Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet.
Folgende amtliche Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung hat am 24. Februar 1969 die Kleine Anfrage der Fraktion der FDP betr. mittelfristige Finanzplanung - Bruttolohnfortzahlung an erkrankte Arbeiter bis zur Dauer von sechs Wochen - Drucksache V/3672 - beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache V/3881 verteilt.
Der Bundesminister der Justiz hat am 25. Februar 1969 die Kleine Anfrage der Fraktion der SPD betr. elektronische Datenverarbeitung in der Justiz - Drucksache V/3839 - beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache V/3889 verteilt.
Einziger Punkt der Tagesordnung ist die Fragestunde
- Drucksachen V/3878, V./3893 Wir beginnen mit Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft. Zur Beantwortung ist der Herr Parlamentarische Staatssekretär Dr. Arndt anwesend. Wir haben eine Reihe von dringlichen Fragen. Zunächst aber sollen zwei Fragen beantwortet werden, die auf die normale Weise eingereicht worden sind. Es sind die Fragen 85 und 86 des Abgeordneten Dr. Frerichs:
Welche wirtschaftspolitischen Konsequenzen beabsichtigt die Bundesregierung aus den massiven Mahnungen der Deutschen Bundesbank in ihrem neuesten Monatsbericht zu ziehen?
Ist die Bundesregierung bereit, die zur Sicherung einer stetigen Konjunktur notwendig werdenden Maßnahmen in enger Zusammenarbeit mit der Deutschen Bundesbank durchzuführen?
Bitte, Herr Staatssekretär, wollen Sie antworten.
Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Ich bitte, die Fragen gemeinsam beantworten zu dürfen.
Die Bundesregierung stimmt mit der Bundesbank voll darin überein, daß die Sicherung der Preisstabilität zur Zeit ersten Rang in der Konjunkturpolitik hat. „Zur Zeit" heißt freilich nicht erst „ab jetzt". Tatsächlich sind bereits seit längerem stabilitätspolitische Entscheidungen getroffen worden, und sie sind wirksam. Zum Beleg darf ich mir erlauben, die gleiche Quelle zu benutzen, die Anlaß Ihrer Frage war, nämlich den Monatsbericht der Deutschen Bundesbank vom Februar 1969. Darin heißt es zur Fiskalpolitik - ich darf zitieren -:
Die öffentlichen Haushalte nahmen 1968 netto etwa 9 Milliarden DM Schulden auf. Das sind um 6 Milliarden weniger als 1967.
Und es sind, so füge ich hinzu, erheblich weniger, als alle geld- und konjunkturpolitisch verantwortlichen Stellen eingangs des Jahres 1968 für vertretbar hielten. Der zitierte Absatz im Monatsbericht schließt daher folgerichtig:
Die öffentlichen Haushalte haben somit den Umfang der Schuldaufnahme in konjunkturpolitisch angezeigter Weise verringert.
Diese stabilisierende Wirkung der öffentlichen Haushalte war zugleich Ergebnis der bereits 1967 gefaßten Beschlüsse über die mittelfristige Finanzplanung. Zeitgleich mit expansiven Maßnahmen beschlossen, aber erst später wirksam, hatten die Ausgabenkürzungen sowie die Erhöhungen von Steuersätzen und Sozialversicherungsbeiträgen einen dämpfenden Effekt.
Über die außenwirtschaftliche Absicherung der Stabilität im Aufschwung ist im November beschlossen worden. Dazu wiederum die Bundesbank:
„Diese Wirkungen, die sich sicher erst im Verlauf des Jahres 1969 voll entfalten werden, sind quantitativ schwer abzuschätzen."
Aber immerhin, sie werden sich voll entfalten.
Tatsächlich war die Einfuhr 1969 um rund ein Viertel höher als im Januar 1968, und dieser Vergleichsmonat des Vorjahrs war schon ein guter Einfuhrmonat: er lag nach der Rezession. Von der Bundesregierung und von diesem Hohen Hause sind also bereits im vorhinein und beizeiten wirtschaftspolitische Konsequenzen für die Stabilität gezogen worden.
Weitere hätten sich ziehen lassen, wenn die Kartellgesetz- Novelle eingebracht worden wäre. Über den mutmaßlichen Stabilitätseffekt einer gesetzlichen Ermächtigung zur Einschränkung überholter Preistrukturen der zweiten Hand hätte man das gleiche sagen können wie soeben: „quantitativ schwer abzuschätzen, aber im Verlauf von 1969 sicher voll entfaltet". Die Bundesregierung und die Bundesbank betreiben also gemeinsam seit längerem eine präventive Stabilitätspolitik. In Ziffer 65
Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Arndt
des Jahreswirtschaftsberichts 1969 hat die Bundesregierung klar ihre Absicht geäußert, nicht zu zögern, von den Instrumenten des Stabilitäts- und Wachstumsgesetzes entsprechend Gebrauch zu machen, wenn sich Gefahren einer anhaltenden konjunkturellen Übersteigerung abzeichnen. Alle konjunkturpolitisch verantwortlichen Stellen stehen daher zur Erörterung weiterer Maßnahmen gegenwärtig in einem intensiven Informationsaustausch. Heute vormittag haben der Herr Bundesbankpräsident, der Herr Bundesfinanzminister und der Herr Bundeswirtschaftsminister gemeinsam beraten. Alle in Frage kommenden Instrumente des Stabilitätsgesetzes werden bereits auf ihre kurzfristigen Einsatzmöglichkeiten geprüft.
Daneben wird auch erwogen, ob noch andere Maßnahmen zweckmäßig und möglich sind. Die jüngste Preisentwicklung scheint zu zeigen, daß es Unternehmen gibt, die von der Einfuhrverbilligung des Absicherungsgesetzes nicht beeinflußt werden. Dabei können bestehende Einfuhrbeschränkungen eine Rolle spielen. Aber auch diese Überlegungen sind noch keineswegs abgeschlossen.
Die Beratungen innerhalb der Bundesregierung über die Notwendigkeit und die Auswahl der Instrumente und über den geeigneten Zeitpunkt für den Einsatz sind im Augenblick noch im Gange. Für Montag, den 3. März, hat der Bundeswirtschaftsminister den Konjunkturrat für die öffentliche Hand eingeladen. Das Kabinett wird schnellstmöglich zu etwaigen Entscheidungen zusammentreten.
Herr Dr. Frerichs!
Herr Staatssekretär, sind Sie mit mir der Auffassung, daß die von Ihnen zitierten Instrumente des Absicherungsgesetzes gleichgewichtig eingesetzt werden sollten, d. h., daß sowohl die öffentliche Hand als auch die private Wirtschaft gleichmäßig davon „betroffen" werden sollten?
Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: In dieser Richtung werden die Überlegungen der Bundesregierung sicherlich gehen. Selbstverständlich kann ich diese Überlegungen nicht vorwegnehmen.
Herr Staatssekretär, sind Sie der Meinung, daß die Deutsche Bundesbank bei ihrer Überlegung zum Einsatz dieser Instrumente ihrerseits Vorschläge unterbreiten sollte, oder haben Sie die Absicht, diese Vorschläge allein vorzulegen und dann die Bundesbank, sagen wir einmal, zu konsultieren?
Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Wie ich bereits sagte, erfolgen alle Beratungen gemeinsam mit der Bundesbank.
Herr Ott!
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß ausländische Lieferfirmen Importwaren seit dem Inkrafttreten des Absicherungsgesetzes um 3 bis 4 % teurer anbieten, so daß auf diese Weise unsere Absicht mit der 4% igen Ermäßigung vereitelt wird, und daß es deshalb nicht gerechtfertigt ist, zu sagen, wie Sie es vorhin getan haben, daß die inländischen Kaufleute diese Ermäßigung auf Grund des Absicherungsgesetzes im Preis nicht weitergeben?
Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Die von Ihnen genannten Fälle wird es geben, Herr Kollege Ott. Die preislichen und mengenmäßigen Wirkungen des Absicherungsgesetzes werden sich erst in wenigen Wochen voll beurteilen lassen. Statistische Daten, die uns vor der Verführung bewahren, auf Grund von Einzelerscheinungen zu urteilen, liegen dann erst vor.
Die nächsten Fragen - auf Drucksache V/3893 - stellt der Abgeordnete van Delden. Frage 1:
Ist es zutreffend, daß das Bundeswirtschaftsministerium zur Aufrechterhaltung der Preisstabilität u. a. beabsichtigt, sofort eine befristete Liberalisierung bzw. fühlbare Aufstockung der noch bestehenden Kontingente auf dem Textilsektor vorzunehmen?
Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Ich bitte, die Dringlichkeitsfragen des Herrn Kollegen van Delden zusammenfassend beantworten zu dürfen.
Der Fragesteller ist einverstanden. Ich rufe daher auch die Fragen 2 und 3 auf:
Für den Fall, daß die Frage 1 ganz oder teilweise bejaht wird: wie verhält sich eine solche Maßnahme mit den wiederholt auch vor dem Deutschen Bundestag abgegebenen Erklärungen, daß in absehbarer Zeit auf dem Textilsektor keine zusätzlichen Einfuhrerleichterungen vorgenommen würden, was die Textilindustrie mit dazu veranlaßt hat, weit über die angefallenen Abschreibungen hinaus im Jahre 1968 zu investieren?
Teilt der Bundeswirtschaftsminister die Auffassung, daß die Textilindustrie seit Jahren mit an der Spitze hinsichtlich Preisstabilität liegt, und zwar trotz der durch Investitionen und Löhne erheblch gestiegenen Kosten?
Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Wie ich soeben dem Herrn Kollegen Dr. Frerichs antworten konnte, sind für die Stabilitätspolitik in gewissen Fällen und aus bestimmten Gründen auch Lockerungsmaßnahmen bei Einfuhrkontingenten zu erwägen. Soweit derartige Kontingente Erzeugnisse der Textil- und Bekleidungsindustrie betreffen sollten, können sie selbstverständlich nicht aus den Überlegungen ausgeklammert werden. Der Kontingentsschutz bewahrt die betreffenden Erzeugnisse auch vor den stabilisierenden Wirkungen der Importverbilligung des Absicherungsgesetzes.
Die weitere Entwicklung der Überlegungen hängt daher in hohe Maße von der Preisstabilität in diesen geschützten Wirtschaftsbereichen ab. Die Januardaten für die Erzeugerpreise in den hier diskutierten Verbrauchsgüterbereichen sind bekannt. Es ist auch nur schwer möglich, gegen diese Entwicklung
Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Arndt aufzurechnen, daß in einem mehrjährigen Durchschnitt die Preise in den betreffenden Industriezweigen, in diesem Fall in der Textil- und Bekleidungsindustrie, fast so stabil geblieben sind wie im Gesamtdurchschnitt der Industrie.
Der Bundesregierung ist wohlvertraut, daß sie in der Rezession des Jahres 1967 der schwer ringenden Textilindustrie keine zusätzlichen Einfuhrerleichterungen aufgebürdet hat. Sie beabsichtigte auch nicht, nach Inkrafttreten des Absicherungsgesetzes über normale Kontingentsanpassungen hinauszugehen.
Dabei, Herr Kollege van Delden, wurde freilich unterstellt und erhofft, daß Angebot und Nachfrage auch auf den kontingentierten Märkten im Gleichgewicht bleiben. Inwieweit diese Annahme zutrifft, wird die Preisentwicklung zeigen.
Herr van Delden!
van Delden ({0}) : Herr Staatssekretär, sind Sie mit mir der Auffassung, daß eine Erhöhung der Einfuhrkontingente auf dem Textilsektor, gemessen an der Gesamtaußenhandelssituation der Bundesrepublik, ein Tropfen auf einen heißen Stein ist, mit anderen Worten, besteht nicht die Gefahr, daß weitere Maßnahmen, welche dann der gesamten Wirtschaft angelastet werden, folgen, somit die Textilindustrie dann doppelt getroffen würde?
Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Die Kontingente haben nicht einmal mehr einen bedeutenden Rang innerhalb der Textilindustrie. Gemessen an der gesamten Einfuhr sind sie, global betrachtet, wie Sie sagen, sicherlich ohne Belang. Sollten aber Kontingente ermöglichen, daß die Wirkungen des Absicherungsgesetzes, die sich auf die ganze gewerbliche Wirtschaft erstrecken sollten, dort nicht greifen, muß an die Stelle dieser pauschalen eine qualitative Betrachtung der Einzelmärkte treten, da sonst die Stabilitätsbemühungen und Stabilitätslasten, denen alle unterworfen wurden, partiell zunichte gemacht werden.
Herr van Delden!
van Delden ({0}) : Herr Staatssekretär, sehen Sie nicht, daß eine solche Maßnahme, wenn sie auf dem Textilsektor und auch anderen Sektoren der gewerblichen Wirtschaft - das möchte ich ausdrücklich betonen - durchgeführt würde, auch nach ihrem Ablauf auf Grund der fiktiven oder tatsächlich während dieser Periode geschlossenen Altkontrakte auf Jahre hinaus Nachwirkungen hätte und damit praktisch einer endgültigen Liberalisierung gleichkäme, während diese Folge beim Absicherungsgesetz dadurch vermieden wurde, daß Altkontrakte in das Gesetz einbezogen wurden?
Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Herr Kollege van Delden, ich kann Ihnen versichern, daß alle diese Überlegungen in etwaige Entscheidungen einbezogen werden.
Herr van Delden, bitte!
van Delden ({0}) : Herr Staatssekretär, teilen, Sie meine Auffassung zur Preissituation, daß sich der verständliche Wunsch der Wirtschaft nach einer Preiserhöhung in der Textilindustrie schon deswegen nicht verwirklichen läßt, weil die Großkaufhäuser und Versender, die ja gleichzeitig die größten Importeure sind, auf die Textilindustrie einen starken Druck ausüben, welcher teilweise an der Grenze der kaufmännischen Usance liegt?
Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Herr van Delden, das ist eine Tatfrage. Die Lebenshaltungskosten im Bereich der gewerblichen Konsumgüter - er deckt 43 °/o des gesamten Indexfächers - sind vom November auf Dezember und von Dezember auf Januar nicht gestiegen. Die industriellen Erzeugerpreise in den hier diskutierten Bereichen sind von Dezember auf Januar hingegen wohl gestiegen.
Frau Freyh!
Herr Staatssekretär, sind Sie in der Lage, etwas über die Steigerung der Verbraucherpreise vom abgelaufenen zu diesem Jahr zu sagen, nachdem den Verbrauchern bereits deutlich geworden ist, daß mit Beginn der neuen Saison erhebliche Preissteigerungen eingesetzt haben?
Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Gern, gnädige Frau. Von der Steigerung im Index für Lebenshaltungskosten von Dezember auf Januar um 0,7 % entfällt genau die Hälfte auf Mieten und die andere Hälfte auf Nahrungsmittel, insbesondere auf saisonempfindliche Produkte.
Herr Rawe!
Herr Staatssekretär, wir haben in der Bundesrepublik viele Gebiete, die einseitig strukturiert sind und sehr von der Textilindustrie abhängen. Sehen Sie nicht für die Arbeitsplätze in diesen Gebieten durch die von Ihnen angekündigten Maßnahmen eine Gefahr?
Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Herr Präsident, ich glaube, das ist ziemlich genau die Dringlichkeitsfrage des Herrn Kollegen Ott, die ich nicht gerne jetzt schon beantworten würde.
Herr Baltes!
Herr Präsident, darf ich zu der ersten Frage noch eine Zusatzfrage stellen, da meine Meldung übersehen worden ist? - Herr Staatssekretär, da die Unionsfraktion im vergangenen Jahr die Abschaffung der Preisbindung und damit eine im ganzen gesehen mittelstandsfreundliche Kar11838
tellnovelle verhindert hat, möchte ich an Sie die Frage richten, wie hoch das Bundeswirtschaftsministerium den preisauftriebsmindernden Effekt einer solchen Novelle veranschlagt hätte.
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Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Herr Kollege Baltes, ich habe vorhin schon dazu gesagt, hierfür gilt dasselbe wie für das Absicherungsgesetz: quantitativ schwer abzuschätzen, aber sicher voll wirksam.
Herr Baltes!
Herr Staatssekretär, in Ihrer Antwort sprachen Sie von Orientierungsdaten, die hier Besetz werden. Sind Sie nicht der Meinung, daß diese Orientierungsdaten höher zu veranschlagen sind, wenn die Lohnfortzahlung in diesem Jahr nicht realisiert wird?
Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Die Bundesregierung hat dazu im Jahreswirtschaftsbericht eine Erklärung abgegeben. In der Passage über die Orientierungsdaten stehen gleichzeitig sozialpolitische Willenserklärungen der von Ihnen angeführten Art.
Herr Mertes!
Herr Staatssekretär, auf welche Faktoren ist die Tatsache zurückzuführen, daß die reale Preisentwicklung an der vom Herrn Bundeswirtschaftsminister wiederholt in dieser Beziehung genannten Zielprojektion vorbeigeht?
Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Es ist noch keinesfalls erwiesen, Herr Mertes, daß die reale Preisentwicklung an dieser Zielprojektion vorbeigeht. Nach einem Monat, einem einzigen von zwölf, ist, glaube ich, diese Prognose noch nicht zu wagen.
Herr Mertes!
Bin ich dann falsch darüber informiert, Herr Staatssekretär, daß in den Berechnungen der Bundesregierung für 1969 eine Preiserhöhung von 2 % angenommen wird, während wir nach dem Stufenplan des Herrn Bundeswirtschaftsministers in diesem Jahr höchstens bei 1 % sein dürften?
Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Für die Verbraucherpreise - das sind also nicht die Ziffern des Preisindexes für die Lebenshaltung, sondern die Ziffern der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung, die alle Typen von Haushalten und nicht nur den für den Lebenshaltungskostenindex zugrunde gelegten Typ des Arbeitnehmer-Vierpersonenhaushalts in sich vereinigen - ist mit einer Preiserhöhung von 2 % gerechnet worden.
Herr Ott!
Herr Staatssekretär, würden Sie mir angesichts Ihrer vorigen Ausführungen beipflichten, wenn ich behaupte, daß durch eine generelle Aufhebung der Preisbindung der zweiten Hand mit Sicherheit keine allgemeine Preissenkung bei den Verbraucherpreisen entstehen wird, weil die Hersteller auf alle Fälle auf ihre Kosten kommen müssen, daß sich lediglich nach den Abnehmergrößen da oder dort unterschiedliche Verbraucherpreise ergeben werden und als Folge davon dann ein gewisser Kreis von Großfirmen das Monopol der Abnahme in die Hand bekommen wird?
Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Für diese Behauptung, Herr Kollege Ott, gibt es nicht den geringsten Beweis. Ich bezweifle sie in hohem Maße. Überall dort, wo Preisbindungen auf Grund von Marktverhältnissen verschwanden oder auf Grund von Entscheidungen aufgehoben worden sind, hat es recht erhebliche Preissenkungen gegeben.
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Herr Ott!
Herr Staatssekretär, würden Sie mir beipflichten, wenn ich sage, daß es ein Unterschied ist, ob man eine Preisbindung beim Sekt oder bei Kühlschränken oder ob man eine Preisbindung bei täglichen Gebrauchsartikeln, wie Zahncreme, Mundwasser und all diesen Dingen, hat?
Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Das ist sicherlich ein Unterschied. Wir haben aber Preisbindungen auch noch bei sehr wichtigen Industrieprodukten. Sie wissen, daß etwa 100 000 Preisbindungen allein auf den Bereich der Kraftfahrzeugindustrie entfallen.
Herr Staratzke!
Herr Staatssekretär, darf ich noch einmal auf die Preissituation zurückkommen, und zwar im Zusammenhang mit den Dringlichkeitsanfragen. - Sie sagten, daß die Preise von Dezember bis Januar in den hier behandelten Wirtschaftszweigen leicht gestiegen seien. Ist Ihnen, Herr Staatssekretär, bekannt, daß die Preise auf den hier angesprochenen Gebieten in der Rezessionszeit besonders tief gefallen sind, jedenfalls tiefer als im Schnitt aller anderen Wirtschaftsbereiche, und daß die heutigen Preise in keiner Weise diejenigen der Zeit vor der Rezession übersteigen?
Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Herr Kollege Staratzke, darf ich die Antwort in der Form einer Antwort auf die Dringlichkeitsanfrage des Herrn Kollegen Opitz geben? Genau danach hat er nämlich gefragt.
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Es ist etwas schwierig, wenn es so durcheinandergeht. Aber ich glaube, es wäre vielleicht besser, wenn die Antwort vertagt würde, bis die Frage von Herrn Opitz drankommt.
Dann kommen wir zur Frage 4 des Kollegen Ott:
Teil die Bundesregierung die Befürchtung, daß im Falle der Durchführung der angekündigten Importerleichterungen die deutsche Textilindustrie nach Jahren der Unterbeschäftigung erneut in eine schwierige Ertrags- und Beschäftigungslage gelangen würde?
Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Ich bitte, auch diese beiden Fragen zusammenfassend beantworten zu dürfen.
Dann rufe ich noch die Frage 5 des Herrn Abgeordneten Ott auf:
Ist die Bundesregierung bereit anzuerkennen, daß gerade die deutsche Textilindustrie seit vielen Jahren hinsichtlich der Preisstabilität sich vorbildlich verhalten hat?
Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär heim Bundesminister für Wirtschaft: Die konjunkturpolitischen Anstrengungen der Bundesregierung und dieses Hohen Hauses haben sich im Jahre 1968 direkt wie indirekt in einer starken Steigerung von Produktion, Produktivität, Umsatz und Ausfuhr der deutschen Textilindustrie ausgewirkt. Fast alle Fachbereiche hatten starke Zuwachsraten. Die Ausfuhr an Textilprodukten stieg sogar binnen eines Jahres um ein Fünftel auf einen Wert von mehr als 5 Milliarden DM. Gerade diese Exportentwicklung beweist, daß hier ein modernisierter und wettbewerbsfähiger Wirtschaftszweig mit einer Gesamtbeschäftigung von annähernd einer Million Menschen die gebotenen Chancen voll zu nutzen wußte.
Die Bundesregierung gedenkt nicht, von einer Wirtschaftspolitik der Stabilität und des Wachstums, die diese Chancen bietet, abzuweichen.
Zur Preisentwicklung erlaube ich mir, auf das bereits Gesagte zu verweisen.
Herr Ott!
Herr Staatssekretär, wie beurteilen Sie die Tatsache, daß die Beschäftigtenzahl in der deutschen Textilindustrie in den letzten zehn Jahren relativ wesentlich stärker zurückgegangen ist als im deutschen Bergbau?
Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Darin schlagen sich die enormen Investitions- und Rationalisierungsanstrengungen der deutschen Textilindustrie nieder, die sie gerade wettbewerbsfähig gemacht haben: Die Produktion ist bei gleichzeitig rückläufiger Beschäftigtenzahl gestiegen. Menschen wurden, soweit erforderlich, durch Einsatz maschineller Kapazitäten ersetzt. Dies ist der Weg, den meines Wissens die deutsche Textilindustrie auch selber weiter zu beschreiten gedenkt.
Herr Ott!
Herr Staatssekretär, sind Sie mit mir der Meinung, daß der von mir vorhin erwähnte Export der deutschen Textilindustrie in der Zeit der Rezession im Zusammenhang mit dem Problem der Entlastung der Altvorräte einen entscheidenden Druck auf die Textilindustrie ausgeübt hat, unter allen Umständen zu exportieren, weil der Inlandsmarkt nicht mehr in der Lage gewesen ist, auch nur bescheidene Kosten zu decken?
Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Da stimme ich Ihnen völlig zu. Das Entscheidende ist aber, daß sie fähig und in der Lage war zu exportieren, und zwar im Jahre 1968 mit einer Zuwachsrate um 25 %, nachdem schon 1967 die Exporte gestiegen waren.
Herr Staratzke!
Herr Staatssekretär, darf ich im Anschluß an die vorherige Frage Sie fragen, ob Ihnen bekannt ist, daß man auch Exporte mit Preisen machen muß, die keine Rendite bringen, und daß eben in der Rezessionszeit im Inlandsmarkt von seiten vieler Firmen der Versuch gemacht worden ist, mit sehr niedrigen, nicht kostendeckenden Preisen zu exportieren.
Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Das mag im Einzelfall sicherlich zutreffen. Aber Einzelfälle kann man nur an Hand von Unterlagen über Einzelfälle beurteilen. Insgesamt war das Jahr 1968 für die deutsche Textilindustrie und auch für die Bekleidungsindustrie ein Jahr des Erfolges.
Herr Staratzke!
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß trotz der hohen Produktivitätssteigerungen, die in diesem Bereich stattgefunden haben, in der Rezessionszeit ein Einbruch entstanden ist, der auf die Konjunktursituation zurückzuführen ist, und daß die Zweige, die hier angesprochen sind, es sehr schwer hatten, den Normalzustand wieder zu erreichen, der Gott sei Dank 1968 wieder einigermaßen erreicht worden ist?
Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Ich bin gern bereit, das zu bestätigen.
Herr Rawe!
Herr Staatssekretär, Sie haben die Rationalisierungsbemühungen in der Textilindustrie so sehr gelobt. Befürchten Sie aber nicht, daß durch die Maßnahmen, die Sie jetzt vorsehen wollen, gerade dieses Bemühen und damit die Gesundung der Textilindustrie gefährdet werden können?
Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär heim Bundesminister für Wirtschaft: Diese Befürchtung hege ich nicht. Wir sind dabei, Maßnahmen zu erwägen. Wir verfolgen die Preisentwicklung. Es ist noch kein festumrissener Vorschlag vorhanden.
