Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Darf ich die beiden Fragen zusammenfassend beantworten?
Präsident von Hassel: Keine Bedenken? -Sie können sie zusammen beantworten. Ich rufe also noch die Frage 2 des Abgeordneten Schmidt ({0}) auf:
Hält die Bundesregierung diese Verlegung für zweckmäßig, obwohl eine enge Zusammenarbeit der DFVLR mit den Bundesministerien wünschenswert und mit der Gesellschaft für Weltraumforschung ({1}) vertraglich vereinbart ist?
Nach § 2 Abs. 1 ihrer Satzung hat die Deutsche Forschungs-und Versuchsanstalt für Luft- und Raumfahrt, ein eingetragener Verein, ihren vereinsrechtlichen Sitz in Bonn. Der Herr Bundesminister für wissenschaftliche Forschung hat in seiner Eigenschaft als Vorsitzender des Senats der Deutschen Forschungs- und Versuchsanstalt für Luft- und Raumfahrt mit dem geschäftsführenden Vorstand vereinbart, daß zunächst aus räumlichen und Kostengründen die Geschäfte vom Forschungszentrum Porz-Wahn geführt werden, weil vor dem 1. September 1970 in Bonn oder Bad Godesberg die erforderlichen Räumlichkeiten für den Vorstand und die Hauptverwaltung nicht zur Verfügung stünden. Vereinsintern wird zur Zeit untersucht, welcher Ort zweckmäßigerweise als Sitz der Geschäftsführung bestimmt werden soll.
Die Bundesregierung wird im Einvernehmen mit den Vereinsorganen sorgfältig prüfen, ob eine endgültige Verlegung der Geschäftsführung nach PorzWahn nicht insbesondere aus folgenden Gründen vermieden werden sollte.
Erstens. Der geschäftsführende Vorstand muß in einem permanenten Kontakt mit verschiedenen Bundesministerien und anderen Organen der öffentlichen Hand am Sitz der Bundesregierung stehen.
Zweitens. Der Vorstand der deutschen Forschungs- und Versuchsanstalt soll gegenüber allen Forschungszentren der DFVLR eine neutrale Stellung einnehmen.
Präsident von Hassel: Wird das Wort zu einer Zusatzfrage gewünscht? - Herr Abgeordneter Schmidt!
Herr Staatssekretär, hält die Bundesregierung diese vorläufige Verlegung der Geschäftsstelle nach Porz-Wahn für ökonomisch günstig? Ich frage deshalb, weil meines Wissens der größere Teil der eingearbeiteten Mitarbeiter in Bonn gekündigt hat und es bekanntermaßen in Porz-Wahn schwierig ist, qualifizierte Arbeitskräfte zu bekommen.
Herr Abgeordneter, von der Kündigung einer größeren Zahl von Leuten ist mir nichts bekannt. Im übrigen habe ich Ihnen ja gesagt, daß zur Zeit keine andere Unterbringungsmöglichkeit besteht. Wir werden sorgfältig prüfen, an welchen Ort wir die Geschäftsstelle endgültig legen. Zur Zeit gibt es keine andere
vernünftige Lösung.
Präsident von Hassel: Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Schmidt.
Herr Staatssekretär, welche Gründe gaben für Porz-Wahn den Ausschlag, obwohl das Forschungszentrum Braunschweig das größte der fünf Forschungszentren der DFVLR ist und damit die Geschäftsstelle der Gesellschaft, wenn sie außerhalb Bonns eingerichtet wird, doch beanspruchen könnte?
Vor allem I deshalb, weil Porz-Wahn sehr viel näher an Bonn, dem vereinsrechtlichen Sitz, liegt als Braunschweig. Das ist ein ganz einfacher Grund.
Präsident von Hassel: Keine weitere Zusatzfrage? - Damit ist der Geschäftsbereich des Bundesministers für wissenschaftliche Forschung erledigt.
Die Fragen 3 und 4 aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit sind vom Fragesteller zurückgezogen worden.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts. Zunächst die Frage 117 des Abgeordneten Dr. Marx ({0}) :
Trifft es zu, daß auf eine Anfrage im japanischen Parlament die japanische Regierung ({1}) mitgeteilt habe, sie erstrebe eine Änderung des Artikels 53 der UNO-Charta?
Die Frage wird im Einvernehmen mit dem Fragesteller schriftlich beantwortet. Die Antwort liegt noch nicht vor. Sie wird nach Eingang im Sitzungsbericht abgedruckt.
Ich rufe die Frage 118 des Abgeordneten Freiherr von Gemmingen auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, ob die Zentralregierung in Lagos tatsächlich Heer, Luftwaffe und Marine angewiesen hat, zivile Ziele in Biafra zu schonen?
Ist der Abgeordnete im Saal? - Der Abgeordnete ist im Saal. Zur Beantwortung der Herr Parlamentarische Staatssekretär Jahn.
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Darf ich die Fragen 118 und 119 zusammen beantworten? Die Frage 120 wäre getrennt zu beantworten.
Präsident von Hassel: Bestehen Bedenken? - Keine Bedenken. Dann rufe ich auch noch die Frage 119 auf:
Ist die Bundesregierung bereit, auf diplomatischem Wege geeignete Schritte zu unternehmen und in Lagos vorstellig zu werden, damit die zivilen Ziele in Biafra auch wirklich nicht in die Kampfhandlungen mit einbezogen werden?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Die nigerianische Zentralregierung hat in einem früheren Stadium des Bürgerkrieges einen Code of Conduct für ihre Truppen herausgegeben, die hierüber regelmäßig unterrichtet werden. In dem Code of Conduct werden die Truppen detailliert angewiesen, ihre Kampftätigkeit auf militärische Personen und militärische Ziele zu beschränken.
Die Internationalen Beobachter haben in ihren bisher veröffentlichten Berichten festgestellt, daß die Disziplin der Truppen der nigerianischen Zentralregierung im großen und ganzen gut und das Verhalten gegenüber der Zivilbevölkerung im allgemeinen nicht zu beanstanden sei. Zur Bombardierung ziviler Ziele in „Biafra" stellten die Beobachter fest, daß es ihnen nicht möglich war, Beweise dafür zu erhalten, daß keine solchen Angriffe stattfänden. Sie könnten insofern nicht Stellung nehmen.
Die nigerianische Zentralregierung hat ihrerseits mehrfach hervorgehoben - dies tat auch der Kommandeur der nigerianischen Luftwaffe gegenüber den Internationalen Beobachtern -, die Piloten der nigerianischen Maschinen hätten strenge Anweisung, keine zivilen Ziele zu bombardieren.
Die Bundesregierung bedauert, daß die nigerianischen Luftangriffe Opfer unter der Zivilbevölkerung und Schäden an zivilen Objekten verursachen. Sie hat ihre Auffassung zu dieser Frage der nigerianischen Regierung dargelegt. Sie hofft, daß in Zukunft solche Angriffe unterbleiben. Sie würde es begrüßen, wenn den Internationalen Beobachtern von der nigerianischen Zentralregierung und von der Regierung der abgefallenen Ostregion gestattet würde, ihre Tätigkeit auf das Gebiet von Ostnigeria auszudehnen und auch die Frage der Luftangriffe an Ort und Stelle zu prüfen.
Präsident von Hassel: Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter von Gemmingen.
Herr Staatssekretär, sehen Sie für die Bundesregierung, wenn Sie sagen: „Die Bundesregierung würde es begrüßen, wenn ...", irgendwelche Möglichkeiten, auf Lagos und Biafra diplomatisch einzuwirken, um so vielleicht einen für beide Seiten annehmbaren Waffenstillstand oder wenigstens eine gewisse Erleichterung zu erreichen?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Herr Kollege, die Möglichkeit diplomatischer Einwirkungen auf Ostnigeria oder Biafra hat die Bundesregierung nicht. Sie hat diese Region des Gesamtbundesstaates Nigeria nicht anerkannt, unterhält keinerlei eigene diplomatische Beziehungen dorthin, hat deswegen auch als Bundesregierung keine Einwirkungsmöglichkeiten. Daß von denjenigen, die dort tätig sind - ich meine jetzt: auf karitativem Gebiet tätig sind -, auch die Auffassung der Bundesregierung wiedergegeben wird, darf man wohl annehmen. Das ist aber keine direkte Einflußnahme.
Gegenüber der Bundesregierung in Lagos wurden und werden die verschiedensten Möglichkeiten genutzt, die Auffassung der Bundesregierung - unserer Bundesregierung - deutlich zu machen und darum zu bitten, daß auch von dieser Seite das Erforderliche geschehe, um die Einstellung der Kampfhandlungen zu erreichen. Die Bundesregierung ist aber der Auffassung, daß wohl in erster Linie und mit mehr Aussicht auf Erfolg die innerafrikanischen Organisationen und deren Repräsentanten dazu berufen sind, die, wie Ihnen bekannt ist, Herr Kollege, ja ihrerseits seit langem und in letzter Zeit wieder verstärkte Bemühungen bei beiden kriegführenden Seiten unternommen haben.
Präsident von Hassel: Eine weitere Zusatzfrage, Herr von Gemmingen.
Herr Staatssekretär, trifft es zu, daß Ojukwu, also der Chef oder Präsident - oder wie Sie ihn nennen wollen - von Biafra, Bundeskanzler Kiesinger Briefe geschrieben hat, in denen er ihn z. B. um seine guten Dienste im Sinne einer Vermittlung gebeten hat?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Davon ist mir nichts bekannt.
Präsident von Hassel: Keine weitere Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 120 des Abgeordneten Freiherr von Gemmingen auf:
Hat die Bundesregierung eine Erklärung für die den Tatsachen offensichtlich widersprechenden Pressemeldungen, wonach in Biafra keine Hungersnot herrsche?
Herr Staatssekretär zur Beantwortung.
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Nein, für diese Pressemeldungen hat die Bundesregierung keine Erklärung. Vielmehr besteht Ihres Wissens die Notlage im restlichen „Biafra" und auch in anderen vom Bürgerkrieg betroffenen Gebieten der Ostregion Nigerias trotz der großen und auch erfolgreichen Maßnahmen der Hilfsorganisationen fort. Falls diese Hilfsmaßnahmen vermindert oder eingestellt würden, würde die Notlage sogleich neue und zahlreiche Todesopfer fordern. Deshalb unterstützt die Bundesregierung weiterhin die Hilfsmaß12242
Parlamentarischer Staatssekretär Jahn
nahmen und appelliert auch an die deutsche Bevölkerung, durch weitere Spenden zu der Hilfe für die Hungernden beizutragen.
Präsident von Hassel: Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Freiherr von Gemmingen.
Herr Staatssekretär, sind Sie der Meinung, man könne die humanitäre Hilfe wesentlich wirksamer gestalten?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Nach den Informationen, die wir haben - es sind verhältnismäßig umfassende Berichte, die von den verschiedenen Organisationen gegeben werden -, glauben wir, daß an sich das, was unter den gegebenen Umständen möglich ist, auf die bestmögliche Weise geleistet wird. Natürlich gibt es unverändert das schwierige Problem des Zugangs zur ostnigerianischen Region. Aber das ist eine Tatsache, auf die die Bundesregierung bzw. die beteiligten Organisationen keinen unmittelbaren Einfluß haben, weil es hier um die Mitwirkung beider Seiten geht. Diese ist sehr schwierig, weil beide Seiten sehr unterschiedliche Vorstellungen haben.
Präsident von Hassel: Zur zweiten Zusatzfrage Herr Abgeordneter von Gemmingen.
Herr Staatssekretär, meinen Sie nicht, daß es sinnvoller und vor allen Dingen effektiver wäre, wenn wir wegen der beginnenden Regenzeit jetzt auf dem allerschnellsten Wege Produktionsmittel wie Saatgut, Düngemittel, Schädlingsbekämpfungsmittel und Geräte einflögen?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Das ist eine wichtige Anregung, die zu überprüfen wäre.
Präsident von Hassel: Ich rufe die Frage 121 des Abgeordneten Rollmann auf. - Der Abgeordnete Rollmann ist nicht im Saal. Die Frage wird schriftlich beantwortet.
Ich rufe die Frage 122 der Abgeordneten Frau Holzmeister auf:
Ist die Bundesregierung bereit, Auskunft zu geben über die Zahl der nichtbeamteten Mitarbeiter im Auswärtigen Dienst, die seit dem 1. Januar 1967 in das Auswärtige Amt übernommen wurden?
Herr Staatssekretär!
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Das Auswärtige Amt hat seit dem 1. Januar 1967 216 Angestellte einberufen. Davon ist die Mehrzahl im Schreibdienst tätig.
Präsident von Hassel: Zu einer Zusatzfrage Frau Abgeordnete Holzmeister.
Herr Staatssekretär, können Sie Verbände nennen, die bei der Stellenbesetzung in besonderem Umfang Einfluß nehmen?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Das ist eigentlich Ihre Frage 123, Frau Kollegin, Aber ich bin gern bereit, sie gleich zu beantworten.
Präsident von Hassel: Ich rufe dann die Frage 123 der Abgeordneten Frau Holzmeister auf:
Trifft es zu, daß bestimmte Verbände Einfluß auf. die Stellenbesetzung an den deutschen Botschaften nehmen oder genommen haben?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Es gibt keine Verbände, die einen besonderen Einfluß auf die Stellenbesetzung nehmen.
Präsident von Hassel: Keine Zusatzfrage.
Ich rufe die Fragen 124 und 125 des Abgeordneten Josten auf:
Welche neuen Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, um
zur Beendigung des Kamptes in Ost-Nigeria beizutragen?
Wie weil sind die Verhandlungen zwischen den beteiligten Ressorts über die Hilfsmaßnahmen der Bundesregierung in diesem Jahr betr. humanitäre Hilfe für Nigeria Biafra gediehen?
Die Fragen werden im Einverständnis mit dem Fragesteller schriftlich beantwortet. Die Antwort liegt noch nicht vor. Sie wird nach Eingang im Sitzungsbericht abgedruckt.
Ich rufe die Fragen 126 und 127 der Abgeordneten Frau Herklotz auf. Ist die Fragestellerin im Saal? Das ist nicht der Fall. Die beiden Fragen werden schriftlich beantwortet.
Ich rufe die Frage 128 des Abgeordneten Dr. Schulz ({0}) auf. Ist der Fragesteller im Saal? - Das ist nicht der Fall. Die Frage wird schriftlich beantwortet.
Ich danke, Herr Staatssekretär, für die Beantwortung.
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung. Zunächst rufe ich die Frage 5 des Abgeordneten Schmitt-Vockenhausen auf. Ist der Fragesteller im Saal? Das ist nicht der Fall. Die Frage wird schriftlich beantwortet.
Ich rufe die Frage 6 des Abgeordneten Porsch auf:
Können Rückstellungsgesuche von Reservisten für Wehrübungen, bis zum Ende eines mehrwöchigen beruflichen Fortbildungslehrganges berücksichtigt werden, wenn diese Lehrgänge nur in größeren Zeitabständen, z. B. erst nach einem Jahr, wieder abgehalten werden?
Ist der Abgeordnete im Saal? - Die Frage wird vom Abgeordneten Schultz ({1}) übernommen. Zur Beantwortung Herr Staatssekretär von Hase.
von Hase, Staatssekretär des Bundesministeriums der Verteidigung: Für die Entscheidung, ob Zurückstellungsanträgen Wehrpflichtiger wegen beStaatssekretär von Hase
ruflicher Gründe entsprochen werden kann, ist § 12 Abs. 4 des Wehrpflichtgesetzes maßgebend. Nach dieser Vorschrift kann im Einzelfall die Einberufung zu einer Wehrübung eine besondere Härte bedeuten, wenn sie den Besuch eines Fortbildungslehrgangs, der erst nach einem längeren Zeitabschnitt wiederholt wird, verhindern würde und dadurch dem Wehrpflichtigen anderweitig nicht auszugleichende Nachteile entstehen.
Präsident von Hassel: Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Schultz.
Herr Staatssekretär, wird nach dieser, von Ihnen eben dargestellten Überlegung auch praktisch verfahren, und hat das Verteidigungsministerium Möglichkeiten der Einflußnahme, wenn nicht so verfahren wird? Die Dinge werden ja doch meistens bei den Kreiswehrersatzämtern erledigt.
von Hase, Staatssekretär des Bundesministeriums der Verteidigung: Zum ersten Abschnitt der Frage darf ich sagen, daß im allgemeinen nach dieser Regel verfahren wird. Selbstverständlich läßt sie eine gewisse Auslegung im Rahmen des Einzelfalls je nach den Umständen zu. Es ist eine Kann-Vorschrift.
Zweitens. Sollte ein Fall zur Kenntnis des Verteidigungsministeriums kommen, der einer Überprüfung bedarf, so wird diese über die Kreiswehrersatzämter veranlaßt.
Präsident von Hassel: Keine weitere Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 7 des Abgeordneten Dr. Nann auf:
Beabsichtigt das Bundesverteidigungsministerium auf Grund eines Ansuchens des Zweckverbands Hallenbad Crailsheim an die Wehrbereichsverwaltung V vom 20. Februar 1969, sich an den Kosten des Bauvorhabens zu beteiligen?
Ist der Abgeordnete Dr. Nann im Saal? - Zur Beantwortung der Herr Staatssekretär.
von Hase, Staatssekretär des Bundesministeriums der Verteidigung: Da der Antrag des Zweckverbandes erst am 24. Februar 1969 bei der Wehrbereichsverwaltung eingegangen ist, bitte ich um Verständnis, daß die Untersuchungen darüber, ob sich der Bund an den Kosten für den Bau eines Hallenbades in Crailsheim beteiligen kann, noch nicht abgeschlossen sind. Deshalb läßt sich Ihre Frage noch nicht abschlieliend beantworten. Ich möchte aber hinzufügen, daß der Bundesminister der Verteidigung sich der Bedeutung eines solchen Hallenbades für die Sportausbildung der Garnisonen Crailsheim und Ellwangen bewußt ist.
Präsident von Hassel: Keine Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage Nr. 8 des Herrn Abgeordneten Dr. Kreutzmann auf:
Erachtet die Bundesregierung die Einrichtung eines Hubschraubersanitätsdienstes für die Bundeswehr als notwendig?
Ist der Abgeordnete im Saal? - Zur Beantwortung der Herr Staatssekretär.
von Hase, Staatssekretär des Bundesministeriums der Verteidigung: Die Erfahrungen des letzten Krieges und insbesondere die in Korea und zur Zeit in Vietnam haben die Zweckmäßigkeit und absolute Notwendigkeit eines Lufttransportes von Verwundeten eindeutig erwiesen. Als Transportmittel kommt vor allem der Hubschrauber in Frage.
Im Frieden wird ein Hubschraubereinsatz für den Transport Verletzter und Kranker durch das Lufttransportkommando gesteuert und von Such- und Rettungseinheiten der Luftwaffe sowie von Heeresfliegereinheiten durchgeführt.
Präsident von Hassel: Keine Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 9 des Abgeordneten Dr. Kreutzmann auf:
Welche Möglichkeit sieht die Bundesregierung, einen Hubschraubersanilätsdienst für die Bundeswehr einzurichten?
Im Rahmen der Neuplanung des Heeres wird geprüft, ob Hubschrauber der Heeresfliegertruppe, die im Frieden Ausbildungszwecken dienen, im Kriege als Sanitätshubschrauber eingesetzt werden können. Außerdem ist grundsätzlich vorgesehen, leer zurückfliegende Hubschrauber als Transportmittel für Verwundete einzusetzen.
Präsident von Hassel: Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Schultz ({0}).
Herr Staatssekretär, in der Fragestunde ist hier einmal mitgeteilt worden, daß bei Verkehrsunfällen durch gute Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Verkehrsunfallstellen und der Bundeswehr ein schneller Abtransport von Verletzten ermöglicht werden könnte. Diese Frage war gestellt worden, weil die Zusammenarbeit noch nicht entsprechend funktioniert hatte. Ist das nun in Ordnung? Ist die Zusammenarbeit zwischen militärischem Bereich und zivilen Dienststellen jetzt für den Frieden für derartige Fälle geregelt?
von Hase, Staatssekretär des Bundesministeriums der Verteidigung: Herr Abgeordneter, auf Grund der damaligen Frage sind Besprechungen aufgenommen worden, und es sind Verbesserungen eingeführt worden. Ich möchte mir aber eine abschließende Beantwortung Ihrer Frage noch vorbehalten, bevor ich mich mit diesem Komplex noch einmal eingehend beschäftigt habe. Er gehörte nicht unmittelbar zu dieser Frage.
Präsident von Hassel: Keine weitere Zusatzfrage.
Präsident von Hassel
) Ich rufe die Frage 10 des Abgeordneten Dröscher auf - der Herr Abgeordnete ist im Saal -:
Welche Überlegungen haben die Bundesregierung veranlaßt, die geltenden Einberufungsanordnungen des Bundesverteidigungsministers, wonach Söhne von Kriegsgefallenen und Schwerbeschädigten bei der Einberufung begünstigt werden, so abzuändern, daß Wehrpflichtigen, denen 1968 mitgeteilt worden war, daß sie zum Wehrdienst auf Grund dieser Anordnung nicht einberufen werden, nun im März 1969 von demselben Wehrersatzamt mitgeteilt wird, daß sie demnächst zum Wehrdienst einberufen werden?
Der Bundesminister der Verteidigung hat keine Anordnung getroffen, Söhne von Schwerkriegsbeschädigten und Kriegerwitwen nunmehr zum Wehrdienst heranzuziehen, wenn ihnen früher eine gegenteilige Zusage gemacht worden ist. Falls ein Kreiswehrersatzamt eine abweichende Entscheidung getroffen haben sollte, ist diese unzutreffend.
Die Wehrersatzbehörden sind vom Bundesministerium der Verteidigung lediglich darauf hingewiesen worden, in jedem Einzelfall zu prüfen, ob die Einberufung zum Grundwehrdienst von Söhnen von Schwerkriegsbeschädigten und Kriegerwitwen eine besondere Härte im Sinne des § 12 Abs. 4 des Wehrpflichtgesetzes bedeuten würde. Mit Rücksicht auf die früher günstigere Wehrersatzlage konnte von der Prüfung des Einzelfalles zugunsten einer generellen Zurückstellung solcher Fälle bisher abgesehen werden. Es bleibt aber auch jetzt bei der Regel, daß als besondere Härte stets anerkannt wird, wenn der schwerkriegsbeschädigte Vater oder
die Kriegerwitwe nicht ohne die Hilfe und Stütze des Sohnes, der zur Einberufung heransteht, auskommen kann.
Präsident von Hassel: Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Dröscher.
Herr Staatssekretär, ist es also richtig, wenn ich Ihrer Antwort entnehme, daß aus der früheren generellen Zurückstellung dieser Leute nun nicht umgekehrt eine generelle Einberufung werden kann?
von Hase, Staatssekretär des Bundesministerium der Verteidigung: Das ist absolut richtig, Herr Abgeordneter.
Präsident von Hassel: Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dröscher.
Sind Sie bereit, Herr Staatssekretär, die Wehrersatzdienststellen im Sinne der ursprünglichen Verfügung darauf aufmerksam zu machen, daß bei der Überprüfung der entsprechende, ich möchte sagen, großzügige Maßstab auch angelegt wird angesichts der Tatsache, daß ohnehin nur ein Prozentsatz der Wehrpflichtigen - etwa die Hälfte - einberufen wird?
von Hase, Staatssekretär des Bundesministeriums der Verteidigung: Ich darf darauf hinweisen,
Herr Abgeordneter, daß sich diese von Ihnen geschilderte Wehrersatzlage in der Zukunft einmal wegen der heraufgesetzten flexiblen Umfangzahl der Bundeswehr, aber auch aus anderen Gründen etwas verändern wird. Trotzdem kann Ihrem Vorschlag entsprochen werden. Wir werden die Wehrersatzämter anweisen, in dem Sinne zu verfahren, wie ich es Ihnen auch im letzten Satz meiner Fragebeantwortung angedeutet habe, daß also in jedem Fall, wenn ein Härtefall besteht, dem Anliegen entsprochen wird und der entsprechende Wehrpflichtige zurückgestellt wird.
Präsident von Hassel: Zu einer weiteren Zusatzfrage Herr Abgeordneter Haase ({0}).
Herr Staatssekretär, wären Sie bereit, bei Söhnen von Schwerstkriegsbeschädigten mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mehr als 80% auf die Prüfung der Hilfsbedürftigkeit zu verzichten?
von Hase, Staatssekretär des Bundesministeriums der Verteidigung: Ich beantworte diese Frage mit Ja.
Präsident von Hassel: Keine weitere Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 11 des Abgeordneten Dröscher auf:
Hält die Bundesregierung die in der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte zum Ausdruck kommende Ansicht, daß die in vielen Ländern der Bundesrepublik Deutschland bestehenden Verwaltungs- und Wirtschaftsakademien nicht der Berufsausbildung, sondern nur der beruflichen Fortbildung dienen und deshalb den besonderen Schutz des § 12 Abs. 4 Nr. 3 des Wehrpflichtgesetzes zu versagen, für richtig?
Zur Beantwortung Herr Staatssekretär von Hase.
von Hase, Staatssekretär des Bundesministeriums der Verteidigung: Die hier in Betracht kommende Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte bezieht sich auf ein Studium an Verwaltungs- und Wirtschaftsakademien, das nur nebenberuflich in Abendkursen durchgeführt wird. In den entschiedenen Fällen hatten die Teilnehmer bereits eine abgeschlossene Berufsausbildung hinter sich, deren möglichst ungestörte Beendigung § 12 Abs. 4 Nr. 3 des Wehrpflichtgesetzes sicherstellen soll. Diese Vorschrift will dagegen nicht die berufliche Weiterbildung fördern. Die Verwaltungsgerichte haben daher mit Recht berufsfördernde Kurse an Verwaltungs- und Wirtschaftsakademien nicht als einen die Zurückstellung rechtfertigenden Ausbildungsabschnitt angesehen. Eine Änderung des Wehrpflichtgesetzes mit dem Ziel, auch berufsfördernde Maßnahmen in die Zurückstellungsvorschriften einzubeziehen, würde wegen der Vielzahl der Fälle zu nicht absehbaren Weiterungen führen.
Präsident von Hassel: Einige Fragen aus dem Bereich des Finanzministeriums werden vom Verteidigungsministerium übernommen; sie müssen jetzt mit beantwortet werden. Es handelt sich um die Fragen 80, 81 und 82 des Abgeordneten Collet,
Präsident von Hassel
der aber nicht im Saale ist. Die Fragen werden schriftlich beantwortet.
Ich danke dem Herrn Staatssekretär des Bundesverteidigungsministeriums für die Beantwortung.
Ich rufe jetzt die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr auf. Die Fragen 12, 13 und 14 stellt der Abgeordnete Dr. Jahn ({0}) :
Welche Ausbauplanung im Straßenverkehrsnetz hat die Bundesregierung im Raum Braunschweig-Wolfsburg-SalzgitterPeine?
Ist die Bundesregierung bereit, den Unterschied zwischen „direkte Weisung" und „Mitteilungen" an die obersten Straßenbaubehörden ({1}) mit Brieftext des Bundesverkehrsministers St. B. 4/Bs/4036 W 68 ,. . . ich habe daher im Oktober 1967 die obersten Straßenbaubehörden der Länder „angewiesen", keine weiteren Rastplätze mehr nach ostdeutschen Städten zu benennen auszudeuten?
Hält die Bundesregierung diese Weisung des Bundesverkehrsministers gegenüber den Heimatvertriebenen und Flüchtlingen, d. h. gegenüber einem Fünftel der Bevölkerung, für vertretbar?
Der Abgeordnete hat sich mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt. Die Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs des Bundesministers für Verkehr vom 26. März 1969 lautet:
Die im Zonenrandgebiet Braunschweig-Wolfsburg-SalzgitterPeine vorhandenen, noch überwiegend 2spurigen Bundesstraßen 1, 4, 214, 248 und 490 haben teilweise Verkehrsbelastungen, die einen baldigen Ausbau der 4 Fahrspuren erforderlich machen. Diesen Verkehrsbelastungen, die infolge der fortschreitenden Motorisierung und der weiteren Industrialisierung in diesem Raum noch zunehmen werden, hat die Bundesregierung bereits in den vergangenen Jahren durch langfristige - z. T. schon verwirklichte - Planungen im J. Ausbauplan für die Bundesfernstraßen ({2})" Rechnung getragen. Die Fortsetzung dieser Planungen und ihre Durchführung in Anpassung an die skizzierte Entwicklung ist im „.2. Ausbauplan ({3})" vorgesehen. Im einzelnen handelt es sich um folgendes:
1. Vierspuriger Ausbau der B 1 zwischen Vechelde und Braunschweig mit Anschluß an die westliche Ortsumgehung Braunschweig;
2. Fertigstellung der westlichen Ortsumgehung Braunschweig im Zuge der B 4 bis zur Bundesautobahn-Anschlußstelle Braunschweig-Nord;
3. Vierspuriger Ausbau bzw. Verlegung der B 4 zwischen der Bundesautobahn-Anschlußstelle Braunschweig-Nord und der ins November 1968 fertiggestellten Ortsumgehung Gifhorn;
4. Vierspuriger Ausbau der B 4 zwischen Braunschweig und Wolfenbüttel;
5. Bau der Ortsumgehung Wolfenbüttel im Zuge der B 4;
6. Ausbau der B 214 zwischen der Bundesautobahn-Anschlußstelle Braunschweig-West und Braunschweig mit Anschluß an die westliche Ortsumgehung Braunschweig;
7. Vierspuriger Ausbau bzw. Verlegung der B 248 im Raume Fallersleben-Wolfsburg sowie zwischen Nörse und Braunschweig;
8. Vierspuriger Ausbau der B 490 zwischen BraunschweigRüningen und dem Autobahndreieck Salzgitter bei Wartjenstedt;
9. Südliche Ortsumgehung Peine im Zuge der B 65;
10. Westliche Teilortumgehung Peine im Zuge der B 444.
Außerdem laufen zur Zeit - u. a. auch im Zusammenhang mit dem neuen Volkswagen-Zweigwerk in Salzgitter-Beddingen - Untersuchungen über die Möglichkeiten einer östlichen Ortsumgehung Braunschweig im Zuge der B 248. Wegen einer Bundesautobahn Lübeck-Lüneburg-Wolfsburg-Braunschweig-Seesen ({4}) verweise ich auf die Ihnen in der Fragestunde am 26. Februar 1969 zu Frage 9 gegebene Antwort.
Das an die obersten Straßenbahnbaubehörden am 13. 10. 1967 ergangene Schreiben betreffend Benennung von Rastplätzen an Bundesautobahnen nach Namen ostdeutscher Städte enthält folgende Formulierung: „Da nunmehr an den meisten Strecken Rastplätze entsprechend benannt sind, kann von weiteren Benennungen abgesehen werden". Eine direkte Weisung, keine Rastplätze in der Zukunft mehr entsprechend zu benennen, ist in dem Schreiben damit nicht gegeben.
Das von Ihnen angezogene Schreiben StB 4 - Bs - 4036 W 68 begründet, daß einer solchen Benennungsaktion von ihrem Umfang her auch gewisse Grenzen gesetzt sind, die sich aus der notwendigen Einpassung in das System der Wegweisung ergeben. Ich gebe zu, daß die Formulierung des letzten Absatzes dieses Schreibens nicht wörtlich dem Text des oben genannten Schreibens an die obersten Straßenbaubehörden der Länder entspricht. Der Kern der Aussage, nämlich meine Einstellung zu diesem Problem, ist jedoch jeweils der gleiche.
Nach Auffassung der Bundesregierung ist der Umfang der l inzwischen vorgenommenen Benennung von Rastplätzen an Bundesautobahnen nach ostdeutschen Städten geeignet, auch bei Fahrten über die Bundesautobahnen die Erinnerung an ostdeutsche Städte wachzuhalten. Dieses berechtigte Interesse ist jedoch mit dem Erfordernis abzuwägen, dem Kraftfahrer auf der Autobahn ortsbezogene Orientierungshilfen zu ermöglichen, zumal erfahrungsgemäß die Verkehrsteilnehmer vornehmlich dazu neigen, eine gedankliche Verbindung zur umgebenden Landschaft herzustellen. Dieser wichtige Gesichtspunkt der Wegweisung kann nicht unberücksichtigt bleiben.
Den Interessen der Heimatvertriebenen und Flüchtlingen gegenüber glaubt die Bundesregierung mit der Aktion und ihrem Umfang angemessen entgegengekommen zu sein.
Ich rufe dann die Frage 15 des Abgeordneten Reichmann auf:
Ist es zutreffend, daß der Führerschein Klasse 2 b sowohl zum Führen eines Pkw als auch eines Ackerschleppers mit einer Geschwindigkeitsbegrenzung von über 20 km/st berechtigt?
Sie wird vom Abgeordneten Dr. Imle übernommen. Zur Beantwortung der Parlamentarische Staatssekretär des Verkehrsministeriums, Herr Börner.
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr: Herr Präsident, wegen des Sachzusammenhangs bitte ich, die beiden Fragen des Herrn Kollegen Reichmann gemeinsam beantworten zu dürfen.
Präsident von Hassel: Keine Bedenken. Dann rufe ich noch die Frage 16 des Abgeordneten Reichmann auf:
Ist die Bundesregierung bereit, der modernen technischen Entwicklung der Landwirtschaft dadurch Rechnung zu tragen, daß die Ausnahmeregelungen nach der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung von der jetzigen Geschwindigkeitsbegrenzung von 20 km/st auf 28 km st angehoben wird, entsprechend den Geschwindigkeitsgängen der modernen Ackerschlepper?
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr: Herr Kollege, wer einen Ackerschlepper mit einer durch die Bauart bestimmten Höchstgeschwindigkeit von mehr als 20 km in der Stunde zusammen mit Anhängern, die mehr als eine Achse besitzen, fahren will, braucht die Fahrerlaubnis der Klasse 2. Mit dieser Fahrerlaubnis können auch Personenkraftwagen gefahren werden. Ist die durch die Bauart bestimmte Höchstgeschwindigkeit dagegen auf 20 km in der Stunde begrenzt, reicht die Fahrerlaubnis der Klasse 4.
Die Bundesregierung begrüßt die moderne technische Entwicklung der Landwirtschaft. Sie sieht jedoch keinen Zusammenhang zwischen der Entwicklung der Landwirtschaft und den Anforderungen, die an die Bewerber um eine Fahrerlaubnis gestellt werden müssen. Wer eine schnellere landwirtschaftliche Zugmaschine fahren will, soll dies tun. Er muß dann aber die hierfür notwendige Fahrerlaubnis besitzen. Die Entwicklung des modernen Verkehrs verlangt eher eine Erhöhung der Anforderungen, die an die Inhaber von Fahrerlaubnissen zu stellen sind. Eine Sonderregelung zugunsten der Landwirtschaft wäre hiermit aus Gründen der Verkehrssicherheit nicht zu vereinbaren.
Präsident von Hassel: Keine Zusatzfrage.
Präsident von Hassel
Ich rufe die Frage 17 des Abgeordneten Kulawig auf:
Ist die Bundesregierung bereit, über die Einrichtung eines Mittelwellenfunkfeuers hinaus alle betrieblichen, technischen, bautechnischen und personellen Maßnahmen, die für die Einrichtung einer Flugsicherung und für den Flugsicherungsausbau des Flughafens Saarbrücken-Ensheim für den Allwetterflugbetrieb nach Betriebsstufe I erforderlich sind, baldmöglichst durchzuführen und den Anschluß des Flughafens an das Streckennetz der Flugsicherung zu gewährleisten?
Ist der Abgeordnete im Saal? - Er ist anwesend. Zur Beantwortung Herr Staatssekretär Börner.
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr: Herr Kollege, die Bundesregierung hat in ihrem Verkehrspolitischen Programm für die Jahre 1968 bis 1972 die schwerpunktmäßige Förderung einiger dort namentlich genannter Flughäfen vorgesehen. Der Flughafen Saarbrücken-Ensheim gehört nicht dazu. Auch im langfristigen Ausbauprogramm der Flugsicherung ist Saarbrücken nicht enthalten.
Der Bundesanstalt für Flugsicherung stehen daher weder im laufenden Haushaltsjahr noch im Jahre 1970 Haushaltsmittel für die Einrichtung einer Flugsicherung und für den Flugsicherungsausbau des Flughafens Saarbrücken für den Allwetterflugbetrieb nach Betriebsstufe I zur Verfügung. Die Bundesregierung vermag daher die gewünschten Maßnahmen nicht kurzfristig durchzuführen.
Präsident von Hassel: Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Kulawig.
Sie sagten „kurzfristig", Herr Staatssekretär. Besteht die Aussicht, daß mittelfristig eine Änderung der ablehnenden Einstellung der Bundesregierung erreicht werden kann?
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr: Herr Kollege, das wird von Entscheidungen des Hohen Hauses bzw. des nächsten Bundestages über finanzpolitische Maßnahmen der siebziger Jahre abhängen, die ich heute noch nicht übersehen kann.
Präsident von Hassel: Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Kulawig.
Zum derzeitigen Zeitpunkt besteht also für die Bundesregierung keine Möglichkeit, darauf hinzuwirken, daß ein verbesserter Flugbetrieb über den Flughafen Ensheim möglich wird.
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr: Herr Kollege, die jetzige Bedienung des Flughafens Saarbrücken-Ensheim steht in engem Zusammenhang mit der partnerschaftlichen Zusammenarbeit der verschiedenen verbündeten Streitkräfte im dortigen Raum, die auch bisher geholfen haben, daß der Flughafen SaarbrückenEnsheim im Rahmen der gegebenen Möglichkeiten angeflogen werden konnte. Ich bin sicher, daß eine solche Möglichkeit auch in Zukunft bestehen wird.
({0})
Präsident von Hassel: Herr Abgeordneter, Sie haben zu dieser Frage keine weitere Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 18 des Abgeordneten Kulawig
auf:
Ist die Bundesregierung der Ansicht, daß als Einrichtung der Anflug- und Platzverkchrskontrollstelle eine kombinierte Kontrolleinheit für konventionelle Kontrolle mit Flugsicherungskontrolldienst, Flugsicherungsberatungsdienst, Flugsicherungsfernmeldedienst, flugsicherungstechnischem Dienst, Verwaltung, Leitung und für einen vierzehnstündigen Betrieb ausreichend ist?
Zur Beantwortung der Herr Staatssekretär.
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr: Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß sich der Umfang der erforderlichen Flugsicherungsdienste, -einrichtungen und -anlagen sowie ihre Betriebsdauer erst ermitteln läßt, wenn der Zeitpunkt für die Durchführung dieser Maßnahmen erkennbar ist.
Präsident von Hassel: Zu einer Zusatzfrage wird das Wort nicht gewünscht.
Ich rufe die Frage 19 des Abgeordneten Kulawig auf:
Wird die Bundesregierung die aus den Fragen 17 und 18 sich ergebenden Kosten für Navigationsanlagen, Nachrichtenanlagen, FS-Einrichtungen für den Betrieb, Leitungsmieten end Personalkosten übernehmen und für die Bereitstellung der erforderlichen Mittel im Bundeshaushaltsplan 1970 eintreten?
Herr Staatssekretär!
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr: Herr Kollege, eine Möglichkeit, die Einrichtung einer Flugsicherung und den Flugsicherungsausbau am Flughafen Saarbrükken einzuplanen, ergibt sich erst bei der Überarbeitung des langfristigen Ausbauprogramms der Flugsicherung bis 1975; hierbei müssen allerdings die Überlegungen der Wegekostendeckung im Luftverkehr beachtet werden, wie sie im Verkehrspolitischen Programm der Bundesregierung enthalten sind.
Die Bundesregierung sieht daher keine Möglichkeit, für die Bereitstellung von Mitteln im Haushaltsplan 1970 für die Flugsicherung in Saarbrücken einzutreten.
Präsident von Hassel: Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Kulawig.
Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung der Auffassung, daß dem Ausbau des Flughafens Ensheim für die Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur des Saarlandes eine größere Bedeutung zukommt, als aus Ihren heutigen Antworten auf meine Fragen herauszuhören ist?
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr: Herr Kollege, Sie wissen, daß die Bundesregierung bemüht ist, die strukturelle Lage des Saarlandes und seine Probleme durch erhebliche Investitionen von öffentlichen Mitteln auszugleichen. Sie wissen, daß die Bundesregierung dazu in den vergangenen zwei Jahren - und auch in letzter Zeit wieder - Beschlüsse gefaßt hat, die eine sehr große Summe von Haushaltsmitteln
Parlamentarischer Staatssekretär Börner
für die Zukunft binden. Sie können davon ausgehen, daß die Bundesregierung alles tun wird, um die strukturellen Nachteile des Saarlandes auszugleichen.
Bei dem hier von Ihnen angeschnittenen Problem des Flughafens handelt es sich allerdings um eine Sache, die hinsichtlich ihrer Priorität gegenüber anderen Maßnahmen sicher noch weiterer Gespräche zwischen der Bundesregierung und der Regierung des Saarlandes bedarf.
Präsident von Hassel: Zu einer weiteren Zusatzfrage Herr Abgeordneter Kulawig.
Die Bundesregierung hält es also für möglich, daß die Einrichtung eines Allwetterflugbetriebs für den Flughafen Ensheim auch zu den zu fördernden strukturverbessernden Maßnahmen im Saarland gehören kann.
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr: Ich würde meinen, daß es Aufgabe der Regierung des Saarlandes ist zu entscheiden, welche der vielen Maßnahmen, die nötig sind, um die Struktur ,des Saarlandes zu verbessern, hier eine gewisse Priorität genießen. Ich habe darauf hingewiesen, daß ja bei uns langfristig durchaus die Möglichkeit besteht, die gegenwärtigen Hemmnisse zu überwinden, und ich weise auch darauf hin, daß die Bundesregierung gegenüber bestimmten Sofortmaßnahmen in der Vergangenheit und in der Gegenwart eine sehr wohwollende Haltung eingenommen hat. Ich bin ,aber nicht bereit, von den Schwerpunkten abzuweichen, die das Verkehrspolitische Programm in der Frage der Flugsicherung und der Frage des Flughafenausbaus gesetzt hat.
Präsident von Hassel: Keine weitere Zusatzfrage. Ich rufe die Frage 20 des Abgeordneten Dr. Hauser ({0}) auf. - Ich sehe den Herrn Abgeordneten nicht im Saal. Die Frage wird schriftlich beantwortet.
Ich rufe die Frage 21 des Abgeordneten Baier auf:
Ist der Bundesverkehrsminister nach Berücksichtigung der Ergebnisse der bisherigen Verteilung der Bundeszuwendungen zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse in den Gemeinden, wonach infolge der Bagatellgrenze von 500 000 DM dringende Ververkehrsausbauten in mittleren und kleineren Gemeinden in keiner vergleichbaren Weise berücksichtigt wurden, bereit, hei der 1969 bevorstehenden Verlängerung der Richtlinien die Bagatellgrenze von 500 000 DM herabzusetzen?
Zur Beantwortung Herr Staatssekretär.
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr: Herr Kollege, die Frage der Fortführung der „Richtlinien für Bundeszuwendungen zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse in den Gemeinden" nach Ablauf ihrer Geltungsdauer am 31. 12. 1969 hängt eng mit den Ergebnissen der Finanzreform zusammen. Ich bin zusammen mit den Verkehrsministern der Länder der Meinung, daß die Geltungsdauer der derzeitigen Richtlinien vorerst unabhängig von der Finanzreform um ein Jahr verlängert werden sollte. Eine grundlegende Neuberatung steht also erst im Laufe des Jahres 1970 an.
Die bisherigen Erfahrungen und die finanziellen Auswirkungen der Finanzreform auf die den Gemeinden zur Verfügung stehende Finanzmasse werden bei der Neuberatung zu berücksichtigen sein. Dabei wird auch die Frage der Bagatellgrenze zu behandeln sein.
Präsident von Hassel: Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Baier.
Herr Staatssekretär, nachdem Sie es in diesem Jahr im Gegensatz zum Vorjahr unterlassen haben, die Zuwendungen aus dem Mineralölsteueraufkommen an kleinere und mittlere Gemeinden sowie Großstädte aufzugliedern, möchte ich Sie fragen: In welchem Verhältnis wurden im Haushaltsjahr 1968 diese Mittel an kleinere und mittlere Gemeinden bzw. an Großstädte vergeben?
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr: Herr Kollege Baier, es gibt darüber eine umfangreiche Statistik. Es ist auch nicht richtig, daß wir es in diesem Jahr unterlassen haben bzw., wie ich aus Ihrer Frage herauszuhören glaube, unterlassen würden, diese Statistik zu liefern. Wir sind bemüht, dies, so schnell es geht, zu tun. Wir sind dabei aber abhängig von den Ergebnissen der Statistik der Länder, die ja dieses Geld in unserem Auftrag verwalten und ausgeben. Ich sage Ihnen gern zu, alle verfügbaren Zahlen zur Verfügung zu stellen. Zur Zeit habe ich keine einzelnen Angaben zur Hand. Ich kann Ihnen aber sagen, daß die Disposition aus diesem Fonds von Land zu Land sehr unterschiedlich ist hinsichtlich der Größe der Gemeinden, die damit bedacht wurden.
Präsident von Hassel: Noch eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Baier.
Herr Staatssekretär, Ihren Ausführungen entnehme ich, daß Sie es vorerst bei den bisherigen Richtlinien belassen wollen, die die Begrenzung auf 500 000 DM vorsehen. Ich setze voraus, daß auch der Bundesverkehrsminister die Verkehrsausbauten in den kleineren und mittleren Gemeinden für dringend notwendig hält und gerade angesichts der Finanznot dieser kleineren und mittleren Gemeinde eine Finanzierung für notwendig ansieht. Da es bei dieser hohen Bagatellgrenze, die nun im dritten Jahr gelten wird, bekanntlich keine Chancen für die Projekte dieser kleinen und mittleren Gemeinden gibt, frage ich Sie: wie können denn nach Auffassung des Bundesverkehrsministers diese Verkehrsausbauten finanziert werden?
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr: Herr Kollege, der Bundesverkehrsminister würde sich freuen, wenn die Mittel, die für diesen Zweck zur Verfügung stehen, ausreichten, alle Wünsche, auch die der von Ihnen genannten Gemeinden, zu befriedigen. Aber das Problem ist vielschichtiger. Ich habe in meiner ersten Antwort darauf hingewiesen, daß die Art und
Parlamentarischer Staatssekretär Börner
Weise der Disposition eng mit der Finanzreform zusammenhängt. Im Rahmen der Besprechungen über die Finanzreform hat es Länder gegeben, die uns das Recht, solche Mittel überhaupt auszugeben und sie vom Bund für diesen Zweck einzusetzen, schlicht bestritten haben. Da sich die Finanzreform in einer sehr schwierigen Situation befindet, möchte ich mich heute darüber einer wertenden Bemerkung enthalten.
Die Verlängerung des gegenwärtigen Zustandes bei den Richtlinien ergibt sich einfach aus dieser ungeklärten Situation in der Diskussion über die Finanzreform und aus der Tatsache, daß dieser Bundestag im Herbst zu Ende geht und daß nach der Neuwahl des Parlaments diesem natürlich erst eine gewisse Anlaufzeit zugestanden werden muß. Ich glaube sicher zu sein, daß Sie mit mir der Meinung sind, daß es ungut wäre, wenn wir am 1. Januar kommenden Jahres praktisch einen durch Richtlinien nicht abgesicherten Zustand hinsichtlich der Vergabe dieser Mittel hätten.
Präsident von Hassel: Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe die Frage 22 des Herrn Abgeordneten Felder auf:
Kann die Bundesregierung mitteilen, warum im Gegensatz zu München im Hauptbahnhof Nürnberg immer noch eine Ausgangskontrolle besteht?
Herr Staatssekretär zur Beantwortung.
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr: Herr Kollege, im Kontrolldienst auf den Bahnhöfen München und Nürnberg besteht nach Mitteilung der Bundesbahn kein Unterschied. Auf beiden Bahnhöfen werden die Fahrausweise der ankommenden Reisenden nur zu gewissen Zeiten geprüft, während im übrigen die Ausgangssperren unbesetzt bleiben.
Präsident von Hassel: Eine Zusatzfrage.
Würden Sie bitte meine Frage bezüglich der Verhältnisse in Nürnberg doch nachprüfen. Denn nach meinen Wahrnehmungen - und zwar besteht in Nürnberg ein besonders starker Pendlerverkehr - ist die Ausgangssperre dauernd besetzt.
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr: Ich bin gern bereit, Ihrer Anregung nachzugehen, die Bundesbahn zum Bericht aufzufordern und Ihnen das Ergebnis zuzuleiten, Herr Kollege.
Präsident von Hassel: Keine weitere Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 23 des Herrn Abgeordneten Dr. Nann auf:
Bis zu welchem Zeitpunkt kann mit der Fertigstellung der Autobahnteilstrecke Schwabbach bis zur Bundesstraße 19 bei Hohebuch gerechnet werden?
Herr Staatssekretär zur Beantwortung.
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr: Ich wäre dankbar, Herr Präsident, wenn ich die beiden Fragen 23 und 24 zusammen beantworten könnte.
Präsident von Hassel: Keine Bedenken. Ich rufe also auch die Frage 24 des Herrn Abgeordneten Dr. Nann auf:
Sind schon Termine in Aussicht genommen, wann der Weiterbau dieser Strecke bis Crailsheim erfolgen soll?
Ich bitte, die beiden Fragen zusammen zu beantworten.
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr: Herr Kollege, mit der Fertigstellung und Inbetriebnahme der Teilstrecke Schwabbach-Bundesstraße 19 der Bundesautobahn-Neubaustrecke Weinsberg-Nürnberg ist im Jahre 1973 zu rechnen. Der Weiterbau in Richtung Crailsheim soll bereits 1971 anlaufen, so daß mit der Fertigstellung der gesamten Autobahnstrecke bis zur Landesgrenze mit Bayern 1975 gerechnet werden kann.
Präsident von Hassel: Eine Zusatzfrage? -Das ist nicht der Fall.
Ich rufe die Frage 25 des Herrn Abgeordneten Dr. Kreutzmann auf:
Trifft es zu, daß mit dem Bau der Autobahnlinie Köln-OlpeHersfeld bereits im Jahre 1971 begonnen werden kann?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr: Herr Kollege, auf der Bundesautobahnstrecke Köln-Olpe sind die Bauarbeiten im Gange. Am 20. September 1968 wurde bereits der Abschnitt zwischen Bensberg-Lustheide und Bensberg-Moitzfeld dem Verkehr übergeben. Die Fertigstellung der Strecke Köln-Olpe ist zum Ende des 1. Fünfjahresplanes ({0}) vorgesehen. Die Verlängerung über Olpe hinaus nach Nordhessen wird zur Zeit in einem Verkehrsgutachten untersucht. Aus diesem Grunde war es bisher nicht möglich, die Planung abzuschließen und die Bauentwürfe aufzustellen. Ein Baubeginn im Jahre 1971 ist allein schon aus diesem Grunde nicht möglich.
Präsident von Hassel: Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Kreutzmann.
Herr Staatssekretär, meinen Sie nicht, daß diese Autobahnverbindung dazu beitragen kann, dem hessischen Zonengrenzgebiet eine bessere Ost-West-Verbindung zu schaffen, und für das Zonengrenzgebiet und die an der Linie liegenden Ausbaugebiete zusätzliche Industrieansiedlungen ermöglichen kann?
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr: Herr Kollege, da ich die Verhältnisse Nordhessens sehr genau kenne, bin ich durchaus Ihrer Meinung. Ich darf nur darParlamentarischer Staatssekretär Börner
1 auf hinweisen, daß Planung und Finanzierung einer Autobahnteilstrecke im Mittelgebirge außerordentliche Probleme aufwirft. Ich würde mich mit Ihnen sehr freuen, wenn es gelänge, im Laufe der nächsten Jahre die entsprechenden planerischen Voraussetzungen, aber auch die finanziellen Voraussetzungen dafür sicherzustellen.
Präsident von Hassel: Keine weitere Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 26 des Abgeordneten Genscher auf:
Ist die Bundesregierung bereit, angesichts eines erneuten Selbstmordversuches en der 54 Meter hohen Blombachtalbrücke, der zum 17. Todessprung an dieser Stelle hätte werden können, endlich ein Schutzgitter an dieser Brücke anzubringen?
Zur Beantwortung, Herr Staatssekretär.
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr: Herr Kollege, die Gehwege der Blombachtalbrücke sind durch 1,10 m hohe Geländer ausreichend gesichert. Durch Anbringen zusätzlicher Gitter können Menschen, die entschlossen sind, Selbstmord zu begehen, nicht von einem solchen Schritt abgehalten werden.
Präsident von Hassel: Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Genscher.
Ist Ihnen nicht bekannt, daß an anderen Stellen - bei Türmen usw. - zusätzlich Gitter angebracht werden, um die Sogwirkung auf Lebensmüde zu vermindern, Herr Staatseskretär?
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr: Herr Kollege, solche Einrichtungen gibt es durchaus auf Türmen. Aber ich darf darauf hinweisen, daß keine der Brücken der Bundesautobahn eine solche Sicherung besitzt, weil die Autobahnen, wie Sie wissen, normalerweise eben nicht für den Fußgängerverkehr gebaut worden sind und die Brücken hinsichtlich Geländerausstattung dem Fahrverkehr und den Seitenwindverhältnissen angepaßt werden müssen, nicht aber dem Gesichtspunkt, den Sie angedeutet haben.
Präsident von Hassel: Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Ramms.
Herr Staatssekretär, sehen Sie keine Möglichkeit, Schutzfanggitter, genau wie sie bei Eisenbahnübergängen gegen die elektrischen Leitungen angebracht sind, auch an der Blombachtalbrücke anzubringen?
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr: Herr Kollege, eine solche Einrichtung würde eine ganze Reihe von Problemen aufwerfen, die auch im Zusammenhang mit der Fülle anderer, ähnlicher Brücken gesehen werden müssen.
Präsident von Hassel: Keine weitere Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 27 des Abgeordneten Rainer auf:
Hält es die Bundesregierung für möglich, daß der Parlamentarische Staatssekretär tin Bundesverkehrsministerium über die personelle Besetzung des Verkehrsausschusses unrichtige Auskünfte erteilt, wie dies einer Pressemeldung in der Straubinger Zeitung vom 17. März 1969, Seite 11, zu entnehmen war?
Herr Staatssekretär, zur Beantwortung.
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr: Herr Kollege, die Antwort lautet: Nein!
Präsident von Hassel: Keine Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 28 des Abgeordneten Ott auf. Ist der Herr Abgeordnete im Saal? - Das ist nicht der Fall. Die Frage wird schriftlich beantwortet; ebenfalls die Frage 29 des Abgeordneten Ott.
Ich rufe die Frage 30 des Abgeordneten Dr. Enders auf:
In welchem Umfang haben die Beschäftigten der Deutschen Bundesbahn den für 1968 zustehenden Jahresurlaub erhalten?
Zur Beantwortung Herr Staatssekretär.
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr: Herr Kollege, als Urlaubsjahr ist bei der Deutschen Bundesbahn der Zeitraum vom 1. April eines Jahres bis zum 31. März des folgenden Kalenderjahres festgesetzt. Im laufenden Urlaubsjahr 1968/69 wird der Erholungsurlaub für das Personal der Deutschen Bundesbahn zu 92 % abgewickelt werden.
Präsident von Hassel: Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr, Enders.
Herr Staatssekretär, teilen Sie die Meinung, daß die außergewöhnliche Belastung mancher Beschäftigten bei der Deutschen Bundesbahn - und das kann bei diesen restlichen 8% der Beschäftigten sein, die keinen Urlaub erhalten haben - aus gesundheitlichen Gründen nicht zu vertreten ist?
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr: Herr Kollege, ich wollte im Zusammenhang mit der Antwort auf Ihre nächste Frage darauf noch eingehen. Ich möchte aber über die Ursachen jetzt schon sagen, daß es nach unseren Feststellungen bzw. nach den Angaben der Bundesbahn drei Gründe gibt, die diese Situation geschaffen haben. Das sind einmal die Auswirkungen der Grippe-Epidemie, zweitens der unverhältnismäßig lange Winter, der einen verstärkten Personaleinsatz z. B. bei der Räumung von Strecken, beim Auftauen von Weichen usw. zur Folge hatte, und drittens auch eine begrüßenswerte Verkehrssteigerung der Deutschen Bundesbahn im Personen- und Güterverkehr in den letzten Monaten.
Präsident von Hassel: Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Enders.
Herr Staatssekretär, wird diese Situation bei der Deutschen Bundesbahn auf das verkehrspolitische Programm der Bundesregierung Auswirkungen haben, wonach etwa 80 000 Arbeitsplätze eingespart werden sollen?
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr: Nein, die Urlaubsregelung hat damit nichts zu tun, Herr Kollege.
Präsident von Hassel: Keine weitere Zusatzfrage. - Ich habe den Eindruck, daß wir bereits in der Beantwortung der Frage 31 sind. Die Zusatzfrage, die Sie stellten, geht eigentlich in Richtung auf die Frage 31. Wir haben nur die Frage 30 aufgerufen. Sind Sie damit einverstanden, daß wir beide noch nachträglich verbinden? Dann würden Sie nämlich nachher noch eine Zusatzfrage bekommen. - Ich rufe also die Frage 31 des Abgeordneten Dr. Enders auf:
Müssen personelle, arbeitsrechtliche oder gesundheitspolitische Konsequenzen gezogen werden, falls den Beschäftigten der Deutschen Bundesbahn der zurückliegende Jahresurlaub his zum 31. März 1969 nicht gewährt werden könnte?
Herr Staatssekretär, ist die Frage 31 mit Ihrer Zusatzbemerkung praktisch bereits beantwortet?
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr: Nein, noch nicht ganz.
Präsident von Hassel: Bitte, wollen Sie sie beantworten!
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr: Herr Kollege, besondere personelle, arbeitsrechtliche oder gesundheitspolitische Maßnahmen erscheinen nicht notwendig, da der Urlaubsrückstand bei Übertragung auf das Urlaubsjahr 1969/70 sehr bald und vorrangig abgewickelt werden wird.
Präsident von Hassel: Noch eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Enders.
Herr Staatssekretär, kann ich Ihrer Antwort entnehmen, daß in den Arbeitsbereichen der Bundesbahn, in denen kein Urlaub gewährt werden konnte, keine Reduzierung der Arbeitsplätze vorgenommen wird?
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr: Herr Kollege, das sind Fragen, ,die sehr in die Personalwirtschaft der Bundesbahn hineingehen, auf die der Bundesverkehrsminister nur sehr bedingt Einfluß hat. Ich würde Ihnen vorschlagen, daß ich Ihre Zusatzfrage an den Vorstand der Bundesbahn weiterleite und Ihnen schriftlich Antwort gebe, da sie innerbetrieblich Probleme aufwirft, die ich zur Zeit nicht übersehen kann.
Präsident von Hassel: Eine weitere Zusatzfrage vom Abgeordneten Rawe,
Herr Staatssekretär, ist es denn 'auch richtig, daß neben ,diesem uriabgewickelten Urlaub bei der Deutschen Bundesbahn noch recht viel Überstunden angefallen sind, die auch nicht ausgeglichen werden konnten, und worauf führen Sie das zurück?
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr: Ich nehme an, Herr Kollege, daß das die gleichen Ursachen hat, die ich vorher nannte: einmal eine Überbeanspruchung durch die Grippe-Epidemie, dann der unverhältnismäßig lange Winter, der natürlich auch der Bundesbahn gewisse Sorgen gemacht hat, und zum dritten die Steigerung des Verkehrsaufkommens, über die wir uns sehr freuen, die natürlich auch voraussetzt, daß hier bestimmte personelle Umdispositionen erfolgen.
Präsident von Hassel: Zu einer weiteren Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Rawe.
Herr Staatssekretär, können Sie uns sagen, wie groß der Überstundenanfall insgesamt ungefähr ist, der nicht auszugleichen ist?
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr: Das kann ich Ihnen nicht beantworten, weil uns die Deutsche Bundesbahn darüber noch nichts mitgeteilt hat. Ich bin aber gern bereit, Ihnen diese Frage schriftlich zu beantworten.
Präsident von Hassel: Keine weitere Zusatzfrage.
Ich rufe dann die Frage 32 des Abgeordneten Ramms auf:
Woran liegt es, daß z. B. das VW-Werk amerikanische Universitätskliniken finanziell unterstützen muß, um auf diese Weise zu konkreten Ergebnissen in der Unfallforschung zu kommen?
Ist der Abgeordnete im Saal? - Jawohl. Bitte schön, zur Beantwortung, Herr Staatssekretär.
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr: Herr Präsident, ich bitte, die beiden Fragen ebenfalls wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantworten zu dürfen, wenn Herr Kollege Ramms einverstanden ist.
Präsident von Hassel: Keine Bedenken; ich bitte, die beiden Fragen zusammen zu beantworten. Deshalb rufe ich auch die Frage 33 des Abgeordneten Ramms auf:
Sieht die Bundesregierung eine Möglichkeit, bei schweren Unfällen auch den Automobilfirmen an der Unfallstelle Untersuchungen zu gestatten, um die Klärung für tödliche Unfälle herbeizuführen, so daß die Unfallforschung für solche Unfälle nicht mehr ins Ausland ({0}) verlegt werden muß?
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr: Herr Kollege, die Entwicklung der Kraftfahrzeugtechnik vollzieht sich
Parlamentarischer Staatssekretär Börner
heute im internationalen Rahmen. Es ist daher nicht ungewöhnlich, wenn sich deutsche Automobilfirmen auch Forschungsergebnisse ausländischer Institute zunutze machen.
Der Bundesminister für Verkehr hat mit den zuständigen obersten Landesbehörden die Verwendung polizeilicher Unfallberichte für wissenschaftliche Forschungsvorhaben in der Sitzung des Straßenverkehrssicherheitsausschusses am 28. und. 29. Juni 1966 erörtert. Dabei wurde übereinstimmend festgestellt, daß Bedenken in dieser Hinsicht nicht bestehen, sofern sichergestellt wird, daß Angaben über die Person des Betroffenen nicht öffentlich bekanntwerden. Darüber hinaus können Forscher auch Gerichtsakten heranziehen, wie es bereits geschieht. Ob und inwieweit auch gestattet werden kann, daß Beauftragte von Automobilfirmen Untersuchungen unmittelbar an der Unfallstelle vornehmen, werde ich gemeinsam mit den zuständigen Bundes- und Landesbehörden prüfen.
Präsident von Hassel: Keine Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 34 des Abgeordneten Ramms auf:
Welche Schwierigkeiten sind beim Inkrafttreten des von der Bundesregierung angestrebten verlängerten Wochenendfahrverbots ab Freitag 15 Uhr für LKWs über 7,5 t für die Versorgung der Wirtschaft zu erwarten?
Herr Staatssekretär, bitte!
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr: Herr Kollege, die Bundesregierung erwartet von dem geplanten Wochenendfahrverbot für den schweren LKW keine Schwierigkeiten für die Versorgung der Wirtschaft, da für dringende Fälle Ausnahmegenehmigungen erteilt werden können und das Fahrverbot so rechtzeitig vorher bekanntgemacht wird, daß sich die Wirtschaft darauf einrichten kann.
Präsident von Hassel: Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Ramms.
Herr Staatssekretär, das Fahrverbot in den Spitzenzeiten des Berufsverkehrs schließt ja meine Frage mit ein: Sind Sie nicht der Meinung, daß in den freien Zeiten zwischen 9 Uhr und 14 Uhr gerade in den Städten der Versorgungsverkehr die Straße stärker belastet als bisher?
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr: Herr Kollege, die Verordnung, die der Bundesverkehrsminister vorschlägt, sieht eine Regelung zwischen Freitag, 15 Uhr, und Montag, 9 Uhr, vor. Sie beziehen sich auf Pressemitteilungen, die wahrscheinlich durch die Gespräche zwischen dem Bundesverkehrsminister und den Ländern schon überholt sind.
Präsident von Hassel: Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Ramms.
Sehen Sie bei dem Fahrverbot von Freitag, 15 Uhr, ab keine sozialen SchwierigKeiten für die Fahrer der Wagen, die, weil sie dann länger unterwegs sein werden, auch länger von zu Hause fortbleiben müssen?
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr: Die Fahrer werden nicht länger unterwegs sein; denn der betreffende Betrieb bzw. der Fahrer kann disponieren, da der Termin vorher ja bekannt ist. Die Erfahrungen mit der Durchführung des Sonntagsfahrverbots sprechen für die Erwartung, daß hier keine zusätzlichen Belastungen eintreten werden.
Präsident von Hassel: Ich rufe die Frage 35 des Abgeordneten Peters ({0}) auf:
Treffen Pressemeldungen zu, daß die Bundesbahndirektion Hamburg beabsichtigt, den Expreß- und Stückgutverkehr auf denn Bahnhof Bächen im Zonenrandkreis Herzogtum Lauenburg einzustellen?
Zur Beantwortung, Herr Staatssekretär.
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr: Herr Kollege, es ist nicht beabsichtigt, in Büchen den Expreßgutdienst einzustellen. Dagegen prüft die Bundesbahn, ob im Rahmen der Reorganisation des Stückgutdienstes in Lauenburg an der Elbe ein Knotenpunkt gebildet werden kann, von dem aus unter anderem auch der Ort Bächen im Haus-Haus-Verkehr auf der Straße bedient wird. Die Entscheidung der Bundesbahndirektion Hamburg steht noch aus.
Präsident von Hassel: Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Peters ({1}).
Herr Staatssekretär, wird die Bundesbahn in Rechnung stellen, daß im Grunde nicht Lauenburg, sondern Büchen Knotenpunkt der Eisenbahnlinien Lüneburg-Kiel und Hamburg-Berlin ist und daß Büchen nach der Landesplanung Mittelpunktgemeinde ist und aus diesem Grunde gefördert werden soll?
Präsident von Hassel: Bitte, Herr Staatssekretär!
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr: Herr Kollege, ich nehme an, daß diese Gesichtspunkte in den Gesprächen zwischen der Landesregierung und der Bundesbahndirektion Hamburg auch ihren Niederschlag finden werden. Ich darf aber darauf hinweisen, daß der Interzonenverkehr betriebsorganisatorisch von dieser Maßnahme überhaupt nicht berührt wird und daß die Deutsche Bundesbahn natürlich gehalten ist, ihre Abfertigungsdienste nicht nur nach der Lage der Gleiswege, sondern auch nach der Stärke des Verkehrsaufkommens einzurichten.
Präsident von Hassel: Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Peters ({0}).
Herr Staatssekretär, wird in Rechnung gestellt, daß die Entfernung von
Peters ({0})
Lauenburg bis Bächen 30 km beträgt und auch beim Stückgutverkehr eine erhebliche Schwierigkeit für die in Blichen ansässigen Firmen eintreten würde, zumal es gelungen ist, vier Betriebe mit 400 Beschäftigten dorthin zu bringen?
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr: Herr Kollege, ich habe feststellen lassen, daß der Versand und Empfang im Stückgutverkehr in Bächen heute verhältnismäßig schwach ist. Er liegt bei 34 Sendungen am Tag. Diese Sendungen können mühelos von der von mir vorhin zitierten Haus-Haus-Bedienung durch Lkw übernommen werden. Für den Kunden ergibt sich dadurch, weil es eine echte Haus-Haus-Verbindung ist, der Wagen also bis in die Fabrik fährt, im Grunde eine Erleichterung gegenüber dem heutigen Zustand.
Präsident von Hassel: Frage 36 des Abgeordneten Strohmayr:
Kann sich die Bundesregierung entschließen, Kraftfahrern auf Wunsch ein Duplikat ihres Kraftfahrzeugscheines auszustellen?
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr: Herr Präsident, auch hier wäre ich dankbar, wenn der Herr Kollege damit einverstanden wäre, daß ich seine beiden Fragen zusammen beantworte.
Präsident von Hassel: Keine Bedenken. Ich rufe auch die Frage 37 des Abgeordneten Strohmayr auf:
Teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß der Bußgeldkatalog eine solche Forderung verursacht hat?
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr: Herr Kollege, ob Zweitschriften von Kraftfahrzeugscheinen zugestanden werden können, ist zusammen mit den Ländern wiederholt geprüft worden. Die obersten Landesbehörden haben zutreffend darauf hingewiesen, daß vor allem erhebliche Schwierigkeiten und Verzögerungen bei der zwangsweisen Stillegung von Kraftfahrzeugen eintreten würden. Solche zwangsweisen Stillegungen wegen Betriebsunsicherheit des Fahrzeugs, fehlenden Versicherungsschutzes oder Nichtzahlung der Kraftfahrzeugsteuer kommen leider nicht selten vor. Sie sind, insbesondere beim Fehlen des Versicherungsschutzes, unverzüglich durchzuführen. Die erforderliche Einziehung von mehreren Ausfertigungen des Kraftfahrzeugscheins würde zusätzliche Schwierigkeiten bereiten.
Das Nichtmitführen der Fahrzeugpapiere war bisher eine strafbare Übertretung. Nunmehr wird dieser Tatbestand als Ordnungswidrigkeit geahndet. Die Bundesregierung ist nicht der Auffassung, daß durch die Umstellung dieser Übertretung auf eine Ordnungswidrigkeit die Forderung nach einer Zweitschrift des Kraftfahrzeugscheins berechtigter geworden ist.
Präsident von Hassel: Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Strohmayr.
Herr Staatssekretär, Sie sind ( doch mit mir der Auffassung, daß es nicht angeht, das Kraftfahrzeugpapier im abgestellten Auto zu belassen, weil dann die Gefahr besteht, daß ein Fahrzeug mit den kompletten Papieren entwendet wird?
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr: Es ist durchaus so, wie Sie sagen, Herr Kollege. Nur: ich entnehme aus Ihrer Zusatzfrage für uns alle den Appell an die menschliche Einsicht, die Papiere nicht im Wagen liegenzulassen.
Wenn dem so ist, dann - frage ich Sie - müssen wir doch berücksichtigen, daß beispielsweise Ehepaare gemeinsam an den Arbeitsplatz fahren, der Mann das Fahrzeug verläßt und die Frau mit dem Fahrzeug weiterfährt und daß dabei vergessen wird, das Kraftfahrzeugpapier zu übernehmen?
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr: Auch das, meine ich, läßt sich im Rahmen der mitmenschlichen Beziehungen regeln.
Präsident von Hassel: Eine dritte Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Srohmayr.
Herr Staatssekretär, ich glaube, es wäre besser, das Fehlen des Fahrzeugpapiers aus dem Bußgeldkatalog zu streichen. Dann würden diese Schwierigkeiten nicht entstehen.
({0})
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr: Herr Kollege, ich habe ja angedeutet, daß diese Frage lange Gespräche mit den zuständigen Ressorts der Länder erfordert hat, und wenn dieser Kreis von Sachverständigen zu dem eindeutigen Ergebnis gekommen ist, das ich Ihnen mitteilte, glaube ich, daß sich aus der Einführung des Bußgeldkatalogs an sich keine neue Bewertung dieses Sachverhalts ergibt.
Herr Staatssekretär, glauben Sie nicht, daß die höhere Vernunft manchmal bessere Gedanken hat als ein Kreis von Sachverständigen?
({0})
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr: Herr Kollege, auch ich rechne mich in diesem Zusammenhang zu den Vertretern des gesunden Menschenverstandes. Ich werde Ihre Anregung aufnehmen und diese Frage in einem Gespräch in der Länderverkehrsministerkonferenz noch einmal zur Diskussion stellen.
Präsident von Hassel: Herr Kollege Strohmayr, ich mache darauf aufmerksam, daß die vierte Zusatzfrage schon an die Grenze der Wertung ging
Präsident von Hassel
und Wertungen in unseren Richtlinien für die Fragestunde nicht zugelassen sind.
Ich danke dem Herrn Staatssekretär für die Beantwortung der Fragen und rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für das Post- und Fernmeldewesen auf. Frage 38 des Abgeordneten Baron von Wrangel:
Ist die Bundesregierung bereit, die Zonenrandgemeinden bzw. die Städte Ahrensburg, Schwarzenbek, Trittau, Bargteheide und Aumühle in das Hamburger Ortstelefonnetz einzubeziehen?
Zur Beantwortung der Herr Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen.
Herr Präsident, darf ich die drei Fragen des Herrn Abgeordneten wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantworten?
Präsident von Hassel: Keine Bedenken? - Keine Bedenken. Ich rufe also auch die Fragen 39 und 40 des Abgeordneten Baron von Wrangel auf:
Welche Gemeinden und Städte des Zonenrandgebietes konnten darüber hinaus ebenfalls in das Hamburger Ortstelefonnetz einbezogen werden?
Ist die Bundesregierung bereit, zur Überwindung der in früheren Jahren erwähnten technischen und finanziellen Schwierigkeiten beizutragen, um die zunehmende Disparität zwischen den Großstädten und Gemeinden im Zonenrandgebiet gerade auf diesem Sektor zu verhindern?
Die Deutsche Bundespost kann die von Ihnen genannten Zonenrandgemeinden und Städte nicht in das Hamburger Ortsnetz einbeziehen. Eine solche Maßnahme ist aus wirtschaftlichen Gründen nicht vertretbar. Sie liefe dem bestehenden organisatorischen und technischen Aufbau der Ortsnetze, die ja zugleich Ortsgebührenbereiche sind, zuwider. Die erforderliche Umstrukturierung würde erhebliche Aufwendungen erfordern und außerdem zu Einnahmeverlusten führen.
Im Laufe der Zeit haben sich teilweise starke Größenunterschiede zwischen städtischen und ländlichen Ortsnetzen herausgebildet. Diesen Größenunterschieden und der sich daraus ergebenden Disparität hat die Deutsche Bundespost bei ihrer Tarifgestaltung Rechnung getragen. Sie hat den Sprung von der Ortsgesprächsgebühr zur Fernsprechgebühr in der Umgebung der großen Städte durch Schaffung der Knotenamtszone erheblich gemildert. Die Randgemeinden der Großstädte liegen in der Regel innerhalb dieser Knotenamtszone. Das bedeutet, daß der Fernsprechverkehr innerhalb dieser Zone und von dieser Zone mit der Großstadt zu der günstigen Gebühr für Gespräche innerhalb des Knotenamtsbereichs geführt werden kann. Man kann also innerhalb des Knotenamtsbereichs zwar zeitlich begrenzt, aber immerhin für 18 Pf bis zu P/2 Minuten lang sprechen. Davon profitieren auch die Städte und Gemeinden im Zonenrandgebiet.
Präsident von Hassel: Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter von Wrangel.
Herr Bundesminister, Sie erkennen die Disparität an, die sich aus dieser Tatsache ergibt, und sprechen von einer Milderung. Würden Sie nicht zugeben, daß es notwendig wäre, eine Beseitigung der Disparität gerade zwischen der Großstadt Hamburg und der Zonengrenze herbeizuführen?
Herr Kollege, ich kann für den Raum Hamburg und Umgebung keine Regelung treffen, die ich nicht in den übrigen Räumen der Bundesrepublik gleichfalls durchführen müßte.
Präsident von Hassel: Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter von Wrangel.
