen erfüllt hat, auf 55 Jahre festgesetz wird.
Wir bitten noch in einem anderen Punkt um Ihre Zustimmung. Sicherlich bekommen junge Arbeitskräfte bei Stillegung einer Schachtanlage recht schnell einen neuen Arbeitsplatz. Selbstverständlich werden auch die ganz alten Arbeitskräfte, die die Voraussetzungen erfüllt haben, die Stillegung verkraften können. Es gibt aber in der Belegschaft Bergarbeiter, die einerseits zu jung sind, als daß sie schon die Leistungen der Rentenversicherung in Anspruch nehmen könnten, andererseits wieder zu alt sind, um noch auf einen anderen Beruf umgeschult zu werden. Wer 15 oder 20 Jahre den Abbauhammer oder die Kohlenschaufel in der Hand gehabt hat, kann nicht schon morgen in der feinmechanischen Industrie Armbanduhren reparieren. Wenn der Betreffende überhaupt einen Arbeitsplatz bekommt, wird er einen sozialen Abstieg hinnehmen müssen, der gar nicht zu beschreiben ist. Deshalb sollte für den Fall der Stillegung - nur für diesen Fall - die Altersgrenze des Ausscheidens, die heute nach dem Knappschaftsausgleichsgesetz bei 55 Jahren liegt, auf 50 Jahre herabgesetzt werden. Ich glaube, die Zustimmung dürfte leichter fallen, wenn wir daran denken, daß immer noch einige Voraussetzungen erfüllt sein müssen; es ist die Untertagebeschäftigung und eine Mindestzeit der Versicherung vorgesehen.
Wir sind für diese Regelung und für diese Anderung, weil wir genau wissen, daß nach 1945 - der Herr Bundesarbeitsminister hat darüber gesprochen - teilweise Zwangsverpflichtungen vorgenommen worden sind und Werbekolonnen der Unternehmungen von Nord bis Süd unterwegs waren, um geeignete Arbeitskräfte für den Bergbau heranzuholen. Damals, nach 1945, sind sehr viele gekommen; sie sind diesem Ruf gefolgt und haben durch ihre Leistung und ihre Arbeit die Grundlagen für staatliche Ordnung und für wirtschaftlichen Wiederaufbau geschaffen. Das sollten wir nicht vergessen.
Wir sollten aber auch nicht vergessen, daß dieser Kreis der Beschäftigten in einem relativ hohen Alter in den Bergbau gekommen ist; er kann nicht die nach dem heutigen Recht notwendigen Voraussetzungen erfüllen, oder er müßte bis zu seinem 62. oder 63. Lebensjahr arbeiten. Insbesondere dieser Kreis der Beschäftigten, der die Voraussetzungen nach dem Knappschaftsgesetz nicht erfüllt, befindet sich inzwischen in einem Lebensalter und seine Gesundheit ist derart beeinträchtigt, daß er keinen anderen Arbeitsplatz mehr bekommt.
Lassen Sie mich hier ein aktuelles Beispiel anführen. Die Erbitterung und die Verbitterung, die im Ortsteil Hassel in Gelsenkirchen wegen der plötzlichen und spontanen Entscheidung der Stilllegung der Schachtanlage Graf Bismarck herrschen, gehen sicher nicht von den ganz Jungen und auch nicht von den ganz Alten aus; aber sie gehen von dem Kreis der Beschäftigten aus, der trotz aller Bemühungen des Beauftragten für die Strukturveränderungen in Nordrhein-Westfalen heute noch nicht weiß, wo sich sein Arbeitsplatz in nächster Zeit befinden wird und welche Bedingungen damit verbunden sind. Er weiß das nicht, weil kein Unternehmen, noch nicht einmal ein Zechenunternehmen, bereit ist, einen 45jährigen Bergmann zu übernehmen. Die Schachtanlagen sind nur daran interessiert, die Lücken in den leistungsstarken Jahrgängen auszufüllen, die an der Kohle stehen, um deren Leistung noch weiter zu erhöhen. Sie sind nicht daran interessiert, einen 45jährigen oder noch älteren Mann zu übernehmen.
Ich will kein Prophet sein, aber ich möchte von diesem Platze aus ganz deutlich sagen: wenn wir auf diesem Sektor nicht rechtzeitig Vorsorge treffen, dann wird die Absatzkrise, die seit acht Jahren schwelt, von einer Belegschaftskrise abgelöst werden; die Auswirkungen könnten tödlich und schlimmer als das sein, was wir bisher erlebt haben.
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Es würde sich dann das zeigen, worauf wir immer warnend hingewiesen haben: daß man nicht nur einen Sektor sehen darf; man darf nicht immer nur von den 140 Millionen t sprechen. Bis heute hat man immer davon gesprochen, daß diese Größenordnung wünschenswert sei und von der Bundesregierung für sinnvoll gehalten werde. Heute haben wir gehört, daß weitere Schachtanlagen stillgelegt werden müssen.
Die sozialdemokratische Fraktion möchte deshalb darauf hinweisen, daß bei dem Ergreifen von Maßnahmen, die zu einer Reduzierung der Kohlenförderung führen, auch der menschliche, auch der soziale Teil bedacht werden sollte; dieser Teil ist nämlich die wichtigste Voraussetzung dafür, auch in Zukunft einen entsprechenden Bergbau in unserem Lande aufrechterhalten zu können. Ich will mich jetzt nicht darüber auslassen, welche Größenordnung die richtige wäre. Aber eines ist ganz sicher: ob wir 140 Millionen t im Jahr fördern, ob wir 160 Millionen t oder ob wir 120 Millionen t förArendt ({10})
dern, in jedem Fall müssen wir die Voraussetzungen dafür schaffen, daß Menschen bereit sind, tausend Meter in die Grube zu fahren und unter den Bedingungen, die im Bergbau herrschen, ihre Arbeit zu verrichten.
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Wir brauchen also stabile Verhältnisse, wir brauchen sichere Verhältnisse, wir brauchen Verhältnisse, die auch dem Jüngeren die Chance eröffnen, in einiger Zeit hier noch einen gesicherten und sozial sicheren Arbeitsplatz zu haben. Wenn das richtig ist, was draußen immer wieder gesagt wird - insbesondere von Vertretern der Unternehmer-, daß die Dividende auch in einer Zeit der Krise ausgeschüttet werden müsse, weil die Gesellschaften auf dem Kapitalmarkt attraktiv sein müßten, dann können wir dazu nur sagen: zugegeben, - aber dann gilt dieses Wort der Attraktivität auch für den Arbeitsplatz, damit genügend Menschen bereit sind, in diesem Wirtschaftszweig zu arbeiten.
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Meine Damen und Herren, wir glauben, daß die Gewährleistung eines ständigen wirtschaftlichen Aufschwungs und Wachstums von einer gesicherten Energieversorgung abhängig ist. Diese sichere Energieversorgung ist nach unserer Meinung nur gewährleistet, wenn unsere heimischen Bodenschätze, also auch die Steinkohle, einen entsprechenden Anteil an dieser Gesamtbedarfsdeckung haben. Wenn wir das auch in der Zukunft wollen, dann sollten wir gemeinsam dafür sorgen, daß diese Menschen, die ihre Arbeitskraft und ihre Gesundheit in dunklen Zeiten deutscher Geschichte zur Verfügung gestellt haben, in diesem Wirtschaftszweig auch in der nächsten Zeit ihren Arbeitsplatz und ihre Existenzgrundlage finden können. Acht Jahre Kohlenkrise mit all ihren Erscheinungen bedeuten eine erhebliche Belastung.
Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang ein ganz offenes Wort sagen. Es ist von Stillegungen, von Anpassungen und von Schrumpfen die Rede. Es hat in den letzten Jahren auf diesem Sektor entscheidende Veränderungen gegeben. Wenn jetzt weitere Kapazitäten stillgelegt werden, dann werden es Schachtanlagen sein, die an der Peripherie des Ruhrgebiets liegen, die sich in großen Teufen befinden. Das bedeutet, daß Schachtanlagen stillgelegt werden müssen, die, wenn Sie so wollen, ein Synonym für manche Gemeinde und manchen Kommunalverband sind. Denken Sie an Schachtanlagen wie Waltrop oder Werne! Ich sage gar nicht, daß sie auf dem Stillegungsprogramm stünden, aber diese Schachtanlagen liegen an der Peripherie. Wenn solche Schachtanlagen stillgelegt werden, bedeutet das nicht nur, daß die unmittelbare Belegschaft in Mitleidenschaft gezogen wird, sondern dann bedeutet das unter Umständen auch das Ende des kommunalen Verbandes oder der Gemeinde oder der Stadt, weil es dort effektiv keine anderen Arbeitsplätze oder sonstigen Möglichkeiten gibt.
In diesem Zusammenhang möchte ich Sie auch bitten, die Vorstellung der sozialdemokratischen Fraktion, die aus Drucksache V/391 hervorgeht, zu beachten, auch wenn ich sie jetzt nicht im einzelnen begründe. Schauen Sie sich die dort genannten Punkte an, deren Beachtung im Interesse der Ruhe, der Stabilität und der Sicherheit notwendig ist.
Lassen Sie mich dazu ein persönliches Beispiel anführen. Am 19. Februar 1966 kam es in Gelsenkirchen spontan zu einer Protestkundgebung. Unter den Teilnehmern an dieser Kundgebung befanden sich nicht nur Bergleute und deren Familienangehörige, sondern auch der Mittelstand, Geschäftsleute und Vertreter der katholischen und der evangelischen Kirche beteiligten sich an diesem Protestmarsch. Diese Aktion war nicht gesteuert oder von langer Hand vorbereitet, sondern sie war der Aufschrei der Menschen, die nicht wissen, was morgen geschehen soll.
In dieser Zeit und in dieser Lage muß auch ein Wort zu den Wohnungen gesagt werden. Die Gelsenkirchener Bürger, die der Schachtanlage Graf Bismarck angehören, mußten zur Kenntnis nehmen: Ihr verliert sofort das Wohnrecht in eurer Werkswohnung, wenn ihr nicht bis zum 30. September dieses Jahres bei der Graf-Bismarck-GmbH aushaltet. Angesichts dieser Situation meinen wir, daß den Menschen auch diese Sorge auf dem Sektor des Bergarbeiterwohnungsbaugesetzes genommen werden muß.
Wir meinen - damit keine Mißverständnisse aufkommen, sage ich Ihnen das ganz klar und deutlich, auch damit nicht ein Minister im Landtag irgendwelche Briefe in der Gegend herumzeigt -, daß in den Fällen der Stillegung die Zweckbindung i für den Bergarbeiterwohnungsbau aufzuheben ist, und wir meinen, daß in den Fällen der Teilstillegung sehr genau zu prüfen ist, ob die Zumutbarkeit des neuen Arbeitsplatzes noch gewahrt ist. In den Fällen, die nicht von Stillegungen und nicht von Teilstillegungen bedroht sind, ist es durchaus möglich, die Zweckbindung aufrechtzuerhalten; aber in den Fällen - das möchte ich noch einmal nachdrücklich sagen -, in denen Schachtanlagen stillgelegt werden sollen, muß das Wohnrecht der Bergleute im Bergarbeiterwohnungsbau gesichert sein.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich noch ein Wort zu dem europäischen Komplex sagen. Wir begrüßen sicherlich die Bemühungen des Bundeswirtschaftsministers, auf der europäischen Ebene eine Konzeption zu entwickeln, die gewisse Chancen für den deutschen Steinkohlenbergbau eröffnet. Wir fragen uns aber, Herr Bundesminister: Jetzt sind wir im neunten Jahr der Kohlenkrise, warum haben wir nicht schon frühzeitiger den Versuch gemacht, eine europäische Konzeption zu entwickeln?
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Und noch eins: ich glaube, wenn man eine europäische Energiekonzeption anstrebt, dann braucht man auch eine Vorstellung im eigenen nationalen Bereich.
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Ich glaube, es ist allerhöchste Zeit. Es ist jetzt nicht nur fünf Minuten von 1, sondern es ist in der Sache fünf Minuten von 12, Glauben Sie mir, meine
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Damen und Herren, und ich sage das mit dem gebotenen Ernst: im Ruhrgebiet zieht Sturm auf, und dunkle Wolken ballen sich dort zusammen, die unter Umständen eine große Gefahr für unsere demokratische Entwicklung bedeuten können.
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Wir meinen, daß nach achtjähriger Kohlenkrise genug Zeit vergangen ist und daß es jetzt nicht mehr genügt, an den Problemen herumzulaborieren, sondern daß grundsätzliche Entscheidungen getroffen werden müssen. Wenn die Unzufriedenheit, die von Tag zu Tag wächst, sich nicht gewaltsam entladen soll, dann haben wir als der Deutsche Bundestag mit die Verpflichtung, durch großzügige und schnelle Entscheidungen Vorsorge zu treffen, daß nicht eine Entwicklung, die man heute vornehm Strukturveränderungen nennt und die zu Zechenstillegungen führt, gewaltsam und eruptiv verläuft, sondern daß solche notwendigen, in der Zeit liegenden Veränderungen kanalisiert und anständig erledigt werden. Wir haben mit die Verantwortung dafür zu übernehmen. Wir sollten nicht auf eine gewaltsame Entladung dieser gespannten Verhältnisse warten, sondern sollten mit Kühnheit und Entschlossenheit großzügige Lösungen vorschlagen, durchsetzen und praktizieren. Die Menschen an der Ruhr, die ihre Arbeitskraft und ihre Gesundheit im Interesse aller zur Verfügung gestellt haben, haben ein Anrecht darauf. Wir meinen, daß die Anträge der sozialdemokratischen Fraktion einen Weg weisen können, dieses Problem in einer großzügigen Weise zu regeln.
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In Übereinstimmung mit dem Redner zur Begründung des Tagesordnungspunktes 2 c, Herrn Kurlbaum, treten wir jetzt in die Mittagspause ein, die bis 15 Uhr dauert.
Ich unterbreche die Sitzung.
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Die Sitzung ist wieder eröffnet.
Das Wort zur Begründung des Antrags unter Punkt 2 c der Tagesordnung hat der Abgeordnete Kurlbaum.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Herren Vorredner, insbesondere mein Fraktionskollege Walter Arendt, haben sich mit Recht insbesondere mit dem Schicksal und den Nöten der Menschen beschäftigt, die von der akuten Steinkohlenkrise in der Bundesrepublik betroffen sind. Im Gesamtrahmen dieses Problems spielt vor allen Dingen auch das Problem eine entscheidende Rolle, durch welche Maßnahmen in Zukunft der Arbeitsplatz für diejenigen Mitarbeiter im deutschen Steinkohlenbergbau gesichert werden kann, auf deren Mitarbeit dieser wichtige Zweig unserer Volkswirtschaft auch in Zukunft angewiesen sein wird.
Es müßte ein selbstverständliches Ziel einer vorausschauenden staatlichen Energiepolitik sein, den deutschen Steinkohlenbergbau vor allen Dingen von seiner ständigen, nun schon nahezu 8 Jahre andauernden Unsicherheit über sein zukünftiges Schicksal zu befreien. Ein solcher Zustand der ständigen Unsicherheit ist - ich glaube, darin können wir alle übereinstimmen - im Zeitalter der Vollbeschäftigung und im Zeitalter des steigenden Wohlstands für die im Steinkohlenbergbau davon Betroffenen in der Tat unzumutbar. Durch einen solchen Zustand werden die dort Beschäftigten unter eine Art Sonderrecht gestellt.
Wenn wir uns nun mit der Frage beschäftigen, wie dem abzuhelfen ist, dann muß ich vorher doch kurz auf das zu sprechen kommen, was anfangs der Herr Kollege Brand bei der Begründung der Großen Anfrage gesagt hat. Er hat davon gesprochen, daß die Bundesregierung nicht untätig gewesen sei. Zweifellos ist sie nicht untätig gewesen, aber wir stellen die Frage, mit welchem Erfolg sie den Problemen zu Leibe gerückt ist.
Herr Brand hat mit Recht zugegeben und hat auch zugeben müssen, daß ein neues Überdenken notwendig ist. Ich mache darauf aufmerksam, daß die letzte große Energiedebatte noch nicht einmal anderthalb Jahre zurückliegt. Herr Brand hat darauf hingewiesen, daß ein besserer Weg aufgezeigt werden muß, als er bisher beschritten worden ist. Wir stimmen Herrn Brand insoweit zu. Aber ist darin nicht eine herbe Kritik an dem enthalten, was bisher von der Bundesregierung auf diesem Gebiete getan worden ist?
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Meine Damen und Herren, ich mache Sie darauf aufmerksam, daß noch in der November-Sitzung des Jahres 1964 der Herr Bundeswirtschaftsminister die Erklärung abgegeben hat, daß die Bundesregierung ein Förderziel von 140 Millionen t für wünschenswert hält.
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Wir haben damals diese Erklärung nicht sehr ernst genommen, aber wir müssen doch fragen, wie er es überhaupt rechtfertigen kann, noch zu diesem Zeitpunkt eine solche Erklärung abgegeben zu haben, insbesondere da ja auch schon damals klar war, daß die gleichzeitig ergriffenen Maßnahmen dem Problem der Erhaltung eines Absatzes von 140 Millionen t unter keinen Umständen gerecht werden konnten.
Was waren denn die damaligen Maßnahmen? Zu den Maßnahmen, die in Verfolg der Energiedebatte getroffen wurden und die dem Ziel der Sicherung des Platzes des deutschen Steinkohlenbergbaus in der deutschen Volkswirtschaft dienen sollten, gehörte in erster Linie das Gesetz zur Förderung der Verstromung der Steinkohle in den Elektrizitätswerken. Wir wissen heute ganz genau, daß dieses Gesetz sein Ziel nicht erreicht hat. Wir wußten auch schon damals, daß es das Ziel nicht erreichen konnte. Das Gesetz berücksichtigte nicht die 'doppelte Wirkung der erhöhten Anlagekosten für Kohlenkraftwerke und die weitere Wirkung des großen Preisunterschiedes, des WärmepreisunterKurlbaum
schiedel, zwischen Steinkohle und Mineralöl. Schließlich hatte das Gesetz noch einen systematischen Fehler, indem es die Förderung des Kraftwerkbaues von den Betriebsstunden unabhängig machte, in denen das Elektrizitätswerk in Betrieb war. Die fördernde Wirkung war, wenn man das nachrechnet, am stärksten bei den Elektrizitätswerken mit relativ niedrigem Kohlenverbrauch, die den sogenannten Spitzenbedarf an Elektrizität decken sollten. Das Gesetz konnte also - das war nach der etwas überstürzten Verabschiedung auch nicht anders zu erwarten - den Aufgaben nicht gerecht werden.
Dann hat man damals eine Meldepflicht für die Raffinerien eingeführt. Sie werden mir zugeben, daß das keine unmittelbar wirksame Maßnahme sein konnte, sondern nur die Vorbereitung für spätere Maßnahmen. Auch die anderen Maßnahmen - Vorratswirtschaft - konnten nichts Entscheidendes ändern, auch die Haldenverlagerung nicht.
Kommen wir nun zur sogenannten Selbstbeschränkung. Zu der sogenannten Selbstbeschränkung bezüglich des Angebotes von Heizöl auf dem deutschen Markt haben der Herr Bundeswirtschaftsminister und andere Redner von Ihrer Seite, von der Seite der Regierungskoalition, heute schon zugeben müssen, daß diese Bemühungen bei weitem nicht das Ziel erreicht haben. Man hatte sich eine Zunahme des Angebots um nur 8 % als Ziel gesetzt. Dieses Ziel wurde um etwa 100 % überschritten. Das ist also das Ergebnis der Maßnahmen, die nach der Energiedebatte vom November und Dezember 1964 getroffen wurden, die aber der Aufgabe in keiner Weise gerecht wurden.
Bevor ich zu unserem Antrag und auch zur Kritik an den Maßnahmen, die der Herr Bundeswirtschaftsminister heute angekündigt hat, komme, lassen Sie mich einiges Grundsätzliche zur Energiepolitik sagen. Nach unserer, nach sozialdemokratischer Auffassung handelt es sich bei dem Problem, den Platz des deutschen Steinkohlenbergbaus in unserer Volkswirtschaft zu sichern, natürlich um eine Wettbewerbserleichterung für die Steinkohle. Aber - das möchten wir ausdrücklich betonen - es kann sich nicht darum handeln, etwa den Wettbewerb auf dem Energiemarkt zu beseitigen. Es handelt sich darum, auch hier die Konsumfreiheit aufrechtzuerhalten, die zu einer freiheitlichen Wirtschaftsordnung gehört. Es handelt sich darum, auch in Zukunft die Anbieter von Energie zu zwingen, Anstrengungen zu machen, um die Gunst des Energieverbrauchers zu erringen. Daher stehen wir auf dem Standpunkt, daß mit einer solchen Konzeption gesetzliche Verbote und Gebote schwer vereinbar sind.
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Leider ist heute aus den Ausführungen des Herrn Bundeswirtschaftsministers nicht klar geworden, ob im Bundeswirtschaftsministerium endgültig die Pläne aufgegeben worden sind, von denen in der Presse die Rede war, die zum Ziele hatten, ein Liefermonopol gegenüber den öffentlichen Energieversorgungsunternehmen zu schaffen. Wir glauben, daß eine solche Regelung den Problemen auf die Dauer nicht gerecht werden kann. Wir glauben und das möchten wir hier auch ganz offen sagen -, daß eine Kontingentierung der Einfuhr von Rohöl und Heizöl kein geeignetes Instrument für unsere Volkswirtschaft ist.
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Das hängt vor allen Dingen auch damit zusammen, daß wir in der Bundesrepublik eine Struktur in der Mineralölwirtschaft haben, bei der die öffentliche Hand im Gegensatz zu den Verhältnissen in den anderen großen westeuropäischen Industrieländern nur unzureichend an diesem Wirtschaftszweig und daher an seinen Gewinnen beteiligt ist. Es ist aber nun einmal so, daß mit einer Kontingentierung oder einer Verknappung - das haben wir ja jetzt auch bei der Selbstbeschränkung, wenn sie auch nur unvollkommen funktioniert hat, schon erkennen können -, mit solch mengenmäßigen Beschränkungen zweifellos immer Preiserhöhungen und erhöhte Gewinne für die Anbieter dieser Energieformen verbunden sind.
In der Bundesrepublik haben wir nun noch den ganz unerfreulichen Zustand, daß ein großer Teil des Mineralölangebotes von den internationalen Mineralölkonzernen kommt, die ihre Tochtergesellschaften in der Bundesrepublik zwingen, das Mineralöl zu überhöhten Preisen bei ihnen einzukaufen. Dadurch ergibt sich ein weiterer unerfreulicher Zustand, daß nämlich die Gewinne, die mit dem Mineralölgeschäft in der Bundesrepublik von diesen internationalen Konzernen gemacht werden, nicht einmal ein Steuerergebnis, nämlich ein Ergebnis aus der Gewinnbesteuerung dieser Unternehmen für die öffentliche Hand, für den Bund und die Länder, erbringen, weil diese Gewinne durch diese Manipulationen ins Ausland verlagert werden.
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Darum, meine Damen und Herren, sind wir der Meinung, daß eine Kontingentierung zweifellos die Probleme bei uns nicht lösen kann. Wir machen aber auch darauf aufmerksam, daß eine weitere Verschärfung der sogenannten Selbstbeschränkung zweifellos auch preispolitische Folgen haben wird.
Nun lassen Sie mich darauf zu sprechen kommen, welche Vorstellungen wir hier haben. Eine Lösung des Problems der Wettbewerbserleichterung für die deutsche Steinkohle muß nach unserer Auffassung von den Preisen ausgehen. Die Hilfe für die deutsche Steinkohle - und wir sind der Meinung, daß hier geholfen werden muß - muß sich eine relative Verbilligung der Steinkohle gegenüber den Konkurrenzprodukten, also insbesondere. gegenüber dem Heizöl, zum Ziel setzen. Das ist das entscheidende Problem. Das haben wir in unserem Antrag, der Ihnen vorliegt, deutlich ausgedrückt, indem wir hier von einer Verbilligung bei den besonders wichtigen Abnehmern gesprochen haben. Wir haben nun bereits eine Heizölsteuer, und ich glaube, wir sind uns alle darüber einig - wir haben heute auch vernehmen können, was der Herr Bundeswirtschaftsminister dazu gesagt hat -, daß diese Heizölsteuer nicht abgeschafft werden kann. Ihre Abschaffung würde außerordentlich bedenkliche Fol-
gen haben. Sie könnte eine katastrophale Absatzkrise im Steinkohlenbergbau herbeiführen.
Aber damit allein ist es nun nicht getan. Denn diese Heizölsteuer haben wir auch bisher schon gehabt. Unsere Vorstellung von einer relativen Verbilligung der Steinkohle geht dahin - das ergibt sich auch aus dem Antrag -, daß wir schrittweise, sowie es die öffentlichen Finanzen erlauben, dazu übergehen wollen, die Mittel aus der Heizölsteuer zu einer Verbilligung der Steinkohle bei den wichtigsten Verbrauchern, also insbesondere bei den Elektrizitätsunternehmen und auch bei der Stahlindustrie, zu verwenden. Wir sind uns darüber im klaren, daß dieser Manipulation Grenzen gesetzt sind. Auch über diese Grenzen werde ich gleich etwas sagen. Wir haben uns auch sehr wohl einen Deckungsvorschlag dafür überlegt. Wir wissen, daß ein Mehreinkommen gegenüber dem jetzigen steuerrechtlichen Zustand erst zu dem Datum zur Verfügung steht, an dem an sich die Degression der Heizölsteuer einsetzen sollte, d. h. ab Mitte des nächsten Jahres. Aber dann steigen die Beträge, die wir als Deckung für diese und andere Maßnahmen vorgesehen haben, schnell bis zum Jahre 1970.
Ich freue mich, daß wir uns mit dieser Vorstellung der Subventionierung der Steinkohle bei den wichtigsten Verbrauchern auch in Übereinstimmung mit dem bayerischen Wirtschaftsminister befinden. Allerdings muß ich zwei Bemerkungen dazu machen. Wir haben es uns nicht so einfach gemacht wie der Herr Dr. Schedl, der darauf verzichtet hat, auch einen Deckungsvorschlag zu machen. Wir haben es gerade angesichts der Diskussion über das Sachverständigengutachten für richtig gehalten, hier einen ganz konkreten Deckungsvorschlag vorzulegen, und ich glaube, wir haben recht daran getan. Im übrigen müssen selbstversändlich, wenn von Verbilligung der Steinkohle die Rede ist, auch besonders die Interessen der revierfernen Verbraucher von Steinkohle berücksichtigt werden. Es darf nicht so kommen wie bei dem im vorigen Jahr verabschiedeten Gesetz zur Förderung der Verstromung der Kohle, das in seiner Wirksamkeit im wesentlichen nur den Elektrizitätsversorgungsunternehmen zugute kommt, die sich in unmittelbarer Nähe des Ruhrgebiets befinden.
Lassen Sie mich nun noch einige Bemerkungen über die, Grenzen machen, die einer solchen relativen Verbilligung der Steinkohle gegenüber dem Heizöl gezogen sind. Selbstverständlich muß bei einer solchen Aktion auf die Haushaltslage Rücksicht genommen werden; daher unser Stufenplan der Dekkung aus der Beseitigung der Degression der Heizölsteuer. Es wird aber auch notwendig sein, darauf zu achten, daß sich der Energiepreis in der Bundesrepublik nicht über ein gewisses Niveau hinaus erhöht und unsere Wettbewerbsfähigkeit gegenüber den anderen großen EWG-Ländern beeinträchtigt, und es wird bei der Belastung des Heizöls auch auf die Entwicklung der Lebenshaltungskosten in der Bundesrepublik Rücksicht zu nehmen sein.
Es wird ferner notwendig sein, daß man, wenn man die Entwicklung des Preisniveaus auf dem Energiemarkt sorgfältig beobachten will, die Preisbeobachtungen über die Grenzen hinaus intensiviert,
die uns durch das Wirtschaftsstatistikgesetz von 1958 gesetzt sind. Ich habe den Eindruck, daß dieses Gesetz den Anforderungen der Beobachtung eines so wichtigen Marktes nicht mehr gerecht wird und nicht diejenigen Ergebnisse liefert, die das Parlament und die Bundesregierung brauchen, um hier die notwendigen Entscheidungen treffen zu können.
Was nun die Verbilligung der Steinkohle betrifft, so sind selbstverständlich auch hier vor allen Dingen Haushaltsgesichtspunkte maßgebend. Hinzu kommen aber noch andere Gesichtspunkte. Hinzu kommt z. B. der Gesichtspunkt, daß diese Hilfe für die deutsche Steinkohle so dimensioniert sein muß, daß sie der deutschen Steinkohle ihren Platz in der deutschen Volkswirtschaft auch für die weitere Zukunft sichert. Ich bin mir klar darüber - und Sie werden darin mit mir einig sein -, daß das allerdings eines politischen Entschlusses bedarf, den uns niemand abnimmt. Die Dimensionierung der Verbilligung der Steinkohle ist ein Problem, das in der Ausschußarbeit des Deutschen Bundestages gemeinsam mit allen Kräften, die daran mitarbeiten wollen, gelöst werden muß.
Außerdem darf die Hilfe für den Steinkohlenbergbau natürlich nicht ein Maß überschreiten, so daß der Rationalisierungswille, der Wille zur Selbsthilfe beeinträchtigt wird. Aber es gibt bei einer solchen Hilfe auch Grenzen nach unten.
Bei der Verbilligung der deutschen Steinkohle müssen - damit komme ich zu einem Fragenkomplex, der zu meiner Verwunderung heute noch gar nicht richtig angesprochen worden ist - auch die Bedürfnisse der deutschen Stahlindustrie berücksichtigt werden, die in der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft im Wettbewerb steht mit anderen Stahlindustrien, die zum Teil Kohle verarbeiten können, die zu wesentlich niedrigeren Preisen angeboten wird. Schließlich ist der Hilfe für die Steinkohle auch insofern eine sehr wichtige Grenze gesetzt, als wir darauf achten müssen, daß wir endlich aus dem Zustand der psychologischen Unsicherheit herauskommen, aus einem Zustand, in dem der Bergbau seine Probleme und vor allen Dingen auch die Gemeinden und die Länder die Probleme der Ansiedlung der Ersatzindustrien nicht in Ruhe lösen können. Die Probleme der Rationalisierung der Steinkohle, insbesondere auch ihrer Felderbereinigung und der Ansiedlung von Ersatzindustrien, brauchen zu ihrer Lösung Zeit. Diese Zeit muß zur Verfügung stehen, sie muß geschaffen werden, ohne daß es zu einer krisenhaften Zuspitzung des Steinkohlenbergbaus kommt.
Meine Damen und Herren, wenn man unter diesen Gesichtspunkten das Programm der Bundesregierung, das heute vom Herrn Bundeswirtschaftsminister verkündet worden ist, betrachtet, muß man leider zu dem Ergebnis kommen, daß es wiederum unzureichend ist. Lassen Sie mich dazu im einzelnen Stellung nehmen. Ich sage in diesem Augenblick nur wenig über die Stillegungshilfen, auch wenn dazu viel zu sagen wäre. Wir haben schon in früheren Debatten zum Ausdruck gebracht, daß bei der öffentlichen Finanzierung von Stillegungsaktionen die Be-
dingung einer volkswirtschaftlich richtigen Auswahl der stillzulegenden Zechen gestellt werden sollte. Zweitens sollte erreicht werden, daß dann, wenn diese Stillegung mit öffentlichen Mitteln erfolgt, wenigstens eine sinnvolle Verminderung der Gesamtförderung mit ihr verbunden ist. Auch dazu hat sich der Herr Bundeswirtschaftsminister leider nicht geäußert.
Aber nun zu dem eigentlichen sogenannten Programm der Bundesregierung mit dem der Platz der deutschen Steinkohle in Zukunft gesichert werden soll. Hier wird von einem Plan für die Elektrizitätsversorgungsunternehmen gesprochen. Hier gibt es gewisse Widersprüche zwischen dem, was in den letzten Tagen in der Presse zu lesen war, und dem, was der Herr Bundeswirtschaftsminister heute angekündigt hat. Es wäre interessant für uns, zu wissen, ob das, was er heute hier angekündigt hat, das Endgültige ist oder ob es noch in den entscheidenden Punkten modifiziert werden soll. Das bezieht sich insbesondere auf die Frage, ob ein gesetzlicher Zwang zur Beibehaltung der Steinkohle ausgeübt werden soll oder ob man sich auf steuerliche Anreize oder auf Anreize durch Subventionen beschränken will. Darauf würden wir heute gern hier eine Antwort bekommen.
Lassen Sie mich noch etwas zum Quantitativen sagen. Der Herr Bundeswirtschaftsminister hat auch selbst zugegeben, daß durch die Förderung des Absatzes von Steinkohle bei den Elektrizitätswerken keine größere Menge .als zusätzlich 2 Millionen t pro Jahr abzusetzen ist. Angesichts der schnellen
3) Zunahme der Halden und des derzeitigen Haldenbestandes muß man diese Hilfe, begrenzt auf 2 Millionen t pro Jahr, als unzureichend betrachten.
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- Pro Jahr; Herr Burgbacher, es wird sich ja auch der Prozeß der Auseinandersetzung zwischen Kohle und Mineralöl fortsetzen. Ich bin mir klar darüber: pro Jahr. Aber wir werden es erleben, Herr Burgbacher, daß diese 2 Millionen t pro Jahr zu wenig sein werden. Warten wir es ab.
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Nun hat der Herr Bundeswirtschaftsminister auch von einer Vereinbarung mit - wie er sich ausgedrückt hat - maßgebenden Persönlichkeit der Elektrizitätsversorgungswirtschaft gesprochen. Wir sind hier etwas skeptisch, und ich glaube, wir haben Grund zu dieser Skepsis. Wir würden gern wissen, ob diese Besprechung ,als Grundlage irgendwelche Beschlüsse der maßgebenden Organe der deutschen Elektrizitätswirtschaft hatte. Wir würden gern wissen, ob das, was der Herr Bundeswirtschaftsminister als Unterstützung der Bundesregierung definiert hat, ob dieses Programm in irgendeiner Form in den Besprechungen quantifiziert und konkretisiert worden ist.
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Nur dann, glaube ich, ist es eine zuverlässige Grundlage, auf die wir treten können. Wir haben berechtigte Zweifel daran, daß das geschehen ist, vor allen Dingen deshalb, weil wir ja auch wissen,
was bei solchen Vereinbarungen herauskommen kann. Ich erinnere nur an die Enttäuschung mit den sogenannten Selbstbeschränkungsvereinbarungen, die in ihrer Wirkung nur ungefähr die Hälfte von dem gebracht haben, was sich die Bundesregierung davon versprochen hatte.
Meine Damen und Herren, was bleibt dann eigentlich noch übrig? Dann bleibt noch übrig, daß man davon gesprochen hat, man sei beim Ministerrat der Montanunion und bei der Hohen Behörde vorstellig geworden. Aber lassen Sie mich auch hierzu einige Fragen stellen. Wäre es nicht besser gewesen, wenn die Bundesregierung nicht nur darauf gedrungen hätte, daß die Hohe Behörde eine Konzeption einer gemeinschaftlichen Kohlepolitik entwickelt; wäre es nicht nach acht Jahren deutscher Steinkohlenkrise endlich an der Zeit gewesen, daß die Bundesregierung eine eigene europäische Konzeption für die Kohlepolitik auf den Tisch gelegt hätte?
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Wäre es nicht endlich an der Zeit, daß das geschieht?
In diesem Zusammenhang, meine Damen und Herren, möchte ich mir noch ein paar Fragen erlauben. Uns ist bekannt, daß die Hohe Behörde am 25. Juni 1962 einen Vorschlag ähnlich unseren Vorstellungen gemacht hat, der sich auf einen Gemeinschaftsfonds für die Subventionierung der Kohle bezog. Dieser Vorschlag war soweit konkretisiert, daß er eine Subventionierung bis zu 5 Dollar pro t vorsah. Haben bei der Haltung des Herrn Bundeswirtschaftsministers, so fragen wir, auch jetzt in der Ministerratssitzung der Montanunion wieder die gleichen Hemmungen eine Rolle gespielt, die seinerzeit zur Ablehnung des Vorschlags der Hohen Behörde durch die Bundesregierung geführt haben? Ich glaube, wir wären dankbar, wenn damals dieser Vorschlag der Hohen Behörde aufgegriffen und - wenn vielleicht auch in etwas abgewandelter Form - realisiert worden wäre. Wenn die Bundesregierung keinen Widerstand gegen diesen Vorschlag geleistet hätte, hätten wir heute wahrscheinlich etwas viel Brauchbareres als all die Maßnahmen, die die Bundesregierung zur Erhaltung des volkswirtschaftlich notwendigen Bestandes an deutscher Steinkohlenförderung bisher ergriffen hat.
In diesem Zusammenhang hat es uns besonders interessiert, davon zu lesen - wir müssen uns da auf Pressemitteilungen stützen -, daß Herr Kollege Barzel diesen alten Vorschlag eines Gemeinschaftskohiefonds kürzlich auf dem Parteitag der westfälischen CDU wiederum aufgegriffen hat. Uns würde interessieren, ob die Meinung des Herrn Kollegen Barzel mit der Meinung des Herrn Bundeswirtschaftsministers übereinstimmt und wie man zu diesem Problem heute steht.
Meine Damen und Herren, ich halte mich für verpflichtet, in diesem Augenblick, wo wir von einer langfristigen Energiepolitik reden, auch noch ein paar Worte zur Frage der Beteiligung der deutschen Wirtschaft an den Mineralölquellen in der Welt zu sagen. Wir haben es immer bedauert, daß das Bun1336
deswirtschaftsministerium jahrelang nicht für Bestrebungen zugänglich war, den deutschen Unternehmen, deren Finanzkraft bekanntlich weit unter der der großen internationalen Konzerne liegt, mit ausreichenden Hilfen zur Verfügung zu stehen. Wir glauben, daß der Zugang der deutschen Mineralölunternehmungen zu den internationalen Erdölquellen auch für die Selbständigkeit unserer Energiepolitik überhaupt von entscheidender Bedeutung sein wird.