Herr Rawe!
Sind Sie gegebenenfalls bereit, uns zuzusagen, daß Sie, wenn die Untersuchungen Anlaß zu solchen Befürchtungen geben, rechtzeitig dafür Sorge tragen wollen, daß das nicht eintritt?
Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Ja.
Herr Buschfort!
Herr Staatssekretär, die Bundesanstalt stellt zur Zeit finanzielle Mittel zur Verfügung, insbesondere für strukturschwache Gebiete und hier wiederum insbesondere für die Textilindustrie. Glauben Sie nicht, daß man sich besser dieses Geld sparen könnte, wenn nun durch die Liberalisierung ohnehin eine Dämpfungsmaßnahme getroffen wird?
Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Herr Kollege Buschfort, das Wort „Liberalisierung" ist von mir nicht gebraucht worden. Ich nehme es auch nicht auf. Es könnte möglicherweise die Erwägungen, die angestellt werden, nicht richtig qualifizieren. Im übrigen muß die Rationalisierung, muß die Produktivitätssteigerung in der Textilindustrie zur Stärkung ihrer Wettbewerbsfähigkeit und zur Erhaltung der Arbeitsplätze weitergehen. Es ist nicht einzusehen, daß derartige Mittel in Zukunft eingespart werden könnten.
Herr Buschfort!
Herr Staatssekretär, wenn die Importe größer werden, wird zweifellos der Arbeitskräftebedarf in der Bundesrepublik selbst nachlassen. Befürchten Sie nicht, daß in den strukturschwachen Gebieten eine Umsetzung in andere Industriezweige überhaupt nicht möglich ist?
Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Das ist eine Frage der allgemeinen Strukturpolitik der Bundesregierung, über die in diesem Hause bei verschiedenen anderen Gelegenheiten diskutiert worden ist und die im Jahreswirtschaftsbericht erneut zur Diskussion gestellt wird. Soviel mir bekannt ist, plant das Hohe Haus, Mitte März über diesen Bericht zu diskutieren.
Herr Ott!
Herr Staatssekretär, im Anschluß an die Frage des Herrn Kollegen Buschfort möchte ich fragen: Sind Sie sich darüber im klaren, daß die Umsetzung in der Textilindustrie besonders schwierig ist, weil die Beschäftigten der Textilindustrie zu einem erheblichen Teil aus weiblichen Arbeitskräften bestehen?
Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Darüber ist sich die Bundesregierung im klaren.
Jetzt kommen die drei Fragen des Abgeordneten Opitz.
Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Ich bitte auch diese Fragen zusammenfassend beantworten zu dürfen.
Ich rufe die Fragen 6, 7 und 8 des Herrn Abgeordneten Opitz auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß die textilindustriellen Erzeugerpreise, die in der Rezession überdurchschnittlich stark zurückgegangen sind, auch heute noch nicht den Normalstand vor der Rezession überschritten haben?
Wenn der Bundesregierung dieser Tatbestand bekannt ist, was veranlaßt sie, dann gerade auf diesem Gebiet durch Begünstigung anomaler Importe ({0}) auf wenige Teilbereiche einen Preisdruck ausüben zu wollen?
Ist sich die Bundesregierung bewußt, daß sie durch diese Maßnahmen gegenüber Ländern Ostasiens und des Ostblocks gerade diejenigen Bereiche der deutschen Wirtschaft trifft, die auf der einen Seite besonders wettbewerbsintensiv sind und auf der anderen Seite von Marktzerrüttungen gerade durch Importe aus diesen Ländern bedroht sind?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Die Bundesregierung sieht sich nicht in der Lage, das Niveau der Erzeugerpreise von 1965, also das Niveau der Hochkonjunktur, als Normalstand bezeichnen zu können. Unabhängig von diesem Tatbestand hat sie ferner nicht vor, wie Sie zu befürchten scheinen, anomale Importe zu begünstigen. Gegenstand ihrer Überlegungen sind, wie schon dem Kollegen Ott geantwortet werden konnte, abnorme Marktlagen im Inland, sind Stabilitätsgefährdungen. Es wird nicht erwogen, Maßnahmen zu treffen, die zu Marktverzerrungen führen.
Herr Opitz!
Herr Staatssekretär, sind Sie demnach mit mir der Meinung, daß durch diesen enormen nationalen und übernationalen Wettbewerb auf dem Textilgebiet die Gefahr eines Preisauftriebs auf uns gar nicht zukommen kann?
Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Herr Kollege Opitz, das können uns nur die Thermometer der Preisindizes zeigen.
Herr van Delden!
van Delden ({0}) : Herr Staatssekretär, darf ich abschließend zu diesem Fragenkomplex an Sie die Frage richten, ob es nicht zweckmäßig ist, bevor Sie weitere Überlegungen in Ihrem Hause anstellen und zu einem endgültigen Ergebnis kommen, die Spitzenverbände Bekleidung und Textil sowie die Gewerkschaft Textil sozusagen zu einem konzertierten Gespräch - um einen Ausdruck Ihres Hauses zu benutzen zusammenzurufen.
Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Herr Kollege van Delden, die Zusagen auf vorherige Fühlungnahmen sind von niemandem zurückgenommen worden.
Herr Staratzke!
Herr Staatssekretär, wie verträgt sich eigentlich die Absicht des Bundeswirtschaftsministeriums, den hier angesprochenen Branchen im Zuge von flankierenden Maßnahmen Strukturhilfen zu gewähren, aber auf der anderen Seite ausgerechnet in Erwägung zu ziehen, marktzerrüttende Einfuhren verstärkt zuzulassen?
Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Über die Abfindungs- und Anpassungshilfen aus den Mehrerträgen des Absicherungsgesetzes werden die Bundesregierung und dieses Hohe Haus möglicherweise zu neuen Überlegungen gelangen.
Herr Staratzke!
Herr Staatssekretär, trifft es zu, daß gerade der Herr Bundeswirtschaftsminister die flankierenden Maßnahmen für diese Bereiche nicht nur zugesagt, sondern sehr stark offeriert hat? Und wie ist es zu vereinbaren, daß man auf der einen Seite so etwas anbietet und auf der anderen Seite - ich sagte es schon - nun eventuell scharfe Maßnahmen gegen diese Industrie zu ergreifen beabsichtigt?
Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Herr Kollege Staratzke, das hängt damit zusammen, daß wir alle noch nicht die Auswirkungen des Absicherungsgesetzes voll übersehen können. Daß Mittel für Anpassungshilfen, Umstrukturierung und neue Investitionen im Umfang der Mehrerträge bereitgestellt worden sind, ist nur vernünftig. Ferner ist klar, daß sich unter den Bereichen, an die gedacht worden ist, auch die Textil- und Bekleidungsindustrie zu befinden hatte. Aber um endgültig beurteilen zu können, inwieweit die Mittel benötigt werden, wird es noch einiger Zeit bedürfen.
Damit sind die Fragen aus diesem Geschäftsbereich behandelt.
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern. Ich rufe die Frage 51 des Abgeordneten Dr. Hudak auf:
ist der Bundesregierung die Höhe des Sachschadens bekannt, der in Universitätsgebäuden, an deren Rektoraten und Einrichtungen der Universitätsinstitute seit den Studentendemonstrationen in der Osterwoche 1968 bis Ende Januar 1969 in der Bundesrepublik Deutschland einschließlich Berlin ({0}) entstanden ist?
Ist der Fragesteller im Saal? - Bitte, Herr Bundesminister Benda zur Beantwortung.
Die Höhe des Sachschadens, der im Zusammenhang mit Studentendemonstrationen an Universitäten und Technischen Hochschulen seit Ostern 1968 bis Ende Januar 1969 entstanden ist, beträgt im Bundesgebiet einschließlich Berlin-West 402 000 DM. Ich kann Ihnen, Herr Kollege, wenn Sie daran interessiert sind, auch eine Aufgliederung über die Schäden an den einzelnen Universitäten geben.
Ich schicke voraus, daß diese Angaben auf Mitteilungen der Innenminister bzw. -senatoren der Länder beruhen. In allen Ländern mit Ausnahme von Bremen, dem Saarland und Schleswig-Holstein sind bisher Schäden entstanden, die im wesentlichen durch Einwerfen von Fenstern, Wandschmierereien und sonstiges Demolieren von Einrichtungen verursacht worden sind.
