Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung soll die Tagesordnung erweitert werden um die
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gasöl-Verwendungsgesetzes - Landwirtschaft
- Drucksachen V/3375, V/3581, V/3877 ({0}), V/4402 und um die
Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für das Bundesvermögen ({1}) betr. Zustimmung des Bundestages zur Ausgabe stimmrechtsloser Vorzugsaktien durch die Deutsche Lufthansa AG ({2})
- Drucksachen V/4324, V/4403 -.
Das Haus ist mit dieser Erweiterung der Tagesordnung einverstanden.
Mit Schreiben vom 12. Juni 1969 hat die Fraktion der CDU/CSU mitgeteilt, daß sie als Nachfolger für den Abgeordneten Even, der aus dem Gremium gemäß § 9 Abs. 1 des Gesetzes zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses ausscheidet, den Abgeordneten Dr. Lenz ({3}) benennt. - Ist das Haus damit einverstanden? - Es erhebt sich kein Widerspruch. Damit ist der Abgeordnete Lenz ({4}) als Mitglied dieses Gremiums bestimmt.
Die folgenden amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der stellvertretende Vorsitzende des Gesundheitsausschusses hat mit Schreiben vom 11. Juni 1969 mitgeteilt, daß der Ausschuß gegen die
Richtlinie des Rates zur vierten Änderung der Richtlinie des Rates vom 5. November 1963 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten für konservierende Stoffe, die in Lebensmitteln verwendet werden dürfen
Richtlinie des Rates zur dritten Änderung der Richtlinie des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriften der MitgliedStaaten für färbende Stoffe, die in Lebensmitteln verwendet werden dürfen
- Drucksache V/3546 -,
die inzwischen vom Rat verabschiedet worden sind, keine Bedenken erhoben habe.
Der Stellvertreter des Bundeskanzlers hat am 10. Juni 1969 gemäß § 30 Abs. 4 des Bundesbahngesetzes vom 13. Dezember 1951 ({5}) den Wirtschaftsplan der Deutschen Bundesbahn mit Erläuterungen und Anlagen sowie den Stellenplan für das Geschäftsjahr 1969 mit der Bitte um Kenntnisnahme übersandt. Sein Schreiben liegt im Archiv zur Einsichtnahme aus.
Das Bundesversicherungsamt hat am 30. Mai 1969 die Abrechnung über die Rentenzahlungen, Beitragserstattungen und Beitragszahlungen für die Krankenversicherung der Rentner in der Rentenversicherung der Arbeiter für das Kalenderjahr 1968 ({6}) vorgelegt. Sein Schreiben liegt im Archiv zur Einsichtnahme aus.
Der Präsident des Bundestages hat entsprechend dem Beschluß des Bundestages vom 25. Juni 1959 die nachstehenden Vorlagen überwiesen:
Verordnung des Rates zur Bestimmung der Verwendung der Guthaben des in Artikel 83 Abs. 1 des früheren Beamtenstatuts der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl bezeichneten Versorgungsfonds
- Drucksache V/4278 überwiesen an den Innenausschuß mit der Bitte um Vorlage des
Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Verordnung des Rates über die Einführung eines mechanischen Kontrollgerätes im Straßenverkehr
- Drucksache V/4279 überwiesen an den Verkehrsausschuß ({7}) und den Arbeitsausschuß mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Verordnung des Rates zur Festsetzung der Beihilfen für die
Erzeugung von Hartweizen für das Wirtschaftsjahr 1969/70
- Drucksache V/4346 überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ({8}) und den Haushaltsausschuß mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Verordnung des Rates zur Festsetzung der Interventionspreise für Rübenrohzucker Im Zuckerwirtschaftsjahr 1969/70
- Drucksache V/4347 überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ({9}) und den Haushaltsausschuß mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Verordnung des Rates zur Festlegung der Sonderbestimmungen, die bei der Einfuhr von unter die Verordnung Nr. 160/66/EWG fallenden Waren mit Ursprung in Marokko in die Mitgliedstaaten angewandt werden
Verordnung des Rates zur Festlegung der Sonderbestimmungen, die bei der Einfuhr von unter die Verordnung Nr. 160/66/EWG fallenden Waren mit Ursprung in Tunesien in die Mitgliedstaaten angewandt werden
- Drucksache V/4310 -
überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Zu der in der Fragestunde der 237. Sitzung des Deutschen Bundestages am 12. Juni 1969 gestellten Frage des Abgeordneten Dröscher, Drucksache V/4306 Nr. 4 *), ist inzwischen die schriftliche Antwort des Staatssekretärs Dr. Maassen vom 16. Juni 1969 eingegangen. Sie lautet:
Die Mitglieder der US-Streitkräfte unterliegen in nichtstrafrechtlichen Angelegenheiten uneingeschränkt der deutschen Gerichtsbarkeit. Für die Zwangsvollstreckung gelten gleichfalls grundsätzlich die allgemeinen Vorschriften. Allerdings können Bezüge, die einem Mitglied einer Truppe oder eines zivilen Ge-
*) Siehe 237. Sitzung, Seite 13178 B
Vizepräsident Dr. Mommer
folges von seiner Regierung zustehen, nur insoweit gepfändet
werden, als das auf dem Gebiet des Entsendestaates anwendbare Recht die Zwangsvollstreckung gestattet. Nach dem Recht der Vereinigten Staaten unterliegen Bezüge, die einem Mitglied der Streitkräfte von seiner Regierung zustehen, nicht der Pfändung. Diese Bezüge können also auch von einem amerikanischen Gläubiger in den USA nicht gepfändet werden. Insoweit bestehen also Einschränkungen. Artikel 34 Abs. 1 des Zusatzabkommens zum NATO-Truppenstatut sieht aber vor, daß die Militärbehörden bei der Durchsetzung vollstreckbarer Titel in nichtstrafrechtlichen Verfahren deutscher Gerichte und Behörden alle in ihrer Macht liegende Unterstützung gewähren.
Die Bundesregierung hat keine Möglichkeit, den Inhabern von Einzelhandelsgeschäften unmittelbar zu helfen. Sie vermag insbesondere kaum, eine Verbesserung der Zahlungsmoral amerikanischer Kunden, die - wie Sie sagen - schlecht sei, herbeizuführen. Es muß den Einzelhandelsgeschäften überlassen bleiben, sich selbst dadurch zu sichern, daß sie bei solchen Kunden mit Verkäufen auf Kredit Zurückhaltung üben.
Die Bundesregierung kann lediglich durch Verhandlungen mit den zuständigen Stellen der US-Streitkräfte darauf drängen, daß die Verpflichtungen aus dem Zusatzabkommen erfüllt werden. Darum bemüht sich die Bundesregierung durchaus und wird sich auch in Zukunft bemühen, falls sich eine unvertretbare Häufung derartiger Fälle zeigen sollte. Die Praxis hat allerdings erwiesen, daß sich im Einzelfall Schwierigkeiten eher beseitigen lassen, wenn die Verhandlungen im lokalen Bereich zwischen den jeweils von den Landesjustizverwaltungen hierfür eingesetzten Organen und der von den USA für derartige Angelegenheiten bestimmten Verbindungsstelle geführt werden.
Verbindungsstellen im Bereich der amerikanischen Streitkräfte sind
1. für das Heer und die Marine:
Office of the Judge, Advocate Division, Headquarters, United States Army in Europe, Heidelberg,
2. für die Luftwaffe:
Office of the Staff Judge Advocate, Headquarters, United
States Air Forces in Europe, Lindsey Air Station, Wiesbaden.
Dann kommen wir zur Tagesordnung. Mir war zwar bis soeben nicht restlos klar, wie das heute ablaufen soll. Ich nehme aber an, daß es bei der Vereinbarung bleibt, daß die fixierten Punkte
({10})
- zunächst Punkt 34 - aufgerufen werden. ({11}) Ich rufe Punkt 34 der Tagesordnung auf:
a) Beratung des Jahresgutachtens 1968 des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung
- Drucksache V/3550 -
b) Beratung des Jahreswirtschaftsberichts 1969 der Bundesregierung
- Drucksache V/3786 -
c) Beratung der von der Bundesregierung beschlossenen Verordnung über die Bildung von Konjunkturausgleichsrücklagen durch Bund und Länder im Haushaltsjahr 1969
Drucksache V/4358 Das Wort hat der Herr Bundesminister für Wirtschaft.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die deutsche Wirtschaft hat ihre volle Leistungskraft erreicht, und diese Leistungskraft steigt unentwegt weiter. Die deutsche Wirtschaft ist seit nunmehr zwei Jahren in einem kräftigen und stetigen Aufschwung. Freie Arbeitsplätze sind reichlich, manchmal zu reichlich vorhanden. Im ersten Halbjahr 1969 wurden 13% mehr produziert als im ersten Halbjahr 1967, dem Halbjahr der Talsohle. 13% mehr - das sind 40 Milliarden Mehrproduktion.
Meine Damen und Herren! Diese zusätzliche Leistungskraft ist die ökonomische Basis des Systems unserer sozialen Sicherung, ist die Basis der Gesundung der Staatsfinanzen. Sie ist die Grundlage sozialer Reformen und weiterer öffentlicher Investitionen zur Erfüllung der notwendigen Gemeinschaftsaufgaben. Hinzu kommt Entscheidendes: Wir alle mit der deutschen Wirtschaft gehen in die siebziger Jahre mit einer neugestärkten und realökonomisch, auch international, voll wettbewerbsfähigen Industrie.
Dieser Erfolg ist uns nicht einfach in den Schoß gefallen. Er ist auch nicht das Kind einer bloßen Konjunkturautomatik, er ist das Ergebnis neuer Energien der Unternehmer und der Arbeitnehmer, das Ergebnis neuer politischer Programme, neuer wirtschaftlicher und politischer Kräfte, das Ergebnis eines neuen Zusammenwirkens der Politik mit den autonomen Kräften und den spontanen Kräften des Marktes.
Ich darf daran erinnern, alle Verantwortlichen dieses Hauses haben sich zum Konzept der Globalsteuerung zusammengefunden. Das begann mit der Einbringung des Entwurfs eines Stabilitätsgesetzes. Die Überwindung der Rezession war auch ein Sieg der Demokratie. In der Regierungserklärung vom 13. Dezember 1966 heißt es dazu wörtlich - und das möchte ich manchem ins Gedächtnis zurückrufen -: „Wachstumsförderung und Zusammenwirken mit allen verantwortlichen Kräften müssen in eine neue Politik der Globalsteuerung eingeordnet werden. Diese Politik schützt vor der Flucht in den Einzeldirigismus, sichert die marktwirtschaftlichfreiheitliche Ordnung und ist damit allen anderen Systemen weit überlegen." Soweit der Herr Bundeskanzler.
Ich nenne erst einmal drei Ziele des Gesetzes zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft. Sie sind bekannt: hohe Beschäftigung, stabile Preise, angemessenes Wachstum. Diese Ziele sind Qualitäten; Qualitäten qualifizieren sich in der neuen Wirtschaftspolitik auch durch Quantitäten, die man messen kann. 1968 hatten wir ein Wachstum des realen Bruttosozialprodukts von 7 %, eine Steigerung des Preisindexes von nur 1,5% und eine Reduzierung der Arbeitslosenquote auf 1 %. Dies ist eine Traumkombination, die Traumkombination einer in ihr Kapazitätskleid hineinwachsenden Wirtschaft. Nun paßt dieses Kostüm. Die Kombination wird sich daher in diesen Quantitäten bei weiteren Wachstumsvorgängen nicht wiederholen. Dennoch hat diese Kombination, die Realität war und ist, neue Maßstäbe gesetzt und neue Möglichkeiten der Politik eröffnet. Die Bundesregierung hat sich deshalb im Jahreswirtschaftsbericht 1969 ihrerseits wichtige neue Aufgaben der Zukunftssicherung stellen können und hat dafür neue Initiativen angekündigt. Heute, sechs Monate später, können wir schon einen guten Teil dieser Ankündigungen als verwirklicht oder eingeleitet ansehen.
Bundesminister Dr. Schiller Hier einige Beispiele.
Erstens. Das Instrumentarium der regionalen Strukturpolitik wurde weiter vervollständigt. Regionale Aktionsprogramme sorgen für eine Koordinierung von Mitteln und Zielen. Investitionsentscheidungen der gewerblichen Wirtschaft sollen durch die neuen Investitionszulagen, also mit marktkonformen Mitteln, in die Strukturgebiete gelenkt werden. Daß investiert wird, ist Ergebnis der Konjunkturpolitik und der unternehmerischen Entscheidungen im Markte. Wo investiert wird, ist ein besonderes Problem der Strukturpolitik. Die Ansiedlungserfolge und die Zahl der täglich eingehenden Förderungsanträge zeigen dies deutlich. Vom Zonenrandgebiet bis zum Saarland und von den Ausbaugebieten in Schleswig-Holstein bis hin zum bayerischen Grenzland ist Entwicklung im Gange, findet laufend die Mobilisierung von noch ruhenden Ressourcen unserer Wirtschaft statt. Wir werden diesen Weg konsequent fortsetzen.
Zweitens. Die Bereinigung der Strukturkrise im Steinkohlenbergbau, vor einigen Jahren noch von vielen als völlig hoffnungslos angesehen, macht kräftige Fortschritte. Die Halden schrumpfen, man redet kaum noch davon, Feierschichten sind selten, und Koks ist knapp. Die Gesamtgesellschaft Ruhrkohle AG entsteht. Am Morgen des 7. März dieses Jahres kam das grundlegende Vertragswerk unter Dach und Fach. Gleichzeitig ist dort im Revier außerhalb des Bergbaus ein umfangreicher Investitionsprozeß im Gange. Die Antragssumme für Investitionsprämien gemäß § 32 des Kohle-Gesundungsgesetzes bezieht sich bereits auf ein Investitionsvolumen von 6,1 Milliarden DM. Damit können rund 47 000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden. Das Land an Rhein, Ruhr und Saar erlebt gegenwärtig eine Phase - die wir so lange erhofften - der Erneuerung und der Modernisierung.
Drittens. Der allgemeine technische und wirtschaftliche Fortschritt wird in unserem Land durch die neu beschlossene Investitionszulage für Forschung und Entwicklung und durch die anderweitige verstärkte Förderung neuer Technologien neue Impulse erhalten. Mit dieser Politik werden wir jene Pessimisten widerlegen, die der deutschen Wirtschaft die Technik der Zukunft nicht zutrauen. Das Arbeitsförderungsgesetz und das Berufsbildungsgesetz zielen in die gleiche Richtung des technologischen Fortschritts.
Viertens. Zur Zukunftssicherung gehört auch die Vermögensbildung in Arbeitnehmerhand. Die Zusatzprämie für Sparer mit kleinem Einkommen ist ein wichtiger Schritt. Weiteres muß folgen. Die zuständigen drei Ressorts haben ihre Vorarbeiten für umfassende, für größere Lösungen der Vermögensbildung in Arbeitnehmerhand abgeschlossen.
Das Vier-Quadranten-Modell der vier Lösungen, wie ich es nenne, wird im Kreis der Konzertierten Aktion - er tagt morgen - erörtert werden, vorberatend, vorarbeitend. Das Ergebnis ist offen - wie immer oder vielleicht mehr denn je. Dies ist ein heißer Sommer, auch für die Wirtschaftspolitik,
auch für die Konzertierte Aktion und auch für dieses Parlament. Ich kann nur hoffen, daß die Konzertierte Aktion wiederum den Beitrag zu leisten vermag, den sie zu leisten imstande ist: eben Grundlagen für Initiativen und Entscheidungen zu erarbeiten, vorzubereiten und Informationen auszutauschen. Soweit die Konzertierte Aktion.
Im Jahreswirtschaftsbericht war die Lohnfortzahlung im Absatz über die Lohnentwicklung erwähnt, und damit bin ich bei einem Kernthema der Wirtschaftspolitik des Jahres 1969. Das Kernthema lautet: Wie halten wir den Aufschwung im Maß? Wir haben Hochkonjunktur. Die Produktion läuft auf Hochtouren. Alle Reserven werden gefordert, und sie werden durch diese Herausforderung verfügbar gemacht. Im ersten Quartal stieg die Produktivität in der Gesamtwirtschaft nochmals mit einer Jahresrate von 6,5 %, in der deutschen Industrie allein sogar mit einer Jahresrate von 9 %. Bei voller Ausnutzung der Kapazitäten sind dies früher nicht geglaubte Steigerungsraten. Reisende sagen uns: Das sind japanische Zuwachsraten.
Für die Produktion selbst gilt das gleiche. Für das ganze Jahr ist mit einer Steigerung der industriellen Erzeugung um 10% gegenüber dem Vorjahr mit Sicherheit zu rechnen. Die Produktion läuft und läuft. Aber gleichzeitig gilt auch: die Nachfrage steigt und steigt und steigt. Die Auftragseingänge bei der Industrie aus dem Ausland überstiegen in den ersten vier Monaten des Jahres 1969 den entsprechenden Vorjahresstand um 31 %. Die Inlandsnachfrage lag gleichzeitig um 27 % über den Vorjahreszahlen.
Im übrigen: zum erstenmal seit der Währungsreform wird die Hochkonjunktur der Wirtschaft nicht vorwiegend mit Bankkrediten finanziert. 5 Milliarden DM Vorauszahlungen auf Exportlieferungen Anfang Mai aus gegebenem Anlaß haben den Unternehmen zusätzliche Liquidität gebracht. Die Auftragsbestände der Industrie nehmen zu. Sie nähern sich dem Vierfachen einer Monatsproduktion. Dasselbe gilt für das Baugewerbe; es gilt besonders für den Tiefbau.
Meine Damen und Herren, wir sollten diese Zahlen nüchtern betrachten. Sie sind in Angebot und Nachfrage beachtliche Leistungsbeweise und Leistungsnachweise. Aber sie sind auch Hinweise auf zwangsläufig zunehmende Spannungen in unserer Gesamtwirtschaft.
Am Arbeitsmarkt hat sich die Zahl der offenen Stellen im Mai auf 807 000 erhöht. Diese Zahl ist höher denn je zuvor in einem Aufschwung. Dieser Nachfrage nach Arbeitskräften stehen 123 000 Arbeitslose gegenüber. Das Verhältnis zwischen offenen Stellen und Arbeitsuchenden ist fast gleich 7 : 1.
Ohne daß die Preisentwicklung diese Spannung voll widerspiegelt, hat das Übergewicht der Nachfrage die Erzeugerpreise in der Industrie doch in Bewegung gebracht, seit Mitte 1968 um 1,7 %. Im Investitionsgüterbereich sind die Erzeugerpreise allein in dieser Zeitspanne um 3 % angestiegen. Der Preisindex für die Lebenshaltung lag für alle pri13414
vaten Haushalte im Mai dieses Jahres um 2,7 % höher als im Mai 1968. Für die mittlere Verbrauchergruppe, für den Vier-Personen-Arbeitnehmerhaushalt oder - wie wir auch sagen können - für die Arbeitnehmer mit mittlerem Einkommen liegt der Lebenshaltungskostenindex im Mai dieses Jahres,' heute also, um glatte 3 % höher als vor einem Jahr. Diese Rate beruht immer noch zu rund 30 % auf einer Steigerung der Mieten, die selber eine Steigerung von 9,4 % haben, und zu knapp der Hälfte auf der Steigerung von Nahrungsmittelpreisen, die sich um 4,2% erhöhten. Für die andere Hälfte lassen sich derartige Sonderfaktoren oder Ursachen nicht mehr anführen.
Diese gesamte sukzessiv ansteigende Entwicklung wird weitergehen. Niemand hat ein Recht, diese Preisentwicklung zu bagatellisieren, aber sie ist nicht unausweichlich, sie ist kein Naturgesetz. Gleichzeitig gilt wohl auch, daß wir uns nicht die Preise hinaufreden lassen sollten.
({0})
Und ich möchte umgekehrt sagen: gleichzeitig gilt, wir sollten uns unsere wirtschaftlichen Erfolge nicht herunterreden lassen.
({1})
Sie sind, wie ich schon sagte, das Ergebnis einer neuen Politik und eines laufenden Zusammenspiels eben dieser Politik mit den Kräften des Marktes. Gewiß, ich habe soeben die Preissteigerungen festgestellt. Es ist aber nicht so - und das will ich gleich ganz klar hier eingrenzen -, als ob unsere deutsche Wirtschaft bereits vor einer explosiven Entwicklung stünde, bereits von einem Explosionsmotor mit Preisen und Kosten als Explosivstoffen vorangetrieben würde. Drei stabilisierende Faktoren, zum Teil zeitlich begrenzt, fragil und labil, sorgen noch dafür, daß die Preisentwicklung die Spannungsverhältnisse, wie ich vorhin sagte, nicht vollkommen widerspiegelt.
Erstens. In erster Linie wird dies durch das fast einmalige Produktivitätswunder und die damit verbundene große Angebotselastizität für absehbare Zeit unwahrscheinlich gemacht. Das Produktivitätswunder - oder ich sage besser: der Produktivitätsfortschritt in unserer Wirtschaft -, die Steigerung des Arbeitsergebnisses pro geleistete Arbeitsstunde ist unser bester und treuester Verbündeter im Kampfe um die Stabilität in diesem Lande. Meine Damen und Herren, bis heute sind die Tariflöhne in der Industrie bei weitem nicht im Umfang des Produktivitätsfortschritts angestiegen. Kein Mensch kann behaupten, daß die Preissteigerungen im bisherigen Verlauf des konjunkturellen Aufschwungs etwa durch übermäßige Erhöhungen der Tariflöhne verursacht seien.
Zweitens: Ein weiterer Stabilisierungsfaktor sind, wie immer man darüber urteilen mag, die Auswirkungen des Absicherungsgesetzes vom November 1968, also der vierprozentigen Exportabgabe und der vierprozentigen Importverbilligung. Die Exportsteuer traf, wie wir alle wissen, auf bis dahin stark expandierende, ja inflationierte und permanent inflatonierte Auslandsmärkte. Selbst in den
Ländern, die seit einiger Zeit auf Restriktionskurs gegangen sind - wichtiges Beispiel sind die Vereinigten Staaten von Amerika -, hat sich der Auftrieb gehalten, steigen die Preise weiter. Das berührt natürlich die Wirkung des steuerlichen Absicherungsgesetzes. Aber dennoch gilt die einfache Regel: 4 % sind mehr als 0 %. Bei Adam Riese kann es doch keinen Zweifel geben.
({2})
Und drittens: Der dritte Stabilisierungsfaktor ist neuer Art. Er ist ein Produkt der Währungspolitik, genauer ein Produkt Ihrer Unterlassung. Und diese Unterlassungen stehen wie ein steinerner Gast schweigend hier im Raum. Währungen werden gehandelt zu festen Kursen am Kassamarkt.
({3})
Hier gilt der Stopppreis oder die Preisbindung bei fixen Paritäten. Aber an den Terminmärkten ist es anders. Wir handeln auf den Terminmärkten Devisen nicht zu festen Kursen. Die Termingeschäfte mit Devisen sind heute in weitem Umfang in das Ex- und Importgeschäft hineingestoßen, und zwar mit variablen Wechselkursen; denn dort verkauft man namhafte ausländische Valuta mit Abschlägen. Auf Terminmärkten werden, wie wir wissen, etwa Devisen gehandelt, die man in drei Monaten braucht. Wer braucht Devisen in drei Monaten? Zum Beispiel deutsche Importeure, die ihre Einkäufe heute damit um 7 bis 12 % verbilligen können. Das ist die eine Seite.
Und wer versorgt diese Terminmärkte mit - ich sage es nun - mit de facto abgewerteten ausländischen Valuten? Nun, deutsche Exporteure, die sicher disponieren wollen und die keine bösen Spekulanten sind. Die Kosten der Kurssicherung nehmen diese deutschen Exporteure in Kauf.
Diese De-facto-Abwertung der anderen Währungen - so kann man es auch sagen - ist unsere Quasi-Aufwertung Nr. 2. Neben dem Festpreis der Paritäten hat sich ganz marktwirtschaftlich und sozusagen subkutan ein HO-Markt für angepaßte Währungen gebildet.
Diese De-facto-Änderungen von Paritäten, von Kursen im freien Handel im Terminmarktgeschäft, diese, wenn Sie wollen, differenzierte De-facto-Aufwertung der D-Mark, trägt als Drittes zur internen Preisstabilisierung in diesem Lande bei. Allerdings, dieser dritte Faktor ist sicherlich nicht von unendlicher oder gar von „ewiger" Dauer. Er ist zudem fragil und labil, und er ist mit problematischen Nebenwirkungen verbunden. Ich denke an die derzeitige Importschwemme an Getreide, an die Überfüllung unserer Lagerhäuser und die dadurch hervorgerufene Unsicherheit der deutschen Landwirtschaft im Hinblick auf die staatliche Intervention bei der bevorstehenden Ernte und im Hinblick auf die weitere Entwicklung dieser währungspolitischen Unsicherheit, die natürlich nur von außen kommt.
Ich bin also immer noch, meine Damen und Herren, nahe am Kernthema unserer Konjunkturpolitik. Die Entwicklung der vergangenen Monate sowohl im
Bereich von Nachfrage und Produktion als auch im Bereich der wirtschaftspolitischen Entscheidungen hat uns veranlaßt, auch unsere Erwartungen, unsere Prognosen für den restlichen Teil des Jahres 1969 zu überprüfen. Solche Anpassungen von Prognosen an veränderte Verhältnisse werden gern als Argument gegen diese Instrumente vorgebracht.
Aber ich sage, Zielprojektionen und Prognosen können in einer Marktwirtschaft keine Vollzugsverbindlichkeit haben. Es wäre in der Tat eine Gefahr, wenn die Wirtschaftspolitik z. B. eine projizierte Wachstumsrate um jeden Preis, selbst mit Zwangsmitteln, erreichen wollte oder einhalten wollte. Dann würden wir uns allerdings in eine Zwangsjacke begeben und mit nicht marktwirtschaftlichen Mitteln den Wirtschaftsprozeß nach unseren Vorstellungen zurechtbiegen und damit verzerren.
Meine Damen und Herren, ich brauche nicht zu erklären: das ist nicht unsere Politik. Nicht Zurücknahme des Wachstums etwa, sondern Änderung der Zielprojektion und Anpassung unserer Politik an die neuen Verhältnisse, das ist unsere Aufgabe und unsere politische Leitregel. Nur dann wird eine Zielprojektion zu einem flexiblen und zugleich effektiven Instrument, das einen Zwang- und zwar einen wohltätigen, wenn auch nicht immer erfolgreichen Zwang - zu rechtzeitigem vorausschauendem Handeln auslöst, das mit dem marktwirtschaftlichen System vereinbar ist.
Die Ihnen vorliegenden neuen Prognosen, in einer kleinen Tabelle hier verteilt, sind also das Ergebnis unseres wirtschafts- und finanzpolitischen Verhaltens und unseres Nachdenkens.
Der als reale Steigerung unseres Bruttosozialprodukts eher vorsichtig geschätzte Wert - und das ist ja die Kernziffer - liegt Ihnen vor. Wir erwarten in diesem Jahr insgesamt eine Steigerung des realen Bruttosozialprodukts von 5,5 bis 6 %.
Von diesem stärkeren Wirtschaftswachstum können und sollen auch die Arbeitnehmer stärker profitieren. Wir erwarten in diesem Jahr eine Steigerung der Bruttoeinkommen aus unselbständiger Arbeit um 28 Milliarden DM, das sind gut 10 %. Das sind Effektiveinkommen. Sie sind also nicht das Ergebnis von reinen Tariflohnsteigerungen.
Meine Damen und Herren, ich sagte es vorhin schon in anderen Worten: es gibt keine Lohn-PreisSpirale.
({4})
- Nein! Wenn Löhne gestiegen sind, so sind es die Effektivlöhne, wie Sie wissen, und nicht die Tariflöhne in dem Sinne, daß sie eine Preisspirale in Gang gesetzt haben. Aber eine Preis-Lohn-Spirale kann dann entstehen, kann vor der Haustür stehen, wenn die Politik in Zukunft versagt. Vorwürfe an die Adresse der Arbeitnehmer sind heute völlig unberechtigt.
({5})
Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Menne? - Bitte, Herr Menne!
Herr Minister, ich möchte gern einmal von Ihnen hören, wie Sie eine Steigerung der Preise der Dienstleistungen vermeiden wollen. Sie sagten ja, es bedeute keine Auslösung der Preisspirale.
Meinen Sie die Dienstleistungen selbständiger Handwerker und selbständiger Unternehmer?
Die der Handwerker meine ich; denn die können Lohnerhöhungen nur in den Preisen weitergeben.
In allen Bereichen, lieber Herr Menne, stellen wir doch heute fest, daß die effektiv gezahlten Löhne auch im mittleren und kleineren Gewerbe über den Tariflöhnen liegen. Also haben wir doch keinen „Kostenpush", sondern einen Nachfrageüberschuß von seiten der Unternehmer nach Arbeitskräften.
Herr Minister, ich fragte, wie es zusammenhängt, daß Sie Löhne erhöhen können, ohne daß die Preise im Dienstleistungsgewerbe folgen müssen. Ich sehe keine Möglichkeit.
In einer Situation, in der die Unternehmer infolge der Entwicklung der Gesamtnachfrage mehr Löhne zahlen können als tariflich vereinbart, Herr Menne - und das ist zur Zeit die Situation -, liegt das Problem bei der Gesamtnachfrage und an keiner anderen Stelle.
({0})
Sie können diese Lohndrift, die heute auch von der Bundesbank auf etwa 3 % geschätzt wird, nicht von der Tariflohnseite her beseitigen, es sei denn, die Gewerkschaften selber konsumieren das langsam - das ist eine andere Geschichte -; aber im Moment ist das nicht der Fall. Sie können sie nur beseitigen, indem sie bei der Gesamtnachfrage und ihren beiden Komponenten - Auslandsnachfrage und Inlandsnachfrage - ansetzen.
({1})
Herr Kollege Menne, jetzt muß ich auf die Geschäftsordnung verweisen. Ich bin soeben schon leicht davon abgewichen, als ich Ihnen gestattete, eine Zwischenfrage zu stellen. Wir hören einen Bericht der Bundesregierung. Dazu sollten keine Zwischenfragen gestellt werden. Im übrigen gibt es nur zwei für einen Fragesteller.
Bitte, Herr Minister, fahren Sie fort!
Vielen Dank, Herr Präsident! Aber wir liberalisieren
gern nach allen Seiten. auch wenn es manchmal weh tut.
({0})
Das habe ich soeben auch getan.
Ich stelle noch einmal fest: die deutschen Gewerkschaften haben ein hohes Maß an Verantwortungsbewußtsein gezeigt und durch ihr Verhalten wesentlich zu dem Erfolg unserer binnenwirtschaftlichen Konjunkturentwicklung beigetragen. Daran kann es gar keinen Zweifel geben.
({0})
Nun liegt die Zukunft vor uns, so sicher, wie der Gregorianische Kalender abläuft. Bei der Beurteiteilung der kommenden Tarifverhandlungen muß berücksichtigt werden, daß, wie ich vorhin schon im Dialog mit Herrn Menne sagte, die Effektivlöhne in der jetzigen Aufschwungsphase die Tariflöhne erheblich hinter sich gelassen haben. Die Gewerkschaften gehen also sozusagen mit zurückversetzten Startblöcken in die kommenden Tarifverhandlungen.
Um möglichst unerwünschte konjunkturelle Auswirkungen der Lohnentwicklung auszuschließen, sollten - das ist eine partielle Empfehlung, die ich hier gebe - die Tarifvertragsparteien prüfen, inwieweit sie in Zukunft einen Teil der Lohnerhöhungen in Form von vermögenswirksamen Leistungen vereinbaren können.
({1})
Von der Wirtschaftspolitik her würden wir eine solche Entwicklung nur begrüßen können.
({2})
Die Bundesregierung, die jetzt dran ist, hat ihre eigenen Maßnahmen auf eine Dämpfung der Binnennachfrage und auf eine Erleichterung der Importe in diesem Jahr beschränkt. Ich verweise auf die bekannten Beschlüsse der Bundesregierung vom 18. März - vorläufige Sperrung von bestimmten Ausgaben - und vom 14. Mai, die auch dargelegt sind. Ihre gesetzgeberische Fundamentierung in dem einen oder anderen Punkt, z. B. § 16 des Bundesbankgesetzes und ähnliches, liegt dem Hohen Hause vor.
Insgesamt gehen in der gegenwärtigen Aufschwungsphase keine zusätzlichen expansiven Impulse vom Staatshaushalt aus. Das muß auch einmal festgestellt werden. Die Ausgaben steigen mäßig, die Einnahmen steigen stark, ja, die Steuerquellen sprudeln über. Das ist ein wesentlicher Unterschied zu der Konstellation des Jahres 1965. Heute ist kein Anlaß zu einer „Strafexpedition" gegen die öffentliche Hand gegeben, wie das im Jahre 1965 im ersten Entwurf des Stabilitätsgesetzes von der damaligen Regierung besonders deutlich zum Ausdruck gebracht wurde. Aber wir wissen alle, diese binnenwirtschaftlichen Dämpfungsmaßnahmen können bei anhaltender internationaler Inflation nicht ausreichen, um die Preisniveaustabilität in unserem eigenen Lande aufrechtzuerhalten. Die Auslandsnachfrage ist groß genug, um Produktivkräfte, die durch Inlandsrestriktion frei werden, sofort mit der Schnelligkeit eines Computers zu absorbieren. Was wir binnenwirtschaftlich reduzieren, wird sofort durch eine entsprechende Mehrnachfrage aus dem Ausland, die durch die Orderbücher ja sozusagen schon ins Haus steht, ersetzt. Das Resultat einer starken, aggressiven binnenwirtschaftlichen Dämpfung wäre also ein noch kräftigerer Export, d. h. eine Verstärkung unserer Überschußposition.
Meine Damen und Herren, dieser Zusammenhang von binnenwirtschaftlichen Restriktionsmaßnahmen und außenwirtschaftlichem Ungleichgewicht - sehr exakt niedergelegt in § 4 des Stabilitäts- und Wachstumsgesetzes - wird in der deutschen Öffentlichkeit seit Monaten mehr und mehr erkannt. Wir stehen in einem großen gesellschaftlichen Lernprozeß, an dem wir alle teilnehmen oder teilnehmen sollten. Ich möchte an dieser Stelle sagen, man mag die eine oder andere Variante der Vorschläge des Sachverständigenrates kritisieren, aber zu diesem gesellschaftlichen Lernprozeß hat der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung ganz entscheidend beigetragen,
({3})
und wir alle sollten ihm dafür Dank sagen, Dank für die gesamte deutsche Gesellschaft, für die Bundesregierung und auch für dieses Hohe Haus.
Ich sagte schon, binnenwirtschaftliche Dämpfungen auch leichter Art, wie wir sie bisher, am 18. März und 14. Mai, mit Recht beschlossen haben, führen zu außenwirtschaftlichen, expansiven Rückwirkungen. Folgerichtig hat der interministerielle Arbeitskreis am 5. Mai in seiner Prognose mit dem schönen Titel „Gesamtwirtschaftliche Vorausschätzungen" - das Papier liegt Ihnen vor - den zu erwartenden Ausfuhrüberschuß gegenüber der Jahresprojektion von Januar um 1,5 Milliarden DM, also auf 14 Milliarden DM nach oben korrigiert. Dieser Überschuß ist mehr, als wir brauchen, um unsere vielfältigen Verpflichtungen gegenüber dem Ausland zu erfüllen. Dieser Überschuß ist auch mehr, als es sich eine Politik des Wachstums und der Stabilität leisten kann.
Ich sagte schon, die Risiken für die Preisstabilität kommen bisher in der tatsächlichen Entwicklung nur zum Teil zum Ausdruck. Sie kommen jetzt auch in der Korrektur unserer Zahlen im Tabellenwerk zum Ausdruck. Aus einer Preissteigerung von 2 % für den Bereich des privaten Verbrauchs sind jetzt, wie Sie aus der Tabelle ersehen, 2,5 % geworden.
An dieser Stelle möchte ich auf eines hinweisen, was den meisten von Ihnen wohl bekannt ist, meine Damen und Herren; das ist eine technische Angelegenheit, die man wissen muß. Die Preissteigerungsraten - jetzt 2,5 % für den privaten Verbrauch -, die in dem Tableau niedergelegt sind, ergeben sich aus der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung. Ich möchte feststellen, sie sind nicht identisch mit dem Lebenshaltungskostenindex, den ich vorhin erwähnt habe und der für die mittlere Verbrauchergruppe zur Zeit bei 3 % steht. Aber wie wir es auch nehmen, ob wir die Preissteigerungsraten aus der GesamtrechBundesminister Dr. Schiller
nung oder den Lebenshaltungskostenindex nehmen, der uns vom Statistischen Bundesamt geliefert wird, wir stehen im internationalen Vergleich immer noch auf der Sonnenseite, und damit schneiden wir auch besser ab als 1965 und 1966. Im letzten Boom erreichte die deutsche Wirtschaft im April 1966 bekanntlich - das dürfen wir wohl nicht vergessen - die Preissteigerungsrate des Lebenshaltungskostenindexes von 4,5 %. Dennoch - um auf die Gegenwart und die Zukunft zu kommen - hätten wir noch mehr an Stabilität erreichen können. Den Weg weist auch hier die Regierungserklärung vom 13. Dezember 1966, die sich ja für unsere gesamte Regierungsarbeit immer mehr als entscheidender Wegweiser herausstellt, als ein sehr profaner Katechismus, in den man jeden Tag blicken sollte, vor allem, wenn man in diesem heißen Sommer versuchen will, sich von dem, was geleistet ist, beiseite zu begeben und in die Büsche zu schlagen. In dieser Regierungserklärung, in diesem Katechismus, Herr Bundeskanzler, heißt es wörtlich:
An der Koordinierung der internationalen Währungs- und Konjunkturpolitik wird die Bundesregierung auch in Zukunft teilnehmen. Sollten sich hier jedoch keine Erfolge zeigen, so muß sich eine Wirtschaftspolitik, die auf Stabilität und Wachstum bedacht ist, gegenüber außenwirtschaftlichen Störungen möglichst zusammen mit anderen wirtschaftspolitisch gleich orientierten Staaten absichern.
„Möglichst", das ist natürlich die beste Lösung. Aber 0 das Wort „möglichst" bedeutet ja wohl - und ich glaube, den Herrn Bundeskanzler gut interpretieren zu können -, daß es nach dem „möglichst", also der besten Lösung, auch eine zweitbeste Lösung gibt. Das ist wohl auch juristisch nicht abzustreiten.
({4})
Meine Damen und Herren, auf jeden Fall zeigt diese Erklärung des Herrn Bundeskanzlers vom 13. Dezember 1966, daß die Bundesregierung - diese Bundesregierung - das Problem der offenen Flanke, der außenwirtschaftlichen Absicherung und der Erfolgschancen internationaler Koordinierung von Anfang an erkannt hat. Diese Erfahrungen, die wir inzwischen draußen und bei uns, buten und binnen, gemacht haben, sollten uns erneut Anlaß geben, das System der internationalen Währungsordnung neu zu überdenken.
Ich möchte ganz deutlich feststellen: das System von Bretton Woods, meine Damen und Herren, hat uns in den letzten 20 Jahren einen Aufschwung, ein Wachstum der Weltwirtschaft und des Welthandels gebracht, wie wir es nie vorher in der Geschichte gehabt haben. Das müssen wir gegenüber Bretton Woods, gegenüber dem überkommenen Währungssystem, festhalten. Aber es mehren sich die Stimmen, die seine Reform in Richtung größerer Rationalität und Anpassungsfähigkeit wollen, und dem schließe ich mich an. Die Bundesregierung hat zusammen mit dem Deutschen Bundestag das Instrumentarium unserer eigenen Konjunktursteuerung auf den modernsten Stand gebracht. Dieses Instrumentarium, diese moderne Ausrüstung steht jedoch,
nur in dem alten, nun starr gewordenen Gebäude von Brettton Woods.
Das System von Bretton Woods verlangt auch in evidenten Fällen einer notwendigen Paritätskorrektur heute von den Teilnehmerstaaten große politische Entscheidungen und schwere politische Zerreißproben, weil solche Paritätskorrekturen auf dem Hintergrunde von Spekulationskrisen erfolgen oder nicht erfolgen. Das System macht zugleich Anpassungen sehr oft, ja in den allermeisten Fällen sogar - ich spreche ganz generell, und denken Sie dabei meinetwegen immer an Abwertungen ({5})
zu Angelegenheiten nationalen Prestiges und nicht
der eigentlichen Sachpolitik. Das liegt in diesem
System von Bretton Woods und seiner Entwicklung.
Man kann es auch so formulieren, daß sich das System von Bretton Woods mit seinen Starrheiten, wie die Erfahrung zeigt, nicht für heiße Sommer eignet; in einigen Ländern eignet es sich manchmal auch nicht für kühlere Jahreszeiten. Dieses System ähnelt also mehr und mehr einem Paar alter Schuhe, die ihrem kräftig wachsenden Besitzer längst zu klein geworden sind, ihn überall drücken und in seinen Bewegungen, vor allen Dingen nach vorne, hindern. Das Wachstum der Wirtschaften wird dadurch zu einem schmerzhaften Prozeß. Diese von der internationalen monetären Seite her verursachten künstlichen Wachstumsschmerzen sind einfach nicht notwendig. Wir sollten sie abbauen, indem wir ihre Ursachen aus der Welt schaffen, was wir nicht alleine können, soweit es das internationale System betrifft.
Wir wollen unsere realen Produktionsmöglichkeiten und -chancen doch wirklich nutzen. Kein Land sollte gezwungen werden, wegen bestimmter Mängel im internationalen Währungssystem im eigenen Hause wirtschaftspolitische Fehler zu begehen.
Die realen Veränderungen der Produktionsmöglichkeiten sind in Westeuropa, in den Vereinigten Staaten und in Japan, in der ganzen freien industriellen Welt in den letzten Jahren mehr als befriedigend, sie sind ausgezeichnet. In den EWG-Ländern, in den EFTA-Ländern, in den USA erleben wir eine ständige Produktionsausweitung und einen stetigen technischen Fortschritt. Neue Technologien werden in immer größerem Tempo produziert und auch zwischen den einzelnen Ländern übertragen. Die Handels- und Kapitalströme verbreitern sich laufend, und auch der Umfang der Direktinvestitionen in beiden Richtungen nimmt laufend zu. Nun, hier besteht also eine Diskrepanz zwischen der Entwicklung, ich möchte sagen, der Realökonomie, der Technologie in den meisten führenden Ländern unserer freien Welt und dem monetären System.
Das Währungssystem sollte doch eigentlich den neu gestellten Anforderungen genügen. Die Bundesrepublik, die 1968 fast 24% ihrer erzeugten Güter und Leistungen auf dem Weltmarkt absetzte, ist doch an einem reibungslosen Absatz ohne Stockungen und ohne Rückschläge interessiert, und das er13418
fordert eben ein anpassungsfähiges Währungssystem.