Uns hat es sehr überrascht, in diesem Zusammenhang zu hören, daß die Bundesunternehmen bei dem ersten Versuch, im Iran eine Ölkonzession zu erwerben - der bekanntlich gescheitert ist -, nur mit 15 % am Konsortium beteiligt waren. Weiter hat uns sehr gewundert, daß bei der Werbung um die libyschen Ölkonzessionen vier deutsche Unternehmen, die im Verhältnis zu den anderen Unternehmen in der Welt klein sind, unabhängig voneinander operiert haben und daß keine gemeinsame Aktion zustande gekommen ist. Das Bundeswirtschaftsministerium hat es durch seine bekannte Zurückhaltung also versäumt, die ihm zukommende Führungsrolle zu übernehmen.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich in diesem Zusammenhang auch noch eine kurze Bemerkung über die VEBA-Privatisierung machen, die ich mir nicht verkneifen kann. Hier haben sich die Koalitionsparteien und die Bundesregierung um eines Wahlschlagers willen große zusätzliche Schwierigkeiten gemacht, um in Zukunft ein Unternehmen wie die VEBA wirksam auch in der Energiepolitik einzusetzen. Mir ist bekannt, daß es auch in den Reihen der CDU Mitglieder gibt, die unserer kritischen Haltung gegenüber dem Verkauf der Mehrheit dieses Unternehmens zugestimmt haben. Leider hat sich diese Minderheit in Ihrer Fraktion nicht durchsetzen können.
Ich glaube, daß in diesem Zusammenhang die Frage aufgeworfen werden sollte, ob es nicht wirklich richtiger wäre, wenn die Bundesregierung endgültig darauf verzichtete, die von den Banken zurückgekauften nominell 70 Millionen DM VebaAktien, die einen Kurswert von etwa 140 Millionen DM darstellen, trotz der großen Schwierigkeiten auch noch unter die Leute zu bringen. Ich glaube, daß mit diesem Verzicht und dem Wiederaufbau einer stärkeren Bundesbeteiligung an diesem wichtigen Bundesunternehmen nicht nur der Energiepolitik, sondern letzten Endes, meine Damen und Herren von der CDU/CSU-Fraktion, auch dem VebaAktionär ein großer Gefallen getan würde. Diese enttäuschten Aktionäre würden dadurch von einem Alpdruck befreit werden. Sie wissen nämlich nicht, ob sich der schrittweise Verkauf der nominell 70 Millionen DM Aktien in Zukunft nicht noch weiter auf den sowieso schon abgesunkenen Kurs ihrer Aktien auswirkt. Es wäre wirklich wert, einmal darüber nachzudenken.
Wenn ich das alles zusammenfasse, dann muß ich zu folgendem Ergebnis kommen. Auch heute wieder bei einer erneuten Energiedebatte nach acht Jahren Kohlenkrise sind wir nicht zu der Überzeugung gekommen, daß die Maßnahmen, die der Herr Bundeswirtschaftsminister hier angekündigt hat, ihrer quantitativen Wirkung nach geeignet sein können, das Problem langfristig in einer sinnvollen Weise zu lösen. Ich bin davon überzeugt: wenn es bei diesen Maßnahmen bleibt, werden wir uns in kurzer Frist wieder über eine neue akute Krise und über neue Maßnahmen unterhalten müssen.
Das zu vermeiden, haben wir unseren Vorschlag gemacht. Sie werden uns zugeben, daß der Vorschlag mutig war, denn wir haben es auf uns genommen, Tabus anzurühren. Wir haben es aber auch auf uns genommen, einen quantitativ begründeten Deckungsvorschlag zu machen. Ich glaube, wir haben damit einen aktuellen und guten Beitrag zu den Ausschußberatungen gemacht, die vor uns liegen.
Lassen Sie mich zu diesen Ausschußberatungen noch ein paar Worte sagen. Nach der letzten Energiedebatte, die am 2. Dezember 1964 stattfand, hat es sechs Monate gedauert, bis die Regierungsfraktionen sich im Wirtschaftsausschuß bereit fanden, das Energieproblem in seiner Gänze zu diskutieren. Das war am 6. Mai 1965. Dazu wurde ein halber Tag zur Verfügung gestellt. Wir bekamen an diesem 6. Mai einen Vortrag von Herrn Staatssekretär Neef zu hören. Wir hatten vorher keine Unterlagen bekommen und mußten warten, bis das Zahlenmaterial im Protokoll schriftlich niedergelegt war. Dann hatten Sie Ihr Ziel erreicht, meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen: wir kamen in die hektischen Wochen vor den Sommerferien hinein. Sie hatten es wieder einmal fertiggebracht, daß eine gründliche, der Problematik adäquate Diskussion des Energiewirtschaftsproblems unterblieben war. Ich habe die Erwartung und die Hoffnung, daß sich das diesmal nicht wiederholen wird, sondern daß man diesen für die deutsche Volkswirtschaft und für die in diesem wichtigen Wirtschaftszweig beschäftigten Menschen so wichtigen Problemen endlich die notwendige Zeit und die Geduld zuwenden wird. Auf unsere Mitarbeit können Sie dabei rechnen.
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Meine Damen und Herren, die Fragen sind begründet und beantwortet. Die Anträge sind ebenfalls eingebracht und begründet.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Friderichs.
Herr Präsident! Verehrte Damen! Meine Herren! Ich möchte zu Beginn der Aussprache insbesondere den Bundesministern Schmücker und Katzer dafür danken, daß sie heute vormittag dafür Sorge getragen haben, daß die teilweise im Lande zu beobachtende Panikmache hier nicht Eingang gefunden hat. Ich glaube, wir sollten uns bemühen, heute hier ohne Sozialdemagogie und ohne Verantwortungsrhetorik diese Debatte zu führen auf der Basis nüchterner Überlegungen und konkreten verantwortungsbewußten Handelns. Ich glaube, so ist das Problem eher zu lösen.
Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang ein Wort aufgreifen: Wir müssen beobachten und dafür Sorge tragen, daß die sozialen Probleme, die mit diesem Wirtschaftsprozeß zusammenhängen, mit dem Herzen verfolgt und gelöst werden. Wir sollten uns aber davor hüten, mit aller Gewalt davor hüten, zu glauben, Kohlepolitik mit Herz machen zu sollen. Ich bin der Meinung, wir sollten Energiepolitik mit Vernunft und mit Verstand betreiben.
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Es ist kein Widerspruch in sich, wenn man im sozialpolitischen Bereich sein Herz für die sozialen Nöte öffnet, wenn man aber gleichzeitig erkennt, daß man Kohlepolitik nicht mit dem Herzen, sondern mit dem Verstand machen muß, und zwar deswegen, weil die Kohlepolitik nun einmal Bestandteil der Energiepolitik ist und weil nun einmal - und das läßt sich nicht wegdiskutieren - Energiepolitik Bestandteil der Wirtschaftspolitik ist.
Hier müssen wir ganz am Anfang auch prüfen - lassen Sie mich das ganz bewußt aussprechen -, von welchen entscheidenden Fakten und Faktoren wir auszugehen beabsichtigen, ob wir beabsichtigen, von den Produktionsfaktoren auszugehen, d. h. von der Produktion her zu urteilen, oder ob wir den Mut und die Nüchternheit haben, vom Markt her die Sache aufzurollen, da wir nun einmal in der Marktwirtschaft leben und die Produktion von daher zu beurteilen ist. Wir müssen den Versuch machen, zu unterscheiden zwischen unternehmenspolitischen Entscheidungen, für die die Unternehmer zuständig sind, und volkswirtschaftlichen Entscheidungen, für die wir hier und nur wir zuständig sind.
Es ist müßig, jetzt darüber zu diskutieren, ob man die Energiepolitik in toto, nicht nur die Kohlepolitik, der Marktwirtschaft in vollem Umfang aussetzen kann oder nicht. Eines dürfte jedoch feststehen: für meine Fraktion und mich jedenfalls kann es sich immer nur um ein marktwirtschaftliches - meinethalben differenziertes - Leitbild handeln, niemals um etwas anderes. Wir sollten uns bei allem darüber klar sein, wenn wir diesen Weg gehen - Energiepolitik auf der Basis der Marktwirtschaft, allerdings differenziert -, daß jeder, auch der geringste Eingriff einen großen Nachteil mit sich bringt, und zwar in allen Bereichen der Wirtschaft, daß er nämlich die Impulse, die vom Markt ausgehen, abschwächt, so daß die Unternehmer sehr häufig in die Gefahr kommen, sie nicht rechtzeitig oder nicht richtig zu erkennen. Auch das muß und sollte heute einmal ausgesprochen werden.
Wir haben nicht zwischen Weiß und Schwarz zu entscheiden, sondern wir müssen den Versuch unternehmen, uns der Grautöne zu bedienen, die dazwischen liegen. Auch den Malern fällt das sehr viel schwerer, als Schwarz und Weiß anzuwenden. Wir sollten den Versuch machen, diese fein nuancierten Mittel hier einzusetzen, um unter Aufrechterhaltung unserer Wirtschaftsordnung ein Ergebnis zu erreichen, das marktkonform ist und gleichzeitig im Interesse aller Beteiligten liegt.
Ich möchte zur Trendanalyse nicht viel sagen. Heute morgen sind von verschiedenen Seiten viele
Zahlen genannt worden. Eines kann man jedoch feststellen: die Förderung der deutschen Kohle hat sich von 1960 bis 1965 lediglich um zirka 7 Millionen t verringert. Die Absatzmöglichkeiten haben eine andere Entwicklung genommen. Das Öl war 1955 im Verhältnis von 10 : 70 zugunsten der Kohle am Verbrauch beteiligt. Im Jahre 1965 hat es ein Verhältnis von 43 : 41 - Kohle zu Öl - errungen. Es ist aber auch festzustellen, daß das deutsche Erdöl im Jahre 1959 noch 25,3 % des Anteils, im Jahre 1965 nur noch 11,6 % des Anteils hatte.
Was ist zum Gas zu sagen? Der Herr Bundeswirtschaftsminister hat sich schon dazu geäußert. Hier gibt es Unwägbarkeiten. Feststeht nur eins: es wird kommen und eine weitere Bereicherung des Energieangebots darstellen.
Auch in der Frage ,der Kernenergie halte ich es für müßig, mit Spekulationen darüber aufzuwarten, ob 1970 oder 1975 5 oder 6 oder gar 10 % mit Sicherheit zu erwarten sind. Eins können wir wohl feststellen: sie wird ab 1970/75 im .energiepolitischen Konzert eine Rolle spielen. Wir müssen jetzt versuchen, mittelfristig zu handeln und bis zu diesem Zeitpunkt Daten zu setzen, damit wir uns dann nicht dem technischen Fortschritt versagen müssen, sondern ihn im Interesse aller, im Interesse unserer Volkswirtschaft und der in ihr tätigen Menschen nutzbar machen können.
Hier ist allerdings eine Bemerkung anzufügen. Strukturell wird es immer Bereiche geben, die für die eine oder andere Energieart nicht erreichbar sind. Das sind Daten, die wir jetzt erkennen müssen.
Lassen Sie mich ein paar Worte zu den Ursachen des Trends sagen. Da ist einmal der Preis zu nennen. In einer Marktwirtschaft, in der wir Gott sei Dank immer noch leben, ist nun einmal der Preis ein entscheidender Faktor für den Einsatz des Stoffes, ob Rohstoff oder Energie. Aber andere Faktoren kamen hinzu. Es ist ganz einfach so, daß die Unternehmer auch die rationellen Einsatzmöglichkeiten honorieren. In Zeiten, in denen wir bei 1,2 Millionen Gastarbeitern und 'bei über 600 000 offenen Stellen eine angespannte Lage am Arbeitsmarkt haben, ist mancher Unternehmer bereit, für „rationelleres" Arbeiten einen höheren Preis zu zahlen, d. h. nicht im eigentlichen Sinne zu rationalisieren, sondern zu mechanisieren. Er wird dazu auf Grund der Lage am Arbeitsmarkt gezwungen.
Daraus hat sich eine weitere Verschärfung ergeben. Ob wir wollen oder nicht, es gibt nun einmal Bereiche, in denen das Öl ebenso wie Gas leichter manipulierbar, leichter regulierbar und leichter transportierbar ist. Das sind Fakten, die wir zur Kenntnis nehmen müssen.
Wie sieht es für die Zukunft aus? Auch hier möglichst wenig Zahlen. Wenn wir weiterhin keine Daten setzen - außer denen, die schon gesetzt sind; eine Fülle von Maßnahmen sind schon von allen Beteiligten aufgezählt worden -, wird der Trend in der gleichen Richtung weitergehen, d. h. bei steigendem Energiebedarf wird der Anteil der Kohle weiterhin sinken. Die Frage kann nur lauten: sinkt die Absatzmöglichkeit absolut oder sinkt sie nur relativ?
Schließlich die zweite Frage: wie sieht es mit dem Timing aus, damit Spannungen und Schärfen vermieden werden? Lassen Sie mich nur ein Beispiel anführen. Der Herr Kollege Kurlbaum hat schon die Stahlindustrie zitiert. In der Stahlindustrie zeigt sich doch ganz klar, was sich bei weiterer Verwendung desselben Energiestoffs tut. Auf Grund technischer Maßnahmen nimmt sein Anteil an der Stahlproduktion ab, ganz einfach deshalb, weil er rationeller eingesetzt wird, und es wird doch wohl keiner so töricht sein, so etwas als schlecht zu bezeichnen, wenn es letztlich ,dem betroffenen Industriezweig und damit der gesamten Volkswirtschaft dient.
Wir können, wenn wir uns jetzt den Bereichen zuwenden, feststellen, daß der Anteil der Elektrizitätsenergie zunimmt und daß darin eine echte Absatzreserve für die deutsche Kohle liegt. Dem dient der Vorschlag des Bundeswirtschaftsministers. Wir können sagen, daß Eisen und Stahl mit 24 Millionen t Verbrauch in der Tendenz fallend sind, allein schon auf Grund des relativ geringer werdenden Anteils von Kohle an der Stahlproduktion, wobei ich hier Tendenzen, wie sie sich bei Hoesch und Dortmund-Hörde abzeichnen, ganz außer acht lassen möchte. Bei der übrigen Industrie mit 17 Millionen t, davon 2- Millionen t Import, ist die Kohle durch das Öl bedrängt. Beim Hausbrand ist sie stark bedrängt; und hier zeigt sich wieder klar: hier ist es keine Preisfrage, sondern eine Frage der Praktikabilität, der Bequemlichkeit, wenn Sie so wollen, deren wir uns bedienen. Bei Gas- und Wasserwerken: abnehmend, bedrängt durch Mineralöl und Gas. Beim Verkehr: Tendenz fallend ({1}). Der militärische Bereich spielt der Größe nach keine entscheidende Rolle. Ausfuhr: Tendenz unsicher.
Das zur zukünftigen Situation. Ich glaube, wir müssen uns heute in diesem Hause darüber klarwerden, welche Entscheidungskriterien wir für die Ausschußberatung über die Energiepolitik auf den Weg geben; denn das ist unsere Aufgabe und die keines anderen. Wie steht es da? Was sind die Entscheidungskriterien?
Das erste Entscheidungskriterium wird immer die Frage des preisgünstigen Angebots sein. Da wird entgegengehalten, der Anteil der Energiekosten an der industriellen Produktion betrage nur 3°A. Es kommt darauf an, wie man es berechnet. Unstreitig ist es richtig, daß wir Bereiche haben, in denen der Anteil der Energiekosten sehr gering ist. Wir müssen aber auch feststellen, daß die indirekten Energiekosten, daß heißt die Energiekosten, die auf den Vorprodukten lasten, ein ganz anderes Bild vermitteln. Zwei Beispiele: Textilindustrie 2 % direkte Energiekosten, aber 10 %, wenn ich die indirekten hinzurechne. Chemische Industrie 12% direkte, aber 28% unter Berücksichtigung der indirekten. Ich gebe zu, daß eine solche Rechenmethode bei einer volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung problematisch ist. Für die Frage der Preistendenz aber, die von Energien ausgeht, ist sie von entscheidender Bedeutung. Die Energiekosten sind nun einmal in einer Wirtschaft wie der deutschen, die eine verarbeitende ist, unter dem Gesichtspunkt des Wettbewerbs zu sehen, wenn sie nämlich unsere Stellung auf den Weltmärkten über den Preis mit beeinflussen.
Welche Konsequenzen ziehen wir daraus? Wir haben festgestellt, daß in den letzten Jahren die Löhne gestiegen sind, und zwar stärker gestiegen als die reale Zuwachsrate des Bruttosozialprodukts. Das heißt, über die Lohnkosten allein kam es zu einer Benachteiligung unserer Wettbewerbssituation. Ich glaube, wir können es uns nicht leisten, nunmehr auch noch einen weiteren Produktionsfaktor, der mit zunehmender Rationalisierung und zunehmender Automation zunehmend an Bedeutung gewinnt, zu verteuern und von zwei Seiten her die Wettbewerbsfähigkeit der verarbeitenden deutschen Wirtschaft selber sehenden Auges in Gefahr zu bringen.
Ein weiteres Entscheidungskriterium scheint mir - hier scheiden sich die Geister etwas - die freie Wahl des Verbrauchers zu sein. Haben wir das Recht, in der Ordnung, in der wir leben, dem Verbraucher aufzuoktroyieren, welcher Energieart er sich bedient? Wir müssen diese Fragt stellen. Ich glaube, wir sollten uns davor hüten, Verwendungsauflagen beim Einsatz von Energie zu machen. Ich glaube, die Beschränkung kann da nicht einsetzen, wo sie nicht von der echten Nachfrage diktiert wird. Und hier ist das Problem: was ist Nachfrage, und wo waren wir in der Vergangenheit bei der stürmischen Expansion des Heizöls auf eine manipulierte Nachfrage gestoßen, wo setzt ein anderer, ein Verdrängswettbewerb ein?
Das dritte Kriterium - als Entscheidungskriterium immer wieder genannt - ist die Sicherheit der Energieversorgung. Der Herr Bundeswirtschaftsminister ebenso wie andere Sprecher haben mit Recht gesagt: Den Konfliktsfall wollen wir ausschalten, denn da ist die Frage der Sicherheit eine wirklich sehr relative, gleichgültig, welche Energieart wir nehmen. Ja, was bleibt dann noch an Sicherheit? Ist Suez damals Konfliktsfall gewesen - ja oder nein? Wie sieht es überhaupt aus, wenn wir die gesamten Energieeinsätze sehen? Ja, sollten wir nicht vielleicht das Problem der Sicherheit ganz anders sehen, nämlich als ein Problem der Preissicherheit, die gefährdet erscheint, wenn Oligopole auftreten, die ihrerseits langfristig nach Erringung bestimmter Marktanteile Preisdiktate ausüben können? Das ist auch eine Form der Sicherheit, wenn man sich davor hütet, daß man einem Oligopol ausgesetzt sein kann. Ich glaube, wir sollten uns auf diese Form der Sicherheit konzentrieren. Sie ist die einzige, die meßbar ist, die wirtschaftspolitisch akut von Bedeutung ist.
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Wenn wir das aber so sehen, dann können wir nicht einfach Kohle gegen Öl stellen, dann müssen wir Kohle und deutsches Öl. gemeinsam gegen Importenergien einiger weniger Großkonzerne betrachten, die auf dem Hintergrund eines abgeschirmten amerikanischen Marktes auf einem freien deutschen Markt Politik vermittels Öl zu treiben pflegen. Auch das muß hier einmal offen ausgesprochen werden.
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Dieser Verdrängungswettbewerb, der letztlich nicht dazu dient, langfristig preisgünstige Energie zur Verfügung zu stellen, sondern der letztlich dazu dient, kurzfristig über preisgünstige Angebote Marktanteile zu erringen, um langfristig auf der Basis des Marktanteils die Preise anzuheben, kann nicht im Interesse der deutschen Wirtschaft liegen. Hier sind die beiden Extreme, zwischen ihnen müssen wir den richtigen Grauton finden auf der Basis der Marktwirtschaft, nicht auf der Basis einer von der Produktionsseite her bestimmten dirigistischen Ordnung.
Als weiteres Argument wird der Devisenbedarf angeführt. Nun gut, der Passivsaldo beträgt im Jahre 1965 2,4 Milliarden DM. Für 1970 rechnen wir mit einem Saldo von rund 5 Milliarden DM. Als Argument wird angeführt die Schwäche unserer Außenhandelsbilanz und darüber hinaus unsere an sich schon angespannte Zahlungsbilanz. Meine Damen und Herren, für eine Wirtschaft, die so exportabhängig ist wie die deutsche, ist ein solcher Devisenausfall bei der Energieeinfuhr dann kein Problem, wenn sie über die verstärkte Wettbewerbsfähigkeit durch billige Energie ihre Ausfuhr an verarbeiteten Produkten anheben kann. Man muß zwei Seiten der Medaille sehen, eine Seite reicht nie zu einer gerechten Beurteilung. Das sollten wir uns sehr klar vor Augen halten. Lassen Sie mich als Schluß dieser These sagen: die Exportkraft unserer Wirtschaft wird nicht zuletzt auch von den Energiekosten abhängen. So muß man auch das Devisenproblem sehen.
Entscheidend wird neben den technischen Merkmalen des Einsatzes der Energie die Förderleistung pro Mann und Schicht sein, weil sie den Preis bestimmt. Wir liegen bei 2,7 t pro Mann und Schicht, eine beachtliche Leistung, gemessen an den Wettbewerbern in der EWG. Wir müssen aber bis 1970 im Schnitt auf mindestens 3,7 t pro Mann und Schicht kommen, wenn wir - das muß man einmal offen sagen - die sicherlich stattfindenden Lohnkostensteigerungen über die Rationalisierung auffangen wollen, um nicht schließlich zu einem höheren Einstandspreis zu kommen als jetzt. Da wird nun, insbesondere auch von der Kohle selber, gesagt, das sei Theorie. Wir haben jetzt Schächte, die mit mehr als 3,7 t pro Mann und Schicht arbeiten. Sie sind leicht auf eine höhere Zahl zu bringen, und wir kämen im Schnitt mit Sicherheit auf diesen Satz. Aber wir haben in der Vergangenheit einen Fehler gemacht - das muß man hier einmal offen zugeben dürfen -: wir haben rationalisiert, wir haben stillgelegt zum Zwecke der Rationalisierung bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung der Kapazitäten. Da liegt doch letztlich das Problem. Wir haben nicht im Rahmen der Stillegung Kapazitäten vernichtet, sondern haben sie aufrechterhalten und haben aufgehaldet. Daran kranken wir im Augenblick, an einem Überschuß von 15 Millionen t im letzten Jahr. Hier ist es notwendig - und ich glaube, insofern ist der Landesregierung von Nordrhein-Westfalen und auch dem Bundeswirtschaftsminister zu danken -, daß für die Forschung, die für die Leistung pro Mann und Schicht entscheidend sein wird, etwas getan wird.
Lassen Sie mich nun zu einem anderen Teil übergehen, zu der Frage der sozialen Maßnahmen, der Sozialpolitik im Rahmen der Energiepolitik. Ich wage es hier auszusprechen, und ich meine, man muß es einmal sagen: die beste Sozialpolitik für die Betroffenen und die einzig mögliche langfristige Sozialpolitik ist die Strukturpolitik und nichts anderes.
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Wir müssen den Mut haben, in Gebieten mit Monokulturen mit hohem Lohnkostenanteil und vergleichsweise geringer Produktivität pro eingesetzter Arbeitskraft Strukturveränderungen zugunsten von Wachstumsindustrien vorzunehmen, um hier langfristig für die Betroffenen Arbeitsplätze zur Verfügung zu stellen, Langfristig gesehen ist die richtige Strukturpolitik die beste Sozialpolitik, auch wenn das bei vordergründigem Denken mitunter nicht erkannt wird. Ich glaube, man darf das hier einmal getrost aussprechen.
({5})
- Sehen Sie, Herr Kollege von der Opposition, das ist eben der Unterschied zwischen Ihnen und den Regierungsparteien: wir pflegen auch einmal etwas zuzugeben, was Sie nie tun.
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Im übrigen waren wir sehr häufig daran gehindert, langfristige Maßnahmen zu treffen, weil Sie uns oft mit kurzfristigen, vordergründigen Maßnahmen das Geld aus der Hand geschlagen haben, das wir brauchten, um langfristige Maßnahmen durchzuführen.
({7})
- Herr Kurlbaum, das wissen Sie.
Lassen Sie mich meine These über die Strukturpolitik als Mittel der Sozialpolitik zusammenfassen. An der Richtigkeit des Satzes, der 1948/49 gültig war, daß eine gesunde Wirtschaftspolitik die beste Sozialpolitik ist, hat sich nichts, aber auch gar nichts geändert, auch wenn Sie es mit der Minderheit bestreiten.
({8})
Daß das deutsche Volk das begriffen hat, sehen Sie daran, daß Sie in der Minderheit sind und wir die Mehrheit haben.
({9})
- Herr Schmitt-Vockenhausen, CDU/CSU und FDP sind nun einmal die Regierungsparteien. Daß Ihnen das nicht paßt, kann ich verstehen. Aber Sie müßten das ändern und die dafür erforderlichen Wählerstimmen auf die Beine bringen.
({10})
Das können Sie ja machen. Sie werden das ja alles bereits am 10. Juli merken.
({11})
Lassen Sie mich zu den kurzfristigen Sozialmaßnahmen übergehen. Selbstverständlich enthebt uns eine langfristige Strukturpolitik als Mittel der Sozialpolitik nicht der Notwendigkeit, kurzfristig Anpassungsmaßnahmen durchzuführen, um soziale Härten zu vermeiden. Hier ist das Herz angebracht, bei der Energiepolitik der Verstand. Wir müssen uns darüber klar sein, daß die Auffanggesellschaft einer möglichst schnellen und reibungslosen Umstrukturierung der betroffenen Gebiete dient. Hier muß man sich die Frage stellen- ich werfe also nur die Frage auf, Redner meiner Partei werden noch darauf eingehen -, ob diese Gesellschaft, privatrechtlich und privatwirtschaftlich konstruiert, nicht eine Entscheidungsmöglichkeit der Regierung von Bund und Land eröffnen muß, damit eine sinnvolle Verwendung der Grundstücke sichergestellt wird. Diese Frage ist zu prüfen,
({12})
insbesondere in den Ausschußberatungen.
Wir werden den Versuch unternehmen - und der Bundeswirtschaftsminister hat ja seine Vorschläge unterbreitet -, in der Verstromung den Anteil der Steinkohle auf 50 % anzuheben und mittelfristig zu halten. Das Wie - ob im Wege eines gesetzlichen Zwangs oder im Wege gezielter Steuernachlässe oder Subventionen - ist sehr exakt zu prüfen, damit das gewünschte Ergebnis unter Aufrechterhaltung marktwirtschaftlicher Grundsätze und unter Einsatz marktkonformer Mittel, nicht im Wege des Zwangs, eintritt. Ich hoffe, daß uns hier die Ausschußberatungen auf dem Weg der Tugend lassen, uns aber gleichzeitig dem gesetzten Ziel näherbringen.
Zum Montanvertrag nur wenig. Es ist eben schlecht gewesen, daß man im Montanvertrag zwar eine Lieferverpflichtung, aber keine Abnahmeverpflichtung vorgesehen hat, und es wird sehr schwierig sein, jetzt eine Änderung durchzusetzen. Ich bin dem Herrn Bundeswirtschaftsminister dankbar, daß er von sich aus dieses Problem angeschnitten und daß er heute morgen dieses als eines seiner Ziele zu Beginn dieser Debatte genannt hat. Wir können ihm hier wirklich nur Glückauf wünschen. Möge es ihm gelingen; die Verhandlungen werden weiß Gott nicht leicht sein.
Lassen Sie mich noch ein paar kritische Anmerkungen zu der Frage der Lizenzierung mit der Möglichkeit der Lizenzverweigerung bei der Einfuhr von Mineralöl machen. Ich habe anfangs gesagt, wir müßten eine Mineralölpolitik betreiben, die vom Verbraucher her bestimmt ist, soweit die Verbrauchernachfrage nicht manipuliert ist. Hier wird sich zeigen - der Bundeswirtschaftsminister wird mir zustimmen -, daß das Problem in der Dosierung der Mittel, in der Anwendung, also auch hier wieder in dem Problem liegt, als Grundsatz die
marktwirtschaftliche Ordnung aufrechtzuerhalten und den Versuch zu unternehmen, mit marktkonformen Maßnahmen das gesteckte Ziel zu erreichen, bevor man zu dirigistischen Maßnahmen übergeht. Ich weiß, meine Damen und Herren von der linken Seite des Hauses, Sie tun sich da schwer. Sie haben diesen Weg erst in Godesberg gelernt, während wir ihn von Anbeginn an gegangen sind. Der Unterschied ist: Sie müssen permanent suchen, um ihn zu finden; wir brauchen nur aufzupassen, daß wir nicht vom richtigen Weg abweichen. Insofern tun wir uns ein bißchen leichter.
({13})
- Ich weiß, daß Sie das nicht gern hören, meine Damen und Herren, aber es ist leider wahr.
({14})
- Herr Kollege Kurlbaum, mir ist in der Geschäftsordnung kein Paragraph bekannt, der das Aussagerecht eines Abgeordneten von der Dauer seiner Zugehörigkeit zum Parlament abhängig macht.
({15})
Wenn Sie die Absicht haben, eine entsprechende Änderung der Geschäftsordnung zu beantragen, mögen Sie das bitte tun.
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Lassen Sie mich zu den sozialen Übergangsmaßnahmen, die als wirkliche Übergangsmaßnahmen kurzfristig sein müssen, einige Worte sagen. Da sind die Feierschichten. Feierschichten sind notwendig, um die Lage im Jahre 1966 zu meistern. Da sollten wir uns nichts in die rechte oder linke Tasche lügen; das sollten wir aussprechen. Aber wir sollten uns ebenso klar darüber sein, daß eine Feierschicht, auch wenn der Lohn von Dritten bezahlt werden sollte, natürlich die Wettbewerbsfähigkeit herabgedrückt. Das ist doch gar keine Frage. Die fixen Kosten laufen weiter, und die fixen Kosten pro geförderter Einheit werden steigen. Insofern ist es keine langfristige, sondern allenfalls eine kurzfristige Maßnahme, die leider Gottes volkswirtschaftlich sehr problematisch ist. Wir müssen dafür Sorge tragen, daß es sich dabei weiterhin um kurzfristige Maßnahmen handelt.
Mein Kollege Ollesch wird mit Sicherheit nachher dazu weiteres ausführen. Er muß nämlich das Problem analysieren, das auf folgenden Überlegungen beruht. Wenn Feierschichten linear, d. h. überall, auch dort, wo der Absatz wegen der geförderten Sorten an sich da wäre, und nicht punktuell gefahren werden, so wird damit die Kohle auch dort verteuert, wo es nicht geschehen müßte. Vorsicht bei globalen Maßnahmen! Sie wirken letztlich wettbewerbsnachteilig auf die entsprechenden Produkte.
Ganz selbstverständlich ist der Ersatz des Verdienstausfalles während der Umschulungszeit, ProDr. Friderichs
bleme, deren Lösung mit in Nürnberg ruht. Bei dem Plan, das Arbeitslosengeld künftig statt 26 Wochen 52 Wochen zu zahlen, ist wohl eines uns allen klar: das kann man nicht nur für den Bergbau machen, das muß man für die gesamte Wirtschaft machen. Ob es psychologisch so besonders geschickt ist, statt umzuschulen, die Zahlung des Arbeitslosengeldes auf 52 Wochen zu verlängern - Sie wollen es -, weiß ich nicht. Wir sollten den betroffenen Arbeitern den Glauben wiedergeben und dafür sorgen, daß sie mit Recht daran glauben können, daß sie schnell einen neuen Arbeitsplatz in einer neuen Wachstumsbranche finden.
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- Man darf sich doch dazu auch einmal kritisch äußern. Das verstehen Sie alles nicht, wie mir scheint.
Lassen Sie mich zu dem Problem der Industrieansiedlung und der Umstrukturierung noch einen Wermutstropfen hinzufügen. Wir müssen aufpassen
- das sage ich in Anwesenheit des Wirtschaftsministers des Landes Nordrhein-Westfalen -, daß die Wirtschaftskraft dieses Landes nicht Umstrukturierungsmaßnahmen in anderen Gebieten Deutschlands in einem unerträglichen Ausmaß gefährdet. Hier wird ein ganz entscheidender Punkt angeschnitten. Wir müssen eine gerechte Verteilung der Ansiedlung von Wachstumsbranchen zu erreichen suchen - in diesem Ballungszentrum, mit seiner ganzen Wirtschaftskraft und seiner Standortlage, und in den jetzt wirtschaftsschwachen Gebieten anderer Länder wie beispielsweise den Höhenlagen und insbesondere - das sage ich aus politischen Gründen - dem Zonenrandgebiet. Wir müssen hier sehr vorsichtig dosieren. Ich hoffe allerdings, daß die Gemeinschaft der Länder in der Lage sein wird, den richtigen Weg zugunsten der betroffenen Arbeitnehmer, zugunsten der Wirtschaftskraft des Landes Nordrhein-Westfalen unter Berücksichtigung der berechtigten Interessen der anderen Bundesländer zu finden.
({18})
Meine Damen und Herren, ich habe versucht, das Ganze einmal von zwei Seiten zu beleuchten; die Debatte beginnt ja erst. Ich hoffe, daß Herr Kurlbaum mir das Recht dazu nicht auch noch wegen meiner kurzen Zugehörigkeit zu diesem Hohen Hause bestreitet.
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Lassen Sie mich zum Schluß noch einige grundsätzliche Sätze sagen. Ich glaube, es ist sinnlos, Dämme gegen eine unausweichliche, ökonomisch zwingende Entwicklung aufzurichten. Diese Dämme wären Dämme der Unvernunft. Sie können vielleicht Bestandteil einer falsch verstandenen Politik mit Herz, nicht aber Bestandteil einer Energiepolitik klarer, nüchterner und sachlich nicht widerlegbarerer volkswirtschaftlicher Einsichten sein. In der Energiepolitik - und das wage ich heute hier auszusprechen - nutzen uns keine kurzfristigen Kämpfe, Grabenkämpfe im Spannungsfeld von Verbänden und Interessen. Das Ergebnis wird immer nur ein zweifelhafter Tageserfolg sein. Was wir brauchen, ist eine strategisch richtige Lösung einer mittelfristigen Energiepolitik zugunsten der gesamten deutschen Volkswirtschaft. Das ist das Problem, vor das wir hier - wir haben Verantwortung zu tragen für das ganze deutsche Volk - gestellt sind: eine Energiepolitik, die die Voraussetzung für Stabilität und wirtschaftliches Wachstum in unserem Vaterlande schafft.
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Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Klaus Dieter Arndt ({0}).
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Am Ende des vormittäglichen Filibusters der Christlich-Demokratischen Union
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- diesmal ohne Schrägstrich, CSU, meine Damen und Herren -, am Ende dieser Ministerlesung sprach der Herr Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, Herr Meyers. Er dankte dem Hohen Hause und den Fraktionen der CDU/CSU und FDP für die heutige Beratung mit ihren vielfältigen Mühen. Das war nett, aber sicher nicht notwendig.
Er berichtete dann über die gestrige Entschließung des Landtages von Nordrhein-Westfalen auf Grund eines Antrages der CDU-Fraktion und der FDP-Fraktion und gab seiner Meinung Ausdruck, daß die Bundesregierung einen großen, wenn nicht den großen Teil der Wünsche der Regierung des Landes und des Landtags von Nordrhein-Westfalen erfüllen würde. Diese Bemerkung, meine Damen und Herren, war falsch und deshalb gar nicht nett.
Punkt 1 des Entschließungsantrags der Regierungsfraktionen in Nordrhein-Westfalen lautet - ich war bei der Debatte gestern in Düsseldorf dabei
Es muß sichergestellt werden, daß die zusätzlichen Mineralöl- und Erdgaseinfuhren den Umfang des jährlichen Zuwachses an Primärenergiebedarf nicht überschreiten.
Dieser Satz kann nur einen Sinn haben: Das gegenwärtige Niveau der Kohlenförderung ist zu halten, den darüber hinausgehenden Bedarf an Primärenergie mögen sich Erdöl und Erdgas teilen. Wenn man aus einer Entschließung von zehn Punkten überhaupt einen als zentral herausgreifen will, dann diesen. Der größte Teil der übrigen neun Punkte - mit Ausnahme der Industrieansiedlung - sind Handlungsanweisungen, um diesen Punkt zu realisieren zu versuchen: Beibehaltung .der vollen Heizölsteuer, Beibehaltung des Kohlenzolls, Verbesserung der Frachtenbeihilfen, Beibehaltung des Kohlenanteils in der Stromerzeugung, Reglementierung der Investitionen in Ölleitungen und in Raffinerien auf das Maß des Zuwachses an Öleinfuhr; damit wiederum direkt in bezug auf diesen Punkt 1.
Aber dieser Punkt tauchte gestern bereits in der Rede des Kabinettsministers Herrn Kienbaum gar nicht mehr auf. Seine - und jetzt zitiere ich bereits
- „nüchterne und kritische Analyse" ergab: „Der
Dr. Arndt ({1})
schnelle Übergang des Verbrauchers von der Rohenergie Kohle zu Sekundärenergien ist nicht aufzuhalten. Er wird sich fortsetzen."
Dazu der Herr Bundeswirtschaftsminister, eine reichliche Stunde heute vormittag vor der Meyersschen Danksagung: „Unvermeidlichkeit einer Rücknahme der Förderung"; an einer anderen Stelle: „wo wir staatlich eine Rücknahme der Produktion unterstützen". Ich bin kein Freund von kurzen Zitaten. Leicht läßt sich damit der Sinn von mehrschichtigen Reden zerstören. Dies ist hier aber nicht der Fall. Die Bundesregierung meint genau das, was diese Zitate ausdrücken, und es ist vielleicht wichtig, daß der Herr Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen das klar versteht.
Das Ergebnis dieses Tages und der kommenden Wochen kann nicht nur an der Zahl, an der Quantität .der Maßnahmen und Gesetze, die hier verabschiedet werden, gemessen werden. Es kann nur an der Qualität gemessen werden,
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an dem, was für den deutschen Energiemarkt in dieser oder jener Form herauskommt. Die Öffentlichkeit hat einen Anspruch darauf, richtig informiert zu werden.
