Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Herr Abgeordneter, das Presse- und Informationsamt hat, angeregt insbesondere durch die Arbeiten der Günther-Kommission, in letzter Zeit dem Problem der Ausbildung und Weiterbildung des journalistischen Nachwuchses verstärkte Aufmerksamkeit gewidmet. Im Jahre 1968 sind erstmals Haushaltsmittel für eine systematische Förderung eingesetzt worden. Es sind 213 000 DM ausgegeben worden, die an zehn Institutionen auf Antrag und unter Beteiligung des Deutschen Journalistenverbandes und der Journalistenunion gezahlt worden sind. Wir haben die Absicht, im laufenden Jahre bis zu 300 000 DM für den gleichen Zweck einzusetzen, von denen bisher durch Anträge 218 000 DM bereits verbraucht oder jedenfalls vorgemerkt sind.
Präsident von Hassel: Zu einer Zusatzfrage der Abgeordnete Mertes.
Herr Staatssekretär, gibt es besondere Gesichtspunkte, nach denen die Auswahl dieser Institute, die unterstützt wurden, getroffen wurde?
Es gibt einmal die formalen: es muß die Reichshaushaltsordnung berücksichtigt werden, und es müssen diese Zuschüsse abgerechnet und Verwendungsnachweise geliefert werden. Wir sind im allgemeinen den Empfehlungen des Deutschen Journalistenverbandes bis in die Einzelheiten gefolgt.
Präsident von Hassel: Eine weitere ZusatzFrage des Abgeordneten Mertes.
Herr Staatssekretär, wären Sie so freundlich, mir eine Liste zur Verfügung zu stellen über die Institute, die Mittel bekommen haben, und eventuell zu vermerken, ob darüber hinaus auch noch Einzelunterstützungen gewährt wurden?
Herr Abgeordneter, ich habe die Liste mit; ich kann sie Ihnen gern zustellen. Es hat darüber hinaus Einzelunterstützungen gegeben, wenn Ihre Frage dahin geht, ob Zuwendungen für isolierte Veranstaltungen gewährt worden sind. Außerdem führt das Presseamt selbst etwa 12 Veranstaltungen im Jahr mit jüngeren Journalisten in Bonn durch, die bis zu einem gewissen Grade auch der Weiterbildung und Fortbildung dienen, wenn sie gleichzeitig auch den Charakter von Informationstagungen haben.
Präsident von Hassel: Keine weiteren Zusatzfragen. Ich danke Herrn Staatssekretär Diehl.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für wissenschaftliche Forschung auf. Es handelt sich hier um die Frage 3 des Abgeordneten Dr. Bechert ({0}) :
Trifft es zu, daß das Demonstrationskraftwerk Gundremmingen, für welches der Bund eine Ausfallbürgschaft in Höhe von 100 Millionen DM für den Zeitraum von 15 Jahren übernommen
hat, von welcher Summe der Bund für ausgefallene Betriebsstunden im Jahre 1967 bereits 10,8 Millionen DM gezahlt hat, im Jahr 1968 wieder fast sechs Monate lang stillgelegen hat?
Der Fragesteller hat sich mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt. Die Antwort des Staatssekretärs Dr. von Heppe vom 23. April 1969 lautet:
Das Kernkraftwerk Grundremmingen war 1968 5295 Stunden in Betrieb ({1}). Die zeitliche Verfügbarkeit der Gesamtanlage betrug 60,4 %. Im Laufe des Jahres traten mehrfach Störungen im Niederdruckteil der Turbine auf, die dazu führten, daß die Turbinenschaufeln des Niederdruckteils entfernt werden mußten. Danach ist das Kernkraftwerk seit 24. November 1968 mit einer auf 155 Megawatt beschränkten elektrischen Nettoleistung wieder in Betrieb. Die zeitliche Verfügbarkeit ist seitdem 100 %. Im übrigen darf ich wegen weiterer Einzelheiten Bezug nehmen auf meine schriftliche Antwort vom 16. Januar 1969 auf Ihre Fragen vom 8. Januar und auf meinen Brief vom 12. März 1969.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten auf, zunächst die Frage 125 des Abgeordneten Bading:
Ist der zuständige Bundesminister bereit, seine Verordnung, in der die Angabe des Abpack- oder Abfülldatums von Frischmilch geregelt ist, so abzuändern, daß der Verbraucher das tatsächliche Datum klar erkennen kann?
Zur Beantwortung Herr Staatssekretär Dr. Neef.
Von der Bundesregierung sind Vorschriften über die Angabe eines Datums auf den Verpackungen für Milch nur für Markenmilch erlassen worden. Die Bestimmungen für die übrige Trinkmilch, die den weitaus größeren Marktanteil hat, sind durch Vorschriften in den Ländern geregelt. Diese Vorschriften sind unterschiedlich.
Nach einer Diskussion mit den Ländern im Bundesrat ist im § 7 Abs. 3 der Markenmilch-Verordnung bestimmt worden, daß der Abfülltag oder der auf diesen folgende Werktag durch unverschlüsselte Angabe des Wochentages auf den Packungen anzugeben ist.
Das durch die Markenmilch-Verordnung vorgeschriebene Datum kann den Abfülltag oder den Ausgabetag bezeichnen, sofern der Ausgabetag der auf die Abfüllung folgende Werktag ist.
Am 1. Januar 1970 soll in der EWG eine einheitliche Milchmarktordnung in Kraft treten. Die Bundesregierung wird bis zu diesem Zeitpunkt keine Neuregelung ins Auge fassen.
Präsident von Hassel: Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Bading.
Herr Staatssekretär, sind Sie mit mir einig, daß der sehr wirksame Werbeslogan: „Aus deutschen Landen frisch auf den Tisch" etwas an innerer Wahrhaftigkeit verliert, wenn z. B. eine Milch, die Mittwoch abend gemolken wird, auf der Verpackung das Datum vom Freitag trägt?
Präsident von Hassel: Herr Kollege, darf ich Sie unterbrechen. Sie sollen kurze Fragen stellen und die Regierung soll kurze Antworten geben. Darf ich bitten, auf beides zu achten.
Bitte schön, Herr Staatssekretär!
Nach der Regelung kann die Differenz zwischen Mittwoch und Freitag meiner Meinung nach nicht vorkommen. Die Regelung ist im übrigen ein Kompromiß zwischen dem Wunsch, daß die Milch so frisch ist, wie es nur geht, und den Produktionsbedingungen, wie sie nun einmal im Umgang mit Milch existieren.
Präsident von Hassel: Weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Bading.
Werden Sie sich dafür einsetzen, daß das abgestempelte Datum dem tatsächlichen Abfülltag entspricht?
Soweit dies mit den Produktionsbedingungen für Milch vereinbar ist, selbstverständlich. Das wollten wir schon damals, als diese Verordnung erlassen wurde.
Präsident von Hassel: Ich rufe die Frage 126 des Abgeordneten Bading auf:
Entsprechen die Meldungen einer als seriös bekannten Zeitung über Käse- und Butterdreiecksgeschäfte mit der DDR den Tatsachen?
Die Pressemeldung, Herr Abgeordneter, sofern wir die gleiche meinen, ist unvollständig. Die Pressemitteilung berichtet nicht das Wesentliche, nämlich daß 2000 t Butter aus den Vorräten in der Bundesrepublik exportiert worden sind. Die Pressemeldung berichtet weiter nicht, daß dieser Export nur dadurch ermöglicht werden konnte, daß im Gegengeschäft eine entsprechende Menge Käse als Rohware zur Schmelzkäseherstellung aus der SBZ eingeführt wurde.
Die Butter ist bereits exportiert. Die Einzelanträge zum Bezug von Käse werden aus verschiedenen Gründen erst noch geprüft.
Der wirtschaftliche Vorteil dieses Geschäfts liegt unseres Erachtens darin, daß dies einer der zahlreichen Versuche war, Butter von den im Bundesgebiet lagernden Vorratsbeständen abzubauen.
Präsident von Hassel: Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Bading.
Besteht ein Bedarf an Schmelzkäse, der nicht im Inland gedeckt werden kann?
Ja, es besteht ein solcher Bedarf.
Präsident von Hassel: Eine weitere Zusatzfrage.
Wenn ein solcher Bedarf besteht, der von der Schweiz gedeckt werden kann, warum wird der Schmelzkäse dann nicht direkt aus der Schweiz eingeführt?
Wir würden darüber nachdenken, wenn uns ein Kaufmann ein solches Geschäft vorschlüge. Bis jetzt hat uns noch niemand so etwas vorgeschlagen.
({0})
Präsident von Hassel: Verzeihung, Sie haben zwei Zusatzfragen.
({1})
- Sie haben zwei Zusatzfragen bereits zu Frage 126 gestellt. Sie haben nachher bei der nächsten Frage wieder zwei Zusatzfragen.
Die Frage ist schon beantwortet worden.
Präsident von Hassel: Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dröscher.
Darf ich fragen, Herr Staatssekretär, ob der Export zugunsten des deutschen Lagerbestandes oder insgesamt zugunsten des EWG-Lagerbestandes gegangen ist.
Bei der geltenden Regelung ist das nicht zu unterscheiden, Herr Abgeordneter.
Darf ich die Antwort, die ich vorhin gegeben habe, Herr Präsident, da ich zu wissen glaube, was der Herr Abgeordnete Bading noch fragen möchte, ergänzen. Der Export von Butter in die Schweiz wurde in dem Vorschlag, den man uns gemacht hat, von der Einfuhr von Käse aus der SBZ abhängig gemacht. Das Zentrum dieses Geschäfts war also, 2000 t Butter loszuwerden.
Präsident von Hassel: Ist beantwortet.
Ich rufe auf die Frage 127 des Herrn Abgeordneten Bading:
Bei Bejahung der Frage 126: welche allgemein wirtschaftlichen Vorteile sieht der zuständige Bundesminister in solchen Geschäften?
Ich glaube, ich habe diese Frage beantwortet.
Präsident von Hassel: Gut. - Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Bading.
Herr Staatssekretär, auf Grund welcher Bestimmung ist das Zerkleinern von Käse
ein Vorgang, der eine Nationalisierung der Ware zur Folge hat?
Genau das, Herr Abgeordneter, wird geprüft. Ich sagte vorhin, daß die Einzelgenehmigungen für die Einfuhr dieses Käses aus der SBZ noch nicht erteilt sind. Wir prüfen gerade, ob die Verarbeitung, die mit dem Käse in der SBZ geschieht, auch wirklich rechtfertigt, daß es auf dem Ursprungszeugnis heißt, es sei ein Produkt der SBZ. Ich wage keine Vorhersage, wie diese Prüfung ausgehen wird.
Präsident von Hassel: Sie haben noch eine weitere Zusatzfrage.
Wenn aber nun die Prüfung ergibt, daß es keine Nationalisierung ist, ist doch auch das Buttergeschäft hinfällig.
Das ist ein Risiko, das die beteiligten Kaufleute sich sicher überlegt haben.
Präsident von Hassel: Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Ertl.
Herr Staatssekretär, von wem geht die Initiative zu derlei Dreiecksgeschäften aus, von der Wirtschaft, von den entsprechenden Interventionsstellen oder vom Staat?
Ausschließlich von der Wirtschaft.
Präsident von Hassel: Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Ertl.
Wer trägt dann gegebenenfalls die Mindereinnahmen? Denn es dürfte doch mit zusätzlichen finanziellen Belastungen verbunden sein.
Nein, es ist kein finanzielles Risiko für die öffentliche Hand. Der Export von Butter hat die ganz normale Ausfuhrerstattung. Keinen Pfennig darüber hinaus!
Präsident von Hassel: Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dröscher.
Darf ich fragen, Herr Staatssekretär, zu welchen Lasten die Ausfuhrerstattung gegangen ist.
Zu Lasten des Fonds, aus dem alle Ausfuhrerstattungen bestritten werden.
Präsident von Hassel: Eine weitere Zusatzfrage.
Also zu Lasten des mit der EWG verrechneten Fonds, Herr Staatssekretär?
So ist es, Herr Abgeordneter.
Präsident von Hassel: Ich rufe die Frage 128 des Herrn Abgeordneten Geldner auf:
Was hat die Bundesregierung nach dem Verderb von 30 000 Tonnen EWG-Lagerbutter veranlaßt, um angesichts der Hungersnot in weiten Teilen der Welt und angesichts des hohen finanziellen Beitrags der Bundesrepublik Deutschland zur EWG-Agrarpolitik eine Wiederholung solcher Schäden zu vermeiden?
Sie wird übernommen von Herrn Abgeordneten Freiherr von Gemmingen.
Weder in der Bundesrepublik noch in den übrigen Ländern der Gemeinschaft Ist bisher Butter in staatlichen Lägern verdorben. Die Pressemitteilungen über den Verderb von 30 0000 t EWG-Lagerbutter sind daher unzutreffend.
Präsident von Hassel: Keine Zusatzfrage. Die Fragen 129, 130 und 131 sind zurückgezogen.
Ich rufe die Frage 132 des Herrn Abgeordneten Fritsch ({0}) auf:
Treffen Pressemeldungen zu, wonach Äußerungen des Bundesernährungsministers auf eine finanzielle Unterstützung der beabsichtigten Errichtung eines Nationalparks „Bayerischer Wald" durch den Bund schließen lassen?
Ist der Herr Abgeordnete im Saal? - Herr Staatssekretär!
Pressemeldungen, wie sie hier in der Frage genannt werden, sind uns nicht bekannt.
Zur Sache: Über eine finanzielle Unterstützung des im Bayerischen Wald geplanten Nationalparks durch den Bund gibt es keine Entscheidung. Soweit dieser Nationalpark etwa den Grundsätzen eines Naturparks entsprechen sollte, wird zur gegebenen Zeit geprüft werden, ob anteilmäßig auch dieser Naturpark, unter Umständen mit dem Namen Nationalpark, gefördert werden kann. Daß wir die Einrichtung eines Nationalparks nicht für zweckmäßig halten, hat der Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten bei einer ähnlichen Gelegenheit schon gesagt.
Präsident von Hassel: Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Fritsch.
Herr Staatssekretär, nachdem sich meine Anfrage auf eine Äußerung des Vizepräsidenten des Bayerischen Landtages bezieht, der geäußert haben soll, daß Gespräche in dieser Richtung stattgefunden haben, gestatte ich mir die Frage: Haben überhaupt schon Gespräche zwischen
dem Land Bayern und dem Bund in dieser Frage stattgefunden, nachdem einige Ausschüsse des Bayerischen Landtages sich für die Errichtung eines Nationalparkes und nicht eines Naturparkes ausgesprochen haben?
Diese Diskussion geht sehr lange. Der gegenwärtige Stand ist wohl der, daß im bayerischen Kabinett dazu im Augenblick neue Überlegungen angestellt werden.
Präsident von Hassel: Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Fritsch.
Herr Staatssekretär, würden Sie die Errichtung eines Nationalparks im Bayerischen Wald als eine die Landwirtschaft, besonders die fremdenverkehrtreibende Landwirtschaft, unterstützende Maßnahme ansehen wollen, die vor allem zur Konzeption des nunmehr von der Bundesregierung eingebrachten Gesetzes über die Verbesserung der regionalen Wirtschafts- und Agrarstruktur besondere Bezüge aufweist?
Wir meinen, das Wichtigste sei, keine neuen und zusätzlichen Kosten zu verursachen. Für 40 Naturparke in unserem Land stehen insgesamt 760 000 DM zur Verfügung. Mit den Mitteln soll man so sparsam wie nur möglich umgehen. Deshalb wiederhole ich: sofern das, was man in Bayern plant, den guten Regeln entspricht, die wir für Naturparke haben, sollte es auch gefördert werden.
({0})
Präsident von Hassel: Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe die Frage 133 des Abgeordneten Porsch auf:
Worauf führt die Bundesregierung den Rückgang der Schlachtviehpreise für Schweine in den letzten zwei Wochen zurück?
Die Preise für Schweine gehen seit je in den Wochen nach Ostern zurück.
Präsident von Hassel: Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Porsch.
Herr Staatssekretär, sind Sie mit mir nicht der Meinung, daß natürlich der Verdacht naheliegt, daß durch Einfuhren im Zuge der Liberalisierungsmaßnahmen die Preise gedrückt worden sind?
Herr Abgeordneter, ich bin nicht mit Ihnen dieser Meinung. Ich bin im Gegenteil der Auffassung, daß die
Landwirtschaft zu wenig auf die Warnungen hört, doch einmal in ihrem Angebot darauf Rücksicht zu nehmen, daß die Woche nach Ostern aus den Gründen, die wir kennen, eine besonders flaue Zeit ist.
Präsident von Hassel: Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Kempfler.
Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung, sollte sich wider Erwarten herausstellen, daß an einem starken Rückgang der Schweinepreise doch die Einfuhren schuld sind, bereit, die Einfuhren zu drosseln?
Wir haben solche Überlegungen 'immer pflichtgemäß angestellt, welche Maßnahmen wir ergreifen können, wenn Preise - in welchem Bereich auch immer - zusammenbrechen sollten. Nichts spricht dafür, daß das hier geschieht. Wir glauben im Gegenteil, daß wir in diesem Sektor in eine Zeit von festen Preisen gehen.
Präsident von Hassel: Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Weigl.
Herr Staatssekretär, kann man wegen der dauernd sinkenden und steigenden Schweinepreise von der Bundesregierung her Maßnahmen einleiten, die auf eine Stabilisierung der Schweinepreise hinauslaufen?
Wir wünschen uns mit Ihnen - wie alle Agrarpolitiker der Welt -, daß man lernen sollte, den Schweinezyklus besser zu beherrschen, als man es bis jetzt kann.
Präsident von Hassel: Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Ertl.
Herr Staatssekretär, würden Sie uns sagen können, ob und in welcher Menge nach Ostern Schweine eingeführt wurden?
Ich kann es nicht im Augenblick tun. Aber ich möchte das gerne nachholen und will Ihnen diese Zahlen zusenden.
Präsident von Hassel: Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe die Frage 134 des Abgeordneten Porsch auf:
Plant die Bundesregierung außer der strukturellen Hilfe für Gemeinden auch, Landwirten in Zonenrandgebieten zur Umstellung auf die Fremdenverkehrswirtschaft Beihilfen und zinsverbilligte Darlehen z. B. für die Einrichtung von Gästezimmern zu gewähren?
Im Rahmen des Regionalen Förderungsprogramms, für das der Wirtschaftsminister zuständig ist, wird bereits seit Jahren in ländlichen Gebieten - und damit auch in den Zonenrandgebieten - der Fremdenverkehr als Nebenerwerbsmöglichkeit für die Landwirtschaft gefördert, auch durch Zuschüsse für den Ausbau von Fremdenzimmern. Die Investitionszuschüsse betragen 15 % der Investitionskosten. Es wird jetzt geprüft, ob und wie man diese Unterstützungen noch verstärken kann.
Präsident von Hassel: Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Porsch.
Herr Staatssekretär, sind Sie nicht der Meinung, daß es gerade in den unterstrukturierten Gebieten ganz besonders wichtig ist, Unterstützungen zu geben, und zwar dem einzelnen Landwirt, wenn etwa dm Zuge der Schaffung von Nebenerwerb echte Möglichkeiten ergriffen werden sollen?
Herr Abgeordneter, ich bin voll und ganz dieser Meinung.
Präsident von Hassel: Keine Zusatzfrage. Damit ist der Bereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten beendet. Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär, und begrüße besonders die knappen und präzisen Antworten, mit denen Sie uns die Arbeit erleichtert haben.
({0})
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheitswesen auf.
Frage 64 - der Fragesteller hat sich mit der schriftlichen Beantwortung einverstanden erklärt - ist eine Frage des Abgeordneten Faller:
Welche Vorstellungen hat die Bundesregierung von der künftigen Bewältigung des Problems der Autowrackbeseitigung im Hinblick auf die Tatsache, daß die Zahl der total unbrauchbar gewordenen Autos von Jahr zu Jahr zunimmt?
Präsident von Hassel: Frage 65 des Abgeordneten Faller - der Fragesteller hat sich ebenfalls mit der schriftlichen Beantwortung einverstanden erklärt -:
Was hält die Bundesregierung von den Vorschlägen, die das Frankfurter Battelle-Institut in einem Gutachten für das Bundesgesundheitsministerium ausgearbeitet hat?
Die Antwort des Bundesministers Frau Strobel vom 22. April 1969 lautet:
Zur Vermeidung großer Autofriedhöfe in der Peripherie der Städte und Gemeinden muß aus hygienischen, ästhetischen, verkehrstechnischen und wirtschaftlichen Gründen die Voraussetzung für eine laufende Beseitigung geschaffen werden. Um einen Überblick über die tatsächlichen Verhältnisse und über mögliche Maßnahmen zu bekommen, habe ich das Battelle-Institut in Frankfurt beauftragt, ein Gutachten zur Frage der Altautowrackbeseitigung zu erstellen.
Ich werte das vorgelegte Gutachten als gute Grundlage für die von der Bundesregierung in ihrem Bereich zu erfullende Aufgabe. Es bietet Vorschläge, Maßstäbe und Unterlagen für die Praxis der Beseitigung von Autowracks, die allerdings in den Aufgabenbereich der Länder gehört.
Das vom Battelle-Institut für das Gutachten erarbeitete Computerprogramm ließ es zu, daß zugleich praktische Vorschläge für die Altautobeseitigung entwickelt wurden. Diese Vorschläge
Präsident von Hassel
werden mit der von mir für die allernächste Zeit veranlaßten Veröffentlichung des Gutachtens zur Diskussion gestellt werden. Sie stellen umfassende rationelle Lösungen dar, deren Grundgedanken mir durchaus realisierbar erscheinen.
Präsident von Hassel: Frage 66 des Abgeordneten Dr. Bechert ({1}) ist vom Fragesteller zurückgezogen, ebenso die Frage 67 des Abgeordneten Dr. Bechert.
Ich rufe Frage 68 des Abgeordneten Dr. Hammans auf:
Trifft es zu, daß in Schweden das Pflanzenschutzmittel DDT verboten worden ist, weil die zulässige Höchstmenge in Muttermilch um 70 °/o überschritten war?
Zur Beantwortung Herr Staatssekretär Dr. von Manger-Koenig.
Herr Abgeordneter, in Schweden soll die Anwendung des Pflanzenschutzmittels DDT nach einem Beschluß des schwedischen Ausschusses für die Verwendung von Giftstoffen ab 1. Januar 1970 für einen Zeitraum von zwei Jahren verboten werden. Nach unserer Unterrichtung ist das beabsichtigte Verbot nicht auf einen zu hohen DDT-Gehalt der Muttermilch, sondern in erster Linie auf eine Zunahme des Gehaltes an DDT und anderen chlorierten Kohlenwasserstoffen in Flüssen und Küstengewässern zurückzuführen. In dern schwedischen Beschluß wird ausgeführt, daß das DDT für den Menschen zwar nicht gefährlich sei, in der Natur aber durch Vergiftungen bei Fischen und Vögeln Schaden anrichte. Während der zweijährigen Versuchsperiode, in der die Anwendung von DDT untersagt ist, soll vor allem in Erfahrung gebracht werden, in welchem Umfang chlorierte Kohlenwasserstoffe durch die Atmosphäre nach Schweden gelangen.
Präsident von Hassel: Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Hammans? - Keine Zusatzfrage!
Ich rufe die Frage 69 des Herrn Abgeordneten Dr. Hammans auf:
Sind in der Bundesrepublik Deutschland entsprechende Untersuchungen angestellt worden?
Zur Beantwortung, Herr Staatssekretär.
Nach Bekanntwerden des Beschlusses des schwedischen Ausschusses habe ich das Bundesgesundheitsamt gebeten, allgemein zur Frage der Verwendung von DDT Stellung zu nehmen. Soweit uns bekannt ist, hat die Lebensmittelwirtschaft spezielle Untersuchungen von Frauenmilch aufgenommen, aber noch keine aussagekräftigen Untersuchungsergebnisse erzielt. Ich werde meinerseits das Bundesgesundheitsamt veranlassen, entsprechende Untersuchungen seinerseits vorrangig durchzuführen.
Präsident von Hassel: Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Hammans.
Herr Staatssekretär, wann werden wir nach Ihrer Meinung Ergebnisse dieser Forschungen bekommen können?
Einen Zeitraum kann ich Ihnen bei diesen diffizilen Untersuchungen noch nicht angeben. Wir sind hier auf die Untersuchungen der Lebensmittelwirtschaft angewiesen, soweit es nicht urn die von uns nunmehr eingeleiteten Untersuchungen im Bundesgesundheitsamt geht. Ich werde Ihnen aber gerne einen Termin unmittelbar mitteilen lassen.
Präsident von Hassel: Eine weitere Zusatzfrage, der Abgeordnete Dr. Rinderspacher.
Herr Staatssekretär, sind Ihnen Untersuchungen aus der Schweiz bekannt, die sich seit Jahren mit diesem Problem beschäftigen?
Das DDT ist in der Schweiz entwickelt worden. Es liegt nahe, daß gerade dort auch entsprechende toxikologische Untersuchungen angestellt worden sind. Inwieweit sich diese Schweizer Untersuchungen nun auch hier auf die schwedischen Überlegungen beziehen, vermag ich im Augenblick ohne Kenntnis der Literatur nicht zu sagen.
Präsident von Hassel: Eine weitere Zusatzfrage, der Abgeordnete Rinderspacher.
Herr Staatssekretär, sind Ihnen die Fragen bekannt, die ich in diesem Zusammenhang vor etwa zwei Jahren im Bundestag wegen der Schweizer Untersuchungen gestellt habe?
Herr Abgeordneter, ich müßte mir dann die Protokolle dazu noch einmal ansehen.
Präsident von Hassel: Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Hammans.
({0})
Die Frage 69 ist damit beantwortet. - Ich rufe die Frage 70 des Abgeordneten Dr. Hammans auf:
Ist die Bevölkerung innerhalb der EWG genügend vor schädlichen Rückständen der Chlorkohlenwasserstoffe in Lebensmitteln geschützt?
Herr Staatssekretär, bitte!
Zur Frage 70, Herr Abgeordneter: Ob die Bevölkerung aller EWG-Länder vor schädlichen Rückständen der chlorierten Kohlenwasserstoffe genügend geschützt ist, vermögen wir nicht zu beurteilen. In der Bundes12504
republik ist die Anwendung von DDT durch die Höchstmengen-Verordnung - Pflanzenschutz - vom 30. November 1966 praktisch auf wenige Lebensmittel, nämlich Kohl, Äpfel, Birnen und Weintrauben, beschränkt worden.
In oder auf diesen Lebensmitteln darf höchstens 1 Milligramm DDT pro Kilogramm ({0}) enthalten sein. Für andere pflanzliche Lebensmittel beträgt die zulässige Höchstmenge ein Zehntel dieser bereits sehr geringen Menge, was praktisch einem Anwendungsverbot gleichkommt. Auf der letzten Sitzung des FAO/WHO Codex-Komitees für Pflanzenschutzmittelrückstände im Oktober vorigen Jahres sind für die meisten Obst- und Gemüsearten Höchstgehalte von 3,5 und 7 ppm DDT, also dreieinhalb- bis siebenmal so viel wie in der Bundesrepublik empfohlen worden. Die Niederlande haben für alle pflanzlichen Lebensmittel einen Höchstgehalt von 1 ppm festgesetzt. Der Vorschlag der Kommission der Europäischen Gemeinschaften für eine erste Verordnung über die Festlegung von Höchstgehalten für Rückstände von Schädlingsbekämpfungsmitteln sieht ebenfalls eine Toleranz von 1 ppm DDT für alle Obst- und Gemüsearten vor, ohne die Anwendung auf einzelne Arten zu beschränken. Die deutsche Delegation hat sich bei den bisherigen Verhandlungen dafür eingesetzt, daß eine Einschränkung nach dem Vorbild der deutschen Höchstmengen-Verordnung vorgenommen wird.
Präsident von Hassel: Eine Zusatzfrage, Herr Dr. Hammans.
Herr Staatssekretär, ist gewährleistet, daß Lebensmittel, die in die Bundesrepublik eingeführt werden, nach deutschen Höchstmengen-Verordnungen beurteilt werden?
Eingeführte Lebensmittel sind nach der deutschen Höchstmengen-Verordnung entsprechend zu überwachen. Soweit unsere Lebensmitteluntersuchungsstellen einen höheren Wert feststellen, sind sie berechtigt, derartige Lebensmittel zu beanstanden.
Präsident von Hassel: Zu einer weiteren Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Hammans.
Herr Staatssekretär, ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie die Frage eindeutig beantworten würden. Müßten Sie die Frage nicht eindeutig verneinen? Ist es nicht so, daß es nicht gewährleistet ist, daß in die Bundesrepublik eingeführte Lebensmittel nach deutschen Höchstmengenverordnungen beurteilt werden?
Ich möchte hier nicht weiter aus dem Stegreif antworten. Ich schlage vor, daß ich Sie schriftlich informiere, nachdem ich mich bei den Ländern noch einmal über ihre Praxis unterrichtet habe.
Präsident von Hassel: Eine Zusatzfrage, Herr Dr. Dittrich.
Herr Staatssekretär, da gegenwärtig in der Europäischen Gemeinschaft die Verordnungen über diese Schädlingsbekämpfungsmittel bearbeitet werden, frage ich Sie, ob der deutsche Standpunkt in der Tat so ist, daß die deutsche Delegation eine Zulassung nur des Gehalts, der in der Bundesrepublik erlaubt ist, vertritt.
Dieser Standpunkt wird von der deutschen Delegation vertreten. Wir hoffen, daß wir uns mit dieser Absicht durchsetzen, da sonst zumindest theoretisch die Gefahr besteht, daß wir in Brüssel bei dem auf Art. 43 gestützten Verordnungsvorschlag überstimmt werden können. Wir ,sind aber, wie Sie wissen, Herr Abgeordneter, der Auffassung, daß diese dem Gesundheitsschutz dienenden Gemeinschaftsregelungen gemäß Art. 100 des EWG-Vertrages nur einstimmig verabschiedet werden können.
Präsident von Hassel: Zu einer zweiten Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Dittrich.
Herr Staatssekretär, da ich an dieser besonderen Materie arbeite, frage ich Sie in dieser Fragestunde, ob Ihnen bewußt ist, daß die anderen europäischen Staaten auf derartige Mengenquoten, wie sie in der Bundesrepublik vorhanden sind, nicht eingehen werden und auf Grund ihrer bisherigen Praxis und Rechtsprechung auch nicht eingehen können.
Ich habe soeben erwähnt, daß in den Niederlanden Höchstmengen festgesetzt sind, die etwa den unsrigen entsprechen. Wir sind uns darüber klar, daß es noch sehr eingehender Verhandlungen in den EWG-Institutionen bedarf, um den deutschen Standpunkt durchzusetzen.
Präsident von Hassel: Keine weiteren Zusatzfragen. Damit sind die Fragen aus dem Bereich des Bundesministers für das Gesundheitswesen abgehandelt. Ich danke dem Herrn Staatssekretär.
Ich rufe dann die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für das Post- und Fernmeldewesen auf, und zwar zunächst die Fragen 48, 49 und 50 des Abgeordneten Geiger:
Sind dem Bundespostministerium die katastrophalen Raumverhältnisse im Post- und Fernmeldeamt in Leonberg bekannt?
Bei Bejahung der Frage 48: was gedenkt das Bundespostministerium zu veranlassen, daß die sowohl für das Personal als auch für die Postkunden unzumutbaren Verhältnisse verbessert werden?
Kann in Bälde mit der Planung und mit dem Baubeginn eines neuen Fernmeldedienstgebäudes und eines Postdienstgebäudes auf dem seit 1964 im Besitz der Deutschen Bundespost befindlichen Grundstück in Leonberg gerechnet werden?
Der Abgeordnete Geiger hat sich mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt. Die Antwort
Präsident von Hassel
des Bundesministers Dr. Dollinger vom 21. April 1969 lautet:
Mir ist bekannt, daß die räumlichen Verhältnisse beim Postamt und bei den Fernmeldedienststellen in Leonberg für die Postkunden ebenso wie für das Personal unbefriedigend sind. Als katastrophal kann man sie jedoch wirklich nicht bezeichnen.
Zunächst soll im Jahre 1971 auf dem von Ihnen erwähnten Grundstück mit dem Bau eines Gebäudes für technische Einrichtungen des Fernmeldewesens begonnen werden. Die Planungsarbeiten dazu laufen in Kürze an. Mit der Inbetriebnahme ist für 1973 zu rechnen.
Im Rahmen einer Organisationsänderung im Fernmeldebau- dienst werden bisher dezentral untergebrachte Arbeitsgruppen in Leonberg zentralisiert. Die dafür erforderlichen Räume und Lagerflächen sollen angemietet werden. Die Mietverhandlungen stehen unmittelbar bevor.
Der Neubau eines Postdienstgebäudes mußte im Rahmen der regionalen Bauzeitplanung zugunsten dringlicherer Baumaßnahmen zurückgestellt werden. Einmal mußten Bauten vorgezogen werden, die für den weiteren Ausbau des Fernsprechnetzes dringend erforderlich waren. Zum anderen haben auch die laufenden Großbauvorhaben in Stuttgart eine höhere Dringlichkeit. Mit dem Baubeginn für das Postamt in Leonberg kann bei dieser Sachlage nicht vor 1972 gerechnet werden. Die Planungsarbeiten werden jedoch in Kürze anlaufen.
Ich rufe die Frage 51 des Abgeordneten Dr. Kempfler auf:
Bis zu welchem Zeitpunkt glaubt die Bundesregierung die nötigen technischen Einrichtungen geschaffen zu haben, um das dritte Programm des deutschen Fernsehens in der ganzen Bundesrepublik Deutschland ausstrahlen zu können?
Ist der Abgeordnete Dr. Kempfler im Saal?
({0})
- Herr Abgeordneter Dr. Dittrich übernimmt die Frage.
Bitte schön, zur Beantwortung Herr Staatssekretär Dr. Pausch.
Zur Fernsehversorgung der Bundesrepublik mit dem dritten regionalen Programm sind 90 Grundnetzsender und zur Schließung der Versorgungslücken etwa 1300 Füllsender erforderlich. Von diesen geplanten Anlagen sind bereits 68 Grundnetzsender und 110 Füllsender in Betrieb. Das bedeutet, daß 80 v. H. der Bevölkerung das dritte Programm empfangen können. Bis Ende dieses Jahres kommen weitere 17 Grundnetzsender und etwa 100 Füllsender hinzu. Damit wird die Versorgungsquote auf 90 v. H. ansteigen. Bei Ausschöpfung aller Möglichkeiten werden wir die übrigbleibenden 10 v. H. bis 1975 versorgen können.
Präsident von Hassel: Zu einer Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Dittrich.
Herr Staatssekretär, sind Sie sich bewußt, daß es im bayerischen Raum, insbesondere im niederbayerischen Raum, bezüglich der Versorgung mit dem dritten Programm bisher noch große Schwierigkeiten gibt und daß eine Versorgung praktisch nicht vorhanden ist?
Ich glaube, man kann nicht sagen, daß eine Versorgung nicht vorhanden ist. Es ist keine geschlossene Versorgung vorhanden. Uns sind diese Verhältnisse bekannt.
Präsident von Hassel: Zu einer zweiten Zusatzfrage Herr Abgeordneter Dr. Dittrich.
Herr Staatssekretär, bis wann wird die Versorgung in diesem Raum, den ich soeben angesprochen habe, durchgeführt werden können?
Ich habe sogar gewagt, Zahlen zu nennen, indem ich andeutete, daß wir hoffen, bis Ende 1975 eine volle Versorgung zu haben.
Präsident von Hassel: Zu einer weiteren Zusatzfrage Herr Abgeordneter Dröscher.
Herr Staatssekretär, ist sich die Bundesregierung dessen bewußt, daß mit dem dritten Programm, da es im wesentlichen ein Bildungsprogramm ist, gerade die Mittelgebirgslagen, die in der Füllsenderversorgung zurückgeblieben sind, vordringlich versorgt werden müssen, um die bisherige bildungspolitische Benachteiligung dieser Gebiete endlich auszugleichen?
Selbstverständlich ist uns diese Aufgabe bewußt. Aber Sie werden doch zugeben, daß es unmöglich ist, in einem oder in zwei Jahren eine Totalversorgung zu erreichen. Wenn wir Ende des Jahres eine Versorgung bis 90 °/o erreicht haben, ist das doch eine recht an- sprechende Leistung.
Präsident von Hassel: Zu einer zweiten Zusatzfrage Herr Abgeordneter Dröscher.
Herr Staatssekretär, wäre es, da seit einigen Jahren bekannt ist, daß dieses Programm kommt, nicht möglich gewesen, rechtzeitig die Vorbereitungen dafür zu treffen, daß gerade die ländlichen Räume, in denen das Bildungsprogramm besonders dringend benötigt wird, vordringlich versorgt werden?
Aus wirtschaftlichen Überlegungen ist es wohl verständlich, daß man zunächst versucht, die dichtbevölkerten Gebiete zu versorgen. Aus rein technischen Gründen kann man erst anschließend versuchen, die Lücken zu schließen. Die Lücken umfassen zum Teil nur tausend oder auch nur zehn Teilnehmer. Es ist nicht ganz leicht, das alles finanziell, planungsmäßig und auch lieferungsmäßig in weniger als in den angegebenen sechs Jahren zu schaffen.
Präsident von Hassel: Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe die Frage 52 des Abgeordneten Zebisch auf:
Was wird die Bundesregierung unternehmen, um die Postzustellgeschwindigkeit im bayerischen Zonenrand- und Grenzgebiet
Präsident von Hassel
so zu gestalten, daß eine in der Presse mit Recht kritisierte Zustelldauer zwischen Weiden und Vohenstrauß von 20 Stunden nicht zur Regel wird?
Die Frage betrifft die Zustelldauer im Verkehr zwischen Weiden und Vohenstrauß. Im Briefverkehr zwischen Weiden und Vohenstrauß wird eine Sendung dem Empfänger normalerweise von einem auf den anderen Tag zugestellt, und man braucht keineswegs zu befürchten, daß Beförderungsdauern von zwanzig Stunden zur Regel werden. Das bayerische Zonenrand- und Grenzgebiet ist trotz seiner verkehrsungünstigen Randlage voll an das Verkehrsnetz der Post einschließlich des Nachtluftpostnetzes angeschlossen. Allerdings verläßt die letzte Post Vohenstrauß um 17.45 Uhr - ab 1. Juni um 17.59 Uhr -, weil die Briefe von Vohenstrauß am nächsten Tage nicht nur in Weiden, sondern auch in München, Hamburg oder Berlin zugestellt werden sollen. Sie würden sonst in Weiden den Anschluß an die Fernverbindungen nicht mehr erreichen.
Nach dieser Schlußzeit werden von den 3500 Einwohnern in Vohenstrauß am Abend nur noch etwa 20 bis 30 Sendungen eingeliefert. Sie werden am nächsten Morgen nach Weiden weitergeleitet. Von ihnen erreichen noch alle diejenigen am gleichen Tag ihren Empfänger, die für Postfachinhaber -in Weiden bestimmt sind. Die Geschäftsleute und Betriebe in Vohenstrauß kennen die Schlußzeit für die letzte Post und haben sich darauf eingerichtet. Für die wenigen am Abend noch eingelieferten Sendungen kann aus wirtschaftlichen Gründen keine weitere Beförderungsmöglichkeit nach Weiden eingerichtet werden.
Präsident von Hassel: Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, stimmt es also, daß, wenn ein Brief 'in Vohenstrauß oder Umgebung nach 18 Uhr der Post übergeben wird, also eingeworfen wird, er beim Empfänger in Weiden, der kein Postfach hat, erst zwanzig Stunden später ankommt?
Es läßt sich nach den dargelegten Verhältnissen nicht ausschließen. Vorausgesetzt, daß der Empfänger in Weiden kein Postschließfach hat, kommt der Brief - da es nur eine Postzustellung in Weiden gibt - für die Postzustellung am nächsten Tage zu spät.
Präsident von Hassel: Eine zweite Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, sind Sie nicht mit mir der Meinung, daß diese Postpraktiken es der Industrieansiedlung und dem Fremdenverkehr in der Oberpfalz schwermachen?
Herr
Abgeordneter, ich habe Ihnen die letzte Zustellzeit genannt. Sie liegt bei 17.45 Uhr. Ich bin überzeugt, daß Industrieunternehmen ohne weiteres in der Lage sind, ihre Briefe vor diesem Zeitpunkt zur Post zu bringen, ohne daß man darin einen wirtschaftlichen Nachteil für die Industrie sehen muß.
Präsident von Hassel: Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Fritsch.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, ob es im bayerischen Zonenrand-und Grenzgebiet ähnliche Verzögerungen und ähnliches Fehlen der Postzustellmöglichkeit gibt, wie hier am Beispiel Weiden und Vohenstrauß geschildert?
Mir sind keine Fälle im einzelnen bekannt. Aber die Grundsituation ist natürlich nicht nur im Bayerischen Wald, sondern auch sonstwo die gleiche: Es gibt eine letzte Abholung, und wenn die Briefe zu diesem Zeitpunkt noch nicht im Briefkasten liegen, erreichen sie nicht mehr die letzte Post und können in die Zustellmöglichkeit am nächsten Morgen nicht mehr eingeschlossen sein.
Präsident von Hassel: Meine Damen und Herren, darf ich mir eine Bemerkung erlauben. Es ist an sich außerordentlich interessant, die Postabholzeiten in Weiden kennenzulernen. Aber ich glaube, daß die Frage und ihre Beantwortung den Geschäftsordnungsausschuß veranlassen sollte, bei der Neufassung der Richtlinien für die Fragestunde darüber nachzudenken, ob man diese Fragen nicht anders behandeln sollte, als heute hier geschehen.
({0})
Ich rufe die Frage 53 des Abgeordneten Dr. Müller ({1}) auf. - Der Abgeordnete ist nicht im Hause. Die Frage wird schriftlich beantwortet.
Ich beende damit diesen Geschäftsbereich und danke Ihnen, Herr Staatssekretär.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Wohnungswesen und Städtebau. Ich rufe die Frage 54 des Abgeordneten Wurbs auf:
Wann ist mit der Auswertung und Veröffentlichung der Ergebnisse der Wohnungszählung zu rechnen?
Zur Beantwortung Herr Staatssekretär Dr. Schornstein.
Herr Abgeordneter, Ihre Frage 54 darf ich wie folgt beantworten. Die Aufbereitung der Ergebnisse der Wohnungszählung vom 25. Oktober 1968 ist seit Januar dieses Jahres in den Statistischen Landesämtern in vollem Gange. Nach den vorliegenden Informationen verlaufen die Arbeiten programmgemäß. Bereits in drei Monaten sind Vorwegergebnisse für zehn Städte zu erwarten. Die ersten Globalergebnisse für Bund und Länder werden vorausStaatssekretär Dr. Schornstein
sichtlich Anfang nächsten Jahres veröffentlicht. Anschließend werden dann laufend die Angaben für Bund, Länder und Gemeinden im einzelnen folgen.
Präsident von Hassel: Keine Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 55 des Abgeordneten Wurbs auf:
Wie steht die Bundesregierung zu Überlegungen, die Rückflüsse aus den Wohnungsbaumitteln künftig zum Teil auch für Sanierungsmaßnahmen zur Verfügung zu stellen?
Herr Abgeordneter, Ihre Frage 55 darf ich wie folgt beantworten. Der dem Hohen Hause vorliegende Entwurf eines Städtebauförderungsgesetzes sieht eine Verwendung der Rückflüsse aus Wohnungsbaumitteln für Sanierungsmaßnahmen nicht vor. Seit einigen Jahren ist .es jedoch nach den jährlichen Haushaltsgesetzen zulässig, daß die Wohnungsbaurückflüsse auch für Maßnahmen zugunsten des Wohnungsbaues - und zwar nicht nur des sozialen Wohnungsbaues, sondern des Wohnungsbaues schlechthin - im Rahmen der Stadt- und Dorferneuerung verwendet werden.
In den Beratungen des Entwurfs eines Städtebauförderungsgesetzes im zuständigen Bundestagsausschuß ist, wie Ihnen bekannt ist, auch erörtert worden, ob die Möglichkeit eröffnet werden soll, die Wohnungsbaurückflüsse allgemein für Sanierungsmaßnahmen einzusetzen. Eine Entscheidung darüber ist noch nicht gefallen. Sofern aber eine solche Entscheidung getroffen werden sollte, müßte nach unserer Meinung vorgesehen werden, daß auch die für die Städtebauförderung zur Verfügung gestellten Mittel einer Rückflußbindung unterliegen, und zwar auch zugunsten des Wohnungsbaus, da anderenfalls die bisherige gesetzliche Rückflußbindung der Wohnungsbaumittel praktisch aufgehoben würde.
Präsident von Hassel: Keine Zusatzfragen.
Ich rufe die Frage 56 des Abgeordneten Ollesch auf. - Ist der Abgeordnete im Saal? - Das ist nicht der Fall. Die Fragen 56 und 57 werden schriftlich beantwortet. Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte. Ich rufe die Frage 58 des Abgeordneten Dr. Hofmann ({0}) auf. - Ist der Abgeordnete im Saal? - Das ist nicht der Fall. Dann werden die Fragen 58, 59 und 60 schriftlich beantwortet. Ich danke Ihnen, Herr Minister, daß Sie dennoch gekommen sind.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesschatzministers. Ist der Herr Staatssekretär Dr. Vogel anwesend?
({1})
- Ich überspringe diese Fragen und rufe die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für gesamtdeutsche Fragen auf, zunächst die Frage 71 der Abgeordneten Frau Holzmeister.
Herr Präsident, ich bitte darum, daß die drei Fragen der Abgeordneten Frau Holzmeister gemeinsam beantwortet werden dürfen.
Präsident von Hassel: Keine Bedenken. Dann rufe ich die Fragen 71, 72 und 73 auf:
Ist die Bundesregierung bereit, Auskunft zu geben, warum das durch das Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen geförderte Haus in Bonn „Einheit in Freiheit" umbenannt wurde?
Welche Aufgaben hat dieses Haus heute?
Ist die Themenstellung geändert worden?
Das Haus heißt jetzt „Deutschlandhaus Bonn".
Die auf verschiedene Initiativen in anderen Orten der Bundesrepublik eingerichteten und zur Zeit entstehenden Informationszentren werden die gleiche Bezeichnung erhalten. Dieser Name wird der Aufgabe gerecht und ist angemessener als ein gut gemeinter Titel, der in einer Zeit gewählt wurde, in der man glaubte, politische Forderungen könnten den Namen für eine solche Einrichtung abgeben.
Die Aufgaben- und Themenstellung des Hauses hat sich nicht geändert. Sie ist geblieben, was sie immer sein sollte, eine Art nüchterne und sachliche Information über die Entwicklung in beiden Teilen Deutschlands. Sie dient der Verständigung der gesamtdeutschen Politik der Bundesregierung in einer der Sache angemessenen Form.
Die früher sehr beengt dargebotenen Ausstellungen sind jetzt in einer neugestalteten großen Fensterfront des Hauses zu sehen. In der vergangenen Woche begann eine sechswöchige Dokumentationsserie über die deutsche Nachkriegsgeschichte, die ihren besonderen Schwerpunkt in der Darstellung der Ereignisse des Jahres 1949 haben wird.
Ein Ausstellungsfenster des Hauses steht in wechselnder Folge den überregionalen Tageszeitungen und den Rundfunk- und Fernsehanstalten zu einer Selbstdarstellung ihrer gesamtdeutschen Berichterstattung zur Verfügung. Gerade diese Initiative hat ein positives Echo gefunden.
Der Intendant des Deutschlandfunks erklärte, als er kürzlich im Rahmen dieser Ausstellungen eine Dokumentation seines Sender der Presse vorstellte, daß er in der heutigen Arbeitsweise des Deutschlandhauses die konsequente Fortführung der Aufgaben sehe, die er als Staatssekretär des Bundesministeriums für gesamtdeutsche Fragen diesem Haus bei seiner Eröffnung im Juli 1959 stellte: der objektiven, sachlichen Information über die Entwicklung in ganz Deutschland zu dienen.
Besuchergruppen, die das Haus aufsuchen, haben nach wie vor die Möglichkeit, sich über aktuelle Fragen der Deutschlandpolitik und über die Ver12508
hältnisse im anderen Teil Deutschlands durch Vorträge von Mitarbeitern des Hauses, in Diskussionsveranstaltungen und in Filmvorführungen zu informieren. In den Abendstunden stehen die Klub- und Leseräume für Gespräche in kleinerem Kreise zur Verfügung.
Es bleibt zu wiederholen, daß der Name „Deutschlandhaus" als besser und nicht als schlechter empfunden werden muß als der bisherige Versuch, die Formel einer politischen Forderung als Bezeichnung des Hauses zu benutzen.
Präsident von Hassel: Eine Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Holzmeister.
Herr Staatssekretär, gab es seit dem 1. Januar 1967 personelle Veränderungen in der Leitung dieses Hauses und warum?
Soweit ich unterrichtet bin, ist vor etwa einem halben Jahr - es mag auch ein Jahr her sein; das müßte ich noch näher feststellen ({0}) ein neuer Leiter ernannt worden.
Präsident von Hassel: Eine weitere Zusatzfrage, Frau Holzmeister.
Herr Staatssekretär, glaubt die Bundesregierung, daß durch die gegenwärtigen Ausstellungen in diesem Haus dem gesamtdeutschen Interesse und der Wiedervereinigungspolitik entsprochen wird, und zwar im Sinne der verschiedenen gesamtdeutschen Willenserklärungen des Deutschen Bundestages?
Das ist unsere Auffassung, und ich habe zu diesem Zweck Herrn Staatssekretär Thedieck zitiert.
Präsident von Hassel: Keine weiteren Zusatzfragen. Die Fragen aus dem Bereich des Bundesministers für gesamtdeutsche Fragen sind damit abgehandelt.
Wir kehren zurück zum Geschäftsbereich des Bundesschatzministers. Der Herr Staatssekretär ist jetzt anwesend. Ich rufe die Frage 61 des Herrn Abgeordneten Kubitza auf. Ist der Abgeordnete im Saal? - Das ist nicht der Fall. Die Frage wird schriftlich beantwortet.
Wir kommen zu der Frage 62 der Abgeordneten Frau Enseling:
Kann die Bundesregierung für den Abriß der dem Bund gehörenden, in Bonn als .Elendsquartier" bekannten Loekaserne - die am 11. April 1969 unter erheblichen Opfern der Stadt Bonn endgültig geräumt werden konnte - einen Termin nennen?
Ist die Abgeordnete im Saal? - Zur Beantwortung Herr Staatssekretär Dr. Vogel.
Frau Abgeordnete, die Antwort auf Ihre Frage lautet: Die Wohnungsbaugesellschaft, die das Gelände der Loekaserne erwerben wird, wird die Gebäude sofort nach dem Ankauf des Grundstücks abbrechen lassen. Sie hat bereits entsprechende Angebote von Abbruchunternehmen eingeholt. Die Vertragsverhandlungen mit der Wohnungsbaugesellschaft sind aber dadurch erschwert worden, daß die Stadt Bonn gefordert hatte, die Gesellschaft solle das Grundstück eines benachbarten Gewerbebetriebes ebenfalls ankaufen und in die Bebauung einbeziehen. Über den Erwerb dieses Geländes und die Umsetzung des Betriebes konnte wegen der damit verbundenen ungewöhnlich hohen Kosten bislang keine Einigung zwischen der Gesellschaft und dem Eigentümer des Grundstücks erzielt werden. Sollte es wider Erwarten nicht zu dem vorgesehenen Verkauf der Loekaserne kommen oder die Verhandlungen sich weiter verzögern, wird das Bundesschatzministerium den Abbruch der Gebäude selbst veranlassen.
Präsident von Hassel: Eine Zusatzfrage der Abgeordneten Frau Enseling.
Herr Staatssekretär, darf ich daraus entnehmen, daß die Verhandlungen mit dem anderen Gewerbebetrieb, der auf dem Nachbargrundstück beheimatet ist, sehr schwierig sind, aber konnte man angesichts dieser Schwierigkeiten - das darf ich wohl Ihrer Antwort entnehmen - bei den Verhandlungen nicht die Hilfe der Stadt Bonn in Anspruch nehmen, um sie doch zu einem guten Ende zu führen?
Frau Abgeordnete, selbstverständlich sind in diesem Falle die guten Dienste der Stadt Bonn in Anspruch genommen worden. Ich hoffe, daß es mit Hilfe der Stadt Bonn zu einer solchen Regelung kommen wird, die beiden Teilen dienlich ist.
Präsident von Hassel: Eine weitere Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Enseling.
Herr Staatssekretär, könnten Sie mit mir der Meinung sein, daß die Forderungen, die ein Betrieb stellt, der fast im Zentrum der Stadt Bonn legt und an den Rand der Stadt verlagert werden soil, höher sein werden als normal, weil die Umstellung auf eine andere Gegend um vieles teurer sein wird und man dann auch Preise zahlen muß, die vielleicht mit dem normalen Preis des Grundstücks nicht so ganz übereinstimmen?
Frau Abgeordnete, ich stimme mit Ihnen darin vollkommen überein. Die Frage ist aber die: wenn Wohnungen auf diesem Komplex errichtet werden sollen, können diese Wohnungen nur vermietet werden, wenn der Baugrund in einer Preislage erworben werden kann, die nachher vernünftige Mieten rechtfertigt. Das ist der springende Punkt.
Präsident von Hassel: Ich rule die Frage 63 der Abgeordneten Frau Enseling auf:
Wann ist mit der zwischen der Stadt Bonn und dem Bund vereinbarten Neubebauung dieses Geländes mit den dringend benötigten Wohnungen zu rechnen?
Zur Beantwortung der Herr Staatssekretär.
Frau Abgeordnete, nach Vertragsabschluß wird die Wohnungsbaugesellschaft sofort mit der Bebauung des Geländes beginnen, wenn der aus städtebaulichen Gründen erforderliche Architektenwettbewerb durchgeführt ist und die Stadt Bonn auf seiner Grundlage den Bebauungsplan aufgestellt hat. Ich füge also hinzu: Es liegt zur Zeit weder ein Bebauungsplan vor, noch ist der Architektenwettbewerb, der ja notwendig ist, durchgeführt.
Präsident von Hassel: Keine Zusatzfragen. - Damit ist der Geschäftsbereich des Bundesschatzministers behandelt.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern auf, zunächst die Frage 88 des Abgeordneten Ertl. - Der Abgeordnete ist nicht im Saal. Die Fragen 88, 89 und 90 werden schriftlich beantwortet.
Dann die Fragen 91, 92 und 93 des Abgeordneten Baron von Wrangel:
Trifft es zu, daß die ehemaligen Offiziere, die im ersten Weltkrieg aktiv gedient haben und im zweiten Weltkrieg Reservisten waren beziehungsweise zur Wehrmacht eingezogen worden sind, kein Ruhegehalt erhalten, auch wenn die zehn Dienstjahre erreicht sind?
Trifft es zu, daß Reserveoffizieren des alten Heeres, wenn sie 1934 oder später in der Wehrmacht aktiv wurden, die Zeit als Reserveoffizier im ersten Kriege für die spätere Versorgung angerechnet wird?
Ist die Bundesregierung bereit, diesen Kreis ehemaliger Berufsoffiziere in die Versorgung mit einzubeziehen?
Der Fragesteller hat sich mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt. Die Antwort liegt noch nicht vor. Sie wird nach Eingang im Sitzungsbericht abgedruckt.
Ich rufe die Frage 94 der Abgeordneten Frau Dr. Heuser auf:
Sind der Bundesregierung die Bemühungen des französischen Ministeriums für Jugend und Sport bekannt, Grundlagen für den Nachweis der Einnahme von muskelstärkenden Präparaten bei Sportlern zu schaffen?
Zur Beantwortung Herr Staatssekretär Köppler.
Köppler, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Frau Kollegin, der Bundesregierung ist bekannt, daß sowohl in der Bundesrepublik als auch in verschiedenen anderen Ländern Untersuchungen über die Frage des Nachweises der Einnahme von muskelstärkenden Präparaten bei Sportlern durchgeführt worden sind oder durchgeführt werden. Spezielle Bemühungen des französischen Ministeriums für Jugend und Sport in dieser Hinsicht sind der Bundesregierung nicht bekannt. Ich habe jedoch Ihre Frage zum Anlaß genommen, um mich bei dem Ministerium nach diesen Bemühungen zu erkundigen. Eine Antwort auf meine Anfrage steht noch aus.
Präsident von Hassel: Zu einer Zusatzfrage Frau Abgeordnete Dr. Heuser.
Herr Staatssekretär, darf ich Ihrer Antwort entnehmen, daß solche Untersuchungen, die ja im Hinblick auf das uns bevorstehende olympische Jahr wichtig sein dürften, speziell auch in Deutschland vorgenommen werden?
Köppler, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Ja, und zwar insbesondere an den entsprechenden sportmedizinischen Instituten in Münster und in Mainz bei Professor Steinbach seit längerer Zeit. Wir stehen mit den betreffenden Instituten in Verbindung und werden über die dort gefundenen Ergebnisse unterrichtet.
Präsident von Hassel: Zu einer weiteren Zusatzfrage Frau Abgeordnete Dr. Heuser.
Können Sie übersehen, bis zu welchem Zeitpunkt man mit solchen Ergebnissen rechnen kann?
Köppler, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Leider nicht.
Präsident von Hassel: Ich rufe die Frage 95 der Abgeordneten Frau Dr. Heuser auf:
Ist die Bundesregierung nicht der Meinung, daß rechtzeitig vor den Olympischen Spielen in München Entscheidungen darüber getroffen werden müssen, ob die Einnahme solcher Anabolika als Dopingmittel zulässig ist?
Herr Staatssekretär, zur Beantwortung bitte!
Köppler, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Die Bundesregierung hält es für wünschenswert, daß noch vor den Olympischen Spielen in München darüber entschieden wird, ob die Einnahme derartiger Anabolika durch Sportler zulässig ist. Das Internationale Olympische Komitee, das für den Erlaß der für die Olympischen Spiele maßgebenden sportlichen Regelungen zuständig ist, prüft bereits seit einiger Zeit, inwieweit die Anabolika als Doping-Mittel verboten werden sollen. Eine Entscheidung soll noch vor den Olympischen Spielen getroffen werden. Die ärztliche Kommission des IOC hat sich bereits für ein entsprechendes Verbot ausgesprochen.
Präsident von Hassel: Keine Zusatzfrage.
Ich rufe die Fragen 96 bis 98 des Abgeordneten Müller ({0}) auf. Ist der Fragesteller im Saal? - Das ist nicht der Fall. Die Fragen 96 bis 98 werden schriftlich beantwortet.
Ich rufe die Frage 99 des Abgeordneten Schmitt-Vockenhausen auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß in den kommunalen Spitzenverbänden die Auffassung herrscht, daß viele Kommunalverwaltungen in der elektronischen Datenverarbeitung so weit vorgeschritten sind, daß eine längere Verzögerung der Einführung eines einheitlichen allgemeinen Personenkennzeichens nicht länger zu vertreten ist?
Die Frage wird von Herrn Abgeordneten Dröscher übernommen. Herr Staatssekretär zur Beantwortung.
Köppler, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: An den Vorbereitungen
Parlamentarischer Staatssekretär Köppler
zur Einführung des allgemeinen Personenkennzeichens werden Vertreter von Kommunalverwaltungen ständig beteiligt. Das Interesse der Kommunen an einem allgemeinen Personenkennzeichen ist daher bekannt.
Die Dringlichkeit dieser Aufgabe hat die Bundesregierung veranlaßt, die Vergabevorbereitungen mit Nachdruck voranzutreiben. Einstweilen behelfen sich Gemeinden, die den Einsatz der elektronischen Datenverarbeitung im Einwohnerwesen nicht länger aufschieben können, mit vorläufigen, den eigenen Bedürfnissen entsprechenden Nummerungssystemen, die dem vorgesehenen bundeseinheitlichen Personenkennzeichen allerdings ähnlich sind. Nach dessen Einführung sollen die vorläufigen Systeme geändert werden. Der dabei entstehende Verwaltungsaufwand dürfte sich in vertretbaren Grenzen halten.
Präsident von Hassel: Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Dröscher.
Haben Sie, Herr Staatssekretär, angesichts der sprunghaften Zunahme der Datenverarbeitung auch in Kommunalverwaltungen und der damit zusammenhängenden Ausweitung der vorläufigen Verwendung eine Vorstellung, wie hoch ungefähr der Kostenbedarf sein wird, wenn das später gemacht werden muß?