An dieser Weiterentwicklung von Bretton Woods wird intensiv gearbeitet, in unserem Lande durch eine breite öffentliche Diskussion und noch mehr - auch durch eine amtliche Diskussion - in den Vereinigten Staaten von Amerika. Ich habe bei meinem letzten Besuch in den USA mit großer Befriedigung feststellen können, daß die neue Administration auf diesem Felde sehr avantgardistisch und für alle diese Dinge sehr aufgeschlossen ist.
Im kommenden September steht auf der diesjährigen normalen, regulären Tagung des Internationalen Währungsfonds die Aktivierung der Sonderziehungsrechte auf der Tagesordnung. Ich habe den amerikanischen Kollegen gesagt, bei dem Wort „Sonderziehungsrechte" erlischt hier sozusagen das Interesse aller Zuhörer an dem Thema. Ich nehme an, das liegt nicht daran, daß in unserem Lande der Lernprozeß auf diesem Gebiet rückständig ist, sondern daran, daß wir ein Überschußland sind. In Defizitländern ist man natürlich an Sonderziehungsrechten, die abstrakt, rational, ohne Gold, ohne Dollar ein Plus, ein Mehr an internationaler Reserveliquidität schaffen, weit mehr interessiert. Aber ich glaube - und das habe ich auch drüben gesagt -, die reine Schöpfung neuer, zusätzlicher internationaler Reserveliquidität wird doch gerade von Europa, gerade von den stabilitätsorientierten Ländern nicht ohne weiteres hingenommen werden. Wir werden das doch mit anderen Dingen verknüpfen müssen, d. h. wir werden weitergehen müssen, um zwischen den einzelnen Ländern notwendige Anpassungen an veränderte Produktivitäts- und Preisniveauentwicklungen zu erleichtern.
Ich möchte so sagen: Erst wenn die währungspolitischen Einrichtungen nicht mehr hinter den technologischen und realökonomischen Fortschritten herhinken, werden wir periodische Wellen der Spekulation und anschließende abrupte Korrekturen vermeiden. Wie notwendig ein solches modernisiertes, anpassungsfähiges System ist, sollten uns gerade die letzten zwei Jahre mit der Entwicklung in England seit November 1967 und auch die jüngste Vergangenheit in unserem eigenen Lande zeigen.
Meine Damen und Herren, unsere konjunkturpolitischen und währungspolitischen Probleme sind untrennbar verknüpft mit dem heutigen Stand und der zukünftigen Entwicklung der Europäischen Gemeinschaft. Wir alle spüren seit langer Zeit, wie trotz der großen Erfolge, die die Europäische Gemeinschaft und auch die EFTA erzielt haben, unter Politikern, unter Wirtschaftlern der Praxis, ja unter der ganzen Bevölkerung die Enttäuschung über die unzureichenden Fortschritte des europäischen Einigungswerkes wächst.
({6})
Wir alle haben in den letzten Monaten und Wochen mit Interesse die vielen Ideen, Vorschläge und Pläne verfolgt, die von den verschiedensten Seiten für neue europäische Initiativen vorgetragen wurden. Hohe Ziele, große Wünsche, gigantische Visionen für Europa - die sind sicherlich alle ausgezeichnet. Aber vielleicht bin ich als Wirtschaftsminister und Wirtschaftspolitiker, der sich bei seinen Entscheidungen an der politischen Gegenwart und an dem politischen Morgen orientieren muß, eher geneigt, mich pragmatischen Lösungen zu nähern, Lösungen, die nicht den politischen SexAppeal von Toynbee oder Spengler besitzen.
Wenn ich versuche, die Enttäuschungen der Europäer über sich selbst zu verstehen, so scheinen sie mir aus zwei Quellen gespeist zu sein: einmal wird immer sichtbarer, daß die Vertiefung der Integration innerhalb der Sechs die Gefahr eines Wirtschaftsgrabens zwischen den Sechs und den anderen europäischen Staaten mit sich bringt. Diese Gefahr ist von Anfang an vorausgesehen worden. Sie ist heute evident, sie ist heute Realität in einigen, Ihnen allzu bekannten Fällen. Ich erwähne nur beispielhaft Dänemark, Großbritannien und Österreich.
Die zweite Quelle der Enttäuschungen liegt darin, daß der Integrationsprozeß innerhalb der Sechs immer noch nicht tief und wirkungsvoll genug ist. Diesen zwei Enttäuschungen, die beide verschieden gerichtet sind und die vielleicht sogar nach der Logik paradox sind, versucht die Bundesregierung geduldig beizukommen. Sie hält an den dafür notwendigen zwei Antworten fest: Erstens: Ausweitung der Gemeinschaft auf andere europäische Länder. Das ist gerade in diesem heißen Sommer doch wohl wegen der Ereignisse in anderen Ländern eine Aufgabe des Heute und Hier. Zweitens: Vertiefung und Beschleunigung der gemeinsamen Entscheidungen im jeweils erreichten Aktionsrahmen oder -radius der Gemeinschaft; das heißt: Ausweitung und Intensivierung müssen Hand in Hand gehen.
Die Bundesregierung hat, wie Sie wissen, in Vergangenheit und Gegenwart mit ihrem Plädoyer für den Beitritt weiterer Staaten eine ganz klare Haltung bezogen, und wir werden diese Haltung in Zukunft, soweit das noch möglich ist, noch nachdrücklicher vertreten. Was wir allerdings im Augenblick nicht brauchen, ist die Fata Morgana vom europäischen Bundesstaat auf atomarer Basis.
({7})
Wir brauchen auch nicht das kritische Zögern von Verwaltungsexperten, die uns vor jedem Schritt erklären, warum wir ihn nicht tun können. Wir brauchen eine pragmatische Utopie für Europa. Auch mit einer EWG als Agrar-, Stahl- und Kohlegemeinschaft können wir uns nicht zufriedengeben.
({8})
Wir wissen das doch inzwischen alle aus der Praxis: die Integration einiger Branchen ohne ein entsprechendes Zusammenwachsen der Konjunktur-und Währungspolitik schafft neue Probleme an Stelle der alten.
({9})
Ich sagte schon vor mehr als zehn Jahren mit anderen Kollegen aus dem Bereiche der Wissenschaft: die bloße Branchenintegration bedeutet das permanente Ungleichgewicht in Europa. Wir erleben das z. B. heute, indem wir feststellen müssen, daß wir auf einem Gebiete wie der Währungspolitik allein
durch eine bestimmte Branchenintegration einfach einzementiert, d. h. zu einem Ungleichgewicht verurteilt sind, solange Europa bei diesem System der Branchenintegrationen stehenbleibt.
Meine Damen und Herren, die Bundesrepublik kann auf dem Gebiet der europäischen und der internationalen Kooperation also keine Status-quoPolitik betreiben. Dazu bleibt die Realität viel zu sehr hinter dem Notwendigen zurück, und wir orientieren uns in der Bundesrepublik gemeinsam an dem Notwendigen.
Meine Damen und Herren, zum Schluß! ({10})
- Vielen Dank! - Nach dem Gesetz sind wir gleichzeitig auf Stabilität und Wachstum verpflichtet. Die letzten zweieinhalb Jahre haben immer wieder gezeigt, daß wir diese Ziele nicht durch eine nur binnenwirtschaftlich orientierte Politik erreichen können. Unser Markt liegt mehr und mehr außerhalb unserer Grenzen, und weil wir in hohem Maße den Einflüssen des Weltmarkts ausgesetzt sind - und das ist eine gute Sache, das ist ein Produktivitätsfortschrittsfaktor erster Ordnung -, liegt es in unserem ureigensten Interesse, für eine internationale Wirtschafts- und vor allem Währungsordnung einzutreten, die ihrerseits an Stabilität und Wachstum orientiert ist. Wir haben, wie gesagt, unser eigenes häusliches wirtschaftspolitisches Instrumentarium erfolgreich modernisiert. Ob wir es immer richtig anwenden, ist eine zweite Frage. Wir werden in Zukunft mit der gleichen Energie an der Reform der internationalen Wirtschafts- und Währungsordnung mitarbeiten. Wir müssen das tun, um für unser Land Wachstum und Stabilität auch von dieser Seite her, von der Weltmarktseite her, zu sichern. Darauf, auf diesen internationalen Weg, können wir immer noch hoffen. Ja, ich habe die sichere Hoffnung - und ich bin sehr sicher -, daß wir gerade von dieser Seite her, die uns sonst so viel Schmerzen macht, von der außenwirtschaftlichen Seite her, in absehbarer Zeit Lösungen mit anderen Ländern finden können, wenn wir das nur wollen.
({11})
Meine Damen und Herren, so weit die Erklärung der Bundesregierung.
Ich eröffnet die Aussprache. Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Menne.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben einen heißen Sommer vor uns, hat der Herr Wirtschaftsminister gesagt. Es sieht zwar nicht ganz danach aus, wenn ich aus dem Fenster hinausschaue, was hier sowieso schwierig ist. Aber ich stimme ihm zu, daß die Wirtschaft auf vollen Touren läuft.
Ich muß allerdings betonen, daß ich nicht so ganz damit einverstanden bin, daß man uns erst heute
morgen die neueste Prophezeiung des Herrn Wirtschaftsministers vorgelegt hat.
({0})
- Interministeriell, gut; also dann waren noch mehr dabei.
({1})
Aber ich habe auch mit Vergnügen gehört, daß uns der Herr Minister, der sehr wortgewandt ist, eine neue Formulierung vorgetragen hat; wenigstens scheint sie mir der Bedeutung nach neu zu sein. Er spricht nämlich von der Anpassung der Orientierungshilfen und der Anpassung der Zielprojektionen. Also, ich muß schon sagen, wenn all dies ständig angepaßt werden muß, habe ich großen Zweifel, ob Sie, Herr Minister, mit dem Stabilitätsgesetz wirklich den Baum der Erkenntnis bekommen haben, wie Sie damals sagten, als das Stabilitätsgesetz in diesem Hohen Hause angenommen wurde. Ich habe damals schon meine Bedenken über den Baum der Erkenntnis und die daran hängenden Früchte geäußert. Aber ich stelle mit Vergnügen fest, daß der Herr Minister mir zugestimmt hat.
Nun, wenn ich diese Prognosen des Wirtschaftsberichts hier jetzt im einzelnen diskutieren würde, müßte ich Ihnen eine Art theoretischen Vortrag halten.
({2})
Das liegt mir eigentlich nicht. Ich folge lieber dem Herrn Wirtschaftsminister, der ja vorhin erklärt hat, daß letzten Endes das pragmatische Handeln doch vielleicht besser ist, und so habe ich die Hoffnung, daß diese neuen Erkenntnisse unseres Herrn Ministers uns in Zukunft das Leben etwa erleichtern werden.
({3})
Denn eigentlich sind das doch Traumkombinationen. Insofern kann ich dem Herrn Minister nur zustimmen.
Wenn ich daran denke, daß der Herr Minister noch auf der Frankfurter Frühjahrsmesse im März erklärt hat: Es sind keine Anzeichen für einen Boom zu bemerken, und heute feststelle, daß er sich in seiner Prognose angepaßt hat und sagt: Es gibt einen Boom, sogar einen heißen Sommer, dann sage ich mir: es hat keinen Zweck, daß ich die heute morgen gelieferten Zahlen zerfleddere.
Nun zu der neuen Wirtschaftspolitik oder aufgeklärten Marktwirtschaft im Gegensatz zur naiven, die wir früher hatten.
({4})
Da möchte ich sagen, daß die naive Wirtschaftspolitik dem deutschen Volke und uns allen sehr genutzt hat. Ob die aufgeklärte Wirtschaftspolitik ohne richtige Orientierungsdaten so viel geleistet hat und leisten wird, möchte ich bezweifeln.
Man spricht noch von Globalsteuerung. Ja, meine Damen und Herren, wie soll ich denn ein Auto steuern, wenn ich kein Steuerrad habe oder wenn ich. ein Steuerrad habe, aber nicht weiß, wohin es sich dreht. Da kann ich nicht viel machen.
({5})
Dr. h. c. Menne ({6})
Ich meine, daß uns die Große Koalition mit dem zweiten Eventualhaushalt einen schlechten Dienst erwiesen hat; denn der zweite Eventualhaushalt war völlig überflüssig.
({7})
Die Projektionen, die bis jetzt in Ordnung waren, müssen nun plötzlich angepaßt werden.
Ich gebe dem Herrn Minister darin recht, daß der Beschäftigungsstand zu großen Sorgen Anlaß gibt. Wir haben 800 000 offene Stellen und 1,3 Millionen Gastarbeiter. Da ist es nicht verwunderlich, daß wieder Mangelerscheinungen auftreten, die uns dauernd in Schwierigkeiten bringen. Die Gewerkschaften haben sich im großen und ganzen sehr vernünftig gezeigt; ich möchte das ausdrücklich sagen. Ich bin aber nicht der Meinung, daß bei einer erhöhten Produktivität eine ebenso große Lohnsteigerung die logische Folge ist. Einen so einfachen Schluß darf man nicht ziehen; denn das trifft nicht mehr zu, wenn eine Steigerung der Produktivität nur noch durch äußersten technischen Fortschritt erreicht werden kann.
Der Herr Minister hat lange über die außenwirtschaftliche Absicherung gesprochen. Ich stimme mit ihm darin überein, daß es gut wäre, den Vertrag von Bretton Woods zu ändern und in dieser Richtung Verhandlungen anzustreben. Aber die außenwirtschaftliche Absicherung ist eine Idee geworden, der vielzuviel Aufmerksamkeit geschenkt wird. Ich bin der Meinung, die Währungsfragen wären besser und ruhiger diskutiert worden, wenn wir nicht die Ministerkonferenz hier in Bonn abgehalten hätten. Wenn wir, wie wir es früher getan haben, auf der Ebene der Notenbankpräsidenten, auf der Ebene der Ministerialdirektoren und der Staatssekretäre verhandelten, hätten wir nicht den Zorn der Welt so auf uns gerichtet. Ich halte es für den größten Fehler, daß hier in Bonn und nicht in Basel oder in Washington darüber verhandelt worden ist. Ich war damals in London. Ich habe die headlines gelesen; die waren sehr feindlich. Ich möchte den Herrn Minister bitten, in Zukunft seine Verhandlungen doch etwas vertraulicher zu führen und nicht alles in die Presse zu bringen.
Herr Dr. Menne, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Dr. Möller?
Ja, bitte!
Herr Kollege Menne, kennen Sie die Verpflichtung des § 4 des Stabilitätsgesetzes, das ja unter Ihrem Vorsitz im Wirtschaftsausschuß dieses Hohen Hauses beraten worden ist?
Die Verpflichtung des § 4 ist nicht von uns erfunden worden. Ich spreche für die Freien Demokraten.
Verzeihung, Herr Menne, ich habe nicht nach den Erfindern gefragt, sondern nach einer sehr wichtigen Bestimmung des Stabilitätsgesetzes. In der Regierungsvorlage war dieser § 4 bekanntlich nicht enthalten. Sind Sie nicht der Meinung, daß sich eine Regierung an ein Gesetz, auch an eine solche Bestimmung, halten muß, das das Hohe Haus beschlossen hat?
Ich bin ganz der Meinung, daß sich die Regierung an jedes Gesetz halten muß, Herr Möller, aber nicht in der Form - ({0})
- Das wäre ja ganz schön, aber das kann ich leider nicht erreichen.
({1})
Aber nun möchte ich wieder zu den Tatsachen zurückkommen. Ich habe vor diesen lauten Diskussionen gewarnt. Das habe ich deswegen getan, weil ich draußen die Reaktion erlebt habe. Ich mußte zum britischen Fernsehen gehen und über alle Stationen 15 Fragen beantworten. Ich bitte also darum, in Zukunft vorsichtiger zu sein. Die Änderung des Vertrags von Bretton Woods ist sicherlich notwendig.
Zum Außenhandel möchte ich einmal etwas anderes sagen. Wir sind der Meinung, daß die Absicherung des Außenhandels nicht unbedingt das A und O ist. Wir haben nämlich einen großen Überschuß notwendig. Sie wissen es selbst - ich brauche Ihnen das nicht vorzutragen -, Wiedergutmachung, Gastarbeiter, Touristik, das alles kostet Geld. Ich erinnere mich noch, daß im Jahre 1962 in einigen Kreisen darüber gesprochen worden ist, auch in der Bundesbank, daß wir unter Umständen nicht in der Lage sein würden, mit dem damaligen geringen Überschuß längere Jahre zurechtzukommen. Ich bin nicht der Meinung, daß es richtig ist, daß wir uns so aufregen, wenn wir einen derartigen Überschuß haben, sondern wir sollten diesen Überschuß lieber vernünftig verwenden.
Wenn Sie das Auslandsvermögen der anderen Staaten betrachten, dann wissen Sie, daß die USA 400 Milliarden DM, Großbritannien 65, die Schweiz 65, Frankreich 45 Milliarden DM Auslandsvermögen haben; die Bundesrepublik hat nach den beiden verlorenen Kriegen natürlich nur 18 Milliarden DM. Da frage ich Sie, ob wir uns nicht lieber darüber Gedanken machen sollten, wie wir dieses Auslandsvermögen erhöhen können, statt dauernd darüber nachzudenken, wie wir den Überschuß durch alle möglichen Maßnahmen abbauen können.
({2})
- Das kann man machen, Herr Dr. Schmidt, wenn man eine Zusammenarbeit der Bundesbank und der Bankinstitute in der Richtung erreichen könnte, daß das kurzfristige und mittelfristige Geld für Investitionen verwendbar wird. Ich bin sogar der Meinung, daß sich die Bundesrepublik, wer auch immer der endgültige Besitzer sein wird, Rohstoffvorräte im Ausland zulegen sollte. Warum sollten wir eigentlich keine Kupferbergwerke haben? Warum sollen wir das alles nicht haben? Betrachten wir doch die anderen Länder, die Mineralölkonzerne mit ihren
Dr. h. c. Menne ({3})
Ölvorkommen. Hier hat der Herr Wirtschaftsminister durchaus recht, wenn er sagt, das muß sich ändern. Ich bin der Meinung, wir sollten unseren Handelsbilanzüberschuß in dieser Richtung ausnutzen.
Sie gestatten eine Zwischenfrage von Herrn van Delden? Dr. h. c. Menne ({0}) ({1}) : Bitte sehr!
van Delden ({2}) : Herr Kollege Dr. Menne, sind Sie angesichts der Tatsache, daß es ja jedem auf privatwirtschaftlicher Basis freisteht, sich solche Kupferbergwerke, Rohstoffe und was auch immer zuzulegen, der Meinung, daß das der Staat zusätzlich tun sollte?
Ich bin der Meinung, daß, wenn die Privatwirtschaft nicht in der Lage ist, solche Dinge zu erwerben, der Bund es ihr ermöglichen sollte - nicht durch Subventionen, wohlgemerkt -,
({0})
sondern dadurch, daß man die Handelsbilanz-Überschüsse in irgendeiner Form verwendet, um sie als deutsches Auslandsvermögen anzulegen.
({1})
- Herr Schmidt, ich habe keinen Weihnachtsmann, ich habe auch nicht den Steuerzahler hier; aber ich sage Ihnen, daß wir uns das überlegen sollten, was alle anderen Nationen auch fertigbekommen haben.
({2})
Das soll sich einmal die Große Koalition überlegen.
Wenn ich nun zu einzelnen Problemen komme, möchte ich doch einmal sagen, daß die Einheitsgesellschaft auf Grund des Kohlegesetzes bis heute noch nicht zustande gekommen ist. Und ich muß Ihnen sagen, Herr Minister, daß das doch allmählich eine sehr lange Zeit gedauert hat. Ich weiß, daß wir in meinem Ausschuß damals das seltene Vergnügen hatten, Sie bei der Beschlußfassung über das Kohlegesetz zu sehen. Aber noch heute steht die Einheitsgesellschaft nicht. Wenn ich nun die konzertierte Aktion ansehe - und die soll morgen tagen -, so steht im Gesetz, Herr Möller, daß die Koordinierung der Tarifpolitik der Sozialpartner und der Haushaltspolitik von Bund, Ländern und Gemeinden dort vorgesehen ist. Aber der Wirtschaftsminister treibt hier mehr als Konjunkturpolitik. Er bespricht dort alles mögliche: Wettbewerbsfragen, Handelspolitik, Vermögens- und Eigentumsbildung, Lohnfortzahlung - die gehört dahin -; aber auch viele andere Fragen werden dort besprochen. Ich bin der Meinung, daß die konzertierte Aktion niemanden glücklich gemacht hat. Selbst die Gewerkschaften haben sie kritisiert. Wir sind der Meinung, daß das
Parlament und nicht die konzertierte Aktion hier zu entscheiden hat.
Herr Kollege Menne, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Ravens? Dr. h. c. Menne ({0}) ({1}) : Bitte!
Herr Kollege Menne, muß ich aus Ihren Ausführungen entnehmen, daß Sie ernsthaft der Meinung sind, dem Wirtschaftsminister daraus einen Vorwurf machen zu müssen, daß er sich mit den Verbänden der Wirtschaft, der Arbeitnehmer und der Arbeitgeber über anstehende Probleme der Wirtschaftspolitik in der konzertierten Aktion unterhält?
Er kann sich dort unterhalten.
({0})
Aber die Dinge werden dort schon vorgeformt. Sie wissen genauso gut wie ich, daß dort die Dinge entschieden und uns dann hier im Parlament nachträglich vorgelegt werden. Ich bin gegen diese Methoden, auch wenn dabei Wirtschaftsverbände kritisiert werden.
({1})
Herr Dr. Apel möchte auch eine Frage stellen. Darf er?
Können Sie einen Beweis dafür bringen, daß in der konzertierten Aktion irgend etwas vorentschieden worden ist, was dann in diesem Parlament so übernommen worden ist?
Es sind eine ganze Reihe von Dingen.
({0})
- Ich kann Ihnen jetzt keine Beispiele nennen.
({1})
- Meine Herren, Sie lachen. Ich nehme Ihnen das gar nicht übel. Es ist ganz gut, wenn in diesem Haus auch einmal gelacht wird.
({2})
Aber ich muß Ihnen sagen, daß ich immer wieder zuerst in den Zeitungen las, das und das sei beabsichtigt; dann kam ein Referentenentwurf, dann kam er zu uns. Ich meine, die neue Methode, daß, wir alles in den Ausschüssen besprechen können, auch was nicht vom Plenum überwiesen wird, wird besser sein.
Was die Finanzpolitik angeht, so hat Herr Schiller gesagt, gesunde Staatsfinanzen seien die Basis der Wirtschaft. Ich stimme ihm voll zu. Ich bin aber der Meinung, daß wir augenblicklich sehr gesund
Dr. h. c. Menne ({3})
werden. Bei einem Überschuß von 5,6 Milliarden DM in Bund und Ländern freue ich mich zu hören, daß man Rücklagen in Höhe von 3,6 Milliarden DM schaffen will. Aber jetzt komme ich auf den von Ihnen zitierten Steuerzahler, Herr Schmidt. Der Steuerzahler sollte nämlich seine Steuern ermäßigt bekommen. Von diesen großen Einnahmen des Bundes und der Länder, die durch den Boom entstanden sind, sollte man nicht nur Gelder für die Konjunkturrücklage verwenden, sondern man sollte sie meiner Meinung nach zum Anlaß nehmen, die Ergänzungsabgabe aufzuheben und die Grenze, bis zu der Einkommen steuerfrei sind, zu erhöhen. Ich bin der Meinung, die 2 Milliarden DM könnten hierfür sehr gut verwandt werden.
Herr Dr. Menne, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Apel?
Bitte sehr!
Herr Dr. Menne, haben Sie übersehen, daß im Zweiten Steueränderungsgesetz eine Reihe von Vergünstigungen vorgesehen sind, und sind Sie wirklich der Meinung, daß es konjunkturpolitisch vernünftig wäre, den von Ihnen vorgeschlagenen Weg zu gehen?
Ich bin der Meinung, daß es konjunkturpolitisch vernünftig wäre, die Steuern zu reduzieren.
({0})
Wir Freien Demokraten haben der Einführung einer 3%igen Ergänzungsabgabe niemals zugestimmt, und wir sind der Meinung, daß man sie wieder abschaffen sollte, daß man aber ebenso den Arbeitnehmern eine entsprechende Leistung geben sollte. Das sollte der Staat tun und nicht einfach auf der gegenwärtigen Steuerhöhe stehenbleiben.
Nun komme ich zur Überwindung der Talsohle der Rezession. Diese Überwindung, meine ich, beruht nicht etwa auf der Konjunkturpolitik der Großen Koalition, sondern auf den Leistungen der deutschen Wirtschaft, und sie werden ja auch vom Herrn Minister nicht bestritten.
Ich habe schon darauf hingewiesen, daß die Zielprojektionen des Herrn Ministers nach seinen eigenen Worten nicht richtig waren und angepaßt werden mußten. Ich bin der Meinung, diese ganze Wirtschaftspolitik sollte in vielen Punkten geändert werden. Wir sollten unbedingt dafür sorgen, daß die Gesetze nicht mehr in der Weise auf uns zukommen, wie das neuerdings passiert. Damit meine ich die konzertierte Aktion.
Der Herr Minister hat sich lange über die Preisentwicklung geäußert. Er hat sie für dieses Jahr mit 2,8 % beziffert. Ich muß ihm dazu sagen, daß ich diese Preisentwicklung als sehr hoch ansehe. 2,8 % ist eine ganze Menge, meine Damen und Herren. Das ist zwar zum Teil auf die Mieten und ähnliches zurückzuzführen; es sollte aber das Bestreben der Großen Koalition und des Herrn Wirtschaftsministers sein, diese Preisentwicklung anzuhalten. Wenn aber die Wirtschaft so angeheizt wird, wie es der Fall ist, dann müssen Forderungen entstehen, und dann ist diese Preisentwicklung kaum aufzuhalten.
Ich habe vorhin versucht, den Herrn Wirtschaftsminister darauf aufmerksam zu machen, daß es lohnintensive Wirtschaftszweige gibt, das Handwerk im allgemeinen und das Dienstleistungsgewerbe, die nicht in der Lage sind, diese Entwicklung ohne Preisanpassung aufzunehmen. Wir müssen also mehr Gedanken darauf verwenden, wie man die Dinge regeln kann, ohne daß wir in die Preissteigerung abgleiten. Unser Volk ist mit Recht in Fragen der Inflation sehr empfindlich. Ich bin der Meinung, diesen Fragen müssen wir mehr Aufmerksamkeit schenken.
Meine Damen und Herren, wir wollten den Gesamtwirtschaftsbericht diskutieren. Eine Diskussion dieses Berichts möchte ich mir aber insoweit schenken, als die Zahlen in diesem Bericht weitgehend nicht stimmen. Das muß ich feststellen, und das kann ich zum Schluß nur noch einmal unterstreichen.
Was die EWG angeht, so stimme ich für die FDP hundertprozentig mit dem Herrn Minister überein: wir müssen aus der Zollunion in die Wirtschaftsunion. Ich hoffe, daß er uns dort noch einige Erfolge vorweisen kann.
({1})
Das Wort hat Herr Professor Burgbacher.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wer viel im Ausland ist und in internationalen Körperschaften arbeitet, stößt immer wieder auf die Bewunderung der Welt für die wirtschaftspolitische Entwicklung in der Bundesrepublik. Diese Bewunderung ist berechtigt. Die Stabilität ist in dem nach meiner Ansicht möglichen Umfange erzielt, die Vollbeschäftigung ist überschritten, das Wachstum übertrifft alle Prognosen. Das Problem, das übrigbleibt, ist im wesentlichen das Ungleichgewicht zwischen Export und Import. Ich meine aber, ein Volk wie das der Bundesrepublik, dessen Lebensstandard vom Export unlösbar abhängt, muß mit diesem Problem leben und kann es nicht durch Gefährdung der Exporte lösen.
Ich meine, daß die Große Koalition auf dem Gebiet der Wirtschafts- und der Finanzpolitik - die nicht voneinander zu trennen sind - gute Arbeit geleistet hat. Die Finanzpolitik hat wesentliche Beiträge zu diesem Ergebnis geleistet.
Wir haben in den ersten vier Monaten dieses Jahres einen Aktivsaldo von 4,1 Milliarden DM gehabt; um diesen Betrag blieben also die Importe hinter den Exporten zurück. Wir haben in diesen vier Monaten einen Kapitalexport von 8 Milliarden DM gehabt. Wir haben also in diesen vier Monaten mehr Kapital exportiert, als dieser kritische Saldo betragen hat. Ich gehöre nicht zu denen, die das nun
hochrechnen und meinen, weil es in vier Monaten 8 Milliarden DM waren, seien es in 12 Monaten 24 Milliarden DM. Denn dann würden wir weit mehr Kapital exportieren, als, sagen wir einmal, normalerweise gesund ist. Aber immerhin ist das - ich werde auf diesen Punkt noch einmal zurückkommen - ein wichtiger Gesichtspunkt bei Beurteilung der Ungleichgewichtsprobleme in der Zahlungsbilanz.
Wenn ich gelegentlich einige kritische Anmerkungen mache, dann hat das mit der generellen Anerkennung einer erfolgreichen Wirtschafts- und Finanzpolitik der Bundesrepublik nichts Essentielles zu tun. Die Gefahr, in der wir bei der vom Bundeswirtschaftsminister bestimmten Praxis sind, ist, daß - ob berechtigt oder unberechtigt - bei unserem Volk und in der Wirtschaft der Eindruck entstehen könnte, durch Politik sei alles machbar. Ich sage nicht, daß dieser Eindruck beabsichtigt ist; ich sage aber: er könnte entstehen und könnte dann die letztlich bestimmenden Faktoren, die in der Zuversicht jedes einzelnen und in der Leistung jedes einzelnen, ob Arbeitnehmer oder Arbeitgeber, liegen, durch die Vorstellung lähmen: „Um das oder jenes brauchst du dich nicht mehr zu bekümmern, das machen die da oben." Vor dieser Gefahr sollten wir uns hüten.
Allerdings wird die Vorstellung, daß alles machbar sei, schon dadurch reduziert, daß die Prognosen, so wichtig sie sein mögen, in ihrer zahlenmäßigen Exaktheit in der Regel nicht durch das Ist bestätigt werden.
Herr Kollege Burgbacher, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Apel?
Bitte!
Herr Kollege Burgbacher, sind Sie nicht mit mir der Meinung, daß die Rationalität durch die stärkere Transparenz für den einzelnen Wirtschaftenden durch Projektionen eigentlich so erhöht wird, daß es für ihn einfacher ist, sich im Marktprozeß zu bewegen, so daß die Gefahr, die Sie angedeutet haben, nicht besteht?
Ich stimme Ihnen insoweit zu, als uns Einrichtungen wie der Sachverständigenbericht, der Jahresbericht und die Projektionen nicht dümmer, sondern klüger machen, wenn wir sie als Denkmaterial benutzen, wie es auch gedacht ist. Aber wir haben es nicht in der Hand, wie das der einzelne in unserem Volk auffaßt. Angesichts der allgemeinen Gläubigkeit unseres Volkes in bezug auf Regierungsmaßnahmen
(
Gegenüber Professoren!)
ist die Gefahr, daß man sich darauf verläßt und darüber hinaus selbst nichts mehr tut, doch vorhanden. Das ist meine Meinung.
Noch eine Frage von Herrn Dr. Apel?
Bitte!
Herr Professor, dann stimmen Sie mir also zu, daß es einfach von der Präsentation her zweckmäßiger wäre, in Zukunft mit Margen zu arbeiten, um schon von daher deutlich zu machen, daß es eben Projektionen sind mit all den Unsicherheiten, die damit verbunden sind?
Sie haben vollkommen recht und haben das erraten, was ich gerade sagen wollte,
({0})
nämlich daß in der Prognose eine Vorausschau auf das, was hinter dem Komma steht, angesichts der unkontrollierbaren Umwelteinflüsse einfach eine Unmöglichkeit ist, schon vom Wissen und von der allgemeinen menschlichen Erkenntnis her gesehen. Deshalb wären gewisse Bandbreiten besser.
Ich will nicht mehr darauf eingehen, wie weit die Prognosen von der Wirklichkeit abgewichen sind. Wenn man das Ist dem Soll gegenüberstellt, erkennt man, daß das Ist bis zu 85 % kleiner als das Soll oder um 40 % größer als das Soll ist. Man sagt, bei einer Vorausschau von 4 % und einem Ist von 7 % bestehe nur 3 % Differenz, und was sind schon 3 %? - 3 % sind 75 % von 4 %! Ich meine also, etwas weniger wäre hier etwas mehr.
Einiges von dem, was im Jahresbericht der Bundesregierung erwähnt ist, ist realisiert. Das Absicherungsgesetz, das zwar eine begrenzte, aber immerhin eine positive Bedeutung hat - das wird kein Mensch ernstlich bestreiten dürfen und können -, wird jetzt verlängert. Ich weiß nicht, ob die dritte Lesung darüber schon stattgefunden hat. Das Gesetz über die Konjunkturausgleichsrücklage liegt der Legislative ebenfalls vor. Das Gesetz über Investitionszulagen in Fördergebieten und Bergbaugebieten haben wir bereits verabschiedet.
Es kommt darauf an, die Produktivkräfte unserer Volkswirtschaft zu erweitern, zu stärken und zu expandieren. Das gilt für all das, was die technische Entwicklung betrifft, das gilt für die Automation, das gilt für die Energiepolitik, und zwar in besonderem Maße, für alle Rationalisierungsmaßnahmen, für die Forschung und insbesondere für das, was die Amerikaner Innovation nennen. Am Wirtschaftszuwachs der Vereinigten Staaten sind die Innovationsindustrien, d. h. die ganz neuen Industrien, mit 60 % beteiligt. Ich weiß im Moment nicht, welchen Anteil die Innovationsindustrien bei uns haben. Ich glaube aber nicht, daß er über 20 bis 30 % hinausgeht. Hier ist ein sehr gewichtiger Ansatz. Denn der Ausweg - ich wiederhole es - kann nicht eine Reduktion des Exports sein, sondern nur eine Steigerung der Produktivkräfte und ein Ausgleich des Zahlungsbilanzüberschusses durch andere Maßnahmen, über die ich gleich etwas sagen werde.
Dazu gehört die Förderung der Zonenrand- und Aufbaugebiete. Es ist richtig, daß alles, was wir jetzt an Investitionszulagen und Förderungsmaßnahmen beschlossen haben, vordergründig betrachtet, nicht in den Konjunkturablauf paßt. Aber die Förderungsmaßnahmen haben ja nicht nur den sozialpolitischen Zweck, die Einkommen in den zurückgebliebenen Gebieten auf das allgemeine Niveau zu heben. Der volkswirtschaftliche Zweck ist vielmehr, die in diesen Gebieten ruhenden Produktivkräfte zur Steigerung der Produktivkräfte der Nation mobil zu machen. Deshalb sind diese Gesetze zu diesem Zeitpunkt richtig.
Bei allen unseren Vorsorge- und Vorschaumaßnahmen bleiben wir von unserer Umwelt abhängig. Die Interdependenz, die zwischen der deutschen Volkswirtschaft und den anderen Volkswirtschaften in der freien Welt - zunächst im EWG-Raum, aber auch in der ganzen freien Welt; ich denke z. B. an die GATT-Abkommen, die Bretton-Woods-Abkommen usw. - besteht, beeinflußt zwangsläufig alles, was wir beschließen und vorsehen. Wir sind verpflichtet, uns diesen Umwelteinflüssen ständig anzupassen.
Ich möchte eine Bemerkung zu Ehren von Bretton Woods machen. Es steht fest, daß die Handelsbeziehungen der freien Welt unter dem Währungssystem von Bretton Woods eine niemals erwartete Intensivierung erfahren haben. Der Welthandel hat sich unter dem Abkommen von Bretton Woods vervierfacht. Wir können beim besten Willen nicht behaupten, daß dieses System so schlecht sei, daß man sich unter ihm nicht hätte entwickeln können. Die deutsche Volkswirtschaft ist geradezu ein klassisches Beispiel dafür, daß dieses System uns zumindest nicht gehindert hat, uns so zu entwickeln, wie wir uns entwickelt haben. Das System steht nun einmal auf den zwei Beinen „feste Wechselkurse" und „Konvertibilität aller Währungen". Ich glaube, wir müssen diese beiden Faktoren sehr ernst nehmen.
Ich stimme aber mit dem Bundeswirtschaftsminister völlig darin überein, daß wir alle Anstrengungen machen müssen, auf der Basis von Bretton Woods oder auf der Grundlage des GATT-Abkommens oder im Rahmen des Zehnerklubs - auf jeden Fall auf einer internationalen Ebene - zu neuen Währungsvereinbarungen zu kommen. Ich habe vorhin schon in einer Zwischenbemerkung die Einschränkung „möglichst mit anderen", die der Herr Minister in seinen Darlegungen gemacht hat, kritisiert, weil das Wort „möglichst" eine vorgegebene Resignation beinhaltet, die ich für völlig unzweckmäßig halte. Ich kann allerdings nicht umhin, einzuräumen, daß der Herr Bundeswirtschaftsminister mit dem Wort „möglichst" ansonsten außerordentlich sparsam umgeht und in der Regel apodiktisch auftritt. Ich würde es begrüßen, wenn er auch im Hinblick auf die Erreichung eines neuen internationalen Währungsabkommens über feste Wechselkurse mit dieser Bestimmtheit und Zuversicht spräche und sich nicht auf das „möglichst" zurückzöge.
Die Koordinierung der Wirtschafts-, Finanz- und Handelspolitik im EWG-Raum ist natürlich eine wichtige Sache. Wir reden sehr viel darüber. Es ist auch nicht so, daß auf diesem Gebiet de Gaulle allein der Hemmschuh ist. Das wurde in dem Referat des Ministers sehr richtig gesagt. Viele Bürokraten - auch bei uns - sehen bei den EWG-Maßnahmen zuerst immer das, was bedenklich ist. Bekanntlich gibt es in dieser Welt, in der wir leben, kaum eine oder gar keine Sache, die nicht ihre zwei Seiten hat. Es kommt eben darauf an, welcher politische Wille hinter einer Sache steht, und es kommt darauf an, ob die Integration der Wirtschafts-, Finanz- und Handelspolitik eine Aufgabe der Politiker dieser sechs Länder wird oder eine Aufgabe der Bürokraten dieser sechs Länder bleibt.
({1})
Welches Verantwortungsbewußtsein wir für die Währungen unserer Freunde haben, das gibt allein die eine Zahl wieder. In einem Jahr, nämlich vom November 1967 bis November 1968, ist die Bundesrepublik Verpflichtungen in Höhe von 8,3 Milliarden DM zur Stärkung anderer Währungen eingegangen. Das ist ein Wort!
Mit dem Problem des Ungleichgewichts in der Zahlungsbilanz ist das Problem des Verhältnisses von Stabilität und Wachstum verbunden. Wie so. oft im Leben, ist das ein natürliches Spannungsverhältnis. Dieses natürliche Spannungsverhältnis wird noch akzentuierter im Zeitpunkt einer Voll- oder Überbeschäftigung.
Entschuldigen Sie, wenn ich jetzt einen Satz wiederhole, den ich, glaube ich, hier schon mehrfach gesagt habe. Wir haben bei vielen unserer Maßnahmen - weil wir bis jetzt nichts besseres wissen - als Maßstab aller Dinge die Durchschnittszahl. Ich habe hier schon einmal von der Teufelei der Durchschnittszahlen gesprochen. Wenn wir einen Zuwachs des Jahresbruttosozialprodukts von 7 % haben, dann ist das ein gewogenes Mittel etwa zwischen -10% und +20 %. Wenn wir nun diese Zahl zur Leitzahl für alle Vorgänge - weil wir nichts Besseres wissen -, auch für Lohnbewegungen, machen, dann trifft die Realisierung dieser Leitzahlidee die einzelnen Bereiche und Betriebe ganz verschieden. Die Wachstumsindustrien mit 400 000 oder 600 000 DM Arbeitsplatzkapitalkosten blasen über die Hand und sprechen mit ihrer Portokasse, und dann ist das erledigt. Was machen aber die, die auf der Schattenseite des Lebens leben? Entweder gehen sie pleite. Das ist Gott sei Dank nur sehr wenig der Fall. Oder der Markt nimmt ihnen die dadurch bedingte Preiserhöhung ab. Hier sind wir mitten in dem tragisch verknüpften Problem zwischen Stabilität und Wachstum.
Die andere verteufelte Durchschnittszahl ist der „Warenkorb der vierköpfigen Normalfamilie". Wir wissen auch da nichts Besseres. Aber wir müßten eigentlich bei der ständigen Bedürfnisverschiebung der vierköpfigen Normalfamilie eine ständige Verschiebung des Warenkorbs machen - nicht nur alle vier oder sechs Jahre. Wenn einer vor zehn oder zwanzig Jahren unter „Fleisch- und Wurstwaren" Blut- und Leberwurst einfacher Sorte hatte und
wenn er heute mageren Schinken hat, dann ist hier ein Preisvergleich schwerlich möglich. Auch der Warenkorb der vierköpfigen Familie ist also mit Vorbehalten zu sehen, wie alle diese Durchschnittszahlen. Sie sind zu Krücken des Menschengeistes geworden, und wir müssen mehr darüber nachdenken, wie wir sie in ihren Auswirkungen auf die Volkswirtschaft verfeinern.
In einer internationalen Tabelle, in der für das Jahr 1950 der Index 100 gesetzt wird, steht hinsichtlich der Stabilität die Bundesrepublik nach Portugal und den USA an der dritten Stelle. Portugal steht dort mit 137 gegenüber 1950, die USA mit 138 gegenüber 1950 und die Bundesrepublik mit 144 gegenüber 1950. Ich will Sie mit den anderen Zahlen nicht langweilen. Aber auf jeden Fall haben wir eine beachtenswerte Position, und ich darf wohl vom Standpunkt meiner Partei sagen: Wir beurteilen die Frage einer erfolgreichen Wirtschaftspolitik natürlich nicht nur nach einer Zeitspanne von zweieinhalb Jahren, sondern wir sind eher geneigt, sie nach zwanzig Jahren zu beurteilen.
({2})
Das Stabilitätsgesetz ist ein ausgezeichnetes Instrument. Entschuldigen Sie, wenn ich es vorübergehend mit einem Klavier vergleiche oder besser mit einem Flügel, das ist noch vornehmer. Der Flügel ist sicherlich gut, aber entscheidend ist, welche Musik darauf gespielt wird.
({3})
Ich möchte mir erlauben, die Bitte an den Herrn Bundeswirtschaftsminister auszusprechen, mehr Pausen zu machen und weniger Akkorde zu spielen, weil das Klavierspielen - das weiß jeder, der einen klaviersüchtigen Familienangehörigen hat - zwar zeitweise eine Erholung ist, das dauernde Spielen jedoch schwer erträglich ist.
({4})
Der Gedankenreichtum unseres Bundeswirtschaftsministers darf also im Alltagsablauf der Wirtschaft nicht irritierend wirken. Wenn es etwas größere Pausen gäbe, würde man auch weniger Berichtigungen oder Nachträge brauchen. Das ist nun wieder eine angenehme Begleiterscheinung für das zuständige Ministerium.
Die internationale Stabilität haben wir nicht. Darin hat der Herr Bundeswirtschaftsminister völlig recht. Den Gleichschritt der am System von Bretton Woods beteiligten Nationen, der einmal in höherem Maße gegeben war, gibt es nicht mehr. Deshalb ist zweifellos das Revisionsbedürfnis echt.