In der Debatte über das Stabilisierungsprogramm das Sachverständigenrats ging es der Sozialdemokratie darum, auf eine bestimmte Frage eine klare Antwort zu erhalten: Was ist die Politik der Regierung? „4 %" oder „6 %"? Wie hält sie es mit dem Stabilisierungsprogramm? Wir haben damals erfahren, daß der Herr Bundeskanzler mehr zu 4 %, der. Herr Bundeswirtschaftsminister mehr zu 6 % inklinierte. Der Öffentlichkeit genügte das, um klar zu sehen, daß weder das eine noch. das andere in einem Stabilisierungsprogramm der Bundesregierung enthalten sein würde.
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Auch heute fragen wir wieder: Was ist Ihre Politik? What's your policy? Wir fragen, weil aus diesem Haus die Informationen kommen müssen, auf Grund deren sich die Menschen in der Wirtschaft einrichten können. Eine Information haben wir nun: Rücknahme der Förderung. Aber bis wann und wohin? 120 Millionen t, 100 Millionen t, weniger? Der Bundeswirtschaftsminister hat uns erklärt, daß die Regierung kein neues Förderziel für die Zukunft nennen wolle. Jedes würde „zu einer magischen Zahl" werden, zu einer „Fessel für alle Beteiligten".
Außerdem gibt so etwas Anlaß zu lästigen Artikeln im „Zechenkurier", in dem - ich habe es nachgelesen - weiter nichts geschah, als daß ein Mann der Front die in ihm geweckten Hoffnungen mit der Wirklichkeit von heute verglichen hat. Ich bin nicht der Meinung des Autors. Aber noch weniger bin ich der Meinung, daß sich ein Bürger von einem Minister sagen zu lassen braucht, diese Form des Vorbringens disqualifiziere ihn als Gesprächspartner. Ich bin auch nicht der Meinung, daß der Herr Kollege Brand recht hat, der Bergbauwirtschaft aus dem gleichen Grunde anzudrohen,
der Aufsatz von Herrn Keyser sei nicht geeignet, die Hilfsbereitschaft für die Kohle zu stärken. Was ist das für ein Ton, der hier gegenüber der Öffentlichkeit angeschlagen wird?
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Selbst der ebenfalls unternehmerisch tätige Kollege Brand fühlt sich anscheinend schon so sehr als Obrigkeit, daß er, wenn auch nicht mit der Peitsche, so doch mit der Wegnahme dessen droht, was er für Zucker hält.
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Rücknahme der Förderung! Wir müssen herauskriegen, wir müssen für die Menschen in der Energiewirtschaft herauskriegen: Was heißt Rücknahme der Förderung? Was stellt sich die Regierung darunter vor?
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Sturzflug oder Gleitflug in tragfähigere Höhen? Sehen wir den Dingen ins Gesicht - ohne Schönfärbung, ohne Panikmache! Sehen wir vor allen Dingen der Zukunft ins Gesicht, nicht weil sie vorhersehbar wäre oder sich minuziösen oder komplizierten Programmen jemals völlig beugen würde. Was wir gemeinsam leisten können, ist viel weniger - gesagt hat es auch der Sachverständigenrat schon einmal -: eine Vorstellung von der Zukunft erarbeiten, die eine größere Wahrscheinlichkeit hat als andere Vorstellungen. Immerhin, das ist unendlich viel mehr als nichts. Besser eine vage Skizze des unbekannten Terrains als nur mit der Stange im Nebel herumfuchteln.
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Die „drei Weisen" mit ihrer unglückseligen Prognose, die immer wieder zitiert wird, sind, glaube ich, auch auf dem Energiegebiet ein Ausnahmefall gewesen.
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- Ich glaube, das war ein Ausnahmefall, auch auf dem Gebiet der Energieprognosen. Wir sollten uns aber die Namen der „drei Weisen" ins Gedächtnis zurückrufen. Es waren der Franzose Armand, ein Italiener und Herr Franz Etzel für die Bundesrepublik Deutschland.
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Nun, welchen Terrains? Selbstverständlich des Terrains der Wettbewerbsposition der Kohle in einigen Jahren, sagen wir 1970. Die Skizze bedarf auch nicht der liebevollen Aufspürung des kleinsten Hügels und der kleinsten Einbuchtung. Dazu ist leider der Abstand zwischen dem Energiepreis für Kohle und dem Energiepreis der Konkurrenzprodukte viel zu groß. Es genügt eine Wahl zwischen zwei Antworten: Wird er wesentlich geringer werden, oder wird er nicht wesentlich geringer werden? Ob es schön klingt oder nicht, die größere Wahrscheinlichkeit spricht für die zweite Antwort, daß sich nämlich der Abstand zwischen den EnergiepreiDr. Arndt ({10})
sen nicht wesentlich verringert. Die Fachleute sagen es, der Minister glaubt es, wir meinen es.
Die nächste Frage an die Zukunft: Wird unter diesen Umständen beim heutigen Stand der Gesetzgebung die gegenwärtige Kohleförderung aufrechtzuerhalten sein? Hier bedarf es nicht einmal mehr eines Zögerns; die Antwort heißt: nein.
Drittens. Wird sich wenigstens das Tempo der Absatzschrumpfung bei annähernd gleichen Abständen - Hochkonjunktur haben wir sowieso - vermindern? Ebenfalls mit größerer Wahrscheinlichkeit nein.
Viertens. Wird sich der Absatzrückgang der deutschen Steinkohle auf den sogenannten Wärmemarkt beschränken? Antwort leider wiederum: wahrscheinlich nein. Die relativ hohen Preise der heimischen Kokskohle werden zu weiteren Einschränkungen darauf ist schon hingewiesen worden - im Kohleverbrauch der eisenschaffenden Industrie führen. Die Wanderlust dieser Industrie an die vermeintlich rettende Küste der US-Kohle wird zunehmen.
Fünftens. Wird die Versorgung der deutschen Wirtschaft mit Primärenergie reibungslos funktionieren? Die Antwort muß im Unbekannten bleiben. Die Versorgungslage hängt von der politischen Konstellation in anderen Ländern ab, von der durchgehaltenen Kohleförderung im eigenen Lande, von unseren Lieferverpflichtungen an die Montanunion, kurzum, von einer ganzen Reihe von Faktoren und nicht nur, wie im wesentlichen vorhin, von einem, ab. Eines können wir aber mit Sicherheit sagen. Am meisten gefährdet ist die Versorgung derjenigen Werke der eisenschaffenden Industrien der Montanunion, die auf Überseekohle basieren.
Lassen Sie mich das Fragen an die Zukunft beenden, - nicht, weil es nicht noch mehr Fragen gäbe, z. B.: wie wird es um die Wirtschafts- und Finanzkraft Nordrhein-Westfalens und des Saarlandes bestellt sein, wenn die eisenschaffende Industrie bestenfalls auf der Stelle tritt und die Kohleförderung in einem Sturzflug nach unten geht? Die Kalamität der Gegenwart, die kurzfristigen Erfordernisse der Anpassung, mit denen wir uns zu beschäftigen haben, ist eine Folge halber Antworten auf halbe Fragen gewesen. Die Lage der Zukunft wird genausogut davon abhängen, ob wir heute glauben, mit halben Antworten davon kommen zu können. Ob diese Energiedebatte zu einer ständigen Einrichtung auch in diesem und im nächsten Bundestag wird, das wird heute hier auch erörtert.
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Nun, die Voraussetzung, daß nichts getan wird - Stand der Gesetzgebung von heute -, braucht ja im Verlaufe der weiteren Überlegungen nicht aufrechterhalten zu werden. Es gibt eine Reihe von Dingen, die der Herr Bundeswirtschaftsminister heute vormittag vorgetragen hat, die auch im Antrag der SPD stehen. Unser Antrag behandelt die Sicherung der Arbeitnehmer, die Sicherung des Absatzes, die Sicherung der Anpassung. Bei der Sicherung der Arbeitnehmer und bei der Sicherung der Anpassung handelt es sich, so wie ich es verstanden habe, nur noch um Nuancen, wenn auch nicht zu vernachlässigende Nuancen. Sie können im Ausschuß in Ruhe beraten werden. Wir hoffen, daß wir Sie von unserer weitergehenden Position in dem einen oder anderen Falle überzeugen können. Nicht so bei dem zweiten Punkt - Sicherung des Absatzes - und damit bei dem Kernpunkt, der über die Zukunft der deutschen Energiewirtschaft und damit über die weiteren Energiedebatten in diesem Hause entscheidet.
Die Regierung hat zu erkennen gegeben - Herr Bundeswirtschaftsminister Schmücker hat das vorgetragen -, daß sie die Hauptabsatzbereiche der deutschen Steinkohle, vor allem aber die Stromerzeugung für die deutsche Steinkohle sichern will. In der Stromerzeugung haben wir eine Idee, wie die Regierung sich das als funktionsfähig denkt. Wir können uns weiterhin vorstellen, daß sie glaubt, durch die Lizenzierung der Öleinfuhr oder durch die Effektuierung dieser Lizenzierung auch auf dem übrigen Wärmemarkt einen stärkeren Schutz für die Kohle durchzusetzen. Ob das funktioniert, darauf will ich nachher noch zurückkommen.
Nichts gehört haben wir über den dritten wesentlichen Inlandsmarkt deutscher Steinkohle, nämlich die Stahlindustrie. Hier ist ein schwacher Punkt, der sich in den nächsten Jahren mehr und mehr bemerkbar machen wird. Die deutsche eisenschaffende Industrie hat im Wettbewerb mit den Industrien der Montanunion, mit den Werken in Genua, Tarent, Le Havre, Antwerpen und Ijmuiden eine Kostendifferenz beim Einstandspreis für Kohle zu tragen, die diese Fertigung in Deutschland zunehmend wettbewerbsunfähig machen wird. Noch sind die Investitionsentscheidungen der deutschen Stahlindustrie nicht eindeutig auf das Ausland ausgerichtet. Wir konnten bisher mit der Investitionstätigkeit zufrieden sein, aber die ersten Schwalben denken bereits an eine Verlagerung ihrer Mehrproduktion in andere Länder der Montanunion. Wenn sich nichts ändert, ziehen sie andere nach sich.
Was es für das Land Nordrhein-Westfalen bedeuten würde, zusätzlich zu einem Rückgang der Förderung in der Kohleerzeugung noch ein dauerndes Siechtum seiner Stahlindustrie hinnehmen zu müssen, kann sich jeder selbst ausmalen. Aber noch ein Zweites: Da der Kohleverbrauch in den Stahlwerken je Tonne erzeugten Roheisens, je Tonne erzeugten Stahls laufend im Zuge des technischen Fortschritts sinkt, wird selbst in dem Falle, daß die Stahlproduktion die alte Höhe behält, mit einem Absatzrückgang der Kohle an diese Werke zu rechnen sein. Unter den jetzigen Bedingungen ist also auch dieser Markt nicht sicher.
Dabei ist hier wirtschaftspolitisch noch am besten anzusetzen. Erstens schlägt man, wie man so sagt, zwei Fliegen mit einer Klappe, und zweitens sind hier die Interessen der anderen Länder der Montanunion auf lange Sicht notwendigerweise mit den deutschen identisch. Hier ist wirklich von einem Sicherheitsrisiko zu sprechen.
Die Versorgung der Küstenwerke mit preiswerter US-Kohle ist nicht auf alle Fälle sichergestellt.
Dr. Arndt ({12})
Schon allein langandauernde Hafenarbeiterstreiks können Schwierigkeiten herbeiführen. Hoffentlich haben wir dann noch die Koks-Kohle-Kapazitäten, um den Lieferverpflichtungen gerecht zu werden.
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Hier gibt es keine Substitutionsenergie. Öl, Erdgas und Atomenergie werden nicht indirekt in Mitleidenschaft gezogen. Hier gibt es keinen Geschädigten. Alles spricht dafür, daß alsbald die deutsche Stahlindustrie und die auf diesen Absatz rechnende Kohlenwirtschaft weiß, ob die künftigen Investitionen in der eisenschaffenden Industrie nach wie vor im Bundesgebiet, also in Nordrhein-Westfalen und im Saarland, getätigt werden können oder ob das nicht mehr sinnvoll sein wird.
Der Herr Bundeswirtschaftsminister hat auf das Problem andeutungsweise bereits in der Luxemburger Sitzung vom 9. März hingewiesen. Es ist eine Angelegenheit, die die Gemeinschaft angeht. Die anderen Partner sind interessiert. Warum sollte nicht die Gemeinschaft die Lasten der Versorgungssicherung gemeinsam tragen?
Nun, eines ist schon gesagt worden: Die deutsche Initiative hat lange Zeit gebraucht. Das Kohleproblem ist seit acht Jahren bekannt. Es hat in diesem Hause 1957 sogar eine sehr gute Prognose gegeben, die viel besser war als die gleichzeitige der „Weisen". Ich darf sie vielleicht einmal vorlesen:
Die Entwicklung auf dem Energiegebiet unterliegt seit wenigen Jahren einem tiefgreifenden Strukturwandel. In der Zusammensetzung des Energieangebots und der Energienachfrage zeichnen sich langfristige Veränderungen und Verlagerungen in einem Umfang ab, wie wir sie in den vergangenen Jahrzehnten niemals gekannt haben.
Weiter wird erzählt - und zwar vom damaligen Herrn Bundeswirtschaftsminister Erhard -, daß es vor allen Dingen die US-Kohle und das Erdöl seien, die nach vorn drängten. Seine Konsequenz:
Damit mag einigermaßen deutlich werden, daß der heimische Steinkohlenbergbau in den kommenden Jahren vor großen und schwierigen Anpassungsaufgaben steht. Zu ihrer Lösung wird es aller unternehmerischer Initiative und aller Weitsicht auf seiten der Zechengesellschaften sowie der IG Bergbau bedürfen. Die Bundesregierung wird diese Entwicklung mit besonderer Aufmerksamkeit verfolgen und das Ihrige dazu tun.
Die Situation war also 1957 schon recht gut vorhergesehen worden. Dennoch waren unsere Initiativen in der Montanunion wohl ziemlich schwach.
Bitte, Herr Bundeswirtschaftsminister Schmücker, nehmen Sie mir eines nicht übel: Ihre Erklärungen vom 7. März mögen vielleicht in einer diplomatischen Sprache gehalten sein, aber eines sind sie nicht: sie sind nicht nachdrücklich, wie Sie es heute vormittag gesagt haben. Sie haben nämlich den Herren gesagt:
Meine Mitarbeiter haben mir dargelegt, wie mit bestimmten Artikeln des Vertrages hier Politik gemacht werden könnte.
- Nämlich zugunsten einer Sicherung der Kohleversorgung. Ich möchte mich aber nicht auf das Gebiet solcher Empfehlungen an die Hohe Behörde begeben....
Heute habe ich daher den Wunsch, allerdings den sehr hartnäckigen und dringlichen Wunsch, daß wir uns gemeinsam zu der Notwendigkeit einer gemeinschaftlichen Lösung des Kohle-problems bekennen und wegen der Dringlichkeit der Frage sofort die Hohe Behörde bitten, auf der Grundlage der heute vorgetragenen Gedanken konkrete Vorschläge zu machen, die alsdann umgehend zwischen den Regierungen und der Hohen Behörde beraten werden.
Ich glaube, das ist nicht die Sprache, die sich im Europa der Gegenwart bewähren kann.
({14})
Wir haben es nicht nötig, nachdem wir für die belgischen Gruben eine Menge Geld gezahlt haben, nachdem wir treu zum Montanunionvertrag, treu zu den anderen europäischen Institutionen gestanden haben, wir haben es nach diesen Vorleistungen nicht nötig, in demütiger Haltung vor ein derartiges Gremium zu treten.
({15})
Der Herr Minister mag versichert sein, daß er allerstärksten Widerhall in diesem Hause, vor allem aber bei meiner Fraktion finden wird, wenn er dort das nächstemal sagt: Entweder machen wir es gemeinsam oder wir machen es allein, und dann fällt die deutsche Lieferverpflichtung. Wenn sich schon der Steinkohlenbergbau anpassen muß und wenn wir uns schon in vielen Punkten an gewisse europäische Entwicklungen anpassen müssen, warum sollen sich dann nicht auch andere an Daten anpassen, die wir zu setzen in der Lage und berechtigt sind?
Am Stahlmarkt ist also relativ gut anzusetzen. Macht es nicht die Gemeinschaft, sollten wir es allein tun. Dazu sind Finanzierungsmittel im Augenblick noch nicht erforderlich. Die Stahlindustrie muß heute wissen, ob sie an Ort und Stelle weiter mit gutem Gewissen investieren kann. Mittel für die Einsatzkohle brauchen erst dann verfügbar zu sein, wenn diese Investierungen reifen, wenn die Produktion beginnt. Dann sind wir genau an dem Zeitpunkt, an dem die Finanzierung eines Stützungsprogramms, eines Programms der Absatzsicherung für den deutschen Steinkohlenbergbau - darin stimmen Bundesregierung und Sozialdemokraten überein - aus den Mitteln der Heizölsteuer, und zwar aus dem ungeschmälerten Aufkommen der Heizölsteuer, kommen kann.
Nun ein letzter Punkt: die Maßnahmen, wie sie sich die Bundesregierung für die Sicherung des Kohlenabsatzes an die Elektrizitätswirtschaft und in der Lizenzierung der Öleinfuhren denkt, sind ganz sicher nicht marktkonform. In der ElektriziDr. Arndt ({16})
tätswirtschaft soll nur der zusätzliche Absatz auf einer Anteilquote von 50 % gehalten werden. Was mit den alten Werken geschieht, ist angedeutet worden: Verbot der Umstellung von Kohle auf andere Energieträger. Das kann administrativ durchgesetzt werden. Die alten Anlagen in der Elektrizitätswirtschaft würden aber durch neue, zwar ebenfalls kohlenverbrauchende, aber auch sehr kohlensparenden Anlagen ersetzt werden. Die Kostendifferenz zwischen einer neuen Anlage und einer alten Anlage ist auch in der Elektrizitätswirtschaft recht erheblich.
Hinzu kommt, daß neue Anlagen bereits durch Abschreibungspräferenzen begünstigt sind. Hinzu kommt, daß der Kohlenverbrauch in neuen Anlagen auch noch subventioniert sein wird. Die Kostendifferenz einer Kilowattstunde Strom aus einer alten und aus einer neuen Anlage würde so groß sein, daß die alten Anlagen ersetzt werden würden. Der Mehrabsatz, den Sie sich errechnen, wird also nicht stattfinden. Von diesem Mehrabsatz ist der Posten abzuziehen, der durch die Kohleneinsparung beim Ersatz alter Anlagen entstehen wird.
Das Wirtschaftsleben läßt sich durch administrative Maßnahmen nicht gängeln. Sie werden mit diesem Schritt in etwas, was wir getrost Verwaltungswirtschaft nennen können, nicht den erstrebten Mehrverbrauch und den erstrebten Mehrabsatz der Kohlewirtschaft an die Elektrizitätswirtschaft erreichen. Auch auf die Lizenzierungspraxis bei den Heizöleinfuhren und Erdgaseinfuhren kann man im I Augenblick nur gespannt sein. Die Bundesregierung ist nach dem Gesetz der Marktwirtschaft angetreten. Jetzt, in einem Augenblick, wo sogar in den Ostblockwirtschaften der Vorzug einer Lenkung über den Preis entdeckt wird, geht die Regierung zu Reglementierungen über, ohne überhaupt Erfahrungen auf diesem Gebiet zu haben. Ich bin gespannt, wie Sie die Pressionen des Tages dann meistern werden. Es ist nämlich leicht, mit einer administrativen, nichtmarktkonformen Maßnahme anzufangen. Es ist schwer, von ihr wieder loszukommen, wenn die Öffentlichkeit den Erfolg an den Vorstellungen mißt, die man selbst mit dieser Maßnahme erweckt hat. Man könnte sagen: die Lizenzierung ist eine Form des „Wandeins durch Annäherung" unserer Wirtschaftsordnung an andere.
Aber Sie werden - dieses Resümee ist bedauerlicherweise zu ziehen - ohne die in unserem Antrag angeregten Maßnahmen für den Stahlmarkt, Sie werden bei ihrem System des Schutzes des Kohleverbrauchs in der Elekrizitätswirtschaft und Sie werden mit der Lizenzierung keinen geordneten Rückzug aus dem Steinkohlenbereich erreichen können. Was Sie hier als Programm vorschlagen - nach den vielen Energiedebatten, die wir geführt haben, einmal mehr vorschlagen -, ist leider ein Programm des Sturzflugs. Welche Risiken werden den Menschen an der Ruhr und im Saarland zugemutet! Sie werden das erleben, was mein Kollege Arendt schon angedeutet hat; Sie werden keinen Nachwuchs für den Bergbau bekommen. Sie werden Investitionen in andere Richtungen lenken und
in zwei Jahren das beschließen müssen, was heute hätte realisiert werden können.
Im Augenblick befinden wir uns in einem jähen Absturz. Das sozialdemokratische Programm der Absatzsicherung will gerade das verhindern. Der Kohle sind zwei, drei Märkte zu sichern, auf die sie in Zukunft bauen kann. Wir wollen daher von der Regierung wissen, warum Sie glaubt, auf Grund ihres Programms mit einem Stopp des Rückgangs an einem vernünftigen Punkt rechnen zu können. Die Menschen draußen wollen mit uns wissen, wo dieser Punkt liegt.
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Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Burgbacher.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! An die Spitze meiner auf Grund der fortgeschrittenen Zeit notwendigerweise gekürzten Darlegungen möchte ich einen Dank stellen, und zwar einen Dank an den deutschen Bergbau, die Unternehmen, die Unternehmer und die Bergarbeiter, die in über hundert Jahren Kern- und Herzstück unserer Industrialisierung, in weitem Umfang auch der europäischen Industrialisierung gewesen sind und in einer gewandelten Form auch ein Kernstück der Energiedarbietung im Gemeinsamen Markt in der Zukunft sein werden.
Ferner möchte ich der Bundesregierung für die Vorlagen danken, über die wir heute durch die Minister Schmücker und Katzer unterrichtet worden sind. Die CDU/CSU-Fraktion wird all diesen Vorlagen zustimmen und ihnen im Ausschuß die ausgearbeitete Formulierung mitgeben wollen.
Ich möchte aber auch der hier anwesenden Landesregierung für ihre dauernden Bemühungen um den Bergbau und um die Umstrukturierung des Ruhrgebiets danken.
Der Aufwand an Energie in der bundesdeutschen Volkswirtschaft dürfte zwischen 30 und 40 Milliarden, also 6 bis 8 % des Sozialprodukts ausmachen. Man darf aber bei der Beurteilung nicht die Durchschnittszahl, sondern muß die Energiekosten - am Endwert cines Produkts durchgerechnet - sehen, und diese schwanken zwischen 0 oder 1 und 35 %. Daraus ergibt sich, daß die Energiekosten in der Tat für die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie und Wirtschaft, vor allem im Export, bedeutendes Gewicht haben.
Es wäre aber völlig falsch, so zu tun - auch heute wieder ist dieser Eindruck erweckt worden -, als wenn sozusagen allein die Energiekosten die Wettbewerbsfähigkeit bestimmten. Wenn das so wäre, wäre es z. B. völlig unverständlich, daß die deutsche Industrie auf den Weltmärkten noch in erfolgreichem Wettbewerb mit der USA-Industrie steht, in der die Energiekosten nur etwa halb so hoch sind wie in der Industrie der Bundesrepublik, die Lohnkosten aber im Stundenlohn viermal so hoch sind.
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Es ist also nicht möglich, die Frage der Wettbewerbsfähigkeit am Energiekostenpunkt aufzuhängen. Die Wettbewerbsfähigkeit hängt von vielen Kostenfaktoren ab; darunter sind die Energiekosten mit verschiedenem Gewicht bedeutsam, aber noch wesentlich bedeutsamer sind Lohn, Kapitaldienst, Besteuerung, Verteidigungslasten und was es sonst noch an Belastungen der Produktionsprozesse gibt.
Wenn man die Energiepreise von 1948 = 100 setzt, waren sie 1964 bei Steinkohle 105, bei Heizöl 90, bei Strom 98, bei Gas 99, während der Preisindex der Nettoproduktion der verarbeitenden Industrie von 100 auf 153,2 gestiegen ist. Es ergibt sich also eine starke Verbilligung der Energieeinsätze im. Verhältnis zur Steigerung des Bruttosozialprodukts.
Noch interessanter ist es, wenn man die Preise für leitungsgebundene Energie - Strom und Gas - in Arbeitsminuten umrechnet. 1949 hat die Elektrizität 4,2 Arbeitsminuten je Kilowattstunde gekostet; 1964 kostete sie noch 1,4 Arbeitsminuten. Der Kubikmeter Gas kostete 1949 4,1 Arbeitsminuten; er kostete 1964 1,7 Arbeitsminuten. Sogar die nicht übertrieben billige Kohle hat, auf Lohnstunden umgerechnet, eine Ermäßigung ihrer Preise geboten, z. B. bei Fettkohle von 23 Arbeitsstunden je t auf 16,7 Arbeitsstunden heute.
Die Gesamtenergienachfrage in der Bundesrepublik wird noch erheblich steigen, und es ist selbstverständlich, daß unsere Politik auf eine Steigerung, der Gesamtenergiedarbietung aus sein muß. Denn heute schon ist in der UdSSR die Energiedarbietung pro Kopf der Bevölkerung größer als in der Bundesrepublik, und in den Vereinigten Staaten beträgt sie etwa das Zweieinhalbfache.
Das bedeutet aber keineswegs, daß man die heimische Energie ohne jede Überlegung dem absolut liberalisierten Wettbewerb aussetzten sollte. Der Energieverbrauch pro Kopf der Bevölkerung wird erheblich steigen, und trotz der sehr interessanten Ausführungen des Kollegen Dr. Arndt bin auch ich der Meinung, daß es als politische Leitlinie gelten sollte, daß die neuen Energien - Gas, Erdgas, Öl vor allem und Atomkraft - bei der zu erwartenden rasanten Steigerung der Energienachfrage sehr wohl in den Zuwachs eingeschleust werden können. Dabei mache ich, nebenbei bemerkt, noch den Unterschied, daß Erdgas eine im Sinne der Gemeinschaft, im Sinne Europas heimische Energie ist; was bei Öl nicht der Fall ist, und daß Atomstrom - wir haben kein Uran, aber da kann man sehr viel lagern - auch der heimischen Energie gleichgestellt werden kann.
Die derzeitige Importabhängigkeit unserer Energiewirtschaft beträgt ein gutes Drittel; sie wird bis 1975 bei Aufrechterhaltung der europäischen Kohleförderung auf über 50 % und bei starker Reduktion dieser Förderung auf 70 % steigen. Ich bin nicht der Meinung, daß es gleichgültig ist, ob man vollkommen importabhängig ist oder ob man noch über 30, 40, 50 % heimischer Energie verfügt. Ich bin der Auffassung, daß der Prozentsatz der heimischen Energie für die zukünftige Preisbildung der Energie in der Bundesrepublik und im Gemeinsamen Markt entscheidend ist.
Hinzu kommt: Wer sich eine Weltkarte ansieht - ich habe mir vor Jahren eine solche machen lassen -, der wird feststellen, daß die relativ am meisten liberalisierte Energiepolitik in der Bundesrepublik; in Skandinavien und in gewisser Beziehung in Italien gemacht wird. Alle anderen Länder der Welt sind entweder auf Autarkie oder auf eine reglementierte Energiegesetzgebung aus, darunter insbesondere die Vereinigten Staaten, die zu diesem Zweck ihrer Bevölkerung eine jährliche Mehrbelastung an Energiekosten von 4 Milliarden Dollar zumuten.
Es wäre falsch, hier an der Kernelektrizität vorbeizugehen; denn ich denke, wir sprechen über diese Fragen nicht nur wegen ihrer Bedeutung im Jahre 1966, sondern auch wegen ihrer langfristigen Bedeutung. Die neuesten Ausarbeitungen von Euratom - übrigens waren gerade Kollegen von uns bei Euratom - beweisen, daß im Jahre 1975 wahrscheinlich 12 % der dann vorhandenen Elektrizitätsnachfrage aus Kernelektrizität gedeckt werden. Da die Stromnachfrage an der Gesamtnachfrage im Jahre 1975 um 30 % liegen dürfte - jetzt ist dieser Anteil erheblich niedriger -, wären das also 3,6% der Gesamtenergienachfrage. Bis zum Jahre 2000 rechnet Euratom mit 60 % der dann vorhandenen Elektrizitätsnachfrage, und wenn man unterstellt, daß wegen der überproportionalen Zuwachsraten der Elektrizität dann die Elektrizität einen Anteil an der Gesamtenergie von 40% hat, wären das 60 % von 40 % gleich 24 %, also rund ein Viertel der Gesamtenergienachfrage.
Energieplanung gibt es in einigen Ländern derWelt. Es ist interessant festzustellen, daß die Kohleförderung in den Vereinigten Staaten vor fünfzehn Jahren etwa 800 Millionen Jahrestonnen betragen hat und heute 400 Millionen Jahrestonnen beträgt; sie ist also auf die Hälfte zurückgegangen. In den Planungen der USA ist bis zum Jahre 1980 die Kohleförderung auf 900 Millionen Jahrestonnen berechnet. Und die Planung der Sowjetunion, in der die Kohleförderung der Natur dieses Landes und der Geschichte nach ständig steigt, weil sie vorher unterentwickelt war, rechnet gegenüber zur Zeit 600 Millionen t bis 1980 mit 1200 Millionen t. Es ist sehr interessant, daß die beiden größten Nationen der Welt - von denen die eine eine ähnliche krisenhafte Zeit in der Kohle hatte, wie wir sie haben - nunmehr wieder nachziehen und daß beide bis zum Jahre 1980 mit mehr als einer Verdoppelung des Kohleverbrauchs rechnen.
Das bedeutet, daß die Kohle als Kohle ihre klare Zukunft hat und - da stimme ich mit Herrn Dr. Arndt überein - daß es im übrigen nur - „nur" ist genug - ein Preisproblem ist. Dieser Verlauf der Kohlegeschichte der Vereinigten Staaten - die gewiß andere geologische Voraussetzungen haben als die Bundesrepublik - erlaubt die Vermutung, daß die deutsche Kohle, wenn sie den Gesundungsprozeß, in dem sie sich befindet, überwunden hat, wieder einer neuen Zukunft entgegensehen kann. Voraussetzung ist freilich, daß sie noch da ist.
Es muß unser Bestreben sein, den Einschränkungsprozeß so begrenzt wie möglich zu halten. Wenn
wir es trotzdem ablehnen - da sind wir mit der Regierung vollkommen einig -, erneut eine Zahl zu nennen, so letztlich aus demselben Grund, aus dem wir es im Zusammenhang mit dem Sachverständigengutachten abgelehnt haben, quantitativ präzise Angaben zu machen. Wer sich die Geschichte der Energiepolitik der letzten 20 Jahre besieht, wird sicherlich vorsichtig sein bezüglich der Vorstellung, daß das, was heute ist, immer so bleiben muß. Das Europäische Parlament hat einmal - ich habe das schon einmal gesagt - im Abstand von etwa 15 Monaten jeweils eine zweitägige Debatte über die Kohlenlage führen müssen, und zwar beim erstenmal über eine Kohlenmangellage und beim zweitenmal über eine Kohlenüberschußlage. Man sollte über die Propheten, die den Montanvertrag niedergeschrieben haben und die sich nur eine Kohlenmangellage vorstellen konnten, nicht mehr lächeln als über die Propheten von heute, die sich nur ein Fortbestehen der gegenwärtigen Situation vorstellen können. Aus diesem Vorgang sollte man die demütige Erkenntnis ziehen, daß es dem Menschen eben nur möglich ist - das wurde auch von der Opposition gesagt -, Annäherungen zu versuchen, und daß er bei diesen Annäherungen noch nicht einmal sicher ist, ob er im Grundsatz richtig liegt.
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Nun muß ich aber noch etwas zu der Frage der Entwicklungsmöglichkeiten auf dem Ölmarkt sagen. Denn daß die Ölenergie Ursache für die Malaise der Kohle ist, dürfte kaum bestritten sein. Die Bevölkerung der Welt umfaßt jetzt 3 Milliarden Menschen; bis zum Jahre 2000 werden es 6,3 Milliarden sein. Der Energiebedarf betrug im Jahre 1960 4,4 Milliarden t Steinkohleneinheiten; für das Jahr 2000 wird er auf 25 Milliarden t geschätzt. Der Anteil Nordamerikas und Westeuropas, also unserer westlichen Welt, am Gesamtenergiebedarf betrug 1960 56 % bei einem Bevölkerungsanteil von 17 %. Nach der Vorausschau wird im Jahre 2000 der Anteil der westlichen Welt am Gesamtenergiebedarf der Welt 29 % betragen bei einem Bevölkerungsanteil von 11 %. Und jetzt kommt das, warum ich das überhaupt vortrage: Der Anteil Osteuropas einschließlich der UdSSR am Gesamtenergiebedarf der Welt beträgt gegenwärtig 21 % bei einem Bevölkerungsanteil von 10 %; im Jahre 2000 wird er voraussichtlich 20 % bei einem Bevölkerungsanteil von ebenfalls 10 % betragen. Hier werden die Anteile also in etwa gleich bleiben. Dagegen wird der Anteil Asiens und der übrigen Länder, also der Entwicklungsgebiete, am Gesamtenergiebedarf, der 1960 23 % bei einem Bevölkerungsanteil von 73 % betrug, bis zum Jahre 2000 voraussichtlich auf 51 % bei einem Bevölkerungsanteil von 79 % steigen. Das bedeutet, daß sich bis zum Jahre 2000 der Energiebedarf der westlichen Welt verdreifacht, der Osteuropas und der Sowjetunion versechsfacht und derjenige der Entwicklungsländer verzwölffacht.
Auf welche Energieart richtet sich aber die Nachfrage der Entwicklungsländer? Natürlich auf 01. Das bedeutet, daß die ungeheure Steigerung der Energienachfrage in den nächsten Jahrzehnten eine Steigerung der Nachfrage nach Öl ist. Und ich bin überzeugt, daß die Ölproduzenten unter diesen Umständen die Preise entsprechend der. dann gegebenen Machtposition gestalten. Ich warne deshalb nachdrücklich davor, auf eine langfristige Konstanz der Preise in Öl, wie sie heute gegeben sind, zu vertrauen.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Frage?
Bitte sehr!
Herr Kollege Dr. Burgbacher, meinen Sie nicht, daß man, wenn man Prognosen und Überlegungen über eine Entwicklung, hinblickend auf das Jahr 2000, anstellt, auch verpflichtet ist, sich Gedanken über Naturgas und Atomkernenergie als Faktoren zu machen, die mit zu beachten sind, so daß die Aussage, die man im gegenwärtigen Augenblick machen kann, also ein Datenkatalog, uns nur sehr bedingt einen Weg für Entscheidungen weist, die wir heute zu treffen haben?
Sie haben völlig recht, aber das ändert gar nichts an meinen Ausführungen, nicht das geringste. Es geht kein Weg daran vorbei, daß auf die heute oder in Zukunft vorhandenen Energievorräte aus der Entwicklungswelt eine zwölffache Nachfrage zukommt und daß sich die Gesamtenergienachfrage versechsfachen wird, d. h. von 4,4 Milliarden t pro Jahr auf 24 Milliarden t pro Jahr. Wenn wir annehmen, auf der Welt regiert der Markt, dann ergibt sich aus dieser neuen Nachfragesituation eine neue Preissituation.
Übrigens ist auch das ganze NATO-Europa importabhängig, und zwar bei festen Brennstoffen mit 5 %, bei Rohöl und flüssigen Brennstoffen mit 94 %, bei Naturgas mit 0 % - bei Primärelektrizität wird etwas exportiert - und bei der gesamten Primärenergie mit 35 %. Ich will in dieser Debatte nicht Probleme der strategischen Sicherheit aufwerfen. Ich habe auf diese Fragen in der NATO-Parlamentarierkonferenz wiederholt hingewiesen. Ich halte ihre Erörterung auch heute für keineswegs überflüssig. Übrigens steht Frankreich in dieser Beziehung auf dem Standpunkt, daß eine relative Sicherheit gegeben sei, wenn die Primärenergien wenigstens 40 % des Energieverbrauchs in Friedenszeiten decken können. Dieser Zustand ist, wie wir heute gehört haben und wissen, heute noch bei uns gegeben.
Ich will nicht noch einmal auf die früher von uns getroffenen Maßnahmen eingehen. Ich möchte auch nicht auf die den wirtschaftspolitischen oder energiepolitischen Gesichtspunkten gleichwertigen sozialpolitischen Gesichtspunkte eingehen. Ich bejahe alles, was vorgetragen worden ist. Mein Kollege Russe wird darüber noch sprechen, und ich möchte niemandem die Zeit wegnehmen; nur sei darauf hingewiesen, daß die gesamten Sozialaufwendungen des Bergbaus 40 % der Lohnsumme betragen. Das ist ein weit über dem Durchschnitt in allen anderen Branchen liegender Satz.
Übrigens hat die EWG festgestellt, wie hoch die Hilfsmaßnahmen für Kohle in den Ländern der Gemeinschaft sind. In der Bundesrepublik sind es 1964 4,4 Dollar pro Tonne, davon 4,2 Dollar für soziale Zwecke; in Belgien 6,2 Dollar pro Tonne, davon 5,4 Dollar für soziale Zwecke; in Frankreich 5,5 Dollar pro Tonne, davon 4,7 Dollar für soziale Zwecke. Die Niederlande haben den geringsten Betrag: 0,9 Dollar, und diese im vollen Umfang für soziale Zwecke.
Übrigens sind die Stillegungen in der ganzen Montanunion vor sich gegangen. Von 416 Ende 1957 fördernden Schachtanlagen sind bis Ende 1965 176 stillgelegt worden. Ich will wegen der fortgeschrittenen Zeit nicht die einzelnen Zahlen für die Bundesrepublik, Belgien, Frankreich und die Niederlande nennen. Aber überall hat dieser Stilllegungsprozeß, wenn auch graduell verschieden, stattgefunden.
Die Tatsache, daß der deutsche Steinkohlenbergbau seit 1958 fast 8 Milliarden DM investiert hat, davon allein. 6,2 Milliarden DM an der Ruhr, beweist, daß innerhalb des Bergbaus noch starke Vertrauenskräfte vorhanden sind, die vor allem Investitionen zur Durchführung von Rationalisierungsmaßnahmen vorgenommen haben. Die Wirkung der Rationalisierung wird deutlich in den Zahlen, die uns der Herr Bundeswirtschaftsminister dankenswerterweise zur Erleichterung der Diskussion zugestellt hat.