Herr Bundesminister, wären Sie denn bereit, mit dem Wirtschaftsminister und dem Finanzminister darüber zu sprechen, ob nicht die Industrieansiedlung z. B. im Zonenrandgebiet durch eine Beseitigung der von mir erwähnten Disparität gefördert werden könnte?
Herr Kollege, praktisch läuft Ihre Frage darauf hinaus, eine Ausweitung des Großstadtortsnetzes durchzuführen. Das ist eine grundsätzliche Frage, und ich will versuchen klarzumachen, worum es geht.
Die Ausweitung der Großstadtortsnetze durch laufende Einbeziehung immer größerer Angrenzungsbereiche würde, abgesehen von den technischen Schwierigkeiten, die Standortvorteile der städtischen oder stadtnahen Fernsprechteilnehmer gegenüber denen des flachen Landes noch mehr vergrößern. Umgekehrt ist jedoch eine Zusammenlegung einer größeren Zahl ländlicher Ortsnetze zu umfangreichen, den Großstadtnetzen vergleichbaren Ortsnetzbereichen ebenfalls nicht zu verwirklichen. Sie ist praktisch nicht erfüllbar, weil die Leitungen des Fernsprechnetzes in der Erde fest verlegt und auf bestimmte Zentralpunkte, die Vermittlungsstellen, ausgerichtet sind.
Wollte man etwa das bestehende, in jahrzehntelanger Entwicklung entstandene Kabelnetz, das zur Zeit bei der Deutschen Bundespost mit rund 6 Milliarden DM als Anlagevermögen zu Buche steht, allgemein umstrukturieren, so wären unübersehbare Investitionsanstrengungen nötig, die sich zwangsläufig auch in der Höhe der Fernsprechgebühr niederschlagen dürften. Ein solcher Effekt läge weder im Interesse der Deutschen Bundespost noch in unserem gesamten volkswirtschaftlichen Interesse. Das öffentliche Fernsprechnetz wird zwar entsprechend der fortschreitenden Besiedlung weiter ausgebaut, wobei neben den technischen, wirtschaftlichen und tariflichen Gesichtspunkten nach Möglichkeit auch die örtliche Entwicklung des betreffenden Gebiets berücksichtigt wird. Aber es kann in seiner Struktur und Gliederung nicht beliebig geändert werden.
Präsident von Hassel: Eine dritte Zusatzfrage, Herr Abgeordneter von Wrangel.
Herr Bundesminister, wären Sie denn bereit, bei dem eben von Ihnen erwähnten Ausbau dem von mir erwähnten Gesichtspunkt besonders Rechnung zu tragen?
Ich kann nicht örtliche Gesichtspunkte allein berücksichtigen, sondern ich muß immer daran denken, daß das, was irgendwo geschieht, dann im ganzen Bundesgebiet praktiziert werden muß.
Präsident von Hassel: Keine weiteren Zusatzfragen. - Ich rufe die Frage 41 des Abgeordneten Dr. Häfele auf:
In
welchen Landkreisen Südbadens und Südwürttembergs kann das im 1969 anlaufende Dritte Fernsehprogramm „Südwest 3" gesehen werden?
Zur Beantwortung Herr Minister Dr. Dollinger.
Herr Präsident, ich darf auch hier darum bitten, beide Fragen zusammen beantworten zu dürfen.
Präsident von Hassel: Keine Bedenken. - Dann rufe ich noch die Frage 42 des Abgeordneten Dr. Häfele auf:
Wann werden die vom Fernsehprogramm „Südwest 3" nicht erfaßten Gebiete dieses Programm sehen können?
Danke schön! - Der Empfang des 3. Fernsehprogramms ist in folgenden Landkreisen Südbadens und Südwürttembergs möglich. Südbaden: Stadt- und Landkreis Freiburg, Landkreis Emmendingen, Landkreis Müllheim, Landkreis Rastatt, Landkreis Bühl, Stadtkreis Baden-Baden, Landkreis Kehl, Landkreis Lahr, Landkreis Offenburg, Landkreis Villingen, Landkreis Donaueschingen.
In Südwürttemberg: Landkreis Balingen, Landkreis Biberach, Landkreis Calw, Landkreis Ehingen - - Teile davon -, Landkreis Freudenstadt, Landkreis Hechingen, Landkreis Horb, Landkreis Münsingen, Landkreis Reutlingen, Landkreis Rottweil, Landkreis Tübingen, Landkreis Tuttlingen.
Das Versorgungsnetz ist noch im Aufbau, so daß wegen der gebirgigen Struktur des Geländes die Versorgung teilweise noch lückenhaft ist. Die Deutsche Bundespost ist bemüht, diese Versorgungslücken möglichst schnell zu schließen. Das ist einmal von den technischen Möglichkeiten wie z. B. Frequenzen oder Senderstandorten abhängig, zum anderen von der Lieferkapazität der Industrie.
Insgesamt hat die Deutsche Bundespost bisher folgende Sender gebaut. In Südbaden und Südwürttemberg 8 Grundnetzsender und 1 Füllsender. Geplant sind in Südharfen und Südwürttemberg 3 Grundnetzsender und 300 Füllsender. Ein Grundnetzsender kostet zirka 1 Million DM, ein Füllsender zwischen 100 000 und 120 000 DM. Die Deutsche Bundespost wird den Ausbau des Grundnetzsendernetzes bis etwa 1971 und den Ausbau des Füllsendernetzes bis etwa 1974'75 abgeschlossen haben.
Bis Ende des Jahres 1969 werden noch die Grundnetzsender Hochrhein und Ravensburg sowie 35 kleinere Füllsender in Betrieb genommen. Das wird sich vor allem auf die Versorgung des südlichen Teils von Baden-Württemberg günstig auswirken. Für eine Vollversorgung des süddeutschen Raumes mit dem Dritten Programm müssen noch etwa 250 Füllsender errichtet werden.
Präsident von Hassel: Keine Zusatzfrage?
Können wir die Fragen 43 bis 45 der Abgeordneten Frau Freyh zusammenfassen? - Ich rufe die Fragen 43 bis 45 der Abgeordneten Frau Freyh auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß in zunehmendem Maße Störungen im automatischen Fernsprechverkehr auftreten, z. B. dergestalt, (tali Ferngespräche beim Teilnehmer ankommen, die Verbindung dann aber sofort zusammenbricht?
Wie kann vermieden werden, daß diese sofort zusammenbrechenden Verbindungen die Telefonrechnung des Anrufers belasten, ohne daß er für sein Geld auch nur ein Wort wechseln kann?
Ist die Bundesregierung bereit, eine Überprüfung zur Behebung dieser Mängel zu veranlassen, die z. B. auch den Parlaments- betrieb erheblich stören?
Der Verkehrsablauf im automatischen Fernsprechverkehr wird ständig beobachtet. Es liegen keine Anzeichen dafür vor, daß die Störungshäufigkeit allgemein zunimmt. Das gilt auch für die von Ihnen erwähnte Störungsart.
Das sofortige Zusammenbrechen der Verbindung ist ein typisches Anzeichen für den Ausfall der Zählung. Wenn nämlich wegen technischer Mängel keine Zählung stattfindet, wird die Verbindung im Selbstwählferndienst entweder sofort, wenn sich der Angerufene meldet, oder nach ein bis zwei Minuten unterbrochen. In diesen Fällen wird die Telefonrechnung nicht belastet. Störungen, die erst nach Beginn der Zählung auftreten und zur Unterbrechung der Verbindung führen, sind selten. In solchen Fällen ist es technisch nicht möglich, bereits gezählte Impulse zurückzuschalten. Sie müssen also auch bezahlt werden. Diesen Nachteil muß man leider als Preis für den technischen Fortschritt des Selbstwählferndienstes in Kauf nehmen.
Sobald konkrete Angaben vorliegen, geht die Deutsche Bundespost allen Mitteilungen über Störungen unverzüglich nach.
Präsident von Hassel: Keine Zusatzfragen.
Ich rufe die Frage 46 des Abgeordneten Dr. Marx ({0}) auf.
Dr. Marx ist nicht im Saal; die Frage wird schriftlich beantwortet.
Meine Damen und Herren, damit sind wir am Ende der Fragestunde angelangt.
Präsident von Hassel
Ich rufe Punkt 2 der Tagesordnung out:
Zweite Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1969 ({1})
- Drucksache V/3300 Berichte des Haushaltsausschusses ({2})
hier: Einzelplan 03 Bundesrat
- Drucksache V/3923 Berichterstatter: Abgeordneter Hauser ({3})
Ich darf den Berichterstatter fragen, ob sein Bericht mündlich ergänzt werden soll. - Das scheint nicht der Fall zu sein.
Ich eröffne die Aussprache zum Einzelplan 03. Wird dazu das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Aussprache zum Einzelplan 03.
Wir kommen zur Abstimmung. Änderungsanträge liegen nicht vor. Wer dem Einzelplan seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen.
- Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen?
- Bei einigen Enthaltungen bei der FDP ist der Einzelplan 03 angenommen.
({4})
- Die im Hintergrunde haben sich nicht gemeldet, Herr Kollege Genscher; jedenfalls war das von hier oben nicht sichtbar.
({5})
Ich rufe den Einzelplan 23 auf:
Geschäftsbereich des Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit
- Drucksache V/3938
Berichterstatter: Abgeordneter Gewandt
Ich frage den Berichterstattter, ob er noch zur mündlichen Berichterstattung das Wort wünscht. - Das ist nicht der Fall. Ich frage, ob eine Aussprache gewünscht wird. -- Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Aussprache zum Einzelplan 23.
Wir kommen zur Abstimmung. Änderungsanträge liegen nicht vor. Wer dem Einzelplan 23 seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Bei Enthaltungen der FDP angenommen.
Ich rufe den Einzelplan 27 auf:
Geschäftsbereich des Bundesministers für gesamtdeutsche Fragen
- Drucksache V/3942 -Berichterstatter: Abgeordneter Seidel
Ich frage den Berichterstatter, ob er das Wort zur Ergänzung seines Berichts wünscht. - Das ist nicht
der Fall. Ich frage, ob das Wort zur Aussprache gewünscht wird. - Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Aussprache zum Einzelplan 27.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Einzelplan 27 seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Bei Gegenstimmen der FDP und einigen Enthaltungen so beschlossen.
Ich rufe den Einzelplan 11 auf:
Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung
- Drucksachen V/3931, zu V/3931 Berichterstatter: Abgeordneter Krampe Dazu rufe ich gleichzeitig auf:
Erste Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Zweiten Vermögensbildungsgesetzes
- Drucksache V/3402
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Zweiten Gesetzes zur Förderung der Vermögensbildung der Arbeitnehmer
- Drucksache V/3532 Ich frage den Berichterstatter des Haushaltsausschusses, ob er eine Ergänzung des Berichts wünscht. - Ich erteile dem Berichterstatter das Wort zur Ergänzung des Berichts.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Als Berichterstatter zum Einzelplan 11, also dem Haushaltsplan des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung, darf ich den Schriftlichen Bericht, der Ihnen vorliegt, um einige mir wesentlich erscheinende Ausführungen ergänzen. Ich darf darauf hinweisen, daß dieser Haushaltsplan in den letzten drei Jahren mit im Mittelpunkt der einzelnen Debatten stand, zuletzt beim Finanzänderungsgesetz, das zu einschneidenden Änderungen geführt hat. Deutlich wird das, wenn man sich einmal die Gesamteinsparungen des Finanzänderungsgesetzes in Höhe von 15,1 Milliarden DM vor Augen führt, woran der Einzelplan 11 im Laufe von vier Jahren dieser Finanzplanungsperiode mit 9,3 Milliarden gleich 61% beteiligt ist. Dennoch macht dieser Einzelplan zur Zeit mehr als 20 % des Gesamthaushaltsvolumens aus. Diese Zahlen sprechen für sich, sie machen aber auch deutlich, wie stark der Haushalt des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung zur Konsolidierung der Bundesfinanzen beigetragen hat.
({0})
Präsident von Hassel: Darf ich um ein bißchen mehr Aufmerksamkeit bitten, auch auf der Regierungsbank.
Zum einzelnen. In diesem Jahre wird der Einzelplan 11 eine Gesamtausgabe von rund 16,8 Milliarden DM vorsehen. Er ist damit - wie schon gesagt - der zweitgrößte Einzelhaushalt. Von der Gesamtsumme von 16,8 Milliarden DM entfallen zwei Drittel auf Kriegsfolgelasten, nämlich ein wesentlicher Teil der Bundeszuschüsse an die Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten und der Knappschaft sowie ein Teil auf Aufwendungen für die Kriegsopfer. Das sind insgesamt mehr als 9 Milliarden DM von den 16,8 Milliarden DM.
Dieser Einzelplan enthält gegenüber dem vergangenen Jahr einen Ausgabenzuwachs von 1,2 N. Das ist der geringste prozentuale Zuwachs des Einzelplans nach dem Krieg. Auch sein Anteil an den Gesamtausgaben ist gegenüber dem Vorjahr weiter gesunken. Es ist also - das dürfen wir feststellen - ein Haushalt des Maßes, der die Züge der Finanzplanung trägt. Sein Gesamtvolumen ist gegenüber der Regierungsvorlage beinahe unverändert geblieben, obwohl der Haushaltsausschuß innerhalb des Haushalts auf Grund neuer, gegenwartsnäherer Schätzungen gewichtige Korrekturen vornehmen mußte und vorgenommen hat.
Dazu einige Erläuterungen. Die Bundeszuschüsse an die Träger der Rentenversicherung überschreiten in diesem Haushaltsplan erstmalig die 10-MilliardenDM-Grenze. Diese Entwicklung kann man sachgerecht nur beurteilen, wenn man sich folgende Fakten vor Augen führt.
3,4 Milliarden DM davon entfallen auf die knappschaftliche Rentenversicherung. Der Bund trägt hier das Defizit, das in den letzten Jahren sprunghaft angestiegen ist. Dieser Knappschaftstitel ist - nebenbei - ein getreues Spiegelbild der Situation im Bergbau, besonders der Kohle, auf die auch die allgemeine Konjunkturentwicklung ausstrahlt. Jeder Rückgang der Kohleförderung hat eine Verminderung der Beschäftigtenzahl und damit eine Verminderung der Versichertenzahl zur Folge. Zechenstilllegungen, Feier- und Ausfallschichten haben erhebliche Beitragseinnahmeminderungen für den knappschaftlichen Bereich zur Folge. In den letzten zwölf Jahren verloren die knappschaftlichen Rentenversicherungsträger zirka die Hälfte ihrer Einnahmen. Auf der anderen Seite verschärfte der Abbau der Beschäftigtenzahl im knappschaftlichen Bereich den Zug in die Rente. Geringere Einnahmen und verstärkte Ausgaben erhöhen aber das Defizit, für das der Bund zu haften hat. Diese Entwicklung hat also für den knappschaftlichen Bereich energie- und strukturpolitische Ursachen. Das System der Rentenversicherung hat damit wenig, das der Rentenformel schon gar nichts zu tun. Was von der sozialen Leistungsseite getan werden konnte, ist im Finanzänderungsgesetz durch die Reduzierung der Steigerungsbeträge getan worden. Was von der organisatorischen Seite verbessert werden kann, wird das Bundesknappschafts-Errichtungsgesetz bringen, das zur Zeit dm Sozialpolitischen Ausschuß beraten wird.
Trotz alledem ist der Knappschaftstitel im vergangenen Jahr sehr heftig kritisiert worden, weil er bei den Beratungen im Haushaltsausschuß wesentlich erhöht werden mußte. Wie sehr aber konjunkturelle und strukturelle Trends und nicht sozialpolitische Aspekte hierfür verantwortlich sind, zeigt auch die diesjährige Beratung.
Im vergangenen Jahr hatten wir eine bessere Konjunktur gehabt, als wir vor zwölf Monaten erwarten konnten. Der Haushaltsausschuß konnte infolgedessen den Ansatz für die knappschaftliche Rentenversicherung gegenüber der Regierungsvorlage um mehr als 50 Millionen DM ermäßigen. Auch darauf sollte man im Jahre 1969 gerechterweise hinweisen.
Während bei der knappschaftlichen Rentenversicherung der Bundesanteil aus den aufgezeigten Gründen relativ und absolut gestiegen ist und steigt, sieht die Entwicklung bei der Rentenversicherung für Arbeiter und Angestellte anders aus. Hier geht das finanzielle Engagement des Bundes relativ zurück, und zwar sowohl in bezug auf die Gesamtausgaben dieses Versicherungszweiges als auch in bezug auf die Gesamtausgaben des Bundes. Vor zwölf Jahren, also zur Zeit der RentenversicherungsNeuregelungsgesetzgebung, entfielen etwa 12 % der Bundesausgaben auf die Zuschüsse zur Arbeiterrenten- und zur Angestelltenrentenversicherung. Heute sind es nur noch 8 bis 9 %. Im Jahre 1957 finanzierte der Bund noch 31% der Ausgaben der Ausgaben der Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten. Im Jahre 1969 sind es nur noch 16 %. Hierbei ist zu berücksichtigen, daß die Leistungen der Alterssicherung voll aus Versichertenbeiträgen gedeckt werden, wenn man die in diesen Leistungen steckenden Kriegsfolgelasten herausläßt.
Eine Kriegsfolgelast ist auch der zweitgrößte Ausgabenblock dieses Haushalts, und zwar die Ausgaben für die Kriegsopferversorgung. Das Dritte Neuordnungsgesetz hat Verbesserungen vor allem für die Witwen und die Schwerbeschädigten gebracht. Diese Leistungen, aber auch noch Leistungen nach dem Zweiten Neuordnungsgesetz für Schwerbeschädigte, die einen Berufsschaden erlitten haben, führen trotz Abnahme der Zahl der Versorgungsberechtigten gegenüber 1968 zu einem erhöhten Abgabevolumen im Jahre 1969. Mit Gesamtausgaben von 5,9 Milliarden DM liegt dieser Ansatz um 60,6 Millionen DM oder um 1% über dem Vorjahresansatz. Der Haushaltsausschuß hat den Ansatz in der Regierungsvorlage um zirka 87 Millionen DM aufstocken müssen, nachdem neuere statistische Erhebungen zum Jahresende 1968 das notwendig machten.
Man darf folgende Prognose stellen. Mit diesem Haushalt sind die Auswirkungen aus dem Dritten Neuordnungsgesetz voll erfaßt, Voll aufgegangen sind auch die Einflüsse aus der letzten Konjunkturbewegung, die Einfluß nahm auf die einkommensabhängigen Leistungen. Vom Jahre 1970 an dürfte, von der erforderlichen generellen Anpassung der Leistungen abgesehen, das Volumen des Kriegsopferhaushalts entsprechend dem natürlichen Abgang abnehmen.
Neben diesen beiden großen Ausgabeblöcken - der Rentenversicherung und der Kriegsopferversorgung - enthält der Einzelplan 11 im Volumen
zwar bedeutend kleinere Ansätze, die aber in ihrer sozialpolitischen Zielsetzung richtungweisend für die Zukunft geworden sind. Ich nenne hier zunächst den Ansatz für die berufliche Rehabilitation. Minister Katzer hat sich mit diesem Problem beschäftigt und sich dieses Problems mit großer Wärme angenommen in der Erkenntnis, daß die Wiedereingliederung der Behinderten oder aber auch der Arbeitslosen in den Arbeitsprozeß nicht nur dem sozialmenschlichen Gebot, sondern auch der wirtschaftlichen Vernunft entspricht.
Die Zahl derer, die der Rehabilitation bedürfen, nimmt ständig zu. Nach den Ergebnissen der Sozialversicherungsstatistik ist jährlich mit einem Zugang von etwa 200 000 Frühinvaliden zu rechnen. Die Zahl wird angesichts der steigenden Verkehrsunfallzahlen kaum kleiner werden. Eine Schätzung sagt, daß etwa die Hälfte der Frühinvaliden wieder in Arbeit und Beruf hätte eingegliedert werden können, wenn rechtzeitig alle Möglichkeiten einer umfassenden Rehabilitation nutzbar gemacht worden wären. Hier soll und muß ein Wandel eintreten. Dafür wird in den neuen Rehabilitationsvorschriften des Arbeitsförderungsgesetzes eine umfassende und frühzeitige Beratung aller Behinderten vorgesehen. Allein dadurch wird die Zahl der Rehabilitationsfälle ansteigen.
Dazu kommt, daß die Zeiten des „sozialen Arbeitsplatzes", in den der Behinderte auch ohne umfassende Rehabilitation eingewiesen werden konnte, wohl endgültig vorbei sind. Daraus haben sich einige Konsequenzen ergeben. Wir sollten es uns volkswirtschaftlich nicht leisten, daß allein im Bereich des Arbeitsamtes Frankfurt zur Zeit 200 Behinderte auf einen Arbeitsplatz warten. Wir sollten es uns nicht leisten, daß im Juli 1967 z. B. allein in Nordrhein-Westfalen mehr als 1700 Behinderte auf einen Arbeitsplatz warteten. Wir sollten es uns nicht leisten, daß die Wartezeiten für die Rehabilitationsmaßnahmen bis zu zwei .Jahren und länger dauern; solche Wartezeiten müssen von den Behinderten zur Zeit noch in Kauf genommen werden. Hier liegt volkswirtschaftliches Kapital brach. Es fehlen zur Zeit - so sagen die Schätzungen aus - ca. 5000 Ausbildungsplätze. Von dieser Erkenntnis ausgehend hat der Haushaltsausschuß die Mittel des Arbeitsministers für diesen Zweck verdoppelt und auf 10 Millionen DM erhöht.
Hiermit im Zusammenhang steht in diesem Haushalt ein Ansatz für das Berufsförderungszentrum Essen; es wird als Umschulungszentrum modernster Art von einem Trägerverein errichtet. In ihm sollen die Angehörigen der gefährdeten Berufe, vor allen Dingen die entlassenen Bergleute, nach den neuen Methoden der Erwachsenenbildung auf zukunftssichere industrielle Berufe vorbereitet werden. Der richtungweisenden und überregionalen Bedeutung dieser Einrichtung entsprechend sollen auch die Ausbilder mit den neuen Lehrmethoden vertraut gemacht und in diesen unterrichtet werden. Die Errichtungskosten werden gemeinsam vom Bund, dem Land Nordrhein-Westfalen und der Stadt Essen getragen.
Durch seine Ausrichtung auf moderne Methoden der Erwachsenenbildung ist dieses Umschulungszentrum ein wichtiger Beitrag zur Lösung des Problems der älteren Arbeitnehmer. Dieses Problem wird, wie Sie wissen, immer drängender und brennender. Fast zwei Drittel aller Arbeitslosen sind älter als 45 Jahre. In Nordrhein-Westfalen waren Ende September 1968 sogar 75 % aller arbeitslosen Männer über 45 Jahre alt, und das in einer Zeit, in der die Wirtschaft unserer Bundesrepublik floriert.
Diese Entwicklung gibt Anlaß zur Besorgnis. Hier mußte und muß schnell gehandelt werden, und zwar in einer Weise, die bei den Ursachen ansetzt, statt ausschließlich an den Symptomen herumzukurieren. Deshalb wird das Umschulungszentrum Essen gerade für das Ruhrgebiet mit von entscheidender Bedeutung sein.
Neben diesem Projekt sind weitere Maßnahmen zu nennen. Ich will noch eine Institution herausstellen, die ebenfalls wichtige Impulse vom Bund erhalten hat. Der Bund, vertreten durch den Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung, ist Gesellschafter der neugegründeten Gesellschaft zur Verbesserung der Beschäftigtenstruktur in Essen geworden, eines Unternehmens, das sich die Errichtung von Werkstätten für ältere, schwer zu vermittelnde Arbeitnehmer zum Ziel gesetzt hat. Nach meiner Auffassung verdienen diese Bemühungen wie auch alle anderen Bemühungen, die das Problem des älteren Menschen, aber auch speziell des älteren Arbeitnehmers zu lösen versuchen, unsere wärmste Unterstützung.
({0})
Auf diesem Gebiet werden noch große Anstrengungen notwendig sein. Ein optimales Wirtschaftswachstum wird in Zukunft nur möglich sein, wenn wir die wertvolle Arbeitskraft und die Erfahrung der älteren Arbeitnehmer optimal nutzen. Es wäre nicht nur eine schlechte Wirtschaftspolitik, sondern vor allem eine schlechte Gesellschaftspolitik, wenn wir nicht unsere ganze Kraft daransetzten und darauf richteten, daß künftig niemand mehr vorzeitig zum alten Eisen gehören muß.
({1})
Mit diesen wenigen Bemerkungen zum Einzelplan 11 möchte ich meine Ausführungen abschließen und mich herzlich für die Aufmerksamkeit bedanken.
({2})
Präsident von Hassel: Meine Damen und Herren, ich danke dem Herrn Berichterstatter. Wir behandeln den Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Zweiten Vermögensbildungsgesetzes - Drucksache V/3402 - und den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Zweiten Gesetzes zur Förderung der Vermögensbildung der Arbeitnehmer
Drucksache V/3532 - zusammen.
In der ersten Beratung erteile ich zunächst dem Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung, Herrn Katzer, zur Begründung das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! ich möchte zur ersten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Zweiten Vermögensbildungsgesetzes sprechen. Was den Haushalt selbst angeht, so werde ich natürlich der Opposition den Vorrang lassen und mich erst danach äußern.
Drei Bemerkungen zum Gesetz zur Vermögensbildung der Arbeitnehmer. Erstens zum Inhalt dieses Gesetzentwurfs. Der im wesentlichen technische Entwurf soll für die Praxis die Anwendung des Gesetzes erleichtern. Über die Klärung von Zweifelsfragen und über Vorschläge zur Verwaltungsvereinfachung hinaus sieht der Entwurf vor: a) Beseitigung der Härten, die bei einer Erkrankung oder Arbeitslosigkeit im Anschluß an die vermögenswirksame Anlage eines größeren Teils des Arbeitslohnes möglich sind, b) Einbeziehung der beschränkt lohnsteuerpflichtigen Arbeitnehmer, also insbesondere der ausländischen Grenzgänger, c) schließlich eine Ausweitung der Anlageform - Bau, Erwerb, Entschuldung - auf jede Form des Wohnungsbaus einschließlich des Grundstückerwerbs.
Die Kosten betragen 20 Millionen DM; davon trägt der Bund 7 Millionen DM.
Lassen Sie mich nun zweitens eine kurze Bemerkung zur Eigentumspolitik und zur Einpassung dieses Regierungsentwurfs als Teil des eigentumspolitischen Sofortprogramms machen. Die Novelle ist Teil des zwischen dem Bundesfinanzminister, dem Bunleswirtschaftsminister und dem Bundesarbeitsminister beschlossenen Sofortprogramms, das aus folgenden weiteren Maßnahmen besteht: einmal der Ausgabe des Bundesschatzbriefes zum Januar dieses Jahres, zweitens der Einführung von Zusatzprämien für die Bezieher niedriger Einkommen in den Prämiengesetzen; die erste Lesung dieses Gesetzes hat bereits in der vorigen Woche stattgefunden.
Darüber hinaus hat entsprechend der Vereinbarung zwischen diesen drei Ministern eine aus Vertretern der drei Ressorts bestehende Arbeitsgruppe in mehreren Besprechungen auf Referenten- und Abteilungsleiterebene die Möglichkeiten einer langfristigen Lösung der Vermögensbildung in der nächsten Legislaturperiode untersucht. Es ist zwischenzeitlich eine Reihe von Modellen entwickelt worden, ohne daß allerdings in diesem Augenblick bereits von einer Präferenz für ein bestimmtes Modell gesprochen werden kann.
Die dritte Bemerkung. Das 312-DM-Gesetz ist nach unseren Schätzungen im Jahre 1965 von 2,2 Millionen Arbeitnehmern, im Jahre 1966 von 3,2 Millionen Arbeitnehmern und im Jahre 1967 von 3,7 Millionen Arbeitnehmern in Anspruch genommen worden. Der durchschnittlich angelegte Betrag belief sich auf 280 DM, so daß bis Ende des Jahres 1967 etwa 2,7 Milliarden DM unter den Voraussetzungen des Zweiten Vermögensbildungsgesetzes gespart worden sind. Dies, meine Damen und Herren, scheint auf den ersten Blick zu beweisen, daß das Gesetz seit seiner Verabschiedung 1965 entgegen den damaligen Unkenrufen eine erfreuliche Entwicklung genommen hat, zumal wenn man berücksichtigt, daß für 1968
mit einer weiteren Steigerung der Zahl der Arbeitnehmer auf etwa 4,1 Millionen zu rechnen ist.
Bei Beurteilung aber der eigentlichen Zielsetzung des Gesetzes - die Sparfähigkeit der Arbeitnehmer durch neben dem laufenden Barlohn zu gewährende vermögenswirksame Leistungen zu verstärken - sehen die genannten Zahlen allerdings weniger erfreulich aus. Solche zusätzlichen vermögenswirksamen Leistungen auf Grund von Tarifverträgen erhalten zur Zeit höchstens 800 000 his 900 000 Arbeitnehmer, für die derartige Tarifverträge abgeschlossen worden sind. Dabei handelt es sich vor allem um das Baugewerbe und den Saarbergbau.
Es ist verständlich und konjunkturpolitisch sicherlich gerechtfertigt, daß die Tarifpartner im Jahre 1966/67 bei der damaligen rückläufigen wirtschaftlichen Entwicklung hinsichtlich des Abschlusses von Tarifverträgen zur Vermögensbildung Zurückhaltung geübt haben. Aber ich glaube, spätestens jetzt ist konjunkturpolitisch der richtige Zeitpunkt zum Abschluß solcher Verträge gekommen.
({0})
Ich möchte meinen - und ich begrüße das außerordentlich -, daß die Bundesvereinigung der Deut, schen Arbeitgeberverbände nunmehr ihren früheren harten Widerstand gegen den Abschluß von
Tarifverträgen aufgegeben und sich Ende des vergangenen Jahres in ihrer Denkschrift „Freiheitliche Soziale Ordnung - heute und morgen" zu tariflichen Abreden über einen zusätzlichen Investivlohn bereit erklärt hat.
Mir scheint das ein entscheidender Schritt nach vorn zu sein. Ich kann nur wünschen und hoffen, daß beide Tarifvertragsparteien bei den jetzt zum Abschluß stehenden Verträgen von diesen Möglichkeiten endlich Gebrauch machen, wie es der Wille dieses Hohen Hauses seit 1965, der Verabschiedung des Zweiten Vermögensbildungsgesetzes, gewesen ist.
({1})
Meine Damen und Herren, die vorliegende Novelle kann und soll nicht den Anspruch erheben - und sie tut dies auch nicht -, als große eigentumspolitische Leistung herausgestellt zu werden. Sie beseitigt aber eine immer wieder beklagte Härte bei der Sozialversicherung und macht das Gesetz insgesamt praktikabler. Sie stellt damit trotz ihrer mehr technischen Änderungen, so glaube ich, einen nicht unwesentlichen weiteren Schritt in der eigentumspolitischen Konzeption der Bundesregierung dar.
Selbstverständlich muß zu einem späteren Zeitpunkt überlegt werden, ob der förderungsfähige Betrag erhöht werden soll. Ich persönlich glaube, hieran sollte erst dann gedacht werden, wenn in größerem Umfang der derzeitige Höchstbetrag durch zusätzliche vermögenswirksame Leistungen annähernd ausgeschöpft ist. Dieser Zeitpunkt kann bei einem entsprechenden Verhalten der Tarifpartner schon sehr bald kommen.
Meine Damen und Herren, mit diesem Gesetz, das die Bundesregierung Ihnen vorlegt, können wir einen weiteren Schritt tun in unserer seit langem geplanten und vorgelegten eigentumspolitischen Konzeption. Ich wäre sehr dankbar, wenn die zuständigen Ausschüsse dieses Gesetz, das ohne große Schwierigkeiten beraten werden kann, noch in dieser Legislaturperiode zum Abschluß führten.
({2})
Präsident von Hassel: Ich danke Ihnen, Herr Bundesminister. Zur Begründung des Gesetzentwurfs der CDU CSU Drucksache V/3402 hat das Wort Herr Müller ({3}),
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich, bevor ich unseren Antrag mit wenigen- Sätzen begründe, einige Ausführungen zu dem soeben eingebrachten Gesetzentwurf der Regierung machen. Der Regierungsentwurf zur Änderung des Zweiten Vermögensbildungsgesetzes enthält keine umwälzende Änderung. Er will, wie der Herr Minister selbst hier vorgetragen hat, lediglich die Anwendung des Zweiten Vermögensbildungsgesetzes in der Praxis erleichtern und damit dessen gesellschaftspolitische Wirkung verstärken.
Die Vermögensbildung in Arbeitnehmerhand ist seit vielen, vielen Jahren ein ureigenes Anliegen der christlich-sozialen Bewegung. Wir freuen uns, daß heute auch andere ebenso für die breite Streuung des Vermögens in Arbeitnehmerhand eintreten. Die CDU/CSU-Fraktion hat die Forderung neu zu bildenden Vermögens in Arbeitnehmerhand von Anfang an zu ihrem eigenen Anliegen gemacht und ständig vertreten, Durch die verschiedenen eigentumspolitischen Maßnahmen sind ouch schon breite Schichten an die Vermögensbildung herangeführt worden. Das hat auch schon der Herr Minister hier erwähnt.
So erfreulich diese Maßnahmen im einzelnen auch waren, dürfen wir uns doch nicht darüber hinwegtäuschen, daß die Vermögensverteilung in unserer Gesellschaft nach wie vor unbefriedigend ist. Wir sind und bleiben aber zutiefst davon überzeugt, daß die breite Streuung neu zu bildenden Vermögens
ich betone das ausdrücklich immer wieder: neu zu bildenden Vermögens insbesondere in Arbeitnehmerhand, und zwar auch an Produktionsmitteln, bedeutsame gesellschaftspolitische Auswirkungen hat. Daher muß die Vermögensbildung der einkommensschwächeren Schichten unserer Bevölkerung mit allen nur möglichen Mitteln weiter gefördert werden.
Wir begrüßen deshalb die Regierungsvorlage, auch wenn mit ihr keine weltbewegenden Möglichkeiten eröffnet werden, und wir hoffen deshalb, daß die Vorlage noch in dieser Legislaturperiode in zweiter und dritter Lesung verabschiedet wird.
Auf der anderen Seite bedauern wir, daß von den in § 3 des Zweiten Vermögensbildungsgesetzes vorgesehenen Möglichkeiten der tarifvertraglichen Vereinbarung über vermögenswirksame Leistungen
nicht so viel Gebrauch gemacht worden ist, wie wir erwartet hatten. Es kommt geradezu einer Abwertung gleich, daß die Sozialpartner in den vier Jahren seit Bestehen dieser Möglichkeit diese Gelegenheit nicht genutzt haben. - Ich darf wiederholen: eine Ausnahme bilden hier das Baugewerbe und der Saarbergbau.
Der Herr Bundesminister für Arbeit hat nicht nur vorhin, sondern schon in der Vergangenheit wiederholt an die Tarifpartner appelliert und sie aufgefordert, gerade im Hinblick auf die bessere konjunkturelle Entwicklung tarifvertragliche Vereinbarungen Tiber die Gewährung vermögenswirksamer Zuwendungen an Arbeitnehmer abzuschließen, und wir möchten ihn hier ausdrücklich unterstützen. Ich möchte mich namens der CDU CSU-Fraktion dieser Forderung ausdrücklich noch einmal anschließen und daran erinnern, daß gerade das Fehlen einer Möglichkeit tarifvertraglicher Abschlüsse in dem Ersten Vermögensbildungsgesetz der Anlaß für das Zweite Vermögensbildungsgesetz war. Es gab damals eine
heftige Diskussion. Manche glaubten, mit der Einführung der Möglichkeit einer tariflichen Regelung eine weltbewegende Entwicklung einzuleiten. Die Erfahrung zeigt uns, daß das nicht der Fall war. Wir hatten seinerzeit cien § 4, der die Möglichkeit einräumt, Teile des Lohnes vermögenswirksam anzulegen, nur hineingenommen, um auch denjenigen die Möglichkeit dazu zu geben, die von Tarifverträgen nicht erfaßt werden.
Doll der Wille zur Vermögensbildung vorhanden ist, geht eindeutig aus cien Zahlen einer Darstellung der Regierung vom 18. Juli 1968 hervor. So ist nach überschlägigen Schätzungen das Zweite Vermögensbildungsgesetz 1965 von 2,2 Millionen Arbeitnehmern, 1966 von 3,2 Millionen Arbeitnehmern und 1967 von 3,7 Millionen Arbeitnehmern in Anspruch genommen worden; also eine langsame Steigerung. Dies geschah in cien vergangenen Jahren aber überwiegend durch Arbeitnehmer, die Teile ihres Arbeitslohns nach § 4 des Zweiten Vermögensbildungsgesetzes vermögenswirksam angelegt haben. Die Zahl der Arbeitnehmer - das hat der Herr Minister schon vorgetragen -, die auf Grund von Tarifverträgen vermögenswirksame Leistungen erhielten, war relativ gering.
Es ist eigentlich unerfindlich, warum nicht auch andere bedeutsame Industriezweige außer Bau und Saarbergbau von dieser tariflichen Möglichkeit Gebrauch machen. Es erscheint wenig glaubhaft und nicht ganz überzeugend, wenn die Gewerkschaften erklären, daß die Arbeitgeberverbände solche Vereinbarungen ablehnen. Die Gewerkschaften haben auch schon andere Forderungen, die von cien Arbeitgeberverbänden abgelehnt wurden, mit geeigneten Mitteln durchgesetzt. Warum haben sie es nicht auch hier wenigstens einmal versucht? Ebensowenig überzeugend ist die bisherige Auffassung der Arbeitgeberverbände, daß es sich dabei um ein sogenanntes Zwangssparen handle und es deshalb abgelehnt werden müsse. Bei ihrem hohen Kapitalbedarf ist unsere Wirtschaft in Zukunft auf das Sparkapital der Arbeitnehmer angewiesen, wenn die notwendigen Investitionen nicht ausschließlich über die Preise vorgenommen werden sollen.
Müller ({0})
Wir würden es also begrüßen, wenn hier eine Wandlung einträte. Deshalb müssen wir alle bestehenden oder sich in der Praxis ergebenden Hemmnisse, die einer breiten Streuung neu zu bildenden Vermögens im Wege stehen, ausräumen, wie dies diese Vorlage vorsieht. Die CDU/CSU-Fraktion begrüßt also diesen Schritt.
Diese meine Ausführungen sind auch gleichzeitig eine Begründung für unsere Vorlage in der Drucksache V/3402. Sie deckt sich im wesentlichen mit der Regierungsvorlage, mit einer oder zwei Ausnahmen: Erstens soll nach unserer Auffassung in § 12 eine Erhöhung des Betrages für verheiratete Arbeitnehmer, deren Ehefrauen nicht berufstätig sind, auf 624 DM erfolgen, wobei der zusätzliche Betrag von 156 DM, der auch heute schon gilt, für Familien mit mehr als zwei Kindern bestehenbleiben soll.
Das zweite ist die Nichtanrechenbarkeit der vermögenswirksamen Leistungen auf die übrigen Sparleistungen nach dem Prämiengesetz; praktisch bedeutet das eine zusätzliche Prämie für Arbeitnehmer. Damit soll noch einmal eindeutig unterstrichen werden, daß wir jede Möglichkeit wahrnehmen, um die Forderung nach Vermögensbildung in Arbeitnehmerhand zu fördern. Ich bitte, auch diesem Anliegen bei der Beratung Rechnung zu tragen und beide Vorlagen, in einer zusammengefaßt, noch in dieser Legislaturperiode zu verabschieden.
({1})
Präsident von Hassel: Die Vorlage der CDU/ CSU-Fraktion Drucksache V/3402 ist damit begründet. Wir treten in die gemeinsame Aussprache über den Einzelplan 11 und die beiden soeben begründeten Vorlagen ein. Das Wort zur allgemeinen Aussprache hat dabei Herr Abgeordneter Spitzmüller. Ich erteile ihm das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen, meine Herren! Wenn ich an die Worte des Finanzministers Strauß vom 20. März denke, in denen er ausgeführt hat, daß der Haushalt, wenn er nicht verändert würde, eine Steigerung um 9,5 % erfährt, daß er sich, wenn die 1,8 Milliarden stillgelegt werden, um 7,2% erhöhen würde und daß, wenn man die erhöhten Auslandszahlungen in Rechnung stellt, immerhin noch eine Ausweitung des Haushalts von 5 bis 6% stattfindet, und hier nun den Einzelplan 11 betrachte, dann muß ich feststellen, daß dieser Einzelplan 11 um 1,5 % steigt, also in wesentlich geringerem Maße als der Rahmen des Gesamthaushalts. Das sind natürlich Auswirkungen des Finanzänderungsgesetzes, die ich nur mit diesen wenigen Sätzen angemerkt wissen wollte.
Der Einzelplan 11 trägt die anspruchsvolle Bezeichnung: Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung. Wir haben uns als Freie Demokraten, vor allem ich als Sprecher in Sozialfragen der FDP, überlegt, ob wir auf Grund verschiedener Vorgänge nicht, dem Beispiel der SPD in den 50er Jahren folgend, den Antrag stellen sollten, das Amtsgehalt des Ministers zu streichen.
({0})
Sie sehen, meine Damen und Herren, daß wir diesem Gedankengang nicht bis zum Ende gefolgt sind und kein diesbezüglicher Antrag vorliegt. Ich will Ihnen auch sagen, warum. Weil ich - mit Recht wahrscheinlich - die Befürchtung hatte, Sie würden, wenn wir die Streichung des Amtsgehalts des Ministers beantragten, sagen, wir wandelten das alte Sprichwort „Er schlägt den Sack und meint den Esel" um in „Er schlägt den Katzer und meint den Kanzler".
({1})
Das wollten wir hier nicht heraufbeschwören.
Beim Haushalt des Ministeriums für Arbeit und Sozialordnung handelt es sich trotz des geringen Anwachsens um den Einzelplan mit dem zweithöchsten Finanzvolumen. Die finanzielle Situation in der Renten- und Krankenversicherung ist in der Zeit der Herrschaft dieser Koalition nicht nur ernster, sondern geradezu beängstigend geworden; ganz zu schweigen von dem, was in der Zukunft werden soll.
Der Bundeskanzler hat am 13. Dezember 1966 diese Koalition zwar auch mit großen Ankündigungen zur Sozialpolitik eingeläutet, aber das Zusammenspiel in der Koalition wird durch Dissonanzen bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt gekennzeichnet. Hatte es zunächst den Anschein, als sollten große soziale Vorhaben in langfristige Entwicklungen eingebettet werden - so hatte es der Bundeskanzler in der Regierungserklärung vorn 13. Dezember 1966 angedeutet -, so hat sich leider bald gezeigt, daß die Gesetze im Rahmen der mittelfristigen Finanzplanung unsystematisch eingebracht und verabschiedet wurden.
Diese Große Koalition wurde zu Beginn als soziale Koalition angekündigt und gefeiert. Heute können wir feststellen: sie ist weder ihren eigenen Ansprüchen noch den Erwartungen vieler Bürger gerecht geworden. Von sozialer Symmetrie kann keine Rede sein.
({2})
- Herr Kollege Schellenberg, wir werden, nachdem wir die Sachverständigen gehört haben - auch das gehört zu einer ordentlichen Gesetzgebungspraxis -, mit dazu beitragen, daß diese soziale Symmetrie im Rahmen dessen, was in so kurzen Beratungswochen noch möglich ist, verbessert wird. Darauf können Sie sich verlassen.
({3})
- Herr Kollege Schellenberg, ich möchte zu den Problemen des Arbeitsministeriums zurückkehren.
Wir haben bedauert, daß entscheidende Kleine Anfragen der Freien Demokraten zur Sozialpolitik meist nicht fristgerecht oder nicht konkret oder nur teilweise beantwortet wurden. Ich will mich auf zwei Beispiele beschränken. Der Herr BundeskanzSpitzmüller
ler hat in seiner Regierungserklärung vom 13. Dezember 1966 eine Fülle von Ankündigungen zur Sozialpolitik gemacht. Bis heute warten wir auf die konkreten Erläuterungen zu dem, was der Herr Bundeskanzler mit seinen damaligen Feststellungen zur Sozialpolitik eigentlich konkret gemeint hat. Bis zur Stunde warten wir auch noch auf eine Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Freien Demokraten von Mitte Januar, in der wir wissen wollten, welche Gesetze nach Auffassung der Bundesregierung im Sozialbereich noch in dieser Legislaturperiode verabschiedet werden sollten, und was sie kosten. Wir haben mit Freude vernommen, Herr Arbeitsminister, daß Sie die diesbezüglichen Arbeiten beendet haben, daß aber der Herr Finanzminister offensichtlich noch feste mit dem Rechnen beschäftigt ist, was das, was nach Ihrer Meinung noch geschafft werden sollte, kostet.
Die Regierung der Großen Koalition ist bis zur Stunde nicht in der Lage, wichtige sozialpolitische Vorhaben in sich selbst abzustimmen und dem Parlament rechtzeitig vorzulegen. Ich darf an einige wenige Vorgänge erinnern. Zunächst einmal erinnere ich an die Verbesserung der Leistungen in der Arbeitslosenversicherung im Jahre 1967; das ist schon lange her, und kein Mensch denkt mehr daran. Es war das erste Hoppla-hopp-Gesetz, bei dem bis in die letzte Stunde hinein noch Änderungen und Verbesserungen notwendig waren.
Denken Sie z. B. an die Vorschläge im sozialen Bereich im Rahmen des Finanzänderungsgesetzes, bei denen der unzumutbare Zeitdruck, unter dem das Parlament stand, dazu geführt hat, daß die größte Regierungspartei, die CDU/CSU, bereits wenige Monate später Änderungsgesetze vorlegen mußte.
Denken Sie an das Schauspiel, das die Koalitionspartner und die Regierung selbst seit Herbst letzten Jahres zur Lohnfortzahlung vorgeführt haben. Meine Damen und Herren, was sind Kanzlerworte eigentlich wert, wenn der Herr Bundeskanzler Kiesinger von diesem Platz aus verkündet, die Lohnfortzahlung könne nur in Verbindung mit einer wirklichen Reform der Krankenversicherung angepackt werden, bis heute aber kein Regierungsentwurf zu dieser Frage vorliegt und wir auch annehmen müssen, daß keine Regierungsvorlage mehr kommen wird?
Wenn ich an diesen Auftritt des Herrn Bundeskanzlers Kiesinger und an das nette Zwischenspiel mit dem Vorsitzenden der SPD-Fraktion denke, werde ich an die Worte des Herrn Bundeskanzlers in der Debatte vom Dezember 1966 erinnert, als er vom „Prophete" sprach. Ich komme zu dem Ergebnis, daß man in dieser Frage dieses Wort des Herrn Bundeskanzlers Kiesinger folgendermaßen abwandeln kann: „Prophete links, Prophete rechts, der Bundeskanzler hatte sich verschätzt".
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- Wo Sie sich selber einordnen, Frau Kalinke, überlassen wir Ihnen.
({5})
Die Konsequenz solcher Gesetzgebungsmaßnahmen ist, daß das Sozialrecht noch unübersichtlicher und noch undurchsichtiger geworden ist. Ein Laie findet sich nach all den vielen halben Lösungen schon gar nicht mehr zurecht. In diesem Flickenteppich ist kein Muster mehr zu erkennen. Die Probleme wurden in dieser Koalition, soweit finanzielle Schwierigkeiten vorhanden waren, so gelöst, daß man sich von Leistungsverpflichtungen zurückzog und die entsprechenden Kosten verlagerte, das heißt, auf Arbeitgeber und Arbeitnehmer überwälzte. Der vielzitierte „kleine Mann" wurde dabei nicht verschont; auch das muß festgehalten werden.
Damit, meine Damen und Herren, hat sich die ganze Fragwürdigkeit der Sicherheit sozialer Leistungen gezeigt, wenn diese Leistungen im wesentlichen durch öffentliche Mittel finanziert oder mitfinanziert werden.
Dem sozialpolitischen Ausschuß liegt das Dritte Rentenversicherungs-Änderungsgesetz seit drei Jahren vor. Die Probleme haben sich, seitdem der Gesetzentwurf überwiesen wurde, wesentlich verschärft. Aber die Bundesregierung, der Arbeitsminister machen bisher keine eigenen schriftlich fixierten Vorschläge zur Lösung dieser Fragen. Hilfesuchend werden Tendenzbeschlüsse des Sozialpolitischen Ausschusses gefaßt, um über die Eselsbrücke der Formulierungshilfen weiterzukommen. Ein nicht gerade beglückender Zustand, insonderheit wenn man daran denkt, daß der Herr Bundeskanzler Dr. Kiesinger am 16. Oktober 1968 in einer Regierungserklärung -- eben jener besagten Regierungserklärung, in der er sich auch zur Lohnfortzahlung äußerte - erklärt hat, die Bundesregierung werde noch in dieser Legislaturperiode einen Bericht über die Lage der gesetzlichen Rentenversicherung erarbeiten und Alternativvorschläge für eine dauerhafte finanzielle Konsolidierung der sozialen Altersversicherung über das Jahr 1975 hinaus vorlegen. „Beifall bei den Regierungsparteien" verzeichnet hier das Protokoll. Herr Minister, wir wären sehr dankbar, wenn wir einmal wenigstens einen konkreten Initiativvorschlag der Bundesregierung hätten, aus dem hervorgeht, wie die Bundesregierung sich die Lösung bis 1975 und darüber hinaus vorstellt. Noch glücklicher wären wir natürlich, wenn die Ankündigung des Herrn Bundeskanzlers, Alternativlösungen zur Verfügung zu stellen, noch in diesem Bundestag, also in den nächsten Tagen, vollzogen werden könnte, so daß wir im Ausschuß wüßten, welche Lösungsmöglichkeiten vorhanden sind, und nicht nur auf mühselig herbeigezauberte Formulierungshilfen der Ministerialbürokratie angewiesen wären.
({6})
Vergeblich sucht man nach den Zielvorstellungen dieser Bundesregierung zu den Fragen des Leistungsrahmens der Renten, zur Organisation der gesetzlichen Rentenversicherung und zu den Wegen der Finanzierung.
Wenn ich damit den Leistungsrahmen der Renten angesprochen habe, so wird mancher Kundige im
Saal sagen: „Um Gottes Willen, was will denn der? Der Leistungsrahmen der Renten ist doch klar festgelegt, den will doch niemand verändern!" Meine Damen und Herren, wir wollen die Dinge einmal nüchtern betrachten. Wir sind von den Zielvorstellungen der Rentenreform 1957 weit entfernt. Verkündetes Ziel war es z. B., bei einer 40jährigen Versicherungszeit eine Rente zu gewähren, die 60% des vergleichbaren Bruttoarbeitsentgelts entspricht. Nur drei Viertel dieses Ziels sind erreicht, nämlich 45 %, obwohl die Beitragssätze ohne entsprechende Anspruchsverbesserungen wesentlich gestiegen sind und weiter steigen müssen, wenn nicht weitere Eingriffe in das Leistungsrecht vorgenommen werden sollen.
Damit bin ich bei den Eingriffen in das Leistungsrecht. Da wird wieder mancher, der nicht so ganz bis in die Details mitgekommen ist, sagen: „Es hat doch keine Eingriffe in das Leistungsrecht gegeben." Meine Damen und Herren, wir alle hören sehr oft das Wort von der bruttolohnbezogenen Rente bzw. der Erhaltung der bruttolohnbezogenen Rente. Herr Kollege Büttner war in diesen Tagen Zeuge, wie Herr Arbeitsminister a. D. Blank in Frankfurt ein beredtes Bekenntnis zur Beibehaltung der bruttolohnbezogenen Rente abgegeben hat.
({7})
- Lassen Sie mich nur mal aussprechen, Herr Kollege Blank; wenn ich am Ende dieser Gedanken bin, werden Sie ein bißchen überrascht sein, so hoffe ich.
({8})
Hier wird mit einem Begriff in der Öffentlichkeit etwas vorgegaukelt, was bei näherem Hinschen etwas anders aussieht als das, was das Schlagwort zum Ausdruck bringt. Wir sollten einmal den Mut haben, klar auszusprechen, daß wir tatsächlich gar keine bruttolohnbezogene Rente, sondern nur eine Schein-Bruttolohnbezogenheit haben. Es wird sonst nämlich dem Rentner und dem Beitragszahler etwas vorgemacht, wes bei ihm falsche Vorstellungen über die Leistungen, die er zu erwarten hat, weckt. Tatsächlich sind die Rentenleistungen auf Grund der Feststellung der allgemeinen Bemessungsgrundlage in ihrer Effektivität faktisch nettolohnbezogen. Zum Beweis dafür darf ich eine Schrift des Deutschen Gewerkschaftsbundes „Für sorgenfreies Alter -Unsere soziale Rentenversicherung ist in Gefahr" benutzen und Ihnen einmal die Tabelle 3 auf Seite 11 in Erinnerung rufen. Hier wird den Bestandsrenten gegenübergestellt: durchschnittliches Bruttoentgelt eines Dreijahreszeitraums, Bruttoentgelt aller Versicherten, durchschnittliches Nettoentgelt eines Dreijahreszeitraums.
Herr Kollege Schellenberg!
Herr Kollege Spitzmüller, darf ich Sie fragen, was Sie getan haben, um die bruttolohnbezogene Rente noch zu verbessern?
Spitzmüller ({0}) : Herr Kollege Schellenberg, ich will hier nur einmal damit aufräumen, daß in
der Öffentlichkeit falsche Eindrücke entstehen. Sie werden am Ende meiner Ausführungen sehen, daß ich auch daran interessiert bin, daß bestimmte falsehe Eindrücke, die Sie und andere Kollegen gelegentlich gern erwecken wollen, ausgeräumt werden.
({1})
Diese Tabelle beginnt, da die Rentengesetze seit dem Jahre 1957 bestehen, in allen Spalten mit dem Index 1957 100. Im Jahre 1961 haben die Bestandsrenten die Indexzahl 118 erreicht, während das Bruttoentgelt auf 133 davongeeilt ist und das durchschnittliche Nettoentgelt bei 117,8 liegt. Im Jahre 1966 liegen die Bestandsrenten bei 169,9, das Nettoentgelt bei 164,7 und das Bruttoentgelt bei 196.
Meine Damen und Herren, warum führe ich das an? Ich sage das, um deutlich zu machen, daß wir Freien Demokraten diese Dinge nüchtern gesehen haben und immer nüchtern sehen werden. Von uns sind deshalb auch das möchte ich hier klar feststellen - keinerlei Vorschläge in der Öffentlichkeit oder gar bier im Hause gemacht worden, die nur eine Scheinlösung darstellen würden, wie dies z. B. bei der Forderung nach der Nettolohnbezogenheit der Fall ist. Meine Damen und Herren, wir wollen uns vor Augen führen, daß diese Nettolohnbezogenheit nicht von den Freien Demokraten, sondern von der Bundesvereinigung Deutscher Arbeitgeberverbände, von eminent wichtigen Kreisen des Wirtschaftsausschusses der CDU/CSU und von Damen und Herren des Finanzministeriums gefordert worden ist. Das möchte ich hier doch einmal in aller Deutlichkeit klarstellen, weil man immer wieder versucht hat, uns Freien Demokraten den Wunsch nach der Nettolohnbezogenheit in die Schuhe zu schieben. Ich habe zum Aufkommen dieser Gerüchte und dieser Vorstellungen immer erklärt: Damit kann man nichts anfangen; denn wir haben heute effektiv nur eine Rente, die, wenn wir sie aktualisieren, eben eine nettolohnbezogene Rente darstellt und nur eine Scheinbruttolohnbezogenheit zum Inhalt hat.
({2})
Im übrigen, meine Damen und Herren, hat der Herr Bundesarbeitsminister in der Antwort auf eine Kleine Anfrage der freien Demokraten zur betrieblichen Altersversorgung eingestanden, daß die heutigen Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung in vielen Fällen nur eine Art Grundsicherung darstellen.
Wir schlagen deshalb vor, sich von illusionären Zielsetzungen frei zu machen, um mit dem Begriff der Bruttolohnbezogenheit keinen ideologischen Nebel zu verbeiten. Diese aktualisierte Bruttolohnbezogenheit könnte nämlich in diesem System nur erreicht werden, wenn wir vier Jahre lang keine Lohn- und Gehaltserhöhungen hätten. Walte Gott, daß das nicht eintritt! Denn, meine Damen und Herren, wir wissen alle miteinander, wie dann die Finanzsituation unserer Rentenversicherungen aussähe und welche gigantischen Beitragssätze wir erheben müßten, um die Zusagen im Rahmen der Rentenneuregelungsgesetze einhalten zu können.
Meine Damen und Herren, ich komme noch einmal zu den Eingriffen in den bestehenden LeistungsSpitzmüller
rahmen, damit es nicht vergessen wird; die Zeit ist so schnellebig. Dieses Koalition hat in den bestehenden Leistungsrahmen durch den sogenannten 2 %igen Rentnerkrankenversicherungsbeitrag eingegriffen. Der Rentenbeginn wird bei erstmaliger Gewährung der Rente um einen Monat verzögert. Es findet eine volle Anrechnung bei Bezug von Arbeitslosengeld statt.
({3})
Eine ersatzlose Streichung der Erstattung bei Heirat hat Platz gegriffen. Eine Beitragspflicht für beschäftigte Rentner ist eingeführt worden, ohne doll aus diesen Beitragsleistungen Leistungsverbesserungen erwachsen. Auch in die Rentenformel - daran muß man immer wieder erinnern - der knappschattlichen Rentenversicherung ist erheblich eingegriffen worden, und trotz Beitragserhöhungen ist die finanziell solide Grundlage leider immer noch nicht endgültig geregelt und sichtbar.
Bis heute hat die Bundesregierung das scheint
uns ein wichtiger Punkt, und wir wären sehr dankbar, wenn Sie, Herr Bundesarbeitsminister, dazu hier Stellung nehmen könnten -- richt darlegen können, welche Aufgaben der Bundeszuschuß zu den einzelnen Trägern der Rentenversicherungen in der Zukunft hat und haben soll. Solange hier keine Klarheit besteht, wird die Gefahr der Manipulation - wie durch das Finanzänderungsgesetz geschehen - immer wieder auftauchen.
({4})
In Einzelplan 11 sind rund 11 000 Millionen DM
Bundeszuschuß an die einzelnen Versicherungsträger veranschlagt. Diese Leistungen werden teils als Defizitausgleich, teils als Erstattung und teils als dynamisierter Finanzierungsanteil gewährt. Hier stehen Fragen offen, und diese Fragen wollen wir an Sie, Herr Bundesarbeitsminister, klar und deutlich richten; denn wir sind hier noch in Sorge, weil wir wissen, was in den vergangenen Jahren geschehen ist.
Will sich die Bundesregierung ihrer Verpflichtungen gegenüber der Knappschaft teilweise entledigen - wie es im Finanzänderungsgesetz vorgesehen war - oder nicht? Sind die Pläne, die Defizithaftung des Bundes durch eine Defizithaftung der Arbeiter- und Angestelltenversicherung ablösen zu lassen, in dieser Regierung endgültig begraben oder schweben sie noch irgendwo frei im Raum und sind nur deshalb hier nicht mehr vorgetragen worden, weil dieses Parlament diese Handlungsvorschläge der Bundesregierung einmütig abgelehnt hat?
Die zweite Frage, Herr Bundesarbeitsminister: Sind die Bundeszuschüsse in der Zukunft rein ausgleichende Manipulationsmasse gegenüber der Arbeiter- und Angestelltenversicherung, oder sind sie eindeutig Erstattungen für spezifische Leistungen und Aufgaben der Rentenversicherungsträger, die nicht über Beiträge finanziert werden?
Das sind Fragen, die wir beantwortet haben müssen, wenn nicht heute, dann aber spätestens bei der Verabschiedung des Dritten Rentenversicherungsanderungsgesetzes. Es fehlt his zur Stunde leider
jedes Konzept für die Rechtfertigung, die Gestaltung und die voraussichtliche künftige Entwicklung dieser öffentlichen Leistung. Damit sind genauso die Fragen der Belastung der Arbeitsentgelte und der sozialen Abgaben ungeklärt, von denen 80 bis 85% der Erwerbsbevölkerung betroffen sind.
Die Lohnfortzahlung ist in der Schwebe. Es wird behauptet, daß, wenn sie nicht komme, in der Zukunft ein Beitrag zur Rentenversicherung von 18 % nicht ausreichen würde. Nur wenige Beratungswochen stehen nudi zur Verfügung, und für keines der genannten Probleme liegen überzeugende Lösungsvorschläge der Bundesregierung vor. Der Sozialpolitische Ausschuß hat es sich zur Aufgabe gemacht, sich vorsichtig tastend an die Lösung dieser Aufgaben zu machen. Hier fehlt es einfach an der Initiative, an einem konkreten Vorschlag, an konkreten Alternativvorschlägen der Bundesregierung, wie sie der Herr Bundeskanzler angekündigt hat.
Das Sozialbudget ist zweifellos ein erfreulicher Fortschritt; es sollte Klarheit und eine Übersichtlichkeit über die einzelnen sozialen Leistungen in ihrer Gesamtheit und über die künftige Entwicklung bringen. Das vorgelegte Material ist in manchen Punkten aufschlußreich, aber es besagt über die tatsächliche soziale Struktur und Situation des einzelnen und bestimmter Gruppen leider zuwenig Wenn wir Sozialpolitik betreiben wollen, die eine optimale Wirksamkeit im Hinblick auf die eingesetzten Mittel verspricht, genügt es nicht, Zahlen und Daten über die einzelnen Sektoren zu haben; es bedarf ausreichender Untersuchungen über die Wirkungen des Umverteilungsprozesses über Steuern 1 und Abgaben beim einzelnen, aber auch Unterlagen über die Notwendigkeit dieser Umverteilungsprozesse an sich.
Diese Regierung hat aus der Sozialenquete keine Konsequenzen gezogen. Nur die Altersversorgung konnte im Ausschuß beraten werden. Gerade aber die Sozialenquete hat deutlich gemacht, daß wir mehr über die Einkommenssituation des einzelnen und der Familie in den verschiedenen Lebensphasen wissen müssen. Es bleibt nur zu hoffen, daß eine neue Regierung mit mehr Umsicht an diese Grundlagenfragen systematisch herangeht.
Meine Damen und Herren, ich möchte zum Schluß kommen. Es wäre ein Sündenregister von Unterlassungen oder von Dingen aufzuzählen, deren sich diese Regierung, diese Koalition im sozialpolitischen Bereich schuldig gemacht hat. Ich denke nur an das Schattenboxen der SPD in der Frage der Mitbestimmung, wo die Gesetzentwürfe so spat vorgelegt werden, daß sie praktisch nicht mehr verabschiedet werden können. Ich denke an den Streit im Arbeitsausschuß über die Frage der Berufsausbildung, ich denke daran, daß die Kriegsopferfragen fast ausgeklammert worden sind und daß - dafür sind Sie nicht zuständig, Herr Bundesarbeitsminister, aber es gehört in den sozialpolitischen Bereich - Familienpolitik nicht stattgefunden hat. Positiv - und das hat auch der Berichterstattter, Herr Kollege Krampe, zum Einzelplan 11 dargelegt - ist eigentlich nur das Gesetz zur Arbeitsförderung zu bewerten. Es hat reformerische Züge, aber es ist kein geistiges Pro12264
dukt dieser Koalition, sondern der vorangegangenen Koalition. Die Sozialenquete liegt seit 1966 vor. Die erforderlichen Konsequenzen daraus sind nicht gezogen worden.
Die Bundesregierung versucht, sich in den einzelnen Sektoren von einer finanziellen Verlegenheitslösung zur anderen zu retten, statt die Dinge langfristig und grundsätzlich anzupacken. Der gemeinsame Nenner, auf den sich die Koalitionspartner einigen können, sind Kompromisse. Nun sind Kompromisse an sich manchmal eine recht gute Sache, manchmal eine notwendige, eine nützliche Sache, aber die Kompromisse, die hier geschlossen wurden, sind leider nicht im guten Sinne dieses Wortes aufzufassen und zu verstehen.
Meine Damen und Herren, wenn wir als Freie Demokraten am Haushalt des Arbeitsministers versuchen, Richtung und Ziel der Sozialpolitik und - wie es in der Überschrift heißt - der sozialen Ordnung abzulesen, dann wird eben deutlich, daß die Sozialpolitik dieser Koalition mit vielen Fragezeichen versehen ist. Wir können daher diesem Haushalt, so weh uns 'das tut, nicht zustimmen, weil er nicht das Spiegelbild einer erfolgreichen und zielbewußten Sozialpolitik ist, sondern weitgehend die Bilanz einer Summe von fiskalischen Notlösungen darstellt, die jegliches langfristige Konzept vermissen läßt.
({5})
Das Wort hat Herr Professor Schellenberg.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als Vorsitzender des Ausschusses für Sozialpolitik möchte ich einige Bemerkungen zu den Ausführungen von Herrn Kollegen Spitzmüller machen.
Herr Kollege Spitzmüller, die Beratungen des Dritten Rentenversicherungs-Änderungsgesetzes, eines Finanzierungsgesetzes der Rentenversicherung, sind deshalb besonders kompliziert geworden, weil der Ausschuß mit Ihrer Zustimmung beschlossen hat, die Kalkulation der Beiträge und der dynamischen Leistungen bis zum Jahre 1985 fortzuführen, d. h. über den Rentenberg hinaus.
({0})
Die Bundesregierung hat - und das muß ich als eine positive Leistung anerkennen - dem Ausschuß erstmals Zahlenmaterial vorgelegt, das nicht nur vom Arbeitsministerium selbst erarbeitet wurde, sondern das mit allen Ressorts einschließlich der Bundesbank und der Versicherungsträger abgestimmt wurde. Es wurde als ein Zahlenmaterial nach dem besten Stande der Erkenntnis aller Beteiligten erarbeitet. Das ist ein großer Fortschritt gegenüber allen bisherigen Zahlenunterlagen.
({1})
Herr Kollege Spitzmüller, der Ausschuß für Sozialpolitik hat - ich habe es soeben durch den Ausschußassistenten feststellen lassen - 58 verschiedene Aufträge - nicht Formulierunghilfen, sondern Aufträge - zu Berechnungen der verschiedensten Art an den Herrn Bundesarbeitsminister erteilt,
({2})
um die langfristige Finanzierung der Rentenversicherung sicherzustellen. Damit haben wir sogar die FDP mit der Fülle ihrer Kleinen Anfragen wesentlich übertroffen. Bisher hat uns der Bundesarbeitsminister 34 dieser Anfragen - das haben auch Sie im Ausschuß zugeben müssen - sehr gründlich und sorgfältig bearbeitet.
({3})
Gestatten Sie eine Zwischenfrage? Bitte, Herr Spitzmüller!
Herr Kollege Schellenberg, können Sie mir zustimmen, daß diese Ihre Ausführungen bestätigen, daß der Sozialpolitische Ausschuß außerordentlich initiativ ist und es deshalb sein muß, weil das, was der Herr Bundeskanzler am 16. Oktober angekündigt hat, nicht gekommen ist, nämlich die Alternativvorschläge, die Initiativen der Bundesregierung?
({0})
Der Ausschuß für Sozialpolitik ist deshalb besonders aktiv und initiativ, weil die Vorlage des Dritten Rentenversicherungs-Änderungsgesetzes noch von der früheren Bundesregierung stammt
({0})
und wir gemeinsam der Auffassung sind, daß wir
viel sorgfältiger, gründlicher und langfristiger kalkulieren müssen als die frühere Bundesregierung.
Jetzt eine Zwischenfrage von Herrn Kühn ({0}).
Herr Kollege Schellenberg, würden Sie mit mir darin übereinstimmen, daß es die gemeinsame Auffassung des Ausschusses, einschließlich der Kollegen der FDP, war, daß wir die vorliegende Vorlage weiterbehandeln und als Grundlage nehmen wollten und daß deswegen gar nicht die Regierung, sondern der Ausschuß am Zuge war, sowie Sie es eben dargestellt haben?
Ich kann Ihre Auffassung voll und ganz bestätigen, möchte darüber aber noch einige weitere Mitteilungen machen.
Herr Kollege Spitzmüller, Sie haben unter dem 6. März als Mitglied des Ausschusses eine Zusammenstellung der bisherigen Ausschußbeschlüsse erhalten, aus der sich ergibt, daß der Ausschuß bereits Tiber 37 Paragraphen verbindliche Beschlüsse gefaßt hat.
({0})
Das ist eine ganz entscheidende Vorarbeit für die abschließenden Ausschußberatungen.
Herr Kollege Spitzmüller, ich muß hinzufügen: Der Ausschuß hat seine Beratungen unter anderem deshalb noch nicht abgeschlossen, weil wir eine Klärung der Fragen der Lohnfortzahlung, die für die langfristige Finanzierung der Rentenversicherung von erheblicher Bedeutung ist, abwarten wollten. Die beiden Regierungsparteien stimmen in ihren Gesetzentwürfen dahin überein, daß die arbeitsrechtliche Lohnfortzahlung noch in dieser Legislaturperiode Gesetz werden soll, wodurch sich die Finanzlage der Rentenversicherung der Arbeiter, indirekt aber auch die der Angestellten nicht unwesentlich verbessert. Ich kann Ihnen mitteilen, daß ich, nachdem beide Gesetzentwürfe hier im Hause eingebracht wurden, unverzüglich den Herrn Bundesarbeitsminister gebeten habe, seine langfristige Kalkulation auf Berechnungen zu stützen, die auch die Beitragseinnahmen aus der arbeitsrechtlichen Lohnfortzahlung beinhalten.
Ein Wort zum Abschluß. Der Ausschuß für Sozialpolitik wird - darüber sind wir uns klar - noch sehr intensiv auch in Sondersitzungen arbeiten müssen. Wir haben uns vorgenommen, die Beratung aller Gesetzentwürfe, die dem Ausschuß für Sozialpolitik vom Plenum überwiesen wurden, noch in dieser Legislaturperiode zu einem guten Abschluß zu bringen, und hoffen - jedenfalls teilweise - auch auf die Unterstützung der FDP; „teilweise" muß ich sagen, weil ich Ihre Unterstützung zur arbeitsrechtlichen Lohnfortzahlung leider nicht erwarten kann.
({1})
Das Wort hat der Abgeordnete Ollesch.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich will für die Fraktion der FDP nur zu einem kleinen Kapitel in dem umfangreichen Haushalt des Herrn Ministers für Arbeit und Sozialordnung Stellung nehmen.
Herr Bundesminister, in der Regierungsvorlage zum Haushalt war vorgesehen, daß im Jahre 1969 rund 2000 Ersatzdienstpflichtige Dienst tun sollten. Sie wissen, daß das Problem der Kriegsdienstverweigerer noch vor ganz kurzer Zeit in mehreren Debatten dieses Hauses eine erhebliche Rolle gespielt hat.
({0})
- Herr Kollege Ruf, wir werden unsere Wähler dort bekommen, wo wir durch unsere gute Politik eine Resonanz bei den Wählern finden.
({1})
Haben Sie keine Sorge, daß wir auf Gruppensuche gehen müßten.
Es war der eindeutige Wille dieses Hauses, daß die Bemühungen verstärkt werden sollten, die
Kriegsdienstverweigerer zu einem gleichwertigen Dienst heranzuziehen. Der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung wurde gebeten, dafür Sorge zu tragen, daß die Kriegsdienstverweigerer unverzüglich zu einem Ersatzdienst herangezogen werden können.
Der Haushaltsausschuß hat die Zahl der vorgesehenen Dienstplätze von 2000 auf 3500 aufgestockt. Aber immerhin wird in der Vorlage des Haushaltsausschusses zum Einzelplan 11 festgestellt, daß allein für die sogenannten Soldatenfälle, d. h. für die Kriegsdienstverweigerer, die während der Ableistung ihres Grundwehrdienstes von ihrer Gewissensentscheidung Gebrauch machen, diese 3500 Plätze wahrscheinlich voll ausgeschöpft werden; denn im Jahre 1968 haben über 4000 Wehrdienstleistende einen Antrag auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer gestellt. Aus der Erfahrung wissen wir, daß die Anerkennungsquote bei rund 80% liegt. Man wird also nur in der Lage sein, die Kriegsdienstverweigerer des Jahres 1968 - im Jahr 1969 werden es nach den Erfahrungen sicherlich mehr werden - in die 3500 ausgewiesenen Plätze aufzunehmen.
Nun wissen wir, daß es nicht ganz einfach ist, Plätze in ausreichender Zahl zu schaffen, nicht nur nicht einfach aus finanziellen Gründen, sondern weil von der Materie her Kriegsdienstverweigerer in den in Frage kommenden Diensten nur sehr schwer untergebracht werden können. Trotzdem, meinen wir, sollten die Anstrengungen zur Schaffung neuer Plätze verstärkt werden. Denn es kann ja nicht das Ziel sein, nur die sogenannten „Soldatenfälle" zum Ersatzdienst heranzuziehen. Vielmehr müssen wir auch diejenigen jungen Menschen heranziehen. die vor der Ableistung ihres Grundwehrdienstes, zur Zeit der Zustellung des Musterungsbescheides und des Einziehungstermins, von der Gewissensentscheidung Gebrauch machen. Das waren im vergangenen Jahr immerhin rund 11 000 junge Männer. Nach den Erfahrungssätzen würden also rund 9000 Plätze allein für diese Kriegsdienstverweigerer bereitgestellt werden müssen.
Herr Bundesminister, wir würden Ihnen zu Dank verpflichtet sein, wenn wir hier und heute von Ihnen hörten, wie Sie sich die Lösung des Problems vorstellen. Denn mit Deklamationen der Verteidigungspolitiker hier im Hause und mit der Annahme von Entschließungen allein wird die Frage nicht gelöst.
({2})
Meine Damen und Herren, die Freien Demokraten möchten nicht, daß neben das kaum lösbar erscheinende Problem der bestehenden Wehrungerechtigkeit noch das Problem der Ersatzdienstungerechtigkeit tritt. Was die Zahl der Plätze angeht, so müßte es möglich sein, zu guten Ansätzen zur Erreichung zwar nicht der vollen, aber immerhin einer annehmbaren Gerechtigkeit, Herr Kollege Dr. Götz, zu kommen.
({3})
- Herr Kollege, die vollendete Gerechtigkeit, die Sie gerade im Bereich der Sozialpolitik immer anstreben
({4})
und auch mit unserer Hilfe nicht erreichen, ist einfach nicht zu erzielen, solange Menschen am Werk sind. Die Meinungen über Gerechtigkeit gehen ja auch auseinander.
Herr Bundesminister, wir glauben also, daß 3500 Plätze einfach nicht ausreichen und daß von Ihrem Hause noch in diesem Jahr alle Anstrengungen unternommen werden sollten, um die Zahl der Plätze drastisch zu erhöhen. Erst dann, wenn die Sicherheit besteht, daß der Kriegsdienstverweigerer einen gleichwertigen Ersatzdienst ableisten muß, wird die Zahl der Kriegsdienstverweigerer, die in der letzten Zeit ständig gestiegen ist, sicherlich wieder auf ein erträgliches Maß zurückgehen.