Zu unserer Freude haben wir gehört und gelesen, daß sich Präsident Nixon in den Vereinigten Staaten um eine Stabilitätspolitik bemüht. Er hat bekanntlich die Senkung der Einkommensteuer abgelehnt, und er hat vor, die Investitionsprämie von 7 % zu streichen. Pompidou hat in seinen Wahlreden versichert, daß er eine Politik der Stabilität betreiben würde. An der Wahl seines Finanzministers werden wir erkennen, wie sehr das ernst zu nehmen ist. Wenn sich diese beiden großen Länder in einem
höheren Maße als bisher zur Politik der Stabilität entschlössen und wenn wir bei unserer Stabilitätspolitik bleiben, meine ich, daß wir sicher sein können, daß die Währungsprobleme damit zwar nicht gelöst, aber doch wesentlich entspannt werden.
Zu der Erweiterung und Verstärkung unserer Produktivkräfte gehört, daß wir auf den Motor unserer Wirtschaft, den Wettbewerb, achten. Das Umwandlungsgesetz, das Publizitätsgesetz und die Überlegungen zum Kartellgesetz haben alle zum Ziel, den Wettbewerb so rein wie möglich zu erhalten, weil bei mangelndem Wettbewerb in Zeiten der Hochkonjunktur natürlich schon allein deshalb die Preise auf dem einen oder anderen Sektor in Gefahr kommen können.
Dazu gehört aber auch das Problem der optimalen Betriebsgröße. Das ist ein schillernder Begriff - ich meine das jetzt aber ohne Namensbeziehung -,
({5})
ein fragwürdiger Begriff, weil man sich fragen muß: Optimale Betriebsgröße - ja, aber für welchen Markt? Für den bundesrepublikanischen, für die EWG, für die erweiterte EWG, für die Kennedy-Runde, für den Welthandel? Für welchen Markt?
Ich erlaube mir, an dieser Stelle vor einer Minimierung und einer Maximierung dieses Problems zu warnen. Weil ich im Europäischen Parlament und in der Nordatlantischen Versammlung mitarbeite, sage ich aber vor allem: Wir dürfen nicht die optimale Betriebsgröße nach dem bundesrepublikanischen Markt meinen, sonst verlieren wir das, was wir nicht verlieren dürfen: die Exportkraft der Nation.
({6})
Deshalb müssen wir den Begriff des optimalen Marktes auf den größeren Markt ausrichten.
Nun, was können wir in der Zeit tun, bis sich die internationale Einsicht in die Notwendigkeit einer grundlegenden Reform der festen Wechselkurse durchgesetzt hat? Da bietet sich die Erhöhung der Mindestreserven an. Wir haben die Vorlage, die besagt, daß die Bundesbank berechtigt sein soll, die Fremdgelder bis zu 100 % zu Mindestreserven zu erklären. Das ist natürlich keine totale Lösung, weil diese Fremdgelder, die eingeströmt sind, noch einströmen oder demnächst wieder einströmen, dann möglicherweise die Flucht in die Sachwerte antreten, d. h. eventuell unsere Börse überhitzen werden. - Aber immerhin, die Erhöhung der Mindestreserven ist ein Mittel, das man auch einsetzen soll und das sicherlich seine Wirkung hat.
Ich stimme auch dein zu, daß wir die Ziehungsrechte, die der internationale Währungsfonds vorgesehen hat, realisieren müssen. Ich glaube, daß von den vorgesehenen 80 % Ratifizierungen des Abkommens von den beteiligten Ländern ungefähr 78 % durchgeführt worden sind, so daß bald die Voraussetzung für die Anwendung der Ziehungsrechte gegeben ist.
Selbstverständlich stellen die Ziehungsrechte keine Lösung der Währungsprobleme dar, sondern
sie bringen eine Entspannung. Sie verpflichten - ich will es einmal primitiv ausdrücken - die Reichen, den im Sinne der Zahlungsbilanz Armen eine Atempause zu verschaffen. Diese Atempause ist erwünscht, weil sie die Lage eben erleichtert, und sie ist unerwünscht, weil dann vielleicht der eine oder andere sagt: na ja, schön, dann hat die Sache ja noch Zeit. Deshalb wäre dieser Weg auch mit einem kritischen Auge zu betrachten.
Ich möchte noch auf folgendes aufmerksam machen. Wir haben eine Kennedy-Runde mit Erfolg hinter uns gebracht, und in dieser Kennedy-Runde haben die sechs EWG-Länder erstmalig nicht als Länder verhandelt, sondern sind durch die Kommission vertreten worden - mit bestem Erfolg. Warum machen wir nicht auch eine Kennedy-Runde für die nicht tarifären Güter und Leistungen? Die KennedyRunde hat sich bisher ja bekanntlich nur mit tarifären Gütern und Leistungen befaßt. Diese Dinge sollten wir propagieren und fördern, schon damit psychologisch die andere Gefahr vermieden wird, daß nämlich Länder nicht zu Reformen, sondern zu dirigistischen Maßnahmen kommen. Sie wissen, daß in den Vereinigten Staaten so etwas für die Textilindustrie erwogen wird. Wir bleiben selbstverständlich bei der möglichen Liberalisierung der internationalen Handelsbeziehungen.
Die mittelbaren Maßnahmen zur Produktivitätssteigerung wie Berufsbildungs- und Berufsförderungsgesetz dürfen wir in ihrer Bedeutung für die Zukunft nicht unterschätzen. Ich habe manchmal den Eindruck, daß diese beiden - entschuldigen Sie das große Wort - fast säkularen Gesetze bei unserem Volk nicht die notwendige Würdigung finden, die ihnen eigentlich zusteht.
({7})
Ich habe mich gefreut, daß beim Herrn Bundeswirtschaftsminister jetzt bei der Besprechung der Tarifpolitik der Sozialpartner die vermögenswirksame Anlage von Teilen des Tariflohns empfohlen wird. Sie wissen, daß das seit Jahren ein Anliegen unserer Fraktion ist, daß das aber bisher eine unheilige Allianz zwischen Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden verhindert hat. Ich hoffe, daß die großen Tarifgemeinschaften diese vermögenbildenden Maßnahmen bald beschließen. Sie sind sicherlich für den Konjunkturablauf ausgezeichnet; sie geben dem Arbeitnehmer mehr Einkommen, dieses Einkommen wird aber sozusagen konjunkturdämpfend und investitionsfördernd angelegt. Diese Einsicht sollten alle haben.
Im übrigen schließe auch ich mich der lobenden Anerkennung der zurückhaltenden Politik der deutschen Gewerkschaften an und sage mit großem Ernst, daß diese Politik eine der wesentlichen Voraussetzungen für unsere relativ gute Stabilität gewesen ist.
({8})
Nun komme ich zu einem Thema, das der Kollege Menne schon angeschnitten hat, und zwar mit Recht. Das Deutsche Reich vor dem ersten Weltkrieg hatte
ein Bruttosozialprodukt von jährlich 25 Milliarden Goldmark und hatte dabei Auslandsinvestitionen von 14 Milliarden Goldmark. Die anderen Zahlen sind hier schon genannt worden: die USA haben 400 Milliarden DM Auslandsinvestitionen, England hat, glaube ich, 90 Milliarden. Wenn man den Anteil des Produktionsvolumens der jeweiligen eigenen Auslandsfabriken am Exportvolumen berechnet, dann ist er bei den USA 350 %, bei Großbritannien 150%, bei Holland 150 %.
({9})
Bei uns sind es 17%. Es ist klar, daß wir so wenig haben: zwei Kriege, danach zweimal das deutsche Auslandseinkommen beschlagnahmt und liquidiert.
Ich sage mit großem Ernst und Nachdruck: diese Enteignung aller deutschen Auslandswerte ist vom Standpunkt der deutschen Volkswirtschaft aus eine Verstümmelung der Leistungskraft unserer Volkswirtschaft. Warum wollen wir nicht sozusagen die Tatsache, daß unser Export um soviel größer ist als der Import, als ein Zeichen ansehen, daß wir nun nachholen, was diese Verstümmelung genommen hat, allerdings mit Direktinvestitionen und nicht, indem man Wertpapiere kauft? Das ist in Gottes Namen vom Standpunkt der Zahlungsbilanz auch erwünscht, aber vom Standpunkt der deutschen Volkswirtschaft geht es um Direktinvestitionen im Ausland, geht es um die wirklichen Wirtschaftsbotschafter der deutschen Volkswirtschaft im Ausland. Wir haben ja jetzt im Rahmen des Zweiten Steueränderungsgesetzes ein entsprechendes Gesetz verabschiedet und haben die Hemmungen und Ungleichheiten beseitigt, die bisher bestanden. Ich bin aber der Meinung, daß sich der nächste Bundestag etwas einfallen lassen muß für die ausgesprochene Förderung von deutschen Direktinvestitionen im Ausland, weil zu einer leistungsfähigen Volkswirtschaft auch die Außenbastionen einer Volkswirtschaft gehören.
Ich möchte auf die Waage der Konjunkturpolitik noch ein wichtiges Gewicht legen. Das ist der Wert der Psychologie, wenn Sie wollen, der Massen. Sie ist für meine Begriffe wichtiger als jede rechenhafte Überlegung. Ich will nicht die Meinungsverschiedenheit über das Kennwort für die Lage beim Regierungswechsel erneut aufgreifen. Sonst gehen wir wieder auf die Barrikaden; um Ihnen das gleich ganz deutlich zu sagen. Ich erwähne das überhaupt nur deshalb, weil dies damals auch weit mehr ein Ausfluß psychologischer Kräfte als objektiver Kräfte war, Mangel an Vertrauen, begreiflicherweise geschürt und angeheizt durch die Kritik der damaligen Opposition. Deshalb sage ich, daß unsere jetzt hervorragende Konjunktur und die Leistungen der Großen Koalition primär auch darauf zurückzuführen sind, daß dieses Vertrauen unserem Volk und der Wirtschaft wieder nahegebracht worden ist. Dieser Tatsache messe ich mindestens das Gewicht zu, das allen anderen, rechenhaften Überlegungen beigemessen werden kann.
Herr Bundesminister, Sie haben am Schluß so einen Ausflug in Europa gemacht. Meinem europäischen Herzen tut das ausgesprochen gut. Die eine Bemerkung mit dem Europa auf atomarer Basis
hätten Sie sich sparen können. Außerdem gehört sie nicht in dieses Thema heute.
({10})
- Nein, also, ich will es nicht vertiefen, wen Sie da gemeint haben. Aber ich bitte um Entschuldigung; das ist ein so schwieriges Thema, dieses Europa und die Frage des Zugangs von Europa - nicht von uns - zu atomaren Kräften. Das möchte ich nicht vertiefen, weil es nicht hierher gehört. Aber wenn Sie mir eine Aufklärung gäben, was eine pragmatische Utopie ist, dann wäre ich dafür dankbar. Ich habe nicht lange darüber nachdenken können. Aber ich habe bis jetzt die Lösung für eine pragmatische Utopie noch nicht gefunden.
Ich komme zum Schluß und meine, wir sollten unsere Wirtschaftslage so kennzeichnen, wie sie ist, unsere ganze Aufmerksamkeit dem einen Problem widmen, für das ich Wege auch außerhalb der Währungsreform aufgezeigt habe, und mit Zuversicht in die weitere Zukunft gehen.
({11})
Präsident von Hassel: Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Möller.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Bundeskanzler hat in seinem Bericht über die Lage der Nation im geteilten Deutschland am 17. Juni auch einige Worte zur Wirtschaftspolitik gesagt, und trotz der Schlußpassagen meines Herrn Vorredners möchte ich meinen: sicher in Erinnerung an den von dieser Regierung vorgefundenen Zustand unserer Wirtschaft und unserer Finanzen im Dezember 1966.
({0})
Er hat folgendes erklärt - ich zitiere den Herrn Bundeskanzler vom 17. Juni 1969 -:
Die Massenarbeitslosigkeit war der Fluch der Weimarer Republik und vielleicht die eigentliche Ursache ihres Untergangs. Verzweifelnde Menschen werden überall in der Welt zum politischen Radikalismus getrieben. Daher bedeutet eine gesunde wirtschaftliche Entwicklung nicht nur die Garantie eines wünschenswerten Wohlstandes und der sozialen Sicherung aller Schichten. Sie ist zugleich eine unerläßliche Voraussetzung der gesellschaftlichen und politischen Stabilität. Darum war es so wichtig, daß wir ... den 1966/67 drohenden wirtschaftlichen Rückschlag, allen Schwarzsehern zum Trotz, überwunden haben, so gründlich überwunden haben, daß wir heute vor den ganz entgegengesetzten Problemen einer neuen Hochkonjunktur stehen.
Ich kann das, was der Herr Bundeskanzler ausgeführt hat, in jeder Weise unterstreichen, und ich bitte die Damen und Herren der CDU/CSU-Fraktion, nicht immer nervös zu werden, wenn wir auch diesen November und Dezember 1966 nicht vergessen. Vielleicht wäre in Ihren Graphiken, die Sie in den
Inseraten veröffentlichen, an einer bestimmten Stelle ein kleiner Knick erforderlich,
({1})
um auch optisch erkennen zu lassen, daß ein ganz bestimmtes Ereignis politische Konsequenzen nach sich gezogen hat.
Präsident von Hassel: Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten van Delden? - Bitte.
van Delden ({2}) : Herr Kollege Dr. Möller, wären Sie bereit, zuzugestehen, daß die SPD zu der Zeit, als sie noch in der Opposition war, aus parteipolitischen Zweckgründen verhindert hat, daß das Stabilitätsgesetz, das einer verfassungsändernden Mehrheit bedurfte, durchkam?
Nein, ich bin nicht bereit, das zuzugestehen; denn Sie können keiner Oppositionspartei zumuten das wird mir sogar die FDP bestätigen müssen; Sie haben leider hier in diesem Hause noch nicht diese Erfahrung sammeln können -, die Stimmen für eine Zweidrittelmehrheit zur Verfügung zu stellen, wenn das damit verbundene Gesetz nicht einen Inhalt hat, den die Opposition mit zu verantworten in der Lage ist.
({0})
Herr van Delden, ich müßte Ihnen die Gegenfrage stellen: Sind Sie nicht bereit, zuzugeben, daß das Stabilitätsgesetz, so wie wir es nach langen Beratungen ziemlich einmütig in diesem Hohen Hause verabschiedet haben, nun doch besser ist als die erste Regierungsvorlage? Damit will ich in diesem Zusammenhang nichts gegen die damalige Regierung sagen. Es ist ja auch in den letzten zwei Jahren üblich gewesen, daß wir Regierungsvorlagen nicht so akzeptiert haben, wie sie kamen. Wir haben uns immer wieder um Verbesserungen bemüht. Das ist schließlich die Aufgabe des Hohen Hauses, und das ist doch wohl an einigen sehr markanten Beispielen beweisfähig zu machen.
Präsident von Hassel: Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Professor Burgbacher? - Bitte.
Herr Kollege Möller, wenn ich Sie richtig gehört habe, haben Sie gesagt: Sie können uns nicht zumuten, daß wir Ihnen die Zweidrittelmehrheit zur Verfügung stellen. Wie soll ich das verstehen?
Das habe ich in bezug auf das Stabilitätsgesetz und den Vorgang gesagt, auf den Herr van Delden hingewiesen hat. Er meinte, wir hätten als Opposition vor der Bildung der Großen Koalition die Verabschiedung des Stabilitätsgesetzes dadurch verhindert, daß wir unsere Stimmen nicht zur Verfügung gestellt hätten. Ich habe darauf hingewiesen, daß es dann langer Beratungen bedurft hat, bis wir dem Hohen
Haus ein ganz anderes Stabilitätsgesetz vorgelegt haben. Nehmen Sie das Stabilitätsgesetz zur Hand! Sie werden beispielsweise bei zwei wichtigen Paragraphen, die wahrscheinlich auch Ihrer wirtschaftspolitischen Auffassung noch nicht ganz entsprechen - den §§ 3 und 4 -, den Vermerk finden: Nicht in der Regierungsvorlage vorgesehen. Es sind also ganz wichtige Elemente in dieses Stabilitätsund Wachstumsgesetz eingebaut worden, und das hat uns in die Lage versetzt, dem Gesetz zuzustimmen und dieses Gesetz mit Ihnen als ein wichtiges, modernes konjunkturpolitisches Instrumentarium anzusehen, wobei wir allerdings der Meinung sind, daß man, wenn man ein solches Gesetz hat - und da befinde ich mich im Gegensatz zum Kollegen Menne -, auch von seiten der Regierung die Verpflichtung ernst nehmen muß, von dem Instrumentarium so Gebrauch zu machen, wie das im Stabilitätsgesetz für bestimmte Phasen des Nichtvorhandenseins des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts vorgesehen ist.
Präsident von Hassel: Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage des Abgeordneten Petersen?
Ja, bitte.
Herr Dr. Möller, würden Sie es nicht für möglich und denkbar halten, daß der Knick, von dem Sie sprachen, weniger zackig, weniger tief gewesen wäre, wenn die Regierung Erhard das von ihr eingebrachte Stabilitätsgesetz bereits im September 1966 hätte anwenden können?
Erstens möchte ich Ihnen sagen, daß ich eine gewisse Abneigung gegen Vorstellungen habe, die mit „zackig" zusammenhängen. Zweitens darf ich hinzufügen, daß wir nicht der Meinung sind, daß Sie mit dieser Frage recht haben; denn das damals vorgelegte Stabilitätsgesetz war auf eine Situation zurechtgeschnitten, die wir bereits hinter uns gelassen hatten.
({0})
Wir waren darum bemüht, dieses Instrumentarium durch die Maßnahmen und Mitteln zu ergänzen, die notwendig waren, um eine neue konjunkturpolitische Phase in der Entwicklung unserer Volkswirtschaft erfassen zu können.
Meine Damen und Herren, ich wollte die Situation im November und Dezember 1966 noch einmal klarstellen. Denn wenn Sie schon bestimmte gesetzliche Vorhaben so gewertet haben, wie das mein Herr Vorredner soeben getan hat - völlig zu Recht, Herr Kollege Burgbacher -, dann muß es - meine ich - doch eine wirklich bitter ernste Situation gewesen sein, in der sich die CDU/CSU im November 1966 entschlossen hat, eine Große Koalition mit der Sozialdemokratischen Partei einzugehen. Das muß doch schon ein ganz gewichtiger Vorgang gewesen sein, und das ist doch nicht einfach darauf zurückzuführen, daß die FDP Sie plötzlich im Stich gelassen hat.
Der FDP möchte ich auch sagen: Sie können nicht auf dieses neue Wahlinserat, das heute veröffentlicht ist - „Dritter Wahltrick der Großen Koalition: einfach weiterregieren" -, bauen. Der Herr Bundeskanzler ist nicht da, deshalb kann ich sagen, das Inserat schließt: „Folgendes muß geschehen: 28. 9. 1969 - Bundeskanzler Kiesinger kommt nicht wieder". Was in dem Inserat als Sachdarstellung gegeben worden ist, das steht in keinem verwandtschaftlichen Verhältnis mit der Wahrheit.
Meine Damen und Herren, niemand wird bestreiten wollen, daß Bundeswirtschaftsminister Professor Schiller früh genug die Absicht gehabt hat, mit den Problemen einer neuen Hochkonjunktur fertig zu werden, und daß ihm dabei insbesondere an der außenwirtschaftlichen Absicherung lag, so wie das in § 4 des Stabilitätsgesetzes vorgesehen ist. Ich sage das noch einmal, weil der Herr Bundeskanzler am 17. Juni zu Recht besonders hervorgehoben hat, daß wir uns nun einem Problem, nämlich dem einer neuen Hochkonjunktur, gegenübergestellt sehen, das dem Problem genau entgegengesetzt ist, das zu Beginn der Amtstätigkeit der neuen Regierung und des Herrn Bundeskanzlers gegeben war.
Es gibt auch einige Beschlüsse der Bundesregierung - und das sollte man wirklich nicht übersehen, ganz gleich, wie man zu einem bestimmten Vorgang steht, auf den ich aus naheliegenden Gründen noch zu sprechen komme -, die dieser wirtschaftlichen Lage und der voraussehbaren Entwicklung angemessen sind. Herr Kollege Burgbacher hat einige dieser Vorgänge berührt, und ich kann insoweit das, was er dazu ausgeführt hat, für die sozialdemokratische Fraktion und für mich persönlich nur unterstreichen. Das wird leider in der öffentlichen Diskussion der letzten Wochen und Monate und vielleicht noch sehr viel stärker in der kommenden Diskussion auf den 28. September hin vergessen.
Ich meine damit erstens die Beschlüsse der Bundesregierung zur Sicherung der Preisstabilität vom 18. März 1969 mit finanziellen Auswirkungen von insgesamt rund 2 Milliarden DM. Weiter sind zu nennen die Anpassung von Steuervorauszahlungen gemäß § 26 Ziffer 1 des Stabilitäts- und Wachstumsgesetzes sowie die Ausweitung der Einfuhrmöglichkeiten für Waren der gewerblichen Wirtschaft mit insgesamt 580 Millionen DM.
Und ich meine zweitens die Beschlüsse der Bundesregierung vom 14. Mai 1969, die die Bildung einer obligatorischen Konjunkturausgleichsrücklage in Höhe von 2,4 Milliarden DM beim Bund und 1,2 Milliarden DM bei den Ländern gemäß § 15 des Stabilitätsgesetzes vorsehen. Wie Sie wissen, gilt für den Bund diese Verpflichtung zur Konjunkturausgleichsrücklage nur für die Mittel, die nach der fälligen Ablösung der U-Schätze übrigbleiben.
Über die Behandlung der einstweilen gesperrten Mittel im Bundeshaushalt entsprechend der Entscheidung vom 18. März 1969 hat nun noch die Bundesregierung zu beschließen.
Dr. h. c. Dr.-Ing. B. h. Möller
Die Bundesregierung hat am 14. Mai vorgeschlagen - und der Deutsche Bundestag hat sich mit diesen Vorschlägen bereits befaßt und wird sich mit ihnen bis zum Schluß der Legislaturperiode noch weiter zu befassen haben -: a) die Änderung des § 16 des Bundesbankgesetzes, der eine Ermächtigung der Bundesbank vorsieht, die Mindestreserven für Ausländerguthaben auf 100 % festzulegen, und b) das außenwirtschaftliche Absicherungsgesetz vom November 1968, das dieses Hohe Haus ursprünglich auf den 31. März 1970 befristet hat, nun zu entfristen.
Auch die Deutsche Bundesbank hat in mehreren Schritten eine restriktive monetäre Politik begonnen.
Nicht beschlossen hat diese Bundesregierung entgegen der Auffassung des Bundeswirtschaftsministers, und zwar am 9. Mai, Maßnahmen gegen das Übergreifen der Preissteigerung des Auslands auf unsere Wirtschaft durch eine maßvolle Aufwertung - auf ewig nicht beschlossen, wie ein Sprecher der Bundesregierung gesagt hat.
Um an dieser Stelle nicht mißverstanden zu werden, wie das Herrn Bundesfinanzminister Strauß bei seinen Ausführungen am 28. April dieses Jahres in München passierte, erkläre ich ausdrücklich: Dieser von der Bundesregierung nicht gefaßte Beschluß steht. Er ist entgegen der Auffassung der sozialdemokratischen Minister und der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion nicht zustande gekommen. Sie haben den Standpunkt vertreten - den ich persönlich uneingeschränkt teile -, daß die vom Bundeswirtschaftsminister vorgeschlagene Maßnahme in vollem Umfang geeignet wäre, die Verbraucherpreise auf einem Niveau zu halten, das gegenüber dem Jahre 1968 keine Verschlechterung gebracht hätte.
Wir Sozialdemokraten standen mit unserer Auffassung und Argumentation nicht allein auf weiter Flur. Wir wurden, was ich dankbar anerkenne, unterstützt von der Deutschen Bundesbank, von den Gewerkschaften, vom Deutschen Industrie- und Handelstag, vom Zentralverband des Deutschen Handwerks, vom Deutschen Sparkassenverband, vom Sachverständigenrat, von allen wirtschaftswissenschaftlichen Forschungsinstituten und von weit über 100 Professoren der Wirtschaftswissenschaft. Auch Sprecher der Opposition sind für eine maßvolle Aufwertung eingetreten.
Nach einer Meldung der FAZ vom 11. Juni 1969 hat der Vorstand der zweitgrößten genossenschaftlichen Warenzentrale der Bundesrepublik, der Hauptgenossenschaft in Hannover, erklärt: „Wir hätten eine Aufwertung der D-Mark begrüßt, sie wäre auch für die Landwirte gut gewesen." Das ist immerhin eine beachtliche Stabilitätsfront. Ich konnte mich, wie Sie wissen, aus Gesundheitsgründen zu meinem großen Bedauern in jenen entscheidenden Tagen an der wirtschafts- und währungspolitischen Debatte nicht beteiligen.
({1})
- Ja, das ist mißbraucht worden. Und darauf wollte ich, Herr Kollege Luda, gerade zu sprechen kommen. Sie haben also insoweit eine richtige Ahnung gehabt. Lassen Sie mich deshalb heute offen aussprechen, Herr Kollege Luda, daß ich es nicht als fair empfunden habe, daß aus einem Arbeitspapier einseitig zitiert worden ist, das ich meinen Fraktionskollegen mit Argumenten pro und kontra einer Aufwertung der D-Mark zur Verfügung gestellt hatte, und zwar in Überarbeitung einer Dokumentation vom November 1968.
({2})
- Ob Sie es legal bekommen haben oder nicht - Sie haben es aber nicht loyal zitiert.
Wenn Sie beispielsweise die neue Ausgabe der Zeitschrift „Capital" zur Hand nehmen, finden Sie dort auch eine solche Aufstellung, nicht mit derselben Überschrift „Argumente pro und contra eine D-Mark-Aufwertung", aber eine Zusammenstellung der Konsequenzen, die durch das Aufwertungs-Nein für bestimmte Gruppen entstanden sind. Da versucht „Capital" durch Aufschlüsselung bestimmter Beträge nachzuweisen, daß diejenigen, die sich gegen die Aufwertung entschieden haben, dabei gewisse finanzielle Konsequenzen nicht übersehen dürfen. Man stellt auch heraus, was eingetreten wäre, wenn eine maßvolle Aufwertung vorgenommen worden wäre. Damit ist für die Leser von „Capital" eine Orientierung möglich. Nun kann jeder für sich abwägen, inwieweit er von dem einen oder von dem anderen Argument Gebrauch macht. Damit wird eine eigene, verantwortliche Meinungsbildung erleichtert.
Hier in dem Hohen Haus wird wohl niemand bestreiten wollen, daß wir uns mit so vielen komplizierten Materien zu beschäftigen haben, daß es Pflicht der Kollegen ist, die auf diesem Gebiete Sachverstand für sich in Anspruch nehmen, die übrigen Kolleginnen und Kollegen so zu informieren, daß sie mit diesen Informationen in eine Debatte eingreifen und sich auf Grund der Informationen ein eigenes Urteil bilden können.
({3})
Ich würde meinen, das müßte noch ausgebaut werden, damit wir - lassen Sie mich das ganz offen aussprechen - auch von den eigenen Experten in den eigenen Fraktionen etwas weniger abhängig werden und damit jeder versucht - das ist auch bei Politikern möglich - einfach mit gesundem Menschenverstand an die Lösung wichtiger Probleme heranzugehen.
({4})
- Vielen Dank, Herr Kollege Schmidt. Das tut mir aus Ihrem Munde besonders gut. Ich bitte dafür um Verständnis.
({5})
Zwischen dem sozialdemokratischen Wirtschaftsminister Professor Schiller und mir besteht über die
Vorstellungen und Ziele der Währungspolitik der Bundesrepublik Deutschland volle Übereinstimmung; das möchte ich gerade an diesem Tage und im nachhinein noch einmal erklären. Wäre nicht die Bundesregierung für diese Entscheidung zuständig, sondern der Deutsche Bundestag, so hätte am 9. Mai der Abgeordnete Möller für die von Professor Schiller vorgeschlagene Verbesserung der Währungsparität der D-Mark um 6,25 % gestimmt. Ich bin sogar sicher, daß, wenn am 9. Mai statt der Bundesregierung dieses Hohe Haus zu beschließen gehabt hätte, der Abgeordnete Möller mit seiner Stimmabgabe zur Mehrheit des Hohen Hauses gehört hätte.
Präsident von Hassel: Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Professor Burgbacher?
Bitte!
Herr Kollege Möller, soll ich Ihre Ausführungen so auffassen, daß Sie mit dem Alleingang einer Nation die Währungsprobleme lösen wollen, oder sind Sie nicht auch der Meinung, daß eine internationale Vereinbarung, in welchem Rahmen auch immer, eine nachhaltigere Lösung bedeuten würde?
Ja. Nur
- das werden Sie mir zugeben, Herr Kollege Burgbacher - dauert das seine Zeit, und wir Sozialdemokraten haben die besondere Angewohnheit, daß wir nicht auf Zeitverzögerung arbeiten, sondern der Meinung sind, daß wir zu jedem Zeitpunkt die Pflicht haben, das Richtige zu beschließen und das Richtige durchzuführen. Sie haben doch selbst mit Ihren Ausführungen vorhin zu erkennen gegeben, für wie schwierig Sie eine weltweite Lösung ansehen. Daß eine solche Lösung erhebliche Zeit in Anspruch nimmt, brauche ich Ihnen nicht auseinanderzusetzen. Sie sind wahrscheinlich genauso gut wie ich darüber orientiert, wann etwa in den USA die ersten Arbeiten beginnen werden. Wir wissen nicht, wie die Situation in Frankreich sich in den nächsten Wochen darstellt. Vielleicht ist aber dann schon die eine oder andere Überlegung, die am 9. Mai angestellt worden ist, nicht mehr ganz so durchschlagend, wie man das jetzt noch vermuten könnte.
Präsident von Hassel: Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage des Abgeordneten Professor Burgbacher?
Bitte!
Ich will Sie nicht quälen,
({0})
- ich meine die Zeit! -; aber bitte, Herr Möller: wieso stellen Sie das Zeitargument über die Effektivität einer Lösung? Sind Sie der Meinung, lieber
etwas Falsches schnell zu machen als etwas Richtiges langsam?
({1})
Da befinden wir uns in einem fundamentalen Ungleichgewicht hinsichtlich unserer Auffassungen. Sie haben mir vorhin zugegeben - oder ich hätte Ihr Verhalten mißverstanden, was ich sehr bedauern würde -, daß es eine Zeit dauern wird, bis wir das jetzige Währungssystem durch ein besseres ersetzen können.
({0})
- Da sind wir einer Meinung. Und nun wollen wir nicht etwas Schlechtes tun, etwas, was nicht zu vertreten wäre, sondern wir wollen diese Zeit nicht ungenutzt lassen. Wir wollten mit einer solchen maßvollen Aufwertung uns frühzeitig antizyklisch verhalten. Das ist nicht ganz einfach, das haben Sie den Ausführungen des Herrn Kollegen Menne entnehmen können; denn er hat hinsichtlich der Steuerpolitik genau dasselbe prozyklische Verhalten vorgeschlagen, das leider mit der Steuergesetzgebung von Herrn Dahlgrün hier im Hohen Hause allgemein - auch von meiner Fraktion, wie ich zugebe - gebilligt worden ist. Aber immerhin, Herr Kollege Schmidt, wir sind uns darin einig. Denn wenn man einmal einen so gewaltigen Fehler gemacht hat - und das ist nach meiner Meinung damals ein gewaltiger Fehler gewesen -, - ({1})
- Ja; aber es war trotzdem ein gewaltiger Fehler, Herr Kollege Schmidt, daß wir uns nicht antizyklisch verhalten haben. Wir hätten uns trotzdem antizyklisch verhalten müssen und nicht prozyklisch, ob Instrumentarium oder Stabilitätsgesetz oder nicht. Darin, daß nunmehr mit dem Stabilitätsgesetz eine noch viel stärkere Sorgfaltspflicht, so will ich einmal sagen, des Parlaments in solchen Situationen vorhanden ist, stimme ich mit Ihnen völlig überein.
Meine Damen und Herren, gleichgültig, was auch immer die Politiker in der gegenwärtigen Situation reden mögen, sie werden an dem wirtschaftlichen Tatbestand, daß dié D-Mark gegenüber dem Ausland unterbewertet ist, mit ihren Reden nichts ändern. Jeder Ausländer, der Geld zur Verfügung hat oder Rechnungen in D-Mark bezahlen muß, legt, darauf hat der Bundeswirtschaftsminister schon hingewiesen, in dieser Situation sein Geld in D-Mark an. Auch diesen wirtschaftlichen Tatbestand betrachten manche als Spekulation. Es handelt sich hierbei um eine ökonomische Entscheidung insbesondere ausländischer Unternehmer, die Gewinnchancen wahrnehmen, welche Ihnen der Beschluß der Bundesregierung vom 9. Mai nicht genommen hat.
Die Aktualisierung des Jahreswirtschaftsberichts, die der Bundeswirtschaftsminister heute vorgenommen hat, wird von der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion und von mir begrüßt. Diese Lagebeurteilung und die Bemerkung des Herrn Bundeskanzlers vom 17. Juni, daß wir heute vor den ganz entgegengesetzten Problemen einer neuen HochDr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller
konjunktur stehen, müßte für jedes Mitglied dieses Hohen Hauses Anlaß sein, über seine bisherige Haltung nachzudenken, wobei es darauf ankommt, daß man den richtigen Entschluß auch zum richtigen Zeitpunkt faßt; in unserem Falle: daß man sich früh genug mit ausreichenden Mitteln antizyklisch verhält. Ich würde es nicht für ein Verhängnis halten, wenn man dabei frühere Überlegungen korrigiert, denn Irren ist menschlich, und auch für Politiker gilt: Das sind die Weisen, die durch Irrtum zur Wahrheit reisen.
({2})
Präsident von Hassel: Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Friderichs.
Herr Präsident! Verehrte Damen, meine Herren! Laut Tagesordnung dieses Hohen Hauses diskutieren wir heute über den Jahreswirtschaftsbericht.
({0})
Der tatsächliche Ablauf zeigt jedoch, daß wir uns mehr mit der Rede beschäftigen, die der Herr Bundeswirtschaftsminister heute vormittag gehalten hat.
Der Herr Bundeswirtschaftsminister hat heute morgen in erster Linie zu Fragen der Prozeßpolitik Stellung genommen, wofür ich angesichts der derzeitigen Diskussion in der Öffentlichkeit und angesichts der tatsächlichen Situation volles Verständnis habe. Bitte, erlauben Sie mir, daß ich auch als Angehöriger der Oppositionsfraktion anerkenne, daß der Herr Bundeswirtschaftsminister heute im darstellenden Teil seiner Ausführungen die Situation, wie ich meine, sehr richtig und so deutlich wie möglich gezeichnet hat. Es erübrigt sich daher, auf die von ihm vorgetragenen Zahlen im einzelnen noch einmal einzugehen. Man sollte sie in ihren Gewichten zusammenfassen.
Da ist einmal die Frage der Elastizität unseres Produktionsapparats, eine Frage, zu der der Herr Bundeswirtschaftsminister gemeint hat, es habe sich bisher erwiesen, daß eine beachtlich Elastizität vorhanden sei, daß also der Apparat bisher der Nachfrageexpansion gerecht geworden sei. Herr Bundeswirtschaftsminister, insoweit befinden Sie sich in Übereinstimmung mit dem Jahreswirtschaftsbericht. Aber ich habe den Eindruck, daß die Zeit seit Erstellung des Jahreswirtschaftsberichts sichtbar gemacht hat, daß diese Nachfrageelastizität erheblich nachzulassen beginnt, und zwar einfach deswegen, weil sich der vorhandene Produktionsapparat in den letzten drei Monaten offensichtlich der Grenze seiner optimalen oder gar maximalen Auslastung genähert hat - ich meine, rein von den Produktionskapazitäten her gesehen -, so daß von da her eine erhebliche Steigerung ad hoc kaum möglich sein dürfte.
In den Bereichen, in denen der Produktionsapparat offensichtlich noch in der Lage wäre, schnellstens mehr herzugeben, mehr Ware an den Markt zu bringen, scheitert dies zunehmend an der mangelnden Elastizität des Arbeitsmarktes. Hier scheint mir der Jahreswirtschaftsbericht doch einer kritischen Analyse würdig zu sein. Denn im Jahreswirtschaftsbericht - er ist schließlich nicht uralt; er stammt vom 31. Januar 1969 - wird davon ausgegangen, daß die Nachfrage des Jahres 1969 vom Arbeitsmarkt her bewältigt werden könne, erstens durch die Steigerungen im Inland und zweitens durch die zusätzlich Hereinnahme von etwa 100 000 Gastarbeitern.
Ich glaube an dieser Stelle doch den Einwand machen zu müssen, daß die Entwicklung von Januar bis Mai gezeigt hat, daß diese Elastizität offensichtlich nicht mehr gegeben ist, daß sie im wesentlichen - damit kommt man natürlich gleichzeitig zu den Konsequenzen - noch darin besteht, daß zusätzliche Arbeitszeit von den ohnehin vorhandenen Arbeitskräften angeboten wird. Das heißt, um es einfach auszudrücken: die Frage der Elastizität konzentriert sich zunehmend auf die Frage der Überstunden, woraus sich - auch das hat Herr Schiller nach meiner Meinung richtig dargestellt - ergibt, daß wir zwar ein nominales Lohnwachstum minderer Art, zugleich aber ein sehr hohes effektives Lohnwachstum, nämlich von 10 %, haben, was in erster Linie auf die zusätzliche Leistung von Arbeitszeit zurückzuführen ist.
Zweifellos hat dieser Prozeß bis zum Augenblick dazu geführt, daß wir einigermaßen gut über die Runden kamen. Aber wie soll es weitergehen? Ich hatte mir die Debatte über den Jahreswirtschaftsbericht eigentlich so vorgestellt, daß wir hier nicht nur fragen, wie es ist, wie es war, wie die Entwicklung bis zum heutigen Tag, dem 19. Juni war, sondern daß wir uns auch die Frage stellen müssen, wie es aussieht, wenn sich diese Daten so entwikkeln, wie ihre Entwicklung voraussehbar ist. Hier sieht es doch ganz offensichtlich so aus, daß die Nachfrage aus dem Ausland - entgegen der Annahme des Jahreswirtschaftsberichts - durch das Absicherungsgesetz nicht oder jedenfalls nicht so sehr gedämpft worden ist, daß eine erhebliche Verminderung der Auslandsnachfrage eingetreten wäre. Insoweit hat der Herr Bundeswirtschaftsminister den Jahreswirtschaftsbericht heute morgen ja auch selbst korrigiert. Auf der anderen Seite ist es selbstverständlich, daß die so zu verzeichnenden Aufträge die Inlandsnachfrage, jedenfalls bei Anlagegütern, ebenfalls angeheizt haben und ganz offensichtlich weiter anheizen. Ich habe mir in den letzten Tagen die Geschäftsberichte einiger Unternehmen, die Investitionsgüter produzieren, angesehen und habe festgestellt, daß der Auftragsbestand in einigen Bereichen nicht selten bis zu 300% über dem Auftragsbestand des vergangenen Jahres liegt, daß also auch hier ein starker Nachfragesog zu verzeichnen ist.
Der einzige Bereich, der im Augenblick ganz offensichtlich noch etwas hinterherhinkt, ist der Bereich der Konsumgüter. Aber wir alle wissen, daß im allgemeinen am Ende eines Booms, am Ende eines Aufschwungs, weil nämlich die Löhne der konjunkturellen Entwicklung mit einem gewis13432
sen Time-lag folgen, auch eine erhebliche Konsumgüternachfrage da ist. Es sieht so auch, als ob sie jetzt auch spürbar würde.
Das heißt, wir haben in den nächsten Monaten eine weiterhin verstärkte Auslandsnachfrage, eine weiterhin verstärkte inländische Nachfrage nach Investitionsgütern und ganz offensichtlich eine zunehmend verstärkte Nachfrage nach Konsumgütern aus dem Inland zu erwarten. Das bedeutet, daß sich die Anspannung im konjunkturellen Bereich abschwächt; sie wird nach unserer Überzeugung zunehmen, wenn - das ist die Frage, die wir diskutieren müssen- keine Gegenmaßnahmen ergriffen werden.
Wie sieht es in dieser Situation mit einer anderen Nachfragekomponente, nämlich mit den öffentlichen Ausgaben, aus? Herr Bundeswirtschaftsminister, in dem Jahreswirtschaftsbericht dieser Bundesregierung wird noch davon ausgegangen, daß die Steuermehreinnahmen des Jahres 1969 nicht stillgelegt werden sollen. Im Jahreswirtschaftsbericht wird noch davon ausgegangen, daß diese Steuermehreinnahmen zusätzlich zur Stabilisierung der Inlandsnachfrage ausgegeben werden müßten, weil der Rückgang der Auslandsaufträge durch die 4%ige steuerliche Belastung nach dem Absicherungsgesetz so groß sei, daß dem eine binnenländische Komponente entgegengestellt werden müsse.
Auch diese Position haben Sie heute morgen dankenswerterweise korrigiert. Sie haben also auch in diesem Fall den Jahreswirtschaftsbericht - wenn ich das so sagen darf - zu den Akten gelegt. Sie haben gesagt, der Staatshaushalt gebe keine zusätzlichen Impulse. So weit, so gut. Offensichtlich versucht diese Regierung also, den Haushalt konjunkturneutral zu machen, wobei ich jetzt den Expertenstreit über die Frage, wann ein konjunkturneutraler Staatshaushalt vorliegt, hier nicht austragen möchte. Dazu müßte man die Struktur des Haushalts untersuchen. Es geht ja nicht nur um die Frage des Umfangs, sondern insbesondere um die Frage, in welche Bereiche die Ausgaben fließen.
Aber wenn meine Vorstellungen - zusätzliche Auslandsnachfrage, zusätzliche Inlandsnachfrage, Erschöpfung der Produktionskapazität, Erschöpfung der Arbeitsmarktkapazität - richtig sind - Sie haben das heute morgen bestätigt -, hätte diese Bundesregierung eine antizyklische Politik der öffentlichen Hand, d. h. der Staatsausgaben, betreiben müssen. Ich glaube, wir sind in der klassischen Situation, in der sie dies hätte tun können und dazu sogar verpflichtet gewesen wäre.