Alles, was wir tun, enthebt den Bergbau jedoch ficht der Pflicht, nach unternehmerischen Grundsätzen zu rationalisieren, zu konzentrieren - sowohl Erzeugung wie Unternehmen wie Gesellschaften -, um zu Großschachtanlagen zu kommen, weil nur die Großschachtanlagen die Gewähr geben, die letztmöglichen technischen Feinheiten durchzuführen. Ich meine, wir sollten bei der Ausschußberatung auch noch in Betracht ziehen, ob wir den vorhandenen Zechen verbilligtes Kapital zu Rationalisierungszwecken zur Verfügung stellen können.
Ich glaube, die Kapitalschwere des Bergbaus ist noch nicht erwähnt worden. Die Lohnschwere ist eigentlich bekannt - sie beträgt 50 bis 60% des Umsatzwertes. Die Kapitalschwere beträgt das 3,4fache seines Nettoproduktionswertes. Bei der Grundstoff- und Produktionsgüterindustrie beträgt die Kapitalschwere das 1,6fache und bei der Investitionsgüterindustrie das 0,9fache; beim Bergbau beträgt sie also fast das Vierfache des entsprechenden Wertes bei der Investitionsgüterindustrie. Wenn diese Formel ihre Berechtigung hat und der Jahresumsatz etwa 8 Milliarden DM ausmacht, wären also in dem derzeitigen Bergbau gut 27 Milliarden investiert.
Ein weiteres: Die Preisentwicklungen auf Teilen des Energiemarktes waren unvorstellbar stark gegenüber den Preisveränderungen in allen anderen Branchen der deutschen Wirtschaft. Die US-Kohle hat Höchstpreise von 98 DM und Niederpreise von 58 DM je t, das Heizöl - Platz Stuttgart ist hier gewählt - von 23 DM und 8,5 DM je 100 1, während die Steinkohlenpreise natürlich relativ stabil bleiben mußten. Nun erlauben Sie mir, folgende Frage an die Mitglieder dieses Hohen Hauses zu stellen: Wie, glauben Sie, hätten die anderen Branchen in der Bundesrepublik darauf reagiert, wenn sie solche Preisveränderungen zu verkraften gehabt hätten?
({0})
Die Frage stellen heißt sich die Antwort geben. Es wäre überall, gelinde gesagt, ein großer Trubel entstanden; wir können nur dankbar sein, daß es bei der deutschen Steinkohle nicht diese großen Preisänderungen gegeben hat. Die Schwankungen des Preises der US-Kohle sind politisch und transportmäßig bedingt. Die Schwankungen des Ölpreises kann man sich aber mit Kostenüberlegungen eigentlich kaum klar machen, obwohl die Förderkosten pro t 01 zwischen 4 DM und 50 DM schwanken. Sie sind also - und das meine ich gar nicht bösartig - manipuliert.
In dem Zusammenhang - das ist schon erwähnt worden - ist die Frage erlaubt: Mit welchem Recht entziehen sich eigentlich die Ölgesellschaften in Deutschland durch eine absolut defizitäre Bilanzpolitik durch den entsprechenden Einsatz hoher Rohölpreise ihrer steuerlichen Verpflichtung, während alle anderen in Deutschland wirtschaftlich Tätigen diese steuerlichen Verpflichtungen erfüllen, ja sogar der notleidende Bergbau Hunderte von Millionen an Steuern zahlt?
({1})
Ich bin der Auffassung, daß bei der volkswirtschaftlichen, der gesamtwirtschaftlichen Betrachtung der Probleme dieser Posten in der zahlenmäßigen Aufstellung seinen Platz haben müßte.
Es ist wiederholt von acht Jahren Kohlenkrise gesprochen worden. Nun, ich will nicht streiten. Wo die genaue Grenze zwischen einem starken Schnupfen und einer Lungenentzündung liegt, ist schwierig abzutasten. Aber ich bin der Meinung, wir sollten von so eiligen Worten, mit denen wir um uns werfen, wie „Inflation", „Krise" und anderen einen sparsameren Gebrauch machen. Denn wer dauernd von einer Krise spricht, der kann unmöglich zur Beruhigung auf diesem Gebiet beitragen. Es liegt in der Sache, daß das einfach nicht drin ist.
Es ist auch gesagt worden, wir hätten nie eine Energiepolitik gemacht. Wenn unter Energiepolitik verstanden wird, daß man eine radikale Lösung auf einen Schlag macht, dann haben wir die nicht gemacht. Aber von einer Energiepolitik unter Abwägung aller Interessen, z. B. der revierfernen Gebiete in Norddeutschland und in Süddeutschland, die darin besteht, daß bis einschließlich 1964 die sogenannte magische Zahl von 140 Millionen t eingehalten wurde, kann man doch nicht sagen, das sei eine ergebnislose Energiepolitik.
({2})
Und warum ist diese Zahl 1965 nicht eingehalten worden? Meine sehr verehrten Kollegen, wenn die Ölindustrie ihre Zusage zur Selbstbeschränkung 1965 hätte einhalten können - ich sage extra nicht: eingehalten hätte, ich sage: hätte einhalten könDr. Burgbacher
nen -, dann hätten wir aller Voraussicht nach nicht diese Energiedebatte heute. Ist das denn schon einmal bedacht worden? Die Tatsache, daß sie trotz allem guten Willen vieler Beteiligten nicht eingehalten wurde, veranlaßt mich zu einer gewissen Skepsis auch hinsichtlich des Ergebnisses in diesem Jahr, obwohl jetzt durch Kabinettsbeschluß das - auch so ein schönes Wort - „Instrumentarium" für die Exekutive im Hinblick auf die Einhaltung der Selbstbeschränkung erheblich verbessert worden ist.
Wenn man überlegt, welchen Katalog von Gesetzen dieses Hohe Haus auf Antrag der Bundesregierung im Interesse der Kohle verabschiedet hat, daß wir uns heute wieder einen Tag lang alle anstrengen, und zwar gern, und was wir noch in unzähligen Arbeitsstunden in Ausschüssen beraten und beschließen werden, und dann den „Zechenkurier" von heute liest, dann fühlt sich jemand, der versucht hat, für die Kohle Freunde zu werben, im Gewissen verpflichtet, klar zu sagen, daß das, was hier der Oberbergrat Keyser auf Seite 4 auf der linken Spalte geschrieben hat, unerträglich, unzumutbar, ungehörig und unzutreffend ist.
({3})
Ich will es gar nicht vorlesen. Aber ich für meine Person muß es ablehnen, als ein Kollege der Chaos-boys zu gelten, die die Demontage damals gemacht haben. Ich glaube, keiner von uns hat diese Bezeichnung verdient. Ich bedaure außerordentlich, daß ein ansonsten um den Bergbau hochverdienter Mann hier aus einer inneren Erregung über die Situation - vielleicht menschlich verständlich, aber für einen Mann dieser Position sachlich unberechtigt - die Grenzen überschritten hat.
({4})
Bei der Strukturgesellschaft in Nordrhein-Westfalen muß man wohl auch darauf achten, daß ein timing zwischen Stillegung - erster Akt -, Auswirkungen der Sozialpläne und Sozialmaßnahmen - zweiter Akt - und neuer Beschäftigung - dritter Akt - besteht. Das heißt, wenn man für eine Umschulung etwa ein Jahr braucht - und diese Umschulungen sind enorm wichtig; denn ich glaube, eines der wichtigsten Bedenken der Bergarbeiter ist der sogenannte Hilfsarbeiterkomplex -, muß man versuchen, ein timing in dieser Sache herzustellen. Hier möchte ich zunächst Nord- und Süddeutschland Dank dafür sagen, daß sie bisher mit so großem Verständnis mitgemacht haben und es offensichtlich auch jetzt wieder tun werden.
Ich möchte aber dazu zwei Bemerkungen in dem Sinne machen, daß eine Krankheit des Ruhrgebiets nicht nur eine Krankheit in Nordrhein-Westfalen, sondern auch eine deutsche Krankheit wäre.
({5})
Die Auswirkungen lassen sich nämlich gar nicht begrenzen, wenn eine wirklich krisenhafte Zuspitzung einträte, die anzunehmen heute kein Anlaß ist. Wenn aber die Zechen zu schnell stillgelegt werden und das Bedürfnis nach neuer Industrie zu schnell wächst, wird an der Ruhr ein Vakuum entstehen, das die üblichen Wirkungen des
Vakuums hat, das heißt, es werden sich alle möglichen industriellen Neuansiedlungen in der Bundesrepublik auf das Ruhrgebiet mit Gott weiß welchen Opfern konzentrieren müssen. Ich kann mir nicht vorstellen, daß eine solche erzwungene Strukturentwicklung im Interesse von Nord- oder Süddeutschland liegt, die ja an der strukturellen Erweiterung der industriellen Wirtschaft ihren redlichen Anteil haben und behalten sollen.
Übrigens hat der Bergbau nach dem, was ich mir habe sagen lassen, für die Umstrukturierung wesentliche Beiträge geleistet. Daß das gelegentlich mit gemischten Gefühlen geschehen ist, dafür habe ich Verständnis. Von 1949 bis 1964 sind 1792 ha ausgetauscht oder verkauft, 454 ha vermietet und 657 ha verpachtet worden. Das sind fast 3000 ha, eine beachtliche Fläche. Das läßt auch hoffen, daß die Strukturgesellschaft auf diesem Gebiet Erfolg haben wird.
Herr Kollege Dr. Arndt hat - für meine persönlichen Begriffe mit Recht - auf den Preis für die Kohle abgehoben. Herr Kollege Arndt, die Förderung der Stromerzeugung auf der Basis von 50 % Steinkohle jetzt und später ist natürlich der Beginn einer Verbrauchersubvention. Die Elektrizitätswerke werden für die Kohle, die sie verwenden, eine Subvention bekommen. Das ist das Wesen der Verbrauchersubvention.
Ich habe Verständnis dafür, daß Sie über den Stahl gesprochen haben. Wir haben das heute hier nicht behandelt, weil wir der Meinung sind, daß speziell die Probleme der Kokskohle - Sie haben das auch anklingen lassen - vorwiegend Probleme der EWG sind .und daß in dem Papier, das auf Veranlassung unseres Bundeswirtschaftsministers von der Ad-hoc-Kommission dem Ministerrat bis zum 3. Mai vorzulegen ist, darüber auch schon Konkretes enthalten ist. Sollte das nicht der Fall sein, bin ich mit Ihnen der Meinung, daß wir die Frage der Kokssicherung in der Stahlindustrie in der Ausschußberatung ansprechen müssen.
Im übrigen haben auch Sie, Herr Arndt, mit dem „Buhmann" gewunken: Die Industrie geht wegen der Energiekosten weg. Das kann in dem einen oder anderen Fall so sein. Es könnte vor allem dann sein, wenn z. B. die holländische Regierung ihr Erdgas für industrielle Zwecke in Holland wesentlich billiger verkauft, als es der deutschen Industrie zur Verfügung stünde, eine Frage, die ich jetzt im Energieausschuß des Europäischen Parlaments wegen der darin enthaltenen Diskriminierung aufgeworfen habe. Im übrigen aber bin ich der Meinung, daß bis jetzt noch der Zuzug von industriellem Kapital aus dem Ausland in die Bundesrepublik größer ist als der Abzug.
Gestatten Sie eine Frage, Herr Abgeordneter?
Natürlich.
Herr Kollege Burgbacher, stimmen Sie mit mir darin überein, daß
Dr. Arndt ({0})
diese Gefahr aber bei der Stahlindustrie besteht?
Nur in diesem Zusammenhang habe ich es erwähnt.
Wenn wir beide das Vergnügen hätten, einen großen Stahlkonzern zu leiten, dann würden wir wahrscheinlich ausrechnen, wieviel die Energie kostet. Dann würden wir wahrscheinlich dahinterkommen, daß sie mehr kostet. Dann würden wir weiter rechnen, wieviel die neue Anlage mehr kostet als die alte. Wir würden alles durchrechnen, und wenn der positive Saldo höher ist, dann würden wir vielleicht umziehen. Wenn das aber nicht der Fall ist, wenn es kompensatorische Kosten gibt, dann würden wir nicht umziehen.
Es ist also zu hoffen, daß die Verschärfung der Selbstbeschränkung zieht. Das wäre auch für die Entwicklung auf dem Gebiet des Öls von Vorteil, wobei aber unterstelle, daß es beim Öl - ich wiederhole - gar nicht am bösen Willen einzelner, sondern an der gegebenen Situation liegt.
Ich meine, wir sollten auch beim Frachtenausgleich noch etwas mehr tun als bisher. Ich bitte jetzt die revierfernen Gebiete, nicht zu ärgerlich zu werden, wenn ich noch einmal auf die Höhe der Heizölsteuer zu sprechen komme. Ich erinnere die Regierung daran, daß sie von diesem Hohen Hause die Vollmacht hat, auch die Heizölsteuer zu erhöhen oder zu ermäßigen. Die Heizölsteuer in der Bundesrepublik ist - das sei zugegeben -, was das schwere Heizöl betrifft, die höchste in der Gemeinschaft. Aber beim leichten Heizöl ist es anders. Leichtes Heizöl ist pro Tonne in Belgien mit 42,36 DM, in den Niederlanden mit 28,60 DM, in Italien - in dem Land mit der weitestgehenden Liberalisierung der Einfuhr - mit 23,72 DM und in der Bundesrepublik mit 10 DM belastet. Wenn also die Stahlfrage beraten wird, empfehle ich diese Position unser aller Aufmerksamkeit.
Am Schluß möchte ich noch einige Bemerkungen über den Gemeinsamen Markt, über die EWG usw. machen. Lieber Herr Kollege Arndt, ich wollte nach Ihrer mannhaften Rede darüber, wie man nach Ihrer Ansicht auf europäischem Parkett sprechen müßte, Ihrer Fraktionsführung den dringenden Rat geben - im Ernst und gut gemeint -, Sie umgehend in das Europäische Parlament zu entsenden,
({0})
damit Sie Gelegenheit haben, dort Ihre Töne anzubringen. Wenn Sie wie wir und einige Freunde von Ihnen das harte Brot Europas seit Jahren äßen, wären diese Töne etwas moderierter. Wer freilich nicht die Einzelheiten kennt, der wird so sprechen dürfen, wie Sie gesprochen haben. Aber wollen Sie bitte bedenken: die Montanverträge sind auf Kohlemangellage ausgerichtet, nicht auf Überflußlage. Die redliche Verteilung der Kohle in der Gemeinschaft ist Vorschrift; von der redlichen Abnahme wegen der Überflußlage steht darin kein Wort. Die Hohe Behörde hat auf die verstaatlichte französische Kohle nicht den geringsten Einfluß, weil der souveräne französische Staat handelt, während die deutsche
Kohle sowie der Stahl vollkommen unter dem Einfluß der Hohen Behörde stehen.
So könnte ich Ihnen einen Katalog von Mängeln aufführen, die eben nur auf dem Wege einer Vertragsrevision zu beheben sind. Daß wir um die Kohlefrage seit Jahren ringen, Herr Arendt, ist eine Tatsache, und der Energieausschuß, in dem auch ich bin, weiß, daß es einfach an den Schwierigkeiten der Sache hängt, daß wir noch nicht weitergekommen sind.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Frage?
Natürlich!
Bitte, Herr Dr. Arndt!
Herr Kollege Burgbacher, sind Sie der Meinung, daß Politik in der Montanunion für Deutschland nur aus Rücksichtnahmen zu bestehen hat?
Nein, dieser Meinung bin ich selbstverständlich nicht. Ich bin aber auch nicht der Meinung, daß wir uns in allen Fragen genauso verhalten könnten, als wenn früher nichts gewesen wäre.
Es werden schon härtere Töne angeschlagen. Wir haben jetzt den Italienern gesagt: Was dem einen seine Orangen sind, ist dem anderen seine Kohle. Wir haben den Italienern angekündigt, daß wir neben der redlichen Verteilung die redliche Abnahme verlangen. Das wäre eine wesentliche Erleichterung für die deutsche Kohle, wenn es zu einer Beteiligung an den Kosten der Erhaltung der Kohle käme. Hierzu ist das vorwiegend betroffene Italien bereit. Es ist aber nicht bereit, die Kosten durch Besteuerung der Wettbewerbsenergie aufzubringen, sondern nur bereit, sie über die öffentlichen Haushalte - worüber man nach meiner Ansicht sprechen kann- durch echte Subventionen zu decken.
Ich mache darauf aufmerksam, daß das Problem dann nur auf seiner finanziellen Seite gelöst ist, aber nicht in kohlewirtschaftlicher Hinsicht. Denn die redliche Verteilung würde bedeuten, daß wir im Falle einer Krise, in der wir unsere Kohle dringend brauchten, davon an die anderen fünf Länder abgeben müßten. Wenn es also bei der redlichen Verteilung bleibt - und kein Mensch in Europa will darauf verzichten -, bleibt eigentlich gar nichts anderes übrig, als auch die redliche Abnahme als Korrelat zu verlangen; es bestünde dann die Aussicht, daß eine beachtenswerte Kohlenmenge Jahr für Jahr durch Europa rollt.
Für die Revision der Verträge haben wir zwar noch nicht grünes Licht, aber gelbes Licht. Die Fusion der Exekutiven hat zwangsweise die Fusion der Verträge zur Folge und eröffnet damit die Möglichkeit zur Änderung. Ich verrate sicher kein Geheimnis, wenn ich sage, daß der französische Partner diese Gelegenheit benutzen wird, die vollzogene Integration möglichst zurückzuentwickeln und alles wieder auf die Übereinstimmung der Sechs
abzustellen, nicht in unseren speziellen Fragen, sondern in der Generallinie der europäischen Politik.
Die Verträge müssen geändert werden. Der neue Zustand darf nicht bloß auf eine redliche Verteilung der Kohle hinauslaufen, sondern muß auch auf eine redliche Abnahme oder auf Subventionen hinzielen. Übrigens steht in den Verträgen das Verbot der Subvention der Kohle, weil der Montanvertrag auf der Theorie beruht, daß bei der Kohle eine Mangellage bestehe. Den Weg zur redlichen Abnahme - eventuell zu Subventionen - haben wir überhaupt erst durch das Papier des Ministerrats ungefähr vor einem Jahr freibekommen, in dem dieser erstmals abweichend von den Verträgen Subventionen für die Kohle zugelassen hat.
Für diese Änderung der Verträge muß Übereinstimmung zwischen den drei Kommissionen - nach der Fusion ist es aber nur noch eine -, dem Ministerrat, dem Europäischen Parlament und den sechs nationalen Parlamenten bestehen. Das Verfahren wird, wenn man ganz optimistisch ist, zwei Jahre, wenn man mit seinem Optimismus auf der mittleren Linie liegt, drei Jahre, und wenn man Glück hat, vier Jahre dauern. Wir haben aber keine Zeit, zwei bis vier Jahre lang auf europäische Lösungen zu warten, sondern ès muß eintreten, was wir heute vorgetragen bekommen haben.
Wir müssen als politische Leitlinie vor Augen haben: es darf keine Politik gemacht werden, bei der wir nach den zwei bis vier Jahren feststellen, daß wir weniger Kohleförderung haben, als wir nach der Neufassung der Verträge und der redlichen Verteilung und Abnahme eigentlich haben müßten.
({0})
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Wirtschaft.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der bisherige Verlauf der Debatte zeigt, daß die Vorschläge der Bundesregierung, auch wenn sie von Ihnen, meine Damen und Herren von der SPD, rhetorisch angefochten werden, im wesentlichen akzeptiert werden.
Meine erste Feststellung könnte die sein, daß die Debatte im wesentlichen der Koordinierung der Meinungen innerhalb der SPD dient. Denn was Herr Arendt, Herr Kurlbaum und Herr Dr. Arndt ({0}) vorgetragen haben, ist nicht so ohne weiteres auf einen Nenner zu bringen. Im übrigen führen die geringen Meinungsunterschiede zwangsläufig dazu, daß wir hier zweitrangige Bereiche behandeln.
Meine Herren von der SPD, Sie haben einige Fragen gestellt. Ich will sie beantworten. Aber das kann ich nur, indem ich hier spreche, Herr Kollege Dr. Arndt, und Sie müssen in Kauf nehmen, daß ich der CDU angehöre.
Herr Arendt, ich hatte im ganzen den Eindruck, daß Sie zumindest mit Ihren Vorstellungen als Vorsitzer der IG Bergbau bei der Bundesregierung besser zurechtkommen als bei der SPD. Das, was Herr
Kurlbaum gesagt hat, war doch streckenweise für Sie eine recht, recht harte Sache.
Nun zu Ihrem eigenen Diskussionsbeitrag. Ich will nicht näher auf Ihre Bemerkung eingehen, die Sie zu der Großen Anfrage gemacht haben. Aber mich reizt es doch, zu den 140 Millionen Tonnen etwas zu sagen. Ich habe sie früher als Zielsetzung hingenommen, das ist richtig, aber als Garantie niemals. Wer von einer Einheit „140 Millionen Tonnen" spricht, der unterstellt, daß auch die Produktion eine Einheit ist und daß es sich also um ein und dieselbe Sache ohne wesentliche Unterschiede handelt. Gerade das ist falsch. Wir müssen uns davor in acht nehmen,. daß mit einer solchen Zahl möglicherweise eine einheitliche Maßnahme für ein sehr differenziertes Unternehmen entwickelt wird. - Bitte schön, Herr Arendt.
Herr Minister, ist Ihnen entgangen, daß der Bundeskanzler 1965 bei seinem Blitzbesuch im Ruhrgebiet noch einmal erklärt hat: Ich, Bundeskanzler Erhard, stehe zu den 140 Millionen Tonnen?
Herr Kollege Arendt, ich habe Ihnen gesagt, daß auch ich diese Zahl als Richtzahl hingenommen habe. Ich habe aber im Laufe der Jahre sehen müssen, daß man daraus eine Garantiezahl gemacht hat. Im übrigen habe ich Ihnen die anderen Ziffern vorher zugehen lassen, um nicht alles hier vortragen zu müssen; sonst hätte ich noch länger reden müssen.
Wenn Sie, Herr Dr. Arndt, diese Angaben durchsehen, stellen Sie fest, daß wir in den letzten Jahren den Ziel-Vorstellungen doch in recht erheblichem Umfange nahe gekommen sind. Hätten wir beispielsweise einen harten Winter wie vor fünf, sechs Jahren gehabt, sähe die Sache heute schon wieder anders aus. Wogegen ich mich wehre, ist, daß man von Staats wegen eine Garantiezahl aufstellt. Mit Zahlen hat es sich was. Herr Dr. Arndt, Sie haben mir unterstellt, im Gegensatz zu den 4 % des Bundeskanzlers hätte ich mich zu 6 % bekannt. Das stimmt nicht. Ich habe mich nie zu 6 % bekannt. Das muß Ihnen falsch übermittelt worden sein.
Sie haben sich im übrigen sehr stark gemacht, Herrn Keyser zu verteidigen. Das ist Ihre Sache. Es ärgert mich ein wenig, daß Sie so tun, als behandelte ich ihn wie einen Untertan. Er ist ein Bürger wie ich. Ich lasse mich von keinem Bürger mit solchen Ausdrücken belegen. Im übrigen, meine Herren von ,der SPD, denken Sie einmal darüber nach, wie Sie reagieren, wenn jemand etwas gegen einen Ihrer führenden Leute sagt; da sind meine Ausdrücke noch recht harmlos.
({0})
Ich wollte etwas zu den Zahlen sagen. Hierin steckt eine große Gefahr. Wenn eine solche Zahl hingenommen wird, dann glaubt man, daß man auf diese Zahl hin produzieren darf, ohne auf die Absatzmöglichkeiten Rücksicht zu nehmen. Das darf aber nicht geschehen. Was wir von den Bergbauunternehmen verlangen, ist, daß sie sich unter1352
nehmerisch bewähren. Wir wissen, daß sie das in einer Vergangenheit nicht so notwendig gehabt haben. Aber heute müssen sie es tun.
Herr Kurlbaum, Sie haben sich beklagt, daß meine Führung - „Führung", ich höre das Wort immer häufiger - nicht stark genug sei. Herr Kurlbaum, ich habe den Verdacht, daß Sie auf dem Weg an Godesberg vorbei heute plötzlich die Bundesregierung oder die politische Führung - ich will es abstrakter sagen - in die Verlegenheit bringen wollen, sich auch in betriebliche Dinge einzumischen. Das eben möchte ich nicht. Sie können von uns verlangen, daß wir in der Energiepolitik Daten setzen, und genau das tun wir. Aber dann ist es Sache der Unternehmer, selbst zu errechnen, in welcher Form sie ihre Unternehmen zu führen und einzurichten haben.
({1})
- Bitte schön, Herr Kurlbaum!
Herr Bundeswirtschaftsminister, sind Sie nicht bereit, anzuerkennen, daß es neben den rein privatwirtschaftlichen, unternehmerischen Überlegungen letzten Endes auch in den energiepolitischen Fragen um Machtfragen geht und daß man daher erwarten kann, daß die Bundesregierung sich auch für diese Machtfragen interessiert?
Herr Kurlbaum, in dieser Auseinandersetzung geht es also offenbar nur um das Ausmaß. Was wir vorgeschlagen haben, paßt Ihnen in einigen Fällen nicht, weil es zuwenig ist, in anderen Fällen nicht, weil es zuviel ist.
In die Betriebsführungen möchte ich nicht hineinreden, aber ich möchte die Daten setzen, und das tun wir. Ich möchte deswegen auch davor warnen, eine neue Zahl aufzustellen; denn es geht doch, Herr Kurlbaum, nicht einfach darum, eine bestimmte Förderung zu sichern oder zuzulassen, sondern wir müssen ja auch noch rationalisieren, d. h. dort mehr fördern, wo rentabler gefördert werden kann, und gleichzeitig dort stillegen, wo nicht rentabel gefördert wird. Wie wollen Sie das hinter einer Wand, hinter einer Zahl machen? Nein, wir müssen hier Daten setzen und müssen von den Unternehmern verlangen, daß sie sich darauf einrichten und das tun, was der Markt - und das sind wir mit unserer freien Konsumwahl - verlangt.
Herr Kurlbaum, Sie sind mal gegen, mal für Verbotsgesetze. Ich habe das nicht genau verstanden. Sie haben gesagt, eine Kontingentierung sei nicht gut. Ich bin mit Ihnen dieser Meinung. Aber ich bin nicht Ihrer Auffassung, daß es gelingen kann, über den Preis alles zu regeln. Sie haben dann allerdings eingeschränkt: in bestimmten Bereichen. Würden Sie generell über den Preis die Kohle wettbewerbsfähig machen wollen, das Geld, das dazu notwendig ist, würden auch Sie nicht beschließen. Das sind, soviel ich weiß, 3 Milliarden DM. Aber wenn Sie über den Preis arbeiten wollen, dann hat das Wort
„Preis” nicht seine Berechtigung; denn Sie meinen ja einen subventionierten Preis.
Im übrigen bin ich aber mit Ihnen der Auffassung - ich hoffe, Sie haben die gleiche Auffassung -, daß in den Bereichen, in denen eine Absatzsicherung vorgenommen werden soll, eine Verbilligung durchgeführt werden muß. Wenn Sie Wert darauf legen und mir nicht den Vorwurf machen, daß ich zu lange rede, will ich Ihnen den Katalog aufzählen. Aber ich habe es ja vorhin getan, und es ist Ihnen bekannt, welche steuerlichen Hilfen, welche Frachthilfe, welche Blockheizförderung und welche Tarifmaßnahmen usw. die Bundesregierung ergriffen und der Bundestag beschlossen hat. Hier werden die Preise gestaltet.
Herr Kurlbaum, Sie haben sich dann darüber beschwert, daß mein Haus keine ausreichende Hilfe für die Mineralölgesellschaften gebe. „Keine ausreichende Führung" haben Sie wieder gesagt. Recht bemerkenswert! Aber, Herr Kurlbaum, das stimmt doch nicht. Ich will Ihnen gerne die Unterlagen geben, aus denen hervorgeht, wie wir dafür gesorgt haben, daß die deutschen Gesellschaften sich zusammenschließen. Ich kann natürlich nicht jede Intrige ausschließen. Das ist mir nicht möglich, das ist Ihnen in Ihrer Partei auch nicht möglich. Aber die Bundesregierung hat hier im Hause Mittel beantragt, und Sie haben sie bewilligt. Die deutsche Erdölindustrie ist mit diesen Mitteln ins internationale Geschäft eingestiegen, sie hat international verstärkte Möglichkeiten bekommen. Ich habe hier übrigens die Liste - ich will sie Ihnen gern geben -, in welcher Weise und mit welchen Prozentzahlen die Konzerne beteiligt sind.
Herr Kurlbaum, Sie haben dann die Frage nach dem Verstromungsgesetz gestellt. Der Entwurf ist den gesetzgebenden Körperschaften zugeleitet und wird sicherlich noch gesondert beraten. Ich möchte Ihnen aber soviel sagen, daß es sich dabei um finanzielle Hilfsmaßnahmen handelt, aber auch um Genehmigungsverfahren.
In Zwischenrufen wurde dann darauf hingewiesen - Herr Jacobi, Sie waren es -, daß dies möglicherweise ein sehr gefährlicher Weg sei. Meine Herren, wenn wir eine solche Maßnahme ergreifen - und das heißt in diesem Falle, daß wir die Elektrizitätsherstellung zu 50 % auf Kohle stellen wollen -, dann ist es doch ganz natürlich, daß ich mich mit maßgeblichen Vertretern dieses Wirtschaftszweiges unterhalte und sie zu überzeugen versuche. Ich bin ziemlich stolz darauf, daß es uns in mehrmaligen Verhandlungen gelungen ist, die Zustimmung zu bekommen. Diese Zustimmung haben wir aber nicht nur um eines Ideals willen bekommen; das weiß ich auch. Denn die Elektrizitätserzeuger sind sich darüber im klaren, daß gerade die von ihnen benötigte Sicherung der Versorgung mit Primärenergie im wesentlichen nur von der Kohle gegeben werden kann. Ich komme also den Interessen dieses Zweiges ganz wesentlich entgegen.
({0})
Darum haben wir im gemeinsamen Gespräch eine
Form erarbeitet, die dem Hohen Hause als GesetBundesminister Schmücker
zesvorschlag zugeleitet wird. Dann können wir uns über die Einzelfragen weiter unterhalten. - Bitte, Herr Jacobi.
Herr Bundesminister, können Sie das, was Sie soeben angedeutet haben, etwas präzisieren? Ist Ihre Bemerkung so zu verstehen, daß das, was jetzt als Gesetzesvorlage diesem Hause zugeht, auf dem Einverständnis der führenden Vertreter der deutschen Elektrizitätswirtschaft beruht, daß hier also konkrete Zusagen gemacht worden sind, auf die Sie sich stützen können? Können Sie das etwas präzisieren? Ich habe andere Informationen.
Herr Jacobi, ich habe mich mit den Herren unterhalten. Sie haben diesen Weg als möglich angesehen und mir ihre Unterstützung bei meinem Bemühen, die Elektrizitätsherstellung zu 50 % auf Kohle zu stellen, zugesagt. Diese Zusage habe ich. Ich kann natürlich nicht behaupten, daß jede einzelne Bestimmung mit den Herren abgesprochen ist. Damit würde ich wohl auch der Führungsaufgabe nicht mehr ganz gerecht.
({0})
Nun möchte ich ein paar Anmerkungen zum Thema „Luxemburg" machen, wo ich angeblich zu zaghaft gesprochen habe.
({1})
- Ach, Herr Arendt, ich habe bei der Übernahme meines Amtes sofort mit der Vorbereitung begonnen. Ich bin in die einzelnen Mitgliedsländer gereist, gerade um diese Dinge in Gang zu bringen. Sie werden doch nicht annehmen, daß die Sitzung, die vor 14 Tagen stattgefunden hat, am Tage vorher abgesprochen wurde und gleich am anderen Tage ablaufen konnte. Dazu hat es in der Tat einer Vorbereitungszeit von mehr als einem Jahr bedurft. So müssen Sie, Herr Kollege Dr. Arndt, die Äußerungen verstehen. Das Wesentliche ist doch der Erfolg, der in diesem Augenblick möglich war! Die Zusammensetzung einer Kommission unter Leitung der Hohen Behörde; das ist doch unbestritten.
Erstaunlich war allerdings in diesen Verhandlungen, daß sich ausgerechnet Belgien am stärksten widersetzte, und zwar mit der Anmerkung, daß der belgische Markt durch holländische und deutsche Hausbrandkohle gefährdet werde, anstatt einzusehen, daß es sich hier in der Tat um ein communautaires Problem handelt.
Im übrigen, Herr Dr. Arndt, ist mit dieser meiner Bemerkung zweierlei angesprochen. Sie ist in Wirklichkeit gar nicht so harmlos, wie sie klingt. Mit ihr wird nämlich gesagt, daß wir mit den bestehenden Artikeln nicht auskommen können; es wird rundheraus gefordert, daß eine neue Abmachung getroffen wird. Weiter wird damit gesagt, daß es keinen Sinn hat, in Einzelplanungen der Unternehmen einzugreifen, sondern daß so verfahren werden muß, wie ich es vorschlage, nämlich Daten zu setzen, damit sich die einzelnen Unternehmer darauf einrichten können. Diejenigen, die schon rationell und mit Erfolg arbeiten, sollen ihre Arbeit intensivieren und die Förderung noch erhöhen, während andere, die dem Markt nicht gerecht werden, daraus die bittere Konsequenzen ziehen müssen; bei diesen sollten wir dann jede, vor allem soziale Hilfe gewähren. Wenn Sie es auch so sehen, werden Sie Ihre Kritik nicht mehr in dem Ausmaße aufrechterhalten.
Noch ein Wort zur Stahlfrage. Hinter der Aktion Luxemburg steht natürlich ,das Stahlproblem. Warum hätten. wir sonst das alles gemacht? Ich bin einigermaßen überrascht gewesen, daß der Vorsitzende der Hohen Behörde gerade auf diese Frage so deutlich hingewiesen hat. Wir haben ihn unterstützt und festgestellt, daß man in allen Bereichen die Sicherheit der Energieversorgung möglicherweise nicht mehr so kritisch zu sehen braucht wie vor 10 Jahren. Aber bei der Kokskohle sieht es anders aus. Hier muß in der Tat der europäische Besitz für alle bereitgehalten werden. Wenn das aber geschehen soll, müssen sich auch heute alle beteiligen.
Es ging in Luxemburg im wesentlichen um die Kokskohle und damit um das Stahlproblem. Wie Sie wissen, hat sich auf dem Markt in den letzten Tagen, vielleicht schon angesichts dieser Entwicklung, einiges geändert. Ich habe darüber hinaus aber auch noch andere Vorschläge, die ich jedoch in diesem Zusammenhang noch nicht zur Debatte stellen kann.
Gestatten Sie eine Frage, Herr Minister?
Herr Minister, darf ich annehmen, daß bei den Sympathien, die Ihnen in Luxemburg auch von italienischer Seite entgegengeschlagen sind, das Stahlproblem in dem Sinne eine Lösung findet, und zwar noch in diesem Sommer?
Herr Arndt, Sie wissen, ich halte nichts von Prophezeiungen, weniger als Sie. Ich werde mich bemühen, daß am 3. Mai der Bericht gründlich diskutiert wird; wir haben zur Zeit die Präsidentschaft; ich bin also zur Zeit Präsident des Ministerrates, und ich werde diese Position nutzen und darauf drängen, daß man zu einer Lösung kommt. Es ist nicht im Text gesagt, aber man extemporiert ja auch hin und wieder, und man kann sich ja gelegentlich bei Kohle auch mal versprechen und von Orangen und Weizen reden, und das verstehen dann alle sehr gut.
Ich hoffe also, daß wir im großen Zusammenhang zu einem Erfolg kommen.
Herr Kurlbaum, Sie haben mehrfach - und das scheint ja wohl das Schlagwort geworden zu sein - von der achtjährigen Kohlenkrise gesprochen. Sehen Sie sich einmal die Zahlen an; ich habe sie Ihnen doch zugestellt, um es zu vereinfachen. Ich glaube nicht, daß Sie das Wort von den „acht Jahren Kohlenkrise" aufrechterhalten können. Da Sie aber so viel Wert darauf legen, festzustellen, daß die
Bundesregierung immer zu spät kommt, darf ich Sie an das erinnern - wenn man so etwas anfängt, muß man damit rechnen, daß das geschieht -, was Sie am 9. März 1960 gesagt haben:
Unter den heutigen konjunkturellen Bedingungen ist die Erhöhung von Verbrauchsteuern in keiner Weise zu empfehlen, sondern im Gegenteil eine Bremse für die zur Zeit in der Tat überhöhte Investitionsneigung bei den großen Unternehmungen. Dazu wäre eine erhöhte Besteuerung der Gewinne gerade dieser Unternehmungen am Platze.
Dann geht es weiter:
Wir sehen uns daher genötigt, nicht nur diese Artikel, sondern das ganze Gesetz über die Heizölsteuer abzulehnen. Wir bitten, unserem Deckungsvorschlag, der nachher zur Abstimmung gestellt wird, zuzustimmen.
Herr Kurlbaum, ich stelle also fest, daß Sie vor sechs Jahren einen Weg abgelehnt haben, den wir gegangen sind; und heute, nach sechs Jahren, haben Sie ihn hingenommen oder als richtig anerkannt, denn Sie beantragen die Verlängerung der Heizölsteuer. Das ist das Bild.
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Herr Minister, gestatten Sie eine Frage?
Herr Minister, sind Sie bereit, zuzugeben, daß die Darstellung, die Sie soeben gegeben haben, nicht ganz fair ist, und zwar insofern nicht ganz fair ist, als sich, glaube ich; alle Fraktionen in diesem Hause darüber geirrt haben, in welchem Maße die internationalen Mineralölkonzerne ihre Preispolitik würden autonom durchführen können? Sind Sie nicht bereit zuzugeben, daß Sie im Jahre 1960 geglaubt haben, durch die Heizölsteuer würden die Heizölpreise so steigen, daß das ein ausreichender Schutz für die Steinkohle werden würde, und sind Sie nicht bereit zuzugeben, daß Sie sich darin geirrt haben? Allerdings bin ich auch bereit zuzugeben, daß wir dem gleichen Irrtum verfallen sind. Nur wollten wir den Verbraucher vor den erhöhten Preisen schützen; S i e wollten die erhöhten Preise zum Schutz der Kohle.