({5})
Das Wort hat Herr Bundesminister Katzer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ehe ich auf die Bemerkungen der Sprecher der Opposition eingehe, möchte ich dem Berichterstatter Dank dafür sagen, daß er zwei Schwerpunkte des Haushalts meines Geschäftsbereiches herausgegriffen hat, für die ich mich besonders engagiert habe, nämlich die Frage der Wiedereingliederung von körperlich Behinderten und die Frage der Wiedereingliederung von älteren Arbeitslosen. Ich will das hier nur kurz ansprechen, denn im nächsten Monat können wir im Rahmen der Großen Anfrage zum Thema der älteren Arbeitnehmer auf die Einzelheiten eingehen.
Der Herr Kollege Spitzmüller hat auch in der Opposition seinen Charme nicht verloren. Es war geradezu rührend zu hören, als er sagte, mit dem größten Bedauern glaube er meinem Etat nicht zustimmen zu können. Es ist angenehm für einen Bundesminister, diese menschliche Verbundenheit von der Opposition bekundet zu bekommen. Das kleidet die Ablehnung etwas in sanftere Gefühle, Ich bedanke mich dafür sehr herzlich.
In der Sache selbst, Herr Kollege Spitzmüller, haben Sie heute - ich weiß nicht, ob das jedem im Hause ganz klargeworden ist - eine bemerkenswerte politische Außerung gemacht, die, wenn ich das richtig sehe, in krassem Widerspruch zu dem steht, was Sie und Ihre Fraktion seit eh und je betrieben haben. Sie haben sehr viel Kraft, Zeit und Charme aufgewendet, um darzutun, daß nicht die Freien Demokraten die Erfinder der nettolohnbezogenen Rente sind, sondern daß es die Bundesvereinigung der deutschen Arbeitgeber und Teile des Wirtschaftsrates der CDU/CSU gewesen sind. Ich höre das sehr gerne. Früher hörte man von der FDP etwas ganz anderes. Das ist jedenfalls meine Auffassung. Wenn man Ihre Reden, Herr Kollege Spitzmüller, nachliest, ist leicht zu ersehen, daß selbst in der Zeit, als wir gemeinsam in der Koalition
waren, in diesem Punkt keine Übereinstimmung bestand.
Ich kann es jedenfalls doch so interpretieren: Ich halte fest - und es scheint mir wichtig, das festzuhalten; ich wäre Ihnen geradezu dankbar, wenn Sie widersprächen, wenn ich mich irre -, daß Sie der Auffassung sind, daß wir diesen leidigen Streit -brutto- oder nettolohnbezogene Rente? hier und heute in diesem Hause endgültig begraben können und daß wir pragmatisch an die Lösung der Probleme herangehen können. Ist das richtig? - Das ist eine großartige Sache. Dafür kann ich nur dank. bar sein.
({0})
Das kann ich nur als einen großartigen Ertrag der Diskussion heute vormittag zu diesem für mich wichtigen Punkte festhalten. Ich darf Ihnen dafür ausdrücklich Dank sagen, weil diese Problematik in der Vergangenheit ja auch in der Öffentlichkeit eine außergewöhnlich große Rolle gespielt hat.
({1})
Herr Professor Dr. Schellenberg hat vorhin die Frage aufgeworfen, wie sich denn die FDP verhalten wird. Wir haben ja zwei Gesetzentwürfe zur Lohnfortzahlung vorliegen. wird sich die FDP jetzt
verhalten? - Nach dieser Entscheidung, die Sie hier gerade getroffen haben, würde ich es nicht für ausgeschlossen halten, daß Sie sich der arbeitsrechtlichen Lösung der Lohnfortzahlung im Ausschuß jedenfalls anschließen würden.
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Ich will den Ereignissen nicht vorgreifen. Sie haben dazu geschwiegen; das ist Ihr gutes Recht, denn wir haben ja erst in vier Wochen die erste Lesung. Ich will nicht insistieren, ich wollte nur meinerseits sagen: vielleicht kann man auch auf diesem Feld das eine oder das andere noch erwarten.
Die zweite Bemerkung, Herr Kollege Spitzmüller, war für mich sehr interessant. Sie haben die zahlenmäßige Erweiterung des Haushalts - insgesamt 9,5 % genannt; abzüglich der möglichen Stilllegungen kamen Sie auf 4 bis 5 %, und dann haben Sie meinen Haushalt mit 1,6% Steigerungsrate richtig dargestellt. Und es klang in Ihrer Stimme etwas tief Betrübtes mit, daß im Sozialhaushalt nur dieser so geringe Steigerungssatz zu verzeichnen sei. Das steht auch den bisherigen Vorstellungen der Opposition, der Freien Demokraten, entgegen, die uns doch in der Vergangenheit hinsichtlich der Sozialpolitik mehr oder weniger den Vorwurf, den harten Vorwurf gemacht hat, diese Sozialpolitik zerrütte die Staatsfinanzen, sie sei nicht in der Lage, die Einpassung in die wirtschaftspolitische Entwicklung mit zu vollziehen. - Das scheint mir eine zweite Änderung der Linie der Freien Demokraten zu sein. Ich bin darüber gar nicht traurig, sondern ich stelle das hier nur fest.
Nun haben Sie, etwas härter werdend, Vorwürfe gegen mich und mein Ministerium erhoben. Der Vorsitzende des Ausschusses für Sozialpolitik hat dankenswerterweise einige Punkte klargestellt; dazu
brauche ich jetzt nichts mehr zu sagen. Mich persönlich trifft nur ein Vorwurf, Herr Kollege Spitzmüller, weil ich ihn für unberechtigt halte. Wir haben sicherlich viele Fehler gemacht, sehr viele; das leugne ich überhaupt. nicht. Aber einen haben wir ganz sicher so glaube ich, und davon bin ich zutiefst überzeugt - nicht gemacht: wir haben nicht den Fehler gemacht, die Sozialpolitik isoliert zu sehen, und wir haben auch nicht den Fehler gemacht, in der Rezession des vorvergangenen Jahres zu einer abrupten Änderung unseres sozialen Sicherungssystems zu kommen, was uns viele damals anrieten.
({3})
Das war doch damals die Diskussion in diesem Hause. Das waren doch damals die Vorschläge, die de facto darauf hinausliefen, zu einer Änderung unserer Rentenformel zu kommen. Daß wir heute einen Schritt weitergegangen sind, kann ich nur als positiven Ertrag ansehen.
Das zweite, was ich nicht akzeptieren kann, weil es sachlich nicht zutrifft, ist, daß wir uns nicht bemüht hätten, die Sozialpolitik langfristig anzulegen. Sie haben ein Dutzend Kleiner Anfragen gestellt; ich habe sie da liegen. Wir haben sie alle beantwortet, bis auf eine, die noch aussteht. Sie können mit. Recht monieren, daß die Beantwortung ziemlich lange gedauert hat. Das akzeptiere ich, das ist Ihr Recht, denn da haben Sie recht. Aber Sie können hier nicht sagen, wir hätten ant Ihre Anfragen nicht präzise Auskünfte, präzise Zahlen geliefert.
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Und Sie können von mir vor allen Dingen nichts erwarten, was mit einander nicht vereinbar ist, Herr Spitzmüller. Wenn Sie schnelle Antwort haben wollen, kann ich das als Minister natürlich tun. Ich könnte heute - Herr Professor Schellenberg hat darauf hingewiesen - die in meinem Hause erarbeiteten Zahlen der Rentenversicherung bis zum Jahre 1985 vorlegen, weil sie für mich intern vom Hause da sind. Aber nach den Erfahrungen, die ich gemacht habe, Herr Spitzmüller, wird mich niemand mehr dazu bringen, Zahlen bekanntzugeben, die nur aus meinem Hause sind, Zahlen, die nicht abgestimmt sind mit Wirtschaftsminister, Finanzminister, Bundesbank und allen beteiligten Organisationen vom Verband der Rentenversicherungsträger bis hin zur Bundesversicherungsanstalt für Angestellte. Wenn Sie das wollen, wenn, wie ich annehme, das Hohe Haus das will das hat Herr Kollege Schellenberg doch sehr deutlich dargestellt -, dann ist es allerdings zeitraubend; denn dann müssen Abstimmungsgespräche geführt werden. Für diesen Zeitverlust dürfen Sie nicht den Minister verantlich machen, sondern das liegt einfach in der Sache selbst. Ich bleibe aber dabei, daß der Weg richtig ist, alle Zahlen, die wir vorlegen, vorher mit den Ressorts und den Beteiligten genauestens abzustimmen.
({5})
Für die Beratungen im Sozialpolitischen Ausschuß über das Rentenversicherungsänderungsgesetz und
das Finanzierungsgesetz - Herr Kollege Schellenberg hat das schon dargestellt - bekommen Sie die Alternativen, die Sie suchen, Herr Kollege Spitzmüller. Wenn die Beratungen in drei Wochen beginnen, werden Sie von mir Alternativrechnungen im Ausschuß haben. Sie werden die Rechnung bekommen, aus der sich ergibt, wie die Situation der Rentenversicherung bis zum Jahre 1985 aussieht, und zwar einmal nach dem derzeit geltenden Recht und zum anderen unter Einbeziehung der Lohnfortzahlung für Arbeiter im Krankheitsfall. Diese beiden Alternativen werden Sie sehen. Aus ihnen werden Sie auch Hinweise für organisationspolitische Lösungen im Rahmen dieses Dritten Rentenversicherungsänderungsgesetzes ablesen können.
Herr Kollege Spitzmüller, Sie haben eine Bemerkung gemacht, daß die Zielvorstellung der Bundesregierung im sozialpolitischen Felde nicht klar sei. Ich glaube, die Regierungsfraktionen und die Bundesregierung haben ihre Zielvorstellung im sozialpolitischen Feld sehr klar und deutlich mit der Darstellung der abgestimmten Zahlen für unsere Rentenversicherung bis zum Jahre 1985 zum Ausdruck gebracht. An der ersten Stelle unseres sozialen Sicherungsssystems stand und steht für mich, daß wir für die alten Menschen in unserem Lande sorgen. Wir wissen, was das bedeutet. In schwieriger Zeit haben wir den Aktiven zugemutet, höhere Beiträge zu zahlen, weil wir glaubten, die Renten seien nicht so hoch, ais daß man ihre Kürzung, an die sehr viele gedacht hatten, in diesem Hause hinnehmen würde.
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Das ist eine klare Aussage für die Sozialpolitik, die wir in dieser Großen Koalition gemeinsam durchgehalten haben. Dabei leugnen wir gar nicht, Herr Kollege Spitzmüller, daß das in der Finanzsituation des Jahres 1966/67 leider auch mit Eingriffen in das Leistungsrecht, auf die Sie hingewiesen haben, verbunden war.
Sie haben nun zwei konkrete Fragen an mich gerichtet, Herr Spitzmüller, und um Antwort hier und heute oder bis Freitag gebeten. Ich will sie Ihnen selbstverständlich hier und heute geben.
Sie haben zuerst gefragt, wie die Bundesregierung die Bundeszuschüsse versteht, ob sie in ihnen eine manipulierbare Größe sieht. Die Antwort lautet klar und eindeutig: Die Bundeszuschüsse sind Erstattungen an die Rentenversicherungsträger für Leistungen, die nicht der Alterssicherung dienen, so wie es in der Reichsversicherungsordnung festgelegt ist Dabei bleibt es.
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Sie haben zweitens die Frage gestellt, wie es mit der knappschaftlichen Rentenversicherung steht, ob der Gedanke noch verfolgt wird, die Defizithaftung vom Bund auf die Rentenversicherung zu übertragen. Daran ist nicht gedacht. Es bleibt bei der derzeitigen Regelung der Defizithaftung des Bundes.
Sie haben drittens ein lobendes Wort für das Sozialbudget gefunden, Herr Kollege Spitzmüller. Darüber freue ich mich; denn daran hängt viel
Arbeit und auch viel Freude an der Arbeit in unserem Haus, weil hier gestalterisch gewirkt werden kann.
Sie haben dann bedauert, daß das Sozialbudget zuwenig über die tatsächliche Situation des einzelnen aussagt und daß es den Umverteilungsprozeß über Abgaben und Steuern noch nicht deutlich herauskristallisiert hat. Das sind zwar Einwände, die ich für berechtigt halte und die ich teile, weil ich auch der Meinung bin, daß unsere Arbeit nach der Richtung hin fortgeführt werden muß. Aber ich glaube, Sie werden mir zustimmen, Herr Spitzmüller, wenn ich sage: Das Sozialbudget, das wir vorgelegt haben, ist das erste und kennt nicht seinesgleichen in der Welt. Ich habe auf der letzten Konferenz der Arbeitsminister in Brüssel mit der Überreichung des Sozialbudgets die Anregung gegeben, daß doch zumindest im EWG-Bereich alle Länder ein Sozialbudget nach einem ähnlichen System vorlegen, damit auch der Vergleich zwischen den einzelnen Sozialordnungen ermöglicht wird und man eine saubere, gesicherte Basis hat.
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Ich wäre jetzt geneigt, Herr Kollege Spitzmüller, eine Art Rechenschaftsbericht über das zu geben, was sich in dieser Legislaturperiode entgegen Ihren Darstellungen auf dem sozialpolitischen Feld vollzogen hat.
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Ich will hier darauf verzichten, und zwar deshalb, Herr Kollege Spitzmüller, weil wir gerade auf dem sozialpolitischen Feld noch ein gutes halbes Dutzend Gesetze zu verabschieden haben. Wenn sie verabschiedet sind, dann wird Gelegenheit sein, vor diesem Hohen Hause die Bilanz dieser Großen Koalition vorzulegen. Sie werden überrascht und erstaunt sein, wie positiv diese Bilanz ist. Wir werden, Herr Kollege Spitzmüller, dann auch Gelegenheit haben, uns mit punktuellen Vorschlägen, die die FDP im Blick auf Angestellte vorzutragen hat, zu befassen. Das wird dann möglich sein.
Lassen Sie mich noch eine Bemerkung zu den Fragen des zivilen Ersatzdienstes machen, die Sie, Herr Kollege Ollesch, angesprochen haben. Das Hohe Haus hat sich am 15. Januar dieses Jahres in einer Debatte mit dem zivilen Ersatzdienst beschäftigt. Zwischenzeitlich ist die Entwicklung in dem Trend weitergegangen, der damals aufgezeigt wurde, und damit sind die Sorgen des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung nicht geringer, sondern größer geworden. Ich habe mich gefreut, Herr Ollesch, daß Sie das sehr sachlich angesprochen haben; denn wir können dieses Problem nur mit größtmöglicher Sachlichkeit und ohne Ressentiments nach der einen oder anderen Seite lösen.
Die Zahlen sind wie folgt. Wir hatten bis zum Jahre 1966 2600 anerkannte Kriegsdienstverweigerer. 1967 waren es 4800, 1968 5600, Januar 1969 allein 1800 und Februar 2000 Anträge. Der Trend ist also bis zum letzten greifbaren Termin klar erkennbar: Wir müssen also im Jahre 1969 mit rund 10 000 anerkannten Kriegsdiensverweigerern rechnen. Hieraus ergibt sich, daß sich die Zahl der Kriegsdienstverweigerer nach 1966 vervierfacht hat. Besonders gestiegen ist der Anteil der Soldaten, also derjenigen Kriegsdienstverweigerer, die erst während der Ausübung des Wehrdienstes einen Antrag auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer gestellt haben. Das waren 1966 418, 1967 871 und im Jahre 1968 3495.
Von den anerkannten Kriegsdienstverweigerern kommen für eine Einberufung entsprechend der Einberufungspraxis der Bundeswehr - wir haben hier ganz die gleiche Praxis - praktisch nur die Jahrgänge 1946 bis 1949 in Frage; zur Zeit sind das 10 000 Personen. Hiervon haben rund 2700 den Ersatzdienst geleistet oder sind zur Zeit bei der Ableistung. Nach Abzug der Ausfälle infolge Befreiung, Zurückstellung und Uk-Stellung - genau wie das beim Wehrdienst auch ist - bleiben nach dem Stand von Ende Januar dieses Jahres 4000 noch einzuberufene Kriegsdienstverweigerer. Die Zahl wird sich im Laufe des Jahres 1969 unserer Schätzung nach um etwa 5000 auf knapp 10 000 erhöhen, eine Zahl, die auch Sie nannten, wenn ich es richtig im Kopf habe. Um entsprechend der Entschließung des Hohen Hauses vom 15. Januar 1969 diese Kriegsdienstverweigerer einzuberufen, brauchen wir im Schnitt des Jahres etwa 6000 Plätze. Zur Zeit stehen etwa 3000 Plätze zur Verfügung. Wir tun alles, um die Zahl der Plätze und der Einberufungen zu erhöhen. Hier begegnen uns zwei Schwierigkeiten.
Erstens. Die Bereitschaft - das muß ich leider sagen - von Einrichtungen, Krankenhäusern, Pflegeanstalten etc., Kriegsdiensverweigerer zu beschäftigen, hat in der letzten Zeit erheblich nachgelassen. Ich habe dieser Tage mit einem Ihrer Fraktionskollegen Gespräche gehabt, der mir das auch aus seinem Erlebnisbereich bestätigen konnte. Schuld daran sind gewisse Störaktionen, die Sie kennen, und die dazu geführt haben, daß wir jetzt nahezu 200 Plätze verloren haben. Dem muß entgegengewirkt werden. Ich habe eine große Anschreibeaktion gestartet - das ist also kein Appell, sondern eine konkrete Maßnahme -, in der ich alle in Frage kommenden Krankenhäuser und Pflegeanstalten auf die Möglichkeiten des zivilen Ersatzdienstes hingewiesen habe. Daneben wird versucht, durch gezielte Gespräche mit besonders geeigneten Einrichtungen das Mißtrauen gegen den zivilen Ersatzdienst abzubauen. Beauftragte meines Hauses sind zur Zeit ständig unterwegs. Wir haben Verhandlungen mit den Ländern geführt und stehen auch weiterhin in laufendem Kontakt mit ihnen. Das gleiche gilt für fast alle Verbände der freien Wohlfahrtspflege. Dennoch muß ich sagen, damit keine falschen Hoffnungen geweckt werden: das alles wird versucht; ob es erfolgreich ist, vermag ich in dieser Stunde nicht zu sagen.
Die zweite Schwierigkeit liegt in der verwaltungsmäßigen Bewältigung. Der Haushaltsausschuß hat hier erfreulicherweise schnell und sehr unkompliziert geholfen. Die Sachausgaben sind erhöht worden. Beim Bundesverwaltungsamt, das die VerwalBundesminister Katzer
tungsaufgaben durchführt, sind 61 zusätzliche Stellen geschaffen worden. Ich habe gestern den Bundesminister der Finanzen gebeten, weitere Stellen für die Leitung und Betreuung von Ersatzdienstgruppen zur Verfügung zu stellen.
Zusammenfassend kann ich sagen, Herr Kollege Ollesch, die Bundesregierung wird alles tun, um der Entschließung des Hohen Hauses vom 15. Januar 1969 so schnell wie möglich und so gründlich wie möglich nachzukommen. Hierbei lassen wir uns von dem hohen Respekt leiten, den wir jeder einzelnen wirklichen Gewissensentscheidung schuldig sind. Wir müssen aber auch alles tun, um das Stück ausgleichende Gerechtigkeit zu verwirklichen, das dieses Hohe Haus durch das Gesetz über den zivilen Ersatzdienst gefordert hat. Das ist die Aufgabe, die wir zu lösen haben. Ich habe Ihnen die Wege genannt, die wir gehen wollen.
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Das Wort hat Herr Abgeordneter Schmidt ({0}).
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bedanke mich zunächst bei Ihnen, Herr Professor Schellenberg, für die Freien Demokraten herzlich, daß Sie dieses Podium mit den Worten verlassen haben, Sie glaubten nicht, die Zustimmung der FDP zur arbeitsrechtlichen Lösung zu bekommen. Genauso ist es, Herr Professor Schellenberg. Ich muß Sie, Herr Minister, leider enttäuschen, wenn Sie vorhin glaubten, einen Hoffnungsschimmer in dieser Richtung haben zu können.
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Ich stelle fest, daß an diesen Hoffnungen des Herrn Ministers nichts ist und daß Herr Professor Schellenberg völlig recht hatte mit den Worten, mit denen er dieses Podium verlassen hat.
Ich ,bedaure nur - auch das möchte ich noch vorwegschicken -, daß die größte Regierungsfraktion zum Haushalt des von ihr gestellten Bundesarbeitsministers scheinbar gar nichts zu sagen hat, außer dem Berichterstatter;
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denn ich hätte als dritter Sprecher der Opposition gern gesehen, daß auf seiten der CDU/CSU etwas gesagt worden wäre. Aber nun gut!
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Lassen Sie mich einige Bemerkugnen zu dem Satz - auch von Ihnen, Herr Professor Schellenberg - machen, die arbeitsrechtliche Lohnfortzahlung werde noch in dieser Legislaturperiode verabschiedet, weil sie in beiden nunmehr vorliegenden Entwürfen expressis verbis beantragt sei. Nun, es scheint doch noch nicht ganz soweit zu sein.
Ich möchte hier die Frage an ,die CDU/CSU richten, ob sie dem nicht etwas entgegenzusetzen hat. Eines ist uns doch heute schon klar: Die Vorstellungen, damit einen Mini-Einstieg oder eine Hühnerleiter in die Krankenversicherung zu verbinden -denn mehr ist es doch nicht, von einer echten Reform kann man nicht sprechen; ich will auf die Details nicht eingehen, dazu haben wir ,am 23. April Zeit -, werden nicht zu verwirklichen sein. Dafür werden Sie, Herr Kollege Schellenberg, bei den vielen Beratungen im Sozialpolitischen Ausschuß schon sorgen. Soweit kenne ich Sie.
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Es besteht natürlich die Gefahr, daß in dem anderen Ausschuß - es ist sehr bedauerlich, daß hier nebeneinander beraten wird - die Dinge etwas anders gesehen werden. Dann, meine Damen und Herren von der CDU/CSU, sind Sie vor die Frage gestellt: Was tun? Herrn Schellenberg in dem folgen, was er vorhin sagte, oder nicht? Weil wir noch einmal sozusagen eine vierwöchige Denkpause haben - ({4})
Natürlich sind es noch vier Wochen. Herr Kollege Jungmann, vorige Woche hieß es: die Entwürfe werden sofort im Rahmen der ersten Lesung des Haushalts mit verabschiedet bzw. beraten. Bei den vielen Gesetzentwürfen, die Sie diesmal mit in die Haushaltsberatungen hineingepackt haben, wäre das gar nicht so verwunderlich gewesen. Aber anscheinend gibt es noch einmal eine Denkpause. Das hat mich veranlaßt, mich zu melden, um einige Gedanken in den Raum zu stellen, die vielleicht bisher zuwenig von denen beachtet worden sind, die ganz besonders für die arbeitsrechtliche Lösung waren.
Ich habe hier einen Zeitungsartikel vom 25. 3. 1969 aus dem „Kölner Stadt-Anzeiger” mit einer Überschrift, die sehr zu denken gibt: ,,,Auch Gewerkschaft läßt die Älteren im Stich"'. Der Artikel stellt fest, daß 81 % der Arbeitslosen in Nordrhein-Westfalen über 45 Jahre alt sind; er stellt fest, daß 71% über 55 Jahre alt sind. Meine Damen und Herren, nun nehmen Sie die Vorstellung der arbeitsrechtlichen Lösung dazu, und denken Sie darüber nach, was dann geschieht, wenn sich jeder Arbeitgeber - mag der Ausgleich so oder so sein - die Frage stellt - und das muß er -: Kann ich mir einen kränklicheren, einen älteren Arbeiter leisten oder nicht? Stellen Sie sich in den vier Wochen einmal die Frage, was dann passiert, ob diese Arbeiter dann überhaupt noch ihren Arbeitsplatz behalten, oder ob sie, wenn es im Rahmen der Beschäftigungslage vielleicht etwas schwieriger wird, zuerst gehen müssen! Ich weiß nicht, ob unter diesem Aspekt die arbeitsrechtliche Lösung der Lohnfortzahlung eine so große gesellschaftspolitische, sozialpolitische Tat ist.
Lassen Sie mich noch folgendes sagen, und ich bitte, auch das zum Nachdenken mit in die Osterpause zu nehmen. Wir werden die Situation bekommen, wenn Sie Ihre arbeitsrechtliche Lösung in der
Schmidt ({5})
Form durchsetzen, auch wenn Sie das jetzt bestreiten - ({6})
- Wir werden uns über die Details in vier Wochen sehr gut unterhalten können. Ich werde dazu dann noch einiges sagen.
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Lassen Sie mich jetzt folgendes ausführen. Wir werden in die Schwierigkeit kommen - die Bundesregierung bzw. die beiden Fraktionen, die Vorlagen eingebracht haben, geben das sogar zu -, daß im Bereich der lohnintensiven Wirtschaft Probleme auftauchen, die auch nicht durch den Ausgleich, mag er im 20-Mann-Betrieb oder nach Ihrer Vorstellung, meine Damen und Herren von der sozialdemokratischen Fraktion, gelöst werden können. In diesen Bereichen werden sich Betriebe die Existenzfrage stellen müssen.
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- Herr Kollege Schellenberg, ich darf Ihnen sagen,
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in einer Diskussion war Ihr Vertreter auch nicht davon unterrichtet, daß immerhin in Ihrem Entwurf - in Ihrem Entwurf, und deshalb bitte ich Sie, darüber nachzudenken - steht: „Erfüllt der Arbeitgeber während der Arbeitsunfähigkeit des Versicherten dessen Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts nicht," nämlich weil er nicht kann, sonst gäbe es keinen Grund, - ({10})
- Herr Kollege Schellenberg, wenn wir hier ein Gesetz machen, muß der Betreffende zahlen. Gegebenenfalls wird er auf dem Klagewege dazu gezwungen. - Erfüllt er den Anspruch nicht - ich darf
weiterlesen -, „so geht der Anspruch des Versicherten gegen den Arbeitgeber in Höhe des gezahlten Krankengeldes auf die Kasse über." Meine Damen und Herren, damit geben Sie selber zu, daß es zu der Situation kommen kann, daß Arbeiter, die krank sind, ihren Lohn von ihrem Arbeitgeber nicht mehr vorgelegt bekommen können - wie Sie es mit Ihrer arbeitsrechtlichen Lösung wollen -, sondern die Krankenkasse einspringen muß. Das kann aber nur dann der Fall sein, wenn dieser Betrieb nicht mehr zahlen kann.
Wenn Sie das hier selber zugeben, meine Damen und Herren, dann muß ich sagen: Überlegen Sie sich doch lieber noch einmal, ob nicht die versicherungsrechtliche Lösung besser ist, die alle diese Risiken ausschaltet, und ob es nicht besser ist, die ganze Frage im Rahmen einer echten Krankenversicherungsreform - nicht mit einer Minilösung erst im nächsten Bundestag zu diskutieren und zu einem guten Endergebnis, unter Einschluß der Frage der Angestelltenversicherungspflichtgrenze und all der weiteren Fragen, zu bringen.
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Das Wort hat Herr Abgeordneter Müller ({0}).
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Schmidt hat bemängelt, daß von seiten der CDU/CSU bisher nicht in die Debatte eingegriffen worden ist. Herr Kollege Schmidt, wir hätten uns schon gemeldet - wie ich es jetzt getan habe -, wenn Sie in der Diskussion etwas angeboten hätten. Im übrigen ist hier ja in einer sehr wesentlichen Frage, der Frage der bruttolohnbezogenen Rente, vom Herrn Bundesarbeitsminister eine Übereinstimmung festgestellt worden; eine Neuigkeit, die uns außerordentlich interessiert hat. Wir sind für diese Erklärung sehr dankbar, weil uns dadurch in Zukunft die unfruchtbaren Auseinandersetzungen über diese Frage erspart bleiben.
Herr Kollege Schmidt, Sie haben sich insbesondere mit der Lohnfortzahlung beschäftigt. Es ist ein Verhängnis, daß in diese ganze Diskussion über die Lohnfortzahlung Worte wie „arbeitsrechtliche Lösung" und „versicherungsrechtliche Lösung" gekommen sind. Wir wollen für den Arbeiter das gleiche Recht, wie es der Angestellte hat,
({0})
nicht mehr und nicht weniger. Ich will Ihnen ein Beispiel sagen. Nehmen wir einmal einen Handwerksbetrieb; gerade das Handwerk ist ja in dieser Frage sehr stark angesprochen. Nehmen wir einmal - da sitzt Herr Kollege Porten - einen Bäckermeister, der einen Gesellen hat, der das Brot backt, und eine Verkäuferin, die in seinem Laden dann das Brot verkauft. Ich kann einfach nicht einsehen, warum derjenige, der das Brot herstellt, arbeitsrechtlich anders behandelt werden soll als die Verkäuferin, die das Brot verkauft. An diesem Beispiel ist die Problematik aufgezeigt.
({1})
- Das ist ein interesanter Vorschlag, Herr Kollege Stücklen; darüber werden wir uns sicherlich noch zu unterhalten haben.
Herr Kollege Schmidt, Sie haben das Problem der älteren Arbeitnehmer angeschnitten. Es ist sicherlich eine sehr ernst zu nehmende Frage, ob die Situation des älteren Arbeitnehmers zusätzlich durch die betriebliche Lösung der Lohnfortzahlung erschwert wird. Ich bin eigentlich überrascht darüber, daß Sie die deutschen Arbeitgeber so schlecht einschätzen,
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Müller ({3})
wenn Sie glauben, daß diese aus dem Grund die älteren Arbeitnehmer zuerst entlassen würden.
Es ist sicherlich etwas eigenartig, wenn ich hier als Gewerkschaftler einmal ein Rundschreiben der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände zitiere, in dem die Mitgliedsfirmen aufgefordert werden, sich insbesondere des älteren Arbeitnehmers anzunehmen. Wir begrüßen eine solche Aufforderung der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände an die Mitgliedsfirmen, weil wir wissen, daß hier ein großes Problem angesprochen ist. Wir werden bei der Behandlung der Gro-Ben Anfrage bezüglich der älteren Arbeitnehmer über diesen Punkt sicher noch reden.
Eine Zwischenfrage von Herrn Schmidt ({0}) !
Bitte!
Herr Kollege Müller, würden Sie mir zustimmen, wenn ich sage, daß die Frage der Einstellung von Arbeitskräften nach Verabschiedung einer arbeitsrechtlichen Lösung der Lohnfortzahlung auch von der Kalkulation her gesehen werden muß und man, wenn der Wirtschaft dadurch schon ein unkalkulierbares Risiko auferlegt wird, leider - das bedauere ich - das Problem des älteren Arbeitnehmers anders sehen muß, als es heute Gott sei Dank gesehen werden kann?
Herr Kollege Schmidt, Sie sprechen von einem unkalkulierbaren Risiko. Das ist eben der Fehler, den Sie machen. Das Risiko ist durch die Ausgleichskassen und die anderen Möglichkeiten, auf Grund deren insbesondere die Kleinbetriebe die Ausgaben doch entsprechend regulieren können, durchaus kalkulierbar. Wir teilen alle Ihre Sorge, daß gerade die älteren Arbeitnehmer in der Wirtschaftsordnung unter Umständen auf der Strecke bleiben können. Ich glaube aber, daß die Einführung der Lohnfortzahlung eine solche Sorge nicht rechtfertigt.
Sehen Sie, Herr Kollege Schmidt, die Gutachter in der Sozialenquete-Kommission haben allen Ernstes vorgeschlagen, die Angestellten sollten auf die arbeitsrechtliche Lösung der Gehaltsfortzahlung verzichten, und das sollte auch im Rahmen einer versicherungsrechtlichen Lösung geschehen. Ich weiß nicht, ob das etwa eine Forderung ist, die Sie hier geltend machen wollen. Die Angestellten sollten auf ihren Anspruch gegenüber dem Arbeitgeber verzichten und sollten den Anspruch in Zukunft auch gegenüber den Krankenkassen haben. Das wäre nämlich die notwendige Konsequenz.
Herr Kollege Schmidt, das sind einige Punkte, die wir sicherlich in vier Wochen bei der ersten Lesung der Lohnfortzahlungsgesetze miteinander zu besprechen haben werden. Als Vorsitzender des Ausschusses für Arbeit kann ich Ihnen aber sagen: Ich bin der Meinung, daß der Ausschuß für Arbeit sicherlich alles daransetzen wird, damit das Lohnfortzahlungsgesetz noch in dieser Legislaturperiode verabschiedet wird.
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Das Wort in der Aussprache wird nicht mehr gewünscht. Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 11. Wer dem Antrag des Ausschusses auf Drucksache V/3931 zustimmen will, gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei Enthaltungen der FDP-Fraktion ist der Einzelplan 11 angenommen.
Zu diesem Punkt ist noch aufgerufen die erste Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Zweiten Vermögensbildungsgesetzes, Drucksache V/3402. Nach dem Beschluß des Ältestenrates soll der Gesetzentwurf dem Ausschuß für Arbeit - federführend -, dem Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen sowie dem Ausschuß für Sozialpolitik zur Mitberatung und dem Haushaltsausschuß gemäß § 96 der Geschäftsordnung überwiesen werden. - Dagegen erhebt sich kein Widerspruch; es ist so beschlossen.
Ferner ist aufgerufen die erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Zweiten Gesetzes zur Förderung der Vermögensbildung der Arbeitnehmer, Drucksache V/3532. Nach dem Beschluß des Ältestenrates soll dieser Gesetzentwurf dem Ausschuß für Arbeit - federführend -, dem Ausschuß für Wirt' schaft und Mittelstandsfragen sowie dem Ausschuß für Sozialpolitik zur Mitberatung und dem Haushaltsausschuß gemäß §96 der Geschäftsordnung überwiesen werden. - Dagegen erhebt sich kein Widerspruch. Dann ist die Überweisung so beschlossen.
Ich rufe dann auf: Einzelplan 15
Geschäftsbereich des Bundesministers für Gesundheitswesen
- Drucksache V/3935 Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Tamblé
Es wird eine allgemeine Aussprache gewünscht. - Das Wort in der Aussprache hat Frau Abgeordnete Dr. Heuser.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Bei Beginn der Debatte zur zweiten Lesung des Haushalts wurde unserem Fraktionsvorsitzenden von dem Fraktionsvorsitzenden der CDU der Vorwurf gemacht, er habe lediglich einen Aufguß dessen vorgetragen, was vor Jahr und Tag schon einmal gesagt worden sei. Nun, es ist eben die Frage, unter welchem Aspekt man erneut und immer wieder vorgetragene Vorwürfe und Mahnungen betrachtet. Derjenige, an den sie gerichtet sind, wird versuchen, sie in der Form, wie etwa Herr Barzel das getan hat, abzuwerten. Für den12272
jenigen, der sie vorbringt, sind sie eben Ausdruck seiner politischen Sorgen, seiner Bemühungen, die er damit verbindet.
Ich habe dies vorausgeschickt, weil ich - genauso wie Herr Mischnick - der Bundesregierung manches Ceterum censeo nicht ersparen kann. Gesundheitsdebatten - das zeigt wieder einmal die heutige Beteiligung - gehören zu dem wenig Attraktiven dieses Hauses, obwohl das Interesse der Bevölkerung für ihre Gesundheit ständig wächst. Fragen Sie einmal die Meinungsforschungsinstitute! Aber es gibt ein paar Themen, die gleichermaßen dem geplagten Menschen wie dem geplagten Politiker unter die Haut gehen.
Punkt 1 ist die finanzielle Situation der Krankenhäuser. Sie ist etwa mit der Situation der Finanzreform in diesem Hause zu vergleichen. Wir haben trotz Sozialenquete und der immerwährenden Diskussion zu diesem Thema immer noch keine verbindlichen Äußerungen des Gesundheitsministeriums dazu gehört, wie es diese Misere angehen will. Und was eben dieses Ceterum censeo angeht, so haben wir in diesen Jahren vermißt, daß man auf dem Weg über die Novellierung der Bundespflegesatzverordnung wenigstens diese rasante Verschlechterung aufgefangen hätte. Die FDP hat erklärt, daß sie einer Bundeskompetenz für die wirtschaftliche Sicherung der Krankenhäuser ihre Zustimmung gibt. Sie hat aber immer wieder gesagt, daß nicht darauf gewartet werden kann, bis diese Kompetenzverlagerung eintritt, im Vertrauen darauf, „daß uns dann schon irgend etwas einfallen wird".
Was wollen Sie denn wirklich mit dieser Kompetenz anfangen, die die Länder Ihnen zu geben ja sogar bereit sind? Befürchten Sie nicht, daß Sie, wenn Sie weiter so handeln, dieses Kapital an Vertrauen verspielen? Sie werden mir sagen, daß Sie auf die Ergebnisse der Krankenhausenquete warten. Aber was kann sie Neues bringen, was wir nicht schon wissen? Sie wird Ihnen die Krankenhausmisere so deutlich schildern, wie sie uns allen vor Augen steht. Sie wird die Möglichkeiten aufzeigen, die seit Jahren in der Diskussion stehen. Ich denke an die Vorstellungen etwa der Deutschen Krankenhausgesellschaft und an die, die zuletzt Professor Andreae auf der Innsbrucker Tagung vorgetragen hat. Was wir von Ihnen fordern, ist: Erklären Sie sich doch endlich einmal! Sagen Sie, welche Vorstellungen Sie haben. Das ist Ihres Amtes. Wollen Sie die Aufspaltung in Vorhalte- und Pflegekosten und die einen über Steuermittel, die anderen über Beiträge abdecken? Und wohin bitte schlagen Sie dann die Personalkosten, die etwa 70 % der Belastungen ausmachen? Fürchten Sie nicht, daß da ein Ungleichgewicht bestünde zwischen der Kompetenz, die Sie haben wollen, und der finanziellen Hilfe, die Sie geben möchten? Was hält die Bundesregierung von der Lösung über das marktwirtschaftliche Prinzip, das nach den Vorstellungen von Andreae Verhandlungen über kostenfreie Behandlung zwischen Krankenhausträgern und Krankenkassen erfordert und die subsidiäre Hilfe des Staates nur dann bejaht, wenn sie im Sinne sektoraler und regionaler Strukturpolitik oder aus sozialen und konjunkturellen
Gründen notwendig ist? Diese und andere Vorstellungen gibt es. Wir fragen: Welche haben Sie? Halten Sie es politisch für vertretbar, damit immer noch hinter dem Berge zu halten?
Punkt 2, die Sicherheit unserer Arzneimittel. Dies ist eines der heißen Themen, und es wird in der Öffentlichkeit leider zumeist von denen aufgegriffen, die außerordentlich wenig davon verstehen und in einem Maße Ängste in der Bevölkerung hochschaukeln, wie das unvertretbar erscheint. Ich selbst verfolge diese Entwicklung nicht nur als Gesundheitspolitiker, sondern auch als Journalistin, und ich habe oft gegen eine Welle von Mißtrauen und Unverständnis gegenüber unserem bundesdeutschen Arzneimittelgesetz ankämpfen müssen.
Ich weiß, daß die Gesundheitsministerin eine Kommission bestellt hat, die sich mit eben diesen Problemen befaßt. Ich vermisse aber, daß sie - oder auch der Herr Staatssekretär - bei dieser öffentlichen Unruhe auf diese Arbeiten deutlich hinweist, daß Sie unsere Gesetzgebung eindrucksvoller verteidigt. Ich hoffe nicht, daß daran irgendwelche Aufweichungserscheinungen schuld sind, und ich hoffe nicht, daß in diesem Hause bereits Vorstellungen etwa aus dem EWG-Raum Platz gegriffen haben. Auch hier meine Frage: Was haben Sie vor? Bekennen Sie sich wie wir nach wie vor zu der Verantwortung des Herstellers, oder tun Sie das schon nicht mehr?
Es gibt hier eine Vielzahl von Einzelproblemen. Sollte nicht bei der Registrierung ausländischer Medikamente, die in ihrem Heimatland noch nicht registriert sind, hier besonders sorgfältig geprüft werden? Können wir die klinische Prüfung unserer Arzneimittel ohne ein klärendes Gespräch mit allen Beteiligten so lassen? Müßte nicht das Warn- und Kontrollsystem im Falle plötzlich auftretender bisher unbekannter Nebenwirkungen anders organisiert werden, damit einerseits unnötige Beunruhigungen in der Bevölkerung vermieden und andererseits der mögliche Schutz unserer Bevölkerung vor solchen Ereignissen gewährleistet werden können?
Ein Wort zu der Registrierstelle beim Bundesgesundheitsamt in Berlin. Wenn ich daran denke, welch schwierige und äußerst verantwortungsvolle Arbeit dieses Amt zu leisten hat, dann wundere ich mich allerdings über die etwas stiefmütterliche Behandlung im Haushaltsplan, was die personelle Ausstattung betrifft. Ich finde da Regierungsdirektorenstellen. Ich bedauere das außerordentlich, Frau Gesundheitsministerin. Wenn Sie nicht genügend Beamte zur Verfügung haben, dann versuchen Sie doch bitte wenigstens, zusätzlich Experten durch eine freivertragliche Regelung heranzuziehen. Sollte es an den finanziellen Mitteln liegen, dann wollen wir Ihnen gern unsere Zustimmung geben. Ich lese davon aber nichts in diesem Haushaltsplan, und ich habe dazu auch aus Ihrem Munde noch nichts gehört.
Außerordentlich großzügig - und nun komme ich zu Punkt 3 - verfahren Sie jedoch bei der personellen Ausstattung eines neuen Unternehmens, das Sie gründen wollen, nämlich eines Deutschen Instituts für medizinische Dokumentation und Information,
das Sie zunächst für die Erstausstattung mit 1,5 Millionen versehen und für das Sie, wie ich bereits im Deutschen Ärzteblatt vor einigen Wochen lesen konnte, eine Präsidentenstelle ausgeschrieben haben, die wohl über B 3 gehen soll. Ich kann Ihnen nur wünschen, daß Sie jemanden finden, der diesen Posten so ausfüllt, wie das notwendig sein wird. Ich muß Ihnen aber sagen, daß ich eigentlich bedauere, daß dieser im Ministerium lange gehegte Plan - er stammt ja schon aus Zeiten lange davor - hier nicht etwas substantiierter vorgelegt wird. Irgendwo soll schon eine Gruppe von vier Mann Vorarbeiten leisten. Wir haben nichts davon gehört. Gerüchtehalber verlautet, Sie wollten dieses Zentrum lokal in Köln an die Deutsche Zentrale für gesundheitliche Aufklärung anbinden. Ich frage in der Tat, ob das der geeignete Ort ist. Ich kann mir vorstellen, daß ein deutsches Dokumentationszentrum für medizinische Forschung nur dann sinnvoll ist, wenn es in unmittelbarer Nähe und in unmittelbarem Zusammenhalt mit der lebendigen Wissenschaft steht und funktioniert. Ich habe die Befürchtung, daß wir uns da eine leicht angestaubte Bibliothek anzüchten. Ich würde das außerordentlich bedauern, weil mir die Sache selbst am Herzen liegt. Ich habe noch eine Befürchtung: daß wir hier einen Weg beschreiten, der zur Folge hat, daß bestehende Institutionen an unseren Universitäten, die hier schon mit sehr großen finanziellen Opfern Vorarbeit geleistet haben, finanziell ausgehungert werden.
Frau Ministerin, ich kann Ihnen, was gerade das letzte betrifft, nur raten, daß Sie das, was Sie im letzten Satz der Vorbemerkung zu diesem Haushaltstitel niedergelegt haben, daß nämlich auch bestehende Institutionen aus diesem Titel gestützt werden sollen, außerordentlich ernst nehmen. Sie wissen, daß ich Ihnen in der Vergangenheit immer wieder vorgehalten habe, daß Sie so einen etwas extensiven Institutionsglauben haben. Das unterscheidet uns manchmal erheblich voneinander. Ich möchte im Sinne unser beider gleichgerichteten Bemühungen, die medizinische Dokumentation in Deutschland zu intensivieren, doch darum bitten, daß hier nicht die Neuerrichtung eines Instituts zum Ruhme eines Bundesministeriums, sondern die lebendige Arbeit in Zusammenarbeit mit den bestehenden Instituten, die hierdurch keinen Mangel erleiden dürfen, im Vordergrund steht.
Die Gesundheitspolitik ist eines der Stiefkinder dieses Hauses. Das wissen die Gesundheitspolitiker durch alle Fraktionen hindurch. Und wiewohl die Opposition es viel lieber hat, eindringlich nein oder ja zu sagen, nehme ich es, weil mir die Gesundheitspolitik so sehr am Herzen liegt, auf mich, hier zu sagen: Meine Fraktion wird sich bei der Abstimmung über den Haushalt des Bundesgesundheitsministeriums der Stimme enthalten.
Ausreichende Mittel wollen wir Ihnen zugestehen. Was uns unterscheidet, ist die Ansicht darüber, wie sie eingesetzt werden sollen.
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Das Wort hat Herr Abgeordneter Jungmann.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Glauben Sie nicht, daß ich dieses viele Papier vortragen will. Es handelt sich hier um Kritiken, die in früheren Jahren am Gesundheitsministerium in schöner Regelmäßigkeit vorgetragen worden sind. Ich habe sie noch einmal aufmerksam durchgelesen. Es ist eine überaus interessante Lektüre.
Wir haben in diesem Hause auch vor einem halben Jahr eine große gesundheitspolitische Debatte gehabt, ausgelöst durch die Große Anfrage der SPD. Das Hauptanliegen der SPD, die Bundeskompetenz für die allgemeine Krankheitsbekämpfung, kam nicht zum Zuge. Es gab ein hartes Nein von der Mehrheit des Hauses und dann in derselben Härte - eigentlich mit einer noch größeren und beinahe unerwarteten Härte - von den Ländern und nicht zuletzt auch von den sozialdemokratisch regierten Ländern. Ich stelle das hier ohne jedes Gefühl besonderer Freude oder Befriedigung fest,
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eher mit einem Hauch von Trauer, und zwar deshalb, weil einem alten gemeinsamen Ziel kein guter Dienst erwiesen worden ist, der Erkenntnis nämlich, daß es in unserem Staate, in unserer Gesellschaft eine den heutigen Verhältnissen entsprechende Gesundheitskompetenz des Bundes geben muß.
Es ist kein Geheimnis, daß wir uns über eine andere Formel hätten verständigen können, eine Formel, die etwa den Schutz und vielleicht auch die Förderung der Gesundheit der Menschen in unserem Staat beinhaltet hätte. Nachdem ein der SPD mindestens sehr zugetanes Blatt in den letzten Wochen dazu geschrieben hat, daß ich einen der- artigen Antrag einbringen würde, wenn ich dazu nur die Gelegenheit hätte, möchte ich mit einer alten Story antworten, die auch hier, in diesem Hause, schon einmal eine Rolle gespielt hat, nämlich mit der alten Geschichte, daß wir nicht hätten verspeisen wollen, was wir bei der Lissy bestellt hätten, wenn es uns die Kati serviert hätte. Ganz im Gegenteil, wir haben das Gericht in der Form, wie es uns hier geboten worden ist, überhaupt nie bestellt und haben es deshalb natürlich auch nicht essen wollen. So wie es auch bei uns in der CDU/CSU Leute gibt, die im Gesundheitswesen etwas mehr Staat haben möchten, so gibt es bei der SPD umgekehrt nicht wenige, die einer allzu großen Aktivität in dieser Richtung ebenso skeptisch und mißtrauisch gegenüberstehen wie ich und meine politischen Freunde. Das ist nun vorbei, leider, möchte ich sagen, nicht ohne daß das Bundesgesundheitsministerium dabei einige Einbußen an öffentlichem Ansehen erlitten hat, was wir bedauern. Diese Einbußen wären nicht nötig gewesen und sind vielleicht unter Fachleuten gar nicht gegeben. Aber Niederlagen - man hätte sie sich ersparen können - gehen leider immer zu Lasten des Hauses, und das bedauern auch wir.
Mit großer Mehrheit ist dieses Hohe Haus den gemeinsamen Vorschlägen gefolgt, dem Bund die Zuständigkeit für die Krankenhausfinanzierung und für die Reinhaltung von Wasser und Luft sowie für
die Bekämpfung des Lärms zu geben. Auch hier muß ich mich gegen eine falsche Legendenbildung wenden, die ich von der Frau Gesundheitsminister selber gehört habe, nämlich daß es die CDU gewesen sei, die die Krankenhausfinanzierung bekämpft hätte. Nun, ich kann mich aus eigener Erfahrung nicht darüber äußern, welche Diskussionen es im Vermittlungsausschuß gegeben hat. Der Vermittlungsausschuß pflegt nach eigenen Überlegungen zu operieren. Aber Tatsache ist - das möchte ich hier festhalten -, daß alle Fraktionen, mindestens alle Gesundheitspolitiker des Hauses der Meinung gewesen sind, daß es für die Krankenhausfinanzierung eine Ordnung geben müsse, wie sie im Art. 74 Nr. 19 a der Grundgesetzänderung vorgesehen ist. Es hat also keinen Sinn, der CDU hier etwas ans Bein binden zu wollen, was nicht an ihr Bein gehört.
Wir hoffen mit Ihnen allen, wir hoffen gemeisam, daß es nun doch noch gelingen wird, die Kompetenz des Bundes für die wirtschaftliche Sicherstellung der Krankenhäuser auch über die nächste Klippe der Finanzreform hinwegzubringen. Das können wir nur gemeinsam erreichen, und das sollten wir uns hier gegenseitig ausdrücklich versichern.
Meine Damen und Herren, ich weiß nicht, ob es nur das ungewisse Schicksal der Krankenhauskompeienz gewesen ist, das Sie, Frau Minister Strobel, so schweigsam über alles das hat sein lassen, was in Ihrem Hause in bezug auf die Krankenhausfragen inzwischen ge- und erarbeitet worden ist. Frau Kollegin Heuser ist darauf schon eingegangen. Was I ist aus der Krankenhausenquete geworden? Wo bleibt der Bericht der Bundesregierung über die Lage der Krankenhäuser? Was haben Sie mit der Pflegesatzverordnung vor? Welche Ziele verfolgen Sie in Richtung auf die Krankenhausfinanzierung ganz allgemein? Ich wiederhole: Vielleicht haben Sie das Ergebnis in der Frage der Grundgesetzänderung abwarten wollen. Aber warum sprechen Sie dann draußen im Lande ständig über diese Dinge?
Ich will diese Gelegenheit benutzen, um Ihnen einige Gedanken mitzuteilen, die wir uns - zunächst natürlich ohne politische Verbindlichkeit -zu diesem Thema gemacht haben. In der stationären Behandlung von Kranken zeichnet sich ein politischer Notstand ab. Dieser Notstand ist noch nicht da, aber es muß ihm rechtzeitig vorgebeugt werden. Um dem Wachstum der Bevölkerung gerecht zu werden, müssen jährlich über 2000 sogenannte Akutbetten neu bereitgestellt werden. Dazu kommen noch etwa 1000 Betten für bestimmte, meist chronische Krankheitsformen, so daß sich der gesamte jährliche Mehrbedarf auf etwa 3300 beläuft.
Rund 35 % unserer etwa 3600 Krankenhäuser sind über 50 Jahre alt und genügen den heutigen Ansprüchen schon längst nicht mehr. Das hat sich inzwischen ja herumgesprochen. Es hat sich auch herumgesprochen, daß der Neubau von Krankenhäusern im allgemeinen wirtschaftlicher ist als der Umbau. Das gilt übrigens um so mehr, je größer die Krankenhäuser sind. Ein sogenanntes Schwerpunktkrankenhaus mit allen wesentlichen Fachstationen und mit den Ausstattungen, die die moderne Medizin erfordert, beginnt erst mit einer
Bettenzahl von 250 bis 300 wirtschaftlich zu werden.
Einschließlich des Neubedarfs müssen also jährlich rund 16 000 Betten neu geschaffen werden. Man spricht, was die Investitionskosten angeht, heute von etwa 70 000 DM pro Krankenbett. Das ist noch ein relativ bescheidener Satz.
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- Gut, ich habe absichtlich etwas niedrig gegriffen, um nicht astronomische Zahlen zu nennen. Mir liegt gar nichts daran, hier besonders große Zahlen zu nennen. Auf jeden Fall aber belaufen sich die Kosten für den ständigen Nachholbedarf pro Jahr -- nehmen wir an, wir brauchten nur in die Tasche zu greifen - auf ungefähr 1,2 Milliarden DM. Es können auch 1,3 oder 1,1 Milliarden DM sein; in dieser Größenordnung liegt der Betrag jedenfalls. Ich glaube, daß wir uns darüber einig sind, daß die Aufbringung dieses Betrages im Rahmen der mittelfristigen Finanzplanung, so wie wir sie jetzt vor uns haben, in absehbarer Zeit gar nicht realisierbar ist und insoweit nicht zur Debatte steht.
Die Lösung des Problems muß deshalb schrittweise erfolgen. Zunächst muß der Fehlbedarf an Akutbetten in allgemeinen Krankenhäusern gedeckt werden. Die Schaffung von Spezialkrankenhäusern kann weitgehend den dafür in Frage kommenden Trägern überlassen bleiben.
Nun zu einer Frage, die sicherlich viel Sachkenntnis voraussetzt: Was soll mit den kleinen und manchmal Kleinstkrankenhäusern geschehen? Sollen Sie verschwinden? Sind sie erforderlich? Können sie auch mit in diese Planung einbezogen werden? Je mehr wir uns mit der Frage beschäftigt haben, um so mehr hat sich bei uns die Auffassung durchgesetzt, daß sie in die große Finanzplanung zunächst nicht einbezogen werden können, sondern daß die Erhaltung dieser Krankenhäuser, die wir durchaus für notwendig halten, weitgehend den Trägern überlassen bleiben muß, jedenfalls vorläufig.
Vordringlich in jeder Planung muß zunächst das Schwerpunktkrankenhaus sein. Nur ein Teil der vorhin genannten 3600 Krankenhäuser sind Schwerpunktkrankenhäuser.
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- Nein, natürlich nicht. Es ist vieles nicht neu, was in diesem Hause gesagt wird.
Kurzum, wir werden uns in den nächsten Wochen mit einer Großen Anfrage an den Bundesminister für Gesundheitswesen bzw. an die Bundesregierung wenden, um diese Fragen hier einmal vor aller Öffentlichkeit klarzustellen und unsere eigenen Vorstellungen zu entwickeln. Die Presse hat es bereits veröffentlicht, und wir werden allein schon deshalb nun antreten müssen.
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- Irrtum, die Presse hat mitgeteilt, wir würden eine Anfrage starten. Aber von dem Inhalt der
Anfrage hat die Presse bisher nicht das geringste erfahren.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch wir würden dringend wünschen, daß die Bundespflegesatzverordnung so bald wie möglich erscheint. Wir sind nicht der Meinung, daß dazu erst die Grundgesetzänderung erforderlich ist. Wir sind der Meinung, daß das sehr viel schneller möglich sein kann, zumal es auch erforderlich ist.
Trotz der knappen Zeit muß ich nun noch einige andere Fragen des Gesundheitsressorts ansprechen, weil dies ja in dieser Legislaturperiode die letzte Gelegenheit ist, sich mit diesen Fragen und mit ihrer Behandlung im Bundesgesundheitsministerium zu beschäftigen.
Meine Damen und Herren, vor vier Jahren sind hier an dieser Stelle und bei derselben Gelegenheit einige recht interessante Ausführungen gemacht worden. Es ist damals gefragt worden, ob das Bundesgesundheitsministerium überhaupt die Erwartungen erfüllt hat, die man an seine Errichtung geknüpft hatte. Diese Frage ist damals mit einem glatten Nein beantwortet worden. Wir sind in unserem Urteil nicht so hart. Bei allem Verständnis, das ich und mit mir meine politischen Freunde für die besonderen Schwierigkeiten gerade dieses Hauses haben, müssen wir aber doch feststellen, daß sich hinsichtlich der Kritik, die damals ich wiederhole: noch 1965 - geäußert worden ist, nicht sehr viel geändert hat.
Im Bundesgesundheitsministerium ist ein Institut für die Erforschung von Umweltschäden und Zivilisationskrankheiten gebildet worden. Das war Ihr Wunsch, Frau Minister, und ich kann wohl sagen, daß es auch der Wunsch der SPD gewesen ist. Auch wir haben uns für ein solches Institut ausgesprochen, gleichzeitig aber auch davor gewarnt, mit diesem Institut statt wissenschaftlicher Ziele einseitige gesundheitspolitische Ziele anzusteuern. Unsere Befürchtungen haben sich leider bewahrheitet. Statt sich in das Gesamtkonzept des Bundesgesundheitsamts einzufügen, hat sich dieses Institut bisher eher als ein Fremdkörper erwiesen, wenn nicht sogar geradezu als ein Sprengmittel gewirkt.
Wir wissen, wie schwer es dem Haushaltsausschuß gefallen ist, die Mittel für dieses Institut in der geforderten Weise zu bewilligen, und das deshalb, weil dafür lediglich gesundheitspolitische Zielsetzungen und Argumente vorgetragen worden sind, ohne daß das vom Gesundheitsausschuß für erforderlich gehaltene wissenschaftliche Gutachten über Zweck und Ziel dieser Institution vorgelegt worden ist. Ich kann nur bedauern, daß sich das Ministerium anscheinend auch jetzt noch nicht zur Beschaffung einer derartigen objektiven Stellungnahme - wir haben eine Stellungnahme des Wissenschaftsrates vorgeschlagen - bereit gefunden hat.
Was ist der Grund für dieses Zögern? Sollten wir mit unserer Befürchtung doch recht gehabt haben, daß es dabei weniger um die notwendige wissenschaftliche Erforschung von Umweltschäden und Zivilisationskrankheiten als um eine bestimmte gesundheitspolitische Zielsetzung geht, über die wir
bisher nichts auch nur annähernd Konkretes erfahren konnten? Ich möchte deshalb für mich und meine politischen Freunde noch einmal mit aller Deutlichkeit sagen, daß wir die Entwicklung dieses Instituts oder dieser Abteilung mit wachsender Sorge beobachten.
Die Tätigkeit bzw. Untätigkeit der Arzneimittelregistrierungsstelle im Bundesgesundheitsamt -auch darüber hat Frau Dr. Heuser bereits gesprochen - macht auch uns große Sorgen. Wir wissen, daß Sie, Frau Minister, sich vergeblich bemüht haben, die verantwortlichen Stellen in diesem so überaus wichtigen Amt neu zu besetzen. Wir sind aber nicht der Ansicht, daß die Nichtbesetzung, ja daß auch die Nichtbesetzbarkeit der dort vorhandenen Stellen - Frau Dr. Heuser hat schon auf einige Gründe dafür hingewiesen -einfach mit dem Mangel an geeigneten Bewerbern entschuldbar wäre. Es gibt genügend Leute, die wohl in der Lage wären, die gesetzlichen Vorschriften, die dieses Hohe Haus im Arzneimittelgesetz erlassen hat, auch zu praktizieren. Meine Damen und Herren, wegen dieses angeblich verfehlten deutschen Arzneimittelgesetzes werden wir in der Öffentlichkeit, in der Presse fast täglich angegriffen, während das wichtigste, das entscheidende Instrument dieses Gesetzes, nämlich die Registrierstelle, nicht ausreichend funktionsfähig ist. Warum haben Sie hier nicht Alarm geschlagen, Frau Minister. Das hätte doch gemeinsamer Abhilfe des Hauses bedurft, und wir hätten Ihnen diese Hilfe sicher nicht versagt.
Warum, so frage ich weiter, sind die Verordnungen nach §§ 30, 32 des Arzneimittelgesetzes immer noch nicht erlassen? Ich könnte es mir hier leichtmachen und einfach die Vorwürfe wiederholen, die in früheren Zeiten von seiten der SPD an dieser Stelle erhoben worden sind. Ich will das nicht tun. Aber ich muß doch sagen, die Tendenz, die nunmehr den Verordnungsentwürfen zugrunde zu liegen scheint - hier gibt es im Ministerium einen Auffassungswandel - ist meilenweit von dem entfernt, was der Gesetzgeber seinerzeit bei der Verabschiedung des Arzneimittelgesetzes gewollt hat. Wir haben mehr und mehr den Eindruck gewinnen müssen, daß der wahre Grund für die Verzögerung darin zu suchen ist, daß Sie ein bestimmtes Ziel verfolgen, dessen Verwirklichung Ihnen vor allem deshalb schwerfällt, weil es mit dem Willen des Gesetzgebers nicht übereinstimmt. Sie wollen den Kreis der freiverkäuflichen Arzneimittel stärker ausweiten, als es dem Sinn und dem Wortlaut des Arzneimittelgesetzes entspricht. Nur so können wir uns das Interesse an dem generellen Verbot des Arzneimittelverkaufs in Automaten und Selbstbedienungsläden erklären, einem Verbot, das doch für Arzneimittel schlechthin wegen ihrer überwiegenden Bindung an die Apotheken gar keinen Sinn haben würde. Ein solches Verbot würde oder könnte doch als Argument - oder wenn Sie wollen: als Scheinargument - für die Ausweitung des Sortiments an freiverkäuflichen Mitteln angesehen oder ausgegeben werden. Eine solche Absicht würde beim Gesetzgeber, jedenfalls bei großen Teilen des Gesetzgebers, auf Widerstand stoßen müssen. Ich sage das nicht nur im Namen meiner politischen Freunde,
ich sage es für Mitglieder aller Fraktionen dieses Hauses - nicht für d i e Mitglieder, sondern für Mitglieder aller Fraktionen -, mit denen ich über diese Frage eingehend gesprochen habe.
Auch im Lebensmittelrecht - um ein anderes Kapitel anzuschneiden - sind wir nicht über das hinausgekommen, was seinerzeit als unzulänglich beklagt worden ist. Auch hier verkennen wir keineswegs die Schwierigkeiten, die der Gesamtreform des Lebensmittelrechts, einer Aufgabe, die sich über Jahr und Jahrzehnte erstreckt, entgegenstehen. Wir haben Sie dabei auch mit einigen inzwischen schon verabschiedeten Initiativen unterstützt. An dieser Stelle möchte ich die hervorragende Zusammenarbeit mit Ihrem Haus, die in diesen Fragen deutlich erkennbar wurde, ausdrücklich hervorheben. Ohne diese Hilfe hätten wir diese Anträge nicht so schnell über die Bühne bringen können.
Dabei ist uns die Notwendigkeit eines den heutigen Verhältnissen entsprechenden umfassenden Fleischhygienegesetzes klargeworden. Wir wissen, daß in Ihrem Haus schon seit langem daran gearbeitet wird. Sie finden dabei unsere volle Unterstützung. Nur das Tempo der Arbeit können wir nicht beeinflussen. Die Erfahrung - das ist eine Erfahrung, die wir aus der Behandlung des Weingesetzes gewonnen haben - hat uns gezeigt, daß jedes Abwarten in Richtung auf EWG nur zu weiteren Verzögerungen führt. Wir brauchen in Deutschland das Fleischhygienegesetz so bald wie möglich. Wir brauchen es nicht erst dann, wenn es bei der EWG so weit ist.
Eine weitere Frage: Wie steht es nach dem früher erhobenen Vorwurf der Konzeptionslosigkeit des Bundesgesundheitsministeriums, den ich nicht erhebe, sondern der damals erhoben worden ist, mit den Forschungsmitteln des Hauses? Ist hier die erforderliche und geforderte Konzentration erfolgt, oder hat sich die Zahl der Forschungsvorhaben noch vergrößert? Die Zweckbindung an bestimmte gesetzgeberische Vorhaben des Bundesgesundheitsministeriums ist gefallen, mit Recht gefallen, und der Ansatz ist jetzt auf 4 Millionen DM verdoppelt. Ich hoffe, daß der Gesundheitsausschuß Gelegenheit haben wird, die bisherige und die beabsichtigte Verwendung dieser Mittel kennenzulernen, zumal dieser Betrieb ja so klein ist, daß er keine umfassende medizinische oder sonstige Forschung betreiben kann, aber doch gerade groß genug, um punktuell in bestimmten Richtungen angesetzt zu werden.
Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang auch ein paar Worte über die gesundheitliche Aufklärung der Bevölkerung sagen, die wir ebenso wie Sie für eine der wichtigsten Aufgaben Ihres Hauses halten. Auch hier wäre ich dankbar, wenn Sie dem Gesundheitsausschuß Aufschluß über die Verwendung der inzwischen auf 2,6 Millionen DM angewachsenen Mittel geben würden. Der Herr Finanzminister - der jetzt nicht mehr da ist -, hat sich übrigens kürzlich einmal darüber beschwert, daß Ihnen im Gegensatz zu ihm selbst ein so hoher Betrag für Eigenpropaganda zur Verfügung stehe. Ich glaube, das ist ein Versehen des Herrn Finanzministers gewesen; denn dieser Betrag ist ja nicht für die Propaganda des Gesundheitsministeriums, sondern für die gesundheitliche Aufklärung der Bevölkerung bestimmt.
Da ich nun gerade den Herrn Bundesfinanzminister erwähnt habe, möchte ich an dieser Stelle mit Nachdruck wiederholen, was ich schon mehrfach gesagt habe. Es ist mehr als nur ein Schönheitsfehler, es ist ein böses Ärgernis, daß der Staat Milliarden aus der Besteuerung von Alkohol und Tabak einnimmt, aber nur ein paar lumpige Tausender dafür ausgibt, um die Bevölkerung über die Gefahren des Verbrauchs der von ihm selbst so gern gesehenen Genußmittel aufzuklären. Meine Damen und Herren, das ist nicht in Ordnung, und das muß spätestens im Haushalt 1970 geändert werden. Dieser Vorwurf richtet sich weniger gegen das Gesundheitsministerium, als gegen die Finanzgebahrung des Bundes überhaupt. Es ist bedauerlich, daß die Mittel des Bundes für die Deutsche Hauptstelle für Suchtgefahren so knapp gehalten sind. Daß man sich - mit ganzen 150 000 DM - eigentlich im wesentlichen nur selbst verwalten, aber keine vernünftige Arbeit leisten kann, ist wohl jedem klar.
Was für die Hauptstelle für Suchtgefahren gilt, das gilt auch für die anderen auf dem Gebiet der Gesundheitspolitik und der Gesundheitserziehung auf Bundesebene tätigen Organisationen, deren finanzielle Ausstattung so kläglich ist, daß es eher eine Strafe als eine Freude ist, in diesen vom Bund ins Leben gerufenen und auf die Hilfe des Bundes angewiesenen Organisationen zu wirken. Ich kann das aus eigener Erfahrung sagen.
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- Das kann ich gar nicht finden, Herr Tamblé; wir wollen uns darüber einmal im einzelnen unterhalten.
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- Wir müssen mehr haben, genau wie andere mehr haben müssen, um die Aufgaben erfüllen zu können.
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- Ich bin leider noch nie dazu eingeladen worden, und Sie haben sich auch noch nie bei mir danach erkundigt. - Der Gesundheitsausschuß wird gern bereit sein, auch hierzu sowohl dem Haushaltsausschuß wie auch dem Rechnungshof gegebenenfalls entsprechende Anregungen zu geben.
Meine Damen und Herren, der ständig wachsende Beitrag der Bundesrepublik zur Weltgesundheitsorganisation ist insoweit ein Schmerzenskind der Finanzen des Bundesgesundheitsministeriums, als dieser Betrag, weil er ständig wächst, für den Etat des Bundesgesundheitsministeriums in der mittelfristigen Finanzplanung eine ständig zunehmende Einengung seiner eigenen Dispositionsmöglichkeiten zur Folge hat. Bei der Fortschreibung der mittelfristigen Finanzplanung sollte die Bundesregierung diese internationale Verpflichtung in diesem Sinne berücksichtigen.
Als eine neue Einrichtung enthält der Einzelplan 15 in diesem Jahr das Deutsche Institut für medizinische Dokumentation und Information, über das auch Frau Heuser schon gesprochen hat. Ich möchte feststellen, daß damit ein alter Wunsch dieses Hauses endlich erfüllt wird. Wenn man aber bedenkt, daß sich der Bundestag vor nunmehr 10 Jahren im Sommer 1959 zum erstenmal mit dieser Frage beschäftigt und dieses Institut gefordert hat - seitdem gab es einen Leertitel, mit Sternchenvermerk -, dann kann man wohl mit Recht von einem sehr langen Marsch sprechen. Das ist kein Vorwurf, sondern eine betrübliche Feststellung eines Gesundheitspolitikers, ähnlich der von Frau Heuser. Derartige Dinge haben nicht die Triebkraft, die wirtschaftliche oder soziale Forderungen haben. Nun sind wir endlich soweit. Aber ich glaube, daß dieses Institut, obwohl es hier mit der stolzen Summe von 11/2 Millionen DM figuriert, noch längst nicht das ist, was es sein sollte. Mir ist bekannt, daß es langjährige Versuche gegeben hat, geeignete Fachleute für dieses wichtige Amt zu gewinnen, daß aber einer nach dem anderen nach längeren Verhandlungen ein höfliches Nein gesagt hat. Ich glaube, daß die Konzeption, die hier bisher vorgeherrscht hat und auch nach dem Haushaltsplan wohl auch weiterhin vorherrscht, nicht die richtige Grundlage ist, ein solches wichtiges Institut ins Leben zu rufen.
Verehrte Frau Minister, ich darf mich zum Schluß an Sie persönlich wenden. Wir verfolgen die Entwicklung Ihres Hauses, wie Sie sehen, mit lebhaftem Interesse. Ich wiederhole, daß wir die Schwierigkeiten kennen, mit denen Ihr Haus auch jetzt noch genauso wie unter Ihrer Vorgängerin zu kämpfen hat, und wir wissen auch, daß sich das in absehbarer Zukunft wohl kaum ändern wird. Wir anerkennen Ihr persönliches Engagement für Ihre Aufgabe. Wir bewundern Ihre Leistung, bewundern auch Ihren Mut, manchmal den Gleichmut, mit dem Sie auch die unerfreulichen Seiten Ihres Amtes getragen haben. Wir wissen uns mit Ihnen in der Überzeugung verbunden, daß die Gesundheitspolitik heute zu den wichtigsten Aufgaben des Staates und der Gesellschaft gehört, und wir werden uns auch in Zukunft mit Ihnen verbunden fühlen in dem Bemühen, diese Erkenntnis überall da zu verbreiten, wo sie auch heute noch nicht die notwendige Anerkennung gefunden hat, und dazu gehören nicht zuletzt auch gerade politische Kreise.
Herr Kollege Jungmann, würden Sie noch eine Frage von Herrn Dr. Schmidt beantworten?
Aber gern.
Ich wollte Sie, da Sie auf den Schluß Ihrer Rede hinweisen, fragen, ob Sie nicht auch noch die Absicht gehabt haben, einige positive Worte zu diesem Haushalt des Gesundheitsministeriums zu sagen, nachdem der erste Teil Ihrer Rede eine Art Rechtfertigungsrede für Ihre wechselnde Haltung in der Kompetenzfrage und
der zweite Teil eigentlich die Oppositionsrede eines Angehörigen der Koalition gegen das vom Partner verwaltete Ministerium waren.
({0})
Nein, es handelt sich nicht um ein Pflästerchen. Ich bin Ihnen dankbar, Herr Kollege Schmidt, daß Sie mich gerade noch rechtzeitig darauf aufmerksam machen: die CDU/CSU-Fraktion wird dem Etat des Gesundheitsministeriums zustimmen.
({0})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Meinecke.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei dem Diskussionsbeitrag unseres Kollegen Jungmann fühlte ich mich lebhaft an den Filmtitel erinnert „Sie küßten und sie schlugen ihn".
({0})
Zu dem Beitrag von Frau Kollegin Heuser möchte ich kurz erwidern, daß die Einrichtung der Dokumentationszentrale -
Gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Althammer?
Ja, natürlich.
Herr Kollege, meine Zwischenfrage bezieht sich auf Ihre erste Bemerkung. Sind Sie nicht der Meinung, daß es auch in einer Koalition Pflicht der Koalitionsparteien ist, gegenüber der Regierung kritische Anmerkungen zu machen?
Natürlich bin ich der Meinung, daß es die Pflicht eines jeden Redners ist, hier kritische Anmerkungen zu machen. Aber es gibt auch in einem Diskussionsbeitrag eine gewisse Tendenz. Und hier war die Tendenz zu erkennen, daß lediglich das, was Schwierigkeiten bietet oder was vielleicht nicht nach dem Willen dieses Hauses ging, aufgezählt, enumeriert wurde, während das, was an positiven Worten zu sagen war, am Schluß eine allgemeine höfliche Floskel und nicht mehr war. Nur dagegen haben wir uns gewehrt.
({0})
Zu der Einrichtung des Deutschen Instituts für medizinische Dokumentation und Information ist zu sagen, daß es wirklich ein Wunsch und Wille dieses Hauses seit dem .Jahre 1959 war. Zu der Lokalisation dieses Instituts ist, nehme ich an, das Ministerium einer Empfehlung der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefolgt. Man kann nicht bei der Einrichtung von Instituten verlangen, daß Gutachten vom Wissenschaftsrat oder von der Deutschen Forschungsgemeinschaft angefordert werden, und dann, wenn solche Gutachten erstellt oder Mei12278
nungsbildungen erfolgt sind, dem Ministerium vorwerfen, daß es einem solchen Vorschlag folgt. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft ist der Meinung, daß es zu einer guten Zusammenarbeit zwischen einer medizinischen Zentralbibliothek in Köln, die die Aufgaben einer Zentralbibliothek hat, und einer Dokumentationszentrale modernsten Stiles kommen soll, die sich wahrscheinlich auch einer internationalen Zusammenarbeit erfreuen muß. Ich nehme an, daß von diesen Notwendigkeiten internationaler Zusammenarbeit gewisse Verzögerungen abhängen. Frau Minister wird sicher nachher auf diese Frage noch eingehen.
Meine Damen und Herren, wir haben sicher am Wochenende alle in den Zeitungen mit Interesse die bittere Kritik der publizistischen Organe an den hier geführten Haushaltsdebatten gelesen. Man hat gesagt, es sind lange und lustlose Debatten bei großen wichtigen Haushalten in den Abendstunden, und man hat kurze Debatten bei kleinen Haushalten gefordert. Hier handelt es sich um einen kleinen Haushalt. Ich möchte am Anfang meiner kurzen, sachlichen Darlegungen der Frau Minister, dem Ministerium der Bundesregierung Dank und Lob dafür aussprechen, daß es immerhin gelungen ist, das Gesamtetatvolumen von 85 Millionen DM im Jahre 1966 in der mittelfristigen Finanzplanung bis zum Jahre 1972 auf 145 Millionen DM zu steigern.
Jetzt eine Zwischenfrage von Herrn Dr. Jungmann.
Herr Kollege Meinecke, es ist zwar schon ein bißchen spät, daß ich Sie frage, weil Sie inzwischen weitergesprochen haben: Können Sie mir sagen, woher Ihnen diese Kenntnisse über die Meinungen des Wissenschaftsrates zuteil geworden sind? Leider haben wir davon keine Kenntnis erhalten.