Im einzelnen sind folgende Schäden entstanden:
im Bereich des Freistaates Bayern 10 000 DM
in Baden-Württemberg insgesamt 21 000 DM
Davon entfallen auf die
Universität Freiburg 2 000 DM
Universität Heidelberg 9 000 DM
Universität Tübingen 10 000 DM
in Berlin an beiden Universitäten zusammen (also
FU und TU 95 000 DM
im Bereich des Landes Bremen keine Sachschäden im Bereich von Hamburg 125 000 DM
Das ist der höchste Betrag.
in Hessen insgesamt 67 500 DM
Davon entfallen auf die
Universität Frankfurt 50 000 DM
Universität Marburg 12 000 DM
Universität Gießen 500 DM
Technische Hochschule Darmstadt 5 000 DM
im Bereich des Landes Niedersachsen insgesamt
31 500 DM
Davon entfallen auf die
Universität Göttingen 1 500 DM
Technische Universität Hannover 30 000 DM
im Bereich des Landes Nordrhein-Westfalen
51 000 DM
Davon entfallen auf die Technische Hochschule
Aachen 1 000 DM
Universität Bochum 30 000 DM
Universität Bonn 2 500 DM
Universität Köln 13 500 DM
Universität Münster 4 000 DM
in Rheinland-Pfalz an der Universität Mainz
1 300 bis 1 400 DM
Im Saarland und im Lande Schleswig-Holstein sind keine Sachschäden. entstanden.
Herr Dr. Hudak!
Herr Bundesminister, inwieweit sind diejenigen Kreise, die diesen Sachschaden verursacht haben, auch zu Schadensrückerstattungen herangezogen worden?
Ich halte es für die selbstverständliche Pflicht der Staatsanwaltschaften, Strafermittlungsbehörden und der Gerichte, denjenigen, der einen Sachschaden oder sonstigen Schaden anrichtet, sowohl zur strafrechtlichen Verfolgung heranzuziehen als auch die Frage einer Haftung zu klären. Hierzu ist freilich eine entsprechende Klage des von dem Sachschaden Betroffenen erforderlich. Mir ist aber bekannt, daß - jedenfalls im Bereich eines Teiles dieser Universitäten - entsprechende Zivilprozesse mit dem Ziel, von den Tätern, soweit sie bekannt sind, Schadenersatz zu verlangen, eingeleitet worden sind.
Herr Dr. Müller ({0}) !
Herr Bundesminister, liegen der Bundesregierung Zahlen vor, welcher Aufwand bisher für den Polizeieinsatz im Zusammenhang mit Studentenunruhen notwendig war?
Nein, dieser Aufwand, der zweifellos, auch wenn man ihn finanziell ausdrücken wollte, sehr erheblich ist, kann von der Bundesregierung nicht beziffert werden. Wir haben darüber keine präzisen Angaben, sondern allenfalls Anhaltspunkte, wie geleistete Überstunden und ähnliche Dinge.
Herr Dr. Müller ({0}) !
Liegen diese Zahlen vor, wie viele Überstunden geleistet werden mußten?
Mir sind aus dem Gedächtnis die Zahlen im Bereich einiger Länder nicht bekannt, aber ich weiß, daß solche Zahlen vorliegen. Ob die Übersicht, die meinem Hause vorliegt, vollständig ist, kann ich nicht sagen. Ich bin gegebenenfalls gern bereit, zu versuchen, durch Rundfrage bei den Ländern das Material, soweit es bei uns nicht vorliegen sollte, zu bekommen.
Herr Dr. Hofmann ({0}) !
Herr Bundesminister, ist Ihnen bekannt, ob die Justizminister bzw. die Generalstaatsanwälte der Länder in jedem Lande Anweisung erteilt haben, alle strafbaren Tatbestände - sprich hier konkret: Sachbeschädigungen - zu verfolgen?
Ich glaube nicht, daß es einer solchen Anweisung an Staatsanwaltschaften oder Strafverfolgungsbehörden bedarf; denn dies ergibt sich aus dem Legalitätsprinzip des § 163 der Strafprozeßordnung, der die Polizei und die sonstigen Strafverfolgungsbehörden bei Vorliegen strafbarer Tatbestände von Amts wegen zum Einschreiten zwingt.
Herr Dr. Hofmann!
Herr Minister, wird dieses Legalitätsprinzip in jedem Falle und in jedem Lande angewandt?
Ich bin der Überzeugung, daß dies geschieht.
Herr Dr. Hauser!
Herr Minister, diese besonderen Aufwendungen, die die Polizei hat, sind doch Aufwendungen, die über den üblichen Rahmen eines Etats hinausgehen. Mit anderen Worten, hier können von den Urhebern nun auch Leistungen verlangt werden. Würden Sie es nicht für geraten halten, die Länder einmal darauf hinzuweisen, daß man das einklagen kann?
Das ist, Herr Kollege Dr. Hauser, eine zivilrechtliche Frage, deren rechtliche Klärung, die übrigens zum Geschäftsbereich des Herrn Bundesministers der Justiz gehören würde, zunächst herbeigeführt werden muß, bevor man sich über diese Frage weitere Gedanken machen kann.
Keine weiteren Fragen mehr.
Ich rufe die Fragen 52 und 53 des Abgeordneten Strohmayr auf:
Teilt die Bundesregierung die Besorgnis der deutschen Zirkusunternehmen, daß durch das Gastspiel des Staatszirkus der UdSSR ihnen bis zu 60 % der Einnahmen entgehen, weil die Gastspielreise in die Hauptspielzeit fällt?
Ist die Bundesregierung bereit, bei den Ländern Baden-Württemberg, Hessen, Saarland und Niedersachsen darauf hinzuwirken, daß für die wenigen noch nicht eingegangenen Zirkusunternehmen der Bundesrepublik Deutschland auf die Vergnügungsteuer verzichtet wird, wie dies die anderen Länder bereits getan haben?
Wenn der Herr Kollege Strohmayr einverstanden ist, würde ich gern beide Fragen zugleich beantworten. - Die Besorgnisse der deutschen Zirkusunternehmen, daß sie durch das Gastspiel des sowjetischen Staatszirkus erhebliche Einnahmeeinbußen erleiden würden, sind der Bundesregierung bekannt. Die Bundesregierung glaubt aber, daß sie nur zum Teil begründet sind.
Die Gastspielreise des Staatszirkus, die im Austausch mit einer Sommertournee des deutschen Orchesters Kurt Edelhagen durch die UdSSR stattfindet, wird am 18. Mai 1969 beendet sein. Sie fällt also wohl nicht oder nur zu einem geringen Teil in die Zirkushauptsaison. Es ist deshalb zu erwarten und zu hoffen, daß die finanziellen Beeinträchtigungen der deutschen Zirkusunternehmen lediglich in mäßigem Umfang eintreten werden.
Auf die zweite Frage antworte ich, daß die Bundesregierung gern bereit ist, bei den zuständigen Ressorts der Länder darauf hinzuwirken, daß sie nach Möglichkeit, soweit das noch nicht geschehen ist, bei Zirkusunternehmen auf die Vergnügungssteuer verzichten mögen.
Herr Strohmayr!
Herr Minister, ist Ihnen bekannt, daß in Deutschland seit dem Kriege bereits 43 Zirkusunternehmungen auf der Strecke geblieben sind und daß lediglich noch fünf Zirkusunternehmungen in Deutschland existieren, so daß wirklich alles versucht werden sollte, diese Unternehmungen zu erhalten?
Dies ist mir, Herr Kollege Strohmayr, um so mehr bekannt, als dies wiederholt Gegenstand von Anfragen in der Fragestunde war. Ich erwähne die Frage des Herrn Abgeordneten Schwabe am 13. Februar 1969, bei der sich mein Haus bereits dazu geäußert hat.
Herr Minister, ist Ihnen bekannt, daß auch Zirkusse das Prädikat „wertvoll" erhalten haben und erhalten sollten, und wäre es dann nicht gut und vernünftig, wenn diesen Zirkussen - genau wie bei anderen Einrichtungen, die das Prädikat „wertvoll" haben - die entsprechenden steuerlichen Vergünstigungen gewährt würden?
Mein Haus hat bereits in der erwähnten Fragestunde am 12. Februar 1969 Gelegenheit gehabt, sich zu den von Ihnen angesprochenen Fragen zu äußern. Ich darf mir zur Zeitersparnis erlauben, hierauf zu verweisen.
Bitte, Herr Zebisch!
Herr Minister, besteht die Möglichkeit, daß deutsche Zirkusunternehmen auch in Rußland gastieren, und sind Ihnen Anträge von deutschen Unternehmungen bekannt, die vorhaben, in Rußland Gastspiele zu veranstalten?