Herr Kurlbaum, eigentlich hat Ihr Schlußsatz mich der Notwendigkeit, eine Antwort zu geben, enthoben. Ich bin ja gar nicht der Meinung, daß sich die Bundesregierung nicht irren kann. Ich habe immer gesagt, man soll nicht aus Angst vor der Prügel irgendwelche Fehler verschweigen. Ich wollte aber in aller Höflichkeit daran erinnern, daß diese menschliche Unzulänglichkeit auch bei Sozialdemokraten zu Hause ist.
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Ich freue mich sehr, wenn Sie nach sechs Jahren, nachdem Sie heftig dargestellt haben, wir hätten nichts getan, genau das zur Verlängerung empfehlen, was wir damals beschlossen haben.
Nun aber noch zu dem anderen Teil Ihrer vielen „Bereitschafts"-fragen. Herr Kollege Kurlbaum, ich bin nicht bereit, Ihnen zuzugeben, daß ich geglaubt hätte, auf Grund der Heizölsteuer werde eine maßgebliche Verteuerung oder eine Einschränkung des Verbrauchs eintreten. Ich sage Ihnen, Herr Kollege Kurlbaum - ich möchte jetzt eigentlich so leise sprechen, daß nur Sie es hören -: ich bin sogar der Auffassung, auch wenn das Heizöl erheblich teurer würde, so würde es trotzdem gebraucht werden, da der Druck im Haushalt wie in der Industrie infolge der Arbeitsmarktlage viel zu stark ist. Weil das so ist, bin ich auch nicht der Meinung, daß man von einer Größenordnung von 140 Millionen t reden kann. Man muß den Markt nehmen, wie er sich insgesamt entwickelt, wie wir ihn selber machen.
Herr Minister, gestatten Sie eine Frage des Herrn Abgeordneten Dr. Arndt?
Ja.
Herr Minister, erinnern Sie sich auch daran, daß Abgeordnete Kurlbaum am 9. März 1960 zu der von Ihnen angeschnittenen Frage folgendes gesagt hat:
Nun wird gesagt, daß die Heizölsteuer die Wettbewerbslage der Kohle verbessern werde. Meine Damen und Herren, das hat aber zur Voraussetzung, daß sich überhaupt der Heizölpreis um die Heizölsteuer erhöhen wird. Gerade das ist ... in größtem Umfange zweifelhaft.
Hat nicht - wenn ich eine zweite Frage stellen darf - die Heizölsteuer in Zukunft auch für das Energieprogramm viel mehr eine fiskalische Bedeutung als eine lenkende?
Ich würde sagen, hier haben wir es mit einem „SowohlAls-auch" zu tun, und ich würde auf die letzte, die fiskalische Bedeutung persönlich das Schwergewicht legen. Ich entsinne mich natürlich nicht; aber ich glaube es Ihnen ohne weiteres. Ich will es gern nachlesen. Darüber war ja auch gar kein Streit. Aber Sie können mir nicht verargen, daß ich, wenn mir unter einer Schlagzeile vorgehalten wird: acht Jahre Kohlenkrise, und wenn Sie dann selber die Verlängerung unserer Maßnahmen vorschlagen, darauf hinweise. Das ist doch mein gutes Recht. Ich kann Ihnen aber nur empfehlen, meine Damen und Herren, da Sie ja keine neuen wesentlichen Vorschläge gebracht haben: Machen Sie es weiter so, schließen Sie sich weiterhin. den Vorschlägen der Regierung an, aber nicht erst in sechs Jahren, sondern heute!
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Das Wort hat die Frau Abgeordnete Dr. Elsner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Daß ich in diesem Gespräch unFrau Dr. Elsner
ter Männern das Wort nehme, bedarf schon fast einer Erklärung. Es sind Fragen, die mich dazu veranlaßt haben, - Fragen, die mir kamen und die jedem kommen mußten, als wir vor einiger Zeit im Wirtschafts- und Finanzausschuß des Europäischen Parlaments von der Hohen Behörde hörten, was sie für die Industrieansiedlung in Gebieten mit einer zu einseitigen Kohle- und Eisenerzstruktur getan hat. Die Möglichkeit dazu gibt der Art. 56,4 des Montanvertrages, vorausgesetzt allerdings, daß die Regierungen Gebrauch davon machen. In diesem Bericht der Hohen Behörde fehlte der Ruhrbergbau völlig.
Ich stieg daraufhin, neugierig geworden, etwas tiefer in die Geschichte dieser Umstrukturierungen ein und stieß auf die Regierungskonferenz, die 1960 in Luxemburg abgehalten worden war und die sich mit den Umstellungsproblemen bei Zechenstillegungen befaßt hatte. Das war immerhin zwei Jahre, nachdem an der Ruhr zum erstenmal die Kohlenhalden zu Warnsignalen angewachsen waren. Auf dieser Konferenz kam man überein, daß die Hohe Behörde ihre Hilfe für die Umstrukturierung und Industrialisierung intensivieren sollte, um die Wirtschaftskraft solcher alten Industrieregionen zu erhalten. Vom Ruhrgebiet selbst war nur wenig die Rede. Aber es wurden sonst, auch deutscherseits, einige Feststellungen getroffen, die man voll und ganz unterschreiben konnte. So z. B. die Feststellung, daß für die Stimmung der Bevölkerung in einem von Zechenstillegungen betroffenen Gebiet von großer Bedeutung sei, daß die Ansiedlung neuer Betriebe zeitlich mit der Stillegung abgestimmt sei. Oder: daß man nicht warten dürfe, bis die jungen und aktiven Kräfte abgewandert seien, weil eine solche Abwanderung schwerlich der Ansiedlung neuer Industrien förderlich sein könnte.
Es wurde aber auch darauf hingewiesen - ebenfalls von deutscher Seite -, daß die Zechenunternehmen selbst die Ansicht verträten, ihnen könne bei dem knappen Angebot in Arbeitskräften nicht zugemutet werden, durch die Bereitstellung von Grundstücken für die Ansiedlung neuer Industrien auch noch sich selbst Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt zu machen. Damit, meine Damen und Herren, war das Ruhrproblem eigentlich aus der Interessenlinie der Montanunion heraus, wenigstens was die Industrieansiedlung anbetraf.
Wäre diese Haltung auf das Jahr 1960 beschränkt geblieben, brauchte sie hier nicht erwähnt zu werden. Aber diese Haltung dominierte all die Jahre hindurch, und noch 1964 wehrte sich der Unternehmensverband Ruhrbergbau in einem Kommentar zu einer Veröffentlichung der Landesregierung gegen jede Industrieansiedlung. „Industrieansiedlung in diesem Gebiet", heißt es, „würde nur zu Lasten des Bergbaus gehen." Bundesregierung wie Landesregierung beugen sich diesem Druck.
In der revidierten Fassung dieser Veröffentlichung des Landes Nordrhein-Westfalen, betitelt „Grundlagen zur Strukturverbesserung der Steinkohlenbergbaugebiete in Nordrhein-Westfalen" - sie wurde, wenn ich richtig unterrichtet bin, auf Wunsch der Bergbauunternehmen revidiert -, steht
ein Satz, den man heute, nur zwei Jahre später, allenfalls mit Bestürzung lesen kann. Ich zitiere mit Genehmigung des Herrn Präsidenten wörtlich:
Im Emscher-Bereich, der schon eine starke Siedlungsverdichtung und teilweise schlechte sozialhygienische Verhältnisse aufweist, sollte sich die Ansiedlung neuer Betriebe auch mit Rücksicht auf den Bergbau auf solche Branchen beschränken, die der Verarbeitungsindustrie angehören und die vorwiegend Frauen und nicht mehr bergtaugliche Männer beschäftigen.
Das ist nun wahrlich eine merkwürdige Einladung des Landes an siedlungswillige Unternehmen, eine seltsame Anpreisung für ernsthaft gemeinte Strukturverbesserungen. Daß sich trotzdem einige Unternehmen bereitfanden, der negativen Einladung zu folgen, muß eigentlich unsere Bewunderung erregen.
Für viele Gemeinden aber blieb alles, wie es war: Weil sie vom Bergbau abhingen, war ihre Steuerkraft gering, waren sie arm; und weil sie arm waren, konnten sie wenig für die soziale Infrastruktur und für die Verbesserung der sozialhygienischen Struktur tun. So blieb der Teufelskreis fein geschlossen. Statt an dieser Feststellung die Hilfe zu orientieren, endete hier offensichtlich das Problem für die Landesregierung und auch für die Bundesregierung. Denn an ihr hätte es gelegen, Anträge auf Unterstützung von Industrieansiedlungen bei der Hohen Behörde zu stellen. Immer noch stand der Bergbau im Mittelpunkt und nicht der Mensch.
Und nun hören wir heute hier, daß ab morgen die Umstrukturierung mit aller Kraft in Angriff genommen werden soll. Aber Umstrukturierung ist doch nichts, was man aus dem Ärmel schütteln kann, das ist doch ein langfristiger Prozeß! Und wenn sie heute erst in Angriff genommen wird, acht Jahre nachdem wir eine - wenn auch soeben bestrittene - Kohlenkrise haben, wann sollen dann ihre Früchte reifen? Rechtzeitig, wenn weitere Zechenstillegungen drohen? Das kann doch nicht mehr gehen.
Man muß es in dieser Lage begrüßen, daß die Zwischenzeit für den betroffenen Bergmann tragbar gemacht werden soll. Aber das erspart uns eine Feststellung nicht: Rechtzeitige Umstrukturierungsmaßnahmen hätten nicht nur viel Leid, viel Unruhe abgewendet; sie wären auch für den Steuerzahler und für die Sozialversicherungen, deren solidarisches Verhalten der Herr Arbeitsminister heute morgen so lobte, billiger gewesen.
Einer meiner Kollegen wird hier noch darlegen, was eine Zechenschließung für die Gemeinden bedeutet, in denen der Bergbau dominiert. Was sie für den Menschen in solchen Gemeinden bedeutet, das wurde mir selber mit aller- Intensität erst deutlich, als ich vor einigen Wochen einige Zechen besuchte, einige gute Zechen, für die vorläufig gar keine Gefahr besteht.
Allein das Auftauchen eines fremden Gastes, der sich orientieren will, jagt schon die Sorge durch die Siedlung, ob nun wohl auch der eigene, der noch
Frau Dr. Eisner
für sicher gehaltene Arbeitsplatz an der Reihe sei. Man weiß nicht mehr, woran man ist. Eine schreckliche Unsicherheit kennzeichnet die Stunde und zermürbt die Menschen.
Wir haben, Schließungen von Unternehmen, Schließungen, von denen viele Tausende von Menschen betroffen waren, auch in anderen Teilen der Bundesrepublik erlebt. Ich darf Sie an Borgward in Bremen oder Schlieker in Hamburg erinnern. Es gab andere Wirtschaftszweige, die in Strukturkrisen gerieten. Nirgendwo waren die Auswirkungen wie an der Ruhr. Hier rächt sich heute, daß die rechtzeitige Ansiedlung von Industrien verhindert worden ist, die das Gebiet aus seiner Monostruktur erlöst hätte. Wie kann man von jemandem, der weit und breit keine andere Arbeitsstätte sieht, sie nicht passiert, wenn er zur Arbeit geht, Vertrauen und Ruhe erwarten, wenn diese seine Arbeitsstätte die Tore schließt? Wir haben hier heute bewegende Worte gehört, daß sich auch der Bergmann zu größerer Mobilität entschließen müsse. Dagegen wäre wenig einzuwenden. Nur hat gerade die Bundesregierung, die das heute so unterstreicht, Jahre hindurch versäumt, dafür zu sorgen, daß. eine Auswahl anderer Beschäftigungsmöglichkeiten in den betroffenen Gebieten zur Verfügung steht.
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Leider existiert das Ruhrgebiet, oder was man so nennt, für die Statistik nicht. Ich habe das immer bedauert. Dadurch daß es in den großen Topf des Landes Nordrhein-Westfalen eingeht, bekommt es nämlich auch ein bißchen von dem Glanz einer wirtschaftlichen Entwicklung ab, die sich fernab und nicht mehr im Bereich seiner Wohnbevölkerung vollzieht. Nur wer sich die Mühe macht, die Wirtschaftsergebnisse der Land- und Stadtkreise zwischen Lippe und Emscher zu addieren, erfährt, wie der Abstieg dieses Gebietes von Jahr zu Jahr weitergegangen ist und daß sein Produktionswert heute schon unter dem Bundesdurchschnitt liegt. In diesem Gebiet aber lebt ein Zehntel der westdeutschen Bevölkerung. Kann man sich wundern, "daß dort Angst umgeht?
Was taten nun inzwischen die übrigen Mitgliedstaaten der Kohle- und Stahlgemeinschaft? Nach Art. 46 des Montanvertrages kann sich die Hohe Behörde auf Antrag der Regierungen an Untersuchungen beteiligen, welche Möglichkeiten bestehen, um neue Arbeitsplätze für freigesetzte Arbeitskräfte zu schaffen. Von dieser Möglichkeit haben sofort nach der damaligen Konferenz Frankreich und Belgien, Holland und Italien Gebrauch gemacht, Frankreich sogar für ein Kohlenrevier, dessen Förderung erst ganz allmählich, so um das Jahr 2000 herum, auf die Hälfte reduziert sein soll. Die Franzosen schützen bekanntlich ihre eigene Kohleproduktion ganz gut. Trotzdem hat man sich dort bereits Gedanken darüber gemacht, was aus diesem Gebiet werden soll.
Es gibt Informationshefte der Hohen Behörde, aus denen sich ein interessiertes Unternehmen genau darüber informieren kann, welche Vorteile ihm die untersuchten Regionen bieten. Es gibt solche Informationen für alle anderen Mitgliedstaaten, auch für die, deren Arbeitsmarkt nicht weniger angespannt ist als der der Bundesrepublik. Es gibt sie für kein Gebiet der Bundesrepublik.
Auch die deutsche Regierung hat, wenn ich richtig unterrichtet bin, inzwischen Studien angefordert. Aber sie betreffen den deutschen Eisenerzbergbau und nicht die Ruhr.
Ähnlich verteilen sich die von der EGKS schon bereitgestellten Umstellungbeihilfen für die Ansiedlung neuer Industrien. Der Topf ist da, aber er kann nur auf Antrag der Regierungen angezapft werden. Auf Antrag erhielten bisher aus ihm: Italien 60 Millionen DM, Frankreich über 20 Millionen DM, Belgien sogar über 100 Millionen DM. Um hier gleich Einwände vorwegzunehmen: Auch für die belgische Borinage kam das viel zu spät. Deshalb die Unruhen dort. Aber niemand verlangt ja von uns, daß wir uns an den Fehlern orientieren. Die Bundesrepublik, die das meiste Geld in diesen Topf zahlt, steht in dieser Liste mit Krediten von ganzen 4 Millionen DM am Ende,
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und diese 4 Millionen DM gingen nicht an Betriebe, die sich im Ruhrgebiet ansiedeln wollten. Mußte nicht auch dadurch bei der Hohen Behörde und bei den anderen Mitgliedstaaten der Eindruck entstehen, daß wir unsere Kohlenkrise ganz gut allein bewältigen?
Hier nun meine Fragen:
Hat die Regierung inzwischen, wie es andere Mitgliedstaaten taten und wie es Art. 46 des Vertrags erlaubt, die Hohe Behörde eingeschaltet in vorausschauende Untersuchungen über eine bessere, reichhaltigere Industriestruktur für das Revier?
Trifft es zu, daß sie erst jetzt bei der Hohen Behörde vorgefühlt hat wegen einer Mitbeteiligung am Bergschadenrisiko, und aus welchem Grunde wurde diese den Grundstücksverkauf so belastende Frage nicht eher angeschnitten?
Kann die Regierung mitteilen, ob sie wenigstens nunmehr bei der Hohen Behörde andere bedeutendere Anträge auf Kreditbewilligung für die Ansiedlung von Industrien im Ruhrgebiet gestellt hat?
Kann die Regierung schließlich mitteilen, auf welche Objekte sie sich beziehen, und kann sie bestätigen, daß dadurch schon Arbeitskräfte demnächst schließender Zechen aufgefangen werden?
Das wären, so meine ich, Schritte, die glaubhaft machen würden, daß jetzt mit der Umstrukturierung ernst, gemacht wird, und sie wären mehr wert als bloße Versprechen vor einer Wahl.
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Das Wort hat der Herr Wirtschaftsminister des Landes NordrheinWestfalen, Herr Kienbaum.
Kienbaum, Minister des Landes Nordrhein-Westfalen: Herr Präsident! Meine verehrten Damen! Meine Herren! Es tut mir leid, daß ich zum
Landesminister Kienbaum
ersten Male hier das Wort nehmen muß, nachdem eine Dame, der ich sonst hohe Achtung zolle, hier völlig falsche Dinge vorgetragen hat.
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In der einer Märchenstunde gleichenden Darstellung über das, was im Lande Nordrhein-Westfalen vor sich geht und was getan wurde, werden Versäumnisse der Landesregierung zum Schaden der Bürger und zum Schaden des Landes behauptet. Die Verhinderung rechtzeitiger Strukturverbesserung - das war eine der Formulierungen. Es wurde auf eine Denkschrift Bezug genommen. Offenbar ist die gnädige Frau nicht ausreichend darüber unterrichtet, daß die für diesen Bereich zuständige und gültige Denkschrift unter der Überschrift „Regionale Strukturverbesserung" nach Verabschiedung durch die Landesregierung von meinem Hause herausgegeben wurde. Das, was Sie zitiert haben, steht in dieser Denkschrift nicht. Es kann sich nur um eine Unterlage der Landesplanungsgemeinschaft - und vermutlich sogar vom Siedlungsverband Ruhrkohlenbezirk - handeln. Sie haben das Märchen von den armen Gemeinden, das immer wieder von den der SPD angehörenden Oberbürgermeistern der Ruhr verbreitet wird, dem Hohen Hause hier erneut aufgetischt.
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Tatsache ist - und das ist gestern im Landtag in aller Deutlichkeit zum Ausdruck gekommen -, daß zwar in der einen oder anderen Stadt ein Stagnieren der Gewerbesteuer und ein Stagnieren der Lohnsummensteuer festzustellen war, daß aber durch die Maßnahmen der Landesregierung in dieser Legislaturperiode im kommunalen Finanzausgleich zig Millionen, teilweise bis zu 400 % Steigerungen, für diese Gemeinden aus dem Landeshaushalt dazukamen.
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- Sie werden mir gestatten, Behauptungen zurechtzurücken, die hier vorgetragen wurden.
Es sind dann die Kreditmöglichkeiten der Montanunion ebenso falsch wiedergegeben worden wie gestern von dem Abgeordneten Dr. Nehrling im Landtag. Ich stelle dazu folgendes fest. Die Konditionen für Kredite von der Montanunion waren bis zur Änderung auf Grund unserer Verhandlungen im September vergangenen Jahres so, daß sie für ein Projekt in Nordrhein-Westfalen uninteressant sein mußten. Erst neuerdings sind die Laufzeiten, die Zinsen und die Tilgungsraten so gestaltet, daß diese Kredite für Strukturprojekte in Aussicht genommen werden können, und das wird in Zukunft geschehen.
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- Darf ich eine Zahl nennen, meine Herren; vielleicht werden Sie dann erstaunt sein. NordrheinWestfalen hat in den letzten vier Jahren aus dem Landesbürgschaftsprogramm und dem Landeskreditprogramm in den 17 Städten des Reviers eine Milliarde DM Investitionen nur für private Wirtschaftsunternehmen finanziert.
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Herr Minister, gestatten Sie eine Frage?
Kienbaum, Minister des Landes Nordrhein-Westfalen: Aber selbstverständlich.
Zu einer Zwischenfrage Frau Beyer.
Herr Minister, eine Frage. Wie erklären Sie es denn, daß die anderen Länder zu den gleichen Bedingungen die Mittel übernommen haben und Strukturmaßnahmen ergriffen haben? Worauf führen Sie das zurück?
Kienbaum, Minister des Landes NordrheinWestfalen: Unter Umständen sind die Konditionen dort nicht so günstig wie in Nordrhein-Westfalen.
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- Ja, meine Damen und Herren, sehen Sie sich erst einmal unser Landeskredit- und Landesbürgschaftsprogramm an, und dann lachen Sie weiter!
Nun darf ich zu den Daten der Ruhrgebietswirtschaft kommen.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Ich verstehe nach Ihren Ausführungen nicht mehr, wieso die Regierung selbst soviel Wert auf eine Umstrukturierung legen kann. Wie erklären Sie sich das?
Kienbaum, Minister des Landes NordrheinWestfalen: Ich habe keinen Zweifel darüber gelassen - und das hat meine Denkschrift zum Ausdruck gebracht -, daß dieses Land Nordrhein-Westfalen, das ein Drittel der Bevölkerung der Bundesrepublik und 40 % der industriellen Leistungskapazität repräsentiert, mit zwei Dritteln seiner wirtschaftlichen Leistung auf alten Wirtschaftszweigen basiert. Daß hier auf Grund der Einseitigkeit der Struktur in bestimmten Gebieten und auf Grund von Leistungsrückstand in anderen Gebieten Umstrukturierungen größten Ausmaßes sowohl im industriellen als auch im Dienstleistungsbereich nötig sind, ist von mir mit dieser Denkschrift dargelegt und vom Kabinett gebilligt worden.
Nun darf ich aber zu den Daten des Ruhrgebiets kommen. Sie haben bedauert, daß es keine statistischen Unterlagen über das Revier gibt. Das kann ich nicht verstehen. Sie hätten mich nur anzurufen brauchen; dann hätten Sie sie bekommen.
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Landesminister Kienbaum
- Ich würde solche Unterstellungen unterlassen, Herr Abgeordneter. ({1})
Ich darf zunächst feststellen, daß die 17 Ruhrgebietsstädte seit 1958 mit ihrem Sozialprodukt unter den Landesdurchschnitt sanken, daß aber Mitte der jetzt zu Ende gehenden Legislaturperiode, nämlich 1963/64, der Durchschnitt des Landes durch ein überproportionales Wirtschaftswachstum in diesen 17 Ruhrgebietsstädten wieder erreicht wurde. Ich führe das auf die Aktivität der Landesregierung zurück.
Ich darf einige weitere Daten nennen. Der Anteil der früheren Basiswirtschaftszweige Kohle sowie Eisenerzeugung ist von 12,7 % im Jahre 1960 auf 8,8 % im Jahre 1964 zurückgegangen. Das heißt: In der gleichen Zeit, in der wir ein beachtliches Wachstum zu verzeichnen haben, ist die Umstrukturierung in einem bis dahin nicht dagewesenen Tempo vollzogen worden.
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Die Landesregierung verwahrt sich dagegen, daß immer wieder mit negativen Aussagen, mit Schwarzmalerei,
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mit Versuchen, Schwächen und Schäden aufzuzeigen, die insgesamt gar nicht vorhanden sind, sogar noch diejenigen Unternehmer, die Risiko auf sich nehmen und neue Investitionen durchführen wollen, hiervon abgehalten werden.
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Im übrigen darf ich vermerken, daß das Land eine eigene Wirtschaftsförderungsgesellschaft unterhält und daß inzwischen rund 50% der Steinkohlenbergbauunternehmen gemeinsam mit dieser Gesellschaft Kontakte zur Zusammenarbeit mit anderen Branchen aufgenommen haben.
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Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Toussaint.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir, ehe ich mit meinen Ausführungen beginne, kurz zu erwähnen, daß ich mitten aus dem Ruhrgebiet komme, nämlich aus Essen, der Metropole des Ruhrgebiets, und daß ich wie meine Kollegen aus dem Revier ständig, täglich, ja - wenn wir dort sind - stündlich mit der Situation konfrontiert bin.
Meine Damen und Herren, wer in den letzten Wochen, da die Steinkohle wieder in den Mittelpunkt der politischen Überlegungen gerückt ist, der Diskussion gefolgt ist, wird festgestellt haben, daß wir mit rein wirtschaftlichen Überlegungen das Problem Ruhr, Saar und auch Aachen nicht lösen können, sondern daß es hier in erster Linie um eine politische Entscheidung geht, wie es auch einige Kollegen angedeutet haben. Es geht - deutlich gesagt - darum, daß aus- gesamtvolkswirtschaftlichen
Erfordernissen Regierung und Parlament zum Handeln aufgerufen sind.
Alle Redner haben darauf hingewiesen, daß von ganz besonderer Wichtigkeit für die Ruhr und für die übrigen Kohlegebiete zweifellos die sozialen Maßnahmen sind, die für unsere Bergleute bei den Umstrukturierungen zu ergreifen sind. Wir alle haben sicher dankbar von den Maßnahmen, die getroffen worden sind, und auch von denen, die vorgesehen sind, Kenntnis genommen. Aber zu diesen Problemen wird, wie soeben schon mein Kollege Professor Burgbacher sagte, unser Kollege Russe gleich eingehende Ausführungen machen.
Meine Damen und Herren, gerade wir an der Ruhr verkennen nicht, daß die Schwierigkeiten der Steinkohle nicht isoliert betrachtet werden können, sondern im Rahmen einer Gesamtenergiepolitik gelöst werden müssen. Dies erfordert aber - daran kommen wir nicht vorbei - eine klare Entscheidung, welche Rolle dem Steinkohlenbergbau in diesem Rahmen zugewiesen werden soll. Diese Entscheidung ist fällig. Es ist meines Erachtens mit Recht darauf hingewiesen worden, daß sechs Energiedebatten die Unsicherheit im Revier nicht haben beseitigen können. Es ist deshalb nicht zu verwundern, daß diese Tatsache bei den Menschen an der Ruhr, an der Saar und auch im Aachener Raum - und zwar nicht nur bei den Bergwerkgesellschaften und Bergleuten, sondern bei allen in- diesen Räumen wohnenden Menschen, ihren Städten und Gemeinden - zu tiefer Enttäuschung, ja, zur Resignation und leider auch hier und da bereits zu einem spürbaren Abbau des Vertrauens zu Regierung und Parlament geführt hat.
Den Menschen unseres Reviers sagt man Verantwortungsbewußtsein und Härte im Nehmen nach. Sie haben im Krieg und in der Nachkriegszeit zuviel hinnehmen müssen, als daß sie heute unvernünftige und unberechtigte Forderungen an Regierung und Parlament zu stellen bereit wären. Aber eines erwarten sie mit vollem Recht: Sie wollen und müssen herausgenommen werden aus der Unsicherheit über ihre Existenz, aus dem Hin- und Hergerissenwerden zwischen Hoffnung und Enttäuschung.
Was die Menschen in den Kohlenrevieren erwarten können, ist dieses: sie wollen klar wissen, wie die Regierung die Entwicklung sieht und mit welchem Ziel die Regierung die Entwicklung zu beeinflussen gedenkt. Ich bin dankbar, daß wir das heute durch unseren Minister in so ausreichendem Maße erfahren durften. Ich halte es in diesem Zusammenhang für sehr wenig glücklich, daß diese durchaus legitimen Forderungen und Antworten mit der bevorstehenden Wahl in Nordrhein-Westfalen in Verbindung gebracht werden. Diese Probleme rühren zu sehr an die Grundlagen unserer gesamten Wirtschaft, als daß sie in die Nähe der Wahlgeschenküberlegungen gebracht werden dürften. Aus dem gleichen Grunde wäre auch eine Schwarzweißmalerei zu billig und zu einfach, und ich begrüße auch hier die klaren Erklärungen des Ministers.
Irreal ist es beispielsweise, wenn man sagt, die Kohle müsse sich allein helfen oder, wenn sie nicht mehr konkurrenzfähig sei, die Pforten schließen,
und zwar ohne die Hilfe von Bund und Land. Auch ist es - so scheint es mir - nicht damit getan, zu fordern, die Kohleförderung müsse auf dem jetzigen Stand gehalten werden, ganz gleich, was es koste. Es liegt sicherlich eine tiefe Tragik darin, daß der Wirtschaftszweig, der nach dem unglücklichen Krieg härteste Aufbauarbeit geleistet hat und in der Montanunion Vorausleistungen für den europäischen Zusammenschluß erbringen mußte, heute krank ist.
Ich will hier nicht die Ursachen darstellen, die zu der heutigen Situation geführt haben. Das ist zur Genüge geschehen. Sie sind bekannt, und ich meine, sie helfen uns im Augenblick auch gar nicht weiter.
Bei allem Respekt vor den selbstverständlich zu lösenden sozialen Fragen der im Bergbau Beschäftigten müssen wir sehen, daß es in Wirklichkeit um viel mehr geht als nur um das Schicksal unseres Steinkohlenbergbaues. Ich sage das bewußt so pointiert, um keinen Zweifel daran zu lassen, daß wir hier über eine gesamtwirtschaftliche, nationale und europäische Frage zu entscheiden haben, über die Frage nämlich, ob wir uns für die Zukunft eine leistungsfähige inländische Basis unserer Energieversorgung erhalten wollen. Wollen wir aber - und über diese Notwendigkeit besteht in diesem Hause nach den Ausführungen, die gemacht worden sind, wohl kein Zweifel - den Sicherheitspfeiler, den für unsere Energieversorgung die inländischen Energien darstellen, möglichst leistungskräftig erhalten, so sind wir eben entscheidend auf den deutschen Steinkohlenbergbau angewiesen. Daß ein solcher Sicherheitspfeiler neben seiner grundsätzlichen Bedeutung für bestimmte Bereiche von besonderer Wichtigkeit ist, hat mein Kollege Professor Burgbacher eingehend begründet. Es genügt, daran zu erinnern, daß für die Stahl- und Eisenindustrie, und zwar im gesamten Bereich der europäischen Gemeinschaft, wie erklärt wurde, allein der deutsche Steinkohlenbergbau eine zuverlässige Kokskohlenbasis zu bieten vermag.
Das besondere Sicherheitsbedürfnis unserer Stromversorgung ist Ihnen bekannt. Unstreitig ist - und so sehen wir es an der Ruhr -, daß die Voraussetzung für die Erhaltung des Bergbaus ein zielbewußtes entschlossenes politisches Handeln ist, auch wenn dies mit Lasten verbunden ist. Wir dürfen es durchaus als Beweis für die Richtigkeit dieser Erkenntnis werten, wenn wir hören, daß die USA Mehrkosten in Höhe von 13 Milliarden DM jährlich auf sich nehmen, um. ihre inländische Energiebasis aufrechtzuerhalten.
Allein dieses Beispiel macht deutlich, daß die Sicherheit der Energieversorgung für jedwede Politik von entscheidender Bedeutung ist. Im Ernstfall, meine Damen und Herren, zählen nicht Verträge, sondern die wirtschaftlichen Positionen, die ein Land besitzt oder vorzeitig aufgegeben hat. Der Begriff „nationale Sicherheit" ist alles andere als ein leeres Schlagwort, sondern von diesem Gesichtspunkt aus ist die Energiepolitik aller wichtigen Industriestaaten geprägt, sei es die Planung in Frankreich, seien es die Planungen in Großbritannien, sei es die riesige Steigerung der Kohleproduktion in den USA, in Rußland, China usw.
Die jüngste Vergangenheit, so möchte ich fast sagen, hat experimentell bewiesen, daß die Erhaltung eines gesunden Steinkohlenbergbaus ohne weitere wirksame energiepolitische Maßnahmen nicht möglich ist.
Die von uns allen - es ist hier wiederholt gesagt worden, und auch ich wiederhole es -, von der Wissenschaft, von Fachleuten, von der Regierung, auch vom Bergbau im Dezember 1964 angestrebte und für richtig gehaltene Beibehaltung einer Jahresförderung von 140 Millionen t ist nicht durchzuhalten. Wenn also im wohlverstandenen gesamtwirtschaftlichen und politischen Interesse eine bestimmte inländische Kohlenförderung aufrechterhalten werden soll, müssen auch Maßnahmen getroffen werden, die unseren Bergbau in die Lage versetzen - wie eben mit Recht gefordert wurde -, diese Förderung nachhaltig sicherzustellen.
Entscheidend ist dabei, diese Maßnahmen so auszustatten - das war der Wunsch meiner Freunde in den vielen Diskussionen -, daß wir nicht alle Jahre wieder vor denselben und von Jahr zu Jahr schwerwiegenderen Problemen stehen.
Es sind Stimmen laut geworden, die erklärt haben, daß mit dem bisherigen finanziellen Aufwand wirksamere Maßnahmen für die Ruhr hätten durchgeführt werden können. Derartige Vorwürfe, deren Gewicht wir nicht leicht nehmen dürfen, dürfen für die Zukunft gar nicht erst aufkommen. Wir müssen auch einsehen, daß es bei der Lösung dieses Problems mit finanziellen Mitteln allein überhaupt nicht getan ist. Notwendig sind Maßnahmen, die dem Steinkohlenbergbau und der Bevölkerung an der Ruhr, der Saar und im Aachener Revier wirkliches Vertrauen, wirkliche Sicherheit geben können.
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Diese Maßnahmen sind einmal vom Steinkohlenbergbau selbst zu treffen und selbstverständlich von Bund und Land zu unterstützen.
Hier wird gleichzeitig klar, daß die Lösung der Aufgabe, deren gesamtwirtschaftlichen Charakter ich nochmals unterstreichen möchte, auch nicht etwa dem Bergbau allein überlassen werden kann. Dieser wäre einfach überfordert, und zwar sowohl hinsichtlich des Ausmaßes der Verantwortung als auch hinsichtlich der ihm zur Verfügung stehenden Einwirkungsmöglichkeiten.
Wir haben eine Forderung an den Bergbau: Die Steinkohlenwirtschaft muß ihre Betriebe weiterhin rationalisieren und die Leistung steigern. Technik und Organisation im Bergbau müssen Spitzenleistungen erbringen. Der deutsche Bergbau muß in Europa weiter wie bisher führend bleiben.
Ich möchte hier eine weitere Frage anschneiden, die nach meinem Eindruck häufig ausgeklammert bleibt. Es ist die Organisation des deutschen Kohlenverkaufs. Auch der Absatz muß rationeller gestaltet werden. Hier sehe ich noch Ansatzpunkte. Deshalb die Frage: Müssen wir es als unabänderlich hinnehmen, daß der Ruhr eine einheitliche, gemeinschaftliche Verkaufsorganisation versagt wird? Ich
meine, die Grundlage für die damalige Entscheidung der Hohen Behörde liegt einfach nicht mehr vor.
Meine Damen und Herren, die Maßnahmen, mit welchen der Bund eine Konsolidierung der Lage im Steinkohlenbergbau herbeiführen will, hat uns heute Herr Bundeswirtschaftsminister Schmücker dargelegt. Ich möchte sagen: Sie sind richtig und stellen ein gutes, geschlossenes Programm dar. Sie sind wirklich ein brauchbares Instrumentarium, das wir alle dankbar begrüßen sollten. Von entscheidender Bedeutung sind, wie schon ausgeführt wurde, die Maßnahmen für eine Stabilisierung des Steinkohlenabsatzes in seinen wichtigsten Bereichen: der Elektrizitätswirtschaft, der Eisen- und Stahlindustrie, des Exports.
Was die Elektrizitätsversorgung angeht, so legen wir von der CDU entschieden Wert darauf, daß durch diese Maßnahme der Strompreis nicht verteuert wird. Der Strompreis und überhaupt der Energiepreis haben, volkswirtschaftlich gesehen, eine Kaskadenwirkung. Das heißt, ein überhöhter Energiepreis schlägt sich durch die vielen Verarbeitungsstufen hindurch, die in unserer arbeitsteiligen Wirtschaft ein jedes Produkt durchlaufen muß, mehrfach nieder.
Die Wirtschaft der Bundesrepublik ist in hohem Maße exportorientiert. Wir müssen daher, um auf dem Weltmarkt konkurrenzfähig zu bleiben, dafür sorgen, daß wir preislich konkurrieren können. Dazu brauchen wir - das wird Herr Menne sicherlich noch einmal sehr stark herausstellen - billige Energie. Deshalb muß, wenn man einen verstärkten Einsatz der Steinkohle fordert, die dadurch notwendigerweise entstehende Preisschere mit öffentlichen Mitteln geschlossen werden.
Ich freue mich, daß sich dazu die von diesem Hohen Hause beschlossene Heizölsteuer angeboten hat. Sie wissen, daß nach Art. 4 des Heizölsteuergesetzes diese Steuer ausschließlich der Gesunderhaltung und Stützung des deutschen Steinkohlenbergbaus zugute kommen soll. Ich kann mir aber keine bessere Stützungsmaßnahme vorstellen, als die deutsche Steinkohle zu veredeln und die so gewonnene Energie dem Verbraucher zu einem tragbaren Preis zuzuführen. Die Vorschläge der Regierung entsprechen genau unseren Vorstellungen. Deshalb darf auch keine Verteuerung des Haushaltsstromes und des Industriestromes eintreten.
Es ist richtig, was Herr Kollege Dr. Arndt betont hat, daß die zweite Säule des Ruhrgebietes, die Eisen- und Stahlindustrie, uns im Revier große Sorgen macht. Die Stahlindustrie verfügt über moderne Anlagen, ihre Arbeiter zählen zu den tüchtigsten in der Welt, und sie ist jedem fairen Wettbewerb hier und draußen voll gewachsen. Wir sehen mit Betrübnis, daß nur wenige Auto- oder Bahnstunden von der Ruhrmündung entfernt in unserem Nachbarland Holland in geradezu unheimlichen Tempo eine Stahlindustrie wächst. Sie kann dies, wie wir wissen, weil sie billige US-Kohle einsetzen kann, Wenn die Kohle an der Ruhr und in Holland nach ganz verschiedenen wirtschaftspolitischen Konzeptionen behandelt wird, werden eines Tages die deutschen
Stahlunternehmen ganz sicherlich nicht umhin können, ihre Produktion um die paar Kilometer zu verlagern; dadurch würden sie dann eine erheblich günstigere Bezugsmöglichkeit für Kohle erhalten. Es stimmt, wie hier ausgeführt worden ist, daß sich Anfänge dieser Entwicklung bei uns im Ruhrgebiet bereits zeigen. Wir sollten die Gefahr der Abwanderung nicht demagogisch übertreiben; wir dürfen sie aber auch nicht bagatellisieren. US-Kohle ist in Holland 10 bis 15 DM billiger als deutsche Kohle im zollgeschützten deutschen Markt.