Köppler, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Herr Kollege, ich kann das natürlich jetzt nicht beziffern. Es ist auch keineswegs notwendig, daß alle jetzt in den Kommunen bereits praktizierten elektronischen Datenverarbeitungen geändert werden, sondern es wird im wesentlichen nur das Nummerungssystem sein. Hier wird sich der durch die Änderung erforderlich werdende Verwaltungs- und Kostenaufwand in vertretbaren Grenzen halten.
Präsident von Hassel: Zu einer weiteren Zusatzfrage Herr Abgeordneter Dröscher.
Kann die Bundesregierung, Herr Staatssekretär, den Gemeinden, die schon umstellen, nicht eine vorläufige Orientierungshilfe geben, in welcher Richtung die Dinge laufen werden, so daß man vielleicht gar keine großen Umstellungsschwierigkeiten haben wird?
Köppler, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Das wissen die Gemeinden sehr genau. Ich sagte vorhin, Herr Kollege, daß die Vertreter der Gemeinden an unseren Planungsarbeiten selbstverständlich beteiligt sind. Trotzdem läßt sich vor endgültiger Festlegung des bundeseinheitlichen Systems natürlich nicht mehr als vermuten, wie es aussehen wird. Insofern ist diese Hilfe, die Sie für die Gemeinden hier angesprochen haben, aus technischen Gründen im Moment einfach nicht möglich.
Präsident von Hassel: Keine Zusatzfrage mehr.
Ich rufe die Frage 100 des Abgeordneten Fritsch ({0}) auf:
Welche Konsequenzen gedenkt die Bundesregierung aus der Entschließung der Ministerkonferenz für Raumordnung vom 21, November 1968 hinsichtlich der Frage des Sitzes und Zuständigkeitsbereiches von größeren Verwaltungsdienststellen für den ostbayerischen Raum zu ziehen?
Herr Staatssekretär zur Beantwortung!
Köppler, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Herr Kollege, die Entschließung der Ministerkonferenz für Raumordnung vom 21. November 1968 will diejenigen Stellen, die über die Standortwahl und die Abgrenzung von Zuständigkeitsbereichen größerer Dienststellen zu entscheiden oder hierzu Stellung zu nehmen haben, auf die Bedeutung und die Berücksichtigung raumordnerischer Gesichtspunkte hinweisen. Die Ministerkonferenz sah sich zu dieser Entschließung veranlaßt, weil die Dienststellen der Raumordnung und Landesplanung im Zuge der Bemühungen um Verwaltungsreform und Behördenzusammenlegungen immer häufiger zu Stellungnahmen aus der Sicht der Raumordnung und Landesplanung aufgefordert werden. Die Bundesregierung wird diese Entschließung der Ministerkonferenz für Raumordnung bei Beratungen und Entscheidungen in der Frage des Sitzes und des Zuständigkeitsbereichs von größeren Dienststellen des Bundes angemessen berücksichtigen. Das gilt auch für den ostbayerischen Raum. Dabei brauche ich natürlich nicht zu betonen, daß für Fragen des Sitzes und des Zuständigkeitsbereichs bayerischer Dienststellen das Land Bayern zuständig ist.
Präsident von Hassel: Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Fritsch.
Herr Staatssekretär, wird es in dieser Frage eine enge Zusammenarbeit zwischen dem Bund und in diesem Fall dem Land Bayern geben, und ist zu erwarten, daß eine Revision von Verwaltungsgrenzen zugunsten überschaubarer Verwaltungsbezirke vor sich gehen wird?
Köppler, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Herr Kollege, es gibt bereits diese enge Zusammenarbeit in den Fragen der Landesplanung und insbesondere der Raumordnung. Es ist durchaus möglich, daß auch einmal getroffene Entscheidungen eine Revision erfahren, wobei ich natürlich nicht weiß, auf welchen konkreten Fall Sie mit Ihrer Frage anspielen.
Präsident von Hassel: Keine weitere Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 101 des Abgeordneten Wagner auf:
Welche Auffassung vertritt die Bundesregierung zur Problematik der Abgeltung der von Beamten geleisteten Überstunden, wenn diese nicht innerhalb angemessener Zeit durch Freizeitgewährung ausgeglichen werden können?
Herr Staatssekretär zur Beantwortung.
Köppler, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Die Abgeltung der
Parlamentarischer Staatssekretär Köppler
Überstunden von Beamten würde einen erheblichen Einbruch in das bisherige Recht bedeuten. Wie Sie wissen, Herr Kollege, hat das Bundesverwaltungsgericht noch im Jahre 1966 festgestellt - wörtlich Die Gewährung einer Überstundenvergütung ist in keinem Fall mit den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums vereinbar.
Die von Art. 33 Abs. 5 des Grundgesetzes verfassungsrechtlich gesicherten hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums sind jedoch einer Weiterentwicklung fähig. Wenn - und hierauf kommt es bei dieser Frage ganz entscheidend an - in einzelnen, bestimmten Bereichen, z. B. bei der Polizei im Rahmen von Großeinsätzen, der an sich gebotene Ausgleich von Mehrleistungen durch Freizeit dazu führen sollte, daß vordringliche und unverzichtbare Belange der Allgemeinheit - in dem erwähnten Beispiel also die öffentliche Sicherheit - erheblichen Schaden erleiden würden, muß diesen unabdingbaren Notwendigkeiten Rechnung getragen werden.
Der öffentliche Dienst, insbesondere das Berufsbeamtentum, als System ist nicht Selbstzweck. Seine Aufgabe besteht vielmehr darin, dafür zu sorgen, daß die öffentliche Verwaltung reibungslos und optimal funktioniert. An diesem Leitbild hat sich die rechtliche Ausgestaltung des Beamtenverhältnisses in erster Linie zu orientieren. Danach hält der Bundesminister des Innern in Fortentwicklung der bisherigen beamtenrechtlichen Grundsätze eine gesetzliche Regelung für möglich, wonach künftig in - allerdings besonderen - Ausnahmesituationen erhebliche Mehrbelastungen der Beamten finanziell abgegolten werden können, allerdings nur dann, wenn ein Freizeitausgleich bei Anlegung eines strengen Maßstabes im Hinblick auf die Personalsituation unmöglich ist.
Der gesamte, sehr vielschichtige und differenzierte Fragenkomplex kann der Natur der Sache nach in Bund und Ländern nur einheitlich geregelt werden. Ministerkonferenzen der Länder haben sich bereits mehrfach mit der Angelegenheit befaßt. Sie steht erneut auf der Tagesordnung der Innenministerkonferenz Anfang Mai. Das Ergebnis dieser Beratung wird auch für die Meinungsbildung der Bundesregierung von Bedeutung sein.
Präsident von Hassel: Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Wagner.
Herr Staatssekretär, teilen Sie die da und dort geäußerte Befürchtung, daß eine solche finanzielle Abgeltung eine geordnete Personalwirtschaft beeinträchtigen oder verhindern würde?
Köppler, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Ich teile diese Befürchtung nicht. Ich verkenne allerdings nicht, daß gewisse Gefahren auch für die Personalwirtschaft durch die Einführung einer solchen Regelung gesehen und rechtzeitig abgewehrt werden müssen.
Präsident von Hassel: Keine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Wagner? - Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dorn.
Herr Staatssekretär, sehen Sie in der Möglichkeit der Überstundenvergütung bereits eine Gefährdung der herkömmlichen Grundsätze des Berufsbeamtentums?
Köppler, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Herr Kollege Dorn, ich habe versucht, in der Beantwortung der Frage des Kollegen Wagner darzulegen, daß ich die Grundsätze des Berufsbeamtentums für entwicklungsfähig halte und daß ich es im Rahmen dieser Entwicklung für mit diesen Grundsätzen vereinbar halte, wenn in Sonderfällen solche Zahlungen geleistet werden. Es ist in der Tat frühere Auffassung und auch Rechtsprechung gewesen - ich habe das Bundesverwaltungsgericht zitiert -, daß solche Zahlungen mit den Grundsätzen des Berufsbeamtentums nicht vereinbar seien.
Präsident von Hassel: Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dorn.
Herr Staatssekretär, können Sie einen ungefähren, absehbaren Zeitpunkt angeben, bis zu welchem die Einigung über die Bundes- und landeseinheitliche Regelung zu erreichen ist?
Köppler, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Das ist angesichts der Schwierigkeit der Materie, um die es geht, und insbesondere angesichts der Abgrenzungsschwierigkeiten, die hier gegeben sind, nicht leicht vorherzusagen. Ich hoffe jedoch, daß bis zum Sommer in den Grundsätzen eine Einigung herbeigeführt werden kann.
Präsident von Hassel: Keine weitere Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 102 des Abgeordneten Wagner auf:
Ist die Bundesregierung der Meinung, daß eine solche Abgeltung, wenn überhaupt, nur übergangsweise stattfinden könnte, bis Personalverstärkungen übergroßen Überstundenanfall vermeidbar machen?
Ich darf darauf aufmerksam machen, daß ich versuchen werde, noch die Fragen 102 bis 105 zu behandeln, obwohl die Zeit gleich abläuft. Ich darf alle Kollegen bitten, sich kurz zu fassen.
Köppler, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Herr Kollege, die Bundesregierung ist grundsätzlich dieser Auffassung.
Aus dem Ausnahmecharakter einer derartigen Regelung folgt zwingend, daß eine Entschädigung nur in bestimmten Ausnahmesituationen und nur für deren jeweilige Dauer gewährt werden könnte. Es wäre ein Mißbrauch, wenn sie - wenn auch nur in bestimmten Bereichen - zur Regel würde.
Präsident von Hassel: Keine Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 103 des Abgeordneten Dr. Müller ({0}) auf:
Hält die Bundesregierung es für vertretbar, daß die Besoldungserhöhung ab 1. April zwar vorläufig nicht ausbezahlt wird, zugleich aber unter Hinweis auf die Besoldungserhöhung Mieterhöhungen von Dienstwohnungen ab 1. April vorgenommen werden?
Bitte sehr, zur Beantwortung der Herr Staatssekretär.
Köppler, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Herr Kollege, ich sehe keinen Zusammenhang zwischen dem von diesem Hohen Hause bereits am 28. Februar 1969 verabschiedeten Zweiten Besoldungsneuregelungsgesetz und den von Ihnen angesprochenen Mieterhöhungen.
Wegen der noch nicht endgültig entschiedenen Änderung des Art. 75 des Grundgesetzes konnte, wie Sie wissen, das Zweite Besoldungsneuregelungsgesetz noch nicht verkündet werden. Die Bundesregierung ist aber der Auffassung, daß die durch das genannte Gesetz ab 1. April dieses Jahres erhöhten Bezüge der Bundesbeamten mit den JuniBezügen zur Auszahlung gelangen sollen.
Aus Ihrer Frage, Herr Kollege, wird nicht ganz deutlich, ob Sie Mieterhöhungen für mit Wohnungsfürsorgemitteln des Bundes geförderte Wohnungen oder Erhöhungen von Dienstwohnungsvergütungen für Dienstwohnungen des Bundes ansprechen wollen.
Sollte sich Ihre Frage auf Mietwohnungen beziehen, so können sich Mieterhöhungen natürlich nach den allgemeinen mietrechtlichen Vorschriften ergeben. Es ist mir bekannt, daß z. B. die Mieten für im Besetzungsrecht der Bundespost stehende Wohnungen von der jeweiligen Wohnungsbaugesellschaft weitgehend ab 1. April 1969 angehoben worden sind. Wie ich aber schon eingangs sagte, steht dies in keinem Zusammenhang mit dem Zweiten Besoldungsneuregelungsgesetz; das ist ein sachlich und zeitlich zufälliges Zusammentreffen.
Sollte sich Ihre Frage auf Dienstwohnungen beziehen, so bedarf es zunächst der Klarstellung, daß für die Nutzung einer solchen Wohnung keine Miete erhoben, sondern ein angemessener Betrag auf die Dienstbezüge angerechnet wird. Die sogenannte Dienstwohnungsvergütung orientiert sich zwar am ortsüblichen Mietwert, wird aber nach oben durch die höchste Dienstwohnungsvergütung begrenzt.
Die Sätze der höchsten Dienstwohnungsvergütung sind beim Bund seit 1962 unverändert geblieben. Da sich jedoch nach statistischen Unterlagen der für Miete aufzuwendende Einkommensteil im privaten Bereich von 1962 bis heute wesentlich erhöht hat, gibt es in meinem Hause Planungen, die Sätze der höchsten Dienstwohnungsvergütung anzuheben. Im Bereich der Länder sind derartige Anhebungen zum Teil schon durchgeführt oder werden vorbereitet. Z. B. treten die erhöhten Sätze in Hamburg am 1. April dieses Jahres und in Bayern am 1. Juli dieses Jahres in Kraft.
Präsident von Hassel: Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Müller.
Herr Staatssekretär, würden Sie es für richtig halten, eine Regelung zu finden, die einen Beamten nicht zwingt, in einer Dienstwohnung zu wohnen, wenn die Vergütung, die er für seine Dienstwohnung ausgeben muß, über dem ortsüblichen Mietwohnungs-Quadratmeterpreis liegt? Es gibt solche Fälle in der Bundesrepublik.
Köppler, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Ich gestehe Ihnen zu, daß es solche Fälle geben mag und daß dann im einzelnen Fall eine Lösung gefunden werden sollte, die auch den betroffenen Angehörigen des öffentlichen Dienstes gegenüber als billig angesehen werden kann.
Präsident von Hassel: Keine weitere Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 104 des Abgeordneten Dröscher auf:
Ist es richtig, daß ehemalige Unteroffiziere, die auf Grund des 131er-Gesetzes einen Dienst bei einer Bundesbehörde oder bei der Deutschen Bundespost oder bei der Deutschen Bundesbahn aufgenommen haben und in ihrem Beruf durch irgendwelche Umstände nicht befördert worden sind, nun eine niedrigere Pension erhalten als ihre Kameraden, die nicht mehr in den öffentlichen Dienst eingetreten sind, mittlerweile in der privaten Wirtschaft nicht nur verdienen, sondern sich auch noch eine zusätzliche Altersversorgung haben erarbeiten können und jetzt auf Grund des 131er-Gesetzes und der Überleitung ihrer alten Wehrmachtsdienstgrade pensioniert worden sind?
Zur Beantwortung der Herr Staatssekretär.
Köppler, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Es trifft zu, daß eine Anzahl von früheren Berufsunteroffizieren mit mindestens 12 Dienstjahren, die nach dem Gesetz zu Art. 131 GG als Beamte entsprechend wiederverwendet wurden, eine niedrigere Versorgung erhalten oder später erhalten dürften als ihre Kollegen, die nicht mehr in den öffentlichen Dienst eingetreten sind.
Die entsprechende Wiederverwendung früherer Berufsunteroffiziere als Beamte richtete sich in Anknüpfung an das frühere Recht der Militäranwärter grundsätzlich nach der Vorbildung.
Mit der entsprechenden Wiederverwendung als Beamte auf Lebenszeit endete der Rechtsstand nach dem Gesetz zu Art. 131 GG.
Alle bereits entsprechend wiederverwendeten Personen, also nicht nur solche aus dem Kreis früherer Berufsunteroffiziere, können eine Versorgung nach dem Gesetz zu Art. 131 nicht erhalten. Von verbesserten Überleitungen versorgungsberechtigter 131er werden sie daher nicht erfaßt. Ihr beruflicher Werdegang und ihre Versorgung beurteilen sich ausschließlich nach den Möglichkeiten und dem Recht ihres neuen Dienstherrn.
Präsident von Hassel: Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dröscher.
Herr Staatssekretär, nachdem das doch offensichtlich ein Unrecht ist, das diesen Leuten geschieht: sehen Sie eine Möglichkeit, die Sache zu ändern, vielleicht - weil es keine große Zahl ist - durch Einzelentscheidungen im Wege des „Gnadenerweises" oder so ähnlich?
Köppler, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Die Bundesregierung hat natürlich keine Möglichkeit, den jetzigen, d. h. den neuen Dienstherrn in diesen Fällen in seinem Entscheidungsbereich zu beeinflussen. Die Bundesregierung würde es allerdings begrüßen, Herr Kollege, wenn die Betroffenen, soweit das möglich ist, in ihrem neuen Dienstverhältnis gefördert würden. Aber, wie gesagt: die Einflußmöglichkeiten der Bundesregierung sind hier außerordentlich gering, wenn überhaupt vorhanden.
Präsident von Hassel: Keine weitere Zusatzfrage. Ich rufe die Frage 105 des Abgeordneten Dröscher auf:
Wie weit sind die Verhandlungen zwischen dem Bundesinnenministerium und dem Bundesverteidigungsministerium gediehen, die im Sinne des § 8 Abs. 2 des Gesetzes über die Erweiterung des Katastrophenschutzes vom 9. Juli 1968 zum Ziele haben, eine Vereinbarung zwischen den beiden Ministerien zu treffen, nach welcher jeweils die Zahl, bis zu der eine Freistellung möglich ist, festgehalten werden soll?
Zur Beantwortung der Herr Staatssekretär.
Köppler, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Alsbald nach Inkrafttreten des Katastrophenschutzgesetzes sind Verhandlungen mit dem Bundesminister der Verteidigung über die Vereinbarung nach § 8 Abs. 2 des Gesetzes aufgenommen worden. Dabei konnte der Entwurf einer Vereinbarung erarbeitet werden; einzelne Fragen sind allerdings noch offen. Mit einem Abschluß der Vereinbarung ist in nächster Zeit zu rechnen.
Im übrigen ist - auch nach Auffassung der Gerichte - der § 8 Abs. 2 des Katastrophenschutzgesetzes schon jetzt, vor Abschluß der Vereinbarung, anwendbar. Deshalb wurden für den Katastrophenschutz und für die Bundeswehrverwaltung vorläufige Regelungen getroffen, die die Belange beider Seiten berücksichtigen. Wie vom Gesetz vorgesehen, werden daher Helfer des Katastrophenschutzes, die sich mit Zustimmung der zuständigen Behörde für zehn Jahre verpflichten, bereits jetzt vom Wehrdienst freigestellt.
Präsident von Hassel: Keine Zusatzfrage. Meine Damen und Herren, wir sind am Ende der Fragestunde, und ich danke dem Herrn Parlamentarischen Staatssekretär beim Bundesinnenminister.
Bevor wir in der Tagesordnung fortfahren, darf ich dreierlei tun, zum einen: Sie nach Abschluß der Osterpause begrüßen. Ich hoffe, daß Sie alle die nötige Erholung, die Ruhe und die Kraft gefunden haben, um die entscheidenden zehn Wochen dieser Legislaturperiode mit einem guten Erfolg für die Arbeit für Deutschland zu bestehen.
Ich darf nun eine Reihe von Glückwünschen aussprechen.
Am 6. April hat der Herr Bundeskanzler seinen 65. Geburtstag gefeiert. Wir haben ihm gestern persönlich die Glückwünsche des Deutschen Bundestages überbracht.
({0})
Ich beglückwünsche im Namen des Hauses den Herrn Abgeordneten Dr. Achenbach, der am 9. April 60 Jahre alt wurde.
({1})
Am selben Tage wurde Herr Abgeordneter Hamacher 70 Jahre.
({2})
Einen Glückwunsch an Herrn Abgeordneten Kunze zum 60. Geburtstag am 10. April,
({3})
Herrn Abgeordneten Stooß zum 73. Geburtstag am 14. April,
({4})
dem Abgeordneten Gottesleben zum 60. Geburtstag am 15. April,
({5})
dem Abgeordneten Blöcker zum 71. Geburtstag am 17. April,
({6})
dem Abgeordneten Diekmann zum 72. Geburtstag am 19. April
({7})
und schließlich heute der Abgeordneten Frau Kalinke zu einem runden Geburtstag. So wollte ich sagen; aber die Zeitungen haben es heute morgen schon gemeldet; es ist der sechzigste.
({8})
Meine Damen und Herren, ich begrüße im Deutschen Bundestag den Präsidenten der Nationalversammlung von Madagaskar, Herrn Präsidenten Nany, auf das herzlichste, der im Augenblick bei uns hier den Verhandlungen folgt.
({9})
Wir fahren in der Tagesordnung fort. Ich rufe auf Grund einer Vereinbarung des Ältestenrates zur gemeinsamen Beratung die Tagesordnungspunkte 2 a), 2 b) und 3 auf:
2. a) Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Fortzahlung des Arbeitsentgelts im Krankheitsfalle und über Änderungen des Rechts der gesetzlichen Krankenversicherung
- Drucksache V/3983 -
b) Erste Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Fortzahlung des Arbeitsentgelts im Krankheitsfalle und über Änderungen des Rechts der gesetzlichen Krankenversicherung
- Drucksache V/3985
3. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes
Präsident von Hassel
zur Bereinigung arbeitsrechtlicher Vorschriften
- Drucksache V/3913 -
Wir werden wie folgt verfahren: Zunächst wird der Antrag der SPD unter Tagesordungspunkt 2 a) durch Herrn Abgeordneten Professor Dr. Schellenberg und danach der Antrag der Fraktion der CDU/ CSU unter Tagesordnungspunkt 2 b) durch Herrn Abgeordneten Dr. Götz begründet.
Ich erteile Herrn Abgeordneten Professor Dr. Schellenberg das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Gesetzentwurf Drucksache V/3983, den ich begründe, hat gesellschaftspolitische, wirtschaftspolitische und sozialpolitische Aspekte.
Erstens. Gesellschaftspolitisch zielt er auf die Gleichstellung der Arbeiter mit den Angestellten im Krankheitsfalle.
({0})
- Ich komme noch auf die anderen Probleme zu sprechen. Unbestreitbar unterscheiden sich Arbeitsplatz und berufliche Tätigkeit von Arbeitern und Angestellten, wenn sie auch viele, sehr viele gemeinsame Merkmale aufzeigen. Aber es ist nicht sinnvoll und ungerecht, dort Unterschiede aufrechterhalten zu wollen, wo sie - beispielsweise bei Krankheit - unbegründet sind.
Diese Unterschiede will meine Fraktion seit 1955 in diesem Hause durch die arbeitsrechtliche Lohnfortzahlung beseitigen. Die arbeitsrechtliche Lohnfortzahlung bringt den Arbeitern eine Reihe von materiellen Vorteilen. Die wichtigsten sind: a) Der Beitrag der Arbeiter zur Krankenversicherung wird gesenkt. b) Karenztage fallen in Zukunft völlig fort. c) Auch bei Krankenhausaufenthalt erhält der Arbeiter Lohnfortzahlung. d) Durch die Beitragszahlung während der Krankheit erhöht sich die spätere Rente des Arbeiters.
Unser Gesetzentwurf schafft nicht nur im Krankheitsfalle eine Angleichung des Rechtsstatus der Arbeiter an den der Angestellten, sondern er gleicht darüber hinaus das Recht der Angestellten in der Krankenversicherung stufenweise dem der Arbeiter an. Damit wird eine Benachteiligung des Angestellten gegenüber dem Arbeiter bei gleichem Einkommen Schritt um Schritt beseitigt.
({1})
Unser Gesetzentwurf senkt für rund 1,7 Millionen Angestellte ihren Beitragsanteil in der Krankenversicherung auf rund die Hälfte und bringt weiteren 2 Millionen Angestellten in den nächsten Jahren den gleichen wirtschaftlichen Vorteil.
Es gibt Angestellte - das wissen wir aus zahlreichen Eingaben -, die ungeduldig die volle Beseitigung der Versicherungspflichtgrenze fordern. Sie vertreten die Auffassung, daß bei Gleichstellung der Arbeiter durch die Lohnfortzahlung die Aufrechterhaltung einer Pflichtversicherungsgrenze für Angestellte ungerecht sei und deshalb sofort fallen müsse.
({2})
Meine Fraktion hat für dieses Verlangen der Angestellten Verständnis.
({3})
- Dann werden wir uns ja sehr schnell einigen, Herr Kollege Müller.
({4})
Es ist aber zu bedenken, daß eine sofortige Aufhebung der Versicherungspflichtgrenze - bei viereinhalb Millionen Angestellten mit einem Monatsgehalt über 900 Mark - für die Wirtschaft fast drei Milliarden DM Mehraufwendungen jährlich zur Folge hätte.
({5})
Aus volkswirtschaftlichen Gründen muß deshalb schrittweise vorgegangen werden. Den ungeduldigen Angestellten sei gesagt: so lange, wie die Arbeiter auf die volle Verwirklichung der Lohnfortzahlung gewartet haben, wird die volle Aufhebung der Versicherungspflichtgrenze bestimmt nicht dauern.
({6})
Zweitens zu den wirtschaftspolitischen Aspekten. Wirtschaftspolitisch bedeutet unser Gesetzentwurf eine Belastung der Arbeitgeber zugunsten der Arbeitnehmer. Diese Belastung der Arbeitgeber beträgt nach unserem Gesetzentwurf in dem für sie ungünstigsten Fall - also wenn Lohnfortzahlung und Erhöhung der Versicherungspflichtgrenze voll zu Lasten der Unternehmensgewinne gehen - 31/2 Milliarden DM jährlich. Das weisen die Zahlen der Bundesregierung aus, die im übrigen dankenswerterweise mit den verschiedenen Gremien und auch mit den Sozialpartnern abgestimmt worden sind. Bezogen auf die Bruttolohn-und -gehaltssumme von 1969 sind das 1,4% der Bruttolohn- und -gehaltssumme.
Die Finanzierung der Lohnfortzahlung und der Erhöhung der Versicherungspflichtgrenze zu Lasten der Arbeitgeber ist von uns politisch gewollt, und sie ist auch volkswirtschaftlich tragbar.
({7})
Zunächst ist daran zu erinnern, daß die Wirtschaft seit fünf Jahren im Hinblick auf die damals vorgesehene, aber nicht durchgeführte Lohnfortzahlung von den Ausgaben für Kindergeld entlastet wurde.
({8})
- Jedenfalls, Herr Kollege Schulhoff, erfolgte die Entlastung im Hinblick auf eine Lohnfortzahlung, die nicht erfolgt ist.
({9})
- Wir hoffen auf Ihre aktive Mitarbeit bei der Beratung der jetzt vorliegenden Gesetzentwürfe; Ihre positive Mitarbeit in den Ausschüssen werden wir sehr zu würdigen wissen, und nicht - ({10})
Politisch kommt folgendes hinzu. Um die Rezession zu überwinden, wurden der Wirtschaft durch Beschlüsse dieses Hauses Investitionsanreize geboten. Jetzt im Aufschwung - nach hohen Gewinnen - sind nach unserer Auffassung die Arbeitnehmer an der Reihe:
({11})
die Arbeiter durch Lohnfortzahlung bei Krankheit und die Angestellten durch Verminderung ihrer Beitragslast in der Krankenversicherung.
({12})
Deshalb sieht unser Gesetzentwurf auch keine zusätzliche Kostenbeteiligung vor. Solche Kostenbeteiligungen wären, abgesehen von ihrer gesundheitspolitischen Problematik, wirtschaftlich eine Abschwächung der sozialen Symmetrie; ihr wollen wir aber durch die Lohnfortzahlung und Erhöhung der Versicherungspflichtgrenze näherkommen.
Im übrigen hat auch die Bundesregierung im Jahreswirtschaftsbericht 1969 die Einführung der Lohnfortzahlung vorgesehen. Die Orientierungsdaten der Bundesregierung für die Konzertierte Aktion gehen davon aus, daß die Wirtschaft die Lasten der arbeitsrechtlichen Lohnfortzahlung trägt.
Im übrigen, möchte ich ganz freimütig sagen, dürfen sich die Kreise der Wirtschaft, die mit allen Mitteln die arbeitsrechtliche Lohnfortzahlung zu verhindern trachten, nicht wundern, wenn ihnen die Rechnung für dieses Verhalten am Tariftisch präsentiert wird. Das ist doch wohl jedem klar.
({13})
Drittens. In der sozialpolitischen Diskussion wird immer wieder behauptet, die Einführung der Lohnfortzahlung verhindere die notwendige Reform der Krankenversicherung. Eine solche Betrachtung sieht das Hauptproblem der Krankenversicherungsreform in der Eindämmung des sogenannten Leistungsmißbrauchs. Das ist eine zu einfache, um nicht zu sagen, zu simple Betrachtungsweise. In Wirklichkeit sind nämlich die Aufgaben, die eine Krankenversicherungsreform zu lösen hat, sehr viel differenzierter und komplizierter.
Ich möchte hierzu einige Bemerkungen machen, vor allem an die Adresse der Kollegen, die durch die Lohnfortzahlung eine Blockierung der Krankenversicherungsreform befürchten. Die Diskussion über die Krankenversicherungsreform ist bis heute dadurch belastet, daß sich viele ihrer Probleme überschneiden, gegenseitig aufheben oder potenzieren. Wer reformieren will, muß systematisch vorgehen. Durch die Lohnfortzahlung werden die Geldleistungen für die ersten sechs Wochen im Krankheitsfall reformiert. Bei einer nächsten Stufe der Reform müssen wir dann unbedingt die Einkommenssicherung für langfristig Erkrankte gerechter regeln.
Diese stufenweise Reform der Geldleistungen ist eine unentbehrliche Basis für eine Reform der Sachleistungen, z. B. ambulante Behandlung oder Krankenhausbehandlung. Es widerspricht einer systematischen Reform der Krankenversicherung, mit der jetzigen Reform der Geldleistungen, nämlich Lohnfortzahlung und Anhebung der Versicherungspflichtgrenze, die verschiedensten finanziellen Anliegen des Sachleistungsbereiches, von den Arzthonoraren bis zu den Krankenhauspflegesätzen, zu koppeln. Damit ist nichts darüber gesagt, ob und inwieweit diese Anliegen berechtigt sind oder nicht.
Die erste Stufe der Reform, um die es jetzt geht, soll den Arbeitern und den Angestellten und nicht den Vertragspartnern ihrer Krankenkassen zugute kommen. Deshalb sieht unser Gesetzentwurf vor, den Höchstbeitrag in der gesetzlichen Krankenversicherung für Arbeiter von 11 auf 8,5 °/o zu senken. Deshalb wollen wir weiterhin die Grenze, nach der der Beitrag berechnet wird, die sogenannte Beitragsbemessungsgrenze, nur insoweit anheben, wie das wegen des Überganges von der freiwilligen Versicherung zur Pflichtversicherung mit ihren geringeren Beitragssätzen erforderlich ist. Wir sind uns bewußt, daß die geringfügige Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze ein Provisorium ist. Auch das wird ein Antrieb für die weitere Reform der Krankenversicherung in der nächsten Legislaturperiode sein.
Unser Gesetzentwurf erschwert also nicht, wie manche reformwillige Kollegen in diesem Hause meinen - es gibt auch reformunwillige Kollegen, aber ich wende mich hier an die reformwilligen Kollegen - ({14})
- Inwieweit Sie reformwillig und bereit sind, alte Zöpfe auch im Bereich der Lohnfortzahlung abzuschneiden, Herr Kollege Dorn, werden wir nachher aus den Ausführungen Ihrer Sprecher entnehmen.
({15})
Jedenfalls schafft ein solcher Schritt der Reform, der sich auf die Geldleistungen bezieht, unumgängliche Voraussetzungen für alle weiteren Schritte der Reform.
Ich möchte die Gründe, die für die Lohnfortzahlung als erste Stufe der Reform sprechen, kurz zusammenfassen. a) Auf dem Gebiete der Leistungen der Krankenversicherung werden durch das, was wir jetzt vollziehen wollen, die Voraussetzungen für bessere Chancengleichheit zwischen den einzelnen Kassenarten geschaffen. b) Auf dem Gebiete der Finanzierung der Krankenversicherung werden durch die Lohnfortzahlung die Voraussetzungen für bessere Chancengleichheit zwischen den Kassen und ihren Vertragspartnern geschaffen. c) Auf dem Gebiete der Organisation der Krankenversicherung werden Voraussetzungen für die bes12516
sere Chancengleichheit zwischen den einzelnen Kassen geschaffen.
Nun wird in der sozialpolitischen Diskussion immer wieder behauptet, zur Erreichung der gesellschaftspolitischen Ziele bedürfe es gar nicht einer arbeitsrechtlichen Lohnfortzahlung; die versicherungsrechtliche Regelung - das werden wir von der FDP nachher näher hören - sei mindestens ebensogut.
Meine Damen und Herren, wer das erklärt, hat die Probleme, um die es geht, nicht gründlich genug durchdacht. Ich will das kurz belegen. Eine versicherungsrechtliche Lohnfortzahlung zielt nicht auf die Gleichstellung von Arbeitern und Angestellten im Krankheitsfall. Im Gegenteil, sie zementiert die gesellschaftspolitische Ungleichheit.
({16})
Während der Angestellte nämlich sein Gehalt für sechs Wochen fortgezahlt erhält, soll der Arbeiter bei der versicherungsrechtlichen Lohnfortzahlung im Krankheitsfall seine Leistungsansprüche weiterhin am Schalter der Krankenkasse geltend machen. Die versicherungsrechtliche Lösung hält also an einer sozialen Differenzierung im Krankheitsfalle fest, die antiquiert ist,
({17})
und diese Differenzierung wird von den Arbeitern
als Diskriminierung empfunden. Dem Arbeiter geht
es - das muß immer wieder gesagt werden - keineswegs nur um materielle Fragen, sondern um die gesellschaftspolitische Gleichstellung.
({18})
- Auf Ihre besonderen Anliegen, Herr Kollege Schulhoff, komme ich nachher noch zu sprechen.
Die versicherungsrechtliche Lösung - das ist ein weiteres Argument für die arbeitsrechtliche - konserviert den unerfreulichen Zustand, daß ein kranker Arbeiter im Wege des Lohnsteuerjahresausgleichs unter Umständen höhere Einkünfte erzielen kann als derjenige, der gearbeitet hat. Das ist ein Mißstand, der nur durch die arbeitsrechtliche Lohnfortzahlung beseitigt werden kann.
Schließlich: Die versicherungsrechtliche Regelung schließt vom System her die Beitragszahlung zur Rentenversicherung für Arbeiter in Krankheitszeiten aus. Bei der arbeitsrechtlichen Lohnfortzahlung dagegen werden automatisch für die Zeiten der Krankheit Beiträge an die Rentenversicherung gezahlt. Diese Zahlung von Beiträgen zur Rentenversicherung für Arbeiter bei Krankheit hat zwei positive Wirkungen. In einer Periode, in der der Rentenberg zu bewältigen ist, fließt der Rentenversicherung rund eine Milliarde DM an Beitragseinnahmen mehr zu. Das wirkt sich auf die Höhe des Beitragssatzes der Rentenversicherung für alle Arbeitnehmer günstig aus. Dagegen laufen die späteren Renten, die auf Grund dieser Beiträge zu zahlen sind, erst sehr allmählich an. Ihr Schwergewicht liegt in einer Zeit, in der der Rentenberg längst überwunden ist.
Nun wird von seiten der Wirtschaft erklärt, man sei bei der versicherungsrechtlichen Lösung bereit, den Rentenversicherungsbeitrag für Krankheitszeiten zu übernehmen. Auch der, der dies als Zeichen guten Willens wertet, wird erkennen müssen, daß die Sache nicht durchdacht ist. Dies aus folgendem Grunde: Versicherungsrechtliche Lohnfortzahlung soll nach dem Nettoprinzip, die Beitragszahlung zur Rentenversicherung aber nach dem Bruttoprinzip erfolgen.
Wer diese Probleme ernsthaft durchdenkt, wird außerordentliche Schwierigkeiten erkennen, die das Sozialrecht in einer unvorstellbaren Weise komplizieren. Jedenfalls habe ich noch keine exakte Konzeption gehört, wie diese Dinge einfach geregelt werden können. Gerade um eine Vereinfachung des Sozialrechts geht es auch bei der arbeitsrechtlichen Lohnfortzahlung. Sie bewirkt nämlich eine erhebliche Entlastung der Verwaltung bei den Krankenkassen für Arbeiter. Die Abfertigung von Menschenmassen an den Kassenschaltern wird mit Inkrafttreten der arbeitsrechtlichen Lohnfortzahlung schlagartig zurückgehen. In Zukunft haben nämlich nur die Arbeitsunfähigen, die länger als sechs Wochen krank sind, ihre Kasse zum Empfang von Krankengeld aufzusuchen. Die arbeitsrechtliche Lohnfortzahlung bringt also endlich einmal im Bereich der Sozialversicherung eine Verwaltungsvereinfachung. Schätzungsweise - wir werden das im Ausschuß noch eingehend erörtern - können bei arbeitsrechtlicher Lohnfortzahlung etwa 5000 Angestellte der Krankenkassen für andere Aufgaben Verwendung finden.
Aus all diesen Gründen ist für meine Fraktion nur die arbeitsrechtliche Lohnfortzahlung diskutabel. Wir sind froh, daß sich auch unser Koalitionspartner zu dieser Aufafssung in einem Fraktionsantrag durchgerungen hat.
({19})
- Das ist eine Feststellung. Herr Dorn, wir nehmen zu den Dingen hier sachlich Stellung und betreiben keine Effekthascherei. Das werden wir nachher bei Ihren Sprechern vielleicht erleben.
Aber, Herr Kollege Dorn, damit Sie, falls Sie in die Diskussion eingreifen sollten, noch ein Argument gegen die Lohnfortzahlung haben, will ich Ihnen etwas sagen, was gegen die Lohnfortzahlung spricht. Ich muß nämlich zugeben, daß die Lohnfortzahlung einen Makel hat. „Lohnfortzahlung" ist nämlich ein miserables Deutsch. Es müßte „Lohnweiterzahlung" heißen. Vielleicht können Sie das in der Argumentation verwenden.
({20})
Nun zu den Einwänden, die von den lohnintensiven Klein- und Mittelbetrieben kommen. Die lohnintensiven Betriebe haben seit langem wegen der lohnbezogenen Abgaben ihre Sorgen. Das Haus hat diese Probleme wiederholt diskutiert. Es gab sogar einen 88 Seiten starken Bericht der Bundesregierung
zur Frage der lohnbezogenen Abgaben. Die praktischen Konsequenzen, die man daraus ziehen konnte, waren leider - das ergibt sich aus der Problematik - gering.
Zusätzlich - das möchte ich hier erwähnen - wurden die lohnintensiven Betriebe dadurch beunruhigt, daß im Jahre 1963 im Zusammenhang mit der sogenannten Bergbau-Altlast eine Verlagerung der alten Unfallrenten aus dem Bergbau auf die Wirtschaft, und zwar nach der Lohnintensität, erfolgte.
({21})
Die Wirtschaft hat nach der Lohnintensität jetzt jährlich 500 Millionen DM dafür aufzubringen. Ich habe an die Bundesregierung die Bitte, sich Gedanken darüber zu machen, wie wir von dieser unerfreulichen Regelung wegkommen. Das wäre nämlich eine positive Leistung gerade für die lohnintensiven Betriebe.
({22})
Die Sozialdemokratische Partei ist, seitdem das Parlament Fragen der Lohnfortzahlung behandelt, stets dafür eingetreten, daß die dadurch entstehenden Aufwendungen im Interesse der lohnintensiven Klein- und Mittelbetriebe ausgeglichen werden. Zum erstenmal sind wir im Jahre 1957 im Haus darüber zu einer Abstimmung gekommen, nämlich bei der Einführung des Arbeitgeberzuschusses zum Krankengeld. Damals haben wir bereits ein Ausgleichssystem beantragt. Das wurde von der Mehrheit als überflüssig bezeichnet und abgelehnt.
({23})
Heute sieht unser Gesetzentwurf bei Lohnfortzahlung einen versicherungsrechtlichen Ausgleich bei den Krankenkassen vor, damit die Betriebe die Aufwendungen hierfür kalkulieren können. Außerdem sollen nach unserem Gesetzentwurf den Kleinbetrieben bei der Kassenumlage je nach Beschäftigtenzahl Rabattsätze gewährt werden. Das ist auch wegen des geringeren Krankenstandes dieser Kleinbetriebe aus der Sache heraus gerechtfertigt.
Nach einer Modellrechnung, die ich dankenswerterweise vom Herrn Bundesarbeitsminister erhalten habe, betragen die Mehrbelastungen der Betriebe für die Lohnfortzahlung ohne Berücksichtigung der Rabattsätze für die Kleinbetriebe, wenn man von der Bruttolohnsumme - also nur der Lohnsumme, nicht der Lohn- und Gehaltssumme - ausgeht, rund 2,5 % der Bruttolohnsumme.
({24})
- Herr Schulhoff, nach Ihren Berechnungen 3,1%.
({25})
- Nein, Sie haben darüber eine Pressenotiz mit einer Belastung von 3,1% herausgegeben. Wenn Sie wollen, kann ich sie Ihnen nachher zeigen.
({26})
- Wir sind uns noch nicht einig; deshalb haben wir zwei Gesetzentwürfe eingebracht, Herr Dorn. Aber Sie können ja vielleicht dazu beitragen, daß wir uns bald einig werden.
({27})
Eine solche Größenordnung - 2,5% der Lohnsumme, entsprechend niedriger, wenn man die Lohn-und Gehaltssumme nimmt - kann doch wohl für die Klein- und Mittelbetriebe kaum als existenzbedrohend bezeichnet werden.
({28})
- Ja, was zum anderen kommt, werde ich gleich sagen.
Bei sachlicher Würdigung aller Umstände kann die Lohnfortzahlung eigentlich nicht der Grund für die Unruhe sein, die in den Protestaktionen gegen die Lohnfortzahlung ihren Ausdruck findet.
Das Handwerk ist von der Tradition her stolz auf den engen menschlichen Kontakt zwischen Meistern und Gesellen. Deshalb ist es für mich schwer verständlich, daß eine gesetzliche Regelung, die den Gesellen die gleichen sozialen Rechte bringen soll, wie sie die Lehrlinge im Handwerk schon längst haben, auf so harte und scharfe Ablehnung gerade des Handwerks stößt.
Mein Kollege Regling - Landesinnungsmeister - und ich haben über die Probleme, auf welche Weise den Kleinbetrieben der Übergang zur Lohnfortzahlung erleichtert werden könnte, ein sehr eingehendes und, ich darf sagen, sehr sachliches Gespräch u. a. mit dem Herrn Präsidenten des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks geführt. Daraus haben sich wertvolle Anregungen ergeben, die, so hoffe ich, der Sache dienlich sein werden. Jedenfalls wird meine Fraktion - das möchte ich ausdrücklich erklären - keiner Regelung zustimmen, die unzumutbare Belastungen für Kleinbetriebe mit sich bringt.
({29})
Das ist für uns eine Selbstverständlichkeit; das sind
wir auch dem Handwerk und der Erhaltung seiner
Leistungskraft für unsere Volkswirtschaft schuldig.
({30})
Im übrigen hat unser Gesetzentwurf - auch der der CDU - eine sehr positive Seite für die Selbständigen. Es wird nämlich dadurch ihr Recht auf freiwilligen Beitritt zur Krankenversicherung erheblich verbessert. Die bisherige Einschränkung, daß Selbständige, die sich freiwillig zu versichern wünschen, höchstens zwei Beschäftigte haben dürfen, soll entfallen. Dies ist zusammen mit unserem Stufenplan zur Erhöhung der Versicherungspflichtgrenze, der entsprechend für Selbständige gilt, ein wichtiger Schritt in Richtung auf eine Volksversicherung der Selbständigen. Bestimmt werden viele Selbständige und Gewerbetreibende, die bisher unserem Gesetzentwurf ablehnend gegenüberstehen, bald den Vorteil, der ihnen durch die Erweiterung der Möglichkeit des freiwilligen Beitritts in die gesetzliche Krankenversicherung geboten wird, sehr schätzen lernen.
Offensichtlich gibt es aber Leute, denen gar nichts an einem sachlichen Gedankenaustausch liegt, die vielmehr die Lohnfortzahlung zum Anlaß für eine
unverantwortliche politische Agitation nehmen. Mit Genehmigung des Herrn Präsidenten zitiere ich einen Bericht der „Ruhr-Nachrichten" vom 16. April über eine Vollversammlung der Arbeitsgemeinschaft der Kreishandwerkerschaften von Nordrhein-Westfalen, die in Essen stattfand. Auf dieser Veranstaltung sagte ein Redner:
Der Handwerker, der künftig SPD wählt, gehört gehängt.
({31})
So sprach ein Mitglied dieses Hauses.
({32})
- Herr Dorn, ich nehme im Interesse der Sache davon Abstand, seinen Namen zu nennen.
({33}) Er mag in sein Kämmerlein gehen.
Meine Fraktion wird jedenfalls bei den Ausschußberatungen prüfen, welcher politische Ausgleich beim Ausgleichsverfahren zugunsten der Klein- und Mittelbetriebe gefunden werden kann. Darauf kommt 'es jetzt politisch an.
({34})
Ein weiterer Einwand gegen unseren Entwurf kommt von der privaten Krankenversicherung. Sie sieht ihre Existenz durch die Erweiterung der Versicherungspflicht gefährdet. Wir teilen diese Befürchtung nicht. Unser Entwurf gibt - wie auch der unseres Koalitionspartners - jedem Angestellten,
ij der durch die Erhöhung der Versicherungspflichtgrenze versicherungspflichtig wird, die Möglichkeit, sich befreien zu lassen und sich für seine private Versicherung zu entscheiden. An diesem Grundsatz werden wir auch bei weiteren Erhöhungen der Versicherungspflichtgrenze festhalten.
({35})
Alles andere hängt dann wohl von der Aktivität der Damen und Herren ab, die in diesem privaten Bereich arbeiten.
({36})
- Ja, sie haben vielfältige Erfahrungen von der Lebensversicherung sammeln können.
Schließlich wird unser Gesetzentwurf von denen abgelehnt, die die Kontrolle des Krankenstandes zum Schwerpunkt einer Krankenversicherungsreform machen wollen. Ich kann und will nicht glauben, daß die Mehrheit der Arbeitgeber so denkt. Der deutsche Arbeiter ist kein potentieller Drückeberger.
({37})
Nichts beweist das überzeugender als unsere wirtschaftliche Leistungskraft.
({38})
Wer derartige Pauschalverdächtigungen zur Grundlage gesetzgeberischer Entscheidungen machen will, beeinträchtigt doch wohl den Arbeitsfrieden. Damit dient er nicht unserer Volkswirtschaft, sondern er schadet ihr,
Niemand von uns wünscht einen Mißbrauch der Lohnfortzahlung, und niemand von uns will ihm Vorschub leisten.
Nach unserem Gesetzentwurf soll bei begründeten Zweifeln der Arbeitnehmer auch in den ersten sechs Wochen zum Vertrauensarzt geladen werden. Was wir aber nicht haben wollen, das sind die ungezielten und deshalb unwürdigen und diskriminierenden Massenvorladungen zur Nachuntersuchung.
({39})
Sie verbittern den Arbeiter, und das mit Recht. Das soll abgeschafft werden.
({40})
Nach unserem Gesetzentwurf, auch dem unseres Koalitionspartners - ({41})
- Wir haben als Koalitionspartner engen Kontakt gehalten.
({42})
- Nach unserem Gesetzentwurf bekommt der Vertrauensärztliche Dienst eine andere Qualität. Seine Ärzte sollen sich stärker als bisher der Prävention und der Rehabilitation widmen. Ist das nicht auch ein Einstieg in die Krankenversicherungsreform?
({43})
Eigentlich hatten wir heute die erste Lesung eines Regierungsentwurfs erwartet. Die Äußerungen des Herrn Bundeskanzlers und der Herren Vorsitzenden der beiden Regierungsfraktionen zur Lohnfortzahlung und zum Einstieg in die Krankenversicherungsreform bei der ersten Lesung des Haushalts 1969 ließen das erhoffen. Eine Regierungsvorlage hätte die weitere Beratung erleichtert, wenn auch nicht leichtgemacht. So legt meine Fraktion heute in der gleichen Weise wie unser Koalitionspartner einen eigenen Gesetzentwurf vor.
Wenn die beiden großen Regierungsparteien - und da wende ich mich an gewisse Kreise in der Öffentlichkeit - zu einer bestimmten Materie Gesetzentwürfe einbringen, bekunden sie damit den Willen, diese Fragen in der laufenden Legislaturperiode zu regeln. Das ist der Sinn dieser Gesetzesinitiativen.
({44})
Das mögen die Kräfte, die auf Zeitablauf spekulieren, zur Kenntnis nehmen. Sicherlich würde auch ihren Interessen besser mit konstruktiven Beiträgen zum Thema gedient sein, als daß sie sich ins Bremserhäuschen setzen. Den Zug der Zeit können sie nämlich nick mehr aufhalten.
({45})
Wir überweisen heute zwei Gesetzentwürfe den Ausschüssen. Die Ausschußberatungen müssen zu einem gemeinsamen Entwurf führen, wenn Lohnfortzahlung und Erhöhung der Versicherungspflichtgrenze für Angestellte noch in dieser Legislaturperiode verwirklicht werden sollen,
Nach den harten Auseinandersetzungen - ich bedaure, daß ich Herrn Kollegen Blank nicht sehe -, die zwischen CDU/CSU und SPD seit 14 Jahren über diese Fragen geführt wurden, wäre das eine beachtliche politische Leistung weit über den Bereich der Sozialpolitik hinaus. Um das zu erreichen, müssen wir uns einigen. Das fällt Ihnen schwer, und das fällt uns mindestens ebenso schwer. Trotzdem müssen wir es schaffen!
({46})
Präsident von Hassel: Ich danke für die Begründung und erteile das Wort zur Begründung des Entwurfs der CDU/CSU-Fraktion - Tagesordnungspunkt 2 b - dem Herrn Abgeordneten Dr. Götz.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Was ist eigentlich das Besondere an der heutigen sozialpolitischen Debatte? Was ist das Besondere an der Beratung der beiden vorliegenden Gesetzentwürfe? Geht es dabei wiederum, wie so oft und unvermeidlich, um eine Expertendiskussion über eine sozialpolitische Detailfrage, oder geht es um mehr?
Ich meine: es geht um mehr. Mit der heutigen ersten Lesung der beiden Gesetzentwürfe zur Regelung der Lohnfortzahlung und - soweit es den Gesetzentwurf meiner Fraktion betrifft - zur Änderung des Rechts der gesetzlichen Krankenversicherung wird - das betrachte ich als das Besondere - ein wichtiger Schritt in der Fortführung der Sozialreform getan, die 1957 mit den Rentenreformgesetzen eingeleitet wurde. Das Sozialreformprogramm der fünfziger Jahre hatte - ich darf daran erinnern - die Lohnfortzahlung in Verbindung mit einer Krankenversicherungsreform bereits eingeplant. Aber dieser bedeutsame Teil des damaligen Reformprogramms und des Sozialpakets der 4. Legislaturperiode scheiterte leider an der Unmöglichkeit, die dabei aufgetretenen Interessengegensätze zu überwinden.
Herr Kollege Schulhoff, Sie haben vorhin an einer vergleichbaren Stelle in den Ausführungen des Herrn Professor Schellenberg die Schuldfrage aufgeworfen. Es ist müßig, dieser Schuldfrage nachzugehen.
({0})
Wer immer an dem Scheitern des damaligen Reformwerkes der Lohnfortzahlung und der Krankenversicherungsreform beteiligt war, braucht sich dessen nicht zu rühmen; denn dadurch ist die längst fällige Reform nur noch dringlicher,
({1}) aber auch nicht leichter geworden.
Meine Damen und Herren, ich glaube, eine Erkenntnis konnte man aus dem Scheitern des damaligen Gesetzgebungsvorhabens, dessen Zielsetzung ich nach wie vor durchaus positiv bewerte, gewinnen, nämlich die, daß Sozialreformen eben nicht in einem kurzfristigen Programm konzipiert und bewältigt werden können. Sozialreform: das ist meines Erachtens ein permanenter Prozeß, der besonders in einer modernen und sich ständig wandelnden Industriegesellschaft immer wieder neue Lösungen erfordert, aber auch neue Lösungen erzwingt.
({2})
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Während noch im ersten Jahrzehnt der Bundesrepublik die Politik der sozialen Sicherung schwergewichtig für die Arbeitnehmer oder für solche Bevölkerungsgruppen, die vom Krieg oder seinen schrecklichen Folgen betroffen worden waren, betrieben wurde, muß man heute die Politik der sozialen Sicherung auch unter dem Gesichtspunkt gesehen werden, daß sie in einigen Bereichen der Sozial- und Gesellschaftspolitik allen Schichten der Bevölkerung zugute kommen muß.
Der sich ständig vollziehende Strukturwandel wird auch künftig und außerdem, so meine ich, in wachsendem Maße neue Anforderungen an die Sozial- und Gesellschaftspolitik stellen. Die Schaffung eines leistungsfähigen Systems sozialer Sicherung ist nicht zuletzt im Interesse der Wirtschaft und der gesamten Gesellschaft die dauernde Aufgabe eines modernen Industriestaates. Durch die Lösung neuer sozial- und gesellschaftspolitischer Aufgaben wird die Notwendigkeit der Lösung alter Probleme aber keineswegs hinfällig. Das gilt, so meine ich, im besonderen für die Lohnfortzahlung, und das gilt für die Krankenversicherungsreform.
Lassen Sie mich hier eine kurze Bemerkung zu der in den letzten Wochen und Monaten geführten Diskussion über die Lohnfortzahlung und den Einstieg in die Krankenversicherungsreform machen, zu I Äußerungen, die in der Öffentlichkeit von seiten verschiedener Verbände und Organisationen gemacht wurden, zu Forderungen, die erhoben wurden, etwa mit den Worten: wir verlangen eine „Reform aus einem Guß". Wir haben oft die Schlagworte „Minireform" und „Scheinlösungen" gehört. Mit diesen beiden Schlagworten wurde versucht, das heute auf dem Tisch dieses Hohen Hauses liegende Problem in ein schiefes Licht zu rücken.
({3})
Man sollte dabei aber eines bedenken: Eine Reform zu konzipieren und zu verwirklichen, ist nun einmal keine leichte Sache. Das ist jedenfalls schwieriger als die Konzipierung eines Wahlprogramms. Das gilt für alle Bereiche der Politik, für den sozialen Bereich vielleicht in besonderem Maße; denn hier geht es bei einem Reformwerk nicht nur um die Einführung neuer Leistungen oder Leistungsverbesserungen, sondern hier geht es oft auch um unpopuläre Belastungen. Die dabei meist widerstreitenden Interessen, die oft schon am Anfang eines Reformwerkes stehen, machen einem Arbeits- und Sozialminister das Leben bestimmt nicht leicht - und nicht nur ihm. Bei Reformen geht es ja schließlich auch nicht nur um das Kurieren an Symptomen, sondern um die grundlegende Neugestaltung eines bestimmten Sachgebiets nach einer auf die Zukunft hin ausgerichteten Konzeption.
Meine Damen und Herren! Was ich soeben über den Zeitfaktor, der bei Reformen eine nicht zu
unterschätzende Rolle spielt, sagte, steht aber keineswegs im Widerspruch zur Vorbereitung dieser Gesetzentwürfe. Wir haben auch hier oft den Vorwurf hören müssen, wir versuchten, ein „Jahrhundertprogramm" in wenigen Wochen durchzupeitschen.
({4})
Der Vorwurf, hier übereilt gehandelt zu haben, übersieht aber meines Erachtens, daß über beide Materien in diesem Hohen Hause und in seinen Fachausschüssen nunmehr schon seit Jahren diskutiert wird, über die Lohnfortzahlung bereits seit 12 Jahren. Dieser Einwand übersieht weiter, daß solche Probleme nicht dadurch zu lösen sind, daß man noch über weitere Jahre Gutachten auf Gutachten sammelt.
({5})
Ich meine, es ist an der Zeit, nun endlich die praktische und politische Entscheidung zu treffen, und diese Entscheidung hat dieses Haus zu fällen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es liegen diesem Hause nun zwei Gesetzentwürfe vor, nachdem die Bemühungen, einen Regierungsentwurf oder zumindest einen gemeinsamen Entwurf der Koalition einzubringen, zu keinem Ergebnis geführt haben. Die Einbringung getrennter Entwürfe ist aber keineswegs ein Beweis für das Vorhandensein unüberbrückbarer gegensätzlicher Auffassungen in der Koalition, zumindest, soweit sie das Grundanliegen betreffen.
({6})
Divergierend sind allerdings die Meinungen über die von uns für notwendig gehaltenen Rechtsänderungen der gesetzlichen Krankenversicherung, besonders hinsichtlich der Neuregelung der Einkommensgrenze und des Einstiegs in die Selbstbeteiligung. Unterschiedlich ist in beiden Gesetzentwürfen die Gestaltung des Ausgleichs des Lohnfortzahlungsrisikos für die Arbeitgeber. An einem Ausgleich zugunsten der Klein- und Mittelbetriebe halten wir unbedingt fest. Aber über Form und Umfang des Ausgleichs, meine ich, kann man und muß man sich verständigen. Das sind keine Weltanschauungsfragen. Wir sind zuversichtlich, daß sich hier eine vernünftige und endgültige Regelung, auch in Abstimmung mit den berufsständischen Organisationen, finden läßt.
Weitgehend einig sind wir uns in der Konzeption der Lohnfortzahlung, mit den gleichen Konsequenzen, mit den gleichen Vorteilen für den Arbeiter, wie sie Herr Professor Schellenberg hier bereits aufgeführt hat.
Lassen Sie mich auch noch ein Wort zu dem Motiv für die Einführung der Lohnfortzahlung sagen! Es liegt auch für meine Fraktion darin, daß eine unterschiedliche Behandlung von Arbeitern und Angestellten in unserer Gesellschaft nicht mehr zu rechtfertigen ist. Es ist nun einmal ein Faktum in unserer Gesellschaft, daß in ihr auch heute noch der Angestellte ein höheres Sozialprestige hat als
der Arbeiter. Wir meinen, daß diese unterschiedliche Wertung endlich einmal überwunden werden muß, zumal es viele Arbeiter gibt, die hochqualifizierte Arbeiten ausführen, für die eine umfangreiche und ein hohes Intelligenzniveau voraussetzende Ausbildung erforderlich ist, während es auf der anderen Seite Angestellte gibt, die oft nur einfachste Arbeiten unter Anleitung verrichten. Man kann aber auch heute - das möchte ich mit Betonung herausstellen - immer häufiger beobachten, daß viele Arbeitnehmer aus Arbeiterberufen in Angestelltenberufe drängen, obwohl sie in diesen eine weniger qualifizierte Tätigkeit ausüben als in ihren bisherigen Arbeiterberufen, oft sogar unter finanziellen Opfern, nur deshalb, weil sie in dem neuen Beruf ein höheres Sozialprestige haben, weil sie sich als Angestellte gesellschaftlich höher bewertet fühlen.
Daß solche Erscheinungen in unserer Gesellschaft unerwünscht sind, braucht nicht besonders betont zu werden. Wir haben gerade heute ein Interesse daran, daß jeder Arbeitnehmer in der Arbeitswelt einen Arbeitsplatz findet, der seiner Begabung und seiner Leistung entspricht. Unter diesem Gesichtspunkt bemühen wir uns um eine weitgehende fachliche und regionale Mobilität und um die Förderung des beruflichen Aufstiegs und der Umschulung. Wenn aber heute immer noch Arbeitsplätze nach dem Gesichtspunkt des Sozialprestiges gewählt werden, so ist dies ein nicht zu übersehender Hinweis darauf, daß hier irgend etwas nicht in Ordnung ist, daß wir diese Unterschiede im Sozialstatus abbauen müssen.
Wir sollten schließlich auch nicht übersehen, daß viele Unternehmer innerbetrieblich bereits einen einheitlichen Status für alle Arbeitnehmer eingeführt haben. Das muß ja schließlich einen Grund haben.
Die gesellschaftliche Angleichung der Arbeiter und Angestellten erzwingt sich aber auch dadurch, daß die Zahl der Angestellten immer mehr zunimmt, während die Zahl der Arbeiter in den nächsten Jahren, wahrscheinlich auch in absoluten Zahlen, zurückgehen wird. Daraus ergeben sich für den Berufsnachwuchs zunehmend Chancen in den Angestelltenberufen. Muß dies nicht, meine verehrten Kolleginnen und Kollegen, dazu führen, daß tüchtige und begabte Jugendliche nur noch in Angestelltenberufe gehen wollen, wenn die mindere gesellschaftliche Bewertung des Arbeiters nicht endlich überwunden wird? Muß nicht aber auch die Wirtschaft - ich meine insbesondere das lohnintensive Handwerk - daran interessiert sein, qualifizierte Kräfte in traditionellen Arbeiterberufen zu binden?