Ein paar Sätze zur Frage der Außenwirtschaft. Dem Jahreswirtschaftsbericht können wir, was diese Frage angeht, eigentlich nur noch Tendenzen entnehmen, denn viele seiner Behauptungen sind überholt. Ich verkenne nicht, daß es schwierig ist, im Januar einen Wirtschaftsbericht vorzulegen, der eine Entwicklung präzise quantifizierbar aufzeigt. Man muß aber sorgsam darauf achten, daß in einem Wirtschaftsbericht Begriffe wie „zweifellos" vermieden werden, denn sonst machen Sie aus Tendenzmeldungen feststehende Daten. Aber viel wichtiger
erscheint es mir, daß hier der Bundeswirtschaftsminister heute vormittag noch einmal dargelegt hat, daß man, nachdem man auf die Aufwertung der Deutschen Mark verzichtet hat und nur noch mit dem Absicherungsgesetz operiert, im Grunde genommen gewärtig sein muß, was weiterhin passiert, daß nämlich der Sog der Auslandsaufträge weiter zunimmt und daß Sie nun von dieser Regierung vor der Frage stehen: Wie dämpfen wir die Inlandsnachfrage? Herr Bundeswirtschaftsminister, ich stimme Ihnen auch in diesem Punkt zu, wenn Sie jetzt versuchen, die Inlandsnachfrage mit fiskalpolitischen oder notenbankpolitischen Maßnahmen erheblich zu dämpfen, werden Sie die Wirkung nicht vermeiden können, daß die Auslandsnachfrage übermäßig stark
- ich behaupte sogar: stärker, als ihre binnenländische Wirkung ist - zunehmen wird. Insofern stehen wir wieder vor der Frage, ob der Beschluß vom 9. Mai - der leider von einem der beiden Regierungssprecher als ewig bezeichnet wurde - tatsächlich zu halten ist. Ich verwahre mich dagegen, daß man, wenn man das ausspricht, von dieser Seite des Hauses und, wie ich meine, insbesondere von dem Herrn Bundeskanzler zur Rechenschaft gezogen und einem vorgeworfen wird, damit reize man die Spekulation an. Meine Damen und Herren, man wird doch über die Frage, welche Art der wirtschaftlichen Absicherung in unserer Situation erforderlich ist, hier noch offen sprechen dürfen.
({1})
Ich bedaure in diesem Zusammenhang, daß der dafür Verantwortliche und Zuständige seine Devise „Montags nie" auch auf Donnerstag ausgedehnt hat. Ich meine den Herrn Bundesfinanzminister. Ich finde es nachgerade - ich möchte mich zurückhalten - unverantwortlich, daß in einer Debatte über den Jahreswirtschaftsbericht, in dem die außenwirtschaftliche Absicherung die Kernfrage des prozeßpolitischen Problems darstellt, der Herr Bundesfinanzminister, der in dieser Frage doch ganz offensichtlich eine Vetofunktion übernommen hat, nicht, da ist, während derselben Zeit aber annonciert: „Jedes Markstück ist ein Goldstück" und klarmacht, er lasse sich als Hartmacher durch niemanden - offensichtlich, Herr Schiller, waren Sie damit gemeint - daran hindern, daß das so gesund weitergehe.
({2})
- Ich kann die Anzeige anders kaum verstehen. Meine Damen und Herren, es geht einfach nicht, daß der Bundesfinanzminister bei der Beratung und Verabschiedung des Jahreswirtschaftsberichts hier nicht
- ich meine nicht im Hause, sondern in den zuständigen Gremien dieser Bundesregierung - da ist, sich durch seinen beamteten Staatssekretär vertreten läßt und dieser wiederum sagt, er könne für das Haus keine verbindlichen Erklärungen abgeben. So kann diese Regierung einfach keine Wirtschafts-und Finanzpolitik betreiben. Es geht auch nicht, daß sich diese Regierung in der Frage der Aufwertung von - Herr Burgbacher, wie nannten Sie das? - pragmatischen Fragen abbringen läßt, indem die Frage der Aufwertung zu einer Frage der Existenz
des amtierenden Kanzlers gemacht wird. Die Frage, ob eine Aufwertung die Parität nach außen verändert oder nicht, kann nicht eine Frage der Existenz des Kanzlers Soundso sein, sondern das muß eine Frage der jeweiligen Disparität der binnenländischen Kaufkraft zu der Kaufkraft der uns umgebenden Währungen sein.
({3})
Mir kommt es so vor, als habe der Herr Bundeskanzler dieses sein Verhalten, als habe er die Orientierungsmarke seiner Politik an den Bug seines eigenen Segelschiffes geheftet und segle nun nach diesem Kurs. Die Segler werden wissen, wo man hinkommt, wenn man das an den eigenen Bug befestigt: Dann fährt man natürlich immer hinterher. Mit welchem Ergebnis, werden wir Ende dieses Jahres zweifellos sehen. Ich halte es für nicht verantwortbar, daß in dieser Situation beide Herren dieses Haus meiden und, wenn sie dazu Stellung nehmen - ich meine jetzt den Herrn Bundeskanzler -, sich lediglich mit einem Appell an die Emotionen durch eine Beschimpfung der sogenannten Spekulanten begnügen, als ob sie nicht selbst wüßten, daß das selbstverständlich ist. Der Herr Bundeswirtschaftsminister hat ja heute morgen die Termingeschäfte erwähnt, die doch nichts anderes sind als legitime Spekulationen.
Das zweite Problem - und bei Lösung dieser Frage hätten wir als Opposition der Regierung ja noch ein gutes Zeugnis ausstellen können - ist das der nun von der Regierung vorgesehenen Ersatzmaßnahmen. Diese von der Regierung beschlossenen Ersatzmaßnahmen, die der Abgeordnete Möller soeben dargelegt hat, sind zunächst völlig unzureichend. Aber selbst wenn sie zureichend wären, d. h. wenn die inländische Nachfrage durch die Ersatzmaßnahmen gedämpft worden wäre bzw. gedämpft werden würde, würde diese Dämpfung doch gerade das hervorrufen, vor dem der Herr Bundeswirtschaftsminister vor wenigen Minuten gewarnt hat, nämlich die zusätzliche Auslandsnachfrage.
({4})
Was soll eigentlich noch eine Regierung, in der der eine sagt: Solange ich Kanzler bin, wird nicht aufgewertet, in der der andere sagt: Ich bin überhaupt gegen die Aufwertung - und damit spekuliert er auf die Emotionen - und in der der Wirtschaftsminister ganz einfach sagt - jetzt habe ich die drei Verantwortlichen genannt -: Die klassischen Dämpfungsmaßnahmen - deren sich sein Kollege, der bayerische Finanzminister, plump rühmt - führen zu einer Vergrößerung des außenwirtschaftlichen Ungleichgewichts. Dieser seiner Meinung stimme ich zu. Aber ich frage Sie: Wo ist da eigentlich eine Richtlinienkompetenz, wenn in gravierenden wirtschaftspolitischen Fragen die Meinungsunterschiede in einer Regierung so offen zutage treten?
({5})
Herr Bundeskanzler, Sie verlagern in dieser Situation die Verantwortung wiederum allein auf die Notenbank, weil Sie die einzig vernünftige Maßnahme am 9. Mai verhindert haben. Diese Notenbank ist in der derzeitigen Situation allein überfordert. Wir wissen doch ganz genau, zu welchem zusätzlichen Problem wir kommen, wenn die Notenbank wieder als alleiniger Bremser auftreten muß, als alleiniger Übeltäter für die Verteuerung und Verknappung der Kredite. In dem Augenblick, in dem unser binnenländisches Zinsniveau ein gewisses Ausmaß übersteigt, bekommen wir auch noch aus diesen Gründen in unserem Land einen zusätzlichen Kapitalimport.
Das ist keine Wirtschaftspolitik aus einem Guß. Das ist eben nicht die Richtung, die stimmt. Ich habe mit Freude festgestellt, daß die Bundesregierung insoweit wenigstens konsequent ist und die Anzeigen mit dem Titel „Die Richtung stimmt" selbst gestoppt hat. Offensichtlich hat sie erkannt, daß diese Dinge eben nicht mehr stimmen. Diese Richtung ist Schlendrian. Durch eine in sich zerstrittene bzw. mit starken Meinungsunterschieden auseinanderklaffende Regierung wird der Schlendrian offiziell in die deutsche Wirtschafts- und Finanzpolitik eingeführt. An der Spitze dieser Regierung steht ein Kanzler, der offensichtlich nicht die Fähigkeit besitzt, hier einen klaren Kurs zu steuern; denn er hat weder einen Kurs sauber durchgezogen noch den anderen akzeptiert. Das ist das, was ein Parlament - und nicht nur die Opposition - von einer Regierung verlangen muß.
({6})
Wenn es aber so weiter geht, wird es unvermeidbar sein, daß trotz der minimalen Ersatzmaßnahmen im Inland ein Preisanstieg erfolgen wird. Ja, wer heute morgen - wenn ich das so bezeichnen darf
- der Ergänzung des Berichtes aufmerksam gefolgt ist, mußte doch spüren, daß es angesichts der nicht vorgenommenen Paritätsänderung eigentlich unvermeidlich ist, die Disparität dadurch auszugleichen, daß im Inland etwas passiert. Glaubt denn jemand in diesem Haus, daß auf Dauer ein inflationärer Trend um uns herum draußengelassen werden kann, ohne daß der tatsächliche Wert der Deutschen Mark
- das ist doch nichts Negatives - im Verhältnis zu den anderen Währungen anerkannt wird? Wollen wir im Inland weiterhin zu günstigen Bedingungen qualitativ gute Produkte gegen schlechtes und immer schlechter werdendes Geld exportieren?
Die Hetzkampagne gegen den Begriff der Aufwertung seit Mitte des vorigen Jahres hat der deutschen Politik deswegen geschadet, weil sie sich in dieser Frage zum Schluß handlungsunfähig gemacht hat. Dagegen müßten wir angehen. Wir sollten den Begriff endlich als das darstellen, was er ist, nämlich als eine ganz nüchterne Frage, die man wirtschafts- und finanzpolitisch entscheiden muß, bei der es eben nicht darum geht, darauf zu spekulieren, daß die Bevölkerung unseres Landes auf Grund ihrer schlechten Erfahrungen immer empfindlich reagiert, wenn nur das Wort Währung oder so etwas in den Mund genommen wird. Diese Regierung hätte ihre beiden Sprecher besser dafür eingesetzt, der Bevölkerung klarzumachen, daß eine steigende Kaufkraft etwas Gutes sei - ich habe nie verstanden, daß Sie das nicht für sich in Anspruch genommen
haben -, und daraus dann die Konsequenz zu ziehen, eine Absicherung nach außen vorzunehmen.
({7})
Aber der Herr Finanzminister scheint ja zu diesen Dingen schweigen zu wollen; doch auch er wird am 28. September zur Rechenschaft gezogen werden.
Meine Damen und Herren! Diese Regierung hat sich soeben auch durch Herrn Professor Burgbacher noch einmal gerühmt, wie sie den Boom wieder entfacht hat, was sie alles getan hat - auch Herr Möller hat es gesagt -, um uns aus der Talsohle herauszuführen. Lassen Sie mich - darf ich das Wort verwenden - selbstkritisch sagen: Sie hat also dasselbe geschafft wie ihre Vorgängerregierung. Auch die hat 1960 einen Boom produziert, und sie hat 1964/65 einen Boom produziert. Aber offensichtlich hat diese jetzige Regierung ebensowenig das geschafft, was man die Bewältigung des Booms im Interesse der Stabilität nennt. Hier scheint sie mit ihrer sogenannten aufgeklärten Marktwirtschaft, die zweifellos in der Form der Formulierung aufgeklärter ist als die frühere, der naiven in keinem Punkt überlegen zu sein. Schlimm ist nur, daß beide, die sogenannte aufgeklärte und die sogenannte naive Marktwirtschaft, wissen, daß beide wußten, was man tun muß, daß aber dieser Regierung mit 90 % der Mandate dieses Hauses die Kraft fehlt, eine zukünftige Rezession zu verhindern.
({8})
Meine Damen und Herren, darum geht es! Nur wenn Sie jetzt dazu beitragen, das Überschäumen zu verhindern, legen Sie den Grundstein für eine gesunde, stetige Wachstumspolitik und bauen nicht selbst den Bazillus einer neuen Rezession ein. Offensichtlich fehlt dieser Regierung die Kraft, obwohl die gesamte Öffentlichkeit beifallklatschend dabeistünde, denn sie spürt, daß eine überschäumende Entwicklung in erster Linie zu Lasten der Bezieher von mittleren und kleineren Einkommen und der Bezieher fester Einkommen gehen wird.
Meine Damen und Herren! Es ist bedauerlich, daß wir heute hier stehen und in der Beurteilung der Situation, in der Beurteilung der möglichen Maßnahmen nahezu übereinstimmen, daß aber diese Regierung und die Mehrheit dieses Hohen Hauses offensichtlich die Kraft, den Aufschwung nunmehr zu sichern, nicht haben. Wenn Sie diese Kraft nicht aufbringen, werden Sie nicht verhindern können, daß alle Faktoren nunmehr zum Überschäumen neigen. Die bisher maßvolle Lohnentwicklung wird automatisch an dem Tag, an dem die Preissteigerungen sichtbar werden, ihre Ausuferung beginnen; jeder, der produziert, wird den Versuch machen, am Markt das an Preisen herauszuholen, was der Markt hergibt, und das ist das gute Recht der am Prozeß Beteiligten. Es ist die Aufgabe einer verantwortungsvollen Finanz- und Wirtschaftspolitik, den Datenkranz so zu setzen, daß von der fiskalischen Seite her, von der ordnungspolitischen Seite her alle gezwungen werden, sich so zu verhalten, daß Wachstum auf Dauer stetig möglich ist und nicht durch eine überschäumende Politik, bei der offensichtlich
jetzt der Mut zu einem Kappen der Entwicklung nicht vorliegt, gezwungen wird, selbst auszuufern.
Ja, das ist doch das Verhängnis dieser Finanz- und Wirtschaftspolitik, daß sie weiß, wohin die Entwicklung geht, daß sie aber offensichtlich sagt: Nach dem 28. die Sintflut; so lange werden wir es halten, so lange werden sich die Preissteigerungen in einem Ausmaß bewegen, das unter dem Schlimmsten der Jahre 1965 und 1966 liegt.
Herr Bundeswirtschaftsminister, wollen wir einmal annehmen, es bliebe bei den von Ihnen genannten 3%. Ich glaube es für das vierte Quartal nicht, und Sie selbst glauben es für das vierte Quartal auch nicht so ganz, nachdem die Maßnahme der Aufwertung nicht geglückt ist. Meine Damen und Herren, 4%. sind eine ganze Menge. Was aber viel entscheidender ist: diese 4% widersprechen den großen Reden, die die damalige Opposition im Frühjahr 1966 an den damaligen Kanzler Erhard gerichtet hat. Ich entsinne mich noch sehr gut, Herr Bundeswirtschaftsminister, als Sie von dieser Seite des Hauses hier sagten: Die Devise muß heißen: dreizwei, zwei-eins; das bringt eine rationale Wirtschaftspolitik fertig. - Ich gestehe zu, am Ende der anderen Regierung waren wir durch übermäßige Dämpfungsmaßnahmen der Bundesbank bei zwei angelangt, jetzt sind wir schon wieder auf drei, und die Tendenz zeigt zweifellos nach oben.
Herr Bundeswirtschaftsminister, ein Letztes. Sie können eins nicht tun, nämlich am Ende des Jahres, wenn diese Entwicklung eingetreten sein wird, sagen: Es liegt ja nicht an mir, ich war ja für eine außenwirtschaftliche Absicherung. Das geht nicht! Es geht eben nicht, daß sich in dieser Regierung der Mittelstandskreis der CDU vor dem Mittelstandskongreß vor der Lohnfortzahlung davonstiehlt und sagt: Das war ja diese böse SPD; damit haben wir gar nichts zu tun, wir haben ja viel Schlimmeres aufgehalten. Und Sie, Herr Minister, sagen: Das liegt ja nur daran, daß die Aufwertung nicht kam; wäre diese Regierung mir gefolgt, wäre dieses Fiasko nicht eingetreten. - Nein, nein, diese beiden Parteien und diese Bundesregierung mit diesem Kanzler an der Spitze sind gemeinsam verantwortlich. Wir werden es nicht zulassen, daß sich mal der eine, mal der andere aus der Verantwortung herausstiehlt, weil es ihm für seine Wählerstruktur im Augenblick gerade so paßt.
({9})
Das ist die Verantwortung, Herr Bundeswirtschaftsminister, die Sie auch übernommen haben, indem Sie sich im Kabinett haben überstimmen lassen, in dem Sie aber weiterhin die Verantwortung für diese Wirtschaftspolitik tragen, ebenso wie Ihr Kollege, der Herr Bundesfinanzminister, ebenso und insbesondere wie der Herr Bundeskanzler.
Noch zwei Bemerkungen zu diesem Jahreswirtschaftsbericht. Die Energiepolitik spielt als ordnungspolitischer Teil eine Rolle, und, Herr Bundeswirtschaftsminister, hier muß ich leider feststellen, daß unsere seinerzeitige Kontroverse über die Frage, wie schnell man eine solche Ordnungspolitik
machen könne, wie schnell man eine Einheitsgesellschaft von etwa 90 % des deutschen Steinkohlenbergbaus gründen und funktionsfähig machen könne, zugunsten der Opposition ausgegangen ist. Denn ich habe damals gesagt: Sie schaffen es nicht in der Zeit. Sie haben gesagt:
Wenn sie das in einem Jahr - so steht es im Gesetzentwurf -, bis zum 31. Dezember 1968, nicht getan haben, dann werden ihnen die Subsidien entzogen. Meine sehr verehrten Damen und Herren von der FDP, Sie sind doch diejenigen, die sonst immer reden: Weg mit den Subventionen!
Wir haben heute den 19. Juni 1969; erst 75% des deutschen Steinkohlenbergbaus haben sich bereit erklärt. Sie selbst bzw. Ihr Haus hat immer die Meinung vertreten, es müßten mehr sein, um das Instrument wirksam zu machen. Also auch dieser .ordnungspolitischer Teil ist im Jahreswirtschaftsbericht ein bißchen ausgeklammert.
Eine letzte Kritik am Jahreswirtschaftsbericht und auch an Ihrem eigenen Bericht heute vormittag. In der Wirtschaftspresse, in der Offentlichkeit, soweit sie sich mit wirtschaftspolitischen Fragen befaßt, nimmt die Diskussion über die Wettbewerbspolitik zu. Sie selbst wissen, daß auch in diesem Falle Ihr Koalitionspartner Sie, wenn auch hinter vorgehaltener Hand, aber immerhin kritisiert. Ich hätte erwartet, nachdem im Jahreswirtschaftsbericht hierzu keine klaren Vorstellungen enthalten sind, daß wir heute morgen etwas klarer gehört hätten, welche
wettbewerbspolitische Konzeption diese Regierung hat. Wenn ich das heute sage, dann deswegen, weil Sie selbst wissen, daß die Anspannung im konjunkturellen Bereich mit den Konsequenzen der Kostensteigerungen, mindestens bei den Löhnen, mit Sicherheit aber auch bei Investitionsgütern, für einen bestimmten Bereich der Wirtschaft, nämlich für den 'kleinen und mittleren Bereich, besondere Probleme mit sich bringt, weil ihm die Hereinnahme höherer Preise aus dem Export nicht immer im gleichen Ausmaß möglich ist wie den anders Strukturierten. Insofern wäre es, glaube ich, gut gewesen, wenn wir auch hierüber heute morgen etwas erfahren und darüber debattiert hätten. Ich kann aus dem Schweigen nur schließen, daß auch in dieser Frage diese Bundesregierung keine einheitliche Meinung hat.
Ich hoffe, daß der nächste Deutsche Bundestag die Frage der Wettbewerbspolitik am Beginn seiner Legislaturperiode behandelt. Denn, meine Damen und Herren, die Unruhe draußen bei den schwächeren der am Wirtschaftsprozeß Beteiligten nimmt zu. Das kann man nicht einfach überspielen, indem man dann eine geschlossene Öffentlichkeit herstellt, indem man einen Mittelstandskongreß macht und dort denen gerade das erzählt, was sie nun einmal gerade hören wollen. Wir müssen wissen: Wie sieht das Ordnungsbild unserer Wirtschaft aus? Sind wir der Meinung, daß auch Mittlere und Kleinere in einem ausreichenden Maß zu einer funktionierenden Marktwirtschaft beitragen? Sind wir der Meinung, daß viele unter diesen wettbewerbsfähig sind, ja, sind wir nicht sogar der Meinung, daß viele dieser
Mittleren und Kleineren zum technischen Fortschritt t relativ mehr beigetragen haben als viele ihrer großen Mitbewerber, weil nämlich im allgemeinen die neuen Produkte in mittleren und kleineren Betrieben schneller in kleinen Serien hergestellt werden und - das halte ich für sehr wichtig - weil, wie wir alle wissen, von der Erfindung bis zur Produktionsaufnahme gerade in Großbetrieben ein entsetzlicher Verwaltungsapparat sich mittlerweile angestaut hat, der sehr häufig verhindert, daß neue technische Entwicklungen rechtzeitig in die Produktion genommen werden?
Ich glaube, man hätte den vielen mittleren selbständigen Betrieben im Land, von denen Sie selbst, Herr Bundeswirtschaftsminister, wissen, daß sie am konjunkturellen Aufschwung viel später teilgenommen haben als die großen und weniger teilgenommen haben als die großen, heute morgen hier wenigstens etwas Ordnungspolitisches sagen müssen. Daß das nicht geschehen ist, liegt offensichtlich daran, daß die Christlich-Demokratische Union seit dem Ausscheiden des Bundeswirtschaftsministers Erhard aus der deutschen Wirtschaftspolitik ausgestiegen ist. Hoffen wir im Interesse aller, daß sie nach den Wahlen wieder einsteigt. Hoffen wir im Interesse aller, daß sich dieses Hohe Haus eine Regierung wählt, die in der Lage ist, Konjunkturpolitik, d. h. Prozeßpolitik, im Rahmen einer richtigen Ordnungspolitik zu machen.
(({10})
Präsident von Hassel: Das Wort hat der Abgeordnete Schmücker.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Friderichs, Sie haben zu Anfang Ihrer Ausführungen beklagt, daß man den Wirtschaftsbericht nicht in den Mittelpunkt der Debatte stellt. Sie haben nachher ebenfalls andere Themen angeschnitten, wie ich das jetzt auch tun möchte. Ich meine, Herr Friderichs, man muß doch die Dinge hier zur Sprache bringen, die in der allgemeinen Debatte die wichtigsten sind. Man soll alles natürlich um den Jahreswirtschaftsbericht her-umbauen. Aber ich finde, wenn wir uns allzu eng an einen solchen Bericht klammern, dann ist, vor allen Dingen wegen der Zeitabstände, nicht mehr viel zu sagen. Vor allem sind Sie selber von dieser Richtung sehr schnell abgewichen.
({0})
Sie haben bemängelt, daß diese Bundesregieung nicht geschlossen genug auftrete. Herr Friderichs, es läßt sich gar nicht bestreiten, daß es nicht leicht ist, eine große Koalition zu führen. Es ist auch nicht leicht, eine kleine Koalition zu führen. Selbst ein Einparteienkabinett zu führen ist nicht sehr leicht.
({1})
- Natürlich! Sind Sie etwa ein einheitlicher Verein,
meine Damen und Herren? Ich nehme an, Sie sind
doch stolz auf Ihre Liberalität, darauf, daß alle Mei13436
nungen bei Ihnen zur Geltung kommen können. Und so ist es natürlich auch in einem - ({2})
- Sie haben schon Entscheidungen vorgelegt bekommen, nur passen Ihnen diese Entscheidungen nicht. Ihrer Argumentation kommt es gelegen, daß Sie entgegen früherem Brauch dabei die Kabinettsmehrheiten gewahr werden. Diese Ergebnisse führen Sie in Ihre Argumentation ein, obwohl das mit der Sache gar nichts zu tun hat. Wenn man sich nicht verständigen kann, muß man eben entscheiden.
({3})
Ich möchte hier einmal feststellen, daß ich jetzt zwei Kabinetten angehört habe - oder sogar drei, wenn Sie wollen -, und ich bewundere, mit welcher Geduld, mit welcher Ausdauer und mit welcher Zähigkeit Bundeskanzler Kiesinger seine Sache macht.
({4})
Ganz wesentlich ist es seinem entschiedenen Auftreten zu danken, daß wir mit diesem übertriebenen Währungsgerede nicht in wirtschaftliche Schwierigkeiten hineingekommen sind. Natürlich bin ich mit Ihnen der Auffassung, Herr Friderichs, daß die Aufwertung eine Sach- und Fachfrage ist, die man möglichst kühl und nüchtern
({5})
behandeln sollte, ja, daß man diese Frage nicht in ein heißes Klima hineinreden sollte - ich war nicht beteiligt; darum darf ich es sagen -, daß die Umstände so gediehen waren, daß man gar nicht mehr zu einer Aktion schreiten konnte. Das ist doch die Gefährlichkeit, und ich meine, wir sollten etwas vom Marktplatz weg und hin zur sachlichen Diskussion kommen.
Präsident von Hassel: Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Moersch? - Bitte.
Herr Kollege Schmücker, haben Sie völlig vergessen, daß es niemand anders als der Bundeskanzler selbst war, der dieses mannhafte Wort in einem Interview mit der „Stuttgarter Zeitung" im November letzten Jahres gesprochen hat, daß er also in Wahrheit die Diskussion zur Unzeit auf den Markt getragen hat?
({0})
Der Herr Bundeskanzler hat sich ganz entschieden ausgedrückt und damit die Spekulation so weit vom Tisch gewischt, wie das möglich war.
({0})
- Mit Erfolg, meine Damen und Herren. Sehen Sie sich doch die Ergebnisse an!
({1})
- Ich denke, Sie wollen mit mir diskutieren. Da müssen Sie mir schon zuhören, auch wenn Ihnen das unangenehm ist. Die jetzigen Ergebnisse rechtfertigen die getroffenen Maßnahmen. Aber Ihnen kam es ja im wesentlichen darauf an, die Führungsqualitäten des Bundeskanzlers ein wenig anzukratzen,
({2})
jenes Herrn Kiesinger, den Sie beispielsweise im 1. Deutschen Bundestag als Gegenkandidaten für unseren verehrten verstorbenen Präsidenten Ehlers gegen den Wunsch der CDU ausersehen hatten. Also so ganz wenig können Sie von Herrn Kiesinger ja nicht halten; sonst hätten Sie das ja früher nicht so gemacht.
({3})
- Ja, ja; so ist es gewesen.
Im übrigen, meine Damen und Herren von der FDP, habe ich immer Ihr faires Verhalten in der Regierung Erhard in den Monaten Juli und August, als wir innerparteiliche Schwierigkeiten hatten, laut anerkannt, und ich nehme auch heute davon kein Stück zurück. Aber als Sie dann auf Grund einer Meldung in der Bild-Zeitung Ihre Kollegen im Kabinett im Stich ließen
({4})
und als dann die Regierung stürzte, meine Damen und Herren, da hatten wir, die CDU/CSU, in Kurt-Georg Kiesinger einen Mann, der es verhinderte, daß wir in eine regierungslose Zeit hineingerieten, die dann in der Tat zu den großen wirtschaftlichen Schwierigkeiten geführt haben würde.
({5})
Der Herr Bundeskanzler - Kollege Möller, Sie haben ihn zitiert - hat genau davon gesprochen. Meine Damen und Herren von der FDP, Sie sollten nicht so unvorsichtig mit Ihrem Tadel umgehen; denn das meiste von dem, was Sie vorbringen, müssen wir Ihnen leider in Ihre eigene Tasche zurückstecken.
({6})
Nun, Herr Friderichs, hatten Sie die Freundlichkeit, auch auf unseren Mittelstandskongreß von Dortmund einzugehen. In den letzten Tagen sind die Dinge, die wir in Dortmund diskutiert haben, in Anfragen, in unzuständigen Antworten auf diese Anfragen - es waren einige Abrutscher dabei - und in Diskussionsbeiträgen von gestern
({7})
von Herrn Junghans und, wie ich meine, in sanfter Umschreibung auch vorhin von Ihnen, Herr Möller, in die Debatte dieses Hauses getragen worden.
({8})
Wenn das geschieht, dann müssen Sie schon den
Nachteil eines Zeitverlustes und die Unannehmlichkeit, mich anzuhören, in Kauf nehmen; denn darauf
muß ich natürlich antworten. Ich will das in möglichst gedrängter und möglichst höflicher Form tun.
({9})
- Ich habe es nicht verstanden. ({10})
- Ich kann es leider nicht verstehen, wenn drei zur gleichen Zeit reden.
In meiner Rede vor dem Mittelstandstag der CDU/CSU habe ich darauf hingewiesen, daß die Restriktionsmaßnahmen der Jahre 1965 und 1966 eine Abkühlung der überhitzten Konjunktur zum Ziele gehabt haben. Es ging, um den mehrfach gebrauchten Ausdruck zu wiederholen, um eine gewollte Abkühlung. Die Formulierung besagt, daß, so unzulänglich - ich wiederhole: so Unzulänglich - die Mittel infolge fehlender verfassungsmäßiger und gesetzlicher Möglichkeiten damals waren, der Wirtschaftsablauf bewußt gebremst worden ist und die Dinge ihrem Lauf - laissez faire, laissez aller - überlassen worden sind. Die Schwierigkeiten des Jahres 1967 waren nicht die Folge der ergriffenen wirtschaftspolitischen Maßnahmen des Jahres 1966, sondern erstens eine Folge des Fehlens eines ausgleichenden wirtschafts- und finanzpolitischen Instrumentariums und zweitens eine Folge der gesamtpolitischen Schwierigkeiten des Herbstes 1966, die durch die Bildung einer neuen Regierung der Großen Koalition behoben und beendet worden sind.
({11})
Meine Damen und Herren, meine Dortmunder Ausführungen sind zum beliebten Zitatenschatz geworden, jetzt auch noch in neuer Richtung. - Bitte schön, Herr Friderichs!
Herr Bundesminister, darf ich Ihre Ausführung, daß der damaligen Regierung das Instrumentarium gefehlt habe, so auslegen, daß es der jetzigen nicht fehlt und sie trotzdem nichts tut?
({0})
Herr Friderichs, mit derartigen Redensarten kann ich Sie noch den ganzen Nachmittag belustigen, wenn Sie wollen. Ich stelle die Verhältnisse von damals dar, und ich möchte hinzufügen, daß diese Regierung das Instrumentarium maßvoll und klug benutzt hat. Wenn Sie daraus auch eine Anerkennung für den Kollegen Schiller hören wollen, nun, das ist sie auch.
({0})
Meine Dortmunder Ausführungen sind zum beliebten Zitatenschatz geworden, und - Herr Kollege Möller, das ist Ihnen auch passiert - man zitiert den anderen nur, wenn man ihn für die eigene Werbung verwenden will, aber nicht, um dessen tatsächliche Meinung kundzutun. So nehme ich es gar nicht tragisch, daß auch meine Ausführungen sowohl von Ihnen von der SPD als auch von
Ihnen, Herr Friderichs, mißdeutet werden. Das ist eine Sache, die jedem passiert, und das wird wohl auch so bleiben. Das ist infolge der Vorwahlkampfzeit nicht zu ändern. Es ist nicht zu ändern, daß sich diese Dortmunder Ausführungen textlich so weit von meiner Rede entfernen, daß sie nichts mehr mit ihr zu tun haben. Ich habe manchmal wirklich den Eindruck, daß dem einen oder anderen daran liegt, da man keine Gegner mehr hat, sich einen solchen aufzubauen, um dann fester auf ihn dreinzuschlagen, denn hauen kann man leichter als argumentieren. Das haben Sie eben auch versucht, Herr Friderichs, und ich wollte Ihnen das hier einmal als Antwort sagen.
({1})
Meine Damen und Herren, ich darf Ihnen in aller Ruhe und Bestimmtheit sagen: ich stamme aus einer Gegend, die zu den wirtschaftlich schwächsten der Bundesrepublik gehört. Meine eigene Arbeit hat von Anfang an vorrangig dem Ziel gegolten und gilt weiterhin dem Ziel, die Lebensverhältnisse, deren Gleichheit uns das Grundgesetz für die Bundesrepublik verspricht, gerade in den Gegenden zu verbessern, die noch keinen Anschluß an den Durchschnitt gefunden haben. Dieses Bemühen heißt doch in Klartext mehr und bessere Arbeitsplätze, das heißt Hilfe bei der Umstrukturierung der Landwirtschaft und Verhinderung existenzbedrohender Erschwernisse für die selbständige Berufsausübung. Es heißt auch, daß wir es nicht zulassen sollten, daß wirtschaftsschwächere Regionen den Konjunkturpuffer für industriestarke Ballungsgebiete abgeben.
Präsident von Hassel: Herr Schmücker, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Kollegen Genscher?
Bitte.
Herr Bundesminister, nachdem wir gehört haben, daß Sie in bezug auf den Mittelstandskongreß Opfer einer falschen Berichterstattung geworden sind, darf ich Sie fragen: Haben Sie sich auf diesem Kongreß für den Mittelstandskreis der CDU für oder gegen die arbeitsrechtliche Lösung der Lohnfortzahlung ausgesprochen?
Herr Genscher, ich habe mich dafür ausgesprochen. Ich komme gleich darauf zurück.
({0})
Meine Damen und Herren, auch wenn immer wieder darüber hinweggegangen wird, ich werde darauf hinweisen: Die soziale Not, die es in unserem Lande noch gibt, liegt nicht so sehr in den Ballungszentren, wo man natürlich auch um die Erhaltung des Gott sei Dank erreichten Lebensstandards besorgt ist. Die wirkliche Not liegt in den Gebieten, die abseits von den Wohlstandsstraßen liegen, die immer noch vergeblich auf eine wirksame Solidarität der reicheren Regionen, und das heißt - auch in Klartext - der reicheren Länder, warten.
Wer hier helfen will - das ist der Kern meiner Ausführungen -, der kann es nur, wenn er anderen etwas wegnimmt oder ihnen weniger zukommen läßt, das heißt, wenn er ihnen Opfer zumutet. Genau das ist der Punkt. Wir reden immerzu von Forderungen, von sozialer Sicherheit, von wirtschaftlicher Gleichstellung, aber finden zuwenig Worte für diejenigen, die keinen oder einen zu geringen Anteil haben. Wir reden nicht oder doch zuwenig darüber, daß jede Forderung, jeder Fortschritt auch seine lästigen Seiten hat. In allgemeinen Grundsätzen stimmen wir überein. Aber wenn dann der konkrete Fall kommt, schreckt man zurück.
Es wird über Wettbewerb gesprochen, und alle fordern ihn. Ich möchte die Herren Kollegen Apel, Fellermaier und Arndt einmal fragen: Haben Sie schon einmal persönlich mit voller Sorge um Ihre Existenz im Wettbewerb gestanden, in dem Druck und auch in der Angst des Wettbewerbs, Sie könnten nicht die Mittel zum Unterhalt für Ihre Familie und die Löhne für Ihre Arbeiter erwirtschaften? Haben Sie das schon einmal? Und haben Sie schon einmal erlebt, was es bedeutet, dabei auf der Strecke zu bleiben? Und wenn ja, warum vergessen Sie es, und wenn nein, warum versuchen Sie es nicht, es zu verstehen?
Präsident von Hassel: Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Apel?
Herr Minister, halten Sie es
eigentlich für angebracht, daß Sie Ihren Ärger über die von Ihnen zumindest textlich verwandte gewollte Rezession und die anderen Formulierungen, die sich anschlossen, jetzt auf diese Weise hier abreagieren?
Herr Apel, ich hielte es nicht für angebracht - ich tue es nicht -, aber ich ärgere mich darüber, daß Sie immer über die angenehmen Seiten reden, über die Schwierigkeiten jedoch einfach keine Debatte zulassen. So reden viele nur davon, daß in diesem Wettbewerb Leistungen und neue Erfolge entstehen, aber die Lasten und die Opfer, die damit verbunden sind, verschweigt man.
({0})
Darum habe ich vorhin die Frage gestellt; denn ich habe es in eigener Erfahrung erlebt, was es bedeutet, diese Lasten und diese Opfer auf sich zu nehmen.
Wenn man so einseitige Betrachtungen vornimmt, darf man sich nicht wundern, daß, wenn den Menschen die Last zu groß wird, sie nicht mehr bereit sind, sie zu tragen. Und darum bin ich dafür, daß man stets beide Seiten betrachtet.
Präsident von Hassel: Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Ravens?
Muß ich Ihren letzten Ausführungen entnehmen, daß Sie entgegen der Auffassung
Ihres Kollegen Burgbacher nicht für eine Verbesserung des Wettbewerbsrechts eintreten?
Herr Kollege Ravens, ich würde Sie doch bitten, sich zu bemühen, meinen Gedankengang zu verstehen und ihn nicht stets zu verfälschen. Ich bin dafür, daß wir für den Wettbewerb eintreten. Aber wenn ich sage, ich will Wettbewerb, muß ich auch gleichzeitig damit sagen, daß ich die Lasten und die Opfer dieses Wettbewerbs will. Darauf kommt es mir doch an! Aber das verschweigen Sie. Sie verschweigen, daß dieser Wettbewerb mit starken Opfern verbunden ist. Und wer eine überhitzte Konjunktur abkühlen will, muß doch, wenn es ihm um die Sache ernst ist, zugeben, daß dies unvermeindbar zu erheblichen Belastungen vieler Firmen und auch vieler Arbeitnehmer und vieler Unternehmer führt.
Präsident von Hassel: Gestatten Sie eine weitere Zusatzfrage?
Ja, gern.
Herr Kollege Schmücker, ich muß Sie noch einmal fragen, sind Sie wirklich der Auffassung, daß Herr Kollege Burgbacher mit seiner Darstellung, daß der Wettbewerb notwendig sei, um zu optimalen Marktverhältnissen zu kommen, daneben liegt?
Herr Burgbacher liegt völlig richtig. Wir sind ja auch gute alte Freunde und politisch einer Meinung. Wenn Herr Burgbacher sagt, wir wollen den Wettbewerb, dann sagt er damit implizite - das verschweigen Sie meistens -, daß dieser Wettbewerb von den einzelnen Opfer und Lasten erfordert und daß in der Überwindung dieser Lasten und Opfer die neue Leistung entsteht. Ich lege Wert darauf, das herauszustellen, weil das auch diejenigen Menschen anspricht und ermuntert, die diese Opfer und Lasten auf sich nehmen müssen. Und ich frage Sie noch einmal: Haben Sie das selbst schon einmal am eigenen Leibe mit Ihrer Familie erlebt?
Präsident von Hassel: Gestatten Sie eine weitere Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Apel?
Erst einmal möchte ich diese direkten Fragen zurückweisen. Das erinnert mich an Herrn Strauß, der immer fragte, ob man Abitur gehabt hat. - Aber jetzt zur Frage: Sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, daß die Vorschläge, die der Bundeswirtschaftsminister zur Reform des Wettbewerbsrechts vorgelegt hat, im Gegenteil sogar die kleineren und mittleren Unternehmen im Markt gegenüber der Übermacht der Großen stärken sollten? Und ist Ihnen nicht bekannt, daß die Wettbewerbspolitik in einem zweiten Abschnitt auch nach Meinung der Sozialdemoraten und des Wirtschaftsministers darauf abgestellt ist, die Macht der Großen zu beschränken und auf diese Art und Weise die
Deutscher Bundestag - 5. Wahlperiode - 241. Sitzung: Bonn, Donnerstag, den 19. Juni 1969 13439
kleinen und mittleren Betriebe besser im Markt stehenzulassen?
({0})
Verehrter Herr Kollege Apel, in weiten Bereichen - das wissen Sie aus den Beratungen des Wirtschaftspolitischen Ausschusses - stimmen wir mit unseren Auffassungen überein. In etlichen Punkten, z. B. in der Frage der Preisbindung, bin ich anderer Meinung als Sie. Aber Sie müssen doch nicht dauernd versuchen, dadurch, daß Sie andere, neben meiner Absicht der Darstellung liegende Fragen hier aufbringen, mir die Möglichkeit zu nehmen, das zu sagen, was ich sagen will. Der Kern meiner Darstellung soll sein: Wettbewerb muß sein. Wer ihn fordert, fordert gleichzeitig, daß die Menschen sich den Erschwernissen und den Schwierigkeiten des Wettbewerbs stellen. Das schlägt durch bis zum letzten Arbeitsplatz. Wer nicht den Mut hat, das zu sagen, der redet in allgemeinen Redensarten, aber nicht zur konkreten Sache. Darauf kommt es mir an.
({0})
Ich möchte einmal wissen, wieso man eigentlich Ludwig Erhard Vorwürfe macht. Er hat gewarnt. Nun ist das eingetreten - Gott sei Dank nicht in dem befürchteten Ausmaß -, wovor er gewarnt hat. Ausgerechnet diejenigen, die ihn verlachten, machen nun Vorwürfe. Nein, meine Damen und Herren, so geht es nicht.
({1})
Wir müssen uns weiterhin darum bemühen, eine Überhitzung der Konjunktur zu verhindern.
({2})
- Meine Damen und Herren, ich weiß nicht, warum es nicht möglich ist, auch einmal einem Gedanken zuzuhören, der Ihnen vielleicht völlig fremd und neu für Sie ist. Wir können doch hier nicht nur über abgedroschene Dinge reden.
({3})
Glaubt denn jemand, meine Damen und Herren, daß Haushaltskürzungen angenehm sind für diejenigen, die die erwarteten Mittel dann nicht mehr bekommen? Oder glaubt jemand, daß Nachfragedämpfungen ohne Friktionen durchgespielt werden können?
Herr Schiller wollte ein sehr drastisches Mittel, er wollte die Aufwertung. Ich war dagegen. Er hat viele gewichtige Gründe, und im ökonomischen Bereich könnte man sogar der Meinung sein, daß sie überwiegen. Aber man hat die Gesamtabwägung vorzunehmen. Darüber will ich nicht diskutieren. Ich will nur sagen, daß hier nicht einfach ein Pro und Kontra in Schwarzweiß gemalt werden kann, sondern daß viele Argumente gewichtet werden müssen. Er wußte doch dabei, daß eine solche Aufwertung viele Milliarden bar aus der Kasse kostet, und die hätten irgendwie eingespart werden müssen.
Woher sollten sie sonst kommen? Eine Umlenkung der Produktion vom Export auf den Binnenmarkt war doch nicht allenthalben, sondern nur beschränkt möglich. Das bedeutet wiederum, daß diejenigen, die in Industrien beschäftigt sind, deren Produktionen nicht umgelenkt wreden können, auf dem Binnenmarkt in eine schwierige Lage kommen. Nehmen Sie nur das Beispiel der Werften. Ich könnte Ihnen eine ganze Litanei aufzählen. Man muß so etwas, wenn übergeordnete Gesichtspunkte es verlangen, notfalls in Kauf nehmen und sofort, so gut es geht, zu helfen versuchen. Aber man kann doch nicht bestreiten, daß Abkühlungsmaßnahmen möglicherweise bis zum Arbeitsplatz durchschlagen. Allein auf diesen Punkt kommt es mir an. Und ich muß um der Redlichkeit willen verlangen, daß die Debatte auch bis zu diesem Punkt geführt wird und daß man nicht aus Gründen der Bequemlichkeit oder aus welchen Gründen immer vorher stehenbleibt. Es ist töricht, nach dem Rezept zu verfahren: Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht naß.
Präsident von Hassel: Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Friderichs?
Herr Minister, gehe ich von der richtigen Annahme aus, wenn ich Ihre Äußerung, es hätte den Bundeshaushalt Milliarden gekostet, dahin interpretiere, daß Sie den Einkommensverlustausgleich der Landwirtschaft gemeint haben? Und wenn diese meine Annahme richtig ist, darf ich Sie dann fragen: wer zahlt denn jetzt bei steigenden Inlandspreisen ohne die Möglichkeit der Anpassung der Agrarpreise wegen ihrer Festlegung der Landwirtschaft diesen Einkommensverlustausgleich?