Eine solche Abwanderung könnten aber die Ruhr und unsere Volkswirtschaft bei allen Bemühungen zur Umsiedlung und Umstrukturierung niemals ohne größte soziale Schäden verkraften. Sie wäre auch unsinnig, weil sie einfach von falschen politischen Daten ausgeht. Wenn wir also unseren Kohlenbergbau gesund erhalten wollen, kommt es in erster Linie darauf an, den Absatz und den Bezug deutscher Kohle unter Bedingungen zu sichern, die für die Abnehmer tragbar sind.
Ich schließe mich dem Dank an, der heute schon wiederholt dem Herrn Minister Schmücker für seine Initiative auf dem europäischen Markt ausgesprochen worden ist. Wir würden uns sehr freuen, wenn Herr Minister Schmücker durch seine Verhandlungen erreichte, daß wir zu einer faireren Ordnung in der europäischen Kohlefrage kämen. Aber für ebenso wichtig wie die erwähnten Maßnahmen halte ich die Regelungen, die auf eine Absicherung des Steinkohlenabsatzes in den übrigen Verbrauchsbereichen abzielen. Ich meine die Beschränkung der Heizölexpansion auf feste Zuwachsraten pro Jahr. Nur wenn dies wirklich sichergestellt wird, kann ausgeschlossen werden, daß die erhofften positiven Ergebnisse in den eben erwähnten Bereichen Strom, Stahl und Export durch übermäßige Absatzverluste der Steinkohle in den übrigen Verbrauchsbereichen kompensiert werden. Entscheidend für den Erfolg dieser Maßnahmen wird sein, daß sie in einer Art und Weise von der Verwaltung durchgeführt werden, die das Besetze Ziel sicherstellt. Oder kurz gesagt: Die Maßnahmen müssen nach jeder Richtung hin dicht sein.
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Das gilt insbesondere für die Sicherung des 50%igen Anteils, den die deutsche Steinkohle an der Stromerzeugung haben soll. Die Bundesregierung hat dies zu unserer Befriedigung ausdrücklich zugesagt. Denn weder gegenüber der gesamten Bevölkerung noch gegenüber dem Steinkohlenbergbau noch gegenüber den Menschen des Reviers wäre es zu verantworten, wenn jetzt unzulängliche oder halbe Maßnahmen getroffen würden, die nicht nur unwirksam wären, sondern die auch zu schwerwiegenden volkswirtschaftlichen Fehlinvestitionen und weiteren Enttäuschungen führen müßten.
Für den Steinkohlenbergbau ist es entscheidend wichtig - da gebe ich verschiedenen Kollegen recht, die gesprochen haben -, in etwa übersehen zu können, in welcher Höhe seine Absatzmöglichkeiten liegen. Dies ist die erste Hilfe auch für das Ruhrgebiet, seine Städte und Gemeinden. Wenn für den Steinkohlenbergbau durch die genannten MaßnahDr. Dr. h. c. Toussaint
men die Absatzmöglichkeiten übersehbar gemacht werden, dann wird es auch leichter möglich sein, die zweite wichtige Aufgabe in tragbarer und geordneter Weise durchzuführen, die durch die bisherige Entwicklung leider unausweichlich geworden ist: die Anpassung der Förderkapazität an diese übersehbare Förderung. Dies kann selbstverständlich, wie Frau Dr. Elsner soeben darlegte, nicht von heute auf morgen geschehen. Wir stehen also vor der weiteren sehr schweren Aufgabe, die Zwischenzeit bis dahin zu überbrücken.
Was die Menge angeht, die gefördert und abgesetzt werden kann, so glaube ich, daß der Unternehmensverband Ruhrbergbau wie die IG Bergbau und Energie und auch die übrigen Leute an der Ruhr sich jetzt, nachdem sie wissen, was geschehen soll, jedenfalls ausrechnen können, wieweit die Förderung gesichert ist und wie die Förderung in Zukunft, jedenfalls in nächster Zukunft, aussehen wird.
Es ergeben sich nun zwei Möglichkeiten der Anpassung. Die erste Möglichkeit besteht in Stillegungen so schnell wie möglich, d. h. im Verlauf von vielleicht einem bis anderthalb Jahren. Das wäre zweifellos für den Bergbau die rationellste Lösung. Ich halte es aber auch für sehr fraglich, ob in so kurzer Zeit die notwendigen Ersatzindustrien verfügbar gemacht werden können. Die zweite Möglichkeit besteht in Stillegungen synchron zu dem Aufbau neuer Industrien. Hierfür würde sicher ein größerer Zeitraum in Anspruch genommen werden. Das hieße aber gleichzeitig, daß die Zechen für diesen Zeitraum alle Belastungen, die sich aus der unzureichenden Kapazitätsausnutzung und der dadurch bedingten Kostenprogression ergäben, zu tragen hätten. Aus diesen Gründen halte ich die baldige Errichtung der geplanten Aktionsgemeinschaft Ruhr für besonders wichtig. Ich begrüße es insbesondere, daß sie in privatwirtschaftlicher Form unter Beteiligung der übrigen Industrie gegründet werden soll. Sie bildet nach meiner Überzeugung ein wichtiges Instrument innerhalb der geplanten Maßnahmen zur Strukturverbesserung des Reviers. Damit erfüllt sie auch eine soziale Aufgabe.
Nach den heute genannten Zahlen muß mit einer Stillegung von rund 15 Millionen t Jahreskapazität gerechnet werden. Das bedeutet die Umsetzung von ungefähr 60 000 Beschäftigten zum großen Teil in neu anzusiedelnde Industriebetriebe. Für diese Neuansiedlungen bietet sich das Revier geradezu an, wobei - da stimme ich Frau Dr. Elsner zu - selbstverständlich die Interessen anderer Länder berücksichtigt werden müssen.
Wir haben an der Ruhr ein hochindustrielles Revier, das volkswirtschaftliche Vorausleistungen investiert hat und bereithält, die in anderen Gebieten nur mit Aufwendungen in Höhe von Milliarden DM für Neuinvestitionen angeboten werden können.'
Hinzuweisen ist vor allem auf die baurechtliche wie auch privatwirtschaftliche Bedeutung solcher Industrieansiedlungsflächen. Hier finden wir hochwertige Standorte, die mit jeder benötigten Energiemenge ausgerüstet und in ein dichtes Verkehrsnetz von Straßen, Schienen und Wasserwegen eingebunden sind. Dazu kommt die unmittelbare Nachbarschaft der Industrie-Ansiedlungen, die den industriegewohnten Menschen beherbergen -, kurzum Voraussetzungen für Industrieansiedlungen, wie sie andernorts - mit verschwindenden Ausnahmen - nur mit größtem Kapitalaufwand zu erstellen wären.
Eine Umstrukturierung des Reviers, wie sie jetzt erforderlich wird, ist mit der geplanten Aktionsgemeinschaft Ruhr nur denkbar, wenn eine enge Zusammenarbeit mit den betroffenen Städten und Gemeinden erfolgt; denn diese besitzen das örtliche Planungsrecht, diese kennen die notwendigen Sanierungsmaßnahmen, die zur Bebaubarkeit der fraglichen Gebiete ergriffen werden müssen. Damit hängt eng die Frage der Bergschädenrisikos zusammen, auf das ich hier nicht eingehen will.
Es ist nachdrücklich über die notwendige Wirtschaftshilfe für die von der Stillegung betroffenen Bergarbeiter gesprochen worden. So wie diese notwendige Hilfe die betroffenen Familien einschließt, müssen auch die beteiligten Bergbaugemeinden in den Prozeß dieser Strukturänderung einbezogen werden. Hier wird das Land Nordrhein-Westfalen, sehr verehrter Herr Minister Lemmer, helfen müssen; denn parallel zu dieser Entwicklung im Bergbau zeigen die Bergbaugemeinden seit 1958 eine deutliche, fortlaufende Minderung ihrer Möglichkeiten zur Ausgestaltung der Infrastruktur. Im vielfachen Gegensatz zur sonstigen Entwicklung im Bund haben gerade diese Gemeinden, in denen die Bevölkerung unter ungünstigen Bedingungen lebt und arbeitet - ich denke nur an die Luftverunreinigung - auf vieles verzichten müssen.
Ich darf Sie bitten, nicht zu vergessen, daß bis 1956 der Kohlepreis gebunden war. Er war so niedrig festgelegt, daß die Kohlennachfrage dadurch übersteigert wurde. Ich denke dabei auch an große Exportlieferungen. Wir wurden veranlaßt, an der Ruhr immer mehr Menschen ins Revier zu ziehen, um der Kohlenachfrage gerecht zu werden. Es mußten Wohnungen, Schulen und andere Einrichtungen zusätzlich geschaffen werden. Nunmehr schlägt das Pendel nach der anderen Seite aus. Die Folgen haben die Menschen, die Gemeinden, die Wirtschaft des Reviers und besonders der Bergbau zu tragen. Diese Folgen sind klar: sinkende Einnahmen mit ihrer Auswirkung vor allem auf die im Ruhrgebiet heimische Zubringerindustrie. Auch die mittelständischen Unternehmen des Handels und des Handwerks sind in Mitleidenschaft gezogen. Die Steigerungsrate in der Finanzkraft der Gemeinden bleibt aus.
Es ist schon darauf hingewiesen worden, welche Bedeutung das Ruhrgebiet für Nordrhein-Westfalen, für den Bund hat; ich brauche darauf nicht noch mal einzugehen.
Ich möchte zum Schluß kommen. Wir sollten das, was an öffentlicher Hilfe jetzt vom Bund gewährt werden soll, nicht als eine konsumtive Ausgabe ansehen, sondern als einen Investitionsbeitrag zur Erhaltung und Stärkung der bedeutendsten Wirtschaftspotenz, mit deren Hilfe die deutsche Wirt1362
schaft seit Jahrzehnten ihre gute Entwicklung genommen hat. So gesehen, kann diese Investition eine der gewinnbringendsten der deutschen Wirtschaftspolitik werden.
Wir alle sollten die Absicht der deutschen Industrie begrüßen, durch eine Strukturgesellschaft Ruhr auf privatrechtlicher Basis ihren Beitrag zur Stabilisierung der Verhältnisse an der Ruhr zu leisten.
Das Neue und Hoffnungsvolle für alle Menschen im Revier ist, daß die Bereitschaft, die Schwierigkeiten des Reviers zu meistern, heute Allgemeingut aller Bürger der Bundesrepublik geworden ist, der Energieverbraucher, auch der revierfernen Gebiete, wie der gesamten Wirtschaft, die ja aus eigener Initiative zu der Aktionsgemeinschaft aufgerufen hat.
Es sei ganz offen zum Schluß gesagt: wir geben uns an der Ruhr keinen Illusionen hin. Die Ansiedlung neuer Betriebe erfordert Zeit und erhebliche Mittel und wird sich erst allmählich auswirken. Wir, ganz besonders der Bergbau, müssen uns deshalb - hoffentlich nur vorübergehend - auf harte Zeiten einstellen. Das ist aber leichter zu verkraften, wenn wir heute wissen, was morgen geschehen soll und geschehen wird. Dazu kann der Bundestag Entscheidendes tun, indem er die Vorlagen, die ihm vorgelegt worden sind, möglichst schnell verabschiedet, um nicht noch weitere Zeit zu verlieren.
Ich danke Ihnen.
({2})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Menne.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! „Die Bundesregierung und die Koalition lassen den Bergmann im Stich", hört man, und man spricht sogar davon, daß im Ruhrgebiet ein Flurschaden entstanden sei, wie ihn, vielleicht abgesehen von der Ruhrbesetzung im Jahre 1923, keine Besatzungsmacht je angerichtet habe. Man sagt weiter, es werde das Geschäft der damaligen „Chaos-Boys" mit eigener Hand übernommen.
Nun meine Damen und Herren, meiner Meinung nach sind unsere Minister keine „Chaos-Boys" und die Bundesregierung ist keine Besatzungsmacht. Außerdem würde das bei unserem föderativen System und bei der energischen Landesregierung Nordrhein-Westfalens äußerst schwierig sein.
Aber, meine Damen und Herren, ich brauche nicht mehr lange Ausführungen zu machen, denn es ist ja alles schon ein Dutzend Mal gesagt worden.
({0})
Der Grund der Debatte ist die Absatzschwierigkeit der Kohle; und diese hängt mit der sonst so gepriesenen Technik zusammen. Das Öl kann man leichter fördern, man kann es leichter transportieren
und verwenden. Das ist der Grund, warum mehr und mehr Öl gebraucht wird. Ich möchte aber feststellen, daß unser Wiederaufbau nach dem Kriege zunächst nur mit der Hilfe der Kohle und der Bergleute möglich war. Das sollten wir nicht vergessen. Wir sollten auch daran denken, daß es immer gut ist, von irgendeiner Sache einen gewissen Teil im eigenen Lande zu haben und zu erzeugen. Aus diesem Grunde sind wir verpflichtet, dem Bergbau und dem Bergmann heute jede uns mögliche Unterstützung zu geben.
Über die sozialen Maßnahmen, die besonders wichtig sind, wird mein Kollege Ollesch sprechen, und er wird unsere Vorschläge dazu vortragen. Ich möchte mich mehr mit den übrigen Maßnahmen befassen, die in Kraft gesetzt werden sollen. Ich möchte aber vorweg betonen, daß Herr Minister Schmücker hier einen ganzen Katalog von Maßnahmen vorgetragen hat, die wir bereits getroffen haben. Wenn es nicht so geklappt hat, wie wir es gern gesehen hätten. dann, meine Damen und Herren, liegt das an der von mir geschilderten Technik.
Wir von der FDP-Fraktion sind der Meinung - und diese Meinung scheint ja allseitig geteilt zu werden -, daß die Versorgung unserer gesamten Wirtschaft mit preiswerter und dauernd zur Verfügung stehender Energie gesichert sein muß. Wir wollen trotzdem den Bergbau in größtmöglichem Umfang erhalten. Aber der billige Energiepreis ist nicht nur eine Voraussetzung für unseren Außenhandel, für unseren Export, sondern er ist auch notwendig, damit unsere großen Werke von der Verlagerung der Betriebe ins Ausland abgehalten werden. Denn wenn sie nach Holland und nach Belgien gehen, haben sie schon eine ganz andere Situation, da sie dort die amerikanische Kohle verwenden können. Die Kohle ist leider bei uns sehr teuer. Wir werden uns damit zu befassen haben, und ich möchte Herrn Kurlbaum - ich glaube, er ist nicht mehr da - versichern, daß wir im Wirtschaftsausschuß diese Fragen nicht ein halbes Jahr auf Eis legen werden, sondern sie, sollte das Hohe Haus sie uns überweisen, eifrig behandeln werden.
Genauso, wie es der Kohle vor allem durch die stets steigenden Löhne immer schwerer wird, konkurrenzfähig zu bleiben, ist auch das konkurrierende Heizöl mit außerordentlichen Kosten belastet, die der Verbraucher tragen muß. Ich denke dabei an die Heizölsteuer. Ich möchte daran erinnern, daß die Besteuerung des Heizöls in der Bundesrepublik in Vergleich zu anderen Ländern außerordentlich hoch ist. Das schwere Heizöl kostet durch diese Steuer bei uns 90 DM pro Tonne, aber in Belgien, den Niederlanden, der Schweiz, Dänemark und Schweden nur 50 bis 70 DM pro Tonne einschließlich Frachten und Steuern. Damit hat die Heizölsteuer zu einer starken Erhöhung des Energiepreises geführt. Die energieverbrauchende deutsche Wirtschaft muß aber, wie ich gerade sagte, konkurrenzfähig bleiben. Deswegen dürfen die Maßnahmen, die wir hier eines Tages beschließen müssen, nicht zu noch höheren Energiepreisen führen. Ich bin glücklich darüber, daß das anscheinend die Meinung des Hohen Hauses ist.
Dr. h. c. Menne ({1})
Ich möchte nun zu den weiteren Maßnahmen kommen, die wir treffen wollen. Zunächst kommt es dabei ja darauf an, den Kohleabsatz möglichst hoch zu halten und zu stabilisieren. Daher der allseitige Vorschlag einer engen Bindung der Steinkohle an die Stromerzeugung, und zwar sollte das Ziel sein, daß, langfristig gesehen, für die Stromerzeugung genausoviel Kohle wie Öl verbraucht wird. Dazu müssen natürlich Maßnahmen getroffen werden, wobei ich als Vertreter eines freien Marktes der Meinung bin, daß es das beste wäre, diejenigen Elektrizitätswerke, die Kohle und Öl im Verhältnis 50 : 50 verbrauchen, von der Heizölsteuer zu befreien. Aber es gibt natürlich auch andere Möglichkeiten.
Ich darf zu dem zweiten großen Verbraucher kommen: der Stahlindustrie. Sie leidet unter sehr starker ausländischer Konkurrenz. Das wird noch erschwert durch die Entlastungen, die den Importeuren von Stahl beim grenzüberschreitenden Verkehr gewährt werden. Das ist in den Wirkungen nichts anderes als eine Subvention. Augenblicklich kostet die Ruhrkohle 12 bis 15 DM mehr pro Tonne, als die Importkohle aus den USA frei Ruhr kostet, allerdings ohne Zoll. Eine solche Preisdifferenz kann die Stahlindustrie nicht mehr allein verkraften. Es besteht die Gefahr - das möchte ich wiederholen -, daß wir unsere neuen Werke an die Küste treiben, während wir unter allen Umständen Interesse daran haben, daß gerade die Stahlindustrie ein zuverlässiger Abnehmer des Ruhrbergbaus bleibt.
Ich habe in dem Zusammenhang auch an die Montanunion gedacht. Denn wie Herr Burgbacher schon ausgeführt hat, war die Montanunion in den 50er Jahren gegründet worden, um die Ruhrkohle auf ihre Mitgliedsländer zu verteilen, und das ist jahrelang geschehen. Aber bei ihnen ist ähnlich wie bei uns ein großer Teil durch Öl ersetzt worden. Ich bin daher der Meinung, daß wir ein Recht darauf haben, die Hohe Behörde, die EWG in Brüssel aufzufordern, uns zu helfen. Ich bitte die Bundesregierung im Namen meiner Fraktion, die entsprechenden Verhandlungen mit größtmöglicher Beschleunigung zu führen.
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Soweit ich im Bilde bin, hat man auch die Absicht, das zu tun.
Ein dritter Großverbraucher ist die chemische Industrie. Sie verbraucht ca. 15 Millionen t in Form von elektrischem Strom, Koks, Kohle und Teerprodukten. Insbesondere die Teerprodukte steigern die Erträge der Kohle ganz beträchtlich. Die chemische Industrie verlangt keine Hilfe und wird fortfahren, diese Mengen zu verbrauchen.
Ferner sollte man sich von seiten der Regierung auch mit der Frage befassen, ob es nicht möglich wäre, den Steinkohlenexport irgendwie zu fördern, insbesondere den Export in die Länder der Montanunion, die seinerzeit sehr großen Wert darauf gelegt haben und übrigens heute noch darauf legen, unsere Kohle zu beziehen.
Auch wir haben großes Interesse daran, die Kohle in Ordnung zu halten. Denn trotz anderer Meinungen, die hier geäußert worden sind, kann man nicht
abstreiten, daß die Kohle zu einer erheblichen Verbesserung unserer Zahlungsbilanz beiträgt. Denn wenn wir die jetzige Förderung durch 01 ersetzten, müßten wir weitere 7 Milliarden DM aus der Tasche nehmen.
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Trotz aller Maßnahmen kann man die gegenwärtige Förderung nur zum Teil absetzen; das zeigen die Halden. Es wird deshalb auch vom Ruhrbergbau anerkannt, daß noch eine Reihe von Zechenstilllegungen vorzunehmen sind. Bisher sind 63 Zechen stillgelegt worden. Das waren aber meist kleine Zechen, deren Belegschaften auf anderen, größeren eingesetzt wurden. Dadurch ist die Schichtleistung von 1,6 auf 2,6 t gestiegen, so daß eine Verringerung der Förderung nicht zustande kam. Diese Stilllegungen treffen aber nicht nur den Bergbau, sondern vor allem die darin schaffenden Menschen, und das haben wir alle heute schon den ganzen Tag sehr beklagt. Wir müssen deshalb alles tun, damit der Bergbau und ,die Bergleute nicht durch diese von ihnen nicht verschuldeten Schwierigkeiten große Verluste erleiden.
Abgesehen von der Stillegungsprämie, muß auch die Strukturfrage geregelt werden. Kollege Toussaint ist vorhin darauf eingegangen. Ich möchte auf den Vorschlag der Bundesregierung eingehen, im Ruhrgebiet eine Strukturgesellschaft zu gründen. Wie Ihnen bekannt sein dürfte, hat sich der Bundesverband der deutschen Industrie - ich war bei dieser Sitzung zugegen - dafür ausgesprochen, diese Gesellschaft durch die Wirtschaft zu finanzieren, obwohl dazu voraussichtlich sehr hohe Beträge benötigt werden.
Ich möchte bei dieser Gelegenheit sagen, daß die deutsche Wirtschaft schon zweimal unter Führung von Präsident Berg vom BDI große Beträge aufgebracht hat. Ich meine einmal die Investitionshilfe des Jahres 1952 von 1,15 Milliarden DM. Ich war selbst eines der ersten Mitglieder des Präsidiums dieser Gesellschaft. Ich meine weiter die Entwicklungshilfeanleihe über 1,2 Milliarden DM aus dem Jahre 1960. Die Wirtschaft hat also bewiesen, daß sie bereit ist zu helfen.
Die Strukturgesellschaft sollte sich so schnell wie möglich mit folgenden Aufgaben befassen: 1. mit der Ansiedlung neuer Industrien an der Stelle der stillgelegten Zechen. 2. mit der Übernahme und Verwertung des von den stillzulegenden Zechen angebotenen Industriegeländes - diese zweite Aufgabe steht eigentlich an erster Stelle, aber ich stelle die andere, die Ansiedlung neuer Industrien, an die Spitze, weil das der wesentliche Punkt ist, besonders wenn man die Hilfe der deutschen Industrie anruft - 3. mit der Hilfe bei der Umsetzung der durch die Stillegung frei werdenden Arbeitskräfte, wobei - das ist von verschiedenen Rednern hier angeführt worden - der Wohnsitz der Betroffenen möglichst unverändert bleiben sollte, damit auch die Handel- und Gewerbetreibenden in diesen Gebieten weiter existieren können.
An der Gesellschaft sollten sich der Bund und das Land beteiligen. Unter allen Umständen -das kann ich verbindlich erklären - werden sie
Dr. h. c. Menne ({4})
einen starken Einfluß in der Leitung haben. Die Strukturgesellschaft soll nicht auf Gewinn, sondern auf Hilfe ausgerichtet sein. Die Beteiligung der staatlichen Behörden in der Leitung soll sicherstellen, daß die erworbenen Immobilien richtig verwendet werden. Die Befürchtung, die angeklungen ist, hier könnte spekuliert werden, ist völlig unberechtigt.
Ich habe vorhin schon einmal betont, daß ich die Probleme, die aus der sozialen Hilfe resultieren, nicht behandeln möchte. Das wird mein Kollege Ollesch als praktizierender Bergmann besser tun können. Er wird zu den entsprechenden Gesetzen und auch zur Änderung des Reichsknappschaftsgesetzes die Meinung meiner Fraktion vortragen.
Bei allen Maßnahmen für die Kohle darf der Ölverbraucher nicht benachteiligt werden,
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was aber durch den Plan, die Heizölsteuer in der bisherigen Form weiter zu erheben, doch geschehen wird. Vorgesehen war bekanntlich, sie noch vor dem 1. April 1967 um die Hälfte zu senken. Wir von der FDP haben in der vorigen Legislaturperiode im Plenum nur mit größten Bedenken der Verlängerung der Heizölsteuer zugestimmt und nur unter der Voraussetzung, daß sie langsam abgebaut wird. Wir werden uns trotzdem überlegen, ob es uns möglich sein wird, in diesem Falle in Anbetracht der großen Notlage des Bergbaus der Bundesregierung unsere Unterstützung zu geben. Wir möchten aber der Hoffnung Ausdruck geben, daß, wenn dies geschehen sollte, durch die damit finanzierten, von mir erwähnten Maßnahmen nun endlich eine langfristige Lösung für den Bergbau gefunden wird. Die Protokolle des 4. Bundestages mit Diskussionen über die Energiefrage zählen immerhin bereits 184 Seiten.
Wir werden uns aber sehr gegen alle Pläne zur Wehr setzen, die auf eine Kontigentierung der Mineralöleinfuhr zielen. Wir wollen auf jeden Fall eine Erhöhung der Energiepreise vermeiden. Wir werden deshalb alle Maßnahmen, die auf eine Verschärfung der Selbstbeschränkung hinzielen, daraufhin prüfen, ob auf Grund dieser Bestimmungen auch mit Sicherheit eine Anhebung der Ölpreise vermieden wird. Vor allem die ruhrfernen Gebiete, die besonders auf das Öl angewiesen sind - wie z. B. Süddeutschland -, können eine weitere Verteuerung nicht hinnehmen. Wir fordern die Bundesregierung auf, diese Dinge unter Kontrolle zu halten, denn die Heizölpreise sind durch unsere Steuer nicht billiger, sondern, wie ich vorhin gesagt habe, wesentlich teurer geworden, als es in anderen Ländern üblich ist.
Ich möchte dabei auch einmal kurz erwähnen, daß die Mineralölsteuer jetzt schon 6,8 Milliarden DM aus dem Fahrbenzin, insgesamt 7,5 Milliarden DM aufbringt. Das sind 12,8 % des Gesamtsteueraufkommens des Bundes, und ein Mehr an Steuern aus dieser Quelle ist wirklich nicht zu vertreten.
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Zum Schluß möchte ich noch einmal auf die Größe des Problems hinweisen. Herr Minister Kienbaum hat vorhin hauptsächlich von Stahl und Kohle gesprochen. Der Wert der Kohlenerzeugung beträgt nur 4,6 % des Bruttosozialprodukts des Landes Nordrhein-Westfalen. Die Zahl der Bergleute, die von den Stillegungsmaßnahmen betroffen werden können und denen wir mit allen Mitteln helfen wollen, beträgt höchstens 60 000 - was allerdings für diese Leute und die betoffenen Gemeinden sehr viel bedeutet. Aber es müßte doch wohl möglich sein, eine die Bergleute befriedigende Umstellung vorzunehmen, wenn man bedenkt, daß wir 28 Millionen Arbeitnehmer in der Bundesrepublik haben, davon ca. 1,2 Millionen Ausländer.
Wir von der Fraktion der FDP sehen auf diesem Gebiete der Energiepolitik als erstes Ziel an, die Gesamtwirtschaft und die gesamte Bevölkerung mit einer billigen und ständig zur Verfügung stehenden Energie zu versorgen. Das kann nur im Rahmen unserer sozialen Marktwirtschaft geschehen, in die die Energiepolitik eingeordnet werden muß. Auch das ist ein Beitrag zur Stabilisierung unseres Preisniveaus. Diese Forderung der Sachverständigen, die sie im zweiten Jahresgutachten betonen und die wir in diesem Hohen Hause ausgiebig besprochen haben, muß auch auf dem Gebiete der Energiepolitik erfüllt werden.
Was nun die Zukunft bringen wird, können wir weiß Gott nicht sagen. Wie weit sich Erdgas, wie weit sich Atom auf diese ganze Lage auswirken wird, kann ich, obwohl ich Mitglied der Deutschen Atomkommission bin, nicht sagen. Ich glaube, erst ab 1980 kann man damit rechnen.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Wuwer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bedauere, daß der Minister Kienbaum nicht mehr hier ist; denn ich könnte ihm an einigen Beispielen - ich werde es so Ihnen gegenüber auch tun - nachweisen, wie aktiv dieser Minister gegenüber den Gemeinden ist.
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Wenn ich ihn höre, habe ich immer den Eindruck, daß er rot sieht, wenn das Stichwort „Gemeinden an der Ruhr" fällt. Ich möchte nicht mit dem alten Grundsatz brechen, daß Lautstärke keine Argumente ersetzt. Die Denkschrift, die von ihm hier eben zitiert worden ist, ist lediglich eine Bestandsaufnahme, die jeder von Ihnen hätte zusammenstellen können, wenn ihm das Material zur Verfügung gestellt worden wäre. Aus dieser Denkschrift ist bis zur Stunde keine strukturelle Maßnahme entstanden.
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Er sprach eben von den Märchen. Ich muß sagen, von dieser märchenhaften Milliarde haben manche Städte an der Ruhr einschließlich meiner Heimatstadt nicht einen Pfennig gesehen, geschweige denn erhalten. Ich darf mit Genehmigung des Herrn Präsidenten folgenden Satz aus einem Schreiben des Herrn Ministers vom 23. Juni zitieren - die
Stadt Gladbeck hatte um entsprechende Zuschüsse gebeten -:
Zu meinem Bedauern muß ich Ihnen mitteilen, daß mir für die Ablösung der Verpflichtungen der Stadt Gladbeck Haushaltsmittel nicht zur Verfügung stehen.
Aber, meine Damen und Herren, das ist noch nicht alles. Der Rat und die Verwaltung .der Stadt Gladbeck haben am 22. Oktober 1962 - ich betone: 1962 - dem Herrn Minister eine Entschließung überreicht und bestimmte Fragen gestellt, ebenso die Arbeitsgemeinschaft der Emscher-Städte am 17. Februar 1964. Wir haben 1962 lediglich eine Mitteilung erhalten, daß sich der Herr Minister auf einer Auslandsreise befindet. Die Fragen waren u. a. folgende:
1. Welche Vorstellungen hat die Landesregierung von der Zukunft der Emscher-Städte bzw. welche Zukunft strebt sie für sie an?
2. In welcher Weise gedenkt die Landesregierung den Erwerb, die Freilegung und die Aufschließung von Industrieflächen zu fördern?
3. Wie sieht die Landesregierung die Möglichkeiten für die Lösung des bekannten Konflikts auf dem Arbeitsmarkt zwischen Bergbau und Industrieansiedlung?
Meine Damen und Herren, das zum Minister Kienbaum, der eben von Märchen sprach. Bitte urteilen Sie selber, wer der Märchenerzähler war!
3) Das ist ein guter Übergang für mich auf das, worauf ich mich präziser vorbereitet habe. In der heutigen Diskussion ist u. a. auch deutlicher geworden, daß die Marktwirtschaft keine westdeutsche und auch nach den Ausführungen eines FDP-Mitglieds keine FDP-Erfindung ist, sondern sich die nationalökonomischen Köpfe mindestens seit Adam Smith mit ihr beschäftigt haben. Von Fördergarantien oder Zielsetzungen, wie der Herr Wirtschaftsminister gesagt hat, will im Augenblick kein Politiker mehr etwas wissen. Verständlich; gebranntes Kind scheut das Feuer.
Es sind hier heute viele Problemkreise angesprochen worden. Aber die Auswirkungen der Lage des Ruhrgebiets - und um das geht es neben dem Saarland und dem Aachener Revier - auf die Städte und die Gemeinden sind dabei bisher zu kurz gekommen.
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Die Lage auf dem Energiemarkt ist für die Gemeinden an der Ruhr eine Existenzfrage geworden. Ganz besonders gilt das für die Städte und Gemeinden des nördlichen Reviers, der sogenannten EmscherZone von Castrop-Rauxel über Gladbeck bis Bottrop. Hier bestimmte der Bergbau die Entstehung, das Wachstum und auch das Aufblühen. Nicht zuletzt waren diese Gemeinden mit ihren Menschen maßgeblich an dem Wiederaufbau unserer Wirtschaft beteiligt. Ihre Monostruktur ist ihnen heute zum Verhängnis geworden. Das Schicksal des Bergbaus, um den es auch in unserer heutigen Debatte überwiegend geht, ist das Schicksal dieser Städte
und Gemeinden. Für ihre Bürger war und ist der Bergbau der Vater aller Dinge, nach der glückhaften wie nach der krisenhaften Seite hin. Aus dieser Kenntnis heraus haben die Bergbaustädte der Emscher-Zone seit Jahren immer und immer wieder auf die sich aus der Stillegung von Zechen für diesen Raum ergebenden Sorgen und Gefahren hingewiesen. In zahlreichen Denkschriften und Eingaben wurden die damit verbundenen Probleme und Gefahren zum Ausdruck gebracht.
Heute redet alles von der Kohle und vom Kumpel. Die Ruhr macht Schlagzeilen. Aber die Ruhr und ihre Probleme werden wieder einmal, so befürchte ich, zerredet. Jeder entdeckt sein gutes Herz für die arme Ruhr. Hoffen und wünschen will ich, daß heute einmal mehr gehandelt als geredet wird.
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Der Kumpel und nicht das Unternehmen ist der Betrogene. Ihn beißen, um im Sprachgebrauch des Ruhrgebiets zu bleiben, die Hunde. Stets hat man ihm gesagt, daß sein Arbeitsplatz gesichert ist.
Der ruinöse Wettbewerb, dem die Kohle mangels einer Energiepolitik der Bundesregierung ausgesetzt ist, ruiniert auch die betroffenen Städte und Gemeinden, jene Gemeinwesen, denen das Recht auf Selbstverwaltung garantiert ist. Aufgabe der Bundesregierung muß es deshalb sein, ihnen rasch, nachhaltig und langfristig zu helfen.
Jeder kennt die Zahlen der bisher im Bergbau verlorengegangenen Arbeitsplätze. Diese Zahl bekommt aber erst echte Ausdruckskraft, wenn man weiß, wie sie sich in den einzelnen Städten ausgewirkt hat. So verlor z. B. die Stadt Gladbeck im Zeitraum von 1957 bis 1965 - ähnliche Zahlen ließen sich für andere Städte nachweisen - 38 % ihrer Arbeitskräfte. Die verheerenden Wirkungen einer solchen Entwicklung erkennt man, wenn man weiß, daß in so kurzer Zeit gleichwertige Arbeitsplätze nicht geschaffen werden konnten. Sicherlich ist der betroffene Arbeiter bestrebt, einen anderen Arbeitsplatz zu finden, aber fast in jedem Fall ist das mit erheblichen persönlichen Nachteilen verbunden. Darüber sollte man sicherlich nicht lachen. Dazu hat auch mein Kollege Walter Arendt von diesem Platz aus schon öfters überzeugende Aussagen gemacht. Aus den genannten Gründen verstärkt sich in den betroffenen Gemeinden der Auspendlerüberschuß. Für viele dieser Gemeinden besteht daher die Gefahr, reine Schlafstädte zu werden.
Nach Art. 106 des Grundgesetzes steht den Gemeinden das Aufkommen der Grundsteuer und der Gewerbesteuer zu. Die Grundsteuer hat mangels gesetzlicher Regelung des Bundes nach dem Kriege nie die Bedeutung erlangt, die ihr eigentlich zukommen müßte. Die Finanzkraft der Gemeinden basiert überwiegend auf der Gewerbesteuer. Abgesehen davon, daß die Ergiebigkeit dieser Steuerquelle durch Gesetze des Bundes schon abgebröckelt ist, zeigen sich gerade bei dieser Steuer die negativen Folgen der Bergbaukrise. Zurückgehende Erträge der Bergbaugesellschaften, Stillegungen und andere Maßnahmen ließen das Aufkommen fehlen. Solche Ertragsschrumpfungen wurden von verschie1366
denen Bergwerksgesellschaften in der Gestalt durchgeführt, daß zum Zwecke des Bilanzausgleichs bisher ertragreich arbeitende Schachtanlagen einer Stadt mit unwirtschaftlich arbeitenden Schachtanlagen in einer anderen Stadt rechtlich zusammengeschlossen wurden. Wenn auch anfangs die Gewerbesteuer nach der Lohnsumme steigende Tendenzen zeigte, so kam sie bald zum Stillstand und verzeichnet heute in den meisten Städten und Gemeinden einen starken Rückgang. Daran ändern auch die Mittel des Landes nichts. Steuerverluste von mehr als der Hälfte des vor der Bergbaukrise erbrachten Steueraufkommens sind zur traurigen Regel geworden. Die nicht erfaßbaren Auswirkungen auf das örtliche Gewerbe, auf Handel und Handwerk, sind hier schon genannt worden. Die Städte und Gemeinden wollen aber keine Kostgänger des Landes und des Bundes sein. Sie stellen nicht zuletzt auch im Zusammenhang mit der Bergbaukrise die berechtigte Forderung nach einer umfassenden Finanzreform.
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Vertriebene und Flüchtlinge, Neubergleute aus allen Teilen Deutschlands haben die Ruhr zum großen Schmelztiegel gemacht. Ihre Bevölkerungsentwicklung stagniert und ist in vielen Gemeinden stark rückläufig. Geburtenüberschüsse können Wanderungsverluste nicht mehr ausgleichen. Gliederung und Altersaufbau an der Ruhr haben sich ungünstig verschoben. Der Anteil der Wohnbevölkerung, der von Renten und Pensionen lebt, hat sich spürbar erhöht. Er erreicht in manchen Städten ein Fünftel und mehr der Wohnbevölkerung. Zu der Gefahr, daß sich die Städte an der Ruhr zu Schlafstädten entwickeln, kommt demnach hinzu, daß sie mehr und mehr den Charakter von Rentnerstädten annehmen müssen.
Der Bau von Wohnungen war immer ein Teil der Belegschaftspolitik der Bergwerksgesellschaften. Die gesetzlichen Bestimmungen sind hinreichend bekannt. Aber auch das Dritte Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Förderung des Bergarbeiterwohnungsbaus vom 24. 8. 1965 läßt noch manchen Wunsch offen. 50 Kilometer zum neuen Arbeitsplatz zu fahren, ist sicherlich heute nicht unbedingt noch zumutbar.
Den Betrieb von zecheneigenen Gesundheitshäusern, Sportanlagen, Bädern und Büchereien, Kindergärten, Spielplätzen und Feiertagsheimen haben die Bergwerksgesellschaften weitgehend eingestellt. Die dadurch entstandene Lücke muß von den Städten und Gemeinden geschlossen werden. Die Abwanderung von jüngeren Familien mit schulpflichtigen Kindern hat dazu geführt, daß die von den Städten und Gemeinden errichteten und unterhaltenen Schulen nicht mehr überall ausgenutzt werden können. Andererseits ist der Bedarf an sozialen Einrichtungen für alte und pflegebedürftige Menschen enorm gewachsen. Diesem Bedarf gerecht zu werden sind die betroffenen Gemeinden kaum in der Lage.