Wer diese Fragen konsequent durchdenkt, muß zu dem Ergebnis kommen, daß die heutige differenzierte Behandlung von Arbeitern und Angestellten überlebt ist. Der Arbeiter unserer Zeit, der hochqualifizierte Tätigkeiten ausübt und oft die Verantwortung für industrielle Anlagen, die oft Millionenwerte verkörpern, trägt, vermag nicht einzusehen, warum er anders behandelt werden soll als der Angestellte. Die Zeiten, in denen in einer scharf geglieDr. Götz
derten Klassengesellschaft der Rollkragenpullover des Arbeiters und der weiße Hemdkragen des Angestellten noch Statussymbole waren, diese Zeiten sind vorbei. Die Überwindung dieses unterschiedlichen Status ist nicht nur für den Arbeiter von Interesse, sondern auch für die gesamte Gesellschaft.
Nun konnte man, meine Damen und Herren, in der Diskussion oft den Einwand hören, der Arbeiter stünde sich ja bei der arbeitsrechtlichen Lohnfortzahlung materiell nicht besser als bei der jetzigen Regelung. Kollege Professor Schellenberg ist darauf schon eingegangen. Ich meine, daß dieser Einwand an dem Kern der Sache vorbeigeht. Das Verlangen des Arbeiters nach einer Regelung der Lohnfortzahlung ist eben nicht nur im materiellen Vorteil begründet, sondern auch und vor allem im gesellschaftlichen Ansehen. Man sollte auch dem deutschen Arbeiter nicht immer nur eine materielle Denkweise unterstellen. Man täte ihm damit unrecht. Eine solche Unterstellung entbehrt, gemessen an dem Verhalten des deutschen Arbeiters in der Zeit des Wiederaufbaus, jeder Grundlage.
({7})
Daher, meine Damen und Herren, befürworten wir die Gleichstellung des Arbeiters mit dem Angestellten im Krankheitsfalle. Wir sind der Meinung, daß sie im vollen Einklang mit einer gesellschaftlichen Entwicklung steht, in der allein die Leistung und der Erfolg ausschlaggebend sind.
Die Notwendigkeit der Beseitigung dieser Ungleichbehandlung ist unbestritten, denn prinzipiell bekennen sich ja heute Unternehmer und Handwerker zur Beseitigung dieser Ungleichbehandlung. Nur über die Form der Gleichbehandlung gehen da und dort die Meinungen auseinander. Wir haben uns für die arbeitsrechtliche Lösung entschieden.
Warum haben wir uns für die arbeitsrechtliche Lösung entschieden? Deswegen, weil diese Form - und das ist vielleicht ein zusätzliches Argument zu den Argumenten von Herrn Professor Schellenberg - uns geeignet erscheint, die personalen Beziehungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu verbessern. Wir meinen, daß die versicherungsrechtliche Lösung nicht der geeignete Weg ist, den Status des Arbeiters an den des Angestellten heranzuführen.
Aber es kommt ein anderer Gesichtspunkt hinzu: Die arbeitsrechtliche Lohnfortzahlung bringt in den ersten sechs Krankheitswochen die Fortzahlung eines echten Arbeitseinkommens, während die bisherige Nettolohnfortzahlung ja ein Ersatzeinkommen ist, das im einkommensteuerrechtlichen Sinn nicht unter den Einkommensbegriff fällt. Mit der Einführung der Bruttolohnfortzahlung für Krankheitszeiten bis zu sechs Wochen wird dieser Lohnsteuer-Jahresausgleich in Fortfall kommen, durch den, wie wir alle wissen, in vielen Fällen der Arbeitnehmer mit Krankheitszeiten hinsichtlich seines Nettoeinkommens zur Zeit günstiger gestellt ist als sein Kollege
ohne Krankheitszeiten. Wir alle wissen, daß dies ein Ärgernis ist; es sollte beseitigt werden.
({8})
- Genau!
Und nun noch ein Wort zur Belastung der Wirtschaft. Wir bagatellisieren die mit der arbeitsrechtlichen Lohnfortzahlung verbundene finanzielle Belastung der Wirtschaft keineswegs. In der Diskussion der letzten Wochen wurde vor allem von Arbeitgeberseite immer sehr stark die Kostenseite der arbeitsrechtlichen Lohnfortzahlung herausgestellt. Wir verkennen nicht, daß die damit verbundenen Kosten erheblich sind. Daher war ja auch meine Fraktion von Anfang an gewillt und bestrebt, die Lohnfortzahlungskosten, insbesondere für die lohnintensiven Klein- und Mittelbetriebe, kalkulierbar und tragbar zu machen. Wir sind uns natürlich im klaren darüber, daß eine Verbesserung für den Arbeiter, sei sie gesellschaftspolitisch noch so erwünscht, ja schließlich nicht zum Ruin seines Arbeitgebers führen darf.
Wir erwarten natürlich auch, daß die Mehrbelastung, die sich aus der arbeitsrechtlichen Lösung ergibt und die etwa 31/2 % der Barlohnsumme betragen wird, bei künftigen Lohntarifverhandlungen Berücksichtigung findet. Denn sonst könnte in vielen strukturell schwachen Branchen oder Regionen - ich denke besipielsweise an das Zonenrandgebiet - eine über das tragbare Maß hinausgehende Steigerung der Löhne und Lohnnebenkosten viele Betriebe in Schwierigkeiten bringen, weil hier Preiserhöhungen auf dem Markt nicht durchgesetzt werden können und andererseits auch eine Schmälerung der in diesen Unternehmen ohnehin niedrigen Unternehmereinkommen nicht zumutbar ist.
Unter den Gesichtspunkten der Stabilitäts- und Konjunkturpolitik wird die Lohnfortzahlung nach unserer Meinung nicht zu einer Verschärfung der Schwierigkeiten, sondern eher zu einer Beruhigung der Entwicklung beitragen. Es ist doch eine bekannte Tatsache, daß in den letzten Monaten die Effektivlöhne wieder stärker als die Tariflöhne gestiegen sind. Wie in früheren Phasen der Hochkonjunktur könnte sehr bald diese zunehmende Lohndrift die Bemühungen um eine konjunkturgerechte und eine abgestimmte Lohn- und Einkommensentwicklung erheblich stören. Niemand will das. Daher scheint uns die Lohnfortzahlung geeignet, eine derartige unerwünschte Entwicklung zu dämpfen. Bei der Abstimmung von Lohnfortzahlung und Lohnpolitik der Sozialpartner besteht unserer Meinung nach die Aussicht, eine sonst zu erwartende ruckartige Lohnexpansion mit allen ihren negativen Folgen für eine konjunkturelle Entwicklung zu vermeiden.
Nach langen Überlegungen glauben wir, in unserem Entwurf einen Weg für den Ausgleich der Lohnfortzahlungskosten gefunden zu haben, der den Erwartungen vor allem der Klein- und Mittelbetriebe sehr weitgehend entgegenkommt. Wir haben in unserem Entwurf vorgesehen, daß alle Betriebe, die bis zu 20 Arbeitnehmer beschäftigen, ihre Lohnfortzahlungskosten durch Ausgleichskas12522
sen untereinander zu 80 % ausgleichen. Die Aufwendungen der Ausgleichskassen sollen durch Umlagen der Betriebe finanziert werden. Für eine Übergangszeit soll außerdem der Bund degressive Zuschüsse an die Ausgleichskassen leisten. Dadurch wird die Belastung der begünstigten Kleinbetriebe erheblich verringert. Auch dem lohnintensiven Kleinbetrieb, Herr Kollege Schulhoff, ist damit unseres Erachtens die Sorge um die Gefährdung seiner Existenz durch die Lohnfortzahlung genommen.
Grundsätzlich wird von meiner Fraktion in der Lohnfortzahlung auch ein geeigneter Weg gesehen, das partnerschaftliche Verhältnis zwischen Arbeitgebern und Arbeitern weiter zu vertiefen. So hätten eigentlich beide Seiten ihren Nutzen.
Noch ein kurzes Wort zur Neuordnung des Vertrauensärztlichen Dienstes. In Verbindung mit der Einführung der Lohnfortzahlung ist natürlich auch eine Neuordnung der Bestimmungen über die vertrauensärztlichen Untersuchungen erforderlich. Auch hier sollen Arbeiter und Angestellte künftig gleichbehandelt werden, und die Krankenkassen sollen verpflichtet werden, vertrauensärztliche Untersuchungen in den erforderlichen Fällen bereits während des Zeitraums der Gehalts- und Lohnfortzahlung einzuleiten. Die vertrauensärztlichen Untersuchungen sollen aber nicht nur der Begutachtung der Arbeitsunfähigkeit unter medizinischen Gesichtspunkten dienen - wie Herr Professor Schellenberg auch schon ausführte -, sondern auch der Einleitung geeigneter Maßnahmen zur Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit. Die Nutzung der diagnostischen Möglichkeiten des Vertrauensärztlichen Dienstes kann oft die Behandlung durch den Hausarzt sinnvoll unterstützen.
({9})
Nun, meine Damen und Herren, ein Wort zu der von uns vorgesehenen Verbindung zwischen Lohnfortzahlung und Krankenversicherungsreform. Dies ist ja der gravierendste Unterschied zwischen unserer Gesetzesinitiative und den Vorschlägen unseres Koalitionspartners. Unser Gesetzentwurf sieht einen Einstieg in die Krankenversicherungsreform vor. Eine Gesamtreform läßt sich wegen der Vielschichtigkeit des Problems in dieser Legislaturperiode allein aus zeitlichen, aber auch aus sachlichen Gründen nicht mehr realisieren. Das komplizierte Dreiecksverhältnis zwischen Kasse, Patient und Arzt schafft Probleme, die nicht in einem Zuge und nicht von heute auf morgen gelöst werden können.
({10})
- Das sollte uns aber, Herr Kollege Schulhoff, nicht daran hindern, die Reform wenigstens in Angriff zu nehmen,
({11})
zumal das bisherige System doch eine Reihe von Ungereimtheiten aufweist, deren Beseitigung nicht nur, ja, nicht einmal in erster Linie im Interesse der Kassen oder der Ärzte liegt, sondern vor allem im
Interesse des Versicherten und der Erhaltung seiner Gesundheit.
({12})
Diese Tatsache ist jedem Sachkenner, aber auch jedem mitdenkenden Staatsbürger längst bekannt, nicht erst seit gestern, sondern bereits seit einigen Jahren.
Nun wird natürlich die Reform der gesetzlichen Krankenversicherung einige unpopuläre Maßnahmen erfordern. Dazu muß man, wenn man eine moderne und fortschrittliche gesetzliche Krankenversicherung will, eben ganz einfach auch den Mut haben.
({13})
Regelt man die Lohnfortzahlung für sich allein, dann, meine ich, bleiben eben doch die Strukturen der Krankenversicherung auch weiterhin ungelöst. Das Junktim zwischen Lohnfortzahlung und Krankenversicherungsreform ist unseres Erachtens ein durchaus legitimes politisches Mittel, die gesetzliche Krankenversicherung rechtzeitig auf eine gesunde Basis zu stellen. Die Maßnahme, die wir für diesen Einstieg in die Krankenversicherungsreform vorschlagen, gibt uns auch die Möglichkeit, Erfahrungen zu sammeln, um die notwendige Grundlage für weitere Überlegungen zu gewinnen.
Nun steht im Zusammenhang mit dem Einstieg in die Krankenversicherungsreform die Frage der Selbstbeteiligung des Versicherten an den Krankenbehandlungskosten. Meine Damen und Herren, wir sind der Meinung, daß es an der Zeit ist, in dieser Frage wie auch in anderen sozial- und gesellschaftspolitischen Fragen von Denkmodellen Abschied zu nehmen, die nicht mehr ganz in unsere Zeit und zu einer Wohlstandsgesellschaft passen. Auch auf diesem Gebiet sollte man die heute ja so oft proklamierte Reformfreudigkeit und Fortschrittlichkeit unter Beweis stellen. Es wäre zu schade für die Sache, würden sich auch diesmal wieder an dieser Frage die Geister scheiden. Man kann die Lösung dieses Problems - aus welchen Gründen auch immer - vor sich herzuschieben versuchen; aber ausweichen kann man ihm auf die Dauer doch nicht.
Auf dem Wege zu einer sinnvollen und fortschrittlichen Krankenversicherungsreform wurden in den vergangenen Jahren von verschiedenen Interessengruppen - wir erinnern uns - immer wieder eine Reihe von Hürden aufgestellt. Der mangelnde Mut zur Einführung der Selbstbeteiligung war eine davon. Meine Damen und Herren, vielleicht hing es aber auch damit zusammen, daß damals jede Diskussion darüber sehr stark unter dem Vorzeichen des Mißbrauchsvorwurfs geführt wurde. Selbstverständlich gibt 'es Mißbrauchsfälle. Jeder Krankenkassendirektor kann ein Lied davon singen. Wer den Mißbrauch auf Kosten der Versichertengemeinschaft überhaupt leugnet, macht sich vom Bürger im Sozialstaat ein Bild, das der Wirklichkeit ganz einfach nicht entspricht. Er sieht in jedem Bürger einen Menschen ohne Fehl und Tadel, der von der Gemeinschaft immer nur das verlangt, was er wirklich braucht und was er aus eigenen Kräften zu erDr. Götz
langen nicht in der Lage ist. Es empfiehlt sich meines Erachtens, den Menschen so zu sehen, wie er ist, mit all seinen Fehlern und Schwächen, und es empfiehlt sich, einen Weg zu suchen, der diesen Menschen zum mitdenkenden und zum kostenbewußten Staatsbürger macht.
({14})
Niemand verlangt, meine Damen und Herren, daß jeder Bürger aus eigenen Kräften materielle Vorsorge für den Fall künftiger Krankheit trifft. Er kann sich und seine Familie gegen dieses Risiko versichern, und die Versichertengemeinschaft garantiert ihm auch das Recht auf Behandlung entsprechend dem Stand der medizinischen Wissenschaft. Niemand braucht zu sterben, weil er arm ist. Das Prinzip der Solidarität muß aber meines Erachtens ins Wanken kommen, wenn es nicht durch Elemente der Eigenverantwortung vor Überlastung geschützt wird. Eine solidarische Krankenversicherung kann auf die Dauer nur funktionieren, wenn alle Beteiligten ihre Leistungen sinnvoll und haushälterisch in Anspruch nehmen.
({15})
Nun kann man sehr oft das Argument hören, daß die Selbstbeteiligung den Gang zum Arzt verhindern würde. Ich meine, wer so argumentiert, degradiert den Staatsbürger zum willenlosen Versorgungsempfänger,
({16})
und das paßt doch eigentlich schecht in das sonst gezeichnete Bild von der mündigen Gesellschaft. Namens meiner Fraktion betone ich, daß die Stärkung der Eigenverantwortung des Versicherten für uns eine unerläßliche Vorbedingung für die endgültige Verabschiedung der Lohnfortzahlung und der in der Krankenversicherung vorgesehenen Rechtsänderung ist.
Meine Damen und Herren, wir sind uns natürlich im klaren darüber, daß mit der Selbstbeteiligung der Versicherten an den Krankheitskosten allein die strukturellen, organisatorischen und finanziellen Probleme einer modernen Krankenversicherung nicht zu lösen sein werden. Was aber unbedingt angestrebt werden muß, ist eine Synthese von optimaler gesundheitlicher Betreuung und finanzieller Belastbarkeit der Solidargemeinschaft.
({17})
Die Erreichung dieses Zieles - täuschen wir uns darüber nicht hinweg - ist gewiß nicht leicht. Dem stehen natürlich auch zum Teil berechtigte und verständliche Eigeninteressenen entgegen. Zwar hält jeder die Reform auch in diesem Bereich - wie in anderen Bereichen - für notwendig, aber möglichst nicht bei sich.
Wir würden es begrüßen, Herr Bundesminister, wenn Sie im Rahmen der Vorbereitung der weiteren Phasen der Krankenversicherungsreform den Versuch machten, alle daran Beteiligten - die Ärzte, die Apotheker, die Vertreter der pharmazeutischen Industrie, der Kassen und der Sozialpartner - zu einem Dialog an einen Tisch zu bringen.
Nun muß ich natürlich auch ein Wort zu unseren Vorschlägen zur Selbstbeteiligung sagen. Wir haben einige Vorschläge gemacht, und zwar - ich betone das - nach gründlichen Überlegungen und nach reiflicher Abwägung aller Argumente, die für und gegen diese Vorschläge vorgebracht werden können.
Die Einführung eines Wertkrankenscheins allein halten wir nicht für ausreichend, zumal die mit diesem Wertschein verbundenen Aufwendungen, die wir auf rund 630 Millionen DM jährlich schätzen - man mag darüber streiten, ob es sich um Mehrausgaben oder Mindereinnahmen der gesetzlichen Krankenversicherung handelt -, bei den Pflichtversicherten zur Hälfte von den Arbeitgebern aufgebracht werden müssen. Die Beschränkung auf die Einführung eines Wertscheins als ersten Schritt des Einstiegs in die Selbstbeteiligung würde für die Arbeitgeber zu kostspielig werden. Deshalb hat meine Fraktion vorgeschlagen, die Rezeptblattgebühr zu verdoppeln und nur für die Stammversicherten bei Krankenhausaufenthalten für die Dauer des Zeitraums der Lohnfortzahlung eine Selbstbeteiligung von 3 DM pro Pflegetag einzuführen.
Lassen Sie mich zu diesen Vorschlägen einige kurze Erläuterungen geben. Zunächst zu dem so, genannten Wertkrankenschein. Hier handelt es sich um die Vergütung für nicht in Anspruch genommene Krankenscheine. Nach unserem Vorschlag sollen für den Versicherten und seine Ehefrau jährlich höchstens drei nicht in Anspruch genommene Scheine vergütet werden. Der Höchstbetrag der Rückerstattung beträgt damit 60 DM pro Jahr. Wir haben sehr ausgiebig darüber diskutiert, ob man nicht den Wert des einzelnen Krankenscheins noch höher ansetzen sollte, um den Versicherten einen größeren Anreiz zu geben, die Inanspruchnahme des Arztes und die Inanspruchnahme von Arzneimitteln bei kleinen Erkrankungen aus eigener Tasche zu zahlen. Wir haben diesen Gedanken wieder aufgegeben und uns auf 10 DM geeinigt, einmal, um das Volumen der Beitragsrückgewähr zu begrenzen, zum anderen aber auch, um nicht finanzielle Barrieren gegen die Inanspruchnahme des Arztes aufzurichten.
Ich glaube, daß man aber bei der Festsetzung des Wertes des einzelnen Krankenscheines auch berücksichtigen muß, daß die Kosten pro Quartal für jeden Behandlungsfall in einem Drittel aller Behandlungsfälle unter 10 DM und bei weiteren 30% aller Behandlungsfälle zwischen 10 und 20 DM liegen. Es war auch zu berücksichtigen, daß die Kombination der Einführung des Wertscheins mit einer Erhöhung der Rezeptblattgebühr vielleicht bereits ein ausreichender Anreiz für den Versicherten ist, auf eine unnötige Inanspruchnahme der Kasse zu verzichten.
Meine Damen und Herren, es mag bessere Möglichkeiten geben, das überholte, anonyme Sachleistungssystem künftig fortzuentwickeln. Aber wir glauben, mit unserem Vorschlag, der bessere Lösungsmöglichkeiten in einer späteren Phase der Reform nicht verbaut, einen ersten Schritt in diese Richtung getan zu haben, und hoffen, daß wir 'ihn nicht allein zu gehen brauchen. Wir versprechen
uns davon einen Rückgang der Bagatellfälle, also jener Fälle - lassen Sie es mich vielleicht besser so formulieren -, die durch eine übermäßige Inanspruchnahme des Arztes die Wartezimmer der Ärzte für wirklich ernsthaft Kranke blockieren.
Nun ein Wort zur Rezeptblattgebühr. Meine Damen und Herren, jedermann weiß, daß der Arzneimittelverbrauch und die Arzneimittelkosten die Krankenkassen in einem geradezu unerträglichen Maße belasten. Diese stehen den schwindelerregenden Ausgabesteigerungen für Medikamente, auch für solche, die sich der Versicherte auf eigene Kosten besorgen könnte, wenn er glaubt, sie unbedingt haben zu müssen, geradezu hilflos gegenüber. Es ist uns bekannt, daß die Aufwendungen für Medikamente bei den Krankenkassen in den letzten drei Jahren um mehr als 35 % gestiegen sind. Wir meinen, daß eine Erhöhung der Rezeptblattgebühr auf 2 DM dieser Entwicklung entgegenzuwirken vermag. Ein solches Ergebnis hätte im Hinblick auf die oft gesundheitsschädlichen Folgen eines übertriebenen Arzneimittelkonsums auch seinen gesundheitspolitischen Wert.
({18})
Nun ein Wort zu dem von uns vorgeschlagenen Eigenbeitrag zu den Krankenhausbehandlungskosten in Höhe von 3 DM, ich füge noch einmal hinzu: nur für die Stammversicherten und nur für den Lohnfortzahlungszeitraum. Dieser Vorschlag fand in der Öffentlichkeit nicht nur negative Kritik, meine Damen und Herren, sondern da und dort auch eine
I) positive Resonanz, namentlich in Sachverständigenkreisen. Für uns ist diese maßvolle Selbstbeteiligung, wie wir meinen, nicht in erster Linie wegen der damit verbundenen Entlastung der Krankenkassen pro Pflegetag interessant, sondern deshalb, weil erfahrungsgemäß auch schon bei einer geringen Direktbeteiligung das Interesse des Versicherten geweckt wird, die Dauer des Aufenthalts im Krankenhaus auf die zur Wiederherstellung seiner Gesundheit notwendige Zeit zu begrenzen. Die im internationalen Vergleich außergewöhnlich hohe durchschnittliche Verweildauer in unseren Krankenhäusern und die längere Verweildauer der Kassenpatienten gegenüber den Privatpatienten sollten uns zu denken geben und sollten für uns jedenfalls Veranlassung sein, über die Ursache nachzudenken und notwendig und zumutbar erscheinende Korrekturen vorzunehmen.
An dieser Stelle möchte ich ein Wort zu der von uns vorgeschlagenen Anhebung der Versicherungspflichtgrenze und der Beitragsbemessungsgrenze sagen. Um es gleich vorwegzunehmen, meine Damen und Herren: Eine Anhebung der Versicherungspflichtgrenze in dem von unserem Koalitionspartner vorgeschlagenen Ausmaß und zu den in seinem Entwurf festgelegten Zeitpunkten halten wir wegen der damit verbundenen zusätzlichen finanziellen Belastung für die Wirtschaft für nicht realisierbar, auch nicht für übereinstimmend mit den Bemühungen der Bundesregierung um die Stabilisierung des Preisniveaus.
Die in unserem Vorschlag vorgesehene Anhebung der Versicherungspflicht- und Beitragsgrenze von 900 auf 990 DM ab 1. Juli 1970 ist auf lebhafte Kritik gestoßen. Wir sind bei unserem Vorschlag von der Auffassung ausgegangen, daß eine Anhebung der Versicherungspflichtgrenze und der Beitragsbemessungsgrenze in der ersten Stufe der Krankenversicherungsreform aus den dargelegten Gründen nur in einem bescheidenen Umfang erfolgen kann, weil nämlich die Mehrbelastung der Wirtschaft in tragbaren Grenzen gehalten werden muß. Das gilt auch hier und im besonderen für die mittelständischen Unternehmen.
Meine Fraktion lehnt bis zur endgültigen Reform der Einkommensgrenzen, die meines Erachtens dann für Arbeiter und Angestellte gemeinsam gelten sollten, insbesondere eine unterschiedliche Festsetzung der Versicherungspflichtgrenze und der Beitragsbemessungsgrenze ab. Wir sind der Auffassung, daß die Beitragsbemessungsgrenze nicht tiefer angesetzt werden darf als die Versicherungspflichtgrenze, weil die soziale Krankenversicherung hinsichtlich der Finanzierung der Sachleistungen darauf angewiesen ist, daß die höher verdienenden Angestellten und Arbeiter für die Krankenkassen einen Solidarbeitrag leisten, der ihrem Einkommen angemessen ist. Bis zur endgültigen Regelung der Versicherungspflichtgrenze besteht aber nach unserer Meinung durchaus die Möglichkeit, daß Arbeitgeber und Arbeitnehmer oder die Tarifpartner Vereinbarungen über Arbeitgeberzuschüsse zum Krankenversicherungsbeitrag derjenigen Angestellten treffen, die nicht der Krankenversicherungspflicht unterliegen, wie es in einigen Fällen schon der Fall war.
({19})
Auch Professor Schellenberg hat die Nebenwirkungen der arbeitsrechtlichen Lohnfortzahlung angesprochen. Ich kann mich dazu kurz fassen. In dem von mir eingangs genannten gesellschaftspolitischen Motiv spielt natürlich auch der Gesichtspunkt der Finanzierung der gesetzlichen Rentenversicherung und Krankenversicherung eine Rolle. Das in den 50er Jahren konzipierte Programm der Sozialreform hat in der gesetzlichen Rentenversicherung für Arbeiter und Angestellte einheitliche Leistungen und gleiche Beitragssätze eingeführt. Das war konsequent, weil das Reformprogramm auch die Gleichstellung der Arbeiter und Angestellten im Krankheitsfall zum Gegenstand hat. Die uns allen bekanntgewordene unterschiedliche finanzielle Entwicklung zwischen der Arbeiterrentenversicherung und der Angestelltenversicherung hat vielerlei Ursachen. Eine davon ist die Tatsache, daß im Gegensatz zu den Angestellten für die Arbeiter in den ersten sechs Krankheitswochen keine Beiträge zur Arbeiterrentenversicherung gezahlt werden. Durch die arbeitsrechtliche Lösung erwächst nun der Arbeiterrentenversicherung eine Beitragsmehreinnahme in Höhe von etwa einer Milliarde DM, die uns die Lösung der Finanzprobleme dieses Zweiges der Versicherung wesentlich erleichtern wird.
Entsprechendes gilt auch für die Krankenversicherung. Der Arbeiter zahlt heute für die Krankenversicherung einen höheren Beitrag als der Angestellte. Er deckt u. a. mit seinem Beitrag im
Gegensatz zum Angestellten zur Hälfte den Krankengeldanspruch ab, den er in den ersten sechs Wochen der Krankheit hat. Die Entlastung der Krankenversicherung durch die Lohnfortzahlung und die Beitragsmehreinnahmen ermöglichen eine Herabsetzung des Beitragshöchstsatzes um etwa 2 %. Eine weitergehende Herabsetzung, wie sie im SPD-Entwurf vorgesehen ist, halten wir für zu weitgehend; denn den einzelnen Kassen sollte die Möglichkeit bleiben, strukturelle Mehrbelastungen und den steigenden Ausgabentrend auch in den nächsten Jahren abfangen zu können.
Ich komme zum Schluß. Meine Fraktion hat diesen Gesetzentwurf vorgelegt, weil sie die Gesetzgebung auch im Bereich der Lohnfortzahlung und der gesetzlichen Krankenversicherung an den Notwendigkeiten der Zukunft ausrichten möchte. Die Vorlage ist, so meinen wir, Audsruck einer fortschrittlichen sozial- und gesellschaftspolitischen Gesinnung. Sie verbaut nicht weitere Schritte in der gesetzlichen Krankenversicherungsreform. Sie vermeidet unzumutbare soziale Härten, und sie hält sich im übrigen in einem Rahmen, der bei gutem Willen auch eine breite Zustimmung dieses Hohen Hauses finden kann. Wir werden uns einer zügigen Beratung in den zuständigen Ausschüssen nicht verschließen und für bessere Vorschläge aufgeschlossen sein.
({20})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Spitzmüller.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen, meine Herren! Nach den sehr ausführlichen Begründungsreden meiner beiden Vorredner darf ich sagen: Sie haben bei meinem Heraufgehen gesehen, daß ich dieses schöne Büchlein des Kollegen Ruf mitgebracht habe.
({0})
Aber ich möchte Ihnen versprechen, daß ich nicht die Absicht habe, daraus mehr zu zitieren als einen einzigen Satz vom CDU-Parteitag, wenn der Präsident das genehmigt.
Um was geht es hier? Meine Herren Vorredner haben bei der Begründung der unterschiedlichen Gesetzentwürfe nach meinem Dafürhalten an den Problemen, um die es bei der Bruttolohnfortzahlung auch geht, ein bißchen vorbeigeredet. Es waren verhältnismäßig lange Reden; aber es waren Reden des schlechten Gewissens, das man offensichtlich ein wenig abreagieren wollte.
({1})
Herr Kollege Dr. Götz hat erfreulicherweise festgestellt, daß in diesem Hause seit Jahren nicht mehr strittig ist, daß die sozialen und materiellen Nachteile der Arbeiter im Krankheitsfall gegenüber den Angestellten beseitigt werden sollen. Worum die Auseinandersetzung in diesem Hause in den letzten Jahren ging, war die Form, in der diese Regelung getroffen werden soll. Es ging darum, daß die
Verbesserungen für die Arbeiter nicht zum Nachteil der kleinen und mittelständischen lohnintensiven Betriebe gestaltet werden, daß von einer solchen Regelung kein Preisauftrieb ausgeht und daß eine solche Regelung nicht zur Gefährdung von Arbeitsplätzen krankheitsanfälliger Arbeiter führt.
Die Art und Form, in der dieses Thema aber nun erneut durch die Gesetzentwürfe unmittelbar vor Schluß der Legislaturperiode zur Debatte gestellt wird und behandelt und durchgepeitscht werden soll, wird vermutlich leider eine ganze Reihe von negativen Konsequenzen mit sich bringen, vor denen wir warnen möchten. Gesellschaftspolitik, Sozialpolitik versteht sich für uns Freie Demokraten als der Versuch der inneren Befriedung der einzelnen Gruppen im Verhältnis zueinander wie auch in ihrem Verhältnis zur Gesellschaft. Das ist das Ziel und die Aufgabe der Sozialpolitik.
Herr Kollege Schellenberg, Sie haben hier ja eine Attacke gegen die versicherungsrechtliche Lösung der Lohnfortzahlung im Krankheitsfalle geritten. Die Argumentation, die Sie hier gebracht haben, ist in meinen Augen total antiquiert.
({2})
- Ich bin der Meinung, die versicherungsrechtliche Lösung ist eine moderne Konzeption. Ich werde das auch noch darlegen, Herr Kollege Schellenberg.
({3})
- Herr Kollege Schellenberg, Ihr Beitrag und Ihr Angriff auf eine versicherungsrechtliche Lösung war nämlich der Angriff auf einen Minivorschlag einer versicherungsrechtlichen Lösung und nicht auf d e n Vorschlag einer versicherungsrechtlichen Lösung, der nämlich alle Nachteile, die der Arbeiter heute gegenüber den Angestellten hat, beseitigt. Da bleibt nämlich in Ihren Angriffen nichts mehr übrig von dem,
({4})
was Sie als dikriminierend bezeichnet haben. Lassen Sie mich das einmal ausführen. Sie haben gesagt, es sei diskriminierend - wenn ich es richtig mitgeschrieben habe -, wenn der Arbeiter im Krankheitsfalle das Entgelt am Schalter der Krankenkasse abholen müsse.
({5})
Meine sehr verehrten Damen und Herren, für den Arbeiter ist doch entscheidend - bei gleichen Ansprüchen, das ist klar -, was sicherer ist, und nicht, an welchem Schalter er das Geld abholen muß.
({6})
- Herr Kollege Schellenberg, ich glaube, wir müssen uns alle ein bißchen vor Verallgemeinerungen hüten. Es klingt immer wieder so etwas heraus. Sie haben gesagt: Die Arbeiter in Deutschland sind nicht faul. Das ist ganz klar; das sagt kein Mensch. Die
Menschen in Deutschland sind auch keine Verbrecher, und trotzdem geschehen gelegentlich Verbrechen von vereinzelten Individuen, die dieser Gesellschaft angehören. Wir dürfen doch nicht so global sprechen. Und deshalb: nicht die Wirtschaft ist unsicher, Herr Kollege Schellenberg, sondern es kann einzelne Betriebe geben, hat sie gegeben und wird sie geben, die nicht in der Lage sind, ihren gesetzlichen Leistungsverpflichtungen nachzukommen. Das ist ganz klar, und das haben Sie in Ihrem Gesetzentwurf auch berücksichtigt. Deshalb, Herr Kollege Schellenberg: Was ist für den Arbeiter sicher? Das ist die Frage mit dem Schalter - ({7})
- Herr Kollege Schellenberg, Sie wissen genau wie ich, daß es recht schwierig ist, gewachsene Traditionen zu verändern, ohne daß eine intensive Diskussion mit den Betroffenen stattgefunden hat.
({8})
Was Sie mit dem arbeitsrechtlichen Vorschlag dargestellt haben, zeigt doch im Grunde genommen eine starke Betonung des patriarchalischen Fürsorgeprinzips, von dem wir uns abwenden sollten.
({9})
Ein Weiteres zu Ihrer Schalterideologie, die Sie hier verbreitet haben. Es ist Ihnen sicherlich wie uns allen bekannt, daß viele Betriebe dazu übergegangen sind, bargeldlose Überweisungen auf Bankkonten vorzunehmen.
({10})
- Herr Kollege Schellenberg, es ist mit Sicherheit anzunehmen, daß auch unsere Krankenkassen so modern sind, daß sie in der Lage wären, einen auf versicherungsrechtlicher Basis gewährten Krankengeldbeitrag oder einen Lohnfortzahlungsbeitrag bargeldlos zu überweisen.
({11})
Es ist für den betroffenen Arbeiter dann völlig egal, von welchem Verwaltungsbeamten der Auftrag zur Überweisung an seine Bank geschrieben wird.
({12})
Aber, Herr Kollege Schellenberg, was Sie hier zu den Fragen der versicherungsrechtlichen Lösung ausgeführt haben, hat mich doch ein bißchen bestürzt. Ich habe nämlich den Eindruck gewonnen, daß Sie sich nicht ernsthaft mit den Möglichkeiten einer versicherungsrechtlichen Lösung befaßt haben, nämlich mit dem Gedanken, ob das nicht doch auch eine hervorragende, eine bessere, eine modernere Lösung
sein könnte als das, was die SPD seit 1955 in aller Öffentlichkeit und in diesem Hause vertritt.
({13})
- Lieber Herr Kollege Schellenberg, warum haben Sie als Oppositionspartei, wenn es Ihnen so sehr um dieses gesellschaftspolitische Anliegen ging, nicht im Jahre 1965 - z. B. im Dezember - oder im Juni 1966 einen Gesetzentwurf vorgelegt?
({14})
- Weil Sie damals nicht die notwendige Unterstützung aus dem Arbeitsministerium gehabt hätten, die man bei einem so umfassenden Gesetzentwurf einfach braucht, wenn man hier nicht auf Ungereimtheiten aufmerksam gemacht werden will.
({15})
- Herr Kollege Schellenberg, da Sie so lachen, möchte ich Ihnen eines sagen. Beim Durchlesen der beiden unterschiedlichen Gesetzentwürfe habe ich mich gefreut. Ich habe nämlich festgestellt, daß die CDU beinahe sklavisch das abgeschrieben hat, was in einem Referentenentwurf des Arbeitsministeriums enthalten war,
({16})
während Sie in Ihrem Gesetzentwurf zur Lohnfortzahlung im Krankheitsfall z. B. mehr berücksichtigt haben, was für kleine und mittelständische Betriebe notwendig ist, als die CDU/CSU, die ja landauf, landab immer durch die Lande zieht und sagt, daß diese Leute geschützt werden müßten und ihre Position verbessert werden müßte. Ein Ausgleich für Betriebe nur bis zu 20 Beschäftigten ist eben kein Schutz der Mittel- und Kleinbetriebe.
({17})
Hier ist, meine Damen und Herren von der CDU, ganz hart gegen das verstoßen worden, was Sie erst im November auf Ihrem Berliner Parteitag festgelegt haben.
({18})
- Dann muß ich leider jetzt schon, falls der Herr Präsident es genehmigt, zitieren, wenn Sie, Herr Kollege Schulhoff, meinen, daß ich da schief liege. Der Parteitagsbeschluß lautet:
Die Gleichstellung aller Arbeitnehmer bei Lohnfortzahlung im Krankheitsfall kann nur gleichzeitig mit einer Neuregelung der gesetzlichen Krankenversicherung verwirklicht werden.
({19})
Die betriebliche Belastung muß durch Ausgleichskassen geregelt,
({20})
das betriebliche Risiko muß kalkulierbar gemacht werden.
Meine Damen und Herren, wo bleibt die Glaubwürdigkeit Ihrer Partei, wenn die Fraktion hier einen Gesetzentwurf vorlegt, der allen drei Grundsätzen, die hier manifestiert worden sind, widerspricht?
({21})
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Im Moment nicht. Jetzt will ich das Thema erst fertig behandeln.
Meine Damen und Herren von der CDU, dann wollen wir die Dinge einmal ganz hart angreifen. Wo wird die Gleichstellung aller Arbeitnehmer erreicht, wenn Sie in § 385 verankern, daß es auch in Zukunft noch Arbeitnehmer gibt, die einen höheren Krankenkassenbeitrag zu zahlen haben, weil sie keinen Anspruch auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall haben? Wo ist die Neuregelung der gesetzlichen Krankenversicherung? Die paar Dinge, die Sie da anbieten, sind doch keine Neuregelung. Und, meine Damen und Herren, wo ist bei Ihrem Ausgleich das betriebliche Risiko kalkulierbar geworden? Das ist aber eine Sache, die ich nur festzustellen habe. Das bekümmert mich nicht; denn ich bin nicht Mitglied der CDU und habe auch nicht die Absicht, es zu werden.
({0})
Das müssen Sie mit Ihren Parteifreunden ausmachen, wie glaubwürdig Parteitagsbeschlüsse der
CDU sind, wenn die Fraktion hier so etwas vorlegt.
({1})
Lassen Sie mich zu meinem Ausschußkollegen, dem Ausschußvorsitzenden Schellenberg, zurückkommen. Herr Kollege ,Schellenberg, ich möchte beinahe meinen, ich hätte mich verhört. Es muß doch geradezu grotesk erscheinen, wenn Sie einen Appell an die Bundesregierung richten, über öffentliche Mittel die gewerbliche Wirtschaft von der Finanzierung der bergbaulichen Unfallversicherung zu entlasten. - Habe ich das richig verstanden?
({2})
- Das finde ich grotesk. Haben Sie, Herr Kollege Schellenberg, denn ganz vergessen, daß SPD und CDU/CSU in der Koalition in den letzten zwei Jahren permanent versucht haben, einen Katalog öffentlicher Leistungen abzubauen oder einzuschränken und diese auf die Arbeitgeber sowie auf den kleinen Mann zu übertragen? Haben Sie vergessen, was hier an Umverteilung beim Finanzänderungsgesetz beschlossen worden ist?
({3})
Und jetzt richten Sie den Appell an die Bundesregierung, ausgangs der Legislaturperiode eine andere Richtung einzuschlagen! Das ist doch wirklich außergewöhnlich grotesk, Her Kollege Schellen. berg!
({4})
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Herr Kollege Spitz. müller, haben Sie vergessen, daß die Bergbaualtlast eingeführt wurde, als Sie in der Bundesregierung waren, nämlich im Jahre 1963?
({0})
Natürlich habe ich das nicht vergessen; ich habe aber auch nicht vergessen, daß sie im Zeichen der Großen Koalition ausgeweitet wurde. Ich habe auch nicht vergessen, daß diese Große Koalition im Finanzänderungsgesetz eine ganze Reihe von Belastungen beispielsweise für die Ersatzkassen eingeführt hat, die dann die Angestellten zu bezahlen hatten.
({0})
Ich habe auch nicht vergessen, daß Sie den Arbeitgeberbeitrag von beschäftigten Rentnern wieder eingeführt haben, von dem auch eine Fülle sehr kleiner Betriebe, vor allem Wach- und Schließgesellschaften, die sehr lohnintensiv sind, hart betroffen wurden. Sie haben genau diejenigen belastet, die Sie jetzt mit einem Appell an die Bundesregierung wieder entlasten wollen. Herr Kollege Schellenberg, wir werden uns im Ausschuß darüber unterhalten.
({1})
- Aber natürlich, Herr Kollege, habe ich das nicht vergessen: weil nämlich die CDU/CSU in der Zeit der absoluten Mehrheit bereit war - aus Sorge, die Opposition der SPD könnte zu stark werden -, Dinge zu beschließen, die, wie im Schneeballsystem, die Ausgaben hochtrieben,
({2})
und weil die CDU/CSU und FDP, als 'sie gemeinsam in der Koalition waren - ebenfalls wieder gedrängt durch die Opposition der SPD -, bereit waren, Dinge zu beschließen, deren finanzielle Auswirkungen ein bißchen fragwürdig wurden.
Aber, Herr Kollege Schellenberg und Herr Kollege Könen, niemals waren CDU/CSU und FDP bereit, all die zusätzlichen Milliardenforderungen, die die SPD-Opposition damals gestellt hatte, auch noch zu verwirklichen; sonst wäre nämlich die Situation des Jahres 1966 schon im Jahre 1960 oder noch früher vorhanden gewiesen.
({3})
Meine Damen und Herren von der SPD, Sie dürfen nicht vergessen, welche ausgabenerhöhenden Anträge Sie hier in diesem Bundestag in den Jahren 1953 bis 1961, in einer Zeit, als die CDU/CSU im Besitz der absoluten Mehrheit war, gestellt haben. Sie dürfen nicht vergessen, was Sie auch in der Zeit von
1961 bis 1965 für Anträge gestellt haben, die wir abgelehnt haben. Wenn wir gegeneinander aufrechnen, dann, so glaube ich, geht das Konto gegenseitig auf. Solche Fragen, Herr Kollege Könen, halte ich für sehr gefährlich; denn dieses gegenseitige Aufrechnen ist keine allzu schöne Sache. Sie haben mich dazu gezwungen.
Die Vertreter der CDU/CSU und der SPD haben sich heute morgen hier ein bißchen mehr zurückgehalten, als das in der Öffentlichkeit manchmal der Fall ist. Aber auch hier ist angeklungen, daß die Bruttolohnfortzahlung quasi das gesellschaftspolitische Problem Nr. 1 sei. Dies sind die Fakten: in der Regierungserklärung vom 13. Dezember 1966 ist davon kein Wort zu finden; in der mittelfristigen Finanzplanung fand sich kein Hinweis, in der Fortschreibung der mittelfristigen Finanzplanung ebenfalls nicht. Auch bei den Prognosen im Sozialbudget ist diese Frage nicht berücksichtigt.
Herr Kollege Dr. Götz war so liebenswürdig, zuzugeben, daß die Frage der Bruttolohnfortzahlung natürlich auch noch andere Aspekte hat. Er hat darauf hingewiesen - das möchte ich herausstellen -, welche gesellschaftspolitische Bedeutung die Frage der Bruttolohnfortzahlung hat. Dies wurde nämlich den Initiatoren offenbar erst wieder bewußt, als es darum ging, Milliardendefizite in der Arbeiterrentenversicherung zu decken und nebenbei auch noch einige Milliarden auf dem Wege einer kalten Steuererhöhung für den Haushalt in die Staatskasse zu leiten.
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Das ist das, um was es auch bei der Lohnfortzahlung wirklich geht.
({5})
- Das glaube ich sehr wohl, Herr Kollege. Ich will Ihnen auch sagen, warum ich das glaube, und hier, Herr Kollege Schellenberg, sind wir gar nicht so weit auseinander. Sie haben recht, wenn Sie sagen: Die bisherige Lohnfortzahlung für kranke Arbeiter hat zu erheblichen Nachteilen geführt, nicht nur in der Frage des einen Karenztages, der durch eine gesetzestechnisch einfache Regelung weggeschafft werden könnte. Sie hat eben dazu geführt, daß in den Krankenversicherungen, in denen überwiegend Arbeiter sind, der Beitrag weniger schnell floß; sie hat auch dazu geführt, daß in der Arbeiterrentenversicherung Beitragseingänge nicht vorhanden waren, die in der Angestelltenversicherung vorhanden sind. Sie hat dazu geführt, daß auch bei der Arbeitslosenversicherung einige Millionen Mark nicht bezahlt wurden.
Aber, meine Damen und Herren, ich frage mich, ob alle diese Nachteile wirklich nur in der ideologischen Form der arbeitsrechtlichen Lösung beseitigt werden können. Ich komme da immer wieder zu dem Ergebnis, daß das nicht der einzige mögliche Weg ist, sondern daß der bessere Weg - und hier sind noch nicht alle Chancen vertan - der Weg über eine versicherungsrechtliche Lösung ist, bei der
alles außer der Lohnsteuer durch den Arbeitgeber zu bezahlen ist. Das ist immerhin ein Weg.
Sie, meine Damen und Herren von der CDU, haben da einen etwas komischen Ansatz in Ihrem § 3 a, indem Sie dort vorsehen, daß einige Arbeitgeber für einige Zeit degressiv eine Übergangshilfe bekommen. Das heißt, Sie nehmen zunächst in den dreieinhalb Jahren, überschlägig gerechnet, 31/2 Milliarden DM an Lohnsteuer ein und wollen davon 575 Millionen DM wieder als Subventionen für besonders Betroffene herausgeben. Kein schöner Zug und keine schöne Sache, zuerst über die Lohnfortzahlung das Geld hereinzunehmen und dann einen Teil davon wieder als Subvention, sozusagen als Almosen, abfallen zu lassen. Machen Sie dann doch nicht einen Viertel- oder Kreuzschritt, sondern machen Sie einen ganzen Schritt und stellen Sie die Lohnfortzahlung von der Lohnsteuer frei! Dann haben Sie wenigstens in dieser Richtung noch etwas Vernünftiges getan.
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Meine Damen und Herren! Wie war es denn mit der Lohnfortzahlung? Warum stehen wir heute so spät in der ersten Lesung? Herr Kollege Schellenberg, ich pflichte Ihnen bei, wenn Sie sagen, eigentlich hätten wir heute die erste Lesung eines Regierungsentwurfs haben können. Ich muß Ihnen aber sagen, eine erste Lesung eines Regierungsentwurfs heute und hier wäre auch ein Armutszeugnis. Es wäre ein Armutszeugnis, daß ein Regierungsvorschlag so spät kommt, denn bereits im September haben der Arbeitsminister und der Wirtschaftsminister - - Nein, die Sache war sogar so, wenn ich mich recht erinnere: Der Herr Wirtschaftsminister und - sofort, bei derselben Veranstaltung, im gleichen Atemzuge - der Herr Arbeitsminister haben die Lohnfortzahlung gefordert, und der Herr Wirtschaftsminister hat gesagt, sie paßt konjunkturell in die Landschaft. Meine Damen und Herren, ich stelle die Frage: paßt sie auch heute noch konjunkturell in die Landschaft? Ich habe hier nämlich einen Artikel aus der „Welt" vom 11. September mit der Überschrift: „Katzer und Schiller: Im Jahre 1969 Lohnexplosion oder Lohnfortzahlung?"
Meine Damen und Herren, ist überhaupt sichergestellt, daß bei der Lohnfortzahlung eine Lohnexplosion nicht stattfindet? Besteht nicht vielmehr die Gefahr, daß die Überschrift in wenigen Wochen heißen könnte: „Lohnexplosion und Lohnfortzahlung" ? Das ist die Frage, die sich heute, viele Monate, nämlich acht Monate, nachdem Herr Schiller dies gesagt hat, wirklich stellt, nachdem wir sehen, daß die Verhandlungsquoten bei den Tarifen immer höher gegangen sind.
Der Herr Bundeskanzler hat im Oktober hier im Parlament zur Lohnfortzahlung klare Aussagen gemacht. Es war eigentlich zu erwarten, daß diesen Aussagen die Tat folgen würde. Aber offensichtlich ist es leichter, in der Öffentlichkeit zu argumentieren, als im Kabinett Mehrheiten für eine wie auch immer geartete Lösung der Regierung zu finden.
Der Stil, nunmehr Fraktionsentwürfe vorzulegen, enthebt natürlich die Koalition erheblicher SchwieSpitzmüller
rigkeiten. Es ist keine schriftliche Begründung zu jedem einzelnen Paragraphen vorhanden, es ist nicht erforderlich, eine regierungsverantwortliche Darstellung der Kosten zu geben, man braucht nicht zu begründen, warum es notwendig ist, dies oder jenes zu machen. Der Bundesrat wird übersprungen - jener Bundesrat, der vor fünf, sechs Jahren beim ersten Durchgang des damaligen Lohnfortzahlungsgesetzes genau die Forderung aufgestellt hat, die ich hier schon ausgesprochen habe, der nämlich damals gebeten hat, im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens zu prüfen, ob bei der Einführung der arbeitsrechtlichen Lohnfortzahlung diese Leistungen nicht von der Lohnsteuer freigestellt werden könnten. Der Bundesrat ist einfach übersprungen, und ein Votum des Bundesrates liegt nur noch aus der letzten Legislaturperiode vor.
Dem Argument, das Herr Kollege Götz vorgetragen hat, daß der Arbeiter, der krank war, dann über den Jahreslohnsteuerausgleich etwas zurückbekommen könnte, kann man leicht mit dem Hinweis begegnen, daß heute schon 'dieser Teil, der als Arbeitgeberzuschuß 'bezahlt wird, als Entgelt gilt und daß, wenn dann die Lohnfortzahlung ohne Lohnsteuer bezahlt wird, dieses Entgelt - also Nettolohn plus allen sozialen Abgaben - als Entgelt auf die Karte eingetragen wird, 'und dann gibt es .eben nicht mehr die Möglichkeit eines Jahreslohnsteuerausgleichs. Sie sehen, wenn man will, sind die Möglichkeiten vorhanden.
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- Bitte?
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- Herr Kollege Schellenberg, dazu möchte ich Ihnen sagen: es ist keinem Nachfolger eines Finanzministers verboten, sich in dieser Richtung schneller oder erfolgreicher zu bewegen. Ich bekenne ganz offen, daß der Herr Finanzminister Dahlgrün in dieser Frage von seinen Beamten ein bißchen eingeigelt war und daß er nicht mehr genügend Zeit hatte, sich aus dieser Einigelung der Beamten zu befreien.
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- Nein, das ist damit gar nicht gesagt. Ein Minister muß das, was die Beamten vortragen, ja auch prüfen, wenn er es durchbrechen will. Die Bereitschaft, diese Dinge zu durchbrechen, war bei ihm vorhanden; aber die Zeit hat nicht mehr ausgereicht, die notwendigen Fakten zusammenzutragen, um es zu durchbrechen.
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Die Freien Demokraten haben zur Frage der Lohnfortzahlung von dem Augenblick an, wo die Frage in die öffentliche Diskussion eingeführt wurde, eine ganze Reihe von Kleinen Anfragen ,gestellt, die zum Teil spät, zum Teil noch gar nicht beantwortet worden sind. Bis heute hat die Bundesregierung
uns noch nicht die Kleine Anfrage beantwortet, welche Gesetzgebungsvorhaben im gesundheits- und sozialpolitischen Bereich sie noch in dieser Legislaturperiode für verabschiedungsfähig und verabschiedungsnotwendig erachtet und was sie kosten. Herr Minister Katzer, ich weiß, Ihre Zusammenstellung ist fertig. Sie sehen, Herr Kollege Schellenberg: es ist wieder das Finanzministerium, das sich so unendlich viel Zeit läßt mit der Bearbeitung und Beantwortung dieser Frage, wie hoch die Kosten für den Bundeshaushalt wären, wenn das verwirklicht würde, was das Arbeitsministerium als Notwendigkeiten fixiert hat.
Zum Inhalt dier Gesetzentwürfe möchte ich nur eines sagen. Der wahre Beweggrund, daß man das so schnell noch in diesen Bundestag bringen will und bringen muß, ist sehr vordergründig das Defizit in der Arbeiterrentenversicherung. Es geht mehr Lohnsteuer ein, und es muß weniger Jahreslohnsteuerausgleich bezahlt werden. Sogar die Kirchen profitieren 20 Millionen DM. Das ist das Ergebnis der Beantwortung unserer Kleinen Anfrage. Aber die Zahlen, die uns gegeben wurden, waren schon einen Monat später überholt. Da kostete die Lohnfortzahlung plötzlich 800 Millionen DM mehr. Die schlichten Finanzprognosen dieser Regierung bzw. eines Arbeitsausschusses der Konzertierten Aktion hatten also innerhalb eines Monats eine Verteuerung um 20% festzustellen.
Meine Damen und Herren, wir wünschen im Ausschuß klare Aussagen über die finanziellen Konsequenzen, die es haben wird, wenn das so beschlossen wird, wie es vorliegt. Mit Verniedlichung dieser Dinge ist es nicht getan. Wenn der Herr Wirtschaftsminister vor Monaten davon sprach, daß die Lohnfortzahlung konjunkturpolitisch in die Landschaft passe, weil sie auch bei den Lohnzuwachsraten berücksichtigt werden könnte, dann müßte es doch, wenn das der Fall gewesen wäre oder in der Zukunft wäre, zu unterschiedlichen Tarifabschlüssen für Angestellte und Arbeiter geführt haben. Oder aber die durchschnittlich niedrigeren Sätze auch bei den Angestellten würden bedeuten, daß die Angestellten durch entsprechende Verzichte auf Gehaltserhöhungen die Bruttolohnfortzahlung für die Arbeiter mitfinanzieren müßten. Hat der Bundeswirtschaftsminister an solche Fälle gedacht, als er davon sprach, daß die Lohnfortzahlung konjunkturpolitisch in die Landschaft passe und bei den Tarifverhandlungen ihre Berücksichtigung finden müsse?
Der Herr Bundesfinanzminister hat hier vor diesem Haus bei der Lesung des Haushalts gewarnt und dazu aufgerufen, keine Wahlgeschenke zu machen. Der Herr Wirtschaftsminister hat das bestätigt. Aber beide Minister haben dabei offensichtlich an die Bevölkerung oder an bestimmte Bevölkerungsgruppen gedacht, wohl nicht aber an das Wahlgeschenk erhöhter Steuern und Beitragseinnahmen durch Bruttolohnfortzahlung an den Staat.
Eines, meine Damen und Herren, steht für uns Freie Demokraten heute schon fest: Die Bruttolohnfortzahlung ist, langfristig betrachtet, ein milliarden12530
schweres Wahlgeschenk an die Bundesregierung zur zusätzlichen Finanzierung des Haushaltes.
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Was sind nämlich die volkswirtschaftlichen Konsequenzen? Geringerer Einkommenszuwachs bei Arbeitern und Angestellten wäre die eine Möglichkeit. Oder: Teuerung für den Verbraucher durch Überwälzung. Oder: Gewinnschmälerung oder Verluste in der Wirtschaft. Die drei Möglichkeiten bieten sich an. Wahrscheinlich wird es eine Kombination von allen drei Möglichkeiten sein.
Über eine solche Sache findet dann entweder auf kaltem Wege eine weitere Steuererhöhung statt, oder die Stabilität des Geldwertes wird verschlechtert, wenn auch nur leicht, oder das „Wachstum nach Maß" findet nicht statt. Das sind die globalen Konsequenzen, die wir sehen müssen.
Die sektoralen Konsequenzen sind, daß die lohnintensiven Betriebe vor neue schwierige Probleme gestellt werden. Es werden verwaltungstechnisch umständliche Verfahren aus ideologischen Gründen, arbeitsrechtliche statt versicherungsrechtliche Lösungen notwendig. Im Dienstleistungsbereich wird der Verbraucher in jedem Falle Teuerungen erleben, weil dort die Kosten auch nicht durch weitere Rationalisierungsmaßnahmen abgefangen werden können.
Bei der Durchsicht des CDU-Entwurfes muß ich mich fragen, was die Worte eines Bundeskanzlers und eines Parteivorsitzenden, wenn sie so klar formuliert wurden wie in Berlin und hier, noch wert sind, wenn die CDU einen solchen Gesetzentwurf vorträgt, wie ich es eingangs meiner Rede hier schon vor dem Hohen Hause und der Öffentlichkeit deutlich machen konnte.
Was bedeuten denn dieser Ersatzanspruch nur für Betriebe mit bis zu 20 Arbeitnehmern und die Übergangshilfen des Bundes? Die CDU hat sich in der Öffentlichkeit immer so sehr für die Erhaltung der selbständigen Klein- und Mittelexistenzen eingesetzt und - mit Worten - für eine Verbesserung ihrer Position gekämpft. Hier haben Sie die Möglichkeit, etwas Zusätzliches zu Ihrem eigenen Antrag noch zu tun, indem Sie - ich kann es nicht oft genug wiederholen - diese Lohnfortzahlung, wenn Sie sie nun in Gottes Namen arbeitsrechtlich machen wollen und nicht auf versicherungsrechtlichem Wege, wenigstens von der Lohnsteuer freistellen. Das ist noch eine Chance.
Meine Damen und Herren von der CDU, was Sie hier mit diesen Ausgleichszahlungen in den ersten dreieinhalb Jahren anbieten, ist nicht nur das Zeichen eines schlechten Gewissens, eines schlechten Gewissens derer, die vor dem linken Flügel zu Kreuze gekrochen sind,
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sondern es ist auch eine Zumutung für einen Teil unserer Wirtschaft, der bisher ohne jegliche Subvention ausgekommen ist, ihm zunächst Milliarden aus der Tasche zu ziehen und ihm dann einige begrenzte Millionen davon als Subvention wieder zukommen zu lassen.
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Meine Damen und Herren, ich mache das nicht gern, Sie kennen mich, aber ich muß hier ganz hart formulieren. Hier suchen Sie ein Alibi, um über die Dörfer ziehen zu können und zu vertuschen, daß Sie das nicht gehalten haben, was man nach all Ihren früheren Zusicherungen von Ihnen erwartet hatte.
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Um es in ein Beispiel zu übertragen, das erinnert mich daran, als ob man einen Gesunden zur Ader lassen und ihm gleichzeitig gut zureden würde: Du kannst beruhigt sein, es kommt zu keinem Kollaps, denn am anderen Arm lassen wir dir ja ab und zu wieder ein Tröpfchen Blut zufließen.
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So stellen sich die Dinge dar.
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Also lassen Sie das Aderlassen weg, dann brauchen Sie auch das tröpfchenweise Zuführen nicht mehr.
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Ich komme zum Schluß. Unsere Forderungen zu den Gesetzentwürfen sind, daß ein öffentliches Hearing stattfindet, bei dem auch die fünf Professoren der Sozialenquete und ganz besonders Herr Professor Dr. Schreiber teilnehmen.
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Meine Damen und Herren von der SPD, man kann nicht immer sagen: „Man muß die Erkenntnisse der Wissenschaft berücksichtigen und beachten und zur Kenntnis nehmen", aber immer nur dort, wo diese Erkenntnisse der Wissenschaftler in der Sozialenquete Ihren ideologischen Richtlinien entsprechen, während man dort, wo sie Ihren ideologischen Richtlinien nicht entsprechen, die Wissenschaft und die Wissenschaftler draußen lassen will. So kann man nicht operieren.
Wir fordern von der Bundesregierung klare Zahlen über die Konsequenzen für die Wirtschaft, für den Haushalt. Wir wünschen eine gründliche Ausschußberatung und kein Durchpeitschen. Denn daß die Probleme ein bißchen schwieriger liegen, als der Kollege Dr. Götz und der Herr Kollege Professor Dr. Schellenberg uns heute morgen mit ihren Reden darzulegen versuchten, zeigt schon die eine Tatsache, daß das Bundeskabinett von Oktober bis heute sich nicht einigen konnte. Also ist das Problem vielschichtig, wenn sich ein so erlauchtes Gremium unter einem so großartigen Führer wie Herrn Kiesinger so lange nicht einigen konnte. - Wenn ich sage „großartig", dann denke ich an seine fulminante Regierungserklärung vom 13. Dezember, wo er ausgeführt hat - ich zitiere jetzt aus dem Gedächtnis -: Notwendig ist es, die Aufgaben zu erkennen, die Ziele zu setzen und dann zu handeln; es müssen sich alle - im Kabinett und die Koalitionsfraktionen - zusammensetzen, um das zu erreichen; es muß aufhören - so sinngemäß - mit der .Interessentenpolitik in den Fraktionen, in den
Arbeitskreisen, in den Ausschüssen. - Ich frage mich, meine Damen und Herren, hat es damit wirklich aufgehört? Ich glaube, man kann die Frage mit Fug und Recht wahrhaftigen Gottes nicht bejahen.