Herr Kollege, Sie können diese Frage stellen. Sie müssen mir aber gestatten, daß ich ein Beispiel, das ich für die Darstellung eines bestimmten Anliegens benutze, nicht ausweitenlasse, um so von der Sache abzulenken. Ich will Ihnen aber zusätzlich sagen, Herr Friderichs: ich meine keineswegs die Landwirtschaft allein. Sehen Sie einmal nach, was der Bundeshaushalt an Aufwertungsverlusten beim letztenmal an die Bundesbank zahlen mußte. Dieser Punkt ist kaum diskutiert worden.
Mir kommt es darauf an, darzustellen, daß ich, wenn ich eine solche Maßnahme ergreifen wollte, verpflichtet wäre, die Nachteile genauso offen darzustellen wie die Vorteile. Das ist das Anliegen, das ich hier vertrete. Sie müssen mir schon gestatten, daß ich zur Vertiefung dieses Gedankens meine Argumente vortrage und nicht in eine Aufwertungsdebatte einsteige. Ich spreche hier als Abgeordneter und nicht als Mitglied der Bundesregierung; ich habe mich von unten zu Wort gemeldet. Das ist die Zuständigkeit anderer Kollegen.
Präsident von Hassel: Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Peters ({0})?
Bitte!
Herr Kollege Schmükker, ist Ihnen bekannt, daß ihr Kollege Höcherl für den Fall der Aufwertung für die Landwirtschaft eine Erhöhung der Mehrwertsteuer von 5 auf 11 % vorgesehen hatte, um damit den Schaden von der Landwirtschaft abzuhalten?
Ja, sicher weiß ich das, Herr Kollege! Ich bin nur der Meinung, daß das nicht gereicht hätte. Ich erinnere nur daran, wie schwierig es dann gewesen wäre, den europäischen Markt intakt zu halten. Sie wissen, was schon heute in den Getreidesilos liegt, und Sie wissen ganz genau, was dann an Warenbewegungen stattgefunden hätte.
({0})
Präsident von Hassel: Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Moersch? - Herr Abgeordneter Moersch!
Herr Kollege Schmücker, waren Sie 1961 als stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Fraktion für oder gegen die damals vorgenommene Aufwertung?
Ich war dafür!
Haben Sie dann inzwischen Ihre Argumentation geändert?
Nein, nein. Ich bin ja auch kein grundsätzlicher Gegner der Aufwertung. Ich habe vorhin gesagt: man darf die Dinge nicht in ein Klima hineinreden, daß schon von den Umständen her die Maßnahme nicht möglich ist. Ich finde, das war sogar gar nicht schlecht formuliert.
({0})
Meine Damen und Herren, man kann doch nicht bestreiten, daß Abkühlungsmaßnahmen möglicherweise auch bis zum Arbeitsplatz durchschlagen. Es ist eine törichte Sache - ich wiederhole es -, nach dem Rezept zu verfahren: Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht naß. Auch die angenehmste Maßnahme hat ihre Nachteile.
Und nun wieder zu Ihnen, Herr Friderichs! Die Lohnfortzahlung beispielsweise ist eine Sache, die, hier einmütig beschlossen, zu den bedeutendsten Ereignissen der Gesetzgebung zählt; und so habe ich sie vertreten. Aber sie kann doch nicht diskutiert werden ohne die neuen, trotz Ausgleichsklauseln noch verbliebenen Erschwernisse für die mittlere Wirtschaft. Die selbständige Berufsausübung ist erneut erschwert worden. Ich füge hinzu: das war leider nicht zu ändern. Aber darum kann ich doch dieses Argument nicht verschweigen. Im Gegenteil, ich muß es erwähnen, um bei nächster Gelegenheit einen anderweitigen Ausgleich zu finden. Darauf kommt es mir an: daß man in der Debatte einen Schritt weiter geht, als es propagandistisch oder wahltaktisch jeweils klug zu sein scheint. Was ich beklage, ist, daß einseitige Betrachtungen überwiegen, daß angenehme Seiten besungen werden und die anderen einfach stumm bleiben.
Wir haben eine Krankenversicherungsreform - nun, nicht gemacht, aber mit einem Einstieg in die Selbstbeteiligung eingeleitet.
({1})
- Ach nein!
({2})
Ich würde an Ihrer Stelle - ich selber bin es ja auch - auch mit dem Ergebnis unzufrieden sein, ich hätte ein Mehr gewünscht. Aber mehr war nicht herauszuholen. Schritt für Schritt muß man vorgehen. Worauf es mir ankommt, ist folgendes. Wir machen eine Krankenversicherungsreform, um die Kosten zu senken und um das System weniger anfällig gegen jeglichen Mißbrauch, von wem auch immer, zu machen. Wenn man dies aber einmal laut anspricht, geht ein Protest los, als sei man gegen die Arbeitnehmer. Wenn Sie meine Reden einmal nachlesen, stellen Sie fest, daß ich ganz selten das Wort „Arbeitnehmer", aber wohl die anderen Beteiligten erwähnt habe. Es kommt doch ganz selbstverständlich darauf an, daß alle Beteiligten möglichst wenig Anreiz haben, die Einrichtung zu mißbrauchen. Und daß die Gesundheit nicht zu kurz kommen darf, ist ganz selbstverständlich.
Eine der schlimmsten Sachen ist in der Vergangenheit die unwürdige Erscheinung gewesen, die in der Hortung von Arbeitskräften bestand. Arbeitskräfte horten heißt Menschen wie Ware auf Vorrat legen. Dagegen muß angegangen werden, nicht nur aus ökonomischen, sondern auch aus moralischen Gründen. Aber wer das tut, muß natürlich mit Schwierigkeitén rechnen und kann nicht darauf rechnen, daß das in allen Fällen ohne Schwierigkeiten, ohne Fehler und ohne Opfer abgeht.
({3})
Man soll sie nicht in Kauf nehmen, man soll sie sofort bekämpfen, wenn sie eintreten. Aber man muß doch damit rechnen. Wer auf die nachteiligen Begleiterscheinungen, die, ich wiederhole es, nicht in Kauf zu nehmen sind, sondern jeweils behoben werden müssen, hinweist, der weist doch darauf hin, daß man nicht nur eine einseitige Betrachtung vornehmen darf, und hindert den Irrtum, daß alle Wirtschaftsabläufe von oben her bequem und nahezu reibungslos abgewickelt werden könnten. Eine solche Auffassung halte ich für falsch. Sie ist gefährlich, weil sie die Initiative lähmt und die Mitverantwortung aller einschläfert.
Die gegenwärtige wirtschaftspolitische Debatte leidet nach meiner Meinung darunter, daß Gesichtspunkte, wie ich sie eben erwähnt habe, ängstlich oder wahltaktisch vom Streitgespräch ferngehalten werden. Das könnte die gute Laune verderben oder manches andere mehr. Diese Betrachtungsweise führt dann auch dazu, daß man aus dem November 1966 eine Stunde Null macht. Meine Damen und Herren, ich habe häufig genug darauf hingewiesen, daß nach meinen eigenen Vorstellungen und nach meinen Forderungen auch an die Bundesbank im späten SepSchmücker
tember 1966 vom Restriktionskurs auf die Normalisierung hätte umgeschaltet werden müssen. Die Bundesbank ist nach mehrfacher Aufforderung durch mich und erst nach zweimaliger Aufforderung durch den Kollegen Schiller dieser Forderung dann gefolgt. Sie hatte Gründe dafür; ich tadele sie nicht. Die Gründe lagen nicht zuletzt in der parlamentarischen Lage, in der politischen Situation dieses Hauses, weil vor allem die Verfassungsänderungen und das Stabilitätsgesetz zu spät durchgesetzt worden sind.
Nun wird, meine Damen und Herren, über das Urheberrecht immer sehr viel gestritten. Herr Kollege Schiller, Sie haben mit einem freundlichen Schlenker, wie sich das zwischen Kollegen gehört, darauf hingewiesen, daß das Stabilitätsgesetz doch so etwas den Charakter einer „Strafexpedition" gegen die Länder gehabt habe. Hier wurde gesagt, daß das Stabilitätsgesetz völlig verändert worden sei. Wenn Sie nun einmal die Vorlage mit dem vergleichen, was aus dem Parlament herausgekommen ist, und das an den üblichen Durchschnitt anlegen, dann, meine ich, kann der Urheber dieses Gesetzes darauf durchaus mit Stolz hinweisen.
({4})
- Aber - Herr Kollege Ravens, vielleicht können Sie das bei Ihrer Frage sofort mit verwerten - die Frage muß dann doch nach dem Ursprung überhaupt gestellt werden. Damals war Ihre Meinung, man sollte mit elf Staatsverträgen arbeiten. Sie haben doch dieses Gesetz überhaupt abgelehnt. Ich kann nur sagen: Gott sei Dank hat es der Kollege Schiller nicht nötig gehabt, nach den Staatsverträgen zu arbeiten, sondern er konnte nach diesem Gesetz arbeiten.
({5})
Bitte schön!
Herr Kollege Schmücker, sind Sie ernsthaft der Auffassung, daß man ein Gesetz nach Durchschnittspunkten bewerten kann, oder muß man nicht von dem ausgehen, was an neuen Instrumenten in eine neue Richtung in ein solches Gesetz hineingebracht worden ist? Erinnern Sie sich an die Ausführungen des Kollegen Schiller, der sagte, daß es sich bei dem alten Gesetz um einen „Tisch mit zwei Beinen" gehandelt habe, und sind Sie bereit zuzugeben, daß nach langen Beratungen im Wirtschaftsausschuß auch mit Hilfe Ihrer Freunde daraus endlich ein „Tisch mit vier Beinen" geworden ist?
Herr Kollege Ravens, ich müßte jetzt eigentlich eine Gegenfrage stellen. Ich finde, daß das Wort: „Sind Sie ernsthaft der Meinung ...?" nicht sehr fair ist. Wenn ich hier vom Durchschnitt gesprochen habe, so wissen Sie doch ganz genau oder können es aus dem Zusammenhang entnehmen, daß damit der Hinweis gegeben werden sollte, daß alle Gesetze im Durchschnitt anders aus dem Haus herauskommen, als sie hineingehen. Wenn Sie die Änderungen mit denjenigen vergleichen, die alle Gesetze erfahren, kann sich dieses Gesetz gegenüber der Regierungsvorlage durchaus sehen lassen. So war es dargestellt worden; so habe
ich es gemeint, und ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie es so auffassen wollten.
Was nun die Änderungen angeht, so sind in einigen Punkten welche vorgenommen worden, denen ich nur widerstrebend zugestimmt habe. Warum soll ich das bestreiten? Das habe ich auch damals gesagt. Aber dieses Gesetz insgesamt gibt uns ein hervorragendes Instrumentarium, und das ist klug und maßvoll genutzt worden. Aber die Frage, wenn Sie auf die Urheberschaft zu sprechen kommen, ist doch die: Stabilitätsgesetz oder Staatsverträge? Dieser Frage müssen Sie sich stellen.
Meine Damen und Herren, vor allen Dingen war es damals die fehlende, aber heute gewonnene Ordnung der Finanzen und die Abstimmung der Finanzen aller öffentlichen Hände, die uns Schwierigkeiten machte. Mit den neuen gesetzlichen Bestimmungen, mit der wiedergewonnenen gesamtpolitischen Stabilität und der maßvollen Anwendung alter und neuer Möglichkeiten ist es gelungen, die Umstellungsschwierigkeiten, deren Härte ich für den einzelnen in keiner Weise bestreite, doch minimal zu halten. Ich trete nach wie vor dafür ein, unserer Bevölkerung die Gewißheit zu geben, daß die moderne Wirtschaftspolitik in der Lage ist, hohe Arbeitslosigkeit zu verhindern, und daß sie verpflichtet ist, sie zu verhindern, auch wenn sie regional auftritt. Aber wir können dem einzelnen die persönlichen Schwierigkeiten der Anpassung nur er-leichtern, jedoch niemals abnehmen.
Die Wirtschaftspolitik ist auch nicht in der Lage, von vornherein jede Schwankung auszuschließen. Weil diese klare und illusionslose Auffassung von der sozialen Marktwirtschaft von allen, keineswegs nur von den Unternehmern, sondern ebenso stark von den Arbeitehmern initiatives Mitgehen in fast allen Punkten verlangt, ist diese marktwirtschaftliche Ordnung keine bequeme Ordnung. Sie ist erfolgreich, weil sie zur Leistung anhält und zur Leistung drängt. Diese Leistung, die sehr häufig im Verzicht besteht, als Teil der marktwirtschaftlichen Konzeption herauszustellen, ist nicht immer angenehm, aber eine unerläßliche Voraussetzung für den dauerhaften und erfolgreichen Bestand der sozialen Marktwirtschaft. Nur derjenige erhält den Erfolg der Marktwirtschaft, der die Leistungen und die Lasten akzeptiert und bewältigt. Beides gehört dazu. Darum gilt allen, die diese Mühen auf sich nehmen, Dank und Anerkennung; eine Warnung gilt denjenigen, die diese Mühen bagatellisieren.
({0})
Präsident von Hassel: Meine Damen und Herren, der Abgeordnete Luda hat seine Wortmeldung zurückgezogen. Es liegen keine weiteren Wortmeldungen mehr vor. Der Abgeordnete Ravens gibt seine Ausführungen zu Protokoll *).
({1})
Das Wort hat der Herr Bundeswirtschaftsminister. *) Siehe Anlage 4
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich will versuchen, so kurz wie möglich auf die an die Bundesregierung oder an den Bundeswirtschaftsminister hier gestellten Fragen und auf die kritischen Bemerkungen einzugehen.
Zunächst möchte ich auf die Beiträge unseres Kollegen Menne zu sprechen kommen, den ich zur Zeit hier nicht zu erblicken vermag.
({0})
- Er müßte besser bei seinem Kollegen Dr. Friderichs ein wenig ins Repititorium gehen. Ich glaube, eine ganze Reihe von Bemerkungen des Kollegen Menne sind sozusagen innerparteilich durch die Aussagen von Herrn Dr. Friderichs beantwortet worden.
Herr Dr. Friderichs, um gleich auf Sie zu kommen: Wenn Sie von dem Facettenreichtum dieser Bundesregierung gesprochen haben - ich will darüber jetzt nicht urteilen, das steht mir natürlich nicht zu -, so kann ich dazu nur sagen: Der Facettenreichtum in Ihrer Fraktion ist
({1})
bei weitem größer! Vielleicht macht er sogar einen Teil des Charms Ihrer Fraktion aus.
({2})
- Das gehört auch dazu.
Herr Kollege Menne, Sie haben aus meiner Rede anläßlich der Eröffnung der Frankfurter Messe zitieren wollen. Sie sagten, ich habe erklärt, wir seien noch nicht in einem Boom. Ich habe noch einmal die ganze im Bulletin der Bundesregierung abgedruckte Rede vom 23. Februar zur Eröffnung der Frankfurter Messe durchsehen lassen. Ich kann Ihnen nur eines sagen: Die Feststellung, daß wir noch nicht oder nicht in einem Boom lebten, ist von mir in jener Rede am 23. Februar nicht getroffen worden. Im Gegenteil, ich habe am 23. Februar wörtlich gesagt - und ich glaube, das genügt -:
Da aber heute die Stabilität am ehesten gefährdet erscheint, heißt unser kategorischer Imperativ im Jahre 1969: Wahrung der Stabilität des Preisniveaus.
Ich glaube, daß diese Aussage das pure Gegenteil von dem ist, was Sie in meine Frankfurter Rede hineingelegt haben.
Lieber Herr Menne, Sie haben angesichts der großartigen Produktionsfortschritte in unserer Industrie - es ist jetzt noch eine Steigerungsrate von 9 % zu verzeichnen - gesagt, es wäre aber nicht so einfach, die Löhne entsprechend zu erhöhen, wenn diese Fortschritte auf Maschinen- und Rationalisierungsinvestitionen und ähnliche Dinge zurückzuführen seien. Dazu muß ich Ihnen eines sagen: Die Produktivitätstheorie der Lohnbildung ist im allgemeinen eine Theorie, eine politische Forderung, die von
Unternehmerseite vorgebracht wird. Die Löhne hätten sich danach dem Produktivitätsfortschritt anzupassen. Das wird von den Gewerkschaften aus vielerlei Gründen, einkommenspolitischen Gründen usw., immer wieder kritisiert. Sie sind ja heute noch einen Schritt weitergegangen. Sie haben praktisch gesagt: Wenn die Produktivitätssteigerung sehr hoch ist, dann dürfen die Löhne nicht der Arbeitsproduktivität folgen; wenn aber die Produktivität pro geleistete Arbeitsstunde niedrig ist, dann gilt sie als Maßgröße für die Löhne. Sie haben also nun wirklich, lieber Herr Menne, aus der Produktivitätstheorie der Lohnbildung eine Lehre gemacht, die nur in schlechten Zeiten gilt, wenn die Industrie auf niedrigen Fortschrittsraten hockt.
Diese Theorie muß ich ablehnen. Entweder nimmt man die Theorie an, dann muß man sie symmetrisch nach beiden Seiten hin annehmen. Das ist von der Unternehmerseite noch ein Argument. Aber man kann nun wirklich nicht so weit gehen, daß man sie nur für die Zeiten der schlechten Konjunktur in Anspruch nimmt und man damit also die Gewerkschaften in ihren Forderungen unten drückt.
Drittens haben Sie sich hier - das geschieht übrigens an vielen Stellen - gegen die Konferenz im November vorigen Jahres hier in Bonn gewandt. Ich muß Ihnen noch einmal sagen: Wir sind zunächst einmal durch den § 4 des Stabilitäts- und Wachstumsgesetzes - das ist der interne Grund, und Herr Dr. Möller hat in einer Intervention darauf hingewiesen - gehalten, als Bundesregierung alle Möglichkeiten der internationalen Koordination auf währungspolitischem Gebiet, wenn ein außenwirtschaftliches Ungleichgewicht existiert, zu nutzen. Dazu gehört eine solche Konferenz, zu der ich im übrigen als derzeitiger Vorsitzender des Zehnerklubs durch andere Kollegen aus dem Ausland veranlaßt worden war. Wir gehorchten damit also zweierlei Geboten, dem Gebot des § 4 unseres Stabilitäts- und Wachstumsgesetzes und dem Gebot der internationalen Kooperation.
Präsident von Hassel: Gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Dr. Menne?
Ich möchte Sie fragen, Herr Minister, ob Sie mir nicht zustimmen, daß durch die Tatsache der Abhaltung der Konferenz in Bonn auf Ministerebene ein internatioler Wirbel ausgelöst worden ist, wie wir ihn selten erlebt haben, und daß dieser Wirbel uns in - sagen wir einmal - große Schwierigkeiten in der Stimmung mit dem Ausland gebracht hat. Stimmen Sie mir darin zu?
Ich stimme Ihnen nicht zu. Erstens ist die Konferenz auf dem Hintergunde einer schon weit eskalierten Spekulation einberufen worden. Zweitens ist die Konferenz als solche im Ausland nicht kritisiert worden. Kritisiert worden sind gewisse Nebengeräusche der Konkurrenz
({0})
- nein, der Konferenz - Konkurrenz war auch ein schönes Wort dabei - ja das war sehr gut - und gewisse anschließende Kommentare in angesehenen deutschen Morgenzeitungen, was die fulminante Position dieser Bundesrepublik Deutschland, was die fulminante Position der Deutschen Mark usw. in dieser Welt bedeute. Darum ging es. Allerdings, Herr Menne, gebe ich Ihnen in einem Punkt recht: Es blieb im Zehnerklub die Frage offen - und ich stehe nach wie vor bis zum September vor dieser Frage; so lange läuft auch dort meine Amtsperiode -, ob die Tradition des Zehnerklubs auf Deutschland anwendbar ist. Der Zehnerklub hat nämlich die Tradition, daß er seine Sitzungen immer in der Hauptstadt des jeweiligen Vorsitzenden, der jährlich wechselt, abhält. Deswegen sind wir auf Bonn gekommen. Ich habe einige Zweifel bekommen, ob das richtig ist und ob eine solche Zehnerkonferenz, wenn sie wieder einmal erforderlich sein sollte, hier abzuhalten ist. Vielleicht müssen wir an einen anderen Ort gehen. Aber das hat nichts mit der Notwendigkeit einer solchen Konferenz zu tun. Ich kann Ihnen eins sagen: mein letzter Besuch in einem anderen Land hat wieder ergeben, daß der Zehnerklub und der Vorsitzende des Zehnerklubs gehalten sind, diesen einzuberufen, sollte es in den kommenden Monaten zu einer Notsituation kommen, die keiner von uns will, die weder die Bundesrepublik noch die USA, sondern ein drittes oder viertes Land betrifft. Darüber besteht also völlige Einigkeit, lieber Herr Menne.
Hier sind von mehreren Herren mehrfach die Steinkohlebergbaupolitik dieser Regierung und die Kohlegesamtgesellschaft unter ordnungs- und prozeßpolitischen Gesichtspunkten zitiert worden. Ich kann nur sagen: gemessen an der Gesamtförderung haben sich 75 % aller Firmen ohne Vorbehalt zum Beitritt bereit erklärt. Die noch bestehenden Vorbehalte beziehen sich auf weitere 10%, so daß wir damit rechnen, in dieser Gesamtgesellschaft auf 85 % - das ist bescheiden geschätzt - zu kommen.
Ich glaube, durch die Diskussion zwischen Herrn Menne und anderen Abgeordneten des Hauses ist die konzertierte Aktion schon in die richtige Bewertung gebracht worden. Es gibt keinen Fall - Herr Kollege Apel konnte das ja hier feststellen -, in dem etwa in der konzertierten Aktion etwas beschlossen worden ist, was dieses Haus sozusagen ohne Diskont übernommen hat. Es sind Anregungen und Vorbereitungen gewesen, nichts anderes, und das Haus ist völlig frei. Im übrigen ist das Parlament der Souverän; es wäre ein schlechtes Parlament, wenn es sich durch freiwillige Vorbereitungen anderer, der großen organisierten Gruppen, in seiner eigenen Bewegungsfreiheit beengt fühlte.
Präsident von Hassel: Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Luda? - Bitte!
Herr Minister, stimmen Sie mir zu, wenn ich sage, daß der Wirtschaftsausschuß an manche Papiere sechs Monate lang nicht herankommen konnte, die in der konzertierten Aktion Gegenstand einer ausdrücklich vertraulichen Diskussion gewesen sind?
Mir ist das nicht bekannt. Lieber Herr Luda, wir führen im Bundeswirtschaftsministerium immer eine Politik der offenen Tür. Es genügt also ein Wort von Ihnen und von jedem anderen, und Sie bekommen alle Unterlagen. Ich glaube, auch die heutige Debatte hat gezeigt, daß Sie alle Unterlagen bekommen.
Im übrigen darf ich noch einmal sagen: im Gesetz steht eindeutig eine Legaldefinition der konzertierten Aktion, nämlich ein Hinwirken auf ein gleichzeitiges aufeinander abgestimmtes Verhalten der Gebietskörperschaften, der Gewerkschaften und der Unternehmensverbände zur Erreichung der Ziele des § 1 StWG. So ist die konzertierte Aktion definiert.
Zum Verhalten gehören übrigens nicht nur das Diskutieren von Zahlen und das Sichverständigen über bestimmte Orientierungsdaten. Man ist ja frei. Man kann sich aber in der Weise verständigen, daß man sagt: Schön, die Zahl erkennen wir an oder nicht. Zum Verhalten - das muß ich mehreren Herren, den Kritikern der konzertierten Aktion hier sagen - gehören nicht nur prozeßpolitische, quantifizierte Fragen der Wirtschaftspolitik, sondern zu den Verhaltensweisen z. B. der Gewerkschaften und der Unternehmensverbände gehört auch - daunterstütze ich voll die Meinung mehrerer Mitglieder der konzertierten Aktion - die Diskussion gesellschaftspolitischer Fragen. Wie wollen Sie die Verhaltensweisen von Gewerkschaften und Unternehmensverbänden im Sinne des Gesetzes mit leichter Hand beeinflussen, wenn sie in jenem Kreise nur über Mark und Pfennig reden und nicht auch über Fragen der Vermögenspolitik, der Vermögensbildung, über gesellschaftspolitische Fragen, die doch für die Verhaltensweise beider Seiten, der Unternehmer und der Gewerkschaften, wichtig sind.
Lieber Herr Menne, was mich besonders betroffen hat, ist, daß Sie hier nun wieder die alte These aufgenommen haben, das zweite Konjunktur- und Strukturprogramm der Bundesregierung sei völlig überflüssig. - Soweit ich weiß, haben Sie eine führende Position im Bundesverband der Deutschen Industrie. Selbstverständlich sagen Sie nicht immer dasselbe wie Fritz Berg. Es kann auch nicht jeder so reden wie Fritz Berg: klar und deutlich und holzgeschnitten.
({0})
Herr Berg hat sich zum zweiten Konjunktur- und Strukturprogramm in der konzertierten Aktion sehr deutlich bekannt. Aber das könnte Sie ja weniger berühren. Sie würden vielleicht sagen: Gut, das ist mein Kollege im Präsidium, der mag da seine Meinung sagen. Deswegen zitiere ich nur aus dem Jahresbericht des Bundesverbandes der Deutschen Industrie 1967/68 - und, lieber Herr Menne, daran müssen Sie dabei nun einmal denken -:
Die Mittel des ersten Eventualhaushalts und
ihre langsame Mobilisierung reichten allenfalls
aus, die abfallende Kurve zu verflachen. Es bedurfte deshalb eines zweiten Konjunkturprogramms, um dem Ziel eines „Aufschwungs nach Maß" näherzukommen.
Lieber Herr Menne, damit haben Sie's!
Darf ich Sie fragen, Herr Minister, was Sie glauben: daß ich hier als Vertreter der FDP oder als Vertreter des BDI gesprochen habe?
({0})
Lieber Herr Menne, der BDI ist eine wichtige, große Organisation, die sich zu wirtschaftspolitischen Fragen - und besonders zu diesem Thema -in der Öffentlichkeit geäußert hat, und Sie haben immer Wert darauf gelegt, daß Sie in jener Organisation eine führende und sicherlich produktive und konstruktive Rolle spielen. Daran wollte ich Sie nur erinnern. Bitte, wenn Sie in dieser Frage im BDI eine Minderheit bilden, die gegen das zweite Konjunkturprogramm ist, dann ist das Ihre Sache. Ich achte selbstverständlich auch Minderheiten, sogar ganz besonders. Nur ist mir diese Haltung in einem so entscheidenden Punkt neu.
Was mich nun überhaupt nicht überzeugt, ja was mich erschreckt hat, ist die Tatsache, daß Sie, lieber I Herr Menne, trotz der Intervention unseres Kollegen Dr. Apel in dieser Konjunktursituation für generelle Steuersenkungen - so habe ich das verstanden - gesprochen haben.
({0})
Ich muß Ihnen wirklich sagen: Herr Dr. Friderichs hat Ihnen die klare Antwort gegeben. Er hat nämlich gesagt, es bedarf in einem solchen Fall, in dem wir uns vielleicht in absehbarer Zeit befinden werden, nicht nur außenwirtschaftlicher Maßnahmen, sondern dann auch symmetrisch - so habe ich ihn verstanden - antizyklischer, d. h. fiskalpolitischrestriktiver Maßnahmen. Das ist just das Gegenteil von dem, was Sie gesagt haben.
Die Steuersenkung, die Sie hier propagiert haben und die sehr populär ist, wäre doch ausgesprochen prozyklisch. Ich kann Ihnen nur eines sagen: Durch die Steuersenkung von 1964/65,
({1})
die absolut prozyklisch war und die eine Sünde gegen die Gesetze der Antizyklik darstellte,
({2})
haben Sie in Wirklichkeit Ihren eigenen Finanzminister, den sehr netten Herrn Dahlgrün, politisch aus diesem Dasein in ein anderes befördert.
({3})
Haben Sie mit dem heutigen Vorschlag vor, einen Angriff auf den derzeitigen Bundesfinanzminister zu starten?
Präsident von Hassel: Einen Moment bitte! Die Richtlinien für die Zwischenfragen, Herr Kollege Dr. Menne, besagen, daß der Präsident im gleichen Zusammenhang nicht mehr als zwei Zusatzfragen zulassen darf. Später darf sich der betreffende Fragesteller wieder melden. Ich bin mir nicht ganz klar - Sie hätten jetzt die vierte Frage -, ob Ihre Fragen im Zusammenhang stehen oder nicht. Darf ich im Sinne der Ökonomie unseres Tagungsablaufes bitten, ein bißchen zu versuchen, zu einem Abschluß zu kommen. Ich bin mehrfach von den Fraktionen gedrängt worden.
({4})
Darf ich bitten, wenn es nicht ganz wichtige Zwischenfragen sind, diese ein bißchen einzuschränken.
Die letzte Zusatzfrage, aber dann darf ich bitten, es bei dieser letzten Frage zu belassen. Sind Sie einverstanden, Herr Bundesminister, daß es noch eine gibt?
Jawohl!
Ich bedauere, Herr Präsident, wenn ich das Hohe Haus aufhalte. Ich wollte nur fragen, ob der Herr Minister nicht der Meinung ist, daß bei einem hohen Überschuß von Steuern, die vom Steuerzahler gezahlt werden, eine Ermäßigung der Steuern, insbesondere auf den Kapitalertrag und entsprechende Maßnahmen auf Arbeitnehmerseite zweckmäßig wären.
Herr Menne, nach dem Stabilitäts- und Wachstumsgesetz sind wir sogar, wenn sich die Situation im Sinne der Übernachfrage noch weiter verschärft, gezwungen, die Steuermehreinnahmen in Form einer obligatorischen Konjunkturausgleichsrücklage stillzulegen, ja sogar gezwungen - das ist die Ultima ratio, an die heute niemand denkt -, die Einkommen- und Lohnsteuersätze linear um bis zu 10 % anzuheben. Das schlage ich heute nicht vor, das liegt aber in der Linie des Stabilitätsgesetzes. Ich glaube, Herr Menne, in diesem Falle sind Sie mit ihrem Dampfer in die falsche Richtung gefahren.
({0})
Zu dem, was Herr Burgbacher sagte, habe ich noch eine Frage: Woher kommt eigentlich die Auffassung - Sie machten auch eine solche Andeutung -, daß ich eine Wirtschaftspolitik - die bis zum heutigen Tage die Wirtschaftspolitik dieser Bundesregierung Kiesinger-Brandt ist - verträte, die sozusagen alles als machbar erscheinen lasse?
({1})
Sie haben das ja aufgeworfen. Ereignisse im Monat Mai haben ja gezeigt, daß nicht alles machbar ist.
Präsident von Hassel: Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Professor Burgbacher?
Ja.
Ich habe das so gemeint - Präsident von Hassel: Sie müssen fragen, Herr Kollege!
({0})
Ihre heutige Vorlage - will es der Zeit wegen etwas beispielhaft und damit nicht vollständig machen - mit der langen Zahlentabelle, mit + 1/2, + 1, + 2, - 1 und -2 usw.: das ist die Machbarkeit.
Präsident von Hassel: Verzeihung, Herr Professor Burgbacher, ist das eine Frage? Sie dürfen nur eine Zwischenfrage stellen.
Ich bin gefragt worden.
Nun, ich setze gern ein Fragezeichen dahinter.
({0})
Lieber Herr Burgbacher, ich will Ihnen die Antwort geben: Dies ist eine ganz einfache Prognose, nichts anderes. So wurde es Ihnen heute dargestellt. Selbst Zielprojektionen sind nicht vollzugsverbindlich. Im übrigen ist es ja wohl das beste, wenn ich in diesem Falle auf Äußerungen des Hauses verweise, nämlich auf den Schriftlichen Bericht über die Ausschußberatung zum Instrument der Zielprojektion, vorgetragen von Herrn Elbrächter.
({1})
Da steht drin:
Mit dieser Einschränkung
- daß man nämlich nicht zu sehr ins Detail gehen will hält der Ausschuß solche Globalrechnungen mit entsprechenden Zielprojektionen jedoch für unentbehrlich, um einerseits den einzelnen Maßnahmen in den verschiedenen Bereichen der Wirtschafts-, der Finanz- und der Sozialpolitik eine Orientierung auf das Gesamte und andererseits der privaten Wirtschaft eine orientierende Information über Lage und anzustrebende Entwicklung der Gesamtwirtschaft zu geben.
Das ist der Bericht von Herrn Elbrächter zum Thema Zielprojektion und Orientierungshilfen, wie sie im Gesetz niedergelegt sind. Auf Grund dieses Berichts hat das Haus beschlossen.
Das Wort „möglichst" haben Sie bei mir, Herr Burgbacher, zum Gegenstand philosophischer Bemerkungen gemacht. Die müssen Sie aber an einen anderen Philosophen richten. Denn das Wort „möglichst" stammt aus einem Zitat aus der Regierungserklärung des Herrn Bundeskanzlers Kiesinger.
Präsident von Hassel: Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Luda?
Jawohl.
Herr Minister, gestatten Sie mir, Ihr Zitat aus dem Bericht des Wirtschaftsausschusses über das Stabilitätsgesetz zu ergänzen, indem ich hier verlese, daß darin zusätzlich geschrieben steht, diese Jahresprojektion solle die angestrebten wirtschaftspolitischen Globalziele genau formulieren und durch Quantifizierung gegeneinander abgrenzen. Sind Sie nicht mit mir der Meinung, daß die genaue Quantifizierung als durch die Erfahrungen der letzten zweieinhalb Jahre widerlegt anzusehen ist, daß wir von den genauen Quantifizierungen herunterkommen müssen, um uns auf allgemeine Trendwerte mit großen Margen zu einigen?
Ich bin nicht dieser Meinung. Ich bin der Meinung des Ausschusses, so wie er seine Auffassungen im Jahre 1967 durch Herrn Dr. Elbrächter dem Hohen Hause vorgetragen hat.
Ich bin sogar der Auffassung, daß unsere Quantifizierungen der Regierung das Leben schwerer gemacht haben, und das halte ich für gut für jede Regierung. Wir haben uns in diesen Quantifizierungen bekanntlich eine Marge in bezug auf die Preissteigerung gesetzt. Wir haben heute von verschiedenen Seiten Kritik bekommen. Ich selber habe gesagt: Lebenshaltungskostenindex für die mittlere Verbraucherfamilie plus 3 %, Herr Dr. Friderichs; übrigens im Jahresdurchschnitt. Damit ist eine Teilfrage von Ihnen schon beantwortet: Jahresdurchschnitt plus 3 %. Die Feinheiten haben Sie bemerkt.
Die Regierung hat sich durch diese Geschichte das Leben sehr vielschwerergemacht - und das halte ich pädagogisch und politisch für gut -, sehr viel schwerer als frühere Regierungen. Wenn Sie sich nämlich die Preissteigerungsraten der alten Regierungen früher ansehen, stellen Sie fest, das da 3,5 %, 4,5 % einfach so durchs Ziel gegangen sind, wägend heute - ({0})
- Ja, ja, gucken Sie sich die früheren Jahresdaten an! - Ich will Ihnen folgendes sagen: Durchschnitt 1965 3,4 °/o, Durchschnitt 1966 3,5 %, um nur diese beiden zu nehmen.
({1})
- 4,5 war der April 1966. Das war die Spitze - das habe ich vorhin schon in meinem Bericht gesagt.
({2})
- Nun, nehmen wir die Jahresdurchschnitte. Ich wiederhole noch einmal: 1965 plus 3,4 %, 1966 plus 3,5 %, durch das Statistische Bundesamt festgestellt für die mittlere Verbrauchergruppe. Das ist der mit heute vergleichbare Index.
Nur muß ich Ihnen da sagen: Heute ist die Offentlichkeit nicht zuletzt durch unsere Quantifizierungen sensibler geworden. 3 % sind eine Sache, über die man sich Gedanken macht.
({3})
- Wachsamer, kritischer geworden. Ich halte das im Sinne der Erziehung zum entwickelten und aufgeklärten Stabilitätsbewußtsein für eine gute Sache, wenn es auch für die Regierung, für den Finanz- und für den Wirtschaftsminister eine unbequeme Angelegenheit ist.
Präsident von Hassel: Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Luda?
Herr Minister, erlauben Sie, daß ich meine Zweifel in die von Ihnen genannte Zahl 3 % hier äußere,
({0})
nachdem der Deutsche Gewerkschaftsbund schon im März in einer Presseerklärung beklagt hat, daß im ersten Vierteljahr des Jahres 1969 die Verteuerung der Lebenshaltungskosten über die von Ihnen in Ihrem Jahreswirtschaftsbericht angegebene Marge von 2 % hinausgegangen sei; im ersten Quartal des gesamten Kalenderjahres 1969!
Präsident von Hassel: Herr Kollege Luda, auch das war im Grunde keine Frage, sondern eine Wertung. Ich Mitte, das in Zukunft in Fragen zu kleiden.
({1})
Herr Präsident, aber auch Fragen sind bei Herrn Luda immer zugleich Wertungen. Ich antworte jedoch gern darauf, auch auf eine rein verbale Wertung, wie Sie sie gegeben haben, und ich sage Ihnen eins, Herr Luda: Sie und andere haben bei dieser Darstellung, wie auch sicherlich einige Herren vom Gewerkschaftsbund, nicht erkannt - das ist ein sehr technischer Punkt -, daß unsere Preissteigerungsraten in der Gesamtrechnung etwas anderes sind als der Lebenshaltungskostenindex. Das ist leider von vielen, auch in diesem Hause nach draußen hin, in Reden zum Fenster hinaus, verwechselt worden, und ich bitte das in Zukunft zu berücksichtigen. Ich habe Ihnen heute beides parallel gegeben, so daß diese Mißverständnisse bei Ihnen und bei einigen anderen nicht mehr eintreten können.
({0})
- Das ist meine ganze Antwort; das reicht wenigstens mir, ich glaube, auch dem Haus; denn ich will
hier nicht, so gern ich auf Ihre Fragen und alle Fragen hier antworte, die Beratung ungebührlich noch weiter aufhalten.
({1})
- Ich komme noch auf Ihren Punkt zurück.
Herr Burgbacher, Sie meinten, das Klavier werde dauernd gespielt. Sie sind schon durch den Herrn Bundeskanzler belehrt worden, und Herr Dr. Möller hat das gebührend hervorgehoben. Ob wir uns in der Baisse oder in der gewollten oder ungewollten Rezession befinden -. wie auch immer; ich lasse alles dahingestellt sein - oder ob wir in der Hochkonjunktur sind, immer muß man Konjunkturpolitik betreiben. Die Konjunkturpolitik ist eine permanente Aufgabe. Ich wäre sehr glücklich, wenn wir uns ständig in der Nähe des berühmten Gleichgewichts aufhielten. Leider tun wir das nicht. So weit sind wir noch nicht. Deswegen muß das Klavier gespielt werden, sowohl in der Rezession als auch und gerade - worauf Herr Möller hingewiesen hat und was der Herr Bundeskanzler selber in seiner Erklärung zur Lage der Nation gesagt hat - in der Hochkonjunktur. Oder sind Sie der Meinung, daß wir in der Hochkonjunktur jetzt in eine Laissezfaire-Haltung hineinrutschen sollten? Im übrigen ist auch ein oft gespieltes Klavier immer noch besser als ein Klavier, bei dem der Musikant ein Schild hieingestellt hat - und das ist ja in der Vergangenheit lange Zeit geschehen -: Die Kapelle macht Pause.
({2})
Wir hatten doch in den Jahren 1965/66 die Drift zum Laissez-faire.
Sie haben wieder ein beredtes Plädoyer für Direktinvestitionen gegeben. Sie wissen, daß der Deutsche Bundestag gewisse Diskriminierungen steuerlicher Art abgeschafft und uns damit in bezug auf die steuerliche Behandlung von Direktinvestitionen gewissermaßen pari gestellt hat. Das ist erledigt, und da sind wir uns einig. Aber keine Präferenzen! Das wäre politisch eine sehr schwierige Angelegenheit.
Zum anderen ist das so eine Modegeschichte, Herr Burgbacher. Schauen Sie auf andere Länder! Großer Besitz an Vermögen im Ausland - denken Sie an England - ist überhaupt keine Gewähr dafür, daß etwa währungspolitische Schwierigkeiten nicht existieren. Direktinvestitionen als währungspolitische Mittel - ich glaube, das können wir in keiner Weise begründen. Da müssen Sie mir in der einen wie in der anderen Richtung zustimmen.
Sie wollten ein Beispiel für „pragmatische Utopie". In bezug auf Europa würde pragmatische Utopie etwa in folgendem bestehen. Ich gebe nur eine mögiche Modellvorstellung, ohne sie hier vorschlagen. Seit Frühjahr dieses Jahres wissen wir alle, daß wir durch die Ereignisse in unserem befreundeten westlichen Nachbarland in eine neue europäische Entscheidungsperiode hineinkommen. Ich weiß z. B., daß ein altes Modell dort jetzt neu diskutiert wird, ein Modell, das gerade in Deutschland einmal eine Zeitlang eine Rolle gespielt hat,
nämlich ein Plan, der von Herrn Münchmeyer in Hamburg zuerst aufgebracht wurde und der dann später von Herrn Müller-Armack und mir fast gleichzeitig erneut - unter Verweis auf Herrn Münchmeyer - aufgelegt wurde, nämlich die Modellvorstellung, daß die EWG als Ganzes Mitglied der EFTA würde. Das ist ein Beispiel für pragmatische Utopie in Sachen Europa.
({3})
- Leider noch! Das ist ein sehr praktischer, pragmatischer Vorschlag, und ich glaube, darüber brauchen wir uns hier nicht zu unterhalten.
Dann wurde hier von verschiedenen Herren - durch Interventionen, durch Fragen und ähnliches - die Entstehungsgeschichte des Gesetzes zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft dargestellt. Da wurde durch Herrn van Delden die erstaunliche Behauptung aufgestellt, dadurch, daß die damalige Opposition, die sozialdemokratische Bundestagsfraktion, nicht schneller mitgewirkt habe, sei Ludwig Erhard in Schwierigkeiten gekommen. Ich will Ihnen nur den historischen Ablauf verlesen. Am 4. Juli 1966, als der Bundestag schon in die Ferien gegangen war, hat die damalige Bundesregierung Erhard den Entwurf des Stabilitätsgesetzes verabschiedet. So ist es gelaufen. Sie müssen eigentlich selber ganz genau wissen, daß man ein paar Wochen verloren hat, weil jemand aus Ihrer Kompanie, der dabei nicht ganz unbeteiligt war, längere Zeit auf Reisen gegangen war. Am 4. Juli war der Bundestag nicht mehr beisammen, sondern in den Ferien. Die SPD-Fraktion hat zugestimmt, daß man das Ende der Ferien 1966 vorverlegte. Am 14. und 15. September ist hier dieser Gesetzentwurf in außerordentlicher Sitzung beraten worden, und zwar konstruktiv und positiv. Von der damaligen Opposition sind zu diesem Stabilitätsgesetz im wesentlichen fünf Bestandteile gefordert worden: Jahreswirtschaftsbericht mit quantitativen Zielsetzungen, Orientierungsdaten, Absicherung vor außenwirtschaftlichen Störungen - das ist der heutige § 4 -, Ausbau des vorgesehenen Ausschusses für den öffentlichen Kredit zum Konjunkturrat für die öffentliche Hand und das Recht des Bundestages, parlamentarische Kontrolle durch Kassationsrecht auszuüben. Das nenne ich nicht Verhinderung eines Gesetzentwurfs der damaligen Regierung, Herr Burgbacher und Herr van Delden - der leider nicht da ist -, sondern das nenne ich vorbildliche Mitarbeit der damaligen Opposition an einem Gesetzentwurf, der von seiten der Bundesregierung unvollständig vorgelegt war.