Für die Städte und Gemeinden des Ruhrgebiets war es von jeher ein besonderes Anliegen, im Rahmen ihrer Möglichkeiten zur Stabilisierung der
Marktlage des Bergbaus beizutragen. Das ist bei der Errichtung und Ausstattung öffentlicher Einrichtungen mehr als einmal unter Beweis gestellt worden, nicht zuletzt in den Städten der Emscherzone, die Fernheizungsprojekte auf Kohlebasis realisiert haben und damit auch einen Beitrag zur Reinerhaltung der Luft geleistet haben. Leider sind die hohen Investitionskosten für viele Gesellschaften heute nicht mehr tragbar. Auch der Bund beteiligt sich durch Zuschüsse an der Verwirklichung von Fernheizungsprojekten. Unverständlich bleibt allerdings, daß das Land Nordrhein-Westfalen davon ausgenommen ist. Hier scheint eine Änderung unbedingt erforderlich zu sein.
Meine Damen und Herren, verzeihen Sie, wenn ich Ihre Geduld strapaziere. Aber wenn man das erste Mal an diesem Platze steht, dann hat man weiche Knie. Ich gestehe das gern ein.
Welche Anregungen die Gemeinden selbst bisher auf dem Gebiete der Wirtschaftsförderung unternommen haben, wird an dem Beispiel der Stadt Gladbeck deutlich, die in den letzten Jahren mehrere Millionen D-Mark an Wirtschaftsförderungsdarlehen zur Verfügung gestellt hat. Der vereinbarte Zinssatz liegt bei durchschnittlich 5 %. Die Differenzen tragen die Gemeinden, in diesem Fall die Stadt Gladbeck. Wie ernst - und das ist heute hier in einem anderen Zusammenhang erwähnt worden - die Situation der Gemeinden ist, zeigt sich am Beispiel Waltrops, wo jeder Dritte im Bergbau beschäftigt ist und 40 % des Steueraufkommens der Bergbau erbringt.
Ich bin sicher, daß sich auch andere Städte - und für die Emscherstädte gilt das besonders - zu solchen Regelungen haben durchringen müssen. Aber eine solche Entwicklung ist ungesund. Die Städte und Gemeinden sind nicht in der Lage, aus eigener Kraft den Strukturwandel durchzuführen. Außerdem habe ich persönlich den Eindruck, der eben in einem anderen Zusammenhang angeklungen ist, daß der Boom, sich im Ruhrgebiet zu installieren, vielleicht vorbei ist. Ich hoffe aber im Interesse der Menschen an der Ruhr, daß es erst fünf vor zwölf ist, wie in einem anderen Zusammenhang hier heute schon einmal erwähnt worden ist. Der Strukturwandel an der Ruhr ist eine volkswirtschaftliche Gesamtaufgabe von Bund, Land und Gemeinden.
Ein offenes und gleichfalls der Lösung harrendes Problem bleibt in diesem Fall die Frage der Verpflichtung zur Zahlung von öffentlich-rechtlichen Beiträgen, insbesondere auf wasserechtlichem Gebiet. Es muß klargestellt werden, ob Bergwerke mit ihrer Stillegung und der Beseitigung der Betriebsanlagen ihre Eigenschaft als Beteiligte der Wasserverbände beibehalten oder verlieren. Davon hängt es ab, ob und inwieweit sie von ihrer Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen für die von ihnen verursachten Schäden bzw. noch entstehenden Schäden und für die sogenannten Dauerschäden freigestellt werden müssen oder weiterhin beitragspflichtig bleiben.
In diesem Zusammenhang möchte ich an die Notwendigkeit erinnern, endlich das StädtebaufördeWuwer
rungsgesetz zu verabschieden, damit in Städten und Gemeinden eine Baulandbeschaffung für die Stadterneuerung möglich ist.
Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluß. Der Bergbau und die Menschen in den Städten und Gemeinden des Ruhrgebietes haben entscheidenden Anteil am wirtschaftlichen Aufstieg Deutschlands und an seinem Ansehen in Europa und in der Welt gehabt. Sie haben deshalb in dieser Krisenzeit vom Bund umfassende Hilfe zu verlangen. Wir Menschen an der Ruhr wollen keine Almosen. Die Städte und Gemeinden an der Ruhr sind zu äußersten Anstrengungen bereit. Das haben sie in der Vergangenheit bewiesen. Sie mußten dabei allerdings, wenn sie in ihrer Entwicklung nicht noch weiter zurückfallen wollten, bis an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit gehen und sind dadurch unverschuldet in eine prekäre Finanzsituation geraten. Die Erfolge durch Schulden der Städte steckt sich hier ein Landesminister an den Hut. Vor allem die Bundesregierung ist aufgefordert, ihnen durch konstruktive und gezielte Maßnahmen beizustehen. An Versprechungen hat es nicht gefehlt. Ich hoffe, daß Taten folgen werden.
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Der Abgeordnete Schmitt ({0}) gibt seine Ausführungen zu Protokoll.
Das Wort hat der Abgeordnete Schmidhuber.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Zunächst darf ich Ihnen Herr Bundeswirtschaftsminister, namens der CSU-Landesgruppe für Ihre ausgewogene Darstellung des Kohleproblems danken. Auch die CSU bejaht grundsätzlich eine strukturpolitische Hilfe für die deutsche Steinkohle. Das Ziel dieser Maßnahmen sollte eine geordnete Anpassung an die veränderte Nachfragestruktur auf dem Energiesektor sein. Dieses Ziel ist auch für die revierfernen Gebiete von großem Interesse. Denn auch wir haben ein Interesse daran, daß ein leistungsfähiger Steinkohlenbergbau erhalten bleibt.
In diesem Zusammenhang spielt der Begriff der Versorgungssicherheit eine große Rolle. Wir sehen den Begriff der Versorgungssicherheit weniger unter dem Gesichtspunkt großer nationaler Vorräte an Primärenergie als unter dem Aspekt der Verfügbarkeit von Energie am Ort des Verbrauchs. Aber es kommt ein Weiteres hinzu, was für die Erhaltung eines leistungsfähigen Steinkohlenbergbaus spricht. Es ist die Überlegung, daß die Kohle ein Faktor in der Preisstrategie auf dem Energiemarkt bleiben muß.
Die vorgesehenen strukturpolitischen Maßnahmen müssen allerdings in ausreichender Weise berücksichtigen, daß man auf die Dauer keine Wirtschaftspolitik gegen den Markt treiben kann. Eine Dauerlösung des Kohlenproblems - und nur eine solche kann das erhebliche finanzielle Engagement des Bundes rechtfertigen - erfordert eine gemeinschaftliche Anstrengung aller Beteiligten, also eine konzertierte Aktion von Bund, Land und der gesamten
Wirtschaft, nicht allein des Bergbaus. Wir begrüßen daher die beabsichtigte Gründung der Aktionsgemeinschaft Ruhr als einen Ausdruck der solidaren Haltung der deutschen Wirtschaft.
Eine wesentliche Bedingung des Erfolgs der Umstrukturierungsmaßnahmen - und in diesen sehen wir das Kernstück des vorgelegten Programms - ist die Bereitschaft des Bergbaus, durch Abgabe von Grundstücken die Ansiedlung neuer Industriezweige zu ermöglichen. Vom Bergbau wird loyale Mitarbeit bei der Lösung dieser Aufgabe erwartet. Ein Branchenegoismus der Zechengesellschaften auf Kosten des Steuerzahlers wird von uns nicht hingenommen werden können.
Aber auch die Gewerkschaften werden bei ihrer Lohnpolitik die Ertragslage des Bergbaus berücksichtigen müssen, und zwar um so mehr, als sie bei ihren Lohnforderungen in den Wachstumsbranchen auch die höheren Zuwachsraten für sich reklamieren.
Unter den gegebenen Voraussetzungen sind die vom Herrn Bundeswirtschaftsminister vorgeschlagenen Verwendungssubventionen für den verstärkten Einsatz von Kohle im Bereich der öffentlichen Elektrizitätswirtschaft ein zweckmäßiges wirtschaftspolitisches Instrument.
Herr Abgeordneter Schmidhuber, würden Sie eine Frage des Herrn Abgeordneten Arendt beantworten?
Herr Kollege, darf ich Sie so verstehen, daß Sie die Auffasung vertreten, Lohnverzichte der Bergleute würden den Bergbau retten?
So dürfen Sie mich nicht verstehen. Im übrigen müßte man den Begriff „Lohnverzicht" etwas näher analysieren. Wenn die Gewerkschaften auf der einen Seite für sich in Anspruch nehmen, an dem Produktivitätsfortschritt eines Wirtschaftszweiges in vollem Umfange teilzuhaben, dann müssen sie auch in Branchen, die kein Wachstum aufweisen, dies als lohnpolitisches Argument gegen sich gelten lassen. Das heißt nicht, daß damit von vornherein auf jegliche Lohnforderung verzichtet werden müßte.
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- Sie haben in der Landwirtschaft dieselbe Entwicklung. Aber Sie werden mir zugeben, daß die Landarbeiter nicht gerade an der Spitze der Lohnskala liegen. Das hat ökonomische Gründe, vielleicht auch andere.
Nun darf ich in meinen Ausführungen fortfahren. Die Verwendungssubventionen haben allerdings weitreichende finanzpolitische Konsequenzen. Diese dürfen wir nicht übersehen. Die hierfür erforderlichen Haushaltsmittel steigen in geometrische Progression; sie werden in einigen Jahren in beträchtliche Größenordnungen hineinwachsen. Dabei ist eine mögliche Steigerung der Produktionskosten der Steinkohle - etwa dadurch, daß Lohnerhöhun1368
gen nicht völlig durch Rationalisierungsmaßnahmen aufgefangen werden können - noch nicht berücksichtigt.
In einer marktwirtschaftlichen Ordnung haben Subventionen Ausnahmecharakter. Sie müssen auf die Erreichung eines bestimmten wirtschaftspolitischen Zieles ausgerichtet und gleichzeitig auch zeitlich beschränkt sein. Als Dauerleistung zehren Subventionen in bedenklicher Weise am Leistungspotential unserer Volkswirtschaft, von dem das Wachstum der Masseneinkommen und damit unser Wohlstand abhängt. Wegen dieses Ausnahmecharakters der Subventionen im Rahmen der Strukturpolitik müssen wir dringend davor warnen, die Hilfe für die deutsche Steinkohle als Präzedenzfall für andere Sektoren der Wirtschaft anzusehen.
Die Stützung der Kohle darf nicht dahin führen, daß die Erschließung neuer Energiequellen wie die Förderung der wirtschaftlichen Nutzung der Atomkernenergie vernachlässigt wird. Unterlassene Investitionen in diesem Bereich könnten die deutsche Wirtschaft um große Zukunftschancen bringen.
Meiner Meinung nach müßte man das Programm zur Sanierung der Kohle in der Richtung ausweiten, durch neue technologische Verfahren der Kohle neue Absatzmöglichkeiten zu eröffnen. Die deutsche Kohlechemie hat einmal eine große Blüte gehabt. Vielleicht wäre es durch entsprechende finanzielle Förderung möglich, der Forschung in der Kohlechemie neue Impulse zu-geben und auf diese Weise der Kohle neue Märkte zu erschließen.
Auch wir von der CSU sind der Meinung, daß das Kohleproblem nicht nur ein nationales Problem ist, sondern daß es im europäischen Rahmen gelöst werden muß. Der Lieferpflicht des Montanvertrages muß eine Abnahmegarantie der übrigen Montanstaaten gegenübergestellt werden.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich noch einige kritische Bemerkungen aus der Sicht eines Abgeordneten machen, der aus einem revierfernen Gebiet kommt.
Die Bedenken der CSU-Landesgruppe gegen das vorgelegte Paket von Maßnahmen konzentrieren sich in erster Linie auf den Vorschlag, die Heizölsteuerdegression im nächsten Jahr nicht eintreten zu lassen. Die CSU-Landesgruppe ist bis zur Stunde noch nicht zu der Überzeugung gelangt, daß diese Maßnahme zur Finanzierung der Hilfen für den Bergbau unerläßlich ist.
Mit einer gewissen Verwunderung haben wir den dezent geäußerten Vorschlag des Kollegen Professor Burgbacher zur Kenntnis genommen, der, allerdings in sehr vorsichtigen Formulierungen, was ich gern zugestehen möchte, von einer Erhöhung der Steuer für leichtes Heizöl gesprochen hat. Ein derartiger Vorschlag ist für uns völlig unannehmbar. Die Beibehaltung der Heizölsteuer in der bisherigen Höhe verhindert eine mögliche Ermäßigung der Ölpreise in den revierfernen Gebieten und - was sehr wesentlich ist - nützt der Kohle unmittelbar wenig oder gar nicht. Wir sehen das Heizölsteuergesetz nach wie vor als ein zeitlich begrenztes wirtschaftspolitisches Maßnahmegesetz an. Gerade weil wir
der Kohle gezielt und wirksam helfen wollen, müssen wir darauf bedacht sein, das allgemeine Energiepreisniveau möglichst niedrig zu halten.
Ich bin dem Herrn Bundeswirtschaftsminister besonders dankbar für seinen Hinweis darauf, daß das Vordringen des Öles auf dem deutschen Energiemarkt auch Vorteile für die revierfernen Gebiete gebracht hat. Durch dieses Vordringen des Öls wurde eine Harmonisierung der Standortbedingungen innerhalb der Bundesrepublik herbeigeführt, was für eine ausgeglichene wirtschaftliche Entwicklung aller Landesteile von größter Bedeutung war und ist. Diese mühsam errungenen Vorteile dürfen nicht gefährdet werden. Das hat nichts mit regionalem Egoismus zu tun, sondern eine solche Haltung liegt im gesamtwirtschaftlichen Interesse.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich noch einiges zur Fixierung des Zuwachses der Öleinfuhren auf 8% sagen. Eine derartige Fixierung hat den Keim einer Erhöhung der Mineralölpreise in sich, einfach deswegen, weil sie zu einer Beschränkung des Angebots führt. Die Auswirkungen eines Preisauftriebs auf dem Energiesektor für alle Wirtschaftszweige, insbesondere für die exportorientierten Industrien, dürfen nicht unterschätzt werden.
Die tatsächliche Zuwachsrate des Energieverbrauchs ist von konjunkturellen und technologischen Faktoren abhängig. Ein starres Quotendenken birgt daher die Gefahr in sich, daß mögliche Rationalisierungen vor allem im mittelständischen Bereich unterbleiben müssen. Entscheidend wird es auf die Handhabung, ,auf die verwaltungsmäßige Durchführung der Lizenzierung ankommen. Diese darf nicht zu einer Einschränkung des Preiswettbewerbs auf dem Heizölmarkt etwa dadurch führen, daß man die sogenannten Außenseiter, die den großen Mineralölkonzernen in den letzten Jahren oft sehr lästig waren, ausschaltet.
Ferner müssen die regionalen Unterschiede in der Struktur des Energieverbrauchs berücksichtigt werden. Es entspricht der ökonomischen Rationalität, daß der Anteil des Öls am Energieverbrauch in den revierfernen Gebieten höher ist als in den reviernahen Zonen. Wenn man das anerkennt, muß man daraus auch die praktischen Konsequenzen ziehen.
Bei dieser Gelegenheit darf ich darauf hinweisen, daß dieses Verlangen der bayerischen Wirtschaft und der von dem bayerischen Wirtschaftsminister Dr. Schedl betriebenen Wirtschaftspolitik doch mehr als verständlich ist, wenn man berücksichtigt, daß auch die Wirtschaft Nordrhein-Westfalens sich durchaus der Vorteile von Öl und Erdgas bewußt ist. Immerhin stehen 39 % der deutschen Raffineriekapazität auf der Kohle, nämlich in NordrheinWestfalen, während Bayern nur einen Anteil von 13 % hat.
Noch etwas ist für Bayern und die anderen Gebiete Süddeutschlands sehr wichtig. Es gibt eine Reihe strukturpolitischer Maßnahmen, die in sich beides vereinigen: eine Erhöhung der Absatzchancen für Kohle und Kohleprodukte und gleichzeitig auch unmittelbare strukturelle Vorteile für die revierfernen Gebiete. Hierzu gehört das Projekt des
Rhein-Main-Donau-Kanals, insbesondere die Fortführung der Trasse des Kanals über Nürnberg hinaus, um Anschluß an die Donau zu gewinnen. Die Verwirklichung dieses Projekts würde die verkehrsgeographische Lage Bayerns wesentlich verbessern, aber auch den Steinkohleabsatz in Südbayern und darüber hinaus im ganzen Donauraum nachhaltig fördern.
Dasselbe gilt für einen weiteren Ausbau des Leitungssystems der Ferngas-Nordbahn, die das Kokereigas der Ruhr in den nordbayerischen Raum bis an die Zonengrenze transportiert. In den Verhandlungen der letzten Monate haben wir allerdings beim Finanzminister nicht immer die Bereitschaft gefunden, wie sie heute gegenüber der Ruhrkohle erkennbar war.
Noch ein kurzes Wort zum ebenfalls angekündigten Rohrleitungsgesetz für Mineralöl- und Erdgasfernleitungen. Wir sind der Überzeugung, daß die bisherige Regelung im Energiewirtschaftsgesetz völlig ausreichend ist. Ich glaube auch nicht, daß man mit einem neuen Ölleitungsgesetz monopolartige Entwicklungen im Bereich der Gas- oder Erdölwirtschaft verhindern kann. Das wäre eigentlich eher eine Sache der Novellierung des Kartellgesetzes als der Schaffung eines eigenen Rohrleitungsgesetzes. Im übrigen halten wir diese Maßnahme für zu dirigistisch; wir können uns nicht mit ihr anfreunden. Wir werden uns im übrigen vorbehalten, bei der technischen Ausgestaltung der heute angekündigten Gesetze diese Dinge noch einmal zur Sprache zu bringen.
Lassen Sie mich auf den Ausgangspunkt meiner Ausführungen zurückkommen. Ich betone, daß wir trotz der von mir vorgetragenen Bedenken, die aber lediglich auf die einzelnen Vorschläge abzielen, der Meinung sind, daß durch das von der Bundesregierung vorgelegte Programm die große Linie gefunden worden ist, um der Steinkohle den ihr zukommenden Platz in der deutschen Volkswirtschaft zu sichern.
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Das Wort hat der Abgeordnete Ollesch.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Debatte um die Große Anfrage der CDU/CSU und der FDP geht nunmehr dem Ende entgegen. Es wurden keine leeren Versprechungen gemacht. Wir sind zu einer Erkenntnis gekommen. Sie mag nicht jeden freuen. Aber nunmehr wissen wir, daß der Kohlenbergbau nur so viel Kohle zu fördern hat, wie er absetzen kann. Ich meine, das ist ein klares Wort; danach können sich nunmehr der Bergbau und die im Bergbau Beschäftigten richten.
Nun müßte - frei nach dem Kollegen Arendt - im Ruhrgebiet der Sturm losbrechen,
({0})
und dunkle Wolken müßten aufziehen. Herr Kollege Arendt, sicherlich wird ein Sturm losbrechen
und werden dunkle Wolken aufziehen, wenn man daran interessiert ist, besonderer Wahltermine wegen, daß ein solcher Sturm losbricht.
({1})
- Meine Damen und Herren, wir kennen die Spontaneität von Kundgebungen, auf denen just zur rechten Zeit auch die richtigen Leute erscheinen.
Meine Damen und Herren, es gibt sicherlich Strukturveränderungen. Aber die hat es in diesem Lande immerfort gegeben, es gibt sie auch an der Ruhr seit Jahren. Ich erinnere mich recht gut der schwarzen Fahnen, der Demonstrationszüge vor einigen Jahren in der Stadt Bochum. Meine Freunde, die Stadt Bochum wird heute dank den Maßnahmen der Landesregierung von Nordrhein-Westfalen von der Einschränkung der Förderung nicht mehr berührt.
Strukturänderungen sind keine Erfindung dieses Jahrhunderts. Es hat ausgangs des vergangenen Jahrhunderts an der südlichen Ruhr Zechenstillegungen gegeben, es hat Strukturänderungen gegeben. Die Landschaft ist nicht verödet; es ist eine blühende, vielseitige Industrie dort eingezogen, und die Gemeinden und die Kreise des Landstrichs verfügen heute über ein viel höheres Steueraufkommen als früher.
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Nun bin ich nicht ein Illusionist, der die damaligen Strukturänderungen mit den bevorstehenden vergleicht. Keineswegs! Aber, meine Damen und Herren, wir haben es in der Hand, diese Strukturänderungen so wenig schmerzlich wie eben möglich zu gestalten. Dazu, meine ich, sind wir alle aufgerufen. - Die Betroffenen, die übrige Bevölkerung - die „Mantelbevölkerung", wie man heute so schön sagt - und jeder Politiker, gleich welcher Fraktion.
Meine Damen und Herren, Sie mögen zu Protesten aufrufen. Ich habe mir Ihre Anträge zu unserer Großen Anfrage durchgesehen. In Nuancen unterscheidet sich Ihre Auffassung von der unsrigen heute. Eine Kontingentierung des Heizöls, die allein in der Lage wäre, die heutige Fördermenge in etwa zu halten, ist außerhalb des Landtags von Nordrhein-Westfalen nirgends gefordert worden, und Sie werden sich hüten, hier diese Forderung zu erheben; denn Sie wissen ganz genau: wenn die Kontingentierung Erfolg haben soll, führt sie zur Verteilung durch den Staat, zum Bezugschein. Das wollen auch Sie nicht.
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Nun hat die Bundesregierung durch den Bundeswirtschaftsminister Schmücker ein Bündel von Maßnahmen vorgeschlagen. Wir begrüßen diese Maßnahmen sehr, aber doch in der Erkenntnis, daß sie nur auf lange Sicht eine Erleichterung der Situation bringen werden, daß sie den Bergbau nur in einem gewissen Umfange erhalten können. So werden wir es erleben, meine Damen und Herren, daß Zechen stillgelegt werden und daß noch in diesem Jahr Feierschichten eingelegt werden müssen, denn die angekündigten und noch geplanten Stillegungen wirken sich in der Förderhöhe nicht sofort aus.
Ich darf ein Wort an Herrn Bundeswirtschaftsminister Schmücker richten: Ich halte den Vorschlag, die Feierschichten in der Art zu bezahlen, daß die elf Nachholschichten für die Wochenfeiertage, die ja im Bergbau noch verfahren werden, bezahlt werden, nicht für richtig. Diese Maßnahme würde ein lineares Zurückfahren in der Produktion bedeuten, und lineares Zurückfahren - wir haben zur Zeit um 10 % linear unsere Förderung zurückgenommen - bedeutet immer eine Kostensteigerung für die gesamte Kohle. Wenn alle Anlagen elf Feierschichten einlegen müssen, auch diejenigen, die kostengünstig fördern, und diejenigen, die absetzen können, dann ist damit nichts gewonnen. Wir müssen punktuell zurückfahren: Feierschichten haben die Anlagen zu verfahren, die nicht absetzen können, und nicht generell alle Anlagen.
Herr Abgeordneter Ollesch, gestatten Sie eine Frage?
Bitte sehr!
Ist Ihnen bekannt, Herr Kollege Ollesch, daß die GBAG, die größte Zechengesellschaft Europas, für den kommenden Montag für alle elf Anlagen linear eine Feierschicht angekündigt hat?
Herr Kollege Arendt, das kann mich nicht in meiner Auffassung wankend machen, daß es wirtschaftlich unsinnig ist, linear zurückzustecken, sondern daß punktuell zurückgesteckt werden muß.
({0})
Wir haben die Anlagen abzuwerfen, die kostenungünstig fördern, und die verbleibende Fördermenge haben wir so kostengünstig zu fördern, wie es eben möglich ist. Das heißt, die Gesamtförderung ist von den Anlagen zu übernehmen, die in der Lage sind, mit Gewinn zu fördern. Denn Wirtschaften ohne Gewinn ist kein Wirtschaften.
({1})
Nun glaube ich, daß die Strukturumwandlung uns nicht in einem ungünstigen Zeitpunkt trifft. Wir begrüßen es dankbar, daß neben den Maßnahmen der Bundesregierung die Landesregierung auf Initiative des hier oft zitierten Ministers Kienbaum ihrerseits versucht, die Auswirkungen der Stilllegung zu mildern. Das muß hier einmal in aller Offenheit erklärt werden. Der Plan, einen HundertMillionen-Fonds anzulegen, kommt von dem Landesminister Kienbaum und nicht von anderen Persönlichkeiten der Landesregierung. - Wir leben in einer Zeit der Vollbeschäftigung. Wir haben 1,3 Millionen Fremdarbeiter. Wir waren in diesem Jahr in der Lage, 21 000 freigesetzte Bergleute ohne Beunruhigung der Gesamtbevölkerung unterzubringen. Gewiß, auch dort hat es Härten gegeben; aber mit den Anpassungshilfen nach den Regeln des Art. 56 des Montanunionvertrages und durch gut durchdachte Sozialpläne der Unternehmen ist es gelungen, ohne große Schwierigkeiten für den einzelnen Betroffenen diese Umwandlung durchzuführen. Wir werden in der Lage sein, auch die demnächst freizusetzenden Bergleute unterzubringen.
Unsere Sorge gilt den Betroffenen, und die Freien Demokraten werden sich dafür einsetzen, daß Härten so weit wie möglich vermieden werden.
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Wir sind der Meinung, Herr Kollege Arendt, daß die Last der Feierschichten eben nicht der Kumpel, der betroffen ist, zu tragen hat.
({3})
- Wir sind den Weg ja schon gegangen, wir haben bisher schon vier Feierschichten bezahlt. Die Bundesregierung wäre bereit, elf zu finanzieren, und ich meine, es sollte der vernünftigere Weg gegangen werden, auch die punktuellen Feierschichten zu finanzieren. Das ist ein Weg, den wir nicht allzu gern beschreiten, Herr Kollege Arendt, wegen der Weiterungen, die entstehen könnten. Aber wir leiten das Recht, einen bestimmten Personenkreis besonders zu behandeln, daher, daß ein Teil dieses Personenkreises 1945 gegen seinen Willen in den Bergbau gesteckt wurde.
Mir sollte es so ähnlich gehen. Ich konnte mich dem Zwang vorerst einmal durch einen Schulbesuch entziehen, und dann ging ich freiwillig in den Bergbau. Weil also auf diesen Personenkreis damals in unser aller Interesse ein Zwang ausgeübt wurde, meinen wir, daß er einen Anspruch auf eine besondere Behandlung hat, und diese besondere Behandlung wollen wir ihm angedeihen lassen.
Nun sieht ja der Montanunionsvertrag eine ganze Reihe von sozialen Hilfen vor, und diese sollen auch weiterhin gegeben werden. Der Herr Bundesarbeitsminister hat uns allen dankenswerterweise eine vorgeschlagene Erweiterung bekanntgegeben. Dadurch sollen Härtefälle möglichst ausgeschaltet werden.
Hinzu kommen die Sozialpläne der betroffenen Gesellschaften. Wer den Sozialplan der in der letzten Zeit so oft beschimpften Anlage „Graf Bismarck" kennt, weiß, daß hier in Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat ein vorbildlicher Sozialplan erstellt wurde. Diesen Sozialplan sollte man als ein gutes Beispiel für die nächste Zeit herausstellen. Die Hauptsorge der Betroffenen dreht sich um die Erhaltung ihrer Wohnung. Wir meinen, daß das Wohnrecht der Bergleute in allen Fällen erhalten bleiben sollte.
({4})
Wo es zu Schwierigkeiten kommt, sollten sich die Bundes- und die zuständigen Landesbehörden nicht scheuen, einzugreifen.
Es wurde moniert, daß bei der Anlage „Graf Bismarck" das Wohnrecht nur den Bergleuten garantiert wird, die bis zum Schluß auf dieser Anlage ausharren. Das ist sicherlich eine Maßnahme, die Bedenken und Argwohn erregen könnte.
({5})
- Aber, Herr Kollege Arendt, Sie kennen die Situation auf der Schachtanlage Dahlbusch. Die Zeche mußte viel früher geschlossen werden, als im Plan vorgesehen war,
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weil ein ganzer Teil der Beschäftigten vorzeitig abwanderte. Uns liegt daran, daß eine geordnete Zurücknahme der Kapazitäten erfolgt, weil wir nur bei einer geordneten Verringerung der Produktion aufkommende Härten beseitigen können.
Vielleicht noch ein Wort zu den betroffenen Gemeinden. Wir meinen, daß die Gemeinden, sofern es nicht ausgesprochene Bergbaugemeinden sind - es wurden einige genannt wie z. B. Waltrop und Erkenschwick -, durchaus nicht veröden und verarmen, wenn es das Unglück will, daß in ihren Grenzen eine Anlage geschlossen wird. Wir haben in Recklinghausen, das bestimmt nicht die steuerkräftigste Stadt ist - Recklinghausen liegt unter den kreisfreien Städten unseres Landes an zweitletzter Stelle -, im vergangenen Herbst die Stillegung einer Anlage erlebt. Die Stadt wird darüber hinwegkommen, sie ist bisher darüber hinweggekommen. Wir bemühen uns um Ersatzindustrie. Wir erkennen auch dankbar an, daß uns der zuständige Landesminister Hilfe angedeihen läßt. Aber die Firmen, die den Wunsch haben, sich anzusiedeln, sind auch nicht von gestern. Sie spielen ein Land gegen das andere aus, um bessere Konditionen zu erhalten, selbst wenn sie finanziell so fundiert sind, daß sie diese Konditionen im Grunde genommen nicht brauchten.
Nun, ich will Ihre Zeit nicht allzusehr strapazieren. Wir meinen, die Hauptsorge bleibt: Wie bringen wir alle Arbeitswilligen unter, wie bringen wir die Betroffenen in möglichst gleichartigen Berufen unter? Die Jüngeren werden schon unter der Hand wegengagiert. Für sie wird es gar keine Schwierigkeiten geben. Problematisch wird es für die Bergleute ab 45 Jahren. Wir meinen, daß sich das Land etwas einfallen lassen sollte, diesem Personenkreis eine zumutbare Beschäftigung zu besorgen.
({7})
Ich bin nicht der Meinung, daß jemand unbedingt mit 50 Jahren pensioniert werden sollte, sondern ich bin dafür, ihn, wenn es möglich ist, wenn auch über Beihilfen jeder Art, noch in eine Arbeit hineinzubringen. In einer Zeit, in der wir uns den Luxus von 1,3 Millionen Gastarbeitern leisten, sollten wir jemand mit 50 Jahren noch nicht zur Untätigkeit verdammen. Die meisten aus diesen Jahrgängen wollen ja noch weiterarbeiten.
({8})
Der Weg, ihnen wieder eine Arbeit zu besorgen,
ist wesentlich besser, als Gesetze mit dem Ziel zu
ändern, über diese Möglichkeit generell das Pensionierungsalter unserer gesetzlichen Rentenversicherung herabzusetzen.
({9})
Wir sind für besondere Maßnahmen, aber speziell, auf diesen Personenkreis ausgerichtet, und für einen Übergang, nicht als Dauermaßnahme.
Aus der Debatte des heutigen Tages, aus den Stellungnahmen der Vertreter der Bundesregierung, aus den Darlegungen der Vertreter der Koalition kann die Bevölkerung an Rhein und Ruhr entnehmen, daß sie der Umstrukturierung ohne große Sorgen entgegensehen kann.
({10})
Unsere Hauptsorge gilt dabei den Betroffenen. Wir wollen ihnen durch die Vermittlung einer zumutbaren Arbeit helfen, damit sie durch ihrer eigenen Hände Arbeit ihren Lebensunterhalt wie bisher auch weiter erwerben können.
({11})
Das Wort hat der Herr Minister für Bundesangelegenheiten des Landes Nordrhein-Westfalen.
Lemmer, Minister des Landes Nordrhein-Westfalen: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Wuwer, Sie haben meinen Kollegen Kienbaum in einem Moment angesprochen, als er nicht mehr in diesem Hohen Hause sein konnte. Sie haben ihn auf die zitierte Denkschrift des Ministers für Wirtschaft, Mittelstand und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen angesprochen und haben behauptet, daß Sie für Ihre Stadt Gladbeck, deren Oberbürgermeister Sie waren, keine Mittel bekommen hätten.
Ich darf Ihnen und den anderen Damen und Herren dieses Hauses sagen, daß die Stadt Gladbeck, am 30. Juni 1964 eine Stadt von 83 285 Einwohnern - die Stadt hat zugenommen, sie hatte 1958 81 700 Einwohner -, in den Jahren von 1962 bis einschließlich 1964 - die Zahlen für 1965 liegen noch nicht vor - folgende Mittel erhalten hat: Städtebaumittel 2,96 Millionen DM,
({0}) Straßenbaumittel 3,7 Millionen DM,
({1}) Wohnungsbaumittel 16,8 Millionen DM,
({2}) Krankenhausbaumittel 1,2 Millionen DM,
({3}) Landeskreditprogramm 1,4 Millionen DM und Bürgschaften für Industrieansiedlungen von 10,1 Millionen DM.
({4})
Diese Leistungen sind unabhängig von den Schlüsselzuweisungen gegeben worden, die das Land
Landesminister Lemmer
Nordrhein-Westfalen normalerweise an seine Gemeinden gibt. Ich darf Ihnen sagen, daß das Land Nordrhein-Westfalen 25 % seiner Einnahmen über die Schlüsselzuweisungen an die Gemeinden weitergibt. Diese haben sich in Gladbeck wie folgt entwickelt: 1958 3,5 Millionen DM, 1959 2,5 Millionen DM, 1960 3,9 Millionen DM, 1961 4,8 Millionen DM, 1962 4,5 Millionen DM, 1963 6,7 Millionen DM und 1964 10,31 Millionen DM.
({5})
Das Wort hat der Abgeordnete Hörmann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es tut mir leid, daß die „Debatte" eigentlich jetzt erst richtig angeht. Wir sind nämlich jetzt an Punkten angelangt - hier bei der Strukturpolitik und vorher bei der Sozialpolitik -, wo es interessant gewesen wäre, wenn wir uns ein bißchen auseinandergesetzt hätten. Ich will das jetzt nicht mehr tun, weil die Zeit leider schon ziemlich fortgeschritten ist.
Der Kollege Ollesch hat vorhin gemeint, Maßnahmen besonderer Art seien notwendig, um mit diesen Problemen fertig zu werden. Ich glaube, es wären wohl Maßnahmen besonderer Art aufzuzeigen, wenn wir uns heute miteinander noch über die Sozialpolitik unterhalten würden! Wenn Sie aber darauf I hinweisen, daß der Sturm an der Ruhr losbricht, wenn man daran interessiert ist,
({0})
muß ich an Sie die Frage stellen: Ist nun das Wort der Bundesregierung - und Sie sind ja mit einem Teilchen an der Bundesregierung beteiligt -, die ein Lob an die Gewerkschaften - in diesem Fall im Bergbau - ausgesprochen hat, von heute morgen ernst gemeint, daß diese schwierige Lage noch im Griff gehalten wird, noch eingedämmt wird und in vernünftige Bahnen gelenkt wird?
({1})
Sind es nur leere Worte oder wird hier versucht, anderweitige Dinge zu unterstellen?
({2})
- Ach, Sie verstehen den Zusammenhang sehr gut; da habe ich gar keine Befürchtungen, Herr Dorn.
In bezug auf die Stadt Bochum, die angeblich nicht mehr von Stillegungsaktionen berührt sei, meinten Sie, seien die Probleme gelöst. Ich weiß nicht, ob damit auch die menschlichen Probleme und die kommunalpolitischen Probleme, die in diesen Orten immer noch anstehen, als gelöst betrachtet werden können.
Wenn wir heute abend hören, daß die GBAG am Montag bei elf Zechen Feierschichten einlegen will, wäre die Frage zu stellen: Sind das nun punktuelle Feierschichten, oder ist das allgemein über die gesamte Gesellschaft gestreut, ohne Rücksicht darauf, welche Gesellschaften mit roten Zahlen arbeiten
oder welche Gesellschaften mit schwarzen Zahlen arbeiten?
Ich meine, daß unsere heutige Debatte leider für den Bergmann selbst nicht allzu produktiv war. Wir haben leider etwas zuwenig debattiert. Es wurden von Anfang an etwas zuviel Monologe gehalten, so daß die ganze Geschichte nicht so sehr in eine echte Auseinandersetzung gekommen ist.
Es berührt mich etwas merkwürdig, wenn von seiten der Regierungskoalition - von der CDU und der FDP - heute die Regierung gefragt wurde, was in der Strukturpolitik bei den schwierigen Problemen im Steinkohlenbergbau insgesamt getan worden sei und was getan werden solle. Ich glaube, diese Art der Darstellung, irgendwo irgendwen als Schuldigen zu suchen, ist nicht so ganz vertretbar. Sind doch die Fragesteller zusammen mit der Bundesregierung maßgeblich dafür verantwortlich, daß wir diese Entwicklung zu verzeichnen haben und diese Probleme, wie sie dargestellt worden sind, vor uns liegen.
Der Herr Bundesarbeitsminister hat heute morgen darauf hingewiesen, dem Bergmann müsse in seiner jetzigen Situation geholfen werden. Hier ist es doch erlaubt, die Frage zu stellen: Warum ist der Bergmann in der jetzigen Situation? Warum ist er in diese Situation hineingekommen? Der Katalog eines sogenannten sozialen Strukturprogramms, der hier vorgelegt worden ist, ist doch praktisch fast überwiegend eine Aufzählung all der bis jetzt nicht ausreichenden Maßnahmen, die in der Vergangenheit schon angewendet worden sind. Auf jede einzelne Maßnahme ist jetzt noch ein Pflästerchen gesetzt worden. Diese neuen Maßnahmen sollen wiederum ausreichen, mit den jetzigen Problemen des Steinkohlenbergbaues fertigzuwerden. Ich glaube nicht, daß dieses Strukturprogramm ausreicht, dem Restbestand eines Bergbaus - soweit wir ihn für notwendig erachten - auch die genügende Anzahl leistungsfähiger junger Bergleute zuzuführen oder zu erhalten. Es besteht zwar Einigkeit in der Aussage darüber, daß alles getan werden muß, damit sich der Strukturwandel nicht zu Lasten der Bergarbeiter und der im Bergbau Beschäftigten vollzieht; aber darüber, wie das im einzelnen geschehen soll, bestehen, glaube ich, doch noch manche unterschiedlichen Meinungen, und dafür gibt es manche unterschiedlichen Vorschläge - gerade im sozialpolitischen Bereich. Wenn man fragte, ob die bisher ergriffenen Maßnahmen ausreichen, so wurde von der Bundesregierung und der Koalition acht Jahre lang immer wieder betont: Ja, die bisher vorgeschlagenen und ergriffenen Maßnahmen reichen aus. Nach kurzer Zeit gab es immer wieder eine Energiedebatte. Es stellte sich heraus, daß die Maßnahmen nicht ausreichten, und es wurde wieder etwas ergänzt.