Daß die Dinge schwierig sind, wird auch bewiesen durch die Unterschiedlichkeiten, die in den beiden Entwürfen vorhanden sind. In der Kürze der zur Beratung verfügbaren Zeit wird vieles ein bißchen drunter und drüber gehen, ,ein bißchen hopplahopp. Ich denke mit Grausen, Herr Kollege Schellenberg, an die schwierige Situation, in der Sie als Ausschußvorsitzender und wir als Mitglieder waren, als wir das Finanzänderungsgesetz zu beraten hatten. Es ging manchmal biss an die Grenze der physisch möglichen Leistung. Da stellen wir Freien Demokraten die Frage: ist es politisch und sachlich in einer solchen Situation nicht sinnvoller, nur einmal die drei wichtigsten Dinge vorab zu regeln?
Diese Dinge sind: 1. Die Beiträge zur Kranken-und Rentenversicherung sind auch während der Krankheit zu leisten. 2. Der Kranke gilt als von dem Tag ab als arbeitsunfähig, an dem der Arzt dies bescheinigt; damit entfällt der Karenztag. 3. Die Beitragsbemessungs- und Versicherungspflichtgrenze wird aktualisiert, und damit werden die Kassen entlastet.
Alle anderen, vielschichtigen Fragen können dann vom nächsten Bundestag und von der nächsten Bundesregierung in einem ordentlichen, d. h. nicht in einem schnellen Gesetzgebungsverfahren geklärt und geregelt werden. Hätten Sie im Jahre 1963/1964, wie von uns angeboten, die versicherungsrechtliche Lösung akzeptiert, so wäre das Defizit der Arbeiterrentenversicherung heute um Milliarden geringer. Sie haben damals nach der Methode „Alles oder nichts" jeden Kompromiß abgelehnt, und dies, obwohl im Jahre 1960 der Abgeordnete Weimer dazu gesagt hat - ich habe noch einmal die ganzen Debatten nachgelesen; gestatten Sie, Herr Präsident, daß ich zitiere -: „Dazu bietet sich unter anderem die Herausnahme der Barleistungen" ... „die Krankenversicherung für die ersten sechs Wochen und die Finanzierung der Lohnfortzahlung für diese Zeit über eine Arbeitgeberumlage als Auftragsgeschäft für die Krankenkassen, bei denen alle Voraussetzungen für die Durchführung eines solchen Auftragsgeschäftes vorliegen, ausgeführt hat."
({19})
Wir sehen bis zur Stunde keinen überzeugenden Grund, die versicherungsrechtliche Lösung oder die von uns vorgeschlagene sofortige Dreierlösung nicht in die Tat umzusetzen. Wenn Sie die von uns vorgeschlagene Deierlösung akzeptieren - also: Beiträge zur Renten- und Krankenversicherung sind sofort zu bezahlen, der Karenztag entfällt, die Beitragsbemessungs- und Versicherungspflichtgrenze wird aktualisiert -, wäre damit für sinnvolle Regelungen in der Zukunft die Tür nicht zugeschlagen; und darum sollte es uns gehen.
Nun noch eines zu Ihnen, Herr Kollege Schellenberg, der Sie so viel von dem Arbeiter gesprochen haben, der seinen Lohn nicht am Krankenkassenschalter abholen möchte. Ich habe auch mit vielen Arbeitern gesprochen, allerdings nicht vorbeeinflußt, und habe eigentlich keinen Arbeiter gefunden, der korrekt darüber informiert war, daß in der versicherungsrechtlichen Lösung für ihn materiell keinerlei Nachteile gegenüber der sogenannten arbeitsrechtlichen Lösung liegen. Ich habe nicht gefunden, daß sich dann ein solcher Arbeiter hingestellt und erklärt hätte: Aber aus gesellschaftspolitischen Gründen und wegen der theoretischen und formalrechtlichen Gleichstellung mit dem Angestellten bestehe ich darauf, meinen Krankenlohn durch den Betrieb und nicht durch die Krankenkasse ausbezahlt zu bekommen. Einen solchen Arbeiter habe ich nicht erlebt.
({20})
Genau das Gegenteil ist der Fall. Wenn Sie nicht nur Resolutionen lesen, sondern mit dem einzelnen Arbeiter sprechen und ihn fragen, was ihm sicherer erscheint und was ihm mehr zusagt, sagt er Ihnen, daß die von uns immer vorgetragene versicherungsrechtliche Lösung über die Krankenkasse diejenige Lösung ist, die ihm sicherer erscheint, weil es dann keine Sonderregelungen, wie Sie sie haben, geben muß, daß das also für ihn eine Lösung ist, die auch ihm genehm ist.
({21})
Das Wort hat der Herr Bundesarbeitsminister.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Spitzmüller, ich darf Ihnen zuerst sagen, daß wir Ihnen und den Vorsitzenden beider Ausschüsse selbstverständlich alles Zahlenmaterial zur Verfügung stellen, das Sie für die Beratung dieses Gesetzgebungswerks brauchen. Ehe ich auf Ihre Bemerkungen eingehe, lassen Sie mich aber ganz kurz zwei Hinweise geben.
Erstens. Ich bin sehr glücklich über die Ausführungen der beiden Sprecher der Koalitionsfraktionen. Denn in diesen Ausführungen kommt der klare Wille zum Ausdruck, in dieser Legislaturperiode hier zu einer Entscheidung zu kommen. Das ist aus sehr vielen Gründen wichtig,
({0})
aus sehr viel mehr Gründen, Herr Kollege Spitzmüller, als Sie angesprochen haben, über die wir uns aber noch unterhalten müssen.
({1})
- Ich will darauf kommen, Herr Kollege.
({2})
- Als Sie noch in der Regierung saßen, war das natürlich alles sehr viel schöner; das ist ganz klar.
({3})
- Ich habe das ja erlebt. Das war alles großartig, ja, natürlich; da wurde noch „regiert".
({4})
- Ich würde empfehlen - - ({5})
- Herr Kollege Genscher, wir unterhalten uns in acht Wochen einmal über diese Dinge. In den nächsten acht Wochen sollten wir hier im Hause noch solide Arbeit leisten
({6})
und das vollenden, was wir uns vorgenommen haben.
({7})
- Das nenne ich solide Arbeit, Herr Kollege Genscher.
({8})
Die Stellungnahme der Bundesregierung liegt im Jahreswirtschaftsbericht vor. Herr Kollege Schellenberg hat ihn zum Teil vorhin schon zitiert. Im vollen Wortlaut geht er allerdings ein Stückchen weiter als das Zitat des Herrn Kollegen Schellenberg. Ich möchte mir erlauben, das volle Zitat zu bringen, weil es mir wichtig zu sein scheint für die Bemühungen der beiden Fraktionen, in dieser Frage im Laufe der Beratungen zu einer Gemeinsamkeit zu kommen.
In der Stellungnahme der Bundesregierung vom 29. Januar 1969 heißt es - ich darf mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten zitieren -:
Von erheblicher einkommens- und gesellschaftspolitischer Bedeutung ist die von der Bundesregierung geplante Neuregelung der Fortzahlung der Arbeitsentgelte im Krankheitsfall mit dem Ziel einer Gleichstellung von Arbeitern und Angestellten auf der Basis der arbeitsrechtlichen Lohnfortzahlung und einer Ausgleichsregelung für Unternehmen. Die Bundesregierung wird demnächst einen entsprechenden Gesetzentwurf, der zugleich auch einen wesentlichen Einstieg in die Reform der gesetzlichen Krankenversicherung vorsieht, vorlegen. Die vorgesehene Neuregelung der Lohnfortzahlung wird sich voraussichtlich dämpfend auf die Entwicklung der Effektivlöhne auswirken. Der Anstieg der Tariflöhne und Gehälter dürfte dagegen nur zu einem geringen Teil betroffen werden, so daß es tendenziell zu einer Verringerung der Lohndrift kommen wird.
So lautet die Stellungnahme der Bundesregierung. Das ist auch gleichzeitig eine Antwort auf das, was Herr Kollege Spitzmüller soeben sehr plastisch dargestellt hat. Wenn ich das, was Sie gesagt haben, Herr Kollege Spitzmüller, vereinfache, heißt das: Ihr habt nichts anderes im Sinn, als dem Steuerfiskus über die Lohnfortzahlung Geld zuzuschanzen.
({9})
- Das war ungefähr das, was Sie zu diesem Punkt gesagt haben.
({10})
- Er hat auch noch etwas anderes gesagt, aber das hat er ganz zweifellos zu diesem Aspekt sagen wollen. Und das ist eben nicht richtig. Das ist sachlich falsch und kann widerlegt werden. Herr Kollege Spitzmüller, ich werde Ihnen diese Unterlagen für die Ausschußberatung, wie ich schon sagte, gern zur Verfügung stellen, und zwar sehr schnell, heute noch.
Ich habe mich übrigens gefreut, daß beide Fraktionen immer von „ihren Entwürfen" sprachen. Hin und wieder habe ich auch Erkennungsmerkmale meiner Handschrift darin entdecken können, Herr Kollege Schellenberg.
({11})
- Ja, ich bin dafür sehr dankbar.
Herr Kollege Spitzmüller, wir haben bereits im Oktober vorigen Jahres gemeinsam mit allen Beteiligten - nicht nur mit dem Bundesminister für Wirtschaft, dem Bundesminister der Finanzen, der Bundesbank, sondern auch mit den Arbeitgeberverbänden, BDI, BDA, mit den Gewerkschaften - Abstimmungsgespräche geführt, in denen wir die Belastungs- und Entlastungseffekte der Lohnfortzahlung auf die Wirtschaft genau dargestellt haben. Wenn ich mich recht erinnere, haben Sie die Unterlagen von mir zugestellt bekommen.
Wir haben dann eine Kreislaufbetrachtung angestellt und haben drei Möglichkeiten gesehen, wie sich das im wirtschaftlichen Kreislauf auswirken kann. Es kommt doch sehr darauf an, wer die Lohnfortzahlung bezahlt. Da gibt es drei Möglichkeiten.
Fall a) : Es geht aus dem Unternehmergewinn. Dann fällt der steuerliche Aspekt, den Sie genannt haben, gar nicht an. Dann gibt es nicht mehr Steuereinnahmen, sondern sogar weniger Steuereinnahmen, weil eine Reduzierung an Ertragsteuern erfolgt. Deshalb ist Ihre Behauptung sachlich nicht stichhaltig.
Fall b) : Es geht nicht aus dem Unternehmergewinn, sondern es wird in die Lohnpolitik eingerechnet. Ich meine hier Lohnpolitik im weitesten Sinn. Herr Kollege Spitzmüller, hier spielen nicht nur die Tarifverträge eine Rolle, sondern eine entscheidende Rolle spielt die Lohndrift, der Unterschied zwischen Effektivlöhnen und tariflich vereinbarten Löhnen.
Ich kann Ihnen die Entwicklung hier aufzeigen, Herr Kollege Spitzmüller. Bitte hören Sie gut zu. Die Lohndrift, also der Abstand zwischen Effektiv-und Tariflohnentwicklung, hat sich im Jahre 1968 erheblich verstärkt. Im dritten Quartal 1968 betrug er noch zwei Prozentpunkte. Im vierten Quartal 1968 stieg er bereits auf drei Prozentpunkte an. Daraus wird ganz deutlich sichtbar, daß die Effektivlöhne den Tariflöhnen weglaufen. Meine Damen und HerBundesminister Katzer
ren, je eher und je schneller wir hier in dieser Frage zu einer Entscheidung kommen, um so eher, um so schneller und um so besser können sich beide Tarifparteien im Hinblick auf ihre künftigen Verhandlungen auf diese Entwicklung einstellen. Wer diese Entscheidung verschiebt, nutzt deshalb nicht, sondern schadet vielmehr dem wirtschaftlichen Ablauf im Ganzen.
({12})
Das dritte Modell, das wir dargestellt haben, Herr Kollege Spitzmüller, besagt, daß es in die Preisentwicklung eingehen könnte.
Das sind die drei theoretischen volkswirtschaftlichen Möglichkeiten. Die richtige Lösung wird wahrscheinlich irgendwo in der Mitte liegen. Aber Sie können nicht einfach behaupten - und das ist meine Bemerkung, die ich zu Ihren Ausführungen machen wollte, Herr Kollege Spitzmüller -: das wird dem Steuerfiskus Geld einbringen. Das wird vielmehr davon abhängen, wie sich die Lohnfortzahlung in den Gesamtkreislauf einfügt.
Ein Zweites. Weshalb ich mich eigentlich gemeldet habe - denn das können wir alles im Ausschuß darlegen -, ist eine politische Bemerkung, die Sie, Herr Kollege Spitzmüller, gemacht haben. Sie haben die Bundesregierung zitiert und den Eindruck erweckt, als hätten wir in dieser Legislaturperiode im sozialpolitischen Bereich nur Abstriche vorgenommen, als hätten wir im sozialpolitischen Bereich eine einfache Umlagerung von Staatsausgaben auf private Haushalte vollzogen und als ginge das alles
einschließlich der Lohnfortzahlung jetzt - zu Lasten deis kleinen Mannes. Sie haben damit, was mich betrübt, den Eindruck erweckt, als wäre die Sozialpolitik maßgeblich verantwortlich für die Finanzmisere des Jahres 1966.
({13})
- Den Eindruck erweckt.
Herr Kollege Spitzmüller, darf ich zu diesem Punkt die Regierungserklärung zitieren. Da heißt es:
Noch 1965 wurden die Bundeshaushalte durch Einnahmeverzichte und Ausgabeerhöhungen zusätzlich mit insgesamt 7,2 Milliarden DM belastet. Die beiden Steueränderungsgesetze
- also die Entlastung bei der Steuer führten für Bund und Länder zu Einnahmeverlusten in Höhe von 3,1 Milliarden DM.
Zusätzliche Ausgaben und die Übernahme des Kindergeldes auf den Bundeshaushalt mit einem vollen Jahresbetrag von rund 2,8 Milliarden DM wurden beschlossen.
Niemand in diesem Hohen Hause kann leugnen, daß die Übernahme des Kindergeldes von der Wirtschaft auf den Staatshaushalt damals unter anderem eben mit dem Gesetzgebungswerk verbunden war, das heute in erster Lesung ansteht, nämlich mit der Lohnfortzahlung und der Reform der Krankenversicherung.
({14})
- Aber selbstverständlich! Das war das Sozialpaket, das die Bundesregierung damals hier vorgelegt hat. Das können Sie doch nicht leugnen.
({15})
- Entschuldigen Sie, Sie können doch nicht leugnen, daß das damals das Paket war, das vorgelegt wurde. Sie waren doch mit in der Regierung. Sie vergessen das immer. Sie meinen, Sie seien ewig in der Opposition gewesen. Das stimmt gar nicht. Sie waren auch schon einmal in der Regierung.
({16})
- Das sowieso.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Herr Bundesminister?
Ja, bitte schön.
Herr Minister, würden Sie mir zugeben, daß die Übernahme des Kindesgeldes auf den Staatshaushalt bereits bei den Koalitionsverhandlungen 1961 eine Forderung der Freien Demokraten war und daß es ein Übereinkommen der Koalition war?
Ich kann hier nur feststellen, daß wir damals diese drei Pakete zusammengepackt haben, um die Entlastung - ({0})
- Lesen Sie die Protokolle nach! Das brauchen wir hier nicht zu vertiefen. Jeder im sozialpolitischen Feld Beheimatete weiß, daß das damals so gewesen ist.
({1})
Ich möchte eine letzte Bemerkung machen, die auf die Frage abzielt, die Herr Kollege Spitzmüller schließlich gestellt hat, ob das denn heute noch in die wirtschaftspolitische Landschaft passe. Darauf habe ich geantwortet: Die Lohndrift ist noch verstärkt, so daß ich glaube, eine schnelle Entscheidung wäre auch für die Beurteilungsmöglichkeit der Wirtschaft sehr von Nutzen.
Dann ist der Streit in bezug auf die versicherungsrechtliche und die arbeitsrechtliche Lösung noch einmal dargestellt worden. Herr Kollege Spitzmüller, mich wundert, gerade aus Ihrem Munde zu hören: es geht doch nicht um das Problem des Abholens am Schalter. Das hat Herr Kollege Schellenberg im Inhalt auch gar nicht so gemeint, und Herr Kollege Dr. Götz hat es sehr klar ausgesprochen: es geht doch im Grunde um den personalen Bezug. Es geht
- und das gilt insbesondere für den großen Bereich unserer Klein- und Mittelbetriebe, für die wir diese Ausgleichskasse, die Herr Kollege Stücklen dankenswerterweise in seinem Beitrag angesprochen hat, vorgesehen haben, um es überschaubar und kalkulierbar zu machen - bei der arbeitsrechtlichen Lösung doch darum, eine Gleichstellung zu erzielen
und nicht neue Ungleichmäßigkeiten zu schaffen, die Sie mit einer versicherungsrechtlichen Lösung für einen Teil der Arbeitnehmer - und daran ändern Sie ja nichts; nur für einen Teil der Arbeitnehmer -zementieren wollen.
({2})
Deshalb glaube ich, meine Damen und Herren, die Beiträge, die jetzt aus den beiden Koalitionsfraktionen geleistet worden sind, sind eine solide Voraussetzung für die Verabschiedung der beiden Gesetzentwürfe in dieser Legislaturperiode.
Manchmal höre ich von Ihrer Seite ({3}), meine Damen und Herren, die Bemerkung: Was hat denn der Arbeiter davon? Meine Damen und Herren, nicht nur der Arbeiter, auch der Angestellte und die Unternehmungen sind von den Nebenwirkungen der Lohnfortzahlung sehr tief betroffen. Denn auch ihnen kann es nicht gleichgültig sein, ob wir unsere Rentenversicherung mit wesentlich geringeren Beitragserhöhungen über das Jahr 1975/76 hinausbringen oder nicht. Insofern sind alle daran interessiert.
({4})
Das Wort hat Herr Kollege Schulhoff.
({0})
Herr Präsident! Meine
lieben Kollegen! Man hat mir mitgeteilt, daß ich der einzige bin, der auf der Rednerliste steht, und daß sich sonst niemand gemeldet hat.
({0})
- Es ist längst überholt?
({1})
Ich möchte meine Fraktion nicht mehr gegen mich aufbringen, als es schon der Fall ist. Deswegen habe ich die Absicht, auf Grund dieser Erklärung meine Rede zu Protokoll zu geben.
({2})
- Ich soll sie halten?
({3})
Herr Kollege, Sie haben das Wort.
({0})
Ich weiß nicht, ob Sie große Freude daran haben werden.
({0})
- Gut, ich rede.
({1})
Es freut mich zwar, daß Sie mir die Arbeit abnehmen wollen, aber ich würde darum bitten, daß man jetzt Herrn Kollegen Schulhoff die Eröffnungspassage seiner Rede machen läßt.
Wir haben es, meine lieben Kollegen, mit einem ebenso alten wie schwierigen Problem zu tun. Es ist schon in Erinnerung gebracht worden - und ich wiederhole es -, daß im 4. Bundestag der Versuch, die Lohnfortzahlung zusammen mit Maßnahmen einer Krankenversicherung zu verabschieden, nicht zuletzt an den Widerständen gegen eine Beteiligung der Versicherten an ihren Krankheitskosten scheiterte. Dabei fehlte es keineswegs an konstruktiven Vorschlägen der Wirtschaft und des Handwerks für eine sinnvolle Regelung des Gesamtkomplexes der Sicherung im Krankheitsfall. Ich habe selbst, wie Sie im Protokoll nachlesen können, in der Plenarsitzung am 23. Januar 1963 im Namen der Arbeitgeberschaft und in Übereinstimmung mit ihr den Vorschlag einer versicherungsrechtlichen Lohnfortzahlung, allerdings im Zusammenhang mit einer Krankenversicherungsreform, gemacht. Mit einer solchen Regelung, die für die Wirtschaft ein erhebliches Opfer bedeutet hätte, wäre die völlige, allerdings nur materielle, Gleichstellung der Arbeiter mit den Angestellten, wenn nicht sogar ihre Besserstellung, bei Krankheit erreicht worden, und man hätte in der gesetzlichen Krankenversicherung eine bessere Entwicklung eingeleitet, als wir sie heute leider haben. Darüber hinaus - das hat Herr Spitzmüller mit Recht gesagt - hätte die Arbeiterrentenversicherung in der Zwischenzeit einige Milliarden bekommen, da die Arbeitgeber sich zur Übernahme des Rentenversicherungsbeitrages für die Arbeiter während der Lohnfortzahlung bereit erklärt hatten, ein Umstand, den ich erst vor kurzem einigen Herren des Bundesarbeitsministeriums ins Gedächtnis rufen mußte; es ist allerdings sechs Jahre her. Daß die Dinge inzwischen nicht einfacher, sondern schwieriger geworden sind, sehen Sie schon daran, daß wir es trotz großer Koalition jetzt mit zwei getrennten Initiativanträgen der Koalitionspartner zu tun haben.
({0})
- Moment! Jetzt kommen Sie aber auch dran. Warum die FDP, 'die seit vielen Jahren die versicherungsrechtliche Form der Lohnfortzahlung zu meiner Freude befürwortete, bis heute keinen entsprechenden Antrag eingebracht hat - da bin ich mit Professor Schellenberg einer Meinung, ausnahmsweise natürlich -,
({1})
ist mir nicht recht verständlich und könnte tatsächlich zu dem Schluß führen, daß es sich nicht rum einen echten Vorschlag handelt.
({2})
- Ich weiß, Sie müssen sich dagegen wehren. Das ist Ihr Recht. Ich brauche das aber nicht zu beachten; das ist wieder mein Recht.
Im übrigen, Herr Professor Schellenberg und meine Herren von der SPD, vor allem auch meine Herren Vertreter der Gewerkschaften: wenn ich damals, 1963, Gewerkschaftsfunktionär gewesen wäre - ich meine einer, der etwas zu sagen hatte -, hätte ich den Vorschlag angenommen. Inzwischen hätte man ja diesen Vorschlag dynamisieren können, und wir hätten womöglich schon lange die arbeitsrechtliche Lösung; nur wäre ,das Schluck für Schluck erfolgt. Da war damals ein Fehler.
In der 5. Legislaturperiode ergaben sich in der Frage ,der Lohnfortzahlung zunächst einige hoffnungsvolle Aspekte. Die von der Bundesregierung in Auftrag gegebene, schon mehrfach genannte Sozialenquete, die leider sonst weitgehend totgeschwiegen wird, zeigte erfreulich weitgehendes Verständnis für ,den Gedanken der versicherungsrechtlichen Lösung der Lohnfortzahlung und befürwortete in der Krankenversicherung einen schrittweisen Übergang zum Kostenerstattungsprinzip. Auch der Bundesarbeitsminister - wo sitzt .er? bei Schellenberg! - stärkte mit .seinem Appell - lassen Sie ihn zuhören, Kollege Schellenberg; sonst verpaßt er das; ich will ihn 'gerade loben, ausnahmsweise - zur Einlegung einer Denkpause das Vertrauen in eine vernünftige und vorausschauende Sozialpolitik. Ausgerechnet jetzt - ich bitte um Vergebung - fühlte sich der von mir so geschätzte Bundeswirtschaftsminister, der sonst so weit vorausschaut, Mitte 1968 berufen, die Einführung der arbeitsrechtlichen Lohnfortzahlung zu propagieren, wobei er sich kaum - ich bitte nochmals um Vergebung - über die Bedeutung und Tragweite der Gesamtprobleme der Sicherung im Krankheitsfalle im klaren war.
({3})
Ich bezweifle zumindest, ob dem Bundeswirtschaftsminister heute noch so wohl bei seiner .damals gegebenen Begründung sein kann, die Lohnfortzahlung solle die Massenkaufkraft stärken, nachdem wir nun innerhalb weniger Monate bereits eine wesentlich veränderte konjunkturelle Situation mit ständig zunehmenden Gefahren für die mit der Rezession teuer erkaufte Preisstabilität haben. Dazu kommt zweifellos noch die zwangsweise Erhöhung der Preise auf Grund des Konstenanstiegs bei den Unternehmen. Denn es ist natürlich nicht anzunehmen, daß die Belastung von rund 4 Milliarden DM, wenn nicht mehr, auf Grund einer arbeitsrechtlichen Lohnfortzahlung ohne Auswirkung 'auf die Preise bleibt. Darüber dürften unter vernünftigen Menschen keine Meinungsveschiedenheiten bestehen.
In der bereits hier zitierten Regierungserklärung vom 16. Oktober 1968 wurde noch einmal der untrennbare Sachzusammenhang zwischen Lohnfortzahlung und Krankenversicherungsreform zum Ausdruck gebracht. - Bitte sehr, Herr Schellenberg!
Wegen der preispolitischen Zusammenhänge wollte ich Sie noch fragen, ob die Befreiung der Wirtschaft vom Kindergeld sich seinerzeit preisgünstig ausgewirkt hat oder ob die Verbraucher hierauf noch warten müssen.
Ich weiß das heute nicht mehr: das ist zu lange her, Herr Professor.
({0})
Das ist aber durchaus möglich. Zumindest ist es nicht zu Preissteigerungen benutzt worden.
({1})
- Augenblick, Herr Professor Schellenberg, Sie waren es doch, der vorhin von der Übernahme der Bergbaulast durch die Wirtschaft gesprochen hat. 500 Millionen DM: damit war die Hälfte der einen Milliarde weg. Dabei allein ist es aber nicht geblieben. Ich habe das Papier nicht bei mir, ich habe aber ausgerechnet, daß inzwischen etwa 2 Milliarden DM neu auf die Wirtschaft zugekommen sind. Die dekken bestimmt die eine Milliarde, die damals nur deshalb gestrichen worden ist, um uns die etwas stärkere Belastung durch die Lohnfortzahlung in arbeitsrechtlicher Regelung auf die Schultern zu legen.
Ich sprach aber von der Regierungserklärung vom 16. Oktober 1968, Herr Professor, als Sie mich unterbrachen. Ich darf das wiederholen; ich glaube, es ist schon von Herrn Spitzmüller gesagt worden. Dort wurde noch einmal der untrennbare Sachzusammenhang zwischen Lohnfortzahlung und Krankenversicherungsreform zum Ausdruck gebracht, so wie es ja auch in den Beschlüssen der CDU in Berlin anerkannt wurde. Um so alarmierender mußte dann aber der erste Entwurf des Bundesarbeitsministeriums wirken, dessen Inhalt sich nicht gerade auf dem höchsten Niveau einer denkbaren Verständigung zwischen den Koalitionspartnern bewegte. Ich darf in Erinnerung rufen: der wirkungslose vertrauensärztliche Dienst, die überflüssige und teure Bundesausgleichskasse für die gesamte Wirtschaft, Beitragsrückgewähr - Sie müssen aber auch aufmerksam zuhören, meine Herren von der FDP; ich habe Ihnen auch zugehört; sonst bin ich beleidigt und werde wieder etwas gegen Sie sagen - ohne feststellbaren Anreiz überlegter Inanspruchnahme von Kassenleistungen, vorsorgliche Beratung für alle Versicherten. Beitragsrückgewähr und vorsorgliche Beratung hätten nach dem Urteil der Experten die Krankenkassen, statt sie, wie notwendig, zu entlasten, mit mehr als 1,5 Milliarden DM zusätzlich belastet und . insofern auch die Belastung der Wirtschaft durch die Lohnfortzahlung in Höhe von 4 Milliarden DM noch beträchtlich vergrößert.
In dieser Situation - das werden Sie wahrscheinlich auch nicht gerne hören - war es meine Pflicht, da insbesondere kein echtes Zahlenmaterial vorlag, die Öffentlichkeit auf die schwerwiegenden Mängel des Gesetzentwurfs und auf die unübersehbaren Folgen insbesondere für die Wirtschaft, aber auch für das lohnintensive Handwerk aufmerksam zu machen. Auch unter meinen Parteifreunden - nicht nur unter ihnen - herrschte vielfach nicht die notwendige Klarheit über die erhebliche Mehrbelastung für die mittelständischen lohnintensiven Betriebe, die bei der arbeitsrechtlichen Lohnfortzahlung ein Vielfaches des heutigen Arbeitgeberzuschusses aufbringen müßten. Dabei muß noch berücksichtigt
werden, daß wir es bei der Lohnfortzahlung in Wirklichkeit mit der Spitze eines sozialpolitischen Eisberges zu tun haben, da ja jetzt schon feststeht - es ist schon darüber gesprochen worden -, daß auch die -Beschlüsse zur Anhebung der Versicherungspflichtgrenze der Angestellten, verbunden mit einer Erhöhung der Bemessungsgrenze, zusätzlich eine Menge Geld kosten werden. Ich kenne eine Zahl von 840 Millionen DM.
Bei dieser Gelegenheit - und jetzt bitte ich wirklich um Ihre Aufmerksamkeit, denn hier sage ich Ihnen etwas Grundsätzliches - müssen wir uns eindringlich vor Augen führen, daß seit Jahren Überlegungen angestellt werden, wie man es vermeiden kann, daß alle sozialpolitischen Belastungen immer wieder ausschließlich auf den Lohn als Bezugsgröße abgestellt werden. Von fast allen Seiten wird grundsätzlich anerkannt - auch von dem Herrn Arbeitsminister, auch von seinen Beamten, auch vom Wirtschaftsministerium -, daß angesichts der zunehmenden Technisierung und Automatisierung des Produktionsprozesses unbedingt einmal eine für die lohnintensiven Bereiche der Wirtschaft tragbare gesamtwirtschaftliche Regelung dieses Problems gefunden werden muß.
({2})
Auch mein Kollege Müller ({3}), mein Widerpart in der Fraktion, hat das im Brand-Ausschuß anerkannt, wofür ich ihm sehr dankbar war. Aber trotz dieser wiederholten allseitigen Erklärung ist bis heute leider nichts geschehen, um hier zu einer zukunftsorientierten Lösung zu kommen. Das trifft alle Parteien.
({4})
- Haben Sie einen Vorschlag?
({5})
- Ja, nur in Umrissen.
Immerhin, meine Damen und Herren, kann ich feststellen, daß gerade auf die intensive Aufklärungsarbeit des Handwerks die Beseitigung einiger schwerwiegender Mängel des ersten Entwurfs des Bundesarbeitsministeriums zurückzuführen ist. Schließlich erarbeitete meine Fraktion verschiedene Vorschläge, die eine gewisse Annäherung an die Auffassung der Wirtschaft und eine stärkere Berücksichtigung der besonderen Situation der Klein- und Mittelbetriebe erkennen lassen. Daran war mein Freund Richard Stücklen nicht ganz unschuldig.
({6})
- Nein, im Gegenteil! Das geht doch auch aus meinen Worten hervor. Das ist eine Anerkennung.
Wenn ich auch gegen den Entwurf meiner eigenen Fraktion in der jetzigen Fassung nach wie vor erhebliche Bedenken habe, kann ich aus Gründen der Fairneß doch nicht umhin, hier einige Verbesserungen gegenüber dem ersten Entwurf ders Bundesarbeitsministeriums zu nennen.
Erstens. Hinsichtlich des Lohnfortzahlungsanteils wurde der Gedanke einer Bundesausgleichskasse aufgegeben. Erfreulicherweise verzichtet auch die SPD - damit auch Sie einmal ein gutes Wort bekommen - auf eine solche Einrichtung. Tatsächlich mußte ich auf Grund ermittelter Unterlagen aus der Praxis, die vom Arbeitsministerium übrigens als korrekt anerkannt worden sind, darüber aufklären, daß bei einer Gesamtausgleichskasse selbst bei Rabattgewährung die Kleinbetriebe die Großen wegen des unterschiedlichen Krankenstandes subventioniert hätten und nicht, wie ursprünglich angenommen, umgekehrt.
({7})
Zweitens. Mit der Begrenzung des obligatorischen Kostenausgleichs auf die Betriebe bis zu 20 Beschäftigten wird eine unnötige Aufblähung und Verteuerung des Verwaltungsapparats vermieden und für über 90%o der Betriebe des Handwerks eine Kalkulierbarkeit des Risikos der Lohnfortzahlung erreicht. Zugleich wird die Schaffung eines ständigen Interessengegensatzes zwischen Klein- und Großbetrieben vermieden, so wie er bei dem von der SPD vorgeschlagenen gestaffelten Umlageumsatz innerhalb der einzelnen Krankenkassen eintreten würde. Dieser Vorschlag ist zudem übrigens - das müssen Sie wirklich einmal überdenken; ich sage das als Freund, wenn Sie so wollen - äußerst unpraktikabel.
({8})
- Wir sprechen nachher darüber; ich komme bei meiner eigenen Fraktion in Verruf, wenn ich Ihnen zuviel Freundschaft zubillige.
Drittens. Dem Vorteil der Lohnsteuerfreiheit der versicherungsrechtlichen Lösung der Lohnfortzahlung versucht meine Fraktion nunmehr - da bin ich anderer Ansicht als Sie, Herr Spitzmüller - mit dem Vorschlag einer - das Wort ist schlecht - Übergangshilfe des Bundes aus dem zu erwartenden Steuermehraufkommen des Staates näherzukommen. Konsequenter wäre es, was ich Ihnen zugebe, allerdings gewesen, bei der arbeitsrechtlichen Lohnfortzahlung überhaupt auf die Erhebung der Lohnsteuer zu verzichten, so wie es der Bundesrat in der 4. Legislaturperiode bereits selbst vorgeschlagen hatte; und im Bundesrat sind, wie ich mir haben sagen lassen, ja auch Sozialdemokraten. Im übrigen wird die degressive Gestaltung der Übergangshilfe der Tatsache nicht gerecht, daß die erheblichen Mehrbelastungen aus der arbeitsrechtlichen Lohnfortzahlung auch nach Ablauf der Übergangszeit fortbestehen.
({9})
Hier müßte, wie ich meine, eine langfristige Regelung ohne degressiven Charakter aus sachlichen und psychologischen Gründen gefunden werden.
Viertens. Die Beteiligung der Betriebe an den Lohnfortzahlungskosten von 20% wird von uns - ich spreche jetzt von den Handwerkern, meinen Kollegen - akzeptiert, um das Interesse der Betriebe an einer maßvollen Inanspruchnahme der Ausgleichskasse zu förden. Diese Bereitschaft der Arbeitgeber sollte es auch den Vertretern der ArSchulhoff
beitnehmerschaft erleichtern, den Gedanken einer sinnvolle Eigenbeteiligung der Versicherten an den Leistungen der Solidargemeinschaft, insbesondere bei den sogenannten Bagatellfällen nicht stets grundsätzlich abzulehnen.
Ich nehme an, meine Kollegen - die Sie an Zahl immer weniger werden -,
({10})
daß Sie mit mir einig gehen, wenn ich erkläre, daß wir alle, Arbeitgeber wie Arbeitnehmer, keine Engel sind und daß sich daraus eben sachliche Konsequenzen ergeben.
Der Beschluß meiner Fraktion, die Lohnfortzahlung nicht ohne die erste Stufe einer Krankenversicherungsreform einzuführen, zeigt jedenfalls den guten Willen zu einem Anfang auf diesem Gebiet und beweist den Mut zu vermeintlich unpopulären Schritten.
({11})
Tatsächlich ist die Einsicht der Versicherten in die Notwendigkeit bestimmter Maßnahmen erfahrungsgemäß größer, als sie mancher Vertreter dieses Personenkreises wahrhaben will,
({12})
einfach deshalb - das ist ganz logisch -, weil den Versicherten die ständig wachsenden Abzüge und verringerten Zuwachsraten bei den Reallöhnen als größeres Übel erscheinen.
Aus diesem Grunde ist zu bedauern, daß von der sogenannten Beitragsrückgewähr schon wegen fehlender Kostenkenntnis der Versicherten kaum Wirkungen zu erwarten sind. Auch bei den Formen einer Eigenleistung ist leider der Komplex der Arztkosten völlig ausgeklammert worden.
Herr Präsident, meine Damen und Herren, ich bitte um Ihr Verständnis dafür, daß ich angesichts so vieler Bedenken, von denen ich nur einige genannt habe -
({13})
- Ja, natürlich; aber diese Beiträge zahlt jeder, unabhängig davon, ob er gesund oder krank ist - oder sich krank fühlt. Das ist doch ein Unterschied; das ist kein guter Einwand.
({14})
- Welche Unterstellung? Das ist doch keine Unterstellung. Ich habe Ihnen erklärt, ich stehe auf dem Standpunkt, daß es nicht überall Engel gibt, auch bei den Arbeitgebern nicht. So wird es auch bei manchen Arbeitnehmern sein.
Außerdem: wie ist denn so die Praxis? Ich habe einen, wenn auch nicht sehr großen Betrieb; immerhin beschäftige ich 110 Mann. Ich habe sogar einen Fußballklub in meinem Betrieb. Montags kommen die Burschen und sind alle sehr stark angeschlagen; die einen arbeiten trotzdem, die anderen sagen: Na
ja, ich bleibe mal zu Hause! - Sie wissen, so geht das doch. Ich habe Verständnis dafür;
({15})
aber in den Kosten schlägt es sich dann nieder. Darf ich jetzt fortfahren.
({16})
- Das hat doch nichts mit Steuerhinterziehung zu tun.
({17})
- Ich habe noch keine Steuern hinterzogen.
({18})
- Wem denn?
({19})
Dann müssen Sie Roß und Reiter nennen! So ganz allgemeine Behauptungen sollte man nicht aufstellen.
({20})
- Ja, Sie haben recht. Aber Sie wollen ja zu Mittag
essen gehen; lassen Sie mich zum Schluß kommen.
Ich bitte, zu verstehen, daß ich angesichts so vieler sachlicher Bedenken, von denen ich nur einige genannt habe, den Vorschlag der SPD-Fraktion ablehnen muß, aber auch dem Antrag meiner Fraktion nicht ohne weiteres und nicht jetzt und hier zustimmen kann; .das ist die mildeste Form der Ablehnung.
Lassen Sie mich die Hauptgründe für meinen Entschluß noch einmal kurz aufführen, wobei ich nicht nur - ich bitte, dies zu beachten - im Namen des gesamten Handwerks, sondern weitgehend auch im Namen der gesamten Arbeitnehmerschaft spreche.
({21})
- Die ganz Großen ausgenommen; für die können Sie ja sprechen.
Erstens. Die vielgepriesene gesellschaftspolitische Gleichstellung der Arbeiter mit den Angestellten wird - das ist ja zugegeben - durch diese Vorlage nicht erreicht. Unterschiedliche Funktion und ein unterschiedlicher Rechtsstatus - das wissen Sie ja besser als ich - beider Arbeitnehmergruppen bleiben bestehen. Auch die Versicherungspflicht bleibt verschieden geregelt. Dabei habe ich für den Wunsch der Angestellten, nun ihrerseits mit den Arbeitern gleichgestellt zu werden, durchaus Verständnis.
({22})
- Wir sprechen noch zusammen, Herr Professor. Ich habe Ihnen immer angeraten, sich mit mir rechtzeitig an einen Tisch zu setzen. Das haben Sie ebenso versäumt wie der Arbeitsminister. Der hat es auch bereut, Sie noch nicht; das ist der Unterschied.
Die der Wirtschaft zugemutete hohe Belastung bringt - das ist schon mehrfach gesagt worden; ich
stelle mich auf 'denselben Standpunkt - praktisch
keinen materiellen Vorteil für den Arbeitnehmer.
Sie sagen: Es kommt ja nicht darauf an. Nun ja, es ist die Blume, es ist also ein Ethos, mit den Angestellten gleichgestellt zu werden, zumindest im Krankheitsfall. Die Geldströme fließen ja in andere Kassen, die aber ,auch aus anderen Quellen gespeist werden könnten, nicht nur durch die Lohnfortzahlung.
Bei der Vorziehung der Lohnfortzahlung - und das ist eigentlich mein größtes Anliegen und mein größtes Bedenken - wird die notwendige Krankenversicherungsreform, die zu einer grundlegenden und langfristigen Modernisierung unseres Systems, das noch aus der Bismarck-Zeit stammt, führen muß, für lange Zeit, wenn ,nicht für immer - ich werde Sie vielleicht noch einmal daran erinnern können - auf Eis gelegt.
Die Lohnfortzahlung in der Bundesrepublik - das kann nicht bestritten werden - steht schon jetzt im internationalen Vergleich ohne Beispiel da. Es gibt auch keinen überzeugenden Grund, warum die Lohnfortzahlung noch von diesem Bundestag verabschiedet werden muß, da ja der Arbeiter im Krankheitsfall durch seinen Anspruch auf das 100 %ige Netto-Arbeitsentgelt bereits heute voll gesichert ist.
Ein Jahrhundertgesetz - und das ist ein Jahrhundertgesetz, meine Damen und Herren - sollte niemals unter Zeitdruck und in einer 'beginnenden Wahlkampfatmosphäre verabschiedet werden. Ich möchte Ihnen ein Wort des Herrn Ministers Katzer zurufen, das er allerdings in einem anderen Zusammenhang gesagt hat: Machen Sie eine Denkpause!
({23})
Meine Damen und Herren, wir treten jetzt in eine Mittagspause ein. Ich darf Sie daran erinnern, daß die Sitzung um 15 Uhr wiederaufgenommen wird mit der Behandlung der Punkte 4 bis 7 der Tagesordnung, nämlich der Vorschläge des Vermittlungsausschusses. Erst danach fahren wir in der Diskussion zu den Punkten 2 und 3 fort.
Die Sitzung ist unterbrochen.
({0})
Die Sitzung ist wieder eröffnet.
Meine Damen und Herren, wir haben die Freude, hohe Besucher begrüßen zu können. Auf der Tribüne hat eine Parlamentarierdelegation aus Kolumbien unter Führung des Präsidenten Herrn Dr. Andrage Platz genommen. Wir freuen uns sehr über ihren Besuch.
({0})
Nach der Vereinbarung im Ältestenrat beraten wir jetzt zunächst die Vorlagen des Vermittlungsausschusses. Ich rufe zunächst den Punkt 4 der Tagesordnung auf:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes ({1}) zu dem 20. Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes - Finanzreformgesetz
- Drucksache V/4105 Das Wort als Berichterstatter hat Herr Abgeordneter Dr. Althammer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit Ihrer Erlaubnis, Herr Präsident, würde ich über beide Ausschußberichte, Drucksachen V/4105 und V/4106, gemeinsam Bericht erstatten.
Das Haus ist damit einverstanden. Ich rufe Punkt 5 der Tagesordnung auf:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes ({0}) zu dem 20. Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes - Artikel 74, 75, 96 Abs. 4 des Grundgesetzes
- Drucksache V/4106 -Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Althammer
Zum zweiten Male liegt diesem Hohen Hause ein Vorschlag des Vermittlungsausschusses zum 20. Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vor. Am 13. Februar 1969 hatte der Vermittlungsausschuß entsprechend dem Anrufungsbegehren des Bundesrates vom 7. Februar 1969 das Paket von Grundgesetzänderungen in drei Einzelteile aufgelöst. Der zweite Teil, der die Grundgesetzänderungen zur Haushaltsrechtsreform betraf, ist inzwischen vom Bundestag und vom Bundesrat mit der notwendigen Zweidrittelmehrheit angenommen worden und steht nicht mehr zur Diskussion. Dagegen wurde dem Vermittlungsvorschlag zum ersten Teil, der Finanzverfassungsreform, und zum dritten Teil, den Kompetenzänderungen anderer Art, die notwendige Zweidrittelmehrheit im Bundestag verweigert und damit die ursprüngliche Bundestagsvorlage vom 11. Dezember 1968 wiederhergestellt.
({0})
Einen Augenblick, Herr Kollege Althammer. Die Unruhe im Hause ist doch zu groß: - Ich bitte, Platz zu nehmen. - Wir fahren erst fort, wenn genügend Ruhe im Hause herrscht. - Darf ich bitten, Platz zu nehmen, meine Herren! - Einen Augenblick noch! - Ich bitte doch, die Gespräche einzustellen oder sie bis zur Abstimmung nach draußen zu verlegen.
Bitte, fahren Sie fort, Herr Althammer.
Erwartungsgemäß hat der Bundesrat diesen beiden Vorlagen dann seinerseits die Zweidrittelmehrheit am 28. März 1969 verweigert. Damit kam das vorsorglich am 21. März 1969 vom Bundeskabinett beschlossene AnDr. Althammer
rufungsbegehren an den Vermittlungsausschuß zum Zuge. Die Bundesregierung hatte ihr Anrufungsbegehren auf die Art. 106 und 107 des Entwurfs beschränkt. Der Vermittlungsausschuß seinerseits beschränkte sich bei seinen Beratungen am 21. April 1969 ebenfalls auf diese beiden Artikel. Das bedeutet, daß der dritte Teil des ursprünglichen 20. Änderungsgesetzes - das ist also die Ausschußdrucksache 4106 - unverändert in der Fassung, die erstmals vom Vermittlungsausschuß erarbeitet worden war - in den Art. 74, 75 und 96 Abs. 4 -, diesem Hohen Hause erneut vorgelegt und zur Annahme empfohlen wird.
Im ersten Teil des 20. Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes wurde der Art. 107 Abs. 1 und Abs. 2 bei den erneuten Beratungen im Vermittlungsausschuß wiederaufgenommen und inhaltlich geändert. Der Bundesrat hat bei seiner Ablehnung der Finanzverfassungsreform zu diesen entscheidenden Bestimmungen, die auch Grund für die Verweigerung der Zweidrittelmehrheit im Bundestag gewesen waren, in seiner Entschließung folgendes ausgeführt:
Die vom Bundestag beschlossene Fassung der Artikel 106 und 107 des Grundgesetzes machen es dem Bundesrat unmöglich, dem Reformwerk zuzustimmen. Durch diese Verfassungsnormen würde für die gesamte Verbundsteuer ein eigenes, originäres Steueraufkommen der Länder beseitigt und damit im Ergebnis ihre gesamte Steuerausstattung der Ermessensentscheidung des Bundesgesetzgebers überlassen werden. Eine solche Beeinträchtigung der Finanzhoheit der Länder kann nicht das Ziel der Finanzreform sein.
Dementsprechend ist es Ziel des neuen Vermittlungsvorschlages, diesem Einwand Rechnung zu tragen, gleichzeitig aber dem Wunsch des Bundestages und einer Minderheit der Länder entgegenzukommen, nämlich die Steuerkraft der einzelnen Bundesländer gleichmäßiger zu gestalten. Der Vermittlungsausschuß hat diese Absicht schriftlich fixiert. Mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten darf ich diese Verlautbarung des Vermittlungsausschusses hier wörtlich vortragen:
Der Vermittlungsausschuß geht davon aus, daß der Bundesrat am 30. Mai 1969 im Benehmen mit der Bundesregierung einen Initiativgesetzentwurf über den Länderfinanzausgleich beschließen wird. Das Gesetz nach Art. 107 GG soli sicherstellen, daß die Landessteuern und die Länderanteile an den Gemeinschaftssteuern bei den ausgleichsberechtigten Ländern so aufgestockt werden, daß keines von ihnen unter 95 °/o des Länderdurchschnittes in D-Mark je Einwohner bleibt. Die Landessteuern und die Länderanteile an den Gemeinschaftssteuern der ausgleichspflichtigen Länder sollen bei keinem von ihnen unter 100% des Länderdurchschnittes in D-Mark je Einwohner absinken.
Bei der Feststellung der Ausgleichsmeßzahlen ist die Hälfte der Kommunalsteuern und Steueranteile einschließlich der Gemeindeeinkommensteuer, aber abzüglich der Hälfte der Gewerbesteuerumlage entsprechend dem geltenden Recht zu berücksichtigen.
Der vom Vermittlungsausschuß neu gefaßte Art. 107 ist die Voraussetzung dafür, daß dieses Ziel erreicht wird. Die bisher in Art. 107 des Grundgesetzes bestehende Kann-Bestimmung für Steuerzerlegungsgesetze wurde für die Körperschaftsteuer und für die Lohnsteuer in eine Muß-Bestimmung umgewandelt. In einem vereinfachten Zerlegungsverfahren sollen die Verzerrungen beim örtlichen Aufkommen zwischen den einzelnen Bundesländern beseitigt werden. Gleichzeitig ist sichergestellt, daß die von der Zerlegung der Steuern betroffene Finanzmasse eigenes Steueraufkommen der Länder bleibt. Dies war ja ein Anliegen aller Länder im Bundesrat gewesen.
In Art. 107 Abs. 2 wurden vom Vermittlungsausschuß ebenfalls Textänderungen vorgeschlagen, die zu einem neuen Sprachgebrauch führen sollen. Die Länder, die bisher in Art. 107 Abs. 2 als „leistungsschwach" gekennzeichnet waren, werden jetzt als „ausgleichsberechtigte" Länder bezeichnet, die bisher als „leistungsfähig" gekennzeichneten Länder heißen jetzt „ausgleichspflichtige" Länder. Im Verhältnis zum Bund bleibt es für die Ergänzungszuweisungen bei der bisherigen Bezeichnung.
Dies sind die wesentlichen Änderungen, die der Vermittlungsausschuß in seiner ganz überwiegenden Mehrheit beschlossen hat. Wenn dieses Hohe Haus dem Vorschlag mit der notwendigen Zweidrittelmehrheit zustimmt, besteht begründete Aussicht, daß auch der Bundesrat dem Gesetzgebungswerk mit verfassungsändernder Mehrheit zustimmen wird und daß damit die Finanzverfassungsreform noch in dieser Periode zu einem guten Ergebnis gebracht werden kann.
({0})
Das Wort zu einer Erklärung hat der Herr Abgeordnete Schmidt ({0}).
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe die Ehre, für die CDU/CSU eine Erklärung zu den neuen Vorschlägen des Vermittlungsausschusses abzugeben. Sie werden verstehen, meine Damen und Herren, daß ich das nicht tun kann, ohne als Vorsitzender sowohl des Finanzausschusses als auch des Vermittlungsausschusses zunächst allen in der Exekutive und in der Legislative in Bund und Ländern zu danken, die aktiv und positiv zur Förderung des heute hoffentlich zum Abschluß gelangenden umfassenden Gesetzeswerkes beigetragen haben.
({0})
Stellvertretend für alle möchte ich nur Herrn Staatssekretär Professor Dr. Hettlage nennen, der sich des Sonderauftrags des Bundesministers der Finanzen über Jahre mit seiner großen Erfahrung bis in die letzte Stunde hinein erfolgreich entledigt hat.
({1})
Dr. Schmidt ({2})
Nun zu meiner eigentlichen Aufgabe. Die CDU/ CSU-Fraktion hat die Vorschläge des Vermittlungsausschusses zur Finanzverfassungsreform und zu den anderen Ihnen vorliegenden Grundgesetzänderungen mit Genugtuung zur Kenntnis genommen. Sie wird ihnen zustimmen.
Als eine starke Minderheit die ersten Vorschläge des Vermittlungsausschusses am 20. März 1969 verwarf, fehlte es gerade in diesem Hause nicht an Stimmen, die die Finanzreform für gescheitert erklärten und die Verantwortung dafür meiner Fraktion zusprachen. Nun zeigt sich, daß die Vernunft ihre Chancen wahrte. Niemand wird bestreiten können, daß der neue Vorschlag, auch wenn er kompliziert anmutet, gegenüber dem ersten Vorschlag des Vermittlungsausschusses einen wirklichen Fortschritt darstellt. Statt einer starre Besitzstände wahrenden Formel wird das Grundgesetz ein elastisches, tatsächlichen Bedürfnissen Rechnung tragendes Instrument bieten. Statt der Zementierung eines Rechtsanspruchs wird es die Basis für einen vernünftigen Ausgleich der Finanzausstattung unserer Länder erhalten.
Daß dieses Problem, meine Damen und Herren, nicht auf adäquatere Weise, nämlich durch eine Neuordnung der Länder oder durch Verteilung des Länderanteils an der Körperschaftsteuer auf Grund etwa eines Einwohnerschlüssels, gelöst werden kann, muß beklagt werden, ist aber eine Realität, mit der wir uns zumindest zur Zeit abfinden müssen. Nach wie vor sind wir der Auffassung, daß eine Finanzverfassungsreform, wie sie der Bundestag am 11. Dezember 1968 verabschiedet hatte, eine moderne, den Problemen unserer Zeit besser gerecht werdende Ordnung der finanziellen Beziehungen zwischen Bund, Ländern und Gemeinden gebracht hätte.
({3})
Aber da die Politik nun einmal die Kunst des Möglichen ist und bleibt und da eine Finanzverfassungsreform nur mit Zustimmung von zwei Dritteln unserer Länder zustande kommen kann, war die von unserer Seite als optimal betrachtete Lösung nicht durchzusetzen.
Was wir nun mit Zustimmung von Bundestag und hoffentlich auch Bundesrat bekommen werden, stellt einen Kompromiß dar. Wir sind froh, daß der Vermittlungsausschuß eine Lösung gefunden hat, die ausgewogenere Finanzverhältnisse schaffen wird und die den Föderalismus, dessen Popularität - zumindest, wenn man einmal von Bayern absieht - nicht überschätzt werden sollte,
({4})
nicht weiter in Mißkredit zu bringen braucht.
Ich hoffe, daß auch diejenigen Länder, die nicht nur durch die Gunst der Umstände, sondern auch auf Grund unbestrittener Leistungen bisher finanziell bessergestellt waren, als sie es in Zukunft sein werden, dem Vorschlag des Vermittlungsausschusses zustimmen werden. Wir haben immerhin mit zu bedenken, daß die Bürger der Bundesrepublik einen relativ gleichwertigen Anspruch auf die öffentlichen Leistungen, die sie mit ihren Steuergroschen finanzieren, erheben. Sie werden auf die Dauer kaum Verständnis dafür haben, daß sie bei individuell gleichen Steuerleistungen höchst unterschiedlich und obendrein auch noch unangemessen an den Gegenleistungen der öffentlichen Hand partizipieren.
({5})
Auch in Zukunft wird das ausgleichsverpflichtete Land finanzstärker sein als idas ausgleichsberechtigte. Auch in Zukunft wird es keine Gleichmacherei geben, wohl aber eine gleichmäßigere Ausstattung der Länder und Gemeinden mit Finanzmitteln, insbesondere eigenen Steuermitteln. Die Minderung von finanziellen Vorteilen, die auf Zufall und nicht auf Leistung beruhten, wird sicher die Einstellung unserer Mitbürger gegenüber idem Föderalismus günstig beeinflussen. Rein rechtlich oder machtpolitisch motiviertes Festhalten an Besitzständen dagegen stößt bei unseren Mitbürgern, insbesondere bei der jungen Generation, die unsere Probleme viel sachlicher und entideologisiert betrachtet, auf absolutes Unverständnis. Jeder, der aus Erfahrung einen föderalistischen Staatsaufbau nicht nur für wünschenswert, sondern, wie ich es tue, für notwendig hält, sollte die jetzt anstehende Entscheidung auch in diesem politisch-psychologischen Rahmen sehen. Meines Erachtens können wir dem Vorschlag des Vermittlungsausschusses getrost zustimmen. Wir können es in idem Bewußtsein tun, unsere Verfassung in entscheidenden Punkten wesentlich funktionsfähiger gestaltet zu haben.
Der Teil der Grundgesetzänderungen, die die neuen Gesetzgebungskompetenzen des Bundes betreffen, ist in der 'Empfehlung des Vermittlungsausschusses unverändert geblieben. Das erleichtert vielen von uns, aber auch dem Bundesrat, so denke ich, die Zustimmung, nachdem die eigentliche Finanzverfassungsreform nun verbessert worden ist. Ein gerüttelt Maß an politischer Einsicht auf allen Seiten hat für die neue Legislaturperiode den Weg für bessere und erfolgreichere Kooperation zwischen Bund und Ländern eröffnet.
({6})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Möller.
Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller: ({0}) : Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Für die sozialdemokratische Bundestagsfraktion habe ich folgendes zu erklären:
Die vom Vermittlungsausschuß im zweiten Durchgang festgelegte Lösung, nach der die Körperschaftsteuer und die Lohnsteuer zerlegt werden sollen, schafft den Vorwurf aus der Welt, daß es nicht vertretbar sei, wenn der Unternehmenssitz darüber bestimmt, in welche Landeskasse das Körperschaftsteuer- und Lohnsteueraufkommen großer Betriebe fließt. Auf Grund der fortschreitenden Konzentration in der Wirtschaft sowie der zunehmenden, durch elektronische Datenverarbeitungsanlagen vorangetriebenen zentralen Lohnabrechnungen werden in Zukunft diese Verzerrungen, die sich aus einem
Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller
Auseinanderfallen von Betriebsstätten- und Unternehmenssitz ergeben, über das schon heute bestehende Ausmaß hinaus immer stärkeres Gewicht erhalten. Mit der Zerlegung - (die nach einer KannBestimmung im Grundgesetz schon immer möglich gewesen ist; darauf will ich aufmerksam machen -, wird 'das Körperschaft- und Lohnsteueraufkommen in die Länder gelenkt, in denen die Betriebsstätten einer Unternehmung liegen. Diese Regelung führt dazu, daß insbesondere die finanzschwachen Länder zusätzliche Steuereinnahmen erhalten, die auf der Ertragskraft ihrer Wirtschaft beruhen. Sie sind dadurch also weniger auf die Vorwegauffüllung aus dem Länderanteil der Umsatzsteuer und auf den horizontalen Finanzausgleich angewiesen. Brei der Gewerbesteuer ist schon seit langem eine Zerlegung zwischen den Gemeinden der Bundesrepublik üblich. Die hierzu erforderlichen Berechnungen lassen sich auch bei der Zerlegung der Lohn- und der Körperschaftsteuer verwerten.
Wenn nun von einer zusätzlichen Arbeitsbelastung gesprochen wird - und das werden wir in der nächsten Erklärung noch dargestellt bekommen -, so ist dem entgegenzuhalten, daß die Verwaltungsarbeit bei einer Zerlegung der Gewerbesteuer zwischen 24 000 Gemeinden nicht mit einer solchen über höchstens elf Ländergrenzen hinweg vergleichbar sein kann. Der zusätzliche Arbeitsanfall, der durch eine Zerlegung der Körperschaftsteuer und der Lohnsteuer entsteht, ist vor allem deswegen wesentlich geringer als bei der Gewerbesteuer, weil überhaupt nur eine beschränkte Anzahl von Betrieben von dieser Regelung erfaßt wird. Nach unseren Vorstellungen sind nur Großbetriebe, die mindestens einen Gewinn von über 1 Million DM erzielen, von der Zerlegung betroffen; das wären etwa 6000 Fälle. Mit einem solchen Zerlegungsgesetz, das im Jahre 1970 erst erarbeitet werden muß, könnte der Teil des Steueraufkommens der Unternehmen, die Betriebsstätten in mehreren Ländern unterhalten, erfaßt werden. Diese Zerlegung bereitet den betroffenen Großunternehmen bei dem heutigen Stand des betrieblichen Rechnungswesens und der Datenverarbeitung zweifellos keine Schwierigkeiten.
Meine Damen und Herren, gelingt es nun, die Änderungen des Grundgesetzes nach den Vorstellungen des Vermittlungsausschusses zu verwirklichen, dann ergibt sich als Neuordnung:
Wir erhalten das neue verfassungsrechtliche Institut der Gemeinschaftsaufgaben von Bund und Ländern. Hierbei handelt es sich um diejenigen umfangreichen Investitionen der öffentlichen Hand, die nicht nur für die kulturellen Bedürfnisse der Bevölkerung notwendig sind, sondern die auch eine entscheidende Voraussetzung für das weitere Wirtschaftswachstum bilden. Gemeinschaftsaufgaben werden in Zukunft sein: 1. Ausbau und Neubau von wissenschaftlichen Hochschulen einschließlich der Hochschulkliniken, 2. Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur sowie 3. Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes. Diese Aufgabenbereiche besitzen für unsere gesellschaftliche und wirtschaftliche Zukunft einen außerordentlich hohen Rang. Gesetzgebungszuständigkeit erhält der
Bund unter anderem für die Regelung der Ausbildungsbeihilfen und die Förderung der wissenschaftlichen Forschung sowie für die wirtschaftliche Sicherung der Krankenhäuser und die Regelung der Krankenhauspflegesätze. Die Rahmengesetzgebungszuständigkeit des Bundes ist um die allgemeinen Grundsätze des Hochschulwesens erweitert worden. Bund und Länder können nunmehr auch auf Grund von Vereinbarungen bei der Bildungsplanung und bei der Förderung von Einrichtungen und Vorhaben der wissenschaftlichen Forschung von überregionaler Bedeutung zusammenwirken.