Aus dem alljährlich den Mitgliedern dieses Hohen Hauses zugehenden Bericht der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Die Seitenzahl kann ich Ihnen allerdings nicht nennen.
Nun eine kurze Einwendung gegen Ihre Bemerkungen, Herr Jungmann, da Sie eben gesprochen haben; beinahe hätte ich vergessen, zu replizieren. Es liegt mir am Herzen, zu einem Problem ganz energisch Stellung zu beziehen, nämlich zu der möglicherweise wechselhaften Haltung unseres Koalitionspartners zu den Fragen der Kompetenzverlagerung und Kompetenzerweiterung dieses Ministeriums.
Wir mußten jedenfalls als Fraktion nach den maßgeblichen Äußerungen des gesundheitspolitischen Sprechers der CDU/CSU-Fraktion vor eineinhalb Jahren im Schrifttum annehmen, daß Sie ({0}) mit uns im Prinzip der Meinung waren, daß die im Sinne des Ministeriums und der Bundesregierung vorgelegten Vorschläge hier in diesem Haus akzeptiert werden. Sie, Herr .Jungmann, haben damals im „Bonner Informationsdienst", einem Organ, welches Ihnen ja außerordentlich nahesteht, wörtlich geschrieben - Herr Präsident, gestatten Sie, daß ich zitiere -:
Allein mit Maßnahmen gegen gemeingefährliche und übertragbare Infektionskrankheiten kann das Gesundheitsministerium heute nicht mehr auskommen. Es braucht eine Kompetenz zur Verhütung und Bekämpfung von Krankheiten schlechthin, von angeborenen Schäden bis zu Herz- und Kreislaufkrankheiten und zum Krebs ...
Es ist immerhin eine Interpretation, die nachher in der Vorlage der Regierung nicht viel anders gelautet hat. Uns allen war Ihre politische Wendung ein wenig unverständlich. Herr Kollege Jungmann, es wäre schön gewesen, wenn Sie uns das intellektuell noch ein klein wenig klarer gemacht hätten.
Ich möchte zur FDP folgendes sagen. Frau Kollegin Dr. Heuser, Ihr Vorschlag, den Sie hier in den damaligen Beratungen gemacht haben, ist für uns eine gemeinsame Ausgangsbasis für die weiteren Beratungen. Ich glaube, wir können uns auf dieser Basis verständigen.
Nun, meine Damen und Herren, wie reflektiert sich Gesundheitspolitik eigentlich in der Öffentlichkeit hierüber ist gesprochen worden -; wie reflektiert sich Gesundheitspolitik in der Weltöffentlichkeit? Ich möchte Ihnen aus den umfangreichen Veröffentlichungen der letzten Wochen und Monate nur einen Satz zitieren, einen Satz, unter dessen Motto die Weltgesundheitsorganisation eine Tagung in Deutschland abgehalten hat. Ich glaube, die Feststellung, die in diesem Satz getroffen wird, hat auch für uns Gültigkeit:
Die Unzulänglichkeit der Geldmittel ist der Hemmschuh für den öffentlichen Gesundheitsdienst in allen Ländern der Erde. Daher gilt es, mit geringstem Aufwand den größten Erfolg zu erzielen.
Frau Minister, das ist eine Aufforderung, und das wird wahrscheinlich auch die Schwierigkeit Ihres Ministeriums sein.
Ich werde mich bemühen, mich ganz fest an die verabredete Zeit von einer Viertelstunde zu halten. Herr Präsident, wieviel Minuten habe ich noch?
Darf ich für alle sagen: vor Ihnen läuft immer eine Uhr, auf der Sie mit einem Blick feststellen können, wie lange Sie schon geredet haben.
Ich möchte versuchen, einiges - jedenfalls nach meiner Meinung - Allgemeingültige zur Gesundheitspolitik zu sagen, und zwar nach einem gewissen Rezept, wie wir in den nächsten Jahren verfahren sollten. Dabei werde ich einige Dinge positiv aufgreifen, die bereits von meinen Vorrednern hier angesprochen worden sind.
Ich möchte mir erlauben, ganz kurz fünf Thesen vorzutragen. Die erste These lautet: Wir müssen mehr als bisher und genauer als bisher wissen, was eigentlich ist. Was ist in der Epidemiologie, was ist in der Morbiditätsstastik los? Ich glaube feststellen zu dürfen, daß das auch immer das unklare Gefühl
dieses Hohen Hauses ist; denn wie sonst wäre wohl eine Fülle von Kleinen Anfrangen, die besonders von Ihrer ({0}) Fraktion gekommen sind, zu erklären? Es handelt sich z. B. um Anfragen bezüglich der Zahl der Querschnittsgelähmten, um die Feststellung, daß wir nicht genau wissen, wie viele geistig und körperlich behinderte Kinder es in unserer Bundesrepublik gibt. Das läßt mit Recht die Feststellung zu, daß wir auf diesem Gebiet nur unsichere Kenntnisse haben.
Ich bin der Meinung, daß man versuchen sollte, die vielen positiven Ansatzpunkte und die Zusammenfassung vieler punktueller Ergebnisse einmal als geschlossene wissenschaftliche Grundlage für die Erarbeitung der weiteren Vorstellungen zu bekommen. Es gibt dafür ein ganz, ganz geringfügiges, aber sehr bedeutsames Beispiel: Sehen Sie, wir sind so stolz darauf, daß wir vor ungefähr einem Jahr festgestellt haben, wie viele Zuckerkranke es in der Bundesrepublik gibt, und wie viele Diabetiker es gibt, die dies von sich selbst nicht wissen, die bei einer vernünftigen Lebensweise ihre Krankheitsmanifestation verhindern könnten.
Die Zahlen, die hier genannt werden, nämlich latent 3 bis 4 % der Bevölkerung, hat Professor Joslin für die Vereinigten Staaten und für dortige Großstädte, in denen ähnliche Verhältnisse wie bei uns herrschen, bereits im Jahre 1953, also vor 16 Jahren, festgelegt. Auf den entsprechenden Kongressen wurde mit absoluter Sicherheit gesagt, daß die Bundesrepublik in fünfzehn Jahren vor dem gleichen Phänomen stehen werde. Ein Forscher in Ost-Berlin hat das epidemiologisch nachuntersucht und bereits im Jahre 1954 für Ost-Berlin die gleichen Zahlen dokumentarisch festgelegt, die wir jetzt auf Grund von Massenuntersuchungen endlich festgestellt haben. Das ist ein Beispiel dafür, wie man vielleicht doch, wenn man etwas vernünftiger und gezielter auch großangelegte epidemiologische Untersuchungen macht, zu vorbeugenden Maßnahmen kommen kann. Mehr soll ja der Sinn dieser Untersuchung gar nicht sein. Insofern begrüße ich ausdrücklich die Tätigkeit des Bundesgesundheitsamtes in Berlin.
Wir sollten ferner wissen - das ist der Unterpunkt meiner ersten These -, welche Gesetze in den nächsten Wochen und Monaten noch verabschiedet werden können - da appelliere ich auch an den Ausschußvorsitzenden, mitzuhelfen, daß das, was vorliegt und wo weitgehend eine Übereinstimmung da ist, wie z. B. bezüglich der Bundesärzteordnung, noch verabschiedet wird - und welche Gesetze zwar wünschenswert wären, aber auf Grund der neuen politischen Situation, nämlich wegen der nicht voll erreichten Kompetenzverlagerungen im Bereich der Finanzreform, nicht durchsetzbar sind.
Meine zweite These: Wir müssen versuchen - das gilt auch für dieses Hohe Haus -, eine Verstärkung des gesundheitspolitischen Problembewußtseins zu erzielen. Viele gesundheitspolitische Fragen werden in anderen Ressorts entschieden, und immer würde eine gesundheitspolitische Beleuchtung der gleichen Frage anders aussehen als die ressortpolitische. Ein ganz kleines Beispiel: Der Krankenschein als „Wertpapier", meine Damen und
Herren, mag sozialpolitisch und mag für die Krankenversicherungsreform eine vernünftige und finanziell gute Angelegenheit sein. Gesundheitspolitisch aber ist dieses Prinzip, entnommen aus der Blechschaden-, Kasko- und Kraftfahrzeugversicherung unter Anwendung auf die Menschen, absolut unvernünftig. Das muß hier einmal klipp und klar gesagt werden. Man kann nicht auf der einen Seite Vorsorgeuntersuchungen planen und in Angriff nehmen und auf der anderen Seite dem Menschen einen Anreiz geben, seine vier Scheine im Jahr zu sammeln und dann zum Weihnachtsmann zu gehen, um das Geld zurückzubekommen.
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Das war ein ganz kleines Beispiel; ich könnte das am laufenden Band fortsetzen.
Dritte These: Auf Grund der neuen verfassungspolitischen Situation, Frau Minister, müssen wir bitten, zu versuchen, zu neuen Formen der gesundheitspolitischen Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern zu kommen. Ich weiß nicht, wie Sie das gestalten wollen; aber Sie müssen neue Wege beschreiten durch regelmäßig stattfindende Konferenzen mit den zuständigen Ministern der Länder und durch zweckmäßige, detaillierte Absprachen. Der Gesundheitsminister der Vereinigten Staaten hat uns erklärt, es sei in den Vereinigten Staaten völlig unmöglich, daß ein einzelner Bundesstaat ein gesundheitspolitisches Gesetz erlasse, ohne sich mit dem zentralen Ministerium über den Inhalt im Prinzip abgesprochen zu haben. Ich meine, es müßte auch in der kleinen Bundesrepublik möglich sein, daß z. B. Gesetze über die Unterbringung von psychisch Kranken fast im gleichen Text in den einzelnen Ländern jetzt erlassen werden. Das wäre auch ein Beitrag zur Vereinheitlichung der Lebensverhältnisse, wobei natürlich nicht Gleichmacherei gemeint ist.
Meine vierte These: Bei der Lösung schwieriger gesundheitspolitischer Aufgaben empfehle ich in Zukunft schwerpunktmäßig vorzugehen; schwerpunktmäßig deshalb, weil man auch das gesundheitspolitische Bewußtsein der Öffentlichkeit als Hilfsmittel benötigt. Da gehe ich mit Herrn Kollegen Jungmann konform. Ich bin der Meinung, Herr Kollege Jungmann: Schwerpunkt Nr. 1 ist jetzt die wirtschaftliche Sicherung der Krankenhäuser und die Überprüfung unseres gesamten Krankenhauswesens. Da bin ich mit Ihnen völlig einer Meinung. Weitere Schwerpunkte, die man dann vielleicht einmal in den nächsten Jahren in Angriff nehmen sollte, wären das Gebiet der „Vorsorgeuntersuchungen". Dabei kann ich mir vorstellen, daß das Ministerium - ohne jegliche administrative Anordnung, im Wege der Empfehlung - in der Lage sein wird oder in die Lage versetzt werden wird, einen Gesamtkatalog aufzustellen, der die volle Lebensdauer des Menschen umfaßt und alters- und geschlechtsspezifisch in den jeweiligen Jahren bestimmte Untersuchungen empfiehlt oder auch empfiehlt, auf bestimmte Untersuchungen zu verzichten. Wenn dieser Katalog da ist, wollen wir über die Träger und über die Verantwortlichkeiten für die einzelnen Untersuchungen miteinander debattieren, und dann könnte man das Problem in den nächsten zehn Jahren, in einer De-
) kade der Vorsorgemaßnahmen, meinetwegen abschließen. Ferner käme es wohl in den nächsten Jahrzehnten darauf an, zu einer allgemeinen Minderung der Gesamttoxidität zu kommen. Frau Kollegin Heuser, ich stimme mit Ihnen überein: Die Nebenwirkungen, die schädlichen Wirkungen und die noch nicht absehbaren, in Zukunft wirksam werdenden toxischen Nachwirkungen von längerer Medikamenteneinnahme stellen ein ernstes Problem für die Zukunft dar. In diesem Zusammenhang muß ich allerdings sagen, daß das Ministerium auf Grund der gegen ein bestimmtes Abmagerungsmittel, nämlich Menocil, öffentlich geäußerten Vorwürfe kurz vor Beginn des neuen Jahres auffallend schnell und vernünftig reagiert hat. Das möchte ich an dieser Stelle einmal sagen. Die schnell eingesetzte Kommission arbeitet schon und hat bereits ihre ersten Empfehlungen veröffentlicht.
Letztens, meine Damen und Herren, bin ich der Meinung, daß in diesen Katalog hineingehört, sich auszurechnen, sich auszumalen und im Ministerium einmal darüber nachzudenken, welche gesetzgeberischen Konsequenzen sich alsbald aus den Ergebnissen einer zukunftsbezogenen medizinischen Forschung und einer zukunftsbezogenen biologischen Forschung ergeben werden. Ich möchte aber hier etwas zu den Journalisten sagen. Mir hat der Aufmacher in einer großen Zeitung am vergangenen Wochenende sehr imponiert, der da lautete: „Die biologische Zeitbombe tickt!" - Jawohl, meine Damen und Herren, die biologische Zeitbombe tickt, und wer sich jetzt einmal in den letzten Fachzeitschriften den Katalog schon feststehender, zukunftsbezogener Forschungsvorhaben, die in wenigen Jahren zum Abschluß kommen, auf dem Gebiet der Biologie, d. h. damit auch der biologischen Manipulierbarkeit, ansieht, wird feststellen und zu der politischen Konsequenz kommen müssen, daß gesetzgeberisch an manchen Punkten, die ich hier und heute nicht aufführen kann, vorher eine Bremse angelegt werden muß!
Meine Damen und Herren, meine letzte, fünfte These knüpft dort an, wo der Kollege Jungmann geendet hat. Ich bin der Meinung, wir müssen zu noch intensiveren Formen der Gesundheitsaufklärung und der Gesundheitserziehung kommen, und zwar nicht jeweils nach irgendwelchen modernisierten oder aktuell, modern gewordenen Phänomen, wie z. B. der Sexualaufklärung, die anscheinend ein unlösbares Problem wird, obwohl die Leute, die sie vor zehn Jahren gefordert haben, damals gar keine Antwort darauf bekommen haben. Dabei war diese Entwicklung doch für jeden Kenner, der Zeitgeschichte irgendwie mitempfindet, offenbar.
Ich meine also, daß sich diese allgemeine gesundheitliche Aufklärung und Erziehung nach einer Analyse der „weißen Flächen" auf dem Globus menschlicher Kenntnisse richten muß. Diese weißen Flächen auf dem Globus der menschlichen Kenntnisse sollte man gemeinsam mit der Kultusministerkonferenz, der Konferenz der Gesundheitssenatoren und Gesundheitsminister, mit Presse, Funk und Fernsehen in Angriff nehmen. Hier müßte man doch auch zu einer gewissen Kooperation kommen.
Wenn wir in den nächsten fünf bis zehn Jahren Gesundheitspolitik so betreiben, werden wir, glaube ich, zu ganz vernünftigen Ergebnissen gelangen. Wir jedenfalls, Frau Minister, sind voller Anerkennung für Ihre Wirksamkeit in den letzten zwei Jahren.
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Meine Damen und Herren, wir müssen diesen Einzelplan noch zu Ende bringen, ehe wir in die Mittagspause eintreten können.
Das Wort hat jetzt Frau Bundesminister Strobel.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin dem Herrn Präsidenten sehr dankbar dafür, daß er mir Gelegenheit gibt, jetzt noch zu antworten, weil die Antwort dann nämlich unmittelbarer ist. Wir müssen eben in Kauf nehmen, daß sich die Zahl der sich Beteiligenden weiter verringert.
Darf ich zu Beginn sagen: Mir wird immer wieder bestätigt - und deshalb führe ich das jetzt auch aus , daß das Bundesministerium für Gesundheitswesen im zurückliegenden Jahr und noch mehr in den zurückliegenden zweieinviertel Jahren der Großen Koalition sowohl im Rahmen der Gesetzgebung als auch der Durchführung und vor allen Dingen auch im gesetzesfreien Raum der Gesundheitspolitik große Anstrengungen gemacht hat. Das wird auch von denen nicht bestritten, die uns sehr kritisch gegenüberstehen.
Ich möchte außerdem sagen, daß sich dieses Parlament in den letzten zweieinviertel Jahren der Großen Koalition mehr, als es je zuvor der Fall war, mit der Gesundheitspolitik beschäftigt hat. Wir begrüßen das sicher alle sehr. Ich glaube, ich kann für mich in Anspruch nehmen, daß ich daran auch nicht ganz unschuldig bin. Ich möchte zusätzlich sagen: ich bin der Meinung, daß sich der Gesundheitsausschuß des Deutschen Bundestages gerade in diesen letzten zweieinviertel Jahren nicht über Unterbeschäftigung durch das Ministerium beklagen kann.
Herr Kollege Jungmann, Sie haben ziemlich harte Worte über das Ministerium, über die Leitung des Ministeriums und damit über den Gesundheitsminister gesagt. Gestatten Sie mir, ganz offen zu sagen: ich halte das etwas für eine Pflichtübung, denn zu mir persönlich sagen Sie gelegentlich etwas anderes.
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Ich sage das jetzt ganz deutlich. Ich sage auch ganz deutlich, daß ich das, was Sie gesagt haben, ernster nehme als etwa ein Kavaliersdelikt, als das es hier ja etwas gewertet worden ist. Ich habe mir überlegt: was sind eigentlich die Ursachen und die Motive für diese Kritik? Hat sich Ihre Meinung oder hat sich die Politik des Gesundheitsministeriums, der ich sicher auch eine Prägung gegeben habe, seit unserer Zusammenarbeit geändert? Nun, mein Kollege Meinecke hat schon Beispiele dafür gebracht, daß die Änderung hei Ihnen und nicht bei mir und bei uns liegt.
Ich will den Ursachen und den Motiven nicht nachgehen; das Gesundheitsministerium ist für Motivforschung nicht zuständig. Ich will aber noch sagen: den von Ihnen apostrophierten Gleichmut habe ich allerdings nicht. Ich bin sehr empfindlich gegen Ungerechtigkeit.
Sie haben gefragt, woher eigentlich Herr Kollege Meinecke die Kenntnisse der Einzelheiten im Zusammenhang mit dem Institut für medizinische Dokumentation - es kann auch im Zusammenhang mit der Abteilung Erforschung der Umweltschäden und Zivilisationskrankheiten gewesen sein hat. Ich würde darauf erwidern: er hat wahrscheinlich den Jahresbericht der Bundesregierung gelesen. Die Lektüre dieses Berichts kommt ja oft gerade in seinem gesundheitlichen Teil leider zu kurz.
Das Krankenhausproblem mußte heute angesprochen werden; das ist selbstverständlich, und ich bin dankbar dafür. Aber meiner Meinung nach ist es absolut falsch, zu behaupten, durch die Behandlung des Problems, wie man die wirtschaftliche Sicherung der Krankenhäuser erreichen kann, habe das Gesundheitsministerium in der Öffentlichkeit und insbesondere bei den Beteiligten gelitten. Herr Jungmann, ich habe nicht erwartet, daß Sie so etwas sagen, weil es meiner Meinung nach nicht stimmt. Ich könnte Ihnen natürlich z. B. die Briefe der Deutschen Krankenhausgesellschaft vorlesen. Die sagen genau das Gegenteil.
Ich darf vielleicht auch gleich etwas sagen zu Ihrem Hinweis auf meine Bemerkung, die CDU sei gegen die Erweiterung der Zuständigkeiten im Krankenhauswesen gewesen. Nun, Herr Kollege Jungmann, ich habe Ihnen persönlich geraten, sich in Ihren Äußerungen gegenüber Ihren und anderen Kollegen nicht so auszudrücken, daß der Eindruck entstehen muß, Sie seien gegen diese Erweiterung des Grundgesetzes.
Ich darf bei dieser Gelegenheit auch gleich etwas zur Krankenhausenquete sagen. Es ist eine völlig falsche Unterstellung - ich weiß nicht mehr genau, ob sie von Frau Heuser oder von Herrn Jungmann stammt -, wenn Sie hier den Eindruck erwecken, als hätte der Gesundheitsminister Zahlen oder überhaupt Material aus der Krankenhausenquete irgendwo in der Öffentlichkeit verwendet. Sowohl die Beamten als auch die Leitung des Hauses haben immer und überall gesagt: Eine Enquete, die vom Parlament angefordert worden ist, kann, auch in ihren Einzelheiten oder auch nur in Teilen, nicht, bevor sie dem Parlament vorgelegt wird, irgend jemandem zur Verfügung gestellt werden. Das ist uns angekreidet worden; dafür gab es einmal einen entsprechenden Artikel in der „Welt" usw. Ich muß aber auch ganz offen sagen: Zu der Zeit, in der diese Enquete auf Ressort- und Länderebene beraten wurde, stand im „Capital" ein Artikel, aus dem man entnehmen konnte, daß es jetzt Leute gibt, die Zahlen aus dieser Enquete kennen. Woher das kommt, weiß ich nicht. Ich habe in meinen Reden immer gesagt, daß wir keine Ergebnisse daraus verwenden, solange wir sie hier nicht vorlegen können.
Nun haben Sie behauptet, ich sei hier im Hause schweigsam in bezug auf das Krankenhauswesen
gewesen. Nun, Herr Jungmann, das stimmt nicht. Es ist auch nicht etwa so, daß Sie zu der Zeit nicht da waren, zu der ich darüber hier gesprochen habe. Wir haben uns bei der Behandlung der Großen Anfrage der SPD sehr eingehend gegenseitig darüber ausgesprochen, wir haben bei der Einbringung der Grundgesetzänderungen darüber gesprochen, ich habe im Bundesrat bei der Einbringung der Grundgesetzänderungen darüber gesprochen, und ich habe auch nie ein Hehl daraus gemacht, was ich dazu für eine Meinung habe. Man kann also einfach nicht behaupten, das sei nicht geschehen.
Nun zur Erstellung des Berichts. Als Bundestagsabgeordnete hätte ich auch angemahnt, daß dieser Bericht noch nicht vorgelegt worden ist. Das mußte geradezu geschehen. Ich muß Ihnen ganz ehrlich sagen, daß die Vorlage ganz großen Schwierigkeiten begegnete. Die Fragebogen sind im Januar 1967 hinausgegangen. Der Bundestag hatte den Antrag bekanntlich im Herbst 1965 gestellt. Die erste Unterschritt, die ich geleistet habe, war die unter die Ausgabe dieses Fragebogens. Der Eingang der Fragebogen und die Auswertung der Fragebogen haben erhebliche Zeit beansprucht. Wir waren dann bei der Auswertung zum Teil sogar auf die Hilfe von außen angewiesen. Hier war wieder das Dilemma des Gesundheitsministeriums mit der Grund. Wir haben einen einzigen Krankenhausreferenten. Das ist ein Ein-Mann-Referat. Das ist zudem der einzige Volks- oder Betriebswirt, den wir hatten. Wir haben jetzt zwei, seitdem Frau Merkel bei uns ist; sie ist allerdings in einer ganz anderen Abteilung. Der Referent ist ein volles Jahr ausgefallen, weil er einen Herz- und Leberinfarkt hatte. Die Arbeit wäre in dieser Zeit praktisch fast stillgelegt gewesen. Wenn wir nicht Hilfe von außen bekommen hätten, wären wir heute noch nicht so weit. Dazu kommt, daß auch die Beratung des übrigens schon länger fertigen Entwurfs und vor allen Dingen der Schlußfolgerungen, die daraus in Beantwortung der Fragen des Parlaments zwischen den Ressorts und mit den Ländern zu ziehen sind, nicht im Eiltempo erfolgen kann - ich will mich vorsichtig ausdrücken. Wir sind bei den anderen Ressorts und auch bei den Ländern nicht von vornherein auf ungetrübte Einigkeit bezüglich der Schlußfolgerungen gestoßen. Das hängt eben mit den Grundsatzfragen zusammen, die hier auch angesprochen worden sind.
Daß die Grundgesetzänderung noch nicht beschlossen ist und daß man noch keine volle Klarheit hat, wie sie im Endeffekt aussehen wird, spielt natürlich mit herein. Es gab aber nie einen Zweifel darüber, daß ich mich als Gesundheitsminister um eine Neuordnung der wirtschaftlichen Sicherung der Krankenhäuser bemühe, die es zuläßt und die dafür sorgt, daß überall ein bedarfsgerecht gegliedertes System von Krankenhäusern zur Verfügung steht und daß für die Patienten die diagnostischen und therapeutischen Möglichkeiten bereitgestellt werden, die die Medizin und die medizinsche Technik heute und in Zukunft bieten. Dafür reicht die Änderung der Bundespflegesatzverordnung allein nicht aus, wenn man dadurch nicht eine wesentliche Erhöhung der Krankenkassenbeiträge heraufbeschwören will. Ich habe hier, Herr Jungmann, in Ihrer Anwesenheit
ganz deutlich gesagt, daß ich keine Änderung der Bundespflegesatzverordnung vorlegen werde, die zu einer wesentlichen Erhöhung der Krankenkassenbeiträge führt.
Ich bin mir im übrigen - der Herr Kollege Katzer könnte Ihnen darüber auch einige Auskunft geben - völlig darüber klar, daß man, wenn einmal das Lohnfortzahlungsgesetz im Hause verabschiedet ist und Klarheit über die Höchstgrenze der Krankenkassenbeiträge besteht, unabhängig von der Grundgesetzänderung die Pflegesatzverordnung noch in der Richtung ändern muß, daß zumindest die Benutzerkosten über den Pflegesatz aufgebracht werden.
({1})
Ich sage das jetzt, weil ich gefragt worden bin, obwohl ich es lieber erst bei der Vorlage der Enquete gesagt hätte. Man muß natürlich auch sehen, daß das allein das Problem nicht löst. Es muß vielmehr gelingen, über die Beteiligung des Bundes den Krankenhäusern einen Rechtsanspruch auch auf die Investitionskosten zu sichern. Die gesetzlichen Voraussetzungen dafür wollen wir im Grundgesetz schaffen.
({2})
Die finanziellen Mittel sind zunächst in der mittelfristigen Finanzplanung nicht drin. Aber zunächst muß ja das Grundgesetz geändert sein. Dann werden sich natürlich eine kommende Regierung und ein kommendes Parlament darum bemühen müssen, in die mittelfristige Finanzplanung die notwendigen Mittel einzustellen.
Ich möchte aber genauso deutlich sagen, daß ich keinesfalls die von Professor Andreae vertretene Auffassung - Frau Kollegin Heuser hat Herrn Professor Andreae erwähnt -, daß das Krankenhauswesen nach marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten organisiert werden muß, teilen kann und von mir aus dem Bundestag einen solchen Vorschlag nicht machen werde.
({3})
Ich bin der Auffassung - und das hat übrigens Herr Kollege Jungmann vor einiger Zeit auch schon einmal publiziert -, daß die Bereitstellung von Krankenhausbetten eine öffentliche Aufgabe ist. Ich teile nicht die Auffassung, die jetzt bei der Beratung der Krankenhausenquete verschiedentlich durchgeklungen ist, daß dadurch, daß sich der Bund beteiligen würde oder durch Gesetz ein Rechtsanspruch auf Investitionskosten gesichert würde, oder durch den Grundsatz, daß die Bereitstellung eine öffentliche Aufgabe ist, etwa die Unabhängigkeit und die Einsatzfreudigkeit der freien gemeinnützigen Krankenhäuser gestört würde. Das ist keineswegs der Fall. Das will niemand, das sind Befürchtungen, die nach meiner Meinung absolut unberechtigt sind.
Nun ist hier sehr viel über das beabsichtigte Deutsche Institut für medizinische Dokumentation und Information gesagt worden. Lassen Sie mich dazu ganz kurz folgendes sagen. 1959 hat die Bundesärztekammer die Errichtung einer deutschen medizinischen Dokumentationsstelle gefordert. Im selben Jahr wurde von seiten des Gesundheitsausschusses ein solcher Antrag eingebracht. Der Bundestag hat ihn angenommen. Der Bundesrechnungshof hat die Errichtung eines solchen Instituts befürwortot. Der Bundesminister für wissenschaftliche Forschung unterstützt die Errichtung eines solchen Instituts. Die angeforderten Gutachten und Empfehlungen von Sachverständigen sprechen sich für das Institut aus.
Die im Bundeshaushalt vorgesehenen Mittel wurden damals qualifiziert gesperrt. Später wurde diese Sperre aufgehoben. Die für das Gesundheitswesen der Länder zuständigen Minister und Senatoren haben sich am 2. Dezember 1966 dafür ausgesprochen, daß der Bund im Hinblick auf den überregionalen Charakter die Trägerschaft und die Finanzierung für das zu errichtende Institut übernehmen soll. Seit 1963 sind die Mittel für dieses Institut ständig erhöht worden. Nachdem sich der Bundesrechnungshof als Bundesbeauftragter für die Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung mit Schreiben vom 10. April 1968 positiv zu dem DMD geäußert hatte, haben wir mit den Aufbauarbeiten begonnen.
Nun ist hier die Ausschreibung einer Stelle nach B 3 ziemlich kritisiert worden. Herr Jungmann war der Meinung, daß die Stellenbesetzung wegen der Aufgabenstellung solche Schwierigkeiten macht. Nun, Herr Jungmann, die Aufgabenstellung ist mit dem ersten Bewerber für die Leitung dieser Stelle ziemlich gründlich erarbeitet worden. Die wirklichen Ursachen sind - das möchte ich Ihnen jetzt ganz deutlich sagen -, daß die Forderungen, die die zwei bisher in Aussicht genommenen Herren aus dem Hochschulbereich sowohl hinsichtlich der Dotierung der Stelle als auch hinsichtlich der finanziellen Ausstattung des Instituts gestellt hatten, unter Beachtung der mehrjährigen Finanzplanung und unter Berücksichtigung der Stellungnahme des Bundesrechnungshofes nicht erfüllt werden konnten. Das ist die tatsächliche Ursache dafür, daß die Stelle bis heute nicht besetzt ist.
Daß das Institut in Köln errichtet werden soll, hängt damit zusammen, daß die Kölner Universität die größte medizinische Bibliothek in der Bundesrepublik Deutschland hat und daß die Kölner Universität mit uns eine Vereinbarung über die Mitbenutzung ihres Rechenzentrums getroffen hat. Man kann also doch wirklich nicht sagen, man habe hier einen falschen Standort gewählt.
Im übrigen muß ich noch sagen, daß wir jetzt auch deswegen sehr intensiv an die Sache herangegangen sind, weil uns daran liegt, daß wir die Auswertung des Medlars-Bandes an dieser Stelle vornehmen können, die Amerikaner uns aber dieses Medlars-Band überhaupt nur zur Verfügung stellen, wenn bei uns die entsprechenden technischen Voraussetzungen gegeben sind. Wir haben zur Zeit schon mehrere Wissenschaftler in Stockholm, die dort an diesem Medlars-Band-System ausgebildet werden.
Zu den anderen angesprochenen Fragen müßte ich sehr lange reden, wenn ich erschöpfend darauf antworten wollte. Mit Rücksicht auf die zur Verfügung stehende Zeit geht das wohl leider nicht.
Deutscher Bundestag - 5. Wahlperiode - 224. Sitzung. Bonn, Mittwoch, dens 26. März 1969 12283
Aber eines muß ich zum Arzneimittelwesen sagen. Es gibt kaum jemand, der so offen wie ich überall gesagt hat - obwohl das sehr unpopulär ist -: hochwirksame Arzneimittel haben auch Nebenwirkungen, - und der darauf aufmerksam gemacht hat, daß es auf die Zumutbarkeit ankommt und daß es natürlich auch in der Verantwortung der Ärzte liegt, zu entscheiden, wieweit die Nebenwirkungen für ihre Patienten zumutbar sind oder nicht. Das zur Frage der Sicherheit.
Ich bin allerdings der Meinung, Frau Kollegin Heuser: so gut unser Gesetz ist, selbstzufrieden dürfen wir gerade im Bereich der Arzneimittelgesetzgebung niemals sein.
({4})
Wenn sich Erkenntnisse ergeben, die es notwendig machen, das Gesetz zu ändern, dann sollten wir es tun. Ich bin überzeugt, wir werden es auch gemeinsam tun. Ich muß allerdings auch sagen: wir können uns auf die Dauer der Transponierung der EWG-Richtlinien in das deutsche Arzneimittelrecht nicht verschließen. Es war noch die frühere Bundesregierung, die im Ministerrat der ersten Richtlinie zugestimmt hat - der Beschluß ist einstimmig gefaßt worden und gerade diese Richtlinie bringt einen ganz anderen Grundsatz in das Arzneimittelgesetz hinein als den, der vom Bundestag beschlossen wurde.
Im übrigen sage ich auch immer denjenigen, die das Gesetz so sehr angreifen, daß in dem Gesetz zwar die Verantwortung dem Hersteller gegeben ist, daß aber für den Fall, daß er seiner Verantwortung nicht gerecht wird, ganz schwere Zuchthausstrafen vorgesehen sind. Das muß man in diesem Zusammenhang sehen.
Es ist bereits darauf aufmerksam gemacht worden, daß ich eine wissenschaftliche Kommission „Sicherheit der Arzneimittel" eingesetzt habe. Diese Kommission soll genau das tun, was Sie, Frau Kollegin Heuser, gefordert haben und was ich letzthin hier in der Fragestunde bereits gesagt habe.
Der Kollege Meinecke hat gefragt, welche Gesetze auf Grund der Verweigerung der Grundgesetzänderung von uns nicht verabschiedet bzw. nicht weiter verfolgt werden können. Ich bedauere auch, daß wir das Gesetz über die Gesundheitshilfe für das Kind, ein Gesetz zur Hilfe für psychisch Kranke und gezielte Vorsorgemaßnahmen im Bereich der Krebsfrüherkennung zurückstellen mußten, weil die Grundgesetzänderung verweigert worden ist.
({5})
Ich muß sagen, Herr Kollege Jungmann, daß mir sehr daran lag und liegt, daß die wenigen Mittel, die das Bundesministerium für Gesundheitswesen zur Verfügung hat, im Bereich der Forschung, im Bereich der Modellvorhaben, auch im Bereich der gesundheitlichen Aufklärung, gezielt und schwerpunktmäßig und nicht nach dem Gießkannenprinzip und auch nicht nach dem Prinzip „wer fordert gerade die Finanzierung eines Forschungsauftrages an?" eingesetzt werden. Man kann sich davon überzeugen, daß das geschehen ist.
Daß darüber der Gesundheitsausschufi zu wenig weiß, tut mir persönlich leid. Ich habe auch immer bedauert, daß der Gesundheitsausschuß nicht wie andere Fachausschüsse den Haushalt seines Ministeriums erörtert, bevor ihn der Haushaltsausschuß berät. Ich weiß, die Haushaltsausschußleute lieben das sowieso nicht so sehr, aber trotzdem: der zuständige Minister würde es begrüßen.
Ich müßte etwas zur internationalen Arbeit sagen. Ich lasse es aus im Hinblick darauf, daß wir so wenig Zeit haben. Ich lasse ebenso die anderen neuralgischen Punkte aus, die Sie nicht angesprochen haben, Herr Kollege Jungmann. Ich hatte erwartet, daß Sie etwas zur Gebührenordnung sagen. Ich hatte erwartet, daß Sie etwas zum Hebammenwesen sagen, auck zur ausstehenden Röntgenverordnung. In allen Fällen hätte ich sehr deutliche Antworten gehen können. Vielleicht wußten Sie das und haben es deswegen unterlassen, etwas dazu zu sagen.
({6})
Ich muß noch etwas zur Abteilung „Erforschung der Umweltschäden und Zivilisationskrankheiten" sagen. Meine Damen und Herren, ich habe mich in diesem Punkt, was das positive Wirken in der Großen Koalition in diesem Punkt - ich beschränke es darauf - angeht, wahrscheinlich zu früh gefreut.
({7})
Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion hatte in den letzten Jahren bei jeder Beratung des Haushalts des Gesundheitsministeriums beantragt, Mittel für ein Institut für Umweltschäden und Zivilisationskrankheiten bereitzustellen. Sie haben diesen Antrag immer abgelehnt. Bei der ersten Haushaltsberatung der Großen Koalition ist es dann gelungen, diesen Antrag interfraktionell einzubringen. Was ist aus dieser Sache geworden? Ich könnte Ihnen jetzt vorlesen, was das Institut für Aufgaben hat, was das Institut bisher getan hat. Es ist einfach nicht wahr, daß Ihnen das nicht gesagt worden ist. Es gab eine Zusammenkunft eines nicht unwesentlichen Teils der Mitglieder des Gesundheitsausschusses im Zusammenhang mit Anträgen, die bezüglich dieser Abteilung dem Haushaltsausschuß vorlagen; dort ist die Tätigkeit dieser Abteilung sowohl mündlich von dem Leiter der Abteilung als auch schriftlich dargestellt worden. Ich hatte sogar den Eindruck, daß das nicht ohne Eindruck auf Sie geblieben ist. Die große mobile Einheit ist ja nachher auch, wenn auch unter ziemlich erheblichen Geburtswehen, im Haushaltsausschuß genehmigt worden. Ich muß es mir verkneifen, zu sagen, welche Gedanken ich manchmal hatte, wenn solche Anliegen sozialdemokratischer Minister von den Mitgliedern der Fachausschüsse bis in den Haushaltsausschuß hinein verfolgt worden sind; „verfolgt" im wahrsten Sinne des Wortes.
Nun noch rasch zu dem, was vom Minister in dieser Legislaturperiode aus verschiedenen Gründen nicht mehr vorgelegt werden konnte. Wir haben für die nächste Legislaturperiode ein großes Gesetzgebungsprogramm vorbereitet, von dem ich hoffe,
daß es zu Beginn der Legislaturperiode vorgelegt werden kann, weil es sich um Gesetze handelt, für die auch das Parlament eine längere Beratungsdauer braucht. Es handelt sich dabei um Gesetze, deren Vorlage uns außerdem deshalb so sehr schwer gemacht worden ist, weil diese Gesetze - sowohl an. die Wirtschaft als auch an uns selbst gerichtete - Ge- und Verbote zum Nutzen der Gesundheit aussprechen, die von vornherein nicht überall, vor allem nicht von Teilen der Wirtschaft, akzeptiert werden. Aus diesem Grunde sind da so viele Hürden zu nehmen, daß selbst meine manchmal etwas sprichwörtliche Energie das nicht geschafft hat.
Wir werden in der nächsten Legislaturperiode das Bundesimmissionsschutzgesetz - das Gesetz zum Schutz vor Luftverunreinigung und Lärm - vorlegen, das im Entwurf seit langem fertig ist. Wir haben immer gehofft, daß wir es noch mit Regelungen für den hoheitlichen und den privaten Bereich ergänzen können. Das ist nicht möglich, wenn die Grundgesetzänderung nicht durchgeht. Wir haben jetzt ,allerdings die Situation, daß die Wirtschaft sagt: Dieses Gesetz ist ohne die anderen, die Luftverschmutzung betreffenden Teile ein Torso. Mir ist sogar mitgeteilt worden, daß die Wirtschaftsminister der Länder neuerdings auch diese Aufffassung vertreten und dies als Begründung dafür anfuhren, dieses Gesetz aufzuhalten. Das ist etwas widersprüchlich. Zuerst verweigert man die Grundgesetzänderung, und dann sagt man: Dieses Gesetz ist ein Torso, weil es nicht den ganzen Bereich der Verschmutzung und Lärmbeeinträchtigung erfassen kann. Immerhin - das muß ich sagen - ist auf diesem Gebiet dadurch ein großer Fortschritt erreicht worden, daß die Autoabgasverordnungen erlassen werden konnten. Damit hat man sich in früheren Regierungen ja auch jahrelang herumgequält. Jetzt haben wir es fertiggebracht, daß diese Verordnungen erlassen worden sind.
Der nächste Bundestag wird die gesamte Reform des Lebensmittelrechts hoffentlich gleich zu Beginn der Legislaturperiode vorgelegt bekommen. Meine Damen und Herren, da gibt es auch noch nicht unerhebliche Hürden zu überwinden. Wenn es uns gelingt - wir haben ,das im Gesetzentwurf niedergelegt -, die gesundheitsbezogene Werbung auch im Lebensmittelbereich erheblich einzuschränken, wenn ,es uns gelingt, dafür zu sorgen, daß die Transparenz für die Verbraucher weiter erhöht wird, daß die gesundheitlich bedenklichen Stoffe aus der Lebensmittelherstellung völlig ausgeschaltet werden, wenn es gelingt, eine Kosmetikverordnung zu machen, die hundertprozentig dem Schutz der Verbraucher dient, dann werden wir als Ministerium, dann werden Sie als Parlament und dann wird vor allen Dingen der Gesundheitsausschuß nicht unerheblichen Widerständen zu begegnen haben. Ich würde sagen, ich freue mich darauf, das dann trotzdem durchzusetzen. Ähnliches gilt übrigens auch für ein Giftgesetz, das wir vorbereiten.
Aber lassen Sie mich zur Gesamtreform des Lebensmittelrechts noch folgendes sagen, Herr Kollege Jungmann, weil Sie auch in diesem Zusammenhang
behauptet haben, es habe sich in diesem Ministerium nichts geändert.
({8})
- Die Kritik von vor vier Jahren war ziemlich erheblich. - Ich darf also folgendes sagen. Der Deutsche Bundestag hat 1958- wenn ich mich nicht irre, sogar durch mich selber - die Vorlage der Gesamtreform des Lebensmittelrechts gefordert. Das Bundesministerium für Gesundheitswesen hat Anfang 1964, also sechs Jahre danach, eine Kommission berufen, die dieses Gesetz vorbereiten sollte. Wir haben den Reformentwurf in diesen zweieinviertel Jahren völlig fertiggestellt. Man kann einfach nicht in zweieinhalb Jahren das nachholen, was vorher sechs Jahre lang versäumt worden ist, denn von 1958 bis 1964 war nichts geschehen.
({9})
- Ich hätte das nicht gesagt; Sie zwingen mich dazu, es zu sagen.
Alle diese Gesetze, die für die nächste Legislaturperiode vorgesehen sind, dienen dem verstärkten Gesundheitsschutz und sind nach dem Prinzip erstellt, daß der Gesundheitsschutz der Menschen wirtschaftlichen Interessen vorgehen muß, auch wenn diese verständlich sind, daß dabei aber der technologische Fortschritt nicht unnötig behindert werden darf. Es sind Gesetze, die auch das Parlament so beanspruchen werden, daß es damit lange zu tun haben wird.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Frau Minister, sind Sie tatsächlich der Meinung, daß in den Jahren vor Ihrer Amtstätigkeit auf diesem Gebiet nichts oder so sträflich wenig geschehen sei, daß es erst in Ihrer Zeit besser geworden ist?
({0})
Herr Kollege Jungmann, 1958 ist hier die Reform gefordert worden. 1964 ist die Kommission zur Vorbereitung der Reform des Lebensmittelrechts eingesetzt worden. Ich habe nur von diesen sechs Jahren gesprochen, ich habe nicht gesprochen von den zwei Jahren zwischen 1964 und 1966, denn in dieser Zeit hat die Kommission gearbeitet, und in dieser Zeit ist auch diese Abteilung verstärkt worden. Sie ist nicht genügend verstärkt worden, aber das ist unser allgemeines Dilemma; da mache ich niemandem einen Vorwurf, außer daß ich sage, daß alle diejenigen, die hier ständig kritisieren, wie klein dieser Haushalt ist, doch endlich mal Anträge stellen sollen, daß er größer wird.
({0})
Von einem der Diskussionsredner - ich glaube, Herr Dr. Meinecke war es - bin ich zum Schluß
darauf angesprochen worden - und ich bin dankbar dafür -, daß es jetzt natürlich mehr als bisher notwendig ist, das zu praktizieren, was man heute als kooperativen Föderalismus bezeichnet. Ich habe den Eindruck, daß bei der Aussprache in der Vollsitzung des Bundesrates zu den Grundgesetzänderungen dafür gute Ansätze vorhanden waren. Ich will aber sagen, daß wir das eben zum Teil jetzt schon tun. In der Gesundheitsministerkonferenz, in der Konferenz der leitenden Medizinalbeamten haben wir in letzter Zeit z. B. über den Ausbau der Spezialeinrichtungen - denken Sie an die herzchirurgischen Stationen, an die Nierenstationen -, über die Universitätskliniken, über die bessere Versorgung der psychisch Kranken, über den Gesundheitsschutz im Zusammenhang mit Kernenergieanlagen und insbesondere auch über die Vorsorgeuntersuchungen, die dann eben auf Länderebene erreicht werden müssen, gesprochen.
Wir haben die gesundheitliche Aufklärung erheblich intensiviert; das hat hier niemand bestritten. Wir alle, die wir in der Gesundheitspolitik tätig sind, wissen, daß gesundheitspolitische Forderungen unbequem sind. Wenn es trotzdem gelungen ist, der Gesundheitspolitik ihrer Bedeutung gemäß mehr Beachtung zu schenken, dann, meine ich, sollten wir darüber froh sein und nicht Unmögliches verlangen.
All das, was man unter der Bezeichnung „aktive Gesundheitspolitik" einordnen kann, ist ganz bestimmt in einer Weise intensiviert worden, daß es zum Teil die Kräfte der Mitarbeiter des Gesundheitsministeriums bis an die Grenze des Vertretbaren, manchmal darüber hinaus, beansprucht hat. Nach soviel Kritik möchte ich mich zum Schluß bei den Damen und Herren, die im Gesundheitsministerium arbeiten, herzlich dafür bedanken, daß sie diese Beanspruchung mitgetragen haben und das, was wir erreicht haben, mit geschaffen haben.
({1})
Das Wort wird nicht mehr gewünscht. Die Aussprache ist geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 15. Wer dem Antrag des Ausschusses auf Drucksache V/3935 zustimmen will, gebe das Handzeichen. - Danke. Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei Enthaltung der Kollegen der freien demokratischen Fraktion ist der Einzelplan 15 angenommen.
Jetzt noch kurz, wie es weitergeht. Um 15 Uhr rufen wir zuerst den Punkt III unserer Tagesordnung auf, die Vereidigung des neuen Bundesjustizministers, dann den Punkt IV: zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung von Artikel 8 des Achten Strafrechtsänderungsgesetzes, ohne Debatte. Dem folgt die Beratung des Einzelplans 12, Verkehrsministerium. Dann werden die Einzelpläne 19 bis 60 in der Reihenfolge beraten, wie es auf unserer Tagesordnung steht.
Die Sitzung ist unterbrochen. Wir beginnen wieder um 15 Uhr.
({0})
Präsident von Hassel: Meine Damen und Herren, die durch die Mittagspause unterbrochene Sitzung wird fortgesetzt.
Wir kommen zu Punkt III:
Vereidigung des Bundesministers der Justiz.
Der Herr Bundespräsident hat mir mit Schreiben vom heutigen Datum, dem 26. März, mitgeteilt, daß er auf Vorschlag des Herrn Bundeskanzlers Herrn Professor Dr. Horst Ehmke heute zum Bundesminister der Justiz ernannt hat.
Nach Art. 64 des Grundgesetzes leisten die Bundesminister bei der Amtsübernahme vor dem Bundestag den in Art. 56 des Grundgesetzes vorgesehenen Eid. Ich bitte Herrn Bundesminister Dr. Ehmke, zu mir heranzutreten und diesen Eid zu leisten.
Darf ich Ihnen die Urfassung des Grundgesetzes zur Eidesleistung übergeben.
Ich schwöre, daß ich meine Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden, das Grundgesetz und die Gesetze des Bundes wahren und verteidigen, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann üben werde. So wahr mit Gott helfe.
Präsident von Hassel: Ich stelle fest, daß der Herr Bundesminister den Eid nach Art. 56 des Grundgesetzes geleistet hat, und darf ihm namens des Hohen Hauses die herzlichsten Glückwünsche für das neue Amt übermitteln.
({0})
Meine Damen und Herren, vereinbarungsgemäß rufe ich, bevor wir in der Beratung des Haushalts fortfahren, den Tagesordnungspunkt IV auf:
Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung von Artikel 8 des Achten Strafrechtsänderungsgesetzes
- Drucksache V/3994 Schriftlicher Bericht des Ausschusses für gesamtdeutsche und Berliner Fragen ({1})
- Drucksache V/4044
Berichterstatter: Abgeordneter Sänger und Abgeordneter Rock
({2})
Ich darf zunächst den Berichterstattern danken. Es erhebt sich die Frage, ob die Berichterstatter ihren Schriftlichen Bericht mündlich zu ergänzen wünschen. - Zur Ergänzung der Berichterstattung der Abgeordnete Sänger.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es soll nicht eine Berichterstattung sein, sondern ein Hinweis darauf, daß Sie in der
Drucksache V/4044 eine etwas veränderte Fassung des von allen drei Fraktionen gemeinsam eingereichten Gesetzentwurfs finden. Sie finden darin eine stilistisch-redaktionell verbesserte Fassung des Art. 1. Sie finden als Art. 2 den bisherigen Art. 3. Der Wortlaut des bisherigen Art. 2 ist als Entschließung angefügt worden. Den Text haben Sie vor sich. Ich bitte, so zu beschließen, wie die drei Fraktionen beantragt haben.
Präsident von Hassel: Sie haben die Ergänzung des Berichterstatters gehört. Wird das Wort zur Aussprache gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Wer dem Gesetz einschließlich Einleitung und Überschrift mit der eben dargestellten redaktionellen Änderung in zweiter Beratung seine Zustimmung geben will, den bitte ich um ein Handzeichen.
- Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Ich stelle fest, daß wir das Gesetz in der zweiten Lesung einstimmig angenommen haben.
Wir kommen zur
dritten Beratung.
Wortmeldungen liegen nicht vor. Wer dem Gesetz im ganzen seine Zustimmung geben will, den bitte ich, sich zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Ich stelle damit die einstimmige Annahme dieses Gesetzes in dritter Lesung fest.
Wir müssen dann noch über den Antrag des Ausschusses in Ziffer 2 abstimmen, ein Entschließungsantrag, den Sie vorliegen haben. Wer ihm seine Zustimmung gibt, den bitte ich um das Handzeichen.
- Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig so beschlossen.
Nach dieser Erledigung des Punktes IV kehren wir zurück zur Beratung des Haushalts. Ich rufe auf:
Einzelplan 12
Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr
- Drucksache V/3932 -
Berichterstatter: Abgeordneter Haehser dazu
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Personenbeförderungsgesetzes
- aus Drucksache V/2494 -
a) Bericht des Haushaltsausschusses ({0}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung - Drucksache V/4019
Berichterstatter: Abgeordneter Haehser
b) Schriftlicher Bericht des Verkehrsausschusses ({1})
- Drucksache V/3964 Berichterstatter: Abgeordneter Matthes ({2})
dazu
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Sechsten Gesetzes zur Änderung des Güterkraftverkehrsgesetzes
- aus Drucksache V/2494
a) Bericht des Haushaltsausschusses ({3}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung
- Drucksache V/4018
Berichterstatter: Abgeordneter Haehser
b) Schriftlicher Bericht des Verkehrsausschusses ({4})
- Drucksache V/4005
Berichterstatter: Abgeordneter Schmitt ({5})
({6})
Sie haben zu diesem Einzelplan die Umdrucke 613 *) und 598 *) vorliegen. Wünscht der Herr Berichterstatter das Wort? - Ich erteile dem Berichterstatter, Herrn Abgeordneten Haehser das Wort zu einer Ergänzung des Berichtes.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Bericht, den ich dem Hohen Hause vorgelegt habe, bedarf einer kurzen Ergänzung, und zwar ist auf Seite 4 bei Kap. 12 02 unter dem gemeinsamen Titel „Zuwendungen zur Förderung des kombinierten Verkehrs und des Gleisanschlußverkehrs" bei Tit. 893 01 und 893 02 jeweils der Vermerk auszubringen: „Die Mittel sind übertragbar".
Das war die Ergänzung meines Berichts, und nun würde ich mich zu Wort melden.
Präsident von Hassel: Herr Abgeordneter, zunächst wäre das Wort dem Herrn Minister zu erteilen, der darum gebeten hat. Sie werden im Anschluß an den schon gemeldeten Sprecher der Opposition das Wort bekommen. - Ich sehe, der Herr Minister spricht erst anschließend. Dann übernehmen Sie bitte das Wort, Herr Abgeordneter Haehser.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch bei meinen diesjährigen Betrachtungen zum Einzelplan 12 möchte ich mich mit zwei Schwerpunkten befassen, die im Verkehrshaushalt ihren Niederschlag finden. Einer dieser Schwerpunkte ist, wie im vorigen Jahr, das Thema Straßenbau, und ein anderer Schwerpunkt meiner Betrachtungen ist, wie im vorigen Jahr, das Thema Deutsche Bundesbahn. Zunächst zum Straßenbau.
Ein evangelischer Pfarrer hat bei der Einweihung einer Moselbrücke in Trier gesagt, die gesamte Bevölkerung der Bundesrepublik könnte in den zugelassenen Kraftfahrzeugen Platz finden, und er hat hinzugefügt, daß in den Vereinigten Staaten von Amerika die Gesamtbevölkerung der USA auf den Vordersitzen der dort zugelassenen Kraftfahrzeuge Platz finden könnte. Ich füge hinzu, dazu wird es auch in der Bundesrepublik in wenigen Jahren ge-
*) Siehe Anlagen 2 und 3
kommen sein. Dieser Tatsache müssen wir durch die Aufwendungen Rechnung tragen, die wir für den Straßenbau vornehmen.
Das Straßenbaufinanzierungsgesetz, vom Bundestag einmütig beschlossen, sieht vor, 50 % des Aufkommens der Mineralölsteuer für den Straßenbau zweckzubinden. Damit wird der zu erwartenden Entwicklung zweifellos Rechnung getragen. Trotz des Gesetzesbefehls der 50%igen Zweckbindung haben wir diese bisher leider nie voll erreicht.
Wie sah es in den letzten Jahren aus? 1966 mußten wir einen Abzug in Höhe von 320 Millionen DM durch das Haushaltssicherungsgesetz und das Haushaltsgesetz in Kauf nehmen. 1967 erfolgte ein Abzug in Höhe von 600 Millionen DM durch das Finanzplanungsgesetz und wiederum durch das Haushaltsgesetz. 1968 wurden 320 Millionen DM durch Art. 16 des Finanzänderungsgesetzes in Abzug gebracht, und in diesem Jahr haben wir es wiederum mit einem erheblichen Abzug zu tun, und zwar 200 Millionen DM durch das Finanzänderungsgesetz und ein weiterer Abzug in Höhe von 150 Millionen DM durch das dem Hohen Hause vorliegende Haushaltsgesetz.
Wäre ich der Kollege Gewandt, würde ich angesichts dieser Tatsachen sehr schrecklich mit dem Herrn Finanzminister ins Gebet gehen.
({0})
Aber noch ist ja, wie Ihnen bekannt ist, dem Abgeordneten von der Westgrenze zu eigen, eine etwas feinere Lebensart zu wahren.
({1})
- Was machen Sie da für einen bösen, bösen Zwischenruf!
({2})
Präsident von Hassel: Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Rawe?
Bitte sehr!
Herr Kollege Haehser, nehmen Sie es mir nicht übel: Sie meinten wahrscheinlich Ihre Kollegen aus dem gleichen Raum mit?
Ja, natürlich; das gilt auch für die übrigen Kollegen des Hauses, die von der Westgrenze kommen.
Präsident von Hassel: Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Wendelborn?
Meinen Sie damit auch die Gefilde, aus denen der Herr Bundestagspräsident kommt?
Sehr geehrter Herr Kollege, ich meine nicht, daß man grundsätzlich dann, wenn man nicht von der Westgrenze kommt, eine unfeine Lebensart haben muß. Ich habe nur vom Kollegen Gewandt gesprochen.
({0})
Außerdem habe ich durch viele Erfahrungen gelernt, daß Polemik zwar einen kurzfristigen Erfolg bringen kann, aber langfristig gesehen ist Polemik eine falsche Investition.
({1})
Die Abzüge, die wir haben hinnehmen müssen in bezug auf die 50 % Zweckbindung, hätten allerschlimmste Folgen für die Straßenbauabsichten des Bundes gebracht, wenn nicht 1967 534 Millionen DM durch das Kreditfinanzierungsgesetz und weitere 150 Millionen DM durch das zweite Konjunkturprogramm der Bundesregierung zusätzlich zur Verfügung gestanden hätten. Dennoch kann es mit diesen ständigen Abzügen zweifellos so nicht weitergehen.
Für die sozialdemokratische Bundestagsfraktion muß ich hier feststellen, daß sie Abstriche vom zweckgebundenen Aufkommen der Mineralölsteuer außer den Bestimmungen, die uns durch das Finanzänderungsgesetz auferlegt sind, nicht hinnehmen wird.
({2})
Das Finanzministerium wird im Namen meiner Fraktion hiermit ausdrücklich auf diese unsere Auffassung hingewiesen.
Das Finanzänderungsgesetz läßt zu, daß quasi ab 1971 endlich die volle Zweckbindung, wie wir sie beschlossen haben, durch das Straßenbaufinanzierungsgesetz erreicht wird. Wir sollten uns als Parlament vornehmen, selbst beschlossene Gesetze wie beispielsweise das Straßenbaufinanzierungsgesetz nicht einfach, wenn auch nur teilweise, außer Kraft setzen zu lassen.
Präsident von Hassel: Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Müller-Hermann?
Bitte sehr!
Wir sind uns sicher darin einig, daß die Kürzung von Straßenbaumitteln immer eine schlechte Sache ist. Würden Sie mir aber trotzdem darin zustimmen, daß eben auch konjunkturpolitische Notwendigkeiten berücksichtigt werden müssen?
Herr Kollege Müller-Hermann, ich hatte vorhin schon gesagt, daß das zweite Konjunkturprogramm uns aus den unliebsamsten Erscheinungen der Kürzungen weggeführt hat. Ich kann insofern nur bestätigen, was Sie sagen. - Trotz der unliebsamen Erscheinungen, die ich denn doch noch einmal in Erinnerung rufen muß, ist der dritte Vierjahresplan voll finanziert.
({0})
Die Deckungslücken in der Finanzierung des dritten Vierjahresplanes in Höhe von 225 Millionen DM in den Jahren 1968, 1969 und 1970 werden zweifellos durch ein Mehraufkommen bei der Mineralölsteuer gedeckt werden können. Dieses verfügbare Mehraufkommen betrug z. B. 1968 129 Millionen DM.
Die Bundestagsfraktion der SPD begrüßt ausdrücklich den Vollzug des Vierjahresplans in voller Höhe, schon wegen der bei seiner Verkündung gesetzten Schwerpunkte, zu denen beispielsweise die Forcierung des Straßenbaues in wirtschaftsschwachen Gebieten gehört. Die SPD mahnt aber an dieser Stelle auch, nicht zuletzt im Hinblick auf Vorgänge der jüngsten Tage, den Straßenbau nicht etwa als neue Reservekasse des Bundes aufzufassen. Wir können uns das gerade im Hinblick auf das eingangs Gesagte nicht erlauben.
Gestatten Sie mir, meine Damen und Herren, einige Bemerkungen zur Auftragsverwaltung der Länder zu machen. Damit will ich keinen neuen Streitpunkt zwischen Bund und Ländern schaffen. Mir geht es vielmehr darum, dringend anzuraten, daß die Auftragsverwaltungen der Länder alle Straßenbauabsichten mit dem Bund absprechen. Es geht mir z. B. auch darum, daß Doppelfinanzierungen durch den Bund vermieden werden. Wir haben es schon erlebt, daß der Bund eine Ortsdurchfahrt finanzierte und kurz darauf eine Ortsumgehung für denselben Ort, oder daß der Bund eine Bundesstraße finanzierte und gleichzeitig den Bau einer gewissermaßen parallel dazu laufenden Autobahn vorbereitete. Ich meine, den Appell, daß die Absichten der Straßenbauverwaltungen der Länder gründlicher als bisher mit dem Bund abgestimmt werden müssen, sollte das ganze Haus an die entsprechenden Instanzen richten.
Lassen Sie mich nun zu dem zweiten Schwerpunkt meiner Ausführungen kommen, der Deutschen Bundesbahn.
Das Verkehrspolitische Programm der Bundesregierung hat erfreulicherweise erste Ansätze für eine Verbesserung der wirtschaftlichen Lage der Deutschen Bundesbahn geschaffen. Das Geschäftsergebnis dieses Unternehmens hat sich im Jahre 1968 um rund 200 Millionen DM gegenüber dem Vorjahr verbessert. Die weitere Entwicklung kann, durch das Verkehrspolitische Programm herbeigeführt, dann aufwärtsgehen, wenn zu dem Programm eigene Anstrengungen der Bahn zur Verbesserung ihres Leistungsangebots kommen und wenn sie ihre Rationalisierungsmaßnahmen fortsetzt.
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- Sehr richtig! Ich greife das auf. Es steht im Protokoll, ich brauche es nicht noch einmal laut zu bestätigen.
Obwohl sie seit mindestens einem Jahrzehnt fällig waren, fand die Deutsche Bundesbahn sich erst mit der Einleitung der neuen Verkehrspolitik der Bundesregierung ermutigt, Reorganisationsvorschläge größeren Ausmaßes auf den Tisch zu legen.
Ich weiß nicht, ob alle Vorschläge der Weisheit letzter Schluß sind. Aber ich nehme an, daß ich für das ganze Haus spreche, wenn ich sage: Die mit diesen Vorschlägen erwarteten Einsparungseffekte müssen auf alle Fälle erzielt werden. Daß dabei soziale Härten für das Personal der Deutschen Bundesbahn weitgehend vermieden werden müssen, ist eine dringende Forderung der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion. Die Deutsche Bundesbahn sollte wissen, daß wir es nicht für eine gute Lösung halten, wenn sie eine Lücke, die durch Auflösung der einen oder anderen Einrichtung entstanden ist, dadurch zu schließen beabsichtigt, daß sie an dritter Stelle etwa eine Einrichtung wegnimmt.
Ich möchte auch die Genugtuung meiner Fraktion darüber aussprechen, daß der Deutschen Bundesbahn nach § 28 a des neuen Gesetzes ein gesetzlicher Anspruch auf finanzielle Entschädigung geschaffen worden ist, wenn auf die Entscheidungen der Bundesbahn politischer Einfluß ausgeübt wird, um es mit meinen Worten zu sagen. Das schafft Klarheit, und das reduziert den eventuell gewünschten politischen Einfluß wegen der finanziellen Folgen auf ein geringes Maß. Nichts darf darüber hinwegtäuschen, daß ich - und ich glaube, ich spreche das für meine gesamte Fraktion aus - noch keine Aussichten für eine neue große Blütezeit des Unternehmens Deutsche Bundesbahn sehe. Es entspricht ihrer Eigenart, daß drei Viertel ihrer Erträge für den Personalaufwand benötigt werden. Zwar hat die Bahn in etwas mehr als einem Jahrzehnt ihren Personalstand um rund 130 000 Mitarbeiter vermindert; aber die Personalintensität bleibt natürlich erhalten.
Wie soll der Bahn nun langfristig geholfen werden? Unser jetziger Herr Bundesaußenminister hat einmal gesagt, man müsse das Undenkbare denken. Wäre dieser Gedanke etwa der, daß man der Bahn die Schiene zur Benutzung anbietet, so wie man Schiffen das Wasser und Kraftfahrzeugen die Straßen zur Benutzung anbietet, natürlich gegen eine Bezahlung? Denken kann man zweifellos in diesem Zusammenhang an das Stichwort Umschuldung bei der Deutschen Bundesbahn. Im Haushaltsausschuß ist dieses Problem kürzlich im Zusammenhang mit dem Wunsch beider Berichterstatter, des Kollegen Rawe und mir, angesprochen worden, den Schuldendienst, den der Bund für die Bahn leistet, im Einzelplan 32
- Bundesschuldenverwaltung -- unterzubringen. Der Wunsch fand im Ausschuß zwar interessierte Ohren, aber keine Gegenliebe. Aber das Thema Umschuldung ist damit nur noch aktueller geworden.
Die Fremdverschuldung der Bundesbahn beträgt im Augenblick 12,7 Milliarden DM. Diese Fremdverschuldung erfordert einen Zinsaufwand von 790 Millionen DM pro Jahr. Wenn man das ausrechnet
- man braucht sich nicht viel Mühe zu geben -, stellt man fest, daß das ein Zinsaufwand von mehr als 2 Millionen DM pro Tag ist. Das muß man nachgerade für verschwenderische Armut halten, was wir uns dort leisten und vielleicht gar nicht leisten dürfen. Deswegen ermuntere ich namens meiner Fraktion die Bundesregierung dazu, den gesamten Fragenkomplex noch einmal zu überprüfen. Die ReHaehser
gierung sollte uns in aller gebotenen Kürze geeignete Vorschläge machen.
Bei der Neuanlage von Verkehrswegen muß im übrigen auf die Belange der Deutschen Bundesbahn Rücksicht genommen werden; denn die Neuanlage bundeseigener Verkehrswege bringt unter Umständen für die Deutsche Bundesbahn Konkurrenzverkehrswege. Das gilt auch und ich wiederhole hier, was ich im vorigen Jahr zu diesem Thema gesagt habe - für den Bau von Bundeswasserstraßen.
Nun liegt uns hier ein Änderungsantrag einiger Kollegen auf Umdruck 598 vor, der wie folgt lautet:
Der Bundestag wolle beschließen:
In Kap. 12 03 - Bundeswasser- und Schiffahrtsverwaltung, Bundeswasserstraßen - wird Tit. 719 06 - Überarbeitung der vorhandenen Entwürfe für den Saar-Pfalz-Rhein-Kanal - in der Fassung der Regierungsvorlage wiederhergestellt.
Präsident von Hassel: Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Ramms?
Ja natürlich.
Herr Kollege, gilt Ihre Meinung hinsichtlich der Konkurrenz für die Deutsche Bundesbahn auch dann, wenn die Deutsche Bundesbahn ein Privatbetrieb wäre?
Das gilt auf alle Fälle dann, wenn der Steuerzahler für dieses Unternehmen Beträge in der Höhe ausgehen muß, wie ich sie vorhin nannte.
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Würden wir, meine Damen und Herren, dem Antrag einiger Kollegen stattgeben, gäben wir der Bundesregierung lediglich wieder das Feigenblatt, mit dem sie ihre Blöße gegenüber dem Saarland bedecken möchte.
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Das mögen wir nicht. Die Regierung muß sich statt des Feigenblatts endlich ein maßgeschneidertes Kleidungsstück anschaffen. Der Kabinettsbeschluß über den Wasserstraßenanschluß des Saarlands ist kein solches Kleidungsstück. Das Kabinett soll sagen, welche Wasserstraßenprojekte an der Saar es will, wann es sie will und wie es sie finanzieren will. Der Finanzminister ist gefragt. Er sollte bald antworten, denn das Saarland braucht Klarheit, und wir brauchen sie im übrigen auch. Dabei muß das Kabinett - ein dringender Appell unter Hinweis auf die Bemerkung, die ich vor einem Jahr zu diesem Einzelplan machen durfte - meines Erachtens noch einmal überprüfen, ob dem Saarland in seinen aktuellen, brennenden Sorgen mit einem Projekt geholfen ist, dessen unter Umständen - was ich übrigens sehr bezweifle - segensreiche Wirkungen erst in 10, 15 oder gar 20 Jahren eintreten können.
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Ich möchte das Kabinett ausdrücklich bitten, die Sache nicht auf die lange Bank zu schieben, sondern recht bald das Problem noch einmal in der Weise zu überprüfen, daß festgestellt wird, ob im Saarland der Anschluß an das Straßen- und Schienennetz nicht schneller als je vorgesehen geschaffen werden kann und ob nicht Arbeitsplätze in größerer Anzahl schneller als je vorgesehen im Saarland geschaffen werden können. Ich glaube, für die Behebung aktueller Sorgen dieses Bundeslandes wäre diese Politik vernünftiger, als ein Kanalprojekt in Aussicht zu stellen, dessen Verwirklichung lange Zeit in Anspruch nimmt.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich meine Betrachtungen zum Einzelplan 12 schließen. Das Verkehrspolitische Programm der Bundesregierung, vorgelegt durch den Bundesverkehrsminister Georg Leber, hat für die Verkehrspolitik der Bundesregierung „Land in Sicht!" signalisiert. Heute kann man noch sagen, daß die Verkehrspolitik festen Boden unter den Füßen hat. Das wollte ich namens meiner Fraktion anerkennend feststellen.
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Präsident von Hassel: Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Imle. Ihm folgt der Abgeordnete Rawe.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich zunächst etwas zum Personenbeförderungsgesetz und zum Güterkraftverkehrsgesetz sagen. Um es kurz zu machen: Wir von der Opposition werden dem Personenbeförderungsgesetz zustimmen, nachdem der Hauptpunkt, nämlich die Gebietskonzession, herausgenommen worden ist. Wir wissen, daß der Herr Bundesverkehrsminister der Aufnahme dieser Bestimmung in den Entwurf dieses Gesetzes absolut nicht zugetan war und sie am liebsten gar nicht darin gesehen hätte, daß er aber, um das Plazet im Kabinett zu erhalten, seinerzeit gegenüber dem damaligen Innenminister Lücke etwas reichlich nachgiebig war.
Die FDP-Fraktion hatte sich von Anfang an auf den Standpunkt gestellt, daß diese Bestimmung hier absolut nicht hineingehört, und wir begrüßen es sehr, daß der wohlweise Kreßbronner Kreis sich nachher diesen sachlichen Argumenten angeschlossen hat, so daß diese Bestimmung aus dem Gesetz herausgekommen ist.
Darüber hinaus meinen wir, daß die jetzt in den Entwurf aufgenommene freiwillige Kooperation der Verbundwirtschaft genügend Möglichkeiten gibt. Bei den Problemen der Personenbeförderung kann auch hinsichtlich der öffentlichen Verkehrsbetriebe einmal abgewartet werden, wie sich alles entwickelt. Wir haben genügend Ansatzpunkte dafür, daß sich auf Grund dieses neuen Gesetzes eine günstige Entwicklung zeigen wird.
Ich darf mich dann dem Güterkraftverkehrsgesetz zuwenden. Wir werden diesem Gesetzentwurf unsere Zustimmung nicht geben können. Wir haben allerdings einige Änderungsvorschlgäe zu diesem Gesetzentwurf eingebracht, und, Herr Präsident, ich
darf mir erlauben, diese gleichzeitig mit zu begründen. Zunächst zu § 4 des Gesetzentwurfs, wonach das Gesetz auf bestimmte Fälle keine Anwendung finden soll. Wir möchten gerne als Ziffer 6 einfügen, daß Zubringer- und Abholdienste zu und vom den deutschen Verkehrsflughäfen ebenfalls von diesem Gesetz nicht betroffen werden. Wir hatten diesen Antrag schon einmal im Verkehrsausschuß gestellt, sind aber leider nicht zum Zuge gekommen. Vielleicht zeigt sich bei den Regierungsfraktionen heute eine größere Zugänglichkeit dafür. Denn es ist ein allgemeiner Wunsch der Wirtschaft, daß zur schnellen Bedienung zu den Abflugzeiten bei den Verkehrsflughäfen über die Nahverkehrszone hinaus für diese Güter, die schnellstens befördert werden sollen, Steuerfreiheit gewährt wird. Hierbei ist ja auch zu berücksichtigen, daß nicht von allen deutschen Verkehrsflughäfen sämtliche Auslandsflughäfen bedient werden, daß vielmehr nur bestimmte Flughäfen bestimmte Linien bedienen. Da es sich hier eventuell um weite Entfernungen handelt, über die die Güter an die Flughäfen herangefahren werden müssen, wäre die Steuerbefreiung eben notwendig, damit diese Güter nicht auch noch mit erheblichen Steuerzahlungen belastet werden.
Dann darf ich auf ein altes Anliegen der Freien Demokraten aufmerksam machen, das wir in Ziffer 2 unseres Antrages niedergelegt haben, und zwar handelt es sich hier um die Standortbestimmung. Die Landesregierung kann als Standort einen Ort bestimmen, in dem der Unternehmer weder den Sitz seines Unternehmens noch eine geschäftliche Niederlassung hat. In § 6 a Abs. 1 Nr. 3 heißt es: „In Stadt- und Landkreisen, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung als wirtschaftlich schwach und verkehrsmäßig ungünstig gelegen anerkannt hat". Wir sind der Meinung, daß das Wort „und" durch „oder" ersetzt werden müßte, weil nämlich - Herr Müller-Hermann lächelt schon wieder, weil er den Antrag erneut hört ({0})
- ja eben - Kreise, die wirtschaftlich schwach sind, aber durchaus verkehrsgünstig gelegen sein können, und umgekehrt Kreise, die wirtschaftlich ungünstig gelegen sind, aber durchaus nicht auch wirtschaftlich schwach sein müssen, eine erhebliche Belastung für die Unternehmer bedeuten, die ihre Güter weiter fahren müssen. Das trifft insbesondere für Unternehmen an der nassen und auch an der trockenen Grenze zu. Wir möchten darum bitten, daß man sich eventuell auch hier überwindet und die früher ablehnende Haltung einer Zustimmung Platz macht. Also Gottes Wort in Ihr Ohr!
Als nächstes möchten wir die Ist-Bestimmung in § 13 a Abs. 2 Satz 2, wonach dem Wunsch der Bezirksgüterfernverkehrsunternehmer auf Verlegung des Standortes die Zustimmung zu versagen ist, „sofern die Beibehaltung des bisherigen Standortes für die befriedigende Verkehrsbedienung eines bestimmten Gebietes erforderlich ist und sie dem Unternehmer unter Berücksichtigung seiner wirtschaftlichen Lage zugemutet werden kann", in eine Kann-Bestimmung umgewandelt haben. Wir möchten es hier in das Ermessen der Landesbehörde gestellt sehen, eine positive oder negative Entscheidung zu treffen, und nicht bereits im Bundesgesetz vorschreiben, daß die Zustimmung unter allen Umständen zu versagen ist. Denn man darf nicht auf diese Art und Weise in die Disposition von Unternehmen hineinwirken und hineinbefehlen, sondern man muß es der Disposition des Unternehmers überlassen, was für ihn am günstigsten ist. Sonst könnte umgekehrt der Fall eintreten, daß dieses Unternehmen nachher wirtschaftlich nicht mehr aufrechterhalten werden kann.
Weiter beantragen wir die völlige Streichung des neuen § 22 a. In dieser Bestimmung ist vorgesehen, daß für die Beförderung von Gütern von und zu den Seehäfen Sonderabmachungen zugelassen werden sollen. Ich möchte hier ganz klarstellen, daß meine Fraktion keineswegs der Meinung ist, daß unsere deutschen Seehäfen nicht der vollen Förderung bedürfen, insbesondere im Wettbewerb mit den Nordseehäfen in Belgien und den Niederlanden. Aber gleichwohl haben wir gegen diese Bestimmung erhebliche Bedenken, weil damit die Tarifordnung, die für die Ordnung des Gesamtverkehrs von großer Bedeutung ist, einfach durchbrochen wird. Bei diesen Sondervereinbarungen im Verkehr zu und von den Seehäfen muß man auch wissen, daß bereits heute 80% aller Tarife bei der Bundesbahn Ausnahmetarife sind und auch beim Güterfernverkehr bereits mit einem hohen Prozentsatz von Ausnahmetarifen operiert wird. Wenn eine solche Maßnahme jetzt eingeführt wird, kann man mit Sicherheit auf eine Reaktion bei den EWG-Häfen Rotterdam und Antwerpen rechnen.