({4})
- Entschuldigen Sie, ich habe einige Ihrer Kollegen gemeint, etwa Herrn van Delden, der leider nicht da ist.
Ein letzter, sehr einfacher Beweis dafür, daß die Regierung Erhard nicht dadurch, daß das Stabilitätsund Wachstumsgesetz nicht rechtzeitig verabschiedet wurde, gestürzt worden ist: Nach der Theorie, die hier von der CDU/CSU mehrfach vertreten wurde, hätte die Regierung Kiesinger/Brandt sofort im ersten Halbjahr 1967 stürzen müssen. Sie hatte nämlich nicht das Stabilitäts- und Wachstumsgesetz. Der erste Eventualhaushalt vom 19. Januar 1967, liebe Kollegen von der CDU/CSU, ist ohne Stabilitäts- und Wachstumsgesetz gemacht worden. Wir haben einen anderen Weg gefunden. Wir haben uns etwas einfallen lassen. Am selben Tage sind die steuerlichen Sonderabschreibungen für ein Dreivierteljahr ebenfalls ohne das Stabilitäts- und Wachstumsgesetz in Gang gebracht worden. Das heißt, die Regierung Kiesinger/Brandt hat sich ohne dieses moderne Gesetz zu helfen gewußt und die erste antizyklische Politik in zwei konkreten Maßnahmen realisiert. Erst das zweite Programm konnte dann auf Grund des Stabilitäts- und Wachstumsgesetzes vom 8. Juni beschlossen werden. Sie sehen also, es ging auch ohne das; ein bißchen schwieriger, aber es ging.
Präsident von Hassel: Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Lampersbach?
Herr Minister, sind Sie mit mir der Meinung, daß manche Gesetze allein durch ihre Ankündigung einen Effekt auslösen, den man sicherlich auch anders erreichen könnte?
Entschuldigen Sie, darf ich rückfragen, ich habe nämlich Ihre Frage nicht verstanden.
Sind Sie mit mir der Auffassung, daß manche Gesetze allein schon durch ihre Ankündigung Effekte auslösen? Ich sage das hinsichtlich des ersten Konjunkturhaushalts, der beschlossen worden ist, und auch der Tatsache, daß das Stabilitätsgesetz anstand, nachdem zunächst von der Opposition viele Einwände erhoben worden waren, z. B. in Richtung auf Abschluß von Staatsverträgen. Glauben Sie nicht, daß das wesentlich mit zur psychologischen Beruhigung beigetragen hat?
Also das verstehe ich nun wirklich nicht. Sie haben selber dieses Gesetz - der Gesetzentwurf war schrecklich in der Vergangenheit - mit einer Änderung des Grundgesetzes basiert. Der Vorschlag der damaligen Opposition ist ja sehr gut gemeint gewesen. Sie wären nämlich um die Änderung des Grundgesetzes herumgekommen, wenn Sie es mit Staatsverträgen gemacht hätten; dann hätten Sie diese qualifizierte Mehrheit, wozu Sie die SPD brauchten, nicht benötigt. Aber das war doch ein kurzes Intervall. Wesentlich war doch, daß diese Regierung die Möglichkeit bekommen hat, die konstruktiven Vorschläge der damaligen Opposition aufzunehmen und dieses Gesetz zu einem Stabilitäts- und Wachstumsgesetz zu machen.
Und wenn ich von der „Strafexpedition" spreche: es war eindeutig auf die öffentliche Hand gerichtet. Im übrigen erinnere ich mich deutlich - ich habe das schon einmal gesagt -, daß die damalige Opposition beim damaligen Bundeskanzler eingeladen war, und zwar zur Erörterung des damaligen Ent13448
wurfs des Stabilitätsgesetzes. Das war Anfang September 1966 vor Beginn der Parlamentsdebatte. Und ich habe Herrn
Was würden Sie auf Grund des Entwurfes als erstes machen, wenn dieser Entwurf im Januar 1967 in Kraft träte? Und seine Antwort war: Ich würde den Schuldendeckel, d. h. die Kreditlimitierung für die öffentlichen Hände, also für die Länder und Kommunen, beschließen bzw. beschließen lassen. - Das war einmal bezeichnend für die Stoßrichtung und zum anderen Ausdruck einer schrecklichen Fehldiagnose; denn im Januar 1967 mußte die neue Bundesregierung just das Gegenteil machen, nämlich nicht eine Kreditlimitierung für die öffentlichen Hände, für die Länder und Gemeinden, erklären, sondern umgekehrt den ersten Eventualhaushalt beschließen.
Präsident von Hassel: Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Schmücker?
Herr Präsident, ich tue das sehr gern; bloß ich sehe die Ungeduld in den Mienen aller meiner Kollegen hier im Saal.
Präsident von Hassel: Können wir uns dahin verständigen, daß wir das als letzte Zwischenfrage, die ich überhaupt zulasse, ansehen?
({0})
Herr Kollege Schiller, wird die Argumentation, die Sie hier aufgreifen, nicht in einen falschen Zusammenhang gestellt? Ich teile Ihre Auffassung, daß nicht ausschließlich das Fehlen des Stabilitätsgesetzes zum Sturz der Regierung beigetragen hat. Aber das Problem ist doch, daß die Bundesbank damals nicht bereit war, die Restriktionen zurückzunehmen, weil das Stabilitätsgesetz nicht vorlag. Diesen Punkt halte ich allerdings für sehr wichtig. Der andere, so wie Sie es darstellen, ist von mir aus nicht vorgebracht worden; ich glaube, auch nicht von meinen Freunden.
Ich kann nur antworten: das Stabilitätsgesetz, das am 4. Juli eingebracht worden ist - daran haben Sie doch wohl selber nicht geglaubt -, hätte doch nicht, selbst unter den größten Anstrengungen, rechtzeitig in diesem Parlament verabschiedet werden können.
Und ein Zweites. Ich muß sagen, was Sie eben ausgeführt haben, Herr Kollege Schmücker, ist staatspoltisch keine so ganz schöne Sache. Wir sollten darauf nicht näher eingehen. Daß in Wirklichkeit die Bundsbank die frühere Regierung gestürzt hat, ist kein Vorgang, über den Sie sehr ausführlich sprechen sollten.
({0})
- Das ist mir aber eine schöne Regierung gewesen,
die sich durch die Bundesbank hat stürzen lassen.
So weit habe ich die Autonomie der Bundesbank, die ich sehr unterstüze und die ich schätze, nie ausgelegt, lieber Herr Kollege Schmücker.
Herr Kollege Friderichs, das meiste, was Sie gesagt haben, war eine echte, in sich schlüssige Oppositionsrede. Ich bedaure, daß, soviel ich weiß, Ihre Rede heute Ihre letzte Rede in diesem Haus war. Sie solten länger unter uns bleiben, auch mit Ihrer Kritik.
({1})
Zu dem, was Sie zur Wettbewerbspolitik gesagt haben, verweise ich Sie auf den neuesten Stand, nämlich auf die Stellungnahme der Bundesregierung zum Kartellbericht des Bundeskartellamtes. Da sehen Sie immerhin, daß das Kartellamt selber so etwas wie präventive Fusionskontrolle ins Auge gefaßt hat und daß diese Bundesregierung, wenn auch diplomatisch und im Kompromißwege herbeigeführt, sich aus ordnungspolitischen Erwägungen nicht völlig ablehnend gegenüber diesem Instrument ausgesprochen hat. Sie können das in der Stellungnahme nachlesen. Damit hätte ich zur Ordnungspolitik etwas gesagt, und das übrige, glaube ich, erübrigt sich.
Mehrfach ist hier erörtert und variiert worden die berühmte Geschichte mit der „gewollten Restriktion" und der „gewollten Rezession". Ich will darauf gar nicht weiter eingehen. Das ist erledigt und aus-gepaukt. Aber: Ich bin bisher immer der Meinung gewesen, daß der Aufschwung und der Hochschwung, in dem wir jetzt leben, dieser schöne, großartige Aufstieg, von der Bundesregierung insgesamt gewollt war, d. h. ein „gewollter Aufschwung" war und ist. Manchmal habe ich nun den Eindruck, er ist nur von einem Teil gewollt. Einige von den Koalitionspartnern wollen ein bißchen so sagen: Dieser Aufschwung ist nicht ganz von uns gewollt. Aber ich habe immer noch die Hoffnung, daß wir uns in der Formulierung finden können: Diese Aufwärtsbewegung der deutschen Wirtschaft, diese großartige Leistungsdemonstration mit 7% realem Wachstum im vorigen Jahr und 5 1/2 bis 6 % in diesem Jahr ist von allen Mitgliedern dieser Regierung gewollt worden.
Ich stimme einigen kritischen Äußerungen von Herrn Friderichs zu. Wir müssen auch die kommenden Monate sehr wachsam sein. Ich bin allerdings der Meinung, daß wir nicht nur auf die außenwirtschaftliche Seite wachsam zu blicken haben, sondern nun, nach weiterem Ablauf von fünf, sechs Wochen seit Anfang Mai, auch wachsam auf die binnenwirtschaftliche Seite blicken müssen. Das Stabilitätsgesetz bietet der Regierung die Handhabe. Ich nehme an, daß die ganze Bundesregierung, wenn sie vor diese Frage gestellt wird, jetzt und in der kommenden Zeit die Sache abgewogen, symmetrisch, zweiseitig sieht und auch Lösungen findet, damit nicht das eintritt, was Sie für möglich halten: daß nach dem Aufschwung ein Rückschlag erfolgt. Ich bin also der Meinung, daß wir uns um zweitseitige ausbalancierte Maßnahmen weiterhin in der Bundesregierung sehr eingehende Gedanken machen müssen.
({2})
Ich glaube, da für die ganze Bundesregierung sprechen zu können.
({3})
Präsident von Hassel: Meine Damen und Herren, Wortmeldungen liegen nicht mehr vor. Der Ältestenrat hat vorgeschlagen, den Bericht und die Zusätze an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen und den Finanzausschuß - den ersteren federführend - zu überweisen. - Ich stelle fest, daß so beschlossen ist.
Die drei Fraktionen haben vereinbart, daß wir gleich, ohne Mittagspause, in den zweiten und dritten Beratungen fortfahren.
Ich rufe Punkt 12 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Europäischen Übereinkommen vom 14. Dezember 1959 über die akademische Anerkennung von akademischen Graden und Hochschulzeugnissen
- Drucksache V/3163 Schriftlicher Bericht des Innenausschusses ({4}).
-Drucksache V/4276 Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Kempfler ({5})
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Wünscht er das Wort? - Das ist nicht der Fall.
Wir kommen zur Abstimmung in zweiter Beratung. Wer dem Gesetz in Art. 1, 2, 3, Einleitung und Überschrift seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - So beschlossen.
Ich rufe zur
dritten Beratung
auf. Wer dem Gesetz in seiner Gesamtheit zustimmt, den bitte ich, sich zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das Gesetz ist einstimmig angenommen.
Punkt 16 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Atomgesetzes
- Drucksache V/4071 Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Wissenschaft, Kulturpolitik und Publizistik ({6})
- Drucksache V/4316 Berichterstatterin:
Abgeordnete Frau Geisendörfer ({7})
Ich danke der Frau Berichterstatterin. Sie hat zu einer Ergänzung das Wort erbeten. Ich erteile das Wort Frau Kollegin Geisendörfer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Erlauben Sie mir eine - im Hinblick auf unseren Zeitplan ganz kurze - allgemeine Bemerkung und eine sachliche Ergänzung des Schriftlichen Berichts.
Immer wieder erreichen uns hier besorgte Stimmen aus der Öffentlichkeit, die auf die Gefahren beim Betrieb von Kernanlagen und beim Umgang mit dem Transport von radioaktiven Stoffen hinweisen. Ich möchte noch einmal ausdrücklich feststellen, daß auch diese kleine Novelle zum Atomgesetz, die Ihnen vorliegt, dem Schutz der Offentlichkeit dient und die weitgehende Sicherheit, die unser deutsches Atomgesetz bietet, noch verstärkt. Soweit die allgemeine Bemerkung.
Eine sachliche Ergänzung des Schriftlichen Berichts! Der Ausschuß hat auch den Antrag eines Interessenverbandes berücksichtigt, der bezweckt, die Haftung des Transporteurs auf den Anlageninhaber auszudehnen. Es wurde gewünscht, daß nach § 36 Abs. 2 Nr. 2 der Punkt gestrichen und folgender Halbsatz eingefügt wird:
Mit Ausnahme der in § 15 Abs. 2 Nr. 4 genannten Personen, die im Falle des § 25 Abs. 2 neben dem zur Deckungsvorsorge Verpflichteten an der Beförderung beteiligt sind oder waren.
Was zu diesem Ersuchen zu bemerken ist, möchte ich in Ergänzung meines Schriftlichen Berichts zu Protokoll geben *), um jetzt Ihre Zeit nicht zu lange in Anspruch zu nehmen.
Präsident von Hassel: Ich danke der Frau Berichterstatterin. Wir kommen zur Abstimmung über dieses Gesetz in Art. 1, Art. 2, Art. 3, Einleitung und Überschrift. Wer zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen.
Ich rufe die
dritte Beratung
auf. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich schließe die dritte Lesung.
Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz in seiner Gesamtheit zustimmt, den bitte ich, sich zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen?
- Einstimmig angenommen.
Wir haben über den Antrag des Ausschusses abzustimmen. Wer ihm zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen?
- Ist so beschlossen.
Aus einem Versehen, meine Damen und Herren, habe ich die Punkte 13, 14 und 15 nicht aufgerufen, weil sie in meinen Unterlagen fehlen. Ich komme daher zu Punkt 13 der Tagesordnung zurück:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines
Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zum
*) Siehe Anlage 5
Präsident von Hassel
Schutze der Berufsbezeichnung „Ingenieur" ({0})
- Drucksache V/4053 Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Mittelstandsfragen ({1})
- Drucksachen V/4283, zu V/4283 -Berichterstatter: Abgeordneter Junghans ({2})
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Wünscht der Berichterstatter das Wort? - Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die allgemeine Aussprache. - Das Wort wird nicht gewünscht. Ich schließe die Aussprache.
Wir stimmen in zweiter Lesung über die Artikel 1 bis 3, Einleitung und Überschrift, .ab. Wer zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe!
- Enthaltungen? - So einstimmig beschlossen!
Wir kommen zur
dritten Beratung.
Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz in seiner Gesamtheit zustimmt, den bitte ich, sich zuerheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen?
- Das Gesetz ist einstimmig beschlossen.
Wir müssen dann noch über den Ausschußantrag auf Drucksache V/4283 abstimmen. Wer dem Ausschußantrag zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig so beschlossen.
Ich rufe Punkt 14 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Eingliederungsgesetzes für Soldaten auf Zeit ({3})
- Drucksache V/4113 Schriftlicher Bericht des Verteidigungsausschusses ({4})
- Drucksache V/4381 -Berichterstatter: Abgeordneter Ernesti ({5})
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Wünscht er das Wort? - Das ist nicht der Fall.
Ich eröffne die Aussprache. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Wir stimmen über die Artikel 1 bis 6 der Ausschußvorlage, Einleitung und Überschrift, ab. Wer seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig so beschlossen.
Wir kommen zur
dritten Beratung.
Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Wir kommen zur Schlußabstimmung in dritter Lesung. Wer dem Gesetz in seiner Gesamtheit zustimmt, den bitte ich, sich zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei einer Enthaltung so beschlossen.
Wir stimmen über den Ausschußantrag ab. Wer dem Ausschußantrag seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig so beschlossen!
Ich rufe Punkt 15 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Sechsten Gesetzes zur Änderung des Mühlengesetzes
- Drucksache V/4115 Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ({6})
- Drucksache V/4356 -Berichterstatter: Abgeordneter Müller ({7})
({8})
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Wünscht er noch das Wort? - Das ist nicht der Fall.
Ich mache darauf aufmerksam, daß hier ein Fehler berichtigt werden muß. In der letzten Zeile von Artikel 1 heißt es: „... wird die Jahreszahl ,1969' durch die Jahreszahl ,1972 ersetzt." Es muß heißen: „1971". Der Ausschuß hat das so festgelegt.
Ich eröffne die Aussprache. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Wir kommen zur Abstimmung in zweiter Beratung. Wer den Artikeln 1, 2 und 3 des Gesetzes, der Einleitung und Überschrift, seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig so beschlossen!
Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz in seiner Gesamtheit zustimmt, den bitte ich, sich zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig so beschlossen!
Punkt 16 der Tagesordnung haben wir behandelt. Ich rufe Punkt 17 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 12. Oktober 1968 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien über Soziale Sicherheit
- Drucksache V/4124 Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Sozialpolitik ({9})
- Drucksache V/4340 Berichterstatter: Abgeordneter Härzschel ({10})
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Wünscht er noch das Wort? - Das ist nicht der Fall.
Präsident von Hassel
Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Dann kommen wir zur Abstimmung in zweiter Lesung. Wer den Artikeln 1 bis 5 des Gesetzes, der Einleitung und Überschrift, zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig so beschlossen!
Ich eröffne die
dritte Beratung.
Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz in seiner Gesamtheit zustimmt, den bitte ich, sich zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das Gesetz ist einstimmig verabschiedet.
Ich rufe Punkt 18 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zwölften Gesetzes zur Änderung des Zollgesetzes
- Drucksache V/4117 Schriftlicher Bericht des Finanzausschusses ({11})
- Drucksachen V/4364, zu V/4364 Berichterstatter: Abgeordneter Krammig ({12})
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Wünscht er das Wort? - Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die Aussprache. Wird das Wort begehrt? - Das ist nicht der Fall.
Wir kommen zur Abstimmung in zweiter Lesung. Wer dem Entwurf in den Art. 1 bis 9, Einleitung und Überschrift zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei einer Enthaltung ist es so beschlossen.
Ich rufe die
dritte Beratung
auf. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Wir kommen zur Schlußabstimmung in dritter Lesung. Wer dem Gesetz in seiner Gesamtheit seine Zustimmung geben will, den bitte ich, sich zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei einer Enthaltung ist es so beschlossen.
Ich rufe Punkt 19 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu den vom Rat für die Zusammenarbeit auf dem Gebiete des Zollwesens am 7. Juni 1967 beschlossenen Änderungen des Abkommens über den Zollwert der Waren
- Drucksache V/4206 Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Mittelstandsfragen ({13})
- Drucksache V/4367 Berichterstatter: Abgeordneter Lange ({14})
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Wünscht er das Wort? - Das ist nicht der Fall.
Ich eröffne die zweite Beratung. Wird in der allgemeinen Aussprache das Wort gewünscht? - Das Wort wird nicht verlangt.
Wir kommen zur Abstimmung in zweiter Lesung. Ich rufe Art. 1, - 2, - 3, - Einleitung und Überschrift auf. Wer dem Gesetz zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Es ist einstimmig so beschlossen.
Ich rufe die
dritte Beratung
auf. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz in seiner Gesamtheit zustimmt, den bitte ich, sich zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Es ist einstimmig so beschlossen.
Ich rufe Punkt 20 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über das auf den ehelichen Güterstand anzuwendende Recht
- Drucksache V/3242 Schriftlicher Bericht des Rechtsausschusses ({15})
- Drucksache V/4368 Berichterstatter: Abgeordneter Erhard ({16})
({17})
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Wünscht er zur Ergänzung des Berichts das Wort? - Das ist nicht der Fall.
Ich mache darauf aufmerksam, daß in § 3 eine Korrektur vorzunehmen ist. In § 3 muß es in der viertletzten Zeile statt „Abs. 1 a" heißen „Abs. 1 a, 2". Ich bitte Sie, das zu vermerken.
Wir kommen zur zweiten Lesung. Ich eröffne die allgemeine Aussprache. - Das Wort wird nicht gewünscht.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Gesetz in den §§ 1 bis 7, Einleitung und Überschrift seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Es ist einstimmig so beschlossen.
Wir kommen zur
dritten Beratung.
Wird das Wort begehrt? - Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Aussprache in dritter Beratung.
13452 Deutscher Bundestag - 5. Wahlperiode - 241. Sitzung.. Bonn, Donnerstag, den 19. Juni 1969
Präsident von Hassel
Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz in seiner Gesamtheit zustimmt, den bitte ich, sich zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Es ist einstimmig so beschlossen.
Meine Damen und Herren, es ist interfraktionell vereinbart worden, daß Punkt 21 von der Tagesordnung abgesetzt und in der nächsten Woche behandelt wird. - Einverstanden.
Ich rufe Punkt 22 der Tagesordung auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gaststättengesetzes ({18})
- Drucksachen V/205, V/1652, V/3623 -Zweiter Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Mittelstandsfragen ({19})
- Drucksache V/4380 Berichterstatter: Abgeordneter Wieninger ({20})
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Wünscht er das Wort? - Das ist nicht der Fall.
Wir kommen zur zweiten Lesung. Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Wird das Wort gewünscht?
- Das ist nicht der Fall.
Wir kommen zur Abstimmung in zweiter Lesung. Wer dem Gesetz in den §§ 1 bis 42, Einleitung und Überschrift seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Bei einer Gegenstimme und einer Enthaltung ist es so beschlossen.
Ich rufe die
dritte Beratung
auf. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz in dritter Beratung seine Zustimmung geben will, den bitte ich, sich zu erheben. - Gegenprobe!
- Enthaltungen? - Bei einigen Gegenstimmen und einer Enthaltung ist es so beschlossen.
Eine gleiche interfraktionelle Vereinbarung bewirkt, daß wir Punkt 23 der Tagesordnung auf die nächste Woche verschieben.
Ich rufe Punkt 24 der Tagesordnung auf:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für das Bundesvermögen ({21}) über den Antrag des Bundesministers der Finanzen
betr. Veräußerung einer Teilfläche der ehemaligen Königin-Olga-Kaserne in Ludwigsburg an die Stadt Ludwigsburg
- Drucksachen V/3916, V/4321 - Berichterstatter: Abgeordneter Strohmayr
Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Wer diesem Antrag seine Zustimmung geben
will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Es ist so beschlossen.
Ich rufe den Punkt 25 der Tagesordnung auf:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Wissenschaft, Kulturpolitik und Publizistik ({22}) über den Antrag der Fraktion der FDP zur Großen Anfrage der Fraktion der FDP betr. politische Bildung
- Umdruck 534, Drucksache V/4322 Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Huys
Abgeordneter Moersch
Ich danke den Herren Berichterstattern. Wünschen diese das Wort? - Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die Aussprache. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Mir ist gesagt worden, es würden Erklärungen abgegeben. Das scheint nicht der Fall zu sein.
Wer diesem Schriftlichen Bericht seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen.
- Gegenprobe! - Enthaltungen? - Es ist einstimmig so beschlossen.
Ich rufe dann Punkt 26 der Tagesordnung auf:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Verkehrsausschusses ({23}) über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Schmitt-Vockenhausen, Jacobi ({24}), Könen ({25}), Welslau und Genossen zur dritten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Personenbeförderungsgesetzes
- Umdruck 626, Drucksache V/4328 - Berichterstatter: Abgeordneter Matthes
Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann darf ich fragen, wer diem Schriftlichen Bericht des Ausschusses zustimmt. - Gegenprobe!
- Enthaltungen? - Es ist einstimmig so beschlossen.
Außerdem gibt es den Umdruck 626 der Abgeordneten Schmitt-Vockenhausen, Jacobi ({26}), Könen ({27}), Welslau und Genossen. Dieser Umdruck liegt Ihnen vor. Wer dem Umdruck 626 zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen.
({28})
- Ich bin in der Abstimmung, Herr Kollege; es tut mir sehr leid.
Wer diesem Entschließungsantrag seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen.
- Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen?
- Bei zwei Enthaltungen ist dem Entschließungsantrag auf Umdruck 626 stattgegeben worden.
Ich rufe Punkt 27 der Tagesordnung auf:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Verkehrsausschusses ({29}) über den Antrag der Abgeordneten Rollmann, Wendelborn und Genossen
Präsident von Hassel
betr. Verkehrsverbindungen zwischen Hamburg und dem Ostseeraum
- Drucksachen V/3818, V/4329 Berichterstatter: Abgeordneter Schmidt
({30})
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Wird .das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Wer dem Antrag des Ausschusses seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Es ist einstimmig so beschlossen.
Ich rufe Punkt 28 der Tagesordnung auf:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Wissenschaft, Kulturpolitik und Publizistik ({31}) über den Antrag der Abgeordneten Dr. Schulze-Vorberg, Dr. Schober, Raffert, Dr. Lohmar, Dr. Mühlhan und Genossen
betr. Postzeitungsgebühren
- Drucksachen V/3903, V/4363 Berichterstatter: Abgeordnter Raffert
Abgeordneter Dr. SchulzeVorberg
Ich danke den beiden Herren Berichterstattern für ihre Berichte. Wird eine mündliche Ergänzung gewünscht? - Zur mündlichen Ergänzung hat Herr Abgeordneter Raffert das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nur zwei kurze Bemerkungen. Dieser Antrag ist vorgezogen worden. Er ist im Zusammenhang mit Drucksache V/4344 zu sehen. Dabei handelt es sich um den Ausschußantrag, der die Folgerung zieht aus den beiden Berichten der Günther- bzw. Pressekommission, ,der dazu abgegebenen Stellungnahmen der Bundesregierung und den dazu abgehaltenen öffentlichen Hearings.
({0})
Der Ausschuß legt Wert darauf und hat das in einem einstimmigen Beschluß bekräftigt, daß dieser Ausschußantrag, nämlich Drucksache V/4344, noch in diesem Bundestag behandelt und verabschiedet wird. Das muß geschehen, weil wir sonst die Ankündigungen nicht Wahrmachen würden, aus den Problemen, die aufgeworfen worden sind, im Zusammenhang mit der Pressekonzentration noch Folgerungen in diesem Hause zu ziehen.
Zu dem vorliegenden Antrag ist noch interpretierend zu sagen: die Bundesregierung hat in ihrer Stellungnahme zum Schlußbericht der GüntherKommission erklärt, daß in der Bundesrepublik die insgesamt gewährten Pressepräferenzen im Fernmeldewesen dem Vergleich mit entsprechenden Regelungen in anderen Ländern durchaus standhalten würden. Dem steht in einer krassen Weise das Zahlenwerk entgegen, das die Betroffenen, in diesem Falle die Verlegerverbände, entwickelt haben. Es handelt sich hier offensichtlich um Mißverständnisse, die sich daraus ergeben, daß in diesem Bereich bisher noch keine vergleichbaren Daten vorliegen. Der Antrag beabsichtigt, die Bundesregierung zu veranlassen, vergleichbare Materialien herzustellen, damit wir endlich eine Basis haben und darüber entscheiden können, ob und wie wir in diesem Bereich den Presseunternehmen zu helfen haben.
Sie haben die zusätzliche Begründung des Berichterstatters gehört. Wer dem Bericht zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Bericht ist bei einer Enthaltung angenommen worden.
Ich darf jetzt eine kleine Berichtigung vornehmen. Vorhin ist unter Punkt 26 der Tagesordnung auch über den Umdruck 626 abgestimmt worden. Nach dem Antrag des Ausschusses sollte der Umdruck 626 jedoch abgelehnt werden. Da über den Antrag des Ausschusses ebenfalls abgestimmt worden ist, war damit der Umdruck 626 bereits abgelehnt. Ich darf Sie davon in Kenntnis setzen. - Ich nehme an, daß sich dagegen kein Widerspruch erhebt. - Damit ist das jetzt formell wieder in Ordnung gebracht.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 29 auf:
Beratung des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft und Mittelstandsfragen ({0})
über die von der Bundesregierung erlassene Verordnung zur Änderung des Deutschen Teil-Zolltarifs ({1})
über die von der Bundesreigerung erlassene Verordnung zur Änderung des Deutschen Teil-Zolltarifs ({2})
- Drucksachen V/4158, V/4294, V/4359 Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Serres
Diese Verordnungen der Bundesregierung sind dem Deutschen Bundestag zur Kenntnis zu bringen, was hiermit geschehen ist.
Ich rufe Punkt 30 der Tagesordnung auf:
Beratung des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft und Mittelstandsfragen ({3}) über die von der Bundesregierung erlassene Verordnung zur Änderung des Deutschen Teil-Zolltarifs ({4})
- Drucksachen V/4159, V/4360 -Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Staratzke
Auch diese Verordnung ist dem Deutschen Bundestag zur Kenntnis zu bringen, was hiermit geschehen ist.
Ich rufe Punkt 31 der Tagesordnung auf:
Beratung des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft und Mittelstandsfragen ({5}) über die von der Bundesregierung erlassene Siebenunddreißigste Verordnung zur
Vizepräsident Scheel
Änderung der Einfuhrliste - Anlage zum Außenwirtschaftsgesetz
- Drucksachen V/4293, V/4357 Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Preiß
Diese Verordnung ist dem Deutschen Bundestag ebenfalls zur Kenntnis zu bringen, was hiermit geschehen ist.
Ich rufe Punkt 32 der Tagesordnung auf:
Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD betr. Geschäftsordnung für den Gemeinsamen Ausschuß
- Drucksache V/4349 In Verbindung mit Punkt 32 rufe ich gleichzeitig Punkt 33 der Tagesordnung auf:
Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, 'SPD betr. Geschäftsordnung für das Verfahren nach Artikel 115 d des Grundgesetzes.
- Drucksache V/4348 Hier ist vorgeschlagen, die Anträge dem Rechtsausschuß - federführend - und zur Mitberatung dem Innenausschuß zu überweisen. Dieser Vorschlag beruht auf einer interfraktionellen Vereinbarung, die von dem ursprünglichen Vorschlag des Ältestenrates abweicht. Erhebt sich Widerspruch? - Es ist so beschlossen.
Meine Damen und Herren, wir kommen jetzt zu Punkt 35 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Burgemeister, Dr. Siemer, Struve, Riedel ({6}), Wieninger und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung gebührenrechtlicher Vorschriften der Schlachtviehmärkte, Schlachthäuser und Fleischgroßmärkte
- Drucksache V/2957 Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ({7})
- Drucksache V/4226 Berichterstatter: Abgeordneter Hölzle ({8})
Wird zu den Art. 1, 2, 3, 4, oder 5 dieses Gesetzentwurfs das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann stimmen wir in zweiter Lesung ab über die Art. 1, 2, 3, 4 und 5, die Einleitung und die Überschrift. Wer diesen Artikeln, der Einleitung und der Überschrift zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Damit ist das Gesetz bei 1 Gegenstimme und einigen Enthaltungen in zweiter Lesung angenommen.
Wir kommen zur
dritten Beratung.
Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Damit kommen wir zur Schlußabstimmung über dieses Gesetz. Wer dem Gesetz als Ganzem zustimmen will, den bitte ich, sich vom Platz zu
erheben. - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei 2 Gegenstimmen ist das Gesetz angenommen worden.
Jetzt kommen die Zusatzpunkte. Zuerst rufe ich auf die
Zweite und dritte Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetzes
- Drucksachen V/2676, V/3971 ({9}) Berichterstatterin: Abgeordnete Frau Enseling
Wir treten in die zweite Beratung ein. Hier liegen einige Änderungsanträge vor.
({10})
- Frau Kollegin, wollen Sie als Berichterstatterin sprechen? - Bitte sehr, dann hat also zunächst die Frau Berichterstatterin zur Berichterstattung über den Ausschußantrag das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte, mir zu verzeihen und nachzusehen, daß ich zu so später Stunde den vorliegenden Schriftlichen Bericht zur Änderung des Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetzes kurz ergänzen und verdeutlichen möchte.
Man kann in der einschlägigen Literatur zu diesem Gesetz hin und wieder lesen, daß der zur Zeit geltende § 6 des Gesetzes die Forderung des Grundgesetzes auf Gleichstellung der Frau mehr als erfüllt hat. Der Anstoß, den dieses Mehr offensichtlich erregt hat, soll nun bereinigt werden. Dies bringt nach dem vorliegenden Gesetzentwurf für den Einbürgerungsvorgang der ausländischen Frau, die einen deutschen Mann heiratet, eine Schlechterstellung und für den ausländischen Mann, der eine deutsche Frau heiratet, eine Besserstellung gegenüber dem geltenden Recht.
Diese neue Regelung zwingt aus rechtssystematischen Gründen zur Streichung des bisherigen § 6, der bisher für die ausländische Frau, die einen deutschen Mann heiratet, den absoluten Anspruch auf Einbürgerung festlegt und zur Einfügung eines neuen Paragraphen - als § 9 - anschließend an den § 8, der sich allgemein mit der Einbürgerung befaßt unabhängig von vorhergegangener Eheschließung mit einem ausländischen Partner. Dieser § 8 des Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetzes legt für die Einbürgerung nur gewisse Mindestvoraussetzungen fest, bei deren Fehlen nicht eingebürgert werden darf, deren Vorliegen aber noch nicht dazu führt, daß eingebürgert werden muß. Es ist vielmehr der Wille des Gesetzes, daß die Behörde in jedem Einzelfall noch einmal prüft, ob die Einbürgerung eines Antragstellers mit den staatlichen Interessen zu vereinbaren ist. Den Einbürgerungsbehörden ist ein weiter Spielraum gegeben, und in der Rechtsprechung findet man hin und wieder den Hinweis auf „eine in der Nähe des Gnadenaktes liegende Rechtsgewährung".
Der neue § 9 stellt nun eine begünstigende Sonderregelung für ausländische Ehegatten deutscher Staatsangehöriger dar, gleich, ob Mann oder Frau. Ausländische Ehegatten sollen nach diesem Paragraphen eingebürgert werden, wenn sie bestimmte Voraussetzungen erfüllen und bestimmte Hinderungsgründe nicht entgegenstehen. Das freie Ermessen der Einbürgerungsbehörden, wie es in § 8 gegeben ist, wird hier weitgehend auf bloße Spielräume in der Tatbestandsbeurteilung eingeschränkt.
Bei der zu fordernden Voraussetzung für ein Eingewöhnen in deutsche Lebensverhältnisse hat der Innenausschuß -grundsätzlich einen fünfjährigen Aufenthalt in Deutschland als ausreichend angesehen. Er hat jedoch davon abgesehen, eine feste Aufenthaltsdauer im Gesetz zu verankern, weil auch andere Umstände zu würdigen sind, z. B. die Frage, ob die Ehe, auf die sich ja die besonderen Rechte des ausländischen Ehegatten in diesem neuen § 9 stützen, von Bestand ist. Hierauf legen die Länder ganz besonderen Wert.
An dieser Stelle sollte ich aber auch darauf hinweisen, daß schon nach geltender Praxis von fremden Staatsangehörigen aus dem deutschen Staatsraum, z. B. aus Osterreich oder Südtirol, bei Einbürgerung nach § 8, also der Normaleinbürgerung, keine längere Aufenthaltsdauer als fünf Jahre .gefordert wird. Für diesen Personenkreis wird sich zweifellos nach dem Recht des neuen § 9 die Aufenthaltsdauer merklich verringern können.
Der Begriff der zwischenstaatlichen Beziehungen in § 9 Abs. 1 umfaßt auch Beziehungen im Rahmen 1 der Entwicklungshilfepolitik. Es besteht 'besonderes Interesse daran, daß Angehörige der Entwicklungsländer, die bei uns, gleich, von welcher Seite, mit hohen Kosten ausgebildet worden sind, in ihre Heimatländer zurückkehren. Es wäre verfehlt, die Entwicklungshilfe durch eine falsche Einbürgerungspraxis zu durchbrechen.
Die ursprünglich vorgesehene Gebührenfreiheit nach § 9 hat der Ausschuß fallengelassen, weil sich zeigte, daß sie auf nahezu einmütigen Widerstand der Länder stößt. Die Länder sind aber bereit, den Betroffenen in der tatsächlichen Gebührenberechnung weitgehend entgegenzukommen.
Bei der Beratung und auch für das Ergebnis des Ihnen vorliegenden Entwurfs konnte die Tatsache nicht ganz unbeachtet bleiben, daß zur Zeit mindestens dreimal soviel ausländische Männer deutsche Frauen heiraten als ausländische Frauen deutsche Männer. - Soweit meine Ergänzung zum Schriftlichen Bericht.
Herr Präsident, ich darf wohl Ihr Einverständnis voraussetzen, daß ich anschließend gleich ein paar Sätze zur Begründung des dem Hause vorliegenden Änderungsantrags der Fraktionen der CDU/CSU und der SPD auf Umdruck 712 *) anfüge.
Das ist zweckmäßig, Frau Kollegin.
*) Siehe Anlage 2
In seiner Hauptsache beinhaltet dieser Änderungsantrag eine Umformulierung des § 9 Abs. 1 unter 2., weil sich gezeigt hat, daß die vom Innenausschuß erarbeitete Formulierung schon jetzt - vor Verabschiedung dieses Änderungsgesetzes - zu Mißdeutungen Anlaß gegeben hat.
Die Antragsteller gehen davon aus, daß die im Antrag gefundene Formulierung „... wenn gewährleistet ist, daß sie sich in die deutschen Lebensverhältnisse einordnen" auch eine freiwillige Zuordnung zum deutschen Volk und ein Hineinfinden 'in das deutsche kulturelle Leben beinhaltet, ohne daß hierbei auch nur im geringsten an eine Aufgabe der dem ausländischen Ehegatten eigenen Sprache oder Kultur gedacht ist. Wir halten es für etwas Selbstverständliches, ja, für legitim, daß man auch in zwei verschiedenen Kulturbereichen zu Hause sein kann. Man sollte aber sicherlich in dem Land, in dem man lebt, zu Hause sein.
Der Antrag will zusätzlich einmal, daß im Einleitungssatz: „Der Deutsche Bundestag hat mit Zustimmung des Bundesrates das folgende Gesetz beschlossen" die Worte „mit Zustimmung des Bundesrates" wegfallen, weil der Ausschuß bei der Wiederaufnahme der Beratung des Gesetzentwurfs die Vorschrift über die Gebührenregelung gestrichen hat.
Zum anderen schlägt der Ausschuß die Änderung des Termins für das Inkraftreten dieses Gesetzes in Art. III vor. Wir meinen, daß es erforderlich ist, den Zeitpunkt für das Inkrafttreten auf den 1. Januar 1970 festzusetzen, damit die Länder noch in der Lage sind, die unteren Staatsangehörigkeitsbehörden sowie auch die Standesbeamten ausreichend über die neue Rechtslage zu unterrichten. Damit wird gleichzeitig auch erreicht, daß Ausländerinnen, die schon jetzt mit einem deutschen Staatsangehörigen verheiratet sind, noch während einer angemessenen Übergangszeit von ihrem bisherigen gesetzlichen Einbürgerungsanspruch vor Inkrafttreten des neuen Gesetzes Gebrauch machen können.
Wir bitten, diesem Antrag zuzustimmen, und bitten ,gleichzeitig, den FDP-Antrag auf Umdruck 661 ") abzulehnen, weil er nicht 'befriedigen kann; denn er stellt auf etwas völlig anderes ab, als der vorgesehene § 9 Abs. 1 Nr. 2 vorsieht. Er stellt nämlich auf eine Art politische Zuverlässigkeit ab, die zu überprüfen wohl nicht die Absicht sein kann. Die Belange der Bundesrepublik Deutschland, insbesondere die der inneren und äußeren Sicherheit, sind bereits im Text des neuen § 9 ,angesprochen.
Ich darf also meine Bitte wiederholen, dem Änderungsantrag auf Umdruck 712 zuzustimmen und den Antrag Umdruck 661 abzulehnen.
({0})
Meine Damen und Herren, Sie haben den Bericht gehört. Wir kommen zur
a) Siehe Anlage 3
Vizepräsident Scheel
Einzelberatung. Ich nehmen an, Herr Kollege Moersch, daß Sie sich zu Art. I melden wollen.
({0})
- Ja, ich verstehe.
Wir kommen zur Einzelberatung und zunächst einmal zur Abstimmung über den Antrag Umdruck 712 Ziffer 1, Änderung des Einleitungssatzes. Wer diesem Antrag zustimmt, den Einleitungssatz zu ändern, gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Damit ist dieser Änderungsantrag einstimmig angenommen.
Wir kommen jetzt zu Art. I. Dazu liegt außer dem eben begründeten Änderungsantrag ein Änderungsantrag der Freien Demokratischen Partei vor. Er wird von Herrn Moersch begründet. Herr Moersch, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Kollegin Enseling hat soeben bemängelt, daß die in unserem Antrag Umdruck 661 vorgeschlagene Fassung von § 9 Abs. 1 Nr. 2 nicht den Bedürfnissen entspreche und daß wir hier eine Überprüfung der politischen Zuverlässigkeit vorschlügen, indem wir nämlich auf die verfassungsmäßige Ordnung Bezug nähmen, in die sich jemand einzufügen habe.
Diese Kritik scheint mir deswegen an unserem Antrag vorbeizugehen, weil ich mir nicht vorstellen kann, mit welchen Maßstäben man die Einordnung in das Volks- und Kulturleben feststellen soll. Ich kann mir sehr wohl vorstellen, daß man prüft, ob jemand die verfassungsmäßige Ordnung dieses Staates akzeptiert. Das halte ich für sinnvoll. Aber das Volks- und Kulturleben in Deutschland ist ein bißchen differenziert; das soll gelegentlich der Fall sein. Insofern halte ich das für eine schwierige und eine recht ungenaue Vorschrift.
({0})
Einen Augenblick! Der Herr Redner spricht noch über den ursprünglichen Text, nicht über den Text des Änderungsantrages.
Ich bitte um Entschuldigung. Das war ein Versehen von mir. Es bestätigt mir immerhin, daß Sie zu der gleichen Erkenntnis gekommen sind.
({0})
- Entschuldigen Sie, Herr Kollege Schmitt-Vockenhausen, es war nicht vorgesehen, daß durchgetagt wird. Ich mußte soeben für einen Kollegen einspringen, der noch nicht hier sein konnte. Ich bitte, das zu verstehen. Niemand konnte wissen, daß die Ordnung dieses Hauses in der Form durcheinanderkommen würde, wie es im Augenblick geschieht.
({1})
- Ich will es jetzt nicht näher erklären. Ich habe mich sehr bemüht, konnte aber nur noch den letzten Teil mitbekommen.
Meine Damen und Herren, wir müssen unsere Arbeiten jetzt sehr straff zu Ende führen, damit wir die Fragestunde beginnen können. Ich darf unter diesen Umständen vielleicht bitten, den Herrn Redner jetzt seine Darlegungen zu Ende führen zu lassen.