Das sind - und ich meine, man sollte das Gesamtergebnis so festhalten - neben der jetzt geregelten Finanzierungskompetenz des Bundes, dem Fortschritt für den einheitlichen Vollzug der Steuergesetze in Art. 108, dem großen Steuerverbund, der Bund und Länder umschließt, der Verminderung der Finanzkraftunterschiede zwischen den Ländern und der Schaffung der Voraussetzungen für das Ausführungsgesetz zur Gemeindefinanzreform die entscheidenden Resultate langwieriger und schwieriger Bemühungen um eine große, konstruktive und moderne Finanzverfassungsreform. Unsere föderative Ordnung hat bewiesen, daß sie zu einer Weiterentwicklung fähig ist. Aber man sollte in einer objektiven Gesamtwürdigung auch zugeben: ohne die Große Koalition wäre dieses Werk nicht gelungen.
({1})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Mischnick.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Namens der Fraktion der Freien Demokraten habe ich folgende Erklärung abzugeben.
Mit dem gefundenen Kompromiß, der über alle Maßen kompliziert, kaum praktikabel und leider für dieses Regierungsbündnis kennzeichnend ist, erweist die Große Koalition weder der Verfassung noch unserem Volk einen guten Dienst.
({0})
Die Große Koalition versucht heute eine Scheinlösung der Öffentlichkeit als den großen Schritt nach vorn zu präsentieren, obwohl jeder in diesem Hohen Hause weiß, daß die Regierung und die Koalitionsparteien Stück für Stück der angestrebten Reform fallenließen, weil sie sich bei ihren eigenen Parteifreunden in den Ländern nicht durchsetzen konnten.
Das groß angekündigte Konzept, den Föderalismus als Prinzip der Machtverteilung der politischen Entwicklung eines Staates anzupassen, dessen Wirtschaftsleben leistungsbezogen ist, ist auf der Strecke geblieben. Die Länder haben dem zeitgemäßen Föderalismus einen Tiefschlag versetzt. Wo in einem Bundesstaat einige Bundesländer dem Ganzen ihren Willen aufdrängen wollen und dies dann auch gegen eine unentschlossene Bundesregierung durchsetzen, kann das Ganze nicht gedeihen.
Unsere Kritik richtet sich dagegen, daß dem Bund keine ausreichenden Kompetenzen gegeben werden, die für die dringend notwendige Reform im Bildungswesen erforderlich sind, um unserer Jugend im internationalen Wettbewerb eine gesicherte Zukunft zu ermöglichen und dadurch das Unbehagen an unserem Staat zu nehmen. Eine ausreichende Reform auf diesem Gebiet ist nur auf einer einheitlichen Ebene, nämlich durch den Bund, möglich und nicht auf den Ebenen der elf Bundesländer. Dies hat uns die 20jährige Praxis hinreichend verdeutlicht. Zum Ergebnis des Vermittlungsausschusses kann man daher nur sagen: eine totale Kapitulation vor dem Länderegoismus.
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Dasselbe gilt für die 'vorgesehene sogenannte Neuverteilung der Steuern. Was hier angestrebt wird, verdient ebensowenig wie alles übrige die Bezeichnung „Reform". Auch hier hat man vor dem Machtdenken der Länder weitgehend kapituliert. Die Vorschläge des Vermittlungsausschusses werden uns einen Wirrwarr heute noch gar nicht zu übersehenden Ausmaßes bescheren. Statt eines Verteilungsprozesses haben wir nun deren vier:
1. die Zerlegung der Körperschaftsteuer, der Lohnsteuer und möglicherweise der Kapitalertragsteuer zwischen den Ländern der jeweiligen Konzernleitung und den Ländern der Zweigwerke;
2. den horizontalen Finanzausgleich der Länder;
3. die Sonderzuweisung des Bundes an ausgleichsberechtigte Länder aus der Umsatzsteuer;
4. die Sonderzuweisung des Bundes an einzelne Länder aus den Ertragsteuern.
Alle diese Verteilungsarten sollen nun im Grundgesetz verankert und damit zwingend werden. Wer diesem komplizierten System einer permanenten Umwälzung von Finanzmassen zustimmt, lehnt damit die mit Worten so oft beschworene Vereinfachung der Verwaltung und die Entlastung der Finanzämter praktisch ab.
Ministerien, Finanzämter, Steuerpflichtige und die Angehörigen der steuerberatenden Berufe erhalten neue, unnötige Arbeit und neue, unnötige Konfliktstoffe. Der Bürger muß schließlich dafür den gesamten unnötigen Verwaltungsaufwand zahlen. Wenn unsere Wirtschaft so kompliziert arbeitete, wäre sie bald nicht mehr konkurrenzfähig.
Lassen Sie mich die Vorstellungen der FDP zur Finanzreform noch einmal kurz zusammenfassen.
Erstens. In der Verteilung und Abgrenzung der Aufgaben zwischen Bund und Ländern muß der Bund - daran hält die FDP fest - die notwendigen Kompetenzen haben, um im Bundesgebiet die Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse herzustellen bzw. zu garantieren. Hierzu gehört heute vorrangig die Bundeszuständigkeit für das Bildungs- und Hochschulwesen.
Zweitens. Eine klare Abgrenzung der Aufgaben zwischen Bund und Ländern muß kommen, um die parlamentarisch nicht kontrollierbaren grauen Zonen und Mischverwaltungen zu beseitigen.
Drittens. Im großen Steuerverbund soll die Finanzmasse sinnvoll zusammengefaßt und den Aufgaben entsprechend zwischen Bund, Ländern und Gemeinden verteilt werden, und zwar unmittelbar und ohne einen mehrfachen Finanzausgleich mit seinem mehrfachen Verwaltungsaufwand und dem ständigen Ringen um Höhe und Maßstab des Ausgleichs.
Viertens. Es dürfen keine Verteilungsquoten im Grundgesetz festgelegt werden. Dies sollte vielmehr in den leichter abänderbaren Ausführungsgesetzen. geschehen. Nur so kann die notwendige Flexibilität gewährleistet werden. Die Gemeinden sind dabei sinnvoll am Steuerverbund zu beteiligen. Mit dem Abbau der Gewerbesteuer muß sofort begonnen werden, weshalb auch der Vergleich des Kollegen Dr. Möller hinfällig ist.
Fünftens. Die Finanzausstattung der Gemeinden ist weiter zu verbessern.
Sechstens. Eine bundeseinheitliche Finanzverwaltung ist einzuführen.
Siebtens. Hand in Hand mit einer Finanzreform muß nach Auffassung der Freien Demokraten die Neugliederung des Bundesgebietes gehen.
Ich fasse zusammen. Schlechter als das, was uns hier vom Vermittlungsausschuß vorgelegt wurde, konnte das Ergebnis siebenjährigen Bemühens aller' Fraktionen und Bundesregierungen nicht ausfallen. Wir lehnen deshalb den Vorschlag des Vermittlungsausschusses ab.
Die Bundesregierung der Großen Koalition hat die Probleme der Finanzreform, im ganzen gesehen, nicht zu lösen vermocht.
Wenn Sie, meine Damen und Herren, dafür stimmen, daß die Vorschläge des Vermittlungsausschusses in das Grundgesetz aufgenommen werden, wohin sie in der vorliegenden Form zum großen Teil gar nicht gehören, verbauen Sie den Weg zu einer den modernen Erfordernissen entsprechenden Finanzverfassung, die einem funktionsfähigen Bundesstaat entspricht. Entgegen dem beliebten, aber teuren Slogan der Bundesregierung stellen wir fest: Diese Richtung stimmt bestimmt nicht.
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Das Wort hat der Herr Bundesminister der Finanzen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir bitte, vor der Abstimmung eine Erklärung zum Einigungsvorschlag des Vermittlungsausschusses abzugeben. Ein Vermittlungsvorschlag kann nicht alle Erwartungen erfüllen, vor allen Dingen wenn die Erwartungen von sich widersprechenden Standpunkten und Interessen aus bestimmt werden. Er kann nicht der einen und zugleich auch der anderen Seite vollauf gerecht werden. Vielmehr muß er einen Ausgleich unter den widerstreitenden Meinungen suchen. Wer das nicht sehen will, versteht die politischen Realitäten nicht. Deshalb bedauert
die Bundesregierung die Erklärung, die hier vom Sprecher der Opposition abgegeben worden ist, weil sie geeignet ist, ein, wie ich in wenigen Sätzen ausführen werde, Reformwerk von grundsätzlicher Bedeutung abermals in den Augen der Öffentlichkeit abzuwerten und damit der parlamentarischen Demokratie einen schlechten Dienst zu erweisen.
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Es ist verfehlt, in diesem Zusammenhang von einer Kapitulation vor den Ländern zu sprechen. Die Hauptstreitfrage, die zu einer abermaligen Anrufung des Vermittlungsausschusses geführt hat, war nicht die Verteilung irgendwelcher Finanzmassen zwischen Bund und Ländern,
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sondern die Aufteilung einer den Ländern zugesprochenen Finanzmasse - nämlich des Anteils von 50% an der Körperschaftsteuer - unter den Ländern.
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Ich bitte doch nicht an der Tatsache vorbeizugehen, daß unter den Landesregierungen, die sich zum Teil auf der einen und zum Teil auf der anderen Seite befunden haben, Finanzminister derselben Oppositionspartei, die sich hier gegen diesen Kompromiß ausspricht, befunden haben, wenn ich an Herrn Qualen und an Herrn Eicher auf der einen und an Herrn Speckmann auf der anderen Seite denke - unabhängig von den Koalitionen in den Ländern, die sich ebenfalls hier, je nachdem, welche finanzielle Stellung das Land hat, gegenübergestanden haben.
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Wer diese Kritik übt, ist verpflichtet, der Öffentlichkeit zu sagen, welche Mittel die Bundesregierung und das Bundesparlament gehabt hätten, um die Länder zu einer einheitlichen Auffassung, in diesem Falle der Auffassung der Bundestagsmehrheit, zu bringen.
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Wer aber ohne Bereitschaft zum Kompromiß einen solchen Vergleichsvorschlag ablehnt, muß dann auch zugeben, daß er bereit gewesen wäre, auf die Verabschiedung dieses Reformwerks zu verzichten.
({5}) Das ist die ganz einfache Konsequenz.
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Ich habe aus meiner Auffassung keinen Hehl gemacht, daß die Verteilung der Steuern nach dem örtlichen Aufkommen angesichts der Wirtschaftskonzentration problematisch ist. Ich erkläre aber ebenso eindeutig, daß ich den Vermittlungsvorschlag insgesamt für eine brauchbare Lösung halte, und ich empfehle, ihn als das unter den gegebenen Umständen erreichbar gewesene Ziel anzunehmen.
Es ist auch ganz einfach falsch, wenn man die ganze Reform jetzt unter dem einen Gesichtspunkt der Steuerverteilung auf die Länder und unter den
Ländern beurteilt. So wird man dem Gesamtwerk nicht gerecht.
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Ich- bitte Sie, einmal die Vorschläge der von einem meiner Amtsvorgänger, dem sehr verehrten Kollegen Dahlgrün, eingesetzten Sachverständigenkommission auf der einen Seite und das hier zur Annahme anstehende Ergebnis auf der anderen Seite miteinander zu vergleichen. Ich glaube, kaum jemand hätte seinerzeit erwartet, daß die von der damals eingesetzten Kommission gemachten Vorschläge angesichts der gegebenen Schwierigkeiten und des Widerstreits der Interessen so weitgehend in die politische Wirklichkeit umgesetzt werden könnten. Ein Blick auf die Ziele der Reform und der Vergleich zwischen dem Gewollten und dem Erreichten wird jeden Verdacht ausschließen, daß hier eine Bereitschaft zum Kompromiß obwaltet, mit der Zukunftschancen vertan werden, wie es eben behauptet worden ist.
Nur ein kurzer Überblick in Ergänzung dessen, was die Vorredner, besonder Kollege Möller, auch schon erwähnt haben.
Erstens. Das Institut der Gemeinschaftsaufgaben wird erstmalig in die Verfassung eingeführt. Es wird ergänzt durch eine weitgehende Möglichkeit zur Zusammenarbeit von Bund und Ländern bei der Bildungsplanung und der Förderung der wissenschaftlichen Forschung.
Zweitens. Es wird weiter ergänzt durch eine verfassungsrechtliche Klärung der Voraussetzungen, unter denen der Bund Finanzhilfen für Investitionen der Länder und Gemeinden gewähren kann. Die Formel, die der Vermittlungsausschuß in dieser strittigen Frage vorgeschlagen hat, kommt dem ursprünglichen Beschluß des Bundestages sehr nahe.
Drittens. Die Lastenabgrenzung wird geklärt.
Viertens. Der große Steuerverbund wird verwirklicht.
Fünftens. Die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen für die Gemeindefinanzreform, deren politische Bedeutung nicht unterstrichen zu werden braucht, ist hiermit geschaffen worden.
Sechstens. Die Steuergesetzgebung und die Steuerverwaltung werden entsprechend den Beschlüssen des Bundestages neu geregelt.
Diese Bilanz muß man sehen und in Rechnung stellen, wenn man sich mit der einen Frage des Finanzausgleichs befaßt.
Auch hierzu ein klärendes Wort. Während bisher der Länderanteil an den Gemeinschaftssteuern voll nach dem örtlichen Aufkommen zu verteilen war, wird nunmehr mit der Verteilung der Umsatzsteuer nach der Einwohnerzahl dieses Prinzip insoweit bereits eingeschränkt. Damit wird ein vertikales Moment in den Finanzausgleich eingeführt und werden Bedeutung und Gewicht des horizontalen Finanzausgleichs wesentlich herabgemindert. Darüber hinaus ist die Kann-Bestimmung über die Zerlegung der Körperschaftsteuer und der Lohnsteuer nunmehr
zu einer Muß-Bestimmung in der Verfassung gemacht worden.
Ich bedaure, daß durch verschiedene Erklärungen nicht nur hier, sondern auch in der Öffentlichkeit ein falscher Eindruck erweckt worden ist. Es sind schon wieder Bedenken angemeldet und pressewirksam kritische Worte gesagt worden. Insbesondere ist behauptet worden, daß bei ,der Wirtschaft eine unerträgliche Arbeitsmehrbelastung durch die Zerlegung der Körperschaftsteuer eintrete. Das gibt wieder Wasser auf die falschen Mühlen. Die Behauptung geht an den Tatsachen vorbei; denn für die Zerlegung der Körperschaftsteuer - für die Lohnsteuer gilt das gleiche - sind die Finanzkassen zuständig und nicht die die Steuern abführenden Firmen. Andererseits sind die Grundlagen, auf Grund deren die Finanzkassen die Körperschaftsteuer zu zerlegen und verschiedenen Ländern zuzuführen haben, genau dieselben, wie sie ohnehin bereits seit Jahren für die Zwecke der Zerlegung der Gewerbesteuer zu erstellen sind. Hier handelt es sich im übrigen nur um eine begrenzte Zahl größerer Unternehmungen, für die das zutrifft.
Die Möglichkeiten zum vertikalen Finanzausgleich werden weiter dadurch gestärkt, daß bis zu 25% des Länderanteils an der Umsatzsteuer vorweg zur Auffüllung der Steuerkraft der finanzschwachen Länder eingesetzt werden. Das sind nach den Zahlen von 1970 über 2 Milliarden DM. Damit werden ganz wesentliche Verbesserungen gegenüber .der jetzigen Regelung erreicht. Im übrigen verweise ich auf die noch zum Abschluß zu bringenden, aber vor dem Abschluß stehenden Verhandlungen über die sogenannte Flurbereinigung, d. h. über eine Finanzierungskompetenz des Bundes in bestimmten Fragen auf der Grundlage einer Verwaltungsvereinbarung.
Finanzwirtschaftlich ist es, wie die Verhandlungen im Vermittlungsausschuß gezeigt haben, für die finanzschwachen Länder vor allem von Bedeutung, wie weit der Ausgleich geführt wird. Darüber ist im Durchführungsgesetz zu entscheiden. Wir sind uns in diesem Hohen Hauses wohl darin einig, daß nicht in Besitzständen gedacht werden darf und im Interesse der Wahrung der Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse ein Ausgleich erforderlich ist, mit dessen Hilfe auch die finanzschwachen Länder ihre Aufgaben wirksam erfüllen können.
Die von den Ländern formulierte Geschäftsgrundlage für die heute anstehenden Beschlüsse, wonach die finanzschwachen Länder mindestens bis zu 95%, gemessen am Durchschnittsbetrag, aufgefüllt werden und kein Land darunter bleiben, andererseits kein ausgleichspflichtiges Land unter 100 % absinken darf, war eine wirksame Voraussetzung zur Einigung der Länder im Vermittlungsausschuß.
Wenn ich das gesamte Reformwerk im Zusammenhang sehe, so möchte ich sagen, daß wir damit einen wesentlichen Schritt vorwärts tun. Es ist leicht, Bedenken hochzuspielen. Aber es entspricht nicht der politischen Verantwortung, sich davon ohne Blick für das Ganze, für das Mögliche und Erreichbare bestimmen zu lassen. Diese Reform - das wird jeder Kenner der Finanzverfassung bestätigen bringt uns ein entscheidendes Stück weiter. Wir sollten uns deshalb klar zu ihr bekennen und auch in ihrer Durchführung beweisen, daß wir mit dem Blick auf die Notwendigkeiten von morgen unser Staatswesen modern gestalten und der Idee des kooperativen Föderalismus praktischen Ausdruck verleihen wollen.
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An dieser Stelle sei mir gestattet, abermals den Mitarbeitern, dem Vorsitzenden und den Damen und Herren des Finanzausschusses zu danken und besonders dem Herrn Vorsitzenden und den Mitarbeitern im Vermittlungsausschuß, die sich dieser mühseligen Tätigkeit gottlob mit Erfolg unterzogen haben.
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Ich möchte, wenn ich dieses Wort ausspreche, besonders Ihren Namen, sehr verehrter Herr Kollege Schmidt, erwähnen.
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Es sei mir auch, wie bereits von anderer Seite geschehen, ein Wort des Dankes und der Anerkennung erlaubt für den in diesem Zusammenhang naturgemäß manchmal heftiger Kritik ausgesetzten Staatssekretär Hettlage,
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der nicht nur auf Grund seiner theoretischen Sachkunde, sondern auch durch seine praktischen Erfahrungen in einer Reihe von schwierigen Ämtern dazu I prädestiniert war, sich dieser Materie als Sonderaufgabe, die sich nicht ohne weiteres neben den Routinearbeiten des Finanzministeriums bearbeiten ließ, anzunehmen.
Ich danke hier auch all denen, die sich, sei es auf der Seite des Bundesrates, sei es auf der Seite des Bundestages und in der Verwaltung, bemüht haben, ihren Teil dazu beizutragen, daß ein annehmbares Gesamtergebnis herauskommen konnte.
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Meine Damen und Herren, es hat eine kleine Meinungsverschiedenheit darüber gegeben, ob in diesem Fall der Abgabe von Erklärungen über Vorschläge des Vermittlungsausschusses die Wortnahme der Bundesregierung zu einer Eröffnung der Aussprache führt. Das ist nach der Geschäftsordnung und nach unserer Praxis nicht der Fall.
Erklärungen sind keine unpolitischen Aussagen, und deswegen enthalten sie häufig auch polemische Feststellungen. Das hat für einige Bemerkungen gegolten, die hier bei Erklärungen gemacht wurden. Ich gebe also das Wort zu weiteren Erklärungen nicht.
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Wir kommen jetzt zur Abstimmung, und zwar zunächst über den Antrag des Vermittlungsausschusses betreffend Finanzreformgesetz auf Drucksache V/4105; es handelt sich um Tagesordnungspunkt 4.
Vizepräsident Dr. Mommer
Wir müssen auszählen; für die Annahme des Vorschlags müssen wir 331 Ja-Stimmen erhalten. Ich bitte alle Abgeordneten, mit Ausnahme der Berliner Abgeordneten, jetzt den Saal zu verlassen. Die Berliner Abgeordneten bitte ich, ihre Stimme hier bei den Schriftführern abzugeben. Ich bitte, den Saal zu räumen.
Ich gebe das Ergebnis der Abstimmung bekannt. Abgestimmt haben 446 voll stimmberechtigte Abgeordnete und 11 Berliner Abgeordnete. Von den voll stimmberechtigten Abgeordneten haben sich 2 der Stimme enthalten. 40 haben mit Nein gestimmt. 404 haben mit Ja gestimmt.
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Das Quorum von 331 zur Verfassungsänderung ist also überschritten. Damit ist diese Vorlage angenommen. Ich darf noch nachtragen, daß von den Berliner Abgeordneten 10 mit Ja und 1 mit Nein gestimmt haben.
Zum Abstimmungsverfahren hat Herr Abgeordneter Mattick um das Wort gebeten. Er hat das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Stimmergebnis, das über die Berliner Abgeordneten bekanntgegeben worden ist, könnte irritieren; man könnte schlußfolgern, daß nicht alle Berliner anwesend sind, Daher möchte ich sagen: ich bin zwar anwesend, habe mich aber an der Strichliste nicht beteiligt. Nachdem Herr Dorn und einige Kollegen hier bei der letzten Abstimmung über die Finanzreform die Berliner in eine besondere Lage gebracht haben, hat der Herr Präsident, ohne uns vorher davon zu verständigen, eine Strichliste angelegt. Ich halte das für keine Lösung. Wenn man die Berliner nicht mit in die Entscheidung einbeziehen kann, ist die Strichliste kein richtiger Ausweg. Ich habe mich daran nicht beteiligt und wollte das hier zur Erklärung sagen.
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Zur Geschäftsordnung Herr Dorn.
Ich möchte eine persönliche Erklärung abgeben.
Herr Dorn, das geht im Augenblick nur zur Abstimmung.
Ja, zu dieser Abstimmung.
Dazu haben Sie das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte hiermit eindeutig erklären, Herr Kollege Mattick, daß nicht ich die
Berliner Abgeordneten in eine besondere Situation gebracht habe,
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sondern daß eindeutig durch den Minister für Angelegenheiten des Bundesrates und der Länder, Herrn Professor Carlo Schmid, noch einmal die Rechtssituation bestätigt worden ist, um die es uns ganz allein ging, die nichts mit Berlin und Berliner Abgeordneten zu tun hat. Jeder, der etwas anderes behauptet, behauptet es wider besseres Wissen.
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Meine Damen und Herren, ich darf dazu nur noch bemerken, daß das Verfahren, das wir jetzt gewählt haben, genau das gleiche war, wie das, das wir bei den vielen Abstimmungen im letzten Durchgang dieser Vorlagen hier durch das Plenum angewandt haben. Es hatte dort ein wenig Streit um das Verfahren bezüglich der Abstimmung der Berliner Abgeordneten gegeben. Wir waren dann dazu gekommen, um alle Anfechtungen unmöglich zu machen, eine reinliche Trennung der Abgabe der Stimmen der Berliner Abgeordneten einerseits und der voll stimmberechtigten Abgeordneten andererseits vorzunehmen. Genauso sind wir verfahren. Genauso, glaube ich, müssen wir verfahren bei der nun folgenden Abstimmung.
Wir haben dann wieder auf die gleiche Weise über die Vorlage unter Punkt 5 der Tagesordnung abzustimmen, Änderung der Art. 74, 75 und 96 Abs. 4 des Grundgesetzes. Ich bitte Sie, den Saal zu räumen.
Meine Damen und Herren, ich gebe das Ergebnis dieser Abstimmung bekannt. Es haben sich 434 voll stimmberechtigte Abgeordnete und 8 Berliner Abgeordnete beteiligt. Alle 8 Berliner Abgeordneten haben mit Ja gestimmt. Von den voll stimmberechtigten Abgeordneten hat sich einer der Stimme enthalten, 39 haben mit Nein gestimmt, 394 haben mit Ja gestimmt. Das Quorum ist 331 Stimmen. Die verfassungsmäßig vorgeschriebene Zweidrittelmehrheit ist auch hier überschritten; die Vorlage ist angenommen.
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Meine Damen und Herren, ich rufe dann den Punkt 6 der Tagesordnung auf:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes ({1}) zu dem Entwicklungshelfer-Gesetz ({2})
- Drucksache V/4107 Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Bucher Sie haben das Wort, Herr Dr. Bucher.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte um die Erlaubnis, mit dem Bericht zu diesem Punkt gleich den Bericht zu Punkt 7 verbinden zu dürfen. Es sind zwar zwei völlig verschiedene Entwürfe; aber soweit es sich
um den Bericht des Vermittlungsausschusses handelt, dreht es sich um dasselbe Thema, nämlich um das Wahlrecht.
Das Haus ist damit einverstanden. Dann rufe ich auch Punkt 7 der Tagesordnung auf:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes ({0}) zu dem Gesetz zur Änderung des Bundeswahlgesetzes
- Drucksache V/3897 ({1}) - Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Bucher
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- Das Haus wird jetzt dem Herrn Berichterstatter das Ohr leihen, und dazu müssen die Damen und Herren Platz nehmen. - Wir werden nicht fortfahren, wenn die Damen und Herren nicht Platz nehmen wollen. - Bitte, fahren Sie fort, Herr Abgeordneter.
Lassen Sie mich in der chronologischen Reihenfolge mit Punkt 7 beginnen. Die vom Bundestag beschlossene Novelle zum Bundeswahlgesetz sieht in Art. 1 Nr. 1 durch Änderung des § 12 des Wahlgesetzes vor, daß das aktive Wahlrecht auch den Bediensteten zwischen- oder überstaatlicher Organisationen für die Dauer ihres Dienstverhältnisses und ihres Aufenthalts im Ausland eingeräumt wird. Der Bundesrat hat den Vermittlungsausschuß mit dem Petitum angerufen, diese Bestimmung wieder zu streichen.
Der Vermittlungsausschuß teilte - übrigens einstimmig - die Bedenken des Bundesrats. Zunächst erschien auch dem Vermittlungsausschuß das Verhältnis der Bestimmung in Nr. 1 Buchstabe a zu der Verordnungsermächtigung in Buchstabe b unklar. In Buchstabe a wird der Personenkreis, dem das Wahlrecht eingeräumt werden soll, gesetzlich festgelegt. Wenn man von dieser Tatsache ausgeht, hätte die vorgesehene Rechtsverordnung nur noch deklaratorischen Charakter; sie wäre dann als Rechtsverordnung überflüssig. Sollte sie aber konstitutiven Charakter haben, d. h. die in Betracht kommenden Organisationen selbständig abgrenzen können, so muß sie im Hinblick auf Art. 80 des Grundgesetzes Bedenken begegnen, da die Ermächtigung nach Inhalt, Sinn und Ausmaß nicht genügend konkretisiert ist.
Verfassungsrechtliche Bedenken hatte der Vermittlungsausschuß vor allem aber deshalb, weil hier ein bestimmter Personenkreis durch das Bundeswahlgesetz begünstigt werden soll, ohne das einzusehen ist, weshalb nur diese Personen neuerdings das Wahlrecht erhalten sollen, andere in vergleichbarer Situation befindliche - z. B. Seeleute, Lehrer an Auslandsschulen, Missionare - dagegen nicht. Man sah also die Gefahr, daß diese Regelung wegen Verstoßes gegen den Gleichheitsgrundsatz vor dem Bundesverfassungsgericht angefochten werden könnte, was gerade beim Wahlgesetz zu unabsehbaren Folgen, nämlich daraus sich ergebenden Wahlanfechtungen, führen könnte. Der Vermittlungsausschuß war deshalb der Auffassung, daß die Frage, welchen im Ausland lebenden Deutschen das Wahlrecht eingeräumt werden soll - eine Frage, der man, glaube ich, durchaus positiv gegenüberstehen sollte -, nochmals gründlich für die in Betracht kommenden Personenkreise durchdacht werden muß.
Ursprünglich hatte der Vermittlungsausschuß auch vorgeschlagen, die Nr. 2 zu streichen, die erst in den Ausschußberatungen in den Entwurf gekommen war. Es hat sich aber nachher ergeben, daß diese Nr. 2 aus praktischen Gründen, insbesondere im Hinblick auf die kommende Bundestagswahl, erforderlich ist. Ich bitte also zu beachten, daß nunmehr der Vorschlag des Vermittlungsausschusses in der Drucksache V/3897 ({0}) gilt, nicht in der Drucksache V/3897 ohne den Vermerk „({1})".
Nun zum Gesetz unter Punkt 6 der Tagesordnung. Die Problematik ist hier grundsätzlich dieselbe. Hier sollen die Entwicklungshelfer in den Kreis derer einbezogen werden, die im Ausland ansässig sind, aber das Wahlrecht bekommen. Auch hier dieselbe Problematik: Die vorher genannten Personen bleiben noch außer der Berücksichtigung.
Dazu kommt noch folgendes. Hier wird ein anderer Weg eingeschlagen. Es wird nicht das Wahlgesetz geändert, sondern es soll im Entwicklungshelfer-Gesetz ein fiktiver Wohnsitz begründet werden ({2}). Das hat die weitere Folge, daß das Wahlrecht, das den Entwicklungshelfern dadurch gegeben wird, sich nicht nur auf die Bundestagswahl, sondern auch auf die Wahlen zu den Landtagen und Gemeindeparlamenten bezieht. Das würde bedeuten, daß ein Entwicklungshelfer, der z. B. aus Vilshofen stammt, nunmehr in Bonn zum Gemeinderat wählen könnte. Noch unerträglicher wäre es sicher, wenn einer aus Bonn in Vilshofen wählen könnte. Jedenfalls ergeben sich auch daraus, wenn nicht verfassungsrechtliche, so mindestens rechtspolitische Bedenken.
Im Hinblick auf diese Bedenken hält es der Vermittlungsausschuß auch hier für angezeigt, den Kreis der Entwicklungshelfer in eine allgemeine Erwägung dieses Problems einzubeziehen.
Der Vermittlungsausschuß schlägt deshalb zu der Vorlage unter Punkt 6 der Tagesordnung vor, den § 1 Abs. 3 zu streichen. Zu Punkt 7 der Tagesordnung schlägt er vor, die Nr. 1 des Art. 1 zu streichen.
Ich wiederhole: beide Beschlüsse sind einstimmig gefaßt worden.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter, der also auch über die Vorlage unter Tagesordnungspunkt 7 berichtet hat.
Zur Abgabe einer Erklärung zum Tagesordnungspunkt 6 - Entwicklungshelfer-Gesetz - hat das Wort Herr Abgeordneter Wischnewski.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion wird dem Vorschlag des Vermittlungsausschusses in bezug auf das EntwickWischnewski
lungshelfer-Gesetz zustimmen - trotz schwerer Bedenken, weil die Frage des Wahlrechtes für die Entwicklungshelfer in diesem Gesetz nicht geregelt werden konnte. Wir bedauern das außerordentlich. Das bedeutet, daß junge wahlberechtigte Menschen, die in Afrika, Asien und Lateinamerika einen harten Dienst zu erfüllen haben und für zwei Jahre aus der Bundesrepublik weggehen, dann nicht die Möglichkeit haben, an den Wahlen in der Bundesrepublik teilzunehmen. Die Regelung, die es zur Zeit gibt, daß man sich einfach nicht polizeilich abmeldet und auf diese Art und Weise das Wahlrecht behält, scheint uns nicht korrekt zu sein.
Wir haben Verständnis dafür, daß eine einheitliche Regelung für alle Bundesbürger, die draußen im Ausland tätig sind, angestrebt werden muß. Die immer stärkere internationale Zusammenarbeit führt dazu, daß immer mehr Bundesbürger im Ausland tätig sind. Das sind nicht nur Entwicklungshelfer, es sind unsere Experten, es sind in immer stärkerem Maße diejenigen, die bei internationalen Organisationen beschäftigt sind, es sind die Lehrer an den Auslandsschulen. Die jetzige Regelung bedeutet, daß jemand, der als Lehrer an einer deutschen Schule ins Ausland geht, nicht mehr wählen kann. Das gilt auch für unsere Techniker, Ingenieure und Facharbeiter, die auch in unserem Interesse für die deutsche Wirtschaft draußen tätig sind.
Es ist zwingend notwendig, eine einheitliche Regelung für all diese Personengruppen zu finden. Dabei müssen wir davon ausgehen, daß es bei dem weitaus größten Teil dieser Personengruppen durchaus möglich ist, ihnen die Wahlmöglichkeit zu gewähren. Das wird in dieser Legislaturperiode mit Sicherheit nicht mehr zu schaffen sein. Es muß eine ganz wesentliche Aufgabe des Deutschen Bundestages in der nächsten Legislaturperiode sein.
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Das Wort zu weiteren Erklärungen wird gewünscht. Herr Abgeordneter Freiherr von Gemmingen hat das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Namen der Fraktion der Freien Demokraten möchte ich eine Erklärung abgeben. Im wesentlichen deckt sich unsere Anschauung mit dem von Herrn Kollegen Wischnewski Vorgetragenen, aber nur im wesentlichen. Auch wir von der FDP . Sind uns natürlich darüber einig, daß wir dieses Gesetz brauchen. Wir wissen, daß wir die Entwicklungshelfer sozial besser-stellen, daß wir sie absichern, daß wir eine bessere gesundheitliche Fürsorge für sie herbeiführen müssen. Nicht nur die Entwicklungshelfer, sondern auch alle vorhin genannten Personen sollten das Wahlrecht bekommen. Nur muß ich der Objektivität halber sagen, daß ich im Ausschuß vor der Regelung, von einem fiktiven Wohnsitz auszugehen, gewarnt habe. Damals habe ich gesagt: das passiert den Vermittlungsausschuß nicht. Heute ist das nun tatsächlich der Fall.
Wir wissen, daß das Gesetz verabschiedet werden muß, bedauern aber, daß nicht gleichzeitig das Wahlrecht zusammen mit diesem Gesetz verabschiedet werden kann. Wir bedauern, daß nicht nach meinem Vorschlag verfahren worden ist, nämlich - da ja nun mal über das Wahlrecht und über das Entwicklungshelfergesetz keine Meinungsverschiedenheiten bestehen - das Entwicklungshelfergesetz ohne diesen fiktiven Wohnsitz zu formulieren und gemeinsam durch einen interfraktionellen Initiativantrag die Frage des Wahlrechts zu lösen.
Wir stimmen der Vorlage des Vermittlungsausschusses zu, bedauern aber die Tatsache, daß das Wahlrecht nicht anders geregelt warden ist.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Kiep.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die CDU/CSU-Fraktion stimmt der Vorlage des Vermittlungsausschusses zu, aber mit Bedauern, weil sie der Ansicht ist, daß die Wahlrechtsfrage unbedingt hätte geklärt werden müssen. Der Ausschuß, der sich mit dieser Frage in mehreren Sitzungen unter Anhörung verschiedener Experten des Innenministeriums eingehend befaßt hat, war der Meinung, daß den Entwicklungshelfern im Rahmen der Neuordnung ihres Status das Wahlrecht unbedingt hätte zugestanden werden sollen. Wir stimmen der Vorlage trotzdem zu, weil wir meinen, daß das Gesetz in seinen anderen Punkten so bedeutungsvoll ist, daß wir es um der Wahlrechtsfrage willen nicht verzögern können und nicht verzögern sollen.
Bei dieser Gelegenheit möchte ich aber doch einmal darauf hinweisen, wie außerordentlich bedauerlich und unverständlich es gerade für die jungen Menschen ist, um die es in diesem Gesetz geht, wenn hier ein Engagement für die dritte Welt verlangt wird, wenn man diesen Menschen zumutet, draußen zwei Jahre lang unter sehr schwierigen Bedingungen in einer völlig fremden Umgebung schwer zu arbeiten und diese Arbeit im Interesse unseres Landes sozusagen ehrenamtlich zu verrichten, und ihnen dann gleichzeitig sagt, das Wahlrecht müsse für diesen Zeitraum ruhen, es sei denn, sie benützten den Umweg der Aufrechterhaltung des Wohnsitzes hier - was unter Umständen auch noch andere Konsequenzen haben kann -, um auf diesem Wege ihrer staatsbürgerlichen Pflicht, dem Wahlrecht genügen zu können. Ich sehe einen ausgesprochenen Widerspruch zwischen der Absicht des Gesetzgebers, des Deutschen Bundestages, und dem, was hier vorliegt. Dieser Widerspruch wird sicherlich auch draußen bei den Menschen, die wir mit diesem Gesetz ansprechen wollen, zu Diskussionen und zu Zweifeln an der Fähigkeit des Gesetzgebers führen.
Unter anderem haben wir mit diesem Gesetz auch geregelt, daß derjenige, der sich für den Entwicklungsdienst meldet, der die nicht leichten Voraussetzungen erfüllt, der angenommen wird und sich verpflichtet, vom Wehrdienst freigestellt wird. Wir haben gerade durch diese Maßnahme den besonderen Charakter des Entwicklungsdienstes hervor12548
gehoben und betont. Ich meine, daß wir mit dieser Einschränkung des Wahlrechts einen Teil des dort Gegebenen wieder zurücknehmen, und wir bedauern daher diese Einschränkung ganz besonders.
Wir haben die Argumente des Innenministeriums in dieser Frage nicht als sehr überzeugend empfunden. Wir haben feststellen müssen, daß für einen Personenkreis das Wahlrecht im Ausland festgelegt und bestätigt worden ist, der nach unserer Ansicht in der Wichtigkeit für unser Land zumindest nicht dem der Entwicklungshelfer gleichkommt. Der Anhang, die Hausangestellten, von Angehörigen des Auswärtigen Amts, die im Auftrag der Bundesrepublik draußen sind, behält das Wahlrecht. Der Entwicklungshelfer, der hinausgeht, bekommt es nicht.
Verzeihung, Herr Kollege! Sie behalten im Auge, daß bei Vorlagen des Vermittlungsausschusses nur Erklärungen möglich sind, daß aber keine Aussprache stattfindet.
Ich bitte sehr um Entschuldigung, Herr Präsident, das hatte ich übersehen.
Ich meine also, daß der nächste Deutsche Bundestag sich sofort und 'eingehend mit dieser Frage befassen 'sollte. Das Ziel dieser Bemühungen sollte sein, 'das Wahlrecht für diejenigen festzulegen und zu sichern, die im Interesse der Bundesrepublik Deutschland im Ausland sind.
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Meine Damen
und Herren, wir kommen zur Abstimmung, und zwar zunächst über die Vorlage des Vermittlungsausschusses zu dem Entwicklungshelfergesetz auf Drucksache 11/4107. Wer dem Vorschlag ,des Vermittlungsausschusses zustimmen will, gebe das Handzeichen. - Danke. Gegenprobe! - Enthaltungen? - Ich stelle einstimmige Annahme fest.
Wir stimmen dann ab über die Vorlage des Vermittlungsausschusses zu dem Gesetz zur Änderung des Bundeswahlgesetzes auf Drucksache V/3893 ({0}). Wer diesem Antrag des Vermittlungsausschusses zustimmen will, gebe das Handzeichen. - Danke. Gegenprobe! - Enthaltungen? - Auch dieser Antrag ist einstimmig angenommen.
Meine Damen und Herren, wir kommen dann zurück zur Aussprache über die Punkte 2 a, 2 b und 3 der Tagesordnung betreffend die Lohnfortzahlung. Die Rednerliste war beim Eintritt in die Mittagspause nicht 'erschöpft, sie ist inzwischen kürzer .geworden, enthält jedoch noch drei Redner.
Zunächst hat Herr Abgeordneter Opitz das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bei den Ausführungen des Handwerkskollegen Schulhoff vor der Mittagspause haben wir in vielen Teilen Übereinstimmung feststellen können, in vielen Teilen auch Übereinstimmungen mit den Ausführungen des Kollegen Spitzmüller. Ich weiß auch um seinen enormen Einsatz in seiner eigenen Fraktion, um diese seine Vorstellungen zum Tragen zu bringen. Wir wissen aber
auch, daß er mehr oder weniger in seiner Fraktion I allein geblieben ist und daß seine Fraktion heute bereit ist, das Gegenteil von dem zu machen, was er noch heute morgen hier zu vertreten versucht hat.
Ich habe so den Eindruck, als ob Männer wie Schulhoff das politische Feigenblatt sein sollen für den Linksschwung innerhalb der CDU. Aber auch damit werden Sie bei den Handwerkern nicht kaschieren können, daß Professor Erhards CDU tot ist. Auch technische Kunstgriffe machen die arbeitsrechtliche Lösung der Lohnfortzahlung für die lohnintensive mittelständische Wirtschaft nicht besser und vor allen Dingen nicht praktikabler. Sie zeigen doch nur, daß Sie zwar die Schwierigkeiten und die Risiken erkannt haben, die bei den kleinen und die bei den mittleren Betrieben entstehen, aber daß Sie trotz einer verhältnismäßig langen Denkpause, einer Denkpause von vielen Jahren in Sachen Lohnfortzahlung, das Gesetz nun so oder so über die Hürden bringen wollen.
Die Überlegungen, die hier angestellt werden, um die arbeitsrechtliche Lösung auch nur einigermaßen erträglich zu gestalten, zeigen doch, daß die Wahl der arbeitsrechtlichen Konstruktion von vornherein falsch gewesen ist und daß unsere Vorschläge und die Vorschläge der Wirtschaft und des Handwerks, nämlich eine versicherungsrechtliche Lösung der Lohnfortzahlung in Verbindung mit einer wirksamen Krankenversicherungsreform, die besseren sind.
Herr Kollege Opitz, gestatten Sie eine Frage des Herrn Abgeordneten Behrendt?
Herr Kollege Opitz, irre ich mich, wenn ich annehme, daß Sie in der Regierung waren und das Sozialpaket vorgelegt wurde, welches ein Lohnfortzahlungsgesetz mit einer arbeitsrechtlichen Lösung enthielt?
Herr Kollege, natürlich waren wir 1964 in der Regierung, und natürlich haben wir 1964 in der Regierung auch versucht, die versicherungsrechtliche Lösung durchzusetzen. Weil uns das nicht gelungen war, haben wir in der letzten Legislaturperiode die Verabschiedung der arbeitsrechtlichen Lösung boykottiert.
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Gestatten Sie eine Zwischenfrage von Professor Dr. Burgbacher? - Herr Professor Burgbacher hat das Wort.
Herr Kollege, ist Ihnen bekannt, daß die versicherungsrechtliche Lösung für alle Arbeitnehmer, für das Handwerk, für
die mittelständischen Betriebe eine höhere Umlage ergeben würde als die, welche sich ergibt, wenn die mittelständischen Betriebe - im Ausgleichsverfahren begrenzt auch die Kleinbetriebe - ihre Kosten tragen?
Herr Professor, das ist eine Unterstellung, die von vielen Seiten noch bestritten wird. Wenn Sie schon so fragen, darf ich Sie hier daran erinnern, daß sogar die Experten eine versicherungsrechtliche Lösung, zumindest keine arbeitsrechtliche Lösung empfohlen haben. Wenn wir schon Sachverständige auffordern, uns in diesen Fragen behilflich zu sein, kann ich nur die Frage stellen: Warum versuchen wir denn nicht auch einigermaßen, das in die Tat umzusetzen, was uns die Sachverständigen empfehlen?
({0})
- Meine Damen und Herren, man hat das Gefühl, als wenn wieder einmal hier im Raum das Wort stünde: Wir lassen uns auch durch den besseren Sachverstand nicht von unserer politischen Konzeption, von unserer Ideologie abbringen.
({1})
Meine Damen und Herren, was wir brauchen, ist eine wirtschaftlich tragbare und vernünftige Lösung. Was soll diese Diskussion über Ausgleichskassen und staatliche Subventionen? Dann gehen Sie doch sofort hin - ich kann es nur wiederholen -, und machen von vornherein die versicherungsrechtliche Lösung!
Heute ist davon gesprochen worden, daß die arbeitsrechtliche Lösung unter anderem dazu beitragen soll, ein besseres partnerschaftliches Verhältnis zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern herzustellen. Ich habe die Befürchtung, daß Ihre Pläne genau das Gegenteil zur Folge haben werden. Sie werden die Arbeitgeber in erhebliche Gewissenskonflikte bringen, weil sie ihre Betriebe auf krankheitsanfällige Arbeitnehmer durchforsten werden, weil die Belastung durch die Lohnfortzahlung für sie unerträglich geworden ist.
Sie werden damit neben dem Problem der älteren Arbeitnehmer wahrscheinlich auch noch das Problem der krankheitsanfälligen Arbeitnehmer schaffen. Die hier bisher vorgetragenen Pläne einschließlich der Bildung einer Ausgleichskasse beseitigen nicht unsere Bedenken gegen die arbeitsrechtliche Lösung, sondern sie bestätigen nur, daß Sie, meine Damen und Herren, auf dem falschen Wege sind. Die Wirtschaft und vor allen Dingen das lohnintensive Handwerk haben einen Anspruch darauf, daß ihnen nur eine vernünftige, wirtschaftlich tragbare Gesellschafts- und Sozialpolitik zugemutet wird. Das, was Sie hier vorgeschlagen, meine Damen und Herren, erfüllt diese Forderung nicht.
({2})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Schmidt ({0}). - Sie müssen nicht.
({1})
- Dann hat das Wort Frau Abgeordnete Dr. Heuser.
Herr Präsident, danke schön; es war nur ein Austausch der Figuren, nicht der Meinungen.
Meine Damen und Herren! Ich habe hier zu einem Bereich zu sprechen, in dem sich die Große Koalition sehr unterschiedlich verhält. Ich möchte die Dinge herausgreifen, die unmittelbar mit dem Versicherten als Krankem zu tun haben.
Ich darf Sie daran erinnern, daß wir in der Vorlage der CDU/CSU in Sachen Rezeptgebühr die Forderung nach einer Erhöhung dieser Rezeptgebühr, die derzeit 1 DM beträgt, um 1 DM auf 2 DM finden; in der Vorlage der Sozialdemokratischen Partei finden wir keine Erhöhung der Rezeptgebühr.
Wir finden bei der Vorlage der CDU/CSU, daß die Versicherten für jeden Tag der Krankenhauspflege 3 DM - dazu verschiedene Modalitäten - zu leisten haben. Bei der SPD finden wir keine Zuzahlung zu den Krankenhauskosten.
({0})
- Es wird sicher verständlich, wenn ich am Ende dieser sehr kurzen Erklärung bin, warum ich das so deutlich mache.
Wir finden bei der CDU/CSU eine Vergütung nicht in Anspruch genommener Krankenscheine, die sogenannte pauschale Beitragsrückgewähr, d. h. der Versicherte erhält für jedes Vierteljahr, in dem er keinen Krankenschein geholt hat, bis zu dreimal eine Vergütung von 10 DM, also höchstens bis zu 30 DM im Jahr. Bei der SPD gibt es keine solchen Forderungen. Außerdem finden wir, was noch dazugehört, eine von beiden Fraktionen vorgeschlagene Senkung des Beitragshöchstsatzes zur Krankenversicherung.
Warum, meine Damen und Herren, habe ich Ihnen - wobei ich hoffentlich die Geduld des Herrn Kollegen Professor Schellenberg nicht zu sehr strapaziert habe - dies vorgetragen? Nicht nur, um deutlich zu machen, daß hier zwei Koalitionsfraktionen in ihrer Meinung auseinanderklaffen, sondern um deutlich zu machen, daß zwei ganz verschiedene Vorstellungen darüber bestehen, wie man in Verbindung mit dem Lohnfortzahlungsgesetz - wie es in der Regierungserklärung einmal geheißen hat - einen Einstieg in die Krankenversicherungsreform plant. Nun, wir haben häufig erlebt, daß Forderungen aus der Reigerungserklärung bei weitem nicht erreicht wurden.
Aber, meine Damen und Herren, wenn man schon ein Junktim aufstellt und dann etwa der Vertreter der CDU/CSU-Fraktion, Herr Dr. Götz, hier sagt,
mit diesen Vorschlägen, soweit sie von der CDU/ CSU kämen, habe mein eine gesunde Basis für eine Reform der Krankenversicherungsneuregelung gefunden,
({1})
dann muß ich in der . Tat sagen: die Meinungen darüber, was eine gesunde Basis ist, gehen doch wohl außerordentlich auseinander. - Herr Kollege Dr. Götz, die Heraufsetzung der Rezeptblattgebühr und die Heranziehung des Patienten zu den Krankenhauskosten in Höhe von 3 DM täglich kann ich beim besten Willen nicht als den Ausdruck einer gesunden Basis für eine Reform betrachten. Ich halte das vielmehr für eine rein finanzielle Manipulation, um derzeitige finanzielle Schwierigkeiten auszuräumen. Ich halte das für ein Aufschieben, für ein Vorsichherschieben von Problemen, die immer neu auf uns zukommen. Ich kann das nicht als Reform und auch nicht als einen Ansatz zur Reform betrachten.
Und wenn ich die pauschale Beitragsrückgewähr betrachte, dann habe ich auch da meine Bedenken. Ich werde Ihnen sagen, warum. Wir sind der Meinung, daß ein solches Lohnfortzahlungsgesetz in der Tat verbunden sein sollte mit einem Einstieg in eine Krankenversicherungsreform. Wir wehren uns aber gegen jede Maßnahme, die dazu angetan sein könnte, den Patienten davon abzuhalten, zum Arzt zu gehen. Wir halten das aus gesundheitspolitischen Überlegungen für unmöglich.
Man kann zu dem Verhältnis zwischen der jetzt
bestehenden Form dieser gesetzlichen Krankenversicherung und der Gesellschaft insgesamt verschiedener Meinung sein, ob da noch die nötigen Kongruenzen bestehen. Aber man muß doch sagen: Der Segen dieser gesetzlichen Krankenversicherung beruht zunächst einmal darin, daß jeder ohne Rücksicht auf seinen sozialen Status zum Arzt gehen kann. Das wollen wir doch einmal grundsätzlich festhalten und nicht aufweichen.
Das heißt aber nicht, daß ich nicht der Meinung wäre, daß eben dieser Versicherte über seine Beitragszahlung hinaus zur weiteren Mithilfe, zu Eigenleistungen herangezogen werden sollte. Die Frage ist eben nur: wie macht man das?
({2})
Ich wehre mich dagegen, diese Leistungen vor den Gang zum Arzt zu setzen. Wir meinen, daß man sie dahinterzusetzen hat. Ich werde gleich noch im Näheren darauf eingehen.
Meine Damen und Herren, wenn Sie dies zusammen sehen mit dem Wunsch der Koalition auf Senkung des Beitragshöchstsatzes und einer neuen Vorlage der CDU-Fraktion des Inhalts, man möge weitere Vorsorgeleistungen zu Pflichtleistungen der gesetzlichen Krankenversicherung machen, dann scheint mir das alles nicht recht zusammenzupassen. Man kann doch nicht auf der einen Seite hingehen und den Patienten durch finanzielle Maßnahmen daran hindern, zum Arzt zu gehen, d. h. die gesetzliche Krankenversicherung in Anspruch zu nehmen, und auf der anderen Seite dieser selben Krankenversicherung die Vorschrift machen, sie solle für Vorsorgeleistungen wiederum Mittel bereitstellen.
Nun, man hat davon gesprochen, man wolle mit der pauschalen Beitragsrückgewähr die Versicherten dazu anhalten, in Bagatellfällen selber Leistungen zu erbringen, ohne einen Krankenschein zu holen, ohne zum Arzt zu gehen. Das halte ich für sehr fragwürdig. Ich halte es deswegen für fragwürdig, weil es nicht richtig ist, die -Entscheidung darüber, was eine Bagatellerkrankung ist, dem Patienten zu überlassen. Ich bin der Meinung, das gehört in die Entscheidung allein des Arztes. Und ob es sich um eine Bagatellerkrankung gehandelt hat oder nicht, das mag - hoffentlich zugunsten eines Patienten - hinterher, wenn der Fall abgeschlossen ist, feststehen und vom Arzt zu beurteilen sein.
Daß Patienten, wenn sie sich in den Finger geschnitten haben, selber ein Stück Pflaster daraufkleben, ist eine Selbstverständlichkeit; dafür brauchen wir keine gesetzlichen Regelungen.
({3})
Aber wenn jemand wochenlang mit einem Husten umherläuft und sich dafür in eine Apotheke wochenlang Hustentropfen holt, anstatt zum Arzt zu gehen, und dann im nächsten Quartal, wenn er endlich zum Arzt geht und sich seinen Schein holt, feststellt, daß es sich um eine weit schwierigere Erkrankung handelt als um einen einfachen Husten, so verfälscht das das Wesen unserer gesetzlichen Krankenversicherung und ist nicht mit der Entwicklung der medizinischen Wissenschaft in Einklang zu bringen.
Wenn man das weiß und wenn man das sieht, dann muß man doch die Frage stellen: Wo besteht hier eine Möglichkeit, die finanziellen Mittel zur Verfügung zu stellen, ohne daß der Versicherte über Gebühr belastet wird, und wie soll man es anstellen, daß nicht eine Krankenversicherung über die Maßen strapaziert wird, die einen Lesitungskatalog wie sonst nirgends in der Welt aufzuweisen hat, einen Leistungskatalog, der aber ganz sicher immer kongruent zur medizinischen Wissenschaft zu erweitern sein wird? Selbst wenn er nicht hinsichtlich der Leistungen zu erweitern wäre, so werden doch die Kosten mit Sicherheit immer wieder wachsen. Wenn Sie sich die Kosten aus der gesetzlichen Krankenversicherung im Bereich der AOK anschauen, dann sehen Sie, daß in den Jahren von 1957 bis 1967 die Ausgaben an Arztkosten, an Zahnarztkosten, an Krankenhauskosten, an Arzneimittelkosten in Höhen hinein gestiegen sind, die man vorher überhaupt nicht absehen konnte. Dabei lag das Gewicht der Kostensteigerungen - das kann man ja ganz deutlich sagen - in diesem Bereich bei den Krankenhaus-, den Arzneimittel- und den Zahnarztkosten.
Ich glaube, meine Damen und Herren, wir werden uns dazu -bekennen müssen, daß es eigentlich gar keine andere Möglichkeit gibt, als das System dieser Krankenversicherung zu ändern und nicht hier und dort etwas herumzuschustern. Wir haben in der Vergangenheit immer wieder versucht, das Prinzip der Kostenerstattung in die gesetzliche Krankenversicherung hineinzubringen. Wenn wir die Dinge obFrau Dr. Heuser
jektiv sehen, werden wir um eine solche Form in der Zukunft mit Sicherheit nicht herumkommen, wenn wir nicht auf dem. Wege weiterschreiten wollen, nur Rezeptblattgebühren zu erhöhen und Krankenhauskosten anteilig für den Tag vom Versicherten zu verlangen. Ich meine, eine Kostenerstattung, die den Versicherten nach Abschluß des Falles, bezogen auf seinen sozialen Status, heranzieht, ist immer eine weitaus gerechtere Lösung als pauschale Lösungen, die sich ständig steigern müssen, damit finanzielle Schwierigkeiten überbrückt werden können, und die jeden gleichermaßen treffen, ohne Rücksicht darauf, in welchem sozialen Status er sich befindet. Und ich meine, daß Gesetzgebung gerade im sozialen Bereich am allergerechtesten sein sollte.
Ich darf vielleicht zu einigen Bemerkungen, die Herr Kollege Götz hier gemacht hat, noch etwas Kritisches sagen. Herr Kollege Götz, Sie haben, als Sie von der Begutachtung der Arbeitsunfähigkeit sprachen, gesagt - vielleicht war es lediglich ein Lapsus -, daß der Vertrauensarzt mit seinen diagnostischen Mitteln und Maßnahmen die notwendige Ergänzung zur Behandlung des einzelnen Versicherten durch den behandelnden Arzt zu gewährleisten habe. Ich halte das für eine fragwürdige Formulierung. Ich möchte hier ganz deutlich sagen: wir sind der Meinung, daß der Vertrauensarzt doch eine mehr begutachtende Funktion hat und nicht eine kontrollierende.
Meine Damen und Herren in den Koalitionsfraktionen, Sie sollten sich überlegen, ob Sie diese Chance, die Sie hier haben, nicht verspielen, wenn Sie hier mit Maßnahmen operieren, die an der 'eigentlichen Forderung vorbeigehen: diese Krankenversicherung kongruent zu machen mit der Gesellschaft, in der wir heute stehen. Dabei können Sie nur auf eine solche Lösung kommen, wie (ich sie Ihnen hier angedeutet habe, wie meine Fraktion sie seit Jahren empfohlen hat. ({4})
Wortmeldungen liegen nicht mehr vor. Die Aussprache 'ist geschlossen. Auf der gedruckten Tagesordnung liegen Ihnen die Überweisungsvorschläge des Ältestenrates zu den Punkten 2 a), 2 b) und 3 vor. Ich frage, ob das Haus andere Wünsche vorzutragen hat. - Das ist nicht der Fall; dann ist die Überweisung gemäß den Vorschlägen des Ältestenrates beschlossen.
Ich rufe Punkt 8 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Errichtung eines zentralen Fonds zur Absatzförderung der deutschen Forst-, Land- und Ernährungswirtschaft ({0})
- Drucksachen V/2678, V/2663
a) Bericht des Haushaltsausschusses ({1}) gemäß § 96 ({2}) Schriftlicher Bericht des Ausschusses für C Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ({3})
- Drucksachen V/4006, zu V/4006 -Berichterstatter: Abgeordneter Marquardt ({4})
Berichterstatter ist der Herr Abgeordnete Marquardt. Wünscht er das Wort? - Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die Aussprache in zweiter Beratung und rufe die Art. 1, 2 und 3 auf, zu denen keine Änderungsanträge vorliegen. Wer diesen Artikeln zustimmen will, gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Dieser Artikel ist angenommen.
Ich rufe § 4 auf. Zu § 4 Abs. 2 liegt ein Änderungsantrag (der Fraktionen der CDU/CSU und SPD auf Umdruck 6371 unter Ziffer 1 vor. Wird er begründet? - Herr Dr. Siemer hat das Wort zur Begründung.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die beantragte Änderung ist ,erforderlich, weil bereits in § 2 Abs. 2 eine Kurzform für den Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten eingeführt worden ist. Im übrigen dient diese Formulierung der Klarstellung. Ich bitte um Annahme.
Das Wort wird nicht mehr gewünscht. Wir stimmen 'ab über den. Änderungsantrag Umdruck 637 Ziffer 1. Wer zustimmen will, gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist angenommen.
Ich rufe nun den § 4 in der so geänderten Fassung auf. Wer ihm zustimmen will, gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der § 4 ist angenommen.
Ich rufe die §§ 5 bis 9 ({0}) - das ist der Änderungsantrag der Fraktion der FDP - zu § 10 Abs. 2 Satz 2. Darf 'ich fragen, ob der Antrag begründet wird. - Herr Abgeordneter Ertl hat das Wort zur Begründung.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Ihnen vorliegende Antrag meiner Fraktion entspringt der Absicht, die ursprünglich auch in unserem Gesetzentwurf zum Ausdruck kam, den Bund an dem Aufkommen für den Absatzfonds mit dem gleichen Anteil zu beteiligen, den die Landwirtschaft aufbringen muß. Wir sind der Meinung, daß dieser Antrag deshalb berechtigt ist, weil die deutsche Landwirtschaft unter der veränderten Markt-
*) Siehe Anlage 4 **) Siehe Anlage 5
situation der EWG besonders schwer zu leiden hat. Ein Teil ihrer traditionellen Märkte ging an die Partner verloren. Die Notwendigkeit, neue Märkte zu erschließen, ist gegeben; das ist ja die Ursache für dieses Gesetz. Der Bund sollte es als seine vornehmste Aufgabe betrachten, der deutschen Landwirtschaft bei der Erschließung neuer Märkte zu helfen. Wir sind daher der Auffassung, daß dieser Antrag begründet ist. Ich darf Sie bitten, ihm zuzustimmen.
({0})
Wird das Wort zu diesem Antrag gewünscht? - Herr Kollege Siemer, Sie wünschen zu diesem Antrag zu sprechen? - Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag der FDP auf Umdruck 639 zu § 10 Abs. 2 soll die Absicht verwirklichen, die Mittel des Bundes in den anderen Jahren gleichzuziehen. Wir haben uns im Ausschuß wiederholt darüber unterhalten, daß diese Möglichkeit in der mittelfristigen Finanzplanung leider nicht gegeben ist. Wir bitten, um das Gesetz nicht zu gefährden, diesen Antrag abzulehnen.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Antrag der FDP auf Umdruck 639 zustimmen will, gebe das Zeichen. - Danke. Gegenprobe! - Enthaltungen? - Dieser Antrag ist abgelehnt.