Präsident von Hassel: Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Müller-Hermann?
Bitte schön!
Sehr verehrter Herr Kollege Dr. Imle, ist Ihnen bekannt, daß der Bremer Hafensenator Dr. Borttscheller, der der FDP angehört, uns noch in Schreiben alarmiert hat, mit dem Inkrafttreten der Sondervereinbarung schneller voranzumachen, als wir es in der Vorlage vorgesehen haben?
Das ist mir durchaus bekannt, Herr Kollege Müller-Hermann. Aber bei dem, was Sie hier auf die FDP zuspitzen, werden Sie mir sicherlich zugeben, daß es auch draußen in den Ländern manchmal Minister und Senatoren Ihrer Couleur gibt, die sich hier gegen Maßnahmen ihrer Bundestagsfraktion wenden. Also daran kann man die Sache nicht aufhängen.
Präsident von Hassel: Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage, Herr Abgeordneter?
Bitte!
Herr Dr. Imle, sind Sie bereit zuzugeben, daß nicht unsere Maßnahmen eine ReakDr. Apel
Lion bei der EWG auslösen werden, sondern daß unsere Maßnahmen eine Reaktion auf gewisse EWG-Regelungen sind?
Herr Kollege Apel, ich will Ihnen das gern zugestehen. Bloß, Sie können mit Sicherheit damit rechnen, daß von den EWG-Häfen und von den anderen Ländern jetzt erneute Maßnahmen vorgesehen werden, die nachher diese Sachen, die wir heute beschließen, eliminieren werden.
Präsident von Hassel: Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Apel?
Bitte!
Herr Dr. Imle, erinnern Sie sich daran, daß wir im Verkehrsausschuß genau das, was wir für den grenzüberschreitenden Verkehr zugunsten der Rheinmündungshäfen beschlossen haben, auf den Verkehr zu den deutschen Seehäfen angewandt sehen wollen, so daß es keine Reaktion geben kann?
Auch daran erinnere ich mich. Ich darf Sie aber daran erinnern, Herr Dr. Apel, daß w i r dieser Bestimmung nicht zugestimmt haben aus dem einfachen Grunde, weil wir darin eine Benachteiligung z. B. der verkehrsabgelegenen Gebiete in Schleswig-Holstein sehen, deren Unternehmen dann durch diese Maßnahme benachteiligt werden.
({0})
- Das ist kein Irrtum. Sie können das ja im einzelnen nachlesen, Herr Kollege Müller-Hermann.
Lassen Sie mich als letztes auf unseren Antrag zu § 49 Abs. 1 Nr. 3 noch eingehen. In dieser Bestimmung ist vorgesehen, daß für Handelsvertreter eine Erleichterung gewährt wird, wenn sie einen Personenwagen mit Anhänger oder einen Lastkraftwagen von nicht mehr als 2 t Nutzlast ohne An-hanger verwenden. Wir hatten bereits im Verkehrsausschuß den Antrag gestellt, diese 2 t Nutzlast auf 4 t Nutzlast zu erhöhen. Es handelt sich im wesentlichen um Handelsvertreter mit Auslieferungslagern, bei denen die wirtschaftliche Entwicklung fortgeschritten ist, seitdem diese Bestimmung mit den 2 t Nutzlast im Gesetz verankert wurde. Wir meinen, daß die 2 t in 4 t umgewandelt werden sollten. Wir begrüßen es außerordentlich, daß gleich uns auch Kollegen von den beiden anderen Fraktionen eigene Anträge eingebracht haben. Wir hoffen, daß diesem Anliegen damit Rechnung getragen wird.
Aber die Frage der Sondervereinbarung - das darf ich noch einmal sagen - ist für uns mit von so entscheidender Bedeutung, auch gegenüber anderen Bestimmungen, daß wir uns leider nicht in der Lage sehen, diesem Gesetz unsere Zustimmung zu geben.
Lassen Sie mich nun zu dem Etat als solchem etwas sagen. Herr Kollege Haehser hat vorhin angeführt, daß von der gesamten vom Straßenverkehr aufgebrachten Mitteln nicht 50 % zweckgebunden auch für den Straßenverkehr ausgegeben werden und daß das Soll nie voll erreicht worden ist. Daraus ziehen wir folgenden Schluß. Wenn man diese Erkenntnis hat, dann sollte man auch alle Maßnahmen unterlassen, die dazu dienen, den Straßenverkehr noch weiter zu belasten mit der Begründung, er würde noch weitere Kosten verursachen. Ich meine, das beißt sich und das ist nicht aufeinander abgestimmt. Dann sollte man vielmehr dazu kommen, wie es die FDP-Fraktion seit eh und je verlangt hat, daß die gesamten vom Straßenverkehr aufgebrachten Mittel auch für den Straßenbau zur Verfügung gestellt werden. - Herr Haehser!
Herr Kollege, haben Sie eine Erklärung dafür, daß diese Ihre lobenswerten Absichten vom Finanzminister Dahlgrün nie verwirklicht worden sind?
({0})
Sie werden vielleicht wissen, Herr Kollege Haehser, daß auch ein Minister in einem Kabinett nicht immer alles durchsetzen kann.
({0})
I Ich meine, das kennen Sie. Da brauchen wir doch gar nicht weit zurückzuschauen. Das haben Sie doch in der letzten Zeit auch mal wieder erlebt; was nämlich in der vorigen Woche hier debattiert werden sollte, lag auch an der Diskrepanz zwischen zwei Ministern.
({1}) Deutlicher will ich gar nicht werden.
Dann sprachen Sie - da stimmen wir Ihnen völlig zu; wir freuen uns überhaupt über diese Ausführungen, die Sie gemacht haben, soweit sie sich auf die Zukunftsaussichten der Deutschen Bundesbahn erstrecken - davon, daß die Rationalisierungsmaßnahmen, die auf der einen Seite vorgenommen werden, auf der anderen Seite nicht wieder zu Einschränkungen führen dürfen. Wir sind gleichwohl der Meinung, daß auch das Endziel noch einmal angesprochen werden muß. Leider haben Sie meinem Kollegen Ramms nicht ganz klar geantwortet, als er nach der Privatwirtschaftlichkeit der Bundesbahn fragte. Es hieß, daß die Bundesbahn von jeglicher Unterstützung frei werden wollte. Das geht nur, wenn man sich das Endziel setzt - das ist in den nächsten Jahren keineswegs abzusehen; das will ich hier ganz deutlich sagen -, die Bundesbahn in ein privatwirtschaftliches Unternehmen in Gestalt einer AG, zunächst unter Beteiligung der öffentlichen Hand, umzuwandeln.
Herr Kollege Haehser, Sie haben dann gesagt, es sollte eine Anregung an die Bundesregierung gegeben werden, die gesamten Maßnahmen und die ganze Situation noch einmal zu überprüfen und neue Vorschläge zu machen. Wir sind mit Ihnen völlig einer Meinung. Aber wir haben diese Anre12292
gung schon gegeben, als ein Eckpfeiler aus diesem ganzen Programm herausgebrochen wurde, nämlich das Verbot des Transports von Gütern bestimmter Art auf der Straße. Damals wäre es an der Zeit gewesen, das Ganze noch einmal zu überdenken. Wenn ich mir das hier einmal insgesamt überlege, kann ich nur sagen - damit ich es nicht vergesse, will ich es gleich tun -: So fest ist der Boden keineswegs; er ist, was manche Dinge angeht, doch noch sehr schwankend.
Aber nun zu unserer Stellungnahme zum Haushalt. Herr Minister, ich habe hier eine wunderbare Zeitschrift: „Contra Verkehrsmisere". Im Impressum steht als Herausgeber: Der Bundesminister für Verkehr. Ich hätte geschrieben: Bundesministerium für Verkehr, denn was in dieser Zeitschrift alles steht, Herr Minister, hätten Sie nicht alles so schreiben dürfen. In ihr ist einiges enthalten, was - um nicht ein bestimmtes Wort zu gebrauchen - draußen zu einer Verwirrung führen kann. Ich glaube, wenn Sie alles, was hier steht, wirklich einmal gelesen hätten, hätten Sie das nie durchgehen lassen. Aber auch Minister sind ja überfordert, weil es an der Zeit fehlt. Ich möchte in diesem Zusammenhang - das paßt hier, weil es immer heißt: alles muß schnell gehen, der Verkehr wird behindert, man kommt auf den Straßen vor lauter Lkws nicht voran usf. - einmal ein Zitat anführen, das wir uns vielleicht alle zu Gemüte führen sollten. Es lautet: Gott gab die Zeit, aber von Eile hat er nichts gesagt.
Was die Verkehrsverhältnisse auf der Autobahn
angeht, so geht es ja heute schon etwas zügiger voran; das wird man sicherlich zugeben müssen. In der Zeitschrift ist es ungefähr so geschildert, als ob man auf der Autobahn neben den Pkws hergehen könnte und überhaupt nicht vorankäme. Gleich am Anfang auf der zweiten Seite hat man ein Pferd mit einem Bierkutscher dahinter dargestellt. So kann man das doch nicht machen.
Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang gleich einmal auf folgendes hinweisen. Es wundert mich eigentlich, Herr Minister, daß so eine Illustrierte - das ist auch eine neue Erfindung - in einer Auflage von 1,2 Millionen Exemplaren mit großen Kosten hergestellt wird. An das Honorar für den Leitartikel will ich dabei gar nicht einmal denken. Der Leitartikler schreibt: „Aber immer wieder muß ich hinter den ,dicken Brummern herbummeln, den Lkws mit schwerer Ladung. Überholvorgänge werden da oft zu selbstmörderischen Entschlüssen." Das ist einfach maßlos übertrieben! Maßlos, sage ich.
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- Dafür bin ich nicht zuständig; ich schreibe keine Bücher.
({3})
- Aber dann nur mit einem s. Das wird sich dann beschränken.
In der Zeitschrift findet sich dann weiter ein Bild, auf dem eine Reihe von Lkws und links daneben
die Pkws zu sehen sind. Es sieht so aus, als ob die Pkws genau in dem gleichen Tempo wie die Lkws fahren. Daß die neben einer Lastwagen-Kolonne auch mit 120 Stundenkilmotern herfahren können, davon wird nichts gesagt. Und, Herr Minister, ich muß Ihnen sagen, ich fahre mindestens 60 000 km im Jahr und komme so auf allen Bundesstraßen und Autobahnen herum. Es ist gar nicht mehr so, daß diese Misere - wie das hier genannt wird - vorhanden ist. Es geht erfreulich besser als früher, und auch aus Ihrem Hause und von Ihren Vertretern ist gesagt worden: Seitdem die Entlastungsstrecken, die Hansalinie und die Strecke Hersfeld/Würzburg, fertig sind, hat sich manches entflochten. Das sollte man dann auch zur Kenntnis und nicht weiter zum Anlaß nehmen, bestimmte Zweige, die sich des Lkw bedienen, nun als die bösen Buben darzustellen und zu behaupten, nur sie seien diejenigen, die die ganze Misere zustande kommen lassen.
Weiter heißt es dann: „Auf unseren Straßen kämpfen ums Vorwärtskommen und um Parkraum auf jedem Kilometer doppelt soviel Autos wie in Italien ..." Was heißt hier „kämpfen"? Sie sagen doch nachher selbst, der Autofahrer sei disziplinierter geworden, fahre vorsichtiger und nehme Rücksicht. Das muß doch alles aufeinander abgestimmt sein. Das kann man doch wohl so nicht hinnehmen.
Dann heißt es, daß rund 200 Milliarden noch zu zahlen sind. Ich darf dazu auf das verweisen, was ich Herrn Kollegen Haehser soeben gesagt habe: Dann soll man eben von den Mitteln, die der Straßenverkehr aufbringt, nicht die Hälfte abzweigen. Und wenn es früher einmal so gewesen ist, dann kann es auch heute einmal neue Erkenntnisse geben, Herr Kollege Haehser, und man braucht sich an diese alten Zöpfe nicht zu halten, sondern man kann dann die Mittel eben tatsächlich hineinnehmen.
Und nun ist da auf der nächsten Seite ein schönes rotes Plakat. Meine Damen und Herren, ich brauchte mir für diese Rede kein Konzept zu machen;
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das ist alles in dieser Illustrierten prächtig angeboten, und man kann dann zu allem etwas sagen; da kriegt man die besten Hinweise, wie es nicht sein sollte. Da steht z. B. „der dicke Bluff" mit den Straßensteuern: Der Lkw zahlt 18 000, der Pkw zahlt aber das Fünffache. - Im übrigen ist es ja so, daß dieser Lkw durch die neue Straßenbeförderungsteuer ab 1. .Januar 1969 keine 18 000 Mark mehr zahlt, sondern - bei einer Jahresleistung von 100 000 km und 32 t Gewicht - 28 000 Mark. Das ist also immerhin ein erheblicher Betrag mehr.
Herr Minister, Sie lesen ja wohl auch die Zeitungen, und Sie haben sicher erfahren, daß diese Beförderungsteuer jetzt die Bezeichnung „Leberpfennig" bekommen hat. Ich meine, dieser Pfennig ist schon ein Schaden. Das wäre also schon ein „Leberschaden". Und wenn ich das einmal weiter ausspinnen darf, dann möchte ich sagen: damit sind so viele Schäden verbunden, weil sich ja mit Sicherheit auf diesem Gebiet das, was Sie den Betrieben wegnehmen, auf der anderen Seite als Einbuße bei der Einkommensteuer auswirken wird, so daß sich
diese Schäden nachher vielleicht zu einem „Leberleiden" entwickeln werden. Ich hoffe nur, daß man dabei entsprechend den Anregungen des Kollegen Haehser rechtzeitig eine Therapie finden wird, damit diese Dinge nicht zum Tragen kommen.
Aber es muß hier auch einmal gesagt werden, wie das mit der Belastung der Straßen überhaupt ist und ob die heutige Belastung mit Steuern nicht doch in etwa gerecht ist. Bisher hat ja niemand wissenschaftlich feststellen können, wie hoch die Belastungen sind. Die Belastung aber lediglich vom Gewicht abhängig zu machen, ist doch wohl offensichtlich falsch. Es gibt nämlich in der Bundesrepublik ein Autobahnstück bei Hildesheim, das seit 17 Jahren überhaupt nicht befahren wird, und diese Straße ist völlig verrottet. Hier Sind es nicht die Gewichte gewesen, sondern die Witterungsverhältnisse, und die müssen hierbei wohl auch einmal in Betracht gezogen werden.
Dazu gehört außerdem auch der Preis des Verkehrsraumes. 10 Millionen Pkws nehmen in den Städten, Gemeinden und Dörfern, wo sie hauptsächlich fahren und wo der Preis des Bodens viel höher ist, viel mehr Verkehrsraum in Anspruch als auf den Straßen, auf denen die Lkws weit durchs Land fahren. Insofern stimmt das also nicht ganz.
Ich habe soeben schon darauf hingewiesen, daß 50 °/o der allein vom Straßenverkehr aufgebrachten Mittel im allgemeinen Haushalt untergebracht werden. Namhafte Wissenschaftler haben eindeutig festgestellt, daß die vom Kraftverkehr zu tragenden Straßenkosten nur 70 % ausmachen. Die restlichen 30 % gehen aus wirtschaftlichen, sozialen, strategischen und kulturellen Gründen zu Lasten des Staates. Die Straßenkosten, die auf Grund dieser Pflichten des Staates entstehen, kann man also nicht dem Kraftverkehr anlasten.
In der Schweiz sind die Steuern halb so hoch wie bei uns. Aber dort sind die Sonderabgaben sogar erheblich höher als die Kosten. Ich meine, was da möglich ist, sollte auch bei uns einmal möglich sein.
In dieser Zeitschrift steht vorn: der Bundesminister für Verkehr. Später steht dann - dabei unterstelle ich Ihnen, Herr Minister, natürlich nicht, daß Sie es hineingebracht haben -, daß Sie als erster Verkehrsminister ein alle Verkehrszweige umfassendes, in sich geschlossenes, konkretes, zukunftweisendes Verkehrspolitisches Programm vorgelegt haben. Ich habe schon einmal darauf hingewiesen, daß das Programm in der Fassung, wie es dann beschlossen worden ist, schon nach kurzer Zeit nicht mehr bestand, weil der Eckpfeiler, die Verbotsliste, ausgebrochen war. Da hätte man neue Überlegungen anstellen sollen.
Makaber finde ich wiederum, daß man hier von 17 000 Toten im Straßenverkehr als der Bilanz des Jahres spricht. Es ist traurig, daß wir in den letzten Jahren diese große Anzahl von Toten haben, die sich kaum geändert hat. Diese Zahl ist so hoch, als wenn in jedem Jahr eine Stadt ausradiert würde. Aber hier entsteht der Anschein, als ob das allein dein Lkw-Verkehr anzulasten wäre. Das ist doch wohl nicht der Fall. Statistiken haben ergeben, daß
der Lkw-Verkehr, insbesondere der Schwerlastverkehr, an dieser Totenzahl am allerwenigsten teilhat. Die Schuld liegt hier vielfach bei anderen als beim Lkw.
In dieser Zeitschrift steht natürlich auch schon etwas, was überholt ist. Das kann einen nicht wundern. Ich weiß nicht, wer Ihnen das aufgesetzt hat. Da steht z. B.:
Denn unsere Bundesbahn kostet von Jahr zu Jahr mehr, als sie einbringt. Das kommt nicht von ungefähr. Zum Beispiel durch zu niedrige Tarife im Berufs- und Schülerverkehr. Hier geht es um den schmalen Geldbeutel. Und das soll so bleiben!
In der Zeitschrift steht aber nicht - das war vorgeschlagen, und das haben wir inzwischen auch zum Gesetz gemacht -, daß diese Kosten, die der Bundesbahn aufgebürdet werden, ihr nach Art. 28 a ersetzt werden sollen. Wenn man das ordentlich hätte darstellen wollen, wäre es schon gut gewesen, man hätte den Artikel auch darauf aufgebaut.
Weiter wird da gesagt:
Was nicht so bleiben kann und darf, ist die Abwanderung weiteren Transportgutes von der nicht ausgelasteten Schiene auf die schon heute weitgehend verstopfte Straße.
Vorne heißt es:
während bei der Bundesbahn zeitweise zigtausend Waggons leer herumstehen, auf denen mehr Güter problemlos befördert werden können.
Daß diese leerstehenden Waggons für die Sonderladungen, für die besondere Wagen notwendig sind, vielfach einfach nicht ausreichen, hat man dabei nicht gesagt. Aber im übrigen haben Sie selber erklärt, Herr Minister, daß man einen gewissen Vorrat an Waggons für Spitzenzeiten vorhalten muß. Ich meine, auch hier liegt ein Widerspruch. Dann stimmt es ja auch mit den Erklärungen Ihres Hauses nicht. Ihr Haus hat vor einigen Wochen erklärt, daß das Transportaufkommen der Bundesbahn 1968 gegenüber 1967 urn rund 6 Milliarden tkm und damit um rund 9 % zugenommen habe und sich die Einnahmen im Güterverkehr der Bundesbahn gegenüber 1957 um rund 330 Millionen DM, das sind 7 %, erhöht hätten. Daß mit diesen 330 Millionen DM das Defizit der Bundesbahn, von dem wir vorhin gehört haben, nicht weggebracht wird, ist uns klar. Aber so kann man es hier eben nicht sagen.
Ich blättere mal weiter.
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- Ja, da steht eine Menge drin.
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Ich bin inzwischen schon auf Seite 10 angelangt. Ich komme dann noch zum Ende, Kollege Althammer.
({7})
- Nein, aber da steht so viel drin.
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- Also, ich möchte den Herrn Minister nicht weiter in Verlegenheit bringen. Wie ich mir habe sagen lassen, sind diese Zahlen draußen bereits bekannt. Aber, Herr Kollege Rawe, wenn Sie daran interessiert sind - Sie kommen nach mir dran -, können Sie die Frage stellen. Dann bleibt das nämlich in der Koalitionsgemeinschaft. Ich muß nachher sowieso hierbleiben, um mir die Replik des Herrn Ministers anzuhören. Da werde ich noch einiges bekommen.
Und dann steht hier: Wir haben rund 1 Million Laster aller Größen, Laster, die langsamer fahren und das Tempo des Pkw bestimmen, Laster mit einer bis zu sechsmal höheren Jahresfahrleistung als durchschnittlich ein Pkw, mit einem vier- bis sechsfachen Raum und einer doppelt so langen Fahrzeit. Da wird natürlich mit der Wurst nach der Speckseite geschmissen, weil wir in einem halben Jahr Wahlen haben. Man will den Pkw-Fahrer animieren, daß er sich gewissermaßen sagt: Das ist doch sehr ordentlich, daß er uns das so sagt. Aber von einer Million Laster kann man gar nicht sprechen, denn davon fahren 900 000 im Nahverkehr. Das muß man einmal festhalten. Man kann nicht so tun, als ob eine Million Laster dauernd auf den Autobahnen wären und von Basel bis Hamburg oder Kiel alles verstopften. So geht es doch wirklich nicht.
Hier unten geht es dann weiter - auch das halte
ich nicht für eine ganz korrekte Aufklärung, Herr Minister -: 250 Millionen DM jährlich läßt sich der Bund die Förderung der Gleisanschlüsse und der Fahrzeuge und Umschlageinrichtungen des kombinierten Verkehrs zugunsten derer kosten, die ihre Fracht im kombinierten Verkehr mit der Bahn befördern lassen und damit die Straße entlasten. Der Richtigkeit halber hätte man nämlich auch dazuschreiben müssen, daß das Geld erst einmal den Unternehmern, nämlich dem Werkverkehr und dem gewerblichen Güterfernverkehr, weggenommen wird, damit es dann hier eingesetzt werden kann. Hiernach sieht es aus, als ob das aus dem allgemeinen Steuerkonto käme. Das trifft zweifellos nicht zu.
Im übrigen: Was heißt hier "kombinierter Verkehr" ? Soweit mir bekannt ist, hat die Deutsche Bundesbahn schon Anträge auf Mittel in Höhe von 226 Millionen DM gestellt, die ihr für Maßnahmen auf diesem Gebiet zur Verfügung gestellt werden sollen. Wo bleiben dann noch irgendwelche Gelder, wenn nicht gerade noch 24 Millionen DM, was wohl nicht ausreicht, um auch den anderen Verkehrsträgern, Werkverkehr und Güterfernverkehr, etwas zukommen zu lassen?
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- Nein, daran hat anscheinend Kollege Lemmrich jetzt Interesse,
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wobei ihn vielleicht besonders das Minikleid interessiert; alles andere ist ja bedeckt. Aber Sie meinen vielleicht, Kollege Lemmrich, so „mini" ist auch diese ganze Verkehrsplanung. Darüber läßt sich nicht streiten.
Nun ein weiteres. Lastwagen, die unsere Straßen im Fernverkehr befahren, werden zur Kasse gebeten. Ich habe vorhin schon einmal darauf hingewiesen, daß das keineswegs das Allheilmittel ist. Bei der Begründung dieser ganzen Maßnahmen wurde anfangs gesagt, daß man durch eine Verringerung des Kontingents im gewerblichen Güterverkehr ganze 5000 Lastwagen weniger auf der Straße haben wollte. Da frage ich mich, was diese 5000 bei einem Gesamtverkehr von einer Million Lkw wie er hier eben angesprochen wurde, überhaupt noch zu bedeuten haben. Davon ist doch wohl nichts zu erwarten. Wir halten es auch für bedauerlich, daß man es nach Einführung der Beförderungsteuer, nachdem sie gerade erstmal weggebracht war und sie sowieso nur für zwei Jahre existieren soll, nicht fertiggebracht hat, diese von Staats wegen aufgelegte Steuer - im Wege der Pflichtweitergabe - in die Tarife einzubauen, sondern daß man da bloß eine Kann-Bestimmung geschaffen hat. Nach unserer Auffassung ist das Einkalkulieren der Steuer in die bisherigen Gütertarife für die kleineren und mittleren Spediteure kaum möglich und führt, wie ich vorhin schon andeutete, auch bei großen Spediteuren zu wesentlichen Steuer- und Investitionsrückgängen. Mir ist bekannt, daß allein in einem Unternehmen 1969 1,5 Millionen DM weniger Steuer gezahlt und damit außerdem 2 Millionen DM weniger investiert werden. Das wirkt sich natürlich wieder auf unsere Nutzwagenindustrie aus, an der man hier anscheinend völlig vorbeigelaufen ist. Aber dazu ließe sich sicherlich noch vieles sagen.
Jetzt kommt ein besonderer Punkt, Herr Minister, für den ich wirklich wenig Verständnis habe. Da heißt es - das steht gleich im nächsten Absatz daneben; man bekommt hier ein Tableau hingesetzt, das ist prächtig -: Um der größten Not auf unseren Straßen entgegenzuwirken, wird der Bundesverkehrsminister schließlich ermächtigt, den Lkw-Verkehr zu bestimmten Ballungszeiten und in den Ballungsgebieten zu beschränken. - Bisher haben wir in § 6 des Straßenverkehrsgesetzes eine Bestimmung, wonach durch Rechtsverordnung für den Schutz der Nachtruhe und in bezug auf Beschränkungen des Verkehrs an Sonn- und Feiertagen Bestimmungen getroffen werden können. Diese Rechtsverordnung haben wir. Jetzt erstreben Sie für sich eine Ermächtigung dahin, den Lkw-Verkehr zu bestimmten Ballungszeiten und in Gebieten des Ballungsverkehrs zu beschränken. Wir haben schon gehört, daß die Anlieferung durch den Lkw-Verkehr morgens von 6 bis 9 und nachmittags von 16 bis 19 Uhr auf den Zufahrtsstraßen in die Städte untersagt werden soll. Wir können nicht genug davor warnen, eine solche Bestimmung im ganzen Bundesgebiet in Kraft treten zu lassen; denn wir glauben, auch hier wird an den tatsächlichen Gegebenheiten vorbeioperiert, weil sich nämlich, abgesehen von der Zuführung lebensnotwendiger Güter, der Lkw-Verkehr schon aus eigenen Stücken während dieser Zeit aus den
Zufahrtsstraßen heraushält. Wer einmal morgens um diese Zeit in Köln, in Bonn oder in eine andere Stadt hineinfährt, wird feststellen, daß der Lkw-Verkehr, jedenfalls mit den in dieser „prächtigen" Illustrierten dargestellten Schlangen nicht vorhanden ist. Wenn weiter Sie, Herr Minister, eine Ermächtigung haben wollen, zu Beginn von Ferienzeiten auf Straßen und in ganzen Gebieten den Lkw-Verkehr zu verbieten, habe ich erhebliche Bedenken hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit einer solchen Bestimmung, weil das Ganze einfach zu unbestimmt ist. Nach welchen Maßstäben will man da entscheiden können? Bei aller Anerkennung, Herr Minister, ein solcher Prophet können auch Sie nicht sein, der vorhersagen könnte, wo nun gerade auf welcher Straße welcher Verkehr sich abwickelt. Da können Straßen und Gebiete gesperrt sein, die sowieso keinen Verkehr gehabt hätten; ganz abgesehen von den wirtschaftlichen Schwierigkeiten, die durch die Nichtversorgung von Unternehmen mit Sachen und Gütern entstehen, die sie haben müssen.
Herr Minister, erlauben Sie mir eine Anregung zusätzlich zu dem, was der Herr Kollege Haehser gesagt hat. Sie sollten noch einmal genau prüfen lassen, ob die Bestimmung über die Ermächtigung, die Sie haben wollen, auch tatsächlich hinsichtlich der Bestimmtheit dessen, was zu einem solchen Verbot gehört, und hinsichtlich der genauen Konkretisierung ausreicht.
Präsident von Hassel: Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Wendelborn?
Herr Kollege Dr. Imle, ist Ihnen nicht geläufig, daß bei der Ausweitung des Sonntagsfahrverbots, von dem Sie eben gesprochen haben, die Initiative von den Gemeindevertretungen bzw. von den Ländervertretungen kommen muß, daß durch die Vorschaltung dieser Institutionen eine hemmungslose Ausweitung schon von vornherein verhindert wird und die Befürchtung, die Sie eben angezeigt haben, nicht Wahrheit werden wird?
Herr Kollege Wendelborn, ich gebe Ihnen das gern zu. Da aber der Herr Minister dieses erstrebt, wende ich mich hier an den Herrn Minister, um ihn zu der Überlegung zu veranlassen, ob es nicht besser ist, von sich aus auf so etwa zu verzichten.
Was mir besondere Freude gemacht hat, Herr Minister, kommt auf Seite 14. Auf Seite 15 steht noch ein Interview mit Ihnen: „Verkehrsreform ohne Koalitionskrach". Nun ist das Wort „Krach" natürlich sehr schwammig. Unter „Krach" braucht man nicht nur Situationen zu verstehen, in denen jemand anständig auf den Tisch haut; der ,,Krach" kann auch darin bestehen, daß während der Beratungen im Verkehrsausschuß einmal die eine Fraktion und einmal die andere Fraktion urn Unterbrechung der Sitzung bittet, um sich noch einmal abstimmen zu können. Das Wort „Krach" muß nicht gerade bedeuten, daß laute Töne an der Tagesordnung waren, sondern es zeigt, daß es halt Unstimmigkeiten gab. - Herr Kollege Lemmrich!
Herr Kollege Dr. Imle, würden Sie nicht meinen, daß solch eine Unterbrechung ab und zu deutlich gemacht hat, wie sehr sachlich um die Einzelprobleme gerungen wurde und daß es nicht zutrifft, daß alles ganz allein von den Spitzen der Koalition ausgehandelt wurde?
Das ist mir natürlich bekannt. Ich muß Ihnen aber dazu folgendes sagen, Herr Kollege Lemmrich. Wenn sich diese Disparitäten, diese Verschiedenheiten in den Auffassungen zeigten, dann war es aber auch so spitz, das jedesmal unterbrochen werden mußte. Das zeugt dafür, daß die Dinge keineswegs so klar waren, wie man sie eigentlich haben wollte.
Ich sage hier wirklich kein Geheimnis, wenn ich feststelle, daß manche - sei es auf der linken Seite, sei es auf der rechten Seite - diese Dinge gar nicht gern gesehen haben. Nachdem das alles einmal in Gang gekommen war, sah man darin einen Prüfstein für die gesamte Arbeit der Fraktion und meinte, man könnte nicht darauf verzichten. Mein Kopf gegen eine Eierschale, Herr Lemmrich: mit der FDP hätten Sie solch ein Gesetz nie gemacht!
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- Langsam, Herr Apel, vielleicht kommen Sie auch einmal in die Verlegenheit!
Was mir besondere Freude gemacht hat - allerdings nicht hier im Plenum -, war, das Kreuzworträtsel zu lösen. Da steht: „Mit Musik und Minister am Rhein entlang". Das ist prima.
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Das ist auch eine neue Erfindung. Dort steht, daß die „Sieger" dieses Spieles - man muß sich vorstellen: Sieger; ich komme mir fast wie in Mexiko vor - einen Tag lang Gäste des Bundesverkehrsministers sein werden, wo immer sie wohnen; für kostenlose An- und Abreise mit der Bahn ist gesorgt. Das heißt also: aus dem Etat des Bundesverkehrsministers wird die Anreise aus Passau, aus Flensburg, aus Emden und von den Inseln einschließlich Schiffsreise bezahlt.
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- Nein, hier das ist etwas anderes. Man sollte einmal überprüfen, Herr Wendelborn, ob der Repräsentationsfonds noch den tatsächlichen Gegebenheiten entspricht,
Nun ein Weiteres. In diesem Rätsel hat man staatsbürgerliche Bildung betrieben. Dd steht unter i waagerecht: „gesetzgebend". Da kam heraus: „legislativ". Darunter kann sich derjenige, der das Rätsel löst, wohl wenig vorstellen. Aber dann heißt es unter 21: „Außenminister, Vizekanzler der Bundesrepublik." Zu lösen brauche ich das jetzt wohl nicht. Dann steht unter 26 waagerecht: ,,Wirtschaftsminister der Bundesrepublik", und dann kommt senkrecht: „1. Präsident der Deutschen Republik". Herr Minister, erlauben Sie mir den Hinweis: Ich finde, das ist prächtige Propaganda und Reklame für den bevorstehenden Wahlkampf. Damit es nicht
1 ganz so aussieht, als ob hier bloß für eine Partei Propaganda oder Reklame gemacht wird, haben Sie noch einen anderen Renommierminister darin, nämlich unter 11 waagerecht: „Innenminister der Bundesrepublik:" also Herrn Benda. Wenn man das Rätsel löst, kommt heraus das ist natürlich der besondere Kniff dabei -: „Leber-Plan".
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- Da müssen Sie mir noch die Postkarte schicken, damit ich das einsende; und wenn ich dann Sieger werde, dann glaube ich bei Ihnen fast an Manipulation.
Lassen Sie mich aber die Quintessenz alles dessen ziehen, was ich hier vorgetragen habe. Wir sind der Meinung, Herr Minister, daß die Anlage Ihrer gesamten Konzeption, die darauf hinausgeht, den Lkw-Verkehr als das Böse in unserer Verkehrswirtschaft hinzustellen, nicht in Ordnung ist, und wir sind der Meinung, daß alles das, was hier vorgelegt worden ist, nicht dazu führt, insoweit die Schwierigkeiten auf unseren Straßen insgesamt zu beheben. Ich darf nochmals auf Ihren Fraktionskollegen Haehser hinweisen, der sich ja auch vorhin mit einer Überprüfungsbitte an Sie gewandt hat.
Alle diese Dinge haben uns nicht überzeugt, daß die Konzeption und der Haushalt, in dem diese Konzeption zum Ausdruck kommt, so in Ordnung befunden werden können, daß wir dem Haushalt zustimmen könnten. Die FDP wird diesen Haushalt ablehnen.
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Präsident von Hassel: Das Wort hat der Abgeordnete Rawe.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nachdem Herr Kollege Dr. Imle eine so schöne Rundfahrt durch den ganzen Garten der Verkehrspolitik gemacht hat, darf ich mir erlauben, wieder zum Haushalt zurückzukommen. Ich habe Ihnen bei der Lesung des Haushalts im vergangenen Jahr am 4. April vortragen dürfen, daß wir im Haushaltsausschuß den Haushalt des Bundesministers für Verkehr in schöner Einmütigkeit verabschiedet hätten. Heute muß ich Ihnen leider sagen, daß wir das bei der Beratung in diesem Jahr nicht haben tun können. Meine Freunde, das hat nicht zuletzt daran gelegen, -
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ich sage „Freunde", weil wir in der Verkehrspolitik an sich doch alle recht gut. zusammenarbeiten, Herr Haehser, und deswegen, glaube ich, werden Sie das in diesem Falle akzeptieren. - Es hat nicht zuletzt daran gelegen, daß wir es in diesem Jahr beim Haushalt des Bundesministers für Verkehr mit ganz erheblichen zusätzlichen Personalanforderungen zu tun haben. Deswegen kann ich mir auch nicht erlauben, dem Herrn Bundesminister das gleiche Lob zu zollen, das ich ihm im vergangenen
Jahr gezollt habe, das Lob nämlich, daß er sich auf diesem Gebiet einer besonderen Beschränkung befleißigt habe. Von seinem Haus ist uns die Personalmehranforderung in erster Linie damit begründet worden, daß er einen sehr umfangreichen Arbeits- und Planungsstab haben müsse, um das Verkehrswegeprogramm erstellen zu können. Ich will hier nicht untersuchen, ob es dazu tatsächlich so umfangreicher Mehranforderungen bedurfte. Kritisch möchte ich allerdings bemerken, daß ich sehr wenig Verständnis dafür aufbringe, wenn er uns erklärt, er wolle ein Verkehrswegeprogramm erstellen, und sich dazu neue Stellen in erheblicher Zahl bewilligen läßt, und uns dann im gleichen Atemzug, bevor er dieses Programm erstellt hat, eine Entscheidung des Kabinetts präsentiert. Ich meine die Entscheidung vom 11. Februar dieses Jahres, mit der das Kabinett einen Wasserstraßenanschluß für das Saarland, und zwar als erstes Teilstück die Kanalisierung der Saar zwischen Saarbrücken und Dillingen, beschlossen hat. Ich bin etwas enttäuscht darüber, daß er das ausgerechnet zu einem Zeitpunkt getan hat, in dem der Haushaltsausschuß des Deutschen Bundestages - in schöner Einmütigkeit, darf ich jetzt wieder sagen - den Leertitel für dieses Projekt im Haushaltsansatz gestrichen hatte. Ich glaube, das ist keine sehr schöne, zumindest keine sehr nette Behandlung dieses Hohen Hauses, und deswegen wäre ich dankbar, wenn er uns dazu hier doch einmal einiges sagte.
Meine Damen und Herren, wir haben uns nämlich schon bei der Haushaltsberatung des vergangenen Jahres eingehend mit der Frage der Kanalbauten beschäftigt. Wenn ich mich recht erinnere, waren wir uns damals darüber klargeworden, vom Bundesminister für Verkehr zu verlangen, daß er uns künftig neue Kanalbauten nur dann vorlegt, wenn er zunächst sehr sorgfältig geprüft hat, ob diese Kanalbauten volkswirtschaftlich sinnvoll erscheinen. Nur deswegen hat nämlich der Haushaltsausschuß diesen Leertitel gestrichen. Ich will daher heute hier auch gar nicht gegen diesen Kanalbau polemisieren; das liegt mir fern. Ich meine nur, es ist nicht gut, wenn wir so verfahren, daß wir auf der einen Seite sagen: wir wollen künftig - genau eingebettet in ein Gesamtkonzept - Verkehrswege errichten, und dann vorweg Entscheidungen treffen, wohlgemerkt, ausgerechnet zu einem Zeitpunkt, in dem der zuständige Ausschuß dieses Hohen Hauses etwas anderes beschließt.
Bitte schön, Kollege Brück!
Herr Kollege Rawe, würden Sie sich daran erinnern, daß es ein Beschluß des Kabinetts ist?
Ich habe nicht bestritten, daß es ein Beschluß des Kabinetts ist, sondern ich habe ausdrücklich darauf hingewiesen, daß es ein Kabinettsbeschluß sei. Ich habe sogar das Datum 11. Februar gern hier genannt. Nur frage ich mich, ob sich der Bundesminister für Verkehr nicht wenigstens bei diesem Kabinettsbeschluß anders hätte
verhalten müssen, als er es getan hat. Aber, wie gesagt, ich will hier nicht noch einmal - ({0})
- Einen Moment! Das ist doch allgemein bekannt, und er hat ja auch in der Öffentlichkeit selbst nichts anderes verbreitet.
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- Ja, sicher! Nur wenn Sie richtig und genau hingehört hätten, lieber Kollege Seifriz, hätten Sie vermutlich auch gemerkt, daß ich von einem - Präsident von Hassel: Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage des Abgeordneten Brück?
Ja, gern; ich will nur eben den Gedanken einmal zu Ende führen. - Sie werden doch vermutlich auch gemerkt haben, daß ich von einem Kabinettsbeschluß gesprochen habe und damit genau das meine, was Sie jetzt hören wollen. Ich bin nämlich genauso bereit zu sagen, daß ich es auch nicht als besonders fair empfinde, wenn uns die Regierung einen solchen Beschluß hier präsentiert. Das ist völlig klar.
Herr Kollege Rawe, wenn Sie über diese Kabinettssitzung schon so gut Bescheid wissen, würden Sie mir dann auch sagen, wie sich der Herr Bundeskanzler verhalten hat?
Auch wenn der Herr Bundeskanzler mit dem ganzen Kabinett im gleichen Atemzug mitgestimmt haben sollte, sage ich Ihnen, daß ich von derartigen Wahlgeschenken gar nichts halte.
Kommen wir aber doch einmal zu diesem Kanal zurück. Ich sage noch einmal: ich will gar nicht gegen diesen Kanal polemisieren. Ich erwarte nur vom Bundesminister für Verkehr, daß er, bevor er seine Zustimmung zu einem solchen Kanalbau gibt, uns hier in diesem Hohen Hause dartut, daß dieser Kanalbau erstens notwendig und zweitens volkswirtschaftlich sinnvoll ist. Wenn er uns diesen Nachweis erbringt, bekommt er sicherlich von uns die Zustimmung - völlig klar! -; dann bewilligen wir gern das Geld. Aber ich hätte am liebsten jetzt keine Rechnung mehr aufgemacht, wie es denn bei diesem Kanalbau wirklich aussieht. Im übrigen kennen Sie wohl auch die Zahlen selbst genügend, meine Damen und Herren.
Herr Ramms, bitte schön!
Präsident von Hassel: Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Ramms?
Ja, gern, Herr Präsident.
Herr Kollege Rawe, ist Ihnen bekannt, daß es sich hierbei praktisch nur um die Verwirklichung einer Zusage an die saarländische Wirtschaft handeln würde, die bereits 1956 vom Kabinett Adenauer gegeben worden ist, als damals
die Mosel kanalisiert wurde, um die saarländische Wirtschaft nicht gegenüber der französischen Wirtschalt zu benachteiligen?
Ich glaube, daß das wohl allen in diesem Hause bekannt ist, Herr Ramms. Ich glaube aber auch, uns allen ist klar, daß die Zeit weitergegangen ist. Vielleicht darf ich Ihnen einmal die bescheidene Gegenfrage stellen: Ist Ihnen auch bekannt, daß sich die Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung in Nürnberg händeringend bemüht, die Bergarbeiter, die an der Saar möglicherweise freigesetzt werden, ins Industriegebiet an Rhein und Ruhr zu vermitteln, damit sie einen Arbeitsplatz finden?
Aber ich sage noch einmal - ich werde offensichtlich immer mißverstanden -: ich will noch nichts gegen diesen Kanal sagen, sondern ich will jetzt zunächst nur eine Rechnung aufmachen. Nach allen Kenntnissen werden doch etwa 2 bis 21/2 Millionen DM für diesen Kanal aufgewendet werden müssen, und eine überschlägige Berechnung ergibt, daß das mit all den zusätzlichen Kosten, die in Erscheinung treten werden, eine Jahresaufwendung von etwa 130 Millionen DM für den Bund ausmachen wird. Private Schätzungen haben ergeben, daß man von diesen 130 Millionen DM an Schiffahrtsabgaben bestenfalls 8 Millionen DM wieder einspielen wird. Das ist eine Kostendeckungsquote von 6 bis 61/2%. Und jetzt erlauben Sie mir die Frage an den Herrn Bundesminister für Verkehr, ob er tatsächlich bereit ist, diesen Verkehrsweg für diesen Kostendeckungssatz den Benutzern zur Verfügung zu stellen. Wenn er das will, dann frage ich ihn allerdings weiter, ob er auch bereit ist, bei einer endgültigen Wegekostenregelung auch für die anderen Verkehrswege den gleichen Maßstab anzulegen und beispielsweise das Eisenbahnnetz der Deutschen Bundesbahn zu genau diesem Kostenprozentsatz den Benutzern der Eisenbahn oder auch dem Unternehmen Deutsche Bundesbahn zur Verfügung zu stellen. Ich glaube, wenn man das einmal so sieht, wird das, was wir dort zu tun uns anschicken, erst richtig deutlich. Deswegen bin ich dem Kollegen Haehser außerordentlich dankbar, daß er für sich und für seine Fraktion dieses Programm angesprochen und deutlich gemacht hat, daß auch in der Fraktion des Herrn Bundesministers für Verkehr erhebliche Bedenken gegen dieses Bauvorhaben bestehen.
Ich sage noch einmal - ich bitte sehr um Verständnis, daß ich das wiederhole -: Im Ausschuß waren sich im übrigen alle Fraktionen einig, daß dieser Leertitel gestrichen werden sollte.
Lassen Sie mich dazu abschließend noch etwas sagen und auch eine freundliche Aufforderung an den Bundesminister für Verkehr richten! Glauben Sie nicht, daß es bei den Zahlen, die wir nun von allen Seiten zugetragen bekommen, vielleicht vernünftiger wäre, einmal die Frage zu prüfen, ob man das gleiche viele Geld, das man gegebenenfalls in diesen Kanalbau hineinstecken will - vielleicht ist der Kollege Brück jetzt so freundlich, zuzuhören, denn das wird ihm sicherlich gefallen -, nicht dazu nutzen sollte, für das Saargebiet und für die ande12298
ren betroffenen Gebiete des Landes Rheinland-Pfalz ein anständiges Strukturprogramm zu erstellen, vergleichbar etwa dem Emsland-Plan? Dann könnte man nämlich, glaube ich, wesentlich mehr für die Erhaltung der Arbeitsplätze in diesem Raum tun. Ich meine, das wäre auch wesentlich sinnvoller.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zu einem anderen Punkt des Einzelplans 12 kommen! Der Kollege Haehser hat zu Recht darauf hingewiesen, daß wir in der Haushaltsberatung des vorigen Jahres vorgeschlagen haben, man sollte bei der Deutschen Bundesbahn zu einer echten Umschuldung kommen. Er hat dankenswerterweise auch vorgetragen, daß unser gemeinsames Bemühen hier noch keinen Erfolg haben konnte. Ich möchte in diesem Zusammenhang einmal den Herrn Bundesminister für Verkehr fragen, ob er uns Pläne nennen und sagen kann, wann er wohl mit diesem Vorhaben beginnen will, das ja, soweit ich das richtig sehe, auch in seinem Verkehrspolitischen Programm angekündigt worden ist. Herr Kollege Haehser hat hier so optimistisch über das Wirtschaftsergebnis des vergangenen Jahres bei der Deutschen Bundesbahn berichtet. Ich finde, wir sollten dann aber ehrlicherweise den Herrn Bundesminister für Verkehr einmal fragen, ob er uns vielleicht auch etwas zum möglichen Wirtschaftsergebnis dieses Jahres sagen kann. Ich könnte mir vorstellen, daß das vielleicht nicht ganz so gut ausfällt.
Da wir aber gerade bei diesem Problem sind,
B Herr Kollege Apel, darf ich vielleicht auch eine weitere Frage an den Bundesminister für Verkehr richten. Sie merken schon, ich mache heute sehr viel in Fragestellung. Wir alle wissen, daß der Bundesminister für Verkehr hier verkündet hat, daß die Deutsche Bundesbahn ihm erhebliche Rationalisierungspläne vorgelegt hat. Diese Rationalisierungspläne haben bei den Mitarbeitern dieses Unternehmens - das wissen Sie alle - erhebliche Beunruhigung ausgelöst. Uns ist bekannt, daß der Verwaltungsrat der Deutschen Bundesbahn sich trotzdem in einer zweiten Entscheidung dazu bekannt hat, diese Pläne durchzuführen, weil er sich davon ganz erhebliche Einsparungen verspricht. Wenn ich es richtig sehe, Herr Bundesminister für Verkehr, sind Sie jetzt eigentlich am Zuge, zu entscheiden, was mit diesen Rationalisierungsplänen werden soll und was nicht. Ich möchte Sie sehr herzlich bitten, jetzt wirklich zu einer Entscheidung zu kommen. Ich sage das nicht nur wegen der damit verbundenen Einsparungsmöglichkeiten, sondern ich sage das auch in großer Sorge wegen der Mitarbeiter bei der Deutschen Bundesbahn, die ständig unter dem Druck der Ungewißheit leben müssen, was nun eigentlich aus ihren Dienststellen, die in diesem Programm eingespart werden sollen, wird und was nicht. Ich wäre sehr dankbar, wenn Sie diesen lähmenden Druck von den Mitarbeitern nähmen. Ich glaube, ich brauche nicht weiter auszumalen, was der Kollege Haehser hier richtig gesagt hat: daß wir selbstverständlich erwarten, daß das mit entsprechend guten Sozialplänen verbunden wird. Das ist so selbstverständlich, daß wir darüber nichts weiter zu sagen brauchen.
Ich begrüße sehr den Antrag, den die Koalitionsfraktionen noch zur Lesung dieses Haushalts einbringen werden. Dieser Antrag hat zum Ziele, daß die Bundesregierung aufgefordert wird, Maßnahmen einzuleiten, die zu einer Verbesserung des Wirtschaftsergebnisses bei der Deutschen Bundesbahn führen.
Ich hätte sehr gern auch noch einige Ausführungen zum Kap. 12 02 und hier zum Tit. 683 03 gemacht und zu der Finanzierung des Schiffbaues kritisch Stellung genommen. Ich will jedoch jetzt darauf verzichten, weil ich bei den Beratungen im Haushaltsausschuß, wie ich glaube, meine Bedenken genügend dargetan habe.
Herr Kollege Haehser war dann dankenswerterweise auch bereit, auf die Situation im Straßenbau hinzuweisen. Ich glaube, Herr Kollege Haehser, wir bedauern alle mit Ihnen, daß wir in diesem Jahre die Mittel nicht in dem Umfange einsetzen können. Wenn Sie aber so mahnend den Finger erheben, muß ich allerdings die Frage anknüpfen: Wen wollen Sie eigentlich mahnen? Denn worauf diese konjunkturpolitischen Maßnahmen letztlich zurückzuführen sind, das sollten wir uns dabei auch einmal ein kleines bißchen vor Augen führen. Wenn wir auf der einen Seite davon sprechen, wir müßten gelegentlich die Konjunkturpolitik dazu nutzen, die Konjunktur ein wenig anzuheizen, wie wir es mit den Investitionshaushalten getan haben, müssen wir uns auf der anderen Seite auch einmal eine solche Einschränkung gefallen lassen.
Ich finde es auch außerordentlich erfreulich, daß die Koalitionsfraktionen auf Umdruck 613 einen Änderungsantrag eingebracht haben, der die Möglichkeit schaffen soll, nun auch die Zuschüsse aus dem zusätzlichen Aufkommen aus der Mineralölsteuer für die kleineren Gemeinden zu verwenden. Herr Kollege Haehser, das war ein Anliegen, dessen wir uns im vergangenen Jahr sehr angenommen haben.
Lassen Sie mich ein letztes Kapitel aufgreifen, und zwar das Kap. 12 15. Herr Bundesminister für Verkehr, in Ihrem Verkehrspolitischen Programm hatten Sie sich dahin entschieden, die großen Verkehrsflughäfen schwerpunktmäßig in den Flugsicherungsdienst mit einzubeziehen. Ich glaube, Sie haben das nicht zuletzt mit Rücksicht auf die ständig steigenden Kosten dieses Dienstes getan, und ich will auch gar nicht verhehlen, daß uns die Entwicklung dieser Kosten einige Sorgen bereitet. Dennoch möchte ich mir die Frage erlauben, ob Sie Ihre Grundsatzentscheidung in dieser Sache nicht noch einmal überprüfen wollen. Zum ersten hört man nämlich aus der Fachwelt immer mehr Meinungen darüber, daß es für die Flughäfen mit geringerer Frequenz vereinfachte Flugsicherungssysteme geben kann. Zum anderen werden Sie mir darin zustimmen, daß ein Linienverkehr zu den Regionalflughäfen auf die Dauer nur dann eingerichtet werden kann, wenn diese Flughäfen auch bei Allwetterbedingungen angeflogen werden können. Ich glaube, unsere strukturschwachen Gebiete sind mehr als bisher auf den Ausbau ihrer Regionalflughäfen dringend angewiesen.
Ich selbst vermag im gegenwärtigen Zeitpunkt nicht zu prüfen, ob die von mir genannten vereinfachten Verfahren schon jetzt genügend ausgebildet sind, um angewendet werden zu können. Ich habe Sie, Herr Bundesminister für Verkehr, oder Ihren Herrn Parlamentarischen Staatssekretär in mehreren Fragestunden gefragt, und Sie hatten mir in der Fragestunde am 26. September 1968 freundlicherweise auch gesagt, daß Sie eine Studienkommission eingesetzt hatten, die untersuchen sollte, ob es tatsächlich solche vereinfachten Instrumentenlandesysteme gibt. Sie hatten mir versprochen, dieses Untersuchungsergebnis gegebenenfalls auch diesem Hohen Hause zuzuleiten. Leider habe ich es bis heute nicht zu Gesicht bekommen. Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie es uns einmal zuleiteten, damit wir die Möglichkeit haben, zu prüfen, ob wir diese Dinge anders sehen müssen oder nicht.
Präsident von Hassel: Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Apel?
Sehr gern.
Herr Kollege Rawe, sind Sie tatsächlich der Meinung, daß das relativ dichte Netz von Flughäfen in der Bundesrepublik durch den Ausbau von Regionalflughäfen mit staatlichen Mitteln weiter verdichtet werden sollte? Und sehen Sie nicht die Gefahr, die dann für das finanzielle Ergebnis der Bundesbahn entstehen könnte?
Ich sehe die Gefahr sehr genau und möchte vor allen Dingen deswegen seitens des Herrn Bundesministers für Verkehr eine genaue Aufklärung darüber haben, welche Kosten wir damit verursachen. Fest steht, Herr Kollege Apel - ich glaube, wir müssen uns damit auseinandersetzen -, daß diese regionalen Verkehrsflughäfen nicht so sehr vom Bund, sondern von den Ländern gefördert werden. Ich darf hier ein Beispiel anführen, das für Sie sicherlich sehr interessant sein wird. Ich würde Ihnen empfehlen, sich einmal mit der Landesregierung von Nordrhein-Westfalen ins Benehmen zu setzen, von der ich weiß, daß sie sich in erster Linie Ihrer Partei verantwortlich fühlt. Die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen betreibt jedenfalls mit großem Aufwand die Förderung des Baus von Verkehrsflughäfen im regionalen Bereich.
Präsident von Hassel: Gestatten Sie eine zweite und letzte Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Apel?
Ja, bitte!
Herr Kollege Rawe, dann gehen Sie mit mir darin einig, daß die Länder ihre Regionalflughäfen ausbauen sollten - das ist dann ihre Angelegenheit -, der Bund sich aber, wie im Verkehrspolitischen Programm der Bundesregierung
vorgesehen, auf den Ausbau der wichtigen Flugkreuze in der Bundesrepublik konzentrieren sollte?
So schnell würde ich Ihnen nicht zustimmen. Der Bundesminister für Verkehr hat uns ein Verkehrswegeprogramm versprochen. In diesem Programm würde ich gern die Gesamtkonzeption sehen, d. h. also auch die Ergänzung der großen Verkehrsflughäfen durch entsprechende Regionalflughäfen. Im übrigen sollten die großen Verkehrsflughäfen in diesem Lande endlich einmal gescheit an das Netz der Deutschen Bundesbahn angeschlossen werden, damit hier eine promptere Bedienung erfolgen kann. - Bitte schön!
Präsident von Hassel: Eine Zwischenfrage.
Herr Kollege Rawe, sind Sie nicht auch der Auffassung, daß wir angesichts der auf uns zukommenden Entwicklung im internationalen Flugverkehr - ich meine es jetzt in bezug darauf, daß das Volumen der Maschinen größer wird alle Anstrengungen machen müssen, um unsere Flughäfen dem anzupassen?
Ich habe nicht den Eindruck, daß meine Ausführungen in irgendeinem Gegensatz zu Ihrer Frage stehen. Ich will es Ihnen noch verdeutlichen. Ich erkenne genau die Differenzierung, die wir hier vornehmen müssen. Aber lesen Sie sich einmal die Gutachten der Deutschen Lufthansa gerade zu diesem Problem durch. Sie werden dann feststellen, daß auch die Deutsche Lufthansa und alle anderen Luftverkehrsträger die Regionalflughäfen einfach als eine Ergänzung des übrigen Flugnetzes fordern. Wenn Sie noch auf die notwendigen Maschinen, die dafür gebraucht werden, anspielen wollen, darf ich Ihnen sagen: die sind längst entwickelt. Da gibt es also gar kein Problem.
Präsident von Hassel: Noch eine Zwischenfrage.
Herr Kollege Rawe, sind Sie bereit, mir zuzustimmen, daß die Priorität beim Ausbau der großen Flugverkehrskreuze liegen muß, die dem. internationalen Verkehr zu dienen haben!
Ja, sicherlich. Ich weiß nicht, wo Sie hier einen Widerspruch konstruieren wollen. Ich sage nur: wenn wir überhaupt regionale Flughäfen und regionalen Flugverkehr wollen, erscheint er mir dann nicht sinnvoll, wenn wir die regionalen Flughäfen nicht auch in die Flugsicherung mit einbeziehen; denn ein Linienverkehr ist nur dann sinnvoll, wenn er bei Allwetterbedingungen durchgeführt werden kann. - Sie können meinetwegen, lieber Herr Kollege Schmidt, zu dem Ergebnis kommen, daß er auf Grund der Kosten, die wir aufwenden müßten, nicht sinnvoll ist. Wenn uns das an Hand gescheiter Berechnungen dargetan wird, bitte, dann werde ich mich selbstverständlich auch diesen Erkenntnissen gegenüber aufgeschlos12300
sen zeigen. Das ist doch selbstverständlich; darüber brauchen wir uns doch nicht zu streiten.
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Lassen Sie mich zum Schluß kommen. Ich muß nämlich noch auf eine kleine Geschichte eingehen, die der Herr Kollege Haehser vorgetragen hat. Das war sein freundliches Lob für das Zustandekommen des Rechtsanspruches in § 28 a des Bundesbahngesetzes, von dem er gesagt hat, daß auch er sich darüber außerordentlich freue. Lieber Kollege Haehser, Sie sind mir nicht böse, wenn ich es hier aufgreife. Aus diesen Ihren freundlichen Worten konnte die Genugtuung herausgehört werden, daß das auch ein Ergebnis des Verkehrspolitischen Programms des Herrn Bundesministers für Verkehr gewesen sei. Ich will nur richtigstellen, daß diese Novellierung des Bundesbahngesetzes auf die Vorschläge zurückzuführen ist, die meine Fraktion dazu gemacht hat. - Herr Seifriz stimmt schon zu; ich darf ihm dafür herzlich danken und bin gern bereit, das noch zu unterstreichen, wenn Sie sagen wollen, daß das eigentlich bislang das positivste Ergebnis ist, das wir bei der Beratung der verkehrspolitischen Konzeption erreicht haben; dann bin ich auch wieder mit Ihnen einig.
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Zum Schluß! Ich habe hier einige kritische Fragen gestellt, Herr Bundesminister für Verkehr. Das bedeutet nicht, daß meine Fraktion Ihrem Haushalt nicht zustimmt. Das darf ich für meine Fraktion erklären.
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Präsident von Hassel: Meine Damen und Herren, bevor ich dem Herrn Bundesminister für Verkehr das Wort erteile, eine Bemerkung zur Geschäftslage! Ich habe noch sieben Wortmeldungen zu diesem Einzelplan, und wir haben heute noch weitere zehn Einzelpläne zu behandeln und außerdem noch ein Gesetz. Schließlich ist noch eine Reihe anderer Tagesordnungspunkte zu erledigen. Darf ich also die Redner darauf aufmerksam machen, daß wir uns konzentrieren müssen. Sonst ist es bis Freitag mittag insgesamt nicht zu schaffen.
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Verkehr.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte mich zunächst sehr herzlich bei dem Herrn Berichterstatter bedanken, in diesen Dank einschließen die Arbeit der Mitglieder des Haushaltsausschusses, die sie bei der Bewältigung einer sehr schwierigen Materie, wie sie der Verkehrshaushalt darstellt, geleistet haben. Gleichzeitig danke ich auch den Herren Kollegen des Verkehrsausschusses, die nach besten Kräften mit sachkundiger Arbeit mitgewirkt haben.
Die verkehrspolitische Diskussion ist in den letzten beiden Jahren wie kaum zuvor in Bewegung geraten. Das, was in unserem Lande durch konkrete Maßnahmen eingeleitet worden ist, läßt erwarten,
daß die gesteckten Ziele der Verkehrspolitik, die die Bundesregierung eingeleitet hat, tatsächlich auch erreicht werden.
Die Verkehrspolitik in unserem Lande hat außerdem einen erheblichen Beitrag dazu geleistet, daß der Stillstand in Europa auf diesem Gebiete überwunden worden ist und daß wir nicht nur erste Schritte in der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft getan haben, sondern daß wir dort in der Zwischenzeit schon gut in Gang gekommen sind. Dafür sprechen die Ratsentscheidungen, die in den Jahren 1968 und 1969 gefaßt worden sind. Das, was sich nach gut zwei Jahren Verkehrspolitik als Bilanzposten anbietet, so meine ich jedenfalls, läßt sich in aller Offenheit zeigen.
Lassen Sie mich zunächst bitte einige Bemerkungen zur Straßenverkehrspolitik machen. Ich habe aus dieser Debatte - und auch aus manchen Schriften, die in der Öffentlichkeit kursieren - entnommen, daß man manchmal so tut, als sei der Bundesminister für Verkehr ein Lkw-Töter. Auf jeden Fall gibt es Leute, die möchten ihn gern dazu abstempeln. Meine Damen und Herren, der Lastkraftwagen ist auch in meinen Augen kein giftiger, böser Drache, den man bekämpfen muß, wo man ihn sieht, sondern ein Nutzfahrzeug, das wir in unserer Wirtschaft brauchen. Es gibt keinen Mittelpunkt in unserer Verkehrspolitik. Im Mittelpunkt aller Überlegungen, die die Verkehrspolitik betreffen, steht auch nicht ein neuer, sauber gewaschener Lkw, um den herum sich alles andere zu drehen hat. Der Lkw ist vielmehr ein Teil des Verkehrs, der im ganzen neu zu ordnen ist.
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Die Ordnung kann allerdings auch nicht an anderen Interessen der Verkehrsunternehmer vorbei durchgeführt werden. Wenn es um die Ordnung geht, müssen auch diese Interessen berücksichtigt werden. Der Verkehrsminister stand und steht vor der Notwendigkeit, auch den Straßengüterverkehr so zu ordnen, daß ihm - auch im Interesse der verladenden Wirtschaft - so viel Freiheit wie möglich verbleibt, daß ihm aber für bestimmte Bereiche Expansionsgrenzen gesetzt werden.
Präsident von Hassel: Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Wendelborn?
Bitte, Herr Kollege!
Herr Minister, woher kommt dann die Parole „Weg mit den dicken Brummern" ?
Ich habe sie nicht erfunden, wie ich auch das Wort „Leber-Plan" nicht erfunden habe. So etwas wird manchmal von korrespondierenden Mitverfolgern solcher Operationen beigetragen.
Meine Damen und Herren, dies ist ein klarer Leitgedanke, der mit Vorurteilen und Emotionen
nichts zu tun hat. Wir sind aus diesem Grund nicht daran vorbeigekommen, eine Reihe von Maßnahmen zu ergreifen, die auf dem Wege zu dieser Ordnung nötig sind. Ich möchte hier einige davon aufzählen. Das Straßengüterverkehrsgesetz ist, wie vorgesehen, am 1. Januar 1969 in Kraft getreten. Diese Steuer soll in erster Linie eine Barriere gegen weitere Verkehrsverlagerungen von der Schiene auf die Straße sein. Wer die Entwicklung im Jahre 1968, als es keine Beförderungsteuer gab, beobachtet hat und weiß, daß allein in diesem Jahre eine Zunahme der Fahrzeuge im schweren Werksverkehr von 9% zu verzeichnen war, wird mir sicher beipflichten, wenn ich sage, daß diese Steuer, die seit dem 1. Januar 1969 erhoben wird, nötig ist, um das Ganze in Ordnung zu bringen. - Bitte sehr!
Herr Minister, erlauben Sie mir eine Frage. Sie haben gerade von einer 9%igen Zunahme des Schwerlastverkehrs im Werkfernverkehr gesprochen. Können Sie auch die absolute Zahl nennen, um die es sich hier handelt, damit man sich über das Verhältnis zur Gesamtzahl der Lkws - es sind eine Million - ein Bild machen kann?
Es gab 1967 rund gerechnet 80 000 Fahrzeuge im Werkverkehr.
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- Natürlich nicht alles Schwerlastfahrzeuge. Der Werkverkehr hat sich aber im ganzen um 9% vermehrt und intern auch der Teil, der zum Schwerlastverkehr gehört.
In diesem Gesetz ist vorgesehen, den Steuersatz für bestimmte, verkehrsmäßig schwach aufgeschlossene und in Randlage befindliche Gebiete zu ermäßigen. Die dazu erforderliche Rechtsverordnung wird an Hand eines Gutachtens, das gegenwärtig erarbeitet wird, in Kürze erlassen werden können. Mit den Bundesländern sind darüber Gespräche im Gange. Ich habe das Gefühl, daß wir zu einer guten Verständigung kommen. Die zuständigen Ausschüsse des Bundestages werden von dem Gutachten und den daraus zu ziehenden Schlußfolgerungen in Kürze in Kenntnis gesetzt werden.
Die Erhöhung der Sicherheit im Straßenverkehr ist eine weitere wichtige und vorrangige gesellschaftspolitische Aufgabe. Die Fragen der Verkehrssicherheit haben auch im Verkehrspolitischen Programm den ihrer Bedeutung gemäßen Platz erhalten. Wir haben auf allen in diesem Zusammenhang bedeutsamen Gebieten in den letzten zwei Jahren zahlreiche Erfolge und Fortschritte verzeichnen können.
Im einzelnen handelt es sich um folgendes. Die Verordnung zur Verminderung schädlicher und belästigender Kraftfahrzeugabgase ist erlassen. Sie strebt eine Regelung über die Begrenzung von Kohlenmonoxyd und Kohlenwasserstoffen im Abgas an. Ihr Ziel ist die Reinerhaltung der Luft. Die Verordnung gilt für alle Fahrzeuge, die nach dem 1. Oktober 1970 erstmals in den Verkehr kommen. Damit ist nach unserer Überzeugung ein erster wichtiger Schritt auf einem Gebiet getan, das in weiten
Bereichen, besonders in den Ballungsgebieten, von besonderer Bedeutung ist.
Die Verordnung zur Erhöhung der Mindestmotorleistung für Kraftfahrzeuge ist in Kraft getreten. Sie schreibt eine Erhöhung der Motorkraft von 6 auf 8 PS pro Tonne vor. Ihr Ziel ist eine Verbesserung und Beschleunigung des Verkehrsflusses auf unseren Straßen. Sie gilt für alle Fahrzeuge, die ab 1. Januar 1971 erstmals in den Verkehr kommen. Wir versprechen uns davon eine Anhebung der Mindestgeschwindigkeit, ohne daß sie expressis verbis im Gesetz vorgeschrieben wird, und damit einen besseren Fluß des Verkehrs auf unseren Straßen.
Ein weiterer wichtiger Punkt und ein Beitrag zur Sicherheit ist die Verordnung zur Sicherung haltender oder liegengebliebener Fahrzeuge.
Auf dem Gebiet des Straßenverkehrsrechts ist vor allem zuerst die Umstellung des Verkehrsstrafrechts auf ein Ordnungswidrigkeitenrecht zu erwähnen. Wir beobachten die Entwicklung, die seit dem 1. Januar draußen im Gange ist, sehr aufmerksam. Ich kann hier sagen - das ist auch das Ergebnis eines Erfahrungsaustausches, der mit den Ländern und den Polizeibehörden vor allem der großen Städte stattgefunden hat -, daß die Erfahrungen, die, abgesehen von den Umstellungsschwierigkeiten in den ersten Wochen, nicht überall einheitlich gut waren, in der Zwischenzeit dazu geführt haben, daß wir sagen können: Dies war ein richtiger, guter und notwendiger Schritt, der draußen auch als eine Entlastung anerkannt wird.
Die Verhandlungen, die zur Abfassung einer neuen Straßenverkehrsordnung geführt haben, liegen im ganzen, soweit ihre Schwerpunkte in Betracht kommen, hinter uns. Wir können auch bei der Weltkonferenz, die im vergangenen Jahr in Wien war, von einem guten Ergebnis sprechen, mit dem unsere Delegation nach Hause gekommen ist. Es geht nun darum, vor allen Dingen in den Ländern Europas eine weitere Abstimmung vorzunehmen, von der ich hoffe, daß sie noch in diesem Jahre erfolgt. Wir können hinsichtlich des zeitlichen Ablaufs der Entwicklung davon ausgehen, daß dann im Frühjahr 1970 der Erlaß einer neuen Straßenverkehrsordnung nach Abstimmung in der Weltorganisation und vor allen Dingen auch mit den europäischen Ländern vorgenommen werden kann.
Auch in diesem Jahr wird der Ferienverkehr wieder außerordentlich stark sein. Zur Erleichterung dieses Verkehrs, aber auch im Interesse der Verkehrssicherheit und eines besseren Verkehrsflusses bereitet nein, Haus zur Zeit eine Verordnung vor, die gewisse Beschränkungen für den schweren Lastverkehr an einigen Wochenenden der Hauptreisezeit vorsieht. Da der Ferienbeginn vieler Länder in diesem Jahr mit Wochenenden zusammenfällt, herrscht zwischen den Ländern und meinem Haus ein jetzt schon erkennbares gutes Einvernehmen darüber vor, daß an einigen Wochenenden, an denen die große Wanderung nach Süden beginnt, jeweils ab Freitag 15 Uhr vor allem die Hauptfahrwege für Lastkraftwagen gesperrt werden sollen.
Wenn sich Wirtschaft und Fuhrgewerbe rechtzeitig auf diese Maßnahme einstellen, dann bin ich sicher, daß dadurch ebensowenig wie durch andere Maßnahmen, die früher auf anderen Gebieten erfolgt sind, ein Zusammenbruch der Wirtschaft ausgelöst wird, wie man das angekündigt hat.
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Auf jeden Fall dient diese Maßnahme dazu, den gerade an diesen Tagen nach dem Ferienbeginn in grollen Wellen nach Süden strebenden Autofahrern den Weg für ein paar Tage so zu ebnen, daß nicht Millionen allein wegen langsam fahrender Kraftfahrzeuge durch die Auspüffe vergeudet werden.
Neben diesen Regelungen verkehrstechnischer und organisatorischer Art laufen selbstverständlich wie bisher die verkehrsregelnden und verkehrslenkenden Maßnahmen zur Erleichterung des Verkehrs während der Feiertage und der Hauptreisezeit weiter. Ich bin sehr froh darüber, daß das Gespräch mit den Kultusministern, das in dieser Frage in Gang gekommen ist, die Aussicht eröffnet, daß wir uns wahrscheinlich darüber verständigen werden, daß sich um diese Frage nicht nur die Verkehrspolitiker bemühen, sondern daß auch die Kultusminister bei der Festsetzung der Ferientermine darauf Rücksicht nehmen, daß jeder Ferientermin gleichzeitig auch eine Verkehrswelle auslöst.
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Dies ist eine Aufgabe, die nicht nur eine Abstimmung der Kultusminister in unserem Lande notwendig macht, sondern die in der heutigen Zeit, in der der Verkehr an den Grenzen nicht mehr haltmacht, auch dazu führen muß, daß sich die Kultusminister und alle die, die für Ferienbeginne zuständig sind, in Europa an den Tisch setzen und fein säuberlich abstimmen, wann sie die Wellen aus dem jeweiligen Land in Bewegung setzen.
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Wir sind jedenfalls gemeinsam davon überzeugt - auch die Kultusminister -, daß wir mit Verkehrsregelungen allein diesem Problem nicht mehr zu Leibe rücken können, sondern daß hier eine koordinierende Zusammenarbeit erforderlich ist. Eine bessere, vor allem auf die Verkehrsstöße Rücksicht nehmende deutsche Koordinierung reicht ebenfalls nicht mehr aus.
Gestatten Sie, meine Damen und Herren, daß ich in diesem Zusammenhang auf etwas eingehe, was Herr Kollege Dr. Imle auch erwähnt hat; das ist die Unfallziffer. Wir haben in all den Jahren zwar immer auf die Bedeutung dieses Themas hingewiesen, aber ich habe mich immer davor gehütet, das einem Verkehrsträger oder einer Fahrzeugart allein als dem Hauptverursacher in die Schuhe zu schieben. Ich weiß allerdings auch, daß sich keiner davon freisprechen kann, und ich weiß, daß der mangelnde Verkehrsfluß und andere Gründe dabei im Vordergrund der Unfallursachen zu sehen sind. Das weisen die Prüfungen der Unfälle im einzelnen aus. Ich bin aber sehr froh darüber, daß ich dem Hohen Hause hier mitteilen kann, daß die mannigfachen Bemühungen, die in den letzten beiden Jahren unternommen worden sind, dazu geführt haben, daß die Zahl
der tödlichen Unfälle im Jahre 1968 nicht gestiegen ist, obwohl die Zahl der Kraftfahrzeuge allein 1968 um 1,2 Millionen Personenkraftwagen zugenommen hat. Dies hätte, wenn die Entwicklung so weitergegangen wäre, wie sie bis 1967 war, zwangsläufig dazu geführt - wenn man das hochrechnet -, daß wir im Jahre 1968 mit 17 500 tödlichen Verkehrsunfällen hätten rechnen müssen. Wir haben aber nicht nur die Zahl des Jahres 1967 unterschritten, sondern sind sogar unter der Zahl der Unfalltoten im Jahre 1966 geblieben, und zwar mit 16 600 tödlichen Verkehrsunfällen.
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Dies ist eine schreckliche Zahl, meine Damen und Herren, mit der wir uns auch noch nicht zufriedengeben dürfen. Wir alle sind aufgerufen, auch dieser Zahl noch den Garaus zu machen und sie noch so weit wie möglich zurückzudrängen.
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Ich sage das hier deswegen - und ich lasse mich da auch nicht durch Zwischenrufe beeinflussen -, weil es mir zuerst darum geht, Menschenleben zu erhalten. Ich sage es aber auch, weil ich ein Wort der Anerkennung an die Adresse all derer damit verbinden möchte, die sich frei von materiellen Interessen in ideeller Weise zur Verfügung gestellt haben, um immerhin einigen hundert Menschen das Leben zu erhalten.
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In Verbindung damit komme ich zu einem Thema, das heftig umstritten ist und das sich auch schon hier durch die Debatte gezogen hat. Es ist das Thema: Beschränkung des Lkw-Verkehrs zu bestimmten Tageszeiten in Ballungsgebieten, d. h. vor allem in Großstädten. Obwohl das Verkehrspolitische Programm ein reichlich umstrittenes Element der Politik der letzten Jahre gewesen ist, hat es neben der Verbotsliste in ihm keinen Punkt gegeben, der so umstritten war und der zu so vielen Resolutionen geführt hat wie dieses Thema. Bei dieser Gelegenheit heute möchte ich ein klares Wort dazu sagen, um die Diskussion in die rechte Bahn zu rücken.