Ich darf ein Beispiel anführen. Ein Vorschlag der Bundesregierung beispielsweise sieht erfreulicherweise vor, die Frage der Altersgrenze von 55 Jahren wieder in Angriff zu nehmen. Den Vorschlag, der jetzt gemacht wird, hätten Sie schon im Jahre 1963 haben können. Da lag er nämlich bereits als Kompromißvorschlag von uns im Ausschuß und hier
Hörmann ({3})
im Plenum, und diese Regelung hätte ohne weiteres schon damals eingeführt werden können. Jetzt, 1966, kämen wir mit dieser Maßnahme zwar immerhin ein Stück weiter, aber Sie kommen wieder sehr spät. Wir werden uns über die Vorschläge zum Problem der Altersgrenze im Ausschuß unterhalten müssen. Ich will das heute abend hier nicht mehr tun. Wir wollen nur hoffen, daß es uns gelingt, Sie davon zu überzeugen, daß es zweckmäßig ist, etwas weitergreifende Maßnahmen in Angriff zu nehmen, nicht nur immer wieder Stückchen für Stückchen langsam weiterzugehen. Wir müssen dabei immer wieder feststellen, daß wir von der Entwicklung vollkommen überrollt werden und mit den sozialpolitischen Maßnahmen nachhinken.
Der Herr Bundeswirtschaftsminister hat heute morgen gesagt, wir sollten uns gerade heute daran erinnern, was die Bergleute, als wir weder ausreichenden Hausbrand noch Industriekohle hatten, zur Überwindung unserer Not geleistet haben. Viele sind damals in den Bergbau gegangen, weil sich hier eine Chance einer neuen, sicheren Existenz bot. Für diese Leistungen sind wir alle dem Bergmann Dank schuldig. - Wenn das ernst gemeint ist- und wir wollen es ernst meinen -, ist es notwendig, daß wir nicht nur Worte, schöne Worte hier im Plenum oder draußen in der Öffentlichkeit sagen, sondern daß wir auch tatsächlich entscheidende Maßnahmen ergreifen, um mit diesen Problemen fertigzuwerden.
Ich bin nicht dafür, um jeden Preis allen Bergleuten ihre schwere und gefährliche Tätigkeit weiter zuzumuten. Aber unsere Aufgabe ist es, schnell und ausreichend zu helfen, um die Veränderung und die Anpassung zu ermöglichen. Dabei ergeben sich die größten Schwierigkeiten bei den älteren Bergleuten über 50 Jahre. Dazu machen wir entsprechende Vorschläge. Wenn es unsere Aufgabe ist, schnell und richtig zu helfen und vernünftige Lösungen zu finden, dann werden wir in den kommenden Wochen versuchen müssen, über die jetzt vorliegenden Anträge - das ist unsere Bitte - so schnell wie möglich und positiv zu entscheiden. Ich glaube, die heutige Lage und auch die Entwicklung beweisen erstens, daß die Annahme der Vorschläge der Sozialdemokratischen Partei in den vergangenen acht Jahren, als wir uns über Energiepolitik und Sozialpolitik in diesem Rahmen unterhielten, die Gewitterwolken an der Ruhr hätte vermeiden, helfen, und zweitens, daß alle Maßnahmen, die die Bundesregierung bisher ergriffen hat, zu spät ergriffen worden sind und nicht genügen. Versuchen wir deshalb jetzt gemeinsam, bessere Regelungen zu finden!
Wir beantragen, den Antrag der sozialdemokratischen Fraktion zur Änderung des Reichsknappschaftsgesetzes an den Sozialpolitischen Ausschuß zu überweisen. Wir beantragen weiter, den Antrag der Fraktion der SPD auf Drucksache V/391 zu Punkt 1 bis 4 an den Wirtschaftsausschuß als federführenden Ausschuß und an den Finanzausschuß zur Mitberatung, zu Punkt 5 und 6 an den Ausschuß für Arbeit und zu Punkt 7 ,an den Ausschuß für Kommunalpolitik, Raumordnung, Städtebau und Wohnungswesen zu überweisen.
({4})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Russe.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wer je in seinem Leben den Abbauhammer in den Kohlenstoß gedrückt hat, also das harte Los der Kumpels am Knapp, wie es in der Sprache der Bergleute heißt, selbst kennengelernt hat, der kann, glaube ich, vorurteilslos ermessen, in welcher Spannung die arbeitenden Menschen am Rhein, an der Ruhr und auch an der Saar diese Debatte in diesem Hohen Hause erwartet haben und auch verfolgt haben werden. Diese Menschen an oder auf der Kohle suchen - übrigens mit uns - seit langem nach ihrem zukünftigen Standort in unserer modernen Industriegesellschaft. Denn diese Menschen empfinden dem Ganzen gegenüber ihre Eingliederung in dem Lebensraum der Kohle als mit Unsicherheiten belastet, die sie nicht abzumessen vermögen. Das wird niemand in diesem Hohen Hause bestreiten, und das hat heute auch keiner bestritten. Was wundert es, daß eine bestimmte Lebens- und Zukunftsangst unsere Kumpels, aber auch gleichzeitig diejenigen erfaßt hat, die als Gewerbetreibende, als Zubringer usw. von der Kohle mitleben. Was Wunder, daß alle, die von der Krise im Bergbau betroffen sind, sich in Gruppen und Verbände flüchten, die ihre innere Unruhe in die Öffentlichkeit hineintragen, mit all den möglicherweise darauf erwachsenden Gefahren für unsere Demokratie, ja, für unseren Staat. Auch darüber sind wir uns heute in diesem Hohen Hause einig gewesen.
Meine Damen und Herren, von dieser Situation gehen wir aus - und von dieser Situation müssen wir ausgehen -, wenn wir die ganzen Aufgaben unserer sozialen Marktwirtschaft erkennen - nein, besser: bestimmen - wollen, um die jetzige kritische Lage im Bergbau meistern zu können. Herr Kollege Arndt ist nicht mehr hier. Ich wollte diese Aussage gerade ihm gegenüber in aller Deutlichkeit machen. Dieses Problem, das die Freiheit und Sicherheit von Menschen, zugleich aber auch die Neuordnung eines Teils unserer Wirtschaft im Rahmen einer fortschrittlichen Gesellschaftspolitik betrifft, zu lösen, muß nicht, wie es oft zum Ausdruck gebracht wird oder auch wurde, hoffnungslos sein. Nein, wenn Entsprechendes getan wird, ist es zu meistern. Doch wir selbst müssen zugleich davon auch überzeugt und ebenso auch willens sein, es zu meistern.
Gerade deshalb sind die heute von der Bundesregierung vorgenommene Beantwortung der Großen Anfrage der CDU/CSU und der Koalitionsfraktion, aber auch die im einzelnen von den Ministern Schmücker und Katzer genannten beabsichtigten Maßnahmegesetze zu begrüßen, und zwar deshalb, weil, basierend auf der Regierungserklärung des, Herrn Bundeskanzlers, überzeugend zum Ausdruck gebracht wurde: Marktwirtschaftliche Prinzipien mit gesellschaftspolitischen Elementen im Sinne einer neuen Dimension zu erfüllen, verlangt von uns unabdingbar, gewissen Teilen unserer Gesellschaft und hier und heute dem Bergbau - weil er in besonderem Maße dem Druck wirtschaftlicher Dyna1374
Russe ({0})
mik ausgesetzt ist, weil er durch Konkurrenzprodukte beeinträchtigt wird - den Übergang zu einer neuen, tragbaren Situation mit allen Mitteln zu sichern.
Wir müssen nun einmal in der sozialen Marktwirtschaft auf der einen Seite den Fortschritt bejahen, aber auf der anderen Seite zugleich die Notwendigkeit von Anpassungen, etwa durch Umstrukturierung, aber auch durch Subventionen oder andere Maßnahmen, zugestehen, um eben den Übergang in die neue Marktsituation konstruktiv zu erleichtern. Dazu gehört auch die vom Herrn Bundesminister für Wirtschaft angebotene finanzielle Hilfe zur Verhinderung der durch eventuelle Feierschichten entstehenden Lohneinbußen der Bergleute. Wir bekennen uns zu dieser Absicht, Herr Kollege Ollesch, wenn wir auch über die Form ohne Zweifel noch diskutieren können und diskutieren müssen.
Meine Damen und Herren, Gesellschaftswissenschaftler von heute geben uns den Namen einer Wirtschaftsgesellschaft. Sie wollen damit zum Ausdruck bringen, daß die heutige moderne Wirtschaft zu einem wichtigen, die ganze Gesellschaft prägenden Faktor geworden ist. Das ist richtig. Die heutige industrielle Wirtschaft ist aber ebenso auch zu einer ungeheuer feinnervigen und aufeinander angewiesenen Solidargemeinschaft zusammengewachsen. Denn in einem nicht beendeten Prozeß der Arbeitsteilung, des Austauschs von Gütern und Dienstleistungen, ist für eine soziale Bezogenheit der einzelnen wie auch der Leistungsgruppen untereinander der Grund gelegt worden. Sie verleiht dem einzelnen - übrigens weit über den Bereich des Bergbaus hinaus - Leben und Wohlstand, dem Ganzen Stabilität und Dauer, aber nur dann, wenn das Grundgesetz der Solidarität von uns allen dabei geachtet wird. Die Verneinung dieser Grundstruktur unserer modernen Wirtschaftsgesellschaft und auch der utopische Glaube an einen natürlichen Ablauf der Wirtschaft haben unserer Zeit soziale Fragen beschert, die das Gefüge unserer Gesellschaft zu zerbrechen drohten. Wir alle haben die Folgen am eigenen Leibe verspürt.
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Um so erfreulicher ist es, feststellen zu können, daß die Bundesregierung in Anerkennung der Interdependenz von Wirtschafts- und Sozialpolitik heute neben der Verkündung eines langfristigen wirtschaftlichen Strukturprogramms gleichzeitig ihren Willen kundgetan hat, in einem sozialen Strukturprogramm Sofortmaßnahmen für den Bergmann und seine Familie zu ergreifen, auf daß weitere soziale Härten vermieden werden. Eben um der Ausschaltung weiterer sozialer Härten, meine Damen und Herren, darf es keine neuen Zechenstillegungen ohne Sozialplan geben. Darin stimmen wir ohne Vorbehalt mit dem Herrn Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung überein. Ebenso richtig ist es, daß Hilfsmaßnahmen der Bundesregierung, soweit sie über die Unternehmen abgewickelt werden, nur dort gewährt werden können, wo die Stillegung von Zechen durch Sozialpläne sorgfältig vorbereitet, besser abgesichert ist. Denn nur unter einer solchen Voraussetzung werden die Bergleute und ihre Familien das Gefühl der Sicherheit, aber auch ihrer Freiheit und Freizügigkeit bewahren und behalten können. Nur in einer solchen Grundlegung werden die Bergleute und ihre Familien die Garantie zum Aufbau einer neuen Existenz und zur Sicherung ihrer Wohnung, wenn es notwendig ist, im Einzelfall, erblicken können.
Meine Fraktion ist deshalb in Übereinsitmmung mit der Auffassung des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung der Meinung, daß dieses Sozialprogramm wirtschaftlich begründet ist und deshalb - um noch einmal die Interdependenz von Wirtschafts- und Sozialpolitik hier herauszustellen - dazu angetan ist, die wirtschaftlichen Umstrukturierungsprozesse im Kohlenbergbau zu erleichtern, was für die Sicherung der Arbeitsplätze ebenso wichtig ist. Das ist sicherlich, Herr Kollege Friderichs, auch eine strukturpolitische Maßnahme, die Sie mit Recht gefordert haben.
Meine Damen und Herren, es versteht sich daher von selbst, daß wir auch die Einzelmaßnahmen des Sozialprogramms, die erstens eine .Änderung des RKG, zweitens eine Änderung der Richtlinien über die Gewährung von Beihilfen für die Arbeitnehmer des Steinkohlenbergbaues, die von Maßnahmen im Sinne des Artikels 56 Abs. 2 des Montanunionsvertrages getroffen werden, und drittens eine Änderung des AVAVG vorsehen, vollauf unterstützen.
Der Bundesarbeitsminister hat überzeugend dargelegt, welche Wirkungen diese Maßnahmengesetze für unsere Bergarbeiter und ihre Familien haben werden. Wir haben uns bei ihm dafür zu bedanken, aber ebenso auch für die Mitarbeit in seinem Ressort. Damit wird den Bergleuten erneut dokumentiert, daß ihre einmaligen Leistungen nach 1945 von meiner Partei nicht vergessen sind. Wir wissen nach wie vor um die Bereitschaft, den Arbeitswillen, ja die selbstlosen Opfer der Bergleute nach 1945, die ganz erheblich dazu beigetragen haben, unseren wirtschaftlichen Wiederaufstieg mit möglich zu machen. Meine Damen und Herren, ich sagte, wir vergessen das nicht.
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- Herzlichen Dank.
Deshalb wird den Menschen aus der Anerkennung unserer Verpflichtung zu einer Solidarität, zu einer Solidarität des ganzen Volkes heraus eben diese Hilfe zuteil werden, die wir jetzt zur Verfügung stellen. Nun, Neumalkluge werden uns vielleicht jetzt vorrechnen - das ist ja auch geschehen - oder aufzeigen, daß dieses Sozialprogramm der Bundesregierung zuviel oder auch zuwenig bringt. Nun, über Einzelheiten - Herr Kollege Hörmann, da bin ich mit Ihnen einig - werden wir uns in den damit zu befassenden Ausschüssen zu unterhalten haben. Mir scheint es abwegig zu sein, aus dieser oder jener Betrachtungsgrundlage hier sofort die kritische Sonde anlegen zu wollen. Das darf nicht geschehen. Aber das schließt nicht aus, sich noch kurz mit den sozialpolitischen Vorstellungen der Opposition auseinanderzusetzen.
Herr Kollege Arendt, Sie haben heute morgen für die Opposition in diesem Sachzusammenhang
Russe ({3})
gefordert, daß für langjährige Bergleute mit Vollendung des 55. Lebensjahres das vorgezogene Knappschaftsruhegeld gewährt werden soll. Nun, Herr Kollege Arendt, ich darf Ihnen entgegenhalten: unter Zugrundelegung des von der Bundesregierung beschlossenen und dem Bundesrat bereits zugeleiteten Änderungsgesetzes zum RKG soll dieser Personenkreis, soweit er jetzt noch im Bergbau beschäftigt ist und seine Tätigkeit aufgibt, nach unserer Meinung ebenfalls eine Knappschaftsausgleichsleistung in Höhe von monatlich durchschnittlich 650 DM erhalten. Findet er dann noch eine andere Arbeit - und das wünschen wir ihm -, so wird ihm sein neuer Lohn nicht auf die Knappschaftsausgleichsleistung angerechnet. Das ist doch etwas! Das sind übrigens 94 % des augenblicklichen Hauerdurchschnittslohns.
Unter Berücksichtigung dieser Tatsache ist zu bedenken, daß das von Ihnen geforderte vorgezogene Knappschaftsruhegeld, würden wir Ihren Vorstellungen folgen, für die einzelnen Versicherten um 25 % höher wäre als die Knappschaftsausgleichsleistung. Es würde außerdem 100% des Nettoverdienstes eines Vollhauers ausmachen. Ich frage: ist das denn dem Vollhauer unter Tage zuzumuten? Ist es auch jenen Arbeitnehmern der übrigen Wirtschaft zuzumuten, die als Erwerbsunfähige eine Rente erhalten, die um rund 300 DM niedriger liegt als die Knappschaftsausgleichsleistung?
Durch eine solche generelle Herabsetzung der Altersgrenze würden auch die Bergleute in den Genuß dieser hohen Leistung kommen, die bereits mehrere Jahre außerhalb des Bergbaues tätig sind und sich eine entsprechende anderweitige Lebensstellung aufgebaut haben.
Das alles müssen wir bedenken. Ich weiß schließlich nicht, ob es psychologisch klug ist, daß dieser Personenkreis schon als Altersrentner abgestempelt wird oder sich als solcher fühlen muß.
Herr Abgeordneter Büttner möchte eine Frage stellen.
Bitte schön, Herr Kollege!
Herr Kollege, sind Sie sich bei Ihren Ausführungen im klaren darüber, daß Sie von der Knappschaftsausgleichsleistung sprechen und sagen, daß sich das auch auf früher im Bergbau Beschäftigte bezieht, die dann die Knappschaftsleistungen in Anspruch nehmen könnten und damit mehr hätten? Wissen Sie nicht, daß es Fristen gibt und auch in dem Gesetzentwurf Fristen vorgesehen sind, so daß das, was Sie hier darstellen, völlig unmöglich ist?
Herr Kollege Büttner, ich bin nicht Ihrer Auffassung, wenn ich Ihnen auch zweifellos zugestehe, daß Sie als Bediensteter
der Knappschaft über diesen Problemkreis sicherlich noch eingehender unterrichtet sind als ich.
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- Das ist ein Fortschritt. Ich bekenne mich zum Fortschritt. Das habe ich immer getan. Darüber gibt es gar keinen Zweifel. Trotz alledem besteht die Gefahr - sie muß geprüft werden -, daß auch solche Personen, die in Ihrem Gesetzentwurf vorgesehene Möglichkeit haben werden. Wir werden uns darüber durchaus verständigen können. Ich glaube, in diesem Augenblick ist eine weitere Diskussion hierüber nicht angebracht, Herr Kollege Büttner.
Herr Abgeordneter Büttner möchte eine weitere Frage stellen.
Ich darf bitten, zunächst einmal den Mut zu haben, mich weiter anzuhören. Ich glaube, ich habe diese Frage hinreichend beantwortet.
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- Verzeihen Sie, Herr Kollege Büttner, ich würde das an Ihrer Stelle nicht so apodiktisch sagen. Ich habe Ihnen gesagt, daß diese Gefahr ernsthaft besteht und daß sie geprüft werden muß. Ich möchte meinen, daß Sie sich in diesem Moment mit dieser Aussage durchaus zufrieden geben können.
Ich weiß schließlich nicht, ich wiederhole es, meine Damen und Herren, ob es psychologisch klug ist, daß dieser Personenkreis schon als Altersrentner abgestempelt wird oder sich als solcher fühlen muß.
Ich frage weiterhin: müssen wir nicht trotz aller besonderen Solidarhaftung, von der ich für die Bergleute vorweg gesprochen habe, und zu der ich mich erneut bekenne, Bedenken haben, was für die übrigen Arbeitnehmer in der deutschen Sozialversicherung als Folge eintreten könnte, bei denen die traditionellen Altersgrenzen jetzt noch bei 65 bzw. 60 Jahren liegen? Zumindest müssen wir die präjudizierende Wirkung in der Rentenversicherung für Arbeiter und Angestellte - jedenfalls in bestimmten Gruppen - klar erkennen und auch darüber in eine ernste Prüfung eintreten.
Sodann fordert die Opposition, die Knappschaftsausgleichsleistungen bereits mit Vollendung des 50. Lebensjahres - statt bisher des 55. Lebensjahres
- zu gewähren und die bisher im Gesetz festgelegten Wartezeiten für diese wesentlich herabzusetzen.
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- Ich weiß, warten Sie ab, ich werde auch das noch sagen. Das würde alle in Betracht kommenden Untertagearbeiter und zirka 30% der in Betracht kommenden Übertagebelegschaft in den Genuß einer solchen Leistung bringen können.
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Russe ({3})
- Ich habe - auf den Kreis bezogen - gesagt: bringen können. Ich habe' Ihren Antrag sehr genau ' studiert.
Aber auch hier gilt es zu bedenken, daß bei aller Anerkennung, daß die Erwerbsfähigkeit dieses Personenkreises schon beeinträchtigt sein mag, es psychologisch klüger und verantwortungsbewußter zu sein scheint, zunächst darum besorgt zu bleiben, den betroffenen Personenkreis auf dem übrigen Arbeitsmarkt unterzubringen. Ich frage hier ergänzend: Ist es ernsthaft zu vertreten, daß an noch auf dem Arbeitsmarkt einsatzfähige Versicherte eine Leistung in Höhe von 400 bzw. 450 DM gewährt wird? Müssen wir nicht damit rechnen, daß die Höhe einer solchen Leistung die über 50jährigen Bergleute gerade dazu veranlassen würde, sich vom Bergbau abzukehren, weil eine solche Leistung - auch nach der Vorstellung der Opposition - nur gewährt werden soll, wenn der Bergmann nicht mehr in einem Knappschaftsbetrieb tätig ist? Ich meine, wir sollten die Freiheit, die Freizügigkeit auch bei diesen Menschen nicht irgendwie zu beeinflussen versuchen. Wir müssen darüber reden. Wir haben doch das Recht und auch die Pflicht, als Regierungskoalition in dieser Form Stellung zu nehmen.
Ich muß schließlich auch auf die höheren Aufwendungen des Bundes hinweisen, die zwischen 250 und 350 Millionen DM liegen würden, wenn wir den Vorstellungen der Opposition folgen würden. Das ist schließlich eine hohe Summe, und unbestreitbar müßte sie aufgebracht werden, wenn die Not in diesem Personenkreis der 50- bis 55jährigen so groß wäre, wie sie schon des öfteren, aber nicht ganz überzeugend dargestellt worden ist.
Zu den Ziffern 5 bis 7 des Antrages der SPD-Fraktion auf Drucksache V/391 ist folgendes zu sagen. Der Forderung des Antrages Ziffer 5 auf Intensivierung der sozialen Ausgleichsmaßnahmen wird durch die vom Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung vorgetragene Verbesserung der Beihilfen nach dem EGKS-Vertrag voll Rechnung getragen. Diese Beihilfen können außerdem - zum Teil mindestens - aus dem 100-Millionen-Fonds des Landes Nordrhein-Westfalen verbessert werden. Wir haben die große Hoffnung, daß die Landesregierung hier eine entsprechende Unterstützung zuteil werden läßt. Im einzelnen führen Sie in Ihrem Antrag auch gar keine Beihilfen auf, die nicht schon in Art. 56 Abs. 2 des Montanunionvertrages vorgesehen wären.
Was die von Ihnen gewünschte Einführung von Umschulungslehrgängen betrifft, so plant meines Wissens das Landesarbeitsamt von Nordrhein-Westfalen bereits solche Lehrgänge. Ich kenne außerdem die diesbezüglichen darüber hinausgehenden Intentionen des Bundesarbeitsministers sehr gut, einen Ausbau dieser Umschulungsmaßnahmen vorzunehmen. Es ist zu begrüßen und bleibt ersthaft zu prüfen, ob nicht auch hier der 100-Millionen-DMFonds von Nordrhein-Westfalen in sehr starkem Maße für die Umschulung verwendet werden kann.
Sodann die Forderung in Ziffer 6 des Antrags der SPD, solchen Arbeitnehmern, die aus dem Bergbau
ausscheiden und nicht für eine Rente aus der Knappschaftsversicherung in Frage kommen, eine Abfindung zu geben. Nun, das wird durch die Verbesserung der Montanunionbeihilfen doch auch erledigt. Es ist doch vorgesehen - Sie haben das aus dem Munde des Bundesarbeitsministers gehört -, daß die Abfindung künftig auf 4000 DM heraufgesetzt werden soll und daß diesen Betrag nicht nur Arbeitnehmer erhalten, die bereits „angeschlagen" sind
- wenn ich mir diesen Ausdruck erlauben darf -, sondern auch solche, die eine Rente beziehen und solche ehemaligen Bergleute, die das 50. Lebensjahr vollendet, eine Versicherungszeit von 20 Jahren im Bergbau und davon 15 Jahre als Hauer unter Tage zurückgelegt haben.
Ein letztes Wort zu diesem Komplex. Die in Ziffer 7 des Oppositionsantrags geforderte Rechtsverordnung betreffend Bergarbeiterwohnungen, die klarstellen soll, unter welchen Voraussetzungen die von Zechenstillegungen betroffenen Bergarbeiter ihre Wohnberechtigung behalten sollen, wird - ich habe mich darüber im Bundesministerium für Wohnungswesen und Städtebau erkundigt - vorbereitet. Der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung ist daran beteiligt. Auch wir hegen den Wunsch - da stimmen wir Ihnen zu-, daß diese Rechtsverordnung möglichst bald die noch vorhandenen Unklarheiten beseitigt.
Herr Abgeordneter Russe, Herr Abgeordneter Könen möchte eine Zwischenfrage stellen.
Herr Russe, irre ich mich, läßt mich mein Gedächtnis im Stich: Haben Sie nicht vor einiger Zeit gesagt, alle diese Dinge, die Sie jetzt im einzelnen besprechen, könnten nicht hier besprochen werden, sondern müßten im Ausschuß besprochen werden?
Verzeihen Sie, ich habe gesagt, das, was der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung vorgetragen habe, solle hier nicht im einzelnen besprochen werden. Aber Ihr Oppositionsantrag sollte von mir besprochen werden. Ich glaube, es ist eine gute Übung des Hauses, daß das selbstverständlich ist.
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- Vielen Dank! Die Prophezeiungen müssen Sie freundlicherweise mir überlassen, Herr Kollege.
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- Vielen Dank! Dann sind wir uns wieder einig.
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- Wenn Sie das als Prophetie hier darzustellen belieben, dann ist das sicherlich in Ihr persönliches Belieben gestellt. Aber ich könnte mir ebenso deutlich vorstellen, daß andere Leute in diesem Hause andere Auffassungen haben. Ich weiß, Herr Kollege Könen, es paßt Ihnen nicht immer alles, was geRusse ({3})
sagt wird. Es paßt Ihnen vor allem das nicht, was in Wahrheit gesagt wird.
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Herr Abgeordneter Könen, wir wollen nicht beleidigen. Wir wollen den Ton nicht aufkommen lassen.
Verzeihen Sie! Ich weiß dann gar nicht, warum Sie überhaupt diese komische Zwischenfrage stellen, wenn Sie sich hinterher beleidigt fühlen.
Am besten, Herr Abgeordneter Russe, fahren Sie fort. Das wird die Sache beschleunigen.
Herr Präsident, dann würde ich ebenso herzlich darum bitten, daß in Zukunft auch solche Zwischenfragen entsprechend kommentiert werden können.
Meine Damen und Herren, aus all diesen Ausführungen darf ich wohl zusammenfassend feststellen: Das, was heute in diesem Hause in der Beantwortung der Bundesregierung, vorgetragen vom Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung, im einzelnen ausgeführt worden ist, läßt eindeutig erkennen, daß es uns um die Menschen geht und daß es uns um das weitere Schicksal eines jeden einzelnen Bergarbeiters und seiner Familie redlich zu tun ist. Die materielle, berufliche, auch die wohnungsmäßige, schlechthin die soziale Grundlage der Bergarbeiter für unseren Zuständigkeitsbereich auch weiterhin zu garantieren, auf der sich dann das persönliche Leben dieser Staatsbürger verwirklichen kann, das ist unser Ziel und das ist das Ziel der Bundesregierung. Ist dieser Zweck gemeinsam mit dem langfristigen wirtschaftlichen Strukturprogramm erreicht, dann können wir uns auch in diesem Wirtschaftszweig wieder wirtschaftlich, aber ebenso auch sozial optimal ergiebig nennen, weil so, glaube ich, die umfassende Wohlfahrt aller garantiert ist und bleibt. Der Herr Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung hat heute morgen der IG Bergbau und Energie für ihr bisheriges objektives Verhalten bei der Lösung des Kohleproblems gedankt. Ich schließe mich dieser Laudatio aus voller Überzeugung an, meine Damen und Herren.
Aber ich muß dann ebenso die Gelegenheit nutzen, erneut etwas herauszustellen, was ich bereits in der Debatte zum Sachverständigengutachten in einer Zwischenfrage an Herrn Kollegen Leber angesprochen habe und was mir im übrigen gemäß Protokoll einen nicht ganz fairen Zwischenruf des Herrn Kollegen Wehner eingebracht hat. Aber, Herr Kollege Wehner, diese Klingen haben wir ja schon öfter außerhalb dieses Hauses gekreuzt.
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- Die Klinge von- Herrn Wehner war gut, ohne
Zweifel; ich bin der letzte, der dem Herrn Kollegen
Wehner in irgendeiner Form das Gute nicht anerkennen würde.
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Ich muß noch einmal zum Ausdruck bringen: Eine Volkspartei - das ist die CDU/CSU, das ist nach Aussage des Fraktionsvorsitzenden der Opposition die SPD; dies hat am 20. Oktober 1965 Herr Kollege Erler im Deutschen Fernsehen betont - kann nicht das automatische Vollzugsorgan der Gewerkschaften sein. Meine Damen und Herren von der Opposition, damit sind wir einverstanden. Das haben wir auch immer vertreten. Aber ebenso wie Sie betonen wir hier und heute in dieser Sachdebatte erneut, daß wir ebenso wie Sie keine Identität, wohl aber eine freundschaftliche Partnerschaft mit den Gewerkschaften haben.
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Wenn Sie trotz Ihres Gesinnungswandels gegenüber den Gewerkschaften - der ja offenbar geworden ist - uns bisher immer noch bestritten haben oder weiterhin bestreiten sollten, daß wir keine freundschaftliche Partnerschaft zu den Gewerkschaften hätten, daß vielmehr Sie allein in einer freundschaftlichen Partnerschaft mit den Gewerkschaften stünden, - nun denn: mit diesem Sozialprogramm beweisen meine Fraktion und der von ihr gestellte Minister für Arbeit und Sozialordnung, mit diesem langfristigen wirtschaftlichen Strukturprogramm beweisen meine Fraktion und der von ihr gestellte Minister für Wirtschaft, damit beweist die ganze Bundesregierung, daß sie sich nicht nur in den Vorberatungen, u. a. mit den Gewerkschaftlern, sondern schlechthin für das Wohl der Bergarbeiterschaft, ja der gesamten deutschen Arbeitnehmerschaft verantwortlich fühlen.
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Dafür bedanken wir uns bei dieser Bundesregierung.
Abschließend darf ich für meine Fraktion feststellen: wir begrüßen die Initiative, die heute in überzeugender Weise durch den Herrn Bundeswirtschaftsminister in der Form des langfristigen Strukturprogramms zur Kenntnis gebracht worden ist. Wir bgrüßen die Initiative, die mit dem sozialen Strukturprogramm in ebenso überzeugender Weise von dem Minister für Arbeit und Sozialordnung aufgezeigt worden ist. Wir wissen, daß mit dieser Initiative die Möglichkeit gegeben ist, eine Neuordnung des Kohlenbergbaus in gesellschaftspolitischer Sicht zu erreichen.
Wir stimmen der Überweisung der Anträge an die Ausschüsse zu.
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Die Herren Abgeordneten Professor Stein, Dr. Müller-Hermann, Dr. Philipp und Springorum haben ihre Ausführungen zu Protokoll gegeben. Herr Dr. Elbrächter verzichtet auf das Wort.
Damit sind wir am Ende der Aussprache. Der Gesetzentwurf Drucksache V/390 soll an den Ausschuß für Sozialpolitik - federführend - und an den Haushaltsausschuß - mitberatend und gemäß § 96
Vizepräsident Dr. Dehler
der Geschäftsordnung - überwiesen werden. Kein Widerspruch; die Überweisung ist beschlossen.
Der Antrag der Fraktion der SPD V/ 391 soll nach dem Antrag des Herrn Abgeordneten Hörmann in seinen Ziffern 1 bis 4 an den Wirtschaftsausschuß - federführend -, an den Finanzausschuß - mitberatend - sowie an den Haushaltsausschuß - mitberatend und gemäß § 96 der Geschäftsordnung - überwiesen werden. - Sie sind einverstanden; es ist so beschlossen.
In seinen Ziffern 5 und 6 soll dieser Antrag an den Ausschuß für Arbeit - federführend - sowie an den Haushaltsausschuß - mitberatend und gemäß § 96 der Geschäftsordnung - überwiesen werden. - Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.
Schließlich Ziffer 7 des Antrags Drucksache V/391. Hier ist Überweisung an den Ausschuß für Kommunalpolitik, Raumordnung, Städtebau und Wohnungswesen beantragt. - Sie sind einverstanden; es ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 10 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des von den Abgeordneten Frau Jacobi ({0}), Frau Wessel, Wächter und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch .
- Drucksache V/359 Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Auf Aussprache wird verzichtet. Der Gesetzentwurf soll an den Rechtsausschuß überwiesen werden. - Kein Widerspruch; es ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 11 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Bundeswasserstraßengesetzes ({1})
- Drucksache V/352 -Auf Begründung und Aussprache wird verzichtet. Der Gesetzentwurf soll an den Verkehrsausschuß - federführend - sowie an den Ausschuß für Kommunalpolitik, Raumordnung, Städtebau und Wohnungswesen und an den Rechtsausschuß - mitberatend - überwiesen werden. - Kein Widerspruch; es ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 12 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 17. Dezember 1964 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Belgien über die steuerliche Behandlung von Kraftfahrzeugen im deutschbelgischen Verkehr und im Durchgangsverkehr
- Drucksache V/402 Auch hier wird auf Begründung und Aussprache verzichtet. Der Gesetzentwurf soll an den Finanzausschuß - federführend - und den Verkehrsausschuß - mitberatend - überwiesen werden. - Sie sind einverstanden; es ist so beschlossen.
Tagesordnungspunkt 13:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Protokoll vom 22. März 1965 über die Verlängerung des Internationalen WeizenÜbereinkommens 1962
- Drucksache V/403 Es ist Überweisung an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten vorgesehen. - Das Haus stimmt zu.
Tagesordnungspunkt 14:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 29. April 1965 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die Erleichterung von Rettungseinsätzen und Rücktransporten mit Luftfahrzeugen
- Drucksache V/404 Die Vorlage soll an den Finanzausschuß - federführend - und an den Verkehrsausschuß zur Mitberatung überwiesen werden. - Es ist so beschlossen.
Tagesordnungspunkt 15:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 31. Juli 1962 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik zur Regelung verschiedener Grenzfragen
- Drucksache V/405 Vorgesehen ist Überweisung an den Auswärtigen Ausschuß. - Das Haus stimmt zu.
Tagungsordnungspunkt 16:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 8. April 1965 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Sierra Leone über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapitalanlagen
- Drucksache V/415 Die Vorlage soll an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen - federführend - sowie an den Auswärtigen Ausschuß und den Ausschuß für Entwicklungshilfe zur Mitberatung überwiesen werden. - Es ist so beschlossen.
Tagesordnungspunkt 17:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zu der Sechsten Zusatzvereinbarung vom 24. Mai 1965 zum Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich der
Vizepräsident Dr. Dehler
Niederlande über Sozialversicherung über die Anwendung der deutschen Rechtsvorschriften über die Altershilfe für Landwirte
- Drucksache V/416 Die Vorlage soll an den Ausschuß für Sozialpolitik - federführend - und an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zur Mitberatung überwiesen werden. - Das Haus stimmt zu.
Tagesordnungspunkt 18:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Eignungsübungsgesetzes
- Drucksache V/419 Die Vorlage soll an den Verteidigungsausschuß überwiesen werden. - Es ist so beschlossen.
Ich rufe dann den Tagesordnungspunkt 19 auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes über Kreditermächtigungen aus Anlaß der Erhöhung der Beteiligungen der Bundesrepublik Deutschland an dem Internationalen Währungsfonds und an der Internationalen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung
- Drucksache V/244 Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Mittelstandsfragen
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- Drucksache V/412 - ({3})
Hierzu liegt der Bericht des Herrn Abgeordneten Matthöfer vor. Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Wünscht der Herr Berichterstatter das Wort? - Das ist nicht der Fall. Das Wort zur Aussprache wird auch nicht begehrt. Änderungsanträge liegen nicht vor.
Wer dem Gesetz einschließlich Einleitung und Überschrift in der zweiten Beratung zustimmen will, gebe bitte ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das Gesetz ist in zweiter Beratung einstimmig angenommen.
Ich eröffne die
dritte Beratung. - Keine Wortmeldungen.
Wer dem Gesetz im ganzen zustimmen will, erhebe sich bitte. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das Gesetz ist in dritter Beratung einstimmig angenommen.
Ich rufe dann die Tagesordnungspunkte 20 bis 24 auf:
20. Beratung des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft und Mittelstandsfragen ({4}) über die von der Bundesregierung erlassene Siebente Verordnung zur Änderung der Außenwirtschaftsverordnung
- Drucksachen V/158, V/407 -Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Serres
21. Beratung des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft und Mittelstandsfragen ({5}) über die von der Bundesregierung erlassene Dreiundzwanzigste Verordnung zur Änderung der Einfuhrliste - Anlage zum Außenwirtschaftsgesetz - Drucksachen V/304, V/410 - Berichterstatter: Abgeordneter Lange
22. Beratung des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft und Mittelstandsfragen ({6})
über die von der Bundesregierung erlassene Zehnte Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1966 ({7})
über die von der Bundesregierung erlassene
Sechzehnte Verordnung zur .Änderung des
Deutschen Zolltarifs 1966 ({8})
- Drucksachen V/258, V/287, V/408 - Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Serres
23. Beratung des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft und Mittelstandsfragen ({9}) über die von der Bundesregierung erlassene Siebzehnte Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1966 ({10})
- Drucksachen V/288, V/409 -Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Staratzke
24. Beratung des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft und Mittelstandsfragen ({11}) über die von der Bundesregierung erlassene Einundzwanzigste Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1966 ({12})
- Drucksachen V/346, V/411 - Berichterstatter: Abgeordneter Schmidhuber
Es handelt sich um Berichte des Ausschusses für Wirtschaft und Mittelstandsfragen. Es ist keine Beschlußfassung, sondern nur Kenntnisnahme erforderlich. - Das Haus nimmt von diesen Berichten Kenntnis.
Damit sind wir am Schluß der Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung ein auf morgen, Donnerstag, den 17. März 1965, 9 Uhr.
Die Sitzung ist geschlossen.