Ich rufe dann den Änderungsantrag auf Umdruck 637 Ziffer 2 a auf; es ist der Änderungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und der SPD. Wird der Antrag begründet? - Herr Kollege Siemer zur Begründung.
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und meine Herren! Wir schlagen vor, in § 10 Abs. 6 folgenden Satz 4 einzufügen:
Ein Beitrag wird nicht erhoben, wenn der Einheitswert weniger als 6000 Deutsche Mark beträgt. Im Falle der Erhebung des Beitrages nach dem Grundsteuermeßbetrag tritt an die Stelle der Freigrenze nach dem Einheitswert der diesem Einheitswert entsprechende Grundsteuermeßbetrag.
Zur Begründung brauche ich nur zu sagen, daß der bisherige Text mißverständlich ist. Die vorgeschlagene Textierung dient nur der Klarstellung. Ich brauche das wohl weiter nicht zu begründen.
Wird noch das Wort gewünscht? - Das Wort wird weiter nicht gewünscht.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Änderungsantrag Umdruck 637 Ziffer 2 zustimmt, den bitte ich um ein Handzeichen. - Danke. Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das ist einstimmig beschlossen.
Dann kommen wir zu dem Änderungsantrag auf Umdruck 640*). Wird dieser Antrag der Fraktion der FDP begründet? - Der Antrag wird offenbar nicht begründet. Das Wort dazu wird weiter nicht gewünscht.
({0})
- Er braucht nicht begründet zu werden; um so besser.
Wir stimmen ab. Wer stimmt dem Antrag zu? Ich bitte um ein Handzeichen. - Danke. Die Gegenprobe! ({1})
- Die Abstimmung war etwas müde, meine Damen und Herren. Infolgedessen war es nicht ganz einfach, festzustellen, wo die Mehrheit war. Das Präsidium ist einer Meinung: das letztere war die Mehrheit; die ablehnenden Stimmen obsiegten. Der Antrag ist abgelehnt.
Dann kommen wir zu dem Änderungsantrag auf Umdruck 637 Ziffer 2 b. Wird zur Begründung dazu das Wort gewünscht?
Herr Abgeordneter Dr. Siemer, bitte!
({2})
- Das bezieht sich auf Abs. 9.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Abs. 9 soll eine neue Fassung bekommen. Ich will das wie folgt begründen. Durch diese Formulierung wird keine direkte Haftung des Erzeugers in den Fällen des § 10 Abs. 8 begründet. Diese Formulierung würde aber steuerlich so auszulegen sein, daß das umsatzsteuerliche Entgelt und damit der Bruttoerlös der Landwirte, dessen Bestandteil der von diesem Entgelt abhängige Beitrag ist, nicht gekürzt würden.
Gleichfalls wird sich die Umsatzsteuerbelastung der die Beiträge nach § 10 Abs. 88 abführenden Betriebe, sogenannte Flaschenhalsbetriebe, nicht erhöhen, weil sich der Vorsteuerabzug durch diese Auslegung bei der Beitragserhebung nicht ermäßigen würde. Dadurch wird sichergestellt, daß sowohl die landwirtschaftlichen Erzeuger als auch die Flaschenhalsbetriebe umsatzsteuerlich nicht schlechter gestellt werden als zur Zeit.
Ohne diese Formulierung des Abs. 9 kann sich im Falle der Rückwälzung eine umsatzsteuerliche Mehrbelastung insbesondere der Flaschenhalsbetriebe ergeben, die bei den hohen Beitragssummen je Betrieb nicht unerheblich wäre. Das ist jedoch keineswegs beabsichtigt und auch nicht gerechtfertigt. Ich füge hinzu, diese Regelung war auch notwendig, damit eindeutig klargestellt ist, daß dieses Gesetz von der Landwirtschaft getragen wird. Sie hat auch den Ausschlag im sogenannten Verwaltungsrat zu geben.
*) Siehe Anlage 6
Wird dazu das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann kommen wir zur Abstimmung über die Ziffer 2 b des Änderungsantrags .der Fraktionen der CDU/CSU, SPD auf Umdruck 637. Wer stimmt diesem Änderungsantrag zu? - Danke. Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei Enthaltungen der Fraktion der FDP war das erste die Mehrheit; der Änderungsantrag ist angenommen.
Wir kommen nun zum Änderungsantrag der Abgeordneten Schultz ({0}), Jung und der Fraktion der FDP auf Umdruck 641 *). Wird dieser Antrag begründet? - Das Wort hat der Herr Abgeordnete Schultz ({1}).
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir beantragen, daß in § 10 Abs. 11 der Prozentsatz, der an den Stabilisierungsfonds für Wein abgeführt werden soll, von 11/2 auf 2 % erhöht wird, und zwar mit Rücksicht darauf, daß die Einheitswerte erhöht worden sind, insbesondere im Weinbau. Wir haben dort Erhöhungen, die im Durchschnitt etwa 50 % betragen. Es gibt Erhöhungen, die unter 50 % liegen, es gibt aber auch solche, die weit darüber liegen. Wir meinen, daß, wenn man jetzt hier keine Änderung vornimmt, bei der Art der Aufbringung der Gelder praktisch die Mittel für den Stabilisierungsfonds für Wein, mit dem also ,die Weinwerbemaßnahmen durchgeführt werden, gekürzt werden. Wir meinen, daß das jetzt geändert werden muß, weil wir nicht damit rechnen können, daß dieses Gesetz schon kurze Zeit nach seiner Verabschiedung wieder novelliert wird. Ich hatte mich ja auch zusammen mit meiner Fraktion bemüht, eine interfraktionelle Übereinstimmung in dieser Sache herbeizuführen. Das ist leider nicht gelungen. Es geht hier nicht um irgendwelche Propaganda, sondern um die Sache selber. Ich wäre dankbar, wenn Sie diesem Antrag zustimmen würden.
Wird das Wort gewünscht? - Das Wort wird weiter nicht gewünscht.
Wir kommen zur Abstimmung über den Änderungsantrag auf Umdruck 641. Wer diesem Antrag zustimmt, den bitte ich um ein Handzeichen. -Danke. Die Gegenprobe! - Das letztere ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich habe übersehen, daß auf Umdruck 637 ebenfalls noch ein Änderungsantrag steht, und zwar unter 2 c. Es handelt sich um den Änderungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD. Soll dieser Änderungsantrag begründet werden? - Bitte, Herr Dr. Siemer!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Ergänzung ist im Interesse eines geringeren Verwaltungsaufwands und sodann, wie ich glaube, auch aus verfassungsrechtlichen Gründen - Art. 87 Abs. 3 - ,erforderlich. Es wird notwendig sein, daß die in Frage kommenden Einrichtungen des Bundes ausdrücklich genannt wer-
*) Siehe Anlage 7
den. Soweit bei der Erhebung auf die Selbstveranlagung zurückgegriffen werden sollte, schafft diese Formulierung darüber hinaus die Möglichkeit, den Kreis der in Betracht kommenden, nicht zur Finanzverwaltung gehörenden öffentlichen Stellen zu erweitern. Ich bitte, diesen Antrag anzunehmen.
Wird das Wort dazu gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Änderungsantrag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Danke. Die Gegenprobe! - Enthaltungen? Der Antrag ist einstimmig angenommen.
Damit haben wir alle Änderungsanträge zu § 10 behandelt. Wir stimmen über § 10 in der durch diese Änderungen geschaffenen neuen Fassung ab. Wer stimmt § 10 zu? - Danke. Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das erste war die Mehrheit; § 10 ;ist also angenommen.
Ich rufe die §§ 11, 12, 13, 14 und 15 auf. Dazu liegen keine Änderungsanträge vor. Wir stimmen über diese Paragraphen ab. Wer ihnen zustimmt, den bitte ich um ein Handzeichen. - Danke. Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei Enthaltungen der Fraktion der FDP sind diese Paragraphen mit großer Mehrheit angenommen.
Ich rufe § 16 auf. Dazu liegt auf Umdruck 641 unter Ziffer 2 ein Änderungsantrag vor. Soll dieser Antrag begründet werden? - Bitte, Herr Abgeordneter Schultz ({0}) !
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zur Begründung dieses Antrages ist folgendes auszuführen. Es war ja zunächst vorgesehen, den Weinbau aus dem Absatzfondsgesetz herauszunehmen, weil er durch das Weinwirtschaftsgesetz und den dort statuierten Stabilisierungsfonds die entsprechenden Mittel für Werbung schon aus eigenen Beiträgen aufbringt. Das war nicht durchzuführen, weil es verwaltungsmäßige Schwierigkeiten gegeben hätte, wenn man den Weinbau aus der Veranlagung herausgenommen hätte.
Die Folge, die sich daraus ergeben hat, ist, daß der Weinbau nun praktisch zweimal bezahlt, einmal durch Umlage auf die Hektarfläche Weinberge in den Stabilisierungsfonds und das zweite Mal durch die Umlage über den Einheitswert, in dem die Weinberge mit drin sind, in den Absatzfonds. Das halten wir nicht für gerechtfertigt und sind der Meinung, daß diese Doppelbelastung in diesem Gesetz nicht statuiert werden darf. Deshalb bitten wir darum, daß Sie dem Antrag zustimmen, daß in § 16 des Weinwirtschaftsgesetzes der Betrag von 0,50 Deutsche Mark durch den Betrag von 0,45 Deutsche Mark ersetzt wird.
Ich bin der Meinung, daß dieser Antrag auch deswegen gerechtfertigt ist, weil das Weinwirtschaftsgesetz schon im Jahre 1961 beschlossen wurde und der Winzer praktisch seit dieser Zeit in Selbsthilfe unter anderem seine Werbefragen in die Hand genommen hat. Wir meinen, daß jemand, der sich schon sehr frühzeitig, ich möchte sagen: sehr modern
Schultz ({0})
verhalten hat, nicht später noch dafür bestraft werden sollte. Ich bin also der Auffassung, daß man diesem Petitum, das wir hier haben, Rechnung tragen sollte.
Ich wiederhole, auch das war Inhalt des Versuchs eines interfraktionellen Antrags, der leider gescheitert ist. Ich wäre dankbar, wenn Sie diesem Antrag jetzt trotzdem zustimmen könnten.
Wird dazu noch das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Dann stimmen wir über die Ziffer 2 des Änderungsantrags auf Umdruck 641 ab. Wer stimmt dem Antrag zu? - Danke. Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das letzte ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Wir stimmen jetzt über den § 16 im ganzen ab. Wer dem § 16 zustimmt, den bitte ich um ein Handzeichen. - Danke. Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - § 16 ist mit großer Mehrheit angenommen.
Ich rufe § 17 auf; das ist die Berlin-Klausel. Wir stimmen ab. Wer stimmt dem § 17 zu? - Danke. Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - § 17 ist einstimmig beschlossen.
Ich rufe § 18 auf. Dazu liegt ein Änderungsantrag auf Umdruck 641 Ziffer 3 vor.
({0})
- Entfällt; gut. Dann können wir über den § 18,
die Einleitung und die Überschrift insgesamt abstimmen. Wer zustimmt, den bitte ich um ein Handzeichen. - Danke. Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei Enthaltungen der Fraktion der FDP sind der § 18, die Einleitung und die Überschrift angenommen.
Damit ist die zweite Beratung beendet. Wir treten in die
dritte Beratung
ein.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Siemer.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Dieses Gesetz, das wir jetzt mit der dritten Lesung zu verabschieden gedenken, ist, wenn ich so sagen darf, ein neuer Markstein in unserer Marktpolitik. Sicher, das Gesetz ist im Bereich der agrarwirtschaftlichen Marketings Neuland, wie es auch der Berichterstatter genannt hat, Neuland insofern, als wir durch die Umstellung unserer Landwirtschaft, die in die EWG integriert worden ist, vor einer völlig neuen Situation stehen. Der Konkurrenzkampf in der EWG-Gemeinschaft wird sich von Jahr zu Jahr verschärfen. Er wird also neue Anforderungen an uns Landwirte stellen. Wir müssen aus vielerlei Gründen versuchen, diesen Anforderungen gewachsen zu sein.
Das gilt vor allem auf dem Gebiet der Vermarktung, . auf dem unsere Landwirtschaft traditionsgemäß niemals die erste Geige gespielt hat. Das ist
einmal aus der Tradition leicht zu erklären, weil die Landwirtschaft lange Jahre hindurch unter einem besonderen Schutz stand. Insbesondere wissen wir aber, die Landwirtschaft ist in einer modernen Industriegesellschaft, in der sich vieles wandelt, immer die letzte, die nachzieht. Das ist mit in der Art und der Eigenschaft ihrer Erzeugung begründet.
Aber gerade vom Standpunkt der Erzeugung aus ist es notwendig, ihr neue Hilfsmittel für eine moderne Marktpolitik zu geben. Denn die Erzeugung ist ihrem Wesen nach im landwirtschaftlichen Bereich der Wirtschaft nun einmal atomisiert in, wenn Sie so wollen, 1 Million, 400 000 oder 500 000 selbständige Unternehmungen, die nicht aus eigener Kraft die Marketing-Methoden in die Hand nehmen können, um im Markt aktiv zu werden.
Das Agrarprogramm der Bundesregierung vom 26. Juni des vorigen Jahres, vor nunmehr genau dreiviertel Jahren, hat an uns die Aufforderung gerichtet, eine aktive, eine aggressive Marktpolitik zu betreiben. Das wird nur zu machen sein, wenn wir die Mittel, die wir hier im Haus gemeinsam erarbeiten, dieser landwirtschaftlichen Marktpolitik zur Verfügung stellen. Dafür ist das von uns eingebrachte Gesetz, das wir gemeinsam mit unserem Koalitionspartner und mit den Herren aus der FDP beraten haben, ein neuer Ansatzpunkt, ein neuer Weg nicht nur für die Erzeuger, sondern auch für die Verbraucher. Die Erzeuger gewinnen wenigstens jetzt eine Möglichkeit, sich auch der modernen Marketing-Methoden zu bedienen, was der einzelne infolge seiner begrenzten Verkaufsmöglichkeiten nicht kann.
Es ist nicht die Absicht - ich wiederhole das -, mit diesem neuen Marktfondsgesetz etwa in die Bereiche der schon bestehenden Vermarktungsorganisationen in der Art einzuwirken, daß wir etwa ihre Formen der Vermarktung übernehmen, sondern wir wollen mit diesem Marktfondsgesetz gleichsam vorbereitet sein für alle diejenigen, die, aufbauend auf unserer Erzeugung, Ernährungswirtschaft betreiben. Wer das versteht und wer durchdenkt, wie vielfältig Marketing-Methoden heute sind, wird begreifen müssen, daß wir eine solche neue Form der Vermarktung nicht ohne eine staatliche Handhabung aufbauen konnten. Darum dieses Gesetz, das, ich wiederhole, der erste Schritt ist, was bedeutet, daß wir nicht sofort mit vollem Erfolg rechnen können. Aber wir machen den Anfang.
Man hat mich heute von prominenter Seite gefragt, ob die Belastung nicht gleich zu hoch sei. Darauf möchte ich antworten: sie wäre dann zu hoch, wenn sich, wie die weitere Frage an mich lautete, kein Erfolg einstellt. Aber ohne Risiko kein Erfolg. Indem wir das Risiko übernehmen, eine solche Marktfondsgesellschaft ins Leben zu rufen, machen wir den Versuch, auf den EWG-Märkten und darüber hinaus auf dritten Märkten Erzeugnisse der deutschen Landwirtschaft besser anzubieten, in besserer Verpackung, in besserer Aufmachung, und dadurch unseren guten Namen zu retten. Das ist die Aufgabe, die diese Marketing-Gesellschaft, oder wenn wir sie so nennen wollen: die AbsatzfördeDr. Siemer
rungsgesellschaft, die aus dieser Fondsgesellschaft entstehen soll, übernehmen muß.
Der Verwaltungsrat, dessen Zusammensetzung wir in diesem Gesetz bestimmt haben, wird nicht nur einseitig aus dem Sektor Landwirtschaft bestellt, sondern auch aus anderen Gebieten der Wirtschaft und natürlich auch aus den Teilen unserer Bevölkerung, die unsere Erzeugnisse ja verzehren müssen.
Ich sehe also in diesem Gesetz, so viele Fragen auch offenbleiben und so viele Fragen vielleicht noch nicht ihre letzte Lösung gefunden haben, doch eine brauchbare Basis und eine Ergänzung zu dem von uns vor kurzem verabschiedeten Marktstrukturgesetz. Beide zusammen mögen uns einen wesentlichen Schritt vorwärtsbringen auf dem Gebiet moderner Vermarktung landwirtschaftlicher Erzeugnisse im Zusammenhang mit unserer Ernährungswirtschaft.
({0})
Das Wort hat der Abgeordnete Ertl.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir Freien Demokraten begrüßen, daß dieses Gesetz, wenn es uns auch so, wie es jetzt durch die Große Koalition gestaltet worden ist, nicht befriedigt, wenigstens geboren wurde. Wir können das mit gutem Grund für uns feststellen. Verehrter Herr Kollege Siemer, wenn unser Antrag im Jahre 1958 von Ihnen und von Ihrem Partner in der Großen Koalition angenommen worden wäre, hätten wir längst Erfahrungen über modernes Marketing gesammelt und eine aktive Agrarmarktpolitik in der gesamten Welt. Diese Chance haben Sie verpaßt, weil Sie damals wider besseres Wissen unsere Initiativen nicht unterstützten. Wir haben auch diesmal die Initiative ergriffen. Ich sage das nicht, um hier in Rechthaberei zu machen, sondern ich sage es deshalb, weil Fachzeitungen, die der CDU sehr nahestehen, immer wieder offensichtlich so getan haben, als ob die Beratungen auf Grund einer Initiative allein der CDU erfolgt seien. Tatsache ist, daß die Freien Demokraten ihren Gesetzentwurf am 11. März 1968 eingebracht haben, was zu einer sehr schnellen Fraktionssitzung der CDU führte. Dadurch wurde für den Gesetzentwurf grünes Licht gegeben.
({0})
- Das ist eine Tatsache. Ich wollte das nicht besonders erwähnen, doch liegt mir angesichts einer sehr unsachlichen Berichterstattung in einem Teil der landwirtschaftlichen Fachpresse an dieser Feststellung.
Nun zum Gesetz selbst. Wir können damit nicht ganz einverstanden sein. Offensichtlich sind die tragenden Fraktionen dieser Regierung der Meinung, daß das Gesetz befristet sein soll. Demnach wissen Sie genauso wie wir, daß die Konstruktion des Gesetzes keine günstige und keine vollständige ist. Nach wie vor - damit komme ich zu den Hauptmängeln des Gesetzes - bleibt die Frage offen: Wird sich der Bund in den Anfangsjahren an einer
Finanzierung beteiligen, oder ist das ein Gesetz, mit dem allein der deutschen Landwirtschaft langfristige zusätzliche Lasten zugemutet werden? Für uns ist es selbstverständlich, daß bei einer solchen Maßnahme die Landwirtschaft auch an der Finanzierung maßgeblich mitwirkt. Aber wir sind der Meinung - und wir bedauern, daß Sie unser nochmaliges Bemühen hier wiederum nicht unterstützt haben -, daß in demselben Maße auch der Bund verpflichtet ist, seinen Anteil zu leisten, und zwar aus politischen Gründen. Als im Jahre 1964 die Weichen für die weitere Harmonisierung des EWG-Agrarmarktes gestellt und ein EWG-Anpassungsgesetz geschaffen wurde, waren sich bei den grundsätzlichen Debatten, die in diesem Hohen Hause geführt wurden, alle Parteien darüber einig, daß die politischen Opfer, die man der deutschen Landwirtschaft auferlegt - sie sind, wie jedermann weiß, gewaltig -, von der gesamten Volkswirtschaft, vom gesamten Volk mitgetragen werden müssen. Die deutsche Landwirtschaft befindet sich in einer Situation, wo sie ihren heimischen Markt teilweise zugunsten der Landwirtschaft der EWG-Partnerstaaten verliert, wo sie aus dem eigenen Markt herausgedrängt wird und nun in schweren Leistungen neue Märkte erschließen muß. Es ist notwendig - und das ist ja auch mit die Aufgabe dieses Gesetzes -, ein modernes Marketing, eine moderne Vermarktung zu schaffen, ebenso aber auch neue Märkte und bessere Absatzchancen. Hier meinen wir, daß es eine politische Verpflichtung des Bundes ist, gleichermaßen wie die Landwirtschaft durch ihren eigenen Beitrag mitzuwirken. Das will diese Regierung nicht, das tut sie nicht, und das halten wir für einen grundlegenden Mangel.
Ich möchte auch unterstreichen, weil solche Befürchtungen in der Wirtschaft Lautwerden, daß dieses Gesetz nur wirksam funktionieren kann, wenn es zu einer guten Zusammenarbeit zwischen Produktion und Vermarktung und Vermarktungseinrichtungen, und zwar der genossenschaftlichen wie der privatwirtschaftlichen, also der Ernährungswirtschaft kommt. Dieses Gesetz darf die Wettbewerbsverhältnisse innerhalb der Ernährungswirtschaft nicht einseitig verändern, sondern es muß die Wettbewerbsgleichheit sichern und erhalten. Diesbezüglich richtet sich unser Augenmerk jetzt bei der Verabschiedung auch auf die noch zu verabschiedende Satzung der Vermarktungsgesellschaft, denn jetzt wurde erst ein Gerippe geschaffen. Wir hoffen und wünschen - ich glaube, wir können dessen auch sicher sein -, daß diese Satzung in engstem Einvernehmen mit dem Parlament verabschiedet wird, damit auch hier eine klare Mitwirkungsmöglichkeit für das Parlament gegeben ist.
Sie haben auch den Antrag des Kollegen Schultz abgelehnt, ich möchte hier wirklich sagen: wider besseres Wissen, denn er ist sachlich vollauf begründet. Das beweist, meine verehrten Damen und Herren aus den Koalitionsfraktionen, daß Sie auch sachlich begründete Anträge der Opposition nicht akzeptieren wollen. Das ist ein nicht schönes und auch nicht fruchtbares Verhalten. Aber das müssen Sie verantworten. Sie werden verstehen, daß bei aller
Anerkennung, daß wir wenigstens so weit gekommen sind, meine Fraktion und damit die Opposition im Deutschen Bundestag diesem Gesetz nicht zustimmen kann. Wir werden uns bei der Abstimmung der Stimme enthalten.
({1})
Das Wort hat der Abgeordnete Schmidt ({0}).
Meine Damen und Herren! Namens meiner politischen Freunde darf ich folgendes erklären. Mit diesem Gesetz, das jetzt nach sehr mühevoller einjähriger Beratung zur Verabschiedung steht, schaffen wir ein weiteres ganz wichtiges marktpolitisches Instrument. Wie vor fast zwei Monaten, als wir das von meiner Fraktion eingebrachte Marktstrukturgesetz verabschiedet haben, wird mit diesem Gesetz die Bedeutung des Marktes auch für die landwirtschaftliche Produktion verdeutlicht. Ich darf für uns und - ohne unbescheiden zu sein - gerade auch für mich persönlich in Anspruch nehmen, daß wir schon sehr früh die Bedeutung dieses Faktors für die Einkommensbildung in der Landwirtschaft erkannt haben. Ich darf auf die früheren Initiativen verweisen. Damals redeten andere nur von Preisen. Viele tun es auch heute noch. Ich verneine nicht die Wichtigkeit preispolitischer Entscheidungen und ihrer Bedeutung für das landwirtschaftliche Einkommen; aber wie eng doch der Spielraum geworden ist, zeigt das Ergebnis der gestrigen Luxemburger Verhandlungen.
Für die Verbesserung der landwirtschaftlichen Einkommen und damit einhergehend der Lebens- und Arbeitsbedingungen ist heute neben der rationell erzeugten Produktionsmenge und dem Marktanteil und neben den Preisen mindestens ebenso bedeutsam, daß für den Markt produziert wird. Darin liegt insbesondere die Chance der deutschen Landwirtschaft, die durch ihre Nähe zu den großen Verbrauchszentren eben nicht nur Transportkosten spart, sondern sich auch auf die Erfordernisse des Marktes, auf eine nach Qualität und Produktdifferenzierung sich ändernde Nachfrage einstellen muß.
Meine Damen und Herren, wir haben an diesem Gesetz von Anfang an loyal und intensiv mitgearbeitet, obwohl die beiden ursprünglich zugrunde liegenden Entwürfe der Fraktionen dieses Hauses auch andere Zielsetzungen verfolgten. Ich bin froh darüber, daß, ausgehend von diesen Grundlagen und vor allem auch durch die energische Hilfe des Ministeriums, nun doch ein sehr vernünftiger Kompromiß zustande gekommen ist.
Meine Fraktion stimmt dem vorliegenden' Gesetzentwurf in vollem Umfang zu, und zwar aus dreierlei Gründen; erstens weil damit eine Einrichtung geschaffen wird, wie sie schon in vielen Agrarexportländern und praktisch in allen Mitgliedstaaten der EWG seit Jahren besteht, zweitens weil es sich bei dem Absatzfonds um eine Einrichtung handelt, die vorwiegend von der Wirtschaft und dabei insbesondere von der Landwirtschaft getragen wird. Die Bundeszuschüsse stellen nur eine Starthilfe dar, die in degressiven Jahresraten gewährt wird. Wir haben dieser Degression, wie ich ausdrücklich betonen möchte, in der Erwartung zugestimmt, daß auch die übrigen EWG-Länder die staatlichen Hilfen an vergleichbare Einrichtungen schrittweise vermindern. Sollte das nicht der Fall sein, können wir unsere Entscheidung immer noch revidieren. Drittens stimmen wir dem Gesetz zu, weil wir in der Errichtung des Absatzfonds eine sinnvolle Ergänzung zu unserem Marktstrukturgesetz sehen.
Um das Ziel einer gestärkten Position der deutschen Landwirtschaft im Markt zu erreichen, muß der Hebel schon möglichst früh, bereits beim landwirtschaftlichen Betrieb, ansetzen, wenn es geht, schon bei der Produktionsplanung. Eben das ist eine der wichtigsten Aufgaben der Erzeugergemeinschaften, wie sie im Marktstrukturgesetz vorgesehen sind. Die Gemeinschaften sollen das Angebot zusammenfassen und nach Menge, Zeit und Qualität steuern. Um zu wissen, was der Markt verlangt, ist eine Fülle von Informationen notwendig, die sich der einzelne landwirtschaftliche Betrieb nicht beschaffen kann. Auch für die Erzeugergemeinschaften dürfte das in vielen Fällen sehr schwierig sein. Diese Tätigkeit sollen nunmehr der Absatzfonds und die durch ihn finanzierte Vermarktungsförderungsgesellschaft übernehmen. Sie sollen den Erzeugergemeinschaften und ihren Vereinigungen einen breiten Fächer von Dienstleistungen anbieten. Die neue Gesellschaft wird unter anderem, so meine ich, die Aufgabe haben - ohne daß das vollständig ist -, Marktforschung und Marktberichterstattung zu betreiben, Qualitäts- und Vermarktungsregeln auszuarbeiten, neue Produkte zu entwickeln, Modelle für die Produktions- und Absatzplanung aufzustellen, möglicherweise Kontakte zwischen Erzeugern und ihren Marktpartnern im In- und Ausland zu knüpfen und beide Seiten beim Abschluß von Verträgen zu beraten.
Die Beratungsfunktion ist vor allem wichtig für die Ausfuhr. Auf diesem Gebiet verfügt die gegenwärtig existierende Arbeitsgemeinschaft Agrarexport über eine langjährige und weltweite Erfahrung, von der die neue Gesellschaft sicher in hohem Maße profitieren kann. Für den Export gilt das gleiche wie für den Inlandsmarkt. Alle Absatzbemühungen, meine Damen und Herren, sind um so erfolgreicher, je deutlicher sich die Produkte von dem konkurrierenden Angebot unterscheiden. Der Preis spielt dabei eine wichtige, aber nicht immer die ausschlaggebende Rolle.
In diesem Zusammenhang kann ich nicht auf den Hinweis verzichten, daß es auf keinen Fall zu den Aufgaben des Fonds und der Vermaktungsförderungsgesellschaft gehört, die Preise direkt zu beeinflussen. Die Gesellschaft darf weder ein eigenes Warengeschäft betreiben noch im Markt intervenieren und Zuschüsse an Erzeuger, Verarbeiter oder Händler gewähren. Wenn wir fordern, daß derartige Manipulationen in den EWG-Partnerländern endlich aufhören, dann dürfen wir bei uns erst gar nicht damit anfangen.
Dr. Schmidt ({0})
Wir werden vielmehr, meine Damen und Herren, dafür sorgen müssen, daß die Grundsätze, wie sie in dem vorliegenden Gesetzentwurf verankert sind, in der gesamten EWG Beachtung finden. Auch dazu kann die Vermarktungsförderungsgesellschaft beitragen. Die Untersuchung von Wettbewerbsverzerrungen gehört ebenfalls zu ihren Aufgaben; denn es liegt auf der Hand, daß man nicht erfolgreich für Produkte werben kann, wenn man die effektive Konkurrenzsituation nicht kennt.
Wenn wir jetzt so große Hoffnungen in das mit diesem Gesetz zu schaffende marktpolitische Instrument legen, so ist das keinewegs eine generelle Kritik an den schon bisher bestehenden Einrichtungen, zumal ich auf die hervorragende Arbeit der Arbeitsgemeinschaft „Agrarexport" schon hingewiesen habe und auf andere noch hinweisen könnte.
Aber wir sind bei unseren Überlegungen eben doch zu dem Ergebnis gekommen, daß Marktpolitik erheblich mehr bedeutet - das hat Kollege Siemer unterstrichen -, als lediglich die Parole ins Treffen zu führen, daß unsere deutschen marktnah erzeugten Produkte frischer sind als die von weither eingeführten. Hinzu kommt, daß mit dem finanziellen Umfang der zur Verfügung stehenden Mittel erheblich mehr getan werden kann. Der Anspruch der Landwirtschaft, die diese Mittel aufbringt, einen durchschlagenden Erfolg erwarten zu können, ist berechtigt. Wir sind auf diesem Gebiet - lassen Sie es mich ganz offen sagen - zum Erfolg verdammt. Wir müssen sichern, daß dieses neue Instrument
dynamisch gehandhabt wird; fortschrittliche Kräfte sollen diese Richtung bestimmen. Wenn es uns nicht gelingt, den erstrebten Erfolg zu erzielen, sind die Folgen für die Landwirtschaft katastrophal. Wir alle wissen, daß der technische Fortschritt es möglich macht, die gleiche Menge auch bei hoher Qualität mit immer geringer werdendem Einsatz von Menschen zu erzeugen.
Wir wissen, daß die Folge dieses Prozesses sein wird, daß auch in der Bundesrepublik eine recht beträchtliche Anzahl von Erwerbstätigen aus der Landwirtschaft ausscheiden wird. Wenn aber unsere Landwirtschaft als Folge von Wettbewerbsverzerrungen in der EWG oder aber als Folge unzureichender Absatzorganisationen ihre Position im Markt verliert, werden auch solche Betriebe zusätzlich aufgeben, die unter gleichen Voraussetzungen durchaus als existenzfähig anzusehen sind. Wenn das geschieht, dann gerät auch unsere jetzt tatkräftig in Angriff genommene Strukturpolitik in Gefahr; denn dann müssen noch weit mehr außerlandwirtschaftliche Arbeitsplätze geschaffen werden. Es wäre zu begrüßen, wenn alle Beteiligten diese Zusammenhänge übersähen und zu den Konsequenzen bereit wären.
Die beiden Gesetze - das Marktstrukturgesetz und das Absatzfondsgesetz - sind eine Aufforderung zur Selbsthilfe. Es liegt jetzt vor allem an der Land- und Ernährungswirtschaft, ob und_ in welchem Umfang sie davon Gebrauch machen will, ob sie die ehrlich und hilfreich gebotene Hand ergreifen will. Dazu sollten wir auch beitragen.
({1})
Ich teile mit, daß der Abgeordnete Ehnes für die CSU-Landesgruppe eine Erklärung zu Protokoll gegeben hat *).
Ich erteile jetzt das Wort dem Herrn Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Bundesregierung hat die Beratungen dieses Gesetzentwurfs mit einem besonderen positiven und wohlwollenden Interesse verfolgt und unterstützt. Sie sieht in dem Absatzfondsgesetz einen positiven Ansatz und einen erfolgreichen Akt der Selbsthilfe, geeigneter Bemühungen der deutschen Landwirtschaft und der deutschen Forst- und Ernährungswirtschaft, den Absatz ihrer Erzeugnisse zu modernisieren, zu verbessern, zu fördern und dabei vergleichbare Beispiele in anderen Ländern nachzuahmen.
Bekanntlich hat die deutsche Landwirtschaft in den zurückliegenden Jahrzehnten ihre bewährte Leistungskraft insbesondere dadurch bewiesen, daß sie im Dienst einer ausreichenden Versorgung der heimischen Bevölkerung mit Nahrungsmitteln außerordentliche Produktionserfolge aufweisen konnte, die uns heute zum Teil nicht geringe Sorgen machen. Damals stand die Notwendigkeit einer Erzeugung zur Bedarfsdeckung im Vordergrund des allgemeinen Interesses. Diese Betrachtungsweise ist aber inzwischen mit der zunehmenden Marktsättigung aus dem EWG-Bereich durch eine Orientierung an den neuen Erfordernissen des Marktes, durch eine Erzeugung f ü r den Markt abgelöst worden.
Die Landwirtschaft muß Erzeugung und Absatz den sich ändernden Aufnahmemöglichkeiten des Marktes anpassen, und sie muß dabei auch in der Lage sein, die Absatzchancen wahrzunehmen, die dieser Markt trotz der bei einzelnen Waren bestehenden Überschußsituationen nach wie vor bietet.
Eine wesentliche Hilfe zur Bewältigung dieser Aufgabe sieht die Bundesregierung in den beiden Gesetzentwürfen, die aus der Mitte dieses Hauses eingebracht worden sind, nämlich einmal im bereits verabschiedeten Marktstrukturgesetz und zum anderen in dem vorliegenden Absatzfondsgesetz. Beide Gesetze sind Instrumente moderner Marktpolitik, die sich gegenseitig ergänzen und die ihre größte Wirksamkeit erst zu entfalten vermögen, wenn bei ihrer Durchführung dieser Zusammenhang nicht aus dem Auge verloren wird.
Es soll jetzt nicht meine Aufgabe sein, zu den Vorschriften des Gesetzentwurfs im einzelnen Stellung zu beziehen. Folgende Punkte halte ich jedoch einer besonderen Erwähnung wert.
Erstens. Mit diesem Gesetz werden 'die im Agrarmarkt beteiligten Wirtschaftskreise in die Lage versetzt, selbstverantwortlich eine wirksame zentrale Absatzförderung zu gestalten. Die Wirtschaft selbst lenkt den zweckmäßigen Einsatz der zur Verfügung stehenden umfangreichen finanziellen Mittel, deren Großteil - und das ist ein wesentliches und ent-
*) Siehe Anlage 12
1 scheidendes Merkmal des Finanzierungsreglements in § 10 des Entwurfs - von ihr selbst aufgebracht wird. Das kann nicht laut und deutlich genug gesagt werden.
Die notwendige Starthilfe zur Überwindung der Anlaufschwierigkeiten gewährt jedoch der Bund übergangsweise und degressiv mit beträchtlichen Zuschüssen aus Haushaltsmitteln. Der Bund ist auf Grund zwingender EWG-Vorschriften nicht in der Lage, laufende Zuschüsse zu geben. Aber ein gewisser Sockelbetrag von 8 bis 10 Millionen DM wird ständig aus Bundesmitteln bereitgestellt.
({0})
- Herr Ertl, wir haben ja später auch noch Zeit, uns das eine oder das andere zu überlegen. Wir müssen erst Erfahrungen sammeln. Ich glaube, daß wir durchaus in der Lage sind, aus diesen Erfahrungen entsprechende Schlüsse zu ziehen.
Die eigene Beitragsleistung der Landwirtschaft mag Enttäuschung bei denjenigen hervorrufen, die meinen, die Einkommenslage der deutschen Landwirtschaft sei so angespannt, daß ihr keinerlei zusätzliche Belastungen zugemutet werden könnten. Das ist ein ernstes und beachtenswertes Argument. Ich möchte demgegenüber aber darauf hinweisen, daß alle Ansätze und Anstrengungen der Landwirtschaft zur Verbesserung ihrer Absatzlage - wir haben durchaus hoffnungsvolle und ausbaufähige Ansätze und Bespiele dieser Art - um so mehr an Glaubwürdigkeit gewinnen, als die Landwirtschaft in der bewußten Erkenntnis der Bedeutung, die dem Markt heute zukommt, zu einer wesentlichen eigenen Kostenbeteiligung bereit ist. Erst diese überzeugende Bereitschaft zur Selbsthilfe wird alle Bemühungen erleichtern, auch weiterhin überall dort öffentliche Mittel einzusetzen, wo die eigene Kraft der Landwirtschaft zur Selbsthilfe nicht oder noch nicht ausreicht.
Zweitens. Die Bundesregierung hält die Befristung des Gesetzes in § 18 Abs. 2 des Entwurfs für ungerechtfertigt. Die Aufgaben, die sich dem Absatzfonds in der Hauptsache stellen, sind keineswegs vorübergehender Natur. Es dürfte unbestritten sein, daß z. B. wissenschaftlich exakte Marktanalysen im Hinblick auf längerfristige Absatzmöglichkeiten, Förderung der Standardisierung des Warenangebots, der Qualitätsverbesserung und -kontrolle und der Entwicklung neuer Produktionsprogramme oder die Erschließung neuer ausländischer Märkte Aufgaben sind, die nicht nur einer gewissen Vorbereitungs- und einer längeren Anlaufzeit bedürfen, sondern darüber hinaus einen äußerst fachgerecht anzusetzenden und unter Umständen nicht unbeträchtlichen „Erhaltungsaufwand" erforderlich machen werden. Das wird ohne den dann eingespielten Apparat des Absatzfonds bzw. der privatrechtlichen Vermarktungsförderungseinrichtung gar nicht oder nur unvollkommen möglich sein.
Selbst wenn man eine spätere Verlängerung der Geltungsdauer in Betracht zieht, so ist doch die Gefahr nicht zu leugnen, daß die vorgesehene Befristung geeignet ist, die Möglichkeiten des Gesetzes zu langfristiger, systematischer Absatzförderung von vornherein wesentlich zu beeinträchtigen. Das könnte nicht zuletzt dem organisatorischen Aufbau der privatrechtlichen Vermarktungsförderungseinrichtung, ihrer personellen Ausstattung mit fachlichen Spitzenkräften - und das ist beabsichtigt - und schließlich der Entfaltung ihres geschäftlichen Namens und Ansehens als Unternehmen von Anfang an schädliche Fesseln anlegen.
Drittens. § 7 Abs. 3 des Entwurfs sieht vor, daß der Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, der Bundesminister der Finanzen und der Bundesminister für Wirtschaft je einen Beauftragten bestellen, die zu jeder Sitzung des Verwaltungsrats des Absatzfonds einzuladen sind. Der Bundesminister für Gesundheitswesen hält es für sachlich notwendig, ebenfalls das gesetzlich verankerte Recht zu erhalten, einen solchen Beauftragten in den Verwaltungsrat zu entsenden.
Die Bundesregierung ist sich darüber im klaren, daß - und darauf möchte ich auch Ihre Aufmerksamkeit ganz besonders lenken - mit der Verabschiedung und dem Inkrafttreten dieses Gesetzes die eigentliche Arbeit erst zu beginnen hat. Dieses Gesetz kann erst dann - und nur dann - die erwarteten Früchte tragen, wenn nicht nur der Absatzfonds seine praktische Tätigkeit aufzunehmen beginnt, sondern auch die in § 2 Abs. 2 vorgesehene „zentrale Einrichtung der Wirtschaft" existiert und Aktivität zu entfalten vermag. Wie schnell das möglich ist, hängt nicht allein von der Bundesregierung und allen sonstigen für die Durchführung ,des Gesetzes kompetenten amtlichen Stellen, sondern vor allem von den Wirtschaftskreisen selbst ab, die diese Einrichtung tragen sollen. Erfreulicherweise haben die Vorarbeiten zur Gründung dieser Einrichtung - möglicherweise wird es eine GmbH - bereits begonnen. Da es sich jedoch um eine Aufgabe handelt, die die Wirtschaft selbst zu lösen hat, kann die Bundesregierung und insbesondere der Bundesernährungsminister hier nur seine guten Dienste anbieten. Dies ist auch in der Zwischenzeit insofern geschehen, als das Bundesernährungsministerium die Erörterung des erforderlichen Gesellschaftsvertrages mit den beteiligten Wirtschaftsverbänden bereits aufgenommen hat. Was mich und mein Haus betrifft, so wird jedenfalls alles geschehen, um die Gründung und den Tätigkeitsbeginn dieser Gesellschaft nicht unnötig über den Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes hinaus zu verzögern.
Wie Sie wissen, ist es ein erklärtes Ziel des Agrarprogramms der Bundesregierung - Herr Kollege Dr. Schmidt hat darauf Bezug genommen -, die deutsche Landwirtschaft in die Lage zu versetzen, alle Möglichkeiten der Absatzsteigerung auszuschöpfen. Als geeignestes Mittel für eine offensive Absatzpolitik, die den in der gewerblichen Wirtschaft üblichen Maßstäben vergleichbar ist, bezeichnet auch das Agrarprogramm eine privatrechtlich organisierte land- und ernährungswirtschaftliche Vermarktungsförderungsgesellschaft, die mit modernsten Methoden arbeitet. Nach meiner Überzeugung schafft der vorliegende Gesetzentwurf durch seine gelungene Aufgabenverteilung zwischen
dem die Mittel aufnehmenden und verteilenden öffentlich-rechtlichen Fonds einerseits und der die detaillierte Förderungspolitik betreibenden privatrechtlichen Einrichtung andererseits die geeigneten Voraussetzungen, um dieses erklärte Ziel des Agrarprogramms - und damit einen seiner wichtigsten Punkte - zu verwirklichen. Daher unterstützt die Bundesregierung diesen Entwurf.
Es ist mir noch eine angenehme Pflicht, vor allem auch den mitberatenden Ausschüssen für ihre Bereitschaft und für ihre Beratungsarbeit herzlich zu danken. Es gab viele Verdachtsmomente, es gab viele Einwände, es gab viel Mißtrauen. Alles konnte im Geiste eines guten Kompromisses beseitigt werden. Für die Landwirtschaft ist es ein guter Ausweis, daß sie zur Selbsthilfe entschlossen ist, die immer und zu allen Zeiten die beste Voraussetzung für eine Hilfe auch von der öffentlichen Hand und von unserer gemeinsamen Solidarität her ist.
({1})
Das Wort wird nicht weiter begehrt. Die Aussprache ist geschlossen.
Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz über die Errichtung eines zentralen Fonds zur Absatzförderung der deutschen Forst-, Land- und Ernährungswirtschaft im ganzen zustimmen will, den bitte ich, sich vom Platz zu erheben. - Ich danke. Bitte idle Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei Enthaltung der Fraktion der FDP ist das Gesetz im ganzen angenommen.
Ich rufe den Punkt 9 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über Wein, Dessertwein, Schaumwein, weinhaltige Getränke und Branntwein. aus Wein ({0})
- Drucksache V/1636 -
a) Bericht des Haushaltsausschusses ({1}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung
- Drucksache V/4116 -
Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Tamblé
b) Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Gesundheitswesen ({2})
- Drucksache V/4072 Berichterstatter: Abgeordneter Prinz zu
Sayn-Wittgenstein-Hohenstein
({3})
Darf ich fragen, ob einer der Herren Berichterstatter das Wort wünscht. - Das Wort hat der Abgeordnete Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie nur, daß ich zu dem vorliegenden Schriftlichen Bericht noch einige ergänzende Bemerkungen mache.
Wie Sie dem Bericht - nicht nur auf Grund seines Umfanges - entnehmen können, haben die Beratungen zu dem Entwurf des Weingesetzessowohl von dem mitberatenden Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten wie dem federführenden Ausschuß für Gesundheitswesen einen ierheblichen Zeit- und Arbeitsaufwand erfordert. Neben zahlreichen Vorschlägen und Änderungswünschen der betroffenen Wirtschaftskreise waren außerdem viele Anregungen von Mitgliedern dieses Hohen Hauses und einiger Ministerien zu prüfen. Der Bundesrat hatte allein 160 Änderungsvorschläge gemacht. Zu vielen Sachproblemen wurden Sachverständige gehört. Um den Bericht nicht noch umfangreicher werden zu lassen, mußte darauf verzichtet werden, bei den einzelnen Sachproblemen, bei denen die Ausschußfassung durch Abstimmung festgelegt wurde, die Meinung der jeweiligen Minderheit im Ausschußbericht festzuhalten. Hierzu geben die Protokolle der Ausschußsitzungen im einzelnen genaue Auskunft.
Der Ausschuß für Gesundheitswesen legt dem Hohen Hause mit der Ausschußfassung des Weingesetzes einen Entwurf vor, der nach Ansicht des Ausschusses der Forderung nach der dringend erforderlich gewordenen gesetzlichen Neuordnung wie ihrer Anpassung an die wirtschaftlichen und kellereitechnischen Entwicklungen Rechnung trägt. Aus diesem Grunde war auch vom Bundestag der 4. Legislaturperiode die Arbeit an dieser Materie begonnen worden, zumal die beteiligten Wirtschaftskreise, aber auch die Verwaltung und die Rechtsprechung aufgezeigt hatten, daß das Weingesetz aus dem Jahre 1930 nicht mehr den Erfordernissen der heutigen Zeit entsprach. Schließlich mußte auch erreicht werden, daß künftigen Entwicklungen im Bereich der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft mit diesem Gesetz Rechnung getragen wurde.
Durch die Schaffung der Gruppen Tischwein, Qualitätswein und Qualitätswein mit Prädikat ist für den Verbraucher in Zukunft eine bessere Übersicht ermöglicht worden. Gleichzeitig ist unseres Erachtens mit einem solchen Einteilung für den Erzeuger und Hersteller des Weines eine zusätzliche Anregung gegeben worden, neben den in den letzten Jahren vorgenommenen Qualitätssteigerungen im deutschen Weinbau weitere Anstrengungen zu unternehmen, um im Wettbewerb dem deutschen Wein als Spezialität einen entsprechenden Platz zu erhalten.
Abstufungen wurden auch für den Schaumwein und den Branntwein aus Wein vorgenommen, um auch hier dem Verbraucher eine klare Übersicht über das Angebot zu ermöglichen. Schließlich finden auch die weinhaltigen Getränke erstmalig ihre gesetzliche Regelung in diesem Entwurf.
Grundsätzlich mußte erreicht werden, daß für die ausländischen Erzeugnisse die gleichen Anforderungen wirksam werden, wie sie an die deutschen Erzeugnisse gestellt werden.
Neben dem Verbraucherschutz hat der Gesundheitsausschuß entsprechend seinem Auftrag der Vermeidung und Verhütung gesundheitlicher Gefahren sein besonderes Augenmerk zugewendet. Wenn es auch wegen des derzeitigen Standes der Kellereitechnik nicht möglich war, allen gesundheitspoliti12560
I schen Forderungen Rechnung zu tragen, so .sehen die Übergangsbestimmungen doch vor, daß nach einem für die Umstellung der Weinwirtschaft notwendigen Zeitraum zusätzliche Einschränkungen wirksam werden.
Das gilt z. B. auch für die Naßverbesserung, die ohne intensive Forschung auf dem Gebiete des Säureabbaues nicht von heute auf morgen verboten werden kann, es sei denn, man ist bereit, in den betreffenden Gebieten ein großzügiges Strukturprogramm durchzuführen. In Entschließungen, die der Ausschuß in Übereinstimmung mit dem Unterausschuß Weingesetz des Ernährungsausschusses dem Hohen Hause zur Beschlußfassung vorliegt, wird die Bundesregierung aufgefordert, Forschungsvorhaben zu fördern, um Verfahren zu entwickeln, die die Naßverbesserung entbehrlich machen und den Säureabbau mit anderen Methoden ermöglichen. Auch werden die Bundesregierung und die Landesregierungen insbesondere der weinbautreibenden Länder ersucht, erforschen zu lassen, von welchen Rebsorten auch in ungünstigen Jahren Weintrauben zu erwarten sind, die außer der Aromareife eine ausreichende Zuckerreife erreichen.
Der andere Teil der Entschließung gibt dem Ersuchen Ausdruck, Forschungen zu fördern, um den Zusatz von schwefliger Säure, deren Anwendung zur Zeit aus kellereitechnischen Gründen unumgänglich ist, herabzusezen bzw. durch einen gesundheitlich weniger bedenklichen Stoff zu ersetzen. Vier Jahre nach Verkündung des Gesetzes soll ein Bericht der Bundesregierung über die Forschungsergebnisse vorgelegt werden.
Der vorliegende Gesetzentwurf enthält insgesamt 68 Ermächtigungen zum Erlaß von Rechtsverordnungen durch die Bundesregierung und die Landesregierungen der weinbautreibenden Länder. Der Ausschuß war bemüht, die ursprünglich noch höhere Zahl solcher Ermächtigungen weiter herabzusetzen. Bei der sehr komplexen Materie hätte es aber eine weitere Verminderung der Möglichkeiten zum Erlaß von Rechtsverordnungen notwendig gemacht, die vorzunehmenden Regelungen dann zum Gegenstand des Gesetzes zu machen. Aus Gründen der Übersichtlichkeit dieses Gesetzes und der Zweckmäßigkeit hat der Ausschuß darauf verzichtet.
Im Hinblick auf die große Zahl von Rechtsverordnungen, die innerhalb der nächsten zwei Jahre zu erlassen sind, soll die Bundesregierung in einer weiteren Entschließung ersucht werden, die für das Weingesetz fachlich und rechtlich zuständigen Referate des Bundesministeriums für Gesundheitswesen möglichst bald personell so zu verstärken, daß die rechtzeitige Erarbeitung der zur Durchführung des Weingesetzes benötigten Rechtsverordnungen gesichert ist.
Ich darf zum Abschluß noch einige spezielle Anmerkungen machen. Zum einen lag bei Abfassung des Schriftlichen Berichts die Stellungnahme des Haushaltsausschusses, der mitberatend war, nicht vor. Heute ist dem Gesundheitsausschuß die Stellungnahme zugegangen:
Der Hauhaltsausschuß hat in seiner heutigen Sitzung den Gesetzentwurf behandelt und festgestellt, daß keine Änderungsvorschläge vorzubringen sind. Nach § 96 GO sieht der Haushaltsausschuß die Vorlage als mit der Haushaltslage vereinbar an.
Bei den Erläuterungen zu § 7 des Weingesetzes ist im Ausschußbericht auf Seite 6 ein Fehler unterlaufen. In der 18. Zeile der rechten Seitenhälfte der Seite 16 muß es statt „jedoch darf das Verhältnis des Gewichts des unvergorenen Zuckers zum Gewicht des tatsächlichen Alkohols allenfalls von 3 : 1 auf 2,5 : 1 herabgesetzt werden" heißen: „jedoch darf das Verhältnis des Gewichts des unvergorenen Zuckers zum Gewicht des tatsächlichen Alkohols allenfalls von 1 : 3 auf 1 : 2,5 herabgesetzt werden".
Zu § 10 Abs. 2 a ist festzuhalten, daß ein Anspruch auf eine Lagebezeichnung auch dann gegeben ist, wenn die zur Benennung einer Lage notwendige Grundfläche von 5 ha nicht in einem Besitz sich befindet.
Zu § 17 wurden bis zur Erstellung des Schriftlichen Berichtes sowohl von den betroffenen Wirtschaftskreisen wie von Mitgliedern des Hohen Hauses Vorstellungen gegen die Formulierung des § 17 der Regierungsvorlage erhoben und Änderungsvorschläge gemacht. Insbesondere wurde darum gebeten, statt der Bezeichnung „aus eigenem Lesegut" bzw. „aus dem Lesegut" die Bezeichnung „Erzeugerabfüllung, Winzergenossenschaftsabfüllung und Kellereiabfüllung" vorzusehen. Aus Gründen der Erhaltung der Wettbewerbsneutralität und zur Vermeidung von Verwechslungen mit der nach dem Weingesetz von 1930 zulässigen Bezeichnung „Originalabfüllung" hat der Ausschuß mit Mehrheit einer solchen Änderung ablehnend gegenübergestanden. Der Ausschuß vertritt aber die Auffassung, daß in den Fällen, in denen nach § 17 die Bezeichnung „aus eigenem Lesegut" zulässig ist, eine zusätzliche Angabe „eigene Abfüllung" nach § 16 dieses Gesetzes gebraucht werden kann.
Schließlich ist noch auf Seite 10 des Berichts ein Druckfehler. Hier muß es statt „§ 97 e" „§ 79 e" heißen.
In § 56 ist ein Fehler in der Überschrift. Statt „Schutz von Nachahmung und Vermischung" muß es heißen „Schutz vor Nachmachung und Vermischung".
Ich bitte um Ihre Genehmigung, Herr Präsident, daß ich im Anschluß an meinen mündlichen Bericht auch die von den drei Fraktionen unterstützten Änderungsanträge auf Umdruck 638 hier jetzt begründe.
Bitte!
Zu § 23 Abs. 1: Bei den inländischen Weinen, die nicht Qualitätsweine oder Qualitätsweine mit Prädikat nach den §§ 12 und 13 sind, ist die Bezeichnung „Tischwein" zwingend vorgeschrieben. Den Antragstellern erschien es notwendig, die gleiche Bezeichnung für ausländische TischPrinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein
weine vorzuschreiben, um dem Verbraucher die gleiche Orientierung zu ermöglichen und zu verhindern, daß durch die Auswahl anderer Bezeichnungen in einer fremden Sprache eine nicht vorhandene Qualität vorgetäuscht wird. Die vorgeschlagene Änderung entspricht der Systematik dieses Gesetzes.
Zu § 33 b Abs. 4: Die Frage, ob bestimmte Gärverfahren bei der Herstellung von Qualitätsschaumwein zugleich qualitätsbestimmend sind, erschien dem Ausschuß nicht ausreichend geklärt. Es wird daher vorgeschlagen, die Angabe eines Gärverfahrens in einem gesonderten Absatz, nunmehr Abs. 4, zu regeln, um nicht durch Formulierungen in diesem Gesetz den Eindruck zu vermitteln, als ob allein durch das Gärverfahren eine besondere Qualität erreicht wird. Außerdem sind für die Vergärung in Flaschen besondere Voraussetzungen gefordert, die ich hier nicht näher zu erläutern brauche, weil sie in ähnlicher Form bereits in dem Entwurf des Gesetzes in der Ausschußfassung vorhanden sind.
Schließlich ist zu § 97 Abs. 2 Nr. 4 festzustellen, daß es nach Ansicht der Antragsteller notwendig erscheint, die Bestimmungen der Verordnung über Wein vom 31. August 1917 - ausgedruckt im Reichsgesetzblatt Nr. 751 - zu erhalten, weil in dieser Verordnung die Versteigerung von Weinen geregelt ist. Eine solche Regelung ist in dem vorliegenden Entwurf nicht vorgesehen. Nach Ansicht der Antragsteller ist es aber erforderlich, diese Regelung auch in Zukunft zu erhalten, bis eine neue marktwirtschaftliche Regelung beschlossen wird.
Eine letzte Bemerkung. Der Ministerpräsident eines großen weinbautreibenden Bundeslandes hat in der Bundesratsitzung am 3. März 1967 zitiert: „Der Wein ist immer ein Sorgenbrecher, aber oft auch ein Sorgenbringer." Ganz zum Abschluß meines mündlichen Berichts soll deshalb festgestellt werden, daß das Weingesetz dem Deutschen Bundestag und insbesondere den Ausschüssen manche Arbeit und Sorgen gemacht hat. Möge das Weingesetz in der vorliegenden Form nun für alle Beteiligten ein „Sorgenbrecher" sein! Dieser Wunsch gilt aber auch hinsichtlich aller Getränke, die auf Grund dieses neuen Gesetzes an den Verbraucher gelangen.
({0})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Elbrächter.
Sehr verehrter Herr Präsident! Meine Damen, meine Herren! Ich möchte nur einige wenige Bemerkungen machen und auch hier gleich sagen, daß ich keinen Änderungsantrag stellen werde, was eigentlich einige meiner Kollegen und ich vorgehabt haben. Ich möchte sozusagen etwas Wasser in den Wein der Freude darüber gießen, daß wir nun endlich nach zwei- oder dreimaligem Anlauf dieses Gesetz über die Runden gebracht haben.
Auch ich freue mich und stelle gleich zu Anfang meiner Ausführungen fest, daß der Entwurf in der vorliegenden Form erhebliche Verbesserungen gegenüber früher gebracht hat. Ich möchte nur auf einen Punkt hinweisen - ich deutete es eben schon mit „Wasser in den Wein gießen" an -, nämlich auf die Naßverbesserung. Gott sei Dank darf ich feststellen, daß der vorliegende Entwurf das grundsätzlich nicht mehr gestattet. Dennoch wird es in bestimmten Jahren für ganz bestimmte Weinbaugebiete für eine Zeit von acht Jahren zugelassen.
Wenn ich auf diesen Punkt in diesem Hause hinweise, so aus der Überzeugung heraus, daß dem Ruf des deutschen Weines draußen nichts so abträglich war wie diese Manipulation, die objektiv eine Verfälschung darstellt, die nur deswegen nach dem Lebensmittelgesetz nicht beanstandet werden konnte, weil sie der Gesetzgeber zu allen Zeiten legalisiert hat. Objektiv ist es eine Verfälschung. Ich freue mich, daß das abgeschafft werden soll. Allerdings erscheint mir der Zeitraum von acht Jahren sehr lang. Wenn ich - Herr Kollege, seien Sie ganz ruhig, ich will hier keinen Ärger machen - darauf hinweise, so deswegen, weil der Exekutive mit dieser Frist von acht Jahren - denken Sie daran, das ist ein Zeitraum von zwei Legislaturperioden - eine ungewöhnliche Verantwortung zufällt. Mein Appell an die Exekutive geht dahin, dem Hohen Hause früher, als der Herr Berichterstatter es wünscht, nämlich nach vier Jahren, einen Bericht über die Erfahrungen mit neueren Entsäuerungstechniken vorzulegen. Dieser Bericht sollte so schnell wie möglich vorgelegt werden. Die Frist von acht Jahren sollte nicht voll ausgenutzt werden. Ich habe nämlich die Sorge, daß man - sehr zum Nachteil des deutschen Weins - wie bisher den gewöhnlichen Trott weitergeht.
({0})
Das Wort hat der Abgeordnete Richarts.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nichts schadet dem deutschen Wein mehr als diejenigen, die dauernd über die Naßverbesserung draußen reden. Das muß ich hier einmal in aller Öffentlichkeit sagen. Ich kann nur darum bitten, daß man dem deutschen Wein in der Öffentlichkeit objektive Wertschätzung entgegenbringt und ihn so gerecht beurteilt, wie auch die Auslandsweine beurteilt werden. Mehr wollen wir nicht.
In allen Hearings wurde uns von den Weinwissenschaftlern gesagt, daß es im Augenblick noch kein technisches Verfahren gebe, das in der Lage wäre, die Naßverbesserung abzulösen.
Die Bundesregierung ist daher von uns aufgefordert worden, Forschungsaufträge zu erteilen, um Lösungen zur Ablösung der Naßverbesserung zu finden. Ich kann nur hoffen und wünschen, auch im Interesse des deutschen Weinbaus, daß diese Forschungsaufträge in absehbarer Zeit zu praktikablen Verfahren und Lösungen führen, die die Naßverbesserung auf die Dauer überflüssig machen.
({0})
12562 Deutscher Bundestag - 5. Wahlperiode - 227. Sitzung. Bonn, Mittwoch, .den 23. April 1969
Das Wort hat der Abgeordnete Dröscher.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben zu diesem Gesetz keine Anträge stellen wollen. Aber wenn dieses Thema nun einmal aufgetaucht ist und der Kollege Richarts hier in einer Form darüber gesprochen hat, die eigentlich zum Schweigen aufforderte, so muß man, glaube ich, doch noch etwas anderes Offensives dazu sagen.