Ich sage zuerst dies: Der Gedanke, der mit diesem Thema umschrieben wird, nämlich den Lkw in unseren Städten zu bestimmten Tageszeiten zu verbieten, ist nicht ein legitimes Kind des Bundesverkehrsministers und war auch nicht Bestandteil des Verkehrspolitischen Programms, das unter meinem Namen diesem Hohen Hause vorgelegt worden ist. Mir ging es dabei - gestatten Sie diesen Vergleich - wie einem Familienvater, der mit seiner stattlichen Kinderzahl die Schwiegereltern besucht; das sind in diesem Fall die Fraktionsspitzen. Ich habe versucht, dort den Segen für mein Programm und für all die Punkte zu bekommen. Statt diesen Segen für das, was ich mitbrachte, zu finden, bekam ich von ihnen so etwas wie ein uneheliches Kind mit auf den Weg.
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Das war eben dieser Punkt: Beschränkung des Lkw-Verkehrs zu bestimmten Tageszeiten in Städten.
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Ich will bier über die reine Vaterschaft nicht sprechen. Ich glaube ihn zu kennen. Aber wenn er sich selbst nicht nennt - das ist so bei unehelichen Kindern -, dann will ich auch nicht darüber reden.
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Ich habe mich jedenfalls in dieser Frage wie ein guter Stiefvater redlich bemüht, etwas daraus zu machen. In der Zwischenzeit habe ich die Erkenntnis gewonnen, daß diese Frage sehr problematisch und sehr schwierig ist.
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- Wenn Sie sich selbst melden, Herr Müller-Hermann, will ich das nicht bestreiten. Aber ich hätte es nicht gesagt. Ich weiß allerdings nicht sicher, ob es nicht noch mehrere gibt, die das für sich in Anspruch nehmen.
Bei allem schuldigen Respekt vor einer Einigung der Koalition muß ich heute daran zweifeln, ob es angemessen und richtig ist, diesen Gedanken weiter zu verfolgen. Wir haben den Vorgang jedenfalls vorläufig einmal von den übrigen Maßnahmen abgesondert und ihn gewissermaßen in politische Quarantäne gegeben. Ich hoffe, wir werden Gelegenheit haben, uns in den Ausschüssen über die weitere Behandlung dieses Themas genügend zu unterhalten. Ich bin jedenfalls gerne bereit, all die Erfahrungen, die wir bisher mit dieser Frage gemacht haben, den zuständigen Ausschüssen zu berichten.
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Herr Kollege Dr. Imle, Sie haben sich hier mit einer Broschüre auseinandergesetzt. So gründlich, wie Sie es getan haben, wird nicht jeder sie gelesen haben. Ich wäre gar nicht böse gewesen, wenn jeder sich so sachkundig gemacht hätte mit dem, was in diesem Heftchen steht. Ich kann verstehen, daß der FDP nicht alles gefällt, was da drinsteht. Das würde mir auch so gehen, wenn ein Minister, der einer anderen Fraktion angehört, dafür verantwortlich zeichnete. Ich kann Ihnen nur sagen, Herr Dr. Imle: Seien Sie doch da nicht so kleinlich! Ich habe die ganzen zwei Jahre einer Riesenflut von bedrucktem Papier gegenübergestanden, das Millionen und Millionen gekostet hat. Jetzt kommt dieser Verkehrsminister, den man mit Broschüren und Anschlägen und Plakaten und Aufrufen zwei Jahre lang bedrängt hat, und macht einmal ein schönes kleines, buntes Heftchen, und das ist Ihnen auch noch zuviel. Damit ist das Gleichgewicht längst nicht hergestellt.
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- Ich rede nicht von meinem Vorgänger, sondern von meinem Bemühen, im Augenblick einen kleinen Ausgleich herbeizuführen.
Ich freue mich im übrigen, Herr Kollege Imle, über dieses Interesse, das Sie an diesem Heftchen nehmen. Ich habe das Gefühl, wenn es das Heftchen nicht gegeben hätte, dann hätten Sie vielleicht Stoffmangel gehabt für die Kritik, die Sie am Bundesverkehrsminister zu üben haben.
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Wenn Sie als Hauptsprecher der Opposition zum Haushalt des Bundesverkehrsministeriums nichts Schlimmeres zu sagen haben als das, was in diesem Heftchen steht, bin ich, muß ich sagen, wahrhaftig gut weggekommen. Ich kann mich dafür nur sehr herzlich bedanken. Ich lade Sie trotzdem ein, wenn Sie das Kreuzworträtsel richtig gelöst haben, was ich vermute, bei der Preisverteilung an die vielen jungen Leute, die sich da wahrscheinlich gemeldet haben werden, dabei zu sein. Dann werden Sie sehen, das wird auch sehr redlich zugehen.
Was die Kosten angeht - vielleicht wird danach noch gefragt -: das ganze Heftchen kostet 13,4 Pf. Ich glaube, eine gute Illustrierte, wie es das Heftchen zweifellos ist, ist für diesen Preis auf dem ganzen Markt nicht zu haben, und darüber hinaus hat es noch staatspolitische Bedeutung.
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Das einzige, was Herr Dr. Imle ausgelöst hat, ist eine Bedrängnis, in die ich komme. Er hat das Heft „Kontra" so viel zitiert und sich so lobend und kritisch damit auseinandergesetzt - er hat es gar nicht im ganzen heruntergerissen, daß ich fürchte, die Auflage reicht nicht aus. Die Nachfrage wird so stark sein, daß wir die Auflage noch einmal vergrößern müssen.
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Ich komme mit ein paar Bemerkungen zum Thema Binnenschiffahrt. Mit der Novelle zum Binnenschifffahrtsverkehrsgesetz wurde ein wichtiges Reformwerk verabschiedet, dessen Würdigung durch die lautstarken und in den Vordergrund drängenden Fragen von Schiene und Straße natürlich etwas in den Hintergrund getreten ist. Die Neuordnung des Frachtenbildungs- und Überwachungsverfahrens und die anlaufende Abwrackaktion für unwirtschaftlichen Schiffsraum werden sich schon in Kürze positiv auf die Konsolidierung der Binnenschiffahrt auswirken. Die Stabilisierung des Frachtniveaus und eine langfristige Kapazitätsregelung werden wir entsprechend dem Ergebnis der deutsch-niederländischen Regierungsverhandlungen auf europäischer Ebene anstreben. Binnenschiffahrt und verladende Wirtschaft haben mich wissen lassen, daß sie mit dem Ergebnis der Neuordnung in ihrem Bereich vollauf zufrieden sind. Mehr kann ein Verkehrsminister von einem betroffenen Gewerbezweig eigentlich nicht erwarten.
Da ich jetzt beim Wasser bin, möchte ich gern ein paar Bemerkungen zu dem Thema Saar-Pfalz-Kanal machen, das hier hochgekommen ist. Meine Damen und Herren, um dieses Projekt hat es etwa 15 Jahre lang einen heftigen Streit zwischen der Regierung an der Saar, der Regierung in Rheinland-Pfalz und
der Bundesregierung in Bonn sowie allen anderen Beteiligten und Betroffenen gegeben.
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Es gibt kaum ein anderes wichtiges Thema, das so eingenebelt war und um das ein solches Gebäude von Unklarheiten und Unwahrheiten aufgebaut worden war wie die Struktur des Saargebiets im Zusammenhang mit dem Saar-Pfalz-Kanal. Ich möchte dazu jetzt keine langen Ausführungen machen, sondern nur folgendes sagen.
Erstens. Ich halte es für nötig, daß man diese Ungewißheiten beseitigt und den Nebel auflöst, daß man den Menschen an der Saar endlich sagt, wie ihre Zukunft aussehen soll,
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und daß man nicht alles mit Kanalphilosophien verbrämt.
Zweitens. Daneben ist es nötig, daß wir uns darüber klar sind, daß wir auch im Vollzug von Verfassungsbestimmungen, die die Startgleichheit und die Chancengleichheit für einzelne Regionen betreffen, der Saar vor allen Dingen Strukturhilfen gewähren müssen, damit die Menschen, die dort wohnen, nicht entwurzelt werden, sondern im Zuge der Entwicklung dort wieder einen vernünftigen Arbeitsplatz und eine wirtschaftliche Grundlage für ihre Existenz finden. Auch dies ist eine gemeinsame Aufgabe und eine gemeinsame Absicht der Bundesregierung.
Drittens. Das Kabinett hat sich auch mit der Frage neuer Wasserwege an der Saar befaßt und ist zu dem Ergebnis gekommen, daß zunächst das Teilstück der Saar von Saarbrücken bis Dillingen kanalisiert werden soll. Ich sage deshalb „zunächst", weil das in jedem Fall eine erforderliche Baumaßnahme ist, ob die Regierung sich entschließt, wegen des Verbunds des deutschen Wasserstraßennetzes mit dem französischen Wasserstraßennetz eines Tages die Saar auch von Dillingen bis zur Mündung in die Mosel voll zu kanalisieren, oder ob sie sich entschließen würde, von Saarbrücken aus bis nach Ludwigshafen durch die Pfalz den Saar-Pfalz-Kanal zu bauen. Diese Frage, ob Kanalisierung der Saar oder Bau des Saar-Pfalz-Kanals wird nicht durch die meiner Auffassung nach richtige Entscheidung der Kanalisierung von Saarbrücken bis Dillingen vorbelastet und präjudiziert. Damit sind zunächst einmal in einer Richtung Anfänge gesetzt, die konstruktiv und gestaltend sind, und es ist nichts Voreiliges entschieden worden, was hier einmal Milliardenaufwendungen auslösen wird. Das muß bedacht werden. Wenn das Ergebnis lauten sollte, der SaarPfalz-Kanal soll gebaut werden, dann müßte die Regierung vor das Parlament treten und um die erforderlichen Mittel dafür bitten. Eine solche Vorentscheidung ist damit nicht getroffen. Wenn die Entscheidung lauten sollte, der Saar-Pfalz-Kanal ist nicht erforderlich, müßte die Regierung in dem Augenblick in verstärktem Maße strukturpolitische Überlegungen anstellen, die als Ersatz für diesen Wasserweg das Land in den Stand setzen könnten, den man sich vom Bau eines solchen Wasserweges erhofft.
Herr Minister, gestatten Sie eine Frage, zunächst. des Herrn Abgeordneten Jung?
Herr Minister, erkennen Sie nicht die Diskrepanz Ihrer Ausführungen, gerade der letzten Sätze, indem Sie einmal sagten, „der Nebel muß endlich beseitigt werden", und auf der anderen Seite wiederum sagten, „damit ist keine Vorentscheidung getroffen"? Sie haben keinerlei Entscheidung über den Saar-Pfalz-Rhein-Kanal getroffen und halten eine Trasse von 40 Millionen qm für einen imaginären Kanal frei. Diese Regierung entscheidet sich nicht, sie sagt nicht klar ja und nicht klar nein. Sagen Sie doch endlich einmal, ob aus dem Kanalprojekt etwas wird oder nicht!
Die Bundesregierung hält an der Stelle nicht einen Quadratmeter Trasse frei. Die Bundesregierung hat keine Entscheidung getroffen, die so oder so eine Vorentscheidung darstellt. Allerdings ist die Bundesregierung davon überzeugt, daß eine Wasserverbindung zwischen der Mosel durch die Saar in das französische Wassernetz erfolgen muß, und hält deshalb die Kanalisierung der Saar von Saarbrükken bis Dillingen auf jeden Fall für eine notwendige Maßnahme, die auch erfolgen müßte, wenn der Saar-Pfalz-Kanal als Folge gebaut würde. Das wäre auch eine Vorleistung für die Kanalisierung der ganzen Saar. Wir behalten also beide Möglichkeiten offen, weil diese Maßnahme auch in beiden Fällen notwendig ist. Der Nebel ist aber deswegen weg, weil jetzt endlich das Gerede aufhört; denn jeder Wasserweg, ob Kanal oder Kanalisierung eines Flusses, muß irgendwo beginnen, und wir beginnen von Saarbrücken bis Dillingen.
({0})
Gestatten Sie noch eine Frage, Herr Minister?
Bitte sehr!
Herr Dr. Müller-Hermann!
Herr Minister, ich will mich hier gar nicht für oder gegen den Vertragsabschluß äußern. Aber ich würde gern von Ihnen wissen: Sind Sie und ist sich die Bundesregierung vor dieser ersten Entscheidung im klaren darüber gewesen, daß andere Strukturverbesserungsmaßnahmen für die Saar mit dem gleichen Aufwand nicht mindestens den gleichen Effekt haben könnten, der jetzt mit dem dort vorgesehenen Bau des Kanals angestrebt wird?
Herr Kollege Müller-Hermann, ich bin fest davon überzeugt, daß man dem Gebiet auf beide Weise strukturell hilft, durch den Bau neuer Verkehrswege und durch
andere Strukturhilfen, die natürlich durch Straßenbaumaßnahmen besonderen Ranges ergänzt werden. Nur, wenn Sie die Frage schon so dezidiert stellen, muß ich Ihnen sagen, die Bundesregierung fühlt sich juristisch nicht gebunden. Aber wir wissen natürlich, daß die beiden vorangegangenen Bundeskanzler den Regierungen an der Saar sehr konkrete Auskünfte gegeben haben, wie sie über den Bau eines Saar-Pfalz-Kanals denken. Das spielt natürlich bei den Überlegungen, die wir anzustellen haben, auch eine Rolle.
Eine Frage von Herrn Rawe,
Herr Minister, nachdem Sie nun den Sachverhalt wesentlich geklärt haben, darf ich auf das zurückkommen, was Sie im Verkehrsausschuß berichtet haben. Würden Sie bitte vor einer nächsten Entscheidung dann auch das wahrmachen, was Ihr Haus im Verkehrsausschuß zugesagt hat, daß nämlich dieses Parlament vorher über die Berechnungsgrundlagen entsprechend informiert wird, damit es sich auch ein Bild machen kann? Ich glaube, nur dann kommen wir zu einem guten Ergebnis, das wir alle gemeinsam wollen.
Ich hin gern bereit, alle Informationen zu geben, die möglich sind. Im übrigen habe ich vernommen, daß Sie vorhin Zahlen nannten, die in meinem Hause erarbeitet wurden. Wir sind also wahrscheinlich sowieso in dieser Frage in gutem Kontakt miteinander.
Lassen Sie mich noch ein Wort zu dem Thema Flughäfen und Flugsicherung sagen, das Herr Kollege Rawe angeschnitten hat. Ich möchte auch da sagen, Herr Kollege Rawe, diese Fragen sind Gegenstand einer Untersuchung, die wir eingeleitet haben. Die Untersuchung ist noch nicht abgeschlossen; wenn Sie es wünschen, werden Sie das Ergebnis der Untersuchungen, das sich in den Gutachten niederschlägt, zur Verfügung gestellt bekommen.
Gestatten Sie mir, daß ich nach diesen Verkehrsbereichen etwas zum Thema Eisenbahn sage.
Die Novelle zum Bundesbahngesetz ist am 9. März in Kraft getreten. Damit wird das Verhältnis zwischen Bund und Eisenbahn auf eine neue und andere Grundlage gestellt und klarer abgegrenzt.
({0})
Die Deutsche Bundesbahn ist dabei, die Voraussetzungen zu schaffen, sich in Zukunft im Wettbewerb mit anderen Verkehrsträgern als kaufmännisch geführtes und nicht hoheitlich verwaltetes Unternehmen zu bewähren.
Herr Kollege Müller-Hermann, Sie wollen sicher fragen -
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- Herr Kollege Müller-Hermann, Sie wollen sagen, daß Ihr Beitrag zu diesem Thema der Vorschlag war, den § 28 a des Bundesbahngesetzes neu zu fassen. Ich kann Ihnen bestätigen: wir haben auch in meinem Haus in Erwägung gezogen, den § 28 a des Bundesbahngesetzes zu ändern; nur hatte ich mich bei der Vertretung des ganzen Sachverhalts an die Beschlüsse der Bundesregierung zu halten. Ich finde, daß hier in der Verhandlung im Parlament durch beide Fraktionen - die SPD hat das mit unterstützt - eine wertvolle Bereicherung des Verkehrspolitischen Programms vorgenommen wurde. Das möchte ich sagen - auch wenn es der Herr Bundesfinanzminister nicht so gern hört, daß ich das hier dem Parlament auf Anfrage konzediere.
Damit sind wichtige Vorentscheidungen getroffen und für die längerfristige Konzeption einer Eisenbahn der Zukunft umfassende Voraussetzungen geschaffen worden. Die Deutsche Bundesbahn war von 1960 an in eine Abdrift gefahren. Die Leistungen des Bundes erhöhten sich von Jahr zu Jahr um rund 450 bis 500 Millionen DM pro anno.
Das erste Ziel unserer Verkehrspolitik mußte darauf gerichtet sein, das weitere Wachstum dieses Defizits zu vermeiden. Ein solcher Versuch wurde damals von vielen von vornherein als aussichtslos bezeichnet, nicht nur hier in unserem Land, sondern auch im europäischen Ausland. Nicht wenige waren bereit, zu resignieren und große Teile der Eisenbahn auf den Schrotthaufen zu werfen. Wir durften weder vor der Größe der Schwierigkeiten kapitulieren, noch haben wir vor dem Widerstand, der von allen möglichen Seiten und manchmal auch durch bestimmte Interessenten inspiriert und aufgebaut wurde, kapituliert oder resigniert.
Wir sind heute in der guten Lage, beweisen zu können, daß wir auf dem richtigen Wege sind und daß unsere Maßnahmen Erfolg haben. Das Defizit der Deutschen Bundesbahn ist 1968 erstmalig nicht gewachsen. Das ist eine Ersparnis, die gegenüber dem jährlichen Trend von vorher mit einer halben Milliarden DM zu veranschlagen ist. Damit ist das erste Ziel, das weitere Abrutschen unserer Eisenbahn zu stoppen, voll erreicht.
Wir sind aber über dieses Ziel schon hinausgekommen. Ich bin vorhin gefragt worden, ob sich heute schon etwas über die Entwicklung des Jahres 1969 aussagen ließe. Ich kann hier zu meiner Freude sagen: das Ergebnis der Deutschen Bundesbahn per 20. März, also auf die vorige Woche bezogen, ist in diesen wenigen Wochen schon wieder um 100 Millionen DM verbessert worden.
({2})
Meine Damen und Herren, damit ist der Beweis dafür angetreten, daß zu den fast 300 Millionen DM im Jahr, um die das Defizit zusammengeschmolzen war, jetzt eine weitere Verbesserung des Ergebnisses um rund 100 Millionen DM eingetreten ist.
Gestatten Sie eine Frage, Herr Minister?
Bitte sehr!
0
Herr Dr. Müller-Hermann, bitte!
Herr Minister, würden Sie uns vielleicht darüber Auskunft geben, wie es auf der Ausgabenseite aussieht? Würden Sie uns ferner darüber Auskunft geben, ob das verbesserte Betriebsergebnis der Bundesbahn auf der Einnahmeseite konjunkturbedingt ist oder schon ein Erfolg der konjunkturpolitischen Maßnahmen ist, die wir gemeinsam anstreben?
Herr Kollege Müller-Hermann, ich werde darauf eingehen.
({0})
Mit dem Stoppen des weiteren Wachstums einer defizitären Eisenbahn und einer darüber hinausreichenden Verbesserung - Erhöhung des Ertrags - ist die Richtigkeit einer Politik bestätigt, die zunächst sehr umstritten war. Und nicht nur dies ist geschehen, sondern auch die vielfältigen Bemühungen und Anstrengungen, die bei und an der Eisenbahn unternommen worden sind, finden ihre reiche Belohnung. Unsere Eisenbahn fährt nicht mehr abwärts, sie fährt wieder auf eine gesündere Zukunft zu.
Ich weiß, daß es Stimmen gibt - ich greife hier Ihre Frage auf, Sie haben ja keine Bemerkungen gemacht -, die die Bedeutung dieses Erfolges herunterspielen möchten, aus Gründen, mit denen ich mich hier gar nicht auseinandersetze. Es wird gesagt, das
alles sei nicht das Ergebnis erfolgreicher Verkehrspolitik, sondern ganz einfach ein Ausfluß der Konjunktur. Wenn das so wäre, meine Damen und Herren, dann hätte die Eisenbahn von 1960 bis zum Sommer 1966 bei noch höherer Konjunktur nicht in ein solches Defizit von Milliarden hineinfahren müssen!
({1})
Wenn es jetzt die Konjunktur gewesen ist, dann war es bis zum Sommer 1966 schlechte Verkehrspolitik, die das Abgleiten der Eisenbahn auslöste. Das wird doch wohl hier in diesem Saal, Herr Kollege Müller-Hermann, nicht so ohne weiteres jemand behaupten wollen.
({2})
Wir haben jetzt eine Konjunktur, die sich wieder dem Konjunkturstatus, den wir 1964, 1965 und 1966 hatten, nähert, und außerdem eine erfolgreiche Verkehrspolitik, die die Verbesserung der Situtation bei der Eisenbahn um rund dreiviertel Milliarden DM allein im Jahre 1968 bewirkt hat.
({3})
Das, was erreicht worden ist, darf nicht alles sein. Die Voraussetzungen zu mehr sind eingeleitet und beginnen bereits zu greifen. Die erste Rate des Investitionsprogrammes bis 1972 mit rund 2,5 Milliarden DM wird voll realisiert; das ergibt sich aus der Finanzplanung der Bundesregierung. Die Maßnahmen zur Reorganisation, Konzentration und Rationalisierung der Bundesbahn werden zügig durchgeführt. 1967/68 konnte der Personalstand ohne Personalentlassungen und Spannungen um rund 38 000 Kräfte bei gestiegenen Verkehrsleistungen und gestiegenen Erträgen vermindert werden.
Die Anträge der Deutschen Bundesbahn zur Neuabgrenzung der Direktionsbezirke und zur Neuordnung der zentralen Stellen liegen nach Zustimmung des Verwaltungsrates der Deutschen Bundesbahn der Bundesregierung zur Entscheidung vor. Einige Länder haben gegen diese Entscheidungen des Verwaltungsrates Einspruch eingelegt. Demgemäß ist nach § 52 des Bundesbahngesetzes die alleinige Zuständigkeit des Bundesministers für Verkehr, in der Sache zu entscheiden, nicht mehr gegeben, sondern die Entscheidung liegt nun bei der Bundesregierung als Gesamtheit. Ich werde sofort nach Prüfung der Entscheidung des Verwaltungsrates - die Entscheidungsgründe habe ich erst seit 19. März im Besitz -der Bundesregierung eine entsprechende Vorlage unterbreiten, und die Bundesregierung wird nach eigener Prüfung dieses Vorganges dann meiner Auffassung nach im Monat Mai in der Lage sein, von sich aus eine Entscheidung in dieser sehr wichtigen und die Bahn im ganzen betreffenden Frage zu treffen. Wie die Entscheidung aussehen wird, kann ich heute nicht voraussagen; das kommt auf viele Überlegungen an, die dabei anzustellen sind.
Dem Antrag, ein zentrales Tarifamt zu errichten und die Zentralstelle für Betriebswirtschaft und Datenverarbeitung zu verselbständigen, habe ich bereits entsprochen.
Von den zur teilweisen oder vollständigen Stilllegung vorgesehenen 6500 Streckenkilometern sind in der Zwischenzeit rund 2000 Streckenkilometer von mir zur Stillegung genehmigt worden. Dies war im einzelnen ein sehr mühsames Unterfangen. Weitere 1900 Streckenkilometer liegen im Zonenrandgebiet. Dort wird es noch schwieriger. Für sie ist ein besonderes Verfahren vorgesehen. Der im Verkehrspolitischen Programm vorgesehene interministerielle Ausschuß wird seine Arbeit aufnehmen und dem Bundeskabinett zu den einzelnen Strecken im Zonenrandgebiet jeweils einen auch politisch begründeten Entscheidungsvorschlag machen.
Die Umwandlung der Verkehrsämter in Generalvertretungen ist seit dem 1. Oktober 1968 im Gange. Die Maßnahmen führen zu einer verstärkten kaufmännischen Beweglichkeit der Deutschen Bundesbahn. Wir spüren einen stärkeren Auftragsfluß, und ein besserer Kontakt mit den Kunden der Eisenbahn hängt von dieser Maßnahme im besonderen ab.
Die Bundesbahn hat sich auf den rasch zunehmenden Containerverkehr durch Einrichtung von bereits hergerichteten 27 Container-Terminals und Umschlagplätzen eingestellt. Weitere Terminals sind geplant und im Bau. Die Verbindungen durch schnelle Güterzüge sowohl mit deutschen Seehäfen als auch für internationale Verbindungen sind eingeleitet oder noch im Entstehen. Durch ein leistungsfähiges Angebot hat die Bundesbahn ihren Anteil an der Container-Zu- und -Abfuhr im deutschen Seehafenverkehr auf fast 70 % des gesamten Anteils gesteigert.
Zur Förderung des kombinierten Verkehrs Schiene/Straße wurde auf meine Initiative unter Beteiligung der Bundesbahn, des Güterfernverkehrsgewerbes und der Kraftwagenspedition die ,,Deutsche Gesellschaft für kombinierten Güterverkehr" gegründet. Ich setze gerade in diese Gründung starke Hoffnungen, da durch die gemeinsame Tätigkeit und das Zusammenwirken aller drei Beteiligten die Vertrauensbasis geschaffen werden kann, die für eine Ausweitung des kombinierten Verkehrs von Schiene und Straße so dringend erforderlich ist.
Daneben haben die europäischen Eisenbahnverwaltungen für die Durchführung des ContainerSchienenverkehrs eine eigene Gesellschaft gegründet, die den Namen „Intercontainer" trägt. Sie wissen, daß die Richtlinien für das 250-Millionen-DMProgramm, mit dem der Übergang von der Straße zur Schiene besonders gefördert werden soll, erarbeitet sind. Sie liegen der Europäischen Gemeinschaft in Brüssel vor. Ich hoffe, daß sie in den nächsten Tagen genehmigt und ohne Einwände der Kommission zurückkommen werden.
Meine Damen und Herren, ich weiß, daß alles, was geschehen ist - und dies ist nur ein kleiner Teilausschnitt von vielen technischen und organisatorischen Dingen, die im einzelnen ungeheuer viel Mühe gemacht haben -, nur möglich war, weil nicht nur der Vorstand der Deutschen Bundesbahn, sondern auch alle Eisenbahner die zum Teil belastenden und unbequemen Maßnahmen auf dem Wege 3) zur Gesundung ihrer Eisenbahn nicht nur toleriert, sondern auch mitgetragen haben. Ich weiß, daß gerade jetzt nach Verringerung der Personalstärke im Körper der Eisenbahn und angesichts des größeren Verkehrs von den Eisenbahnern große Anstrengungen verlangt werden. Für diese von Einsicht und Verantwortungsbewußtsein zeugende Haltung möchte ich mich ganz einfach bedanken.
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Wir sollten auf dem begonnen Weg, der, wie die Entwicklung zeigt, zur Gesundung der Eisenbahn führt, auch wenn er die Kräfte hart anspannt, gemeinsam weiter voranschreiten. Wir dürfen uns nicht damit begnügen, daß das Defizit der Deutschen Bundesbahn gestoppt wird. Wir müssen dieses Defizit verringern und müssen auf eine Sanierung der Deutschen Bundesbahn hinaus.
Deshalb muß nun neben allen Maßnahmen, die im Gange sind, die dritte Operation bei der Deutschen Bundesbahn eingeleitet werden, für die ich in Kürze der Bundesregierung Vorschläge unterbreiten werde. Eine Bundesbahn, die sich auf einen neuen Weg begeben hat, der bereits Erfolge aufweist und nach oben führt, kann erwarten, daß der Bund als Eigentümer nun auch von sich aus die Fragen aufgreift, die im Aufwärtstrend der Eisenbahn reif genug sind, beantwortet zu werden.
Ich will hier als Beispiel vor allem die drückende und zum Teil auf Kriegs- und Nachkriegsfolgen beruhende Schuldenlast und den Schuldendienst für die Deutsche Bundesbahn nennen. Mit dem Anpacken dieses Problems, bei dem es nicht um Geldansprüche, sondern um die Buchung von Schulden auf das richtige Konto geht, würde nicht nur ein Akt der Gerechtigkeit gegenüber einem einseitig damit belasteten Verkehrsträger vollzogen, sondern das Unternehmen selbst würde im symbolischen Sinne vor sich selber kreditwürdiger werden und würde auch psychologisch in seiner ganzen Kraft einen neuen Aufschwung bekommen, der wiederum auf eine bessere und wirkungsvollere Zusammenarbeit und ein besseres Ergebnis gerichtet wäre.
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Meine Damen und Herren, ich weiß, das ist ein sehr schwieriges Problem, und darüber muß dann auch noch mit dem Herrn Bundesminister der Finanzen gesprochen werden. Es ist kein Geldproblem, sondern es ist eine Frage der Ordnung der Konten untereinander.
Gestatten Sie, daß ich nun etwas zur internationalen Verkehrspolitik berichte. Es ist meiner Ansicht nach eine schwere Unterlassung, daß in den Römischen Verträgen kaum etwas über den Verkehr festgelegt worden ist. Das war mindestens eine der Ursachen dafür, daß zehn Jahre lang, von wohlklingenden Grundsatzbeschlüssen und Resolutionen abgesehen, in Brüssel nichts weiter geschehen ist. Diese Zeit der Sterilität ist vorbei. Wir sind auch in Fragen des Verkehrs in Europa vorangekommen und dürfen für uns in Anspruch nehmen, durch unsere nationalen politischen Entscheidungen hier auch die europäische Entwicklung in Gang gebracht zu haben.
Ich möchte uns gemeinsam ersparen, das, was in der Zwischenzeit in Brüssel geschehen ist, nun katalogartig aufzuzählen. Dazu vielleicht nur folgendes. Die zwölfjährige Übergangszeit, die der EWG-Vertrag für die Errichtung des Gemeinsamen Marktes vorsieht, endet am 31. Dezember 1969. Ich habe heute, obwohl zehn Jahre vergangen sind, ohne daß etwas geschah, und obwohl eigentlich erst seit dem letzten Jahr etwas geschehen ist und nur noch wenige Monate bis zum Ende des Jahres 1969 vor uns liegen, nach all dem, was in Gang gekommen ist, die Hoffnung, daß bis zum Ende dieses Jahres die Fundamente der gemeinsamen europäischen Verkehrspolitik errichtet sein werden.
Nach Veröffentlichung unserer verkehrspolitischen Konzeption wurde geunkt, dadurch werde die europäische Verkehrspolitik endgültig torpediert. Das Gegenteil ist eingetreten. Es wurde aber auch wiederholt die Befürchtung geäußert, daß die EWG-Verkehrspolitik durch bilaterale deutsch-niederländische Meinungsverschiedenheiten belastet sei und deshalb nicht vorankomme. Ich bin mir sehr bewußt, daß schwerwiegende bilaterale Dissense ein großes Hindernis auf dem Wege zu multilateraler Verständigung sein können. Deshalb habe ich mich von Anfang an auch besonders um einen Ausgleich mit den Niederlanden bemüht. Dem in monatelangen Verhandlungen erzielten Ergebnis haben wir am 17. März mit der Unterzeichnung eines Schlußprotokolls ein Ende setzen können.
Nach langen und schwierigen Verhandlungen wurden folgende Vereinbarungen mit den Niederlanden geschlossen
Erstens. Es bleibt bei dem früher bereits ausgehandelten Kontingent von 1950 Genehmigungen. Ich habe mich damit einverstanden erklärt, Maßnahmen zu unterstützen, mit denen eine optimale Ausnutzung dieses Kontingents für unsere holländischen Nachbarn erreicht wird.
Zweitens. In der Frage der Rheinschiffahrt haben wir uns erfreulicherweise geeinigt, daß gemeinsame Anstrengungen unternommen werden, um durch Stillegungsregelungen und Abwrackmaßnahmen die Marktlage auf dem Rhein zu verbessern. Außerdem sollen bilateral wie multilateral gemeinsam alle geeigneten Schritte unternommen werden, um das Frachtenniveau zu stabilisieren.
Unter diesen Voraussetzungen können wir davon absehen, die im Verkehrspolitischen Programm vorgesehene Anwendung obligatorischer Tarife im grenzüberschreitenden Binnenschiffsverkehr weiter zu verfolgen. Eine multilaterale Lösung ist mir lieber als nationale Lösungen, denen sich alle anderen, die den Streckenanteil Deutschlands bereisen, dann zu unterwerfen hätten.
Die niederländische Seite hat sich ferner damit einverstanden erklärt, allen Maßnahmen, die der Förderung des kombinierten Verkehrs dienen, besonderes Interesse zu widmen und die dafür erforderlichen Voraussetzungen zu schaffen. Dies ist eine Übereinkunft, die nach vorn führt, die nicht nur die Spannungen zwischen der Bundesrepublik und den Niederlanden beseitigt, sondern die sich darüber hinaus auch auf andere politische Tatbestände auswirkt und die gleichzeitig einen neuen zusätzlichen Ansatzpunkt für Einigungen und Verständigungen in Europa bilden wird.
Das Thema Verkehrsinfrastruktur ist vorhin in der Debatte schon berührt worden. Wir stehen vor einem ungeheuren Nachholbedarf und außerdem vor der Frage, wie wir Antwort geben sollen auf die Entwicklung des wachsenden Kraftfahrzeugbestandes, der sich von jetzt 12,5 Millionen Fahrzeugen bis zum Jahre 1980 auf 20 Millionen Fahrzeuge erhöhen wird. Wir sind dabei, in enger Zusammenarbeit mit allen Bundesressorts einen Plan zu erarbeiten, der in den nächsten 15 Jahren nach 1970 verwirklich werden soll. Der Plan, meine Damen und Herren, geht allerdings davon aus - wenn das nicht gesichert wäre, würde jede Planung in der Luft hängen -, daß der Deutsche Bundestag bei seinem Beschluß bleibt, 50 % des Mineralölsteueraufkommens für den Bau von Bundesfernstraßen zur Verfügung zu stellen.
({6})
Dies ist in den Jahren 1971 bis 1985 eine Summe von 93 Milliarden DM. Wer an diesem Punkte sparen will, der verschließt der Bevölkerung den Weg in eine glückliche Zukunft, vor allen Dingen auch im Wettbewerb mit anderen Völkern. Dies ist ein Punkt, an dem nicht gespart werden darf.
Die Bauleistungen sind in den letzten Jahren erheblich gesteigert worden. Der dritte Vierjahresplan enthält ein Bauvolumen, das höher ist als das der beiden vorangegangenen Vierjahrespläne zusammengenommen. Dies alles macht ungeheure Arbeit nötig, und es sind nicht nur moderne Methoden, die wir nötig haben, um die Vorfragen zu lösen, die zu dieser Großplanung gehören, sondern es ist insbesondere auch nötig, daß wir mehr Durchschaubarkeit in das Zwielicht mancher Entwicklungen in der Zukunft bringen. Dabei gibt es einige Fragen, die wir ohnehin nicht behandeln können.
Herr Kollege Rawe, Sie haben vorhin kritisiert, daß der Bundesverkehrsminister Ihnen in diesem Jahr die Zustimmung zum Haushalt schwerer gemacht habe als im vergangenen .Jahr, weil er dieses Mal mit Personalnachforderungen gekommen sei, die es voriges Jahr nicht gab. Ich muß Ihnen ehrlicherweise sagen: Dann habe ich Ihre Zustimmung auf eine Weise erreicht, die mich gar nicht so sehr freut. Wir haben nämlich das Personal unseres Hauses bei den Maßnahmen, die 1967 angelaufen sind, in einem Maße strapazieren müssen, daß das auch für einen Dienstherrn, der Minister ist, nicht weiter verantwortbar gewesen wäre. Ich darf Ihnen hier sagen: Dieses Haus war wahrscheinlich schon vorher bei meinen Vorgänger voll ausgelastet. Das müssen Sie eigentlich besser wissen als ich.
Die personelle Besetzung dieses Hauses hat gerade ausgereicht, um beispielsweise die Aufsicht über eine Eisenbahn auszuüben, die ins Defizit fuhr. Es ist aber erforderlich, darüber nachzudenken, ob man nicht einen Mann an der Spitze dieser Eisenbahnabteilung vom Ministerialdirigenten zum Direktor befördert, damit er auch mit der Eisenbahn etwas mehr auf pari reden kann in den Jahren, in denen die Eisenbahn gesund und saniert werden soll. Dadurch ist meine Nachforderung beispielsweise auf dem Gebiet entstanden.
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Alles andere bezieht sich auf die Planungsaufgaben, vor denen wir stehen. Dort brauchen wir neues, spezifisch ausgebildetes Personal. Das können Sie nicht mehr mit älter gewordenen Mitarbeitern machen, sondern nur mit jüngerem, technisch geschultem Personal, das sich nicht nur in modernen Planungstechniken auskennt, sondern auch die ganze moderne Maschinerie beherrscht, die ganz einfach dazugehört. Dazu habe ich ein paar Planstellen beantragt. - Bitte schön!
Herr Minister, gestatten Sie eine Frage? Herr Abgeordneter Rawe!
Herr Minister, seien Sie mir nicht böse, aber meinen Sie nicht, daß Sie ein schlechtes Beispiel gewählt haben? Denn darum ging es mir nicht es ging mir vielmehr um die Mehrforderungen wegen des Planungsstabes, und da darf ich Sie fragen, ob Sie diesen Planungsstab nicht doch sehr umfangreich gehalten haben.
Ich kann Ihnen nur sagen: Wenn Sie eine Begründung für meine Forderungen wollen, dann lesen Sie einmal einen Artikel im „Volkswirt", der vor etwa drei Wochen erschienen ist. Da bekommen Sie aus einer kritischen Feder den schlüssigen Beweis dafür erbracht. Dort wird mir sogar ein Versehen und ein Vergehen vorgeworfen, weil ich das nicht schon früher getan habe.
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Ich habe diese Stellen schon 1967 beantragt, bin aber da ist das „Stopp!" des Finanzministers und des Haushaltsausschusses hineingelaufen. Es wäre nicht schlecht gewesen - auch wegen der Erfüllung von Forderungen, die dieses Hohe Haus an mich gestellt hat, nämlich das Verkehrswegeprogramm rechtzeitig auf den Tisch zu legen --, wenn Sie mir dazu auch rechtzeitig die Voraussetzungen bewilligt hätten, die nötig sind, um so etwas zu machen, ohne Risiken offenzulassen, die nachher Milliarden kosten würden.
({1})
Herr Minister, gestatten Sie noch eine Frage des Abgeordneten Haehser?
Bitte sehr!
Herr Minister, halten Sie es für möglich, daß der Kollege Rawe vergessen hat, daß die Bewilligung der Planstellen, die Sie für Ihren Planungsstab benötigen, in Ihrer und meiner Gegenwart - wenn ich mich recht erinnere - im Haushaltsausschuß einstimmig erfolgt ist?
Ja. Ich kann Herrn Rawe nicht fragen; er kann Ihnen die Antwort ja direkt geben. Er hat ja zum Schluß gesagt, daß er dem Haushalt trotzdem zustimmen will. Das beruhigt mich.
Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluß. Mir ist während der ganzen Auseinandersetzungen im letzten Jahr mehr als einmal ein Wort von Lichtenberg eingefallen, das lautet: Wer ein Licht durch die Menge trägt, der muß damit rechnen, daß er jemand verbrennt. So geht es jedem, der sich reformerischen Aufgaben zuwendet.
({0})
Wer das nicht auf sich nehmen will und dazu nicht bereit ist, der kann vielleicht ein bequemes Leben führen, damit aber nie eine Reform zustandebringen. Eine Reform, die niemand wehtut, gibt es nicht.
({1})
Meine Damen und Herren, ich möchte Sie bitten - ich habe deshalb meine Rede auch auf Frieden angelegt -, lassen Sie uns in der kommenden Zeit gemeinsam danach streben, das, was im Verkehr in Unordnung ist, wieder in Ordnung zu bringen, dann haben wir nicht nur finanziell etwas erreicht, sondern auch eine Leistung vollbracht, die mitbestimmend ist für die Zukunft und dafür, wie die Menschen in unserem Lande leben werden. Ich bitte Sie sehr herzlich, den Einzelplan 12 zu genehmigen.
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Das Wort hat der Abgeordnete Lemmrich.
Herr Präsident!
Meine verehrten Damen und Herren! Die Ausführungen des Herrn Bundesverkehrsministers haben wir mit großer Aufmerksamkeit gehört, ganz besonders das letzte Wort, er habe seine Rede auf Friede angelegt. Es wäre erfreulich, wenn er die Reden nicht nur hier im Haus auf Frieden anlegte, sondern auch draußen.
({0})
Meine verehrten Damen und Herren, durch die weitere technische Entwicklung und das weitere Steigen der Lebensbedürfnisse wird auch der Bereich des Verkehrswesens weiterhin einem starken Wandlungsprozeß unterworfen sein. Die Probleme der Verkehrspolitik werden bleiben, und sie werden uns in Zukunft ebenso intensiv beschäftigen.
Wenn wir an diesen zum Teil sehr rasanten Wandel denken, stellt sich einmal die Frage, welches wirtschaftliche System diesen Wandel am besten meistern kann. Es muß nach unserer Ansicht ein System sein, das eine hohe Elastizität und schnelle Anpassungsfähigkeit aufweist. Als solch ein System hat sich die Marktwirtschaft erwiesen. Sie scheint uns am ehesten geeignet zu sein, der Gefahr von Fehlinvestitionen, die gerade im Verkehrsbereich mit seinen immensen investiven Aufwendungen immer gegenwärtig ist, zu begegnen.
Wir wissen allerdings, daß marktwirtschaftliche Grundsätze auch gleiche Wettbewerbschancen für alle bedeuten. Hier ist für die Verkehrspolitik ein zentrales Problem der Wegekosten, das in den Ausführungen des Kollegen Rawe und in den Zwischenfragen anklang. Wir sind uns, glaube ich, einig, daß es, wenn wir über Wegekosten sprechen, nicht nur um Schiene und Straße geht, sondern daß die Wasserstraßen und die Flughäfen einschließlich der Flugsicherung, deren Kosten laufend steigen, mit hineingehören. Nur an dieser Orientierung wird man sehen können, wo es sinnvoll ist, weiter zu investieren, und ob die Nutzer dieser Einrichtungen auch bereit sind, die Kosten zu tragen, oder ob sie dann andere Verkehrsmittel vorziehen.
Wenn man mit solch grundsätzlichen Überlegungen beginnt, muß man die Frage stellen, ob das ursprüngliche Verkehrsprogramm des Herrn Bundesverkehrsministers den Anforderungen einer modernen Politik entsprach. Obwohl der Herr Minister Leber ein Herz für die Marktwirtschaft hat - das hat er früher, als er noch nicht auf dieser Bank hier oben erhöht über uns saß, deutlich gemacht; das möchte ich ausdrücklich betonen -, war bei dem Entwurf seines Programms von diesen seinen Herzensregungen wenig zu spüren.
({1})
Nach unserer Auffassung war dieses Programm nicht der Ausdruck einer modernen Politik.
Wir von den Unionsparteien haben bewiesen, daß es auch anders geht. Die CDU/CSU hat dafür gesorgt, daß aus einem unzureichenden Programm des Bundesverkehrsministers eine einigermaßen vernünftige Sache geworden ist.
({2})
- Meine verehrten Koalitionskollegen, ich verstehe Ihre Unruhe durchaus. Aber sie ändert an den Sachverhalten einfach nichts. Selbst Herr Minister Leber hat bei der Verabschiedung des Straßenbeförderungsteuergesetzes erklärt, es sei ja alles viel besser geworden, als er es anfangs gedacht habe.
({3}) Ich glaube, dieses ist eine eindeutige Aussage.
Was wir geschaffen haben - das zu bekennen sollten wir ehrlich genug sein -, ist eine Übergangslösung, ich möchte sagen: eine notwendige Übergangslösung. Die eigentliche Reform steht noch bevor. Sie wird sich an der europäischen Verkehrspolitik orientieren müssen. Wir begrüßen es deswegen, daß der Herr Bundesverkehrsminister im europäischen Bereich besondere Anstrengungen unternommen hat. Ich glaube, diese meine Äußerung macht deutlich, daß es nicht darum geht, nur Kritik zu üben, sondern daß wir durchaus die Dinge sehen, die unserer Meinung nach des Erwähnens auch wirklich wert sind.
Wir sind der Ansicht, daß Verkehrspolitik und Wirtschaftspolitik nicht in Widerspruch zueinander stehen sollen, was in dem ursprünglichen Programm - und zum Teil auch in den verabschiedeten Regelungen im Hinblick auf die Regionalpolitik - leider der Fall ist. Wir meinen, daß die regionalpolitische Komponente in der Verkehrspolitik noch mehr Berücksichtigung finden muß. Ich habe eine gewisse Sorge, wenn ich sehe, daß bei den Regelungen über Sondervereinbarungen der EWG-Kommission die Bemessung, von wann ab solche Sondervereinbarungen möglich sind, sich an der Menge und nicht an der Verkehrsleistung orientiert. Die Orientierung an der Verkehrsleistung würde den regionalen Überlegungen mehr Rechnung tragen, nämlich jenen Betrieben, die an der Peripherie der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft ihren Standort haben.
Der Herr Bundesverkehrsminister ist noch einmal auf einzelne Maßnahmen des Programms eingegangen. Er kam auch noch einmal auf das zu sprechen, was unter dem Gesamttitel „Verkehrsverbote und Einschränkungen bei Schwer-Lkws" zu verstehen ist. Er hat den Kollegen Dr. Müller-Hermann indirekt angesprochen. Wie war das damals mit dem Vorschlag, der Bundesverkehrsminister möge von § 6 des Straßenverkehrsgesetzes Gebrauch machen? In mehr als sieben Koalitionsverhandlungen wurde über Verkehrsverbote beraten. Als sich dann ein Kompromiß anbahnte, sagte der Kollege Müller-Hermann: „Herr Minister, wenn Sie etwas tun wollen, dann ist das Ihre Sache. Die rechtliche Möglichkeit haben Sie schon, die brauchen wir gar nicht zu schaffen". Das wurde dann bezweifelt. Deswegen kam diese Formulierung in die Koalitionsvereinbarung. Es hat sich dann herausgestellt, daß der Kollege Müller-Hermann recht hatte; die rechtliche Grundlage ist vorhanden, ausreichend vorhanden. Es ist notwendig, dies klarzustellen.
Wir sind alle froh, daß die Meinung einhellig ist, daß Verkehrsverbote kein sinnvolles Mittel der Verkehrspolitik sind. Wir freuen uns, daß Herr Minister Leber das selbst erkannt hat. Denn er hat auf der Pressekonferenz am 26. Juni 1968 sehr deutliche Ausführungen darüber gemacht. Er sagte:
Ich war mir nie im Zweifel über die praktische Wirkung für den Fall, daß sie
- gemeint waren die Verkehrsverbote für Lkws verwirklicht würden, habe sie aber nie als der Weisheit letzten Schluß empfunden, sondern als ein wichtiges operatives Element. Man muß eben, wenn man etwas erreichen will, manchmal im Vorland Positionen aufbauen, um sie gegen sichere Positionen austauschen zu können.
Herr Minister Leber, ich kann dazu nur sagen: schade, daß wir beide - wir, d. h. beide Verhandlungsparteien - so viel Zeit auf etwas verwendet haben, dem Sie ja diesen Wert nicht beimessen. Denn für das, was dann herauskam, nämlich daß wir für den kombinierten Verkehr, um eine in die Zukunft gerichtete Verkehrstechnik zu fördern und anlaufen zu lassen, jährlich 250 Millionen DM zur Verfügung stellen, hätten Sie bereits bei der ersten Verhandlung unsere vollste Zustimmung erhalten,
({4})
weil wir dies als einen richtigen und vernünftigen Weg ansehen. Es ist eigentlich schade, daß unsere Zeit, die nun einmal sehr karg bemessen ist, auf diese Weise nicht gut genutzt worden ist.
Bei der Beförderungsteuer ging der Bundesverkehrsminister von dem Umlenkungseffekt aus. Da diese Beförderungsteuer nicht obligatorisch in die Tarife eingeht, wird das erwünschte Gefälle nicht in dem Maße, wie es beabsichtigt war, hergestellt. Die großen Lkw-Unternehmer, die meist einen höheren Auslastungsgrad haben, werden es wohl überstehen. Treffen wird es die kleineren mittelständischen Existenzen, die diesen Auslastungsgrad nicht haben, und das kann ja wohl nicht der Sinn der Sache sein. Ich glaube, daß das weder Ihre noch unsere Absicht ist.
Nach unserer Meinung ist diese Verkehrsteuer eine, wenn auch unzureichende Vorwegnahme der Wegekostenlösung. Wir haben von Anfang an eine Wegekostenlösung für alle Lkws, für den Fern- und Nahverkehr, vorgeschlagen. Grundgesetzprobleme standen dem im Wege. Inzwischen ist das in die große Finanzreform mit aufgenommen worden. Da dieses Programm aber so lange in Ihrem Hause vorbereitet wurde, hätten doch auch solche Überlegungen angestellt werden können. Vom Zeitablauf her wäre es durchaus möglich gewesen, diesen Weg einzuschlagen. Auf alle Fälle können wir für
Deutscher Bundestag - 5. Wahlperiode - 224. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den' 26. März 1969 12311
die Unionsparteien in Anspruch nehmen, daß die Initiative für eine zukunftsorientierte Lösung von uns ausgegangen ist.
Die Frage der Straßenentlastung spielt immer noch eine sehr große Rolle, auch in der hier angesprochenen Illustrierten „Contra Verkehrsmisere". Es wäre sicher besser gewesen, wenn an Stelle von Propaganda echte Information geboten worden wäre. Wenn man diese Zeitschrift liest, hat man manchmal den Eindruck, als würde dem Bundesbürger güterzugweise der Sand in die Augen gestreut.
Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen, ich möchte hier einen Punkt aufgreifen, der gerade kontrovers war: die Frage der Personalausstattung. Soweit ich unterrichtet bin, ist der Bereich „Öffentlichkeitsarbeit" in Ihrem Hause auch entsprechend ausgeweitet worden. Ich sehe ein, daß Sie besser informieren wollen, aber ich meine, es sollten auch wirklich konkrete Informationen sein, damit unser Bürger überhaupt weiß, daß es Nah- und Fernverkehr gibt, wie es mit der Entlastung und mit den 800 000 Lastkraftwagen im Nahverkehr und den 25 000 im Fernverkehr und den 35 000 im Werkfernverkehr ist, damit er weiß, daß sich die Maßnahmen nur gegen den Fernverkehr richteten, und damit sich jeder die mögliche Entlastung der Straßen an den fünf Fingern ausrechnen kann. Das Problem der Straßenentlastung ist zu ernst, als daß hier zweifelhafte Aktionen gestartet werden und Hoffnungen erweckt werden, die dann nicht realisiert werden können.
Wir meinen - und ich glaube, darüber sind wir uns alle einig -, daß die Verbesserung auf den Straßen mit allen nur möglichen Maßnahmen angestrebt werden muß. Wir haben einen Beitrag geleistet, indem wir den Antrag einbrachten, stärker belastete Autobahnen auf sechs Spuren auszubauen. Wir sind sehr froh, daß Ihr Haus diesen Antrag sofort aufgriff und eine entsprechende Vorlage erarbeitet hat. Wir sind dafür dankbar, insbesondere der Abteilung, die diese Arbeit leistete.
Hier war vom Personal die Rede. Ich meine, daß der erhöhte Aufwand für den Straßenbau es natürlich auch erforderlich macht, daß das notwendige Fachpersonal zur Verfügung steht. Dafür möchte ich mich hier ausdrücklich einsetzen. Meine verehrten Damen und Herren, wir wissen, was diese Herren dort leisten. Sie haben ein Konjunkturprogramm ohne wesentliche personelle Ausweitungen untergebracht. Sie haben oft bis an die Grenze der physischen Erschöpfung gearbeitet. Das muß man sehen, und daß muß sich unseres Erachtens auch in der Personalausstattung niederschlagen.
Was den schnelleren Verkehrsfluß auf unseren Straßen betrifft, so muß ich allerdings darauf hinweisen, daß hier schon seit geraumer Zeit einiges unternommen wird, daß auf Bundesstraßen an Steigungsstrecken zusätzliche Fahrspuren eingerichtet worden sind, daß die Straßen mit dem sogenannten Zwischenausbau im Schnellverfahren verbreitert werden konnten, daß bessere Fahrbahndecken aufgetragen wurden, und zwar ohne allzu hohen finanziellen Aufwand. Hier konnten durch neue Bauverfahren wesentliche Verbesserungen erreicht werden. Und das war schon vor 1966. Wir wollen die Verkehrspolitik nicht nur aus der Sicht der letzten zwei Jahren betrachten.
Im Verkehrspolitischen Programm der Bundesregierung spielt die Bundesbahn eine zentrale Rolle, und der Herr Bundesverkehrsminister hat schon Auskunft darüber gegeben, daß über die Realisierung der Vorschläge, die der Verwaltungsrat der Deutschen Bundesbahn gemacht hat, demnächst im Bundeskabinett entschieden wird. Ich hätte diese Frage gestellt; sie ist damit jetzt vorerst beantwortet.
Wir sind uns alle darüber im klaren, daß bei der Bewältigung des Verkehrs in einem dicht besiedelten Lande die Eisenbahn unersetzbar ist. Das gilt auch für den Personenverkehr und gerade für den Personenverkehr!
({5})
Denken wir z. B. an unsere Ballungsräume. Es lag mir unlängst eine Untersuchung aus den Vereinigten Staaten vor, wo man die Eisenbahn für den Personenverkehr jetzt wieder entdeckt hat. Diese Untersuchung einer Strecke von Boston/New York nach Washington ergab, daß auf einem Eisenbahngeleis so viele Menschen befördert werden können wie im Individualverkehr auf 20 Fahrspuren einer Autobahn.. Die ganze Problematik des Individualverkehrs und der Ballungsräume enthält Fragen, die unserer besonderen Aufmerksamkeit wohl würdig wären. Wir müssen uns mit diesen Problemen in Zukunft noch eingehender befassen. - In Anbetracht der Kürze der mir zur Verfügung stehenden Zeit möchte ich diese Problematik heute nicht ausweiten.
Wir wollen hier auch feststellen, daß die Bemühungen der Deutschen Bundesbahn und ihrer Mitarbeiter seit Jahren sehr bedeutend sind. Meine Fraktion spricht den Mitarbeitern der Bundesbahn unsere größte Anerkennung aus. Wir sind uns darüber klar, daß der Durchbruch nur nach vorne geschehen kann, nicht nur in negativer Rationalisierung. Vielmehr muß die Bahn durch neue Verkehrstechniken auch am Zuwachs des Verkehrsaufkommens stärker teilnehmen, als das bisher der Fall ist.
Der Herr Bundesverkehrsminister hat von der finanziellen Entwicklung der Deutschen Bundesbahn gesprochen, von der jetzigen Situation, und er hat daran die Replik geknüpft, nachdem das jetzt so schön sei, müsse doch früher die Verkehrspolitik recht schlecht gewesen sein. - Nun, Herr Bundesverkehrsminister, ich würde sagen, eine Schwalbe macht keinen Frühling. Wir wollen hoffen, daß diese Entwicklung fortdauert. Wir haben das aber schon einmal erlebt; es liegen mir hier die Zahlen der Verluste der Deutschen Bundesbahn aus vorhergegangenen Jahren vor. Im Jahre 1965 waren es 1,278 Milliarden DM, im Jahre 1966 1,105 Milliarden, also über 170 Millionen weniger. Das war natürlich auch schon ein Silberstreifen am Horizont. Wir wollen gar nicht davon reden, daß wir im Jahre 1960 einen Buchverlust von nur 13,5 Millionen gehabt haben.
Ich möchte damit nur feststellen, daß man diese Dinge erst dann endgültig beurteilen kann, wenn einmal alles zusammen auf dem Tisch liegt. Wir wünschen, daß die Hoffnungen, die Sie hier ausgesprochen haben, zutreffen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, das, was uns der Bundesverkehrsminister hier sagt, und was er draußen äußert, ist manchmal etwas unterschiedlich. Ich bedaure außerordentlich, daß der Herr Bundesverkehrsminister dabei ist, eine gewisse Legendenbildung zu betreiben. In einem Artikel im „Volkswirt", der im SPD-Pressedienst vom 13. März 1969 vorveröffentlicht wurde, geht Herr Minister Leber auf das ein, was vorher war, als er dieses Amt übernahm. Er schreibt wörtlich:
Jedermann weiß, in welch aussichtsloser Situation sich das Verkehrswesen unseres Landes in weiten Bereichen damals befand.
Wie war das denn, Herr Minister? Was fanden Sie vor? Sie fanden vor einen auf Hochtouren laufenden Straßenbau, der in Europa seinesgleichen suchte. Sie fanden vor den vom Kabinett Erhard vorbereiteten und beschlossenen dritten Vierjahresplan mit einem Volumen von 18 Milliarden DM.
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Es ist erfreulich, daß nach den mir vorliegenden Zahlen dieser Vierjahresplan weitgehend realisiert wird. Sie vollzogen hier das, was der Vorgänger erarbeitet hatte. Das muß ich zur Ehre dieses Mannes, der nicht mehr unter uns weilt, einmal sagen.
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Ein weiteres fanden Sie vor, Herr Minister. Sie fanden vor einen von der CDU/CSU-Minderheitsregierung aufgenommenen Antrag des Kollegen Dr. Müller-Hermann und von mir, der die Erhöhung der Mineralölsteuer vorsah, um der Finanzierung des Verkehrsausbaus in den Gemeinden endlich die Finanzspritze zu geben, die notwendig und unerläßlich war. Wir haben lange sehr intensiv darum gekämpft. Im Jahre 1967 standen dafür 595 Millionen DM zur Verfügung, im Jahre 1968 750 Millionen DM, und heuer werden es 800 Millionen DM sein. Herren, die jetzt auf der Regierungsbank sitzen, von der man - so habe ich mir sagen lassen - einen besseren Überblick haben soll, waren damals sehr gegen diese Lösung und sprachen nur: Das muß durch eine erhöhte Zweckbindung der Mineralölsteuer geschehen. Wir haben uns den Gesamtbetrachtungen hinsichtlich der Finanzpolitik nie entziehen können. 1966 gab es hier noch eine Debatte über diese Probleme, in der die Fronten etwas anders verliefen als heute. Als 1966 in Bayern Landtagswahlkampf war, meine verehrten Kollegen von der Koalition, war einer der Wahlslogans, die Sie in allen Zeitungen lesen konnten: Bonn will uns alle schröpfen. Darunter stand: Deshalb SPD. Es ist um so mehr anzuerkennen, daß Sie trotz dieser Äußerungen, trotz dieser Festlegungen im Wahlkampf die notwendigen Regelungen mit uns gemeinsam beschlossen haben, während sich die Freien Demokraten dieser notwendigen Regelung leider vorher und auch später verschlossen haben.
Herr Bundesverkehrsminister, Sie fanden auch eine Bundesbahn vor, die sich in voller Rationalisierung befand und die von 1957 bis 1966 zirka 100 000 Mitarbeiter eingespart hatte, deren Verluste jedoch trotzdem von 13,5 Millionen DM im Jahre 1960 auf 1,1 Milliarden DM im Jahre 1966 gestiegen waren. Dazu muß man aber auch sagen: wäre der Personalstand nicht um 100 000 Mann vermindert worden, so wäre die Lohn- und Gehaltskurve im rückblickenden Vergleich mit 1957 auf nahezu doppelter Höhe gewesen. Die Problematik der Bundesbahn kennen wir doch alle, und wir wissen auch, daß die Probleme nicht von heute auf morgen vom Tisch zu bringen sind.
({8})
Wir sind in einem sozialen Rechtsstaat, und in einem sozialen Rechtsstaat müssen solche Umstrukturierungen auch sozial abgefedert werden. Dazu hat sich diese meine Fraktion immer bekannt. Sie tut es heute ausdrücklich wieder.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Herr Bundesverkehrsminister fand auch das Verkehrspolitische Programm für die 5. Wahlperiode von Herrn Dr. Seebohm vom 26. Januar 1966 vor, in dem all die Rationalisierungsmaßnahmen bereits fixiert waren, die sich dann im Verkehrspolitischen Programm vom 19. Januar 1968 wiedergefunden haben. Ich meine, das alles sollte man bedenken, wenn man solche Ausführungen macht.
Allerdings fand der Herr Bundesverkehrsminister Leber auch eines vor: er fand den gescheiterten Versuch seines Vorgängers vor, im Zuge der Einführung der Mehrwertsteuer die Werkfernverkehrsteuer zu erhalten. Hier hatte sein Vorgänger keinen Erfolg, ein kapazitätsstabilisierendes Element im Güterkraftverkehr zu erhalten. Hier ist letztlich auch einer der wesentlichen Aufhänger des Verkehrspolitischen Programms dieser Bundesregierung. Deswegen habe ich es als eine notwendige Lösung, wenn auch als eine Übergangslösung bezeichnet.
Wir brauchen eine rationale Verkehrspolitik, und wir sollten draußen nicht anders sprechen als hier. Es ist nicht gut, wenn hier Legendenbildungen versucht werden.
({9})
Ich möchte ganz eindeutig feststellen, daß wir uns als loyale Partner verhalten haben.
({10})
- Ich kann das, meine verehrten Kollegen, insbesondere von mir persönlich in der Verkehrspolitik sagen.
Ich darf noch feststellen, daß die Dinge, die wir durchgesetzt haben, das Ergebnis gemeinsamer Anstrengungen sind. Uns ging es nie um Prestige, sondern uns ging es ausschließlich um möglichst sachgerechte Lösungen, wobei wir sehr wohl wissen, daß der Kompromiß das legitime Kind der Demokratie ist.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Frage?
Bitte sehr, Herr Kullege!
Herr Abgeordneter Schmidt ({0}).
Herr Kollege Lemmrich, Sie haben wiederholt von einer Legendenbildung gesprochen. Ist es etwa auch eine Legende, wenn ich sage, daß Sie 1965 mit zu den Abgeordneten im Verkehrsausschuß zählten, die für die Erhöhung des Anteils für den Straßenbau aus der Mineralölsteuer plädiert haben?
Herr Kollege Schmidt, ich habe mich sehr entschieden dafür eingesetzt, daß der Anteil der zweckgebundenen Mittel, der in der damaligen Regierungsvorlage mit 42% vorgesehen war, auf 50% erhöht wurde. Dabei weiß ich sehr wohl, daß die Vorstellungen im Verkehrsausschuß weiter gingen und ein ganzer Teil meiner Kollegen auch diesen Standpunkt vertrat. Aber ich sah sehr wohl auch die gesamte damalige Haushaltssituation.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich darf vielleicht abschließend noch einiges über Vorstellungen äußern, die meine Fraktion im Verkehrsbereich hat. Die moderne Verkehrspolitik braucht alle Verkehrsträger. Der Herr Bundesverkehrsminister hat das hier heute einmal klargestellt. Ich bin ihm dankbar für diese Klarstellung, weil manchmal durch die Publikationen der Eindruck entstehen könnte, es sei vielleicht etwas anders.
Wir halten nichts davon, die Verkehrsträger gegeneinander auszuspielen. Wir wissen, daß Koordination hier sind sehr entschiedene Ansätze getroffen worden - das Gebot der Stunde ist. Wir halten die marktwirtschaftliche Orientierung für den zweckmäßigsten Weg, wobei die Heranführung schrittweise erfolgen sollte, um unnötige Spannungen zu vermeiden. Die Schwierigkeiten, die hier auf uns zukommen, unterschätzen wir nicht. Wir wissen auch, daß die Kollegen der FDP hier Schwierigkeiten haben. Ich weiß, daß Sie davon sprechen, Sie wollten alte Zöpfe abschneiden. In der Verkehrspolitik habe ich den Eindruck, daß Sie in die alten Zöpfe Stahleinlagen einflechten, damit sie wirklich nicht abgeschnitten werden können. Doch, meine verehrten Damen und Herren, darüber können wir uns ja bei anderer Gelegenheit noch etwas mehr unterhalten.
Wir begrüßen und wir wünschen eine weitere Forcierung der EWG-Verkehrspolitik. Ich habe bereits an anderer Stelle Ausführungen dazu gemacht.
Unter diesen Aspekten halten wir für die nächste Zeit folgende Maßnahmen für erforderlich.
Erstens. Eine völlige Neufassung des Bundesbahn- und des Güterkraftverkehrsgesetzes.
Zweitens. Nach Erstellung der Wegekostenrechnung, an der, wie ich unterrichtet bin, sehr intensiv gearbeitet wird, sollten die entsprechenden Wegekostenabgaben in allen Bereichen eingeführt werden.
Drittens. Die baldige Vorlage des im Verkehrsprogramm angekündigten Gesamtwegeplanes. Ich weiß, wie schwierig das ist. Aber es erscheint mir dringend notwendig, um die Gefahr von Fehlinvestitionen so weit wie möglich auszuschalten.
Viertens. Bei der Ausarbeitung des zweiten Ausbauplanes erwarten wir eine ausgewogene Straßenbaupolitik unter dem Aspekt, daß die Straße sowohl den einmal vorhandenen und wachsenden Verkehr aufnehmen muß als auch eine wichtige Erschließungsfunktion für periphere und wirtschaftlich schwache Gebiete hat.
({0})
Fünftens. Alle Maßnahmen dieses rasanten Wandlungsprozesses müssen auch die entsprechende soziale Absicherung finden.
Sechstens. Die Fortführung und Intensivierung der Maßnahmen zur Förderung der Straßenverkehrssicherheit sowohl beim Bau der Straßen wie bei der Gestaltung der Kraftfahrzeuge und bei der Verkehrserziehung. Hier begrüßen wir insbesondere die Vorlage des Fahrlehrergesetzes, über das wir hoffentlich in dieser Legislaturperiode noch entscheiden können, und auch ein gezieltes Angehen der Hauptunfallquellen, wie es u. a. mit dem Gesetz über die Herabsetzung des Blutalkoholgehalts bereits geschehen ist. Wir wissen, daß ein grundlegender Wandel, der zu einer Vermeidung von Verkehrsunfällen führen soll, einen grundlegenden Wandel in der Einstellung aller Verkehrsteilnehmer erforderlich macht. Ich möchte hier nur an den Begriff „defensives Fahren" erinnern. Die Fraktion der CDU CSU hat in der Verkehrspolitik immer eine moderne und in die Zukunft gerichtete Politik betrieben. Wir werden das auch weiterhin tun.
({1})
Das Wort hat der Abgeordnete Seifriz.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe den Eindruck, wir erleben hier einen relativ friedlichen Nachmittag. Wenn ich die Ausführungen, die Herr Lemmrich heute gehalten hat, mit dem vergleiche, was wir früher von ihm gelegentlich gewohnt waren, muß ich sagen, daß sogar er sich relativ friedlich verhalten hat.
({0})
Das fiel mir ganz besonders auf, als er nach Herrn Dr. Imle zum wiederholten Male diese hervorragend gelungene Broschüre „contra Verkehrsmisere" erwähnte. Ich möchte ihm dafür ganz besonderen Dank sagen; Sie, Herr Lemmrich, sind dann ja wohl mit mir der Meinung, daß „contra Verkehrsmisere" ein großes Werk der Großen Koalition preist, und da wir alle zusammen dieser Großen Koalition angehören, ist es eine gute Sache, daß die Regierung ihre Politik gut verkauft.
({1})
Lassen Sie mich auch vorweg - -({2})
--- Bitte schön, dazu gern!
Der Herr Bundesminister für Verkehr deutete vorhin an, daß er möglicherweise etwas in Bedrängnis kommen würde. Ich frage Sie, ob Sie nach den Ausführungen von Herrn Dr. Imle, der deutlich darauf hingewiesen hat, daß hier einseitig eine bestimmte Partei oder die Namen von Ministern einer bestimmten Partei genannt worden sind, nicht möglicherweise Gefahr laufen, daß Sie diese Illustrierte gar nicht weiterdrucken dürfen; denn es könnte ja sein, daß das Bundesverfassungsgericht sagt, das sei eine verkappte Parteienfinanzierung.
({0})
Wissen Sie, ich halte es im März 1969 für durchaus legitim, daß der Vertreter der Opposition eine solche Außerung macht; wahrer wird sie dadurch nicht.
({0})
- Wenn wir uns noch weiter über „contra Verkehrsmisere" unterhalten wollen mit dem größten Vergnügen, Herr Dr. Imle. Bitte schön!
Dr. Imle FDP : Um das hier einmal ganz deutlich herausstellen: Geben Sie mir zu, Herr Seifriz, daß allein drei Vertreter, die in diesem Rätsel genannt sind, Mitglieder der SPD sind und damit Propaganda für eine Partei mit Steuermitteln getrieben wird?
({1})
Das würde ich ganz entschieden zurückweisen. Ich möchte sagen: es handelt sich um eine Aufklärungsaktion der Großen Koalition.
({0})
Dabei will ich es mir versagen, an bestimmte Vorgänge zu erinnern - weil ich dieses Vorgehen für sehr legitim halte -, bei denen man wirklich von einer Parteipropaganda hat reden können. Denken wir an die Vergangenheit, denken wir an das, was früher durch bestimmte Fonds finanziert wurde!
({1})
So gern ich weiter über „contra Verkehrsmisere" rede, so ist es mir doch lieber, sie wird gelesen. Sicher wird diese heutige Debatte erneut dazu beitragen, daß man auch diese Broschüre heranzieht, wenn man sich über die positiven Folgen und Absichten des Verkehrspolitischen Programms informieren will.
Lassen Sie mich vorweg noch eine Bemerkung zu einer Ausführung von Herrn Lemmrich machen, der ein erneutes Bekenntnis zur Marktwirtschaft im Verkehr abgelegt hat. Ich möchte hier ganz deutlich sagen, daß ich den Verzicht auf das Beförderungsverbot nicht für einen verkehrspolitischen Fortschritt in dieser Zeit halte,
({2})
sondern - soweit meine Fraktion angesprochen ist - für eine Konzession, die uns um so leichter fiel, als wir mit dem 250-Millionen-DM-Fonds eine ganz bestimmte verkehrspolitische Aufgabe erfüllen können.
({3})
Ich glaube nicht, daß die Frage des Verkehrsverbots eine Frage der Ideologie ist, so wie ich nicht glaube, daß die Marktwirtschaft eine Frage der Ideologie ist, sondern eine Frage, wie wir zweckmäßig in unserem Land Politik betreiben.
({4})
Wenn wir in bestimmten Zeiten und bestimmten Bereichen mit der Marktwirtschaft allein nicht weiterkommen, muß es uns möglich sein, mit ordnenden Maßnahmen einzugreifen und auch zeitweilig den Verkehrsträgern unterschiedliche Belastungen zuzumuten - zum Wohl aller.
({5})
Marktwirtschaft um jeden Preis haben wir nie auf unsere Fahne geschrieben, sondern wir sind immer der Meinung gewesen: so liberal wie nur irgend möglich, allerdings nicht zugunsten einseitiger Interessenten, sondern zugunsten des Gesamtwohls.
({6})
Das möchte ich nach diesem Zwischenruf noch einmal ausdrücklich wiederholen.
Meine Damen und Herren, es ist nicht unsere Absicht - das hat auch die bisherige Debatte hier bewiesen -, heute alle Grundsätze der deutschen und europäischen Verkehrspolitik noch einmal zu wiederholen. Wir haben vor einiger Zeit eine solche Debatte hier im Haus gehabt. Erlauben Sie mir nur einige wenige Bemerkungen.
Eine davon möchte ich auch als Vorsitzender des Verkehrsausschusses machen. Die wesentlichen Vorlagen dieses Verkehrspolitischen Programms sind verabschiedet oder stehen vor der Verabschiedung. Insgesamt hat der Verkehrsausschuß in den vergangenen - ich möchte sagen: bloß - zwölf Monaten an 22 Sitzungstagen 24 zum Teil umfangreiche Vorlagen der Regierung und der Fraktionen behandelt und verabschiedet oder durch das Regierungsprogramm für erledigt erklären können. Dazu zählten sechs intensive öffentliche Anhörungen von Sachverständigen.
Gestatten Sie mir, daß ich an dieser Stelle einmal meinen kollegialen Dank an alle Mitglieder des Verkehrsausschusses ausspreche, die es möglich gemacht haben, in diesem Jahr eine solche Leistung fertigzubringen. Es ist schon von einem anderen
Redner betont worden, daß wir wirklich sehr intensiv und ausführlich diskutiert haben, daß wir uns auch alle haben ausführlich die Meinung sagen können. Auch wenn wir in bestimmten Fragen unterschiedliche Meinungen haben und zum Teil auch dabei geblieben sein mögen - die Leistung, die der Verkehrsausschuß hinter sich gebracht hat., verdient nach meiner Meinung Anerkennung. Meinen Kollegen, die mir eine zügige Verhandlungführung erlaubt haben, dafür herzlichen Dank. Ich sage das deshalb um so lieber, weil ich den Dank des Verkehrsausschusses an die Mitarbeiter des Ausschusses anschließen möchte.
({7})
Sie wissen ja, daß der Verkehrsausschuß zu den sogenannten kleinen Ausschüssen zählt, d. h. den reinen Fachausschüssen. Wenn wir alle dieses enorme Pensum, das uns das Verkehrspolitische Programm der Bundesregierung und die Vorlagen der Fraktionen auferlegt haben, geschafft haben, so liegt das ja wohl nicht zuletzt daran, daß diese wenigen Mitarbeiter - zwei und nur zeitweilig drei - fast am laufenden Band haben Überstunden machen müssen. Ich halte das nicht für eine normale Situation, und ich meine, der Arbeitgeber Deutscher Bundestag muß sich überlegen, ob er nicht in der Lage ist, auch einem solchen Ausschuß vernünftigere Arbeitsmöglichkeiten zu geben.
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Das vom Bundesverkehrsminister konzipierte Verkehrspolitische Programm der Großen Koalition soll die deutsche Verkehrswirtschaft für den kommenden liberaleren Wettbewerb in Europa fit machen. Es soll das Verhältnis unserer Verkehrsträger zueinander so ordnen, daß jeder seine spezifischen Transportaufgaben unter Berücksichtigung übergeordneter Allgemeininteressen erfüllen kann. Das bedeutet z. B., daß die Bundesbahn Gelegenheit haben muß, ihre Transportvorteile voll auszuspielen, damit insbesondere Gut auf langer Strecke mehr als in den vergangenen Jahren auf die Schiene geht, weil wir trotz eines Milliarden-Straßenbauprogramms auf engem Raum in Mitteleuropa den Transportfluß auf unseren Straßen nicht einfach ungehindert fließen lassen können. So viel Straßen können nicht gebaut werden, auch bei größten Anstrengungen nicht. Wer diesen Tatbestand nicht einzusehen vermag, wird immer wesentlich an Zielen und Möglichkeiten unserer Verkehrspolitik vorbeiargumentieren.