Daß solche Unternehmungen in der Sowjetunion gastiert haben oder in der überschaubaren Vergangenheit den Wunsch geäußert haben, dort zu gastieren, ist mir nicht bekannt. Grundsätzlich darf ich sagen, daß derartige Veranstaltungen auf Grund der zwischen der Sowjetunion und der Bundesrepublik Deutschland geschlossenen Vereinbarung, die einen Austausch von Einzelveranstaltungen vorsieht, geregelt werden. Es müßte also in entsprechender Weise zwischen den beteiligten Ländern gesprochen und verhandelt werden. Grundsätzlich ist dies natürlich möglich.
Wir kommen nun zu der Frage 54 des Abgeordneten Zebisch:
Sieht die Bundesregierung eine Möglichkeit, die 72 unterirdischen Krankenhäuser, die laut Presse- und Fernsehmeldungen für den Katastrophenfall gebaut wurden, zur Entlastung der überfüllten und zum Teil schlecht ausgestatteten kommunalen Krankenhäuser bereits jetzt zur Benutzung freizugeben?
Die Presse- und Fernsehmeldungen, nach denen 72 unterirdische Hilfskrankenhäuser vorhanden seien, treffen nicht zu. Bisher sind nur vier unterirdische Anlagen mit eingerichteten ärztlichen Funktions- und Krankenräumen für 1400 Betten fertiggestellt. Drei weitere Objekte befinden sich im Ausbau.
Daneben gibt es allerdings eine größere Zahl von Objekten, bei denen ärztliche Funktionsräume im Kellergeschoß vorbereitet sind, während die Räume für Patienten in den oberen Stockwerken erst bei Aufhebung der Friedensnutzung der Gebäude zur Verfügung stehen.
Im Frieden hat der Bund keine Zuständigkeiten auf dem Gebiet des Krankenhauswesens. Die Vorbereitungen für die Herrichtung von Hilfskrankenhäusern sind nur eine Vorsorgemaßnahme und eine Notlösung für den Verteidigungsfall.
Die Bundesregierung erklärt aber ihre Bereitschaft, im Falle des Auftretens von Epidemien und größeren Katastrophen, bei denen die Kapazität bestehender Krankenanstalten nicht ausreichen sollte, die voll ausgebauten unterirdischen Anlagen im Einvernehmen mit den Ländern und den Eigentümern vorübergehend als Hilfskrankenhäuser zur Verfügung zu stellen.
Herr Zebisch!
Was versteht die Bundesregierung unter „Katastrophenfall" ?
Katastrophenfall ist - wenn ich in der Definition des Grundgesetzes in der im vorigen Sommer geänderten Fassung sprechen darf - ein besonders schwerer Unglücksfall, also ein solcher, durch den ein größerer Bevölkerungskreis oder ein größeres Gebiet in schwerer Weise betroffen wird.
Nächste Zusatzfrage, Herr Zebisch.
Ich unterstelle, daß zur Zeit nur vier ausgebaute Krankenhäuser dieser Art zur Verfügung stehen. Sind wenigstens für diese vier ausgebauten Krankenhäuser die notwendigen Ärzte,
Pfleger und Schwestern vorhanden, so daß im Falle einer Katastrophe diese Krankenhäuser zum Einsatz bereit wären?
Ich sagte bereits, Herr Kollege Zebisch, daß diese Hilfskrankenhäuser für einen Katastrophen- oder Verteidigungsfall vorbereitet werden. „Vorbereitet werden" heißt, daß sie baulich vorbereitet werden und daß sie im Frieden nicht diese Funktion haben, so daß sich dort entsprechendes ärztliches oder sonstiges Pflegepersonal nicht befindet. Selbstverständlich sind für die erwähnten Katastrophenfälle oder den Verteidigungsfall Überlegungen angestellt oder Entscheidungen getroffen, um die Versorgung mit Personal sicherzustellen.
Ich rufe die Frage 55 des Abgeordneten Dr. Marx ({0}) auf:
Welche Verbindungen, Verflechtungen und Abhängigkeiten zwischen radikalen Störgruppen der sogenannten antiparlamentarischen Opposition in Berlin ({1}) und der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands bzw. der Sozialistischen Einheitspartei Berlins ({2}) sind der Bundesregierug bekanntgeworden?
Seit den Ereignissen des Juni 1967 gelang es Funktionären der SED Westberlin, mit maßgeblichen Vertretern des SDS und des Republikanischen Clubs in enge persönliche Verbindung zu kommen. Dies hat zur Folge, daß die SED oft aus erster Hand über die Vorhaben der linksextremen Studentengruppen unterrichtet ist und zuweilen auch Einfluß auf die
3) Gestaltung von Flugblättern und Resolutionen nehmen kann.
Nach dem Dutschke-Anschlag im April 1968 wurde clie Zusammenarbeit zwischen der SED und der sogenannten Apo enger. In verschiedenen Komitees arbeiten radikale Studenten mit Vertretern der Westberliner SED und FDJ zusammen. An Demonstationen der sogenannten Apo nahmen oft auch Gruppen der SED West-Berlin teil. SDS und ähnliche Gruppen nahmen für einzelne Aktionen technische und materielle Hilfe der SED in Anspruch.
Trotz dieser engen Zusammenarbeit bestanden immer erhebliche ideologische Meinungsverschiedenheiten. Die SED übte häufig harte Kritik an den anarchistischen Tendenzen der Studentengruppen.
Belastet wurde das Verhältnis besonders durch den Einmarsch der Truppen des Warschauer Paktes in die CSSR. Fast alle SDS-Gruppen haben, wenn auch mit unterschiedlicher politischer Begründung, die sowjetische Aggression scharf verurteilt, während die SED sie begrüßt hat. Trotz aller ideologischen und taktischen Differenzen arbeiten SED oder wie sie seit kurzem heißt - SEW und die linksextremen Gruppen der sogenannten Apo in Berlin dann eng zusammen, wenn sie gemeinsame Ziele verfolgen. Von einer Steuerung dieser Gruppen durch die SED kann jedoch nicht gesprochen werden.
Herr Dr. Marx!
Herr Minister, wie sieht die von Ihnen soeben dargelegte partielle Zusammenarbeit in concreto aus, d. h. welche punktuellen Methoden sind von Ihnen für taktische Aktionen festgestellt worden?
Das äußerlich zuerst Erkennbare ist das gemeinsame Auftreten bei Demonstrationen ein Vorgang, den ich in
meiner Antwort bereits erwähnt habe , das Erscheinen von Vertretern der SED auf Veranstaltungen im Universitätsbereich, die der Vorbereitung von Demonstrationen oder vergleichbaren Veranstaltungen dienen, und außerdem ein bemerkenswert häufiges Auftreten einzelner, meistens höherer, namentlich bekannter SDS- oder anderer Funktionäre der sogenannten Apo in Ostberlin. Für diesen Personenkreis scheint es offenbar die Notwendigkeit einer Passierscheinregelung nicht zu geben. Dies sind die Gelegenheiten, bei denen eine Zusammenarbeit oder jedenfalls ein gemeinsames Auftreten in Erscheinung tritt. Bei dieser Gelegenheit wird der Versuch unternommen, sich über die taktischen oder längerfristigen Ziele zu einigen.
Herr Dr. Marx!
Herr Minister, können Sie etwas über die eigentlichen langfristigen politischen Ziele solcher Zusammenarbeit hinsichtlich einer Veränderung der psychologischen, politischen und gesellschaftlichen Ordnung in der Bundesrepublik und in West-Berlin sagen?
Ich kann das nur in aller Kürze tun. Ich glaube, die politischen Ziele der Kommunisten, also der SEW ({0}), als bekannt voraussetzen zu können. Die SED versucht, zusammen mit den Machthabern in der sowjetisch besetzten Zone speziell West-Berlin vom Bunde zu trennen, ein Vorgang, der gerade in jüngster Zeit erneut in unser Bewußtsein gedrungen ist. In diesem längerfristigen Ziel scheinen sie sich mit den Zielen jedenfalls eine großen Teiles der Vertreter der sogenannten Apo in West-Berlin einig zu sein. Beiden zusammen ist gemeinsam - aber bei der Apo tritt dies in besonders polemischer Weise hervor - die Nährung von Ressentiments und heftige Polemik gegen die gewählten Vertreter des Volkes, gegen die Parlamente und gegen die Regierung.
Herr Dr. Hofmann ({0}) !
Herr Minister, ist es in diesem Zusammenhang erlaubt, zu fragen, ob Gerüchte, die in der letzten Zeit immer mehr auftauchen, richtig sind, daß mehrere hundert SDS-Mitglieder in Kuba zur Revolution und zu ähnlichen Scherzen ausgebildet werden?