Meine Damen und Herren, wir haben es ja nicht nur mit dem Weinmythos zu tun, den wir pflegen und der sicher ein wichtiges Element beim Verkauf ist. Wir haben es in dieser Frage vor allem mit Menschen zu tun. Es geht eben um einige tausend Menschen, die in unseren Weinbaugebieten Wein erzeugen und denen die Wissenschaft bisher noch nicht die nötigen Mittel geliefert hat, um dieses Problem anders zu lösen, als es bisher gelöst worden ist. Ich glaube, deshalb müssen wir dieses Thema mit „Wasserkühlung" diskutieren. Wir dürfen es nicht zu einem „heißen" Thema machen, sondern wir müssen uns Zeit nehmen und dieses Problem so zu lösen versuchen, wie es den Interessen der Winzer, die an der Mosel und an der Nahe ihren harten Arbeitstag haben, entspricht. Die Winzer müssen ihr Erzeugnis auch in den Jahren verkaufen können, in denen die Wissenschaft ihnen andere Mittel zur Verbesserung noch nicht liefert. Ich glaube, daß dieses Gesetz dazu gute Möglichkeiten bietet. In jahrelangen Bemühungen haben wir diese Lösungsmöglichkeiten gefunden. Auch wenn den einen oder anderen manches schmerzt, muß es ertragen werden; auch uns schmerzt manches, was in dem Gesetz steht. Auch wir hätten uns manches anders und besser gewünscht. Ich glaube, wir sollten das Gesetz jetzt gemeinsam verabschieden.
({0})
Wir treten jetzt in die Einzelberatung ein. Ich rufe zunächst die §§ 1 bis 22 auf, zu denen keine Änderungsanträge vorliegen. Wer den aufgerufenen Paragraphen zustimmt, den bitte ich um ein Handzeichen. - Danke. Gegenprobe! - Enthaltungen? - Es ist einstimmig so beschlossen.
Ich rufe § 23 auf. Dazu liegt auf Umdruck 638 *) ein Änderunsantrag vor, der von dem Herrn Berichterstatter bereits begründet worden ist. Er braucht also nicht weiter begründet zu werden.
Wir kommen gleich zur Abstimmung. Wer der Ziffer 1 des Änderungsantrags auf Umdruck 638 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Danke. Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Auch das ist einstimmig beschlossen.
Wir stimmen über den § 23 in der neuen Fassung ab. Wer ihm zustimmt, den bitte ich um ein Handzeichen. - Danke. Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Es ist einstimmig beschlossen.
Die §§ 24, 25 und 26 entfallen. *) Siehe Anlage 8
§§ 27 bis 33 a. Dazu liegen ebenfalls keine Änderungsanträge vor. Wer den aufgerufenen Paragraphen zustimmt, den bitte ich um ein Handzeichen. - Danke. Gegenprobe! - Enthaltungen? - Diese Paragraphen sind einstimmig beschlossen.
Zum § 33 b liegt ein Änderungsantrag auf Umdruck 638 Ziffer 2 vor. Er ist bereits begründet. Wir stimmen ab. Wer stimmt dem Änderungsantrag zu? - Danke. Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das ist einstimmig beschlossen.
Wir stimmen jetzt über den so geänderten § 33 b ab. Wer dem Paragraphen in dieser Fassung zustimmt, den bitte ich um ein Handzeichen. - Danke. Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig beschlossen.
Dann rufe ich die §§ 34 bis 96 auf. Wer den aufgerufenen Paragraphen zustimmt, den bitte ich um ein Handzeichen. - Danke. Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Ordnung halber muß festgestellt werden, daß es keine Gegenstimmen und keine Enthaltungen gab, sondern daß auch das einstimmig beschlossen ist. - Wir haben es hier mit einem so dicken Konvolut zu tun, daß man sich wirklich durchsuchen muß.
Ich rufe den § 97 auf. Dazu liegt ein Änderungsantrag in der Ziffer 3 des Umdrucks 638 vor. Wir stimmen gleich darüber ab. Wer stimmt dem Änderungsantrag zu? - Danke. Das scheint ebenfalls einstimmig zu sein. - Gegen diese Feststellung wird kein Widerspruch erhoben.
Wir stimmen dann über § 97 in der neuen Fassung ab. Wer stimmt ihm zu? - Danke. Das ist einstimmig beschlossen.
Einleitung und Überschrift. Wer stimmt zu? - Danke. Auch das ist einstimmig beschlossen.
Damit haben wir die zweite Beratung beendet. Ich rufe zur
dritten Beratung
auf und eröffne die allgemeine Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Bardens.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Eigentlich braucht man jetzt nicht mehr viel zu diesem Weingesetz zu sagen; denn erstens konnten wir das, was wir alle bei der ersten Lesung an Forderungen aufgestellt haben, während der Beratungen im Grund genommen alles realisieren. Wir könnten gerade die Reden der ersten Lesung wiederholen.
({0})
- Wir könnten! - Zum zweiten ist heute vor allem vom Herrn Berichterstatter schon so viel zur Sache selbst gesagt worden, daß es nicht mehr ergänzungsbedürftig ist. Ich möchte nur die Gelegenheit benutzen, um all denen, die uns bei der Erarbeitung dieses Gesetzes so geduldig und so intensiv geholfen haben, zu danken. Ich glaube, man sollte die Gelegenheit nutzen, dem Vorsitzenden des Unterausschusses Weingesetz hier noch einmal den Dank auszusprechen.
({1})
Herr Kollege Max Seither hat sicher die Hauptlast der Arbeit während dieser Zeit auf sich geladen.
Am 14. März 1967 wurde vom Bundesminister für Gesundheit, von Frau Strobel, der Entwurf eines Weingesetzes vorgelegt. Es war, meine ich, gerade noch rechtzeitig, um dieses schwierige Gesetz in dieser Legislaturperiode auch abschließen zu können. Ein solches Gesetz ist nicht in Monaten gemacht, und es erschöpft sich nicht darin, einige politisch wesentliche Punkte zu setzen. Es mußten eine Menge Kompromisse gefunden werden mit den Interessenten, die ihre Wünsche natürlich völlig legitim vorgetragen haben, und es mußte versucht werden - ({2})
- Ja, die gehören auch zu den Interessenten, selbstverständlich. Auch ich gehöre in erster Linie zu dieser Interessentengruppe. Es mußte auch versucht werden, die nationalen Interessen der Weinwirtschaft gegenüber den Anforderungen, die von der EWG und auch von Drittländern herkommen, abzugrenzen und in einen vernünftigen Ausgleich zu bringen.
Dieses Weingesetz ist kein reines Ordnungsgesetz. Im Blick auf die EWG müssen wir sagen, daß es in den nächsten Jahren wahrscheinlich noch einige Schwierigkeiten gibt. Wir haben versucht, während der Beratungen all die Bedingungen, die von der EWG her auf unsere Weinordnung, auf unser Weinrecht zukommen könnten, zu berücksichtigen.
Die Fragen, die offengeblieben sind, sind meines Erachtens nicht von überragender Bedeutung. Aber wir alle haben es während der Beratungen der letzten Wochen erlebt, daß draußen eine andere Meinung vertreten wird. Mit diesem nach meiner Meinung und nach Meinung unserer Fraktion guten Weingesetz ist wahrscheinlich noch kein Abschluß unserer Arbeit erreicht. Jetzt und in der nächsten Legislaturperiode beginnt wahrscheinlich die Auseinandersetzung mit Einwirkungen von außen. Es beginnt aber auch die Arbeit, die durch dieses Gesetz unserer Regierung und auch diesem Parlament aufgegeben worden ist. Es ist ja vorhin darauf hingewiesen worden, daß noch manches getan werden muß, z. B. im Bereich der Forschung.
Ich habe bei der Einbringung des Weingesetzes darauf hingewiesen, daß dieses Gesetz einige soziale und strukturelle Schwierigkeiten in einigen Anbaugebieten bringen wird. Man sollte ehrlicherweise auch davon noch einmal sprechen und zum Ausdruck bringen, daß die Regierung und das Parlament in Zukunft aufgerufen sind, diese Schwierigkeiten, vor allem soziale Schwierigkeiten, in einigen Anbaugebieten zu beheben.
Ich will zum Schluß kommen. Wir haben in dieser Zeit ein ganz ordentliches Weingesetz zustande gebracht, müssen aber alle gemeinsam weiter an dieser Materie arbeiten, um den deutschen Weinbau auch in Zukunft zu schützen und dem Verbraucher dienen zu können.
({3})
Das Wort hat der Abgeordnete Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit der Verabschiedung des Gesetzes wird der in den betroffenen Wirtschaftskreisen seit Jahren bestehenden Unsicherheit über die künftige gesetzliche Regelung ein Ende bereitet. Es ist aber auch notwendig, daß die Bundesregierung ebenso wie die Landesregierungen nun so schnell wie möglich die Rechtsverordnungen erstellen, um der beteiligten Wirtschaft, aber auch dem Verbraucher die Informationshilfen zu geben, deren sie bedürfen, um sich auf die künftige Regelung vorzubereiten.
Wenn der Gesundheitsausschuß auch keine Notwendigkeit sah, einen Weinbeirat im Gesetz vorzusehen, so ist doch der Bundesregierung zu empfehlen, an der bisherigen Gepflogenheit, die Vertreter der Wissenschaft, der Verbraucher, der Weinüberwachung und der beteiligten Wirtschaft zu hören, festzuhalten. Es ist auch wünschenswert, daß die deutsche Lebensmittelbuchkommission in Leitsätzen die Beurteilungsmerkmale für Wein und andere vom Wein erfaßten Getränke festlegt, weil dadurch Kasuistik und Perfektionismus in den Rechtsverordnungen vermieden werden kann und auch das, was als verkehrsüblich anzusehen ist und der berechtigten Verbrauchererwartung entspricht, den jeweiligen Verhältnissen schneller angepaßt werden kann.
Meinem Schriftlichen Bericht und den unzähligen Eingaben, die vielen Mitgliedern dieses Hohen Hauses zugegangen sind, war zu entnehmen, wie groß das Interesse der Öffentlichkeit und noch mehr der von dem Gesetz betroffenen Wirtschaftskreise ist. Der Arbeitsaufwand, den dieses Hohe Haus, vor allem seine Ausschüsse, aber auch die Ministerien und das Ausschußsekretariat geleistet haben, wird durch die Bedeutung der neuen gesetzlichen Regelung, nicht zuletzt im Hinblick auf die Entwicklung in der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft - Sie, Kollege Dr. Bardens, haben darauf hingewiesen -, gerechtfertigt. Das Weingesetz soll für nicht unbedeutende Wirtschaftsbereiche zukunftsweisende Regelungen bringen.
Eine der Leitlinien dieses Gesetzes ist es auch, zusätzliche Anreize zu schaffen, die Qualität der betroffenen Erzeugnisse noch mehr zu steigern. Da die deutsche Weinwirtschaft gerade in den letzten Jahren, um nicht zu sagen: im letzten Jahrzehnt, im Hinblick auf die künftige Wettbewerbssituation schon große Anstrengungen zur Qualitätssteigerung unternommen hat, ist zu hoffen, daß sie sich wie die anderen vom Gesetz erfaßten Wirtschaftsbereiche der Möglichkeiten dieses Gesetzes bedient.
Wir alle wissen, daß in unseren Nachbarländern Weine und andere Getränke hergestellt werden, die auch der deutsche Verbraucher wegen ihrer hohen Qualität schätzt. Die Hersteller in diesen Ländern haben auf Grund der günstigeren Verhältnisse Ausgangspositionen, wie sie hierzulande nicht vorhanden sind. Um so mehr muß die deutsche
Weinwirtschaft alles daransetzen, dem deutschen Wein, der doch als Spezialität einen Weltruf hat, diesen Ruf nicht nur zu erhalten, sondern ihn noch zu steigern.
Unsere Winzer, insbesondere die kleineren, haben erkannt, daß sie in der Zusammenarbeit, sei es in der genossenschaftlichen Organisation, sei es in anderen Formen der Kooperation, Chancen für eine solche Arbeit zur Qualitätssteigerung haben. Angefangen vom Rebstock bis zum hochwertigen Kellereiverfahren bieten sich gerade in der Zusammenarbeit besonders günstige Möglichkeiten für Maßnahmen zur Qualitätssteigerung.
Wir sind sicher - und wir befinden uns da in Übereinstimmung mit den Verantwortlichen der Wirtschaftsverbände -, daß der Verbraucher, auch derjenige in den Ländern, die selbst hervorragende Weine hervorbringen, die Bemühungen der deutschen Weinwirtschaft honorieren und dem deutschen Wein einen festen Platz in den jeweiligen Konsumgewohnheiten dieser Länder einräumen wird.
Notwendig scheint mir aber auch zu sein, daß die deutsche Publizistik in objektiver Weise die Bemühungen der deutschen Weinwirtschaft um Qualitätssteigerungen anerkennt. Es ist nicht gut, wenn man Methoden einiger Außenseiter, die man auch in anderen Ländern finden kann - ich erinnere nur an den Prozeß in Italien -, verallgemeinert und der deutschen Weinwirtschaft in ihrer Gesamtheit anlastet. Den Verfassern vielleicht noch so gut und 1 erzieherisch wohlgemeinter Artikel ist zu sagen, daß diejenigen, die es betrifft, voraussichtlich nicht auf solche Vorhaltungen reagieren werden, aber diejenigen, die guten Willens sind und in einem schlechten Jahr z. B. ihren Most eben nicht zu Wein verarbeiten, von solchen Pauschalurteilen weit mehr getroffen werden, und das ist doch - da sind wir sicher einer Meinung - weitaus die große Mehrheit der deutschen Winzer. Nachdem ich bei der Arbeit an diesem Gesetz etwas in die Materie einsteigen durfte,
({0})
nehme ich für mich in Anspruch, eine solche Feststellung zu treffen, der gewiß auch meine politischen Freunde zustimmen werden.
({1})
Der deutsche Weinbau befindet sich in einem Umwandlungsprozeß, der mit der Verabschiedung dieses Gesetzes einen weiteren Höhepunkt erfährt. Wir sind zuversichtlich, daß wir mit der Arbeit an diesem Gesetz dazu beigetragen haben, die Zukunftsaussichten zu verbessern.
Wir hoffen, daß wir mit diesem Gesetz auch der Gestaltung des Weinrechts in der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft in Brüssel die Akzente gegeben haken, die vom Gesichtspunkt der deutschen Weinwirtschaft unerläßlich und in der Sache auch gerechtfertigt sind. Allein die Regelung, daß Verschnitte aus Weinen unterschiedlicher Länder sowohl für inländischen wie für ausländischen Wein nach
diesem Gesetz in der Zukunft nicht mehr zugelassen sind, möge unserer Verhandlungsdelegation in Brüssel Auftrag und Weisung sein, alles daranzusetzen, daß der Verbraucher vor Erzeugnissen geschützt wird, die man manchmal nur als Sammelsurium - und das vielleicht im wahrsten Sinne des Wortes - bezeichnen kann, die mit den Weinspezialitäten der einzelnen weinbautreibenden Länder nichts mehr gemein haben. Wir müssen mit der Vorstellung aufräumen, daß wir dadurch schlechtere Europäer sein könnten, wenn wir bei den Verhandlungen auf die Besonderheiten des deutschen Weinbaues hinweisen.
Am Ende dieser Debatte möchte ich nicht versäumen, als Berichterstatter denjenigen zu danken, die bei den Beratungen durch gutachterliche Äußerungen und sachkundigen Rat dem Ausschuß die Arbeit erleichtert haben. Mit Dank ist zu vermerken, daß Frau Minister Strobel den Gesetzentwurf, der im Gesundheitsministerium noch unter Frau Minister Dr. Schwarzhaupt konzipiert worden ist, unverändert übernommen hat, um dieses so wichtige Gesetz noch in dieser Legislaturperiode der Beschlußfassung zuzuführen. Zu danken ist den Beamten und Angestellten des Gesundheitsministeriums und der anderen Ressorts wie der zuständigen Ministerien der Länder, hier insbesondere der weinbautreibenden Länder. Der Assistent des Ausschusses und sein Sekretariat haben ebenso Anteil an der Bewältigung der Arbeit wie die Vorsitzende Frau Dr. Hubert, der ich von dieser Stelle einen herzlichen Genesungswunsch übermitteln möchte. Der Dank gilt vor allem auch dem stellvertretenden Vorsitzenden Dr. Jungmann, der gerade in der entscheidenden Phase der Beratungen alles darangesetzt hat, daß dieses Gesetz noch in dieser Legislaturperiode verabschiedet werden kann.
({2})
Ohne die zeitraubende Arbeit des Unterausschusses Weingesetz des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten unter Vorsitz des verehrten Kollegen Seither hätten wir gewiß nicht das Ergebnis vorzuweisen, das heute Gegenstand der Beratungen ist.
({3})
Gern würde ich jetzt - und ich hoffe, ich verletze damit nicht die Würde des Hohen Hauses - mit Anakreon, dem Vater der Weinlyrik, dem diensttuenden Oberamtsmeister hier am Rednerpult zurufen:
Auf, bringe mir, o Knabe,
gemischt mit honigsüßem Wein, den vollen Becher.
Ich will mich aber lieber bescheiden und im Hinblick auf die zurückliegende Arbeit ein anderes treffenderes Zitat gebrauchen:
Herrlich ist's, den Wein zu schlürfen, lagernd in der Götter Rat
zwischen schwelgenden Entwürfen und der wundergleichen Tat.
Zwar haben wir uns während der Beratungen im
Ausschuß leider nicht dem Genuß hingeben können,
lagernd in der Kollegen Rat den Wein zu schlürfen, sondern haben uns, wie Sie, Herr Bardens, in der ersten Lesung gesagt haben, mit der sehr spröden Materie dieses Gesetzes beschäftigen müssen.
({4})
- Das ist ja nur der Neid!
({5})
Der zweite Teil dieses Vierzeilers gilt aber in jedem Fall: Wir haben uns dauernd mit schwelgenden Entwürfen, mit schwelgenden Anregungen beschäftigen müssen. Ich hoffe aber zuversichtlich, daß uns mit diesem Gesetzentwurf eine zwar nicht, wie das Gedicht es sagt, wundersame Tat, aber immerhin eine gute Tat gelungen ist.
({6})
Das Wort hat der Abgeordnete Schultz ({0}).
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren!
({0})
- Hilft nichts!
({1})
Auch die Fraktion der Freien Demokraten begrüßt, daß wir heute in der Lage sind, dieses Weingesetz zu verabschieden, das ja nicht nur Wein, sondern auch die anderen geistigen Erzeugnisse betrifft.
Herr Kollege Prinz Wittgenstein hat ans Ende seiner Rede den Dank an alle Beteiligten gestellt. Ich darf das vielleicht am Anfang tun und möchte sagen, daß ich auch dem Kollegen Seither sehr dankbar bin, daß er mit seinem Unterausschuß - ich glaube, unter tatkräftiger Mithilfe meines Freundes Reichmann, der die badischen Interessen ohne Zweifel recht gut vertreten hat - die Vorarbeit für den Gesundheitsausschuß geleistet hat. Ebenso haben sich die Beamten, die mitgewirkt haben, sei es aus den Ministerien, sei es aus den Ländern, mit besonderer Aufmerksamkeit und Liebe dieser auch vom Fachlichen her schwierigen Materie gewidmet. Auch ihnen sei dafür gedankt.
Ich kann allerdings nicht dem Kollegen Bardens darin zustimmen, daß die Wünsche, die ich in der ersten Lesung vorgebracht habe, in diesem Gesetz voll erfüllt worden seien. Es ist zwar nicht das Gegenteil der Fall, aber, so möchte ich fast sagen, es ist nicht sehr viel davon übriggeblieben. Natürlich geht - das, meine Damen und Herren, wollen wir uns hier nicht verhehlen - durch dieses Gesetz auch der in der Gesellschaft und der Wirtschaft überall kenntlich gewordene Zug zur Konzentration. Ich bin der Meinung, daß diejenigen, die sozusagen noch auf eigenen Füßen stehen, bei diesem Gesetz vielleicht etwas schlechter weggekommen sind als diejenigen, die sich schon entschlossen haben, sich irgendwo anzuschließen oder unter die Fittiche von
irgend jemand oder von irgendwelchen Vereinen zu schlüpfen. Auch das, glaube ich, muß man hier sagen.
Nun bin ich aber der Meinung, daß in der Tat dieses Gesetz ein modernes, neues Gesetz ist, und wir können ohne Zweifel sagen, daß wir für diesen Fachbereich nunmehr das modernste Gesetz innerhalb der EWG haben. Sicher ist auch erreicht worden, daß aus diesem Gesetz ein Nutzen für den Verbraucher erwächst. Einmal ist dieses Gesetz auf Förderung der Qualität abgestellt. Zweitens ist es auf die Durchsichtigkeit und Vereinfachung der Bezeichnungen, also eine bessere Auswahlmöglichkeit, abgestellt. Die Gruppeneinteilung erleichtert natürlich die Auswahl und den Preisüberblick. Weiter ist es auf eine sehr starke Kontrolle des Flascheninhalts abgestellt. Wie wir uns alle selber und wie wir unser Volk kennen, wissen wir, daß diese Kontrolle sicher durchgeführt werden wird und daß sie bei uns wahrscheinlich eher durchgeführt wird als woanders. Auch von daher gesehen ist dieses Gesetz für uns natürlich von besonderer Bedeutung.
Neu ist auch, daß es nach diesem Gesetz möglich geworden ist, eine entsprechende Kontrolle auch über den Auslandswein vorzunehmen. Das scheint mir einer der Vorzüge dieses Gesetzes zu sein; denn auch da - Prinz Wittgenstein hat schon darauf hingewiesen - war bisher nicht alles in Ordnung. Wir hoffen, daß wir in der Lage sind, das Geschäft gerade auf diesem Gebiet in den Griff zu bekommen.
Man muß natürlich auch sagen, daß dieses Gesetz eine starke Belastung für den Erzeuger von Wein darstellt, einmal einfach durch die Forderung nach der Förderung der Qualität, wo wir uns als Erzeuger ohne Zweifel immer im Kampf mit der Natur befinden, »und gerade auch durch die Kontrolle, die natürlich erhebliche Mehrkosten und erhebliche zeitliche Überlegungen und Vorausschau bedingt.
Aber ich kann auf Grund dessen, was ich bisher draußen bei den Winzern im Gespräch über dieses Gesetz gehört habe, sagen, daß die Erzeuger in der Bundesrepublik dieses Gesetz akzeptieren. Sie wissen, daß der gesteigerte Wettbewerb innerhalb der EWG nur mit einer gesteigerten Qualität bestanden werden kann. Sie haben erkannt, daß der deutsche Wein sich nur dann wird behaupten können, wenn er eben als Spezialität seinen Ruf aufrechterhält und ihn noch verbessert.
Nun ist es notwendig, daß wir uns als Erzeuger auf die Veränderung, die dieses Gesetz mit sich bringt, rechtzeitig einstellen. Wir haben praktisch eine Zeit von zwei Jahren, bis dieses Gesetz in Kraft tritt. Aber - Prinz Wittgenstein hat schon darauf hingewiesen - es ist eben notwendig, daß die hier vorgesehenen Rechtsverordnungen innerhalb dieser zwei Jahre auch verabschiedet werden, daß sie so früh vorliegen, so daß man wich darauf einstellen kann.
Auch an die Länder, die hier gleichfalls zum Erlaß von Rechtsverordnungen ermächtigt wurden, muß der Appell gerichtet werden, die Durchführung dieses Gesetzes zügig vorzubereiten,
Schultz ({2})
Die Veränderungen, die uns besonders stark betroffen haben, sind die Veränderungen im Bezeichnungsrecht. Selbstverständlich kann man nicht mit allem einverstanden sein, was hier von uns beschlossen worden ist; aber wenn man sich nicht durchsetzen kann, muß man eben mit dem weniger Guten zufrieden sein.
Was ich nicht so gern höre, ist die Behauptung, daß, wenn wir andere Formulierungen - meiner Meinung nach bessere - gefunden hätten, die Möglichkeit der Verwechslung mit dem alten Weingesetz noch immer gegeben wäre. Das hat so ,den Unterton, als olb wir mit dem alten Weingesetz nicht recht und ordentlich gearbeitet hätten; das möchte ich eigentlich nicht hören.
Wenn man ein neues Gesetz schaffen will, kann man selbstverständlich nicht von dem Prinzip der Besitzstandwahrung ausgehen. Von diesem Grundsatz her müssen die Veränderungen verstanden und in die Praxis übertragen werden.
Man kann wohl sagen, daß die Kompromißbereitschaft sowohl innerhalb der Weinwirtschaft als auch in diesem Hause eine annehmbare Höhe erreicht hat. Nur so war es möglich, daß wir hier - sehr zur Verwunderung des Herrn Präsidenten - bisher so einstimmig über dieses Gesetz beschlossen haben und wohl auch in der endgültigen dritten Lesung entsprechend beschließen können.
Was mich bei der Debatte heute etwas betrübt hat, war, so möchte ich sagen, die Einlassung des Herrn Kollegen Elbrächter. Ich finde es ein bißchen hart, die bisher ja, wie Sie selber sagen, gesetzlich mögliche Naßverbesserung als „Fälschung" zu bezeichnen. Das halte ich für eine etwas übertriebene Formulierung. Auch sollten wir, wenn wir über die Fragen der Naßverbesserung sprechen, nicht immer mit einem scheelen Auge nur auf bestimmte Weinbaugebiete schauen, sondern uns bewußt sein, daß selbstverständlich überall, wenn es das Gesetz zuläßt und es notwendig ist, die Naßverbesserung vorgenommen wird. Ich bin der Meinung, daß schon genug getan ist, wenn man versucht, dieses Problem in einem Zeitraum von acht Jahren vom Tisch zu bringen. Wir wissen noch gar nicht, ob uns das gelingen wird; denn das hängt von der Entwicklung der Technik und auch davon ab, welche Rebsorten zur Verfügung stehen und angebaut werden können.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich einen Wunsch, den Prinz Wittgenstein sehr freundlich und höflich an die Bundesregierung, an Frau Minister Strobel, gerichtet hat, etwas härter formulieren. Ich bin der Meinung, daß nach Verabschiedung dieses Weingesetzes die in ihm statuierten Normen des Weinrechts die Grundlage für die Verhandlungen der Bundesregierung in Brüssel sind und daß sich die Regierung nicht wieder, obwohl dieses Gesetz dann von diesem Hohen Hause verabschiedet worden ist, in die Situation der Zeit davor abdrängen lassen sollte, als es dieses Gesetz noch nicht gab. Darum möchte ich doch sehr herzlich bitten.
Lassen Sie mich ein Letztes sagen! Was ich sehr bedaure, ist, daß in den Ausschußberatungen der
§ 94 betreffend den Weinbeirat herausgefallen ist. Auch die Berichterstattung zu § 94, die die Gründe dafür dargelegt, gefällt mir nicht so ganz, ebensowenig das, was quasi an die Stelle des Weinbeirats gesetzt werden soll; es sollen nämlich Experten ad hoc durch das Ministerium zusammengerufen werden. Das gefällt mir nicht so sehr. Ich meine, daß der Weinbeirat in der Vergangenheit eine ganz gute Funktion gehabt hat. Er hat nämlich gleichzeitig die Erfordernisse, die die Praxis ergab, an die Regierung herangebracht und in Empfehlungen umgewandelt. Ich möchte nicht, daß sich die Regierung, wenn sie sich beraten läßt, die Leute so aussucht, wie sie ihr gerade gefallen, und daß sie es vermeidet, mit denen zu sprechen, die außerordentlich große Erfahrung haben, vielleicht aber etwas unbequeme Menschen sind.
Ich möchte also die Bitte an die Bundesregierung richten, einen permanenten Weinbeirat zu berufen, obwohl § 94 gestrichen worden ist. Ich glaube, daß damit dem Frieden innerhalb der Weinwirtschaft sehr viel mehr gedient wäre als mit der Regelung, wie sie nun nach Streichung dieses § 94 vorgesehen ist.
Ich hoffe, daß wir mit diesem Gesetz werden leben können und daß der deutsche Weinbau und die Weinwirtschaft wie auch die Getränkewirtschaft mit diesem Gesetz den Platz innerhalb der EWG dort erringen werden, wo sie ihn bisher noch nicht gehabt haben.
({3})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Schulze-Vorberg.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen! Meine Herren!
({0}) - Verhältnismäßig viel, Herr Kollege.
Es ist hier eine besondere Sorge bestimmter Gebiete im deutschen Weinbau angesprochen worden. Lassen Sie mich dazu nur ein Wort sagen. Ich glaube, daß man sowohl die Anliegen der Winzer als auch das Ansehen des deutschen Weins dabei berücksichtigen muß und versuchen sollte, möglichst bald auf eine gemeinsame Formel zu kommen. Ich glaube, darauf kann man sich einigen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich ein fränkisches Anliegen offen ansprechen:
Es kam ein Mann vom Main an den Rhein und hielt hier eine Rede. Er hat dann gesagt: In Bonn gibt es viele Flaschen. Er hat hingezugefügt: Und wir in Franken haben ganz besondere Flaschen. Er meinte den Bocksbeutel. Ich bin vorhin darauf angesprochen worden.
({1})
Ich konnte den, Herr Präsident, nur in der kleinen Form in die Tasche stecken.
({2})
- Ich bin gern bereit, und nachdem von Ihnen hier der Wunsch -
Ich möchte sagen: klein, aber oho!
Klein, aber oho. Es ist vorhin bedauert worden, - ({0})
- Ich würde das nicht für Schleichwerbung halten; das ist doch eine sehr offene Werbung.
Es ist vorhin bedauert worden, daß hier auch bei der Beratung des Weingesetzes Wasser getrunken wird. Ich weiß nicht, ob der Herr Präsident in der Richtung eine Erlaubnis erteilen würde. Das werden wir sehen.
({1})
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Bocksbeutel ist eine durch Jahrzehnte und Jahrhunderte gewordene fränkische Eigenart, und ich darf hier ein Zitat - nicht das älteste Zitat, das es über den Bocksbeutel gibt, aber immerhin eines von 1862 - vortragen, weil es mir besonders prägnant erscheint: „Der Bocksbeutel - eine gedrückte, runde, nach Art des Beutels der Böcke geformte Flasche zum Einfüllen und Versenden des Steinweines." Meine sehr geehrten Damen und Herren, mir liegt sehr daran, hier zu sagen, daß man diese fränkische Besonderheit durch die Bundesregierung, aber dann später auch in Brüssel bewahren möge. Wie es überhaupt, meine ich, die Aufgabe unserer Vertreter in Brüssel ist, die Interessen des deutschen Weinbaues nachhaltig zu vertreten. Sie können das nicht nachhaltig genug tun. Hoffentlich ist an den grünen Tischen hier in Bonn und auch in Brüssel etwas zu spüren von dem lebendigen Grün des Weinbergs und der Trauben. Weingesetze in Deutschland und in Europa werden nicht gegen den Winzer gemacht, sondern vor allem für den Winzer.
({2})
- Auch dafür, ganz gewiß! - Was ich für die Gesetze in Deutschland und in Europa sagte, gilt meiner Meinung nach auch und besonders für die Verordnungen. Dieses Gesetz enthält ein weitgehendes Verordnungsrecht. Die Verordnungen sollten im Interesse unserer Winzer erlassen werden. Das ist sehr wichtig.
({3})
- Ganz gewiß, auch das habe ich schon ein paarmal betont.
({4})
- Ich darf jetzt ausdrücklich wiederholen, daß es mir um den Winzer wie um den Verbraucher geht und ich bin fest davon überzeugt, daß der gute Winzer und der kundige Weintrinker gemeinsame Interessen haben.
({5})
Ich betone das deshalb so sehr, weil es innerhalb der EWG sehr unterschiedliche Auslegungen, sehr unterschiedliche Auffassungen gibt. Es gibt in Frankreich und Italien Tendenzen, die für den Absatz des deutschen Weines bedenklich sind. Man kann sogar von Gefahren sprechen, wenn man nur Weine mit bestimmten Mindestalkoholgehalten für marktfähig erklärt. Gerade in unserer Zeit erscheint es mir problematisch bis widersinnig, alkoholreiche Weine besonders zu fördern und danach womöglich auch noch die Qualität zu beurteilen. Wenn man bei uns über die Verbesserung gesprochen hat: die Säuerung im Süden ist ja wohl erlaubt, und darüber regt man sich kaum auf. In der EWG bleibt man schon über acht Jahre hindurch dabei, daß der Wert des Weines durch die Höhe des Alkoholgehalts bestimmt sei. Nördliche, alkoholschwächere Weine sollen danach weniger wert sein. Ich bin der Meinung, daß der Wert des deutschen Weines - und hier lassen Sie mich noch einmal den fränkischen Wein besonders ansprechen - gerade in seiner Fruchtsäure und in seinem Bukett liegt. Das wird in Brüssel nicht erkannt. Deswegen ist es wichtig, daß man es ausspricht. Man schafft Überproduktionen im Süden. Die Gegensätze in Brüssel liegen darin, daß Frankreich und Italien die Abgrenzung der Qualität des Weines nach der geographischen Herkunft wünschen, während wir die Qualität des fertigen Weines für entscheidend halten. Der enge Zusammenhang zwischen Weinmarktordnung, Qualitätsweinregelungen und den Angleichungen des Weinrechts scheint mir besonders wichtig zu sein. Weinbau ist der intensivste Zweig der Landwirtschaft. Die erschütternden Erfahrungen innerhalb der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft mit den Marktordnungen für Sonderkulturen dürfen sich hier nicht wiederholen. Darum ist dieses Gesetz so wichtig.
Lassen Sie mich noch zu den §§ 16 und 17 ein Wort sagen: Mir geht es wie dem Kollegen Schultz, auch mir gefallen die Bezeichnungen, die zum Schluß gefunden worden sind, nicht sonderlich. Ich war der Meinung, daß „Erzeugerabfüllung", „Winzergenossenschaftsabfüllung", „Kellereiabfüllung" bessere Bezeichnungen gewesen wären als die, die jetzt im Gesetz stehen. Wir haben uns mit der Lösung abgefunden, vor allem deshalb, weil nach § 16 - der Herr Berichterstatter hat vorhin darauf verwiesen -, die „eigene Abfüllung" immerhin auf dem Etikett bestätigt werden darf. Insgesamt finde ich die Bezeichnung „aus dem Lesegut" etwas seltsam. Mich erinnert sie eher an Bibliotheken als an Weinberge. Wir werden uns daran gewöhnen, obgleich diese Bezeichnung für den Export Schwierigkeiten bereiten könnte. Hier wäre z. B. die Übernahme der französischen Bezeichnung - und das wäre auch die Beibehaltung einer guten alten deutschen Bezeichnung -, nämlich des „cru", des Wachstums, eine gute Sache gewesen. Wir sollten die Eigenart des deutschen Weines erhalten, seine Wettbewerbs12568
fähigkeit verstärken. Das ist der Sinn dieses Gesetzes. Ich hoffe, es wird auch der Sinn der Verordnungen sein, die diesem Gesetz folgen.
({6})
Das Wort hat die Frau Bundesministerin für Gesundheitswesen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im Bereich des Gesundheitswesens gibt es manche Aufgaben, bei denen voll befriedigende Lösungen für alle Betroffenen einfach wegen der widerstreitenden Interessen nicht zu erreichen sind. Ein Beispiel dafür ist nicht zuletzt auch das Weingesetz.
Das neue deutsche Weingesetz, das wir heute verabschieden werden - wie wir gehört haben: einstimmig verabschieden werden -, ist nicht unerheblichen Reserven begegnet. Die gelegentlich auch in den letzten Tagen von dem einen oder anderen Kollegen aus diesem Hause gemachten leicht spitzen Bemerkungen gehen allerdings meiner Meinung nach mehr darauf zurück, daß der deutsche Wein eben auch in diesem Hohen Hause sehr viele Freunde hat, und sie waren mehr wohlwollend als kritisierend gemeint; ich möchte sie jedenfalls so werten.
Es ist, glaube ich, von ganz geringen Ausnahmen abgesehen, den Ausschüssen des Deutschen Bundestages, insbesondere dem Unterausschuß Wein unter seinem heute schon so oft gelobten Vorsitzenden, dem Kollegen Max Seither, zusammen mit dem federführenden Gesundheitsministerium gelungen, die Betroffenen, insbesondere die Betroffenen in der Weinwirtschaft, davon zu überzeugen, daß man auf bestimmte neue Vorschriften zur Qualitätssicherung und Qualitätsverbesserung nicht verzichten kann, ebensowenig wie auf strengere Kontrolle und auf mehr Wahrheit und Klarheit in der Deklaration.
Bei allen Bemühungen des Ausschusses, auf die aus wirtschaftlichen Interessen herrührenden, verständlichen Anregungen und Forderungen der verschiedensten Teile der Weinwirtschaft einzugehen, sind die Grundzüge des Regierungsentwurfs erhalten geblieben. Diese Grundzüge gehen in erster Linie auf stärkere Qualitätsstreben im Interesse der Verbraucher und im Interesse der Erzeuger, gerade aus den genannten Wettbewerbsgründen.
Ich darf in diesem Zusammenhang auch noch einmal auf die Naßzuckerung - in der weinwirtschaftlichen Sprache heißt sie Naßverbesserung - eingehen. Meine Damen und Herren, eines ist, glaube ich, von den Kritikern übersehen worden. Zur Zeit ist immerhin eine Naßverbesserung von 25% möglich. In dem uns vorliegenden Gesetzentwurf ist die Möglichkeit, die den Ländern gegeben wird, für bestimmte Anbaugebiete in bestimmten Lagen und bestimmten Zeiten noch für eine Übergangszeit von acht Jahren eine Naßverbesserung zuzulassen, für Qualitätsweine auf 10% und für Tischweine auf 15 % beschränkt. Das heißt: die Naßverbesserung mit 25% geht nur noch zwei Jahre. Das ist für
diejenigen, die es in der Weinwirtschaft trifft - ich bin selber z. B. in Nittel in einer Versammlung mit Weinbauern gewesen und weiß, was es für die bedeutet -, immerhin schon eine sehr ernste Anforderung.
Ich möchte auch darauf aufmerksam machen, daß der Abbau der bezeichnungsunschädlichen Verschnitte von jetzt einem Drittel auf ein Viertel vorgenommen worden ist; auch ein Schritt in Richtung auf Verbesserung der Qualitäten und der Kennzeichnung zugunsten der Verbraucher.
In diesem Zusammenhang darf ich, was sowohl die Entschließung als auch insbesondere die Aufforderungen des Kollegen Schultz betrifft, sagen, daß die Lehr- und Forschungsanstalten für Weinbau ja schon seit Jahren Versuche mit anderen Verfahren zum Säureabbau gemacht haben, daß aber bis jetzt - das wissen Sie besser als ich, da Sie ja selber aus den Erzeugergebieten sind - leider noch keine befriedigende Lösung gefunden wurde. Selbstverständlich werden wir alles tun, um diese Möglichkeiten weiter zu fördern.
Ich möchte auch noch darauf aufmerksam machen, daß in diesem Gesetzentwurf die Vorschriften, die ursprünglich von der Regierung für die schweflige Säure vorgesehen waren, die die Weine enthalten dürfen, bezüglich einer geringen Erhöhung des Gehalts an schwefliger Säure geändert worden sind. Der zulässige Gehalt an schwefliger Säure ist um ein geringes erhöht worden. Das kann natürlich leicht dazu führen, daß der Gesetzentwurf in dieser Beziehung nun von den Verbrauchern kritisiert wird.
Mir liegt daran, darauf aufmerksam zu machen, daß das Gesundheitsministerium bereits eine Verordnung in Vorbereitung hat, die demnächst dem Bundestag zugeleitet wird und die sich mit der Feststellung des SO2-Gehalts in anderen Lebensmitteln beschäftigt. Sie hat als Ziel - als ersten Schritt -, den SO2-Gehalt in Lebensmitteln überall dort, wo man technologisch darauf verzichten bzw. wo man ihn aus technologischen Gründen vermindern kann, herabzusetzen. Das, glaube ich, sind wir den Verbrauchern schuldig. Wir sind in dieser Beziehung auch in enger Zusammenarbeit mit der Deutschen Forschungsgemeinschaft.
Ich lege Wert darauf, zu sagen, daß in einigen Fällen durch die parlamentarische Beratung das Gesetz etwas mehr in Richtung Verständnis für die Erzeuger entwickelt worden ist. Ich möchte aber auch sagen, daß der Ausschuß in zwei Fällen zugunsten der Verbraucher über den Regierungsentwurf hinausgegangen ist. Zum Beispiel ist die Markttransparenz gegenüber dem Regierungsentwurf dadurch verbessert worden, daß aus der Kann-Bestimmung für die Bezeichnung der Weine, die nicht die Bedingungen für Qualitätsweine erfüllen, als Tischweine, eine Muß-Bestimmung geworden ist. Ich freue mich, daß es auch bei dem Verbot der Bezeichnung „Natur" und „naturrein" geblieben ist, obwohl in der ersten Lesung recht große Bedenken bezüglich des Verzichts auf diese Bezeichnungen angemeldet worden waren. Aber ich meine, der
Verzicht auf diese Bezeichnungen dient auch der Wahrheit und der Klarheit. Ich verweise in diesem Zusammenhang auf die Unvermeidbarkeit der Verwendung schwefliger Säure.
Ich begrüße auch, daß der § 52 a hinzugekommen ist, der die gesundheitsbezogene Werbung insbesondere für Weintrinker regelt, die, weil sie Diabetiker sind, auf Diätwein angewiesen sind. Mit der Vorschrift werden dem zuständigen Minister gewisse Ermächtigungen gegeben. Ich betrachte das als eine wesentliche Verbesserung des Gesetzentwurfs.
Insgesamt gesehen, ist es ganz bestimmt gelungen, einen guten Ausgleich zwischen Erzeuger- und Verbraucherinteressen zu finden. Angesichts der auch zwischen den verschiedenen deutschen Weinbaugebieten bestehenden unterschiedlichen Interessenlage ist das ein ausgewogener Kompromiß. Ich meine, daß mit diesem Gesetzentwurf eine bessere Ausgangsposition für die Verhandlungen in der EWG gefunden -ist. Deswegen war es auch unser aller Anliegen - obwohl wir verschiedentlich andere Anregungen bekommen hatten -, dafür zu sorgen, daß das Gesetz noch in dieser Legislaturperiode verabschiedet wird, damit man es bei den Verhandlungen in der EWG als Ausgangspunkt hat.
({0})
Das ist sicher nicht zuletzt das Verdienst der ausdauernden und verständnisvollen Bemühungen der
Ausschüsse, des Vorsitzenden und des Herrn Berichterstatters, und ich möchte mich dafür auch als zuständiger Minister recht herzlich bedanken.
Ich möchte mich vor allen Dingen bei dem Ausschuß dafür bedanken, daß er bei seiner Entschließung auch auf die große Zahl von Verordnungen hingewiesen hat, die das Gesundheitsministerium nun in den nächsten zwei Jahren erlassen muß, weil diese Verordnungen - der Meinung bin ich auch - vorliegen sollen, wenn das Gesetz in Kraft tritt. Ich möchte hoffen, daß der Haushaltsausschuß heute früh bei seinen Beratungen über das Gesetz nicht übersehen hat, daß der Gesundheitsausschuß und der Landwirtschaftsausschuß eine Vermehrung der Stellen des Bundesministeriums für Gesundheitswesen in diesem Bereich vorgesehen haben. Ich hoffe, daß sich ,das bei den nächsten Haushaltsberatungen niederschlägt.
Darf ich abschließend noch ein Wort zum Weinbeirat sagen. Herr Kollege Schultz, der Weinbeirat besteht jetzt kraft Organisationsgewalt. Er wird kraft dieser Gewalt wieder zusammengerufen werden. Ich darf sagen, wir sind für Anregungen bezüglich der Zusammensetzung des Weinbeirats sehr dankbar. Angesichts der Tatsache, daß das Gesundheitsministerium ständig auch der Kritik des Parlaments ausgesetzt ist und zur Verfügung steht, sehe ich keine Gefahr, daß es für uns irgendwie unbestritten wäre, wenn wir den Weinbeirat willkürlich und nicht so zusammensetzten, wie es ein verantwortungsbewußtes Ministerium tut. Ich für meinen Teil kann versichern, daß wir es tun werden. Aber ich kann auch verstehen, wenn Sie
dann z. B. die Fragestunde benutzen werden, um zu erfahren, was uns zu der einen oder anderen Berufung veranlaßt hat.
Ich freue mich, daß dies ein Gesetz aus dem Gesundheitsministerium ist, das einstimmig angenommen wird. Der Gesundheitsminister hat nicht immer dieses Glück.
({1})
Meine Damen und Herren, der Herr Abgeordnete Dröscher hat eine Rede zu Protokoll gegeben*). Sie sind damit einverstanden.
Erfolgen weitere Wortmeldungen? - Das ist nicht der Fall. Änderungsanträge liegen in der dritten Lesung nicht vor. Wir kommen zur Schlußabstimmung.
Wer dem Gesetzentwurf als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? -- Auch keine Enthaltungen. Das Weingesetz hat also einstimmige Annahme im Deutschen Bundestag gefunden.
Meine Damen und Herren, es ist beantragt, die zu diesem Gesetz eingegangenen Petitionen für erledigt zu erklären. - Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.
Außerdem hat der Ausschuß Ihnen Entschließungsanträge vorgelegt. Wird das Wort hierzu gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Widerspruch erfolgt nicht. Ich darf die Anträge für angenommen erklären.
Ich rufe Punkt 10 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Häftlingshilfegesetzes ({0}) - Drucksache V/2877 -
a) Bericht des Haushaltsausschusses ({1}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung
- Drucksache V/3868 - Berichterstatter: Abgeordneter Baier
b) Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Kriegs- und Verfolgungsschäden ({2})
- Drucksache V/3851
Berichterstatter: Abgeordneter Bartsch ({3})
Die Berichterstatter haben Schriftliche Berichte vorgelegt, für die ich danke. - Der Abgeordnete Bartsch wünscht eine Ergänzung seines Berichtes vorzunehmen. Bitte sehr, Herr Berichterstatter!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Verlauf der Beratungen über die nun vorliegende dritte Novelle zum Häftlingshilfegesetz haben interessierte Kreise darauf hingewiesen, daß es die Auffassung dieses Hohen Hauses
*) Siehe Anlage 14
während früherer Legislaturperioden gewesen sei, daß - ich zitiere wörtlich - „die politische Haft in aller Regel auf eine persönliche Haltung oder Handlung zurückgeht, um sich freiheitswidrigen Maßnahmen passiv oder aktiv zu widersetzen". Daraus resultierte die Forderung der Verbände auf eine angemessene Angleichung an das Bundesentschädigungsgesetz für Schäden an Leben und Gesundheit, Schaden an Freiheit und Versorgung der Hinterbliebenen, jedoch nicht für Schaden an Eigentum, Vermögen oder Einkommen. Sie wandten und wenden sich gegen die Gleichstellung von Zonenhaft und Kriegsgefangenschaft.
Der hier in Rede stehende Personenkreis hat kürzlich einen beredten Anwalt gefunden. Der Dichter Horst Bienek, der selbst lange Jahre in Workuta verbracht hat, sprach anläßlich der Preisverleihung für seinen Roman „Die Zelle" in der Hansestadt Bremen. Er sprach von den 1600 politischen Widerstandskämpfern gegen den Stalinismus, die vom Häftlingshilfegesetz anerkannt sind, die aber, wie er meint, keine Wiedergutmachung erhalten haben. Nun ist allerdings diese Art von Stellungnahmen in der deutschen Öffentlichkeit selten geworden.
Unter dem Imperativ, um nicht zu sagen unter dem Diktat finanzieller Notwendigkeiten stellte sich aber dann dem Hohen Hause das Ergebnis der Beratungen und Beschlüsse in reduzierter Form dar. In diesem Zusammenhang muß ich feststellen, daß über Ausmaß und Bedeutung der Ansprüche oft keine Einigkeit erzielt werden konnte.
Schon bei der Vorlage vor etwa einem Jahr im Bundesrat brachte der Berichterstatter der Bundesregierung den Gesetzentwurf im Ausschuß für Flüchtlingsfragen auf die Formel, er sehe vor, für den in Rede stehenden Personenkreis „gewisse Anspruchsvoraussetzungen zu lockern und Leistungen zu verbessern". Immerhin aber sieht die dem Hause vorgelegte Ausschußfassung gegenüber der Regierungsvorlage eine Reihe von Verbesserungen vor.
Meine Damen und Herren, Sie finden in dem Schriftlichen Bericht einen Passus, daß der federführende Ausschuß für Kriegs- und Verfolgungsschäden die Vorschläge des mitberatenden Ausschusses für gesamtdeutsche und Berliner Fragen zur Kenntnis genommen habe. Es handelt sich um Fragen, über die im federführenden Ausschuß keine Einigung erzielt werden konnte. Es ging um die Angleichung an das Bundesentschädigungsgesetz in Fällen von Gesundheitsschäden sowie um Nachteile oder Schäden im Rentenfalle. Das hat dazu geführt, daß die Fraktionen der Regierungskoalition heute hier Entschließungsanträge vorlegen.
Wie der mitberatende Ausschuß für gesamtdeutsche und Berliner Fragen, so hat sich auch der federführende Ausschuß dagegen ausgesprochen, daß die hier vorliegende dritte Novelle zum Häftlingshilfegesetz ais eine abschließende Regelung anzusehen sei. Damit wurde einem allgemein vorgetragenen Votum der Sprecher des betroffenen Personenkreises entsprochen. Entsprechend der ursprünglich von der Bundesregierung erklärten Absicht kann allein schon aus dem Grunde nicht verfahren werden, weil noch
immer politische Häftlinge aus der Zonenhaft eintreffen.
Es war das Bemühen des Ausschusses, der Vorlage eine Form zu geben, die den realen, zum Teil außergewöhnlichen Umständen angepaßt ist, wie sie sich aus der Haft in einem kommunistischen Regime ergeben. In einer freien Gesellschaft unter der Herrschaft des Rechts und des Gesetzes fehlt es leider oft an eindringlicher Kenntnis darüber.
Im Ausschuß wurde in eingehenden Diskussionen versucht, zu angemessenen Regelungen zu kommen. Das drückt sich auch in der Frage der Stichtage aus. Sogenannte systemgerechte Stichtage wären der konkreten Situation des politischen Häftlings nicht immer gerecht geworden. Auch die Frage des Kausalzusammenhangs nach § 4 mußte entsprechend gesehen werden. Weiterhin beinhaltet § 4 das schwerwiegende Problem der Spätschäden, das bei verwandten Schicksalsgruppen aufgetaucht ist, vermehrte Aufmerksamkeit erregt und Dokumentationen und Forderungen medizinischer und sozialpolitischer Fachkreise hervorgerufen hat.
Eine umfassende Debatte wurde, wie schon angedeutet, im Ausschuß über die Anerkennung der Haftzeiten nicht als Ersatzzeiten, sondern als rentensteigernde Zeiten in der Rentenversicherung geführt. Im Zusammenhang mit diesem Anspruch wurde besonders von der Bundesregierung auf Auswirkungen auf die Rechtssystematik hinsichtlich verwandter Personenkreise mit entsprechenden finanziellen Folgen hingewiesen. Der Ausschuß einigte sich auf Vorschlag des Vorsitzenden auf einen Beschluß, wegen der Behandlung der Frage der Bewertung von Ersatzzeiten nach der Reichsversicherungsordnung das diesbezügliche Ausschußprotokoll an den Vorsitzenden des Ausschusses für Sozialpolitik zu übersenden. Somit bleibt das Problem auf der Tagesordnung.
Nicht zu einem Beschluß kam es in der Frage eines zusätzlichen Erholungsurlaubs für politische Häftlinge, wie er durch Verordnung des Landes Berlin für Schwerbeschädigte, Beamte und Richter verankert wurde. Damit taucht die Frage einer generellen Regelung für alle Arbeitnehmer dieses Personenkreises auf.
Somit ist deutlich geworden, daß diese dritte Novelle eine Reihe von Fragen gestellt hat, die 'sie aber nicht - oder besser: noch nicht - zufriedenstellend regeln konnte. Ich hoffe, daß es im Sinne der Stellungnahme des Ausschusses für gesamtdeutsche und Berliner Fragen einer künftigen Gesetzgebung gelingt, eine befriedigende Regelung für den Personenkreis der politischen Häftlinge zu schaffen.
Da das Gesetz jetzt nicht mehr - wie vorgesehen - am 1. April 1969 in Kraft treten kann, müssen im Schriftlichen Bericht Drucksache V/3851 folgende zwei Änderungen vorgenommen werden:
Erstens. Art. I Nr. 8 Buchstabe b muß wie folgt lauten:
b) Dem Absatz 1 wird folgender Satz angefügt: „Diese Eingliederungshilfe wird auf einen Höchstbetrag von fünfzehntausendvierhundertzwanzig Deutsche Mark begrenzt."
Zweitens. Art. VI erhält folgende Fassung:
Dieses Gesetz tritt am 1. Juni 1969 in Kraft.
({0})
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Meine Damen und Herren, ich rufe in zweiter Beratung Art. I bis VI, Einleitung und Überschrift auf. - Das Wort wird nicht gewünscht. Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Es ist so beschlossen.
Ich komme zur
dritten Beratung
und eröffne die allgemeine Aussprache. Das Wort hat Herr Abgeordneter Mick.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Schon bei der Verabschiedung des Reparationsschädengesetzes durfte ich für meine Fraktion die Erklärung abgeben, daß es meiner Fraktion mit der Liquidierung von Unrecht aus Krieg und Verfolgung sehr ernst ist. Heute stehen wir vor der Verabschiedung des Dritten Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Häftlingshilfegesetzes, also jenes Gesetzes, welches eine Entschädigung für diejenigen vorsieht, die von Ulbricht und seinen Helfershelfern ungerechtfertigt hinter Gefängnismauern gebracht wurden, weil sie sich unterfingen, für eine freiheitliche Gesellschaftsordnung und die Wiedervereinigung unseres Vaterlandes zu arbeiten.
Sie werden mir zugeben, meine sehr verehrten Damen und Herren, daß es nicht möglich ist, erlittene Unbill in Mark und Pfennig auszudrücken und zu entschädigen, daß es aber Aufgabe dieses Häftlingshilfegesetzes sein soll, erlitten Unbill nicht zu einem noch größeren Handicap gegenüber denen werden zu lassen, die solche Unbill nicht zu erleiden hatten. So ist es der Sinn dieses Gesetzes, die politischen Häftlinge vor allem mit einer Eingliederungshilfe auszustatten, die den Beginn eines neuen Lebensabschnittes ohne materielle Not in der Bundesrepublik Deutschland erleichtern soll.
Sie haben aus dem Bericht des Herrn Kollegen Bartsch gehört, wie im Ausschuß um manche Fragen gerungen worden ist und daß manche Frage nicht gelöst werden konnte. Überhaupt müssen diejenigen, die sich mit der Liquidierung einer unglückseligen Kriegs- und Nachkriegszeit zu befassen haben, immer wieder erfahren, daß trotz aller guten Ansätze, trotz großer materieller Mittel, die hier bereitgestellt werden, um dieses Unrecht irgendwie wieder in Recht zu verwandeln, viele Fälle von erschütternder Tragik übrigbleiben, die einfach nicht in Buchstaben des Gesetzes hineingepaßt werden können. Wir werden in diesem Zusammenhang zu
überlegen haben, wie wir dieser Probleme noch Herr werden. Ich glaube, zumindest auf einem Gebiet, nämlich dem der Kriegsgefangenen, werden wir einen guten Ansatzpunkt finden, von dem ich hoffen möchte, daß er auch auf anderen Gebieten Schule machen kann, damit man, losgelöst von gesetzlichen Bestimmungen, losgelöst von der generellen Verteilung von Wohltaten, auch einmal individuell da helfen kann, wo Buchstaben des Gesetzes einfach nicht mehr passen.
Wir wissen und Sie wissen, daß in der mittelfristigen Finanzplanung weitere Mittel für die Häftlingshilfe bereitgestellt sind. Wir werden uns bei den Ausschußberatungen über die Verwendung dieser Mittel auch von den Gedanken leiten lassen müssen, die ich soeben auszusprechen die Ehre hatte.
Es würde für uns alle die Erfüllung einer politischen und nationalen Sehnsucht sein, wenn eine zukünftige Bundesregierung und der 6. Deutsche Bundestag sich mit dem Fragenkomplex der Häftlingshilfe nur noch als Folge der Vergangenheit beschäftigen müßten; denn das hieße, daß es in dieser Gegenwart nur noch ein Deutschland geben würde.
({0})
Meine Damen und Herren, wird in der allgemeinen Aussprache das Wort begehrt? - Das ist nicht der Fall. Ich schließe die allgemeine Aussprache.
Ich komme zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetzentwurf als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? - Keine Enthaltungen. Einstimmig angenommen.
Der Ausschuß schlägt Ihnen vor, die zu dem Gesetzentwurf eingegangenen Petitionen für erledigt zu erklären. - Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.
Ich rufe die Entschießungsanträge der beiden Koalitionsfraktionen auf den Umdrucken 635 *) und 636 **) auf und erteile das Wort dem Abgeordneten Dr. Kreutzmann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Entschließungsantrag der Regierungsfraktionen, zu prüfen, ob die Feststellung der Gesundheitsschäden der unter das Häftlingshilfegesetz fallenden Personen der Regelung des Bundesentschädigungsgesetzes angepaßt werden kann, ist wohlüberlegt. Bei medizinischer Ungewißheit über die Entstehung eines festgestellten Leidens von politischen Häftlingen aus Gefängnissen im anderen Teil Deutschlands sollte angenommen werden, daß dieses Leiden primär auf die Folgen der Haft zurückzuführen ist.
*) Siehe Anlage 9
**) Siehe Anlage 10
Es kann wohl kein Zweifel darüber bestehen, daß Haftzeiten in den Gefängnissen der DDR in den ersten Nachkriegsjahren mit erheblichen gesundheitlichen Schäden verbunden waren. Der Nachweis, daß diese Gesundheitsschäden auf die Haft zurückzuführen sind, wird nicht immer ohne weiteres zu führen sein. Die Wahrscheinlichkeit, daß der schlechte Gesundheitszustand eines ehemaligen Häftlings auf diese Haft zurückzuführen ist, ist aber größer als das Gegenteil.
Wir sind im übrigen der Meinung, daß die Angleichung der Regelung über die Feststellung von Gesundheitsschäden im Häftlingshilfegesetz an diejenige des Bundesentschädigungsgeseztes durch die gleichen Haftbedingungen gerechtfertigt ist. Mögen sich mittlerweile die Haftbedingungen und die Strafen in der DDR auch gemildert haben, Tatsache ist, daß die Häftlinge der ersten Nachkriegsjahre ein Haftschicksal zu erleiden hatten, das dem der nationalsozialistischen Konzentrationslager nahekam. An dieser Tatsache ändert auch die Feststellung nichts, daß die Verhältnisse in einzelnen Haftanstalten unterschiedlich gewesen sein mögen. Die meisten Häftlinge haben ja nicht die ganze Haftzeit in derselben Haftanstalt zugebracht, sie wurden vielfach zwischen den Strafanstalten umhergeschoben.
Wir sollten bei der Beurteilung des Sachverhalts weiterhin berücksichtigen, daß es sich bei den Verurteilten der stalinistischen Terrormaßnahmen der ersten Nachkriegsjahre um Menschen handelt, die
) ohne ein ordentliches Gerichtsverfahren von sowjetischen Militärtribunalen verurteilt worden sind, lange Haftzeiten in NKWD-Kellern zugebracht haben und oft erst durch Folterungen und schwersten psychischen Druck zu Geständnissen erpreßt wurden, die dann mit hohen Freiheitsstrafen geahndet wurden. Lebenslängliche Freiheitsstrafen und Todesstrafen waren nicht selten. Wenn auch nicht alle diese Strafen vollstreckt oder von den Verurteilten voll verbüßt wurden, so hat sie der jahrelange Druck, unter diesen Urteilen zu stehen, vielfach zermürbt. Bei der Beurteilung der Haftverhältnisse ist weiter zu berücksichtigen, daß ein Teil der Häftlinge seine Strafen in den Nazi-Konzentrationslagern verbüßte, die die sowjetische Besatzungsmacht einfach weiterführte.