Ich will mich kurz fassen und nur sagen, daß ich den Begriff der verfassungsmäßigen Ordnung für eine klare Definition halte, während der Begriff der Lebensverhältnisse - auch wenn Sie ihn jetzt vorschlagen - unklar ist. Deshalb bitte ich Sie, dem Antrag der FDP zuzustimmen und Ihren eigenen Antrag zurückzuziehen.
Sie haben den Antrag gehört. Wir stimmen zunächst über den Änderungsantrag der FDP ab. Wer ihm zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Antrag ist bei einer Anzahl von Gegenstimmen abgelehnt worden.
Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU, SPD auf Umdruck 712 Ziffer 2. Wer diesem Änderungsantrag zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen.
- Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei mehreren Enthaltungen und mehreren Gegenstimmen ist dieser Antrag angenommen worden.
Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den so geänderten Art. I. Wer dem Art. I in der neuen Fassung zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei einigen Enthaltungen ist der Art. I angenommen.
Zum Art. II liegen keine Änderungsanträge vor. Wer ihm zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Art. II ist einstimmig angenommen.
Zum Art. III liegt ein Änderungsantrag auf Umdruck 712 Ziffer 3 vor. Wer diesem Änderungsantrag zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist einstimmig angenommen.
Wir kommen damit zur Abstimmung über den Art. III in der geänderten Form. Wer diesem Art. III zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Art. III ist einstimmig angenommen.
Wer der Einleitung und der Überschrift zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe!
- Enthaltungen? - Einstimmig angenommen!
Wir treten in die
dritte Beratung
ein. Wird das Wort zur dritten Beratung gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Dann kommen wir zur Schlußabstimmung über das Gesetz als Ganzes. Wer dem Gesetz als Ganzem zustimmen will, den bitte ich, sich vom Platz zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das Gesetz ist einstimmig angenommen.
Vizepräsident Scheel
Wir haben noch abzustimmen über den Antrag des Ausschusses auf Drucksache V/3971. Es handelt sich um eine Entschließung, die der Ausschuß vorschlägt. Wer dieser Entschließung zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen.-Die Gegenprobe! -Enthaltungen? - Die Entschließung ist einstimmig angenommen.
Ich darf noch bemerken, daß zu diesem Punkt der Tagesordnung unser Kollege Dr. Claus Arndt ({0}) eine Erklärung zu Protokoll gegeben hat *).
Wir kommen zum nächsten Punkt der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des von der Fraktion der FDP und von den Abgeordneten Stooß, Dr. Schmidt ({1}), Dr. Stecker, Struve, Bauknecht, Ehnes und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gasöl-Verwendungsgesetzes - Landwirtschaft
- Drucksachen V/3375, V/3581, V/3877 ({2}), V/4402 Es liegen keine Änderungsanträge vor. Wird das Wort zu einzelnen Artikeln gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann bitte ich diejenigen Damen und Herren, die den Art. 1, 2, 3 und der Einleitung und Überschrift zustimmen wollen, um ein Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das ist einstimmig angenommen.
Wir kommen zur
dritten Beratung.
Wird das Wort dazu gewünscht? - Das ist nicht der Fall, wie ich sehe.
Wer dem Gesetz im ganzen zustimmt, den bitte ich, sich zu erheben. - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das Gesetz ist einstimmig angenommen.
Wir haben über Ziffer 2 des Antrags des Ausschusses abzustimmen. Wer dem zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Ausschußantrag ist einstimmig angenommen.
Ich rufe den zweiten Punkt auf, um den die Tagesordnung heute morgen erweitert worden ist, den letzten Punkt unserer Tagesordnung vor der Fragestunde:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für das Bundesvermögen ({3}) betr. Zustimmung des Bundestages zur Ausgabe stimmrechtsloser Vorzugsaktien durch die Deutsche Lufthansa AG ({4})
- Drucksachen V/4324, V/4403 -
Wer dem Antrag des Ausschusses für das Bundesvermögen zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei zwei Enthaltungen ist der Antrag des Ausschusses angenommen.
Meine Damen und Herren, damit ist dieser Teil unserer Tagesordnung beendet.
*) Siehe Anlage 6
Ich rufe Punkt 3 unserer Tagesordnung auf: Fragestunde
- Drucksache V/4375 Zunächst rufe ich die Dringliche Mündliche Anfrage 1 des Abgeordneten Marquardt aus dem Geschäftsbereich des Bundesschatzministers auf:
Ist die Bundesregierung bereit, der Stadt Hannover zu helfen, daß die etwaige Übernahme der im Teilbesitz des Bundes befindlichen Hannoverschen Verkehrsbetriebe AG ({5}) in kommunales Eigentum zu tragbaren Bedingungen erfolgen kann?
Das Wort zur Beantwortung hat der Herr Bundesschatzminister.
Schmücker, Bundesschatzminister: Herr Kollege Marquardt, an der Hannoversche Verkehrsbetriebe ({6}) AG ist der Bund nicht unmittelbar beteiligt. 77,77 % des Grundkapitals der ÜSTRA befinden sich im Besitz der Preußischen Elektrizitäts-AG ({7}). Hauptaktionärin der Preußenelektra ist zu 86,32 % die Vereinigte Elektrizitätsund Bergwerks-AG ({8}), an der der Bund mit 40,23 % beteiligt ist. Die Verantwortung für eine Veräußerung der ÜSTRA-Beteiligung liegt aktienrechtlich allein bei den Organen, d. h. bei Vorstand und Aufsichtsrat der Preußenelektra und der ÜSTRA, auf die der Bund angesichts der dargelegten Beteiligungsverhältnisse nicht im Wege von Weisungen Einfluß nehmen kann.
Die Preußenelektra ist jedoch seit Jahren bereit, ihre Beteiligung an die Stadt Hannover zu veräußern. Verhandlungen hierüber sollen in Kürze wiederaufgenommen werden. Die Frage eines angemessenen Kaufpreises wird gegebenenfalls durch ein Sachverständigengutachten geklärt werden müssen. Ich würde es sehr begrüßen, wenn die Probleme des städtischen Nahverkehrs durch den Übergang der Beteiligung auf die Stadt gelöst werden könnten. Ich unterstütze daher mit meinen Möglichkeiten diese Bestrebungen.
Schon im Jahre 1964 haben die Preußenelektra und die Stadt Hannover über einen Erwerb der Beteiligung durch die Stadt verhandelt, jedoch kam es damals nicht zum Verkauf. Mein Amtsvorgänger, Minister Dollinger, hat diese Bestrebungen seinerzeit ebenfalls unterstützt und sich noch im März 1965 bereit erklärt, sich vermittelnd in die Verhandlungen einzuschalten, sobald ein von der Stadt in Auftrag gegebenes Gutachten vorliegen würde. Das Bundesschatzministerium ist jedoch in der Folgezeit nicht mehr von der Stadt Hannover angesprochen worden. Nach einer Mitteilung der VEBA hat damals die Stadt ihr Interesse am Erwerb der Beteiligung nicht weiter verfolgt.
Erwähnen möchte ich noch, daß eine Einflußnahme des Bundesschatzministers in den Aufsichtsräten der genannten Gesellschaften nur in sehr geringem Maße möglich ist. Im Aufsichtsrat der VEBA verfügt der Bund zwar über 4 von 21 Entsendungsmandaten, bei der Preußenelektra hat der Bund nur 3 von insgesamt 21 Aufsichtsratssitzen. Diese werden von den Herren Staatssekretären Grund und von Dohnanyi und von Ministerialdirektor a. D. v. Süsskind13458
Schwendi wahrgenommen. Im Aufsichtsrat der ÜSTRA, der aus 6 Mitgliedern besteht, ist der Bund nicht vertreten. Im gehören 2 Arbeitnehmervertreter an. Vertreter der Anteilseigner sind die Herren Hoffmann und Nagel von der Preußenelektra, ferner der Oberstadtdirektor von Hannover sowie ein Repräsentant der Industrie- und Handelskammer.
Eine Zusatzfrage.
Herr Bundesminister, ungeachtet Ihrer Zuständigkeit, aber angesprochen auf die Schirmherrschaft für Bundesvermögen: Halten Sie ein Verkaufsangebot an ein kommunales Unternehmen unter den Gegebenheiten, wie es die ÜSTRA und die Preußenelektra jetzt zu 90 Millionen DM abgegeben haben, also mit 400 % über dem Börsenwert, nicht wie ich für reichlich überhöht?
Schmücker, Bundesschatzminister: Wenn Sie schon meine Schirmherrschaft ansprechen, muß ich Ihnen antworten, daß ich eben von meiner Verpflichtung, die in der Reichshaushaltsordnung festliegt, her wohl kaum hier in die Preisbildung eingreifen darf; denn ich muß das Interesse des Bundes wahren. Aber andererseits komme ich wieder an den Vermögensausschuß heran, er möge mir doch Möglichkeiten geben, ein wenig großzügiger zu verfahren, wenn kommunale Antragsteller sowohl bei Grundbesitz wie bei anderen Dingen um die Übernahme von Bundesbesitz nachsuchen. Verständnis habe ich sehr viel dafür; aber ich bitte Sie, zu verstehen, daß ich keine Preise nennen darf.
Weiter dazu der Kollege Marquardt.
Auf das Verständnis bezogen - ich glaube, das verstehen zu können -, Sie sind also der Meinung, daß in dem angesprochenen Fall ÜSTRA im wesentlichen nicht vom Substanzwert der ÜSTRA, sondern mehr vom Ertragswert ausgegangen werden könnte bzw. ausgegangen werden müßte?
Schmücker, Bundesschatzminister: Verehrter Herr Kollege, ich habe unternehmerisch und auch kaufmännisch die Bundesunternehmen zu vertreten und ich kann diese Debatte hier nicht führen.
({0})
Ich werde alles tun," um einen Abschluß zu unterstützen. Aber ich kann doch hier nicht als Bundesminister die Unterhändler, auf die ich keine Weisungsbefugnis habe, binden. Das geht doch einfach nicht.
({1})
Kollege Junghans, eine Zusatzfrage.
Herr Minister - ich hätte mich sonst nicht gemeldet, aber weil Sie den Vermögensausschuß angesprochen haben -, können Sie nicht
selber bestätigen, daß dieser Ausschuß Ihren Bestrebungen bei Verkäufen an Städte, Kommunen und sonstige Träger des öffentlichen Interesses immer sehr wohlwollend entgegengekommen ist und sogar verlangt, daß in der neuen Bundeshaushaltsordnung bzw. in Haushaltsgesetzen Ihnen mehr Bewegungsspielraum gegeben wird?
Schmücker, Bundesschatzminister: Herr Junghans, das erkenne ich mit Dankbarkeit an. Nur wissen Sie, daß hinter uns noch ein anderer Ausschuß steht.
Eine weitere Zusatzfrage? - Zunächst der Herr Kollege Westphal.
Würden Sie in diesem Zusammenhang, Herr Minister, bestätigen können, daß der Haushaltsausschuß in der Richtung, in der er die Bundeshaushaltsordnung formuliert hat, bei dem bevorstehenden Gesetzgebungswerk der Haushaltsreform Ihren Wünschen ein wenig nähergekommen ist?
Schmücker, Bundesschatzminister: Es ist so.
Kollege Rohde!
Werden Sie, Herr Minister, soweit es um den Verhandlungspunkt geht, auf den der Bund auf Grund seiner mittelbaren Beteiligung Einfluß hat, mit dafür sorgen, daß die Verhandlungen bald in Gang kommen und zügig geführt werden können?
Schmücker, Bundesschatzminister: Herr Kollege, der Bund hat schon früher solche Anstrengungen gemacht. Ich habe es ein wenig bedauert, daß sie eingeschlafen sind; und ich hoffe, daß man nun endlich zum Abschluß kommt. Auch ich bin der Meinung, daß es hier bessere Regelungen gibt, als sie zur Zeit gelten.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Kollege Raffert.
Herr Minister, haben Sie in irgendeiner Phase der Auseinandersetzung um die Fahrpreiserhöhung jetzt in Hannover Anlaß gesehen, vom Bund aus in dieser Richtung - in Richtung auf die Stadt hin oder auf eine vernünftige_ Regelung hin - aktiv oder initiativ zu werden?
Schmücker, Bundesschatzminister: Es ist nicht meine Sache, hier aktiv zu werden.
Kollege Rohde? - Noch eine Zusatzfrage!
Teilen Sie, Herr Minister, die Auffassung, daß es sich bei öffentlichen Nahverkehrsmitteln um eine Gemeinschaftsaufgabe handelt und aus diesem Geiste auch die Verhandlungen über den neuen Status der ÜSTRA geführt werden müssen?
Schmücker, Bundesschatzminister: Ich widerspreche dem in keiner Weise.
Meine Damen und Herren, damit ist diese Frage erledigt.
Wir kommen zur zweiten Dringlichen Mündlichen Anfrage des Abgeordneten Franke ({0}) :
Ist die Bundesregierung bereit, den kommunalen Verkehrsunternehmen steuerliche Entlastungen zur Kostensenkung und sozialer Fahrpreisgestaltung einzuräumen?
Das Wort zur Beantwortung hat der Staatssekretär im Bundesfinanzministerium.
Leicht, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Ich darf Ihre Frage, Herr Kollege Franke, wie folgt beantworten: Eine vollständige Befreiung der überwiegend im Linienverkehr verwendeten Kraftomnibusse von der Kraftfahrzeugsteuer ist kürzlich erfolgt, nämlich durch das Gesetz zur Änderung des Kraftfahrzeugsteuergesetzes vom 20. Dezember 1968. Bei der Umsatzsteuer unterliegt der öffentliche Nahverkehr, insbesondere auch die Personenbeförderung durch kommunale Verkehrsunternehmen, entsprechend dem Vorschlag des Verkehrsausschusses des Deutschen Bundestages in seiner gutachtlichen Stellungnahme zum Entwurf eines Umsatzsteuergesetzes dem ermäßigten Steuersatz von 5,5 v. H. Gegen eine weitergehende Begünstigung bestehen insbesondere wegen des Wettbewerbs zu anderen Unternehmen - Bundesbahn, private Linienverkehrsunternehmen und Taxi-Unternehmen - Bedenken. Im Falle einer Befreiung dieser Beförderungsleistungen würde zudem das Recht auf Vorsteuerabzug verlorengehen. Da bei öffentlichen Verkehrsunternehmen die Vorumsätze nach den vorhandenen Unterlagen im Durchschnitt 40 bis 50 v. H. des Umsatzes ausmachen, beträgt die Vorsteuer etwa 4,4 bis 5,5 v. H. des Umsatzes. Im Ergebnis würde also eine Freistellung des öffentlichen Nahverkehrs insbesondere nach Fortfall der Investitionssteuer keine oder nur eine geringe Entlastung dieses Verkehrs mit sich bringen. Gegenüber stünde als Nachteil ein starker konzentrationsfördernder Anreiz, weil die Höhe der nicht abziehbaren Vorsteuern durch Angliederung von Vorstufen an das Verkehrsunternehmen, z. B. Unternehmensverbindungen mit Elektrizitätswerken usw., verringert werden könnte. Es war gerade das Ziel der Umsatzsteuerreform, einen derartigen Anreiz zu beseitigen.
Die Fage, ob überhaupt und gegebenenfalls in welchem Umfang den Unternehmen des öffentlichen Personennahverkehrs Erleichterungen bei der Mineralölsteuer gewährt werden können, wird, wie ich schon bei einer Anfrage des Herrn Kollegen Ramms mitgeteilt habe, zur Zeit in der Bundesregierung beraten. Eine Antwort in der Sache kann daher insoweit erst zu einem späteren Zeitpunkt gegeben werden.
Herr Kollege Franke, eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß der Herr Bundesminister für Verkehr in dieser Richtung sehr befürwortend bereits auf die Verhandlungen einwirkt und auch in der Öffentlichkeit entsprechende Aussagen gemacht hat?
Leicht, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Das ist mir bekannt. Ich habe ja darauf hingewiesen, Herr Kollege Franke, daß in der Bundesregierung im Augenblick gerade auf Grund der Anregungen des Verkehrsministers diese Fragen eingehend erörtert werden.
Herr Kollege Rohde, eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, besteht in Ihrem Hause die Absicht, bei der Fortschreibung der mittelfristigen Finanzplanung neue Vorschläge für eine verkehrsgerechte und sozial gerechte Steuerpolitik zur Entlastung der öffentlichen Nahverkehrsmittel vor allem in den innerstädtischen Ballungsräumen zu unterbreiten?
Leicht, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Ich habe Herrn Kollegen Franke sagen müssen, daß ich in der Sache noch keine Aussage machen kann. Ich kann sie nicht machen.
Vizepräsident .Scheel: Damit wäre diese Frage erledigt.
Wir -kommen jetzt zu den Mündlichen Anfragen, zunächst aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen.
Ich rufe die Fragen 9, 10 und 11 des Abgeordneten Hirsch auf:
Wird die Bundesregierung das Inkrafttreten des Zweiten Besoldungsneuregelungsgesetzes zum Anlaß nehmen, die darin enthaltenen Besoldungsverbesserungen für Bundesbeamte gemäß II 27, 126 BEG unverzüglich auch den rentenberechtigten Verfolgten des Nationalsozialismus zugute kommen zu lassen?
Anerkennt die Bundesregierung die gesetzliche Verpflichtung dabei, auch alle strukturellen Besoldungsverbesserungen mit zu berücksichtigen?
Wird die Bundesregierung die Gelegenheit der hierzu notwendigen Änderungen der Verordnungen zum BEG nutzen, um die nach dem BEG Rentenberechtigten endlich auch in den ihnen gesetzlich zustehenden Genuß der Besoldungsverbesserungen kommen zu lassen, die schon das Erste Besoldungsneuregelungsgesetz den Bundesbeamten gewährt hat?
Die Fragen werden im Einverständnis schriftlich beantwortet. Die Antwort des Bundesministers Dr. h. c. Strauß vom 30. Mai 1969 lautet:
Inwieweit das Zweite Besoldungsneuregelungsgesetz eine allgemeine Erhöhung der Renten der Verfolgten erforderlich macht und welche Forderungen sich aus den besoldungsrechtlichen Strukturmaßnahmen dieses Gesetzes für die Berechnung der Renten der Verfolgten ergeben, wird zur Zeit in meinem Hause geprüft.
Die Arbeiten wurden unverzüglich aufgenommen und werden beschleunigt durchgeführt, wobei ich allerdings auf die besonderen Schwierigkeiten, die gerade durch die strukturellen Änderungen veranlaßt sind, hinweisen möchte; bekanntlich müssen die Länder beteiligt werden. Auch habe ich eine anschließende Anhörung der Verfolgtenverbände in Aussicht genommen.
Im Grundsatz bin ich mit Ihnen der Auffassung, daß auch bei den rentenberechtigten Verfolgten des Nationalsozialismus die strukturellen Besoldungsmaßnahmen des Zweiten Besoldungsneuregelungsgesetzes zu berücksichtigen sind. Inwieweit diese Maßnahmen auf die Verfolgtenrenten durchschlagen und daher
Vizepräsident Scheel
entsprechend der sich aus der BEG ergehenden gesetzlichen Verpflichtung zu berücksichtigen sind, wird von dem Ergebnis der unter 1. genannten Prüfung abhängen.
Obwohl die seinerzeit vorgenommene Prüfung ergeben hat, daß die Besoldungsänderungen des Ersten Besoldungsneuregelungsgesetzes keine Auswirkungen auf die Renten der Verfolgten haben, wird bei der Prüfung, welche Folgerungen sich aus den besoldungsrechtlichen Strukturmaßnahmen des Zweiten Besoldungsneuregelungsgesetzes für die BEG-Renten ergeben, auch das Erste Besoldungsneuregelungsgesetz noch einmal in diese Prüfung einbezogen werden.
Ich rufe die Frage 12 des Abgeordneten Dr. Hauser ({0}) auf:
Wie weit sind die Vorbereitungen zu einer Novellierung des § 34 a Einkommensteuergesetz gediehen, von denen der Parlamentarische Staatssekretär des Bundesministers der Finanzen in der Fragestunde vom 28. März 1969 auf die Anfragen des Bundestagsabgeordneten Adolf Müller ({1}) berichtete, um nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes vom 15. Januar 1969 ({2}) den Gleichheitsgrundsatz bei der Steuerfreiheit für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit zu respektieren?
Das Wort zur Beantwortung hat Herr Staatssekretär Leicht.
Leicht, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Ich darf die Frage, Herr Kollege Dr. Hauser, wie folgt beantworten. Nachdem das Bundesverfassungsgericht die steuerliche Gleichbehandlung von Zuschlägen für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit gefordert hat, haben inzwischen mehrere Vorbesprechungen mit den Vertretern der Länderfinanzministerien, den beteiligten Bundesministerien für Arbeit, Justiz und Wirtschaft und den gewerkschaftlichen Spitzenorganisationen stattgefunden. In der Besprechung mit den Gewerkschaften, die gerade vor kurzem stattfand, nämich am 29. Mai, haben deren Vertreter angekündigt, sich zu diem Problem noch eingehend schriftlich. äußern und Unterlagen für Lösungsmöglichkeiten beibringen zu wollen. Sobald dieses Material vorliegt und ausgewertet ist, werden die Beratungen mit den Länderfinanzministerien, den beteiligten Bundesministerien sowie den linteressierten Spitzenverbänden, insbesondere den Arbeitnehmer-und Arbeitgeberorganisationen, fortgesetzt werden. Das zunächst zu Ihrer ersten Frage.
Dürfte ich, Herr Präsident, die zweite Frage, weil sie im Zusammenhang damit steht, gleich mitbeantworten?
Das wird zweckmäßig sein, Herr Kollege. Ich rufe daher die Frage 13 des Abgeordneten Dr. Hauser ({0}) ,auf:
In welcher Weise werden bis zu einer neuen gesetzlichen Regelung des Problemkreises zu § 34 a Einkommensteuergesetz die bei den Finanzbehörden noch anhängigen und nicht abgeschlossenen Fälle behandelt, etwa dadurch, daß die Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit für die Zwischenzeit steuerfrei belassen werden, die Bearbeitung von Einsprüchen zunächst ruht, die Vollziehung ausgesetzt und gegebenenfalls Vollstreckungsaufschub gewährt wird?
Leicht, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Die Finanzministerien der Länder haben inzwischen Anweisungen erlassen, wonach bis zur gesetzlichen Neuregelung die Vorschriften des § 34 a des Einkommensteuergesetzes in der derzeitigen Fassung weiter angewendet werden sollen. Das 'bedeutet: Die nach bisherigem Recht steuerfreien Zuschläge bleiben zunächst auch weiterhin steuerfrei, und die nach bisherigem Recht steuerpflichtigen Zuschläge bleiben
zunächst weiterhin steuerpflichtig. Wird gegen die Steuerpflicht der Zuschläge von Betroffenen Ein-sprucheingelegt, so kann, .sofern der Beschwerdeführer damit einverstanden ist, die Entscheidung über den Einspruch bis zur gesetzlichen Neuregelung ausgesetzt werden. Außerdem wird die Vollziehung von Steuernachforderungen, soweit sie sich aus der Steuerpflicht der Zuschläge ergeben, bis auf weiteres ausgesetzt; gegebenenfalls wird Vollstrekkungsaufschub gewährt.
Eine Zusatzfrage, Herr Kollege Hauser.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, ob der Bundesfinanzhof in dem konkreten Fall, der zu der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts geführt hat, inzwischen selbst entschieden hat, nachdem das vorausgehende Urteil des Bundesfinanzhofes aufgehoben und der Fall zurückverwiesen wurde, und wie - falls Sie darüber Auskunft geben können - etwa das neue Urteil des Bundesfinanzhofs aussieht.
Leicht, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Ich muß Sie enttäuschen, Herr Kollege Hauser. Ich kann Ihnen keine Auskunft geben, weil wir davon nichts wissen.
Eine weitere Zusatzfrage, Kollege Hauser.
Herr Staatssekretär, teilen Sie meine Meinung, daß es im Grunde nur deshalb zu dem ganzen Problem des § 34 a des Einkommensteuergesetzes, das nun das Bundesverfassungsgericht mit seinem Urteil aufgeworfen hat, kam, weil der Bundesfinanzhof den Begriff des Tariflichen in § 34 a des Einkommensteuergesetzes allzu eng interpretiert und gleich „tarifvertraglich" gesetzt hat.
Leicht, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Sicherlich kann man das so auslegen, Herr Kollege Hauser. Aber das Wesentliche ist, glaube ich, daß nach der Entscheidung zunächst einmal alles getan wird, damit hier keine Ungerechtigkeiten entstehen. Das ist, meine ich, durch den von mir erwähnten Erlaß durch die Länderfinanzministerien geschehen, so daß also die Betroffenen zumindest bis zu einer endgültigen Regelung keine Nachteile erleiden.
Ich rufe die Frage 14 des Herrn Abgeordneten Dröscher auf:
Welche Vorstellungen hat die Bundesregierung über die Frage, ob und wie eine Entschädigung der im „Dritten Reich" zwangsweise und zu unrecht Sterilisierten erfolgen kann?
Die Frage wird in Einverständnis mit dem Fragesteller schriftlich beantwortet. Eine Antwort liegt noch nicht vor. Sie wird nach Eingang im Sitzungsbericht abgedruckt.
Vizepräsident Scheel
Damit sind die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen erledigt.
Die Fragen 69, 70 des Abgeordneten Strohmayr und 71 des Abgeordneten Weigl aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Wohnungswesen und Städtebau werden im Einverständnis mit den Fragestellern schriftlich beantwortet:
Welche Überlegungen haben dazu geführt, die Bewilligung von Sondermitteln zur Förderung von Pflegebetten in Altenheimen und Altenwohnheimen auszuschließen?
Ist der Bundesregierung bekannt, daß die Belegung von Pflegebetten in Altenheimen und Altenwohnheimen ebenfalls eine Dauerunterbringung und die Freimachung von Wohnräumen darstellt, wie dies bei der Förderung von Altenheim- und Altenwohnheimplätzen zugrunde gelegt wird?
Wird die Bundesregierung im Haushaltsjahr 1970 Mittel für den Facharbeiter-Wohnungsbau in den Zonenrandgebieten einplanen?
Die Antwort des Herrn Staatssekretärs Dr. Schornstein auf die Fragen des Abgeordneten Strohmayr lautet:
Nach der Zweckbestimmung der in meinem Haushalt ausgewiesenen Mittel ({0}) können Darlehen zur Förderung des Wohnungsbaues für alte Menschen gewährt werden. Diese Zweckbestimmung ist bisher in den im Einvernehmen mit dem Herrn BMF ergangenen Richtlinien dahin eingeschränkt worden, daß mit diesen Mitteln nur der Bau von Altenwohnungen, Altenwohnheimen und Altenheimen gefördert werden darf. Pflegeheime und Pflegestationen aber ausgenommen waren ({1}).
Die Bemühungen meines Hauses, eine Änderung der Richtlinien zu erreichen, hatten Erfolg. Es kann nunmehr auch Wohnraum gefördert werden, der in Altenheimen und Altenwohnheimen zur Unterbringung pflegebedürftiger alter Menschen bestimmt ist ({2}).
Die Auffassung, daß die Belegung von Pflegebetten in Altenheimen und Altenwohnheimen ebenfalls eine Dauerunterbringung und die Freimachung von Wohnräumen darstellt, wie dies bei der Förderung von Altenheim- und Altenwohnheimplätzen zugrunde gelegt wird, wird von mir geteilt. Dabei unterstelle ich, daß die Zimmer als Wohnraum gestaltet und ausgestattet werden.
Auf die Frage des Abgeordneten Weigl hat der Herr Staatssekretär Dr. Schornstein am 19. Juni 1969 geantwortet:
Die Bundesregierung widmet der Entwicklung der wirtschaftlichen Lage im Zonenrandgebiet nach wie vor große Aufmerksamkeit. Ihr ist bekannt, daß die weitere wirtschaftliche Entwicklung des Zonenrandgebietes in entscheidender Weise durch den Wohnungsbau für Facharbeiter und Schlüsselkräfte gefördert wird.
Seit dem Jahre 1966 werden von den 150 Millionen DM, die nach § 19 a II. WoBauG jährlich auf die Länder für den sozialen Wohnungsbau verteilt werden, 14 Millionen DM zweckgebunden für das Zonenrandgebiet zur Verfügung gestellt. Die Bundesregierung beabsichtigt, auch weiterhin Mittel in der bisherigen Höhe zur Förderung des Wohnungsbaues im Zonenrandgebiet den beteiligten vier Ländern zur Verfügung zu stellen.
Über diese zweckgebundenen Förderungsmittel hinaus werden in einer großen Anzahl von Fällen zusätzliche Bundesmittel zur Förderung von Eigentumsmaßnahmen für kinderreiche Familien, für Schwerbeschädigte, Schwesternwohnheime, Schüler-, Studenten- und Altenwohnheime und zur Beseitigung von besonderen Wohnungsnotständen bereitgestellt.
Diese Mittel werden darlehensweise zusätzlich zu den nach den Wohnungsbauförderungsbestimmungen der Länder zu gewährenden öffentlichen Mitteln eingesetzt. Es ist beabsichtigt, diese zusätzliche Förderung im Rahmen vorhandener Haushaltsmittel auch in den kommenden Rechnungsjahren fortzuführen.
Ich höre soeben, daß Herr Bundesminister Wehner, der, wenn ich das richtig sehe, nur eine Frage, wenn auch in drei Fragen unterteilt, beantworten müßte, morgen nicht mehr hier sein kann und den Wunsch geäußert hat, diese Frage heute noch zu beantworten. Er muß morgen in London sein.
({3})
- Sie haben recht.
({4})
- Ja, er kann nächste Woche nicht anwesend sein. Ich würde seinem Wunsch, die Fragen jetzt zu beantworten, nachkommen, wenn die übrigen Vertreter der Ministerien damit einverstanden sind.
({5})
- Aha; dann erledigt sich das. Da der Fragesteller nicht da ist, werden diese Fragen ohnehin schriftlich beantwortet, wenn er bis zum Schluß der Fragestunde nicht eingetroffen sein sollte.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Gesundheitswesen. Frage 19 der Abgeordneten Frau Dr. Heuser:
Was hat die Bundesregierung veranlaßt, trotz der erheblichen Bedenken der Ärzteschaft Salze der Acetylsalicylsäure zur Freiverkäuflichkeit zuzulassen?
Das Wort zur Beantwortung hat Herr Staatssekretär von Manger.
Frau Abgeordnete, nach den bisherigen Vorschriften können alle Salze der Acetylsalizylsäure in Pulverform auch als Heilmittel außerhalb der Apotheke abgegeben werden. Gegen die Freiverkäuflichkeit der Salze der Acetylsalizylsäure in Pulverform wurden von den befragten Sachverständigen sowie vom Bundesgesundheitsamt keine Bedenken geäußert. Es wurden allerdings Bedenken von seiten der Ärzte-und Apothekerschaft - sprich: der Berufsvertretungen - vorgebracht. Wir haben deshalb dazu zusätzlich eine gutachtliche Stellungnahme des Bundesgesundheitsamtes angefordert. Dieses hat in einem ausführlichen Votum erklärt, daß eine Erweiterung der Verkaufsmöglichkeiten bei diesem Arzneimittel, wie von anderer Seite gefordert, nicht vertreten werden kann, und hat in diesem Zusammenhang besonders darauf hingewiesen, daß die Umwelttoxizität bei einer Steigerung des Verbrauchs in bedenklicher Weise erhöht würde. Die befragten Sachverständigen erhoben ebenfalls lediglich dagegen Einwände, diese Arzneimittel in Tablettenform freizugeben, da dadurch eine wesentliche Erhöhung des Verbrauchs zu erwarten sei. Das Bundesgesundheitsamt hat empfohlen, es bei dem gegenwärtigen Rechtszustand zu belassen.
Nach unseren Verordnungsentwürfen sollen nur die gebräuchlichen Salze der Acetylsalizylsäure, die Aluminium-, Calzium- und Magnesiumsalze, ohne Zusatz arzneilich nicht wirksamer Stoffe oder Zubereitungen aus Stoffen freigegeben bleiben. Damit, Frau Abgeordnete, bleibt die bisherige Regelung im wesentlichen erhalten.
Zusatzfrage, Frau Kollegin Dr. Heuser.
Herr Staatssekretär, sind Sie nicht mit mir der Meinung, daß der derzeitige Status dieser Angelegenheit, da man weiß, daß Abkömmlinge der Acetylsalizylsäure durchaus
teratogene Wirkungen haben können, im Gegenteil eher zurückgenommen werden sollte.
Frau Abgeordnete, Sie beziehen sich hier wohl auf Arbeiten, die bekanntgeworden sind und die insbesondere auf fruchtschädigende Wirkungen der Acetylsalizylsäure hinzielen. Wir kennen diese Arbeiten. Darin ist festgestellt worden, daß bei extrem hohen Dosierungen, die für therapeutische Maßnahmen nicht in Frage kommen, bei trächtigen Mäusen und Ratten eine fruchtschädigende Wirkung, die bis zum Fruchttod führte, eintreten kann.
Eine solche Dosierung aber würde bedeuten, daß eine Frau von durchschnittlichem Körpergewicht, nehmen wir an, 60 kg, 122 AcetylsalizylsäureTabletten pro Tag einnehmen müßte. Derartig extrem hohe Überdosierungen können doch wohl nicht als Maßstab für die therapeutische Verwendung von Arzneimitteln im normalen Dosierungsbereich angesehen werden. Wenn wir das abwägen, sollten wir davon ausgehen, daß auch in den ländlichen Bezirken ein Interesse daran besteht, ein einfaches Kopfschmerzpulver für das Publikum leicht zugänglich parat zu halten. Das ist von den Pharmakologen und Toxikologen sehr wohl abgewogen worden, und sie haben sich, auch in Kenntnis möglicher Nebenwirkungen, dafür ausgesprochen.
Wir kommen zur Frage 20 der Abgeordneten Frau Dr. Heuser:
Lag es wirklich in der Absicht der Bundesregierung, jod- und bromhaltige Injektionspräparate zum Zwecke der Diagnostik zur Freiverkäuflichkeit zuzulassen?
Das Wort zur Beantwortung hat Herr Staatssekretär von Manger-Koenig.
Brom-und jodhaltige Arzneimittel, die dazu bestimmt sind, die Beschaffenheit, den Zustand oder die Funktionen des Körpers oder seelische Zustände erkennen zu lassen - Diagnostika -, sind keine Heilmittel. Deshalb sind sie bisher nach den Vorschriften der Arzneimittelverordnung von 1901 nicht apothekenpflichtig. Durch diese Regelung haben Krankenanstalten ohne eigene Apotheken bisher schon die Möglichkeit, derartige Diagnostika direkt vom Hersteller oder im Fachhandel für Laboratoriumsbedarf zu beziehen. Durch den Verordnungsentwurf soll diese Regelung aufrechterhalten bleiben.
Da diese Mittel ausschließlich zur Vorbereitung für die Röntgendarstellung innerer Organe dienen, werden sie von Einzelpersonen nicht ohne ärztliche Verschreibung beschafft. Bedenken gegen die Aufrechterhaltung der bisherigen Regelung - nur darum geht es - bestanden deshalb nicht.
Zusatzfrage, Frau Kollegin Dr. Heuser.
Herr Staatssekretär, sind Sie nicht mit mir der Meinung, daß der Hinweis darauf, bisher sei es immer so gewesen, allein nicht ausreicht angesichts der Tatsache, daß Präparate, die in die Blutbahn injiziert werden, als freiverkäuflich deklariert werden?
Einer Anwendung steht schon diese Darreichungsform, Frau Abgeordnete, entgegen. Es ist in der Praxis nicht zu erwarten, daß derartige diagnostische Mittel von Einzelpersonen ohne ärztliche Indikation beschafft werden, so daß uns eine Freigabe durch die Verordnung unbedenklich erscheint.
Da die Abgabe dieser Diagnostika außerhalb der Apotheken auch nach Inkrafttreten der Verordnungen gewährleistet bleiben muß, haben wir sie darin geregelt. Ob es gelingen würde - ich nehme an, darauf zielt auch Ihre Frage ab -, durch eine entsprechende Novellierung des Arzneimittelgesetzes, wie sie zur Zeit im Ausschuß für Gesundheitswesen diskutiert wird, diese Frage so zu regeln, daß auch die Abgabe der Diagnostika direkt an die Krankenhäuser geregelt wäre, vermag ich im Augenblick nicht zu übersehen. Vielleicht können wir aber dabei auf Ihre Mitwirkung rechnen.
Eine weitere Zusatzfrage, Frau Kollegin.
Herr Staatssekretär, sind Sie nicht mit mir der Meinung, daß § 34 des Arzneimittelgesetzes - Sie haben auf die Novel- lierung, die dem Parlament vorliegt, selbst hingewiesen - viel eher für eine solche Freigabe von seiten des Hauses geeignet wäre, statt die Freigabe, die eigentlich gegen den Willen des Gesetzgebers gerichtet ist, auf dem Weg über eine Verordnung zu verfügen?
Ich bin mit Ihnen der Auffassung, daß § 34 der systematisch richtigere Ort wäre. Ich kann nur wünschen, daß es uns bei der derzeitigen Diskussion gelingt, diesen Passus noch mit einzubringen. Das ist .auch eine Empfehlung, die der Bundesrat heute morgen im Gesundheitsausschuß gegeben hat. Vielleicht können wir in der Diskussion am nächsten Mittwoch eine Lösung finden:
Wir kommen dann zur Frage 21 der Frau Kollegin Dr. Heuser:
Was ist anstelle des im Entwurf gestrichenen Wirkungskatalogs
in die von der Bundesregierung beschlossenen Verordnungen nach §§ 30, 32 des Arzneimittelgesetzes aufgenommen worden?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Der Katalog von Stoffen mit bestimmten pharmakologisch und therapeutisch wesentlichen Wirkungen im Entwurf der Verordnung nach § 32, Frau Abgeordnete, ist bei der Rechtsförmlichkeitsprüfung aus verfassungsrechtlichen Gründen gestrichen worden.
Die Verstöße gegen diese Verordnung sind Vergehen. Das bedeutet, daß die Vorschriften so bestimmt und präzise gefaßt sein müssen, daß der Rechtsunterworfene zu erkennen vermag, in welchen Fällen ,er dagegen verstößt. An dieser Bestimmtheit hat es dem Wirkungskatalog gefehlt.
Wenn sich im Laufe der künftigen Praktizierung dieser Verordnung herausstellt, daß einzelne Stoffe oder Zubereitungen, die durch diese nunmehr gestrichene Bestimmung erfaßt worden wären, im einzelnen gesundheitliche Bedenken hervorrufen, dann werden diese als Stoffe oder Zubereitungen in der Verbotsliste aufgeführt werden.
Eine Zusatzfrage, Frau Kollegin Dr. Heuser.
Herr Staatssekretär, Sie sind doch sicher mit mir der Meinung, daß Ihr Haus bei der Erstellung der Verordnung - in dem Entwurf war dieser Katalog ja noch enthalten - sehr wohl sachliche gesundheitspolitische Gründe gehabt hat, auf Grund deren der Katalog zum Schutze der Gesundheit des Verbrauchers vorgesehen wurde; ist es dann nicht verwunderlich, daß Ihr Haus dem rechtsförmlichen Einspruch des Justizministers nun so ohne weiteres nachgibt, ohne einen sachlichen Ersatz für den Katalog in die Verordnung aufzunehmen?
Frau Abgeordnete, zusammen mit dem Gesundheitsausschuß des Bundesrates diskutieren wir zur Stunde, ob diese verfassungsrechtlich bedenkliche Formulierung von der sogenannten erheblichen Wirkung nicht abgelöst werden kann und ob wir nicht die ganze Gruppe entfallen lassen.
Wir kommen zur Frage 22 des Herrn Kollegen Petersen. Er ist nicht im Saale. Dann werden die Fragen 22, 23 und 24 des Kollegen Petersen schriftlich beantwortet.
Ich rufe die Frage 25 des Kollegen Schmitt-Vokkenhausen auf:
Entsprechen die Vorschriften über Herstellung und Verkauf von Speiseeis den hygienischen und bakteriologischen Anforderungen?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Die als Bundesrecht bestehenden Vorschriften der Verordnung über Speiseeis regeln in erster Linie die Zusammensetzung von Speiseeis und dienen insoweit dem Schutz des Verbrauchers vor Täuschung und Irreführung. In diesem Zusammenhang werden zwar auch bestimmte Anforderungen an Rohstoffe gestellt, beispielsweise daß das verwendete Wasser Trinkwasser-Qualität haben muß und daß die verwendete Milch oder Sahne pasteurisiert, sterilisiert oder abgekocht sein muß. Dagegen sind die speziellen Anforderungen an die hygienische Behandlung
und die bakteriologische Beschaffenheit des Speiseeises, insbesondere die höchstzulässigen Keimzahlen, in landesrechtlichen Vorschriften verankert. Davon abgesehen unterliegen Personen, die sich mit der gewerbsmäßigen Herstellung oder Behandlung von Speiseeis oder mit dem Inverkehrbringen von Speiseeis in loser Form befassen, nach den Vorschriften des Bundes-Seuchengesetzes der ärztlich-bakteriologischen Überwachung und dürfen im Krankheitsfall oder bei Verdacht auf Krankheit eine solche Tätigkeit nicht ausüben. Der Schutz des Verbrauchers erscheint durch dieses Zusammenwirken von bundes- und landesrechtlichen Vorschriften ausreichend gewährleistet.
Gewisse Unterschiedlichkeiten, die sich aus der landesrechtlichen Regelung ergeben, sollen durch den Erlaß einer bundesrechtlichen Vorschrift beseitigt werden. Mit dem Zustandekommen dieser Vorschrift ist zu rechnen, Herr Abgeordneter, sobald die vor etwa einem Jahr in der EWG aufgenommenen Erörterungen über eine Richtlinie für Speiseeis zum Abschluß gekommen sind.
Zusatzfrage, Herr Kollege Schmitt-Vockenhausen.
Herr Staatssekretär, Sie sehen also die auf einem Kongreß geäußerte Kritik an den geltenden Bestimmungen nicht als wesentlich an?
Ich teile die Kritik in der extremen Form nicht.
Eine weitere Zusatzfrage.
Kann ich daraus, daß Sie sie nicht in der extremen Form teilen, Herr Staatssekretär, entnehmen, daß Sie doch eine gewisse Verbesserung für notwendig halten?
Wir sehen die Notwendigkeit einer Verbesserung insbesondere hinsichtlich der Schaffung bundeseinheitlicher Richtlinien.
Wir kommen dann zur Frage 26 des Herrn Abgeordneten Schmitt-Vockenhausen:
Welche Folgerungen lassen sich aus der Typhus-Epidemie in Linz ({0}) für eine Verbesserung unserer Vorschriften ziehen?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Nach uns vorliegenden Unterlagen, Herr Abgeordneter, ist die von Ihnen erwähnte Epidemie in Linz ({0}) auf eine grobe Mißachtung der österreichischen Mißachtung der österreichischen Rechtsvor13464
schriften, insbesondere auf die Verwendung hygienisch bedenklichen Wassers, zurückzuführen. Als
Erreger wurden Paratyphus B-Bakterien festgestellt.