Es hat vor einiger Zeit, im Sommer des vorigen Jahres, eine solche Reise eines Kreises von SDS-Funktionären nach Kuba gegeben. Was sich die Teilnehmer der
Reise möglicherweise selbst davon erhofft haben, nämlich die Schulung ideologischer und vielleicht auch praktischer Art in Methoden des Guerilla-Kampfes in der einen oder anderen Form, hat sich nach den Informationen, die uns vorliegen, nicht bewahrheitet. Die Teilnehmer haben im wesentlichen Gelegenheit gehabt, sich an der Zuckerernte auf Kuba zu beteiligen.
Wir kommen nun zu den Fragen des Abgeordneten Dr. Hofmann ({0}). Das sind die drei Fragen 59, 60 und 61:
Wie sieht die Bundesregierung den bis zur Stunde offenbar nicht geklärten protokollarischen Status der Abgeordneten des Deutschen Bundestages im öffentlichen Leben im allgemeinen und im besonderen in bezug auf die Bundesregierung und die Behörden der Bundesrepublik Deutschland, die Regierungen und die Behörden der deutschen Länder und die Behörden der Gemeinden?
Ist die Bundesregierung gewillt, an ihre nachgeordneten Behörden entsprechende Anweisungen zu erteilen bzw. aufklärend zu wirken?
Ist die Bundesregierung bereit, ihre Protokollvorstellungen entsprechend zu veröffentlichen?
Die Bundesregierung anerkennt den politischen Rang, der den Abgeordneten des Deutschen Bundestages als Mitgliedern der Volksvertretung im demokratischen Staate zukommt. Sie hat auf eine Anfrage des Abgeordneten Picard bereits am 18. Oktober 1968 gegenüber diesem Hohen Hause ihre Bereitschaft erklärt, sich bei den Ministerpräsidenten der Länder dafür zu verwenden, daß den Abgeordneten des Deutschen Bundestages auch bei Veranstaltungen auf Länderebene und im kommunalen Bereich die ihnen gebührende Achtung als Angehörigen der Legislative des Bundes zuteil wird. Ein entsprechender Erlaß an die nachgeordneten Behörden des Bundes ist in Aussicht genommen.
Eine offizielle und verbindliche Rangfolge im Sinne ähnlicher Regelungen früherer Zeiten besteht jedoch - abgesehen von den auf internationalen Gepflogenheiten beruhenden Regeln des diplomatischen Protokolls - für die Bundesrepublik nicht. Die Bundesregierung betrachtet es auch nicht als ihre Aufgabe, den protokollarischen Status der Mitglieder des Bundestages zu bestimmen.
Indem ich natürlich unterstelle, Herr Minister, daß der protokollarische Status in erster Linie vom Parlament selbst bestimmt wird, danke ich Ihnen für den Hinweis darauf, daß Sie Weisung erteilt haben, daß die nachgeordneten Bundesbehörden auf den nicht ganz feststehenden, wie mir scheint, wichtigen protokollarischen Status der Abgeordneten hingewiesen werden.
Herr Abgeordneter, solche Weisungen können nur an die nachgeordneten Behörden des Bundes gegeben werden. Entsprechende Gespräche sind, wie ich bereits gesagt habe, mit den Ländern und Gemeinden auch schon vor einiger Zeit geführt worden. Soweit mir selbst bekannt ist, liegt das Problem wohl eher im Bereich bestimmter örtlicher Veranstaltungen. Ich glaube nicht, daß jemals auf Bundesebene ernsthafte Schwierigkeiten entstanden sind.
Es ist - wenn Sie erlauben, Herr Minister, daß ich Sie frage - nicht unbedingt eine Art des Beachtetseins oder Nichtbeachtetseins, sondern eine Frage, die im Zusammenhang damit steht, daß in Deutschland die Titel ungeheuer wichtig sind. Ein Abgeordneter, der keinen Titel besitzt, wird offenbar in bezug auf sein Ansehen in unserem Volk - und damit das Ansehen dieses Parlaments - weitgehend nicht mehr ernst genug genommen. Deshalb danke ich Ihnen, daß Sie diese Bemühungen unterstützen wollen.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Maucher.
Herr Bundesminister, ist Ihnen nicht bekannt, daß zwar die Erlasse längst da sind, daß sie aber draußen gerade von den Leuten, die in der öffentlichen Verwaltung tätig sind, die es wissen müßten, dennoch nicht beachtet werden?
Herr Kollege Maucher, soweit dies im Bereich einer nachgeordneten Bundesbehörde geschieht, wäre ich dankbar, wenn ich auf konkrete Vorgänge hingewiesen würde. Dann würde ich mich sehr gern darum bemühen, auf eine Änderung der dann von mir zu mißbilligenden Praxis hinzuwirken.
Für den Bereich der Länder und Gemeinden müßte ich Sie bitten, sich an die jeweils dort zuständigen Stellen im Bereich der Länder - zweckmäßigerweise wohl an die Herren Ministerpräsidenten der Länder - zu wenden.
Herr Maucher!
Herr Minister, darf ich Ihre Ausführungen so verstehen, daß Sie jede passende Gelegenheit wahrnehmen werden, auf diese Gesichtspunkte hinzuweisen? Sind Sie nicht mit mir der Meinung, daß es im Interesse dieses Parlaments und im Interesse der Demokratie liegt, daß auch der Abgeordnete draußen so gewertet wird, wie es der Demokratie dienlich ist?
Ich stimme Ihnen durchaus zu, Herr Kollege Maucher, und bin gern bereit, bei jeder passenden Gelegenheit - ich betone das Wort „passenden" - darauf hinzuwirken.
Ich habe zwar nicht das Recht zu einer Frage an den Herrn Minister; ich frage aber die Herren Kollegen, ob es nicht auch ihre Aufgabe wäre, sich durch ein gewisses Selbstbewußtsein, das sie an den Tag legen, gegenüber protokollarischen Verstößen durchzusetzen.
({0})
- Sie haben keine Frage mehr, Herr Kollege.
Vizepräsident Schoettle
Ich rufe dann die Fragen 62 und 63 des Abgeordneten. Schultz ({1}) auf:
Warum erhalten Beamte des Bundes und der Länder sowie Angestellte und Arbeiter des öffentlichen Dienstes, die Grundwehrdienst oder eine Wehrübung abgeleistet haben, nur ein entsprechend der hierfür aufgewendeten Zeit verkürztes Weihnachtsgeld?
Beabsichtigt die Bundesregierung im Interesse der Wehrgerechtigkeit, in Zukunft auch dann wieder dos volle Weihnachtsgeld zu zahlen, wenn die Beamten, Angestellten und Arbeiter in dem jeweiligen Jahr Wehrdienst geleistet haben?
Die Fragen werden von Herrn Abgeordneten Ollesch übernommen.
Auch hier möchte ich, wenn Sie gestatten, Herr Kollege, beide Fragen zusammen beantworten. Die von dem Herrn Abgeordneten Schultz erwähnte Regelung ergibt sich aus § 6 Abs. 2 des Gesetzes über die Gewährung einer jährlichen Sonderzuwendung vom 15. Juli 1965, den entsprechenden landesrechtlichen Bestimmungen und den einschlägigen Tarifverträgen. Sie ist im Dezember 1964 in Kraft getreten. Danach wird die Zuwendung für jeden Kalendermonat gekürzt, für den im laufenden Kalenderjahr keine Bezüge zugestanden haben. Diese Vorschriften beruhen auf der Umstellung von der früheren betragsmäßig festgelegten Weihnachtszuwendung auf eine nach den Bezügen bemessene Dezemberzahlung.
Für Angehörige des öffentlichen Dienstes, die den Grundwehrdienst oder Wehrübungen ableisten, kommt eine Kürzung der Zuwendung dann in Betracht, wenn während dieser Zeit nach den Bestimmungen des Arbeitsplatzschutzgesetzes keine Bezüge zu zahlen waren. Dies ist normalerweise nur dann der Fall, wenn der Betreffende noch nicht 25 Jahre alt ist.
Eine Änderung der derzeitigen gesetzlichen und tarifvertraglichen Regelungen würde voraussetzen, daß die 1964 vorgenommene Umstellung auf eine nach den Bezügen bemessene Dezemberzahlung wieder modifiziert wird. In diesem Fall könnte für den hier angesprochenen Personenkreis für die Zeit des Wehrdienstes kaum an das Dienst- oder Arbeitsverhältnis angeknüpft werden; vielmehr käme insoweit nur eine Sonderleistung für den Wehrdienst als solchen in Betracht.
Es liegt auf der Hand, daß einer derartige Änderung einen weit größeren Personenkreis umfassen und eine völlige Umgestaltung der gegenwärtig maßgeblichen Regelung erfordern und erhebliche finanzielle Auswirkungen zur Folge haben würde.