Wir alle wissen: wer eine Koalition eingeht, muß sich auf Kompromisse einstellen. Wir Sozialdemokraten haben dabei das Ziel verfolgt und im wesentlichen erreicht, die Gesamtkonzeption des Leber-Planes zu erhalten. Wir hoffen daher, daß auch der jährliche 250-Millionen-Fonds zur Fördederung des kombinierten Verkehrs ausreicht, um die Wirkungen des ursprünglich vorgesehenen Transportverbots für bestimmte Güter auf langer Strecke annähernd zu erreichen. Viele Betriebe unserer Wirtschaft haben jedenfalls, wie mir bekannt ist, die Offerte dieses Fonds und seiner Absichten bereits akzeptiert. Wir hoffen, daß bald auf allen Ebenen dieses Fonds grünes Licht gegeben wird.
Wer die Anstrengungen der Bundesbahner und ihrer Leitung verfolgt, der kann, glaube ich, heute mit Recht sagen: Wir haben wieder eine Bahn mit Zukunft. Daß es dennoch in den Gelenken eines so riesigen Betriebes gelegentlich noch knirscht, ist darauf zurückzuführen, daß man diese Gelenke eben viele Jahre lang nicht geölt hatte. Es muß jetzt viel nachgeholt werden. Dabei muß man wissen, daß das Verkehrspolitische Programm dieser Bundesregierung gleichzeitig den Anschluß an europäische Verkehrspolitik erreichen und das Ganze mit einem Minimum an finanziellem Aufwand leisten soll. Denn daran darf doch erinnert werden: Konzipiert wurde das Programm in der Talsohle, und sein Korsett heißt: mittetlfristige Finanzplanung, an der wir alle nicht vorbei können und nicht vorbei wollen.
Mein Freund Philipp Seibert wird im übrigen zur Bundesbahn noch einige Anmerkungen machen. Aber es soll doch schon jetzt wiederholt werden, was in diesem Hause bereits früher zum Ausdruck kam und was dankenswerterweise auch Herr Minister Leber hier deutlich machte: Wir alle haben Anlaß, den deutschen Eisenbahnern für ihren unermüdlichen Dienst und für die Opfer, die sie im Interesse einer modernen Verkehrspolitik bringen, Dank zu sagen.
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Meine Damen und Herren, lassen Sie mich hinzufügen: Dieser Dank gilt ebenso auch zahlreichen Lkw-Fahrern und Binnenschiffern, er gilt vielen Transportunternehmern, die im Zuge des modernen Anpassungsprozesses im Verkehrswesen zum Teil erhebliche Opfer auf sich nehmen müssen, damit das Ganze funktionieren kann.
Die Besteuerung des Straßengüterverkehrs verstärkt den Trend von der Straße zur Schiene, auch wenn das eben nicht als vornehmliches Ziel einer solchen Steuer akzeptiert wurde. Wir sind davon überzeugt, daß auch dieser verkehrslenkende Effekt, Herr Dr. Müller-Hermann, mit einer Wegekostenabgabe fortgesetzt werden kann. Aber es steht außer Frage, daß das nicht der alleinige und ausschließliche Effekt sein kann.
Bereits 1952 und 1954 hat die Sozialdemokratische Partei Deutschlands in ihren Aktionsprogrammen gefordert, daß der Kraftverkehr die auf ihn entfallenden Straßenaufwendungen durch spezifische Steuerleistungen selbst tragen solle und die Höhe dieser Aufwendungen endlich ermittelt werden müsse. Wir sind dem Bundesverkehrsminister dankbar dafür, daß er eine Gruppe kompetenter Fachleute zusammengebracht hat, die schon in absehbarer Zeit ihre Untersuchungen über die Anlastung der Wegekosten abschließen will. Wir wünschen eine möglichst baldige Lösung des Problems, weil objektivere Kostenstrukturen zur weiteren Entzerrung des Verkehrswettbewerbs beitragen.
Meine Damen und Herren, ein schwieriges Problem der Zukunft bleibt leider die Verkehrsnot der Gemeinden. Durch das Mineralölsteuermehraufkommen von 3 Pf je Liter konnte der Bund im vergangenen Jahr rund 750 Millionen DM zur Verfügung
stellen. Dabei will ich den Streit, Herr Dr. MüllerHermann, uni diese „3 Pfennige" den wir, glaube ich, vor zwei oder drei Jahren hier schon einmal ausgefochten haben, .u. a. unter Heranziehung gewisser Ausführungen, die Sie damals zeitweilig in Bremen gemacht haben, nicht wieder erneuern, sondern nur sagen: Wir sind durchaus der Meinung, daß man eine solche Maßnahme durchsetzen kann, wenn man den Eindruck hat, daß eine Regierung nicht bereit ist, ständig am Instrument Mineralölsteuer herumzumanipulieren. Denn dann nützen uns auch die 3 Pf nichts, wenn sie uns hintenherum irgendwo wieder abgestrichen werden. Sie selbst sind sicherlich heute mit mir der Meinung, daß diese Gefahr nicht mehr besteht. Trotzdem: aufpassen kann natürlich nie schaden.
Diese Mittel, die hier zusammengebracht werden, werden voraussichtlich für die nächsten zehn Jahre auf insgesamt 10 Milliarden DM anwachsen. Das damit finanzierte Programm zur Behebung besonderer Verkehrsnöte in den Gemeinden hat sicherlich bereits fühlbare Hilfen gegeben. Aber wir müssen uns auch darüber im klaren sein, daß diese Finanzmasse nicht annähernd ausreicht, um die Verkehrsnot in den Gemeinden wirklich nachhaltig und endgültig beheben zu können. Den öffentlichen Verkehrsmitteln fällt hier eine große Aufgabe zu. Ihre Leistungsfähigkeit und Attraktivität hängen von der Schnelligkeit, Pünktlichkeit, Bequemlichkeit und Preiswürdigkeit der öffentlichen Nahverkehrsmittel ab. Es wird also in der nächsten Legislaturperiode großer neuer Anstrengungen bedürfen, um
auch im Sinne der vorliegenden Enquete von Sachverständigen zur Behebung der Verkehrsnot in den Gemeinden und Ballungsräumen voranzukommen.
Hier möchte ich mich bei Ihnen, Herr Minister Leber, ganz besonders dafür bedanken, daß Sie den Sofortprogrammfonds in sehr starkem Maße zur Förderung des öffentlichen Personennahverkehrs eingesetzt haben, weil ich glaube, daß damit ein erheblicher Effekt mit begrenzten Mitteln erreicht werden kann. Ich möchte alle diejenigen, die aus diesem Fonds eine Streusandbüchse zur Befriedigung aller Verkehrsinteressen in jeder Gemeinde und an jedem Wegrand machen wollen, davor warnen, solche begrenzten Mitteln zu verzetteln. Es muß zunächst einmal vorrangig darum gehen, der Verkehrsnot in den Ballungsgebieten dort, wo sie besonders unerträglich ist, zu steuern, und da hat Herr Minister Leber mit seinem Programm bereits einen erheblichen und erfolgreichen Ansatz geschaffen.
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Meine Damen und Herren, erlauben Sie mir zu dieser schon fast vorgeschrittenen Stunde nur kurze Bemerkungen zur Schiffahrtspolitik, die ja einen bedeutenden Raum im Verkehrspolitischen Programm der Bundesregierung einnimmt. Ich habe mit Genugtuung - das darf ich bei dieser Gelegenheit bemerken - die Bemühungen des Verbandes deutscher Reeder um eine koordinierte westeuropäische Schifffahrtspolitik zur Kenntnis genommen. Ich kann dem Verband nur anraten, seine Beziehungen zur Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft ebenfalls weiter zu intensivieren und sich nicht dagegen zu wenden, daß auch im Rahmen der europäischen Wirtschaftspolitik eine vernünftige europäische Schiffahrtspolitik unterstützt wird.
Das Verkehrspolitische Programm der Bundesregierung stellte u. a. fest - ich zitiere mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten -:
Durch Flaggenprotektionismus einzelner sowie regional verbundener Staaten werden deutsche Reedereien in ihrer freien Betätigung eingeengt und ausländische Konkurrenten durch gelenkte Ladungsvergabe, Bevorzugung der eigenen Flagge und ungleiche Frachtenkontrolle einseitig begünstigt. Dagegen kann
- so heißt es im Programm weiter in der Bundesrepublik Deutschland auch die Schiffahrt derjenigen Staaten Ladung frei aufnehmen, die der deutschen Schiffahrt diese Möglichkeit nicht oder nur unzulänglich gewähren. Sollte sich diese Entwicklung weiter zum Nachteil der deutschen Flagge auswirken, sollten Konsultationen oder Abkommen nicht genügen oder entsprechende zwischenstaatliche Vereinbarungen nicht möglich oder wirksam sein, müssen auch für die deutsche Seeschiffahrt geeignete Schutzmaßnahmen, unter Umständen gemeinsam mit anderen Ländern, ergriffen werden.
Wir sollten diese Feststellungen der Bundesregierung alle zusammen voll unterstreichen. Wir wünschen eine liberale Seeschiffahrt, aber nicht einseitig zu Lasten unserer Handelsflotte.
({11})
Der Leber-Plan ist ein Übergangsprogramm und hat doch die gesamte erstarrte europäische Verkehrspolitik wieder in Bewegung gebracht. Der Bundesverkehrsminister hat nicht nur bestehende Wettbewerbsverzerrungen im Verkehr mit Nachbarländern abgebaut, sondern gleichzeitig auch das Verständnis für unsere Verkehrsprobleme bei den anderen verstärkt und das Gespräch über die verkehrspolitische Zukunft Europas wieder in Gang gebracht. Wir wissen, daß die Zeit der garantierten Festtarife auch in unserem Lande in absehbarer Zeit der Vergangenheit angehören wird. Im größeren Europa wird es auch im Transportwesen liberaler zugehen als derzeit noch bei uns. Wir bekennen uns, sobald wir durch unsere politischen Aktionen die Voraussetzungen dazu geschaffen haben, zu einer solchen liberalen Politik in den Grenzen, die sich aus der öffentlichen Aufgabe des Transportwesens ergibt.
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Das Wort hat der Abgeordnete Seibert.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Minister sowie einige Vorredner haben sich mit der Situation der Deutschen Bundesbahn beschäftigt. Die Situation der Deutschen Bundesbahn wäre heute zweifelsohne besser, wenn wir
die jetzt nachzuholenden Maßnahmen schon vor einem Jahrzehnt beschlossen hätten.
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Mit dieser Feststellung möchte ich mich an der Debatte, die vorhin darüber stattgefunden hat, beteiligen und darauf auch beschränken. Aber seinerzeit haben wir uns immer wieder mit bloßen Gutachten begnügt, deren positive Vorschläge erst durch halbe Ankündigungen ersetzt und dann wenig später ganz zurückgezogen wurden. Es begann dann die lange Periode der Selbsthilfe, die versucht, die Deutsche Bundesbahn heute im Personen- und Güterverkehr attraktiver zu machen.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Frage? - Bitte, Herr Abgeordneter Wendelborn!
Herr Kollege, halten Sie die finanzielle Ausstattung, die die Bundesregierung für die Deutsche Bundesbahn vorgesehen hat, auch für ausreichend zur Bewältigung der Aufgaben, die für die nächsten Jahre anstehen?
Ich halte sie nicht für ausreichend. Ich werde nachher kurz darauf zurückkommen, Herr Kollege Wendelborn.
Durch werbewirksame und gezielte Sonderangebote hat die Bahn ihren Reiseverkehr belebt, und im Güterverkehr scheint es den Containern zu gelingen, negativen Entwicklungen entgegenzuwirken. Der Verlust der Deutschen Bundesbahn, der sich 1967 auf etwa 1,5 Milliarden DM belief, konnte so um gut 200 Millionen DM abgebaut werden. Das heißt in anderen Worten, daß der Kampf um die Verkehrstonne das Ergebnis zwar zu verbessern, im Grunde aber nicht zu bereinigen vermag. Zirka eine Milliarde DM Verlust im Berufs- und Schülerverkehr sind einfach durch andere betriebliche Maßnahmen im Bereich der Deutschen Bundesbahn nicht auszugleichen.
Das gleiche gilt für die innerbetriebliche Rationalisierung, die zunehmend auf den Protest der betroffenen Eisenbahner stößt. Kein Eisenbahner, auch nicht die Gewerkschaft der Eisenbahner, hat sich im Grundsatz gegen eine Rationalisierung der Deutschen Bundesbahn gewandt. Technischer Fortschritt und sinnvolle Verbesserungen werden als notwendig akzeptiert und die Folgen so gut wie möglich bereinigt. Sinnlose Maßnahmen - und so etwas soll es bekanntlich zuweilen auch geben - stoßen freilich, zumal wenn sie sich häufen, auf Widerstand und Resignation der Beschäftigten.
Weil Verkehrsexperten und auch manch andere zuweilen Verkehrspolitik mit ausschließlicher Personalpolitik verwechseln, befinden wir uns seit einigen Monaten in einer Situation, in der die Personallage extrem angespannt ist. Nach dem Verkehrspolitischen Programm der Bundesregierung soll die Deutsche Bundesbahn 82 000 Kräfte einsparen. Bis heute ist die Reduzierung so weit fortgeschritten, daß bei steigender Verkehrsentwicklung die derzeitigen Mehrleistungen des Personals und der Urlaubsrückstand weiter steigen.
Meine Damen und Herren, das Verkehrspolitische Programm der Bundesregierung wollte und konnte kein Sanierungsplan für die Deutsche Bundesbahn sein. Es wollte in einer ersten Phase entstandene Verzerrungen im Grundsatz angehen und einen neuen Rahmen für die Gesamtpolitik schaffen. Ihm sollte aber auch eine zweite Phase folgen, in der die Absichtserklärungen dann näher konkretisiert werden sollten.
Lassen Sie mich einflechten, daß Großbritannien im vergangenen Jahr diesen zweiten Schritt bereits vollzog und seine Eisenbahn auf gesunde Füße stellte. Von den 1,5 Milliarden Pfund Kredit wurden 1,2 Milliarden Pfund auf die Staatsschuld übernommen und damit die von der Bahn zu zahlenden Zinsen um 50 Millionen Pfund gesenkt. Für den betriebswirtschaftlich nicht rentablen, im Interesse der Allgemeinheit jedoch notwendigen Verkehr auf Nebenbahnen und im Berufsverkehr werden in diesem Jahr 62 Millionen Pfund erstattet. Zur Instandhaltung von Strecken und Anlagen der Spitzenverkehre werden 15 Millionen Pfund erstattet. Für Investitionen im öffentlichen Personennahverkehr kann der Verkehrsminister in England 75 % der Kosten als Wegekostenbeihilfe zuschießen, denselben Anteil, den auch Stadtstraßen erhalten. Und nicht zuletzt, meine Damen und Herren, sollen ab 1970 schwere Lastkraftwagen in England mit über 16 Tonnen Gesamtgewicht Lizenzen für Transporte über mehr als 100 Meilen nur dann erhalten, wenn diese Transporte von der Schiene nicht in gleicher Zeit zu gleichen Preisen und mit gleicher Zuverlässigkeit ausgeführt werden können. Die Verbotsliste, die wir leidenschaftlich diskutiert haben, haben wir nicht; England wird sie ab 1970 in gewissem Umfange haben.
Ich wollte das englische Beispiel nicht unerwähnt lassen, weil es uns zeigt, daß in verschiedenen vergleichbaren Ländern heute politische Schritte gegangen werden müssen. Je früher diese Bereinigung erfolgt, desto leichter wird die Verkehrspolitik der Folgezeit zu betreiben sein. Schließlich zeigt uns auch England, daß grundlegende Notwendigkeiten unabhängig von den bestehenden oder auch nur vorgeschobenen finanziellen Möglichkeiten verwirklicht werden müssen und können.
Meine Damen und Herren, die jüngste Ratstagung der EWG-Verkehrsminister hat endlich die Verordnungen zur Normalisierung der Konten bei den Eisenbahnen und zur Abgeltung von gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen erlassen. Infolge der Betriebs-, Beförderungs- und Tarifpflicht muß alsbald die Kostenunterdeckung - das gilt primär im Berufs- und Schülerverkehr - erstattet werden. Bei anderen Auflagen erhalten die Bahnen einen Rechtsanspruch auf Ausgleichszahlungen. Das ist die allgemeine Situation, in der wir in unserer Verkehrspolitik endlich die zweite Phase von Entscheidungen herbeiführen wollen.
Um die Eisenbahn nachhaltig zu sanieren, bedarf es einer Zwischenlösung des Wegekostenproblems,
einer ausreichenden Kapitalausstattung der Bundesbahn und einer Abnahme, d. h. einer vollen Erstattung, politischer und gemeinwirtschaftlicher Lasten.
({0})
Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion ist der Auffassung, daß diese Sanierung der Deutschen Bundesbahn nunmehr unverzüglich in Angriff genommen werden muß. Die Bemühungen um eine Sanierung der Deutschen Bundesbahn sind um so dringlicher, je mehr sich durch Margentarife und Sondervereinbarungen eine Liberalisierung auf dem Preissektor abzeichnet; denn bestehen kann ein Verkehrsträger hei Wettbewerb nur dann, wenn er endlich von den Nachteilen anerkannter Wettbewerbsverzerrungen befreit ist und vergleichbare Startbedingungen erhält.
Zur Verbesserung der Wirtschaftsergebnisse der Deutschen Bundesbahn müssen wir endlich damit beginnen, diese Wettbewerbsverzerrungen zu beseitigen. Dabei ist davon auszugehen, daß alle Verkehrsnutzer bei optimalen gemeinwirtschaftlichen Kosten eine bestmögliche Verkehrsbedienung erhallten sollen. Der Bund wird dabei insgesamt keine höheren Mittel als bisher aufzubringen haben. Aber die Bahn wird anstatt erfolgsneutraler Liquiditätshilfen dann erfolgwirksame Erstattungen ihres Eigentümers Bund erhalten. Das ist weit mehr als große Optik; denn das Wirtschaftsergebnis und somit auch die Ertragskraft der Deutschen Bundesbahn werden dadurch auf der Basis gleicher Bedingungen gestärkt.
Für den sozial begünstigten Personennahverkehr der Schiene sind erstens kostenorientierte Ausgleichszahlungen zu gewähren. Im Jahre 1961 hatte der Bundeshaushalt zu erstenmal indirekte Zuwendungen von 150 Millionen DM dafür vorgesehen. Mittlerweile wurde dieser Betrag auf über 370 Millionen DM erhöht. Aber das Defizit auf diesem Sektor betrug 1967 weit über 800 Milillionen DM. Niemand würde verantworten können, meine Damen und Herren, die Schiene im Berufsverkehr aus ihrer Betriebs- und Beförderungspflicht zu entlassen. Im Gegenteil - es wurde vorhin schon einmal angesprochen -, in Ballungsgebieten wird sie solche Auflagen noch verstärkt auf sich nehmen und für die Spitzenzeiten des Berufsverkehrs eine maximale wie moderne Kapazität vorhalten müssen. Wir fahren also am besten und gesamtwirtschaftlich am billigsten, wenn wir die durch Verkehrserträge nicht gedeckten und auch durch keine Tarifpolitik je zu deckenden Kosten des sozialen Personenverkehrs der Schiene ersetzen.
Wenn wir uns vergegenwärtigen, daß nach den Erhebungen des Internationalen Eisenbahnerverbandes 1967 die Straßen- und Unfallkosten in der Bundesrepublik Deutschland die 9-Milliarden-DMGrenze erreicht haben, dann können wir den gesamtwirtschaftlichen Effekt einer Erstattung im öffentlichen Nahverkehr besser ermessen. Weil die Bundesländer Träger der Kulturhoheit sind, sollten sie sich unseres Erachtens an der Kostenunterdeckung im Schülerverkehr angemessen beteiligen.
Zweitens sollte vorbehaltlich der Ergebnisse der laufenden Wegekostenuntersuchung, wie sie jetzt vom Verkehrsministerium angestellt wird, der Bund der Bahn denjenigen Zinsaufwand erstatten, der für das in den Fahrweg investierte Fremdkapital anfällt. Bislang hat die Schiene sämtliche Kosten ihrer Infrastruktur allein getragen - mit dem Ergebnis, daß bei ihr das Verhältnis von Zinsaufwand zum Umsatz bereits 9 % beträgt gegenüber durchschnittlich nur 1,6 % in allen übrigen Wirtschaftsbereichen. Stündlich hat die Deutsche Bundesbahn erst einmal 100 000 DM allein für ihre Zinsenlast zu verdienen.
Das englische Ergebnis der Transportakte von 1968 habe ich bereits erwähnt, und Frankreich erstattet seiner Bahn nach einer Konvention von 1937 schon lange vorab 60 % der Fahrwegausgaben.
In welcher Größenordnung wird nun dieser Wechsel bei uns einzulösen sein? Das ist doch die Frage. Zwar entfallen knapp 50 % des Buchwertes aller Bundesbahnanlagen auf die Fahrwege. Doch vom Zinsaufwand ist der Anteil ein günstigerer: etwa 300 Millionen DM Zinsen der über 800 Millionen Gesamtzinsen entfallen auf das in den Fahrweg investierte Fremdkapital. Wenn wir der Deutschen Bundesbahn diese Beträge - vorbehaltlich des Ergebnisses der Wegekostenuntersuchung - abnehmen, erreichen wir eine vergleichbare Belastung aller Verkehrsträger mit Wegekosten und erfüllen damit die Absichtserklärung des Verkehrspolitischen Programms.
Diesen Weg der Erstattung zu gehen, halte ich übrigens für den einzig möglichen, politisch praktikablen. So wie die Verkehrsträger historisch gewachsen sind, wird es auf lange Zeit hinaus kaum möglich sein - auch wenn wir noch so viel darüber reden -, sie alle mit ihren vollen gesamtwirtschaftlichen Infrastrukturkosten zu belasten. Denn es bedeutete den Ruin der Kanalschiffahrt und den Ruin der schweren Lastkraftwagen. Die vergleichbare Teilbelastung hingegen ist praktikabel und entzerrt die ungleichen Kostenbelastungen.
Logisch erscheint zum dritten, daß der Bund auch die Kosten für die Vorfinanzierung von Verlusten nicht länger der Deutschen Bundesbahn aufbürdet. 700 Millionen DM vorzufinanzierender Verlust der Deutschen Bundesbahn 1968 beispielsweise kosten etwa 30 Millionen Mark Jahreszinsen und können die Liquidität der Deutschen Bundesbahn gefährlich einengen.
Für die Steigerung der Ertragskraft der Deutschen Bundesbahn sind viertens Maßnahmen notwendig, die sich kurzfristig bis 1972 nicht verwirklichen lassen; damit komme ich jetzt auf Ihre Frage. Investitionsvorhaben von der Bedeutung und Größenordnung eines Schnellfahrnetzes oder eines Verbundnetzes in Ballungsräumen können mit den bisherigen Ansätzen nicht bewältigt werden. Deshalb muß der in der mittelfristigen Finanzplanung des Bundes angesetzte Betrag oder auch Beitrag auch in den nächsten Jahren nach 1972 fortgesetzt werden.
Fünftens. Die Bahn muß von der Zahlung der zweckgebundenen Mineralölsteuer im Schienenverkehr völlig befreit werden. Die heutige Regelung der seit 1961 praktizierten Teilerstattungen nach
der Gas-Öl-Betriebsbeihilfe hat den Nachteil, daß sie erst im zweiten Quartal des dem Verbrauch folgenden Jahres gewährt wird. Um keine Mißverständnisse aufkommen zu lassen, möchte ich jetzt schon betonen, daß für den nichtzweckgebundenen Teil der Mineralölsteuer, die von der Eisenbahn gezahlt werden soll, die Gas-Öl-Betriebsbeihilfe weiterzugewähren ist. Wenn wir Wettbewerbsverzerrungen beseitigen wollen, sehe ich zudem keinen Grund, weshalb die Diesellokomotiven der Bahn nicht auch mit der Binnenschiffahrt und der Luftfahrt gleichgestellt werden sollen, die weder Mineralölsteuer noch Mineralölzoll entrichten.
Das Hohe Haus sollte die Bundesregierung beauftragen, diese auch von ihr als notwendig erachteten Maßnahmen endgültig einzuleiten bzw. dem Hohen Haus zur Entscheidung vorzulegen. Die Sozialdemokratische Partei hat einen Antrag eingebracht. Er wird nunmehr -- erfreulicherweise - als Koalitionsantrag voraussichtlich übermorgen diesem Hause vorliegen. Ich möchte Sie heute schon herzlich bitten, diesem Antrag Ihre Zustimmung zu geben. Wenn wir schon nicht, wie ich es für geboten und gerechtfertigt erachte, vom permanenten Rotlicht auf grüne Welle schalten, so geben wir der Bahn und dem Eisenbahner doch endlich das, was sie selber so einprägsam propagieren: „rosa Zeiten" zumindest dafür, auch in Zukunft das Rückgrat unseres Verkehrs bleiben zu können!
({1})
Das Wort hat der Abgeordnete Ramms.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich will nur noch einige wenige Ausführungen machen. Sicherlich wäre zu den Ausführungen von Herrn Seibert vieles zu sagen, auch im Hinblick auf den vollkommenen Erlaß der Mineralölsteuer. Herr Seibert, Sie sagten, Schiene und Binnenschiffahrt sollten in dieser Beziehung gleichgestellt werden. Ich habe dazu nur eine Gegenfrage: Hat die Bundesbahn auf ihrem deutschen Schienennetz auch unter der Konkurrenz der Ausländer zu leiden, oder ist sie ein Monopolträger auf ihrem Schienennetz? Die Binnenschiffahrt hat mit einem Anteil von 25% an der Rheinschifffahrt bei einem Anteil der ausländischen Konkurrenz in Höhe von 75 % eine andere Konkurrenz zu ertragen, als die Bundesbahn sie auf den deutschen Schienen zu verzeichnen hat.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich weiß nicht, wie Sie zu diesem großen Optimismus im Hinblick auf die Genesung der Deutschen Bundesbahn kommen. Das Verkehrsprogramm der Bundesregierung hatte doch die Entlastung der Straßen und die Gesundung der Deutschen Bundesbahn durch gewisse Maßnahmen, und zwar durch innerbetriebliche Maßnahmen der Deutschen Bundesbahn und durch die Übernahme von gewissen Kosten, zum Ziel. Seien wir uns im klaren darüber, daß die Fremdkosten in Höhe von rund 1,5 Milliarden DM doch schon seit einiger Zeit vom Bund übernommen werden und daß hierbei zum Teil vorn Bund auch bereits Zinsen mit übernommen werden, die den Etat der Deutschen Bundesbahn entlasten.
Dieses mit so viel Vorschußlorbeeren bedachte Programm der Bundesregierung, das jetzt zur Verabschiedung ansteht, ist doch nur noch ein Teil dessen, was in den beiden Programmen ursprünglich vorgelegt worden ist. Der Verzicht auf die Verbotsliste ist dein Herrn Minister sicherlich nicht sehr leichtgefallen. Wir sind dennoch der Meinung, daß er hier einen guten Schritt getan hat. Aber die Regelung und die Steuerung des Verkehrs, die Umlenkung des Verkehrs von der Straße auf die Schiene ist sicherlich dann nicht zu erreichen, Herr Minister, wenn Sie die Weiterleitung des „LeberPfennigs" blockieren. Nur wenn die Wirtschaft selber diesen Leber-Pfennig zu zahlen hat, wird sie ein Interesse daran haben, sich einen anderen Verkehrsträger auszusuchen. Sonst bleibt sie bei dem Verkehrsträger, der sie bisher gut bedient hat und der dann allerdings die Verluste hauptsächlich in seinen mittelständischen Betrieben zu tragen hat, während die größeren davon zunächst noch nicht so betroffen sein werden.
Die Bilanz der Deutschen Bundesbahn ist im vergangenen Jahre sicherlich besser gewesen als 1967, aber sie gibt zum Optimismus überhaupt keine Veranlassung. Die Einnahmen der Deutschen Bundesbahn liegen bei einer Tonnenleistung von rund 320 Millionen auf dem Gütersektor bei 5,09 Milliarden DM. Umgerechnet ergibt sich bei einer mittleren Verkehrsentfernung von 230 km ein Tonnenpreis von rund 16 DM. Daß Sie das Defizit der Deutschen Bundesbahn bei einem Tonnenpreis von 16 DM auch über einen Mehrgewinn am Transport nicht ausgleichen können, können Sie sich alle selber ausrechnen. Sie werden also irgendwie auf die Tarifgestaltung Einfluß nehmen müssen. Sie müssen sich klar darüber werden, daß die Kosten da gezahlt werden müssen, wo sie entstehen. Das muß die deutsche Wirtschaft auch endlich begreifen. Ich nenne Ihnen zum Vergleich die Zahlen der deutschen Binnenschiffahrt vom vergangenen Jahr. Sie hatte bei einer Transportleistung von 220 Milionen t und einer mittleren Versandweite von 230 km Einnahmen in Höhe von 700 Millionen DM zu verzeichnen. Hier liegt also eine Belastung für die Wirtschaft von nur 3,50 DM je Tonne ohne den zusätzlichen Umschlag, der anschließend kommt - gegenüber 16 DM je Tonne bei der Deutschen Bundesbahn vor, ein Unterschied, der auch nicht durch die Kosten der Zufahrt mit dem LKW bzw. durch die Umladekosten ausgeglichen werden kann. Hier sind also Dinge, die man noch einmal - auch von seiten des Ministeriums - ganz genau prüfen muß, um wirklich neben der Rationalisierung zu einer Gesundung der Deutschen Bundesbahn zu kommen.
Mein Kollege Imle hat vorhin die Sondervereinbarungen des Güterfernverkehrs und, damit verbunden, auch der Deutschen Bundesbahn dargelegt und angegriffen. Ich darf Ihnen sagen, daß die Tarifbildung mit diesen Sondervereinbarungen auf jeden Fall unterlaufen werden wird; und ich glaube, es ist
von seiten der Deutschen Bundesbahn nicht gerade gut, wenn sie zusätzlich zu diesen Sondervereinbarungen mit den Seehäfen der Wirtschaft jetzt für die Übernahme von Erz aus den Schubeinheiten, die via Rotterdam kommen, von Duisburg in den Raum Dortmund einen Preis angeboten hat, der bei 2,50 DM je Tonne liegt, also mit Sicherheit ein Preis ist, der ebenfalls einen Ausnahmetarif darstellt. Hier konkurrenziert die Deutsche Bundesbahn mit diesem Angebot von 2,50 DM ihre eigenen Angebote, ihre Sonderabsprachen mit den deutschen Seehäfen, und sie konkurrenziert indirekt unsere deutschen Seehäfen vor allem durch den Umschlaghafen von Rotterdam.
Herr Bundesminister, ich darf Ihnen sagen, in der Binnenschiffahrt geht es seit dem 1. Januar wieder aufwärts, weil man sich im allgemeinen von der Wirtschaft her und auch in der Binnenschiffahrt an die verabschiedeten Gesetze hält. Ich bin froh darüber, daß man sehr wahrscheinlich schon am Ende des Jahres sehen kann, daß hier mit der Tarifüberwachung, mit der Tarifbildung ein Weg gegangen ist, der zur Gesundung dieses Verkehrsträgers in seiner Gesamtheit führen wird.
Nun, Sie sprechen auch von der Straßenentlastung bzw vom Straßenbau. Sie haben davon gesprochen, daß der Straßenbau oder die Straßenbaufinanzierung in den letzten Jahren Kürzungen auch durch die Koalitionsparteien zu erleiden hatte, indem man nicht die vollen 50 % der Mineralölsteuer dem Straßenbau zur Verfügung gestellt hat. Meine Damen
3 und Herren, Sie werden in Zukunft nicht mit der wachsenden Motorisierung Schritt halten können, wenn Sie nicht nach neuen, zusätzlichen Wegen der Straßenbaufinanzierung suchen. Wir als Freie Demokraten haben von dieser Stelle aus schon oft genug gesagt, daß der Straßenbau normalerweise nicht allein der jetzt lebenden Generation anzulasten ist, während die nachfolgenden Generationen in den kommenden Jahren weiterhin ihren Gewinn davon haben sollen. Aber es muß gewährleistet sein, daß von den für den Straßenbau verwandten Steuergeldern keine Abstriche mehr gemacht werden, denn sonst ist das Suchen nach zusätzlichen Finanzierungsquelle vollkommen ergebnislos.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Frage? - Bitte, Herr Kollege Müller-Hermann!
Herr Kollege Ramms, wir sind sicherlich einer Meinung, daß wir ruhig nach weiteren Finanzierungsquellen suchen müssen. Aber teilen Sie nicht auch meine Meinung, daß die nächsten Generationen gerade angesichts der rasanten technologischen Entwicklung ihre eigenen gewaltigen Infrastrukturprobleme zu lösen haben werden und daß das Vorausbelasten künftiger Generationen ein Herumdrücken um unsere heutige Verantwortung darstellen könnte?
Herr Dr. Müller-Hermann, Sie sind sicherlich mit mir der Meinung, daß 17 000 Tote und Hunderttausende von Verletzten auf den Straßen außergewöhnliche Maßnahmen verlangen. lind bei diesen außergewöhnlichen Maßnahmen heißt es, daß wir nach zusätzlichen Finanzierungsquellen suchen müssen. Sicherlich wird die nachfolgende Generation mit der Strukturveränderung auch ihre eigenen Probleme und ihre eigenen Lasten haben. Das sollte uns aber nicht hindern, auf unseren Straßen zusätzlich neuen Verkehrsraum zu schaffen, damit wir in der Gesamtheit endlich aus dieser Situation herauskommen.
Es wurde im Laufe der Debatte noch darauf hingewiesen, daß die Koordinierung innerhalb des Verkehrs selber und die Koordnierung zwischen den Verkehrsträgern bis heute nicht hundertprozentig funktioniert hat. Vor 1961, vor dem Inkrafttreten der Verkehrsnovelle, hat der Verkehrsminister in dieser Hinsicht laut Gesetz mehr Möglichkeiten gehabt, die Verkehrsträger miteinander zu koordinieren. Vielleicht ist auch da ein Grund dafür zu suchen, daß die Verkehrsträger in ihrer Gesamtheit seinerzeit etwas besser ausgesehen haben als heute. Der Deutschen Bundesbahn wäre zu wünschen, daß sie möglichst schnell aus ihrem Defizit und aus ihren roten Zahlen herauskommt; denn eine gesunde Deutsche Bundesbahn bringt mit Sicherheit auch die Gesundung der anderen Verkehrsträger mit sich.
Herr Kollege Seibert hat vorhin darauf hingewiesen, daß in dem Defizit fast eine Milliarde enthalten ist, die auf den Sozialtarifen in der Personenbeförderung beruht. Meine Damen und Herren, weswegen faßt man dieses Problem nicht auch in der Öffentlichkeit einmal ernsthaft an? Ich weiß, das es unpopulär ist, von einer Erhöhung von Sozialtarifen zu sprechen. Aber bestünde nicht die Möglichkeit, ähnlich wie die Renten auch die Sozialtarife bei den Fahrpreisen der Deutschen Bundesbahn zu dynamisieren? Nur dann wird nämlich der Kostenanteil der Fahrt zur Berufsstätte nicht langsam auf Null 'absinken, wie er es in den letzten Jahren tendenziell getan hat. Ich hoffe, daß man sich eines guten Tages auch zu einer Tarifpolitik durchringt, die der Deutschen Bundesbahn und damit auch den anderen Verkehrsträgern von Nutzen ist.
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Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Müller-Hermann.
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Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich weiß, wie die Stimmung im Hohen Haus ist, und werde darauf Rücksicht nehmen. Ich werde mir Mühe geben, nicht länger als fünf Minuten zu sprechen. Ich werde auch versuchen, es so friedlich zu tun wie die anderen Sprecher vorher. Aber zwei Äußerungen geben mir doch Veranlassung, ein Wort zu sagen.
Herr Kollege Seifriz hat erklärt, unter bestimmten Umständen könne man Verkehrsverbote ins Auge fassen. Ich glaube, hier liegt ein Widerspruch nicht nur zu Herrn Minister Leber vor, dem ich unterstelle, daß er heute recht froh ist, daß die VerkehrsDr. Müller-Hermann
verbote vom Tisch gebracht worden sind, sondern auch ein Widerspruch zu Ihrem Bundeswirtschaftsminister Schiller, der mit seinen Thesen einer aufgeklärten Marktwirtschaft von morgens bis abends betont, daß der Kunde der König auf dem Markt sein soll. Auch im Bereich des Verkehrs müssen wir dazu kommen, meine ich, daß der Verkehrsnutzer entscheidet und nicht der Staat dirigistisch bestimmt, welches Verkehrsmittel der Kunde zu benutzen hat.
({0})
Verbote lassen sich nur rechtfertigen, wenn Gründe der Verkehrssicherheit lokale Einschränkungen nötig machen. Hierzu werden wir auch in Zukunft einen ganz harten Standpunkt einnehmen. Auch im Bereich des Verkehrs muß das Prinzip des Leistungswettbewerbs für die Zukunft Geltung haben. Dies ist der einzige Weg, zu der Spezifizierung der Transportaufgaben zu kommen, und auch Sie haben diesen Weg empfohlen. Natürlich muß sich der Leistungswettbewerb auf der Basis gleicher Startbedingungen abspielen. Dort, wo der Leistungswettbewerb zu Ergebnissen führt, die aus übergeordneten Gesichtspunkten unerwünscht sind, soll mit Auflagen gearbeitet werden. Dazu gehört ein Ausgleich für Betriebseinnahmeminderungen bei den Verkehrsunternehmen, die sich aus Auflagen ergeben, so wie wir es jetzt bei der Bundesbahn praktiziert haben.
Der zweite Punkt ist der folgende. Herr Kollege Seibert, bei allem Verständnis dafür, daß Sie die Verdienste des jetzigen Bundesverkehrsministers hervorheben - das ist legitim, und ich nehme es Ihnen gar nicht übel -, ist es auf dem Hintergrund der Tatsachen einfach nicht haltbar, dem deutschen Volk oder den Eisenbahnern verkaufen zu wollen, zehn Jahre lang sei auf dem Gebiet der Verkehrspolitik auch in Richtung Bundesbahn nichts getan worden. Daß die Bundesbahn in zehn Jahren 100 000 Mann Personal eingespart hat, daß sie auf dem Gebiet der Elektrifizierung, der Verdieselung und der technischen Weiterentwicklung erhebliche Fortschritte machen konnte, ist sicherlich zu einem großen Teil das Verdienst der Bundesbahn selbst, die große Anstrengungen in dieser Richtung unternommen hat, aber es ist auch das Verdienst einer entsprechenden Unterstützung durch die Verkehrspolitik.
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Herr Kollege Seibert, man könnte jetzt mit einer Fülle von Zahlenmaterial aufwarten. Ich will aber nur eines erwähnen, um deutlich zu machen, worin die Problematik bestanden hat. Ich sage das gar nicht im Sinne eines Vorwurfs an irgendeine Adresse. Wenn Sie die Produktivitätsentwicklung und die Personalkostenentwicklung von 1955 bis 1966 vergleichen, dann ist es eben ein Faktum, daß die Produktivität in diesen zwölf Jahren von 100 auf 122 angestiegen ist und die Personalkosten trotz des gewaltigen Personalabbaus sich von 100 auf 231 weiterentwickelt haben. Dann wissen Sie auch die Hintergründe, warum wir es so schwer haben, dieses Unternehmen langsam auf ein gesichertes wirtschaftliches Fundament zu stellen.
Jetzt noch eine Bemerkung an die Adresse des Herrn Bundesverkehrsministers. Herr Minister, ich glaube, wir tun uns und auch der Bundesbahn keinen guten Dienst, wenn wir jetzt aus der Tatsache, daß sich die Einnahmen erfreulich entwickeln, schon ableiten wollen, das Problem der Sanierung der Bundesbahn sei schon gelöst oder befinde sich bereits auf dem Weg der Lösung. Es gibt gar keinen Zweifel: wie die Einnahmen, wie Sie selbst in Ihrer Vorlage vom 16. Dezember 1968 feststellen, bei der Bundesbahn 1967 wegen der Konjunkturentwicklung rückläufig gewesen sind, sind sie jetzt im Zuge der Konjunkturentwicklung positiv, was uns sehr erfreut. Aber wir müssen dann natürlich auch in Rechnung stellen, was sich auf dem Ausgabensektor tut. Dann wollen wir am Ende dieses Jahres einmal sehen, wie die Bilanz aussieht. Ich warne jedenfalls jetzt schon vor allzu optimistischen Auslassungen. Wir kommen, glaube ich, an der Strukturverbesserung der Bundesbahn als langfristiger Aufgabe nicht vorbei.
Zum Abschluß, Herr Präsident, will ich das noch mit einer Verkehrsprognose für das Jahr 1969 erhärten, die sicherlich auf sehr objektiven Tatbeständen beruht. Danach wird der Transport auf der Schiene im Jahre 1969 um etwa 1 bis 2% zunehmen, bei der Binnenschiffahrt um 2 % und beim Straßengüterfernverkehr um 4 bis 5 %, wobei das Güteraufkommen im gewerblichen Bereich um etwa 5 % und beim Werkverkehr um etwa 2 % zunehmen wird. Bei Mineralölfernleitungen wird es einen Zuwachs von 8 bis 9 % geben.
({2})
Wir ersehen daraus, meine Damen und Herren, daß, sicherlich weitgehend durch die technologischen Voraussetzungen bedingt, der Zuwachs der Bahn wesentlich unter dem Zuwachs der anderen Verkehrsunternehmen liegt. Wir können der Bahn nur helfen, wenn wir ihr durch Bereitstellung von Mitteln und durch Unterstützung der Politik einer ökonomischen Ausrüstung zu einer Verbesserung ihres Leistungsangebots, zu einer weitgehenden Modernisierung und zu einer Intensivierung ihres kaufmännischen Managements verhelfen. Ich glaube, das ist auf lange Sicht der einzige Weg, wie wir die Bundesbahn auf das gesunde wirtschaftliche Fundament stellen können, das uns sicherlich quer durch alle Fraktionen des Hauses am Herzen liegt.
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Meine Damen und Herren, es liegen keine Wortmeldungen zur allgemeinen Aussprache mehr vor.
Wir kommen zur Behandlung der Änderungsanträge, zunächst des Antrags der Abgeordneten Jung, Schultz, Ramms und Genossen auf Umdruck 598 *). Darf ich fragen, ob dazu das Wort gewünscht wird? - Herr Jung hat das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auf Umdruck 598 haben
*) Siehe Anlage 3.
wir beantragt, den Leertitel 719 06 in Kap. 12 03 wiederherzustellen. Wir wollen damit bewirken, daß die im Saarland und in Rheinland-Pfalz vorhandenen Mittel in diesen Titel einfließen, damit die Pläne überprüft und die Kosten ermittelt werden können und endlich festgestellt werden kann, ob die Realisierung dieses Projekts überhaupt vertretbar ist oder nicht.
Der Herr Kollege Rawe hat vorhin einige Ausführungen dazu gemacht, und auch der Herr Bundesverkehrsminister hat dazu gesprochen. Allerdings hat er dabei, möglicherweise unfreiwillig, den Stil der Regierung demonstriert, nämlich den Stil des Herumdrückens um eine klare Entscheidung, den Stil des Ausklammerns von Problemen. Er hat nämlich gesagt, der Nebel muß weg. Aber im nächsten Satz ist er schon wieder mit der Stange im Nebel herumgeirrt, als er nämlich sagte, die Entscheidung vom 11. Februar habe um Gottes willen keine Vorentscheidung für den Saar-Pfalz-Kanal bedeutet, den Kanal also, der das Saargebiet mit dem RheinNeckar-Raum verbinden soll.
Herr Minister, ich muß Ihnen sagen, daß mit dieser unklaren Politik des Zauderns der Wirtschafts-, der Raumordnungs- und der Strukturpolitik im Bereich der Saar und der Pfalz ein schlechter Dienst erwiesen wird. Dadurch werden schwere Benachteiligungen der saarländischen und pfälzischen Wirtschaft eintreten, weil die gleichzeitig angebotenen Strukturhilfen - das sind Millionen von Steuergeldern - wirkungslos verpuffen müssen,
3) solange z. B. die ansiedlungswillige Industrie nicht weiß, woran sie sich orientieren soll, ob sie die Straße, die Schiene oder einen imaginären Kanal zugrunde legen soll, zu dem die Bundesregierung weder ja noch nein sagt.
Ich habe auch in der Zwischenfrage zu verdeutlichen versucht, daß es nicht vertretbar ist, einen 132 km langen und 300 m breiten Streifen - das sind 40 Millionen qm - für eine Kanaltrasse von jeglicher Bebauung und Nutzung freizuhalten. Der Herr Bundesverkehrsminister hat gesagt, er halte diese Streifen ja gar nicht frei. Das ist gewiß richtig. Aber die Landesregierung des Saarlandes und die von Rheinland-Pfalz müssen in ihren Raumplanungen diese Trasse freihalten. Die Grundstückseigentümer, die Bauern, die Gemeinden wissen ja gar nicht, was sie mit diesem Gelände tun, wie sie es nutzen, wie sie es in ihre Planungen einbeziehen können. Bedenken Sie z. B. einmal, was mit diesem Gelände werden soll, wenn in diesem Bereich irgendwo eine Flurbereingiung stattfindet. Die müssen also endlich einmal wissen, woran sie sind.
Deswegen ist es notwendig, daß dieser unglückliche Schwebezustand beseitigt wird. Man muß endlich von seiten der Bundesregierung den Mut haben, statt des bisherigen „Jein” ein klares Ja oder ein klares Nein zu sagen. Sie, meine Damen und Herren, bitte ich deshalb, der Wiederherstellung dieses Titels zuzustimmen, damit die Prüfung erfolgen, damit die Regierung sich endlich auf Grund dieser Überprüfungen, auf Grund der Ermittlung der Kosten entschließen kann, diesen unbefriedigenden Zustand im Raume Saar und Pfalz zu beseitigen.
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Das Wort hat Herr Kulawig.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Verlauf der Debatte über den Einzelplan 12 haben sich heute mehrere Kollegen im Hause mit der Angelegenheit Saar-Pfalz-Kanal oder Wasserstraßenanschluß für das Saarland beschäftigt, die in anderen Landstrichen der Bundesrepublik zu Hause sind. Erlauben Sie auch einem Saarländer, bevor über den Antrag abgestimmt wird, einige Bemerkungen zu diesem Thema.
Viele von Ihnen wissen sicher, daß das Saarland seit über zehn Jahren in den Debatten im Bundestag und in den Diskussionen in den Ausschüssen die Rolle des Bundesalmosenempfängers Nr. 1 spielt, eine Situation, die in wachsendem Maße unbefriedigend wird und die auch in wachsendem Maße für die Bevölkerung unseres Landes demütigend ist.
Seit das Saarland politisch in die Bundesrepublik eingegliedert ist, steht die Forderung nach dem Bau eines Wasserstraßenanschlusses, in der Hauptsache für die Wettbewerbsverbesserung der saarländischen Schwerindustrie, also der Hüttenindustrie und des Steinkohlenbergbaus, im Vordergrund der saarländischen Forderungen. Über Jahre hinweg ist von der Bundesregierung in Aussicht gestellt worden, daß ein Kanal gebaut werden solle. Aber über Jahre hinweg kam es nicht zu konkreten Beschlüssen, weder hier im Hause noch im Bereiche des Kabinetts. In der Zwischenzeit ist nun mehr und mehr die Frage aufgeworfen worden - das ist heute hier auch mehrfach angesprochen worden -, ob es nicht besser wäre, statt einen Kanal zu bauen, die Mittel, die für den Bau des Kanalanschlusses notwendig wären, für ein Strukturprogramm aufzuwenden.
Die Bundesregierung hat am 11. Februar nach mehrmonatiger Prüfung dieses gesamten Fragenkomplexes einen Beschluß gefaßt. Der Kern dieser Prüfung war die gemeinsame Arbeit in einem sogenannten Interministeriellen Saarausschuß, in dem Vertreter der Bundesregierung und der Landesregierungen von Saaralnd und Rheinland-Pfalz vertreten waren. Das Ergebnis dieser Beratungen war die Feststellung - das stand auch in der Kabinettssitzung zur Diskussion -, daß im Interesse der Erhaltung der saarländischen Schwerindustrie sowohl der Bau des Saar-Pfalz-Kanals - im Beschluß der Bundesregierung heißt es: Wasserstraßenanschluß - als auch weitere sogenannte flankierende strukturverbessernde Maßnahmen notwendig seien.
Darunter ist die Bereitstellung von Mitteln für die Schaffung neuer Arbeitsplätze und in Verbindung damit die Erschließung von Industriegelände zu verstehen; als weitere Maßnahme ist der beschleunigte Ausbau der Fernverkehrsverbindungen, der Fernstraßen des Saarlandes in die anderen Ballungszentren des Bundesgebietes hinein und über die Grenze auch in den Luxemburger und BeneluxKulawig
Raum hinein gewissermaßen als europäische Straße zu verstehen.
Dieser Fragenkomplex lag der Bundesregierung vor. Sie hat am 11. Februar folgendes beschlossen. Erstens: Ein Wasserstraßenanschluß für das Saarland wird gebaut. Zweitens: Als erstes Teilstück für den Wasserstraßenanschluß wird die Kanalisierung der Saar von Saarbrücken bis Dillingen alsbald in Angriff genommen. Der Herr Bundesverkehrsminister hat heute darauf hingewiesen, daß dieses Kanalstück, gleichgültig, ob ein Beschluß gefaßt wird, den Saar-Pfalz-Kanal zu bauen, oder ob beschlossen wird, die Saar zu kanalisieren ,für beide Kanalkonzeptionen auf jeden Fall erforderlich ist.
Die Bundesregierung hat ferner flankierende Maßnahmen zur Strukturverbesserung grundsätzlich beschlossen und in Aussicht genommen, daß zwischen den beteiligten Ressorts beraten werden soll, welche finanziellen Mittel hierfür und für den Beginn des Wasserstraßenbaus im Jahre 1969 bereitgestellt werden sollen.
Ich darf noch hinzufügen, daß die Bundesregierung außerdem beschlossen hat, sich bei den parlamentarischen Beratungen des Bundeshaushalts 1969 dafür einzusetzen, daß ein Titel „Wasserstraßenanschluß für das Saarland" eingefügt wird. Man kann also nicht bezweifeln, daß die Bundesregierung klare Vorstellungen in die Form ihres Beschlusses gegossen hat, daß aber die finanzielle Quantifizierung über die Beratungen im Rahmen der Verabschiedung des Haushaltsplanes 1969 bis jetzt nicht erfolgt ist.
Die Frage, die ich mir stelle und die ich auch der Bundesregierung, besonders dem Herrn Bundesfinanzminister, stelle, ist folgende: Bedeutet das, daß dieser Beschluß, von der Bundesregierung gefaßt, sowohl was den Bau des Kanalteilstücks von Saarbrücken bis Dillingen betrifft, als auch was die flankierenden strukturverbessernden Maßnahmen betrifft, keine Aussicht hat, im Jahre 1969 über den Haushaltsplan der Bundesrepublik realisiert zu werden? Das würde nämlich gleichzeitig bedeuten, daß die gesamte Diskussion im Jahre 1970 bei einer neuen Bundesregierung und in einem neuen Bundestag wieder von vorn aufgenommen werden müßte.
Ich bitte, mir zu glauben, daß man sich als saarländischer Abgeordneter in unserem Land in einer rettungslosen Situation befindet, wenn man nun wiederum, nachdem nach jenem Kabinettsbeschluß vom 11. Februar eine Hoffnung durch das Land ging, wird feststellen müssen, daß die entsprechenden finanzpolitischen Konsequenzen aus diesem Beschluß nicht gezogen worden sind. Ich beklage es, daß die Bundesregierung nicht, wie sie selber beschlossen hat, vor das Parlament, vor den Haushaltsausschuß hingetreten ist und sich dafür eingesetzt hat, daß ein Titel Wasserstraßenanschluß für das Saarland eingefügt wird. Statt dessen hat der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen vor dem Haushaltsausschuß erklärt, vor Verabschiedung des Haushalts 1969 sei eine Vorlage nicht zu erwarten.
Ich appelliere an die Bundesregierung, an den Herrn Bundesfinanzminister, dem Haus darzulegen, wie er sich die finanzielle Realisierung jenes Kabinettsbeschlusses, der den Bau eines Wasserstraßenanschlusses für das Saarland und flankierende strukturverbessernde Maßnahmen vorsieht, vorstellt.
Ich appelliere an das Haus, den saarländischen Abgeordneten darin behilflich zu sein, daß hier Beschlüsse gefaßt werden, die man auch guten Gewissens vor der Bevölkerung des Saarlandes vertreten kann.
({0})
Das Wort hat der Herr Bundesminister der Finanzen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bundesregierung hatte einen Leertitel im Haushalt des Verkehrsministers für diesen Zweck ausgebracht. Er ist leider im Haushaltsausschuß, wenn ich richtig informiert bin, einstimmig gestrichen worden. Nichts läge näher, als den Entwurf der Bundesregierung, nämlich diesen Leertitel, wiederherzustellen. Ich leiste dem nicht nur keinen Widerstand, sondern würde das als eine haushaltsrechtliche Vorbereitung für den Vollzug des Kabinettsbeschlusses betrachten.
({0})
Zweitens. Wir sind nicht in der Lage, einen konkreten Betrag einzusetzen, aber nicht deshalb, weil es nicht finanziert werden könnte, sondern weil zwischen den beteiligten Ressorts und der Landesregierung Verhandlungen schweben mit dem Ziel, eine Finanzvorlage mit konkreten Zahlen, fundierten Zahlen zu erarbeiten, die dann von mir unverzüglich dem Haushaltsausschuß vorgelegt werden wird.
({1})
Meine Damen und Herren, wir stimmen über den Antrag auf Umdruck 598 ab. Wer diesem Antrag der Abgeordneten Jung, Schultz ({0}) und Ramms zustimmen will, gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! -Wir müssen die Abstimmung wiederholen. Wer zustimmen will, möge sich erheben. - Die Gegenprobe! -- Meine Damen und Herren, das letzte ist die Mehrheit. Der Antrag ist abgelehnt.
In diesem Falle wollte Herr Draeger das Wort haben. Bitte, Herr Draeger!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag der FDP, der die Wiederherstellung der Regierungsvorlage zum Ziele hatte, ist soeben von der Mehrheit dieses Hohen Hauses abgelehnt worden. Ich bin der Meinung, daß es trotz dieses Beschlusses unerläßlich ist, zumal im Rahmen der zweiten Lesung des Verkehrshaushalts, hier einige Bemerkungen zu dem Kabinettsbeschluß zugunsten einer Wasserstraße für die Saar zu machen.
Ich darf zunächst einmal dem Herrn Bundesverkehrsminister dafür danken, daß er sich vorhin nachdrücklich für den Ausbau der Saar zwischen Saarbrücken und Dillingen eingesetzt hat. Ich darf dem
1 Bundesfinanzminister außerdem dafür danken, daß er hier mit seinen zwei Bemerkungen einen positiven Beitrag geleistet hat.
({0})
Es gibt in allen Fraktionen des Deutschen Bundestages zahlreiche Kollegen, die in dem Anschluß des Saarlandes an eine leistungsfähige Wasserstraße auch und gerade eine nachdrückliche Aufbesserung der Standortsituation sehen. Im Namen einiger dieser Kollegen darf ich folgende Erklärung abgeben.
Erstens. Wir begrüßen die Entscheidung der Bundesregierung vom 11. Februar 1969, nach Ablehnung der Als-ob-Tarife mit einem ersten Teilstück einer leistungsfähigen Wasserstraße von Saarbrücken nach Dillingen alsbald zu beginnen.
Zweitens. Wir haben ein wenig Verständnis dafür, daß es wegen der Kürze der Zeit nicht möglich war, schon im Haushalt 1969 die entsprechenden haushaltsrechtlichen Voraussetzungen zu schaffen.
Drittens. Wir gehen davon aus, daß in den Haushalt 1970 diese Mittel seitens der Bundesregierung eingestellt werden,
Viertens. Wir sind jedoch der Meinung, daß die Bundesregierung im nächsten Monat dem Haushaltsausschuß eine Finanzvorlage einbringen sollte, um noch im Jahre 1969 bestimmte Arbeiten anlaufen zu lassen?
Fünftens. Wir würden es dankbar begrüßen, wenn sich die Bundesregierung hier und heute zu dieser Maßnahme bekennen würde. Ich habe eben vernommen, daß sich die Bundesregierung durch den Mund des Bundesfinanzministers dazu bekannt hat.
({1})
Meine Damen und Herren, wir haben noch über den Änderungsantrag der Abgeordneten Lemmrich, Rawe und der Fraktionen der CDU/CSU und SPD auf Umdruck 613 *) abzustimmen. Der Antrag wird noch begründet? - Herr Lemmrich, bitte!
Herr Präsident! Meine verehrten Damen und Herren! Dieser Antrag muß ein wenig geändert werden. Es muß heißen: „In Kap. 12 10 Tit. 883 01 und 883 02." Das ist notwendig.
Bei diesem Antrag handelt es sich darum, daß jetzt auch Gemeinden unter 50 000 Einwohnern, wenn dort Gehwege ausgebaut werden, in derselben Weise wie Gemeinden mit über 50 000 Einwohnern bezuschußt werden. Ein entsprechender Entschließungsantrag wird noch in der dritten Lesung zur Abstimmung vorgelegt werden.
Das Wort wird nicht mehr gewünscht.
Wir kommen zur Abstimmung über den Änderungsantrag der Abgeordneten Lemmrich, Rawe,
*) Siehe Anlage 2 Wagner, Dr. Abelein und der Fraktion der CDU/CSU, der Abgeordneten Seifriz, Fellermaier und der Fraktion der SPD auf Umdruck 613. Wer zustimmen will, gebe das Handzeichen. Gegenprobe! - Enthaltungen? - Ich stelle einstimmige Annahme fest. Dann ist die Ausschußvorlage des Einzelhaushalts 12 durch die Annahme des letzten Antrags geändert.
Jetzt stimmen wir über den so geänderten Einzelplan 12 ab. Wer dem Einzelplan zustimmen will, gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Einzelplan 12 ist gegen die Stimmen der Fraktion der FDP angenommen.
Wir kommen zur weiteren Behandlung der beiden mit diesem Punkt verbundenen Gesetze, zunächst zum Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Personenbeförderungsgesetzes. Dazu liegen Wortmeldungen für die allgemeine Aussprache vor. Zunächst hat der Herr Abgeordnete Matthes das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gestatten Sie mir zu diesem Gesetz doch noch einige Worte, auch wenn es schon recht spät geworden ist. Ich meine, daß es notwendig ist, dazu etwas zu sagen, weil ich diesem Gesetz doch einige Bedeutung beimesse, und zwar nicht nur hinsichtlich seiner Zielsetzung, die darauf hinausgeht, daß der Nahverkehr zugunsten des Verkehrsnutzers ausgebaut werden soll - das gilt insbesondere für die Fläche -. Ich meine, daß auch im Zuge dessen, worüber wir uns eben schon unterhalten haben, und im Hinblick auf die Verkehrsentwicklung für die Zukunft diesem Gesetz einige Bedeutung zukommt. Ich denke dabei an die Zunahme des Individualverkehrs auf den Straßen. Ich denke ferner an eine mögliche Verkehrsentlastung im Sinne des vorliegenden Gesetzes. Ich denke aber auch an die Rentabilität der einzelnen Verkehrsunternehmen.
Ich sagte eben schon: Ziel des Gesetzes ist es in erster Linie, die einzelnen Verkehrsunternehmen zur Zusammenarbeit zu bringen, aufeinander abgestimmte Fahrpläne zu erstellen und vor allen Dingen auch zusammenhängende Verkehrsnetze und damit einheitliche Tarife zu erreichen. Der neue § 8 der Novelle sieht diese Möglichkeiten vor. Ich glaube, daß die Erreichung dieses Zieles ein wesentlicher Beitrag sein kann zu dem, was ich anfänglich in der Einleitung gesagt habe.
Nun wissen Sie, meine Damen und Herren, daß es verschiedene Auffassungen zu den einzelnen Möglichkeiten gab, die das Gesetz bot. Ich will auf die wichtigsten doch kurz noch eingehen.
Zunächst einmal hat der Verkehrsausschuß darauf verzichtet, die Gebietsgenehmigungen, wie sie die Regierungsvorlage vorsah, einzuführen. Er ist der Meinung, daß das dort gesteckte Ziel eben mit dem § 8 erreicht werden kann. Der Verkehrsausschuß brachte aber gleichzeitig, weil er doch etwas pessimistisch in dieser Angelegenheit war, unmißverständlich zum Ausdruck, daß er die Entwicklung in dieser Beziehung sorgfältig beobachten wird, um gegebenenfalls, sollten sich die Erwartungen nicht
Mathes
erfüllen, weitere gesetzliche Maßnahmen einleiten zu können. Sie finden dazu eine entsprechende Entschließung des Verkehrsausschusses auf der Seite 4 der Ihnen vorliegenden Drucksache V/3964.
Seit heute nachmittag gibt es aber auch einen Gruppenantrag auf Umdruck 626, den ich sehr interessant finde. Mit ihm wird gewünscht, daß ein Modellvorhaben auf dem Gebiete des regionalen Verkehrs durchgeführt wird. Ich halte das für sehr gut. Damit kann man dann an einem Modell tatsächlich einmal alles das studieren, was wir im Verkehrsausschuß in vielen Gesprächen diskutiert haben; man kann einmal studieren, ob sich praktische Unterlagen für eine derartige regionale Konzession überhaupt ergeben.
Ein weiterer Entschließungsantrag liegt auf Umdruck 619 vor. Er sieht vor, daß die Erfahrungen mit diesem Gesetz bis zum 30. Juni 1971 seitens der Bundesregierung zusammengetragen und dem Bundestag vorgelegt werden sollen.
Ein weiterer Punkt, der viel Diskussion erfordert hat und im Verkehrsausschuß auch nicht einmütig verabschiedet werden konnte, war der § 13 Abs. 4 a, mit dem die Vorrechte insbesondere für die Bundesbahn, aber auch für andere Altunternehmen in etwa hätten geschmälert werden können. Die Mitglieder des Verkehrsausschusses kennen meine Meinung dazu; ich brauche mit ihr nicht hinter dem Berge zu halten. Ich wäre sehr froh gewesen, wenn wir auf der Beibehaltung dieser von der Bundesregierung vorgesehenen Bestimmung bestanden hätten. Das
war nicht der Fall, weil eben die Mehrheit des Ausschusses der Meinung war, daß die sicher von allen
anzuerkennenden Rationalisierungsbemühungen der Deutschen Bundesbahn durch diese Bestimmung hätten gestört werden können. Ich aber bin der Meinung, daß die vorsichtige Einschränkung, die diese Vorschrift ermöglicht hätte, den Schienenunternehmen - damit ist nicht nur die Deutsche Bundesbahn gemeint - durchaus bei der Anpassung an die Notwendigkeit des Verkehrsangebots seitens aller Unternehmen zur Seite gestanden hätte. Ich bin fest davon überzeugt, daß der Vorteil aus einem solchen Verzicht aufgegebener Vorrechte nicht nur dem Fahrgast, sondern auch den Unternehmen und damit eben auch der Deutschen Bundesbahn zugute gekommen wäre, weil ich es einfach als einen volkswirtschaftlichen Unsinn empfinde, daß auf derselben Straße mehrere defizitäre Linien verkehren, die sich dann noch gegenseitig Konkurrenz machen. Ich meine, das sollte ausgeschaltet werden. Ich gebe gerne zu, daß es möglich ist, das mit dem § 8 auszuschalten, vorausgesetzt, daß eben alle Angesprochenen dabei mitmachen. Eine ganz besondere Aufforderung geht mit diesem Gesetz an die Genehmigungsbehörde, die verpflichtet wird, für diese eben angesprochene Zusammenarbeit zu sorgen.
Ich glaube, meine Damen und Herren, daß ich damit die Punkte, die im Ausschuß zu erheblichen Diskussionen geführt haben, genannt habe. Darauf kam es mir an. Ich möchte sagen, daß die SPD-Fraktion diesem Zweiten Gesetz zur Änderung des Personenbeförderungsgesetzes zustimmen wird. Sie wird auch den in der Vorlage aufgeführten Entschließungsanträgen ihre Zustimmung geben. Ich verspreche mir, wie gesagt, bei gutem Willen aller angesprochenen Verkehrsträger einen recht erheblichen Erfolg, insbesondere einen Erfolg für das Verkehrsangebot in der Fläche, und das wird sicherlich nicht gering zu werten sein.
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Das Wort hat Herr Abgeordneter Jacobi.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Obwohl die späte Abendstunde weder mich noch Sie ermuntern kann, die Debatte noch lange fortzuführen, muß ich ein paar kurze Bemerkungen machen. Die sind deshalb notwendig, weil die Mehrheit des Verkehrsausschusses einstimmige Empfehlungen des Ausschusses für Kommunalpolitik, Raumordnung, Städtebau und Wohnungswesen niedergestimmt hat, Empfehlungen, die dem federführenden Ausschuß nicht etwa nur aus der engen Sicht von Kommunalpolitikern unterbreitet worden sind. Ich bedauere das sehr, und ich kann deshalb dieser Vorlage nicht zustimmen. Es sind einige wenige Punkte, die ich anführen möchte.
Punkt eins. Wir benötigen im Straßenpersonenverkehr dringend einheitliche Liniennetze. Die Bevölkerung leidet darunter, daß solche nicht bestehen. Sie muß mehrfach umsteigen, sie muß mehrere Fahrscheine lösen. Das ist ein Zustand, der der Änderung bedarf.
Wenn man aber - das ist die zweite Berner-kung - einheitliche Liniennetze schaffen will, muß man den Genehmigungsbehörden dafür auch die notwendigen Handhaben zur Verfügung stellen. Auch die Anreicherung des § 8 ist da in keiner Weise ausreichend. Dieser § 8 wird gelentlich der Gesundbeterparagraph genannt, und etwas derartiges steckt darin.
({0})
- Ja, Herr Wendelborn, Sie wissen das besser, aber Sie sehen das aus anderer Sicht als ich.
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Ich weiß, daß die- Gebietsgenehmigung lange im Streit war. Sie steht heute nicht mehr zur Diskussion; sie hätte die Gemüter nur unnötig erneut erhitzt. Man darf aber das Kind nicht mit dem Bade ausschütten, und man hätte darauf verzichten sollen, nun auch noch den § 13 Abs. 4 a aus der Regierungsvorlage herauszuschießen,
Der umstrittene § 13 Abs. 4 a ist gelegentlich falsch interpretiert worden. Er beseitigt die Vorränge nicht, sondern läßt sie - übrigens nicht nur die Vorränge der Bundesbahn, sondern alle Vorränge - und die Besitzstandsklausel nur dann nicht zum Zuge kommen, wenn sie einer wesentlichen Verbesserung der Verkehrsbedienung entgegenstehen. Ich kann, meine Damen und Herren, nicht verstehen, wie man mit gutem Gewissen diese Vorschrift zu Fall bringen kann, die die Rechte einzelner nur zurücktreten läßt, wenn das Interesse der All12326
Jacobi ({2})
gemeinheit es erheischt. Ich frage mich, wie es um die Verkehrsbedienung durch diejenigen bestellt sein muß, die diese Bestimmung so sehr fürchten. Ich habe neulich bei einer internen Diskussion folgendes gesagt: Manchmal kommt es mir so vor, daß sich die Verfechter des § 8 an den § 1 der mecklenburgischen Verfassung erinnern, der da lautet: Es bleibt alles beim alten. Ich will hoffen, daß das hier nicht der Fall ist, und bin sehr gespannt, was die Zukunft in dieser Hinsicht ergeben wird. Die Entschließungsanträge, die dem Hause vorliegen, lassen erkennen, wie unsicher den Unterzeichnern die Neuregelung des § 8 erscheint.
Der von mir persönlich mitunterzeichnete Antrag Umdruck 626 bekennt sich im Grundsatz unverändert zu der Forderung nach der Gebietsgenehmigung. Er weist zugleich einen möglichen Weg für eine sichtbare Erprobung der angeblich so hilfreichen Neuregelung des § 8.
Im übrigen wird es eines Tages so weit sein, daß wir alle sehen können, ob wir mit dieser Vorlage, wie sie jetzt zur Verabschiedung ansteht, wirklich in allen Punkten gut beraten waren. Ich habe meine Zweifel.
Das Wort hat Herr Wendelborn.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Herren! Verehrter Herr Jacobi, ich habe nicht nur das Vergnügen, meine persönliche Auffassung zu diesen Dingen vortragen zu dürfen, sondern außerdem noch die Ehre, die Akzente, die die Kollegen der CDU/CSU-Fraktion zum Personenbeförderungsgesetz gesetzt sehen wollen, hier zu erläutern.
Meine Damen und Herren, die CDU/CSU-Fraktion hat sich bei der Beratung dieser Novelle ausschließlich von der Verkehrsverbesserung aus der Sicht der Verkehrsnutzer leiten lassen. Wir wollen, daß die Verkehrsbedienung sowohl in der Fläche als auch in den Randgebieten der Ballungszentren erheblich verbessert wird. Nach unserer Meinung ist es dem Verkehrsnutzer völlig egal, ob er in einen gelben oder roten oder andersfabrigen Omnibus einsteigt. Aus der Sicht des Verkehrsnutzers ist entscheidend, daß ihm günstige Fahrplanübergänge angeboten werden, daß ihm ein einheitliches Tarifsystem innerhalb eines Wirtschaftsbereichs, eines Einzugsgebietes angeboten werden kann. Das sind die Akzente gewesen, die wir bei der Beratung zu § 8 des Personenbeförderungsgesetzes speziell haben setzen wollen.
Wir haben uns zunächst einmal insbesondere von der freiwilligen Zusammenarbeit der Verkehrsträger leiten lassen. Wir wissen aber ebensogut, daß manche draußen zu ihrem Glück gezwungen werden müssen. Wir haben deswegen dafür Sorge getragen, daß § 8 den Genehmigungsbehörden die Möglichkeit gibt, auf dem Wege von Anordnungen überall dort Abhilfe zu schaffen, wo eben fahrplantechnisch keine Einheit besteht und wenn auch im Tarifwesen die Dinge verbesserungswürdig erscheinen.
Im Gegensatz zu Ihnen-, verehrter Herr Kollege Jacobi, meinen wir also, daß § 8 bei dem Stand der Dinge, wie wir sie heute zu sehen haben, zunächst einmal ausreicht. Zu einer Herumbastelei am Konzessionsrecht besteht jedenfalls zum jetzigen Zeitpunkt und bestand auch bisher keine Veranlassung.
In der Öffentlichkeit wird auf die großen Erfolge der Zusammenarbeit zwischen den Verkehrsträgern eigentlich nur ungenügend hingewiesen. Sehr zu Unrecht wird in diesem Zusammenhang häufig zuerst der Hamburger Verkehrsverbund genannt. Sie wissen, daß sich hier vier verschiedene Verkehrsträger zu einem einheitlichen Verkehrsverbund und Verkehrswesen bereit erklärt haben. Irrtümlich wird dieses Beispiel des Hamburger Verkehrsverbunds auch von den Initiatoren der Gebietskonzession als Beispiel angeführt. Sie übersehen, daß gerade beim Hamburger Verkehrsverbund die vier einzelnen Verkehrsträger konzessionsrechtlich voneinander unabhängig geblieben sind.
Auch muß das Bahn-Post-Abkommen erwähnt werden, das leider keine größere Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit gefunden hat. Zwischen der Bahn und der Bundespost ist in einer Vielzahl von Vereinbarungen eine Entflechtung in den Fällen eingeführt worden, in denen die Omnibuslinien der beiden Betriebe einander überlagerten. Es sind Verbundgemeinschaften auf dem Tarifgebiet eingeführt worden. Es sind Linien ausgetauscht worden. Was hier zwischen Bahn und Post geleistet worden ist - im Bahn-Post-Abkommen und in der Verkehrspraxis draußen -, ist ein glänzender Beweis dafür, daß es auf freiwillige Art und Weise möglich ist, die Verkehrsbedienung zu verbessern und die Rentabilität dieser Betriebe zu heben.
Allerdings sollte die Deutsche Bundesbahn angeregt werden, sich bei einem Austausch von Linien mit der Post auch darüber Gedanken zu machen, daß die Einnahmen aus diesen Omnibusverkehslinien, die ausgetauscht oder mit der Deutschen Bundespost zusammen betrieben werden, gepoolt werden müßten. Denn nur wenn man die Einnahmen zusammenlegt, ist die Basis dafür geschaffen, einzelne Linien gegenseitig auszutauschen. Es ist ja ganz logisch: wenn die eine Linie etwa 100 000 DM Verkehrserlöse bringt und die andere nur 20 000 DM, dann ist es schon aus der Sicht der Verkehrserlöse sehr schwierig, einen solchen Austausch herbeizuführen.
Die Zusammenarbeit der Deutschen Bundesbahn mit einer Vielzahl von privaten Unternehmen muß hier ebenfalls erwähnt werden. Das alles sind gute Ansätze, im Sinne des nunmehr zur Verabschiedung anstehenden § 8 eine zukunftsorientierte Bedienung des öffentlichen Omnibusverkehrs zu erreichen.
Abgesehen davon glauben wir, daß die Genehmigungsbehörden ausreichend Möglichkeiten haben, solche schwachen Stellen des Verkehrssystems, wie sie sich heute leider noch abzeichnen, durch Auflagen aus der Welt zu bringen.
Wir bedauern außerordentlich, daß das Angebot der Deutschen Bundesbahn an den Verband öffent-
licher Verkehrsbetriebe im Hinblick auf eine Bereinigung der Bedienungsverbote der überlagerten Verkehre usw. seitens des Verbandes der öffentlichen Verkehrsbetriebe nicht so positiv beantwortet worden ist, wie wir das gern gesehen hätten. Analog zum Bahn-Post-Abkommen müßte auch eine Bereinigung der Verkehrslinien zwischen der Deutschen Bundesbahn und den VÖV-Betrieben möglich sein.
Zu Recht ist von meinen verehrten Vorrednern der § 13 Abs. 4 a angesprochen worden. Wir haben uns nicht dazu erklären können, den § 13 Abs. 4 a in der Regierungsvorlage zu belassen, weil wir ganz einfach zu dem jetzigen Zeitpunkt, wo die ersten Ansätze sich abzeichnen, eine Rationalisierung der Deutschen Bundesbahn nicht erschweren wollten. Wir mögen hinsichtlich der Verbesserung des Betriebsergebnisses der Deutschen Bundesbahn vielleicht hier und da anderer Meinung sein. Es gibt Kollegen, die meinen, diese Verbesserung sei konjunkturell bedingt.