Die aus diesem Vorfall zu ziehenden Folgerungen stellen sich demnach nicht als Notwendigkeit einer Änderung der bestehenden Rechtsvorschriften, sondern vielmehr als Erfordernis einer strikteren Beachtung und Überwachung der bestehenden Vorschriften dar.
Wir kommen dann zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern. Ich rufe zunächst die Frage 27 des Abgeordneten Dr. Miessner auf:
Ist die Bundesregierung bereit, denjenigen pensionierten Beamten, die aus dem Eingangsamt ({0}) in den Ruhestand versetzt worden sind und deren Versorgung im Zuge der Anhebung der Ruhegehälter nunmehr aus dem ersten Beförderungsamt ({1}) erfolgt, auch die Berechtigung zuzuerkennen, die entsprechende Amtsbezeichnung zu führen?
Das Wort zur Beantwortung hat Herr Staatssekretär Köppler.
Köppler, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Herr Kollege, die Verleihung einer höheren Amtsbezeichnung an Ruhestandsbeamte ist nach geltendem Recht nicht zulässig.
Die Verleihung einer Amtsbezeichnung ist begrifflich nur mit der Verleihung eines Amtes möglich. Mit dem Eintritt oder der Versetzung in den Ruhestand endet jedoch das aktive Beamtenverhältnis und damit die Möglichkeit, einem Beamten ein anderes Amt zu verleihen. Der Beamte kann lediglich die ihm zuletzt in seiner aktiven Amtszeit verliehene Amtsbezeichnung mit dem Zusatz „a. D." - d. h. außer Dienst - führen. Die Zuerkennung einer Amtsbezeichnung aus einem höheren Amt kann nur im Wege der Beförderung erfolgen; auch eine solche ist im Ruhestand begrifflich ausgeschlossen.
Ich möchte aber hinzufügen: Die Bundesregierung sieht auch keinen Anlaß, in einer Zeit, in der das Prinzip der Führung von Amtsbezeichnungen von verschiedenen Seiten generell in Frage gestellt wird, durch eine Gesetzesinitiative das Recht der Amtsbezeichnung in dem von Ihnen angeregten Sinn noch weiter auszubauen.
({2})
Zusatzfrage, Herr Kollege Miessner.
Herr Staatssekretär, wenn auch zuzugeben ist, daß vom System her - wie Sie es ja eben ausgeführt haben - gewisse Bedenken bestehen, so möchte ich doch fragen, ob Sie meine Aufassung teilen, daß ja auch bereits die Gewährung einer Versorgung nach einem höheren Amt als es der betreffende Pensionär im Augenblick seiner Pensionierung innehatte, gegenüber dem früheren Besoldungssystem ohne Frage etwa ganz Neues ist, was sich erst in den letzten Jahren durchgesetzt hat. Ich möchte daran die Frage knüpfen, ob Sie sich
nicht folgendem Gedankengang anschließen könnten: Wenn nun schon der Gesetzgeber in den letzten Jahren eine Systemwidrigkeit hinsichtlich der Versorgungshöhe beschlossen hat, dann wäre es doch eigentlich durchaus logisch, auch die weitere Systemwidrigkeit hinsichtlich der Amtsbezeichnung anzufügen.
Köppler, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Herr Kollege Miessner, ich vermag dieser Logik nicht zu folgen. Ich gebe Ihnen zu: Es liegen Verhältnisse vor, die durch die in diesem Hohen Hause geschaffenen Gesetze eingeführt worden sind, die mit früheren Verhältnissen in diesem Bereich nicht zu vergleichen sind. Ich bin aber nicht der Meinung, daß, wenn schon unsere Ruhegehaltsregelung eine gewisse Systemwidrigkeit aufweist - Sie sprachen davon -, daraus die Notwendigkeit einer weiteren Systemwidrigkeit in einem ganz anderen Bereich, nämlich dem der Amtsbezeichnung, zwingend gefolgert werden muß.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Kollege Miessner.
Sind Sie aber bereit, mir hier vor aller Öffentlichkeit zu bestätigen, daß dieser Wunsch der Betroffenen jedenfalls keinerlei finanzielle Auswirkung für den Staat hätte?
Köppler, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Selbstverständlich; ich bin gern zu dieser Bestätigung bereit. Ich will auch nicht in Abrede stellen, daß ich Verständnis für diesen Wunsch der vielen davon betroffenen Beamten aufbringe.
Eine Zusatzfrage, Herr Kollege Brück.
Herr Staatssekretär, darf ich in diesem Zusammenhang die Frage an Sie richten, ob Sie bereit sind, durch Ihre Herren auch diese Frage noch einmal mit den zuständigen Ländervertretern abzustimmen und dann dem Fachausschuß zu gegebener Zeit hierüber zu berichten?
Köppler, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Herr Kollege Brück, ich bin selbstverständlich gern bereit, dem zuständigen Ausschuß darüber zu berichten.
Ich rufe dann die Frage 28 der Abgeordneten Frau Renger auf:
Wird die Bundesregierung in den Tarifverhandlungen mit den Gewerkschaften ÖTV und DAG am 19. Juni 1969 den Standpunkt einnehmen, daß die Angestellten im Schreibdienst am Bewährungsaufstieg in die Vergütungsgruppe VI b teilnehmen sollen bzw. nach echten Leistungsmerkmalen in die Vergütungsgruppe VI b einzugruppieren sind?
Bitte sehr, Herr Staatssekretär.
Köppler, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Gestatten Sie, verehrte
Parlamentarischer Staatssekretär Köppler
Frau Kollegin, daß ich Ihre beiden Fragen zusammenfasse, wenn der Herr Präsident zustimmt.
Bitte schön. Ich rufe also auch die Frage 29 auf:
Vertritt die Bundesregierung mit mir die Auffassung, daß die bloße Gewährung einer Bewährungszulage und eines vorgezogenen Steigerungsbetrages nicht der berechtigten Forderung nach dem Bewährungs- bzw. Leistungsaufstieg in die Vergtitungsgruppe VI b entspricht?
Köppler, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Sie haben zutreffend darauf hingewiesen, daß am heutigen Tage die Tarifverhandlungen über die Eingruppierung der Angestellten im Schreibdienst stattfinden. Diese Verhandlungen führt der Bundesminister des Innern auf Arbeitgeberseite nicht allein, sondern gemeinsam mit den Vertretern der Tarifgemeinschaft deutscher Länder. Schon aus diesem Grunde, verehrte Frau Kollegin, bitte ich um Ihr Verständnis, daß ich heute keine Auskünfte darüber erteilen kann, welche Haltung der Bund bei den Verhandlungen einnehmen wird.
Im übrigen würde die Beantwortung Ihrer Frage die zur Stunde laufenden Verhandlungen praktisch vorwegnehmen.
Mit Recht müßten auch die verantwortlichen Vertreter der Gewerkschaften eine solche Verfahrensweise als eine erhebliche Beeinträchtigung ihrer Interessen ansehen. Aus einer Pressemitteilung, in der Ihre Fragen angekündigt worden sind, ist mir zwar bekannt, daß ein örtlicher Gewerkschaftsvertreter offensichtlich eine andere Auffassung vertritt. Ich bin jedoch der festen Überzeugung, daß sich diese Auffassung nicht mit derjenigen der verantwortlichen Vertreter der betreffenden Gewerkschaft deckt. Es wird hier eine Frage berührt, die auch in die Tarifautonomie hineinreicht.
Unabhängig davon, Frau Kollegin Renger, habe ich Grund zu der Hoffnung, daß die heutigen Verhandlungen zu einem befriedigenden Einvernehmen führen werden. Ich bin gern bereit, Ihnen nach Abschluß der Verhandlungen die aufgeworfenen Fragen zu beantworten und auch in grundsätzlicher Hinsicht mit Ihnen zu erörtern.
Zu einer Zusatzfrage Frau Abgeordnete Renger.
Herr Staatssekretär, Sie wissen doch wohl, daß der Innenausschuß gebeten worden ist, in dieser Frage eine Stellungnahme abzugeben. Hier ist also schon von anderer Seite auf die Sache eingegangen worden.
Von seiten Ihres Hauses wird wohl sicherlich kein Ergebnis zustande kommen, nach dem etwa eine Diskrimnierung der im Schreibdienst beschäftigten Angestellten bestehenbliebe, was besonders die Frauen beträfe?
Köppler, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Selbstverständlich wird das Bundesministerium des Innern, wie wahrscheinlich alle an Tarifverhandlungen Beteiligten, niemals einem Ergebnis zustimmen, das eine Diskriminierung von Betroffenen enthält.
Zu einer weiteren Zusatzfrage Frau Abgeordnete Renger.
Herr Staatssekretär, Sie werden die Verhandlungen doch sicherlich unter dem Gesichtspunkt führen, daß Schreibkräfte für Bundesministerien nur zu haben sind, wenn man die gleichen Bedingungen gewährt, wie sie z. B. in der freien Wirtschaft bestehen?
Köppler, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Frau Kollegin, ich bin davon überzeugt, daß die Herren meines Hauses, die zur Zeit die Verhandlungen führen, auch diesen Gesichtspunkt berücksichtigen.
Zu einer Zusatzfrage der Abgeordnete Westphal.
Herr Staatssekretär, wenn ich einmal absehe von den Tarifverhandlungen, die zur Zeit stattfinden - das konnten wir ja nicht wissen, als die Fragen gestellt wurden und wir uns Zusatzfragen überlegt haben -, möchte ich doch folgende Frage stellen: Wie rechtfertigte Ihr Haus bei den früheren Diskussionen und Verhandlungen die Position, die darin bestand, daß ausgerechnet dieser einen speziellen Gruppe des Schreibdienstes der Bewährungsaufstieg aus der Gruppe VII in die Gruppe VI b nicht gewährt wurde, während alle anderen vergleichbaren Angestelltengruppen nach einem Tarifvertrag aus dem Jahre 1966 diese Möglichkeit des Bewährungsaufstiegs bekommen haben?
Köppler, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Herr Kollege Westphal, ich kann Ihre Voraussetzung leider nicht unterschreiben, daß man in dieser Frage jetzt von den derzeit laufenden Verhandlungen absehen könne. Ich muß es leider ablehnen, materielle Äußerungen zu Fragen zu machen, die im gegenwärtigen Augenblick Gegenstand von Tarifverhandlungen sind.
({0})
Zu einer weiteren Zusatzfrage der Abgeordnete Westphal.
Trotzdem möchte ich gern noch folgende Frage stellen: Trifft es zu, daß eine Zulageregelung im Gegensatz zu einer Regelung, die einen Bewährungsaufstieg ermöglichen würde, nur ohne Rechtsanspruch gewährt werden würde? Damit würde praktisch die Folge eintreten, daß die betroffenen Angestellten im Schreibdienst auch nach zwölf Jahren noch nicht auf eine Höhergruppierung rechnen könnten, wie das in anderen Bereichen, z. B. im Bürohilfsdienst für Kräfte der Registratur, auf Grund des Bewährungsaufstiegs der Fall ist.
Köppler, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Herr Kollege Westphal, es tut mir außerordentlich leid, daß ich mich hier als so renitent zeigen muß, aber die Beantwortung Ihrer Frage würde eine Vorwegnahme des Ergebnisses der Tarifverhandlungen bedeuten.
Eine Zusatzfrage, Frau Kollegin Enseling.
Herr Staatssekretär, sind Sie mit mir der Meinung, daß dieses hier aufgeworfene Problem kein Problem dieses Hauses und auch kein Problem des Innenausschusses ist, sondern ein Problem, das wirklich nur die Tarifverhandlungen angeht?
Köppler, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Ich würde differenzieren, Frau Kollegin. Solange Verhandlungen über diesen Gegenstand laufen, muß selbstverständlich die Verhandlungsführung auf seiten des Bundes handlungsfähig bleiben. Aber es bleibt diesem Hohen Hause unbenommen, seine Meinung zu äußern und seine parlamentarischen Möglichkeiten, auf die Meinungsbildung der Regierung einzuwirken, wahrzunehmen, aber nicht während oder unmittelbar vor Aufnahme von Tarifverhandlungen über einen solchen Gegenstand.
Eine weitere Frage der Frau Kollegin Enseling.
Ich verstehe Sie also richtig, Herr Staatssekretär, daß zum augenblicklichen Zeitpunkt eine solche Aussprache für die Verhandlungen nur störend sein könnte?
Köppler, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Genau das.
Herr Brück, bitte!
Herr Staatssekretär, darf ich noch einmal ganz konkret fragen, ob nicht erstens am heutigen Tag, am 19. Juni, Tarifverhandlungen laufen und ob nicht zweitens auch Sie wissen, daß uns - auch dieser berühmten Kommission des Innenausschusses - mitgeteilt worden ist, daß gerade heute die Tarifverhandlungen laufen.
Köppler, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: In der Tat. Es ist seit längerer Zeit in der interessierten Öffentlichkeit bekannt, daß diese Tarifverhandlungen für heute anberaumt sind.
Wir kommen zur Beantwortung der Fragen 30 und 31 des Herrn Abgeordneten Dr. Arndt, die von Herrn Kollegen Sieglerschmidt übernommen worden sind:
Ist die Bundesregierung der Meinung, daß das Verhalten der ausländischen - insbesondere arabischen - Studenten, die sich an den Ausschreitungen gegen den Botschafter Israels in der
Bundesrepublik Deutschland beteiligt haben, mit dem ihnen in Deutschland gewährten Gastrecht vereinbar ist?
Ist die Bundesregierung bereit, der Hessischen Landesregierung und dem Senat der Freien und Hansestadt Hamburg die sotortige Ausweisung aller ausländischen Studenten aus der Bundesrepublik Deutschland zu empfehlen, die sich aktiv und unter Verletzung des ihnen zum Studium gewährten Gastrechts an den Ausschreitungen gegen den Botschafter Israels beteiligt haben?
Köppler, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Herr Kollege, die erste Frage beantworte ich im Einvernehmen mit dem Auswärtigen Amt. In tatsächlicher Hinsicht möchte ich zur Klarstellung darauf hinweisen, daß an den Ausschreitungen bei den Vortragsveranstaltungen mit dem Herrn israelischen Botschafter in Frankfurt und Hamburg nicht ausschließlich Ausländer, sondern nach den vorliegenden Informationen in sehr erheblichem Umfange auch deutsche Staatsangehörige beteiligt waren, was freilich das Bild nicht ,aufbessert.
Was das Verhalten der fremden Staatsangehörigen betrifft, auf die Ihre Frage sich bezieht, so ist dieses nach Auffassung der Bundesregierung mit den Gastpflichten, die Ausländer in unserem Lande zu beachten haben, in keiner Weise vereinbar. Jedenfalls ein Teil von ihnen dürfte sich dabei auch der Nötigung im Sinne des § 240 des Strafgesetzbuches und der strafbaren Störung einer Versammlung im Sinne des § 21 des Versammlungsgesetzes schuldig gemacht haben.
Zur zweiten Frage darf ich folgendes erklären. Nach Auffassung der Bundesregierung werden die zuständigen Behörden der Länder die rechtlich vorgesehenen und sachlich gebotenen ausländerrechtlichen Maßnahmen gegen die bei den Ausschreitungen in Erscheinung getretenen Ausländer sicherlich ergreifen, ohne daß es dazu noch einer ausdrücklichen Empfehlung der Bundesregierung bedürfte. Die Innenminister der Länder haben bei einer ihrer letzten Konferenzen im Mai dieses Jahres die Probleme, die sich durch Gewaltaktionen unter erheblicher Beteiligung von Ausländern ergeben, erörtert und haben in einem Beschluß bekräftigt, daß auch Ausländern das Recht auf politische Betätigung grundsätzlich gewährleistet ist, gewalttätige Aktionen aber nicht geduldet werden.
({0})
Ich habe bereits erwähnt, daß bei den Tumulten in den Universitäten Frankfurt und Hamburg nicht ausschließlich Ausländer, sondern im großem Umfange auch Deutsche beteiligt waren. Gegen diese kann naturgemäß nicht mit ausländerrechtlichen Maßnahmen, sondern nur mit den Mitteln des Strafund Ordnungsrechts vorgegangen werden.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter.
Herr Staatssekretär, würden Sie mit mir darin übereinstimmen, daß es nach Erfahrungen mit Behörden 'immerhin ganz nützlich sein kann, wenn man bei den betroffenen Ländern einmal nachfragt, welche Maßnahmen sie ergriffen haben?
Köppler, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Über die Nützlichkeit einer solchen Nachfrage hinsichtlich des Verhältnisses zwischen Bund und Ländern will ,ich jetzt nicht diskutieren, Herr Kollege. Aber das gemeinsame Interesse an einer Klärung der die Öffentlichkeit in der Tat zu Recht interessierenden Vorgänge wird hier schon zu einer geeigneten Lösung führen.
Meine Damen und Herren! Ich rufe die Frage 32 des Abgeordneten Strohmayr auf:
Hat die Aufforderung auf dem Abgeordneten-Ausweis „Alle Dienststellen werden gebeten, den Inhaber dieses Ausweises bei der Ausübung seines Amtes zu unterstützen und ihm jede mögliche Hilfe zu gewähren" uneingeschränkt Gültigkeit, oder sind Dienststellen, insbesondere solche des Freistaates Bayern, von der Auflage befreit?
Die Frage wird mit seinem Einverständnis schriftlich beantwortet. Die Antwort des Parlamentarischen
Staatssekretärs Köppler vom 19. Juni 1969 lautet:
Die in den Ausweisen der Mitglieder des Deutschen Bundestages enthaltene Bitte, den Inhaber des Ausweises bei der Ausübung seines Amtes zu unterstützen und ihm jede mögliche Hilfe zu gewähren, richtet sich an alle Behörden des Bundes und der Länder, selbstverständlich auch an die Dienststellen des Landes Bayern.
Die Frage 33 des Abgeordneten Dichgans wird vom Bundesminister für Wirtschaft beantwortet. Dieser Komplex ist also ,erledigt. Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.
Ich komme damit zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft, zuerst zur Frage 34 des Abgeordneten Kühn ({0}):
Ist es der Bundesregierung bekannt, daß nach § 4 Abs. 1 der Richtlinien für die bevorzugte Berücksichtigung von Personen und Unternehmen aus dem Zonenrandgebiet und aus Berlin ({1}) bei Vergabe öffentlicher Aufträge das Eintreten eines Bewerbers aus dem Zonenrandgebiet oder Berlin ({2}) nur dann möglich ist, wenn die Zerlegung in Lose vor Ausschreibung erfolgte?
Zur Beantwortung ist der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Arndt anwesend.
Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Herr Präsident, mit Zustimmung des Herrn Abgeordneten würde ich gern die drei Fragen zusammen beantworten.
Bitte sehr. - Sie werden vom Abgeordneten Lampersbach übernommen. Dann rufe ich auch noch die Fragen 35 und 36 auf.
Teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß auf diese Art und Weise die Umgehung der Berücksichtigungsvorschriften zum Nachteil der Betriebe aus dem Zonenrandgebiet und Berlin ({0}) jederzeit möglich ist?
Beabsichtigt die Bundesregierung, gegebenenfalls kurzfristige Änderungen dieser, für die Betriebe aus dem Zonenrandgebiet und Berlin ({1}) nachteiligen Vorschriften vorzunehmen?
Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Der Bundesregierung ist bekannt, daß die vorherige Zerlegung der Aufträge in Lose in den Richtlinien geregelt ist. Für die Aufteilung umfangreicher Leistungen gemäß § 4 der Richtlinien gelten die allgemeinen Vorschriften der Verdingungsordnung für Leistungen. Umfangreiche Leistungen sollen danach nur dann aufgeteilt werden, wenn eine solche Aufteilung zweckmäßig ist und die einzelnen Lose so bemessen sind,
daß eine unwirtschaftliche Zersplitterung vermieden wird. Ich darf gestehen, daß der Bundesregierung bisher die von Ihnen vermuteten Schwierigkeiten bei der Anwendung dieser Vorschriften nicht bekanntgeworden sind.
Erledigt. - Dann komme ich zur Frage 37 des Abgeordneten Lampersbach:
Ist es vertretbar, mittelständische Hersteller in der Bundesrepublik Deutschland dadurch in ernste Wettbewerbsschwierigkeiten zu bringen, daß ostzonale Ware zu außergewöhnlich niedrigen Preisen - es sind vom Bundesamt für gewerbliche Wirtschaft ({0}) Preisunterschiede von 32 % gebilligt worden - hereingelassen wird?
Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Herr Präsident, die Fragen 37, 38 und 39 würde ich, wenn das möglich ist, auch gern zusammen beantworten.
Bitte sehr. Ich rufe dann noch die Fragen 38 und 39 des Abgeordneten Lampersbach auf:
Ist es insonderheit vertretbar, daß das BAW der ostzonalen Ware einen beträchtlichen Preisvorsprung dadurch zubilligt, daß Preisabschläge für angebliche, von fachmännischer Seite bestrittene Qualitätsunterschiede und für das ebenfalls bestrittene sogenannte Interzonenrisiko vorgenommen werden?
Wird es nicht für richtig erachtet, das Preisprüfungsverfahren, das stark verbesserungsbedürftig ist, auszubauen und den Erfordernissen der Praxis anzupassen?
Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Das Bundesamt für gewerbliche Wirtschaft, das für die Durchführung des Preisprüfungsverfahrens federführend ist, hat bisher nur in einem Falle einen Preisunterschied von 32 % gebilligt. Diese Entscheidung wurde mit Qualitätsunterschieden und speziellen Risiken im innerdeutschen Handel begründet. In schwierigen Fällen, insbesondere dann, wenn es sich um schwer vergleichbare Waren handelt, werden neutrale Sachverständige zur Feststellung der Qualitätsunterschiede und zur Abgrenzung des erwähnten Handelsrisikos eingeschaltet. Bisher ist nur ein Fall bekanntgeworden, bei dem Hersteller das Sachverständigenurteil in Frage gestellt haben. Eine nochmalige Prüfung bestätigte aber die erste Begründung des Bundesamtes, so daß das Vorbringen des Wirtschaftsverbandes als unbegründet zurückgewiesen werden mußte.
Auf Grund der bisher gewonnenen Erfahrungen, vor allem auch auf Grund des neuen Genehmigungsverfahrens im innerdeutschen Handel, werden die Richtlinien im Benehmen mit den Ländern zur Zeit überarbeitet und neu gefaßt. Sie werden in Kürze veröffentlicht werden.
Eine Zusatzfrage bitte!
Herr Staatssekretär, welche Dienststelle hat bei der Preisfindung mitgewirkt, und wie lang war der Zeitraum der materiellen Überprüfung?
Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Soviel mir von diesem Fall bekanntgeworden ist, haben zwei Prüfungen stattgefunden. Neben dem Bundesamt für gewerbliche Wirtschaft war auch das Bundeswirtschaftsministerium direkt an der Prüfung beteiligt. Die Unterlagen stehen mir zur Verfügung. Der größte Teil der von Ihnen erwähnten Differenz von 32 % geht auf Qualitätsunterschiede, d. h. auf eine mindere Qualität des verglichenen Produktes, der Rest ist Handelsrisiko.
Eine zweite Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, sind Sie nicht auch mit mir der Auffassung, daß es sich nicht nur um diesen einzigen Fall, sondern vielfach auch um manipulierte Preise handelt, die von den Anbietern ohne Rücksicht auf Qualität und ohne Rücksicht auf tatsächliche Marktgegebenheiten gemacht werden.
Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Herr Kollege Lampersbach, wir haben die zuständigen Stellen der DDR immer wieder darauf hingewiesen, daß es nicht in ihrem Interesse und nicht im Interesse des innerdeutschen Handels ist zu „schleudern". Wir haben hier auch entsprechende Erfolge erzielt: Die Preisprüfung selbst funktioniert. Wir müssen aber in Rechnung stellen, daß wir in der Beurteilung von Qualitätsunterschieden mit den Firmen, die sich durch neue Importe geschädigt fühlen, immer wieder zu sachlichen Differenzen kommen werden.
Eine weitere Zusatzfrage, Abgeordneter Lampersbach.
Ich gebe Ihnen recht, Herr Staatssekretär, daß es sicherlich sehr, sehr schwierig ist, absolut objektiv festzustellen, wo hier die Grenzen des noch Zumutbaren erreicht oder gar überschritten werden. Aber sind Sie nicht auch mit mir der Auffassung, daß man in der Zukunft doch strengere Maßstäbe anlegen muß, weil hier auch weitgehend Steuergelder des deutschen Steuerzahlers mit in die Waagschale geworfen werden?
Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Selbstverständlich, Herr Kollege Lampersbach.
Ich rufe die Frage 40 des Abgeordneten Weigl auf:
Ist bei Beachtung der vom Bundesminister des Innern erarbeiteten Kriterien zur Raumordnung mit einer Neuabgrenzung bzw. Erweiterung des Regionalen Förderungsprogramms zu rechnen?
Die Frage wird im Einverständnis mit dem Fragesteller schriftlich beantwortet. Die Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. Arndt vom 19. Juni 1969 lautet:
Gemäß § 6 des Entwurfs eines Gesetzes über die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" soll die Neuabgrenzung der Förderungsgebiete durch einen Ausschuß aus Vertretern von Bund und Ländern vorgenommen werden. Bei dieser Neuabgrenzung werden selbstverständlich Kriterien zur Raumordnung, soweit sie bis dahin verfügbar sind, berücksichtigt werden. Zur Zeit liegen solche anerkannte Kriterien noch nicht vor.
Ich komme dann zur Frage 33 des Abgeordneten Dichgans:
ist die Bundesregierung bereit, im Einvernehmen mit den Ländern vor der Verabschiedung der einschlägigen Ländergesetze eine europäische Harmonisierung der Zugangsvoraussetzungen zu den verschiedenen Graden der Ingenieurausbildung, von den Universitätsingenieuren bis zu den Techniciens Superieurs, und der Abschlußzeugnisse dieser verschiedenen Stufen innerhalb der Europäischen Wirtschaftskommission zu betreiben?
Bitte sehr, Herr Staatssekretär!
Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Herr Kollege Dichgans, in der Praxis wird bereits so verfahren, daß die Arbeiten in Brüssel zur Harmonisierung der Ingenieurausbildung unabhängig von den Beratungen in den Parlamenten der Länder an diesen Gesetzen vorangetrieben werden. Das wird sich auch dann nicht ändern, wenn die Bundesregierung selbst ihre eigenen Vorarbeiten an Rahmenvorschriften über die Grundsätze des Hochschulwesens weitergetrieben haben wird.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dichgans.
Herr Staatssekretär, fürchten Sie nicht mit mir, daß möglicherweise das europäische Argument bei den leidenschaftlichen Auseinandersetzungen an unseren Ingenieurschulen jetzt zur Begründung von Forderungen benutzt t' wird, die der europäische Endregelung, wenn wir sie hinterher erreichen, gar nicht mehr entsprechen?
Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Das ist durchaus möglich. Sie wissen, Herr Kollege Dichgans, daß die Bundesregierung, in diesem Fall der Bundesminister für Wirtschaft, in Brüssel in engster Fühlungnahme mit den Ländern verhandelt. Wir versuchen, dieses Konzept durchzuhalten und hoffen, daß auch die Länder es durchhalten.
Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.
Ich komme zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Verteidigung. Der Parlamentarische Staatssekretär Adorno steht zur Verfügung.
Ich rufe die Fragen 50 und 51 des Herrn Abgeordneten Dr. Klepsch auf:
Hält es die Bundesregierung für mit den im Soldatengesetz niedergelegten Pflichten eines Soldaten vereinbar, wenn Major Pawelczyk in einer mit seinem Bild in Bundeswehruniform versehenen Anzeige der Tageszeitung „Die Welt" vom 2. Juni 1969 unter anderem erklärt, ihm könne nur die SPD Sicherheit und dauerhaften Frieden garantieren?
Mit welchem Ergebnis ist dieses Verhalten disziplinar gewürdigt worden?
Herr Abgeordneter Dr. Klepsch hat sich mit der schriftlichen Beantwortung dieser beiden Fragen einverstanden erklärt. Die Antwort des ParlamenVizepräsident Dr. Jaeger
tarischen Staatssekretärs Adorno vom 19. Juni 1969 lautet:
Major Pawelczyk hat zugestimmt, daß sein Bild in Uniform sowie seine persönliche politische Meinung zugunsten einer politischen Partei veröffentlicht wurde. Damit hat er objektiv gegen das Soldatengesetz und den Erlaß „Soldat und Wahl" verstoßen. Nach diesen Bestimmungen ist es unzulässig, wenn ein Soldat im Dienst oder in Uniform außerhalb des Dienstes Wahlpropaganda betreibt.
Durch die im Soldatengesetz und in den Einzelerlassen aufgezeigten Grenzen der politischen Betätigung von Soldaten soll verhindert werden, daß in der Offentlichkeit der unrichtige Eindruck entsteht, als sei die Bundeswehr einer bestimmten Partei, nicht aber dem Ganzen verpflichtet. Außerdem soll das Verbot der parteipolitischen Werbung bezwecken, daß andere Soldaten in ihrer politischen Willensbildung nicht beeinflußt werden. Die Gefahr ist natürlich besonders groß, wenn Vorgesetzte parteipolitisch werbend tätig werden.
Ohne einer abschließenden disziplinaren Würdigung vorzugreifen, ist festzustellen, daß das Verhalten des Major Pawelczyk objektiv den Tatbestand einer Dienstpflichtverletzung nach dem Soldatengesetz erfüllt ({0}).
Bisher ist keine abschließende disziplinare Würdigung erfolgt, weil die Ermittlungen über den Hergang noch nicht beendet sind.
Ich rufe die dritte Frage des Abgeordneten Dr. Klepsch, die Frage 52, auf:
Beabsichtigt der Bundesverteidigungsminister, in der größten Garnisonstadt Deutschlands, in Koblenz, zur körperlichen Ertüchtigung der Soldaten ein Hallenschwimmbad zu errichten?
Bitte sehr!
Adorno, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Herr Kollege, die Frage darf ich mit Ja beantworten.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, könnten Sie uns sagen, wo beabsichtigt ist, dieses Hallenschwimmbad zu errichten?
Adorno, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Es ist beabsichtigt, dieses Hallenschwimmbad im Bereich der Falkenstein-Kaserne zu errichten.
Eine zweite Zusatzfrage.
Darf ich Sie weiter fragen, Herr Staatssekretär, ob daran gedacht ist, den zweifellos vorhandenen Bedarf auf der rechtsrheinischen Seite abzudecken, und ob dabei auch die Zivilbevölkerung einbezogen werden könnte.
Adorno, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Der nach dem Bau der Schwimmhalle in der Falkenstein-Kaserne noch offenbleibende Bedarf für die in den rechtsrheinischen Kasernen liegenden Einheiten soll später durch eine weitere Schwimmhalle auf der rechten Rheinseite abgedeckt werden. Ich lasse gern prüfen, ob hier dann auch für die Zivilbevölkerung die Mitbenutzung ermöglicht werden kann.
Die Frage 53 ist zurückgezogen.
Ich rufe die Fragen 54 und 55 auf:
Welche Gründe sind nach Auffassung der Bundesregierung für das Ausscheiden des Historikers Prof. Hillgruber aus dem Militärgeschichtlichen Forschungsamt in Freiburg maßgeblich?
Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, damit die dort begonnene Darstellung einer Geschichte des 2. Weltkrieges zu Ende geführt werden kann?
Die Fragen werden im Einverständnis mit dem Fragesteller schriftlich beantwortet. Die Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Adorno vom 19. Juni 1969 lautet:
Prof. Dr. Hillgruber vertritt nach 10monatiger Mitarbeit im Militärgeschichtlichen Forschungsamt die Auffassung, daß er die Doppelfunktion Leitender Historiker - zugleich Abteilungsleiter für Allgemeine Wehrgeschichte im Militärgeschichtlichen Forschungsamt und Ordinarius an der Universität Freiburg - bei der derzeitigen Dienstpostenausstattung und der hierdurch für ihn gegebenen Belastung nicht wahrnehmen kann.
Sein Antrag auf Entlassung aus dem Bundesbeamtenverhältnis wurde aufgrund einer ausführlichen Besprechung mit Prof. Dr. Hillgruber am 13. 6. 1969 in Bonn bis zum Ende des Jahres zurückgestellt, um zu prüfen, in welcher veränderten Form die für die Bundeswehr wertvolle und weiterhin wünschenswerte Mitarbeit Prof. Hillgrubers sichergestellt werden kann.
Die Konzeption einer Geschichte des 2. Weltkrieges ist von Prof. Dr. Hillgruber dem Bundesministerium der Verteidigung noch nicht vorgelegt worden.
Es besteht die Absicht, in sechs Bänden, für die die Autoren und Zeiträume festgelegt sind, eine politische Geschichte des 2. Weltkrieges zu erarbeiten.
Die Bundesregierung erwartet, durch bessere Dotierung für die wissenschaftlichen Mitarbeiter im Militärgeschichtlichen Forschungsamt qualifizierte Historiker neu zu gewinnen, um den Hauptauftrag des Militärgeschichtlichen Forschungsamts, die Geschichte des 2. Weltkrieges zu schreiben, durchführen zu können.
Ich komme zur Frage 56 der Frau Abgeordneten Blohm:
Ist die Bundesregierung bereit, bundeseinheitliche Sonderregelungen für Ärzte im Straßenverkehr einzuführen, damit die Notfallpatienten schnelle ärztliche Hilfe zur Abwendung von Gefahren für Gesundheit und Leben auch bei schwierigen Verkehrsverhältnissen erhalten können?
Frau Blohm ist nicht im Saal.
({0})
- Die Frage wird übernommen. - Daß sie von einer anderen Fraktion übernommen wird, ist bisher noch nicht vorgekommen; offenbar Solidarität der Damen.
Ach, entschuldigen Sie; wir sind mit der Verteidigung fertig. Ich danke zunächst dem Staatssekretär der Verteidigung für seine Ausführungen und komme nun zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr.
Herr Staatssekretär Wittrock, bitte sehr!
Ich darf die erste Frage, Frau Abgeordnete, mit Ja beantworten. Die Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung wird demnächst um folgende Bestimmungen ergänzt:
An Kraftfahrzeugen von Ärzten darf während des Einsatzes zur Hilfeleistung in Notfällen ein gelb blinkender Dachaufsatz mit der Aufschrift „Arzt - Notfalleinsatz" angebracht sein. Über die Berechtigung zum Führen dieses Schildes entscheidet die Zulassungsstelle nach Anhörung der zuständigen Ärztekammer.
Soweit also die Bestimmung, um die die Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung demnächst ergänzt wird.
Die nächste Frage, Frage 57:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß bisherige mustergültige Regelungen in einigen Bundesländern sowie in zahlreichen Städten leider bei vielen Behörden, denen anscheinend Einsicht und guter Wille fehlt, keine Nachahmung gefunden haben?
Die von Ihnen erwähnten Regelungen, die sich mit der Zulassung von Ausnahmen vom Parkverbot befassen, beruhen auf Richtlinien, die der Bundesminister für Verkehr in Zusammenarbeit mit den zuständigen obersten Landesbehörden erlassen hat. Konkrete Fälle, die auf Nichtbeachtung dieser Richtlinien seitens der Verwaltungsbehörden beruhen, sind mir nicht bekannt.
Herr Staatssekretär, halten Sie es nicht für möglich, die .Ärzte mit besonderen Ausweisen dafür auszurüsten, daß sie bei dringenden Krankenbesuchen auch im Halte- und Parkverbot parken können?
Das ist Inhalt der Richtlinien, von denen ich soeben sprach. Ich kann nur sagen, daß sich diese Richtlinien nach meinem Eindruck bewährt haben. Ich habe beispielsweise, auch um meinerseits zu testen, wie es mit der Handhabung dieser Richtlinien steht, am 10. Mai 1968 der Bundesärztekammer und dem Verband der niedergelassenen Ärzte Deutschlands unter Hinweis auf diese Richtlinien geschrieben und sie gebeten mir mitzuteilen, in welchen Städten es Schwierigkeiten bei der Anwendung bzw. Durchführung dieser Richtlinien gegeben hat, um dann im Rahmen meiner Möglichkeiten durch vermittelnde Gespräche - andere Möglichkeiten haben wir angesichts der gegebenen Zuständigkeitsregelung nicht -, durch Fühlungnahme mit den zuständigen Landesministern zu versuchen, etwaige Schwierigkeiten auszuräumen. Ich habe aber bisher, Frau Abgeordnete, auf dieses Schreiben keine konkreten Hinweise bekommen. Das ist für mich der Anlaß gewesen, in der Antwort auf die Hauptfrage zu erklären, daß mir Fälle der Mißachtung oder Nichtbeachtung der Richtlinien nicht bekanntgeworden sind.
Eine zweite Zusatzfrage der Frau Abgeordneten Dr. Heuser.
Herr Staatssekretär, es ist nicht meine Frage, ich habe sie nur übernommen. Da ich aber annehme, daß meine Kollegin Blohm diese Fragen aus guten sachlichen Gründen gestellt hat, möchte ich Sie fragen: Darf ich davon ausgehen, daß die Bundesregierung alles in ihrer Macht Stehende tun wird, um dort, wo offensichtlich noch Schwierigkeiten bestehen - sie müssen ja nicht bei den Landesbehörden als solchen bestehen -, eine möglichst reibungslose Durchführung ihrer Verordnung zu erreichen?
Sie dürfen das annehmen, Frau Abgeordnete. Die Richtlinien bewegen sich auf der Basis des geltenden Rechts und der geltenden Rechtsgrundsätze, und unsere Partner bei der Handhabung der Richtlinien sind selbstverständlich die zuständigen obersten Landesbehörden. Falls es Mißstände gibt, liegt das sicherlich an einer unterschiedlichen Praxis im Bereich der unteren Verkehrsbehörden. Ich kann aber nur erneut versichern: Wenn uns Klagen und Beschwerden Bekanntwerden, dann sind wir bereit, im Rahmen unserer Möglichkeiten durch Gewährung vermittelnder Hilfe auf Abhilfe hinzuwirken.
Dann die dritte Frage der Abgeordneten Frau Blohm, die Frage 58:
Ist die Bundesregierung ebenfalls der Meinung, daß die Durchführung solcher wichtiger gesundheitspolitischer Maßnahmen, wie schnelle mögliche ärztliche Hilfe für Notfallpatienten, nicht vom Ermessen einzelner Behörden abhängig gemacht werden darf, sondern daß eine einheitlich geltende gesetzliche Regelung dringend notwendig ist?
Frau Abgeordnete, meine Antwort auf die erste Frage der Frau Abgeordneten Blohm zeigt, inwieweit ich der Fragestellerin zustimme. Im übrigen haben ja gerade die erwähnten Richtlinien, die sich mit der Problematik des Parkverbots befassen, für ihren Anwendungsbereich den Sinn, dem Ermessen der Verwaltungsbehörde einen gewissen Rahmen zu geben und insoweit die Ausübung des Ermessens im Rahmen des rechtlich Möglichen zu regeln.
Keine Zusatzfrafragen.
Dann komme ich zur Frage 59 des Abgeordneten Dichgans:
Wieviel DM sind seit Gründung der Bundesrepublik Deutschland insgesamt für den Bau ({0}) von Flughäfen ({1}) ausgegeben worden?
Darf ich bitten, Herr Staatssekretär.
In den ersten Jahren nach dem Übergang der Lufthoheit in deutsche Zuständigkeit - das war im Jahre 1955 - sind die Mittel für den Ausbau der zehn Verkehrsflughäfen im Bundesgebiet einschließlich Berlin größtenteils für die Behebung von Kriegsschäden verwendet worden. Gleichzeitig wurde auf den meisten Verkehrsflughäfen mit der grundlegenden Umgestaltung der Flughafenanlagen begonnen. In dieser ersten Phase bis 1957 wurden insgesamt 78 Millionen DM für Investitionen aufgewendet. Dann kam die zweite Phase. Mit steigenden Verkehrsleistungen und erhöhten Anforderungen durch die ständige Erneuerung des Fluggeräts stiegen die Investitionen für Bau und Erweiterung dieser Flughäfen in der Zeit von 1958 bis 1968 auf insgesamt 1636 Millionen DM. Die im gleichen Zeitraum für Militärflugplätze aufgewandten Bundesmittel sind hier nicht eingeschlossen. Ich habe nur von den Aufwendungen für Verkehrsflughäfen gesprochen. Die Ermittlung der entStaatssekretär Wittrock
sprechenden Kosten würde einen längeren Zeitraum in Anspruch nehmen. Außerdem würde es sich dann um eine Frage handeln, die der Herr Bundesverteidigungsminister zu beantworten hätte.
Ich rufe Frage 60 des Abgeordneten Dichgangs auf:
Welcher Teilbetrag davon diente dem Lärmschutz der Bevölkerung?
Herr Abgeordneter, für den Lärmschutz der Bevölkerung sind von den einzelnen Verkehrsflughäfen, deren Leistungen ich Ihnen in einem Schreiben im einzelnen aufgliedern werde - ich glaube, Herr Präsident, ich brauche die Leistungen hier nicht näher zu spezifizieren -, insgesamt 14 203 000 DM aufgewandt worden. Bei den Flughäfen Hannover, Bremen und Nürnberg ist noch die Anschaffung von mobilen Schallmeßwagen vorgesehen, Herr Abgeordneter. Außer den aufgewandten Beträgen für Lärmschutz fallen noch erhebliche indirekte Kosten durch Erwerb von Grundstücken und Kosten an, die sich aus betrieblichen Beschränkungen ergeben, also beispielsweise Schwellenversetzung.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dichgans.
Herr Staatssekretär, finden Sie nicht, daß dieser Aufwand, der bei weniger als 1 % der Investitionskosten liegt, doch im Vergleich zu Aufwendungen für Gesundheitsschutz, die man etwa von der Industrie erwartet - Luftreinhaltung usw. -, so gering sind, daß sich das Ministerium um eine Erhöhung der Quote bemühen sollte?
Herr Abgeordneter, ich verstehe Ihre Kritik. Ich habe dafür volles Verständnis. Ich muß nur leider darauf hinweisen, daß das, was geleistet worden ist oder - wenn man so will - nicht geleistet worden ist, sich auf der Grundlage des geltenden Rechts vollzogen hat. Die Flughafengesellschaften sind privatrechtlich organisiert. Diejenigen, die für die Geschäftsführung und die zu treffenden Maßnahmen zuständig sind, bewegen sich natürlich im Zuge ihres kaufmännischen Auftrages nur in dem Rahmen, der ihnen gesetzlich obliegt. Es ist zu erwarten, daß sich aus den - soweit ich weiß - demnächst vom Bundestag zu treffenden Gesetzentscheidungen über den Problemkreis des Lärmschutzes Konsequenzen ergeben. Es mag durchaus sein - ich kann dem Beschluß der gesetzgebenden Körperschaften nicht vorgreifen -, daß ein Schritt nach vorn in Richtung auf eine bessere Gewährleistung des Lärmschutzes getan wird, was dann natürlich auch mit Kostenfolgen für den Flughafenunternehmer, vielleicht auch in einem gewissen Maße für die öffentliche Hand, verbunden sein wird.
Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär. Wir stehen am Ende der Fragestunde.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Donnerstag, den 26. Juni 1969, 9 Uhr, ein.
Die Sitzung ist geschlossen.