Die Zusammensetzung der Häftlinge - das ist wiederholt geltend gemacht worden - ist durchaus unterschiedlich gewesen. Aber nur ein ganz geringer Bruchteil unter ihnen war als Kriegsverbrecher anzusehen. Ein beachtlicher Teil der Insassen dieser Lager setzte sich aus Gegnern der Zwangsvereinigung aus KPD und SPD und aus Verurteilten zusammen, die man politischer Widerstandshandlungen beschuldigte oder die tatsächlich solche begangen hatten.
Die Unterbringung der Häftlinge war in jeder Beziehung menschenunwürdig. Nach einem mir vorliegenden Bericht eines langjährigen Häftlings waren beispielsweise im Zuchthaus Bautzen in einem eigens errichteten Barackenlager bis zu 400 Gefangene in einem kleinen Saal untergebracht und lagen in Verschlägen übereinander. In Torgau drängten sich bis zu sieben Häftlinge in einer normalen Einzelzelle. Selbst in den Wintermonaten wurde nicht geheizt. Die Häftlinge erhielten keinen Ersatz für abgetragene Kleidung. Die ärztliche Betreuung war unzureichend. Es war daher nicht verwunderlich, daß bis zu zwei Drittel an Tuberkulose litten und Tausende zugrunde gingen.
Ein Teil der Häftlinge wurde aus den NKWDLagern in die UdSSR verschleppt und mußte in Sibirien und im Ural die allgemein bekannte Behandlung in sowjetischen Arbeitslagern erleiden. Im Frühjahr 1950 wurden die Lager von der sowjetischen Besatzungsmacht an das DDR-Regime übergeben. Mit deutscher Gründlichkeit wurden die Quälereien der Gefangenen fortgesetzt. Bis in den Spätherbst 1952 ging die schikanöse Sonderbehanndlung weiter. Auch nach der Entlassungsaktion im Jahre 1956 wurde die Sonderbehandlung der politischen Häftlinge fortgesetzt.
Ich glaube, wenn man dieses auf einem Bericht eines der Häftlinge stalinistischer Gefängnisse aufgebaute Bild Revue passieren läßt, wird man an der Tatsache nicht vorbeigehen können, daß die Häftlinge der sowjetischen und NKWD-Gefängnisse mit den Häftlingen von KZ-Lagern auf eine Stufe zu stellen sind. Wenn demgegenüber vom Verband der Heimkehrer der Vorwurf erhoben wurde, daß hier unterschiedliche Maßstäbe gegenüber den Kriegsgefangenen angelegt würden, so muß, meine ich, eines gesagt werden: Wir wissen sehr wohl, daß auch das Schicksal der deutschen Kriegsgefangenen in den Händen östlicher Gewahrsamsmächte teil- und zeitweise durch schärfste Verhöre, hochgeschraubte Normen und schwere körperliche Belastungen gekennzeichnet war. Der Unterschied liegt jedoch in der Art und Weise, wie man beide Gruppen betrachtete. Mag in der ersten Zeit bei den Kriegsgefangenen auch die Absicht bestanden haben, möglichst viele von ihnen umkommen zu lassen, ,so hat sich doch später die Ansicht durchgesetzt, daß man die Kriegsgefangenen als Arbeitskräfte für den Wiederaufbau benutzen sollte. Bespitzelungen und Verhören waren zumeist eine Anfangs- und keine Dauererscheinung. Gegenüber den politischen Häftlingen aber war vielfach der Wille zur Vernichtung die ausschlaggebende Überlegung. Man wollte verhindern, daß eine Schicht politischer Gegner wieder in die Freiheit zurückkehren könnte. Wenn man sie aber freilassen mußte, so sollten sie seelisch und körperlich gebrochen sein.
Ich glaube, von diesen Ausgangspunkten her ist das Problem zu betrachten. Uns liegt nicht an einer Benachteiligung der Kriegsgefangenen und einer Bagatellisierung des furchtbaren Erlebnisses, das sie vielfach durchlitten haben. Uns liegt aber daran, daß Menschen, die aus politischer Gesinnungstreue und demokratischer Grundgesinnung für den Rechtsstaat gegen die Gewalt eingetreten sind, die Überzeugung vermittelt erhalten, daß dieses Volk weiß, was es ihnen schuldig ist. Ich habe manchmal das Gefühl, daß der Einsatz demokratischer Politiker im anderen Teil Deutschlands kaum gesehen wird. Ich meine, hier haben wir einen Weg, ihnen die verdiente Anerkennung zuteil werden zu lasDr. Kreutzmann
sen. Ich bitte Sie daher um Zustimmung zu diesem Antrag.
({0})
Das Wort hat Frau Abgeordnete Korspeter.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Im federführenden Ausschuß ist der Versuch unternommen worden, eine Entscheidung darüber herbeizuführen, für die politischen Häftlinge 'die Haftzeit nicht nur als Ersatzzeit, sonder als rentensteigernde Beitragszeit bewerten zu lassen. Leider sind wir bei dieser sehr wichtigen Frage zu keiner Entscheidung gekommen, und deshalb legen die Koalitionsfraktionen dem Hause folgende Entschließung vor:
Der Bundestag wolle beschließen:
Die Bundesregierung wird beauftragt, zu prüfen, ob die Möglichkeit besteht, die politischen Häftlinge nach dem Häftlingshilfegesetz rentenmäßig so zu behandeln, daß ihnen durch die erlittene Haft Nachteile oder Schäden bei Eintritt des Rentenfalles nicht entstehen.
Die Häftlingsorganisationen sind mit uns der Überzeugung, daß neben einer Verbesserung der Anerkennung der Gesundheitsschäden - zu diesem Problem hat der Herr Kollege Dr. Kreutzmann gesprochen - diesem Personenkreis bei Erreichen der Altersgrenze oder Eintritt der Erwerbsunfähigkeit eine Rente gewährt werden muß, die einem normalen Arbeitsleben entspricht.
In einem Urteil des Bundessozialgerichts vom 6. Juli 1967 wird ausdrücklich bestätigt ,in welcher Weise diese Menschen bei der Rentenberechnung geschädigt werden. Dabei ist noch zu berücksichtigen, daß die Mehrzahl der politischen Häftlinge seit 1954, ein Teil sogar schon früher, in den Haftanstalten gearbeitet hat und vom erzielten Arbeitslohn der Beitrag für die gesetzliche Sozialversicherung abgeführt wurde. Während dieser Personenkreis volle Rentenleistungen erhält, sofern man ihm eine entsprechende Aufrechnungsbescheinigung mitgab, sind alle die politischen Häftlinge, die auf Grund einer Haftkrankheit oder wegen verschärfter Haftbedingungen nicht in der Lage waren, arbeiten zu können, vollkommen für die Haftzeit von der Rentensteigerung ausgeschlossen. Man kann deshalb dem berechtigten Anliegen, durch die Haft keine Nachteile in der Alterssicherung in Kauf nehmen zu sollen, auch nicht damit begegnen, daß diese Fragen auf zahlreichen sozialen Gebieten auftauchen.
Die politischen Häftlinge -das wissen wir alle - haben sich in der großen Mehrzahl in der Diktatur Ulbrichts für das Recht, für die Freiheit und für die Wahrung 'der Demokratie eingesetzt. Deshalb sollte man seitens der Bundesregierung sehr genau überlegen und prüfen, welche Möglichkeiten sich ergeben, dieses Problem zu lösen, so wie es der Entschließungsantrag der Regierungskoalition vorsieht. Man muß, so meinen wir, die Art und Weise der BeWertung nach den besten Maßstäben .der Ermittlung treffen, um ihnen auch gerecht zu werden. Es wäre nach unser aller Meinung ein Akt der Gerechtigkeit und der Solidarität, dafür zu sorgen, den ehemaligen politischen Häftlingen eine Alterssicherung zuzugestehen, die dem Ablauf eines normalen Arbeitslebens entspricht. Wir sollten es nicht zulassen, daß sie für ihren Widerstand, den sie 'in der Zone geleistet haben, nun in ihrem Alter durch eine verminderte Rente bestraft werden.
Wir bitten deshalb, diesem Entschließungsantrag zuzustimmen, da wir diesen Antrag - ich möchte das ganz besonders betonen - auch als eine Vorbereitung für die Schlußnovelle betrachten.
({0})
Das Wort hat der Abgeordnete Spitzmüller.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Die Freien Demokraten werden beiden Entschließungsanträgen zustimmen. Wir würden noch mit viel mehr Herzlichkeit zustimmen können, wenn hier wenigstens ein Termin eingesetzt worden wäre, zu dem das Ergebnis der Prüfung dem Deutschen Bundestag -mitzuteilen ist; denn wir haben da ein bißchen Sorge. Ich erinnere mich, daß ich vor ungefähr zehn Jahren in diesem Bundestag auch schon einmal einiges zu diesem Problem sagen durfte. Die Frage der Anerkennung der Gesundheitsschäden hat damals vor zehn Jahren schon eine gewisse Rolle gespielt.
({0})
Wir hoffen, daß dieser Entschließungsantrag wenigstens dazu führt, daß der nächste Bundestag das Ergebnis der Prüfung vorliegen hat. Wir stimmen dem Entschließungsantrag zu.
Meine Damen und Herren, wird des weiteren das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Darf ich über die beiden Entschließungen gemeinsam abstimmen lassen? - Es erfolgt kein Widerspruch. Wer den beiden Entschließungsanträgen, die ich aufgerufen habe, zustimmt, den bitte ich um ein Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? - Keine Enthaltungen. Einstimmig angenommen.
Ich rufe Punkt 11 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über Statistiken im Güterkraftverkehr und in der Binnenschiffahrt
- Drucksache V/3746 -
a) Bericht des Haushaltsausschusses ({0}) gemäß § 96 der Geschäftsordung
- Drucksache V/4057 -
Berichterstatter: Abgeordneter Bremer
Vizepräsident Dr. Jaeger
b) Schriftlicher Bericht des Verkehrsausschusses ({1})
- Drucksache V/3997 Berichterstatter: Abgeordneter Ramms ({2})
Der Berichterstatter hat einen Schriftlichen Bericht vorgelegt, für den ich danke.
Wir kommen zur zweiten Beratung. Ich mache darauf aufmerksam, daß § 6 durch die Ausschußberatung gegenüber der ursprünglichen Vorlage eine Änderung erfahren hat. Ich rufe die §§ 1 bis 9 sowie Einleitung und Überschrift auf. - Das Wort wird nicht gewünscht. Wer dein aufgerufenen Bestimmungen zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Es ist so beschlossen.
Wir kommen zur
dritten Beratung.
Das Wort in der allgemeinen Aussprache wird offensichtlich nicht begehrt.
Damit kommen wir zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetzentwurf als Ganzem zustimmen will, den bitte ich, sich zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe! - Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? - Auch keine Enthaltungen. Einstimmig angenommen.
Ich rufe nunmehr die Punkte 12 bis 24 auf:
12. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen sowie des Gesetzes über die Entschädigung der ehrenamtlichen Richter
- Drucksache V/3961 - Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:
Rechtsausschuß; Haushaltsausschuß gemäß § 96° GO
13. Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über Kreuzungen von Eisenbahnen und Straßen ({3})
- Drucksache V/3969 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Verkehrsausschuß - federführend -; Ausschuß für Kommunalpolitik, Raumordnung, Städtebau und Wohnungswesen; Haushaltsausschuß gemäß § 96 GO
14. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Entlastung des Bundessozialgerichts und zur Änderung und Ergänzung des Sozialgerichtsgesetzes
- Drucksache V/3979 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Rechtsausschuß - federführend -; Ausschuß für Sozialpolitik
15. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Europäischen Übereinkommen vom
22. Januar 1965 zur Verhütung von Rundfunksendungen, die von Sendestellen außerhalb der staatlichen Hoheitsgebiete gesendet werden
- Drucksache V/4026 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Auswärtiger Ausschuß - federführend -; Postausschuß; Rechtsausschuß
16. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Lebensmittelgesetzes
- Drucksache V/4028 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Ausschuß für Gesundheitswesen
17. Erste Beratung des von den Abgeordneten Rehs, Storm, Rock, Walter und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Sechsten Gesetzes zur Änderung des Mühlengesetzes
- Drucksache V/4030 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten - federführend -; Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen; Ausschuß für Angelegenheiten der Heimatvertriebenen und Flüchtlinge; Haushaltsausschuß gemäß § 96 GO
18. Erste Beratung des von den Abgeordneten Stooß, Struve, Bauer ({4}), Dr. Burgbacher und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes für die landwirtschaftliche Buchführung
- Drucksache V/4040 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten
19. Erste Beratung des von den Abgeordneten Dr. Dittrich, Draeger, Seibert und Genossen und der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Ergänzung des Gesetzes zur Neuordnung der Pensionskasse Deutscher Eisenbahnen und Straßenbahnen
- Drucksache V/4042 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Ausschuß für Sozialpolitik -federführend-; Verkehrsausschuß; Haushaltsausschuß gemäß § 96 GO
20. Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP eingebrachten Entwurfs eines Architektengesetzes
- Drucksache V/4046 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen
21. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zum Schutze der Berufsbezeichnung „Ingenieur" ({5})
- Drucksache V/4053
Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen
22. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 6. August 1968 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Ghana über den Luftverkehr
- Drucksache V/4062 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Auswärtiger Ausschuß -- federführend -; Verkehrsausschuß
23. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Ausgleich von Schäden infolge besonderer Naturereignisse in der Forstwirtschaft
- Drucksache V/4070 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten; Haushaltsausschuß gemäß § 96 GO
24. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Atomgesetzes
- Drucksache V/4071 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Ausschuß für Wissenschaft, Kulturpolitik und Publizistik
Es handelt sich um von der Bundesregierung vorgelegte Gesetzentwürfe sowie um Gesetzentwürfe aus der Mitte des Hauses, die Ihnen bekannt sind.
Das Wort wird, wie ich vermute, nicht gewünscht.
- Die Vermutung stimmt.
Ist das Haus mit den Überweisungsvorschlägen des Ältestenrates einverstanden? - Ich höre keinen Widerspruch; dann ist so beschlossen.
Punkt 25 der Tagesordnung wird heute nicht aufgerufen. Seine Behandlung hat das Hohe Haus für Freitag vorgesehen.
Ich rufe Punkt 26 auf:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes"
- Drucksache V/4090
Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten
- federführend -, Finanzausschuß, Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen, Haushaltsausschuß mitberatend und gemäß § 96 der Geschäftsordnung.
Wird ,das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Wer dem Überweisungsvorschlag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Es ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 27 auf:
Erste Beratung des von der Bundesregierung
eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über
die Gemeinschaftsaufgabe „Ausbau und Neubau von wissenschaftlichen Hochschulen" ({0})
- Drucksache V/4091 Überweisungsvorschlag des Ältestenrats: Ausschuß für Wissenschaft, Kulturpolitik und Publizistik - federführend -, Finanzausschuß, Haushaltsausschuß mitberatend und gemäß § 96 der Geschäftsordnung.
Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Widerspruch gegen den Überweisungsvorschlag des Ältestenrates erfolgt nicht. Der Entwurf ist so überwiesen.
Ich rufe Punkt 28 auf:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur"
- Drucksache V/4092 Wird das Wortgewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Der Ältestenrat schlägt Überweisung ,an 'den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen - federführend - sowie an den Finanzausschuß und an den Haushaltsausschuß mitberatend und gemäß § 96 der Geschäftsordnung vor. - Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 29 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Einundzwanzigsten Gesetzes zur Änderung des Lastenausgleichsgesetzes ({1})
- Drucksache V/4103 Wird der Gesetzentwurf begründet? - Das ist offensichtlich nicht der Fall. Dann hat das Wort der Abgeordnete Dr. Rutschke.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Fraktion der FDP begrüßt es, daß mit der Regierungsvorlage ides 21. Gesetzes zur Änderung des Lastenausgleichsgesetzes endlich das Problem der Entschädigung der Deutschen aus der SBZ von der Regierung aufgegriffen worden ist. Die Fraktion ,der FDP findet es jedoch äußerst befremdlich, daß man nach so vielen Jahren unerfüllter Zusagen diesen Gesetzentwurf erst acht Sitzungswochen vor Ende der Legislaturperiode dem Bundestag zugeleitet hat. Daraus kann nur geschlossen werden, daß die Koalition in bezug auf !die Flüchtlinge keine sehr überzeugende gemeinsame Auffassung besitzt und diesem Personenkreis nicht gerade ihr besonderes Augenmerk zuzuwenden willens war. Die spätere Einbringung des Gesetzes gestattet keine ausreichende, ,sachgerechte Bearbeitung mehr im Bundestag. Das ist nach Auffassung der FDP-Fraktion staatspolitisch kaum zu verantworten. Ich möchte nur daran erinnern, daß die Fraktion der SPD bei ,der 14. Novelle zum Lastenausgleichsgesetz die Einbringung im Dezember 1960, also sieben Monate vor Ende der Legislaturperiode, bereits als „unmöglich" bezeichnete. Herr Kollege Rehs rief da12576
mals -damals! - den Vertriebenenabgeordneten der CDU zu, wie lange sie sich diese Handhabung gefallen lassen wollten. Ich entsinne mich noch, Herr Rehs, daß Sie sagten: Dann müssen wir noch auf dem Bahnsteig in Bonn darüber verhandeln!
Das war sieben Monate vor Ende der Legislaturperiode. Jetzt spielt das anscheinend nicht mehr diese Rolle. Tempora mutantur! Da heute von seiten der Vertriebenenkollegen der Koalition dieses staatspolitisch bedenkliche Verfahren nicht nachhaltig kritisiert worden ist, wird man die Vermutung nicht ganz von der Hand weisen können, daß die Regierung bewußt den Zeitdruck schaffen wollte, um ihre Vorlage nahezu unverändert durchpeitschen zu können.
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- Ich bin höflich; ich sage nichts dazu.
Die Regierungsvorlage sieht vor, daß die Kosten des Gesetzes mit rund 1 Milliarde DM zu Lasten des Ausgleichsfonds, also auf Kosten der Vertriebenen und Kriegssachgeschädigten, gehen sollen. Diese Finanzierung ist unverständlicherweise nicht nur auf die härteste Kritik der Vertriebenen- und Kriegssachgeschädigtenverbände gestoßen; eine Finanzierung zu Lasten der Vertriebenen haben auch die Flüchtlinge nicht gewollt. Auch die Fraktion der FDP hält es nicht für vertretbar, daß sich die Geschädigten gegenseitig entschädigen sollen.
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- Ich höre sehr gern, Herr Kollege Rehs, daß Sie „sehr richtig!" rufen. Ich danke Ihnen dafür.
Die Vertriebenen und Kriegssachgeschädigten sind um so empörter über diese Form der Finanzierung, als mir im Jahre 1967 auf eine parlamentarische Anfrage hin Bundesvertriebenenminister von Hassel ausdrücklich geantwortet hatte - ich zitiere wörtlich -:
Gerüchte, nach denen die Mittel des Lastenausgleichsfonds zur ganzen oder teilweisen Finanzierung einer Leistungsregelung für Vermögensschäden im unfreien Teil Deutschlands verwendet werden sollen, treffen nicht zu.
Diese Regierungsabsicht, das Kapital des Fonds nicht für die Flüchtlinge in Anspruch zu nehmen, ist mir noch Anfang 1968 durch den Staatssekretär im Vertriebenenministerium, Lemmer, bestätigt worden; 1968, im vorigen Jahr.
Die Regierungsabsicht ist eine Umfunktionierung der Mittel des Lastenausgleichsfonds. An derartigem mitzuwirken, ist die FDP-Fraktion nicht bereit; hier müssen und können andere Finanzierungsmöglichkeiten vorgenommen werden.
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- Wissen Sie, wenn ich den Worten unseres verehrten Herrn Wirtschaftsministers Schiller glauben darf, stehen wir jetzt vor einem Geldsegen, der auf uns zukommen wird. Da diese Leistungen, Herr Kollege Mick, praktisch erst 1971 oder 1972 fällig werden, werden wir dort mit Sicherheit Möglichkeiten finden - wenn das richtig ist, was Herr Schiller und auch Herr Strauß sagen -, diese Sache anderweitig zu finanzieren.
Jedenfalls bin ich nicht dafür, daß der eine Geschädigte den anderen Geschädigten finanzieren muß. Das hat uns die Bundesregierung zugesagt. Sie hält sich nicht an diese Zusage. Das beanstanden wir. Es ist das Recht nicht nur der Opposition, sonder es ist das Recht eines jeden politisch denkenden Menschen zu sagen, so etwas kann eine Regierung nicht tun!
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Es hat nie Meinungsverschiedenheiten darüber gegeben, daß die Leistungen an die Flüchtlinge nicht vom Lastenausgleichsfonds getragen werden sollen und dürfen; das steht im übrigen auch im Lastenausgleichsgesetz. Deshalb hat man jetzt das neue Argument ersonnen, die teilweise Einbeziehung der Deutschen aus der SBZ sei den Vertriebenen und Kriegssachgeschädigten zumutbar, weil der Gesetzgeber seit 1952 in erheblichem Maße das Aufkommen des Lastenausgleichsfonds vermehrt habe; da könne man ja wohl 1% für die Flüchtlinge abzweigen. Dieser Argumentation muß wegen der Unrichtigkeit der Tatsachendarstellung widersprochen werden.
Es ist zutreffend, daß das Volumen des Lastenausgleichsfonds im Jahre 1952, also in dem Zeitpunkt, in dem dieses Gesetz verabschiedet wurde, auf 55 Milliarden DM bemessen war und inzwischen auf rund 100 Milliarden DM geschätzt wird. So wird es jedenfalls der Öffentlichkeit dargestellt. Man vergißt dabei leider Gottes, Herr Kollege Mick, daß bei der Berechnung von 100 Milliarden DM Posten zwei- und dreimal saldiert und zusammengezählt werden. So kommt man natürlich auf 100 Milliarden DM. Wenn Sie zunächst Darlehen, die gegeben werden, als Ausschüttung an den geschädigten Personenkreis zählen und, wenn dieses Darlehen zurückgezahlt ist und dann noch einmal vergeben wird, dem Hauptentschädigungsberechtigten noch einmal auf seine Hauptentschädigung anrechnen, kommen Sie natürlich zu phantastischen Zahlen. Es ist aber einfach eine Taschenspielerei, mit derartigen Rechnungen zu operieren, wenn man nicht genau erklärt, wie man rechnet. Es handelt sich also um eine Umsatzfrage, nicht aber um eine Frage der tatsächlichen Leistung. - Bitte sehr, Herr Kollege!
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Leukert?
Herr Kollege Rutschke, ist Ihnen aus dem Wirtschafts- und Finanzplan des Bundesausgleichsamts nicht bekannt, daß natürlich die Darlehen auf der einen Seite stehen und die Rückflüsse aus den Darlehen auf der anderen Seite? Zweitens: Wenn es sich tatsächlich um eine Umwandlung handelt, gilt natürlich das gleiche Verfahren ebenso für den Wirtschafts- und Finanzplan. Es ist also unrichtig, zu sagen, daß eine Leistung zweimal gegeben wurde.
Nein. Bei der Zusammenrechnung zu dem Betrag von 100 Milliarden DM wird das getan.
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- Verzeihen Sie, Herr Leukert, dann bitte ich Sie, sich darüber genau zu vergewissern. Das habe ich nun wirklich nachgeprüft. Ich kann mich hier auf Aussagen von sehr kompetenten Leuten berufen, mit denen ich das gestern noch besprochen habe, weil ich es selbst an sich nicht für möglich gehalten habe, daß man in dieser Weise in der Öffentlichkeit immer den Eindruck erweckt, als werde hier im Geld geschwommen. - Bitte, Herr Kollege!
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Mick?
Herr Rutschke, sind Sie nicht mit mir der Meinung, daß wir das gemeinsam überprüfen sollten und daß es sehr schwierig ist, für Ihren Verdacht jetzt hier den Beweis anzutreten, so daß wir also gemeinsam überprüfen sollten, ob es so ist?
Ich würde bitten, daß vielleicht der Herr Minister selber dazu Stellung nimmt.
Er hat sich schon gemeldet.
Ich habe das gestern jedenfalls mit maßgeblichen Leuten eingehend festgestellt - darüber besteht also kein Zweifel -, und zwar bei einer Gelegenheit, wo maßgebliche Leute zu diesen Auskünften zur Verfügung standen.
Das sogenannte Mehr ist jedoch aus Zuschüssen der öffentlichen Hand zur Unterhaltshilfe und aus dem erhöhten Aufkommen aus der Vermögensteuer entstanden. Ich bestreite nicht, daß es mehr ist, es ist aber nicht in dem Umfang mehr. Es ist nicht die Erhöhung der Ausgleichsabgabe gewesen. Von vornherein hatte der Gesetzgeber den Ausgleichsfonds am Vermögensteueraufkommen beteiligt, um eine Finanzierungsquelle zu besitzen, die mit der Wirtschaftsentwicklung der 30 Jahre Laufzeit mitgeht. Und die stark angestiegenen Bundes- und Landeszuschüsse zur Unterhaltshilfe wegen Fürsorgeersparnis sind auch nichts anderes als die Folge der Fortentwicklung der inneren Situation in der Bundesrepublik, insbesondere der gestiegenen Fürsorgeleistungen.
Es ist schon eine starke Zumutung an die Vertriebenen und Kriegssachgeschädigten, daß durch diese Regierung erstmals der Fonds anderen als den vorbestimmten Geschädigtengruppen geöffnet wird. Dies wird noch dadurch fast übertroffen, daß man das Flüchtlingsentschädigungsgesetz „21. LAG-Novelle" nennt. Die Öffentlichkeit muß und soll wahrscheinlich denken: Schon wieder erhalten die Vertriebenen und Kriegssachgeschädigten Milliardenzuweisungen. Den Vertriebenen und Kriegssachgeschädigten soll also nicht nur das Geld entzogen
werden, sie sollen sich damit auch noch zum Prügelknaben der Öffentlichkeit machen lassen.
Die Krone wird dem Ganzen dadurch aufgesetzt, daß man die auf den 1. Juni 1969 routinemäßig fällige Lastenausgleichsnovelle von Regierungsseite nicht als Lastenausgleichsänderungsgesetz eingebracht hat, sondern als Unterhaltshilfe-Anpassungsgesetz. Ob es nur das Bedenken war, dem Parlament nicht gleich zwei LAG-Novellen auf einmal vorzulegen, oder ob in der Namensverharmlosung auch die Absicht zu sehen ist, die Novellierungen zugunsten der Vertriebenen und Kriegssachgeschädigten für abgeschlossen erscheinen zu lassen, muß dahingestellt bleiben. Die Fraktion der FDP sieht jedenfalls die Novellierungen des Lastenausgleichs für die Vertriebenen und Kriegssachgeschädigten nicht als abgeschlossen an. Sie wird aus diesem Grunde auch den beiden Ergänzungsanträgen des Bundesrates zustimmen.
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Das Wort hat Herr Bundesminister Windelen.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Bedeutung der Materie, auch das finanzielle Volumen der Vorlage hätten es sicher gerechtfertigt, sich diesem Gesetzentwurf etwas ausführlicher zu widmen. Wir haben uns - ich will nichts gegen die Bedeutung des deutschen Weines sagen - sehr lange und sehr ausführlich mit dieser gewiß sehr wichtigen Materie beschäftigt. Die 21. Lastenausgleichsnovelle kommt jetzt ein wenig in Zeitdruck. Ich bin aber davon überzeugt, daß anläßlich der zweiten und der dritten Lesung ausreichend Gelegenheit sein wird, die Bedeutung dieser Novelle, die nun nach langen Jahren Wirklichkeit werden soll, zu würdigen.
Wir standen aber vor der Frage, den Betroffenen möglichst rasch zu helfen oder die Einbringung der Novelle dadurch zu gefährden, daß hier lange Reden gehalten worden wären. Die Aufsetzung auf die Tagesordnung ist nur dadurch möglich geworden, daß sich die Fraktionen bereit erklärten, auf lange Erklärungen zu verzichten. Ich glaube, im Interesse der Betroffenen war es richtiger, diesen Weg zu gehen, als eine weitere Verzögerung zu riskieren.
Der Sprecher der FDP-Fraktion hat kritisiert, daß diese Novelle erst so kurz vor dem Ende der Legislaturperiode vorgelegt werde, und er folgerte daraus, daß die Regierung wohl nicht sehr viel Interesse für dieses Anliegen der Betroffenen habe und daß die Absicht wohl sei, diese Novelle unter Zeitdruck, wie er sagte, durchzupeitschen, damit nach Möglichkeit keine Änderungen vorgenommen werden. Nun, die Behandlung dieser Vorlage wie die Behandlung aller Vorlagen der Regierung im Parlament bleibt in jedem Falle dem Parlament überlassen. Mein Haus hat es sich angelegen sein lassen, diese Vorlage so rasch wie möglich einzubringen, und ich bin den Koalitionsfraktionen dafür dankbar,
daß sie durch ihren Verzicht auf lange Einbringungsreden uns diese Chance gegeben haben.
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- Das war die entscheidende Frage. Der Ältestenrat war nur dann bereit - bei dem Umfang der Tagesordnung verständlich -, diese Vorlage auf die Tagesordnung zu setzen, wenn das zeitlich möglich ist, und das war nur dann gesichert, wenn ein Verzicht auf lange Reden ausgesprochen wurde.
Ich will der Feststellung, daß die Regierung wohl wenig Interesse an dieser Materie habe und dies durch die lange Verschleppung zeige, aber auch deswegen widersprechen, weil eigentlich das Gegenteil der Fall ist. Gerade die sehr langen Bemühungen meines Vorgängers um eine möglichst gute, sehr viel umfassendere Novelle als die, die jetzt vorliegt, haben dazu geführt, daß sich die Einbringung so lange verzögert hat. Sie wissen, daß ursprünglich ein sehr viel größeres Volumen in Aussicht genommen worden war. Sie wissen, daß entsprechend den Wünschen und Erklärungen der Parteien schon 1952 die Gleichstellung beabsichtigt war und angestrebt wurde, daß das allerdings ein Finanzvolumen zur Voraussetzung gehabt hätte, das in der veränderten Situation eben nicht aufzubringen war. Sie wissen, daß mein Vorgänger in wochenlangen Verhandlungen auch mit den Ländern versucht hat, eine Finanzierungsmögichkeit zu finden, daß diese Verhandlungen aber im Endergebnis gescheitert sind.
Die Bundesregierung war aber auch gehalten - also auch mein Haus -, die Ergebnisse der Beratung der mittelfristigen Finanzplanung abzuwarten. Erst dann konnte das Volumen für diese Novelle endgültig fixiert werden. Diese Beratungen fanden Ende September vorigen Jahres statt. Erst dann konnte an die Konzeption, an die Ausarbeitung des Entwurfs herangegangen werden. Das geschah bereits im Oktober vorigen Jahres, das heißt, nur wenige Wochen nach der Festlegung des zur Verfügung stehenden Betrages. Die Vorlage ging schon im Dezember ins Kabinett. Sie wurde bereits im Januar im Kabinett verabschiedet. Sie liegt nach einigen Schwierigkeiten, die die Regierung nicht zu vertreten hat, die aber als bekannt vorausgesetzt werden können, nunmehr endgültig in diesem Hause vor, und ich bin davon überzeugt, daß bei zügiger Beratung auch eine angemessene Behandlung dieser Vorlage möglich sein wird.
Ich möchte nun nicht noch in den Streit eintreten, ein wie großer Teil des Gesamtvolumens des Lastenausgleichsfonds für diese Novelle herangezogen wird; ich möchte also nicht in den Streit eintreten, ob es 66 oder 70 Milliarden oder im Endergebnis vielleicht 100 Milliarden sein werden, die hier den Betroffenen zufließen werden. Aber niemand wird mir widersprechen, wenn ich sage, daß beim endgültigen Ablauf des Lastenausgleichsgesetzes ein sehr viel höherer Betrag zur Ausschüttung gekommen sein wird, als auch die kühnsten Optimisten seinerzeit bei der Verabschiedung dieses Gesetzes erwarten konnten.
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Sich jetzt schon auf Zahlen festzulegen, ehe die Lastenausgleichsverwaltung selbst in der Lage ist, eine Schlußbilanz vorzulegen, ginge auch in den Bereich der Spekulation.
Ich muß aber dem Kollegen Rutschke durchaus recht geben, wenn er feststellt, daß nach den ursprünglichen Absichten nicht vorgesehen war, die Mittel des Lastenausgleichsfonds zur Finanzierung dieses Leistungsgesetzes heranzuziehen. Sie werden mir sicher glauben, daß es meinem Vorgänger, nachdem er hier so deutliche Erklärungen, die voll seiner Absicht entsprachen, abgegeben hatte, nicht leichtgefallen ist, von seiner Absicht abzurücken. Ursprünglich sollten die Mittel für diese Leistungsnovelle zugunsten der Zonenflüchtlinge dadurch aufgebracht werden, daß die Zuschußpflicht der Länder in Höhe von 0,25% der Vermögensteuer um etwa sechs Jahre verlängert wurde. Das ist gescheitert. Wenn es gelungen wäre, hätten wir auf die Mittel des Fonds nicht zurückzugreifen brauchen. Dagegen bestand und besteht meines Ermessens auch heute noch die Hoffnung, daß die Länder einen angemessenen Anteil an den Kosten dann übernehmen, wenn der Bund aus Haushaltsmitteln angemessen zu den Leistungen beiträgt und wenn auch der Lastenausgleichsfonds mit herangezogen wird.
Die Mittel des Lastenausgleichsfonds sind nicht mit einer Milliarde fixiert worden, sondern werden mit 400 Millionen bis 1000 Millionen DM angesetzt. Das also wird wesentlich davon abhängen, welche Mittel tatsächlich im Ablauf des Gesetzes in Anspruch genommen werden.
Aber selbst bei dieser Kostenteilung konnte - das bedauern wir selbst am meisten - eine Gleichstellung, wie wir sie beabsichtigt und in Aussicht genommen haben, bei der Abgeltung der Zonenschäden mit den Vertreibungs- und den Kriegssachschäden im Bundesgebiet nicht erreicht werden. Infolgedessen mußten wir die bekannten Einschränkungen bei der Hauptentschädigung, die Einschränkungen nach sozialen Gesichtspunkten und mit einem Höchstbetrag mit einbauen.
Auf die Beteiligung des Ausgleichsfonds aber kann unter diesen Umständen leider nicht verzichtet werden. Insoweit appelliert die Bundesregierung an die Solidarität aller durch den Krieg und seine Folgen Geschädigten, die Leistungen aus dem Ausgleichsfonds nach dem derzeitigen Rechtsstand erhalten, zu den Leistungen nun auch an die Zonenflüchtlinge in angemessenem Rahmen beizutragen. In der Größenordnung beträgt die Beteiligung des Fonds an der Finanzierung zur Abgeltung der Zonenschäden - ohne mich hier auf Prozentsätze festlegen zu wollen -, doch nur einen geringen Bruchteil der Entschädigungsleistungen, die an Vertriebene und einheimische Kriegssachgeschädigte gezahlt worden sind und noch gezahlt werden.
Es wird gar nicht bestritten, daß von allen Fraktionen des Bundestages den Heimatvertriebenen und den einheimischen Kriegssachgeschädigten früher zugesagt worden ist, daß ihnen die Einnahmen des Fonds ungeschmälert zugute kommen sollen. Es
würde aber in der Öffentlichkeit nicht verstanden werden, wenn wegen der Unmöglichkeit, diese Kosten voll auf den Bundeshaushalt zu übernehmen, die Zonengeschädigten noch länger auf eine Abgeltung ihrer Schäden warten sollten,
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weil die anderen Geschädigtengruppen sich auf frühere Zusagen und damit auf ihr vorgebliches oder tatsächliches Recht berufen.
Ich bitte Sie deswegen im Namen der Bundesregierung, gegen die Vorlage keine Einwendungen zu erheben.
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Das Wort hat Frau Abgeordnete Korspeter.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Es war im Ältestenrat die Absprache getroffen worden, heute über den Gesetzentwurf nicht zu diskutieren, und zwar aus Gründen der Zeitökonomie, um die Einbringung des Gesetzentwurfs in dieser Woche nicht zu gefährden, da wir sowieso für die Beratung im Ausschuß nicht sehr viel Zeit übrighaben. Es muß uns allen daran liegen, diesen Gesetzentwurf noch in dieser Legislaturperiode zum Gesetz werden zu lassen. Auch Herr Schmidt ({0}) von der FDP-Fraktion trat heute nachmittag an mich heran mit der Bitte, nicht zu diskutieren. Um so überraschter bin ich - ({1})
- Jawohl, das stimmt, Herr Dr. Rutschke, fragen Sie morgen Ihren Kollegen! - Um so überraschter bin ich, daß nun Herr Dr. Rutschke hier doch gesprochen hat.
Ich persönlich möchte mich an die Absprache halten, die wir getroffen haben, und möchte deshalb Herrn Dr. Rutschke nicht antworten. Allerdings ist zu bedauern, daß wir über diesen weitreichenden Gesetzentwurf, der nunmehr erstmalig Entschädigungsleistungen für die Flüchtlinge aus Mitteldeutschland bringt, hier nicht sprechen, und zwar in erster Linie auf Grund unserer Absprache: aus Gründen der Zeitökonomie - das möchte ich noch einmal sagen - und um die erste Lesung dieses Gesetzentwurfs in dieser Woche nicht zu gefährden. Deshalb gebe ich meine beabsichtigte Rede zu Protokoll.*)
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- Natürlich! Weil es vorher nicht ganz klar war: soll nun geredet werden oder soll nicht geredet werden, habe ich mich selbstverständlich darauf vorbereitet.
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Nachdem aber gestern verabredet war, nicht zu reden, hatte ich die Absicht, die Rede zu Protokoll zu geben. Das ist wohl ein ganz legitimes Interesse, das fast alle Kollegen haben, wenn sie in diese Situation kommen. Ich gebe deshalb meine Rede zu
*) Siehe Anlage 18
Protokoll. Über die Probleme, die Herr Dr. Rutschke hier angesprochen hat, werden wir dann im Ausschuß beraten.
Meine Damen und Herren, sind Sie einverstanden, daß die Rede zu Protokoll genommen wird? - Es erhebt sich kein Widerspruch, es ist so beschlossen.
Das Wort hat der Abgeordnete Kuntscher.
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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es war die Absprache gewesen, daß die Ausführungen, die die einzelnen Fraktionen hier machen wollen, zu Protokoll gegeben werden.
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Das hat mir vor gut einer Stunde der Kollege Schmidt ({1}) hier vor der Tür erklärt: wir sprechen nicht, nachdem auch Sie und die SPD diese Absprache getroffen haben.
Ich werde meine Ausführungen gleichfalls schriftlich zu Protokolli geben.*) Aber auf einige Dinge, die Herr Rutschke angeschnitten hat, muß ich doch antworten.
Ich muß Herrn Rutschke sagen, daß das Lastenausgleichsgesetz im August 1952 im Bundesgesetzblatt verkündet worden ist. Das sind 17 Jahre, und während dieser 17 Jahre, Herr Dr. Rutschke, haben wir zwar jetzt eine große, aber auch eine ganze Reihe kleiner Koalitionen gehabt, und in diesen kleinen Koalitionen war die FDP der maßgebendste Koalitionspartner.
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Wir hatten, Herr Dr. Rutschke, einen FDP-Vertriebenenminister; er sitzt dort,
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und wir hatten eine ganze Reihe FDP-Finanzminister.
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- Ja, also gut, zwei; aber die gab es mehrere Jahre.
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Ich erinnere mich, daß diese FDP-Finanzminister diejenigen gewesen sind, mit denen wir bei der Entschädigungsgesetzgebung die allergrößten Schwierigkeiten hatten.
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Sich heute, Herr Rutschke, hinzustellen und so zu tun, als sei nur durch die Große Koalition alles nicht recht gemacht worden, ist doch etwas anmaßend.
Herr Abgeordneter Kuntscher, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Rutschke?
Herr Kollege Kuntscher, darf ich Sie folgendes fragen. Es sind einige sehr große Novellen gemacht worden. Ich denke an die
*) Siehe Anlage 19
Vierzehnte Novelle, ich denke auch an die Achtzehnte Novelle, wo ganz erhebliche Mittel zur Zeit der FDP-Finanzminister zur Verfügung gestellt worden sind. Aber ich kann mich entsinnen, daß es CDU- und CSU-Finanzminister gegeben hat, die das früher nicht getan haben.
Oh nein, Herr Rutschke,
Das war eigentlich keine Frage, sondern eine Feststellung, die geschäftsordnungsmäßig von dieser Position aus nicht zulässig ist.
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Aber Herr Kollege Rutschke, eines will ich Ihnen noch sagen. Sie haben Ihre Rede lange vorbereitet.
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- Sie hatten sie doch schriftlich und haben sie hier vorgelesen. Jedes Mitglied dieses Hauses hätte, wenn Sie Ihre Rede schriftlich zu Protokoll gegeben hätten, die Möglichkeit gehabt, sie dann im Stenographischen Protokoll nachzulesen.
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Herr Abgeordneter Kuntscher, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Mick?
Ja, bitte!
Herr Kollege, wären Sie bereit, dem Herrn Kollegen Rutschke zu sagen, daß morgen die Ausschußberatungen über die Einundzwanzigste Novelle beginnen, und wären Sie bereit, ihn zu bitten, an diesen Beratungen teilzunehmen?
Ja, darauf komme ich nämlich gleich; das habe ich mir auch angemerkt.
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- Herr Kollege Rutschke, es wäre wirklich sehr wünschenswert, wenn die FDP bei den Beratungen über verschiedene Gesetze in unserem Ausschuß anwesend wäre, und zwar vom Beginn der Ausschußsitzung bis zu ihrem Ende. Es sollte also nicht nur eine Stippvisite des einen oder anderen Herrn sein, um dann hier im Plenum große Töne anzuschlagen und zu sagen, daß dieses oder jenes nicht recht gemacht worden sei. Das wäre das erste.
Das zweite, Herr Dr. Rutschke. Wenn wir schon über diese Dinge reden und hier ein klein wenig abrechnen wollen, möchte ich Sie noch auf etwas aufmerksam machen. Sie haben einen Antrag eingebracht, mit dem die Entschädigung für diejenigen, die in der Nazizeit Schaden erlitten haben, im Rahmen der Wiedergutmachung wesentlich verbessert werden sollte. Als uns die Referenten des zuständigen Ministeriums, Herr Dr. Rutschke, im Ausschuß über den Inhalt und über die Kosten des Antrags aufklärten, mußten wir feststellen, daß die Nachzahlungen 1,7 Milliarden DM betragen würden und daß die laufenden Zahlungen, folgte man dem FDP-Antrag, an die 3 Milliarden DM heranreichen würden. Ihre Fraktion war zu dieser Sitzung eingeladen, separat eingeladen! Aber es war niemand von Ihnen da. Und da wollen Sie noch leugnen, daß Sie rein auf Propaganda machen!
Herr Abgeordneter Kuntscher, zuerst hat sich Frau Abgeordnete Korspeter zu einer Zwischenfrage gemeldet, danach Herr Abgeordneter Dr. Rutschke. Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Ja.
Bitte, Frau Korspeter!
Herr Kollege Kuntscher, darf ich Sie auch noch daran erinnern, daß ich im Ausschuß damals gesagt habe, daß ich - in Steilvertretung von Herrn Kollegen Mick - die Fraktion der FDP noch besonders habe anschreiben lassen, daß sie kommen möge, um bei der ersten Lesung im Ausschuß 'anwesend zu sein, um ihren Gesetzentwurf zu vertreten, und daß wir dann leider niemanden von der FDP begrüßen konnten.
Jawohl, Frau Kollegin Korspeter, das bestätige ich. Das ist der Sachverhalt.
Kollege Rutschke!
Herr Kollege Kuntscher, ist Ihnen bekannt, daß fast jeder Abgeordnete der FDP-Fraktion zwei oder drei Ausschüsse betreuen muß und daß die Ausschüsse teilweise zur gleichen Zeit tagen?
Jawohl, das ist mir bekannt, aber für die Stärke oder die Schwäche der FDP bin ich nicht verantwortlich,
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Ich möchte zum Schluß kommen. Heute ist die Zahl der Anwesenden im Plenum noch etwas größer als sonst, wenn wir hier in ,diesem Raum über diese Probleme sprechen. Es ist bedauerlich, daß meistens so wenige anwesend sind, aber es ist wahr, und es ist eine Feststellung.
Ich möchte meine grundätzlichen Ausführungen also zu Protokoll geben, und ich bitte Sie, Herr Präsident, sie entgegenzunehmen.
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Ich nehme an, daß das Haus die weiteren Ausführungen des Abgeordneten Kuntscher zu Protokoll nimmt. - Es ist 'so geschehen.
Das Wort hat der Abgeordnete Rehs.
L) Rehs ({0}) : Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Kollege Rutschke hat auf einige frühere Äußerungen von mir hingewiesen und den Eindruck entstehen lassen, als ob meine Auffassung zu dem Grundproblem des Lastenausgleichs, wie sie in diesen Äußerungen ihren Niederschlag gefunden hat, heute nicht mehr meine Auffassung wäre.
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- Meine Handlungen? Dann ist es mir noch unverständlicher. Dann muß Ihnen nämlich entgangen sein, was ich in den ganzen vergangenen Monaten insbesondere zu dem Kernproblem, um das es hier bei dieser Novelle geht, zur Finanzierungsfrage, wiederholt, und zwar nicht nur gegenüber den Spitzen ,des Vertriebenenministeriums, sondern auch bei den diversen Gelegenheiten in der Öffentlichkeit, ganz eindeutig erklärt habe.
Ich möchte keinen Zweifel über folgendes bestehen lassen - und in diesem Punkte bin ich mit Ihnen einer Auffassung -: Ich halte es für unvertretbar, daß Gruppen von Geschädigten andere Gruppen von Geschädigten entschädigen. Das ist kein Standpunkt. Ich bin mit Ihnen der Auffassung, daß hier in diesem Falle ein Appell an die Solidarität einer Gruppe von Geschädigten fehlgerichtet ist, weil sich dieser Appell an die Solidarität an alle Gruppen der Bevölkerung richten muß, die sich in einer ganz anderen wirtschaftlichen und finanziellen Position befinden als die Gruppe - z. B. die
Heimatvertriebenen -, die durch die Leistungen aus dem Lastenausgleich ohnehin nur eine völlig unzulängliche Entschädigung erhalten haben. Hier gilt das Wort der früheren Bundesregierung, daß die Leistungen aus diesem Fonds in vollem Umfang den Vertriebenen zugute kommen müssen. Infolgedessen muß künftig das, was an Mitteln noch anfällt, dazu verwendet werden, bei einer Lastenausgleichsschlußregelung die hier noch vorhandenen Härten und Unebenheiten soweit wie möglich endgültig zu beseitigen und auszubessern. Insofern, sehr verehrter Herr Minister, kann ich Ihren Appell an die Solidarität nur als einen Teilappell ansehen. Er muß an die Solidarität aller Mitbürger und Staatsbürger in der Bundesrepublik gerichtet werden.
Insofern kann nach meinem Dafürhalten auch die augenblickliche finanzielle Lage des Bundeshaushalts nicht ein Argument dafür geben, daß nicht andere Mittel der Finanzierung gefunden werden. Ich habe von vornherein erklärt - und von dieser Erklärung kann ich nicht abgehen -, daß wir bereit sind, auch unseren Mitbürgern aus der sowjetisch besetzten Zone, die zu uns kommen, bis an die Grenze der Loyalität politisch und menschlich in der Auseinandersetzung mit allen Kräften draußen zu helfen, daß wir auch bereit sind, die Mittel aus dem Lastenausgleichsfonds, die im Augenblick nicht benötigt werden, im Wege der Vorfinanzierung zur Verfügung zu stellen, um die augenblickliche Schwierigkeit zu überbrücken, . damit wir also jetzt über die Runden kommen. Aber es darf kein Zweifel darüber bestehen, daß zu einem späteren
Zeitpunkt - er mag jetzt hier nicht festgelegt werden und braucht auch nicht festgelegt zu werden - diese Mittel, die im Wege der Vorfinanzierung entnommen werden, dem Lastenausgleichsfonds zur Verwendung für seine ursprünglichen Zwecke wieder zugeführt werden müssen.
Ich meine also, Herr Kollege Rutschke, daß damit auch bei Ihnen jeder Zweifel an meiner Haltung ausgeräumt ist. Eine andere Haltung würde von all den Millionen Heimatvertriebenen, für die ich letzten Endes auch auf anderer Ebene zu sprechen habe, einfach nicht verstanden werden.
Meine Damen und Herren, wird das Wort noch gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Ich schlage Ihnen vor, den Gesetzentwurf an den Ausschuß für Kriegs- und Verfolgungsschäden als federführenden Ausschuß, an den Ausschuß für Angelegenheiten der Heimatvertriebenen und Flüchtlinge zur Mitberatung und an den Haushaltsausschuß gemäß § 96 der Geschäftsordnung zu überweisen. - Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.
Ich rufe die Punkte 30 bis 34 auf:
Erste Beratung des von der Bundesregierung
eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur
Änderung des Grundgesetzes ({0})
- Drucksache V/4104 Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Anpassung der Unterhaltshilfe nach dem Lastenausgleichsgesetz ({1})
- Drucksache V/4102 Erste Beratung des von der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Betriebsverfassungsgesetzes
- Drucksache V/4011 -Erste Beratung des von den Abgeordneten Dr. Jungmann, Frau Blohm, Müller ({2}), Franke ({3}), Orgaß, Leukert, Dr. Dittrich und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ergänzung der Reichsversicherungsordnung
- Drucksache V/4041 Erste Beratung des von den Abgeordneten Stooß, Struve, Dr. Burgbacher und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes ({4})
- Drucksache V/3907 Es handelt sich um von der Bundesregierung vorgelegte Gesetzentwürfe sowie um Gesetzentwürfe aus der Mitte des Hauses.
Das Wort wird nicht gewünscht? - Doch! Zu welchem Gesetzentwurf?
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Vizepräsident Dr. Jaeger
- Dann schlage ich Ihnen vor, daß wir zuerst Punkt 30, Änderung des Grundgesetzes ({6}), an den Rechtsausschuß als federführenden Ausschuß und an den Ausschuß für Kriegs- und Verfolgungsschäden zur Mitberatung überweisen. - Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.
Dann erhält zu Punkt 31 der Herr Abgeordnete Rehs das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bedaure, daß ich Sie noch ein wenig aufhalten muß; aber die Bedeutung auch dieser Vorlage erfordert es. Die unauffällige oder unscheinbare Bezeichnung dieses Gesetzes erweckt den Eindruck, daß es sich dabei um eine zwar richtige und wichtige soziale Regelung, aber doch um eine Sache handelt, die so selbstverständlich ist, daß man ihr keine besondere Aufmerksamkeit zuzuwenden braucht. Ich möchte hier hervorheben, daß dieser Eindruck falsch ist. Mit der Bezeichnung dieses Gesetzes wird nämlich eine Wegänderung vorgenommen. Hier findet eine entscheidende Änderung der bisherigen Handhabung der Unterhaltshilfeanpassungen statt, die - ich will nichts unterstellen - jedenfalls im Ergebnis einer Verschleierung der Tatsache gleichkommt, daß es sich dabei um eine reine Fortentwicklung des Lastenausgleichsrechts handelt. Gegen einen solchen Eindruck möchte ich hier mit aller Eindeutigkeit Einspruch erheben.
Außerdem stehen mit diesem Gesetz wesentliche andere Probleme im Zusammenhang, auf die dankenswerterweise der Bundesrat in seiner Stellungnahme zu dieser Vorlage hingewiesen hat: Altershilfe für die ostdeutschen Bauern, Weiterführung der Aufbaudarlehen. Ich will nur auf den einen Satz in der Stellungnahme des Bundesrates verweisen:
Wie der Antragseingang bei den Ausgleichsämtern zeigt,
- so heißt es dort -
ist vor allem die wohnungsmäßige Eingliederung der Geschädigten wie auch die wirtschaftliche Eingliederung der siedlungswilligen vertriebenen Landwirte bei weitem
- ich wiederhole: bei weitem -
noch nicht abgeschlossen.
Meine Damen und Herren, ich sehe es genauso wie Sie. Es wäre eine zeitliche und auch sachliche Überforderung dieses ohnehin „überfüllten" Hauses, wenn ich all das, was dazu zu sagen ist, hier weiter ausführen wollte. Ich werde daher meine Ausführungen, die dazu zu machen ich an sich die Absicht hatte, ebenfalls zu Protokoll überreichen *). Es kam mir mit diesen wenigen Bemerkungen nur darauf an, überhaupt auf die Bedeutung dieses Gesetzes hinzuweisen.
Herr Abgeordneter Rehs übergibt seine weiteren Ausführungen zu Protokoll. - Das Haus ist damit einverstanden.
*) Siehe Anlage 20
Werden weitere Wortmeldungen zu diesem Punkt erstattet? - Das ist nicht der Fall.
Dann schlage ich Ihnen vor, den Gesetzentwurf an den Ausschuß für Kriegs- und Verfolgungsschäden als federführenden Ausschuß, an den Ausschuß für Angelegenheiten der Heimatvertriebenen und Flüchtlinge als mitberatenden Ausschuß und an den Haushaltsausschuß gemäß § 96 der Geschäftsordnung zu überweisen. - Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.
Wird zu den Punkten 32, 33 und 34, die ich schon aufgerufen habe, das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Zu Punkt 32 schlägt der Ältestenrat vor, den Gesetzentwurf dem Ausschuß für Arbeit als federführendem Ausschuß sowie dem Innenausschuß und dem Ausschuß für Wirtschafts- und Mittelstandsfragen als mitberratenden Ausschüssen zu überweisen.
Der Gesetzentwurf unter Punkt 33 soll nach dem Überweisungsvorschlag des Ältestenrates dem Ausschuß für Sozialpolitik als federführendem Ausschuß und dem Ausschuß für Gesundheitswesen zur Mitberatung überwiesen werden.
Der Überweisungsvorschlag des Ältestenrates zu Punkt 34 geht dahin, den Gesetzentwurf dem Finanzausschuß und außerdem dem Haushaltsausschuß gemäß § 96 der Geschäftsordnung zu überweisen.
Widerspricht jemand den Überweisungsvorschlägen des Ältestenrates? - Das ist nicht der Fall. Dann darf ich die Überweisungen als beschlossen betrachten.
Ich rufe die Punkte 35 und 36 der Tagesordnung auf:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Finanzausschusses ({0}) über den von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der Kommission der EG für eine Dritte Richtlinie des Rats zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuer - Gemeinsame Modalitäten für die Anwendung der Mehrwertsteuer auf Umsätze von landwirschaftlichen Erzeugnissen
- Drucksachen V/2661, V/4027 -Berichterstatter: Abgeordneter Krammig
Beratung des Mündlichen Berichts des Innenausschusses ({1}) über den von der Bundesregierung vorgelegten Vorschlag der Kommission der Europäischen Gemeinschaften für eine Verordnung des Rates über die Gewährung einer einmaligen Zulage an die Atomanlagenbediensteten der Gemeinsamen Kernforschungsstelle in Belgien
- Drucksachen V/3859, V/4050 Berichterstatter: Abgeordneter Schmitt-Vokkenhausen
Wünscht einer der Berichterstatter des Schriftlichen oder des Mündlichen Berichts das Wort? Vizepräsident Dr. Jaeger
Das ist nicht der Fall. - Das Haus verlangt es auch nicht.
Wird das Wort zur Aussprache verlangt? - Das ist auch nicht der Fall.
Ist das Haus damit einverstanden, daß wir gemeinsam abstimmen? - Ich höre keinen Widerspruch. Ich komme zur Abstimmung über die Ausschußanträge auf Drucksache V/4027 und Drucksache V/4050. Wer zustimmen will, gebe bitte ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? - Keine Enthaltungen. Einstimmig so beschlossen.
Ich rufe nunmehr Punkt 37 der Tagesordnung auf:
Beratung des Antrags des Bundesministers
der Finanzen
betr. Veräußerung einer Teilfläche des Grundstücks in Nürnberg, zwischen Regensburger-und Hainstraße, an die Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung
- Drucksache V/4034 Ich schlage Ihnen vor, den Antrag an den Ausschuß für das Bundesvermögen als federführenden Ausschuß und an den Haushaltsausschuß zur Mitberatung zu überweisen. - Das Wort wird nicht gewünscht. - Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.
Ich rufe die Punkte 38 bis 42 auf:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Verkehrsausschusses ({2}) über den Antrag der Fraktion der CDU/CSU
betr. Änderung der Eisenbahn-Verkehrsordnung
- Drucksachen V/2524 Teil IV, V/3857 -Berichterstatter: Abgeordneter Fellermaier
Beratung des Schriftlichen Berichts des Verkehrsausschusses ({3}) über den Antrag der Fraktion der CDU/CSU
betr. Ausweitung des Sonntagsfahrverbots - Drucksachen V/2524 Teil VII, V/3998 -Berichterstatter: Abgeordneter Tönjes
Beratung des Schriftlichen Berichts des Verkehrsausschusses ({4}) über den Antrag der Fraktion der CDU/CSU
betr. Finanzierung des Verkehrswegebaus in den Gemeinden
- Drucksachen V/2524 Teil XII, V/4059
Berichterstatter: Abgeordneter Maibaum
Beratung des Schriftlichen Berichts des Verkehrsausschusses ({5}) über den Antrag der Fraktion der CDU/CSU
betr. Anpassung der Parkordnung an die Verkehrsverhältnisse in den Gemeinden
- Drucksachen V/2524 Teil XIV, V/4087 Berichterstatter: Abgeordneter Ramms
Beratung des Schriftlichen Berichts des Verkehrsausschusses ({6}) über das von der Bundesregierung vorgelegte Verkehrspolitische Programm für die Jahre 1968 bis 1972 hier: Abschnitt III. Seeverkehr
- aus Drucksache V/2494, Drucksache V/3999 -Berichterstatter: Abgeordneter Maibaum dazu
Bericht des Haushaltsausschusses ({7}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung - Drucksache V/4056 Berichterstatter : Abgeordneter Haehser
Zur Berichterstattung wird das Wort nicht gewünscht. Alle Berichte sind schriftlich erstattet. Dafür danke ich.
Auch sonst wünscht niemand mehr das Wort.
Wir stimmen gemeinsam ab. - Kein Widerspruch. Wer den Ausschußanträgen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen.
Ich rufe Punkt 43 der Tagesordnung auf:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Verkehrsausschusses ({8}) über das van der Bundesregierung eingebrachte Verkehrspolitische Programm für die Jahre 1968 bis 1972 hier: Abschnitt IV. Ausbau der Straßeninfrastruktur
- aus Drucksache V/2494, Drucksache V/4069 Berichterstatter: Abgeordneter Weiland dazu
Bericht des Haushaltsausschusses ({9}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung
- Drucksache V/4088 Berichterstatter: Abgeordneter Haehser Der Abgeordnete Faller hat das Wort.
Herr Präsident, ich habe lediglich namens des verhinderten Berichterstatters und im Auftrag des Verkehrsausschusses eine kleine Berichtigung anzubringen. Es soll in Drucksache V/4069 unter II Buchstabe a der letzte Satz folgendermaßen
lauten:
Ein zweiter Ausbauplan für 'die Bundesfernstraßen soll an den ersten Ausbauplan anschließend mit dem Jahr 1971 anlaufen und
- nun die Änderung
15 Jahre umfassen.
Das Haus hat dies zur Kenntnis genommen. Wird weiter das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Vizepräsident Dr. Jaeger
44 Wer dem Antrag des Ausschusses zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? - Keine Enthaltungen. Einstimmig so beschlossen.
Ich rufe Punkt 44 des Tagesordnung auf:
Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD
betr. Bericht über die Auswirkungen des Filmförderungsgesetzes
- Drucksache V/4039 Das Wort wird nicht gewünscht. Ich schlage vor, den Antrag an den Ausschuß für Wissenschaft, Kulturpolitik und Publizistik zu überweisen. - Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 45 auf:
Beratung des Antrags der Abgeordeten Rollmann, Wendelborn und Genossen
betr. Verkehrsverbindungen zwischen Hamburg und dem Osteseeraum
- Drucksache V/3818 Das Wort wird nicht begehrt. Ich schlage vor, den Antrag dem Verkehrsausschuß zu überweisen. - Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.
Nach den Vereinbarungen im Ältestenrat sollen die weiteren Punkte der Tagesordnung am Freitag behandelt werden. Wir stehen damit am Ende der heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages ein auf Donnerstag, den 24. April, 14 Uhr.
Die Sitzung ist geschlossen.