Aber, Herr Minister, Sie haben nicht ohne Stolz auf die verbesserte Betriebsrechnung der Deutschen Bundesbahn hingewiesen, und der Herr Bundesfinanzminister wird gewiß darüber sehr glücklich sein. Meine Kollegen von der CDU CSU-Fraktion sind deswegen der Auffassung gewesen, daß wir zu diesem Zeitpunkt die Rechtsgrundlage der Deutschen Bundesbahn im öffentlichen Personenverkehr nicht zuungunsten der Deutschen Bundesbahn haben einschränken dürfen. Das ist unser Gesichtspunkt ge;) wesen, verehrter Herr Jacobi. Wir wollten eben nicht die Einschränkung der Rechtsgrundlage zuungunsten der Deutschen Bundesbahn. Wenn Sie berücksichtigen, daß in diesem Jahr 2000 Genehmigungen der Deutschen Bundesbahn im Omnibuslinienverkehr zur Neuerteilung anstehen, dann wird vielleicht deutlich, was hätte passieren können, wenn wir diese Dinge zuungunsten der Deutschen Bundesbahn relativiert hätten. Ich verweise im Namen meiner Fraktionsfreunde mit Nachdruck auf den Schriftlichen Bericht unseres Kollegen. Auf Seite 2 dieses Berichtes ist die Erklärung des Herrn Präsidenten der Deutschen Bundesbahn, Professor Dr. Oeftering, zitiert, der nachdrücklich darauf hinweist, daß die jetzige Fassung des § 13 Abs. 2 Nr. 2 c des Personenbeförderungsgesetzes in keinem Fall von der Deutschen Bundesbahn und von nachgeordneten Dienststellen der Deutschen Bundesbahn mißbräuchlich angewandt werden soll und angewandt worden ist. Vom Präsidenten der Deutschen Bundesbahn ist hier also ausdrücklich bestätigt worden, daß der Vorrang im Schienenparallelverkehr und im Schienenersatzverkehr nicht mißbräuchlich angewendet worden ist. Verehrter Herr Kollege, ich muß das leider sagen; das muß nach den Ausführungen meiner Vorredner richtiggestellt werden.
Ich glaube nicht, verehrter Herr Kollege Ramms, daß wir die Dinge mit der Anhebung von Sozialtarifen besser in den Griff bekommen. Wir wissen -- sei es im öffentlichen oder privaten Bereich oder bei der Bundesbahn selbst -, daß bei einer Anhebung von Sozialtarifen sofort eine starke Abwanderung zum Individualverkehr zu verzeichnen ist. Wir meinen, daß wir schon in der nächsten Zukunft angehalten sein müssen, zu überlegen, auf welchem Gebiet diesen Verkehrsträgern eine Entlastung zuteil werden kann. Die Wünsche, in welche Richtung eine solche Entlastung gehen sollte, sind uns bekannt. Ich möchte mich aus Zeitgründen zurückhalten, hier die einzelnen Vorschläge aufzuzeigen.
Meine Freunde in der CDU/CSU-Fraktion und ich meinen, daß wir hier einen ersten Schritt getan haben, um zu einer Verbesserung des Omnibuslinienverkehrs zu kommen. Wir sind uns der Unzulänglichkeit unseres täglichen Tuns bewußt, und wir haben die Bundesregierung deswegen aufgefordert, bis Ende 1971
({0})
einen Bericht über die Anwendung dieses Gesetzes vorzulegen. Ich meine, daß wir damit zum Ausdruck bringen, daß wir bereit sind, neue Erkenntnisse gesetzestechnisch entsprechend zu würdigen. Der Gruppenantrag, in dem der Modellversuch vorgeschlagen wird, sollte dem Verkehrsausschuß überwiesen werden. Einer solchen Überweisung würden wir zustimmen.
({1})
Es liegen keine Wortmeldungen mehr vor.
Wir kommen dann zur Abstimmung in zweiter Beratung. Wer den Artikeln 1 bis 3, Einleitung und Überschrift des Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Personenbeförderungsgesetzes zustimmen will, gebe das Handzeichen. - Danke. Gegenprobe.! -- Enthaltungen? - Ich stelle einstimmige Annahme fest.
Wir kommen dann zur
dritten Beratung. Das Wort wird nicht gewünscht.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Gesetz im ganzen zustimmen will, möge sich vom Platz erheben. - Danke. Gegenprobe! -- Enthaltungen? - Gegen eine Stimme angenommen.
Wir haben dann noch über die Ziffern 2 bis 6 des Ausschußantrages - Drucksache V/3964, Seite 4 -zu befinden. Wer diesen Ziffern 2 bis 6 zustimmen will, gebe das Handzeichen. Danke. Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen.
Schließlich müssen wir noch über die Entschließungsanträge auf den Umdrucken 619 *) und 626 *) abstimmen. Wer dem Antrag auf Umdruck 619 zustimmen will, gebe das Handzeichen. - Danke, Gegenprobe! - Enthaltungen? - Dieser Antrag ist einstimmig angenommen.
Dann stimmen wir über den Antrag der Abgeordneten Schmidt-Vockenhausen und Genossen auf Umdruck 626 ab. Hier wird der Antrag auf Überweisung an den Verkehrsausschuß gestellt. Das Haus ist damit einverstanden; dann ist so beschlossen.
*) Siehe Anlagen 4 und 5
122R
Vizepräsident Dr. Mommer
Dann rufe ich die zweite Beratung eines Sechsten Gesetzes zur Änderung des Güterkraftverkehrsgesetzes auf. - In der allgemeinen Aussprache wird das Wort nicht gewünscht.
Wir kommen zur Abstimmung, zunächst über Art. 1 Nrn. 01, 1 und 2. Wer diesen Ziffern zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Danke. Gegenprobe! - Enthaltungen? - Diese Nummern sind angenommen.
Zu Nr. 3 liegt ein Änderungsantrag der Fraktion der FDP auf Umdruck 615 *) vor, und zwar unter Ziffer 1. Wird das Wort zur Begründung gewünscht?
({0})
- Ist schon begründet. Dann stimmen wir über die Ziffer 1 des Umdrucks 615 ab. Wer zustimmen will, gebe das Zeichen. - Danke. Gegenprobe! - Enthaltungen? - Dieser Antrag ist abgelehnt.
Dann rufe ich die unveränderte Nr. 3 sowie Nr. 4 zur Abstimmung auf. Wer diesen Nummern zustimmen will, gebe das Zeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Diese Nummern sind angenommen.
Ich rufe Nr. 5 auf. Dazu liegt ein Änderungsantrag der Fraktion der FDP vor, Umdruck 615 Ziffer 2. Auch diese Ziffer ist schon begründet. Wir stimmen ab. Wer Ziffer 2 zustimmen will, gebe das Zeichen.
- Danke. Gegenprobe! - Enthaltungen? - Dieser Antrag ist abgelehnt.
Dann können wir über die unveränderten Nrn. 5, - 6, - 7, - 8, - 8 a und 9 des Art. 1 abstimmen. Wer zustimmen will, gebe das Handzeichen. - Danke. Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei einigen Enthaltungen und einigen Gegenstimmen sind diese Nummern angenommen.
Ich rufe Nr. 10 auf. Hierzu liegt auf Umdruck 615 unter Ziffer 3 ein Änderungsantrag vor. Auch dieser Antrag ist schon begründet worden. Wir stimmen ab. Wer dem Antrag der FDP - Ziffer 3 auf Umdruck 615 - zustimmen will, gebe das Handzeichen.
- Danke. Gegenprobe! - Dieser Antrag ist abgelehnt.
Ich rufe dann die unveränderten Nrn. 10, - 11, -12, - 12 a, - 13, - 14 und 15 auf. Wer zustimmen will, gebe das Handzeichen. - Danke. Gegenprobe! -- Enthaltungen? - Bei einigen Gegenstimmen angenommen.
Ich rufe auf Nr. 15 a. Dazu liegt der Änderungsantrag Umdruck 615 Ziffer 4, vor. Wer diesem Änderungsantrag zustimmen will, gebe das Handzeichen. - Danke. Gegenprobe! - Auch diese Ziffer 4 ist abgelehnt.
Wir stimmen dann ab über die unveränderten Nrn. 15 a, - 15 b, - 16, - 16 a und 17 des Art. 1. Wer zustimmen will, gebe das Handzeichen. - Danke. Gegenprobe! - Mit der gleichen Mehrheit sind auch diese Nummern angenommen.
Ich rufe dann Nr. 18 des Art. 1 auf. Hierzu liegen Änderungsanträge vor, und zwar auf Umdruck 615 unter Ziffer 5, und auf Umdruck 617**) ein der Sache
*) Siehe Anlage 6 **) Siehe Anlage 7 nach gleicher Antrag wie auf Umdruck 618***). Das Wort hat Herr Abgeordneter Ravens.
({1})
- Materiell sind sie gleich. In dem Fall würde ich
die kleinere Zahl zugrunde legen, weil dieser Antrag wahrscheinlich zuerst eingereicht worden ist.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei den Änderungsanträgen auf den drei Umdrucken geht es in erster Linie nicht um ein verkehrspolitisches, sondern, wie mir scheint, um ein wirtschaftspolitisches Problem. Im Güterkraftverkehrsgesetz gibt es in § 49 eine Sonderregelung für Handelsvertreter und Handelsmakler. Ihnen ist der Werkfernverkehr nur mit Fahrzeugen bis zu 2 t Nutzlast erlaubt.
In den letzten Jahren hat sich die Struktur in diesem Bereich deutlich verändert. Kleine und mittlere Unternehmen sind mehr und mehr nur dann noch bereit, Handelsvertreter- oder Handelsmaklerverträge abzuschließen, wenn diese Handelsvertreter oder Handelsmakler gleichzeitig Auslieferungslager übernehmen.
Als man damals das Güterkraftverkehrsgesetz verabschiedete und die Angabe „2 t" hineinbrachte, ging man davon aus, daß die Handelsmakler und Handelsvertreter lediglich ihre Vorführware mitzuführen brauchten, aber keine Auslieferung vornähmen. Die großen Unternehmen in der Bundes- republik Deutschland haben in fast allen Städten und in den großen Verbrauchszentren eigene Auslieferungslager oder eigene Auslieferungsfirmen, die jetzt mit Fahrzeugen unbeschränkter Größe Auslieferungen an den Einzelhändler vornehmen können. Die kleinen Firmen bedienen sich hier der Auslieferungslager der Handelsmakler und erwarten von ihnen, daß sie die Auslieferung übernehmen. Sie aber sind heute auf einen Lkw von 2 t beschränkt.
Wir meinen, daß wir hier eine Gleichstellung schaffen müssen, um eine Wettbewerbsverzerrung mit einem Wettbewerbsnachteil sowohl für die Handelsmakler als auch für die kleinen und mittleren Unternehmen abbauen zu können. Wir bitten deswegen, den Anträgen - in diesem Falle kann ich wohl alle erwähnen - die Zustimmung nicht zu versagen, zumal da es sich hier um ein wirtschaftspolitisches Problem handelt.
({0})
Meine Damen und Herren, wir haben also drei Anträge, Umdruck 615 Ziffer 5, Umdruck 617 und Umdruck 618. Bei materiell gleichem Inhalt und nicht erkennbarem Unterschied in der Qualität der Fassung muß ich den Antrag nehmen, der zuerst eingereicht worden ist. Wir stimmen also über den Antrag Umdruck 615 Ziffer 5 ab, der sachlich inhaltsgleich ist mit den Anträgen Umdruck 617 und Umdruck 618. Wer zustimmen will, gebe das Handzeichen. - Danke.
***) Siehe Anlage 8
Vizepräsident Dr. Mommer
Gegenprobe! - Enthaltungen? - Dieser Antrag ist
gegen eine Stimme angenommen. Damit sind die Anträge Umdruck 617 und Umdruck 618 erledigt.
Wir stimmen dann über die so geänderte Nr. 18 des Art. 1 ab. Wer zustimmen will, gebe das Handzeichen. - Danke. Gegenprobe! - Enthaltungen? Einstimmig angenommen.
Wir stimmen nun über die Nrn. 18 a bis 27 b ab. Wer diesen Nummern zustimmen will, gebe das Handzeichen. - Danke. Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei einigen Gegenstimmen angenommen.
Wir stimmen über Art. 1 a, Art. 2, - Art. 2 a
und Art. 3 sowie über die Einleitung und Überschrift ab. Wer zustimmen will, gebe das Handzeichen. -Danke. Gegenprobe! - Enthaltungen? Bei einigen Stimmenthaltungen angenommen.
Wir kommen nun zur
dritten Beratung. Das Wort wird nicht gewünscht.
Wir kommen zur Schlußabstimmung über das Gesetz zur Änderung des Güterkraftverkehrsgesetzes. Wer zustimmen will, möge sich vom Platz erheben. - Danke. Gegenprobe! - Danke. Enthaltungen?
Gegen die Stimmen der Fraktion der FDP ist dieses Gesetz in dritter Beratung angenommen.
Wir müssen dann noch über die Ziffern 2 bis 5 des Ausschußantrags auf Seite 6 dieser Vorlage abstimmen. Wer zustimmen will, gebe das Handzeichen. - Danke. Gegenprobe! - Enthaltungen?
Damit sind auch diese Ziffern des Ausschußantrags angenommen.
Wir sind damit am Ende der Vorlagen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr.
Ich rufe auf:
Einzelplan 19
Bundesverfassungsgericht
- Drucksache V/3936 -Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Tamblé
Das Wort zur Aussprache wird nicht gewünscht. Änderungsanträge liegen nicht vor.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Einzelplan 19 - Bundesverfassungsgericht - zustimmen will, gebe das Handzeichen. - Danke. Gegenprobe! - Enthaltungen? - Ich stelle einstimmige Annahme fest.
Ich rufe auf:
Einzelplan 20:
Bundesrechnungshof
- Drucksache V/3937 Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Abelein Keine Wortmeldungen, keine Anträge.
Wer diesem Einzelplan zustimmen will, gebe das Handzeichen. - Danke. Gegenprobe! - Enthaltungen? - Ich stelle einstimmige Annahme fest.
Ich rufe auf:
Einzelplan 24
Geschäftsbereich des Bundesschatzministers - Drucksache V/3939 Berichterstatter: Abgeordneter Hauser ({0})
Das Wort wird nicht gewünscht. Änderungsanträge liegen nicht vor.
Wer dem Einzelplan 24 - Geschäftsbereich des Bundesschatzministers - zustimmen will, gebe das Zeichen. - Danke. Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei einer Enthaltung im übrigen einstimmig angenommen.
Ich rufe auf: Einzelplan 25
Geschäftsbereich des Bundesministers für Wohnungswesen und Städtebau
Drucksache V/3940 -Berichterstatterin: Abgeordnete Frau Krappe
Hier ist ein Debatte angekündigt. Ich frage, ob das Wort verlangt wird. - Frau Meermann hat das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Herren und Damen! Erlauben Sie mir bitte, zu dieser vorgerückten Stunde zwar nicht den ganzen Haushalt des Bundeswohnungsbauministers zu würdigen, aber doch einige Anmerkungen zu wenigen Punkten dieses Haushalts zu machen.
Zunächst zum Wohngeld. Die Verankerung des Wohngelds in diesem Haushalt und in der mittelfristigen Finanzplanung gibt dem Bürger die Gewähr, daß das Wohngeld als Mittel staatlicher Wohnungspolitik erhalten bleibt. Er kann sich darauf verlassen, daß untragbare Härten im Verhältnis von Miete und Einkommen oder von Belastung für das Eigenheim und Einkommen auch in der Zukunft ausgeglichen werden. Diese erneute Feststellung der Wohngeldgarantie erscheint uns in einem Zeitpunkt, in dem die Mieten nicht unerheblich gestiegen sind, wichtig.
Ein Teil des Personenkreises, für den das Gesetz ursprünglich gedacht war, wird allerdings heute nicht mehr von ihm erfaßt, weil die Einkommensgrenze für das Wohngeld seit 1963 unverändert geblieben ist. Ich möchte hier nicht für eine Dynamisierung des Wohngelds sprechen. Denn unser Ziel geht dahin, daß ein ausreichendes Wohnungsangebot und eine günstige Einkommens- und Rentenentwicklung es den Bürgern in steigendem Maße ermöglichen, Miete oder Belastung für das Eigenheim aus eigenem Einkommen zu bestreiten.
({0})
Wir müssen aber von Zeit zu Zeit den Stand überprüfen. Nach unseren Beobachtungen erscheint es uns notwendig, daß recht bald nicht nur eine Verbesserung und Vereinfachung des Verfahrens, son12330
dern auch eine Anpassung des Wohngeldgesetzes an die derzeitigen Einkommens- und Mietverhältnisse erfolgt.
({1})
Es war für uns selbstverständlich, daß wir in einer Zeit, in der der Bundeshaushalt in Ordnung gebracht werden mußte, keine Anträge auf Gesetzesänderungen gestellt haben, die möglicherweise finanzwirksam hätten werden können. Es ist auch selbstverständlich, daß wir das im gegenwärtigen Zeitpunkt nicht tun, in dem aus konjunkturpolitischen Gründen ein Teil der im Haushalt vorgesehenen Ausgaben zurückgestellt werden muß. Wir kündigen aber an, daß wir diese Frage erneut aufgreifen werden, sobald der Bericht der Kommission zur Vereinfachung des Wohngeldgesetzes im Sommer dieses Jahres vorliegt.
In diesen Zusammenhang gehören auch unsere Überlegungen zur Anhebung der seit 1957 für den Haushaltsvorstand unverändert gebliebenen Einkommensgrenze für die Gewährung von Darlehen und Zinszuschüssen für den sozialen Wohnungsbau. Das ist eine Anhebung, die keine haushaltsmäßigen Konsequenzen zu haben braucht. Es zeigt sich insbesondere bei der Belegung von Wohnungen in Neubaugebieten, daß die gewünschte Sozialstruktur der Bewohner bei genauer Einhaltung der jetzt gültigen Einkommensobergrenzen nur schwer erreicht werden kann. Das Zweite Wohnungsbindungsgesetz bietet zwar Ausweichmöglichkeiten für besondere Fälle an. Trotzdem erscheint es uns nicht sinnvoll, an einer Einkommensobergrenze jetzt noch festzuhalten, die vor zwölf Jahren festgesetzt wurde, wenn derjenige, der innerhalb dieser Grenze bleibt, die Mieten im sozialen Wohnungsbau, so wie sie sich in der Zwischenzeit entwickelt haben, aus eigener Kraft nicht mehr bezahlen kann. Ich spreche dabei von den Neubauten der letzten Jahre mit ihren gestiegenen Kosten.
Meine dritte Anmerkung gilt einem Titel, der nicht vor dem nächsten Haushalt erscheinen kann. Aber niemand ist daran gehindert, heute auch mittelfristige Überlegungen anzustellen.
({2})
Es geht um das Städtebauförderungsgesetz, das den Gemeinden das rechtliche und organisatorische Instrumentarium an die Hand gehen soll, um die große und sehr dringliche Aufgabe der Erneuerung und Entwicklung unserer Städte und Dörfer bewältigen zu können. Daß hierfür das Bundesbaugesetz nicht ausreicht, daß es vielmehr eines besonderen Gesetzes bedarf, haben auch Ihre beiden Vorgänger, Herr Bundeswohnungsbauminister, die Herren Lücke und Dr. Bucher, zwar eingesehen, aber leider sind ihre Gesetzentwürfe nie bis zur Beratung im Parlament gekommen; das war erst bei der neuen Bundesregierung möglich.
({3})
-- Stimmt's nicht, Herr Kollege?
({4})
- Bei dem Wohnungsbauminister.-In der Zwischenzeit ist kostbare Zeit verstrichen, und die
Spanne, die diesem 5. Bundestag zur Verabschiedung bleibt, ist außerordentlich kurz bemessen.
Ich könnte mir nun vorstellen, Herr Minister, daß die Aussicht darauf, im Haushaltsplan 1970 einen Titel „Maßnahmen zur Städtebauförderung" zu finden, manches Mitglied dieses Hohen Hauses bei seiner Mitarbeit an diesem Gesetz beflügeln könnte. Ich hoffe deshalb, daß es Ihnen gemeinsam mit dem Herrn Bundesfinanzminister und dem Haushaltsausschuß dieses Hohen Hauses gelingt, die Weichen der mittelfristigen Finanzplanung entsprechend zu stellen.
Der vierte Punkt, zu dem ich Ausführungen machen wollte aber ich überlege mir nun doch, daß ich das in dieser vorgerückten Stunde nicht mehr tun werde ,
({5})
sollte dem Titel „Zuschüsse und andere Zuweisungen zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung und der technischen Entwicklung gewidmet sein. Ich erlaube mir, diesen Teil meiner Rede zu Protokoll *) zu geben,
({6})
und möchte abschließend sagen, wie sehr wir es begrüßen, daß Sie, Herr Minister, den Aufgaben der Forschung und Rationalisierung Ihr besonderes Augenmerk widmen, wovon auch die Arbeiten der von Ihnen berufenen Beiräte zeugen. Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion haben Sie dabei auf Ihrer Seite.
({7})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Porsch.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch ich möchte Ihre Zeit jetzt nicht zu sehr in Anspruch nehmen, aber ich darf, ohne zum Haushalt direkt Stellung zu nehmen, ein paar Gedanken vortragen, die uns bei den Überlegungen zum Wohnungsbau des Haushaltsjahres 1969 gekommen sind.
Welche Gedanken man sich über den Wohnungsbau der Bundesregierung für die 70er Jahre macht, wissen wir nicht; aber eines wissen wir: daß wir uns auf einem breiten Gebiet, nämlich der Förderung der Eigentumswohnungen unter Berücksichtigung der Mobilität der Arbeitskräfte, etwa Neues einfallen lassen müssen. Wir wissen, daß breite Schichten unseres Volkes bis jetzt am staatlich geförderten Wohnungsbau, soweit er die Eigentumsbildung betrifft, nicht teilnehmen konnten, und zwar aus dem einfachen Grunde, weil dann, wenn ein solcher Besitzer eines Eigenheimes, das mit staatlicher Förderung gebaut wurde, versetzt wurde oder seinen Arbeitsplatz wechseln mußte, die Darlehen gekündigt wurden, denn die Bedingungen waren nicht mehr erfüllt. Viele Menschen, die dem Wechsel des Arbeitsplatzes stärker unterliegen - ich denke hier an große Gruppen der Bundesbeamten; ich habe auch bei dem Bericht des Wehrbeauftragten und bei der Erörterung der Wohnungssor-
*) Siehe Anlage 11.
Deutscher Bundestag -- 5. Wahlperiode -
`) gen innerhalb der Bundeswehr hier an diesem Platz dazu Stellung genommen -, konnten bis jetzt zu keiner Eigentumswohnung kommen. Es war für sie einfach unmöglich Anteil zu haben, denn ihre berufliche Tätigkeit entsprach nicht den Bedingungen. Ich meine, man müßte sich auch deshalb etwas Neues einfallen lassen. Es müßte die Möglichkeit geben - ähnlich wie bei anderer Kapitalbildung -, z. B. Anteil an Wohnungen zu haben, die im ganzen Bundesgebiet gebaut sind.
Dabei ist zu überlegen, ob der Quadratmeterpreis z. B. einer Wohnung in einer Landeshauptstadt mit dem Quadratmeterpreis einer Wohnung etwa in einer Stadt mit 50 000 Einwohnern verglichen werden kann. Vielleicht wird gerade die Auswertung der Wohnungszählung vom vergangenen Herbst Möglichkeiten eröffnen, für das Jahr 1969 zu neuen Gesetzen und neuen Überlegungen zu kommen.
Zu diesen Überlegungen wollte ich mit meinen Ausführungen anregen.
({0})
Das Wort hat Herr Baier.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte einige Hinweise namens der CDU/CSU-Bundestagsfraktion zum Haushalt des Bundesministers für Wohnungswesen und Städtebau geben. Wenn Sie sich den Haushalt ansehen -- mir scheint, man sollte in einer Haushaltsdebatte wenigstens gelegentlich ein Wort zum Haushalt sagen , dann werden Sie feststellen, daß an verfügbaren Mitteln ein Bewilligungsrahmen von 300 Millionen DM für Wohnungsbaumittel gemäß § 19 a des Zweiten Wohnungsbaugesetzes, für Rückflußmittel und für Wohnungsbaumittel für Sowjetzonenflüchtlinge vorgesehen ist. Das ist ein relativ bescheidener Rahmen; das muß zugegeben werden. Es ist aber auch notwendig, daß innerhalb dieses Rahmens, Herr Wohnungsbauminister, entsprechend dem Zweiten Wohnungsbaugesetz gehandelt wird.
Wir haben hier vor zwei Jahren nach sehr schweren Verhandlungen die Gleichrangigkeit der sozialen Wohnungsnotstände mit der Eigentumsbildung im Wohnungsbau hergestellt. Wir meinen, diese Gleichrangigkeit sollte bei allen Handlungen Ihres Hauses auch immer wieder zum Ausdruck kommen. Wir wissen, wie sehr gerade in der letzten Zeit von Illustrierten und von Massenmedien Attacken gegen die Eigentumsbildung im Wohnungsbau geritten wurden. Es wird immer wieder so hingestellt, als wäre es eine falsche Ideologie gewesen, die in den vergangenen .Jahren vor allem der Bundeswohnungsbauminister Lücke vertreten hat, indem er der Eigentumsbildung im Wohnungsbau den Vorrang gab. Wir meinen, auch heute noch müssen wir uns darüber im klaren sein, daß die Eigentumsbildung im Wohnungsbau dort, wo sie möglich ist, die beste Wohnform für die Familie bildet und sich hier gleichzeitig auch eine klassische Form der Eigentumsbildung darstellt. - Bitte, Frau Kollegin!
Herr Kollege, Sie haben aber doch beobachtet, daß der Anteil der Eigenheime im Verhältnis zum Mietwohnungsbau des sozialen Wohnungsbaues in den ganzen vergangenen Jahren immer etwa bei 30 % geblieben ist und zur Zeit ebenso hoch ist?
Verehrte Frau Kollegin, wenn Sie mich schon darauf ansprechen, muß ich sagen, daß er Ein den letzten Jahren in manchen Ländern sogar ganz erheblich zurückgegangen ist, und zwar his auf 25 %. Wir müssen feststellen, daß bei der Förderung von Eigentumsmaßnahmen im Wohnungsbau, insbesondere von Familienheimen, nicht die zinsgünstigten Mittel eingesetzt werden, wie wir sie vor allen Dingen im Mietwohnungsbau haben. Wir meinen, hier sollte, auch was den Einsatz zinsgünstiger Mittel betrifft, eine Gleichrangigkeit zwischen beiden Bereichen vorhanden sein.
Herr Jacobi sieht so aus, als wollte er eine Frage stellen. Gestatten Sie, Herr Baier?
Bitte!
Herr Kollege, müssen Sie nicht zugeben, daß Gleichrangigkeit auch gleichartige Bedingungen voraussetzt, und gehört nicht zur Förderung des Wohnungsbaues außer dem Geld, außer der Finanzierung, Bauland? Steckt hier nicht eine Problematik, die dem Eigenheimbau mehr geschadet hat als von Ihnen vermutete unterschiedliche finanzielle Begünstigungen?
({0})
Herr Kollege Jacobi, ich würde sagen: sowohl als auch. Natürlich haben wir in manchen Bereichen auch die Baulandnot. Aber die Tatsache, daß es auch heute noch über hunderttausend unerledigte Anträge zum Bau von Familienheimen gibt,
({0})
beweist, daß es nicht nur am Bauland, sondern auch an anderen Dingen liegt. Ich glaube, es ist verfehlt, wenn Sie durch Zwischenfragen einen Gegensatz zwischen beiden Forderungen herbeiführen wollen. Ich habe hier lediglich festgestellt, daß wir eine Gleichrangigkeit auch in der Behandlung der Förderung wünschen. Das sollte das Entscheidende sein, und darauf bestehen wir, weil wir eben dort, wo es möglich ist, die Vorzüge des Familienheims auch weiterhin haben möchten.
({1})
Erlauben Sie eine Zwischenfrage?
Bitte!
Herr Kollege Baier, sind Sie mit mir der Meinung, daß es eine vorbildliche Aufgabe wäre, wenn die gemeinnützigen Wohnungsbauträger in noch stärkerem Maße, als es bisher geschehen ist, sich der Eigentumsbildung annähmen?
Das ist zweifellos richtig, Herr Kollege. Wir wissen leider, daß insbesondere die großen Wohnungsunternehmen sich am wenigsten dieser wichtigen Aufgabe im Interesse unseres Volkes annehmen.
In diesem Zusammenhang, Herr Bundeswohnungsbauminister, möchte ich ,darauf hinweisen, daß infolge der Zinsanhebung bei den älteren Sozialwohnungen nunmehr auch beim Bund höhere Mittel eingehen müssen, die bekanntlich zweckgebunden sind. Wir haben Sie in einer Anfrage im Dezember des vergangenen Jahres nach der Höhe dieser Mittel gefragt. Sie konnten uns damals noch keine genauen Angaben machen. Ich möchte Sie fragen: Verfügen Sie jetzt über die Unterlagen, um uns sagen zu können, wie hoch die Mittel sind, die zusätzlich bei Ihnen eingehen, die zweckgebunden Verwendung finden müssen, und wie Sie sich den Einsatz dieser zweckgebundenen Mittel innerhalb des Wohnungsbaues vorstellen.
Weiter möchte ich hier seitens meiner Fraktion die Tatsache feststellen, daß für die Förderung von Instandsetzungs- und Modernisierungsarbeiten an Wohngebäuden im Haushaltsjahr 1969 leider keine Zinszuschüsse zur Verfügung gestellt werden. Wir bedauern dies, obwohl ich die Gründe, die dafür maßgebend sind, zum Teil kenne.
({0})
- Ich glaube, ,das werden Sie sicherlich besser können, Herr Minister, weil in erster Linie Sie sie bei der Aufstellung ,des Haushalts kennengelernt haben. Ich möchte nur an Sie appellieren, dafür zu sorgen, daß diese Zinszuschußaktion in Zukunft wieder eingeführt wird, weil sie zum einen auch dazu dient, wertvolles volkswirtschaftliches Gut zu erhalten, und weil zum anderen durch die Zinszuschüsse auch zu einem niedrigeren Mietzinssatz beigetragen wird. Es ist, da wir immer wieder Kritik an der Mietentwicklung bei Altbauten hören, wichtig, daß durch zinsgünstige Förderung der Modernisierungsmaßnahmen ein Beitrag zur Steuerung der Mietentwicklung geleistet wird.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Hermsdorf?
Herr Kollege Hermsdorf, bitte!
Herr Kollege Baier, wissen Sie nicht, daß nicht nur Sie, sondern auch der Haushaltsausschuß und das Bundeswohnungsbauministerium die Entwicklung hinsichtlich der Frage der Zuschüsse für Altbaumieten bedauern, und sind Sie mit mir der Auffassung, daß auch Sie in Kenntnis der Sachlage im Haushaltsausschuß nicht in der Lage
waren, hier irgendeine Änderung herbeizuführen?
Ich stimme Ihnen völlig zu, Herr Kollege Hermsdorf. Aber wenn Sie mir zugehört hätten, hätten Sie festgestellt, daß ich im Blick auf das kommende Jahr - Sie wissen, die Haushaltsaufstellungen beginnen immer sehr frühzeitig
gesagt habe, die Bedeutung der Zinszuschußaktion sollte vom Wohnungsbauministerium wieder richtig erkannt werden.
Noch eine Frage von Herrn Hermsdorf.
Herr Kollege Baier, da wir uns sehr lange und sehr genau kennen, habe ich selbstverständlich sehr genau zugehört. Sie müssen mir aber schon den Hinweis erlauben, daß ich glaubte heraushören zu können, daß Sie Ihre Ausführungen nicht nur im Blick auf die Zukunft gemacht, sondern damit auch ein bißchen Kritik am Bundeswohnungsbauminister verbunden haben.
Sie mögen das interpretieren, wie Sie wollen, Herr Hermsdorf. Natürlich hätte ich es lieber gesehen, wenn sich der Wohnungsbauminister auch in diesem Jahr hätte durchsetzen können, um die Zinszuschußaktion durchzuführen. Aber ich kenne natürlich als Mitglied des Haushaltsausschusses auch die Schwierigkeiten, denen er sich gegenübergesehen hat.
({0})
- Frau Kollegin, ich stimme mit Ihnen darin überein, daß man die Probleme des Wohngeldes an Hand des Wohngeldberichts überprüfen sollte, insbesondere was eine Anhebung der Einkommensgrenzen betrifft. Wir alle wissen, daß es sich hierbei natürlich um erhebliche finanzielle Mittel handelt. Auf der anderen Seite aber muß festgestellt werden, daß der Einkommensrahmen der Entwicklung von Löhnen und Gehältern nicht mehr angepaßt ist, daß er - kurzum - zu eng geworden ist und einer sehr ernsten Überprüfung bedarf.
({1})
Herr Minister, es gibt in Ihrem Hause eine Reihe von Problemen, die der besonderen Aufmerksamkeit bedürfen. Ich denke an das Problem der Förderung des Wohnungsbaus für alte Menschen. Wir sind sehr froh darüber, daß Sie dafür 40 Millionen DM auch in diesem Haushaltsjahr zur Verfügung stellen. Ich habe dieser Tage mit Interesse in einer Zeitschrift den Aufsatz eines Ihrer Herrn, von Herrn Dr. Borgiel, gelesen, der eine sehr gute Darstellung dieses Problems gegeben hat. Darin wurde klar, daß es heute beim Wohnungsbau für alte Menschen nicht nur um die finanziellen Mittel, sondern um das Wie, um die Erkenntnis der Wohnanforderungen für alte Menschen, geht. Hier sollten wir gemeinsam alles daransetzten, um die Wohnanforderungen für alte Menschen besser kennenzulernen, weil heute noch sehr viele Wohnungsbaumittel für diesen Bereich mehr oder weniger schlecht ausgegeben werBaier
den, da sich viele Architekten überhaupt keine Vorstellung und kein Bild davon machen, was heim Wohnungsbau für alte Menschen angemessen und notwendig ist.
({2})
Herr Baier, ich glaube, daß die Architektenschaft wohl darüber informiert ist und die Erkenntnisse gesammelt hat, was für den Altenwohnbau notwendig ist, daß die Erfüllung dieser Aufgabe aber immer wieder daran scheitert, daß zuwenig Mittel zur Verfügung stehen.
Herr Kollege Strohmayr, diese Auffassung kann ich nicht teilen. Sehen Sie sich einmal draußen im Lande um, was an Wohnheimen und an Altenwohnungen heute noch errichtet wird genauso wie in vielen anderen Bereichen -, dann werden Sie feststellen, daß das in keiner Weise dem Wohnbedürfnis dieser alten Menschen gemäß ist. Hier haben wir eine Aufgabe, nämlich dafür zu sorgen, daß eben diese Mittel möglichst effektiv eingesetzt werden. - Alle Architekten fühlen sich jetzt offensichtlich angeprochen!
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Herr Kollege Baier, würden Sie mir
zugeben, daß dies hier nicht ein Problem des Könnens der Architekten, sondern ein Problem der Programme ist? Der Architekt kann doch nur insoweit gestaltend planen, als ihm auch ein vernünftiges Programm gegeben wird und auch dementsprechend die Mittel zur Verfügung gestellt werden.
Ich glaube, auch der Architekt kann auf das Programm mit Einfluß nehmen, wenn es ein tüchtiger Architekt ist.
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Herr Minister, ein Weiteres! Ich habe in dieser Woche für die Fragestunde eine Frage angemeldet, mit der ich wissen will, was sich die Regierung überlegt hat, um mehr Mobilität in das Wohnungseigentum zu bringen. Ich war überrascht, heute früh zu lesen, daß der Herr Bundesjustizminister dazu auserkoren wurde, diese Frage zu beantworten. Ich befürchte, daß der Bundesjustizminister vielleicht hinsichtlich einiger rechtlicher Bindungen eine Antwort gibt, aber keine umfassende Antwort, und mir scheint doch, daß hier der Wohnungsbauminister angesprochen ist. Ich habe in meiner Frage auch ausdrücklich den Wohnungsbauminister gefragt, was er getan hat und zu tun beabsichtigt, um hinsichtlich notarieller, rechtlicher und steuerrechtlicher Bindungen mehr Mobilität in das Wohnungseigentum hineinzubringen. Wenn dies geschähe, würde das zweifellos auch eine größere Attraktivität in vielen Bereichen der Eigentumsbildung im Wohnungsbau mit sich bringen. Ich denke nur an den Bereich der Grunderwerbsteuer oder etwa an den
Einsatz von Datenverarbeitungsanlagen bei der Ausfertigung von Grundbuchauszügen. Das sind aber nur einige Hinweise. Ich hätte gern gewußt, welche Vorstellungen in Ihrem Hause bestehen.
Ich möchte zum Schluß darauf hinweisen, daß wir leider auch in diesem und im verflossenen Jahr keine Vorschläge zu dem sehr mißlichen Problem der Fehlbelegung von Sozialwohnungen erhalten haben. Ich weiß - meine verehrten Damen, Sie blicken mich so kritisch an -, daß auch der Vorgänger von Minister Lauritzen dazu nicht in der Lage war.
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--- Auch der Vorvorgänger nicht. Damit waren also alle Fraktionen dieses Hauses daran irgendwie beteiligt. Ich möchte aber doch zum Ausdruck bringen, daß es uns Unbehagen bereitet, wenn wir dieses Problem der Fehlbelegung von Sozialwohnungen nicht lösen können.
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Ich habe einen Vorschlag, aber leider sagen die
Fachleute, er lasse sich nicht realisieren. Sehen Sie, ich bin der Auffassung, daß man einem Mieter in einer Sozialwohnung zumuten müßte, alle zwei oder drei Jahre einen Einkommensnachweis zu liefern. Wenn dann auf Grund dieses Einkommensnachweises festgestellt wird, daß dieser Mieter um einen bestimmten Prozentsatz über der Einkommensgrenze liegt, sollte der der Miete zugrunde liegende Zinssatz für das Darlehen von 0,5"/o auf meinetwegen 5 % erhöht werden. Das würde uns gleichzeitig wieder mehr Mittel in den Wohnungsbauetat bringen und uns in die Möglichkeit versetzen, mit diesen Mitteln neue Sozialwohnungen zu bauen. Diesen Vorschlag habe ich schon bei Herrn Bundesminister Lücke gemacht, ich habe aber damit noch nirgends Gehör gefunden. Mir wurde immer wieder gesagt, das sei nicht realisierbar. Die genauen, die präzisen Gründe, weshalb das nicht realisierbar sein sollte, kenne ich aber nicht.
Damit darf ich meine Bemerkungen zum Haushalt des Herrn Bundeswohnungsbauministers schließen. Wir sehen, es gibt eine Reihe zeitgemäßer, wichtiger Aufgaben, und ich meine, Herr Minister, daran sollte sich Ihr Haus weiter orientieren, und Sie sollten danach Ihr Haus auch organisieren.
({3})
Meine Damen und Herren, unser Kollege Wurbs hat die beabsichtigten Ausführungen zu Protokoll *) gegeben.
Das Wort hat jetzt Herr Bundesminister Dr. Lauritzen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich werde mich bemühen, relativ kurz zu antworten.
*) Siehe Anlage 12
In meinem Ministerium wird zur Zeit die gesamte Gesetzgebung auf dem Gebiet des Wohnungs- und Städtebaus sehr eingehend daraufhin überprüft, wieweit durch die Änderung der allgemeinen Verhältnisse, der Wohn- und Einkommensverhältnisse, wieweit durch Zeitablauf oder durch den Abbau der Wohnungsbewirtschaftung Vorschriften erledigt, gegenstandslos oder änderungsbedürftig geworden sind. Ich habe einen besonderen Arbeitskreis von Sachverständigen berufen, der den Auftrag übernommen hat, noch bis zum Ende dieser Legislaturperiode seine Arbeit so weit voranzutreiben, daß die Ergebnisse für die Novellierung, die in den nächsten Jahren notwendig wird, dann zur Verfügung stehen.
Bei den Fragen, die Frau Abgeordnete Meermann hier angeschnitten hat, geht es ja auch um diese Probleme, insbesondere um die Einkommensgrenzen im Wohngeldgesetz und im Zweiten Wohnungsbaugesetz. Die Überprüfung dieser Einkommensgrenzen ist deshalb notwendig geworden, weil sich die Einkommensverhältnisse in den letzten Jahren weiterentwickelt haben, so daß die damalige Gesetzgebung dieser Entwicklung angepaßt werden muß. Ich bin auch der Meinung, daß man sich mit den Fragen der Mietobergrenzen im Wohngeldgesetz beschäftigen muß. Auch das wird zur Zeit gründlich untersucht. Man muß sich nur über eines im klaren sein: Finanzielle Auswirkungen werden damit doch verbunden sein, insbesondere wird wahrscheinlich die Zahl der Wohngeld- und der Lastenzuschußempfänger wachsen. Wir werden uns bei allen diesen Überlegungen also auch der Haushaltslage des Bundes und der Länder anpassen müssen, weil beide je zur Hälfte diese Kosten tragen. Wir haben im Wohnungsbau versucht, durch den zweiten Förderungsweg etwas zu helfen, indem die Einkommensgrenzen um etwa 33 1/3 % überschritten werden können. Wir haben uns also bemüht, hier eine Erleichterung zu schaffen. Ich sehe mit einer gewissen Sorge, meine Damen und Herren, daß sich im Grund genommen zwischen der Mietentwicklung im öffentlich geförderten Wohnungsbau und im frei finanzierten Wohnungsbau eine Lücke auftut, die verhindert, daß die Wohnungen, die dringend gebraucht werden, auch angeboten werden. Hier werden wir uns in der Zukunft Finanzierungsmöglichkeiten überlegen müssen, um die große Differenz zwischen den Mieten im sozial geförderten und im frei finanzierten Wohnungsbau etwas zu verkleinern. Damit kommen wir auch an die Kategorie der Wohnungsuchenden heran, Herr Abgeordneter Baier, von denen Sie meinen, daß die im Grund genommen nicht mehr in die Sozialwohnungen hineingehören.
Darf ich zu dem Problem, das Sie, Herr Abgeordneter Porsch, angeschnitten haben, etwas sagen. Sie weisen mit Recht darauf hin, daß die Förderung von Eigentumsmaßnahmen, insbesondere auch für junge Ehepaare, mit einer gewissen Immobilität am Arbeitsmarkt verbunden ist. Ich glaube, wir sollten uns das einmal überlegen. Auch das sind Aufgaben, die sicher nur langfristig zu lösen sein werden, vielleicht durch eine Änderung der Vergaberichtlinien. Warum muß denn mit einem Wohnungswechsel oder Eigentumswechsel eine Fälligkeit der Darlehen verbunden sein? Vielleicht kann man auch die Gesetzgebung ändern oder, wie Sie angedeutet haben, durch ein Zertifikatseigentum eine bessere Mobilität erreichen.
Herr Kollege Baier, Sie haben eine Reihe von Fragen angeschnitten, über die wir uns, wie ich glaube, schon bei anderen Beratungen und auch manchmal in der Fragestunde des Bundestages unterhalten haben. Darf ich nur darauf hinweisen, daß ich in der Fragestunde der letzten Woche mit allem Nachdruck die Auffassung der Bundesregierung zum Ausdruck gebracht habe, daß sie ihre Aufgabe darin sieht, die Bildung von Eigentum als Eigenheim oder Eigentumswohnung mit allem Nachdruck zu fördern, soweit sie die Möglichkeiten dazu sieht, daß sich aber auch - darauf hat Frau Abge- ordnete Meermann schon hingewiesen - anscheinend ein relativ stabiler Bedarf entwickelt, ganz gleichgültig wer Wohnungsbauminister ist, ob er Lücke, Bucher oder Lauritzen heißt. Der Eigentumsanteil betrug immer um 30 %. Das scheint dem tatsächlichen Bedarf zu entsrechen. Wenn Sie darauf hinweisen, daß die Vergabepraxis der Länder vielleicht dazu geführt hat, daß dieser Anteil etwas rückläufig ist, so muß ich allerdings darauf aufmerksam machen, meine Damen und Herren, daß sich durch den ständigen Rückgang der Bundesmittel im Wohnungsbau das Verhältnis zwischen Ländermitteln und Bundesmitteln ständig verschoben hat. Wenn wir also auf die Ländervergabe einen Einfluß nehmen wollen, müssen wir wissen, daß das Verhältnis von Bundesmitteln zu Landesmitteln 1 : 6, wenn nicht in einzelnen Ländern noch mehr, beträgt. Wir haben da also nur einen begrenzten Einfluß, es sei denn, daß wir mit Richtlinien in der Gesetzgebung helfen.
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- Wieweit die Länder gelegentlich ausweichen, haben Sie gehört. Ich möchte hier keinen Wohnungsbauminister eines Landes zitieren. Aber in diesem Land ist vor einiger Zeit einmal gesagt worden: Ich muß mich halt nach dem Bedarf richten; ich brauche vordringlich Mietwohnungen. - Ich kann einen wesentlichen Einfluß auf die Länder nur durch entsprechende Mittelhergabe erreichen.
Vorhin ist gesagt worden, es seien noch hunderttausend unerledigte Anträge für Familieneigenheime da. Wissen Sie, wie hoch die Zahl noch vor zwei Jahren war? Wir haben sie erheblich abgebaut, und das in einer Zeit, in der wir zusätzliche Mittel dafür nicht zur Verfügung hatten.
Ich kann Ihnen, Herr Kollege Baier, allerdings auch keine Hoffnung machen, daß aus dem Zinserhöhungsgesetz in Zukunft mehr Mittel anfallen werden, als wir in der mittelfristigen Finanzplanung schon berücksichtigt haben. Bereits für den Haushalt 1969 sind Mittel etwa in Höhe von 100 Millionen DM aus Rückflüssen aus dem Zinserhöhungsgesetz eingesetzt. Sie werden mich vielleicht fragen: Wie hoch wird das tatsächliche Aufkommen sein? Diese Frage kann ich aus folgendem Grunde nicht beBundesminister Dr. Lauritzen
antworten: Das Gesetz ist zwar bereits im vorigen Jahr in Kraft getreten, aber die Länder haben die Zinserhöhung zu unterschiedlichen Terminen durchgeführt: das schwankt zwischen 1. Oktober 1968 und 1. April dieses Jahres. Demzufolge liegt eine so große Differenzierung der Aufkommen der Länder vor, daß ich im Augenblick über das tatsächliche Aufkommen nichts sagen kann.
Herr Baier möchte eine Zwischenfrage stellen.
Darf ich Sie zu der Feststellung, daß die Länder in einem Zeitraum, der bis zu einem halben Jahr geht, ein von Bundestag und Bundesrat angenommenes Gesetz in so unterschiedlicher Weise praktizieren bzw. nicht praktizieren, fragen, was die Bundesregierung und Sie zu tun gedenken, damit dieses Gesetz eingehalten wird?
Einen gewissen Spielraum haben wir den Ländern bei der Durchführung dieses Gesetzes gelassen. Sie waren nicht verpflichtet, es sofort zu tun. Das Gesetz schreibt auch nur vor: sie können erhöhen. Im übrigen, Herr Kollege Baier, kann ich nur aus dem Grundgesetz ableiten, was der Bund tun kann, wenn die Länder die Gesetze nicht richtig ausführen sollten. Davon dürfen wir uns nicht allzuviel versprechen. Sie haben es erlebt. Wenn irgendwo die Voraussetzung für die Aufhebung der Wohnungsbewirtschaftung gegeben war und sich ein Land nicht daran gehalten hat, ist nicht gleich der Bundesgrenzschutz marschiert; das würde er in diesem Fall auch nicht tun.
Bezüglich der Instandsetzungsbeihilfen, der Zuschüsse für Altbausanierung, glaube ich, können wir eine weitgehende Übereinstimmung feststellen. Ich bin voll und ganz der Auffassung, die vorgetragen worden ist. Wir haben doch im Rahmen des Konjunkturprogramms bewiesen, was darin konjunkturpolitisch steckt; denn das ist eine sehr starke Initialzündung von konjunkturbelebender Bedeutung gewesen. Ich hätte es gern gesehen - Herr Kollege Leicht weiß es aus den Verhandlungen über die mittelfristige Finanzplanung -, wenn wir im Rahmen der Beratungen über die mehrjährige Finanzplanung einen Weg gefunden hätten, die Maßnahme weiterzuführen. Ich würde hier nicht die Frage stellen wollen: Ist das eine Bundesaufgabe? Ich würde vielmehr sagen: Wenn durch Reichsgesetz - und das fortgeführt durch Bundesgesetz - eine Situation entsteht, wo unter Umständen auch ein gewisser .Nachholbedarf vom Gesetzgeber her mitzuverantworten ist, sollte auch der Gesetzgeber seine Verpflichtung darin sehen, mitzuhelfen, daß dieser Nachholbedarf abgebaut werden kann. Vielleicht gelingt es uns bei den Haushaltsberatungen und der Fortführung der mittelfristigen Finanzplanung, in Zukunft dafür wieder Zinszuschüsse einzusetzen. Ich würde das begrüßen und werde mich sehr darum bemühen, das bei den künftigen Beratungen nicht zu kurz kommen zu lassen.
Was den besseren Wohnungsbau unter Berücksichtigung der besonderen Bedürfnisse alter Menschen betrifft - ich würde in Zukunft hinzufügen: auch Körperbehinderter; für sie gilt das doch in gleicher Weise --, so darf ich Sie daran erinnern, daß wir vor einigen Tagen den Welttag der Invaliden hatten. Das hat mir den Anstoß gegeben, den Ministern und Senatoren der Länder einmal zu sagen: Hierauf müssen wir besser als in der Vergangenheit achten. Es geschieht so manches: da werden architektonische Hindernisse für Rollstühle von Körperbehinderten gebaut, die nicht gehen können. Das kann man durch etwas mehr Nachdenken aus der Welt schaffen. Ich habe auch in Aussicht gestellt - wir prüfen das zur Zeit -, die Mehrkosten, die dadurch entstehen, durch höhere Bundeszuschüsse abzufangen. Das wäre eine wesentliche Hilfe, um auf diesem Gebiet weiterzukommen.
Das leidige Problem der Fehlbelegung! Ihre Frage wegen des Wohnungseigentums gehört ressortmäßig zum Bundesjustizminister. Er wird aber ohne meine Mitwirkung die Frage nicht beantworten. Nur: er hat aber die Federführung, und deswegen wird er sprechen.
Das Problem der Fehlbelegung ist aber nun von diesem Pult aus und von der Regierungsbank aus von mir wiederholt erörtert worden. Ich darf das wieder in Ihre Erinnerung zurückrufen. Es geht ja nicht darum, daß diejenigen, die in Wohnungen sitzen, die ihren Einkommensverhältnissen nicht mehr gerecht werden, höhere Mieten zahlen. Es geht im Grunde genommen darum, daß sie die Wohnungen frei machen für diejenigen, für die sie gebaut sind. Solange wir das nicht erreichen können dadurch, daß der Wohnungsmarkt mobil genug ist, wird es sehr schwierig, harte Mittel einzusetzen, um diese Freimachung zu erreichen. - Ich habe genau gehört, was Sie gesagt haben: Sie wollen eine höhere Miete vorschreiben, damit aus den Mehrerträgen Wohnungen gebaut werden können.
({0}) Das ist der andere Weg.
({1})
Wir haben mit dem Zinserhöhungsgesetz angefangen. Das hat Ihnen vielleicht nicht genügt. Herr Abgeordneter Baier, wenn Herr Kollege Lücke Ihren damaligen Vorschlag nicht übernommen hat, so wird er dafür gute Gründe gehabt haben.
({2})
- Ich glaube, man sollte die Möglichkeiten eines Ministers, sich in seinem Ministerium durchzusetzen, nicht geringschätzen, auch nicht beim Herrn Kollegen Lücke. Das würde ich nicht tun wollen.
Aber ich darf Ihnen eines sagen. Ich war vor einigen Tagen in Holland. Die Holländer haben versucht, durch ein besonderes Gesetz mit dem Problem fertig zu werden. Sie sind gescheitert. Das Parlament hat das Gesetz nicht gebilligt, weil es zu dem Ergebnis gekommen ist: das ist zu schwerfällig und
zu umständlich, und es besteht die Gefahr, daß die Verwaltung dieser Mehrmieten so teuer wird, daß der Ertrag sich nicht lohnt. An diesen Überlegungen sind die bisherigen gesetzgeberischen Vorhaben auch bei den Holländern gescheitert.
Ich komme zu einem Lieblingsthema. Frau Kollegin Meermann hat es angeschnitten, sie hat auf die große Bedeutung der Aufgaben der Bauforschung, der Rationalisierung und der Bautechnik hingewiesen. Ich habe einen Arbeitskreis damit beschäftigt. Das Arbeitsergebnis liegt vor. Der Bericht ist gedruckt, und er wird in diesen Tagen den Mitgliedern des Bundestages und auch der Öffentlichkeit vorgelegt werden. Wir haben damit einen ersten Schritt getan, um in dieser Frage voranzukommen. Denn es ist sicherlich kein Geheimnis, daß die Bundesrepublik hier im Verhältnis zu den anderen Ländern, auch in Europa, noch einiges nachzuholen hat. Die Holländer sind weiter, die Skandinavier ebenfalls. Dort gibt es moderne Fertigungsmethoden, die zu billigeren Baukosten führen, als wir sie haben.
Ich freue mich, daß es gelungen ist, in diesem Jahr die Mittel hierfür in meinem Haushalt etwas zu erhöhen. Sie sollen vom nächsten Jahr an auf 5 Millionen DM steigen. Dann kann man schon wesentlich mehr tun als bisher. Wenn es nur gelänge, 10 % Baukostensenkung zu erreichen, so würde das bei einem Investitionsvolumen im Wohnungsbau von 25 Milliarden gerade den Betrag bedeuten, den wir brauchten, um manche Sorgen in der Wohnbaufinanzierung loszuwerden. Es geht entscheidend darum, auf diesem Wege voranzukommen.
Zum Schluß eine kurze Bemerkung. Die Bundesregierung hat in ihrem Jahresbericht 1969 klar zum Ausdruck gebracht, daß nach ihrer Auffassung die öffentliche Förderung des Wohnungsbaus auch in Zukunft eine Aufgabe des Staates ist. Daran sollten wir unbedingt festhalten. Es wird darauf ankommen
damit komme ich auf das Problem der Bautechnik noch einmal zurück , hier weitere Fortschritte zu erzielen und die Bautechnik so zu entwickeln, daß es möglich wird, in Zukunft schneller, besser und billiger zu bauen. Der Wohnungsbau wird noch mehr als bisher in die große Aufgabe der Erneuerung und Entwicklung unserer Städte und Gemeinden einbezogen werden müssen.
Ich greife gern eine Bemerkung der Frau Abgeordneten Meermann auf. Sie werden sicherlich Verständnis haben, wenn ich auch heute an das Hohe Haus den dringenden Appell richte, bemüht zu bleiben, daß das Städtebauförderungsgesetz noch in dieser Legislaturperiode unbedingt verabschiedet wird.
({3})
Es hat in diesem Hause bisher keine verschiedenen Meinungen darüber gegeben - und es gibt sie auch heute nicht , daß dieses Gesetz notwendig ist.
Meine Damen und Herren, ich möchte auch meiner Freude darüber Ausdruck geben, daß es gelungen ist, die Förderung des sozialen Wohnungsbaus in unserer mehrjährigen Finanzplanung finanziell zu konsolidieren.
({4})
Meine Damen und Herren, es liegen keine Wortmeldungen mehr vor.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Einzelplan 25 - Geschäftsbereich des Bundesministers für Wohnungswesen und Städtebau - zustimmen will, gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Dieser Einzelplan ist bei Stimmenthaltungen der FDP-Fraktion angenommen.
Ich rufe auf: Einzelplan 28
Geschäftsbereich des Bundesministers für Angelegenheiten des Bundesrates und der Länder
- Drucksache V/3943 -Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Emde
Das Wort wird nicht gewünscht. Anträge liegen nicht vor.
Wer dem Einzelplan 28 zustimmen will, gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Ohne Gegenstimme angenommen.
Ich rufe auf:
Einzelplan 32 Bundesschuld
- Drucksachen V/3946, zu V/3946 Berichterstatter: Abgeordneter Röhner
Das Wort hat der Berichterstatter, Herr Röhner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Trotz der vorgerückten Stunde möchte ich in Ergänzung des Schriftlichen Berichts noch einige Bemerkungen zum jetzt aufgerufenen Einzelplan 32 machen.
Zunächst ein paar Worte zur Einnahmenseite. Die Haupteinnahmen des Einzelplans 32 bilden die im außerordentlichen Haushalt ,ausgewiesenen Kreditaufnahmen. Die Regierungsvorlage sah hier einen Betrag von 3589 Millionen DM vor. Der Haushaltsausschuß konnte diesen Betrag durch Kürzungen und durch Einnahmeverbesserungen um 237,5 Millionen DM senken. Dieser Hinweis scheint mir deshalb erforderlich, weil durch diese Verringerung des Nettokreditbedarfs im Zeichen des starken Konjunkturaufschwungs eine bewußt antizyklische Maßnahme besonderer Bedeutung Platz greifen konnte.
Ein Zweites sei in diesem Zusammenhang noch erwähnt. Die daneben unter einer besonderen Zweckbestimmung neu veranschlagte Kreditaufnahme in Höhe von 500 Millionen DM für besondere Zwecke im Zusammenhang mit dem Ausgleich von Kosten der Stationierung von Streitkräften und zur Stärkung der Verteidigungskraft wirkt einer antizyklischen Haushalts- und Finanzpolitik insofern nicht entgegen, als der aufgenommene Betrag nicht im Inland zur Verwendung kommt und somit keine zusätzliche Nachfrage auslösen wird.
Ein paar ebenso kurze Bemerkungen auch zu der Ausgabenseite. Hier ist darauf hinzuweisen, daß
die Ausgaben im wesentlichen auf gesetzlicher oder vertraglicher Verpflichtung beruhen oder zwangsläufig von Art und Höhe der aufgenommenen Kreditmittel abhängen. Der Schwerpunkt liegt hier beim Schuldendienst.
Ein Wort zu den Ausgaben für den Zinsendienst, soweit sie in Kap. 3205 eingestellt sind. Diese Ausgaben erhöhen sich gegenüber dem Vorjahr um rund 310 Millionen DM. Diese Entwicklung ergibt sich aus folgenden Gründen. Einmal war zur Überwindung der Rezession 1967 eine expansive finanzpolitische Maßnahme über eine kurzfristige kräftige Erhöhung der Neuverschuldung zu ergreifen. Zum zweiten ist darauf hinzuweisen, daß die rasch fortschreitende Konjunkturbelebung sowie die wachsende Ergiebigkeit des Kapitalmarktes es ermöglichten, bereits im ersten Halbjahr 1968 zur langfristigen Finanzierung mit kontinuierlich verbesserten Bedingungen überzugehen.
Der Kreditbedarf des außerordentlichen Haushalts 1968 mit 8145 Millionen DM sollte ursprünglich durch Anleihen, Darlehen, Kassenobligationen und U-Schätze in einer Größenordnung von 8145 Millionen DM gedeckt werden. Tatsächlich wurden jedoch nur 7907 Millionen DM aufgenommen. Für alle Anleihen läuft der Zinsendienst erst im Rechnungsjahr 1969 an, so daß gegenüber dem Vorjahr mit erheblich höherem Zinsbedarf zu rechnen ist. Hinzu kommt, daß die Aufnahme von U-Schätzen wegen der erhöhten Bruttokreditaufnahme im Rechnungsjahr 1969 auf einen Betrag von 6120 Millionen DM steigen wird. Für diesen Betrag ist der Diskont für die gesamte Laufzeit im Rechnungsjahr 1969 aufzubringen.
Abschließend noch eine kurze Bemerkung zur Kurspflege für die Schuldtitel des Bundes, nicht zuletzt auch deshalb, weil gerade dieser Bereich in der letzten Zeit mehrfach Gegenstand von Presseberichten war. Im Bundeshaushalt ist dafür seit Jahren ein Leertitel bei Kapitel 3207 ausgebracht, über den An- und Verkäufe abgewickelt werden können. Die Ist-Ausgabe des Vorjahres in Höhe von 896 Millionen DM bei dieser Zweckbestimmung beruht darauf, daß Schuldtitel und Auslagen der Rentenversicherungsträger in Höhe von rund 1000 Millionen DM zur Erhaltung der Liquidität dieser Körperschaften zurückgekauft wurden. Wegen des sich abzeichnenden Hochs auf dem Kapitalmarkt Ende 1968 wurden diese nicht wieder veräußert oder anderweitig begehen. Das bedeutet im Ergebnis - und deshalb erwähne ich diese Tatsache --, daß mit ordentlichen Haushaltsmitteln ein Betrag von 1000 Millionen DM - darin eingeschlossen sind 104 Millionen DM aus Verkäufen von Schuldtiteln - zusätzlich getilgt werden konnte.
Die Kurspflege von Schuldtiteln des Bundes und seiner Sondervermögen - Bahn, Post, LAG-Fonds - wurde bisher von Bund und Bundesbank gemeinsam betrieben. Durch eine starre Kurspflege gelang es im Jahre 1968, den Nominalzins auf dem deutschen Rentenmarkt von 6,5 auf 6 v. H. herabzudrücken. Seit Ende Februar 1969 hält die Bundesbank eine weitere Liquiditätsanreicherung und damit Zinssenkung auch im Hinblick auf die steigenden Zinssätze im Ausland nicht mehr für vertretbar. Demzufolge stellte sie ihre erweiterte Offenmarktpolitik ein, worauf der Rentenmarkt erwartungsgemäß mit zunehmenden Abgaben reagierte. Deshalb mußten der Bund und seine Sondervermögen in den ersten Märzwochen Anleihen in Höhe von rund 350 Millionen DM zurücknehmen. Die darauf eingeleitete flexible Kurspflege hat die Kurse der Bundesanleihen nach kurzer Zeit einpendeln lassen, so daß zur Zeit auf ermäßigtem Niveau sogar Rückkaufneigung überwiegt.
Der springende Punkt für die Haushaltsberatung sei jetzt angesprochen. Die haushaltsmäßigen Folgerungen aus der Kurspflege lassen sich heute noch nicht übersehen. Es ist jedoch durchaus möglich, und ich wollte darauf hingewiesen haben, daß sich aus der nunmehr vom Bund allein betriebenen Kurspflege zusätzliche Ausgaben ergeben werden. Diese können zwar im Ergebnis zu einer zusätzlichen Tilgung führen, andererseits jedoch auch den Einsatz zusätzlicher Haushalts- und Kassenmittel des Bundes erforderlich machen.
Soweit wollte ich den Schriftlichen Bericht noch ergänzt haben.
({0})
Wir danken dem Herrn Berichterstatter. Wortmeldungen liegen nicht vor. Auch keine Änderungsanträge. Dann kommen wir zur Abstimmung über Einzelplan 32 - Bundesschuld -. Wer dem Einzelplan zustimmen will, gebe das Handzeichen. - Danke. Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Einzelplan ist gegen die Stimmen der FDP-Fraktion angenommen.
Ich rufe auf:
Einzelplan 33
Versorgung
-- Drucksache V/3947 Berichterstatter:
Abgeordneter Hörmann ({0})
Das Wort wird nicht gewünscht. Anträge liegen nicht vor. Wer dem Einzelplan 33 zustimmen will, gebe das Handzeichen. - Danke. Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei Stimmenthaltungen der FDP- Fraktion angenommen.
Ich rufe auf: Einzelplan 35
Verteidigungslasten im Zusammenhang mit dem Aufenthalt ausländischer Streitkräfte
-- Drucksache V/3948 -
Berichterstatter: Abgeordneter Wellmann
Wer diesem Einzelplan zustimmen will, gebe das Handzeichen. - Danke. Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei Stimmenthaltungen der FDP-Fraktion angenommen.
Vizepräsident Dr. Mommer
Ich rufe dann auf:
Einzelplan 60
Allgemeine Finanzverwaltung
- Drucksachen V/3950, zu V/3950 -
Berichterstatter: Abgeordneter Röhner
Abgeordnete Frau Krappe
Hier liegt auf Umdruck 599 *) ein Antrag der Fraktion der FDP vor. Ich glaube, daß es sich um einen Deckungsvorschlag handelt. Sie haben das Wort zu diesem Antrag, Herr Kollege Peters.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf ganz kurz den Antrag Umdruck 5991 und auch den Antrag Umdruck 600 **), der mit dem ersten Antrag korrespondiert, begründen.
Die Bundesregierung hat am 20. März in diesem Hohen Haus ihr Programm zur Sicherung der Preisstabilität bekanntgegeben. Ich will in diese Materie nicht weiter einsteigen. Darüber ist genug gesprochen worden. Wir sind mit der Bundesregierung einig, daß die konjunkturelle Lage die Bundesregierung auf Grund des Stabilitätsgesetzes verpflichtet, Maßnahmen zur Sicherung der Preisstabilität zu ergreifen. Es ist unbestritten, daß wir uns in einer Anlaufphase zur Hochkonjunktur befinden. Das Sachverständigengutachten sagt 2,5 bis 3 % Preisanstieg voraus. Wir sind auch mit der Bundesregierung darin einig, daß die Einschränkungen bei der öffentlichen Hand und nicht im privaten Bereich der Wirtschaft beginnen müssen.
Leider stellen wir fest, daß die Bundesregierung es nur bei einer Absichtserklärung beläßt, sowohl im Bereich des Bundeshaushalts als auch bei den Ländern. Nach § 18 des Stabilitätsgesetzes hätte die Bundesregierung die Möglichkeit, Kreditaufnahmen der Länder durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates zu limitieren. Die Bundesregierung hat diesen Schritt nicht getan. Wir haben den Eindruck, daß sie sich nicht getraut, diesen Schritt zu tun.
Im eigenen Bereich, beim eigenen Haushalt, will die Bundesregierung 1,8 Milliarden DM bis zum Juli vorläufig sperren und dann weiter beraten, ob diese Sperrung in eine endgültige Kürzung umgewandelt werden soll.
Unser Antrag geht dahin, heute zu beschließen, daß 1,8 Milliarden DM im Haushalt gestrichen werden, belegt durch die Anträge Umdruck 599 und Umdruck 600. Nach unserer Meinung hat die Öffentlichkeit ein Recht darauf, daß die Bundesregierung hier ganz klar erklärt, was sie in der Konjunkturpolitik will. Sie kann ihren Willen zur Stabilität nur unterstreichen, wenn die Haushaltskürzung jetzt vorgenommen wird und das Problem nicht noch ein Vierteljahr hinausgeschoben wird. Wenn unserem Antrag nicht entsprochen wird, besteht die Möglichkeit, in der Öffentlichkeit immer wieder zu sagen:
*) Siehe Anlage 9 **) Siehe Anlage 10
Wenn wir erst zwei Monate vor der Wahl sind, werden die Beträge doch freigegeben. Wir sind also der Meinung, es sollte hier heute gehandelt werden. Wir bitten daher um Zustimmung zu unseren Anträgen.
Das Wort hat Herr Althammer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte, diesen Antrag der FDP abzulehnen. Es hat einen sehr guten Grund, daß die Bundesregierung nur eine einstweilige Sperrung dieser 1,8 Milliarden DM und nicht eine endgültige Kürzung vorschlägt. Wäre der andere Weg gewählt worden, so wäre es sehr leicht möglich gewesen, noch in der letzten Beratung des Haushaltsausschusses solche Kürzungen vorzunehmen.
Zum einen ist es so, daß für die zweite Jahreshälfte 1969 die Prognosen der Wirtschaftsinstitute durchaus auseinandergehen. Ich erinnere nur an eine Prognose des sehr bekannten IFO-Instituts in München, das für den Herbst dieses Jahres wieder einen Wirtschaftsabschwung voraussagt.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Peters?
Ja, bitte.
Herr Althammer, beabsichtigen Sie jetzt, die Gedanken, die Ihr Finanzminister hier in anderthalb Stunden dargelegt hat, zu widerlegen?
({0})
Nein, Herr Kollege. Sie hätten nur einen Moment warten müssen. Ich wollte gerade fortfahren.
Es ist natürlich absolut offen, ob eine solche Prognose zutrifft. Aber gerade weil die endgültige Entwicklung in der zweite Jahreshälfte noch nicht abzusehen ist, ist es besser, jetzt zu sperren und die Entscheidung darüber, ob die Gelder endgültig eingespart werden müssen, aufzuschieben. Diese Entscheidung kann ja noch später getroffen werden.
Wie notwendig es ist, im Augenblick noch etwas vorsichtig zu verfahren, ersehen Sie auch aus den Einzelpositionen, die hier betroffen sind. Es sind allein 600 Millionen DM im Verteidgiungshaushalt, es sind 115 Millionen DM bei Wissenschaft und Forschung, es sind zum Teil auch auf anderen Sektoren sehr empfindliche Investitionsausgaben, um die es sich hier handelt. Im Laufe dieses Haushaltsjahres ergibt sich also eventuell doch noch die Möglichkeit, unseren erklärten Willen, den investiven Bereich zu bevorzugen, in die Tat umzusetzen.
Eine Zwischenfrage von Herrn Kollegen Hermsdorf.
Herr Kollege Althammer, wären Sie mit mir der Auffassung, daß dieser Antrag erst dann klare Akzente setzen würde, wenn nicht nur die Globalkürzung angegeben, sondern auch im einzelnen gesagt würde, wo denn diese 1,8 Milliarden DM gestrichen werden sollen?
({0})
Herr Kollege Hermsdorf, ich habe den Antrag des Herrn Kollegen Peters so aufgefaßt, daß er die einzelnen Positionen entsprechend dem Sperrungsvorschlag der Regierung gekürzt sehen wollte. Das ist also in der Sache klar.
({0})
Trotzdem, Herr Kollege Peters und meine Herren von der FDP, ist die hier vorgeschlagene Maßnahme angesichts der augenblicklichen Situation die richtige. Was die weitergehenden Dinge anlangt, ist es durchaus möglich, daß wir uns noch im Sommer dieses Jahres über die eine oder die andere Maßnahme werden unterhalten müssen. Aber auch hier würde ich mir sehr genau überlegen, ob ich gerade im kommunalen Bereich oder bei den Investitionsausgaben der Länder den endgültig geeigneten Punkt sehen würde oder ob hier nicht unter Umständen andere Alternativen zu finden sind.
Aus diesen Gründen würde ich bitten, den Antrag abzulehnen.
Meine Damen und Herren, unser Berichterstatter Herr Röhner gibt Ergänzungen zu seinem Schriftlichen Bericht zu Protokoll *).
Das Wort hat Herr Staatssekretär Leicht.
Leicht, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nur ein kurzes Wort zur Klarstellung in Ergänzung dessen, was Herr Kollege Dr. Althammer schon gesagt hat.
Die Bundesregierung, Herr Kollege Peters, kann nach dem Sinn des § 6 Abs. 1 des Stabilitätsgesetzes gar nicht das tun, was Sie verlangen, sondern sie kann nur das tun - auch nach dem Wortlaut; ich lese ihn noch einmal vor -, was getan worden ist, nämlich eine vorläufige Sperre einführen und dann bei der Abwicklung .des Haushalts unter Berücksichtigung der konjunkturellen Entwicklung sehen, wie es endgültig sein muß. Denn da heißt es:
Bei der Ausführung des Bundeshaushaltsplans - bei der Ausführung! -
kann im Falle einer die volkswirtschaftliche Leistungsfähigkeit übersteigenden Nachfrageausweitung die Bundesregierung den Bundesminister der Finanzen ermächtigen, zur Erreichung der Ziele des § 1 die Verfügung über be-
*) Siehe Anlage 13 stimmte Ausgabenmittel, den Beginn von Baumaßnahmen und das Eingehen von Verpflichtungen zu Lasten künftiger Rechnungsjahre von dessen Einwilligung abhängig zu machen.
Auch das zweite, der Hinweis auf § 19 des Stabilitätsgesetzes, zieht nicht. Denn die Ratio bei der Schaffung dieses § 19 ist gewesen, daß nur dann, wenn die Kapitalmarktsituation insgesamt nicht mehr in Ordnung ist, die hier vorgesehenen Maßnahmen ergriffen werden können. Das heißt, es muß alles gesehen werden und nicht nur ein Teil.
Eine Zwischenfrage von Herrn Mertes.
Herr Staatssekretär, wenn diese Ihre Auslegung des Stabilitätsgesetzes stimmt, sind Sie dann nicht doch der Meinung, daß das Parlament das beschließen kann, was die Bundesregierung nach Ihrer Ansicht auf Grund des Stabilitätsgesetzes nicht tun konnte? Unser Antrag zielt auf einen Beschluß des Parlaments hin.
Leicht, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Ja, selbstverständlich können Sie beantragen, 1,8 Milliarden DM zu streichen. Aber warum ich mich gemeldet habe, ist, um klarzustellen, daß wir, die Bundesregierung genaue Überlegungen angestellt haben und nun aus Konjunkturgründen - das sagt das Gesetz - diese Maßnahmen ergreifen, und zwar zunächst vorläufige Sperrunasmaßnahmen, um dann, wenn man den Konjunkturablauf dieses Jahres noch besser überblicken kann, endgültig zu entscheiden, was zu geschehen hat. Dafür, daß das auch der Stabilität gilt, dazu könnte ich Ihnen jetzt Beispiele aus dem Jahre 1968 bringen, in dem durch Fahren des Haushalts ohne großes Zutun sicherlich für die Stabilität mitgesorgt worden ist.
({0})
Eine Zwischenfrage von Herrn Peters.
Herr Staatssekretär, haben Sie mitgehört, wie Bundesminister Strauß in langen Ausführungen hier klargemacht hat, weshalb die Bundesregierung noch einige Monate abwarten will? Das sind Ihre Argumente. Aber er hat in keiner Weise gesagt, daß nicht auch sofort hätte eingegriffen werden können. Selbstverständlich kann die Kürzung sofort haushaltsmäßig durchgeführt werden, und das haben Sie bestritten.
Leicht, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Das habe ich gar nicht bestritten. Ich habe, Herr Kollege Peters, begründet, warum die Überlegungen der Bundesregierung dazu geführt haben, den § 6 Abs. i hier in Anwendung zu bringen und vorläufige Haushaltssperren durchzuführen, um dann in der Beobachtung des Konjunkturablaufs zu endgültigen Ent12340
Parlamentarischer Staatssekretär Leicht
scheidungen zu kommen. Genau das sagt dieser § 6 Abs. 1. Wenn Sie der Meinung sind, daß der Haushalt in seinem Volumen zu groß ist, - können Sie selbstverständlich eine Kürzung beantragen. Aber Sie können es nicht mit dem Stabilitätsgesetz begründen.
({0})
Das Wort wird nicht mehr gewünscht. Wir kommen dann zur Abstimmung über diesen Antrag auf Umdruck 599 der Fraktion der FDP. Wer diesem Antrag zustimmen will, gebe das Zeichen. - Danke. Gegenprobe! -Enthaltungen? Der Antrag ist gegen die Stimmen der Antragsteller abgelehnt.
Wir kommen dann zu dem unveränderten Einzelplan 60, Allgemeine Finanzverwaltung. Wer diesem Antrag zustimmen will, gebe das Zeichen. Danke. Gegenprobe! - Enthaltungen? - Gegen die Stimmen der FDP-Fraktion angenommen.
Meine Damen und Herren, damit sind wir am Ende unseres heutigen Programms. Ich berufe die nächste Sitzung ein auf Donnerstag, den 27. März 1969, 9 Uhr.
Die Sitzung ist geschlossen.