Herr Ollesch!
Herr Minister, ich bin mir nach Ihren Ausführungen darüber im klaren, daß umfassende und schwierige Regelungen vorgenommen werden müßten. Sind Sie nicht auch mit mir der Meinung, daß es schlecht vertretbar ist, einerseits Millionenbeträge zur geringfügigen Herstellung von Wehrgerechtigkeit auszuwerfen, andererseits die Bemühung um die Wehrgerechtigkeit durch die von Ihnen skizzierte Regelung zu torpedieren?
Ich bin mit Ihnen darin einig - jedenfalls entspricht das auch meiner Meinung -, daß alles versucht werden muß, um das Prinzip der Wehrgerechtigkeit auch bei der finanziellen Seite durchzusetzen. Hierüber liegen diesem Hohen Hause ja Erwägungen vor bzw. sind in Vorbereitung. Ich würde es sehr begrüßen, wenn diese Regelungen möglichst bald und in möglichst wirksamer Form in Kraft gesetzt würden. Dieser Weg erscheint mir leichter und besser als der in der Frage des Herrn Kollegen Schultz angeregte Weg, gegen den doch eine ganze Reihe von Bedenken bestehen, die ich dargelegt habe.
Herr Ollesch!
Herr Minister, darf ich Ihnen sagen, daß ich im Gegensatz zu Ihrer Auffassung der Meinung bin, daß der von Herrn Schultz aufgezeigte Weg viel eher zur Beruhigung der Betroffenen beitragen könnte als weitere finanzielle Zuwendungen.
Sie dürfen mir das sehr gern sagen, Herr Kollege Ollesch. Ich vermag Ihre Auffassung aus den dargestellten Gründen nicht zu teilen.
Im übrigen war das keine Frage, sondern eine Feststellung, Herr Kollege.
Die Frage 64 stellt Frau Abgeordnete Freyh:
Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, um über die unmittelbaren Sicherungsmaßnahmen auf den von israelischen Maschinen angeflogenen Flughäfen Frankfurt und München hinaus die Zivilluftfahrt ggf im Zusammenwirken mit anderen Staaten vor der Gefährdung durch Terroranschläge zu schützen?
Ich beantworte diese Frage nach Abstimmung mit dem Herrn Bundesminister für Verkehr wie folgt:
Die Terroranschläge auf zivile Verkehrsflugzeuge haben weltweit zu ernsten Besorgnissen bei den Regierungen, den Luftverkehrsgesellschaften und den für die Sicherheit verantwortlichen Behörden und Organisationen geführt. Der Rat der Internationalen Zivilluftfahrt-Organisation ({0}) prüft, ob es zweckmäßig ist, zur Klärung der damit verbundenen Fragen einen besonderen Ausschuß einzusetzen. Dort soll abgestimmt werden, welche Möglichkeiten konkret bestehen, solche Übergriffe zu verhindern. Nach § 29 des Luftverkehrsgesetzes ist die Luftaufsicht, die den Ländern obliegt, Aufgabe der Luftfahrtbehörden. Die Luftaufsicht - Luftpolizei -- hat die erforderlichen Maßnahmen anzuordnen und, soweit sie diese nicht selbst durchführen kann, die Dienststellen der allgemeinen Polizei um Durchführung der im Einzelfall erforderlichen Sicherungen zu ersuchen. Das Nähere regeln die Dienstanweisungen der Länder für die Beauftragten für Luftaufsicht.
Frau Freyh!
Herr Minister, da das Luftverkehrsrecht und insbesondere das internationale Luftverkehrsrecht sicherlich von der Bundesregierung beeinflußt wird, möchte ich Sie fragen, ob von der Bundesregierung - abgesehen davon, daß, wie Sie dargelegt haben, zunächst einmal geprüft wird, ob man einen Ausschuß für diese Fragen einsetzen sollte - auch Vorstellungen entwickelt werden, wie eine Verbesserung des internationalen Luftverkehrsrechts für diese speziellen Fälle zu erreichen wäre.
Frau Kollegin, ich bedaure sehr, daß sich meine Zuständigkeit innerhalb der Bundesregierung auf die Fragen beschränkt, die mit der unmittelbaren Herstellung der Sicherheit - also im polizeilichen Sinne - zusammenhängen. Die von Ihnen aufgeworfene Frage könnte ich jedenfalls nicht ohne vorherige Abstimmung mit dem Herrn Bundesminister für Verkehr beantworten.
Frau Freyh!
Darf ich mich dann mit meiner zweiten Frage auf das beschränken, was von Ihnen beantwortet werden kann, und fragen, ob die polizeilichen Sicherheitsmaßnahmen bei den beiden von mir genannten Flughäfen, nämlich Frankfurt und München, nach Auffassung der Bundesregierung ausreichend sind.
Nach allen Informationen, die ich über das Ausmaß der Sicherung habe - ich habe die dafür zuständigen Stellen bereits benannt -, sind die vorgesehenen Sicherungen ausreichend, um eine Wiederholung von Vorfällen, wie wir sie auf anderen, außerhalb der Bundesrepublik gelegenen Flugplätzen leider gehabt haben, auszuschließen.
Herr Dr. Marx!
Herr Minister, wären Sie bereit, falls Sie die soeben angekündigte Unterhaltung mit Ihrem Kollegen Herrn Bundesminister Leber haben, auch die Angemessenheit einer Antwort, die ich etwa vor einem halben Jahr auf eine ähnliche Frage wie die, die soeben die Kollegin Freyh gestellt hat, erhalten habe, noch einmal zu überprüfen?
Ich bin gern bereit, Anregung an den Herrn Kollegen Leber weiterzugeben.
Die letzte Frage in dieser Fragestunde - es ist die Frage 65 - stellt der Abgeordnete Hermsdorf:
Stimmt der Begriff des Beamten in § 2 Bundesbeamtengesetz mit dem Begriff des Berufssoldaten in § 1 Soldatengesetz überein?
Die Beamten und die Soldaten stehen zum Staat in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis. Insoweit stimmen die Begriffe des Bundesbeamten in § 2 Abs. 1 des Bundesbeamtengesetzes und des Berufssoldaten in § 1 Abs. 1 und 3 des Soldatengesetzes überein. Beide Dienstverhältnisse weisen jedoch im Hinblick auf ihre verschiedenartige Zweckbestimmung erhebliche Unterschiede im einzelnen auf.
Herr Bundesminister, sind Sie nicht mit mir der Auffassung, daß, da diese beiden Begriffe im Grundsätzlichen übereinstimmen, hier zumindest auch in der Besoldungsfrage eine Übereinstimmung hergestellt werden sollte?
Ich glaube, daß die Besoldungsfragen weniger an den Grundsatz, nämlich an den Grundsatz der Einordnung in ein Treue- und Fürsorgeverhältnis, anknüpfen als vielmehr an die im einzelnen durchaus unterschiedliche Gestaltung des Dienstes des Beamten einerseits und des Soldaten andererseits.
Herr Hermsdorf.
Auch das bestreite ich nicht, Herr Minister. Aber meinen Sie nicht auch, daß zumindest abgesehen von der Frage der Altersgrenze - bei der jeweiligen Dienstpostenbewertung der gleiche Maßstab hinsichtlich der Pensionierung wie bei den Beamten angelegt werden müßte?
Ich bedauere, Ihnen in dieser sehr weiten und allgemeinen Fassung nicht zustimmen zu können, Herr Kollege Hermsdorf. Dies ist eine höchst komplizierte Frage, über die sich schon sehr viele Geister den Kopf zerbrochen haben und die man wahrscheinlich nur nach sehr sorgfältiger Detaildiskussion einigermaßen zureichend beantworten könnte.
Aber Sie verstehen, Herr Minister, daß, weil die Frage so kompliziert ist, ein einfacher Abgeordneter einen Minister danach fragt.
Ich habe volles Verständnis für diese Frage.
Die letzte Frage war bereits eine Überschreitung des „Quorums".
({0})
Herr Dr. Marx!
Herr Minister, glauben Sie, daß es richtig ist, daß die besondere Pensionsregelung bei Offizieren und Beamten aus der speziellen Tätigkeit und aus gewissen personalpolitischen Überlastungen im Bereich des Bundesministers der Verteidigung zu erklären ist?
Ja, soweit ich darüber orientiert bin, war dies eines der Motive für den Gesetzgeber, der in der von Ihnen bezeichneten Weise entschieden hat.
Damit, meine Damen und Herren, ist die Fragestunde geschlossen.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Freitag, den 28. Februar 1969, 9.00 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen.