Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 2/26/1969

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Seit 1957 besteht die Bereitschaft meines Hauses, in Übereinstimmung mit den Bundesländern die Errichtung einer höheren Schule mit Polnisch als Unterrichtssprache und Prüfungsfach in jeder Weise, auch finanziell, zu fördern. Diese Bereitschaft wurde auch gegenüber dem Vorstand des Verbands polnischer Flüchtlinge in der Bundesrepublik wiederholt, zuletzt im August des vergangenen Jahres, mitgeteilt. Von keiner exilpolnischen Vereinigung in der Bundesrepublik wurde auf diese wiederholt erklärte Bereitschaft eingegangen. Ohne polnische Initiative und Beteiligung allerdings, die naturgemäß Voraussetzung für die Gründung einer polnischen höheren Schule sind, kann mein Haus nicht tätig werden. Präsident von Hassel: Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Dr. Marx.

Dr. Werner Marx (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001431, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, wie kann man die deutsche Auffassung, daß in unserem Land jeder fremden Volksgruppe das Recht auf ein eigenes Schulwesen zuzubilligen sei, sagen wir, in Zahlen ausdrücken, d. h. wie viele fremde Schulen gibt es in unserem Land, wieviel Schüler sind dort und wieviel Lehrer?

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Herr Abgeordneter, jede in der Bundesrepublik lebende Volksgruppe, deren Angehörige nichtdeutsche Flüchtlinge sind und die eine ausreichende Zahl von Schülern nachweisen können, erhält gemeinsam von meinem Haus und den deutschen Bundesländern dann Hilfe bei der Durchführung von muttersprachlichem Ergänzungsunterricht und bei der Unterhaltung höherer Schulen, wenn sie hieran ein tätiges Interesse zeigt und sich selber finanziell beteiligt. Gegenwärtig erhalten 3013 Schüler von 173 Lehrern Ergänzungsunterricht in ihrer Muttersprache und in Heimatkunde. Die Bundesrepublik gibt erhebliche Mittel für das ungarische Gymnasium in Burgkastel mit 313 Schülern, das lettische Gymnasium in Münster mit 88 Schülern und das litauische Gymnasium in Hüttenfeld mit 101 Schülern aus. Weiterhin unterstützt die Bundesregierung ein ukrainisches Internat mit zirka 30 Schülern in München. Alle Anstalten sind im Wachsen begriffen. Präsident von Hassel: Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Marx.

Dr. Werner Marx (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001431, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, können Sie irgendein positives Ergebnis über die eventuelle Bereitschaft der Regierung der Volksrepublik Polen mitteilen, den dort lebenden Deutschen das Recht des Unterrichts in ihrer Muttersprache zu gewähren?

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Herr Abgeordneter, nach meinen Feststellungen besteht eine solche Bereitschaft in Polen nicht. Der Bundesregierung ist über einen solchen Unterricht nichts bekannt. Nach den vorliegenden Erkenntnissen muß vielmehr davon ausgegangen werden, daß, wenn überhaupt, nur an einigen höheren Schulen Deutsch als Wahlfach zugelassen ist. Präsident von Hassel: Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Hofmann.

Dr. Josef Hofmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000941, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, trifft es zu, daß es polnischen Schülern mit Hilfe bundesdeutscher Stipendien ermöglicht wird, dem Unterricht am polnischen Gymnasium in Frankreich beizuwohnen?

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Herr Abgeordneter, das trifft zu. Nach meinen Feststellungen besuchen neun polnische Kinder aus der Bundesrepublik Deutschland die höhere polnische Schule in Les Argaux bei Paris. Davon erhalten sechs Schüler eine Beihilfe durch die betreffenden Bundesländer. Präsident von Hassel: Zu einer weiteren Zusatzfrage Herr Hofmann.

Dr. Josef Hofmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000941, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, kann die Bundesregierung Genaueres über den in polnischer Sprache für polnische Schüler in der Bundesrepublik Deutschland erteilten Schulunterricht mitteilen?

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Herr Abgeordneter, das kann sie. So erhielten im Jahre 1968 durchschnittlich 660 Schüler von 25 Lehrern monatlich 560 Schulstunden Ergänzungsunterricht in polnischer Sprache und in Heimatkunde sowie in polnischem Volkstanz. Präsident von Hassel: Keine weiteren Zusatzfragen. Ich danke, Herr Staatssekretär. Aus dem Geschäftsbereich des Bundesschatzministers ist festzustellen, daß die Frage 6 vom Antragsteller zurückgezogen ist. Ich rufe die Fragen 7 und 8 des Herrn Abgeordneten Jung auf: Ist die Bundesregierung bereit, an Stelle der zwei für 1969 vorgesehenen beschränkten Wettbewerbe für ihre Baumaßnahmen öffentliche Architektenwettbewerbe auszuloben? Von wem und nach welchen Gesichtspunkten werden die wenigen Architekten für die beschränkten Wettbewerbe ausgewählt? Die Fragen werden im Einvernehmen mit dem Fragesteller schriftlich beantwortet. Die Antwort des Bundesministers Schmücker vom 25. Februar 1969 lautet: Von den zwei beschränkten Wettbewerben, die für das Jahr 1969 vorgesehen sind - dabei handelt es sich um eine Wettbewerbsaufgabe im Inland und im Ausland -, ist der Wettbewerb für die Inlandsbauaufgabe bereits seit Ende Januar 1969 im Stadium der Durchführung. Die Größenordnung des Projektes beläuft sich auf rd. 600 000 DM. Für den zweiten Wettbewerb für eine Bauaufgabe im Ausland in einer Größenordnung von 2,5 Mio DM kann aufgrund der Besonderheiten dieser Bauaufgabe ({0}) und der örtlichen Verhältnisse nur ein beschränkter Kreis qualifizierter Architekten aufgefordert werden. Der öffentliche Wettbewerb scheidet für diese Sonderaufgabe deshalb - nicht zuletzt aus Kostengründen - aus. Die Teilnehmer eines beschränkten Wettbewerbes werden vom Bundesschatzministerium auf Vorschlag der auslobenden Stelle, und zwar der Bundesbaudirektion oder der Oberfinanzdirektionen bestimmt. Dieses Verfahren ist in den Richtlinien für die Durchführung von Bauaufgaben des Bundes - RBBau - geregelt. Für die Auswahl der Architekten eines beschränkten Wettbewerbs ist maßgebend, ob der Architekt für die zu lösenden Wettbewerbsaufgaben aufgrund seiner Erfahrungen und Leistungen die erforderliche Qualifikation besitzt. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. Ich rufe die Fragen 92 bis 94 des Herrn Abgeordneten Budde auf. Ist der Abgeordnete Budde im Saal? - Das ist nicht der Fall. Die Fragen werden schriftlich beantwortet. Wir kommen zu den Fragen 95 bis 97 des Abgeordneten Dr. Rinderspacher: Sind Meldungen zutreffend, daß sich Länder und Städte wegen der angeblich oder tatsächlich hohen Kosten geweigert haben, sich an der Aktion zur Abgabe von einigen tausend Tonnen Butter an Sozialhilfeempfänger zu beteiligen? Hat die Bundesregierung Anhaltspunkte dafür, daß den zuständigen Verwaltungsstellen tatsächlich unzumutbare Kosten entstehen? Könnte an einen Ausgleich der den Ländern und Kommunalverwaltungen entstandenen Kosten gedacht werden? Die Fragen werden im Einvernehmen mit dem Fragesteller schriftlich beantwortet. Die Antwort des Bundesministers Höcherl vom 26. Februar 1969 lautet: Es trifft zu, daß die kommunalen Spitzenverbände unter Hinweis auf die entstehenden Kosten gegen die Durchführung der Aktion in ihrer ursprünglich beabsichtigten Form Bedenken geäußert haben. Daraufhin wurde in den vorgesehenen Richtknien das Verfahren so gestaltet, daß den berechtigten Wünschen der die Gutscheinkarten ausgebenden Behörden weitgehend Rechnung getragen wird. Eine abschließende Besprechung der Richtlinien mit den Ländern findet am 27. dieses Monats in meinem Hause statt. Die Form der Ausgabe der Gutscheinkarten ist in das Ermessen der ausgebenden Behörden gestellt. Die Ausgabe kann durch persönliche Aushändigung, durch Boten oder durch einfachen Brief erfolgen. Die dadurch entstehenden Kosten dürften sich damit in einem vertretbaren Rahmen halten. Angesichts der Tatsache, daß der Bund für die Bereitstellung der Butter einen nicht unerheblichen Betrag aufbringen muß, ist eine Vergütung der den Kommunalverwaltungen durch die Ausgabe der Gutscheinkarten entstehenden Kosten aus dem Bundeshaushalt nicht vorgesehen. Ich rufe die Frage 98 des Abgeordneten Zebisch auf: Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, die Teichwirtschaft in den landwirtschaftlichen Problemgebieten, z. B. in der Oberpfalz, zu fördern, um dadurch neben Industrieansiedlungen einen weiteren Anreiz zum Strukturwandel zu schaffen? Zur Beantwortung Herr Bundesminister Höcherl.

Hermann Höcherl (Minister:in)

Politiker ID: 11000912

Spezielle Förderungsmittel für die Teichwirtschaft stehen der Bundesregierung leider nicht zur Verfügung. Soweit Fischteiche von wasserwirtschaftlicher Bedeutung sind - und das ist in den landwirtschaftlichen Problemgebieten der Oberpfalz der Fall -, können solche Anlagen mit Mitteln meines Hauses für den „landwirtschaftlichen Wasserbau" zusammen mit Landesmitteln finanziell gefördert werden. Die wasserwirtschaftliche Bedeutung wird darin gesehen, daß die Fischteiche unzeitgemäße Hochwasserspitzen der Wasserläufe aufnehmen und Wasser bei Niedrigwasserständen an die Wasserläufe abgeben. Die jährliche Auswahl der Projekte nach deren Dringlichkeit - in Verbindung mit den übrigen wasserwirtschaftlichen Bauvorhaben - erfolgt durch die Länder. Diese Regelung ist im letzten Jahr insbesondere mit dem Land Bayern für Neuanlagen in der Trägerschaft von Wasser- und Bodenverbänden getroffen worden. Sie gilt für alle Länder. Damit ist der kleinbäuerlich strukturierten Landwirtschaft eine weitere Möglichkeit der Verbreiterung ihrer Einkommensbasis gegeben. Präsident von Hassel: Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Zebisch.

Franz Josef Zebisch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002584, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister, verfügt die Bundesregierung über Absatzstudien für die Produkte der Teichwirtschaft, oder sind in Ihrem Hause Unterlagen zu bekommen?

Hermann Höcherl (Minister:in)

Politiker ID: 11000912

Es gibt bestimmt Unterlagen, sowohl aus der Marktbeobachtung in Völkenrode als auch aus dem fischwirtschaftlichen Bereich. Präsident von Hassel: Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Zebisch.

Franz Josef Zebisch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002584, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister, liegen der Bundesregierung Erfahrungsberichte anderer Länder in dieser Angelegenheit vor, oder haben Sie hier Unterlagen zur Verfügung, und könnte ich welche bekommen?

Hermann Höcherl (Minister:in)

Politiker ID: 11000912

Nein. Aber wir können welche besorgen. Präsident von Hassel: Keine weitere Zusatzfrage. Ich rufe die Frage 99 des Herrn Abgeordneten Marquardt auf: Beabsichtigt die Bundesregierung, eine Initiative zur Verlängerung des Mühlengesetzes in der Fassung vom 23. Dezember 1966 ({0}) zu ergreifen? Zur Beantwortung der Herr Bundesminister Höcherl.

Hermann Höcherl (Minister:in)

Politiker ID: 11000912

Die Bundesregierung beabsichtigt, das Genehmigungserfordernis für die Errichtung und Erweiterung von Mühlen - § 1 Abs. 1 des Mühlengesetzes - über das Jahr 1969 hinaus um drei Jahre bis Ende 1972 zu verlängern. Ein entsprechender Gesetzentwurf soll dem Bundesrat Anfang März zugeleitet werden. Präsident von Hassel: Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Marquardt.

Werner Marquardt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001422, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Danke, das genügt. Präsident von Hassel: Danke. Ich rufe die Frage 100 des Abgeordneten Dr. Mommer auf: Hat der Bundesernährungsminister mit seinen Bemerkungen in einem Rundfunkvortrag über die großen Schwierigkeiten der Anpassung der britischen Lebensmittelpreise an die des Gemeinsamen Marktes zum Ausdruck bringen wollen, die Bundesregierung teile die Meinung, das Vereinigte Königreich sei nicht reif für den Beitritt zur EWG? Die Frage wird vom Abgeordneten Marquardt übernommen. - Herr Bundesminister!

Hermann Höcherl (Minister:in)

Politiker ID: 11000912

Genau das Gegenteil ist der Fall. Ich habe in dem von Ihnen zitierten Rundfunkinterview, das in der Zwischenzeit auch im Bulletin veröffentlicht wurde, in realistischer Betrachtungsweise lediglich auf die großen Schwierigkeiten hingewiesen, die das unterschiedliche Niveau der Agrarpreise in der EWG und in Großbritannien mit sich bringen würde. Mit diesem Hinweis habe ich aber gleichzeitig die Erklärung verbunden, daß wir gerade wegen dieser Schwierigkeiten jetzt ganz bewußt Überlegungen anstellen, wie man diese Hindernisse technisch überwinden kann. Wir bemühen uns sozusagen um „Schubladenpläne", die bei einer politischen Entscheidung der Beitrittsfrage nur hervorgeholt werden müßten. Von „Reifegraden" war keineswegs die Rede. Präsident von Hassel: Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Marquardt.

Werner Marquardt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001422, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Um das noch einmal festzunageln, Herr Bundesminister: Sie sind also der Meinung, daß bei gutem Willen die bestehenden Schwierigkeiten überwunden werden können.

Hermann Höcherl (Minister:in)

Politiker ID: 11000912

Ich bin davon absolut überzeugt. Ich bin aber darüber hinaus der Meinung, daß der gute Wille nicht reicht, sondern daß eine realistische Betrachtungsweise und die technische Vorbereitung, mit der wir uns befassen, notwendig sind. Präsident von Hassel: Keine weitere Zusatzfrage. Ich komme zu den Fragen 101 des Abgeordneten Schmidt ({0}) sowie 102 und 103 des Abgeordneten Porsch: Welche Vorstellungen hat die Bundesregierung bezüglich des Standortes und der Errichtung der geplanten Zentralanstalt für das Molkereiausbildungs- und -versuchswesen? Ist der Bundesregierung bekannt, daß jetzt schon bayerische Landwirtschaftsämter die Mitteilung erhalten haben, keine weiteren Anträge für landwirtschaftliche Investitionshilfe einzureichen, weil die für 1969 vorgesehenen Mittel bereits verplant seien? Wenn ja, besteht die Aussicht, daß durch Umplanung von Mitteln noch in diesem Jahr weitere Investitionshilfen zur Verfügung stehen? Die Fragen werden von dem Abgeordneten Freiherrn von Gemmingen übernommen. - Herr Minister!

Hermann Höcherl (Minister:in)

Politiker ID: 11000912

Eine Zentralanstalt für das Molkereiausbildungs- und -versuchswesen des Bundesgebietes ist nicht geplant. Die Frage zielt wahrscheinlich auf eine geplante Zusammenlegung der Schulen der Milchwirtschaftlichen Vereinigung Allgäu ab. Zur Zeit befindet sich eine Lehr- und Versuchsanstalt in Boos und eine Lehr- und Versuchsanstalt für Emmentaler Käserei, die sogenannte Dr.-Anton-Fehr-Schule, in Weiler. Die Angelegenheit ist ein rein bayerisches Problem, auf das der Bund keinen Einfluß nehmen kann. Präsident von Hassel: Zu einer Zusatzfrage der Abgeordnete Freiherr von Gemmingen.

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, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Minister, darf ich fragen: Hat sich Ihre Antwort auf die Frage 102 bezogen?

Hermann Höcherl (Minister:in)

Politiker ID: 11000912

Ich bitte sehr um Entschuldigung. Dann habe ich eigentlich das Pensum dieser anderen Frage schon erledigt, Herr Präsident. Wegen des bestehenden Sachzusammenhangs möchte ich die beiden Fragen des Herrn Abgeordneten Porsch zusammen beantworten. Der angesprochene Tatbestand ist der Bundesregierung bekannt. Mit einer Entschließung des bayerischen Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten wurden die Landwirtschaftsämter angewiesen, ab sofort keine Betriebsentwicklungspläne mehr entgegenzunehmen. Durch Umplanung von Mitteln innerhalb des Einzelplans 10 besteht leider zunächst keine Aussicht, den voraussichtlichen Bedarf an Investitionsbeihilfen 1969 abzudecken. Das schließt jedoch nicht aus, daß alle Bemühungen angesetzt werden, um einen Ausgleich zu erreichen. Vielleicht eine kurze Information über den Stand der Dinge: In dem Haushalt 1969 stehen 136 Millionen DM für diesen Zweck zur Verfügung, einschließlich der Aufstockung aus dem Agrarprogramm, also ein höherer Betrag als im letzten Jahr, dazu Bindungsermächtigungen in Höhe von 20 Millionen DM. Bisher haben die Länder in einer Art Welle für rund 400 Millionen DM Anträge bekommen. 31,6 Millionen DM sind bereits rechtsverbindlich zugesagt, und zwar aus dem letzten Jahr. Sie müssen bedient werden. Für 206,5 Millionen DM liegen bereits genehmigte Betriebsentwicklungspläne vor ohne rechtsverbindliche Zusage, weitere 80,4 Millionen DM für bereits vorliegende Anträge, bei denen weder die Betriebsentwicklungspläne noch rechtsverbindliche Beihilfezusagen bestehen. Weiterhin wird geschätzt, daß noch Anträge in Höhe von 82 Millionen DM zu erwarten sind. Wir haben deswegen mit Erlaß vom 20. Februar 1969 eine Regelung getroffen, die den Ländern bereits mitgeteilt ist. Danach können für Anträge, die nach dem 31. Dezember 1968 erstmals eingereicht wurden, im Rahmen des derzeitigen Investitionsbeihilfeprogramms keine Beihilfen gewährt werden. Ab sofort werden bis zum Anlaufen eines neuen Programms keine neuen Anträge mehr entgegengenommen. Aus dem Mittelkontingent von 1969 sind zunächst die bereits rechtsverbindlich bewilligten Beihilfen, nämlich die 31,6 Millionen DM, zu zahlen. In allen Fällen, in denen rechtsverbindliche Beihilfebewilligungen dem Letztempfänger noch nicht vorliegen, werden für Viehaufstockungen jeder Art keine Beihilfen mehr gewährt. Bei allen bereits vor dem 1. Januar 1969 vorliegenden Anträgen bzw. Betriebsentwicklungsplänen, bei denen rechtsverbindliche Beihilfebewilligungen noch nicht ausgesprochen sind, ist der Beihilfesatz von 15 auf bis zu 10% herabgesetzt worden. Das ist die neue Lösung, um einen größeren Beteiligtenkreis einbeziehen zu können. Präsident von Hassel: Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter von Gemmingen.

Not found (Mitglied des Bundestages)

, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Minister, können Sie mir den genauen Termin sagen, an dem die bayerischen Landwirtschaftsämter die Anweisung bekommen haben, keinerlei Betriebsentwicklungspläne mehr entgegenzunehmen?

Hermann Höcherl (Minister:in)

Politiker ID: 11000912

Ich habe nur das Datum der Entschließung des bayerischen Staatsministeriums da; die ist vom 11. Februar 1969. Also kann es sich nur um eine kurze Zeit vorher handeln. Präsident von Hassel: Zu einer weiteren Zusatzfrage Herr Abgeordneter Wächter.

Gerold Wächter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002402, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Bundesminister, sind bei den Beratungen im Kabinett über den Einzelplan 10 zugunsten des Emslandprogramms und des Programms Nord anfänglich die Mittel für die Investitionshilfen gekürzt worden, und was war eigentlich die Ursache dieser beantragten oder dieser vorgesehenen Kürzung?

Hermann Höcherl (Minister:in)

Politiker ID: 11000912

Der Mangel an finanzieller Masse. Präsident von Hassel: Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Wächter.

Gerold Wächter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002402, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Darf ich das als ein endgültiges Motiv dieser Kürzungen ansehen? Denn es steht ja fest, daß im Rahmen der mittelfristigen Finanzplanung das Emslandprogramm und das Programm Nord bis zum Jahre 1972 mit den alten Ansätzen bedacht werden sollen.

Hermann Höcherl (Minister:in)

Politiker ID: 11000912

In der Zwischenzeit sind die alten Ansätze wiederhergestellt. Präsident von Hassel: Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Wächter.

Gerold Wächter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002402, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ist Ihnen bekannt, Herr Bundesminister - und jetzt spreche ich Sie als Landsmann meines Kollegen Porsch an -, daß im Jahre 1968 von Bayern nach Niedersachsen rund 4 Millionen DM Überhangbeträge für die Investitionshilfe verlagert worden sind, und sehen Sie darin einen gerechten Ausgleich für die bisher nicht genügend berücksichtigten Interessen des Landes Niedersachsen gegenüber dem Lande Bayern?

Hermann Höcherl (Minister:in)

Politiker ID: 11000912

Der Weg geht anders, Herr Kollege. Die Gelder konnten von Bayern nicht verbraucht werden, weil sie kurzfristig zugesagt waren und weil die bayerische Landwirtschaft angesichts der vorausgegangenen Rezession noch sehr zurückhaltend war. Dann gingen die Gelder zurück, und wir haben in weiser Verteilung Niedersachsen die 4 Millionen zugewiesen. ({0}) Präsident von Hassel: Eine letzte Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Wächter.

Gerold Wächter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002402, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ist es wirklich Ihre ernstliche Meinung, daß die Bayern in dieser Hinsicht bislang sehr zurückhaltend gewesen sind?

Hermann Höcherl (Minister:in)

Politiker ID: 11000912

Immer, immer zurückhaltend, nicht nur in diesem Fall! ({0}) Präsident von Hassel: Damit sind die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten beantwortet. Ich danke Ihnen, Herr Bundesminister. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr. Ich rufe die Frage 9 des Abgeordneten Dr. Jahn ({1}) auf: Ist die Bundesregierung bereit, dem in Diskussion befindlichen Plan des Baues einer Autobahn Puttgarden-Lübeck-LüneburgWolfsburg-Braunschweig-Nordharz-Seesen zur Erschließung des Gebietes unmittelbar am Zonenrand näherzutreten? Die Frage wird übernommen von Herrn Abgeordneten Dr. Marx. Zur Beantwortung Herr Staatssekretär Börner. Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr: Der Bundesminister für Verkehr bereitet zur Zeit den zweiten Ausbauplan für die Bundesfernstraßen vor, der den Zeitraum 1971 bis 1985 umfassen wird. Auf Vorschlag des Landes Niedersachsen wurde in die laufenden Untersuchungen auch eine Autobahn Lübeck-Lüneburg-Wolfsburg-Braunschweig-Seesen einbezogen, die die Bezeichnung „Nordlandlinie" trägt. Von den Untersuchungen wird Aufschluß über die künftige Verkehrsbelastung erwartet. Daneben wird auch ,die Erschließungs- und Verbindungswirkung, die den einzelnen Netzergänzungen zukommt, besonders bewertet. Bevor eine endgültige Stellungnahme abgegeben werden kann, bleibt das Ergebnis der in Gang befindlichen Untersuchungen abzuwarten. Präsident von Hassel: Keine Zusatzfrage. Ich rufe die Frage 10 des Abgeordneten Dr. Jahn ({2}) auf: Ist die Bundesregierung bereit, eine Anweisung des Bundesverkehrsministers von Oktober 1967 an die obersten Straßenbaubehörden der Länder, in der Zukunft keine weiteren Rastplätze mehr nach ostdeutschen Städten zu benennen, rückgängig zu machen? Die Frage wird ebenfalls von Herrn Abgeordneten Dr. Marx übernommen. Zur Beantwortung der Herr Staatssekretär. Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr: Herr Kollege, eine direkte Weisung des hier erwähnten Inhalts gibt es nicht. Allerdings hat der Bundesminister für Verkehr im Oktober 1967 den obersten Straßenbaubehörden mitgeteilt, daß die durchgeführten Benennungen ,den in Betracht kommenden politischen und landsmannschaftlichen Interessen ausreichend und angemessen Rechnung tragen. Präsident von Hassel: Keine Zusatzfrage. Ich rufe die Fragen 11 und 12 des Abgeordneten Hölzle auf: Ist die Bundesregierung bereit, sich bei der Hauptverwaltung der Deutschen Bundesbahn für eine Aufnahme der Remstalbahn bis Aalen in die Liste der zu elektrifizierenden Strecken einzusetzen? Ist der Bundesregierung bekannt, daß auf dieser Strecke erhebliche betriebstechnische Erleichterungen und wesentliche Kosteneinsparungen möglich sind, wenn durch eine Elektrifizierung auf ein Umspannen durchgehender Züge in Schorndorf verzichtet werden kann? Die Fragen werden im Einverständnis mit dem Fragesteller schriftlich beantwortet. Die Antwort des Bundesministers Leber vom 26. Februar 1969 lautet: Nach dem 3. Abkommen, das am 28. April 1965 zwischen der Landesregierung von Baden-Württemberg und der Deutschen Bundesbahn ({3}) abgeschlossen wurde, ist die Elektrifizierung der Remstalbahn von Schorndorf nach Aalen vorgesehen. Mit den Umstellungsarbeiten konnte jedoch noch nicht begonnen werden, da sich die Landesregierung bisher außerstande sah, die zugesagten Kredite zur Verfügung zu stellen. Nach Angabe der Deutschen Bundesbahn laufen z. Z. erneut Bemühungen, um die Finanzierung sicherzustellen. Der Bundesregierung ist bekannt, daß durch die Elektrifizierung betriebliche Erleichterungen möglich sind. Ich rufe die Frage 13 des Abgeordneten Dr. Apel auf: Ist die Bundesregierung bereit, das unter Druck der brasilianischen Regierung in Rio de Janeiro am 29. November 1968 abgeschlossen e Konferenzabkommen im Brasilien/Europa-Verkehr in ein zwischenstaatliches Abkommen über die Gewährung von Kapitalhilfe aufzunehmen, obwohl die brasilianische Regierung die Einfuhrlizenzen weiterhin mit der flaggendiskriminierenden Auflage versieht, der Seetransport sei nur unter brasilianischer Flagge durchzuführen? Zur Beantwortung der Herr Staatssekretär. Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr: Herr Kollege, das bisher noch nicht unterzeichnete deutsch-brasilianische Regierungsprotokoll über finanzielle Zusammenarbeit enthält in Art. 4 eine Klausel, die die Anerkennung der in Brasilien geltenden Bestimmungen über den Seetransport bedeutet. Durch einen Briefwechsel zu diesem Artikel soll jedoch eine gleichberechtigte und gleichmäßige Beteiligung der beiderseitigen Verkehrsunternehmen sichergestellt werden. Die brasilianischen Vorschläge werden zur Zeit durch die beteiligten Bundesressorts einer Prüfung unterzogen, die in Kürze abgeschlossen sein wird. Präsident von Hassel: Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Dr. Apel.

Dr. Hans Apel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000043, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, ist Ihnen bewußt, daß der Deutsche Bundestag in seiner 75. Sitzung in der 4. Legislaturperiode am 9. Mai 1963 in einer Entschließung die Bundesregierung aufgefordert hat, bei allen Verhandlungen mit Ländern, die von uns Kapitalhilfe bekommen, darauf zu achten, daß sowohl die deutsche Luftfahrt als auch die deutsche Seeschiffahrt gleichmäßig und gleichberechtigt an den Verschiffungen beteiligt werden, und sind Sie bereit, bei den laufenden Verhandlungen diese Entschließung unserer Position zugrunde zu legen? Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr: Herr Kollege, diese Entschließung ist mir bekannt. Die Bundesregierung Parlamentarischer Staatssekretär Börner wird sie bei allen entsprechenden Verhandlungen gebührend berücksichtigen. Präsident von Hassel: Zu einer weiteren Zusatzfrage Herr Abgeordneter Dr. Apel.

Dr. Hans Apel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000043, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, ist sich die Bundesregierung auch der Gefahr bewußt, daß ein Zurückweichen bei diesen und weiteren möglichen Verhandlungen die Aussagen im Leber-Plan, daß dem wachsenden Flaggenprotektionismus entschieden Gegenwehr geleistet werden soll, in Frage gestellt werden könnten? Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr: Ich bin durchaus Ihrer Meinung, Herr Kollege, daß eine solche Entwicklung so gesehen werden könnte. Ich muß allerdings darauf aufmerksam machen, daß wir nicht die Absicht haben, hier in dem von Ihnen vorhin genannten Fall oder in anderen Fällen von den Prinzipien des verkehrspolitischen Programms abzuweichen. Präsident von Hassel: Keine weiteren Zusatzfragen. Ich rufe die Frage 14 des Abg. Ramms auf: Beabsichtigt die Bundesregierung, mit dem Schreiben an die Länder eine verstärkte Werbung für das Fahrverbot der Lastkraftwagen in Spitzenzeiten des Berufsverkehrs, samstags und sonntags und zu Beginn und Ende der Ferien durchzuführen? Der Abgeordnete ist im Saal. Zur Beantwortung bitte, Herr Staatssekretär! Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr: Herr Präsident, ich bitte sehr herzlich um die Genehmigung, die Fragen des Herrn Kollegen Ramms gemeinsam beantworten zu dürfen, weil ein Sachzusammenhang besteht. ({0}) Präsident von Hassel: Keine Bedenken. Ich rufe auch die Fragen 15 und 16 des Abgeordneten Ramms auf: Wie gedenkt die Bundesregierung den zur Versorgung von Industrie und Wirtschaft nötigen Verkehr auf andere Straßen abzuleiten, um keine Gefährdung in der Versorgungslage aufkommen zu lassen? Ist von der Bundesregierung ein Ausnahmekatalog für leicht verderbliche Güter ({1}) vorgesehen? Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr: Herr Kollege, die Verhandlungen mit den Ländern über eine zeitliche Beschränkung des schweren Lkw-Verkehrs in Ballungsräumen durch eine Rechtsverordnung des Bundesministers für Verkehr sind noch im Gange. Im Zuge dieser Beratungen wird geprüft, ob und wie der versorgungswichtige Verkehr auf andere Straßen abgeleitet werden kann und wie für dringende Transporte Sonderregelungen getroffen werden können. Präsident von Hassel: Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Ramms.

Egon Wilhelm Theodor Ramms (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001771, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ist sich die Bundesregierung darüber im klaren, daß bei einem Fahrverbot in den Spitzenzeiten während der anderen Zeit viel mehr Fahrzeuge eingesetzt werden müssen, um die Versorgung auch in den Städten zu gewährleisten? Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr: Herr Kollege, alle mit diesem Komplex zusammenhängenden Fragen werden sehr eingehend mit den Länderverkehrsbehörden besprochen. Präsident von Hassel: Eine weitere Zusatzfrage? - Das ist nicht der Fall. Ich rufe die Frage 17 des Abg. Fritsch ({0}) auf: Wann ist mit der Auftragsvergabe der Bauarbeiten für die Donaubrücke östlich Deggendorf der Bundesautobahn Regensburg-Passau zu rechnen? Herr Staatssekretär, zur Beantwortung! Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr: Herr Kollege, die Bauarbeiten für die Autobahnbrücke über die Donau östlich Deggendorf können nach dem derzeitigen Bearbeitungsstand im Herbst dieses Jahres vergeben werden. Präsident von Hassel: Eine Zusatzfrage.

Walter Fritsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000601, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, mit welchen Gesamtkosten ist für diese Autobahnbrücke ungefähr zu rechnen? Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr: Herr Kollege, das kann ich Ihnen hier heute nicht genau sagen. Ich bin aber bereit, Ihnen die Zahlen, wenn Sie ein bestimmtes Interesse daran haben, schriftlich nachzureichen. Ich weise darauf hin, daß es sich hier um Einzelprojekte handelt, die im Rahmen einer größeren Maßnahme, nämlich der Autobahn von Passau nach Regensburg, gesehen werden müssen, die, wie Sie wissen, auf Grund der besonderen geologischen Verhältnisse außerordentlich teuer wird. Die Bundesregierung hat ja diese Objekte, von denen Sie hier sprachen, durch ein besonderes Konjunkturprogramm vorgezogen. Präsident von Hassel: Keine Zusatzfrage. Ich rufe die Frage 18 des Abgeordneten Dr. Kempfler auf. Ist der Abgeordnete im Saal? - Das ist nicht der Fall. Die Frage wird schriftlich beantwortet. Ich rufe die Frage 19 des Abgeordneten Dröscher auf. Ist ,der Abgeordnete im Saal? - Das ist nicht der Fall. Die Frage wird schriftlich beantwortet, ebenfalls die Frage 20. Ich rufe die Frage 21 des Abgeordneten Dr. Gleissner auf. Ist Dr. Gleissner im Saal? - Das ist Präsident von Hassel nicht der Fall. Die Frage wird schriftlich beantwortet, ebenfalls die Fragen 22 und 23. Ich rufe die Frage 24 des Abgeordneten Josten auf. - Der Abgeordnete ist nicht im Saal. Die Frage wird schriftlich beantwortet, ebenfalls die Frage 25. Ich rufe .die Frage 26 des Abgeordneten Dr. Enders auf: Ist es mit der Regionalen Strukturpolitik der Bundesregierung zu vereinbaren, wenn die Hauptverwaltung der Deutschen Bundesbahn die beabsichtigte Schließung der Stückgutumladehalle in Bebra ({0}) durchführt? Zur Beantwortung, Herr Staatssekretär! Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr: Herr Kollege, Ihre Frage kann erst beantwortet werden, wenn der Bundesregierung ein Antrag der Bundesbahn vorliegt. Selbstverständlich werden bei einer Entscheidung über einen solchen Antrag die strukturellen Gesichtspunkte zu beachten sein. Präsident von Hassel: Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Enders.

Dr. Wendelin Enders (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000469, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, werden in diesem Zusammenhang auch die Schwierigkeiten beachtet, die dadurch entstehen, daß für die frei werdenden Arbeitskräfte keine geeigneten industriellen Arbeitsplätze vorhanden sind? Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr: Herr Kollege, diese Frage berührt schon die Antworten auf Ihre beiden nächsten Fragen. Herr Präsident, gestatten Sie, daß ich die Fragen 27 und 28 mit beantworte? Präsident von Hassel: Bitte sehr! Ich rufe dann auch die Fragen 27 und 28 des Abgeordneten Dr. Enders auf: Ist der Bundesregierung das kürzlich erstellte Gutachten der Hauptverwaltung der Deutschen Bundesbahn bekannt, in dem im Widerspruch zu den tatsächlichen Verhältnissen für die Stückgutumladehalle Bebra eine mangelnde Wirtschaftlichkeit angeführt wird? Ist es zu verantworten, daß durch Versetzungen infolge der beabsichtigten Schließung der Stückgutumladehalle Bebra beträchtliche soziale Härten auftreten, insbesondere für Bedienstete, die aus Vertreibungsgebieten und dem anderen Teil Deutschlands stammen? Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr: Zu Ihrer Frage 27, Herr Kollege: Ein solches Gutachten liegt dem Bundesminister für Verkehr zur Zeit noch nicht vor. Falls ein Schließungsantrag vorgelegt wird - das bezieht Ihre Frage 28 ein -, ist zu erwarten, daß er auch zu den sozialen Folgen einer solchen Maßnahme befriedigend Stellung nimmt. Präsident von Hassel: Zu einer weiteren Zusatzfrage Herr Abgeordneter Dr. Enders.

Dr. Wendelin Enders (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000469, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, ist Ihnen auch bekannt, daß gerade in der Umladehalle Bebra Arbeitskräfte beschäftigt sind, die ihren Arbeitsplatz im anderen Teil Deutschlands bzw. in den Vertreibungsgebieten schon einmal verlassen mußten und nun wieder vor die Tatsache gestellt würden, einen anderen Arbeitsplatz zu suchen? Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr: Die Struktur der Belegschaft dieser Umladehalle ist mir bekannt. Ich möchte in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, daß die Bundesbahn bei Rationalisierungsmaßnahmen grundsätzlich gehalten ist, alle sozialen Aspekte mit einzubeziehen. Ich bin sicher, daß die von Ihnen genannten Probleme entsprechend gewürdigt werden. Ich muß aber noch darauf hinweisen, daß zur Zeit nur eine Untersuchung stattfindet, die keinesfalls die Schlüsse zuläßt, die Sie schon gezogen haben. Der Bundesminister für Verkehr ist an diesem Verfahren bisher nicht beteiligt. Er wird für den Fall, daß die Bundesbahn mit einer solchen Frage an ihn herantritt, entsprechend den Konsequenzen des Verkehrspolitischen Programms handeln. Präsident von Hassel: Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Enders.

Dr. Wendelin Enders (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000469, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, es wäre vorteilhaft, wenn innerhalb dieser Untersuchung ein Sachbearbeiter Ihres Hauses die Verhältnisse an Ort und Stelle überprüfen würde, um sich gegenüber den schriftlichen Unterlagen der Verwaltung einen eigenen, persönlichen Eindruck zu verschaffen. Sind Sie bereit, diesem Ansinnen nachzukommen? Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr: Herr Kollege, die jetzigen Untersuchungen werden bundesbahnintern geführt, und für einen solchen Vorschlag, wie Sie ihn gemacht haben, gibt es gesetzlich keinen Raum Ich verstehe aber Ihre Sorge so, daß Sie wünschen, daß nach einer Untersuchung der Bundesbahn und einem von Ihnen befürchteten negativen Ergebnis durch den Bundesminister für Verkehr entsprechende örtliche Prüfungen eingeleitet werden. Ich kann Ihnen zusagen, daß das geschehen wird. Ich habe schon vor einiger Zeit Bebra besucht und mich mit Betriebsangehörigen dieser Halle unterhalten. Präsident von Hassel: Keine weiteren Zusatzfragen. Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär. Ich rufe die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Familie und Jugend auf, zunächst die Frage 36 des Abgeordneten Dr. Wuermeling. Er ist nicht im Saal; die Frage wird schriftlich beantwortet, ebenso seine Fragen 37 und 38. Ich rufe die Frage 39 des Abgeordneten Zebisch auf: Sieht die Bundesregierung eine Möglichkeit, ähnlich wie in Schweden, neben der Förderung des Baus von normalen Studentenwohnheimen auch den Bau von Wohnheimen für Studentenehepaare zu fördern? Ist der Abgeordnete im Saal? - Zur Beantwortung hat der Herr Staatssekretär im Bundesministerium für Familie und Jugend das Wort.

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Abgeordneter, die Bundesregierung ist sich darüber im klaren, daß beim Bau von Studentenwohnheimen künftig in verstärktem Umfang die Unterbringung von verheirateten Studenten vorgesehen werden muß. Es gibt dafür bereits baureife Projekte, eines davon in Würzburg. Andere Projekte werden zur Zeit in Marburg und in Dortmund entwickelt, Die Bundesregierung hofft, daß mit diesen Projekten alsbald ein erster, wenn auch nur modellhafter Schritt getan werden kann, um dieses schwierige und in wachsendem Umfang wichtige Problem lösen zu helfen. Präsident von Hassel: Eine Zusatzfrage, Herr Zebisch.

Franz Josef Zebisch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002584, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, können Sie mir sagen, wie viele Studentenehepaare es in der Bundesrepublik Deutschland gibt?

Not found (Staatssekretär:in)

Die genaue Zahl läßt sich schwerlich ermitteln, Herr Abgeordneter. Aber wir gehen davon aus, daß es an den wissenschaftlichen und an den sonstigen Hochschulen zur Zeit etwa 30 000 verheiratete Studenten gibt. Präsident von Hassel: Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Zebisch.

Franz Josef Zebisch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002584, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, sieht die Bundesregierung die Möglichkeit, beim Bau dieser Wohnheime für Studentenehepaare bzw. anderer Studentenwohnheime auch Kindertagesstätten anzuschließen?

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Abgeordneter, in den Modellen, die bisher entwickelt worden sind, ist selbstverständlich auch vorgesehen, Betreuungseinrichtungen für Kinder verheirateter Studenten zu schaffen. ({0}) Präsident von Hassel: Sie haben schon zwei Zusatzfragen gehabt, Herr Abgeordneter Zebisch. Es tut mir leid. Ich rufe die Frage 40 des Abgeordneten Kahn-Ackermann auf. - Der Abgeordnete ist nicht im Saal; die Frage wird schriftlich beantwortet. Danke, Herr Staatssekretär. Meine Damen und Herren, der außerordentlich schnelle Ablauf der Fragestunde bisher hat dazu geführt, daß die weiteren Minister noch nicht zur Stelle sind. Sie sind zwar auf dem Weg, aber ich schlage vor, daß wir die Sitzung unterbrechen und um 10 Uhr mit Punkt 2 ,der Tagesordnung fortfahren. - Ich unterbreche die Sitzung bis 10 Uhr. ({1}) Meine Damen und Herren, die unterbrochene Sitzung wird fortgesetzt. Ich rufe Punkt 2 der Tagesordnung auf: Beratung der Sammelübersicht 41 des Petitionsausschusses ({2}) über Anträge von Ausschüssen des Deutschen Bundestages zu Petitionen - Drucksache V/3871 - Wer dem Ausschußantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig so beschlossen. Ich rufe auf Punkt 3 der Tagesordnung: a) Beratung des Berichts der Bundesregierung über die Lage der Landwirtschaft gemäß § 4 des Landwirtschaftsgesetzes und Maßnahmen der Bundesregierung gemäß Landwirtschaftsgesetz und EWG-Anpassungsgesetz - Drucksache V/3810 - b) Große Anfrage der Fraktion der FDP betr. Memorandum der EWG-Kommission zur Reform der Landwirtschaft in der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft - Drucksachen V/3756, V/3872 - c) Zweite und dritte Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Anpassung der landwirtschaftlichen Erzeugung an die Erfordernisse des Marktes ({3}) - Drucksache V/1544 - a) Bericht des Haushaltsausschusses ({4}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung - Drucksache V/3869 - Berichterstatter: Abgeordneter Röhner b) Schriftlicher Bericht ides Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ({5}) - Drucksache V/3772 Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Siemer ({6}) Auf Grund der Vereinbarung des Ältestenrates schlage ich eine verbundene Aussprache vor. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat Herr Abgeordneter Struve.

Detlef Struve (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002279, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die diesjährige „Grüne Debatte" fällt in eine Zeit, die von großer Ungewißheit für die deutsche Landwirtschaft geprägt ist. Mit dem Ablauf des Jahres 1969 endet die EWG-Übergangszeit. Zugleich läuft in der Bundesrepublik das EWG-Anpassungsgesetz aus. Die Bundesregierung hat erstmals mit der Vorlage des Grünen Berichts den Grünen Plan nach § 5 des Landeswirtschaftsgesetzes nicht mehr vorgelegt. Die landwirtschaftliche Praxis fragt sich mit Recht, ob das Landwirtschaftsgesetz noch volle Gültigkeit hat. Schließlich hat auch die Tatsache, daß durch den Mansholt-Plan das Agrarprogramm der Bundesregierung zumindest teilweise in Frage gestellt ist, nicht gerade zu einer wachsenden Zuversicht in der deutschen Landwirtschaft beigetragen. Ich begrüße es daher außerordentlich, daß heute die Gelegenheit gegeben ist, im Hohen Hause die Probleme eingehend zu beraten, die ohne Zweifel nicht nur die deutsche Landwirtschaft angehen. Ich gebe zugleich der Hoffnung Ausdruck, daß die heutige Debatte wieder zu jenem politischen Elan zurückfindet, der ihr nach Meinung unseres Bundesministers Höcherl in den letzten Jahren gelegentlich gefehlt hat. Seine Auffassung, daß es für unsere demokratische Verfassung sehr gefährlich wäre, wenn sich diese Diskussion mehr und mehr nach außen verlagerte, kann ich nur voll und ganz unterstreichen. Bundesminister Höcherl hat in seiner Rede zur Einbringung des Grünen Berichts 1969 von dieser Stelle aus in sehr klaren und unmißverständlichen Worten die gegenwärtige agrarpolitische Lage klar umrissen. Er hat es dabei nicht versäumt, insbesondere den Standpunkt der Bundesregierung zum EWG-Memorandum, das uns zur Zeit am stärksten bewegt, darzulegen. Wir von der CDU/CSU-Fraktion des Deutschen Bundestages, Herr Minister, haben Ihre Ausführungen mit großer Befriedigung zur Kenntnis genommen, und ich glaube hinzufügen zu dürfen, daß Ihre Erklärungen auch in unserer Landwirtschaft schlechthin auf große Zustimmung gestoßen sind. Dort erwartet man verständlicherweise eine schnelle und eindeutige Klarstellung des Standpunktes, den die Bundesregierung insbesondere zum Mansholt-Plan einnimmt; denn die Praxis muß die Haltung ihrer Regierung kennen, um ihrer Arbeit in den Betrieben zielstrebig nachgehen zu können. Nun liegen uns die Ergebnisse des Grünen Berichts 1969 vor. Diese Bilanz des Wirtschaftsjahres 1967/68 ist gewiß keineswegs zufriedenstellend. Die Schlußfolgerung bei einer Auswertung seiner Ergebnisse kann nur lauten, daß in den nächsten Jahren noch sehr viel unternommen werden muß, um das Ziel einer gerechten Eingliederung der Landwirtschaft in die Gesamtwirtschaft zu erreichen. Andererseits bestärkt mich gerade dieser letzte Grüne Bericht in der Auffassung, daß der eingeschlagene agrarpolitische Weg im Grundsatz richtig ist. Der Anpassungsprozeß der Landwirtschaft ist in vollem Gange. Er findet seinen Niederschlag einerseits in einer klaren Entwicklung hin zum leistungsfähigen Vollerwerbsbetrieb, in dem die Arbeit in immer stärkerem Maße von familieneigenen Kräften bewältigt wird. Nur noch 9% der Betriebe in der Bundesrepublik beschäftigen heute Fremdarbeitskräfte. Andererseits gibt es eine große Zahl von Betrieben, die auf einen Nebenverdienst angewiesen sind, um zu einem ausreichenden Einkommen zu gelangen. Von dieser Möglichkeit der Übernahme einer außerbetrieblichen Tätigkeit wird in den Zu- und Nebenerwerbsbetrieben in wachsendem Maße Gebrauch gemacht. Darüber hinaus wächst aber auch die Bereitschaft zur überbetrieblichen Zusammenarbeit in ihren vielfältigen Formen. Daß jedoch noch mehr geschehen muß und auch noch mehr geschehen kann, um diesen Strukturwandel vor allen Dingen in den agrarischen Problemgebieten von sozialen und ökonomischen Spannungen freizuhalten, diesen Prozeß also organisch zu vollziehen, ich glaube, meine Damen und Herren, das wissen wir alle. Die im Bundestag zu behandelnden Gesetze zur Verbesserung der Marktstruktur - das eine ist heute zur Behandlung aufgerufen, das andere, so glaube ich sagen zu können, das Strukturfondsgesetz, wird sicherlich noch in dieser Woche im Ernährungsausschuß behandelt und kann dann auch im Parlament diskutiert und entschieden werden - werden sicherlich auch positive Auswirkungen auf die Verbesserung unserer Marktstruktur haben. Ich bin Ihnen, Herr Bundesminister Höcherl, ganz besonders dankbar, daß Sie in Ihrer Rede am 14. Februar in so überzeugender Weise einer breiten Öffentlichkeit deutlich gemacht haben, daß der Anpassungsprozeß in der Landwirtschaft organisch vor sich gehen muß und daß er viel Geduld, Behutsamkeit sowie Verständnis für die Betroffenen verlangt. In diesem Sinne werden auch Bundesregierung und Bundestag weiterhin ihre Aktivität entwickeln müssen. Dieses Verständnis und diese Einstellung aber sind es, die wir in den Brüsseler Vorschlägen leider vermissen. Sie laufen hinaus auf eine wesentliche Beschleunigung des Strukturwandels, noch unterstützt durch sehr massive Eingriffe. Die EWG-Kommission begibt sich dabei sehr einseitig auf den Weg der Strukturpolitik, die durch eine Strategie der Preissenkungen noch forciert werden soll. Die deutsche Landwirtschaft hat durch ihre Berufsvertretung ihren Standpunkt zu diesen Vorschlägen bereits sehr klar formuliert. Die Auffassungen der CDU/CSU-Fraktion decken sich mit ihnen voll und ganz. Es sind, auf einen kurzen Nenner gebracht, im wesentlichen drei Gesichtspunkte, die uns zur Ablehnung des EWG-Memorandums veranlassen. Erstens halten wir dieses Programm gesellschaftspolitisch nicht für tragbar. Die Schaffung und Erhaltung eines breit gestreuten Eigentums gehören mit zu den wesentlichen Zielen der Wirtschafts- und der Gesellschaftspolitik der CDU/CSU. ({0}) Nach den Vorschlägen des EWG-Vizepräsidenten Mansholt müssen dagegen Hunderttausende von Bauern ihre auf dem Privateigentum beruhende Selbständigkeit und Eigenverantwortung aufgeben. Das aber, meine Damen und Herren, ist das Ende des bäuerlichen Betriebes. ({1}) An die Stelle des privaten treten das Kollektiveigentum und die Kollektivverantwortung. Die Verwirklichung solcher Pläne würde schwerwiegende Konsequenzen für unser Wirtschaftsgefüge nach sich ziehen, die weit über die Landwirtschaft hinaus greifen. Einer solchen Entwicklung werden wir niemals zustimmen. ({2}) Zweitens können wir die Mansholt-Alternative des Großbetriebes als der einzig mögliche Bewirtschaftungsform der Zukunft nicht akzeptieren. Sie ist, wie die Wirtschaftsergebnisse aus der Praxis und erfreulicherweise auch eine wachsende Zahl von Wissenschaftlern bestätigen, nicht begründet. Die Vergrößerung der Betriebseinheiten im Sinne Mansholts ist nach dem EWG-Memorandum die Voraussetzung für die Gewährung sozialer Hilfen nach 1975. Solche Pläne sind mit unserer freiheitlichen Wirtschaftsstruktur sowie mit dem Prinzip der Freiwilligkeit des Strukturwandels nicht vereinbar. Gestatten Sie mir, daß ich zur Erhärtung dieser unserer Auffassung einen über Deutschlands Grenzen hinaus namhaften Agrarwissenschaftler, Herrn Professor Dr. Blohm, zitiere. Herr Präsident, ich darf zitieren: Ein stichhaltiger Grund für die Annahme, daß der Betrieb mit Familienarbeitsverfassung nicht auch in der Zukunft die tragende Betriebsform der Landwirtschaft sein könnte, ist uns nicht ersichtlich. ({3}) Nur diese Betriebsform bietet die Gewähr, daß der Bauer auch den Lohnanspruch verdient und dadurch zu einem ausreichenden Einkommen gelangt. Professor Blohm hält es deshalb, wie er sagt, für alles andere als erstrebenswert, daß die selbständigen, genügend großen Betriebe mit Familienarbeitsverfassung durch die „sozialistischen Produktionsgenossenschaften" oder durch „private Großbetriebe mit Lohnarbeitsverfassung" ersetzt werden. Im übrigen ist, was auch andere Wissenschaftler nachweisen und was die Buchführungsergebnisse überzeugend bestätigen, zwischen der Betriebsgröße und dem Einkommen der Landwirte keinerlei Zusammenhang zu erkennen. Auch bei namhaften Wirtschaftsjournalisten führender Zeitungen finden diese Feststellungen jetzt die gebührende Berücksichtigung. Darüber hinaus sind wir aber drittens der Auffassung, daß die von der EWG-Kommission beabsichtigte Umstrukturierung zu Großbetrieben keinen ernst zu nehmenden Beitrag zur Beseitigung der Überschußprobleme und zur Herstellung eines -Gleichgewichts auf den Agrarmärkten bedeutet. ({4}) Die Lösung dieser Probleme wird vielmehr noch erschwert. Zur Bewältigung von Überschußsituationen, die wir übrigens gegenwärtig nur auf dem Milchsektor sehen, verfolgt die Kommission eine Politik der eingefrorenen, teilweise sogar sinkenden Preise. Der Erfolg einer solchen Politik zur Produktionsbeschränkung wird ebenfalls von bekannten Wissenschaftlern bestritten. Im einzelnen werden noch weitere Kollegen meiner Fraktion zu diesem Fragenkomplex Stellung nehmen. Die Durchführung der EWG-Marktordnung erfordert zweifellos erhebliche finanzielle Mittel, und die Diskussion über dieses Problem reißt auch in der deutschen Öffentlichkeit nicht ab. Wir vertreten aber mit aller Entschiedenheit den Standpunkt, daß die daraus resultierenden Opfer der Kaufpreis für die Integrationserfolge der Gesamtwirtschaft in der Bundesrepublik sind. Unter diesen Gesichtspunkten haben diese Opfer auch die Zustimmung der Bundesregierung gefunden. Das hat dankenswerterweise auch Minister Höcherl in seiner Einbringungsrede sehr stark hervorgehoben. Ganz unverantwortlich ist es aber, diese Aufwendungen noch als Subventionen für die Landwirtschaft zu erklären. Auch ich möchte es noch einmal unterstreichen: die Bundesregierung kann nicht aus ihrer Verantwortung für einen gesicherten finanziellen Bewegungsspielraum zur Eingliederung der Landwirtschaft in die Gesamtwirtschaft entlassen werden. ({5}) Und ich meine, hinzufügen zu sollen: mit der Verabschiedung des Agrarprogramms hat sich die Bundesregierung selbst zu dieser Verantwortung bekannt. Dieses Agrarprogramm der Bundesregierung aber, das wir in seinen Grundzügen durchaus bejahen, wird seiner Zielsetzung nur dann gerecht, wenn die dafür notwendigen finanziellen Voraussetzungen geschaffen werden. ({6}) Es ist deshalb ein Unding, unter dem Druck der steigenden Ausgaben für die EWG-Marktordnung die Mittel für die nationale Agrarpolitik zu beschränken. Diese Mittel werden dringend für die schnelle strukturelle Anpassung der deutschen Landwirtschaft benötigt. Die dazu von Bundesminister Höcherl gemachten Ausführungen möchte ich auch im Namen unserer Fraktion mit Nachdruck unterstreichen. Ich meine, die deutsche Landwirtschaft verlangt hier nicht zuviel. Ich erinnere in diesem Zusammenhang daran, welche beträchtlichen öffentlichen Aufwendungen im Vergleich zur Landwirtschaft für die Sanierung des Kohlebergbaues in der EWG gemacht werden. Pro Beschäftigten betrugen diese Hilfen 1967/68 fast das Fünffache, nämlich 10 500 DM bei der Kohle gegenüber 2370 DM in der Landwirtschaft. Die im Entwurf für den Haushalt 1969 zutage tretenden Kürzungen bei den Strukturmaßnahmen, die eindeutig auf die wachsenden EWG-Verpflichtungen zurückzuführen sind, halte ich für eine gefährliche Verkennung der anstehenden Aufgaben und Notwendigkeiten. Einem solchen Vorgehen muß deshalb auch ganz entschieden widersprechen. Die künftigen Anforderungen, die an die Investitionsfähigkeit der landwirtschaftlichen Betriebe gestellt werden, sind ohnehin sehr beträchtlich. Bei der Lesung des Haushalts muß deshalb die Finanzierung der Strukturmaßnahmen unter diesen Gesichtspunk11750 ten noch sehr sargfältig diskutiert und geprüft werden. Die Pläne der Bundesregierung zur Verbesserung der Infrastruktur und zur Förderung der regionalen Wirtschaftspolitik sind ohne Zweifel ungemein wichtig. Voraussetzung für ihren nachhaltigen Erfolg ist aber eine entsprechende Koordinierung der Maßnahmen zwischen den ,einzelnen Ressorts und, wie ich schon ausführte, damit in Verbindung ihre Finanzierung. ({7}) Wir erwarten, daß die mittelfristige Finanzplanung der Bundesregierung unter diesen Gesichtspunkten noch einschneidenden Korrekturen unterzogen wird. Wir erwarten darüber hinaus, daß auch die Finanzreformpläne diesen unaufschiebbaren Notwendigkeiten Rechnung tragen. Mit großem Interesse, aber auch mit Sorge haben wir gerade in diesen Tagen die Verhandlungen verfolgt, die im Vermittlungsausschuß geführt wurden. Wenn die Dinge uns hier im Parlament auch noch nicht wieder beschäftigt haben, so entnehmen wir doch heute morgen der Presse, daß hier scheinbar ein Kompromißangebot im Bundestag diskutiert wird, das unsere Sorgen bestärkt. Der größte Umfang dieser strukturellen Schwierigkeiten liegt in den finanzschwachen Ländern. Wenn als Überschrift über die Große Finanzreform eine bessere und gerechtere Verteilung der Steuern obenan stand, dann meine ich, meine sehr verehrten Damen und Herren, hier ist mit der Ansatzpunkt, um einem Agrarprogramm der Bundesregierung Form und Inhalt zu geben. Ich möchte es nicht gerne erleben - und ich sage das vorsorglich an die Adresse unseres Finanzministers -, daß wir Grundgesetzänderungen vornehmen, daß hier Gemeinschaftsaufgaben verankert werden und die Finanzierung grundgesetzlich abgesichert wird und daß nachher aus den finanzschwachen Ländern eine Fehlanzeige kommt, wenn es heißt: Auch in Zukunft muß die Agrarstruktur im weitesten Sinne in Verbindung mit Infrastrukturverbesserungen finanziert werden. Ich möchte nicht erleben, daß der Herr Finanzminister, der für diese Probleme und für finanzschwache Länder in der zurückliegenden Zeit in der Tat noch immer ansprechbar war, sich dann auf eine rechtliche Position zurückziehen und sagen kann: Jetzt darf und kann ich nicht mehr helfen. Es kommt also darauf an - und insoweit darf ich mich nicht zuletzt auf die Bemühungen des Bundeswirtschaftsministers beziehen -, unverzüglich Maßnahmen einzuleiten, die einmal zu einer Steigerung der Wirtschaftskraft in den ländlichen Räumen führen, die aber daneben auch sicherstellen, daß die klassische Strukturpolitik, die wir hier im ganzen Hause immer unumstritten gefördert haben, fortgesetzt werden kann. In diesem Zusammenhang - so meine ich - müssen wir vielleicht daran erinnern, daß das Hohe Haus auch in anderen Situationen schon besondere gesetzliche Vorhaben in Verbindung mit steuerlichen Maßnahmen eingeleitet hat, um helfend und fördernd einzugreifen. Wir von der CDU/CSU bekennen uns also - um das abschließend noch einmal zu betonen - zu den Grundsätzen des Agrarprogramms der Bundesregierung und damit zu dem Prinzip eines Strukturwandels. Wir sind allerdings der Auffassung, daß noch ernsthafte und zusätzliche Anstrengungen unternommen werden müssen, um dieses Programm tatsächlich zügig voranzubringen. Es stellt nach unserer Auffassung eine echte Alternative zum EWG-Memorandum dar. Neben leistungsfähigen Vollerwerbsbetrieben werden dann auch Zu- und Nebenerwerbsbetriebe so lange bestehen, wie die Betroffenen selbst es für richtig halten. ({8}) Dazu gehören selbstverständlich auch entsprechende Bemühungen im Bereich der Sozialpolitik. Für das Altersgeld werden wir von seiten der CDU/CSU-Fraktion noch eine besondere Gesetzesinitiative einbringen und auf Grund unserer gestrigen Beschlüsse noch heute mit der Koalitionspartei Verbindung aufnehmen, weil wir die Sorge haben, daß die nunmehr von der Bundesregierung eingebrachte Initiative uns zeitlich in Schwierigkeiten bringen und unter Umständen eine Verabschiedung in dieser Legislaturperiode gefährdet sein könnte. Im übrigen werden im Verlauf der Debatte noch weitere Kollegen auf diesen Gesamtfragenkomplex eingehen. Aber ich möchte hinzufügen, meine Damen und Herren: alle diese Überlegungen stehen verständlicherweise auf schwachen Füßen, wenn nicht für eine Verbesserung der Bildungsmöglichkeiten auf dem Lande schlechthin ebenfalls noch mehr getan wird. Wir müssen dafür sorgen, daß dem Landkind dieselben Ausbildungsmöglichkeiten angeboten werden können, wie das für städtische Kinder Selbstverständlichkeit ist. ({9}) Schließlich aber und vor allem bedarf es einer realistischen Einstellung zu den Möglichkeiten einer durchgreifenden und kurzfristigen Verbesserung der Einkommenssituation in unserer Landwirtschaft, und zwar durch eine aktive Preis- und Marktpolitik. ({10}) Die Aussagen des Agrarprogramms der Bundesregierung zur Preispolitik können uns nicht voll befriedigen. Das möchte ich mit aller Klarheit hier aussprechen. Eine nachhaltige Verbesserung der Landwirtschaft setzt, wenn der Strukturwandel ohne schwere soziale Krisen bewältigt werden soll, eine Preispolitik voraus, die wie alle anderen Wirtschaftsbereiche auch die Landwirtschaft in die Lage versetzt, ihre Preise nach den Kosten zu orientieren. Nur dann kann die Landwirtschaft dem mit wachsenden Investitionen und einem hohen Kapitalaufwand verbundenen technischen Fortschritt folgen. Nur dann kann es ihr gelingen, die Anforderungen zu erfüllen, die die Volkswirtschaft in einer modernen Industriegesellschaft an sie stellt. ({11}) Präsident von Hassel: Ich erteile das Wort Herrn Abgeordneten Schmidt ({12}).

Dr. R. Martin Schmidt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002014, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bundesminister Höcherl hat in seiner Rede zur Einbringung des Grünen Berichts 1969 vor zwölf Tagen an unseren politischen Elan appelliert und gefordert, diese Debatte als eine politische Auseinandersetzung zu führen. Dem sollte und muß man zustimmen. Deswegen möchte ich auch alle übrigen Redner daran erinnern. Ich habe selber jahrelang versucht, der Debatte eine politische Note zu geben. Das war bisher fast immer ergebnislos. Hoffentlich ist es heute anders. An den Anfang gehört nach meiner Überzeugung eine politische Würdigung der Einbringungsrede des Ernährungsministers. Es war ohne Zweifel, Herr Bundesminister, eine politische Rede, die sich auch von Ihren früheren deutlich abhebt. Ich will mit allem Nachdruck hier hervorheben, daß meine Freunde und ich diese Rede als ein neues Leitbild für eine moderne Agrarpolitik ansehen, für eine rationale Agrarpolitik, für eine realistische Politik, vor allem für eine Politik wie wir sie seit Jahren in diesem Hause gefordert haben. Dafür finden Sie, Herr Bundesminister, unsere volle Unterstützung. ({0}) Mit diesen Gedanken, die Sie vorgetragen haben, Herr Bundesminister, kann eine Große Koalition auch in der Agrarpolitik begründet werden. Es ist freilich schon sehr spät, aber es ist doch nie zu spät. Sie wissen, daß wir Sie in den zwei Jahren der Großen Koalition immer wieder gedrängt haben, eine rationale Politik zu begründen. Sie haben sich jetzt zu diesem Schritt entschlossen, und Sie können sicher sein, daß wir Sie gegen alle Widersacher hier im Hause und draußen unterstützen und verteidigen werden. ({1}) Herr Bundesminister, wenn Sie einen Durchbruch in Ihrer eigenen Fraktion erzielt haben sollten, wäre das Ihr Verdienst. Ich kann nur hoffen, daß Sie nicht die Rolle des Einäugigen unter den Blinden spielen werden. Meine Damen und Herren, ich bin mir fast sicher, daß heute von mehreren Seiten versucht werden wird, die Debatte sehr einseitig zu einer Diskussion über das EWG-Memorandum zur Reform der Landwirtschaft abzustempeln, schon deshalb, um den Mangel an eigenen konstruktiven Beiträgen mit lautem Geschrei zu überdecken. Außerdem liegt das Wahljahr vor uns, und für viele einfallslose und altmodische Agrarpolitiker liegt es doch nahe, diese Debatte unter dem Gesichtspunkt der Wahl zu führen. Sie brauchen einen Popanz für das eigene Versagen. Wir haben das hier im Hause ja schon anläßlich der Aktuellen Stunde am 12. Dezember und auch jüngst in Berlin erlebt. Einer Entwicklung in dieser Richtung werden wir nicht folgen. An diesem Spiel werden wir uns nicht beteiligen. Ich will Ihnen auch sagen, warum wir dieses EWG-Memorandum nicht in den Mittelpunkt der Debatte gestellt sehen wollen. Wir wissen, wie die Lage in der EWG ist. Die Diskussionen der letzten Tage, auch jene zwischen London und Paris, haben das deutlich gezeigt. Sicher sind neue Impulse für die EWG notwendig. Ich meine, daß die Kommission aber auch weiß, daß, solange die gaullistische Sperrklinke besteht, jeder Impuls dieser Art doch sehr fraglich sein muß. Ich meine, die EWG-Kommission macht mit diesem Memorandum den verzweifelten Versuch, der EWG neue Impulse zu geben. Die Frage, die wir stellen müssen, ist jedoch: Hat sie den Hebel dabei an der richtigen Stelle angesetzt? Ich meine, es ist eine politische Fehlspekulation seitens der Kommission, anzunehmen, mit einer gemeinsamen Agrarstrukturpolitik der EWG weiterhelfen zu können, und zu glauben, daß ein bestimm, tes Land auf Grund der vorgeschlagenen Finanzregelungen den Widerstand gegen eine Erweiterung der EWG aufgeben würde. Ich sage das deshalb, weil ein Mitglied der Kommission dies so erklärt hat; ich halte das für eine glatte Fehlspekulation. Auch von der Sache her muß man doch einige große Fragezeichen setzen. Ich will nicht bezweifeln, Herr Kollege Struve, daß das Memorandum eine ausgezeichnete Darstellung der Sachlage gibt. Es enthält auch einige ganz hervorragende Vorschläge für Maßnahmen, die wir selber in unserem eigenen Regierungsprogramm finden. In einigen entscheidenden Teilen aber ist das ganze Papier unbrauchbar. Ich denke z. B. nur an den Perfektionismus; es wird dort schon mit bestimmten Begriffen operiert, und sogar Abkürzungen wie PE und MLU werden genannt. Ich meine - hier stimme ich mit Ihnen, Herr Struve, überein -, es ist ein glatter Aberglaube - das muß man auch noch einmal in Richtung Brüssel sagen -, anzunehmen, daß die neu zu schaffenden Betriebe sich marktgerechter verhalten werden als die jetzigen. ({2}) Ein weiterer Mangel dieses Memorandums scheint mir zu sein, daß z. B. das Problem der sozialen Sicherung in der Gesamtheit überhaupt nicht angesprochen wird. Das ist doch ein entscheidender Mangel! Ich kann also nur davor warnen, weiter in dieser Weise zu operieren. Ohne Herstellung binnenmarktähnlicher Verhältnisse, d. h. ohne die Integration weiterer Bereiche des wirtschaftlichen Lebens, ist jede gemeinsame Agrarstrukturpolitik zum Tode verurteilt. Wir haben das doch inzwischen in Deutschland begriffen, daß wir mit den klassischen Mitteln der Agrarpolitik einfach nicht weiterkommen und die Probleme nicht gelöst werden. Ich frage mich, ob die EWG-Kommission der europäischen Sache, die wir doch alle vertreten, einen Dienst erwiesen hat. Sie hätte in der Tat wahrhaftig andere Aufgaben, die die ganze große Kraft des Apparates dort in Anspruch nehmen würden, um erst einmal den im Gemeinsamen Markt bestehenden Torso zu entwickeln. Ich stimme also in der Gesamtbeurteilung völlig mit der Bundesregierung überein. Es sieht nicht so aus, daß daraus konkrete Pläne, insbesondere für eine gemeinsame Finanzierung, werden. Meine Damen und Herren - und das ist an die Adresse der FDP gerichtet -, die Finanzierung ist das Kernstück des ganzen Memorandums, nicht die Einzelheiten. Im Grunde genommen ist es gar keine agrarpolitische Dr. Schmidt ({3}) Frage. Wer die realen Chancen dafür einzuschätzen weiß, hält jede Diskussion über Einzelheiten dieses Memorandums, wie sie in der Großen Anfrage doch zum Ausdruck kommen, für eine Übung im Schattenboxen und daher für überflüssig. Ich finde die Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage völlig ausreichend. ({4}) Ich meine sogar, mehr kann und mehr sollte die Bundesregierung dazu wirklich nicht sagen. Daß die agrarstrukturellen Maßnahmen trotz einer Harmonisierung in der Gemeinschaft in nationaler finanzieller Verantwortung zu verbleiben haben, ist eine Feststellung,. die wir in diesem Hause schon oft einstimmig getroffen haben. Ich bin erfreut darüber, daß die Bundesregierung daran festhält. Doch nun zurück zu den eigentlichen Aufgaben und zur Ausgangsbasis dieser Debatte, die wir ja nach dem Landwirtschaftsgesetz und nach guter Tradition zu führen haben, um die Lage der Landwirtschaft zu analysieren und die agrarpolitischen Maßnahmen zu diskutieren. Dazu gehört am Anfang eine Beurteilung des Grünen Berichts 1969. Dabei ist - ich will es ganz kurz machen - hervorzuheben, daß dieser Bericht trotz aller Kritik, die wir immer wieder im einzelnen geübt haben, eine hervorragende wissenschaftliche Arbeit ist. Die lange Erfahrung hat eine laufende Verbesserung ermöglicht. Die Analyse, die Aufarbeitung des statistischen Materials und die Projektionen finden die Anerkennung der Fachwelt. Der Grüne Bericht ist in diesem Jahr gestrafft worden. Das ist für die Lesbarkeit, für die Handhabung, eine ganz wesentliche Verbesserung. Das neue Gesicht, das muß ich sagen, hebt sich vorteilhaft von dem früheren ab. Ich will hier auch den politischen Mut des Bundesministers anerkennen, im Wahljahr 1969 die alte Disparitätsrechnung, für manche ein Dogma der Agrarpolitik, ad acta zu legen. ({5}) Jahrein, jahraus habe ich hier an dieser Stelle auf die Fragwürdigkeit dieser Disparitätsrechnung hingewiesen. Sie war im Grunde genommen eher ein Schaden denn ein Nutzen. ({6}) Es ist ebenso gut, auch den gequälten Versuch des vergangenen Jahres, den Gewinnvergleich mit nichtvergleichbaren Wirtschaftszweigen, über Bord geworfen zu haben. Das ist ein guter Schritt vorwärts, und das muß man anerkennen. Meine Damen und Herren, in der Fachpresse und der Tagespresse ist intensiv über die Einzelheiten der Ergebnisse des Berichts geschrieben worden. Ich kann im Augenblick darauf verzichten, darauf einzugehen. Ich will mich vorrangig jetzt einigen Punkten der Rede, den aktuellen Problemen und den agrarpolitischen Maßnahmen zuwenden, und Sie werden, Herr Bundesminister, sicher schon erwarten, daß ich dabei einige kritische Anmerkungen mache. Ich kehre also zu einer allgemeinen, einer politischen Würdigung der Rede zurück. Ich muß verraten, ich habe in diesen Tagen noch einmal ganz eifrig die zurückliegenden Reden des Ministers gelesen, so die Reden von 1967 und 1968, die Reden zum Agrarprogramm und in der Aussprache am 18. Oktober sowie beim sogenannten Mansholt-Palaver in diesem Hause am 12. Dezember. ({7}) Ich kann nicht negieren, die Grundtendenz, Herr Bundesminister, ist positiv geworden. Ich habe allerdings auch einige Schleuderbewegungen - ich wiederhole: Schleuderbewegungen - festgestellt, ({8}) die um so größer sind, je mehr sie sich von Bonn nach Brüssel hin oder nach dem flachen Lande hin entfernen, insbesondere wenn sie sich Ihrer schönen bayerischen Heimat nähern. ({9}) Bei diesem Studium habe ich vor allem auch die Aussagen einiger Ihrer Fraktionskollegen nachgelesen. Dabei ist mir insbesondere aufgefallen, daß die Christlich-Demokratische Union in der Tat eine ganz, ganz weite Union ist, ({10}) daß sie in ihren Meinungsäußerungen einen ganz weiten Zirkel schlägt. ({11}) - Beruhigen Sie sich doch! Ich streue doch Blumen für Sie. - Das geschieht wohl in dem guten Glauben, damit auch einen weiten Wählerkreis, vor allem auf dem Lande, anzusprechen. In die Thematik Ihres bevorstehenden Agrarkongresses in Münster packen Sie ja mehr hinein als wir in einen ganzen Parteitag. ({12}) Nun, in Ihrer Sicht erscheint ,das vorteilhaft. Ich muß Ihnen als Koalitionspartner sagen, daß es nicht vorteilhaft ist für die politische Auseinandersetzung und auch nicht für die politische Zusammenarbeit. ({13}) Die Schlußfolgerungen, die der Minister und die Bundesregierung am Ende des Grünen Berichtes in den zehn Thesen ziehen, markieren noch einmal die Wende. Sie begann bei der Verkündung des Agrarprogramms. Das war damals doch die Absage an die konservative Agrarpolitik. Das müssen wir festhalten. Im Grunde genommen lag diese rationale Politik .auf der Hand. Sie mußte wie eine reife Frucht abfallen. Es ist sichtbar, daß das auch eine zwingende Notwendigkeit war. Ich möchte auf Grund meiner vielen Erfahrungen im Lande auf Kundgebungen und Versammlungen feststellen, daß die Mehrheit in der Landwirtschaft schon lange vorher mehr Einsicht in die Realitäten gezeigt hat, als manche Kollegen hier im Hause sie wahrhaben wollten. Der Landjugendtag in Berlin war dafür doch das beste Zeugnis. Dr. Schmidt ({14}) Die Disparität alten Stils ist aus dem Grünen Bericht heraus. Sie besteht freilich fort in den verschiedenen agrarpolitischen Aussagen und auch als Disparität zwischen Worten und Taten. Die Diskussion um die flankierenden Vorschläge des Ministers Schiller für eine Intensivierung und Koordinierung der regionalen Wirtschaftspolitik hat zum erstenmal eine volle Integration der Wirtschafts- und Agrarpolitik gebracht. Das sind auch 'die Worte des Ministers Höcherl. Ich bin heute sicher, daß nach den weit fortgeschrittenen Arbeiten an den regionalen Aktionsprogrammen im Wirtschaftsministerium, nach der Fertigstellung des ersten und vor allem nach ,der beachtlichen Aufstockung des regionalen Förderungsprogramms das Ziel erreicht werden wird, jährlich zusätzlich 20 000 neue Arbeitsplätze in ländlichen Problemgebieten zu schaffen. Der Ernährungsminister hat die ausgestreckte Hand des Wirtschaftsministers angenommen. Wir sollten dieser Zusammenarbeit nach allen Seiten hin den Rücken stärken. Unsere gegenwärtigen agrarstrukturellen Probleme hätten sicher nicht die Bedeutung, wenn schon vor zehn Jahren mit einer konzertierten Aktion zur Schaffung außerlandwirtschaftlicher Arbeitsplätze auf dem Lande begonnen worden wäre. Diese Zusammenarbeit der beiden Ressorts wird überall Beifall finden. Meine Damen und Herren, dazu gehört als notwendige Konsequenz auch noch, daß wir alle diese strukturpolitischen Vorstellungen draußen auf dem Lande mit allem Nachdruck vertreten. Das ist wichtig. Das Reden mit zweierlei Zungen muß aufhören, wenn wir den Menschen auf dem Lande die gebotenen Alternativen aufzeigen wollen. ({15}) Minister Schiller ist doch auch Einkommensminister. Die Einkommenspolitik nimmt bei allen seinen politischen Aussagen einen gewichtigen Platz ein. Dabei spielen dann die 9,5 % .der in der Landwirtschaft Erwerbstätigen eine wesentliche Rolle. Und es sind doch im Grunde genommen weit mehr, all die Wirtschaftszweige des Handwerks, der Dünge- und Futtermittelindustrie, der Landmaschinenindustrie, der Bauwirtschaft auf dem Lande, der Ernährungsindustrie und die vielen Zweige des Handels auf den verschiedensten Stufen. Alles zusammengenommen sind das sicher 20% unserer Erwerbstätigen und ein nahezu ebenso großer Anteil am Bruttosozialprodukt. In Konsequenz dieser Überlegungen hat ein Wissenschaftler ,den Vorschlag gemacht, diesen gesamten Bereich, den ich aufgezeigt habe, als „Nahrungsindustrie" zu bezeichnen und ihn dann auch seinem Gewicht entsprechend zu behandeln. Dieser Vorschlag findet meine volle Sympathie. Präsident von Hassel: Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Ehnes?

Georg Ehnes (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000442, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Dr. Schmidt, sind Sie mit mir der Auffassung, daß sich diese Neuansiedlung von Industrien nicht auf Orte beschränken darf, die mehr als 20 000 Einwohner haben?

Dr. R. Martin Schmidt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002014, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich muß Ihnen darauf erwidern, daß Sie ,den Sachverhalt nicht kennen. Da ist nicht von „Orten", sondern von „Einzugsbereichen" von 20 000 Einwohnern die Rede. ({0}) Präsident von Hassel: Gestatten Sie eine weitere Zusatzirage des Abgeordneten Ehnes?

Georg Ehnes (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000442, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Dr. Schmidt, würden Sie dafür sorgen, daß uns Ihr Minister Schiller hier baldmöglichst eine endgültige Aufklärung gibt? ({0})

Dr. R. Martin Schmidt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002014, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich kann Ihnen Hoffnung machen. Ich hoffe, daß der Minister heute Zeit findet, an dieser Debatte teilzunehmen. ({0}) Meine Damen und Herren, wir müssen - das möchte ich abschließend noch einmal sagen - doch die Verbundenheit dieser Wirtschaftszweige sehen. Das hat insbesondere das Jahr der wirtschaftlichen Rezession deutlich gemacht. Für die Schaffung außerlandwirtschaftlicher Arbeitsplätze in ländlichen Problemgebieten genügt nicht die Bereitstellung öffentlicher Mittel, genügen nicht eine leistungsfähige Infrastruktur und die Investitionsanreize für die Unternehmen; hinzukommen muß die psychologische Bereitschaft der Menschen, sich einen zusätzlichen oder neuen Erwerb zu suchen. Das Streben nach Einkommensmaximierung, von dem der Ernährungsminister sprach, muß sich überall durchsetzen. Das ist zwar keine philosophische, aber doch eine ökonomische Zielvorstellung. Hinzukommen muß aber genauso als gleichwertige Zielvorstellung eine Optimierung der Lebens- und Arbeitsbedingungen mit Freizeit, Erholung und dem rechten Verhältnis zum Arbeitsplatz sowie der gesamte soziale Komplex der Sicherheit bei Krankheit, Unfall, Alter und Tod. Auch hier ist eine erweiterte Betrachtungsweise erforderlich, die einen veränderten Einsatz der bisherigen Instrumente notwendig macht. Das fängt bei einer sozioökonomischen Beratung an und ist ganz sicher eine Aufgabe vor allem auch unserer Verwaltungen der Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung. Heute, in einer Zeit, in der Vollbeschäftigung und Wachstum mit die ersten wirtschaftspolitischen Ziele sind, kommt dieser Verwaltung vor allem die große Aufgabe verstärkter Umschulung zu. Ich weiß, meine Damen und Herren, welche Problematik hinter diesen Fragen der Umschulung steckt, vor allem, solange wir noch kein Arbeitsförderungsgesetz haben. Aber ist es nicht bezeichnend für den Zustand dieser Verwaltung, wenn man - als Beispiel - aus dem Bayerischen Wald hört, daß der Direktor eines Arbeitsamts auf viele Anfragen aus Kreisen der landwirtschaftlichen Dr. Schmidt ({1}) Bevölkerung nach Möglichkeiten der Umschulung zwar keine Antwort weiß, daß er sich aber gleichzeitig überaus intensiv um die Anwerbung von Gastarbeitern aus Jugoslawien bemüht hat? Das ist keine Äußerung gegen die verstärkte Beschäftigung von Gastarbeitern; ganz gewiß nicht. Aber es wird deutlich sichtbar, wie schwer das alles noch sein wird, wirklich auch die Bereitschaft und die Möglichkeiten zur Umschulung zu schaffen, um den gewerblichen Unternehmen, die ansiedlungswillig sind, auch tatsächlich das Angebot von Arbeitskräften zu garantieren, und darauf kommt es an. In diesem Zusammenhang sei wieder ein kurzer Hinweis auf das Memorandum der EWG-Kommission gestattet. Minister Höcherl hat in seiner Rede sehr eindrucksvoll den Unterschied zwischen unseren strukturpolitischen Vorstellungen und denen der Kommission verdeutlicht, daß in der Bundesrepublik nämlich im Sinne echter angebotener Alternativen ein Sog zu den produktiveren und vor allem einkommensmäßig günstigeren Tätigkeiten hin geschaffen werden soll, während das Brüsseler Papier die Notwendigkeit des sozialen und wirtschaftlichen Drucks in den Vordergrund stellt. Das werden wir für die Bundesrepublik sicher nicht übernehmen wollen. Die Entscheidung der Bundesregierung ist darin ja auch schon gefallen. Doch nun, Herr Bundesminister, ein Blick auf die agrarpolitischen Taten der Regierung. Ich hatte insbesondere in meiner Rede in der vorjährigen Debatte über den Grünen Plan einen agrarpolitischen Aktionskatalog auf mittelfristige Sicht gefordert, den Sie dann auch versprochen haben. Das Programm ist als Agrarprogramm der Bundesregierung im vorigen Juni vorgelegt worden. Wir haben dieses Programm damals im Grundsatz begrüßt, insbesondere deshalb, weil wir viele alte Bekannte unserer eigenen agrarpolitischen Ideen dort wiedergefunden haben. Jetzt, nach Ablauf von acht Monaten, ist natürlich die Frage zu stellen, auch als Koalitionspartner, was aus diesem Programm geworden ist. Sie werden es mir nicht verübeln, wenn ich hier einige kritische Bemerkungen nicht unterlassen werde. Zunächst haben wir zum Zeitablauf festzustellen, daß die ersten Entscheidungen des sogenannten Agrarkabinetts erst im Dezember des letzten Jahres, also fast ein halbes Jahr nach Veröffentlichung des Programms, gefallen sind. Ich meine noch - das habe ich bereits an anderer Stelle wiederholt zum Ausdruck gebracht -, daß diese Entscheidungen nicht ganz im Sinne des Agrarprogramms sind; vor allem nicht im Sinne einer modernen, fortschrittsorientierten Agrarpolitik, wie Sie sie in Ihrer Rede angesprochen haben. Wenn man da zunächst einmal von der finanziellen Ausstattung des Programms ausgeht, kann man nur feststellen, daß die Politik des BML ganz sicher nicht immer die glücklichste gewesen ist. Im Juni vorigen Jahres bestand eindeutig der politische Wille, in der Agrarpolitik einen neuen Anfang zu finden. Dieses Faustpfand, abzuleiten aus politischen Erklärungen vor allem auch von Bundeskanzler Kiesinger, haben Sie sich, Herr Bundesminister, so scheint es mir, ein wenig aus der Hand winden lassen. Ich hätte z. B. gewünscht - das habe ich in kritischen Anmerkungen schon wiederholt angesprochen -, daß sich Ihnen auch andere Hände für eine gemeinsame Arbeit angeboten hätten, vor allen Dingen die Ihres Parteifreundes, des Bundesfinanzministers Strauß. Diese bitternotwendige Zusammenarbeit scheint - so tut sich's dar - an Mängeln zu leiden. Die Folgen sind die klaffenden Lücken zwischen den Mehranforderungen Ihres Hauses, den Beschlüssen zur Fortschreibung der mittelfristigen Finanzplanung aus dem September 1968 und den Entscheidungen des Agrarkabinetts vom 5. Dezember. Ich will die Schuldfrage nicht untersuchen, Herr Bundesminister, beileibe nicht. Ich will nur mit allem Ernst und mit allem Nachdruck sagen: Sie brauchen in Zukunft nicht nur das „d'accord" des Wirtschaftsministers, sie brauchen vor allem auch das „d'accord" des Finanzministers. ({2}) Insoweit unterstreiche ich völlig die Ausführungen des Kollegen Struve. Doch nun zum Inhalt dieser Entscheidung. Ich sehe die schwierige Lage, in der Sie, meine Damen und Herren von der CDU/CSU, stehen, in die Sie sich aber mit Ihrem Forderungskatalog vom 5. März in Berlin und dann durch die Entschließung auf Umdruck 366 bei der vorigen Debatte über den Grünen Bericht und schließlich mit dem Beschluß des Plenums vom 25. Juni vorigen Jahres gebracht haben. Wir haben damals - und diesen Freimut nehmen Sie mir nicht übel! - vor der Annahme dieses Papiers eindringlich gewarnt, nicht etwa, weil wir die Verbesserung der Altershilfe nicht wünschten, nicht etwa, weil wir die Notwendigkeit einer kostenorientierten Preispolitik nicht anerkennen. Wir haben nur widersprochen, weil wir nicht Forderungen erheben wollen, von denen man weiß, daß man sie nicht erfüllen kann. Ich meine - ich habe mir das damals nur so erklären können -, daß man im Hinblick auf die damals anstehende Landtagswahl von Baden-Württemberg glaubte, mit der Forderung nach einer generellen Erhöhung des Altersgeldes eine wesentliche agrarpolitische Aussage zu treffen. ({3}) Es lag mir damals daran, die Regierung vor Schaden zu bewahren. Ich bedaure jeden Tag mehr, daß die Regierung damals dieser Entschließung nicht ganz energisch widersprochen hat. Meine Damen und Herren, wenn jetzt die Fragen der Beitragserhöhungen auf uns zukommen, dürfte Ihnen bei den politischen Auseinandersetzungen auch nicht mehr ganz wohl sein. Leute, die gut rechnen können, gibt es überall. Heute kommt ein solches taktisches Manöver, die Beitragserhöhung erst unmittelbar nach den Wahlen zum 1. Januar 1970 vorzunehmen, nicht mehr an. Kommunikation und Information sind auch draußen auf dem Lande weit fortgeschritten. Da werden Sie, meine ich, noch einiges auszuhalten haben. Aber das ist Ihre Sache. Wenn allein für diese generelle Erhöhung des Altersgeldes 40 %, 108 Millionen DM, verausgabt Dr. Schmidt ({4}) werden, fehlen Ihnen, Herr Bundesminister, auf der anderen Seite diese 40% für die Durchführung des Programms. Sie fehlen an allen Ecken und Enden. Natürlich gibt es noch den Trick, die Maßnahmen so spät anlaufen zu lassen, daß sogar noch Geld übrigbleibt. Aber das können wir nicht hinnehmen, und das dicke Ende der Beitragserhöhung käme nur um einige Zeit später. Das sozial- und strukturpolitisch dringend notwendige vorgezogene doppelte Altersgeld für Landabgabe im Sinne unseres Entwurfs eines „Ersten Agrarstrukturgesetzes" kann nur mit 12 Millionen DM im Jahr honoriert werden. Das ist nach unserer Ansicht kein entscheidender Schritt voran. Ich bitte, mich nicht mißzuverstehen. Die sozialpolitischen Aspekte halten wir für genauso wichtig wie Sie, und wir wären bereit, den alten Menschen genausoviel Geld zu bewilligen wie Sie. Ich frage mich bloß, ob der Zeitpunkt dafür richtig ist und ob wir das in diesem Augenblick verantworten können. Dabei gibt es noch andere, vordringliche sozialpolitische Aufgaben. Ich denke nur an die Pflichtkrankenversicherung. Im übrigen, Herr Bundesminister, bedarf eine ganze Reihe von Punkten, die Sie in diesem Agrarprogramm vorgeschlagen haben, dringend einer Konkretisierung. Ich denke dabei insbesondere an die Mahnungen des Bundesministers Strauß anläßlich der Diskussion des Agrarprogramms. Wir wollen die Regierung vor dem leichtfertigen Vorwurf bewahren, daß sie nur ein Lippenbekenntnis abgelegt hat. Ich wiederhole daher: Alles das, was Sie dort an Maßnahmen vorschlagen - Maßnahmen, die anzuerkennen sind -, bedarf eingehender Erörterung und Konkretisierung. Und im übrigen wiederhole ich meine Forderung, das bisherige Programm und den Haushalt auf diese neue, moderne Linie hin zu untersuchen, zu überprüfen und anzupassen. Meine Damen und Herren, damit möchte ich überleiten zu einer Aufgabe der Agrarpolitik, die sicher eine der wichtigsten ist, nämlich zur Marktpolitik. Wir werden heute das von meiner Fraktion initiierte Marktstrukturgesetz in zweiter und dritter Lesung verabschieden. Die deutsche Landwirtschaft wartet auf dieses Gesetz. Sie hat schon zu lange gewartet, nachdem meine Freunde und ich bereits im Jahre 1964 - damals als Opposition - den ersten Anlauf in dieser Richtung unternommen hatten. Heute nun wird dieses Gesetz nach zweijähriger, endlos mühevoller Beratung Wirklichkeit. Vielleicht sollte ich heute, am Tage der Verabschiedung, der für mich doch nur ein Tag der Genugtuung sein kann, nicht zurückblicken im Zorn, nicht erinnern an das Telegramm aus dem Hause des Bundesfinanzministers, an die vielen anfänglichen Widerstände in der Regierung und auch an die Widerstände, die aus allen Richtungen mobilisiert worden sind. Es war in der Tat ein hartes Stück Arbeit, und der Dank an die helfenden Hände, an die Gutwilligen und an die Mitglieder des Ausschusses muß hier eingeschlossen sein. Jetzt haben wir das andere Projekt, Herr Kollege Struve, in der Beratung, das Absatzförderungsgesetz und die zu gründende Vermarktungsförderungsgesellschaft. Das ist nach unserer Meinung eine sinnvolle Ergänzung zu unserem Marktstrukturgesetz. Wir haben diese Initiative zu unserer eigenen Sache gemacht. Wir wollen das Absatzförderungsgesetz in den nächsten Wochen über alle Schwierigkeiten hinweg durchbringen! ({5}) Wir glauben, daß wir mit diesen beiden Gesetzen der Landwirtschaft ein Instrument in die Hand geben, ihren Marktanteil zu halten, vielleicht sogar auszubauen und auch die Produktion in den Griff zu bekommen. Beide Gesetze werden sicher kein Allheilmittel sein, aber eine Chance bedeuten. Ich kann nur hoffen, daß diese Chance von der Landwirtschaft selber auch genutzt wird. Alle Beteiligten können sicher sein, daß wir uns sehr intensiv um die Durchführungsbestimmungen kümmern werden, damit die Mittelverwendung auch den Zielen entspricht. Denn das Ganze darf kein Fehlschlag werden. Auf diesem Gebiet der Marktpolitik sind wir zum Erfolg verdammt. Dazu gehörte meines Erachtens freilich auch eine entsprechende Akzentuierung im Haushalt. Herr Bundesminister Höcherl, Sie können sich vorstellen, daß wir die Dotierung des Marktstrukturgesetzes für 1969, besonders aber auch für die folgenden Jahre, als zu niedrig ansehen. Der Teil der deutschen Agrarpolitik, der in nationaler Kompetenz verblieben ist, wird in den kommenden Jahren ganz sicher entscheidend an den Erfolgen der Marktpolitik gemessen werden. Dabei wollen wir Sozialdemokraten uns engagieren; wir wollen die Verantwortung mittragen. Für die Erreichung dieses Zieles rufe ich auf zu einer Koalition der Gutwilligen, der Fortschrittlichen, zu einer Koalition derjenigen, die die Stellung unserer Landwirtschaft am Markt stärken wollen. Meine Damen und Herren, ich möchte die Behandlung dieses Teils abbrechen und zu einem sehr bedeutsamen anderen Teil übergehen, zu den Fragen der europäischen Marktpolitik. Herr Bundesminister Höcherl hat längere Ausführungen zur europäischen Markt-, Preis- und Integrationspolitik - Ausführungen grundsätzlicher Art - gemacht. Wir stimmen diesen Ausführungen in den Grundzügen zu. Ich will daher nichts wiederholen. Wir sind mit ihm der Meinung, daß das Grundkonzept der Marktpolitik in Brüssel gescheitert ist und von einem wirklichen gemeinsamen Markt im Sinne eines Binnenmarkts noch keine Rede sein kann. Um aus dieser Sackgasse herauszukommen, hat die Kommission die verschiedensten Vorschläge gemacht. Aber auch die Vorschläge zur Markt- und Preispolitik gehen nach unserer Überzeugung an der Situation vorbei. Ich empfinde diese Vorschläge zur Preispolitik als den Ausdruck einer Nadelstichpolitik, als den Ausdruck der offenbaren Ratlosigkeit in Brüssel. Wir kämen nämlich mit der Ver11756 Dr. Schmidt ({6}) wirklichung dieser Vorschläge vom Regen in die Traufe. Wenn ich das Kapitel Milch hier einmal herausgreife, so muß ich sagen: diese neuen grauenhaften Eingriffe in den Markt können das Problem nicht lösen. ({7}) Es ist daher für mich und meine Freunde die Frage, ob es denn in Brüssel niemanden gibt, der sich andere, marktwirtschaftliche Lösungen vorstellen kann. Jedenfalls haben wir die Auffassung, daß alle Marktregelungen in Brüssel dringend einer Korrektur bedürfen. Dafür gibt es sicher keine Patentlösung, weil man beweglich sein muß; aber diese Überprüfung steht auf der Tagesordnung. Ich kann die Bundesregierung nur ermuntern, die von ihr gesetzten Schwerpunkte weiter zu verfolgen mit dem Ziel der Begrenzung der Ausgaben für die gemeinsame Agrarpolitik im Interesse der Integration der deutschen Landwirtschaft in unsere Gesamtwirtschaft. Dabei ist der Grundsatz einer gemeinsamen Finanzierung auch für uns unantastbar. Gerade wenn man die Schwierigkeiten der Probleme und die politischen Zusammenhänge kennt, wird man die Chance der Neukonzipierung der Agrarfinanzierung zum 1. Januar 1970 im Interesse unseres Hauptanliegens nützen müssen. Deshalb erlaube ich mir eine Bitte an die Bundesregierung zu richten. Die Bundesrepublik steht im Sommer und im Herbst vor schwierigen Verhandlungen mit schwerwiegenden Konsequenzen. Die agrarpolitischen Probleme werden dabei zwar wichtig, aber nur ein Teil sein. Und nach den Erfahrungen der früheren Verhandlungen - von 1962 an - ist es notwendig, daß vorher ein Konzept für Brüssel entwickelt wird. Das ist diesmal besonders dringlich, weil es praktisch auch um die gesamte EWG-Politik geht. Hier dürfte eine „konzertierte" Aktion der ganzen Regierung notwendig sein, um uns vor unangenehmen Überraschungen zu bewahren. In diesem Zusammenhang gäbe es eine Reihe von Fragen zu stellen. Ich kann nur einige herausstellen, ohne damit etwas über die Rangfolge sagen zu wollen. So muß z. B. die Frage geklärt werden: Welche Konsequenzen zieht ,die Bundesregierung aus den Beratungen über die Währungspolitik im November vorigen Jahres? In welchen Zeitplan will sie die Entwicklung einer gemeinsamen Handels- und Verkehrspolitik eingereiht wissen? Welche Grundsätze hat sie dabei? Gibt es diese Grundsätze überhaupt? Wenn nicht, muß sie sie erarbeiten. Welche Konsequenzen - um zur Agrarwirtschaft zurückzukehren - zieht die Bundesregierung aus der bisherigen Marktpolitik, insbesondere auch in bezug auf die noch kommenden Marktregelungen? Welche Finanzreform für Brüssel stellt sie sich vor? Welche Leistungen hält sie dabei für angemessen? Welchen Rahmen steckt sie sich selber dabei ab? Bei diesen Fragen möchte ich es bewenden lassen. Ich kann nur sagen, dieses gemeinsame Konzept der Bundesregierung ist bitter notwendig, um aus den Verhandlungen halbwegs erfolgreich herauszukommen. Ich will hier abbrechen, meine Damen und Herren, und möchte am Schluß sagen: Da diese Debatte über den Grünen Bericht die letzte dieser Legislaturperiode ist, ist es vielleicht zweckmäßig, jetzt am Schluß einmal Bilanz zu ziehen. Ich bin der Ansicht, 'daß die gesamte Öffentlichkeit Anspruch auf eine solche Bilanz hat. Diese Legislaturperiode zeigt den tiefen Einschnitt des Regierungswechsels am 1. Dezember 1966. Es kann nicht geleugnet werden, daß die agrarpolitischen Vorstellungen der beiden Koalitionsparteien natürlich weit, weit auseinandergehen. Die Agrarpolitik verblieb in diesem Kabinett dem Koalitionspartner, so daß wir selber als der andere Teil auf Initiativen im parlamentarischen Raum beschränkt blieben. Wir haben zusehen, daß ,ein großer Teil der Entscheidungen im Ministerrat .in Brüssel erfolgt. Darauf haben wir kaum Einfluß, wir haben nur eine beratende Funktion. Dafür haben wir zumindest im Ausschuß viel Zeit und viel Arbeit verwendet. Die Frage ist, ab und in welchem Umfang wir in unserem eigenen Zuständigkeitsbereich, der uns verblieben ist, unsere Arbeit erfolgreich getan haben. In den ersten eineinhalb Jahren dieser Periode, eigentlich fast zwei Jahre lang, waren wir mit dem Aufräumen beschäftigt. ({8}) Wir haben dann sehr viel Kleinarbeit geleistet, haben Sachprobleme erledigt, haben - das ist eine Genugtuung für mich und meine Freunde - dem Grünen Bericht, über den wir heute debattieren, eine neue, straffere, bessere Form geben können. Wir haben die unselige Disparitätsrechnung nicht mehr. ({9}) - Ich halte das im Interesse der ganzen Sache für sehr nützlich! - Wir haben auch den Grünen Plan nicht mehr; er führt kein eigenes geisterhaftes Eigenleben im Haushalt mehr. Ich möchte meinen, auch das ist ein Beitrag zur Versachlichung der Politik. ({10}) Wir haben hier in diesem Hause gemeinsam mit dem Koalitionspartner die volle Deckungsfähigkeit der Kap. 10 02 und 10 03 durchgesetzt. Ich erinnere an die Zeit, als der Agrarhaushalt stets eine dem Finanzminister willkommene Sparbüchse darstellte; es blieben Hunderte von Millionen unverausgabt. Das ist also beseitigt. Meine Freunde und ich haben dann das Marktstrukturgesetz eingebracht, und ich habe schon gesagt, daß wir es heute verabschieden können. Wir haben selber den Entwurf für ein „Erstes Agrarstrukturgesetz" eingebracht; ich will nicht verschweigen, daß wir - das deutet schon der Titel an - weitere Gesetzesinitiativen in Vorbereitung hatten, sahen jedoch kaum Verwirklichungschancen. Das alles macht klar, wie schwer doch die agrarpolitische Kleinarbeit in diesem Bundestag ist. Wir haben z. B. auch auf einem ganz anderen Gebiet - das gehört auch zu einer Bilanz - verDr. Schmidt ({11}) sucht, das neue Weingesetz mit allen zusammen eingehend mitzugestalten. Ich darf dabei insbesondere meinem Kollegen Seither den Dank dafür aussprechen, daß wir soweit sind. Dieses Weingesetz ist nach Überzeugung aller ein wichtiges Reformgesetz, das in den nächsten Wochen verabschiedungsreif ist. Wir haben - auch das gehört zu einer Bilanz - unserem Minister Schiller von Anfang an den Rücken gestärkt. ({12}) - Wir sind von vornherein Ihrer, meine Kollegen von der FDP, doch so billigen Polemik entgegengetreten, damit eine erfolgreiche Arbeit getan werden konnte. Wir haben auch alle gemeinsam versucht, das Agrarprogramm der Bundesregierung ein wenig vornan zu bringen. Daran muß weiter intensiv gearbeitet werden, damit es nicht nur bei bloßen Änderungen auf dem Papier bleibt. Und vor allem haben wir die agrarpolitische Diskussion versachlicht. Das mag als Bilanz wenig konkret erscheinen; es ist aber gewiß ein großer Fortschritt erreicht worden, und das war doch nur bei der gegenwärtigen Zusammensetzung der Bundesregierung möglich. Selbst die Rede Minister Höcherls vor 2 Wochen ist in ihrem Inhalt das Ergebnis des gemeinsamen Zusammenwirkens. Natürlich, meine Damen und Herren, ist auch manches nicht verwirklicht. Ich denke an die psychologischen Aspekte, z. B. daran, daß die Dieselkraftstoffverbilligung nach dem Gasölverwendungsgesetz immer noch als Einkommenssubvention der Landwirtschaft im Haushalt erscheint, ({13}) daß der Küstenschutz immer noch als eine agrarstrukturelle Maßnahme erscheint. Für anderes bestand keine Möglichkeit, es zu verwirklichen. Ich denke dabei an die Pflichtkrankenversicherung. Dafür gibt es leider noch keine Chance. Es gibt also für diese zwei Jahre Regierungsarbeit eine ganze Menge an Positivem vorzulegen. Andererseits muß ich sagen, daß wir z. B. mit der Verwirklichung des Agrarprogramms nicht ganz zufrieden sein können und weitere Aktivitäten in den nächsten Monaten erwarten. Ich will hier abbrechen. Ich versichere Ihnen, daß wir für eine wirklich moderne, fortschrittsorientierte Agrarpolitik eine Fülle von Pfeilen im Köcher haben. Diese Zielvorstellungen alle durchzusetzen, dazu sind freilich andere politische Konstellationen erforderlich. Die künftigen Aufgaben werden nicht leichter sein, sie werden schwieriger werden. Berge, sowohl in der EWG wie im Innern, türmen sich auf. Ich hoffe nur, daß wir uns nicht davor drücken, diese Aufgaben zu lösen. Wir sollten bereit sein, die undankbare Rolle eines Straßenkehrers des Fortschritts zu übernehmen. Ich möchte deshalb mit dem Appell an die demokratischen Kräfte in diesem Hause schließen, sich der besonderen Verantwortung in der agrarpolitischen Diskussion bewußt zu sein. Die Radikalisierung nützt niemandem. In der Abwehr sitzen wir alle in einem Boot; deshalb sollten wir zusammenarbeiten. Unseren Bauern und Landwirten möchte ich meinen Dank aussprechen. Sie haben die strukturellen Veränderungen, die gewaltigen Veränderungen ohne Murren vollzogen. Ihren Fleiß und ihre Eigeninitiative müssen wir anerkennen. Für die vor uns liegenden, sicher in einem atemberaubenden Tempo vor sich gehenden weiteren Veränderungen brauchen wir ihre Mitarbeit. Wir werden dieser Mitarbeit sicher sein, wenn wir unseren Bauern die volle Wahrheit nicht vorenthalten. ({14})

Walter Scheel (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001949

Das Wort hat Herr Kollege Ertl.

Josef Ertl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000493, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine verehrten Damen und Herren! Ich habe den Auftrag, heute in der ersten Rede zur Beantwortung der Großen Anfrage meiner Fraktion Stellung zu nehmen. Gerade die letzten Ausführungen des Kollegen Schmidt ({0}) haben so richtig deutlich gemacht, wie notwendig und wie wichtig diese Große Anfrage war. Denn sowohl in der Beantwortung, die uns nicht voll befriedigt, wie auch in den bisherigen Beiträgen ist ganz klar zu erkennen, daß diese Bundesregierung, verehrter Herr Kollege Schmidt, das Konzept, das Sie vielleicht wünschen oder sogar wollen, nicht hat und insoweit natürlich immer mit zwei Zungen redet. Verehrter Herr Kollege Schmidt, Sie haben heute einige bedeutende Bekenntnisse abgelegt, die wir hier gerne als historische Begebenheit zur Kenntnis nehmen. Sie haben sich erstens für kostenorientierte Preise in der Landwirtschaft ausgesprochen. Das betrachten wir als einen bedeutsamen Fortschritt, ({1}) denn genau das haben Sie uns lange Zeit zum Vorwurf gemacht. Es war auch an der Zeit, daß Sie zu dieser Erkenntnis kommen. Der Ihnen politisch wohl sehr nahestehende Vorsitzende der Landarbeitergewerkschaft, Lappers, hat erst dieser Tage kostenorientierte Löhne für die Landarbeiter gefordert. Ich nehme an, daß er es den Familienangehörigen nicht vorenthalten will, denn das wäre nicht sozial gedacht. Insoweit müssen Sie sich natürlich zu diesem Grundsatz bekennen. Das betrachte ich als einen sehr großen Fortschritt, und das nehmen wir mit Befriedigung zur Kenntnis. Nun haben Sie, verehrter Herr Kollege Schmidt, natürlich eine großartige Bilanz aufgemacht. Ich will dazu nicht Stellung nehmen. Wir wissen, daß es nicht leicht ist, mit der CDU in der Koalition zu sein. Das schafft Probleme; wir haben das auch erlebt, wir haben Erfahrungen. ({2}) Wir können uns deshalb Ihre Situation vorstellen. Aber das wird Sie nicht davon befreien, die Mitverantwortung zu tragen. Ihre Bilanz war ein klein wenig ein Herausmogeln aus der Mitverantwortung. Man stellt hier dar, wie gut man eigentlich ist. Diesen Punkt sollte man nach meiner Meinung hier ruhig anschneiden. Man sollte auch fair sein, Herr Kollege Schmidt. So sollten Sie beispielsweise sagen, daß das Absatzfondsgesetz zunächst von meiner Fraktion eingebracht worden war, und zwar nicht erst im letzten Jahr, sondern bereits im Jahre 1958. Sie sind schon so lange im Bundestag - ich war damals noch nicht hier -, und da ich weiß, daß Sie ein scharfer Geist sind und ein kritisches Gehirn haben, meine ich, daß Sie das nicht vergessen haben. Sie sollten also so fair sein, das hier anzuerkennen. Sie sollten auch wenigstens zugeben, daß der Antrag, Dieseltreibstoff für Zollkarten gefärbt abzugeben, diesem Hohen Hause seit zwei Jahren vorliegt und nicht zur Verabschiedung kommt, weil das Finanzministerium nicht zustimmt. Das sollte man dann klar sagen und nicht so tun, als ob man eigentlich wollte, aber nicht kann. Nun darf ich noch einen zweiten Punkt anschneiden, nämlich die berühmten 20 000. Wir haben durchaus Verständnis dafür, daß die Bundesregierung heute hier etwas schwach vertreten ist. Vielleicht liegt es an dem Besuch des US-Präsidenten. Es wäre natürlich immer nützlich, wenn solche Debatten im Beisein von Wirtschafts- und Finanzminister geführt würden. Ich unterstreiche das, was mein Vorredner, Herr Kollege Schmidt, gesagt hat: diese drei Minister sind in unserer Zeit zu einer erfolgreichen Zusammenarbeit besonders verpflichtet. Ich darf bei diesen 20 000 nochmals darauf hinweisen, daß natürlich geklärt werden muß, wie sich der Bereich regional gliedert, ob das Gemeindeverbände sind oder ob es sich wirklich nur auf zentrale Orte hinbewegt. Ich habe die Diskussion bisher so verstanden, daß es wirklich um Orte mit 20 000 Einwohnern geht. Außerdem steht in den Richtlinien, daß es sich nur um Bundesförderungsgebiete handelt. Nun frage ich mich: Was wird mit den anderen Gebieten, die nicht zu den Bundesförderungsgebieten gehören? ({3}) - Das können Sie nachlesen. Ich darf jetzt noch einige Bemerkungen zu den Ausführungen des Kollegen Struve machen. Ich teile mit ihm die Auffassung, daß eine erfolgreiche Agrarpolitik ohne tatkräftige Unterstützung des Finanzministers nicht möglich ist. Wir als Opposition werden Sie, meine verehrten Kollegen von der Koalition, in diesem Punkt tatkräftig unterstützen. Aber nun komme ich zur Bilanz. Einen Punkt hat der Kollege Schmidt in seiner Bilanz wohl mit Absicht vergessen, die Unruhe in der Landwirtschaft. Die war doch wohl nicht von ungefähr; sie war doch nicht ein willkürlicher Akt, sie ist nicht gekommen, weil nun Leute auf dem Lande Freude daran hatten, unruhig zu werden, sondern sie ist aus einer Angst vor der Zukunft entstanden. Das scheint mir ein negativer Punkt in der Bilanz Ihrer Großen Koalition zu sein, denn diese Angst ist infolge der Agrarpolitik der Großen Koalition entstanden. ({4}) Das waren ,die Erklärungen aller verantwortlichen Leute, bis zu den Bauernverbandspräsidenten, die sogar CDU-Bundestagsabgeordnete sind. Wenn Sie wollen, lasse ich aus dem Archiv gerne die entsprechenden Äußerungen schriftlich nachliefern. Sie können sich dann davon überzeugen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich zitierte den Herrn Bundesminister. Wir haben uns ja schon einmal ,darüber unterhalten. Er hat es selbst gesagt: In der Kleinen Koalition war es natürlich leichter, Landwirtschaftsminister zu sein. Meine Damen und Herren, lesen Sie doch ,die Grünen Berichte der Vergangenheit! Dann werden Sie feststellen, daß in der Zeit, als die FDP in der Verantwortung war, als die Freien Demokraten den Fiananzminister stellten, die Ertragslage der deutschen Landwirtschaft insgesamt besser war. Das sagt der Grüne Bericht. ({5}) - Sie müssen den Grünen Bericht nachlesen, meine Damen und Herren. Dann werden auch Sie es feststellen. Es ist nicht meine Aufgabe, über den Grünen Bericht zu reden. Mit ihm wird der Kollege Logemann sich besonders beschäftigen. Aber Sie fordern mich heraus. Ich weiß schon, warum ,der Herr Minister den Grünen Bericht in der Methode dauernd umwandelt: damit die Vergleichsmöglichkeit nicht mehr da ist. Das ist auch eine Methode, das ist eine sehr „gute" Methode. ({6}) Das ist wissenschaftlich erprobt. Aber Sie können ja die Zahlen im Grünen Bericht nachlesen. Dann werden Sie zu dieser Feststellung kommen. In diesem Zusammenhang darf ich noch etwas feststellen. Solange es FDP-Finanzminister gab, wurden die wesentlichen Agrarfinanzierungsmaßnahmen so dotiert, daß man sie das ganze Jahr langfristig und kontinuierlich durchführen konnte. Das scheint beispielsweise bei der Investitionshilfe bereits jetzt nicht mehr der Fall zu sein. ({7}) Ich habe hier eine Ausgabe des Pressedienstes des Bayerischen Bauernverbandes. Dort schreibt der Herr Otto Freiherr von Feury, soweit ich im Bilde bin, CSU-Landtagsabgeordneter und maßgeblicher Parteifreund des Herrn Ministers, daß er mit Schrecken feststellt, daß in Bayern seit dem 11. Februar keine Betriebsentwicklungspläne mehr bedient werden. Ich teile die Auffassung des Herrn Otto von Feury, daß das eine scheußliche Situation ist. Denn was soll das ganze Gerede über Agrarstrukturpolitik, wenn am 11. Februar schon kein Pfennig Geld mehr da ist. ({8}) Hierzu müssen Sie Rede und Antwort stehen, meine Damen und Herren. So geht es nicht, draußen so reden und hier sich anders verhalten. ({9}) - Ja, das gehört zur Bilanz. Ich möchte noch einige Worte zur Agrarpolitik und zur agrarpolitischen Bilanz der Großen Koalition sagen. Als die Große Koalition antrat, war zunächst agrarpolitische Funkstille. Da hat sich zunächst nichts getan. Dann kam eine Große Anfrage der Freien Demokraten. ({10}) Solche Großen Anfragen sieht der jetzige Koalitionspartner immer sehr ungern. Das verstehe ich, denn da muß er etwas sagen, und das soll immer erfolgreich sein. Das ist in der jetzigen Situation sehr schwierig. In der Debatte über diese Anfrage kam dann ein Bekenntnis des Bundeskanzlers, der bekanntlich die Richtlinien dieser Regierung bestimmt. ({11}) - Sie bestreiten, daß er die Richtlinien der Politik bestimmt? Das bestreitet wahrscheinlich die SPD im Zuge der Bilanz. Aber wir wollen ihr diese Freude lassen. Ich darf mit Genehmigung des Herrn Präsidenten zitieren: Nun erkläre ich zu diesen Sorgen folgendes. - Es geht um die Sorgen in der Landwirtschaft. Die Bundesregierung hat die volle Erkenntnis der Bedeutung der deutschen Landwirtschaft für unsere Volkswirtschaft und für unser Volk und anerkennt diese Bedeutung in vollem Umfang. Die Bundesregierung hat den festen Willen, jeder bäuerlichen Existenz, und zwar gerade dem bäuerlichen Familienbetrieb, wo immer Lebenswille und Lebensfähigkeit vorhanden ist, die Existenzsicherung zu geben. Das ist der Wille dieser Bundesregierung. Aus diesem Grunde verstehe ich natürlich, daß sich die Vertreter der beiden Koalitionsfraktionen - an sich ist das ja sehr erstaunlich; auch der Kollege Schmidt hat sich ja am Schluß gewaltig von Herrn Mansholt abgesetzt - von diesen Plänen distanziert haben. Hier spielt wohl auch der Termin September 1969 mit eine Rolle, denn das hat natürlich auch auf eine Koalitionsfraktion Auswirkungen. Der Kollege Schmidt hat am Schluß gesagt, all das im Zusammenhang mit PE und MLU sei einfach Aberglaube. Ich unterstreiche das. Ich komme in meinen späteren Ausführungen darauf zurück. Am Anfang stand also der berühmte bäuerliche Familienbetrieb. Ich weiß nicht, ob es rational oder emotional begründet ist. Ich kann nur sagen, auch ich bin der Auffassung, daß der bäuerliche Familienbetrieb auf lange Sicht lebensfähig ist und die Agrarpolitik so gestaltet werden muß, daß er lebensfähig bleiben kann. Als nächster Punkt der Bilanz kommt die Debatte über den Grünen Plan im vorigen Jahr. Auch das möchte ich hier anfügen, weil die CDU damals einen Antrag, den auch der Kollege Schmidt schon zitiert hat, eingebracht hat - das war der Antrag Umdruck 366 -, in dem sie sich für einen Milcherzeugerpreis von 41,2 Pf ausgesprochen hat. Sie hat sich auch für die Verbesserung der Altershilfe und ähnliches, insbesondere aber für die Anhebung des Getreidepreises auf das alte Niveau ausgesprochen. Rein historisch ist hier festzustellen, daß ein ähnlicher Antrag vorher von den Koalitionsfraktionen im Ernährungsausschuß abgelehnt worden war. Weil aber ein wohl Bleichlautender Antrag der Freien Demokraten auf Umdruck 365 vorlag, mußte die CDU/CSU von sich aus den Beweis liefern, daß sie politisch mindestens in ähnlicher Form agiert. Der Kollege Schmidt hat nach meinem Dafürhalten damals ganz richtig gesagt: Ist das als ein Wahlpapier für Baden-Württemberg gedacht, das man nachher wieder einstampft? Das wäre meine erste Frage. Nun hat der Herr Minister in der Fragestunde vor 14 Tagen erklärt: Die Agrarpolitik wird vom Kabinett und von diesem Hohen Hause gemacht. Beschlüsse dieses Hohen Hauses werde er in Brüssel vertreten. - Ich frage nun den Herrn Bundesernährungsminister und auch die Koalitionsfraktionen: Sind Sie gewillt, bei den Preisverhandlungen in Brüssel den Beschluß dieses Hohen Hauses mit Nachdruck zu vertreten, und wo sind die entsprechenden Anträge? ({12}) Soweit zur Bilanz der Großen Koalition. Ich komme nun auf die anderen Themen, die ich hier noch gerne ansprechen möchte. Zu Recht hat der Kollege Schmidt gesagt, dies solle eine politische Debatte sein. Wir wünschen, daß dies eine politische Debatte ist. Es muß aber auch eine wahrhaftige Debatte sein. Es muß so sein, daß das, was hier vertreten wird, auch Bestandteil der Politik der Regierung ist bzw. daß das, was hier beschlossen wird, zum Bestandteil der Politik der Regierung wird. Die Situation in Europa ist ja nicht besonders erfreulich. Wer die Ereignisse der jüngsten Zeit aufmerksam verfolgt hat, wird feststellen, daß wir - Gott sei es geklagt, aber es ist eine Tatsache - eigentlich wieder, wie so oft, in einer tiefen Krise stecken. Ich möchte jetzt nicht auf die Einzelheiten der derzeitigen Kontroverse zwischen Großbritannien und Frankreich eingehen. Weil aber immer wieder betont wird und auch der Herr Bundesminister in seiner Rede wieder betont hat, die Agrarpolitik sei ein Motor der Integration und wolle die Integration vorwärtstreiben, weswegen von deutscher Seite auch immer wieder Konzessionen gemacht werden müßten, muß doch hier einmal gesagt werden: Die Konzessionen Deutschlands im Zuge der Agrarpolitik sind bis heute im gesamten Bereich der europäischen und der EWG-Politik politisch nicht adäquat honoriert worden. ({13}) Meine sehr verehrten Damen und Herren, diese Große Koalition ist mit zwei Feststellung angetreten. Erstens: Das Verhältnis der Bundesrepublik zu Frankreich muß ein besseres werden. Zweitens: Sie wird alles tun, damit die Phase der Integration über das Sechser-Europa hinaus aktiv gestaltet wird. In beiden Punkten steht diese Koalition vor einem Mißerfolg. Weder das Verhältnis zu Frankreich ist besser geworden, noch sind Fortschritte bezüglich des Beitritts Großbritanniens und anderer Staaten erzielt worden, obwohl es politisch im europäischen Sinne von Nutzen wäre und sicherlich auch agrarpolitisch manche konstruktiven Möglichkeiten zeigen würde. Hier frage ich beispielsweise den Herrn Minister. Er sprach vor kurzem im Deutschlandfunk darüber, daß ein Beitritt Großbritanniens Berge von Schwierigkeiten bringen würde. Wenn man dieses Interview liest, könnte man zu der Auffassung kommen, es sei besser, an dieses politische Problem nicht heranzugehen. Nun, ich hatte auch das Glück, vor Weihnachten in London zu sein und mit den Vertretern aller drei Fraktionen, auch mit dem Schatten-Landwirtschaftsminister und nicht zuletzt mit den zuständigen Beamten des Auswärtigen Amtes und des Landwirtschaftsministeriums zu sprechen. Das Resümee war folgendes: Großbritannien ist bereit, auf die Commonwealth-Verpflichtungen zu verzichten. Ich frage Sie, Herr Minister, ob das eine falsche Information war. Sie haben eine einzige Ausnahme genannt: Neuseeland, haben aber auch hier gesagt, daß es sich nur noch um ,einen Zeitraum von drei bis vier Jahren handle. Sie haben weiter erklärt, sie seien bereit, die Agrarpreispolitik, allerdings mit einer gewissen Anpassungsphase von drei bis vier Jahren, zu übernehmen. Ich frage Sie deshalb, weil ich mit Freuden gelesen habe, daß Sie in Kürze - ich glaube, im April - mit dem britischen Landwirtschaftsminister verhandeln werden, und weil ich der Meinung bin, daß gerade der Beitritt Großbritanniens und anderer europäischer Staaten zur EWG die Möglichkeit schaffen würde, auch auf dem Sektor der EWG-Agrarpolitik dringende Reformen durchzuführen. ({14}) - Bitte, Herr Kollege Ehnes!

Walter Scheel (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001949

Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Herr Kollege Ertl?

Josef Ertl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000493, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ja, bitte!

Georg Ehnes (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000442, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Ertl, sind Sie mit mir der Auffassung, daß mit einem frühzeitigen Beitritt Englands auch der Beitritt Dänemarks und Schwedens verbunden ist, und sind Sie mit mir der Auffassung, daß auf Grund der dort vorherrschenden Strukturverhältnisse und Preisverhältnisse der deutschen Landwirtschaft mit Sicherheit eine weitere Schwierigkeit erwachsen würde?

Josef Ertl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000493, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Kollege Ehnes, ich bin ganz anderer Auffassung als Sie. Der Beitritt Schwedens steht nämlich nicht zur Debatte, in der ersten Phase geht es bekanntlich um den Beitritt Großbritanniens, Dänemarks, Irlands und - ({0}) Es stellt sich also die Frage der Zehnergemeinschaft, und gebe ich Ihnen die Empfehlung - dann brauchen wir das gar nicht zu diskutieren -, lesen Sie die Untersuchung des Ifo-Instituts über die marktpolitischen Voraussetzungen dieser Zehnergemeinschaft nach, dann werden Sie mit mir zu der Übereinstimmung kommen, daß diese Zehnergemeinschaft bei Nahrungsmitteln ein effektives Defizit hat, was sicher eine leichtere Gestaltung der Marktpolitik zuläßt.

Walter Scheel (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001949

Gestatten Sie eine weitere Frage?

Josef Ertl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000493, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ja.

Georg Ehnes (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000442, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege, glauben Sie nicht, daß über Neuseeland - Sie sprechen die Commonwealth-Staaten an - wieder eine Schleuse geöffnet wird, wodurch wir noch größere Schwierigkeiten bekommen werden als bisher?

Josef Ertl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000493, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Kollege Ehnes, Sie hätten aufpassen müssen. Ich habe gesagt, daß 'ich mit den Briten über dieses Problem gesprochen habe und daß sie mir erklärt haben, auch dies sei für sie nur eine Frage von einigen Jahren, denn alle Commonwealth-Länder seien bereits dabei, sich eigene Märkte zu schaffen. Sie haben ausdrücklich erklärt, bezüglich Neuseelands würden sie bei Verhandlungen für drei- bis vierjährige Mengenlösungen plädieren. ({0}) - Das habe ich noch nicht getan. - Ich kann Ihnen nur sagen, was mir die Briten gesagt haben. Ich kann nur feststellen, daß der Herr Minister dazu Stellung nehmen muß. Irgendwo müssen Sie doch im Bereich Europas politische Lösungen suchen, irgendwo müssen Sie doch aus diesem Teufelskreis der Überschüsse, in dem Sie sich bewegen und in dem sich insbesondere die EWG bewegt, herauskommen. Da sollte man doch Lösungen zumindest ins Auge fassen, die vielleicht einen funktionsfähigen Markt ermöglichen. Ich habe nicht behauptet, daß damit ,die agrarpolitischen Probleme alle gelöst sind. Ich habe nur gesagt, das ist eine Möglichkeit, die man ergreifen sollte. Im Mittelpunkt des Memorandums der EWG-Kommission stehen Veränderungen der Agrarstruktur, die weit über diesen Bereich hinaus starke Auswirkungen auf den traditionellen und in Jahrhunderten gewachsenen Aufbau der ländlichen Gesellschaftsordnungen in Europa haben werden. Die Umorientierung der landwirtschaftlichen Produktion aus der bäuerlichen Hand in diejenige von Großunternehmen mit gewerblich-industriellem Zuschnitt wird zwangsläufig das Verschwinden eines 'erheblichen Teils des ländlichen Mittelstandes zur Folge haben. Diese Tatsache allein wäre Anlaß genug, sehr eingehend zu prüfen, ob wir in der Bundesrepublik eine solche Entwicklung wünschen. Daß das anvisierte Ziel Großbetriebe nicht die Ultima ratio der landwirtschaftlichen Erzeugung ist, hat inzwischen diese Debatte ergeben. Erfreulicherweise haben sich beide Sprecher der Koalitionsfraktionen hier ähnlich geäußert. Wenn es nun schon ökonomisch höchst zweifelhaft ist, so müssen wir uns wirklich fragen, welche Alternativen es auf die Dauer im Bereich dieser EWG-Politik gibt, ohne einen utopischen Finanzaufwand in Anspruch nehmen zu müssen. Die Verwirklichung dieser Vorschläge verlangt nämlich einen utopischen ;Finanzaufwand. Wir müssen uns wirklich einmal endgültig darüber unterhalten, welchen Platz die deutsche Landwirtschaft in der Industriegesellschaft und in unserer Volkswirtschaft einnehmen soll und welchen Platz sie in der Konkurrenz der EWG und der sich möglichst weit öffnenden EWG 'einnehmen kann. Meine Fraktion hätte dieses Thema daher gern isoliert behandelt gesehen. Aber die Geschäftsordnung hat es der Regierung ermöglicht, darauf hinzuweisen, daß sie für die Beantwortung der Anfrage noch einige Stunden Zeit habe. So kommt es zu dieser verbundenen Debatte, was natürlich zwangsläufig eine ständige Überschneidung bedingt und was der Klarheit dieser Debatte sicherlich nicht nützlich ist. Es wäre wirklich an der Zeit gewesen, einmal die EWG-Agrarpolitik und auch die Einpassung der deutschen Landwirtschaft in einer gesonderten ausführlichen Debatte zu besprechen. Herr Kollege Struve hat bereits erwähnt, daß der anerkannte Betriebswirtschaftler Professor Dr. h. c. Georg Blohm in Kiel vor kurzem in einer Veröffentlichung ganz besonders darauf hingewiesen hat, wie sehr der selbständige Betrieb mit Familienarbeitsverfassung auch in Zukunft am geeignetsten ist. Diese Ausführungen eines Wissenschaftlers sind sicherlich sehr zu beachten. Sie sollten alle jene als Antwort nehmen, die meinen, ausschließlich in der Betriebsvergrößerung liege eine 'Möglichkeit für die Lösung .des Einkommensproblems in der Landwirtschaft. Das ist eben eine falsche These. Für mich 'ist es sehr interessant gewesen, daß in diesen Tagen eine Veröffentlichung im „Deutschland-Archiv" unter dem Titel „DDR-Landwirtschaft eine Herausforderung - Eine wissenschaftliche Untersuchung" erschienen ist. Ich möchte Sie nicht langweilen. Aber ich meine, bei der Thematik, die wir heute besprechen, und bei den Vorschlägen, 'die aus Brüssel auf dem Tisch liegen, nämlich nur noch in Kooperation landwirtschaftlich tätig zu sein, ist es einmal sehr nützlich, zu hören, zu welchen Erkenntnissen eine wissenschaftliche Untersuchung über die DDR-Landwirtschaft kommt, wo ja durch Zwangsmaßnahmen, einschließlich der weitgehenden Beseitigung des Eigentums, die Kooperation vollendet wurde. Wenn der Herr Präsident gestattet, möchte ich hier nur auf einen Punkt hinweisen: In der Veredelung landwirtschaftlicher Erzeugnisse und in der Rationalisierung einzelner Produktionsstufen gilt außerdem keineswegs der Grundsatz, daß die Produktivität mit der Betriebsgröße wächst. Die Rationalisierungseffekte haben oft schon bald eine Grenze, wo ein erhöhter Verwaltungsapparat, erhöhte Seuchengefahr, ein zu kompliziertes Kontrollsystem, das plötzliche Eintreten nicht determinierbarer Ereignisse und der Verlust der Übersichtlichkeit die Kosten der Produktion schnell anwachsen lassen. Soweit die wissenschaftliche Feststellung über das Betriebsgrößenproblem in der kollektivierten Landwirtschaft der DDR. In der Schlußbetrachtung kommen die Verfasser - das sind wiederum Wissenschaftler - zu folgender Feststellung: Der erhebliche Mangel der Konzeption dürfte in der weitgehenden Ausschaltung der Privatinitiativen der Bauern liegen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, verehrter Herr Minister, es wäre vielleicht ganz nützlich, wenn Sie diese Denkschrift einmal mit nach Brüssel nähmen. Jene, die glauben - ich betone: wir sind durchaus für eine freiwillige Zusammenarbeit der bäuerlichen Betriebe; damit ich hier nicht mißverstanden werde -, daß allein in der Zusammenfassung kleinerer und mittlerer Betriebe zu Großbetrieben, sei es in der privatwirtschaftlichen oder in der kollektiven Form, das Mittel zur Lösung der Probleme der agrarischen Einkommensbildung liege, sollten einmal sehen, wie es in der Tat dort ausschaut, wo es der Staat mit Zwang gemacht hat. Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich darf sagen, daß wir in dieser Frage der zukünftigen Betriebsgestaltung sowohl aus der Antwort wie aber auch aus der Rede des Herrn Bundesministers eine erfreuliche Übereinstimmung feststellen können. Der Herr Bundesminister kann versichert sein, wir als Opposition werden ihn in diesem Punkt tatkräftig unterstützen. Wir teilen auch seine Zweifel, die er in seiner Rede dahin gehend ausgedrückt hat: Es ist politisch unmöglich, der Landwirtschaft dauernd zu empfehlen, sie müsse die Zahl der Arbeitsplätze weiter vermindern, solange keine beruflichen Alternativen außerhalb der Landwirtschaft geschaffen sind. Wir teilen diese Auffassung. Ich meine, hier beginnt die erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen Wirtschafts- und Landwirtschaftsminister, nicht zuletzt auch mit finanzieller Unterstützung des Finanzministers. Diese Zusammenarbeit läßt aber offensichtlich sehr viel zu wünschen übrig. Wenn wir hier jedoch schon hören, daß wir diese ganzen Überlegungen mit der Tendenz zum Großbetrieb sowohl politisch als auch wirtschaftlich ablehnen, dann frage ich mich: Was wird die Bundesregierung konkret tun, wenn es darum geht, dieses Memorandum in Brüssel, wie es der Herr Kommis11762 sar Mansholt gesagt hat, als Ganzes zu behandeln? Wird sie dann zu dem Ganzen nein sagen? Oder wird sie mit einem anderen Konzept antreten? Wird sie in der Lage sein, zuvor in bilateralen Verhandlungen mit anderen Partnerstaaten andere Vorstellungen zu entwickeln? All das muß hier doch gesagt werden; denn bis jetzt wissen wir nicht, wie sich diese Bundesregierung verhält, wenn das Memorandum und diese Fragen behandelt werden. Sosehr wir in einigen Punkten Übereinstimmung feststellen können, so müssen wir doch sagen, daß bei der Beantwortung unserer Großen Anfrage offensichtlich der Versuch gemacht worden ist, einige Punkte sehr dilatorisch zu behandeln, beispielsweise die Preispolitik. Das wundert mich wiederum - ich habe schon auf die Erklärung des Herrn Ministers in der Fragestunde hingewiesen -, und zwar vor allem angesichts der Mitteilungen eines Informationsdienstes, den ich hier habe. Da heißt es: „CDU betont Verbundenheit mit den Bauern". Dann wird darauf hingewiesen, daß sich der Generalsekretär der CDU wiederum für kostendeckende Preise ausgesprochen hat und ähnliches mehr. Und nun frage ich mich - ({1}) - Ja, der aber offensichtlich als Generalsekretär mit zwei Zungen redet; denn er weiß ganz genau, daß die Regierung, die seine Partei trägt, ganz anders handelt, als er politisch redet; und das sollte man nicht tun. ({2}) Das ist der Punkt, den ich hier noch einmal anschneiden möchte: demokratische Glaubwürdigkeit. Lassen Sie mich zum Memorandum noch feststellen, daß man nicht so vorgehen und sagen kann: Das eine sind Preisvorschläge, darüber müssen wir uns konkret unterhalten; das andere ist eine Denkschrift, und über die Denkschrift werden wir schon irgendeinen Weg finden. Das Memorandum ist aus dem Engpaß entstanden, in dem sich die Kommission mit ihrer Agrarpolitik befindet. Insoweit verstehe ich das. Es ist auch ein geschlossenes Ganzes. Ob der Erfolg erzielt wird, den man sich davon verspricht, durch radikale Reduzierung der Zahl der landwirtschaftlich Erwerbstätigen und Betriebe die Produktion zum Schrumpfen zu bringen, ist eine andere Frage. Aber man kann dem Konzept, das Mansholt vorgelegt hat, nicht absprechen, daß es ein in sich geschlossenes Ganzes ist. Allerdings mit dem Effekt, die Landwirtschaft, insbesondere auch unsere Landwirtschaft in Deutschland, weitgehend zu reduzieren und zu dezimieren. ({3}) - Ja, Kollege Ehnes, Sie sagen „Sehr gut". Ich freue mich, daß wir hier übereinstimmen. ({4}) Ich erinnere mich allerdings an eine Debatte in diesem Hohen Hause, in der ich sagte: Ich wünsche mir, daß dieser Ernährungsminister ein erfolgreicher Landwirtschaftsminister ist. Als mir dann das Wort „Liquidator" herauskam, womit ich ihm nicht persönlich etwas unterstellte, sondern womit ich sagen wollte, daß am Ende der Bilanz die Liquidation stehe, war - menschlich zu verstehen - fast eine Situation der Verärgerung gegeben. Aber darüber gibt es doch gar keinen Zweifel, wenn die Strukturtendenz des Memorandums Wirklichkeit wird, dann bedeutet das Liquidation. Das muß man ganz offen sagen. Ich will nicht polemisieren. Vielmehr sind wir, Gott sei Dank, durch alle Parteien einig, daß diese Vorstellungen weder politisch noch wirtschaftlich vernünftig sind. Aber dann darf die Regierung nicht erklären: Darüber müssen wir halt einmal wieder verhandeln, wir werden schon in irgendeiner Form über die Runden kommen. Wie Herr Mansholt im übrigen über die Regierung denkt, das hat er bei einer Diskussion in Berlin erkennen lassen. Als er z. B. gefragt wurde, wie es denn sei, nachdem Herr Minister Höcherl doch offensichtlich sehr wohlwollend zum Konzept der Kommission in Brüssel stehe und der Herr Finanzminister vor Journalisten außerhalb der Verhandlungsräume ganz anders aufgetreten sei, sagte der Herr Mansholt: Ja, ja, da habe ich mich ein wenig darüber gewundert, daß ich das im Ministerrat nicht gehört habe von Herrn Strauß, aber in den Zeitungen gelesen habe ichs nachher. Allerdings, Herr Höcherl hat es nicht gesagt, und er hat sehr gut gesprochen über unser Programm. - Ich möchte nur dies sagen: Für mich oder die Kommission ist das eine Sache: Was ist die Alternative? Wir stellen jetzt fest - und jetzt kommen einige harte Ziffern -, daß 1969 die EWG-Mitgliedstaaten zusammen 18 Milliarden D-Mark für ihre Landwirtschaft ausgeben. Das ist ungefähr die Hälfte für sogenannte Strukturverbesserung, und die andere Hälfte für Marktstützung, 9 Milliarden. Das sind zusammen 4,8 % von der Gesamtbudgetsumme unserer Gemeinschaft. Was wir jetzt vorschlagen, bedeutet, daß in einigen Jahren es vielleicht ein wenig eine Erhöhung geben wird; normal geht ein Budget - und auch die Bundeshaushalte gehen mit - jedes Jahr 5% rauf. So werden wir im Jahre 1972/73 Höchstausgaben haben von nicht 4,8 %, sondern 5,4 %). Diese Äußerung des Herrn Mansholt bedarf doch einer Klärung seitens der Bundesregierung. War es so, wie er es geschildert hat? Dann, verehrte Kollegen aus den Koalitionsfraktionen, wird es Zeit, daß Sie ein Koalitionsgespräch über die zukünftige Verhaltensweise der Regierung führen. Oder war es nicht so? Wo ist dann die Erklärung der Bundesregierung? Das muß doch hier einmal festgelegt werden. Die Analyse der Kommission geht davon aus, daß man den Strukturwandel nicht zuletzt auch durch die Stillegung von Betrieben in sogenannten Grenzgebieten fördern könnte. Der Herr Bundesminister hat in seiner Antwort erklärt, er sehe kein geschlossenes Gebiet. Hier muß natürlich die Frage gestellt werden, ob er Teilgebiete sieht, wo dann diese Teilgebiete sind und in welcher Form diese Grenzflächen in Bewirtschaftung genommen werden solErtl len. Daß ich als einer, der aus dem Berggebiet kommt, diese Frage ganz bewußt stelle, darf Sie nicht verwundern. Denn die Berglandschaft, eine der wesentlichsten Erholungslandschaften, werden Sie auf die Dauer in der Erholungsfunktion nur sicherstellen können, wenn Sie dort eine bäuerliche Landwirtschaft am Leben erhalten. Da kommt weder eine Stillegung noch die Konzentration auf Großbetriebe in Frage. Die Kommission sagt, das Dilemma der gesamten Agrarpolitik komme daher, daß letzten Endes die Preispolitik versagt habe. Sicherlich ist die Agrarpolitik der EWG in einer Sackgasse. Aber daran ist nicht das Instrument der Preispolitik schuld, sondern dessen falsche Handhabung. Die Getreidepreissenkung war falsch, und wir Freien Demokraten haben davor permanent gewarnt. ({5}) - Sehr wohl. Herr Kollege Schmidt, ich bin Ihnen sehr dankbar. Ich habe vor kurzem einmal alte Archivunterlagen von uns durchgesehen und dabei einen vier Seiten langen Brief meines Fraktionsvorsitzenden Kühlmann-Stumm vom 10. Dezember 1963 gefunden. ({6}) - Nein, ,das will ich Ihnen nicht zumuten. Aber ich bin gern bereit, Ihnen eine Kopie zukommen zu lassen. - Wir Freien Demokraten haben in diesem Brief als Koalitionspartner - und ich muß sagen, wir hätten es begrüßt, wenn Sie damals als Opposition uns in der Koalition unterstützt hätten; das haben Sie leider nicht getan - damals dem Herrn Bundeskanzler Erhard eine Konzeption vorgeschlagen, die wahrscheinlich folgerichtiger und zweckmäßiger gewesen wäre. Wir haben uns leider hier nicht durchsetzen können, auch nicht mit Ihrer Hilfe, weil wir von Ihnen keine Hilfe hatten. Das muß hier einmal gesagt werden. ({7}) Ich bin gern bereit, Ihnen das in aller Form vorzulegen. Des weiteren ist das Verhältnis der landwirtschaftlichen Erzeugerpreise zueinander falsch. Besonders falsch ist - und hier sind wir wieder ganz einig, Kollege Schmidt -, ,daß nach elf Jahren EWG immer noch auch der leiseste Ansatz fehlt, der Harmonisierung der Preise auch die der Kosten einschließlich des gesamten übrigen Bereichs folgen zu lassen. Wir sind hier, Gott sei Dank, sehr einig. Lassen Sie mich jetzt zusammenfassen. Seit elf Jahren besteht die EWG. In dieser Zeit ist weiter nichts gelungen als der Aufbau des gemeinsamen Agrarmarkts. Dabei ist das Wort „Markt" noch irreführend; denn nur die Preise wurden vereinheitlicht und nicht die übrigen Bereiche. Diese elf Jahre beinhalten 'natürlich eine gewaltige Vorleistung unsererseits mit der Hoffnung, daß sich die politischen Folgen noch einstellen, und das ist eben nicht der Fall. So meinen wir, daß es wirklich an der Zeit ist, Bilanz zu ziehen, und zwar nicht nur für die Agrarpolitik, sondern auch für diese Art des politischen Verhaltens unsererseits. Ich habe darauf eingehend hingewiesen. Wir meinen, daß die Rolle des Gebers beendet werden muß. Vor- und Nachteile müssen in Zukunft gleichgewichtig unter den Partnern verteilt werden. Aus dieser Sicht lassen Sie mich folgende Punkte kurz skizzieren. Erstens. Die Landwirtschaft ist auch im Industriestaat ein bedeutender und unentbehrlicher Teil unserer Gesellschaft und Wirtschaft. Zweitens. Die in der Landwirtschaft tätigen Menschen haben ein Anrecht, gleichberechtigt an der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung teilzunehmen. Die Landwirtschaft muß daher an der konzertierten Aktion beteiligt werden. ({8}) Drittens. Die Agrarpolitik der EWG kann und darf nicht mehr weiterhin isoliert fortentwickelt werden. Viertens. Eine gemeinsame Agrarpreispolitik in der EWG ist auf die Dauer nur möglich, wenn alle Bereiche der Wirtschaft -- des Sozialen, der Finanzen usw. - harmonisiert werden. Fünftens. Die Finanzierung der EWG-Agrarpolitik, insbesondere die Beseitigung der Überschüsse, ist nach dem Verursachungsprinzip zu gestalten. Ich darf hinzufügen - auch das gehört zur Bilanz -: daß wir in der Agrarfinanzpolitik noch Möglichkeiten haben, das verdanken wir dem Finanzminister Starke; denn er hat damals die Befristung durchgesetzt. Und die Bundesregierung ist gut beraten, wenn sie diesen Termin sehr im Auge behält; denn das ist der letzte Punkt, wo man noch Möglichkeiten zu Reformen hat. ({9}) Sechstens. Agrarstrukturpolitik ist kein Ersatz für die Einkommenspolitik. Eine aktive Erzeugerpreispolitik ist in einer auf Wachstum abgestellten Volkswirtschaft zwangsläufig unerläßlich. Siebentens. Eine moderne Landwirtschaft bedarf unbedingt der Privatinitiative. Daher ist das Eigentum auch in Zukunft der zentrale Punkt für eine erfolgreiche Landwirtschaft. Achtens. Die Strukturpolitik ist langfristig kontinuierlich im Wechsel der Generationen zu gestalten. Schwerpunkte müssen dabei sein: a) die Erhaltung und Schaffung lebensfähiger und rationell zu bewirtschaftender bäuerlicher Betriebe, die Möglichkeit, eine Kooperation auf der Grundlage der freiwilligen Zusammenarbeit zu fördern, b) die Bereitstellung von Dauerarbeitsplätzen, insbesondere in ländlichen Gebieten, mit vorwiegend kleinbäuerlicher Agrarstruktur. Dabei muß die freie Berufswahl gesichert bleiben. Neuntens. Die Erweiterung der Sechser-Gemeinschaft zu einer Zehner-Gemeinschaft schafft günstigere Voraussetzungen für einen funktionsfähigeren Agrarmarkt. Zehntens. Angesichts der durch die EWG veränderten Marktsituation sind alle Maßnahmen zur Verbesserung der Marktposition der deutschen Landwirtschaft, insbesondere des Agrarexports, vorrangig national zu fördern. Ich darf hier nur an die Diskussion um die Finanzierung des Absatzfonds erinnern. Elftens. Der Mensch ist auch in der Landwirtschaft allein entscheidend. Daher sind in der Zukunft noch mehr als bisher Voraussetzungen für eine chancengleiche Bildung und Ausbildung auf dem Lande zu schaffen. Zwölftens. Für die Menschen auf dem Lande werden in Zukunft die sozialen Sicherungsmaßnahmen immer dringlicher und bedeutender. Dreizehntens. Schwerpunkte der nationalen Agrarförderungsmaßnahmen müssen daher sein: ein langfristiges Strukturprogramm, die Investitionshilfe, wie sie von den Freien Demokraten vorgeschlagen ist - wir bitten Sie, diesen unseren Entwurf noch in dieser Legislaturperiode zu verabschieden -, die Marktförderung, wie wir bereits gehört haben, die Bildungs- und Ausbildungschancengleichheit, die sozialen Maßnahmen. Zusammenfassend: Es ist nicht nur eine Reform bei der Landwirtschaft erforderlich. Insgesamt eine Reform der Agrarpolitik, speziell auch der EWG-Agrarpolitik, ist das Gebot der Stunde. ({10})

Walter Scheel (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001949

Das Wort hat Herr Bundesminister Höcherl.

Hermann Höcherl (Minister:in)

Politiker ID: 11000912

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, daß die temperamentvollen Ausführungen des Kollegen Ertl in ihrer Aktualität konserviert werden müssen. Deswegen darf ich sofort auf einige Fragen von ihm eingehen, um damit auch dem Recht der Opposition gebührend Rechnung zu tragen. Herr Kollege Ertl, Sie haben weit in die Vergangenheit zurückgegriffen und eine alte Geschichte, einen früheren Antrag, der FDP natürlich, angeführt, mit dessen Hilfe Sie damals schon, vor einigen Jahren, gefärbtes oder vergälltes Dieselöl - so soll es wohl heißen - für die Landwirtschaft zur Verfügung stellen wollten. Ich darf Sie dahin informieren, daß mir gerade gestern von der Mineralölindustrie eine gutachtliche Stellungnahme zugegangen ist, aus der hervorgeht, daß es da sehr viele zollrechtliche, sehr viele finanzrechtliche und außerordentliche technische Schwierigkeiten gibt, die auf sich zu nehmen die Mineralölindustrie keineswegs von sich aus bereit ist. Aber die Große Koalition hat in einer sehr schwierigen Zeit, als sie in Haushaltsnöten sondergleichen war, eine Hilfe gegeben. Sie hat nämlich die nachträgliche Verbilligung, die ein Jahr später erfolgte, in eine vorausgehende Verbilligung umgewandelt, so daß jeweils ein Drittel des Betrages vorausbezahlt wird und damit sogar ein gewisser Zinsnutzen entsteht. Ich glaube, das ist zwar keine einfache, aber wirtschaftlich sehr interessante und für die Landwirtschaft vorteilhafte Lösung. Und das geschah in einer Zeit, in der wir in großen finanziellen Nöten waren.

Walter Scheel (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001949

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Wächter?

Gerold Wächter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002402, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Minister, darf ich Sie darauf aufmerksam machen, daß wir zu dem damaligen Gesetzentwurf doch sehr wesentliche Hilfen von Ihrem Hause hatten und daß gerade Ihr Haus es war, welches Veranlassung gab, sehr positiv zu diesem Gesetzentwurf zu stehen, daß Ihr Haus es war, das ohne weiteres die technischen Möglichkeiten, die Sie jetzt verneinen, bejahte.

Hermann Höcherl (Minister:in)

Politiker ID: 11000912

Ich verneine nicht die technischen Möglichkeiten von mir aus, sondern es geht um technische Möglichkeiten derjenigen, die Treibstoff verkaufen und die es ja wissen müssen. Ich bedauere das genauso wie Sie, aber diese Frage ist technisch viel schwieriger, als Sie meinen. Was nun die weitere Bemerkung betrifft, Herr Kollege Ertl, -

Walter Scheel (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001949

Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage?

Hermann Höcherl (Minister:in)

Politiker ID: 11000912

Nein, ich möchte mich da nicht unterbrechen lassen. Was nun die weitere Bemerkung, Herr Kollege Ertl, hinsichtlich der 20 000 Arbeitsplätze betrifft, die im Rahmen der Bundesregierung im Einvernehmen zwischen den beiden Ressorts in ländlichen Problemgebieten geschaffen werden sollen, so darf ich folgendes sagen. Mit Recht heben Sie hervor, daß es zum erstenmal gelungen ist, die Wirtschafts-und die Agrarpolitik zu koordinieren. Es stehen im Haushalt 1969 aus drei Positionen rund 730 Millionen DM für diesen Zweck zur Verfügung. Ich bin überzeugt, wir und auch das Hohe Haus werden nicht verfehlen, zu gegebener Zeit Bilanz zu ziehen, wie diese 730 Millionen DM verwendet worden sind, und die Frage zu prüfen, ob die ländlichen Problemgebiete mit ihrem hohen Anteil an Landwirtschaft entsprechende Berücksichtigung gefunden haben. Es hat aber bisher einen vergleichbaren koordinierten und synchronisierten Vorgang nicht gegeben. Ich glaube, das ist ein guter Ansatz, und man sollte doch einige Monate - zumindest den Ablauf dieses Jahres - abwarten, um zu sehen, ob diese Maßnahme greift. Der Ansatz, seine Zweckmäßigkeit und seine Modernität können nicht bestritten werden. Sie haben dann zurückgegriffen auf die Unruhe in der Landwirtschaft in den Jahren 1966/67. Diese Unruhe hat sich nicht auf die Landwirtschaft allein beschränkt, vielmehr ist zum erstenmal nach einem beispiellosen wirtschaftlichen Aufstieg das ganze Volk durch den Konjunktureinbruch in eine gewisse Unruhe geraten. Zum erstenmal hatten wir wieder Arbeitslosigkeit. Zur gleichen Zeit sind unglücklicherweise einige Beschlüsse zum Nachteil der Landwirtschaft, z. B. den Getreidepreis betreffend, in Kraft getreten. Gleichzeitig ist ein Preisverfall um 13% bei den Bodenprodukten und um mehr als 7% bei den Veredelungsprodukten - bei einigen Produkten wie Schweinen und Kartoffeln um 22 bzw. 15% - eingetreten. Daß daraus eine Unruhe entstehen mußte, das darf und kann niemanden wundern. Aber was können wir heute feststellen? Diese Unruhe hat sich gelegt. Wir konnten das Preisniveau wieder in den Griff bekommen, und unsere Anstrengungen haben ausweislich .der Buchführungsergebnisse gewisse Erfolge gezeitigt, wenn es uns auch nicht gelungen ist, in dieser kurzen Zeit alles völlig zu ordnen. Es gibt kein Beispiel in der Wirtschaftsgeschichte, daß ein solcher Einbruch, wie er 1966/67 geschehen ist - ich will auf die Einzelheiten und die Entstehungsursachen gar nicht zurückkommen -, innerhalb eines Jahres wieder in Ordnung gebracht worden ist. Es gibt kein vergleichbares Beispiel in der modernen Wirtschaftsgeschichte. Das ist eine Leistung der Großen Koalition, die sich sehen lassen kann vor dem eigenen Volk, vor 'dem Hohen Hause, aber auch im Weltmaßstab. ({0}) Ich verstehe einfach nicht, warum man das nicht anerkennen will. Sie kommen dann auf 'die alte Geschichte zurück: Zusammenarbeit in der Kleinen Koalition. Ich habe Ihnen das damals schon gesagt: sie war da oder dort leichter, viel erfolgreicher war sie nicht. Und Funkstille, meine Damen und Herren, Funkstille nach der Begründung der Großen Koalition war nicht nur für unsere spezifischen agrarpolitischen Aufgaben, Funkstille war für alles andere mit Ausnahme der Wiederherstellung des finanziellen Gleichgewichts und 'der konjunkturellen Situation, weil beide Dinge die Voraussetzung sind, um andere in Bewegung zu bringen, um 'den Aufstieg zu bewältigen, in dem wir uns befinden und der uns schon wieder wegen seiner Größenentwicklung Sorge macht. Mir scheint das eine Politik gewesen zu sein, die sich auf das Wesentliche beschränkt hat, eine Politik mit einer sehr kunstvollen, überzeugenden Art, wirtschaftspolitische Mittel in der einen und in der Gegenrichtung mit diesem Ergebnis anzusetzen. Ich glaube, das sollten wir nicht schlechtmachen; die Welt urteilt gerecht und anerkennend darüber. Diesem Urteil darf sich auch die Opposition bei all ihren Verpflichtungen, die sie als spezifisches Kontrollorgan hat, durchaus anschließen. Sie befindet sich in bester Gesellschaft. ({1}) Nun zu dem, was der Herr Ertl hier wegen der Familienbetriebe ausgeführt hat. Ich glaube, wir haben dieses Thema schon so oft abgehandelt, ({2}) wir sind uns so einig. Es gibt überhaupt keinen Zweifel. Natürlich kann man fortgesetzt und immer wieder dasselbe Thema 'herausholen, es .atomisieren, neu zerlegen und wieder zusammensetzen. Ich halte von diesem Spiel nichts. Wir wissen ganz genau, daß unsere und die europäische Landwirtschaft vom Familienbetrieb geprägt ist. Das wissen wir, und das unterstützen wir; ({3}) und das verstärkt sich auch fortgesetzt, wobei die Ausfüllung dieses Betriebes immer wieder modern gehandhabt werden muß. ({4}) Ich bin auch überzeugt, daß ein Familienbetrieb durchaus fremde Arbeitskräfte haben kann, ohne den Charakter des Familienbetriebes zu verlieren. Es bleibt ein großes Problem. Wir müssen sehen, daß diese Einmann- oder Einfrau-Familienbetriebe sozial entlastet werden; ({5}) wir müssen sehen, daß wir Mittel und Wege finden, damit auch die Betriebe wenigstens an den einfachsten zivilisatorischen und sozialen Errungenschaften, des Wochenendes und des Urlaubs in einem gewissen Turnus und einer gewissen Rotation teilnehmen können. Das scheint mir die Hauptaufgabe zu sein, vor der wir stehen, wenn es richtig ist, daß - wie Sie sagen - der Mensch im Mittelpunkt steht, im Mittelpunkt der Agrarpolitik wie auch jeder anderen Politik; das ist auch unsere Meinung. Nun haben Sie eine sehr gezielte Frage gestellt. Sie haben die derzeitigen Meldungen über die Situation in der EWG usw. als Anlaß benutzt, um zu fragen, wie denn unser Verhältnis zu Frankreich sei. Meine sehr verehrten Damen und Herren, dazu folgendes. Man kann natürlich angesichts eines solchen Integrationsprozesses und bei einem 1963 geschlossenen Freundschaftsvertrag, der 800 Jahre Krieg abgelöst hat, folgendermaßen vorgehen: Man kann alle negativen, alle etwas dubiosen Elemente ausleuchten, anstrahlen und kann sagen, das ist die Situation. Das kann man aber nur, wenn man an den intensiven wirtschaftlichen Bindungen vorbeigeht, die wir mit Frankreich haben, das heute mit 11,5 Milliarden Export und Import zu unseren größten Kunden gehört. Ich denke an die wirtschaftlichen Bindungen, die von Betrieb zu Betrieb über die Grenzen hinweg bestehen. Aber noch viel mehr zählt, daß jährlich Millionen von jungen Menschen und auch Millionen Erwachsene über die Grenzen hinweg in einen menschlichen Kontakt treten. Wenn das nicht ein Ergebnis einer erfolgreichen Freundschaftspolitik ist! ({6}) Es gelingt uns ja nicht einmal in diesem Hause, in allen Fragen Einstimmigkeit herzustellen, ({7}) sogar nicht einmal dort, wo die Wissenschaft schon ein Urteil gefällt hat. Warum soll es denn bei solch einem schwierigen Integrationsprozeß, der ein Jahrtausend überwinden soll, und das in ganz kurzer Zeit, nicht einmal Rückschläge geben? Ich möchte sogar meinen, es ist ein Zeichen für die Aufrichtigkeit und Ehrlichkeit eines solchen Bemühens, wenn es einmal - wie in einer guten Ehe - auch etwas lebhafte Tage und Stürme gibt. ({8}) Wir alle kennen die großartigen Ereignisse einer Versöhnungsaktion, die auf eine solche Störung folgt. ({9}) Nun zu der Frage, meine Damen und Herren, wie sich damit unser Wunsch verträgt, England und die drei anderen Antragsteller in die Gemeinschaft aufzunehmen. Ich glaube, daß wir auch mit England in einem sehr, sehr guten Verhältnis stehen. Der letzte Besuch des englischen Prime-Minister ist nach allgemeinem Urteil, nach englischem und deutschem Urteil, sehr zufriedenstellend verlaufen. Die Engländer stehen nach wie vor auf dem Standpunkt, daß sie nur in Vollmitgliedschaft beitreten wollen, während es hier Widerstände gibt. Wir wissen auch, wo diese Widerstände stecken. Wir bedauern das, weil wir uns politisch einen anderen Weg denken könnten. Aber wir sind nicht berufene Mittler, wir sind nicht berufene Makler. Wir werden nur, wo es irgendwie möglich ist, hilfreich sein. Aber Vermittlerfunktionen stehen uns nicht zu. Wir werden jede Gelegenheit benützen - und das tun wir laufend -, um einen solchen Beitritt in dieser Zwischenphase, bis die endgültigen politischen Entscheidungen fallen, durch Vereinbarungen auf technologischem, wissenschaftlichem und anderen Gebieten zu fördern. Ich habe mich auch auf meinem eigenen Sektor bemüht, hohen englischen Beamten bei ihrem Besuch einmal unsere agrartechnische und I agrarpolitische Situation zu zeigen, damit sie aus diesen Erfahrungen zu Hause Überlegungen anstellen können, wie denn bei den unterschiedlichen Systemen, bei dem deficiency payment, das wir in England haben, und der Methode, die es in der EWG gibt, ein Weg gefunden werden kann. Das muß auch technisch vorbereitet sein. Ich werde Ende April das Vergnügen und die Ehre haben, den englischen Landwirtschaftsminister zu sprechen. Er soll alle Möglichkeiten der Besichtigung, der Einsicht und der Information bekommen, die für ihn nützlich erscheinen. Nur der Gast bestimmt, was er für ein Programm haben will. Wir sind in jeder Beziehung bereit, ihm das zu zeigen und ihn über all diese Dinge zu informieren. Dann wird sich in einem Prozeß, der in der großen Politik entschieden werden muß, auch entscheiden können, wann und wie ein solcher Beitritt geschehen kann und in welchen Stufen er sich vollziehen muß. Ich darf hier sagen, meine Damen und Herren, die Interessen der Commonwealthländer, die für England natürlich eine ganz besondere Bedeutung haben, können auch uns nicht gleichgültig sein, weil wir mit diesen Ländern beste und freundschaftliche Beziehungen unterhalten und immer wieder feststellen können, daß gerade die Commonwealthländer in allen internationalen Fragen treu und sehr loyal zu unseren großen Problemen gestanden haben. Ich glaube, die Situation gegenüber Frankreich und gegenüber England in einer Weltlage, die von so viel Spannungen erfüllt ist, kann sich durchaus sehen lassen. Wir jedenfalls, die deutsche Bundesregierung und das Hohe Haus, bemühen sich in Billigung dieser Politik, gute Beziehungen zu allen Ländern zu unterhalten und auf Entspannung zu drängen und jede Gelegenheit zu nützen, in der wir irgendwie etwas dazu beitragen können, diese Verhältnisse zu bessern. Herr Kollege Ertl, ich glaube, Sie haben unrecht, wenn Sie sich darüber beschweren, daß diese Debatte nicht zweigeteilt wurde. Man kann heute über Agrarpolitik ohne EWG nicht mehr sprechen; beides ist so verzahnt und mit so viel Fäden verbunden, daß es zusammengehört. Die Entscheidung des Altestenrates war nicht eine Entscheidung gegen Sie, sondern eine Entscheidung im Interesse der Sache. Was nun Ihre Ausführungen im Deutschlandarchiv über die Betriebsergebnisse der Kooperationen betrifft, so sind wir uns vollkommen einig, daß man hier nicht von Kooperation, sondern von Kollektiv sprechen muß. Das sind Zwangsvorgänge, mit denen wir nichts zu tun haben. Wir können sie auch gar nicht in Vergleich setzen, weil alle psychologischen Elemente fehlen, die wir in unsere Wirtschaft eingespannt haben, um sie zu diesen Ergebnissen zu bringen. Was das Mansholt-Memorandum betrifft, meine Damen und Herren, so meine ich folgendes: Wir haben uns schon am zweiten Tag nach der Veröffentlichung hier im Bundestag in einer Aktuellen Stunde und bei vielen anderen Gelegenheiten so deutlich geäußert, daß man das deutlicher überhaupt nicht mehr tun kann. Ich glaube nicht, daß ich Ihnen alle diese Dinge wiederholen muß. Es kann gar keinen Zweifel darüber geben, daß eine ganze Reihe von Vorstellungen unserer eigenen Auffassung entspricht, und zwar im sozialen und im humanitären Bereich. In der Größenordnung werden wir uns unterscheiden. Vor allem müssen wir uns darin unterscheiden, wie die Finanzierung geschehen soll. Ich glaube nicht, daß angesichts der Haushaltsbelastung eine vernünftige Chance besteht, eine Agrarstrukturpolitik über diese sechs Länder hinweg gemeinsam zu finanzieren, selbst wenn man das wollte. Uns fehlen die Mittel, und anderen Ländern fehlen sie auch. Vor allem sind auch die Rückstände der einzelnen Länder in der Entwicklung zu einer modernen Agrarstruktur sehr differenziert. Wenn Sie die Zahlen für Italien mit 24% landwirtschaftlichem Bevölkerungsanteil und Frankreich mit einem Anteil von 16 oder 17 % in Gegensatz zu den Zahlen für Belgien mit 6% setzen, dann ist eigentlich alles ausgesagt. Wir haben uns eindeutig geäußert, daß für uns die Freiwilligkeit und das Privateigentum heute und in der Zukunft unverzichtbare Bestandteile sind, so wie es der Kollege Struve hier vorgetragen hat. ({10}) Wir halten nichts davon, daß man zwei Typen herausgreift und sie als Modell in eine Landschaft stellt und glaubt, es gäbe eine vernünftige Aussicht, das zu verwirklichen, selbst wenn man das wollte. Der Grundirrtum scheint mir darin zu bestehen, daß der Herr Vizepräsident Mansholt von einer ModellvorBundesminister Höcherl stellung ausgeht, die man in einem großräumigen Land wie Amerika oder in einem dünnbesiedelten Land wie Kanada oder Südamerika durchaus verwirklichen kann und vielleicht auch anstreben sollte. ({11}) Bei unserer Bevölkerungsdichte von 240 Menschen auf den Quadratkilometer - in Europa sind es 180 - und bei der Armut an guten Böden ist es völlig aussichtslos, so etwas zu verwirklichen, selbst wenn man das wollte. Das heißt nicht, daß es keine Großbetriebe mit wirklich fundierten Funktionen gibt, daß es keine Kooperationen und keine Spezialisierungen gibt, die wir ebenfalls unterstützen. Vor allem möchte ich die kleinen Betriebe zu einer Kooperation bringen, damit sie etwas extensiver wirtschaften und ihre Arbeitskraft für zusätzliche Aufgaben freibekommen. Das ist eine Art von Kooperation, die uns auch die Kulturlandschaft und die Besiedlung des ländlichen Raumes in der Form erhält, wie wir es gewohnt sind und nicht missen möchten. Es ist schon oft gesagt worden - ich wiederhole es -, daß wohl auch diejenigen, die das nicht so artikulieren und nicht so aussprechen, dieselbe Einstellung und dieselbe Überzeugung haben. Eine solche Überzeugung gewinnt nicht dadurch, daß man immer wieder, jeden Tag dieselbe Frage stellt; man muß sie immer wieder beantworten. Wir kommen eher in den Verdacht, daß es sich um rhetorische Kunststücke und nicht um ernsthafte Aufklärungsbedürfnisse oder ernsthafte Diskussionsbeiträge handelt. ({12}) Deutlicher als in meiner Einbringungsrede möchte ich sagen, daß die Preispolitik der Atem für die Strukturpolitik ist, die ja auf lange Sicht angelegt ist. In einer Zeit, in der alle anderen Wirtschaftsgruppen, sei es auf dem Lohnsektor, sei es auf dem Sektor der Abwälzung ihrer Kosten, ihre Situation zu verbessern suchen, muß auch hier etwas geschehen, das ist doch ganz klar. Ich gehe über die Beschlüsse des Europäischen Parlaments hinaus. Ich habe von meiner Regierung die Erlaubnis bekommen, auf dem Gebiet der Getreidepreise dort eine Bewegung nach vorne zu machen, wo die Relationen falsch sind. ({13}) Wir haben durch die bisherigen Verhandlungen in Brüssel, die ja noch kaum in die Tiefe der Sache eingedrungen sind, bereits erreicht, daß die Vorschläge der Kommission, die nach unten gehen, unter gar keinen Umständen angenommen werden. Darüber besteht Einigkeit, so daß wir heute auf der Basis der Vorschläge Belgiens verhandeln, wonach die alten Preise beibehalten werden sollen. Die deutsche Delegation hat erklärt, daß das die Ausgangsbasis ist. Wir haben da und dort Reparaturen anzubringen, darüber gibt es keinen Zweifel. Ich möchte mich auf das heikle Gebiet der kostendeckenden Preise bei den unterschiedlichen Produktionsbedingungen nicht einlassen. Ich möchte nur sagen, es müssen Preise sein, mit denen ein vernünftig geführter Betrieb in der entsprechenden Faktorzusammensetzung einen vernünftigen, die Familie erhaltenden Gewinn herauswirtschaften kann. Das verstehe ich darunter. Dies ist für einen Großbetrieb mit günstigen Produktionsbedingungen besonderer Art oder für einen kleinen Betrieb ganz verschieden. Ich nehme einen mittleren Fall heraus und orientiere mich daran. Da stehen wir gar nicht so schlecht. Seit die Franzosen im Jahre 1966 die Politik des leeren Stuhls aufgegeben haben, hat es in dieser Bundesregierung keine einzige Preisbewegung gegeben, die nicht nach oben gezeigt hätte. Das gilt von der Milch bis hin zum Orientierungspreis bei Rindern. Sie kennen alle diese Einzelheiten; Sie werden informiert. Sie erhalten ja schon am zweiten Tag nach jeder Verhandlung einen genauen Verhandlungsbericht. Auch die Große Koalition hat diese Linie fortgesetzt. Es kann doch niemand einfach immer wieder mit diesen alten Forderungen kommen, wenn er sieht, daß wir einen Kompromiß schließen mußten. Die Interessengegensätze sind sehr groß. Die Länder, die in der EWG aus einem Niedrigpreissektor kommen wie z. B. Holland, sind nämlich in der Preispolitik keineswegs so orientiert und interessiert wie wir. Wir können nur einstimmig Beschlüsse fassen und müssen daher einen Vergleich schließen. Das heißt immer, daß wir nicht alle Forderungen durchziehen und erfüllen können. Aber die Tendenz ist so: alle unsere Preisbeschlüsse sind nach oben gerichtet, damit wir der Kostenentwicklung gerecht werden können. Das ist die Wirklichkeit. Sie steht für jeden offen. Auch Sie, Herr Kollege Ertl, wissen das ganz genau. Darum hat eine solche Frage, auch wenn wir sehr viele bäuerliche Besucher haben, keinen Sinn. Sie ist nicht aus dem Sachverhalt abgeleitet, sondern sie ist für andere Zwecke bestimmt. Ich sage Ihnen, wir werden diese Politik mit Maß und Vernunft, auch im Interesse des Verbrauchers, der hier ebenfalls ein Mitwirkungsrecht hat, fortsetzen, und zwar in einer Form, die für alle Teile, den Erzeuger, den Verarbeiter und den Verbraucher, vor allem den Verbraucher mit kleinerem Geldbeutel, mit kleineren Möglichkeiten, tragbar ist. Das ist unsere Absicht, und daran hat sich nichts geändert, und die allerjüngsten Schritte und Entscheidungen lauten genauso.

Walter Scheel (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001949

Wollen Sie jetzt eine Zwischenfrage erlauben, Herr Bundesminister?

Hermann Höcherl (Minister:in)

Politiker ID: 11000912

Ja, bitte!

Walter Scheel (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001949

Bitte, Herr Kollege Ertl!

Josef Ertl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000493, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Bundesminister, würden Sie mir zustimmen, daß die Verhandlungen, die Sie in Brüssel über die Neufestsetzung der Preise führen, sich, was die Preise angeht, nicht in Übereinstimmung mit dem gemeinsamen Beschluß befinden, der nicht zuletzt auf einen Antrag Ihrer Fraktion und meiner Fraktion zustande gekommen ist?

Hermann Höcherl (Minister:in)

Politiker ID: 11000912

Herr Kollege Ertl, das ist formell richtig. Aber Sie wissen ganz genau, welche Schwierigkeiten bestehen. Wenn Sie an meiner Stelle in Brüssel wären, wäre es für Sie nicht anders. Sie haben, so wie ein gutes Parlament mit seiner Regierung umgeht, einen Beschluß gefaßt, der etwas vorhält. Das ist eine ganz gute Angelegenheit. Das hilft mir. Aber wie sich bei der Verwirklichung die Dinge im Raum stoßen, das wissen Sie ganz genau. Es ist außerordentlich schwierig, bei einem Weichweizenüberschuß von 6 Millionen t mit einer starken Empfehlung zu kommen, den alten Weichweizenpreis wiederherzustellen. Wir müssen in dieser Frage zwei Richtungen bekommen: Futterweizen und Qualitätsweizen. Das sind die beiden Richtungen, in denen sich die Weizenproduktion in der Zukunft entwickeln muß. Ich fasse diesen Beschluß so auf, wie man ihn politisch auffassen muß: als eine hilfreiche Aktion des Parlaments für die Delegation, aber nicht als einen Auftrag, ich möchte einmal sagen, wie bei einer Versteigerung, daß man nur bis zu diesem Limit gehen darf. Das wissen Sie alles ganz genau. Sie brauchen nur Ihre Wirtschaftsfachleute zu fragen. Sie teilen sich ja immer. Sie stellen hier den landwirtschaftlichen Flügel mit ganz anderen wirtschaftspolitischen Vorstellungen. ({0}) - Ihre Wirtschaftspolitiker bleiben gar nicht da, weil sie das, was Sie hier vortragen, einfach nicht hören können. ({1}) Aber nichts für ungut! Ich bitte, zu entschuldigen, daß ich den Redefluß dieser sehr interessanten Debatte unterbrochen habe. Ich wollte aber dem Kollegen Ertl unmittelbar erwidern. Er hat sehr temperamentvoll und überzeugend gesprochen. Was sein 13-Punkte-Programm angeht - man sieht, er ist nicht einmal abergläubisch -, so kann ich zu allem ja sagen. Es ist kein einziger Punkt dabei, in dem ich anderer Meinung bin. Aber wir wissen ja alle ganz genau: nicht das Wünschen macht es aus, sondern das Verwirklichen, und das ist etwas schwieriger. ({2})

Walter Scheel (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001949

Das Wort hat jetzt Herr Kollege Bauer ({0}).

Josef Bauer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000107, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Wenn man über den Ablauf der heutigen Debatte die erste Bilanz ziehen will, ist man fast versucht, zu sagen, daß dieses Haus von links bis rechts in den Grundsätzen unserer Agrarpolitik, wie wir von der Union sie seit vielen Jahren maßgeblich bestimmt haben, plötzlich weitestgehend übereinstimmt. Das trifft insbesondere für Sie zu, Herr Kollege Schmidt. Das ist eine großartige Stunde der Wahrheit, die ich heute morgen hier erlebt habe. Sie meinten, Sie mußten in der Großen Koalition - ich komme darauf zu sprechen, um diesen Irrtum auszuräumen - zunächst 11/2 Jahre aufräumen. Ich glaube, so ähnlich haben Sie sich ausgedrückt. Sie meinten, 'Sie mußten Aufräumungsarbeiten leisten. Ist das so richtig? Sie mußten bei Ihrer Fraktion aufräumen mit der Meinung, daß man Agrarpolitik etwa ohne eine vernünftige Preispolitik betreiben könne. Das haben Sie uns heute hier klargemacht. Ich bin Ihnen dankbar dafür. ({0}) Herr Kollege Schmidt, Sie mußten weiter mit der Erkenntnis aufräumen, daß nicht alles, was Herr Mansholt uns immer wieder serviert, mit der Politik dieser Regierung der Großen Koalition, in der Sie sich zur Zeit befinden, zusammenstimmt und zusammenpaßt. Sie haben heute erfreulicherweise ein Bekenntnis abgelegt, daß es in der Strukturpolitik keinen Druck gegenüber der Landwirtschaft geben soll, sondern daß auch nach Ihrer Auffassung die Freiwilligkeit den Primat hat. Wenn Sie am Schluß dann noch von den grauenvollen Markteingriffen, die der Herr Mansholt erfunden hat, gesprochen haben, so kann ich nur sagen: eine herrliche Stunde der Wahrheit für mich, der ich diese Debatten hier nun 16 Jahre lang mitmache. Für mich wird dies wahrscheinlich die letzte Debatte über den Grünen Plan sein, weil ich zu denen gehöre, die nicht wieder in den Bundestag einziehen werden.

Walter Scheel (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001949

Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Herr Kollege?

Josef Bauer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000107, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Bitte sehr!

Gerold Wächter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002402, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Kollege Bauer, kommen Sie auf Grund Ihrer Ausführungen zu dem Ergebnis, daß die Kollegen von der SPD bei Ihnen doch allerhand gelernt haben und sehr willfährige Lehrlinge gewesen sind?

Josef Bauer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000107, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege, so hart wollte ich es gar nicht sagen. Ich habe nur die Aufräumarbeit unserer Freunde von der SPD klarstellen wollen. Ich bin sehr glücklich darüber, daß hier aufgeräumt worden ist. Aber jetzt sind Sie gleich an der Reihe. Es wäre vernünftig, wenn Sie nicht .so voreilig wären. Sie kommen nämlich gleich dran.

Walter Scheel (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001949

Erlauben Sie eine weitere Zwischenfrage?

Josef Bauer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000107, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Bitte sehr, Herr Präsident, wenn das die Zeit nicht allzusehr in Anspruch nimmt.

Gerold Wächter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002402, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Sie wollen damit sagen, daß Sie bei der SPD zunächst einmal den Schutt beseitigen mußten?

Josef Bauer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000107, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege, ich habe einen Ausdruck meines Kollegen Schmidt aufgegriffen, der von „11/2 Jahren Aufräumungsarbeiten" sprach. Da das Mißverständnis entstehen konnte, als ob hier Schutt aus der Vergangenheit Bauer ({0}) übriggeblieben wäre, die Sie ja mitgestaltet haben, habe ich klargemacht, worin ich diese agrarpolitischen Aufräumungsarbeiten bei unseren Freunden von der SPD gesehen habe. Das ist jetzt klargestellt. Nun erlauben Sie mir bitte eine Bemerkung zu dem, was der Kollege Ertl gesagt hat, der ja zunächst für die FDP gesprochen hat. Herr Kollege Ertl, ich stelle mit großem Vergnügen fest, daß wir heute hier kein bayerisches Fingerhakeln miteinander zu betreiben brauchen. Ich habe ja immer das Vergnügen gehabt, als nächster nach Ihnen zu reden. Mir war es manchmal geradezu peinlich, daß wir sozusagen immer eine bayerische Einlage liefern mußten. Heute brauchen wir das nicht zu tun. Ich stimme weitgehend mit den grundsätzlichen Feststellungen, die Sie hier getroffen haben, überein. Darum sage ich am Schluß: Wer ist denn nun eigentlich derjenige, der hier noch übrigbleibt, gegen den wir uns zu wenden haben? Denn unsere Landwirtschaft lebt doch nach wie vor in großer Sorge um die Zukunft. Wer ist es eigentlich, dem wir uns nun zuzuwenden haben? Meine Damen und Herren, ich nehme an, daß es noch Redner nach mir geben wird, die die Frage beantworten werden, ob das, was uns heuer als Weihnachtsbotschaft aus Brüssel in Form des sogenannten Mansholt-Memorandums - 600 oder 700 Seiten Papier waren es - in unsere Landschaft und insbesondere in unsere ländlichen Gebiete an Aussagen hineingeflattert ist, einzig die Politik ist, die wir gemeinsam ablehnen müssen. Ich habe mir heute aber eine ganz andere Aufgabe gestellt. Mit großer Freude und Aufmerksamkeit habe ich die Drucksache V/3810 gelesen. Dort sind am Ende die Schlußfolgerungen des Bundesministers für die künftige Agrarpolitik aufgeführt. Er stellte sie in zehn Thesen zusammen. Mit diesen zehn Thesen möchte ich mich etwas beschäftigen. Ich bitte um Erlaubnis, Herr Präsident, diese zehn Thesen zur Information des Hauses jeweils vorzulesen; denn ich gehe nicht davon aus, daß wir den Bericht alle schon so oft gelesen haben, daß jeder weiß, wie diese Thesen lauten. Da heißt es: „1. Agrarpolitik ist ein wichtiger Teil der allgemeinen Wirtschaftspolitik." Sehen Sie, das ist für mich auch so, wie alte Weisen klingen, denn das haben wir hier unentwegt und immer wieder gesagt. Herr Bundesminister, ich möchte aber noch etwas hinzufügen. Es ist notwendig, daß diese Aussage in dieser Koalition zur gemeinsamen Erkenntnis gebracht wird. Denn wenn gesagt wird, die Agrarpolitik sei ein Teil der allgemeinen Wirtschaftspolitik, heißt das für mich: mit allen Rechten und Pflichten. Dazu gehört z. B. dann auch der Anspruch im Bereich der Preispolitik. Es ist unmöglich, ins Land hinaus zu verkünden, in anderen Bereichen gebe es sechs Prozent und drei Tage mehr Urlaub und was weiß ich noch, und in einem halben Jahr steigt dann der Lohn wieder um zwei Prozent. Das gönne ich von Herzen allen, die es betrifft; jeder soll das haben. Aber dann zu sagen, bei der Landwirtschaft, wo praktisch der Preis für das Produkt. den Lohn darstellt, müsse man passen, dort passe dieses Instrument nicht mehr in die Landschaft, stellt, meine ich, eine Lücke in den Kenntnissen dar, wenn es andererseits heißt, Agrarpolitik sei ein Teil der gesamten Wirtschaftspolitik. ({1}) - Ich möchte haben, daß diese Landwirtschaft auch Anteil an der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung nimmt, Herr Dr. Schmidt, und hier ist in Ihrem Bereich noch ein Stück auszuräumen, ({2}) um wieder von den Ausräumarbeiten zu sprechen. ({3}) - Ich bin ja glücklich, es kommen noch Redner nach Ihnen; diese werden dann meine schrecklichen Mißverständnisse ausräumen. Ich freue mich aber noch mehr, nachdem ich gehört habe, daß der Herr Wirtschaftsminister selbst heute noch antreten wird. Ich wäre sehr glücklich, wenn er dieses Mißverständnis von mir heute nachmittag ausräumte und endlich klarmachte, daß diese Landwirtschaft ein Teil unserer Gesamtwirtschaft ist und daß er sie unter die gleichen Prämissen stellt, wie er das ganz selbstverständlich und automatisch in den übrigen Bereichen der Wirtschaft unentwegt von Veranstaltung zu Veranstaltung verkündet, daß man nämlich den wirtschaftlichen Fortschritt an alle Beteiligten in der Wirtschaft weitergeben müsse. Und dazu gehört für mich auch die Landwirtschaft. ({4}) - Ich sage ja, ich wäre glücklich, wenn er es täte. Flüstern Sie es ihm vorher noch zu, damit wir da nicht einen falschen Zungenschlag bekommen. ({5}) - Manchmal wäre es schon notwendig. Nehmen Sie seine letzte Rede in Frankfurt und lesen Sie dann hinterher gleichzeitig nach, was es zu dieser Rede für Kommentare gegeben hat. Ich bin doch froh, wenn Ihr Minister in allen Dingen recht bekommt. ({6}) - Warten Sie es doch ab; hoffentlich kommt es so weit, hoffentlich können wir das im Sommer und im Herbst auch noch sagen. ({7}) - Jetzt im Augenblick rede ich davon, daß wir, wenn festgestellt wird, daß diese Landwirtschaft ein Teil der Gesamtwirtschaft ist, dann auch alle Rechte und alle Pflichten haben wollen. Zweitens heißt es: „Richtschnur für die künftige Agrarpolitik ist das Agrarprogramm der Bundesregierung." Meine Damen und Herren, ich glaube, auch hier haben wir weitgehend Übereinstimmung, auch mit Ihnen, Herr Dr. Schmidt. Wenn Sie am Agrarprogramm etwas beanstandet haben, dann war es das Tempo, daß alles nicht so rasch verwirklicht worden ist. Auch von der FDP habe ich keine wesentliche Kritik gehört. Aber, Herr Bundes11770 Bauer ({8}) minister oder Herr Staatssekretär, darf ich eine Frage an Sie stellen: Haben Sie die „Süddeutsche Zeitung" vom 25. Februar gelesen und das, was dort wieder der Widersacher - ich kann ihn beinahe nicht mehr anders nennen -, Herr Mansholt, über das Agrarprogramm der Bundesregierung gesagt hat? Wenn das noch nicht geschehen ist, dann empfehle ich, das schleunigst nachzulesen; denn mir scheint es notwendig zu sein, Herrn Mansholt das zu sagen, was Sie als Ihre zweite These hinstellen, daß nämlich die Richtschnur für unsere Agrarpolitik das Agrarprogramm der Bundesregierung ist. Das scheint sich zumindest bei Herrn Mansholt noch nicht deutlich genug herumgesprochen zu haben. Der dritte Punkt heißt dann: „Die bisherige Globalsteuerung als Instrument muß vor allem in den ländlichen Problemgebieten durch Verstärkung der bisherigen regional- und raumpolitischen Maßnahmen wirksamer gestaltet werden." Sehr einverstanden, meine Damen und Herren! Darf ich aber einmal fragen: Wie weit ist denn die Koordinierung, die zur Entwicklung dieser wirtschaftlichen Räume zunächst einmal innerhalb der einzelnen Ressorts, angefangen vom Wirtschaftsminister über den Landwirtschaftsminister, den Wohnungsbauminister und den Innenminister, den Finanzminister nicht zu vergessen, innerhalb dieser Regierung und zwischen der Bundesregierung und den für die Ausführung vorrangig zuständigen Ländern notwendig ist? Sind wir in der Frage der Koordinierung wirklich ein wesentliches Stück weitergekommen? Voraussetzung ist doch, daß hier, wie gesagt, von einem gemeinsamen Notenblatt gespielt wird. Ich halte nicht für sehr glücklich, was etwa in meinem Bereich geschehen ist. Wir sind ein Bundesfördergebiet, in dem auf der einen Seite der Wirtschaftsminister fördert und auf der anderen Seite der Verkehrsminister beginnt, die Verbindungen aufzurollen und abzubauen. Das ist ein Mangel an Koordinierung. Hier wäre noch ein bißchen Nachhilfe dringend notwendig, damit es besser als in der Vergangenheit funktioniert. Dann heißt es unter Nr. 4: „Die Markt-, Preis-, Struktur-, Sozial- und Bildungspolitik müssen als Mittel zur Verbesserung der Landwirtschaft in engem Zusammenhang gesehen werden." Das scheint mir eine sehr bedeutsame Feststellung zu sein. Aber ist sie nicht geradezu eine Antithese zu dem EWG-Memorandum, in dem im wesentlichen nur noch von der Struktur- und Sozialpolitik die Rede ist und in dem bei allen übrigen Dingen mehr oder minder Fehlanzeige anzumelden ist. Auch hier meine ich, um wieder nach ,der Regierungsbank zu sprechen, es wäre gut, wenn man diese zehn Thesen, in Gold eingerahmt, beim nächsten Besuch von Herrn Mansholt hier oder unserer Politiker dort überreichen würde, um klarzumachen: das ist die gemeinsame Erkenntnis dieses Hohen Hauses, dieses Deutschen Bundestages und dieser Bundesregierung. Wir stehen dahinter. Wir möchten bitten, ,daß auch Herr Mansholt davon Kenntnis nimmt. ({9}) - Auch er sollte davon Kenntnis nehmen, einverstanden, Herr Kollege! Sind Sie dann unbedingt der Meinung, daß etwa bei unseren Wirtschaftsbossen die politische Erkenntnis immer besonders groß geschrieben wird? Verzeihen Sie, wenn ich als Mann der Wirtschaft das einmal selber sage. Dort klaffen leider Gottes oft sehr große Wissenslücken. Vielleicht ist es unsere Schuld, daß wir zu wenig tun, um die Wirtschaftler auf diesem Gebiet ein bißchen zu fördern. An mir oder an uns soll es nicht liegen. Daß hier in der Tat manchmal Fehlentscheidungen entstehen und Fehlbeurteilungen vorhanden sind, wissen Sie doch so gut wie ich, Herr Kollege. Ich glaube, auch da sind wir uns einig. Dann heißt es unter Nr. 5: „Soziale Härten müssen bei dem Anpassungsprozeß durch gezielte Hilfen gemildert werden." Hier möchte ich an die Bundesregierung eine ganz aktuelle Frage stellen: Gehört etwa zur Vermeidung von Härten, was zur Zeit bei der Altershilfe für die Landwirte geschieht? Wir versuchen im Augenblick mit einem offiziellen Förderungsprogramm ,der Bundesregierung Beihilfen für die Altersversorgung von Landwirten im Alter zwischen 55 und 65 Jahren und darüber zu geben, um den Strukturwandel noch mehr zu beschleunigen. Herr Staatssekretär, dann muß die Bundesregierung doch gleichermaßen dafür sorgen, daß ,das Ungleichgewicht, das in der Altersversorgung der Landwirte entsteht, durch Förderungsmittel ausgeglichen wird. Hierfür haben wir doch glänzende Beispiele. Wir, meine Freunde von ,der CDU/CSU, haben uns nie widersetzt, wenn in anderen Strukturbereichen tatkräftig geholfen wurde. Ich nenne das Stichwort Knappschaft. Ich nenne das Stichwort Kohle. Wir haben uns nie dagegen gewehrt. Aber ich sehe eigentlich nicht recht ein, weshalb dann, wenn dasselbe in einem anderen schwierigen Strukturbereich geschieht, nicht die gleichen Regeln gelten. ({10})

Walter Scheel (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001949

Herr Kollege Bauer, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Kollegen Dorn?

Josef Bauer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000107, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Dorn, bitte sehr! Wir möchten um 13 Uhr zu Ende kommen.

Wolfram Dorn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000409, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Kollege Bauer, können Sie mir sagen, wie die Bundesregierung Ihre Frage beantworten soll, wenn auch heute, wie in den letzten Wochen üblich, kein Minister auf der Regierungsbank sitzt?

Josef Bauer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000107, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Aber verehrter Herr Dorn, der zuständige Ressortminister und, wenn ich es recht gesehen habe, die zuständigen Staatssekretäre aus dem Wirtschafts- und dem Landwirtschaftsministerium waren bis vor wenigen Minuten hier. Wie 'Sie wissen, haben wir im Augenblick einen hohen Staatsgast beim Herrn Bundespräsidenten. Die Herren - das gehört leiBauer ({0}) der zum Protokoll - müssen sich vermutlich umziehen, um um 13 Uhr dort zu sein, um einen nicht ganz unwichtigen Bündnispartner dieser Bundesrepublik Deutschland in gebührender Form zu begrüßen. Deshalb sollten solche Fragen unterbleiben, Herr Dorn. ({1}) Das gehört zum schlechten Stil in diesem Haus. Sie sind genauso dafür verantwortlich. ({2})

Walter Scheel (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001949

Würden Sie eine Frage des Herrn Abgeordneten Ertl beantworten?

Josef Ertl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000493, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Kollege Bauer, würden Sie mir zustimmen, daß es nach dem Prinzip der Gewaltenteilung sinnvoll wäre, die Geschäftsordnung so einzuteilen, daß dieses Parlament nicht ständig vor leeren Regierungsbänken zu tagen hat?

Josef Bauer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000107, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr verehrter Herr Kollege Ertl, im Prinzip sollten wir uns in diesem Hohen Hause darüber einig sein. Ich habe aber die ganz konkrete Beanstandung Ihres Kollegen Dorn, daß nämlich im Augenblick die Regierungsbank schlecht besetzt ist, zurückgewiesen, weil nach meiner Ansicht weiß Gott genügend gute Gründe dafür vorliegen, daß es so ist. Außerdem sehe ich hinter dieser Regierungsbank, wenn ich mich nicht irre, eine große Anzahl hoch dotierter und hockqualifizierter Beamter sitzen, denen ich zutraue, daß sie das, was wir heute hier sagen, ihren Ministern übermitteln. Außerdem sitzt da unten ein ausgezeichneter Stenographischer Dienst, dem ich zutraue, daß er selbst bei meinem Sprechtempo alles genau mitbekommt und es auch auf diese Weise übermittelt wird. ({0}) - So, jetzt ist Schluß mit Zwischenfragen in bezug auf die Regierungsbank! Oder haben Sie etwas anderes, Herr Porsch? Dann lasse ich sie zu. ({1}) - Nein! Nicht mehr, Herr Porsch! Seien Sie mir nicht böse. Zum Stil dieses Hauses gehört auch, daß man die Zeit nicht verplempert. Wenn hier genügend Leute sitzen, die sachlich diskutieren wollen, dann macht man nicht in Polemik, sondern macht hier die Debatte, die heute ansteht; das ist die Debatte über den Grünen Plan und nichts anderes. ({2}) Sechstens heißt es dann: „Das Überschußproblem auf bestimmten landwirtschaftlichen Märkten muß in einer für den Staat, den Verbraucher und die Landwirtschaft tragbaren Weise im Rahmen der EWG gelöst werden". Das Überschußproblem muß für Staat, Verbraucher und Erzeuger also tragbar gelöst werden. Nun, meine sehr verehrten Damen und Herren, dafür gibt es auch wieder ein klassisches Beispiel, wie man es nicht machen kann. Damit meine ich dasselbe, was Sie schon verurteilt haben, Herr Kollege Schmidt. Wenn ich nämlich an das sogenannte Milch-Papier innerhalb der Mansholt-Vorschläge denke, dann, so muß ich schon sagen, reut mich fast das Geld, das wir dorthin noch länger zahlen, wenn das das Produkt der Arbeit dort ist, wenn man so praxisfremd, wenn man so fern von jeder Erfahrung hier Vorschläge produziert und offensichtlich glaubt, uns derartige Dinge vorlegen zu können und erwartet, daß wir es auch noch schlucken. Hier muß ich schon einmal sagen: Hohe Behörde und Höchste Behörden in Brüssel, bevor ihr so etwas gebärt und in die Welt setzt, seid doch wenigstens so klug, wie es andere Leute und auch wir machen müssen, nämlich sich rechtzeitig mit allen Seiten über die Praktikabilität eines solchen Projekts zu unterhalten und zu fragen, ob damit wirklich etwas anzufangen ist. Meine Damen und Herren, das Milch-Papier in diesem Mansholt-Memorandum ist für mich das klassische Beispiel dafür, wie man es wirklich nicht machen kann, wie man wirklich danebenhauen kann, wie man Geld verplempern kann. Hier kann ich nur an die Finanzminister den dringenden Rat und die Bitte richten: Halten Sie den Geldsack zu für solche Dummheiten! ({3}) Was geschieht denn hier? Man sagt: Man baut Butterhügel ab und baut dafür Eiweißberge auf. Aber was noch viel schlimmer ist: man zerstört bisherige Preisgrundlagen, beispielsweise bei der Butter, auf Nimmerwiedersehen. Wenn wir heute beginnen, diese Preisgrundlagen in dem Ausmaß, wie es die EWG - Herr Mansholt - vorgeschlagen hat, zu versuchen, dann lassen Sie mich hier öffentlich feststellen - und hier darf ich ausnahmsweise mal den Propheten spielen -: Sie werden dieses Preisniveau nie mehr wiederbekommen, es sei denn, es entsteht irgendein Gewaltschnitt, daß z. B. die Währung kaputtgeht. Das sind aber alles Dinge, die wir alle miteinander sicher nicht wollen. Aber sonst bekommen Sie es nie mehr wieder. Deshalb warne ich davor, einen solchen Weg zu gehen. Wie ich überhaupt ein bißchen überrascht bin darüber, daß man sich bezüglich der Produktionssenkung eigentlich nicht mehr hat einfallen lassen, als es bisher geschehen ist. Es gibt soviel elegante Methoden der Produktionslenkung an Stelle dieser harten Eingriffe der Produktionssenkung. Ich will nur ganz am Rande ein paar nennen. Produktionssenkung im Sinne von Herrn Mansholt, um es in Ihr Gedächtnis zurückzurufen, das ist der Schlachtermeister, der den Kühen die Hälse abschneidet, das ist der Bodenstilleger, das ist die Ausmerzung, wie mein Freund Unertl mal gesagt hat, von Bauern aus der Landwirtschaft. Das sind die harten Maßnahmen, wenn man es so darstellt. Welches sind die eleganten Maßnahmen? Wer würde eigentlich bei uns in der Bundesrepublik wirklich Schaden leiden, wenn wir zunächst einmal dafür sorgten, vorübergehend entstehende Über11772 Bauer ({4}) produktionen in einer sinnvollen Weise unserer Verbraucherschaft zukommen zu lassen? Wer eigentlich ist in diesem Hause je dagegen gewesen, daß wir aus der Kriegszeit stammende Gesetze und Verordnungen rasch und schleunigst aufheben und wieder zu normalen Zuständen zurückkehren? Bei der Trinkmilch haben wir heute noch einen Rest an sogenannter Kriegsgesetzgebung. Bei der Trinkmilch tun wir nach wie vor so, als ob wir noch in den schwersten Zeiten des Mangels lebten. Es kann doch nicht wahr sein, was mir kürzlich einer erzählt hat, daß unsere Frau Gesundheitsministerin sich so sehr gegen die Auffettung der Trinkmilch wehrt, weil sie auch aus gesundheitlichen Gründen Angst hat, daß die Bundesbürger verfetten, wenn man ihnen wieder die Milch, so wie sie die Kuh gibt, verabreicht. Oder es kann doch, Herr Kollege Schmidt, hoffentlich nicht stimmen, daß der Wirtschaftsminister Sorge um die Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft hat, wenn durch den Milchkonsum etwa pro Kopf der Bevölkerung eine Verteuerung um den Wert einer oder eineinhalb Schachteln Zigaretten eintreten würde. Das kann doch hoffentlich nicht sein! Ich wäre sehr dankbar, wenn wir heute nachmittag vom Herrn Wirtschaftsminister hörten, daß das nicht so ist, sondern daß er durchaus für sinnvolle, natürliche Beseitigung von Überschüssen ist. Das würde ich heute nachmittag sehr gern hören, auch, daß die große Sorge der Frau Kollegin Strobel nicht wahr ist. Ich hätte gern von Frau Strobel auch einmal einen ganz natürlichen Beitrag zum Abbau unserer Überschüsse hier in der Bundesrepublik, I Herr Kollege Schmidt. Wir alle und unsere verehrte Frau Kollegin Strobel, als sie noch auf diesen Bänken mit uns saß, haben uns mit Leidenschaft dafür eingesetzt, daß wir rasch unsere Viehbestände in der Bundesrepublik gesund gemacht haben. Warum ist es nicht möglich, daß einmal aus dem Munde der Frau Gesundheitsministerin gesagt wird, mit welchem Risiko man eigentlich französische, noch nicht sanierte Milchprodukte verzehrt? Ich weiß, daß wir die Mängel nicht kennzeichnen, daß wir sie nicht untersuchen und feststellen können, das alles weiß ich. Aber es kann uns nicht verboten sein, darauf hinzuweisen. Mir soll kein Franzose oder kein Italiener sagen, daß sie sich dieses Werbemoment nicht schon längst zu eigen gemacht hätten, wenn sie in der umgekehrten Situation wären. ({5}) Wir sollten es eigentlich auch tun. Heute ist angekündigt worden, daß wir noch mehrere Reden von hohen Ministern hören werden. Ich spreche das alles deshalb an, weil ich hoffe, daß das darin alles enthalten ist, daß wir beruhigt werden und uns gesagt wird: Selbstverständlich war das nie der Fall, sondern wir sind dafür, daß die Trinkmilch endlich wieder mit dem natürlichen Fettgehalt ausgegeben wird; wir sind dafür, daß unseren Verbrauchern deutlich gemacht wird, daß sie von unseren eigenen Milcherzeugnissen unbesorgt genießen können, ohne Reue, ohne Angst haben zu müssen, daß ihnen irgend etwas passiert. ({6}) - Sehr verehrter Herr Kollege, auf diesen Zwischenruf habe ich schon längst gewartet. - Ja, ja, das ist ein unangenehmes Blaba, das weiß ich schon. ({7}) - Ich weiß es am besten! Herr Kollege, Sie sollten zu der Frage mal nachlesen, was in diesem Hohen Hause über die Kennzeichnung als tbc- und bangfrei schon mal gesprochen worden ist. Lesen Sie das freundschaftlicherweise mal nach, dann wissen Sie genau, warum die Wirtschaft bisher nicht zu diesem Mittel gegriffen hat. Da darf man nicht so einfach dahinplappern, sondern das muß man schon wissen. ({8}) - Ja, ja, Herr Kollege. ({9}) - Ja, haben Sie denn wirklich ein so schlechtes Gewissen in dieser Frage? Ich habe doch gesagt, es wird hoffentlich nicht wahr sein! Ich habe gesagt, hoffentlich ist es nicht so. ({10}) - Herr Kollege, Sie können ja hernach heraufgehen und das alles in Ordnung bringen und sagen, ich habe mich total geirrt, ,es ist alles ganz anders. Das können Sie dann hinterher sagen. Aber jetzt Ruhe, meine Herren. Es kommen noch ein paar „dicke Hunde", passen Sie auf. Gleich kommt noch etwas. ({11}) - Was soll das alles? Ich möchte haben, daß, wenn in der Bundesrepublik und wenn in der EWG irgendwo ein Überschuß ist, zunächst die normalen, vernünftigen Mittel eingesetzt werden, um mit einem solchen Marktungleichgewicht fertig zu werden, ehe ich solche radikalen, wie ich meine, nicht zu verantwortenden, harten Eingriffe in einen Wirtschaftszweig vornehme, wo wir uns in anderen Bereichen immer gehütet haben, jede Härte zu vermeiden. Ich erinnere Sie nur daran, was wir auf dem Gebiet der Kohle in diesem Bereich getan haben bis hin zu der Absatzgesellschaft. ({12}) - Um so besser, Herr Kollege Schmidt. Sie werden das alles richtigstellen. Ich sage ja: Sollte meine Rede aus lauter Irrtümern bestehen, - ich bin ja glücklich, wenn heute nachmittag von der Regierungsbank aus, hoffentlich unter Ihrem Beifall, alles bestätigt wird, was ich hier gefragt habe. ({13}) - Sehr verehrter Herr Kollege, zwei Drittel des Papiers von Herrn Mansholt beschäftigen sich mit der schwierigen Frage der Beseitigung des Marktungleichgewichts und der Wiederherstellung normaler Marktverhältnisse, weil Herr Mansholt selbst meint, solange es so ist, sei die Frage der Preise Bauer ({14}) überhaupt nicht mehr anwendbar. Zwei Drittel dieses Papiers und auch der einzusetzenden Mittel betreffen diese Frage, und dann meinen Sie, das sei bayerischer Wahlkampf, ({15}) wenn man davon hier etwas sagt und zunächst einmal die Frage stellt, ob die Mittel, die Herr Mansholt hier vorschlägt, die besseren sind oder ob es nicht die Möglichkeit gäbe, auch in unserer eigenen Zuständigkeit - denn für den Fettgehalt der Trinkmilch z. B. sind wir noch zuständig, noch nicht die EWG, weil es dort noch keine Trinkmilchverordnung gibt - etwas zu tun? ({16}) - Das hat mit dem Abbau zu tun, Herr Kollege. Wenn Sie normalerweise Milchfett auf anderen Wegen verbrauchen, z. B. über die Trinkmilch, z. B. über das Schulmilchfrühstück, z. B. über die Auffettung des Schlagrahms, z. B. über die Auffettung der Kondensmilch, was niemand etwas tut, gar niemand etwas tut, dann werden Sie auf diese Weise zwischen 100- und 150 000 t Milchfett absetzen, ohne einen gewaltsamen Eingriff in die Landwirtschaft vornehmen zu müssen. Das alles können Sie machen. ({17}) - Ich habe gesagt: Es soll angeblich so sein, und ich möchte heute nachmittag gern von der Frau Strobel hören, daß sie keine Sorge um unsere Gesundheit wegen der Verfettung hat, und ich möchte von Herrn Schiller gern hören, daß die weitere Anhebung des Trinkmilchpreises und des Preises einiger Trinkmilcherzeugnisse, die damit im Zusammenhang notwendig wird, die Wettbewerbsfähgkeit unserer Wirtschaft nicht verschlechtert. Wenn ich das gehört habe, dann bin ich völlig beruhigt. ({18}) So, meine Damen und Herren. Unter 8. heißt es hier: Voraussetzung für die Vergabe - ({19}) - Ich weiß schon, ich kann es ja verstehen. Gehen Sie am besten hinaus. Das ist am gescheitesten. Sie regen sich so schrecklich auf. Das ist für die Gesundheit nicht gut. Sie müssen mehr Milch trinken. ({20}) Meine Damen und Herren, unter den Nrn. 8, 9 und 10 sind dann noch Fragen angeschnitten, die ich alle nur restlos unterstreichen und billigen kann, wie ich überhaupt der Meinung bin, daß es eine mutige Entscheidung der Bundesregierung war, aus diesem Grünen Bericht auf zwei Seiten und zuletzt dann in 10 Thesen festzustellen, wie sie sich die künftige Agrarpolitik vorstellt. Das war eine großartige Sache, Herr Staatssekretär. Ich wollte das Ihnen sagen und auch Ihrem Minister und sage es auch dieser ganzen Regierung ausdrücklich. Das ist ein wesentlicher Fortschritt. Denn damit sind gewisse Orientierungsdaten für die Zukunft gesetzt, und wir wissen nun ganz genau, wohin die Reise auch bei uns, soweit wir national Agrarpolitik machen können, geht. Das halte ich für sehr gut, meine Damen und Herren. Ich hätte noch sehr gern - Herr Präsident, ich tue es nicht, Sie brauchen keine Sorge zu haben; denn das gehört auch zum guten Stil in diesem Hause, daß man die Damen und Herren Kollegen rechtzeitig zum Essen entläßt; das ist auch ein Stück „Entlastung der Berge", Herr Kollege Strohmayr, natürlich, auch dazu gehört es - über die sogenannten Sünden des Herrn Mansholt gesprochen. ({21}) Aber ich nehme an, daß sich vielleicht entweder heute oder bei anderer Gelegenheit noch einmal die Stunde ergeben wird, dazu noch etwas auszuführen. Ich fasse zusammen, meine Damen und Herren. Ich sage nochmals: es wäre wünschenswert, wenn Sie das, was Sie hier als Aussage und als Schlußerkenntnis zum Grünen Bericht niedergeschrieben haben, wenn Sie einen hohen Anteil dieser Grundsätze auch zur gemeinsamen Auffassung der übrigen EWG-Länder machen könnten. Ich glaube, hier ist eine gute Vorarbeit geleistet. Wenn das gelänge, würde der schon etwas der Menschlichkeit entschwebte „EWG-Kommissar" Mansholt allmählich wieder mit den Füßen auf den Boden der Tatsachen zurückgeführt werden. Das wäre für ihn, für uns und für die ganze Landwirtschaft gut. Aus allen diesen Gründen bin ich der Meinung, daß wir erkennen sollten - das sage ich an die Adresse der Opposition, und das sage ich für uns alle -: auch in der Agrarpolitik gibt es bekanntlich jene Grenzen, von denen man schlicht und einfach sagt: Politik ist die Kunst des Möglichen. Das gilt auch für den einen der sechs Agrarminister, Außenminister, Wirtschaftsminister und Finanzminister, die dann in der Runde in Brüssel sitzen. Sie müssen all das, was sie gestalten wollen, in der Gemeinschaft mit den anderen fertigbringen. Mir scheint, daß das größte Hindernis zu einer sinnvollen Verständigung der nationalen Regierungen untereinander, der sechs EWG-Länder miteinander in der Tat die völlige Fehleinschätzung der Lage der Landwirtschaft in den sechs EWG-Ländern durch ihren obersten „Dienstherrn", nämlich durch Herrn Mansholt, ist. Das ist die Hauptursache unserer gegenwärtigen Kalamität. ({22})

Walter Scheel (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001949

Meine Damen und Herren! Ich möchte Ihnen noch mitteilen, daß auf Grund einer interfraktionellen Vereinbarung die Punkte 7 - das ist das Dritte Gesetz zur Änderung und Ergänzung des Häftlingshilfegesetzes - und 16 - das ist das Gemeindefinanzreformgesetz - von der Tagesordnung dieser Woche abgesetzt werden. Meine Damen und Herren, die Sitzung wird bis 15 Uhr unterbrochen. ({0})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Die unterbrochene Sitzung wird fortgesetzt. ({0}) Meine Damen und Herren, bevor wir in die Tagesordnung eintreten, habe ich Ihnen folgendes mitzuteilen. Der Präsident des Deutschen Bundestages hat an den Vorsitzenden der Knesset, Herrn Kaddisch-Luz in Jerusalem, folgendes Telegramm geschickt: Tief erschüttert vom plötzlichen Tode Ihres Ministerpräsidenten, Herrn Levi Eshkol, spreche ich Ihnen, der Knesset und der Familie des Verstorbenen mein und des Deutschen Bundestages aufrichtiges Mitgefühl aus. Sie haben sich zu Ehren des Verstorbenen erhoben. Ich danke Ihnen. Wir fahren in der Debatte zu Punkt 3 der Tagesordnung fort. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Logemann.

Fritz Logemann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001367, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte - das habe ich vorweg zu sagen - die politischen Aufräumungsarbeiten, die hier in den letzten Stunden am heutigen Vormittag zwischen den Parteien der Großen Koalition stattgefunden haben, nicht fortsetzen, sondern werde mich gleich bemühen, zu meinem Thema zu kommen. Im ersten Teil meiner Ausführungen will ich auf den Grünen Bericht und auf gewisse methodische Veränderungen des Berichts 1969 eingehen. Meine Damen und Herren, die Lage der Landwirtschaft ist eigentlich in der Öffentlichkeit nach den Grünen Berichten 1968 und 1969 klarer denn je, denn in den Zeitungen fanden Sie ja zu beiden Berichten etwa Schlagzeilen wie „Lage der Landwirtschaft besser denn je". Nur zwei Pressemeldungen: Im Jahre 1968 schrieb eine große Frankfurter Zeitung: „Den Bauern geht es recht gut - Gewinn pro Hof 1000 DM monatlich". 1969 - nach der Vorlage des Grünen Berichtes - schrieb eine andere Zeitung: „Die Landwirtschaft hat gut verdient". Diese Schlagzeilen sind auf Grund des vorgelegten Berichtes 1969 und auch des vorherigen Berichtes durchaus berechtigt. Nur darf ich darauf hinweisen, daß diese Rechnung in der Praxis leider nicht stimmt. Das Berichtsjahr 1967/68, auf das ja der Grüne Bericht, den wir jetzt vorliegen haben, zurückgeht, war ein Protestjahr. Im letzten Jahr fanden Großkundgebungen in allen Ländern mit Zehntausenden von Bauern statt, die in diese Großkundgebungen aus Existenzangst und aus Existenzsorge gekommen waren. Herr Minister Höcherl hat heute morgen schon auf dieses schwierige Jahr hingewiesen und hat neulich in seiner Rede vor dem Deutschen Bundestag erklärt, wir hätten seit zehn Jahren ein solches Preistal nicht gehabt; Preisrückgänge seien bei pflanzlichen Produkten - um 13 % - und bei tierischen Produkten - um 7 °/o - zustande gekommen. Ich darf hinzufügen, daß die Landwirtschaft im Berichtsjahr auch noch steigende Kosten zu verkraften hatte, vor allen Dingen durch eine Kürzung der Mittel des EWG-Anpassungsgesetzes, das bekanntlich im letzten Jahr völlig außer Kraft gesetzt wurde. Trotzdem ist es sehr wichtig, zu wissen, daß amtlich festgestellt wird: Das Einkommen der Bauern hat sich verbessert und wird im laufenden Jahr 1969 - so heißt es in der Vorausschau - noch besser werden. Meine Damen und Herren, hier ergibt sich die Frage: Waren diese Proteste der Bauern im letzten Jahr wirklich unberechtigt? War die Landwirtschaft gesund? Protestierten vielleicht - so darf ich sagen - „eingebildete Kranke"? Ich bin der Meinung, daß es in der landwirtschaftlichen Praxis tatsächlich auf Grund der Entwicklung des letzten Jahres anders aussieht, als der Bericht es darstellt. Hier genügt vielleicht schon ein Hinweis, nämlich der, daß im Berichtsjahr laut dem Grünen Bericht eine Rekordverschuldung stattgefunden hat. Wir haben eine Schuldenzunahme von 2,48 Milliarden DM oder um 11 % gegenüber dem Vorjahr. Nun aber einige Anmerkungen zu methodischen Veränderungen! Der Bericht 1969 ist praktisch ein Bericht ohne Vergleichsmöglichkeiten. Einmal kann man ihn nicht mit vorhergehenden Berichten vergleichen - dazu fehlen die entsprechenden Zahlen -; .man kann aber auch keine Vergleiche mit der Einkommensentwicklung in der Landwirtschaft und in sogenannten vergleichbaren Berufen anstellen. Es fehlt die Gegenüberstellung des in der Landwirtschaft erzielten Lohns mit dem gewerblichen Vergleichslohn, die fast berühmt gewordene - so möchte ich sagen - Globaldisparität. Sicherlich war diese Zahl bisher für die Öffentlichkeit und für die Landwirtschaft immer sehr interessant; ich muß aber auch zugeben, daß es eine stets sehr umstrittene Zahl gewesen ist. Meine Damen und Herren, der Herr Minister hat viel Lob für den Wegfall dieser Globaldisparität geerntet, und zwar heute morgen von Dr. Schmidt ({0}) von der SPD. Er hat aber auch Lob von anderer Seite erhalten. Ich möchte sagen, in der Erklärung des Deutschen Bauernverbandes zu diesem Punkt ist Herr Minister Höcherl recht glimpflich davongekommen. Ich habe jedoch das Gefühl, Herr Minister, daß bei dieser Erklärung doch die Handschrift Rehwinkels gefehlt hat. Es gab also für den Landwirtschaftsminister viel Lob. In einer Karikatur wurde Herr Minister Höcherl mit einer großen Schere abgebildet; ihm wurde Dank gezollt für das Abschneiden eines alten Zopfes. Meine Damen und Herren, damit käme er an sich in FDP-Nähe; auch wir bemühen uns ja durchaus, in der Politik - in der Agrarpolitik sind wir ebenso damit einverstanden -, alte Zöpfe abzuschneiden. Nur, Herr Minister, glaube ich in Ihrem Falle, Sie haben keinen alten Zopf abgeschnitten, sondern einen falschen Zopf, und dazu hätten Sie eigentlich gar keine Schere benötigt. ({1}) Ich habe durchaus Verständnis, wenn die Bundesregierung jetzt nach dem Reinfall, den sie mit dem Gewinnvergleich im Jahre 1968 erlebt hat, auf diese Globaldisparität verzichtet. Aber wir sind der Meinung, daß doch Überlegungen hinsichtlich eines verbesserten Einkommensvergleichs notwendig sind. Denn wir sind der Auffassung, daß die deutsche Landwirtschaft auf eine Orientierungszahl - so möchte ich es vorsichtig nennen - zum Einkommen in benachbarten Berufen einfach nicht verzichten kann. Aber, meine Damen und Herren, für die FDP ist eigentlich ausschlaggebend - das ist das Wichtigste für unsere Forderung -, daß der Wegfall des Einkommensvergleichs nach unserer Auffassung in krassem Widerspruch zu § 4 des Landwirtschaftsgesetzes steht. Ich darf - mit Ihrer Genehmigung, Herr Präsident - § 4 des Landwirtschaftsgesetzes verlesen, damit Sie wissen, um was es geht. In § 4 heißt es: Die Bundesregierung legt mit dem Ergebnis der Feststellungen des Bundesministers ({2}) bis zum 15. Februar eines jeden Jahres - erstmals bis zum 15. Februar 1956 - dem Bundestag und dem Bundesrat einen „Bericht über die Lage der Landwirtschaft" vor. Der Bericht enthält eine Stellungnahme dazu, inwieweit a) ein den Löhnen vergleichbarer Berufs- und Tarifgruppen entsprechender Lohn für die fremden und familieneigenen Arbeitskräfte - umgerechnet auf notwendige Vollarbeitskräfte -, b) ein angemessenes Entgelt für die Tätigkeit des Betriebsleiters ({3}) und c) eine angemessene Verzinsung des betriebsnotwendigen Kapitals erzielt sind; dabei ist im wesentlichen von Betrieben mit durchschnittlichen Produktionsbedingungen auszugehen, die bei ordnungsmäßiger Führung die wirtschaftliche Existenz einer bäuerlichen Familie nachhaltig gewährleisten. Das sagt das Landwirtschaftsgesetz. Ich darf aber darauf hinweisen, daß der Wegfall der Globaldisparität eigentlich auch zu der jetzt verkündeten These im Widerspruch steht, die besagt, daß die Agrarpolitik ein wichtiger Teil der allgemeinen Wirtschaftspolitik sein soll. Ich frage Sie, Herr Minister: Wie will man sich ohne eine Orientierungszahl überhaupt ein Urteil über den Stand der Eingliederung der Landwirtschaft in die allgemeine Wirtschaft machen? Die FDP hat einen Antrag eingebracht, in dem sie verlangt, daß auch für 1969 noch ein Nachtrag mit einem Einkommensvergleich erfolgt. Gestatten Sie mir in diesem Zusammenhang zum Grünen Bericht eine weitere Anmerkung. Im Grünen Bericht wird es so dargestellt, als ob man nun als Ersatz für die Globaldisparität einen verbesserten Einkommensvergleich zwischen den Betriebsgruppen vorgenommen hätte. Herr Minister, Sie haben in Ihrer Rede von einer „differenzierten Gruppenanalyse" gesprochen. Offensichtlich bedeutet dieser Versuch, auf die innere Disparität abzustellen, eine Ablenkung von der äußeren Disparität. Sicherlich wurden in allen Grünen Berichten Einkommensunterschiede zwischen den landwirtschaftlichen Betrieben festgestellt; diese Unterschiede wird es nach unserer Auffassung ewig geben. Im übrigen ist das in anderen wirtschaftlichen Bereichen durchaus genauso: auch hier gibt es in bezug auf die Leistung gute und weniger gute Betriebe. Besonders groß sind natürlich immer auch die Unterschiede zwischen den verschiedenen landwirtschaftlichen Betriebssystemen, zwischen Futterbaubetrieben und Getreide- und Hackfruchtbaubetrieben, gewesen. Interessant ist in diesem Zusammenhang, daß der jetzige Grüne Bericht auf Seite 68 doch feststellt, daß die Einkommensunterschiede zwischen großen und kleinen Futterbaubetrieben wesentlich geringer seien als bei Ackerbaubetrieben. Der Abstand - das ist unsere Feststellung nach Prüfung des Grünen Berichts - zwischen den Einkommen der Landwirtschaft ist durch methodische Veränderungen, die man vorgenommen hat, vergrößert worden: zum einen dadurch, daß man die 418 Millionen DM Getreideausgleichsmittel und Investitionsbeihilfen zum Einkommen hinzuzählt. Das führt zu einer Vergrößerung der Disparität. Wir haben damals bei der Verteilung der Getreideausgleichsmittel immer wieder darauf hingewiesen, daß es notwendig sei, einmal den Getreidepreisausgleich nach der Getreidefläche auszuzahlen. Eine andere Lösung habe ich abgelehnt. Wir haben aber gleichzeitig analog dazu Einkommensverbesserungen für Futterbaubetriebe verlangt. Leider ist man damals unseren Anträgen in keiner Weise gefolgt. Das hat jetzt zu einer vergrößerten Disparität im Innern zwischen Hackfrucht-, Getreidebau- und Futterbaubetrieben geführt. Grünlandbetriebe können ja nicht Nutznießer hoher Getreideernten sein. Es ist daher ganz erklärlich, daß die Futterbaubetriebe bei hohen Ernten in der Berechnung schlechter abschneiden. Weitere Benachteilungen gerade der zurückgebliebenen Futterbaubetriebe bestehen darin, daß im Berichtsjahr die Mittel für wasserwirtschaftliche Maßnahmen weiter gekürzt worden sind. Ich befürchte vor allem, daß auch die immer wieder hinausgezögerte, längst überfällige Finanzreform, bei der es praktisch schon nicht mehr um den Kern des Problems geht, wieder drastische Auswirkungen in finanzschwachen Ländern haben wird. Ich erinnere daran, daß z. B. in dem finanzschwachen Land Niedersachsen die Grünlandgebiete bisher schon auf die Mittel in Höhe von 33,5 Millionen DM verzichten mußten, einfach deshalb, weil das Land seine Dotationsauflagen nicht erfüllte. Die Regierung der Großen Koalition verschuldet durch ihre Verzögerung der Finanzreform diese vergrößerte Disparität in den Gebieten des Küstenplans, an Aller, Oker, Leine oder in anderen Grünlandgebieten. Hinzu kommt, daß durch die Agrarpreispolitik im letzten Jahr besonders die Futterbaubetriebe betroffen worden sind. Ich denke dabei vor allem an die von der Regierung immer wieder verweigerte Erhöhung der Rinderorientierungspreise. Auch diese Verweigerung traf gezielt die Grünlandbetriebe, die Futterbaubetriebe. Herr Minister, in ganz große Sorge bin ich aber jetzt durch das neue Milchkonzept der Bundesregierung gekommen. Wenn dieses Milchkonzept so durchgeführt wird, wie wir es aus verschiedensten Pressemeldungen kennen, werden wieder ganz besonders die Futterbaubetriebe, .die milcherzeugenden Betriebe getroffen sein. Im Grünen Bericht ist auf Seite 68 aufgezeichnet, daß eine Verringerung des Milchgeldes um 2 Pf gegenüber dem Bundesdurchschnitt eine Senkung des Einkommens eines Betriebes mit 20 Kühen im Futterbaugebiet um 1600 DM bedeutet. Herr Minister Höcherl, wenn in Ihrem neuen Konzept schon Senkungen von etwa 2,5 bis 4 Pf im Eventualfall vorgesehen sind - ich unterstelle das -, dann bedeutet das für einen kleinen Betrieb, in einem einzigen Kuhstall, eine Einkommensverminderung statt von 1600 DM von 3200 DM. Meine Damen und Herren, ich bin überhaupt der Auffassung, daß wir uns mit dieser Konzeption des Ministers zur Milchpolitik noch eingehend auseinandersetzen müssen. Auch dazu werden nachher noch Kollegen von mir etwas sagen. Herr Minister, Sie haben heute morgen die Frage aufgeworfen: „Warum stellt diese Opposition denn immer wieder Fragen? Ich habe doch so oft Erklärungen abgegeben." Herr Minister, das ist aus Ihrer Sicht vielleicht verständlich. Aber wir sind ja gezwungen, zu fragen, weil Ihre Aussagen sich dauernd widersprechen. Sie sind in Bayern ganz anders als in Bonn. Und wenn man nachliest und festzustellen versucht, was in Brüssel geschieht, sieht man, daß Sie dort wieder anders sind. Deshalb müssen wir fragen. Wir müssen Wert darauf legen, daß Sie, Herr Minister, konkret zu dem Beschluß stehen, ,der im Bundestag gefaßt worden ist. Ich kritisiere, daß die Bundesregierung in Brüssel - wir erleben es jetzt wieder - eine Milchkonzeption vorlegt, die zu Erzeugerpreissenkungen führt. Die Bundesregierung ist auch nicht bereit, die Getreidepreisbeschlüsse des Deutschen Bundestages im Ministerrat in Brüssel zu vertreten. Sie ist vielmehr weiter bemüht, in Brüssel Schrittmacher für niedrige Erzeugerpreise zu sein. Meine Damen und Herren, ich muß das hier mit aller Deutlichkeit sagen. Vor allem die deutsche Landwirtschaft ist dadurch sehr schwer getroffen - es kommt noch hinzu -, daß in der EWG bisher nur der Agrarbereich harmonisiert worden ist. Ich muß aber hinzufügen, daß dieser Agrarbereich noch nicht überall ehrlich harmonisiert worden ist. Ich finde, gerade diese unehrliche EWG, in der wir stecken, macht uns agrarisch ganz besondere Schwierigkeiten. Herr Minister, die französischen Landwirte z. B. haben, wenn sie Kuhhalter sind, jetzt die Chance, aus französischen Staatsmitteln eine Kuherhaltungsprämie in Anspruch zu nehmen. Sie und Herr Mansholt bieten in ihren Konzeptionen Kuhabschlachtungsprämien an. Die Bauern in Frankreich können also beides in Anspruch nehmen, erstens die Kuherhaltungsprämie und nachher, entweder nach Herrn Höcherl oder nach Herrn Mansholt, auch noch die Abschlachtungsprämie. Das alles sind doch Unehrlichkeiten, die man einfach nicht mehr hinnehmen kann. Herr Minister, ich habe das Gefühl, daß die Aussage eines deutschen Staatssekretärs stimmt, der kürzlich einmal in bezug auf Brüssel gesagt hat: Es ist in der Tat so, daß man in Brüssel die Gesetze für die Agrarmarktordnungen macht, daß diese dann zwar auch In den Partnerländern gelesen, aber nur in der Bundesrepublik mit aller Gründlichkeit durchgeführt werden. Sie sollten dafür sorgen, daß wir auch hier endlich zu echten Wettbewerbsverhältnissen innerhalb der EWG kommen. Ich könnte hier wirklich einen Katalog von Fehlentscheidungen 'aufzeigen, die dazu führen, daß man ganz bestimmte Betriebsgrößen - in diesem Falle ging es mir um die Futterbaubetriebe - trifft. Günstigstenfalls, Herr Minister, kann ich Ihnen doch nur zugestehen, daß Sie sich bemüht haben, für ein Einfrieren der Preise zu sorgen. Weiter hat es in der Tat doch nicht gereicht. Das gibt uns immer wieder Veranlassung, zu fragen: Welche Vorstellungen hat die Bundesregierung nun wirklich zum Mansholt-Plan? Der Herr Bundeskanzler hat z. B. kürzlich erklärt, ein solcher Plan müsse mit Entschiedenheit abgelehnt werden. Es müßte doch jetzt ein Kabinettsbeschluß im Hinblick auf Brüssel vorliegen, um entsprechend handeln zu können. Meine Damen und Herren, ich möchte abschließend folgendes sagen. Der Einkommensabstand zwischen den landwirtschaftlichen Betrieben läßt sich nach Auffassung der Freien Demokraten durch gezielte agrarpolitische Maßnahmen ausgleichen bzw. erheblich verkleinern. Nun eine dritte und letzte Bemerkung zur Systematik. Die Einkommenssituation - ich habe es schon ausgeführt - ist optisch verbessert worden, und zwar nach meiner Auffassung zum einen durch Anhebung der Untergrenze der Testbetriebe von 15 000 DM an bereinigtem Betriebsertrag auf 18 000 DM - das sind 20 % -, aber auch entscheidend dadurch, daß auf der Ertragsseite der Zuschlag für den Verbrauch von selbsterzeugten Nahrungsmitteln oder für den Naturlohn von 48 auf jetzt 57% erhöht wurde. Das ist also eine Erhöhung um 19%. Auch das hat eine Einkommenserhöhung zur Folge. In der Begründung wird zum letzten Punkt gesagt, Ursache dafür, daß man so habe handeln müssen, sei das Anwachsen der Vermarktungsspannen. Meine Damen und Herren, anscheinend haben diejenigen, die das so begründen, den Bericht 1967/68 nicht gründlich gelesen; denn im Bericht selbst ist ausgeführt, daß die Verbraucherausgaben 1967/68, mit bedingt durch die geschickte Politik des Einfrierens der landwirtschaftlichen Erzeugerpreise, in keiner Weise gestiegen, sondern unverändert geblieben sind. Heute finde ich in „Agrareurop" sogar eine Meldung, daß die Handels- und Verarbeitungsspannen für Fleisch im Jahr 1968 erheblich zurückgegangen seien. Warum - so frage ich, Herr Minister - dann hier ein erhöhter Zuschlag für selbsterzeugte und im Betrieb verbrauchte Nahrungsmittel? Ich glaube, ich brauche im einzelnen nicht mehr darauf einzugehen, daß die Mehrwertsteuer optisch ebenfalls zu einer Einkommenserhöhung geführt hat. Zusammenfassend möchte ich zum Grünen Bericht folgendes feststellen. Der Grüne Bericht 1968 ist übersichtlicher als seine Vorgänger. Das möchte ich durchaus bescheinigen. Er ist aber ohne Aussagewert im Hinblick auf vergleichbare Berufe. Die aufgezeigte Einkommenssituation erscheint mir 4n verschiedenen Punkten frisiert. Sie entspricht nicht den tatsächlichen Ergebnissen, die die landwirtschaftlichen Betriebe im Durchschnitt im Berichtsjahr 1967/68, das für die Landwirtschaft preislich das katastrophalste Jahr seit 1949 war, zu verzeichnen hatten. Zu bewundern bleibt, Herr Minister, die Manipulierungskunst der Bundesregierung, der es gelang, ein schlechtes Jahr in ein gutes Jahr umzufunktionieren. ({4}) - Das ist ein völlig anderes Gebiet; ich meine aber, dort haben wir auch immer das Richtige getroffen. Nun zum Teil II. Die Opposition hat nicht nur das Recht zur Kritik, sondern sie hat nach meiner Auffassung auch die Verpflichtung, bei aller Kritik bessere Vorschläge zu machen. ({5}) Herr Minister, wir wollen uns bemühen, Vorschläge für einen besseren Grünen Bericht, der der Praxis und der agrarpolitischen Entwicklung näherkommt, vorzulegen. Nach Auffassung der FDP - ({6}) - Die haben Sie alle schon auf Ihrem Tisch! Wenn Sie nur die Anträge gelesen hätten! Nach Auffassung der FDP sind für einen verbesserten Grünen Bericht unter anderem notwendig: Erstens. Der Grüne Bericht muß entsprechend dem Landwirtschaftsgesetz eine Stellungnahme zur Entwicklung des landwirtschaftlichen Einkommens im Verhältnis zu den Einkommen in vergleichbaren Berufen enthalten. Das liegt in einem Antrag vor. Zweitens. In künftigen Grünen Berichten sollten Produktionskostenvergleiche zwischen allen Formen und Modellen überbetrieblicher Zusammenarbeit unter Zugrundelegung bäuerlicher Familienverfassungen veröffentlicht werden. Drittens. Zur Beurteilung der Preis-Kosten-Situation sind nach internationalem Vorbild wie z. B. in den USA, in Großbritannien und in der Schweiz für landwirtschaftliche Vollerwerbsbetriebe und für Modelle überbetrieblicher Zusammenarbeit jährlich die durchschnittlichen Erzeugungskosten für Getreide, Zuckerrüben, Kartoffeln, Milch, Rindfleisch, Schweinefleisch und Eier bekanntzugeben. Viertens. Die Bedeutung der Veredelungsproduktion für die Produktionschancen bäuerlicher Betriebe verlangt eine alljährliche Unterrichtung über die Entwicklung der sogenannten inneren Betriebsgröße - neue Bezeichnung in Ihrem Bericht, Herr Minister - in allen landwirtschaftlichen Betrieben, Fünftens. Zur Darstellung der Entwicklung von flächenunabhängigen Veredelungsbetrieben ist im Grünen Bericht der Marktanteil der gewerblichindustriellen Veredelung künftig mit auszuweisen. Meine Damen und Herren, das war also Teil II. Nun als letztes in Kurzfassung Teil III: Anmerkungen zu Schlußfolgerungen für die künftige Agrarpolitik. Ich könnte jetzt versucht sein, auf die zehn Thesen einzugehen, die sehr sinnvoll zusammengestellt die künftige Agrarpolitik der Bundesrepublik beinhalten. Für mich ist dabei die These Nr. 1 sehr interessant. Ich will doch etwas länger darauf eingehen, weil der Herr Bundeswirtschaftsminister jetzt auch anwesend ist. Die These Nr. 1 heißt schlicht und einfach: „Agrarpolitik ist ein wichtiger Teil der allgemeinen Wirtschaftspolitik." Meine Damen und Herren, das haben wir seit eh und je vertreten. Nun kommt es aber darauf an, Herr Minister, daß man aus diesem Satz wirklich die richtigen Konsequenzen für die künftige Politik entwickelt. Hier bin ich bei Ihnen bisher insofern enttäuscht, als Sie, wenn Sie es ernst meinten, zusammen mit Herrn Minister Höcherl auch die deutsche Landwirtschaft eigentlich schon in die konzertierte Aktion hätten einbeziehen müssen. ({7}) Das ist das eine, was wir meinen feststellen zu müssen. Meine Damen und Herren, heute morgen ist so sehr viel davon die Rede gewesen - mein Kollege Wächter wird nachher noch dazu sprechen -, daß versucht werden müsse, doch zusätzliche Arbeitsplätze in landwirtschaftlichen Gebieten, in Problemkreisen usw. zu schaffen. Sie haben hier unsere völlige Zustimmung. Sie wollen ja nach Ihrer Studie in jedem Jahr 20 000 neue Arbeitsplätze schaffen. Es wäre nur wichtig, Herr Minister, daß Sie jetzt tatsächlich so steuern, daß diese Arbeitsplätze nicht noch zu Industriezentren hinzukommen, wie es jetzt z. B. in Niedersachsen mit dem neuen VW-Werk ist, das in einem Industriezentrum, im Salzgittergebiet, errichtet wird. Hier wäre es wichtig, Industrieansiedlung wirklich breit zu streuen, damit in erreichbarer Hofnähe - so möchte ich es landwirtschaftlich nennen - neue industrielle Dauerarbeitsplätze geschaffen werden. Herr Minister Schiller, bezüglich Ihrer konzertierten Aktion - ({8}) - Damit meine ich eine Entfernung von 20 km bis 30 km, die normalerweise mit dem Auto ohne große Schwierigkeit zurückgelegt werden kann. ({9}) - Das streite ich ja gar nicht ab. Mir geht es darum, daß man neue Industriebetriebe nicht an vorhandene Industriezentren anschließt. Nun, Herr Minister Schiller, die Verwirklichung meiner Forderung auf Einbeziehung in die konzertierte Aktion dürfte Ihnen gar nicht einmal so schwerfallen. Ich habe Ihre Studie zur Situation der Landwirtschaft sehr sorgfältig gelesen. Ich will gerecht sein. Ich bin der Meinung, daß diese Studie eine der exaktesten ist, die überhaupt vorliegt. ({10}) Sie ist wirklich bis zum letzten sehr genau durchgerechnet worden. Das muß ich ihr bescheinigen. Das entspricht meiner Auffassung, das möchte ich hier betonen. Herr Minister, Ihre Studie - auch das möchte ich hinzufügen - ist mir deshalb nicht so unsympathisch, weil Sie unterstellen, daß bis 1968 das landwirtschaftliche Preisniveau insgesamt um 2% im Jahr angehoben werden könnte. Wenn Sie das unterstellen, können Sie durchaus mit gutem Gewissen die Landwirtschaft in die allgemeine Einkommensentwicklung, die Sie mit der konzertierten Aktion ansteuern wollen, einbeziehen. Lassen Sie die Bauern heraus, dann kommt es zu einem Preisdruck oder zu einer Kostenverengung, bei der die Bauern von den Höfen vertrieben würden. Herr Minister, ich habe den Eindruck - vielleicht ist er falsch, dann können Sie es ja richtigstellen -, daß in der Tat bei Ihnen die Kaufkraft der deutschen Landwirtschaft nicht ernst genommen wird. Jeder Grüne Bericht weist aus, mit welch erheblichen Beträgen die deutsche Landwirtschaft als Käufer auf dem deutschen Binnenmarkt auftritt. Wir sollten das sehr ernst nehmen. Sie wollen 20 000 neue Arbeitsplätze. Wir sind damit einverstanden. Aber ich weise darauf hin, daß die deutsche Landmaschinenindustrie im Augenblick in Sorge um die Weiterbeschäftigung von 70 000 Arbeitskräften ist. Auch das kann man in wirtschaftlichen Berichten lesen. Deshalb, Herr Minister, ist es so wichtig, die Brücke zwischen mehr Kaufkraft für die Landwirtschaft, mehr Vollbeschäftigung und mehr Dauerarbeitsplätzen in den ländlichen Bereichen zu schlagen. Meine Damen und Herren, gestatten Sie mir abschließend noch einige Worte zur Entwicklung der Erwerbstätigkeit. Die FDP hat immer wieder erklärt, daß die Abwanderung vom Lande besonders beim Generationswechsel weitergehen wird. Ganz entscheidend ist für uns aber, daß diese Abwanderung ohne soziale Härten gewährleistet wird. Das bedeutet, daß wir jeden Preisdruck ablehnen, was ich vorhin schon erwähnt habe. Herr Minister Höcherl, ich muß noch einmal auf die Rede, die Sie neulich hier gehalten haben, zurückkommen. Ich finde da einige Sätze, die für mich mißdeutig sind, über die ich keine Klarheit habe. Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung" hat Ihre Rede mit dem Satz überschrieben: „Höcherl vertraut dem Sog der guten Konjunktur. Hinweis auf Seite 24." Ich habe diesen Satz wirklich zwei-, dreimal gelesen. Nach Prüfung möchte ich feststellen, daß man auch sagen kann: Höcherl vertraut dem Disparitätssog. Hier wird es gefährlich, weil wir doch gebrannte Kinder sind, weil wir wissen, wie sehr - hier sind beide Minister angesprochen - die Minister dieser Großen Koalition eine aktive Erzeugerpreispolitik in Brüssel immer wieder abgebremst haben. Ich möchte hier noch einmal wiederholen: Sog durch gute Konjunktur darf nicht in Preisdruck ausarten. Es ist notwendig, die Landwirtschaft in der allgemeinen Entwicklung mitzunehmen. Mein Kollege Sander wird zur Preispolitik noch mehr sagen. Zur Entwicklung der Beschäftigten in der Landwirtschaft! Nach unserer Auffassung ist in modern geführten bäuerlichen Familienwirtschaften keiner mehr zu viel an Bord. Meine Damen und Herren, wenn wir bier die Arbeitszeit anderer Berufe erreichen wollen, dann ist eigentlich einer zuwenig an Bord, ({11}) dann gehört eigentlich einer zusätzlich auf den Hof. Nun ist es natürlich so, daß eine weitere Abwanderung - unterstellen wir sie einmal - in vielen Fällen praktisch zur Hofaufgabe führen wird. Hier unterstützen wir es durchaus, daß man Übergangsmaßnahmen und vorbeugende Maßnahmen für den Übergang in andere Berufe geschaffen hat. Wir bejahen einen Teil des Katalogs, den Herr Minister Höcherl vorgelegt hat, auch die Schiller-Studie. Ich möchte sagen, hier kommt ja alles aus einem Hause. ({12}) Darüber könnten wir dann also durchaus im einzelnen reden. Ich möchte hinzufügen, daß wir für die Zukunft zwar, worin wir uns einig sind, Betriebsgrößen anstreben sollten, die den rationellen Einsatz aller Produktionsfaktoren ermöglichen, aber daß die FDP in der Tat der Meinung ist, daß hier die modern geführte bäuerliche Familienwirtschaft auch weiter Leitbild bleiben muß. ({13}) Wir wehren uns einfach dagegen, wenn neuerdings versucht wird, die Familienwirtschaft zum Buhmann für alle Sünden zu machen. ({14}) - Nicht in diesem Hohen Hause, aber Sie können es in Diskussionen draußen erleben. Fahren Sie einmal zu Volkshochschulen und ähnlichen Instituten, dann können Sie in der Beziehung einiges hören. Ich denke da an meinen Kollegen Bewerunge, der ganz genau weiß, was ich meine. Also, meine Damen und Herren, hier ist es in der Tat so, daß von außen her auch in der deutschen Landjugend oft der Eindruck des Buhmanns beim Familienbetrieb erweckt wird. Dagegen wehren wir uns, weil wir meinen, daß die Familienbetriebe leistungsfähig sind. Herr Minister, wir sind mit Ihnen einig: wenn wir sie noch viel leistungsfähiger machen können, sollten wir es tun. Sie haben auch ein Ja von uns zu allen Formen - das möchte ich ausdrücklich sagen - der überbetrieblichen Zusammenarbeit, wenn die Familienverfassung die Grundlage bleibt. Soweit folgen wir Ihnen durchaus. Aber ich möchte auch hinzufügen, daß wir z. B. in der Kooperation keine Wunderwaffe zur Kostensenkung sehen. Wenn es aber gelingt, durch Zusammenarbeit mehr Freizeit für die Bauernfamilie zu erreichen, dann wäre auch das schon ein sehr beachtlicher Erfolg. ({15}) Gerade an diesem Punkt in unserer Agrarpolitik haben wir nachzudenken, welche Vorschläge wir der jungen Generation, die künftig unsere Höfe übernehmen soll, nun zu machen haben. Ich halte es für durchaus überlegenswert, zu prüfen, ob es nicht möglich ist, durch Entwicklung der Maschinenringe zu Arbeitsringen zu kommen, worunter wir uns einen Zusammenschluß von etwa 10 bis 15 Vollerwerbsbetrieben vorstellen. In einem solchen Arbeitsring könnte dann ein 'Betriebshelfer für die notwendige Freizeit Sorge tragen. Das alles sollte man durchdenken. Ich finde, wir sind unserer jungen Generation gerade diese Überlegung einfach schuldig. Die junge Generation und auch wir haben einen Anspruch auf Freizeit und Urlaub, wie es ihn in anderen Bereichen der Wirtschaft ganz selbstverständlich gibt. Lassen Sie mich abschließend feststellen: wir haben die Verpflichtung, unter Ausnutzung aller Mittel der modernen Agrarpolitik die Zukunft unserer Landwirtschaft so zu gestalten, daß für unsere Landjugend in der modernen Industriegesellschaft doch ein Anreiz zur Bewirtschaftung unserer Höfe bleibt. ({16})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Meine Damen und Herren, ich darf Ihnen mitteilen, daß zu diesem Punkt der Tagesordnung noch 20 Redner gemeldet sind. ({0}) Einer der Redner, der Abgeordnete Schultz ({1}), war so liebenswürdig, mir mitzuteilen, daß er auf seine Rede verzichtet, wenn das Hohe Haus .die Rede zu Protokoll nimmt*). Ich nehme an, daß das Haus dem entspricht. Meine Damen und Herren, um die Selbstdisziplin der Redner zu erleichtern, habe ich die Absicht, nunmehr die Uhr auf dem Rednerpult einzuschalten, was keine Beschränkung der Redezeit bedeutet, die weiterhin eine Stunde ist. Aber das wird es dem einzelnen Redner doch erleichtern, sich kurz zu fassen. Ansonsten müßten wir befürchten, daß wir wegen der Agrardebatte die Bundespräsidentenwahl verschieben müßten; das kann nicht ,der Sinn der Übung sein. Das Wort hat nunmehr der Abgeordnete Dr. Ritz.

Dr. Burkhard Ritz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001859, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Präsident, ich nehme gern Ihre Anregung auf, mich an die Uhr zu halten, die vor mir steht. Wer in den vergangenen Monaten - und das haben viele von uns getan, die in diesem Hohen Hause anwesend sind - draußen in Versammlungen mit Landwirten diskutiert hat, der wird festgestellt haben wie ich, daß zwar immer wieder die aktuellen Sorgen und Überlegungen um Preise, um den Grünen Bericht, um aktuelle Berichterstattung und vieles mehr in der Aussprache eine Rolle spielen, *) Siehe Anlage 5. daß aber immer stärker die Frage nach der zukünftigen Entwicklung der Landwirtschaft in den Vordergrund tritt. Wir können auch nicht umhin, neben allen aktuellen Lösungen, die für heute gefordert sind, eine Antwort auf das Morgen zu geben. Das ist im Agrarprogramm der Bundesregierung geschehen. Aber sicher wollte sich auch Vizepräsident Mansholt so verstanden wissen, ,daß er mit seinem Plan gewissermaßen eine Antwort gab auf die immer wieder drängende Frage vor allem junger Menschen: Wie wird sich die Landwirtschaft in Zukunft entwickeln? Ich meine, sehr verehrter Herr Kollege Schmidt, daß heute hier durchaus der richtige Ort ist, sich sachlich, rational, frei von Emotionen auch mit diesem Programm in einigen wichtigen Punkten auseinanderzusetzen. Denn man hat immer mehr .den Eindruck, daß draußen eine ganze Reihe gerade junger Landwirte sagen: „Was habt ihr eigentlich? Da ist endlich mal ein in sich fertiges Modell, das auf alle Fragen der Landwirtschaft Antwort gibt, und ihr schreit dagegen!" Diese Reaktion beobachten wir, vor allem bei jungen Menschen. Herr Kollege Logemann hat das gerade angesprochen. Deswegen ist es wichtig, daß man einige sehr kritische Anmerkungen macht. Erstens. Es geht im Agrarprogramm der Bundesregierung, wie bei vielen Aussagen in dem Mansholt-Memorandum, darum, daß der in den letzten 15 Jahren vollzogene Strukturwandel für die Zukunft sozialökonomisch sinnvoll kanalisiert wird, ohne daß für die davon Betroffenen soziale Härten entstehen. Dem kann man in der Tendenz nur beistimmen und insofern sind auch 'die Maßnahmen, die im Memorandum vorgeschlagen sind, durchaus weithin mit denen identisch, ,die das Agrarprogramm der Bundesregierung vorsieht. Aber schon wenn es darum geht, die außerlandwirtschaftlichen industriell-gewerblichen Arbeitsplätze zu schaffen, zeigt sich ein gravierender Unterschied. Unsere Vorstellung fußt auf der Erfahrung, daß ein Landwirt eher bereit ist, ein sich ständig minderndes Einkommen in Kauf zu nehmen, als auf Heimat und Hof zu verzichten und etwa in ein Ballungsgebiet abzuwandern. Man muß also zunächst den Arbeitsplatz schaffen, um ihm so die außerlandwirtschaftliche Alternative in erreichbarer Entfernung anzubieten. Im EWG-Memorandum scheint mir das etwas anders auszusehen; denn anders kann ich die Ziffer 80 nicht verstehen, in .der es heißt: Falls der Landwirt nach seiner Umschulung in ,einer vertretbaren Frist keine entsprechende Beschäftigung finden kann, werden Maßnahmen ergriffen werden, damit er eine Unterstützung wie ein arbeitsloser Lohnarbeiter erhalten kann. Da bin ich allerdings der Meinung, daß sich das mit unseren Vorstellungen in keiner Weise verträgt. Man möge sich das menschliche Schicksal vorstellen: Ein Landwirt, der in einem manchmal unzulänglichen Betrieb jahrelang gearbeitet hat, wird umgeschult, weil ihm die entsprechende soziale Hilfestellung optimal erscheint. Wenn er diesen Vorgang hinter sich hat, das Land etwa gar in andere Pro11780 duktionsbetriebe eingegangen und sein eigener Veredelungsbereich aufgegeben ist, dann soll er auf Arbeitslosenunterstützung gesetzt werden. Das ist kein Weg. Hier müssen wir einfach auf Grund der Erfahrung, die wir gemacht haben, in aller Deutlichkeit sagen: Sorgen wir für die gewerblich-industriellen Arbeitsplätze, und wir werden sinnvoll mit entsprechenden ergänzenden sozialen Maßnahmen den Strukturwandel fördern. ({0}) Eine zweite Bemerkung. Das EWG-Memorandum verkennt meiner Meinung nach total die Funktion der Nebenerwerbsbetriebe. Das Memorandum erkennt den Nebenerwerbsbetrieben, und zwar nur einer beschränkten Zahl, einen Übergangscharakter zu. Es gibt, wie ich meine, mehrere gute Gründe, sich für den Nebenerwerbsbetrieb auch in der zukünftigen Entwicklung des flachen Landes auszusprechen. Ein Argument für diesen Nebenerwerbsbetrieb hat meiner Überzeugung nach in der Diskussion eine zu geringe Rolle gespielt, nämlich das Argument, daß bei weiterer positiver gesamtwirtschaftlicher Entwicklung im nächsten Jahrzehnt weitere Arbeitszeitverkürzungen die Folge sein werden und damit die unternehmerische eigenverantwortliche Tätigkeit im Nebenerwerbsbetrieb eine durchaus sinnvolle Ergänzung im Sinne einer schöpferischen Freizeitgestaltung über den industriell-gewerblichen Arbeitsplatz hinaus ist. Hierbei ist - das ist ein wichtiger Punkt - nicht etwa nur an eine intensive Nutzung der Nebenerwerbsbetriebe im Sinne einer konkurrierenden Mengenproduktion gedacht. Die angedeuteten Möglichkeiten lassen sich genauso realisieren, wenn wir etwa - ich sage das hier einmal ganz deutlich - den Vorstellungen von Dr. Geiersberger von der Partnerschaft der Voll-, Zuund Nebenerwerbsbetriebe folgen. Ich glaube, daß es einfach wirklichkeitsfremd ist, dem Nebenerwerbsbetrieb für die Entwicklung des flachen Landes bestenfalls in einer nur begrenzten Zahl einen Übergangscharakter beizumessen. Nein, ich glaube, daß auf Grund der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung gerade im außerlandwirtschaftlichen Bereich der Nebenerwerbsbetrieb eine hervorragende Zukunftsaufgabe haben wird und immer in das Modell des flachen Landeis für die Zukunft hineingehört. ({1}) Eine dritte Bemerkung bezieht sich auf die landwirtschaftlichen Betriebsmodelle des EWG-Memorandums. Meine Damen und Herren, ich sage ganz freimütig: die Produktionsgrößen je Produktionseinheit, „PE", wie das heißt, scheinen mir in sich noch gar nicht einmal sinnlos zu sein; denn sie sind an den Möglichkeiten der Technisierung und Rationalisierung orientiert. Nur - und jetzt beginnen wieder die kritischen Anmerkungen -, wie will man in dem vorgesehenen Zeitraum trotz aller Partnerschaft, trotz aller überbetrieblichen Zusammenarbeit, trotz aller Spezialisierung an einer Produktionsexplosion vorbeikommen, wenn man in den gesetzten Fristen diese Modelle für alle Bereiche der EWG verbindlich macht, ja, die „PE" nur bis 1975 für förderungswürdig hält, ab da nur noch das moderne landwirtschaftliche Unternehmen? Hier liegt eine völlige Verkennung der gegebenen Möglichkeiten, zumal wenn wir davon ausgehen, daß wir in der Bundesrepublik Deutschland von 480 000 Vollerwerbsbetrieben etwa 4500 Betriebe haben, die gegenwärtig diesen Produktionseinheitsgrößen entsprechen. Das muß man einfach sehen, um die Aufgabenstellung zu erkennen, die aus diesen Zahlen und Daten erwächst. Aber auch ein Zweites muß gesehen werden. Wenn die Betriebsmodelle des Memorandums in den gesetzten Fristen durchgezogen werden sollen, müßte ich alle in den letzten Jahren vorgenommenen Investitionen in einer relativ kurzen Zeit stilllegen. Das sollen laut Berechnungen pro Vollerwerbsbetrieb immerhin 50 000 bis 100 000 DM sein. Zusammengenommen ergäbe sich daraus ein Kapitalverlust von 25 bis 50 Milliarden DM. Allein die Zinsen dafür würden die „Kleinigkeit" von 1,2 bis 2,5 Milliarden DM ausmachen. Meine Damen und Herren, wie das noch eine ökonomisch sinnvolle Lösung sein. kann, das einzusehen ist mir allerdings trotz ehrlichen Bemühens bisher nicht gelungen. Ich glaube, das muß man in aller Deutlichkeit sagen, um gerade diejenigen, die irgendwelche echten Zukunftschancen für dieses Memorandum sehen, zu ernüchtern. Ein Wort wäre noch zur Finanzierung des Programms zu sagen. Wenn man etwa davon ausgeht, daß diese Kapitalverluste überhaupt keine Berücksichtigung gefunden haben, daß die ganzen möglichen finanziellen Auswirkungen etwa des Bereichs der Ansiedlung neuer Betriebe in den sehr groben Finanzvorstellungen des Memorandums nicht genügend ausgelotet sind, dann, glaube ich, meine Damen und Herren, muß man Herrn Minister Höcherl recht geben, wenn er in seiner Einführungsrede von politischer Naivität spricht, von der es zeuge, wenn man ein angeblich vernünftiges Progamm auf der Erwartung aufbauen will, von den Parlamenten der Sechs eine Globalvollmacht zu bekommen, ohne im einzelnen darzustellen, worum und um welche Größenordnungen es sich handelt. Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir zum Schluß auch eine politische Bemerkung. Ich glaube, sie muß in der politischen Landschaft, in der sich Europa derzeit bewegt, auch gesagt werden: hier wird ein Programm entwickelt, das tiefstgreifende Auswirkungen für die Landwirtschaften aller Länder und damit für die gesamte Wirtschaftsstruktur aller sechs Partnerländer hat in einer Zeit, in der man den Eindruck hat, daß sich die EWG damit begnügt, sich selbst zu einer Börse zu degradieren, in der jeder Wettbewerbsvorteile zu Lasten anderer zu erfeilschen sucht. Ich glaube, daß es angesichts dieser Situation einfach unrealistisch ist, zu erwarten, daß die mit diesem Gesamtprogramm verbundenen rechtlichen Veränderungen etwa in den Gesamtfinanzierungen überhaupt durchsetzbar wären. Gefordert werden nun immer Alternativen. Das sagt Herr Vizepräsident Mansholt zu allen, die mit ihm über diese Frage diskutieren. Ich glaube, wir haben diese Alternative im Agrarprogramm, das natürlich auch in seinen finanziellen Möglichkeiten beständig fortzuentwickeln ist. Dazu werden meine Kollegen Bewerunge und Dr. Siemer noch etwas sagen. Ein letztes Wort: Wir alle wissen, daß in diesem Leben, in dieser Welt, in der wir stehen, im Grunde der Wandel das einzig Beständige ist. Wandel aber bedeutet immer Unsicherheit und Unruhe für den, der unmittelbar von ihm betroffen ist. Nehmen wir diesen Wandel, der sich vollzieht, ernst! Versuchen wir, ihn sinnvoll durch Maßnahmen für die Zukunft zu kanalisieren! Dann, glaube ich, kann die Beständigkeit des Wandels Hoffnung und Zuversicht zugleich in sich bergen. ({2})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort hat der Abgeordnete Reichmann.

Martin Reichmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001801, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Absichten, die Wege und die Ziele des EWG-Memorandums zur Reform der Landwirtschaft und auch der vorliegende Grüne Bericht der Bundesregierung treffen die Menschen in der Landwirtschaft, ihre wirtschaftliche und soziale Lage so tiefgreifend, daß alle Verantwortlichen sich darüber mit der Landwirtschaft auseinandersetzen müssen, welches die bestmöglichen Wege zur Lösung sind, aber auch deshalb, um die Gefahren zu beseitigen und Unheil abzuwenden. Nach den allgemeinen agrarpolitischen Beurteilungen meiner Freunde ist es meine Aufgabe, besonders zu den menschlichen, sozialen Auswirkungen Stellung zu nehmen. Und wie Bundesminister Höcherl heute vormittag sagte, steht auch bei uns in der FDP der Mensch im Mittelpunkt nicht nur der Politik, sondern auch der Agrarpolitik. Damit stehen aber die Auseinandersetzungen und die Auswirkungen im Hinblick auf die Pläne und Reformen, wie sie nun vorliegen und mit denen die 2,6 Millionen Erwerbstätigen in unserer Landwirtschaft konfrontiert sind, im Mittelpunkt dieser Auseinandersetzung. Weil die Verdreifachung der Leistungen und der Produktivität der Landwirtschaft infolge einer Politik der Unterbewertung der Landarbeit, wie es die Entwicklung der Disparität in den Grünen Berichten ständig aufgezeigt hat, nicht zur leistungsgerechten, verdienten Verbesserung der Einkommens- und Lebensverhältnisse führte, vergrößerte sich die Schwierigkeit in der Landwirtschaft bis zur Hilfsbedürftigkeit, so daß sie nicht mehr imstande war und ist, ihre soziale Sicherung selber so vorzunehmen, wie es notwendig wäre und von uns allen als richtig und erwünscht angesehen wird. Deshalb ist es unmöglich, daß die Landwirtschaft in der sozialen Sicherung selbst vorsorgt. Sie ist auf Staatshilfen angewiesen, um ihre soziale Sicherheit herzustellen. Das ist ein Ausweg, aber nach dem Verursachungsprinzip unbestreitbar gerechtfertigt. Infolge der Absichten des Mansholt- und auch zum Teil des Schiller-Plans stellen die erwerbstätigen Menschen in der Landwirtschaft die Frage: Sollen wir aufhören oder sollen wir weitermachen? Was wird aus uns, wenn wir uns so oder so entscheiden? Kann das gehalten werden oder wird das gehalten, was uns in Aussicht gestellt wird? Und bedenklich sagen sie: Wir begnügen uns nicht mit dem, was gehalten werden soll. Nach den Enttäuschungen der bisherigen Agrarpolitik, der Nichterfüllung des Landwirtschaftsgesetzes, des EWG-Anpassungsgesetzes, der Getreidepreissenkung, der nachteiligen Auswirkungen der EWG-Agrarpolitik überhaupt, sind das Mißtrauen und der Zweifel in diesen existenzentscheidenden Fragen verständlich und berechtigt. Der einen Hälfte, die verbleiben soll, werden auskömmliche, würdige Lebens- und Einkommensverhältnisse versprochen, aber erst in der Endlösung, nach der geplanten Überführung der Familienbetriebe in die Typen EP oder MLU, nicht zusammenhanglos, wie es nun im Memorandum - bedauerlicherweise in Typen und Abkürzungen - angesprochen wird, sofern sie in dieser Übergangsperiode nicht auf der Strecke geblieben oder umgekommen sind. In dieser Übergangsperiode würden aber durch die Erzeugungspreissenkungsabsichten nach Mansholt gerade die verbleibenden, die Vollerwerbsbetriebe, also die Substanz unserer Landwirtschaft, die wir ja erhalten wollen und müssen, wenn wir eine eigene Landwirtschaft wollen, am stärksten betroffen und gefährdet. Meine Freunde haben bereits begründet, weshalb wir diesen radikalen, revolutionären Weg ablehnen, dagegen eine sinnvolle Anpassung begrüßen, die wirtschaftlich, sozial auch finanziell und menschlich verkraftet und bewältigt werden kann. In diesem Zusammenhang, Herr Bundesminister, darf ich Sie darauf ansprechen, daß wir eine Feststellung bezüglich des Punktes, an dem die natürliche Weichenstellung für die zukünftige Entwicklung der Landwirtschaft und unseres Wandlungsprozesses erfolgt, vermissen, nämlich bei der Berufsentscheidung der Entlaßschüler, die ja von den Arbeitsämtern durchgeführt wird. Wir halten das im Hinblick auf die zukünftige Entwicklung für zweckmäßig, um die organische und natürliche Entwicklung des Wandels bei uns festzustellen, um entsprechend disponieren zu können. Wir wären dankbar, wenn uns das Kriterium im nächsten Bericht mitgeteilt würde. Wir haben festgestellt - auch meine Erfahrungen bestätigen das -, daß dieser Wandlungsprozeß bei der Weichenstellung der Jugend nämlich gar nicht mehr mit Druck betrieben werden muß, sondern daß er im Zuge des Generationswechsels weitgehend organisch erfolgt. Eine weitere Frage ergibt sich: Was wird aus der anderen Hälfte, die nach dem Plan von Bundeswirtschaftsminister Schiller aus der Landwirtschaft ausscheiden sollen, aus den 900 000 Menschen in unserer Landwirtschaft? Was wird aus wiederum der Hälfte dieser Menschen, die unter 55 Jahre alt sind, die ungeschult und die in produktivere, attraktive Bereiche umgesetzt werden sollen, was wird aber auch aus den über 55jährigen, denen mit agrarsozialen Hilfen der Berufswechsel erleichtert oder ermöglicht werden soll? Nach Meinung der FDP darf auch diese Seite des Wandlungsprozesses nicht überstürzt werden, sondern muß in dem Ausmaß erfolgen, wie er zeitlich, wirtschaftlich und auch menschlich verkraftet werden kann. Es müssen dabei also die Voraussetzungen dafür geschaffen werden können, daß am Ende nicht die Arbeitslosenunterstützung steht, wie es im Memorandum angedeutet ist, oder gar die Sozialhilfe. Jeden Druck oder Zwang lehnen wir ab, selbst wenn er „attraktiv" gemacht wird, wie es Dr. Krohn von der Kommission angedeutet hat. Das Bestreben, die Umsetzungen ohne Not forciert zu betreiben, nur 1 wegen des Wohlstandswillens - der ja auch nicht das höchste Glück ist, wie die gegenwärtigen Auseinandersetzungen uns lehren -, muß dort aufhören, wo der Wandel auf Kosten der Freiheit des Eigentums und des sozialen Status der betroffenen Menschen erfolgt. Die Durchführung der agrarsozialen Hilfsmaßnahmen für die über 55jährigen ist zuvörderst ein Finanzierungsproblem; denn nur was finanzierbar ist, ist auch realisierbar. Angesichts der Finanzierungsschwierigkeiten der jetzigen bescheidenen agrarsozialen Maßnahmen, aber auch der Finanzierungsschwierigkeiten in der EWG, die Herr Staatssekretär Grund im Bulletin vom 20. September 1968 so offenkundig aufgezeigt hat, müssen und können die vorgeschlagenen sozialen Maßnahmen nur so lange und so weit durchgeführt werden, als die Finanzierung langfristig gesichert ist. Die Einführung der Landabgaberente ist zweifellos ein Fortschritt; über die Durchführung müssen wir jedoch noch diskutieren. Doch nun zur gegenwärtigen landwirtschaftlichen Sozialpolitik der Bundesregierung nach dem vorliegenden Grünen Bericht einige Bemerkungen! Man muß anerkennen, daß die Bundesregierung in ihrem Agrarprogramm die Verbesserung und die Dringlichkeit der agrarsozialen Maßnahmen damit berücksichtigt, daß die Altershilfe um 109 Millionen DM verbessert wird. Um so unverständlicher ist allerdings die Kürzung des Bundeszuschusses für die Berufsgenossenschaft nach der mittelfristigen Finanzplanung. Diese widersprüchlichen agrarsozialen Entscheidungen werfen die Frage auf, ob die agrarsozialen Verbesserungen tatsächlich aus weitsichtigen agrarsozialen Beweggründen erfolgt sind oder ob hier auch noch gewisse wahltaktische Absichten eine Rolle gespielt haben. Jedenfalls muß man feststellen, daß das angekündigte Agrarprogramm nicht das geworden ist, was von ihm erwartet wurde. Es brachte keine Lösung der Schwierigkeiten; es blieb doch weitgehend Stückwerk, weil es weder die agrarpolitische Zielsetzung erfüllt noch den agrarsozialen umfassenden Fortschritt erbracht hat. Die Verbesserung der Altershilfe auf 175 bzw. 115 DM wird von uns begrüßt. Allerdings müssen wir dabei feststellen, daß die größte Regierungsfraktion wiederum nicht zu ihrem Wort steht. ({0}) Denn 1968 hat sie hier in diesem Hohen Hause gefordert und den Antrag gestellt, das Altersgeld auf 200 DM zu erhöhen. ({1}) Die leichtgläubige Landwirtschaft hat das erwartet, ({2}) und nun gibt sie sich mit 175 DM zufrieden. Das, Herr Kollege Ritz, können Sie selber feststellen, wenn es Ihnen jetzt noch unglaubhaft erscheinen sollte, im Antrag ihrer Fraktion. Die Beitragserhöhungen, die nun vorgesehen sind, lehnen wir allerdings ab, und zwar so lange, wie die politischen Erzeugerpreissenkungen nicht beseitigt oder - entsprechend unseren Anträgen - ausgeglichen sind. Besonders schwierig ist die Situation bei den Berufsgenossenschaften bzw. der landwirtschaftlichen Unfallversicherung. Nach den gesetzlichen Bestimmungen sind zwar die Jahresarbeitsverdienste als Grundlage der Leistungen von 4500 DM auf 5100 DM angehoben worden, obwohl der Vergleichslohn nach 'dem Grünen Bericht 1968 bei 9700 DM lag. Die soziale Gleichstellung auf der Basis des Vergleichslohns hätte zu einer Erhöhung der Beiträge von 90 % geführt -, das kann die Landwirtschaft heute finanziell nicht verkraften -, oder aber die Erhöhung des Bundeszuschusses auf 380 Millionen DM wäre erforderlich. Aber auch ,das ist nicht möglich. Durch diesen unsozialen Rückstand der landwirtschaftlichen Unfallversicherung sind insbesondere die 14 300 Schwerstbeschädigten betroffen. Es ist menschlich einfach unmöglich, 'daß ein 100% Erwerbsunfähiger - ein Querschnittsgelähmter oder ein Blinder - mit einer monatlichen Rente von 285 DM auszukommen vermag. ({3}) Angesichts dieser Notlage der Schwerbeschädigten halten wir eine Schwerstbeschädigtenzulage in Höhe der halben Rente für geboten. Der Kostenaufwand wird etwa 18 Millionen DM betragen. Wir haben heute einen diesbezüglichen Gesetzesantrag eingebracht und wären dankbar, wenn Sie ihn unterstützten. Mit Rücksicht auf ,die schwierige wirtschaftliche und soziale Lage der Landwirtschaft ist in der mittelfristigen Finanzplanung die festgelegte Kürzung des Bundeszuschusses von ursprünglich 230 Millionen DM auf 160 Millionen DM 1969 und bis auf 70 Millionen DM 1972 unsozial und unerträglich. In einer Zeit, in ,der ,die Einkommensverhältnisse in den anderen Bereichen erheblich verbessert werden, die Landwirtschaft aber auf dem niederen Agrarpreisniveau der EWG zurückgehalten wird, halten wir diese agrarsoziale Demontage für nicht tragbar und nicht gerechtfertigt. Die Landwirtschaft würde dadurch doppelt betroffen, nämlich im Preis und in den Kosten. Wir fordern deshalb die Wiederherstellung des ursprünglichen Bundeszuschusses :in Höhe von 230 Millionen DM für die landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften, um Beitragserhöhungen zu vermeiden, Wir wären Ihnen, meine Damen und Herren, deshalb dankbar, wenn Sie unseren Entschließungsantrag auf Umdruck 588 Ziffer 10 unterstützten. Wir beantragen, die Deckung dieser Mehrausgaben über die 2 Milliarden DM, die für die EWG-Marktordnung vorgesehen sind, herbeizuführen. Wir sind überzeugt, daß sie dort zu finden sind. Seit Jahren wird von der Bundesregierung die grundsätzliche Regelung der Krankenversicherung untersucht und überprüft, in diesem Hohen Hause diskutiert und mit Recht eine Lösung gefordert, um diese Lücke in der umfassenden landwirtschaftlichen Sozialpolitik zu schließen. Wir müssen aber feststellen, daß die Regierungsmethode der Ausklammerungspolitik bei schwierigen Problemen auch in der landwirtschaftlichen Sozialpolitik betrieben wird. Die Bundesregierung spricht alljährlich von dieser notwendigen Aufgabe, auch jetzt im Agrarprogramm und sehr dürftig, mit zwei Sätzen, im Grünen Bericht. Mit Wenn und Aber drückt sie sich vor der Entscheidung. Selbst die SPD ergreift nicht die mehrfach angekündigte Initiative, so daß angenommen werden muß, daß die gesetzliche Regelung der Krankenversicherung in der Landwirtschaft ein Ausklammerungsopfer dieser Koalition geworden ist. Gerade die SPD müssen wir fragen, wo sie mit ihren agrarsozialen Initiativen geblieben ist, die im Prinzip nicht schlecht, ({4}) im Verfahren allerdings umstritten sind. Darüber werden wir uns noch unterhalten, Herr Kollege Saxowski. Trotz alledem können wir Verantwortlichen nicht den Tatsachen ausweichen, daß das Krankenrisiko für die einkommensschwache Landwirtschaft unerträglich und der Gesundheitszustand der Landbevölkerung gefährdet ist, besonders der der Landfrauen. Das hat auch der Herr Minister heute vormittag schon erwähnt. Dieses Problem erfordert dringend eine Lösung. In diesem Zusammenhang sei den Landfrauen für ihren fast übermenschlichen Einsatz gedankt. Durch noch bessere Rationalisierung und Technisierung nicht nur im Betrieb, sondern auch im Haushalt und durch überbetriebliche Zusammenarbeit muß die Landfrau entlastet werden. Geradezu schockierend ist die Aussage des Unfallverhütungsberichts, der diesem Hohen Haus gegenwärtig vorliegt, daß von den 180 tödlichen Unfällen mithelfender Familienangehöriger zu 96 % die Landfrauen betroffen sind. Das darf so nicht weitergehen. Dieser Zustand muß beendet und beseitigt werden. Es ist eine Aufgabe der Betriebswirtschaft, der Agrar- und besonders der agrarsozialen Politik, hier menschenwürdige Zustände zu schaffen. Die Regelung der bäuerlichen Krankenversicherung sollte durch parteiliche Meinungsverschiedenheiten oder durch Absichten von Interessenten außerhalb der Landwirtschaft nicht behindert werden. In Ziffer 11 unseres Entschließungsantrags Umdruck 588 fordern wir deshalb von der Bundesregierung im Rahmen der Überprüfungen, mit denen sie beauftragt ist, einen geeigneten Gesetzentwurf zur gesetzlichen Regelung der Krankenversicherung in der Landwirtschaft vorzulegen. Denn der Prüfungen sind genug! Befragungen und Feststellungen in der Landwirtschaft haben ergeben, daß sie mit großer Mehrheit die Pflichtversicherung will, wie sie zum Teil ja auch bei den Handwerkern bereits durchgeführt ist. Betrachtet man die Durchführung der agrarsozialen Maßnahmen und die Aussage des Grünen Berichts, dann muß man feststellen, daß die Bundesregierung eine klare agrarsoziale Konzeption nicht hat. Das beweisen die Tatsachen: Die Altersversicherung wird verbessert, die Unfallversicherung aber verschlechtert, und die Krankenversicherung läßt man schwimmen. Die FDP-Opposition fordert deshalb, daß die landwirtschaftliche Sozialpolitik nicht länger Stück- und Flickwerk bleibt. Die agrarsozialen Maßnahmen müssen umfassend geregelt, durchgeführt und fortentwickelt werden. Wie bei allen agrarpolitischen Maßnahmen heutzutage muß auch hier die Situation in der EWG mit berücksichtigt werden, besonders die Situation gegenüber dem größten Wettbewerber, Frankreich. Weil Frankreich auf Grund seiner Überschüsse gezwungen war, eine zurückhaltende Agrarpreispolitik zu verfolgen, wurde und wird in Frankreich eine aktive agrarsoziale Politik betrieben. Die Bundesrepublik ist durch die EWG in eine ähnliche Situation gebracht worden. Deshalb müssen wir jetzt entweder einen ähnlichen Weg beschreiten, oder unsere Landwirtschaft wird durch die immer größeren agrarsozialen Wettbewerbsunterschiede gefährlich benachteiligt. Wir begrüßen deshalb die diesbezügliche Erklärung und Feststellung des Bundesministers Höcherl in seiner Rede am 12. Februar vor diesem Hohen Hause, in der erstmalig darauf hingewiesen wurde, daß in Frankreich 15 % der vergleichbaren Einkommen der Landwirtschaft, in der Bundesrepublik nur 8 % aus staatlichen Sozialhilfen gegeben wurden. ({5}) Wir erwarten, Herr Minister, daß es nicht nur bei der Erkenntnis bleibt; denn die bringt uns nicht weiter. Es heißt im Volksmund, daß die Erkenntnis der erste Schritt zur Besserung sei. Das sollte auch für Sie gelten. Daher erwarten wir, daß nun auch die Konsequenzen, die sich ergeben, gezogen werden. Nimmt man alle agrarsozialen Hilfen zusammen, so ergibt sich für die Bundesrepublik ein Gesamtaufwand von 1,1 Milliarden DM bei 2,8 Millionen Erwerbstätigen gegenüber 5,8 Milliarden DM bei 3,4 Millionen Erwerbstätigen in Frankreich. Die Gleichziehung der Bundesrepublik würde einen Einsatz von 4,8 Milliarden DM statt 1,1 Milliarden DM erforderlich machen. Diese Situation ist nicht illusionär, sondern harte Wirklichkeit, mit der wir konfrontiert sind, obwohl die Verhältnisse nicht in jeder Hinsicht vergleichbar sind. Die agrarsozialen Maßnahmen sind EWG-konform. Weil Frankreich aber nicht abbauen wird, kann eine Harmonisierung nur durch schrittweise Anpassung - oder überhaupt nicht - erfolgen. Aus all dem, was ich angeführt habe, ergibt sich die Größe, die Schwierigkeit und die Dringlichkeit der Aufgaben der landwirtschaftlichen Sozialpolitik als Teil einer Agrar- und Gesamtpolitik, die eine lebensfähige Landwirtschaft wirtschaftlich und sozial gleichberechtigt in unserer Wirtschaft, in unserer Gesellschaft und in unserem Volk erhalten will. Ich bitte Sie, bei der Bewältigung dieser Gemeinschaftsaufgabe mitzuhelfen. Für die Fraktion der FDP erkläre ich, daß wir dazu gewillt, bereit und entschlossen sind. ({6})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Meine Damen und Herren, ich gebe Ihnen bekannt, daß der Präsident der Vereinigten Staaten um 17.30 Uhr dem Deutschen Bundestag die Ehre seines Besuches geben wird. ({0}) Das Wort hat der Herr Bundesminister für Wirtschaft.

Dr. Karl Schiller (Minister:in)

Politiker ID: 11001968

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Man hat mir gesagt, es sei heute das erste Mal, daß ein Bundeswirtschaftsminister hier im Plenarsaal in einer großen agrarpolitischen Debatte über den Grünen Plan das Wort ergreift. Ich weiß nicht, ob dem so ist, aber alle dafür zuständigen Herren aus der Verwaltung haben mir das bestätigt. Ich möchte betonen, wenn ich jetzt als Bundeswirtschaftsminister ein paar Bemerkungen mache, so fühle ich mich nicht als Landwehrreservemann Nr. 1 für den agrarpolitischen Frontsoldaten Höcherl. ({0}) Er macht seine Sache im agrarpolitischen Frontgraben schon allein ganz gut. ({1}) Ich möchte mit meinen Bemerkungen vielmehr unterstreichen, daß die Wirtschafts- und die Agrarpolitik in diesen 21/2 Jahren seit der Bildung dieser Regierung in ein neues, sachliches Verhältnis zueinander gekommen sind. Die Opposition mag - das ist ihr gutes Recht - dieses oder jenes an der Regierung der Großen Koalition kritisieren. Manche ihrer Leistungen sind vielleicht nicht so spektakulär, sondern mehr auf leisen Sohlen gekommen. Eines möchte ich betonen: die Integration der Wirtschafts-und Agrarpolitik, die Tatsache, daß wir in diesen Debatten hier am heutigen Tage und in den Debatten draußen ganz selbstverständlich von einer integrierten allgemeinen Wirtschafts- und Agrarpolitik sprechen, ist eine dieser gemeinsamen Leistungen, die auf leisen Sohlen gekommen sind und die jetzt auch, wie ich heute nachmittag bemerken konnte, von einigen hochverehrten Mitgliedern der Oppositionsfraktion bemerkt worden sind. Wenn wir zurückblicken, so wissen wir, daß früher die allgemeine Wirtschaftspolitik und die Agrarpolitik weit voneinander entfernt waren. Sie lebten, um es einmal wieder fremdländisch auszudrücken, im Zustand kompletter Apartheid. ({2}) Heute haben wir erfreuliche Fortschritte aufeinander zu gemacht, gerade im letzten Jahr. Agrarpolitik und allgemeine Wirtschaftspolitik arbeiten jetzt unter gemeinsamen Zielen und mit aufeinander abgestimmten Konzeptionen. Dieser erfreuliche Wandel kommt einmal in dem Agrarprogramm der Bundesregierung zum Ausdruck, das Ihnen vor geraumer Zeit Herr Kollege Höcherl vorgetragen hat. Ein anderes Produkt dieses Wandels durch Annäherung - um es einmal so zu sagen - zwischen Agrarpolitik und allgemeiner Wirtschaftspolitik ist das Arbeitspapier des Bundeswirtschaftsministers zur Intensivierung und Koordinierung der regionalen Strukturpolitik. Wir alle wissen, daß dieses Arbeitspapier, dessen Aufgabe u. a. darin bestand, den Umfang der benötigten industriellen Auffangstellungen für den möglichen Strukturwandel in der Landwirtschaft zu quantifizieren, am Anfang Überraschung ausgelöst und bei einigen Damen und Herren des Hohen Hauses sogar eine Art Schockwirkung erzeugt hat. Inzwischen ist das ganz anders geworden. Dieses manchmal fälschlicherweise so genannte Agrarpapier des Bundeswirtschaftsministers - das ein komplementäres Papier ist, das 'die Agrarpoiltik ergänzen soll - gilt inzwischen auch unter den deutschen Lanwirten als eine Diskussionsgrundlage. An 'dieser Stelle muß ich sagen, es ehrt die deutschen Landwirte, daß sie es honorieren, wenn Ihnen einmal über 'die zukünftige Entwicklung die blanke Wahrheit gesagt wird. ({3}) Die deutschen Landwirte hatten es satt, mit Versprechungen aus früheren Jahren abgespeist zu werden, und sie erlebten auch, daß die herkömmlichen Mittel der Agrarpolitik für sich nicht genügten. Meine Damen und Herren, von dieser Bundesregierung ist gesagt worden: Es war ein Irrtum, das Agrarproblem mit rein agrarpolitischen Mitteln zu lösen oder lösen zu wollen. Mein Kollege Höcherl und ich sind uns völlig darin einig, daß es für die deutsche Landwirtschaft von der Sache her geboten ist, mit einem ganzen Bündel von sozialpolitischen, wirtschaftspolitischen und agrarpolitischen Mitteln gleichzeitig zu operieren. ({4}) - Nein! Früher war die Landwirtschaftspolitik ausgeklammert. Auf diesem Gebiet hat die Große Koalition nicht ausgeklammert, sondern eingeklammert. ({5}) Auf der Grundlage dieser sachlichen Übereinstimmung ist es uns möglich, nun die strukturellen Probleme der ländlichen Räume und der deutschen Landwirtschaft schneller einer Lösung zuzuführen. Wir alle wissen - das ist heute in vielen Beiträgen betont worden -, die deutsche Landwirtschaft ist einem rasanten Strukturwandel unterworfen. Das bedeutet gleichzeitig, daß sie auf eine stetige Aufwärtsentwicklung der Gesamtwirtschaft angewiesen ist. Denn nur im Rahmen eines allgemeinen, stetigen, ausgeglichenen Wachstums kann die Landwirtschaft selber ihren eigenen Strukturwandel durchstehen. Wir alle haben es ja in den Jahren 1966/67 erlebt: Die Rationalisierung der Landwirtschaft, der Strukturwandel in der Landwirtschaft, alles das wird noch schwerer, wenn die gesamtwirtschaftliche Entwicklung durch abrupte konjunkturelle Einbrüche und Rückschläge gekennzeichnet ist. Auf der Talsohle wird zwar immer noch gegessen. Das ist klar. Der Bedarf an landwirtschaftlichen Gütern, an Ernährungsgütern ist relativ starr. Auf der Talsohle ist aber gerade für die Landwirtschaft der Strukturwandel viel schwerer als im allgemeinen Aufschwung. Deswegen sage ich, unsere deutsche Landwirtschaft braucht wie kein anderer Sektor das wohltemperierte Klima einer stetigen gesamtwirtschaftlichen Aufwärtsentwicklung. ({6}) Das haben wir mit unserer Politik der globalen Steuerung der Gesamtwirtschaft zuwege gebracht. Ein Ausdruck jener globalen Steuerung der Gesamtwirtschaft aus der Talsohle heraus in einen Aufschwung nach Maß war und ist ja auch die konzertierte Aktion. Nach jeder Veranstaltung der konzertierten Aktion - unmittelbar danach! - habe ich permanent den Präsidenten des Deutschen Bauernverbandes über alles das, was wir dort besprochen haben, unterrichtet. Ich werde später darauf kurz zurückkommen. Ich möchte noch auf etwas anderes eingehen. Das Interesse der Landwirtschaft daran, daß keine abrupten Änderungen in der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung eintreten, manifestierte sich besonders deutlich im Herbst letzten Jahres, als wir die große Debatte über die notwendige außenwirtschaftliche Absicherung hatten. Sie wissen, wir haben uns mit der steuerlichen Form der außenwirtschaftlichen Absicherung für einen Weg entschieden, der die Interessen der Landwirtschaft berücksichtigt. Wir wissen, - und wir haben es immer gesagt -, wären wir den Weg der valutarischen außenwirtschaftlichen Absicherung gegangen, hätten wir also die D-Mark aufgewertet, so hätte - im Rahmen der Brüsseler Marktordnungssysteme - jedes Prozent der Aufwertung einen abrupten Einkommensausfall von etwa 200 Millionen DM für die deutschen Landwirte bedeutet. Im neuesten Jahresgutachten des Sachverständigenrates für die gesamtwirtschaftliche Entwicklung ist ja damals im November für eine fünfprozentige Aufwertung der D-Mark plädiert worden, was inzwischen überholt ist und außerhalb jeglicher Diskussion steht. Es ist ausgerechnet worden und dort nachzulesen, daß nach Meinung der Sachverständigen eine solche fünfprozentige Aufwertung abrupt einen Einkommensausfall für die deutschen Landwirte von 1,1 Milliarden DM pro Jahr bedeutet hätte. Nicht umsonst hat uns die Brüsseler Kommission in diesem Fall bei der Währungskonferenz und bei der Stabilhaltung der D-Mark und bei dem steuerlichen Weg der außenwirtschaftlichen Absicherung unterstützt; sie wußte sehr wohl, daß das Brüsseler System der Agrarmarktfinanzierung durch Währungsveränderungen schwer tangiert würde. Aber ich will von diesen kurzfristigen Problemen jetzt absehen und kurz auf die mittel- und langfristigen Perspektiven eingehen. Wir wissen, daß es auch heute noch ein StadtLand-Gefälle gibt, ein Gefälle, das im Einkommensabstand der Landwirtschaft zum Ausdruck kommt, das sich aber genauso in der übermäßigen Arbeitsbelastung der Bauern selbst ausdrückt, die immer noch im Durchschnitt 3000 bis 3500 Stunden pro Jahr arbeiten. Wenn wir einmal in früheren Debatten über die soziale Frage den Begriff der Selbstausbeutung des Menschen durch seine eigene Arbeit verwendeten, dann müssen wir heute feststellen, daß es bei den deutschen Landwirten, besonders in den unrentablen Betriebsgrößen, Fälle solcher Selbstausbeutung gibt. Gerade hiergegen richtet sich die gemeinsame Agrar- und Wirtschaftspolitik der Bundesregierung. Auf dem Hintergrund des Stadt-Land-Gefälles haben wir auch unser neues regionalpolitisches Konzept entwickelt. Die Formulierung „ländliche Räume", die sowohl im Agrarprogramm der Bundesregierung als auch im Arbeitspapier des Wirtschaftsministers vorkommt, ist bewußt gewählt; denn es geht nicht darum, lediglich neue Instrumente der Preis- und Einkommenspolitik für die Landwirtschaft zu entwickeln, vielmehr muß in diesen ländlichen Gebieten ein allgemeines, überdurchschnittliches wirtschaftliches Wachstum erzielt werden, damit diese Gebiete an den durchschnittlichen Lebensstandard herangeführt werden. Dazu brauchen wir eben das Gesamtprogramm der Industrieansiedlung, des Ausbaus der Infrastruktur und der agrarpolitischen Maßnahmen. All das muß Hand in Hand gehen. Der Agrarsektor selber spielt in dieser langfristigen Entwicklungsstrategie für die ländlichen Räume natürlich eine besondere Rolle. Wir wissen, daß die Gesamtzahl der Arbeitskräfte in unserer Wirtschaft auf mittlere Sicht nahezu konstant bleiben wird. Wachstum wird in Zukunft fast ausschließlich durch Steigerung der Produktivität, der Leistung pro Arbeitsstunde und pro Arbeitskraft, zu erzielen sein. Aber wir wissen auch, daß aus der Landwirtschaft in Zukunft eine erhebliche Zahl von Arbeitskräften ausscheiden werden; denn der hohe technische Fortschritt ermöglicht es, immer mehr Menschen auch in der Landwirtschaft bei geringerem Faktoreinsatz zu ernähren. Unser Ziel ist es dabei nicht, diese Entwicklung in einen gewollten Schrumpfungsprozeß hineinzuzwingen - das kommt überhaupt nicht in Frage -, sondern wir wollen, daß dieser Prozeß durch neue Arbeitsplätze in ländlichen Räumen aufgefangen wird, d. h. menschlich erträglich gemacht wird. Und wir wollen, daß im agrarischen Bereich selbst der Strukturwandel durch Fortschritt und nicht durch Stillstand erreicht wird. Wie ich schon sagte, es kommt darauf an, daß dieser unvermeidliche Strukturwandel, dessen Größenordnung wir nicht genau übersehen - wir kennen nur Arbeitshypothesen -, für den Menschen erträglich gemacht wird. Das geschieht durch die neuen gewerblichen Arbeitsplätze, aber es muß auch durch andere Dinge geschehen. Der Druck, der in der Vergangenheit auf jedem Bauern lastete, dessen Hof unwirtschaftlich war und der in erreichbarer Nähe keine ausreichende außerlandwirtschaftliche Tätigkeit fand, dieser Druck - das ist der Sinn unseres Arbeitspapiers - muß ein für allemal beseitigt werden. ({7}) Es gibt zwei Formen des Wechsels, die hier eine besondere Rolle spielen. Das ist einmal der Berufswechsel. Der Berufswechsel darf für den Landwirt nicht zu einer Existenzkrise werden. ({8}) Das ist der ganz unmittelbare soziale Hintergrund unserer Forderung nach einer ausreichenden Ansiedlung neuer Betriebe in den ländlichen Gebieten und nach Ausbau des tertiären Sektors in diesen Räumen, der dann ohnehin folgen wird. Zum zweiten gibt es einen Generationenwechsel. Wir wissen, daß innerhalb der Landwirtschaft das Generationsproblem in vielen Fällen ein schweres Hindernis bei der strukturellen Anpassung an die neuen Bedingungen ist. Die Bundesregierung hat sich deswegen auch entschlossen, hier durch eine Landabgaberente Hilfestellung zu geben. Vom wirtschaftspolitischen Standpunkt halte ich es für erforderlich, daß wir auf diesem Wege des Generationenwechsels im Hofeigentum und in der Hofbewirtschaftung weitergehen. Im übrigen verweise ich, da ich versucht habe, die agrarpolitischen Probleme ein wenig in die gesamtwirtschaftliche Rahmenvorstellung der Bundesregierung einzubauen, auf den Jahreswirtschaftsbericht 1969 der Bundesregierung. Dieser Bericht wird sicherlich bald in diesem Hohen Hause diskutiert werden. Schon jetzt kann ich sagen, wir haben in dem Jahreswirtschaftsbericht als politische Aussage der Bundesregierung klar und deutlich betont, daß in den ländlichen Fördergebieten jährlich rund 20 000 außerlandwirtschaftliche Arbeitsplätze als Auffangstellung zu schaffen sind. Die bisherigen Erfolge seit Wiedererreichung der allgemeinen Vollbeschäftigung - die auch der Landwirtschaft nutzt - geben uns die Gewißheit, daß dieses Ziel durchaus erreichbar ist. Wir haben daneben im Jahreswirtschaftsbericht regionale Aktionsprogramme angekündigt, einfach aus dem Grunde, um alle Bundes- und Ländermaßnahmen zu fünfjährigen Rahmenprojektionen für die jeweiligen Regionen zusammenzufassen und damit der Töpfchenwirtschaft in der Strukturpolitik in Bund und Ländern ein Ende zu bereiten. Hier ist in der Debatte auf bestimmte Zielvorstellungen der Bundesregierung in bezug auf regionale Schwerpunkte hingewiesen worden. Es wurde die Größenordnung, die Untergrenze von 20 000 Einwohnern für zu fördernde Schwerpunkte, die wir dort gesetzt haben, kritisiert. Meine Damen und Herren, es handelt sich bei dieser Zahl nicht - das ist das eine was ich dazu zu sagen habe - um eine Größenangabe für geschlossene Ortschaften, sondern um Einzugsgebiete über eine Serie von Gemeinden. Das zweite, was ich sehr ausdrücklich sagen sagen möchte: Wir haben uns bei dieser Angelegenheit sehr deutlich von den weit höher gesteckten Zielvorstellungen des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung abgesetzt. Der Sachverständigenrat hat zwar unsere neuen Grundsätze der regionalen Strukturpolitik in ländlichen Räumen im Prinzip gebilligt, hält aber weit größere Schwerpunkte nach Einwohnerzahlen für angebracht. Wir sind der Meinung - wir haben uns darüber sowohl im Wirtschaftskabinett wie im Gesamtkabinett sehr schnell verständigt -, daß diese sehr hohen Zahlen - mündlich wurde uns in den verschiedenen Unterhaltungen vom Sachverständigenrat eine Zahl von 50 000 genannt - zu große Anforderungen an die Menschen in den ländlichen Räumen in bezug auf die Mobilität stellen würden. Deshalb haben wir es bei der ungefähren Orientierung der Einzugsgebiete - die sich, wie gesagt, über mehrere Gemeinden erstrecken - von 20 000 Menschen belassen. Ein Drittes. Es liegt mir daran, meine Damen und Herren, dies jetzt schon zu betonen, obgleich wir später in der Debatte über den Jahreswirtschaftsbericht vielleicht darauf einmal wieder zurückkommen werden. Im Sachverständigengutachten steht ein sehr hartes Wort. Dort wird in bezug auf diese ländlichen Gebiete davon gesprochen, daß in manchen Fällen eine passive Sanierung durch Abwanderung aus den ländlichen Gebieten unumgänglich sei. Ich darf Sie mit aller Deutlichkeit darauf hinweisen, daß die Bundesregierung in dem neuen Jahreswirtschaftsbericht ausdrücklich gesagt hat, daß diese sogenannte „passive Sanierung durch Abwanderung" aus den ländlichen Gebieten für uns nicht akzeptabel ist. ({9}) Wir wollen, daß das Kapital oder die Industrie dorthin wandert, aber wir wollen ,diese Gebiete nicht entleeren. Das bringt mich zu einem anderen Problem, das uns in unserer Gesamtwirtschaft in diesen Wochen, eigentlich seit dem Gesetz zur außenwirtschaftlichen Absicherung vom 30. November, besonders beschäftigt, nämlich zu dem Problem der Preisstabilität. Nachdem wir das allgemeine Wachstum unserer Produktion in unserer Volkswirtschaft gefördert haben und im Jahre 1968 auf eine gesamtwirtschaftliche Zuwachsrate von 7% gekommen sind, steht in der Tat die Stabilität des Preisniveaus seit Ende letzten Jahres in dem gesamtwirtschaftlichen ZielBundesminister Dr. Schiller viereck, das der Bundesregierung nach § 1 des Stabilitäts- und Wachstumsgesetzes vorgeschrieben ist, im Vordergrund aller unserer Überlegungen. Wie Sie wissen, sind wir dabei - der Finanzminister, der Wirtschaftsminister und die übrigen beteiligten Stellen; aber die beiden ersten sind die unmittelbar vom Gesetz Angesprochenen -, eine Stabilitätsstrategie zu entwickeln, die sicherlich dem einen oder anderen nicht immer Spaß machen wird. Stabilität ist eine Sache, die sich leicht ausspricht, die aber dem einzelnen dann in praxi sehr wehtun kann. Um auf ein ganz anderes Gebiet hinzuweisen: Es hat, wie Sie wissen, Nachrichten gegeben, daß wir in bestimmten industriellen Bereichen die Importkontingente etwas erhöhen wollten. Sie haben sicherlich heute und gestern gelesen, wie viele Proteste wir schon allein auf diese Überlegungen hin, die noch gar nicht zu einem konkreten Beschluß geführt haben, erhalten haben. Da sieht man also, daß sich Stabilität sehr leicht ausspricht, daß aber konkrete Beiträge zur Stabilität dann für den einzelnen nicht immer so ganz einfach 'zu tragen sind. Ich möchte hier aber etwas vorwegnehmen und positiv zu unserer regionalen Strukturpolitik in ländlichen Räumen sagen: Meine Damen und Herren, was immer wir, der Finanzminister und der Wirtschaftsminister als die beiden Hauptverantwortlichen im Rahmen der Stabilitätsstrategie entwickeln werden - und wir sind dabei, wie ich sagte -: so bin ich der Meinung, und ich glaube, da stimme ich mit dem Landwirtschaftsminister und dem Finanzminister voll überein, wir dürfen bei allen Maßnahmen zur Stabilisierung unserer allgemeinen, Preisentwicklung auf keinen Fall unsere angelaufenen Programme ,der Strukturverbesserung in den Zonenrandgebieten, in den Bundesausbaugebieten und in den ländlichen Räumen überhaupt in Gefahr bringen. ({10}) Diese in den Ausgabesummen bescheidenen Maßnahmen sind weiter durchzuführen, was immer man sonst stabilitätspolitisch und fiskalpolitisch beschließen möge, weil das im Interesse des weiteren Strukturwandels der Landwirtschaft und der ländlichen Räume notwendig ist. Vor allen Dingen aber, meine Damen und Herren, besteht Stabilitätspolitik nicht nur darin, daß man vom Staat oder von der Bundesbank oder von beiden die gesamtwirtschaftliche Nachfrage oder den Zuwachs der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage einzudämmen versucht; Stabilitätspolitik besteht auch darin, daß man noch brachliegende Produktionsfaktoren für die Produktion, für die wirtschaftliche Aktivität mobilisiert. Ich sehe die Fortsetzung unserer regionalen Strukturpolitik ,als ein Mittel an zur Anreicherung unseres gesamtwirtschaftlichen Angebots. Das heißt, Strukturpolitik ist in diesem Falle keine Maßnahme, die die gesamtwirtschaftliche Stabilität gefährdet, keine expansionistische Maßnahme, wie man vielleicht sagen möchte, sondern Strukturpolitik ist in diesem Sinne Politik zur Förderung und Anreicherung des gesamtwirtschaftlichen Angebots, d. h. sie ist stabilitätsfördernd. Meine Damen und Herren! Die allgemeine Wirtschaftspolitik und die Agrarpolitik haben sich in einem betonten Maße genähert. Nun ist der offene Dialog mit allen Gruppen, auch mit den organisierten autonomen Gruppen, ein wesentliches Element der neuen Wirtschaftspolitik. Und da komme ich zu dem immerwährenden Wunsch nach unmittelbarer Teilnahme der Vertreter der landwirtschaftlichen Verbände an der konzertierten Aktion. ({11}) Zunächst einmal freut es mich, welche hohe Wertschätzung die Einrichtung konzertierte Aktionen anscheinend nun auch bei der Opposition genießt. Ich hatte nicht immer den Eindruck, daß das bei Ihnen der Fall sei. ({12}) - Sie gebrauchen ihn ja auch; sie haben ihn doch hier als Postulat verwendet. Ein Zweites. Ich spreche da ganz offen, wie ich es auch vor zwei Jahren mit Präsident Rehwinkel besprochen habe. Die konzertierte Aktion ist nach dem Gesetz eine Veranstaltung, die dem gleichzeitig aufeinander abgestimmten Verhalten der Gebietskörperschaften, der Unternehmensverbände und der Gewerkschaften dienen soll. Als ich Herrn Präsident Rehwinkel davon abriet, in diese Gruppierung hineinzugehen, so war das bei mir ein humanes Anliegen. Der Lernprozeß - sagen wir: das Verständnis für die besonderen Probleme der Landwirtschaft - ist sicherlich noch nicht in allen Bereichen der Industrie-Unternehmerschaft und der Industrie-Gewerkschaften so weit gediehen, daß es nicht sehr leicht zu einer sehr schwierigen Situation für die Vertreter des Bauernverbandes hätte kommen können. Das war aber mehr ein humanes Argument. Viel wichtiger ist folgendes. Wir sprechen in der konzertierten Aktion über das gemeinsame, gleichzeitige oder koordiniertes Verhalten von autonomen Gruppen. Wir sprechen über Orientierungsdaten, über Orientierungsdaten für das gesamtwirtschaftliche Wachstum, über Orientierungsdaten für die allgemeine Preisentwicklung und auch über Orientierungsdaten für die Lohnentwicklung. Alle diese Orientierungsdaten - das möchte ich den Landwirten sehr deutlich sagen - setzen Märkte voraus, auf denen Anbieter und Nachfrager völlig frei entscheiden können, z. B. unser Arbeitsmarkt oder unsere industriellen Märkte. Zu den Orientierungsdaten für den Arbeitsmarkt gehört die Tarifautonomie, was ich immer wieder betone. Und was unsere Orientierungsdaten für die Investitionen und für die Preise der Industriegüter betrifft, so setzt das ebenfalls alles eine freie Marktpreisbildung voraus. Wollten wir die Konzeption auf die Landwirtschaft anwenden, so entsteht allerdings ein Dilemma; denn wir alle wissen, daß die Preisbildung dort anderen Gesetzen unterliegt als in allen übrigen Bereichen unserer Wirtschaft. Wir haben Marktordnungen, wir haben Interventionspreise, wir haben Schwellenpreise. Das alles sind - so möchte ich sagen - Brüsseler Preisbildungsmechanismen, die mit einer eigenen, nationalen konzertierten Aktion natürlich in einen Konflikt geraten könnten. Denn bei jedem Vorschlag könnte sofort gesagt werden: Im Bereich der Landwirtschaft können wir uns gar nicht unterhalten, denn dort herrschen die ehernen Gesetze der Marktordnung, der Brüsseler Kommission und des Ministerrats. Dieser Unterschied im marktwirtschaftlichen Zustand hat dazu geführt, daß wir uns bisher sagten: Vielleicht ist es besser, daß die Vertreter des Bauernverbands noch nicht in der konzertierten Aktion sind. Aber - das darf ich hier hinzufügen - ich habe selber in der vorvorigen Sitzung der konzertierten Aktion den bisherigen Teilnehmern vorgeschlagen, noch einmal über dieses Problem nachzudenken. Es wird nicht ganz leicht sein, dort zu einem gemeinsamen Beschluß zu kommen, weil alle übrigen Bereiche in dieser konzertierten Aktion natürlich eben nicht einer supranationalen Marktordnung unterliegen, sondern frei sind. Da wird es Hemmungen geben; das muß ich hier ganz sachlich aussprechen. Im übrigen, meine Damen und Herren, zeigt mir die Sehnsucht nach der konzertierten Aktion, daß unsere neue Wirtschaftspolitik auch die deutsche Landwirtschaft anzieht. Ich halte es für eine gute Sache, daß die neue Generation unter unseren Landwirten sehr hart fragt: Wie können wir uns die Zukunft der deutschen Landwirtschaft und die Zukunft der deutschen Agrarpolitik überhaupt vorstellen? Ich bin der Meinung, daß es auch erfreulich ist, daß es eine gute Sache ist, wenn die Brüsseler Agrarpolitik - wer immer in grauen Vorzeiten einmal dafür verantwortlich gewesen sein mag - von der neuen Generation der jungen Landwirte erst einmal in Frage gestellt wird. Machen wir uns doch keine Illusionen: Die Brüsseler Agrarpolitik, in etwa zehn Jahren entwickelt, ist in der Tat in einer dicken Krise. ({13}) Daß die junge, fortschrittliche Generation sehr radikal nach neuen Lösungen drängt, ist eine gute Sache. Das reine Denken in Schutzmauern, in Protektionismen genügt der neuen Generation nicht mehr. ({14}) Ich möchte so sagen: die neue Generation ist dafür ein Zeichen, daß ein neuer Geist an die Tore auch der deutschen Landwirtschaft anklopft. Das ist der Geist - und damit will ich schließen - der neuen, der aufgeklärten Marktwirtschaft, der auch die deutsche Landwirtschaft eines Tages erfüllen wird. ({15}) Präsident von Hassel: Ich danke Ihnen, Herr Bundesminister, und erteile das Wort dem Herrn Abgeordneten Saxowski.

Karl Heinz Saxowski (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001927, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, der Fortgang dieser Diskussion hat gezeigt, daß die Agrarsituation und ihre Probleme nicht nur mit Preis-und Strukturpolitik, sondern in hervorragendem Umfang auch mit sozialpolitischen Maßnahmen zu lösen sind. Ich bin angesprochen und durch Herrn Kollegen Reichmann quasi aufgefordert worden, zu diesem Komplex einige Erklärungen seitens meiner Fraktion abzugeben. Es ist heute viel über die Erhöhung des Altersgeldes für Verheiratete auf 175, für Ledige auf 150 DM gesprochen worden. Die Finanzierung dieser zusätzlichen Altersgelder soll mit 108 Millionen DM aus dem Einzelplan 10 erfolgen, wobei bis heute die Beitragshöhen ab 1969 noch nicht festliegen. Wir haben uns bei den Beratungen im Haushaltsausschuß zu diesem Fragenkomplex der Stimme enthalten, um noch einmal eingehend die Situation nicht nur der Altersversorgung, Herr Kollege Reichmann, sondern auch der Unfallversorgung zu untersuchen. Fest steht, daß wir beide Komplexe im Zusammenhang sehen müssen. Wir haben bei der Unfallversicherung die 30 Millionen gekürzt, um mit einem gewissen Kunststück 30 Millionen DM aus evtl. überschüssigen Geldern des Einzelplans 10 zur Deckung heranzunehmen, wobei wir wissen, daß wir 1968 fast 200 Millionen DM, d. h. 10 Millionen mehr, als der Ansatz vorsah, benötigt haben. Wer den Grünen Bericht mit großer Aufmerksamkeit gelesen hat, muß feststellen, daß die gesamten Aufwendungen 425 Millionen DM betragen haben und daß auch seitens des Ministeriums darauf hingewiesen wird, daß mit Beitragserhöhungen zu rechnen ist. Ehe wir also - das sagen wir ganz kompetent - der Erhöhung des Altersgeldes zustimmen, wollen wir klar wissen: a) Wie sieht die Beitragsregelung bei der Alterskasse ab 1970 aus, b) wie sieht diese Entwicklung bei der Unfallversicherung aus? Wir sind nicht gewillt, mit der einen Hand zu geben und mit der anderen nachher - im Jahre 1970 - zu kassieren. Ich glaube, das ist keine unbillige Forderung. Wir wollen genau wissen, wie sich die Belastungen zu diesem Zeitpunkt stellen. Hier ist uns das Ministerium bisher die Antwort schuldig geblieben. In der Vorlage des Bundesrates wird von einer Erhöhung der monatlichen Beitragsleistung bis 32 DM für 1971 gesprochen. Es sollen aber auch schon andere Papiere zirkulieren, in denen man von einer Anhebung von nur 2 DM pro Jahr spricht. Wir wollen darüber mit Ruhe entscheiden können. Wir sind nicht generell dagegen, sondern wollen nur erreichen, daß untragbare Belastungen für den Landwirt bei einer Erhöhung des Altersgeldes von 25 DM sowohl in der Alterskasse als auch in der Unfallversicherung vermieden werden. Hier soll erst von beiden Ressorts - Sozialministerium und Ernährungsministerium - klare Rechnung gelegt werden. Aber weiter! Wir haben auch von einem menschlichen Übergang bei der Umsetzung in der Agrarpolitik gesprochen. Herr Kollege, darin sind wir uns völlig einig; ich glaube, es geht nicht an, daß man laufend die Augen schließt und so tut, als ob sich in der Landwirtschaft kein Abwanderungsprozeß vollziehe. ({0}) Wie wir im Grünen Bericht lesen, sind wieder 24 700 Betriebe untergegangen; sie sind weg! Das ist ein Satz von 1,8%, sogar ein leichter Anstieg gegenüber den letzten neun Jahren. Von den ständig in der Landwirtschaft Beschäftigten sind über 87 000 Personen abgewandert. Wir wissen genau, daß sich ein Großteil hiervon auf das Altenteil zurückgezogen hat und daß andere - Nebenerwerbler - in ihre Berufsbilder voll integriert sind. Aber es wird auch ein großer Teil von jüngeren Landwirten dabei sein, der eine andere Existenz außerhalb der Landwirtschaft suchen mußte. Da setzt unsere Sorge an. Wir haben diesem Hohen Hause das erste Agrarstrukturgesetz vorgelegt. Wir wollen hoffen, daß es zu einer zügigen Beratung kommt. Wir sind nicht der Auffassung, Herr Struve, daß man nach Abgabe des Hofes mit 175 DM zuzüglich 100 DM auskommt; das meinen wir nicht. Wir haben doppeltes Altersgeld gefordert. Vor allen Dingen vermissen wir bei der Vorlage, daß diese 100 DM keiner Dynamisierung unterliegen werden; das gilt nur für die Rente, während man hier von einem festen Betrag von 100 DM spricht. - Es besteht ein Bedürfnis für diese Maßnahme; ich glaube, man sollte das ernsthaft prüfen. Weiter haben wir in diesem Papier die Maßnahme der Umschulung, der Überführung in andere Berufsgruppen, in freie Berufe, angedeutet. Wir wollen hoffen, daß wir hier zu einer wirklichen und zügigen Beratung kommen. Zur Krankenversicherung werden wir spätestens zu Anfang der neuen Legislaturperiode eine Gesetzesvorlage einbringen, vielleicht auch noch in diesem Jahr. Ich weiß, daß das viele Sorgen bei unseren Sozialpolitikern hervorrufen wird. Wir haben jedoch schon in Arbeitsgruppen, in internen Arbeitskreisen über diese Problem ausreichend diskutiert. Wir sind froh darüber, daß Sie in Ihrem Entschließungsantrag oder in Ihrer Resolution auch von der Krankenversicherung sprechen. Ich darf daran erinnern, daß es vor Jahren sehr schwierig war, über die Krankenversicherung allgemein zu diskutieren, weil man hier dem Prinzip der freiwilligen Versicherung den Vorrang gab. Beides hat durchaus Schattenseiten; aber wir sollten uns bemühen, auch hier zu einer erträglichen allgemeinen und guten Lösung zu kommen. Wir wollen hoffen, daß dies bald eintreten wird. Herr Minister Schiller hat in seiner Rede sehr deutlich gemacht, welche flankierenden Maßnahmen seitens des Wirtschaftsministeriums getroffen werden. Wir wollen auch bei den Personen, die zwischen 25 und 45 Jahren aus der Landwirtschaft ausscheiden, um in einen anderen Beruf überzuwechseln, der Zukunftschancen hat und den geistigen und manuellen Fähigkeiten des einzelnen entspricht, einen Einkauf in die allgemeine Versicherung vorsehen. Das wird sich so gestalten - um es einmal roh zu skizzieren -, daß wir bis 25 Jahre beim Einkauf keine Unterstützung geben, aber denen über 25 Jahren Hilfe bis zu einer Spitze von 12 oder 14 Jahren aus öffentlichen Mitteln einräumen, um nachher den Sechzig- oder Fünfundsechzigjährigen, die infolge Erreichung der Altersgrenze oder wegen Arbeitsunfähigkeit ausscheiden, eine angemessene Versorgung zu garantieren. Entsprechende Vorlagen werden folgen. Es wird mit Recht eingewendet werden können: Das wird Milliardenbeträge kosten! - So sicher sind wir nicht; denn auf der anderen Seite muß man auch erkennen, daß durch die Eingliederung in den Arbeitsprozeß der allgemeinen gewerblichen Wirtschaft auch am Zuwachs des Sozialprodukts gearbeitet wird und der umgesetzte Landwirt nachher durch seine Arbeit - Mehraufkommen an Steuern, Mehrwertsteuer usw. -, für seine Einkaufslasten, eintritt. Wir verhehlen nicht, daß wir ihn bei der Verwertung seines Vermögens zu diesen Lasten auch angemessen heranziehen werden. Alle diese Fragen sind heute angesprochen worden. Im Hinblick auf die drängende Zeit will ich es bei diesem kleinen aber generellen Überblick bewenden lassen. Wir haben zum einen noch die Beschlußfassung über Altersgeld unter den von uns gesetzten Vorbemerkungen und Bedenken im Gefecht: keine neuen Lasten nach den Wahlen; das wäre schlecht. Wir wollen in der Krankenversicherung aktiv werden und haben auf der anderen Seite als flankierendes Papier die Unterlage des Wirtschaftsministeriums. Ich glaube, wenn wir intensiv an diese Arbeiten kommen, werden wir auch hier ein Stück der Probleme regeln können. ({1}) Präsident von Hassel: Ich gebe das Wort an den Abgeordneten Ehnes weiter. Bevor Sie das Wort nehmen, mache ich auf folgendes aufmerksam. Gegen 17.30 Uhr wird der Herr Präsident der Vereinigten Staaten hier im Saal erwartet. Draußen sind alle soweit unterrichtet, daß alle Kollegen zeitlich in der Lage sind, hier zu sein. Bitte schön, Herr Abgeordneter Ehnes!

Georg Ehnes (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000442, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bedauere außerordentlich, daß Herr Bundeswirtschaftsminister Schiller jetzt nicht mehr auf der Regierungsbank anwesend ist; denn seinen Ausführungen müssen doch einige Bemerkungen angefügt werden. Ich darf feststellen, daß wir mit ihm einig sind, wenn er uns seine Bereitschaft erklärt hat, mit uns gemeinsam Wege des strukturellen Übergangs der Landwirtschaft in andere Bereiche hinein, zu erschließen. Ich bin ganz besonders dankbar, daß er ein klärendes Wort über die Einzugsbereiche in der Größenordnung von 20 000 Einwohnern gesagt hat. Bisher herrschte in der Öffentlichkeit die Auffassung, daß nach seinem Konzept nur noch Städte in Frage kommen, die in der eigenen Gemeinde mehr als 20 000 Einwohner aufweisen. Es war nicht klar zu erkennen, daß dieser Einzugsbereich über den Gemeindebereich hinaus berechnet wird. Ich darf dazu sagen, daß in unserem Lande, bedingt dadurch, daß die Zonengrenze unser Land durchschneidet, und bedingt dadurch, daß wir teilweise die geringste Besiedlungsdichte aufzuweisen haben - ,eine Besiedlungsdichte, die beispielsweise in meiner Heimat nur 42 Einwohner pro Quadratkilometer beträgt -, gerade diese Gebiete die Problemgebiete Nummer eins sind. Ich darf sagen, daß deswegen Erklärungen und Abwägungen, daß man Industrieförderung nur in Gemeinden mit mehr als 20 000 Einwohnern durchführen würde, den Zug des Unpraktikablen enthalten. Dieses klärende Wort haben wir dankbar empfunden. Wir möchten aber noch mehr haben, Herr Minister: daß man nicht eine Zahl festlegt; denn jeder Bereich hat eine andere Situation aufzuweisen, und gerade die Bereiche, die von der Zonengrenze durchschnitten werden, kommen dann in besondere Schwierigkeiten. Von dieser Warte her erwarten wir von Ihnen, daß Sie großzügig in diese Bereiche diese industrielle Entwicklung hineinsteuern. Als etwas lächerlich muß ich bewerten - ich bitte, auch dafür Verständnis zu haben - Ihre globale Aussage über die konzertierte Aktion. Dieser Hinweis auf die konzertierte Aktion ist doch mehr eine Entschuldigung, daß man nicht von vornherein den bäuerlichen Berufsstand mit in sie hineingenommen hat. Ich habe keinen Grund und keinen Anlaß dafür gesehen, daß dies nicht geschehen ist. Ihre gesamte Aussage muß man doch wohl so verstehen, daß Sie die Agrarpolitik vorrangig nur als Strukturpolitik sehen und daß Sie mehr zu der Strukturpolitik, aber weniger aktiv zur Preispolitik beitragen wollen. Ich meine, wir hätten damals auch von Ihnen erwarten sollen, daß Sie in der Frage der Anhebung der Trinkmilchpreise beispielsweise mit der Bundesregierung eine einhellige Auffassung vertreten hätten. Denn gerade Sie, Herr Minister, sind ja bereit, allen Teilen unserer Bevölkerung eine hohe Zuwachsrate des Einkommens zu gewähren, eine Zuwachsrate, die sich beim Arbeitnehmer, beim Angestellten mit 7 % ausweist. Wir sind dafür. Wir sind mit Ihnen auch darüber einig, daß es für die Landwirtschaft das Schlimmste wäre, wenn wir wieder in eine Talsohle kämen. Daß dann automatisch die Nachfrage nach Agrarprodukten zurückginge, braucht bei uns keine besondere Klärung. Das ist Tatsache. Wir möchten es umgekehrt haben. Wir bitten Sie darum, Herr Minister Schiller, in Preisfragen und bei Preisfestsetzungen, die nicht in Brüssel bestimmt werden, sondern die in der nationalen Zuständigkeit liegen, das ganze Gewicht Ihrer Persönlichkeit einzusetzen, damit auch diesen Bereichen der Landwirtschaft echte Einkommenshilfen zufließen, soweit das nicht von der europäischen Marktordnung abhängig ist. Bisher ist dies leider von Ihnen nicht geschehen. ({0}) Präsident von Hassel: Darf ich um etwas mehr Ruhe bitten.

Georg Ehnes (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000442, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sie sagten dann, man dürfe nicht immer die Schutzmauer sehen. Herr Bundesminister Schiller, die deutsche Landwirtschaft braucht keine Schutzmauer, wenn nicht der Import über manipulierte Preise von Staatshandelsländern und durch die Möglichkeit kapitalistischer Unterwanderung gegeben ist. ({0}) Wir treten den Wettbewerb an. Wir treten jeden freien Wettbewerb an. Und wenn Sie sagen, in diese Landwirtschaft sei ein neuer Geist eingezogen, dann möchte ich Ihnen erwidern: Das ist der Geist der deutschen Landwirtschaft der letzten 20 Jahre. ({1}) Denn da diese Landwirtschaft heute in der Strukturentwicklung, in der Leistung pro Arbeitskraft, pro Flächeneinheit und pro Betriebseinheit in der europäischen Gemeinschaft an der Spitze steht, kann man mit Fug und Recht sagen, daß sie den Geist seit Jahrzehnten besitzt und daß sie mit diesem Geist persönliche Opfer verbunden hat, um sich an die Neuzeit anzupassen. Wenn man dem das Konzept des Herrn Mansholt gegenüberstellt, muß man sich an und für sich wundern, daß er als Fachmann auf diesem Gebiet - das wollen wir ihm nicht absprechen - die These, die Sie hier vertreten haben, noch nicht als eigene These übernommen hat. Herr Mansholt schlägt der europäischen Landwirtschaft folgendes vor. Was die deutschen Bauern vom Jahre 1948 bis heute selbst finanziert haben, das will Herr Mansholt sich nun finanzieren lassen, um es bei den Italienern und den Franzosen in die Tat umzusetzen. Ich würde sagen, der Strukturwandel und die Maßnahmen, die im Memorandum stehen, können zunächst einmal nur so erwartet werden, daß man in Frankreich und in Italien dafür sorgt, daß man auf den deutschen Stand kommt. Wenn die anderen den Stand einmal haben, dann, bin ich sicher, werden in der deutschen Landwirtschaft nicht mehr 10 % der Beschäftigten sein, sondern es wird ,so sein, daß höchstens noch 8 % oder 7% in der Landwirtschaft tätig sind. Dann stehen wir zusammen mit der belgischen Landwirtschaft weit an der Spitze unter allen Völkern in Europa. Wenn man von dem Mansholt-Papier ausgehend nur auf die Agrarstruktur oder die Maßnahmen der Landwirtschaft sehen wollte im Hinblick auf die Struktur, wäre das der größte Trugschluß dieses Jahrhunderts, und zwar deshalb, weil es in Wirklichkeit so ist, daß der deutsche Steuerzahler einerseits und die deutsche Hausfrau und der Verbraucher andererseits die Zeche bezahlen müssen. Bei Betrieben in der Größe von 100 ha - es gibt 170 000 Betriebe von dieser Größe in Europa - wäre es mit Sicherheit so, daß der deutsche Steuerzahler die Strukturmaßnahmen in Italien und Frankreich zu bezahlen hätte. Umgekehrt wäre es so, daß bei diesen Betriebseinheiten, bei diesen von Mansholt gewollten Produktionsgenossenschaften die Nahrungsgüter um mindestens 30 bis 40% verteuert werden müßten. Die Hausfrau und der Verbraucher in der Bundesrepublik müßten die Rechnung bezahlen und sonst niemand. Bei einem Vergleich der Erzeugerpreise mit denen in den Vereinigten Staaten oder denen in praktisch allen Großbetrieben - auch jenen östlicher Prägung - in der Produktionsgemeinschaft ergibt sich schon heute, daß dort im lohnbezogenen Fremdarbeitskräftebetrieb das Kilo Milch 40 0/o teurer zu stehen kommt als bei uns, weil der Landwirt und seine Ehefrau diesen Lohnanspruch bisher nicht geltend gemacht haben. Präsident von Hassel: Herr Abgeordneter, darf ich Sie einen Augenblick unterbrechen. Meine Damen und Herren, ich wäre dankbar, wenn Sie den Verhandlungen mit etwas mehr Ruhe folgen würden. ({2})

Georg Ehnes (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000442, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sie, Herr Minister Schiller, haben dann auch erklärt, daß die Landbevölkerung mehr Freizeit und mehr Urlaub bekommen muß. Hier stimmen wir mit Ihnen überein. Es wird aber immer so sein, daß sich selbständige Existenzen in der Bundesrepublik nicht mit abhängigen Berufen vergleichen können, denn das widerspräche ja der Auffassung des selbständigen Bereichs. Wir nehmen diese Erklärung dankbar entgegen. Wir wollen diesen Forderungen aber nicht den Vorrang geben, denn hier muß ein Unterschied zwischen uns selbständigen Bauern und dem, der in der Fabrik arbeitet oder der an der Drehbank steht, gemacht werden. ({0}) Der Bundeslandwirtschaftsminister hat angekündigt, daß der Landwirtschaftsminister von England in der nächsten Zeit die Bundesrepublik Deutschland besuchen wird. Herr Bundesminister Höcherl, ich wäre Ihnen außerordentlich dankbar, wenn Sie diesem hohen Gast nicht die besten Gebiete der Bundesrepublik Deutschland zeigen würden, sondern gerade in die Problemgebiete der Landwirtschaft gingen, denn jeder ausländische Gast wird selbstverständlich ein verkehrtes Bild mit nach Hause nehmen, wenn er das blühende Gebiet besichtigt, ohne eingeweiht zu sein, 'daß wir in unserer Heimat noch ganz schwierige Probleme zu bewältigen haben. ({1}) Herr Kollege Schmidt hat heute früh angeführt, daß die Diskussion um die Agrarpolitik versachlicht wird. Herr Kollege Dr. Schmidt, ich kann Ihnen sagen, in diesem Hohen Hause wird sie versachlicht. Ich wäre Ihnen aber dankbar, wenn Sie auch Ihren Parteikollegen aus dem Bayerischen Landtag diese Versachlichung einigermaßen beibringen würden, denn im Lande Bayern geht man allgemein mit der These umher, daß die CDU/CSU im Hinblick auf die Agrarpolitik eine gewisse Schuld habe, weil sie nicht bereit sei, neuzeitlichen Erkenntnissen Rechnung zu tragen. Diesen Rat möchte ich Ihnen geben. Meine Damen und Herren, es gibt natürlich in diesem Katalog noch einige Dinge, die für uns von ausschlaggebender Bedeutung sind. Der Herr Bundeswirtschaftsminister hat beispielsweise das Gesetz zur außenwirtschaftlichen Absicherung angesprochen. Dieses Gesetz, das wir alle gemeinsam beschlossen haben, ist mit drei Produkten der Landwirtschaft verbunden: Holz, Hopfen und Kartoffeln. Nun frage ich Sie, Herr Bundesminister: Sind Sie bereit, in dieses Gesetz, das sich mit 500 Millionen DM in den Einnahmen niederschlagen soll, auch diese drei Produkte einzubeziehen, wenn die Betriebe durch diese Preisunterwanderung nachweisbar Einkommenseinbußen aufzuweißen haben, wie sie sich jetzt schon abzeichnen? 4 % Exportsteuer und 4 % Importbegünstigung bedeuten eben 8%. Für unsere Berufskollegen draußen besteht zur Zeit die Frage, ob es stimmt, daß die Wirtschaft und die Landwirtschaft tatsächlich so integriert sind, wie Sie es heute dargestellt haben. Ich bitte Sie darum: Geben Sie uns auch zu dieser Frage Aufklärung. Das, was mir persönlich sehr viel Sorge bereitet, ist die Aussage des Kollegen Ertl, der sich leidenschaftlich für den Beitritt Englands eingesetzt hat. Es gibt selbstverständlich niemanden unter uns, der nicht ein großes Europa will. Wenn man aber den Beitritt Englands, Irlands, Dänemarks und Schwedens genau untersucht, dann sollte man nicht in einer gewissen Freude und Begeisterung jetzt in eine Sache hineingehen, denn sonst würde man die Schwierigkeiten, die da neu auftreten, überhaupt nicht überstehen können. Was uns in 'dieser Auseinandersetzung bevorstünde, wäre mit Sicherheit schwerer als das, was wir gegenwärtig schon in der Angleichung Europas haben. Wenn diese größere Gemeinschaft kommt, dann bitte, Herr Landwirtschaftsminister, auch keine weiteren Zugeständnisse! Denn ich befürchte, daß das, was wir mit den Zugeständnissen bei Käse gegenüber Dänemark erlebt haben, in aller Kürze gegenüber Jugoslawien und 'einigen anderen Staaten vollzogen werden soll. Die europäische Marktordnung und der europäische Vertrag haben uns Präferenzen eingeräumt. Diese Präferenzen wollen wir voll ausnutzen. Deswegen ist der Schutz gegenüber Dritten das einzige, was wir haben, um gegen diese manipulierten Einfuhrmöglichkeiten einigermaßen geschützt zu sein. Wenn also Jugoslawien Sonderrechte zugestanden würden, würde das eine Durchlöcherung des Schutzes gegenüber Drittstaaten sein. Damit würden die Europäische Gemeinschaft und 'die Marktordnung außer Kraft gesetzt, weil es einfach nicht geht, daß man sich auf der einen Seite Präferenzen zuschreibt und einräumt und auf der anderen Seite dann diesen Vertrag, diese eingeräumten Rechte und Möglichkeiten, durch gegenseitige Handelsvereinbarungen unterbricht und unterbietet. Das kann nicht Sinn dieser Sache sein, Ich gehe mit Ihnen einig, daß wir dem Grünen Bericht, ,den wir heute behandelt haben, und der Aussage, die Minister Höcherl gemacht hat, nichts hinzuzufügen haben. Der Schwerpunkt der Ausrichtung der Maßnahmen der Zukunft liegt bei den von der Natur benachteiligten Gebieten und den marktfernen Lagen; ({2}) denn es ist keine Übertreibung: in all jenen Bereichen, in denen die Industrie gut ist, haben wir auch eine gut florierende Landwirtschaft. Warum? Weil die Absatzlage, die bodenmäßigen Voraussetzungen, Klima und alles Mögliche zusammen diese Voraussetzungen geben. Wenn wir unser Land anschauen und die weite Entfernung im Hinblick auf Europa sehen, dann bedeutet das für .die marktfernen Lagen Jahr für Jahr eine weitere Verschärfung im Wettbewerb und eine weitere Abhängigkeit von den Großmärkten der Bundesrepublik Deutschland und den Großmärkten Europas. Deswegen muß gerade in diesen Grönlandbereichen im marktfernen Gebiet, sei es in Schleswig-Holstein, Niedersachsen, an der Zonengrenze entlang, oder sei es in Hessen oder im Lande Bayern, jede Aufmerksamkeit gegeben werden, damit sich keine Preisverschlechterungen vollziehen; denn eine Senkung des Milchpreises um nur einen Pfennig würde dort sehr viele Betriebe in eine absolut schwierige Verkaufssituation bringen. Nach dem Grünen Bericht sind die Einkommen bereits so weit abgesunken, daß man gerade in diesen Grünlandbereichen der Marktferne ,das nicht mehr hinnehmen kann. Nach meiner Auffassung müssen neue Frachthilfen gewährt werden; denn die bisherigen Frachthilfen laufen aus und müssen verlängert werden; es sei denn, man will von vornherein die Gebiete, die kein anderes Absatzgebiet für sich in Anspruch nehmen können, von den weiten Bereichen ,des europäischen Zusammenschlusses abhängen. ({3}) Ich darf zusammenfassen. Wenn aus dieser Debatte die einmütige Ansicht dieses Hohen Hauses in .die Öffentlichkeit kommt, daß ,das Memorandum des Herrn Mansholt für alle Mitglieder dieses Hohen Hauses unannehmbar ist, dann wird die Unruhe und Unsicherheit, von der ,die Rede war, sehr bald von selbst beseitigt sein. Es geht nämlich darum, dieser jungen Generation zu sagen, daß sie sich für diesen Beruf entscheiden kann und ,daß man in diesem Beruf auch in Zukunft ein lebenswertes Leben führen kann; sonst wird diese Generation nicht bereit sein, sich für den Beruf auf diesem Gebiet zu entschließen. Das wäre aber für unser Land ein Verhängnis. Das wäre für weite Bereiche unserer Heimat, wo die Grenze und politische Probleme mit hineinspielen, die Aufgabe von uns allen und von uns selbst. Unter diesem Gesichtspunkt hat der Deutsche Bundestag heute ein klärendes Wort gesprochen. Es fragt sich nur, wie die Weichenstellung bei den Maßnahmen aussehen soll, die zu dem Ziel, das die Bundesregierung angesprochen hat, führen sollen. Wenn man für Freiwilligkeit eintritt, sollte man bei Investitionsbeihilfen, bei Zinsverbilligungen und ähnlichen Dingen keine Größenordnungen setzen, die dann doch einen gewissen Personenkreis zwangsweise ausschließen. Denn das wäre der humanitäre Zwang. Das andere ist der absolute Zwang. Der humanitäre Zwang ist auch nichts anderes als die gewaltsame Zerstörung von Hunderttausenden landwirtschaftlicher Existenzen. ({4}) Heute geben in diesem Bereich namhafte Wissenschaftler zum erstenmal den Agrarpolitikern der CDU/CSU recht. Das ist eine Bestätigung für uns alle, daß wir auf dem richtigen Wege waren. Es ist eine Bestätigung für uns alle, daß diese Agrarpolitik auf dem richtigen Weg ist. Sonst würden uns die Professoren Blohm und Preuschen heute keine Schützenhilfe gewähren ({5}) in der Erkenntnis, daß die Landwirtschaft der Zukunft im Familienbetrieb begründet sein muß und daß auf die Dauer diese Landwirtschaft nur das bringen wird, was die Gesellschaft von dieser Landwirtschaft erwartet. Ich bin den Professoren für diese Aussage außerordentlich dankbar. Meine sehr geehrten Damen und Herren, ob Sie es gern hören wollen oder nicht: wenn man die Professoren bei anderen Gutachten anerkennen will, dann muß man auch so neutral sein, sie anzuerkennen, wenn sie eine Aussage machen, die von uns schon Jahre vorher gemacht worden ist, und zu der Erkenntnis gekommen sind, daß der Großbetrieb in Europa nicht die Idealvorstellung sein kann und daß neben dem Großbetrieb der bäuerliche Familienbetrieb als Voll-, Zu- oder Nebenerwerbsbetrieb in der Bundesrepublik ein Bestandteil bleiben muß. ({6}) Die sozialen Maßnahmen, von denen hier die Rede war, betrachten wir also als ergänzende Maßnahmen. Ich möchte aber nochmals sagen: Setzen Sie bitte die Struktur- und die Sozialpolitik nicht vor die Preis- und die Marktpolitik; denn Preis- und Marktpolitik muß zuerst kommen und dann die flankierenden und ergänzenden Maßnahmen. Dann gehen wir einen richtigen Weg. ({7}) Präsident von Hassel: Das Wort hat der Abgeordnete Wächter. ({8})

Gerold Wächter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002402, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich kann mir vorstellen, daß es die im Saal anwesenden Kollegen noch niemals erlebt haben, so kurz vor dem Erscheinen des Präsidenten der Vereinigten Staaten an dieser Stelle zu stehen. ({0}) Meine sehr verehrten Damen und Herren, die mir von meiner Fraktion gestellte Aufgabe besteht darin, die Frage zu behandeln, ob es überhaupt möglich ist, im Rahmen der Vorstellungen des EWG-Memorandums die notwendigen Arbeitsplätze zur Verfügung zu stellen, und zwar in dem Umfang und in dem Zeitraum, wie es dort vorgesehen ist. Ich persönlich bin der Meinung - wir haben von der Fraktion aus sehr ernsthafte Untersuchungen angestellt -, daß dies praktisch einfach nicht möglich ist; denn das würde bedeuten, daß nicht allein in der Bundesrepublik, sondern auch in den anderen EWG-Staaten innerhalb dieser Frist, bis 1980, rund 5 Millionen Menschen aus der Landwirtschaft ausWächter scheiden müßten. Allerdings muß dabei einkalkuliert werden, daß in dieser Zahl auch diejenigen enthalten sind, die infolge Alters ausscheiden. Überprüfen wir diese Dinge einmal aus der Sicht der Bundesrepublik, dann kommen wir zu dem Ergebnis, daß es einfach deswegen schon nicht möglich ist, weil nach dem Prognos-Gutachten sowieso feststeht, daß wir bis 1980 ein Fehl an Arbeitsplätzen von rund 800 000 haben. Wenn Sie das einmal übertragen, insbesondere auf die ländlichen Gebiete - hier denke ich an die schwach strukturierten Gebiete, vor allem in den ausgesprochenen Agrarländern wie Niedersachsen, Schleswig-Holstein und zum Teil auch in Bayern -, kommen Sie zu dem Ergebnis, daß gerade in diesen Gebieten trotz der Zusage, die wir vorhin von dem Herrn Bundeswirtschaftsminister bekommen haben, diese Möglichkeit einfach nicht vorhanden ist. Ich erinnere daran, daß wir beispielsweise im Lande Niedersachsen in dem ostfriesischen Raum Arbeitsamtbezirke haben, die nach Angaben der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung seit Jahren eine potentielle Arbeitslosenzahl von 10% haben. ({1}) Aber gerade in diesen Räumen beträgt die Zahl der in der Landwirtschaft noch Tätigen 25 %. Die Berechnungen des zuständigen Regierungspräsidenten aus diesem Bezirk ergeben, daß dort, lediglich um die Quote der in der Landwirtschaft Beschäftigten von 25 auf 16 010 zu drücken und die Arbeitslosenzahl auf ein normales Maß herunterzuschleusen, in den nächsten Jahren, also bis 1980, noch rund 31 000 Arbeitsplätze geschaffen werden müssen. Wenn Sie das mit den Kosten multiplizieren, die ein Arbeitsplatz verursacht, dann ergibt sich ein Betrag von 2,1 Milliarden DM. Es gibt noch weitere Untersuchungen, insbesondere auch die von der Landwirtschaftskammer Weser-Ems, die sehr exakt durchgeführt worden sind. Aus ihnen ergibt sich, daß in diesem nördlichen Kammerbezirk des Landes Niedersachsen mit einer landwirtschaftlichen Nutzfläche von rund 1 Million ha ein Betrag von 8 Milliarden DM benötigt würde, um den Mansholt-Plan zu verwirklichen. Dabei sind im Süden des Bezirks die Produktionseinheiten bzw. die modernen landwirtschaftlichen Unternehmungen, insbesondere bei der bodenunabhängigen Veredelungswirtschaft - hier nenne ich Geflügel und Schweine -, zum Teil längst erreicht. Also übertragen Sie einmal diese 8 Milliarden D-Mark auf die Bundesrepublik. Dann kommen Sie zu dem Ergebnis, daß die Verwirklichung des Mansholt-Planes allein in der Bundesrepublik 120 Milliarden DM ausmacht. Wenn Sie das weiter auf den gesamten EWG-Raum übertragen, dann erkennen Sie, daß dieser Betrag von 250 Milliarden DM, der für die Verwirklichung des Mansholt-Planes angegeben wird, eine Illusion ist. Aber hier ist vorhin, insbesondere auch vom Herrn Bundeswirtschaftsminister, gesagt worden, daß es nach seiner Ansicht möglich sei, entsprechende Arbeitsplätze auf dem Land zu schaffen. Wenn man die Ergebnisse der letzten Jahre einmal betrachtet, dann muß man feststellen, daß das ein sehr langwieriger Prozeß ist. In den ländlich strukturierten Gebieten ist es doch ein seltener Glücksfall, wenn es wirklich einmal gelingt, einen größeren Betrieb „an Land zu ziehen". Da werden viele Bemühungen von allen möglichen kommunalen Stellen, von den Ländern angesetzt, und dann müssen sie noch bis zum letzten ausgehandelt werden. Ich habe es gerade in der letzten Zeit erlebt, daß ein größerer Industriebetrieb einen kleinen Montagebetrieb in einer Landgemeinde sehr, sehr teuer an die Kommunen „verkauft" hat. Alle diese Dinge müssen mit erwogen werden. Aus den Untersuchungen des Instituts für Raumforschung geht hervor - wir Abgeordnete bekommen alljährlich diesen Bericht -, daß in den Ballungsräumen ständig neue Industrien erstehen bzw. Industrien nach dorthin verlagert werden, aber nicht in die ländlichen Räume. Denken Sie einmal an das Gebiet zwischen Elbe und Weser. Was ist dort geschehen? Denken Sie an Ostfriesland, an Bayern und auch an das Gebiet oben in Schleswig-Holstein an der dänischen Grenze. Was wird dort geschehen, wenn man die Produktionseinheiten oder die modernen landwirtschaftlichen Betriebe nach dem Vorschlag von Mansholt schafft? Dann wird es dort zu einer Abwanderung kommen. Hier gehe ich nicht konform mit den Ansichten des Herrn Bundeswirtschaftsministers, sondern dann wird eine Verödung in diesen ländlichen Gebieten eintreten. Berücksichtigen Sie weiter, daß vorher von den Ländern in diesen Gebieten zum Teil eine Gebiets- und Verwaltungsreform durchgeführt worden ist unter der Devise, leistungsfähige Landkreise und Landgemeinden zu schaffen. Das wird alles wieder illusorisch gemacht. Deswegen ist die Zielsetzung von dieser Seite her - das ist mit ein Grund, weswegen wir den Mansholt-Plan ablehnen - in keiner Weise zu verwirklichen. Aber lassen Sie mich darüber hinaus noch folgendes sagen, und das ist mit ein Themenkreis meiner Ausführungen. Ich möchte gern den Versuch machen, die landwirtschaftlichen Sonderprogramme bei uns in der Bundesrepublik mit den Bestrebungen des Mansholt-Plans in Vergleich zu stellen. Sie wissen, daß der Mansholt-Plan vorsieht, 5 Millionen ha aus der Produktion zu ziehen, insbesondere also die Grenzertragsböden. Wir haben bekanntlich in der Bundesrepublik die Sonderprogramme: EmslandProgramm, Programm Nord, Küstenplan, Alpenplan usw. Ich habe einmal nachgerechnet, daß in diesen Gebieten mit einer Fläche von 2 Millionen ha seit 1950/55 insgesamt bislang 3 Milliarden DM von der öffentlichen Hand und darüber hinaus natürlich durch die Selbstbeteiligung der Landwirte investiert wurden. Ich gehe nicht fehl in der Annahme, daß zumindest noch einmal dieser Betrag aufgebracht werden muß, wir also in diesen Sonderprogrammen auf Halbzeit liegen. Es läßt sich natürlich nicht genau errechnen, wie hoch die Eigenleistungen der Landwirte sind. Aber ich glaube, daß es im Durchschnitt 20 bis 30 % sind. Wenn dem so ist, dann haben die Landwirte in diesen Gebieten bislang insgesamt 600 Millionen DM bis 900 Millionen DM an Eigenleistungen aufgebracht. Nun heißt es in dem Agrarprogramm der Bundesregierung, daß die Frage untersucht werden muß, welche Böden sich auch bei der modernsten landwirtschaftlichen Bewirtschaftung nicht zu weiteren Bewirtschaftung eignen, also aus der Produktion gezogen werden müssen. Ähnlich sind die Erklärungen des Bundeswirtschaftsministers, der in seinen Thesen unter anderem gesagt hat, daß es erforderlich sei, eine Bodenbank zu errichten, die die Aufgabe habe, diese Böden aus der Produktion zu nehmen und sie dementsprechend zu bezahlen. Hierzu muß ich weiter an den Bundeslandwirtschaftsminister die Frage richten: Wie stellen Sie sich zu der These, daß die Beihilfen zur Neulandgewinnung - so heißt es in dem Memorandum der EWG-Kommission - erheblich verkürzt werden sollen? Auf welche Gebiete, Herr Bundeslandwirtschaftsminister, beziehen sich diese Thesen bei uns in der Bundesrepublik? Gilt das eventuell auch für Holland? Ich denke da insbesondere an die Neulandgewinnung an den Küsten in Holland. Uns interessiert auch die Frage, meine sehr verehrten Damen und Herren: Wie gedenkt die Bundesregierung der Landwirtschaft insbesondere in diesen Gebieten nun weiterzuhelfen? Woran denkt sie insbesondere bezüglich der Programme, die ich eben erwähnt habe? Wie sollen sie fortgesetzt werden? Darauf können die Bauern besonders in diesen Gebieten von der Bundesregierung eine klare Antwort erwarten. Insbesondere bei uns im Gebiet des niedersächsischen Küstenplanes sind sie schon einmal enttäuscht worden. Ich denke an das, was mein Kollege Logemann vorhin schon berichtet hat. Er hat davon gesprochen, daß dort die Mittel um die Hälfte gekürzt worden sind. Ich glaube, Herr Bundeslandwirtschaftsminister, Sie sollten auf diese Fragen eingehen. Mittlerweile drängt die Zeit. Vielleicht kann ich, Herr Minister, Ihre Aufmerksamkeit noch etwas in Anspruch nehmen. - Aber anscheinend ist das nicht der Fall. Dann werde ich mich nachher bei Ihrer Schlußrede mit entsprechenden Fragen einschalten. Lassen Sie mich zum Schluß, Herr Bundeslandwirtschaftsminister, folgendes sagen. Vor 14 Tagen haben Sie hier eine Rede gehalten, die allgemeine Zustimmung fand. Ich persönlich habe Ihnen gratuliert und zu Ihnen gesagt, ich würde es außerordentlich begrüßen, wenn Sie in Brüssel die Probleme mit genau derselben Schärfe ansprächen, wie Sie das in diesem Hohen Hause getan haben. Aber wenn ich die Antwort auf die Große Anfrage genau studiere, komme ich zu dem Ergebnis, daß sich Ihre Meinung mittlerweile doch erheblich gewandelt hat. Sie haben sich in der Zwischenzeit von einem Paulus zum Saulus zurückentwickelt, und das ist außerordentlich bedauerlich. Ich habe Ihre Rede - und jetzt wollen Sie bitte einmal darauf achten, wie sehr ich für Sie gesorgt habe, obwohl ich von der Opposition komme - in verschiedenen Exemplaren jungen Landwirten in meinem Kreis zugeschickt. ({2}) - Ich freue mich außerordentlich, daß ich hier die Zustimmung der CDU habe. Aber Sie müssen erst einmal abwarten, was ich jetzt zu sagen habe. Das ist das Entscheidende. Diese jungen Landwirte haben mir gesagt: außerordentlich gut, wirklich vorzüglich. Sie hatten nämlich noch eine unangenehme Erinnerung an Ihr Auftreten bei uns im Kreis zu den Landtagswahlen 1967. Da gab es eine balkengroße Überschrift: Mehr arbeiten, länger arbeiten, fleißiger sein! Diese Eindrücke waren jetzt durch diese Ihre Rede etwas verwischt. Diese jungen Bauern sagten: Wenn der Höcherl nach den Bundestagswahlen noch einmal eine solche Rede hält, dann fangen wir allmählich an, ihm zu glauben. Vorläufig sind wir aber außerordentlich mißtrauisch. ({3}) Ich glaube, verehrter Herr Minister, daß ich mit meiner These vollkommen recht habe, daß Sie sich nach den Bundestagswahlen noch viel mehr wieder vom Paulus zum Saulus zurückentwickeln werden. ({4}) Präsident von Hassel: Meine Damen und Herren, der nächste Redner wäre der Abgeordnete Ravens. Der Herr Präsident hat das Bundeskanzleramt soeben verlassen und wird in wenigen Minuten hier sein. Ich frage den Abgeordneten, ob er beginnen und dann unterbrechen will. Ein so großes Auditorium bekommt er natürlich nie wieder. ({5}) Ich würde doch sagen, daß wir einen Augenblick verweilen und ich jetzt nicht mehr das Wort erteile, bis der Herr Präsident eintrifft. ({6}) Meine Damen und Herren, in diesem Augenblick wird unserem Haus die große Auszeichnung zuteil, den Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika begrüßen zu können. Mr. President, Sie sind im Deutschen Bundestag aufrichtig und herzlich willkommen. Ich darf Ihnen für alle Mitglieder des Deutschen Bundestages und in Anwesenheit der gesamten Bundesregierung und fast aller Regierungschefs der deutschen Länder sagen: Wir bekennen uns bei diesem Anlaß erneut zu unserer Entscheidung, als Partner und Freunde unseren Weg an der Seite der Vereinigten Staaten zu gehen. ({7}) Der Deutsche Bundestag ist sich in seiner täglichen Arbeit der Verantwortung nicht nur für das deutsche Volk, sondern für den Frieden, die Freiheit und das Recht in der ganzen Welt bewußt. Dazu wollen wir in Solidarität mit Ihrem Lande, Mr. President, und allen Nationen, die frei über ihr Schicksal entscheiden können, unseren Beitrag leisten. Wir wissen nur zu genau, wie schwer die Aufgaben sind, wie groß die Verantwortung ist, ,die Ihr Land in der Welt nicht aus Gründen des Prestiges übernommen hat, sondern weil es Ihnen um eine bessere Welt geht. Präsident von Hassel Jedes Mitglied des Deutschen Bundestages und alle Deutschen danken Ihnen, Herr Präsident, und dem Volk der Vereinigten Staaten für Ihre Solidarität gegenüber Europa, gegenüber Deutschland, vor allem gegenüber Berlin. ({8}) Ohne die eindeutigen Garantien für die Freiheit und die Sicherheit Berlins und der Bundesrepublik Deutschland könnten wir weder in Frieden und Freiheit lieben noch unseren Beitrag für die Aufgaben leisten, zu denen wir uns in Europa gemeinsam mit Ihnen, Herr Präsident, bekennen. Der Deutsche Bundestag dankt Ihnen für Ihren Besuch in der Bundesrepublik Deutschland und insbesondere in Berlin. Er dankt Ihnen für die Ehre Ihres Besuches in unserem Hause. ({9}) Wir sind glücklich, in Ihnen als dem Stellvertreter des amerikanischen Volkes einen Freund in unserer Mitte zu haben. ({10}) Meine Damen und Herren, idas Wort hat der Herr Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika, Mr. Nixon. ({11}) Richard Nixon, Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika ({12}) : Mr. President, Mr. Chancellor, Your Excellencies, and Members of the Parliament, it is a very great honour for me to appear before this legislative body and to respond to the very generous words of welcome that I have just heard from the presiding officer of this body. And at the outset I regret that I find it necessary to have a translator; I do say though, having heard his translation, he had every word right, every word. ({13}) Mr. President, you have spoken of some of the great ideals that bind our two nations and our two peoples together. I spoke at the airport this morning of the fact that we in the United States owe so much to our German heritage. And I speak personally on that point because the grandmother of my two daughters on their mother's side was born in Germany. ({14}) I would like to speak of those principles and ideals that will continue to bind us together in the years ahead. First, the great alliance of which we are a part. This alliance is strong today and must be maintained in strength in the years ahead. And the success of the alliance is indicated by the fact that in the twenty years it has existed we have had peace as far as this part of the world is concerned and that everyone of the nations in the alliance that was free twenty years ago is free today, including the free City of Berlin. ({15}) We are bound together too by the economic factors that two great and productive peoples have produced in our two countries. And we know that a strong and productive German economy is essential for a strong free world economy just as is a strong economy in the United States. We are bound together too by a common dedication to the cause of peace, peace not only for ourselves but for all mankind. ({16}) And as we enter what I have described as a period of negotiation with those who have been our opponents we recognise that for those negotiations to succeed it is essential that we maintain the strength that made negotations possible. ({17}) But having spoken of the bonds of national heritage and background, of the economic factors of those bonds that bring us together, I would add finally one bond that is demonstrated by my presence in this Chamber today. We believe, both of our countries and our peoples, in representative government in free and vigorous debate and in free and vigorous elections. ({18}) And having just been through the ordeal of an election campaign I wish all of you well in your campaign. ({19}) That is, as I am sure you will understand, the international language of politics being on both sides of the same issue. And finally, as I stand before this parliamentary body, I realise that we share so many common traditions. And it is to me a very moving experience to report to you that since becoming President of the United States I had not yet had the opportunity to appear before our own Congress. And I had not yet appeared before a legislative body in any country. In other words, as I stand here today before this Parliament this is the first time that I, as President of the United States, have appeared before any legislative body in the whole world. ({20}) Mr. President, I will have many honours during the period I will hold office. But I can assure you that for one who began his political career as a Congressman and served in that post for four years and who then served in our Senate for two years and then served as Vice-President of the United States and President of the Senate in the chair where you sit for eight years there will be no honour greater than the one I have today to address my fellow legislators. ({21}) Übersetzung Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Exzellenzen! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Es ist für mich eine sehr große Ehre, heute vor dieser gesetzgebenden Körperschaft zu erscheinen und auf die Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika Richard Nixon sehr freundlichen Begrüßungsworte, die soeben von dem Präsidenten dieser gesetzgebenden Körperschaft an mich gerichtet worden sind, zu antworten. Am Anfang darf ich sagen, daß ich es bedauere, mit Hilfe eines Dolmetschers zu Ihnen sprechen zu müssen. Aber ich habe gehört, daß in seiner Übersetzung jedes Wort richtig war. ({22}) Herr Präsident, Sie haben von einigen der großen Ideale gesprochen, die unsere beiden Länder und unsere Völker verbinden. Ich habe bei meiner Ankunft auf dem Flughafen heute morgen darauf hingewiesen, daß wir in den Vereinigten Staaten dem deutschen Erbe so viel verdanken. Ich kann dazu auch aus persönlicher Erfahrung sprechen, denn die Großmutter mütterlicherseits meiner beiden Töchter ist in Deutschland geboren. ({23}) Ich möchte über diejenigen Prinzipien und Ideale sprechen, die uns auch in Zukunft stets miteinander verbinden werden, zunächst von dem großen Bündnis, dem unsere beiden Länder angehören. Dieses Bündnis ist heute stark und muß auch für die vor uns liegenden Jahre stark erhalten werden. ({24}) Der Erfolg dieses Bündnisses wird durch die Tatsache unter Beweis gestellt, daß wir in den 20 Jahren seiner Existenz in diesem Teil der Welt Frieden hatten und daß alle Nationen dieses Bündnisses, die vor 20 Jahren frei waren, auch heute noch frei sind - einschließlich der freien Stadt Berlin. ({25}) Wir sind auch verbunden durch die wirtschaftlichen Faktoren, die in unseren beiden Ländern durch die produktive Kraft unserer Völker geschaffen worden sind. Wir wissen auch, daß eine starke und produktive deutsche Wirtschaft entscheidend für eine starke und produktive Wirtschaft der freien Welt ist, im gleichen Maße, wie dies für eine starke und produktive Wirtschaft der Vereinigten Staaten gilt. Wir sind ferner verbunden durch unser gemeinsames Bekenntnis zum Frieden, Frieden nicht nur für uns, sondern Frieden für die gesamte Menschheit. ({26}) Wenn wir nun am Beginn dessen stehen, was ich eine Periode der Verhandlungen genannt habe, der Verhandlungen mit jenen, die unsere Gegner gewesen sind, so müssen wir dessen eingedenk sein, daß diese Verhandlungen nur zum Erfolg führen können, wenn wir die Stärke aufrechterhalten, die Verhandlungen möglich gemacht hat. ({27}) Nachdem ich nun von den Banden gemeinsamen Nationalerbes, gemeinsamer Vergangenheit gesprochen habe, nachdem ich von dem gesprochen habe, was uns auf wirtschaftlichem Gebiet verbindet, von anderen Verbindungen und Banden, möchte ich nun noch zum Schluß von einem verbindenden Element sprechen, das durch meine heutige Anwesenheit in diesem Hause offenbar wird. Wir glauben - unsere beiden Länder, unsere beiden Völker, unsere beiden Regierungen - an das Prinzip der Regierung durch die Vertretung des Volkes, wir glauben an freie und kraftvolle Auseinandersetzungen im Parlament, wir glauben an freie Wahlen. ({28}) Nachdem ich selbst jetzt gerade die Strapazen eines Wahlkampfes hinter mich gebracht habe, wünsche ich Ihnen allen alles Gute bei Ihrem bevorstehenden Wahlkampf. ({29}) Das, werden Sie verstehen, ist die internationale Sprache der Politik, die für beide Seiten der jeweils zur Diskussion stehenden Fragen gilt. Wenn ich vor diesem Hause stehe, so wird mir auch bewußt, wie viele gemeinsame Traditionen uns verbinden. Es ist für mich ein bewegendes Erlebnis, Ihnen zu sagen, daß ich seit der Übernahme meines Amtes als Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika noch nicht vor unserem eigenen Kongreß oder vor irgendeiner gesetzgebenden Körperschaft irgendeines anderen Landes erschienen bin. Das heißt, wenn ich heute vor Ihnen stehe, vor diesem Parlament, so ist es das erstemal, daß ich als Präsident der Vereinigten Staaten vor irgendeinem Parlament der Welt erscheine. ({30}) Herr Präsident, ich bin sicher, daß mir während meiner Amtszeit manche Ehre zuteil werden wird. Aber ich möchte folgendes sagen: Für einen Mann, der seine politische Laufbahn im Kongreß begonnen hat und dem Kongreß vier Jahre angehört hat, der dann zwei Jahre im Senat verbrachte, der dann Vizepräsident und in dieser Eigenschaft auch Präsident des Senats war und damit den Stuhl innehatte, den Sie, Herr Präsident, jetzt innehaben, und das für eine Zeit von acht Jahren, gibt es keine größere Ehre, als hier zu seinen Abgeordnetenkollegen sprechen zu dürfen. ({31}) Präsident von Hassel: Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist nach dem Beifall nicht nötig, noch einmal besonders zu danken. Darf ich bitten, daß diejenigen, die dem Fortgang der Debatte nicht beiwohnen werden, die Möglichkeit eröffnen, in der Rednerliste fortzufahren, und dann das Parlament verlassen. Das Wort hat nunmehr der Herr Abgeordnete Ravens. ({32}) - Meine Damen und Herren, darf ich um Ruhe bitten. Das Wort hat der Abgeordnete Ravens. Bitte, Herr Abgeordneter!

Karl Ravens (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001785, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach dieser für den Deutschen Bundestag sehr ehrenvollen Auszeichnung durch den Besuch des amerikanischen Präsidenten in unserem Haus wird es schwer sein, in die Niederungen der alltäglichen Politik zurückzufinden. Die Ausführungen des Bundeswirtschaftsministers haben mich aber dazu bewogen, noch auf ein paar Punkte hinsichtlich der Fragen der Regionalpolitik einzugehen. Als einen Abgeordneten, der seine Arbeit im wesentlichen im Wirtschaftsausschuß tut, der aber aus einem Wahlkreis kommt, der in einem heute so oft erwähnten landwirtschaftlichen oder ländlichen Gebiet liegt, hat es mich im Laufe dieser Diskussion des heutigen Tages mit Genugtuung erfüllt, daß es mit der isolierten Agrarpolitik der Vergangenheit nun endgültig vorbei zu sein scheint. Der Bundeswirtschaftsminister hat heute festgestellt, daß „die Agrarpolitik und die Wirtschaftspolitik heute für gemeinsame Ziele mit aufeinander abgestimmten Konzeptionen zusammenarbeiten". Diese schon seit langem, vielleicht allzu langem, notwendige Zusammenarbeit kann ich nur unterstreichen. Es hat lange gedauert, bis diese Erkenntnis sich bei uns überall durchgesetzt hat. Die Erfahrungen der Rezession der Jahre 1966 und 1967 und die neue Wirtschaftspolitik haben diese Verzahnung von Wirtschafts- und Agrarpolitik erst jetzt möglich gemacht. Das, was der Herr Bundeswirtschaftsminister als sein Ziel angegeben hat - von manchen wird es als ehrgeizig und als fast nicht erreichbar hingestellt -, jährlich mit öffentlichen Mitteln etwa 20 000 Arbeitsplätze in ländlichen Räumen zu schaffen bzw. deren Schaffung zu fördern, darf nach meiner Meinung nicht aus dem Auge verloren werden. Ich bin sicher, Herr Kollege Wächter, daß der Bundeswirtschaftsminister das mit der ihm angeborenen Zähigkeit auch schaffen wird, entgegen aller Skepsis, die aus Ihrer Rede klang. In diesem Zusammenhang verdienen die Ausführungen des Bundeswirtschaftsministers über die regionale Strukturpolitik und ihren Zusammenhang mit der Stabilität unsere ganz besondere Aufmerksamkeit. In den letzten Tagen scheint es ein wenig Mode geworden zu sein - den Eindruck habe ich -, den Chor derer zu verstärken, die schon immer skeptisch waren und meinen, man müsse nun generell eine Drosselung der öffentlichen Ausgaben verlangen. Man darf aber doch wohl bei dieser Gelegenheit nicht übersehen, daß in den landwirtschaftlichen oder ländlichen und abgelegenen Regionen bei uns der Beschäftigungsgrad noch wesentlich unter dem Durchschnitt der Bundesrepublik liegt. Er ist heute noch viel geringer als in den Ballungszentren. Eine erfolgreiche Verbesserung der Infrastruktur und die damit zusammenhängende Verbesserung der Chance für die Gründung neuer Betriebe in ländlichen Gebieten erhöhen nach meiner Meinung unser Wachstumspotential. Mit dieser Erhöhung des Wachstumspotentials wird gliechzeitig von der Angebotsseite her ein Stabilitätsbeitrag geleistet. Wir müssen also gewiß differenzieren. Ich bin dem Bundeswirtschaftsminister sehr dankbar, daß er noch einmal sehr deutlich herausgestellt hat, daß er bei der Steuerung des wirtschaftlichen Ablaufs auf alle Fälle verhindern will und verhindern muß, daß im Bereich des Zonenrandgebietes, in den ländlichen Gebieten, in den abgelegenen Gebietén Dämpfungsprozesse stattfinden. Wenn das aber richtig und notwendig ist, dann müssen wir uns, so meine ich, hier in diesem Hause und auch in der Bundesregierung schon jetzt darüber klar sein, daß dann auch im Rahmen der Fortschreibung der mittelfristigen Finanzplanung der Haushaltsansatz für die regionale Wirtschaftspolitik entsprechend erhöht werden muß. Für das Haushaltsjahr 1969 sind wir ja glimpflich davongekommen. Da sind wir erst einmal aus dem Schneider. Dadurch, daß sich die Bundesregierung bereit erklärt hat, im Rahmen der binnenwirtschaftlichen Anpassungsprogramme 150 Millionen DM für die regionale Wirtschaftsförderung zur Verfügung zu stellen, sind wir der Notwendigkeit enthoben worden, den Ansatz zu erhöhen. Dies ist aber nur eine einmalige Aufstockung für 1969, meine Damen und Herren. Die regionale Strukturpolitik hat jedoch ein sehr langfristiges Ziel. Sie kann dieses Ziel nur dann erreichen, wenn der Haushaltsansatz langfristig entsprechend erhöht und gesichert ist, d. h. er muß in die Fortschreibung der mittelfristigen Finanzplanung hinein. Die in den Gesetzentwürfen über die Gemeinschaftsaufgaben zur Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes und zur Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur festgelegten Aufgaben und die hier vorgesehenen Aktionsprogramme werden nach diesen Entwürfen auf das engste miteinander verzahnt. Sie sind gleichzeitig eine Aufforderung an den Bundestag, an die Bundesregierung und an die Länder zu neuen, aufeinander abgestimmten Anstrengungen. Auch aus diesem Grunde möchte ich auf den dafür notwendigen Mittelbedarf hinweisen, denn diese Aktionsprogramme sollen ja nach dem Gesetzentwurf jeweils für fünf Jahre aufgestellt und fortgeschrieben werden, so daß wir eine Parallelfinanzierung zur Hand haben müssen. Dieser Fortschreibungsprozeß der dafür notwendigen Mittel und diese Aktionsprogramme scheinen mir ein entscheidender Beitrag zur Verbesserung der Lebensverhältnisse in den heute zurückgebliebenen Gebieten zu sein. Meine Damen und Herren, gestatten Sie mir hier ein persönliches Wort an den Bundeswirtschaftsminister. Herr Bundeswirtschaftsminister, mit großer Genugtuung hat man im Unterweser-Bereich in den vergangenen Tagen Ihre grundsätzliche Bereitschaft aufgenommen, bei der Entwicklung dieses in weiten Bereichen immer noch ländlichen Gebietes Hilfestellung zu leisten. In diesem Raum meint man, daß hier die Chance zu einer Gemeinschaftsleistung von Gemeinden, zwei Ländern und dem Bund gegeben ist und daß diese einen Beitrag zur Verbesserung ,der Lebensverhältnisse in diesem bis jetzt überwiegend landwirtschaftlichen Raum bedeuten würde. Wir wünschen uns in diesem Gebiet, daß Ihre Bereitschaft auf einen fruchtbaren Boden bei den beiden betroffenen Ländern fällt und daß wir von daher in diesem entwicklungsfähigen Gebiet für das gesamte schwierige Gebiet des Elbe-Weser-Raumes und des Oldenburger Raumes eine entscheidende Stärkung herbeiführen können. Gestatten Sie mir, meine Damen und Herren, in dieser Debatte über die Lage der Landwirtschaft auch noch auf einen anderen Aspekt einzugehen, der die 'notwendige Intensivierung der regionalen Strukturpolitik weiter begründen kann. In dem uns vorliegenden Grünen Bericht wird auf Seite 75 hervorgehoben, daß die Einkommensunterschiede innerhalb der Landwirtschaft in allen Betriebsgruppen nach wie vor extrem groß sind. Zwischen einem „oberen Viertel" von Betrieben und einem „unteren Viertel" klafft nach dem Grünen Bericht eine Differenz des Betriebseinkommens je Vollarbeitskraft von mehr als 10 000 DM. Diese Zahl verdeutlicht das gewaltige Einkommensgefälle innerhalb der Landwirtschaft. Gerade diesem Gefälle, meine Damen und Herren, kann man nicht mit preispolitischen Maßnahmen beikommen, weil Betriebe, die heute als leistungsschwach gelten und im unteren Bereich dieser Skala stehen, an ,diesen Maßnahmen am wenigsten partizipieren können. Für sie kann die Preispolitik allein keine entscheidende Hilfe bedeuten. Die Maßnahmen der Regionalpolitik, der Förderung der Industrieansiedlung, der Förderung der Infrastruktur, der Bildungseinrichtungen, der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung kommen aber genau diesem Teil der Bauern 'aus dem unteren Viertel, wie es im Grünen Bericht heißt, zugute; denn gerade Landwirte aus dieser Gruppe sind auf einen Zuerwerb oder Nebenerwerb hingewiesen oder wollen überhaupt zu einem neuen Beruf kommen. Wenn ich die Ausführungen des Kollegen Wächter noch richtig in Erinnerung habe - und auch der Kollege Ehnes hat sich so etwa geäußert -, war darin einige Skepsis, ob es denn gelingen könne, nun zusätzliche Arbeitsplätze zu schaffen, und ob man damit zu einer Verbesserung der Lage der in der Landwirtschaft Tätigen kommen werde. Ich glaube, das alleine ist nicht nur die Frage, sondern hier geht es einfach darum, ob wir zulassen wollen, daß Betriebe, die auf Zu- und Nebenerwerb angewiesen sind, diesen Zu- oder Nebenerwerb nicht haben können, weil ihnen bis heute dafür die ausreichenden Arbeitsplätze fehlen. Herr Kollege Wächter, Sie haben in dem Zusammenhang auf die Vergangenheit hingewiesen. Es hat keinen Sinn, den Schnee von gestern wieder auszugraben. Gerade weil wir gesehen haben, wie wenig erfolgreich wir bisher mit der Vielzahl der Programme und der Töpfchen und dem Nebeneinander in der Regionalpolitik gewesen sind, gerade deswegen ist im Rahmen der Finanzverfassungsreform - inzwischen ja wohl auch, wie man hört, im Vermittlungsausschuß unbestritten - die Gemeinschaftsaufgabe „regionale Strukturpolitik und Agrarstrukturpolitik" aufgenommen worden. Gerade deswegen liegen dem Bundesrat die beiden Gesetzentwürfe der Bundesregierung vor, in denen versucht wird, die Regionalpolitik und die Agrarstrukturpolitik zu verzahnen, um zu Aktionsprogrammen zu kommen, um zu einem gebündelten Einsatz ,der Mittel und damit schneller zum Ziel zu kommen. Das Nebeneinander und die Unübersichtlichkeit der Töpfe, die im Grunde genommen nur für den erfolgreich anzuwenden waren, der Klinken putzen oder laut genug schreien konnte oder eine besonders gute Verbindung hatte, dieses Nebeneinander und den Dschungel wollen wir auf der Grundlage von festgelegten Aktionsprogrammen ausräumen, Aktionsprogrammen, die fortgeschrieben werden, jedes Jahr neu angepaßt werden und in denen der Einsatz aller öffentlichen Mittel dem Ziel der Entwicklung dieser Gebiete dient. Das bleibt nicht nur eine wirtschaftspolitische Aufgabe, das ist 'für meine Freunde auch in hohem Maße eine sozialpolitische Aufgabe im Sinne der sozialen Verpflichtung diesen Menschen gegenüber. Das sind die beiden Komponenten, die man dabei sehen muß. Von daher gesehen ist eine erfolgreiche regionale Strukturpolitik ein Erfordernis der „sozialen Symmetrie" - um mit einem Wort des Wirtschaftsministers zu sprechen - in der Agrarpolitik. Wir heben damit eine Einseitigkeit auf, die durch die einseitigen Methoden der Agrarpolitik der Vergangenheit bedingt war, und wir geben damit erst die Voraussetzungen und machen es möglich, daß der Abwanderungsprozeß - der, ob wir wollen oder nicht, Herr Kollege Ehnes, ja läuft - abgefedert und sozial aufgefangen, erträglich gemacht wird. Wir geben dabei gleichzeitig die Möglichkeit, daß derjenige, der aus den Erträgen seines Hofes allein nicht leben kann - Sie haben von den Familienbetrieben mit Zu- und Nebenerwerb gesprochen -, diesen Zu- und Nebenerwerb in einem Bereich hat, der für ihn überschaubar ist. Denn jemanden für drei oder vier Stunden in den Bus zu setzen, um ihn zu einem Zu- oder Nebenerwerbsort zu karren und ihn dann für drei oder vier Stunden wieder zurückzufahren, heißt ja wohl, daß nicht mehr er den landwirtschaftlichen Betrieb macht, sondern daß der Familienbetrieb dann so aussieht, daß die Frau neben der Erziehung der Kinder auch noch die Aufzucht der Kälber und der Schweine hat. Ich meine, das wird dann unerträglich. Herr Kollege Ehnes, mir fällt an dieser Stelle eines ein, und ich wäre dankbar, wenn Sie uns da bei der Meinungsbildung auch von Ihrer Fraktion aus ein bißchen helfen könnten. Es war nämlich ein wenig überraschend, daß es gerade die bayerischen Kollegen aus der CSU waren, die im Rahmen des Gaststättengesetzes den Befähigungsnachweis wünschten und über ihre Sprecherin im Rechtsausschuß die Zahl der freien Betten von acht auf fünf drosseln wollten. Auch das ist Zu- und Nebenerwerb im landwirtschaftlichen Betrieb in einer Form, wie er besser nicht sein kann, weil er im Hof geschieht. Es waren unsere Anträge, durch die hier mit hauchdünner Mehrheit die Zahl von acht Betten wiederhergestellt wurde, und es waren Ihre Anträge, die hinterher mit einer knappen Mehrheit die Verabschiedung des Gesetzes unmöglich gemacht haben und die dabei gleichzeitig den Befähigungsnachweis für die Gastwirte wiedereinführen wollten. Ich glaube, Herr Kollege Unertl, auch das muß man sehen. Man kann nicht immer davon reden, daß man für den landwirtschaftlichen Familienbetrieb Zu- und Nebenerwerb schaffen will, und dann einen Bereich, der ihnen normalerweise gerade in ihren Gebieten gut zu Gesicht steht, nämlich die Ausdehnung des Fremdenverkehrs, dadurch erschweren, daß man Bremsen in das Gesetz einbaut, das dafür eine Voraussetzung bedeutet. Das gehört aber dazu. Schauen Sie sich das einmal an. Hier ist noch einiges in der Bewußtseinsbildung zu tun. ({0}) Wenn wir das offenhalten wollen, dann müssen wir das bei allen Schritten der Gesetzgebung überlegen. Wir können nicht sagen, Wirtschafts- und Agrarpolitik sind zu verzahnen, wenn wir jedesmal aus dieser Verzahnung dann wieder aussteigen, wenn es gerade ins Konzept paßt, und jedesmal wieder nach Verzahnung schreien, wenn es wieder ins Konzept paßt. Dann müssen wir das konsequent auch in allen Fällen durchhalten. Mir ging es darum, das hier noch einmal zu sagen. Im wesentlichen scheint es mir wichtig zu sein, daß wir die Bedeutung der regionalen Wirtschaftspolitik für die Agrarpolitik in den kommenden Monaten und Jahren nicht aus dem Auge verlieren und daß wir uns hier in einer Koalition der Agrarpolitiker mit den Wirtschaftspolitikern darüber schlüssig sind, daß diese Programme langfristig finanziell abgesichert werden müssen; denn nur auf einer langfristigen finanziellen Absicherung kann eine langfristige Planung beruhen, die dafür bitter notwendig ist.

Erwin Schoettle (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002061

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. von Nordenskjöld.

Dr. Günter Nordenskjöld (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001623, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Der ganze Tag heute hat gezeigt, daß die Auseinandersetzungen über die Lage der Landwirtschaft hier im Hause und draußen im Lande im letzten Jahr durchaus Klarheit darüber gebracht haben - und ich möchte sagen: bis auf den letzten Hof -, daß die strukturellen und wachstumsbedingten Schwierigkeiten der Landwirtschaft nicht mehr allein durch die alten Maßnahmen der Agrarstruktur, der Preispolitik usw. oder durch sonstige sektorale Eingriffe im Bereich der Landwirtschaft selbst gelöst werden können, sondern daß es vielmehr umfangreicher regionaler und gesamtwirtschaftlicher Lösungsvorschläge bedarf. Der Herr Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft hat das in seinem Agrarprogramm eindringlich dargestellt. Ebenso hat der Herr Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft auf der Agrarkredittagung eindeutig noch einmal auf die Verpflichtung des gesamten Volkes und auf die sozialpolitische Verantwortung des Staates dem Bauernstand gegenüber hingewiesen. Daraufhin ist vom Bundesministerium für Wirtschaft am 26. September 1968 ein Papier herausgebracht worden, von dem Sie, Herr Bundeswirtschaftsminister, sagten, daß es uns zuerst schokkiert habe. Ich möchte sagen, mir ist das auch so ergangen, einmal, weil es außerordentlich umfangreich war, und zum anderen, weil man es zuerst nur in Fragmenten bekam. Wenn man bloß Fragmente bekommt, kann man natürlich schlecht urteilen. Sie bringen darin Vorschläge über eine Intensivierung und Koordinierung der regionalen Strukturpolitik. Diese Vorschläge sollen das bisherige, mehr sektoral ausgerichtete Agrarprogramm durch einen reichhaltigen Katalog von Förderungsvorschlägen in wirtschaftlicher und besonders in regionaler Effizienz ergänzen. Dabei dominiert - das könnte aus Ihrem Ressort ja auch nicht anders sein - das Angebot an außerlandwirtschaftlichen Erwerbsalternativen. Sie geben dabei den Bundesausbaugebieten und den einseitig strukturierten oder ländlichen Räumen ganz eindeutig die Prioritäten für die Intensität der Förderung. Wenn man sich dieses umfangreiche Papier genauer durchliest, ergibt sich, daß natürlich ein anderer Ausgangspunkt für Ihre Überlegungen und eine andere Auffassung über den ländlichen Raum und die in ihm lebenden Menschen in Ihrem Hause vorhanden ist als im Bundesernährungsministerium. Trotzdem, so möchte ich sagen, umfaßt dieses Programm viele gute Vorschläge, und ich hoffe nur, daß all das, was da niedergelegt ist, nicht Theorie bleibt, sondern sich in handfeste Wirklichkeit umsetzen läßt. Ich bin auch der Meinung, daß in diesem Jahr - das ist eben auch schon von meinem Vorredner betont worden - die notwendigen finanziellen Mittel für all das, was Sie vorhaben, vorhanden sind. Sie haben normale Haushaltsmittel für das regionale Strukturprogramm zur Verfügung, Sie haben Kredite aus dem ERP-Fonds, - der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung -, und neuerdings stehen Ihnen auch Überschüsse auf Grund des Gesetzes zur außenwirtschaftlichen Absicherung zur Verfügung. Sie haben sich vorgenommen, jährlich 20 000 neue Arbeitsplätze zu schaffen. Hier möchte ich die Frage stellen, ob dieses Ziel auf jeden Fall erreicht werden kann, und das um so mehr, als vorgestern die Bundesbank eindeutig vor einer erneuten Überhitzung der Konjunktur gewarnt hat. Sie haben diese Frage vorhin schon beantwortet, indem Sie gesagt haben, daß Sie nicht bereit sind, hier nun wieder zu stoppen. Ich muß sagen, es wäre wirklich ein schlechter Dienst, wenn man jetzt die eben angelaufenen Maßnahmen wieder zum Erliegen bringen wollte oder nicht fortführen könnte. Denn nach meiner Überlegung reichen die 20 000 Arbeitsplätze jährlich, die Sie nach Ihren Berechnungen anstreben, gar nicht aus. Selbst wenn ich von den Zahlen, die Sie für die nächsten zehn Jahre als aus der Landwirtschaft abwanderungsfähig annehmen, diejenigen abziehe, die durch Alter und soziale Maßnahmen ausscheiden, bleiben pro Jahr etwa 70 000 Menschen übrig. Insofern ist hier eine gewisse Fehlrechnung. Die bisherigen Erfolge der Industrieansiedlung im ländlichen Raum geben keinen Grund zu besonderem Optimismus. Wenn jetzt etwas in kürzeren Zeiträumen und konzentrierter geschehen soll, so scheint mir erst einmal ein besseres Gesamtklima notwendig zu sein, damit die Wachstumsindustrie, die Industrie mit besonderen Zukunftschancen, zu Investitionen in diesen Räumen angereizt wird. Ich spreche da aus Erfahrung als langjähriger Planer meiner Landwirtschaftskammer. Ich weiß, wie schwierig es ist, trotz aller Angebote Industrie aufs Land zu bekommen. Günstige Verkehrsbedingungen, gute erschlossene Industriegrundstücke, eine ausreichende und billige Energieversorgung und ein Attraktionswert des Raums durch all das, was man unter sozialer und kultureller Infrastruktur versteht, sind notwendig. Das ist aber leider draußen nicht immer vorhanden. Ich habe besonders bezüglich des ersten Punktes, der günstigen Verkehrsbedingungen, Bedenken, da hier noch ein gewisser Unterschied - das ist heute morgen auch schon in einer anderen Rede angeklungen - zwischen Ihnen und der Auffassung des Bundesverkehrsministeriums besteht. Denn wie kann sich in Räumen, die sogar zu den Aufbaugebieten gehören, eine Industrie ansiedeln, wenn gleichzeitig noch ein Teil der wenigen vorhandenen Bahnstrecken wegen angeblicher derzeitiger Unwirtschaftlichkeit stillgelegt werden soll? Ein besonderes Beispiel kann ich Ihnen jederzeit dafür nennen. Wir müssen also ein besonders gutes Klima und eine weitgehende Übereinstimmung zwischen den Auffassungen des Bundes und der Länder haben, die ja in erster Linie für die Regionalstrukturpolitik verantwortlich sind. Dasselbe gilt für die notwendige enge Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Ressorts, die sich teilweise auf eine jahrhundertelange Tradition in ihrer Entwicklung innerhalb der Verwaltung stützen können. Das geht hinunter bis in die Landkreise. Ich darf noch die weitere Frage anschneiden, ob die geplanten Förderungsmaßnahmen auf die Zonenrandgebiete und die bisherigen Aufbaugebiete beschränkt werden sollten; denn nicht nur in diesen Räumen gibt es landwirtschaftliche Probleme. Ich meine, daß die Kriterien, die einen Landkreis zu einem Aufbaugebiet bestimmen, die in der Landwirtschaft vorhandenen Schwierigkeiten nicht voll erfassen - sie sind völlig andere -, sondern solche Schwierigkeiten finden sich in allen schwach strukturierten ländlichen Räumen. Diese sind leider - das möchte ich ausdrücklich betonen - durchaus nicht alle Aufbaugebiete. In diesen schwach strukturierten landwirtschaftlichen Räumen dominiert allgemeinen eine ungünstige Agrarstruktur, die durch einen erheblichen Überhang an zu kleinen haupterwerblich bewirtschafteten Betrieben bestimmt ist, die aber durch Agrarstrukturmaßnahmen nicht alle zu Vollerwerbsbetrieben entwickelt werden können. Die Umwandlung zu Zuerwerbs- oder Nebenerwerbsbetrieben vollzieht sich aber - das ist eine alte Erfahrung - immer dann durchaus reibungslos, wenn dem Betriebsinhaber zumutbare Alternativen geboten werden. Das kann ich aus vielfachen Erfahrungen der vergangenen Jahre eindeutig belegen. Dadurch, daß dann entwicklungsfähige, landwirtschaftliche Betriebe aufgestockt werden können, verursacht der gewerbliche und industrielle Arbeitsplatz auf dem Agrarsektor einen doppelten Effekt. Das Nichtabwandern der Bevölkerung in Verdichtungs- oder Ballungsräume bedeutet gleichzeitig einen beachtlichen raumwirksamen Erfolg. In diesem Zusammenhang möchte ich auf einen weiteren Punkt zu sprechen kommen, der uns heute schon wiederholt beschäftigt hat. Das ist das ominöse Wort über die zentralen Orte oder die Räume mit 20 000 bis 50 000 Menschen. Es ist sicherlich unsinnig, wenn jedes Dorf seine eigene Fabrik fordert. Dazu reizt leider im Moment das Gewerbesteuersystem an. Ich hoffe, daß von der Gemeindefinanzreform wenigstens soviel übrigbleibt, daß mit dieser Steuer mehr und mehr aufgeräumt wird und daß wir nicht arme und reiche Dörfer draußen haben. Ich bin aber der Meinung, daß gerade in den schwach besiedelten ländlichen Räumen - ich betone es nochmals, diese sind durchaus nicht alle Aufbaugebiete -die Forderung nicht richtig ist, daß es sich um zentrale Orte oder Räume mit wenigstens 20 000 Menschen im Einzugsgebiet handeln muß. In diesen Gebieten ist darüber hinaus alles zu tun, um eine weitere Abwanderung von Menschen zu verhindern. In dem Programm des Bundeswirtschaftsministeriums ist eindeutig festgelegt, daß die Arbeitsplätze in einer zumutbaren Entfernung von den Wohngemeinden liegen müssen. Es sind hier Entferungen von einer halben bis höchstens einer Stunde genannt. Ich habe in meinem Wahlkreis einen einzigen größeren Ort, der der Einwohnerzahl oder seinem Einzugsgebiet nach bei dieser derzeitigen Auffassung zur Förderung in Frage käme. Es gibt aber leider Landkreise - das ist heute auch schon angeschnitten worden; diese liegen besonders in Niedersachsen, sicher aber auch in Bayern -, die über eine sehr geringe Bevölkerungsdichte verfügen. Ich nenne als Beispiel den Kreis Grafschaft Diepholz in Niedersachsen, der nur 63 Menschen je qkm hat und dabei nicht Aufbaugebiet ist. Es ist nach meiner Meinung deswegen notwendig, diese Förderungsmaßnahmen, ohne sich an diese alten regionalen Förderungsgebiete zu halten, auch auf andere Räume auszudehnen, wenn sie zu einem Effekt führen sollen. Darüber hinaus halte ich es für notwendig, daß die unterschiedlichen Kriterien, nach denen das Landwirtschaftsministerium und das Wirtschaftsministerium einen ländlichen Raum für förderungswürdig halten, koordiniert werden. Für eine quantitative Aussage über die noch vorhandenen Arbeitsplatzreserven fehlen uns geeignete Unterlagen. Die Berechnungen in dem Programm des Bundeswirtschaftsministeriums erscheinen mir in dieser Richtung zu global und zu allgemein. Nach meiner Überzeugung fehlt eine klare Vorstellung über die Altersstruktur besonders der in der Landwirtschaft zur Zeit noch tätigen Arbeitskräfte. Diese müßten nach meiner Meinung nach sozialökonomischen Gruppen, nach Vollerwerbs-, Zuerwerbs- und Nebenerwerbsbetrieben, gegliedert sein. Die dafür notwendigen Feststellungen sollten baldigst getroffen werden, damit die vorhandenen Mittel schnell dorthin gelenkt werden können, wo sie die größte Wirkung haben. Erst nach dieser Übersicht wird es möglich sein, zumutbare Arbeitsplätze in genügender Zahl zu schafften. Dann wind sich wieder zeigen, was ich vorhin schon andeutete und was wir in den vergangenen Jahren als einen reibungslos verlaufenen Prozeß immer wieder erlebt haben, daß der Bauer selbst sich sehr schnell entscheidet, ob er weiter in der Landwirtschaft verbleiben oder ob 'er in die gewerbliche Wirtschaft gehen will. Noch ein Wort zur Finanzierung. Mein Vorredner hat vorhin gesagt, das Programm müßte auf lange Jahre weiter finanziert werden. Das ist ganz meine Meinung. Ich bin aber nicht der Meinung - und das möchte ich hier in aller Deutlichkeit sagen -, daß der Agrarhaushalt, ,der Einzelplan 10, dazu beitragen kann, bei der regionalen Struktur wesentlich zu helfen. Die wenigen Mittel, die ,da noch vorhanden sind - das lassen Sie mich als alten Agrarstrukturmann eindeutig sagen -, müssen dort verbleiben. Wir müssen die in der Landwirtschaft verbleibenden Betriebe so hinstellen, daß sie mit ihren Problemen - der Wasserwirtschaft, des Wirtschaftswegebaus, der Flurbereinigung, des Gehöfteausbaus usw. - fertigwerden. Wenn wir einen Raum nicht über agrarstrukturelle Maßnahmen rein bodenmäßig aufschließen können - das habe ich immer wieder in meiner Praxis erlebt -, werden wir keine Industrie in solche Räume bekommen. Das bleiben Problemgebiete, in denen, wenn ich so sagen darf, die Füchse sich nach wie vor gute Nacht sagen. Ganz entschieden wehre ich mich aber dagegen, daß man mit Gewalt ohne vernünftige Alternativen versucht - das ist hier Gott sei Dank nicht der Fall -, den Bauern aus seinem Hof herauszupressen. ({0})

Erwin Schoettle (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002061

Ich darf dem Haus zwischendurch mitteilen, daß der Abgeordnete Dr. Pohle *) und die Frau Abgeordnete Blohm **) ihre Reden zu Protokoll gegeben haben. Von einem gemeldeten Abgeordneten ist noch in Aussicht gestellt, daß das geschehen wird; ich habe die Rede bisher noch nichtempfangen. Das ist zwar die zweitbeste Form der Beteiligung an einer Bundestagsdiskussion. Aber immerhin, angesichts der Gesamtgeschäftslage ist es im Augenblick durchaus erwünscht, wenn durch den Fortfall von Rednern die Zeit etwas verkürzt wird, die wir für diese Debatte über den Grünen Bericht im ganzen aufwenden. Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Sander. ({0})

Heinrich Sander (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001919, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich höre schon das Wort „Zuckerrüben". Aber das kommt nicht; es kommen die Preise. Meine Damen und Herren, der Bundesernährungsminister hat in seiner Rede zum Grünen Bericht 1969 wunderschöne Worte der Verteidigung einer aktiven Preispolitik gefunden. Ich muß wirklich gestehen, Herr Minister Höcherl, daß ich überrascht war und 'geglaubt hatte, nun sei die Wende gekommen, jetzt werde die Bundesregierung in Brüssel endlich *) Siehe Anlage 6 **) Siehe Anlage 7 aktiv und bemühe sich darum, die Fehlentscheidungen der Vergangenheit wieder rückgängig zu machen. Vielleicht war diese Rede auch der Grund für den sehr positiven Kommentar des Deutschen Bauernverbandes. Allerdings ist inzwischen der Eindruck entstanden, daß dieser Kommentar - ich sage das jetzt lächelnd - wahrscheinlich eher mit der Couleur der neuen Führung zusammenhängt. Beim sorgfältigen Studium der Rede des Herrn Ministers entdeckt man nämlich, daß fast jede der positiven Aussagen zur Preispolitik mit einem Vorbehalt versehen ist. Und wenn man die Informationen aus den letzten Wochen zusammennimmt, kommt man leider zu dem Ergebnis, daß es diese Vorbehalte sind, auf denen die Preispolitik der Bundesregierung beruht. Auf die dabei angewandten Methoden - ich hatte eigentlich vor, „Taschenspielertricks" zu sagen; ich will es aber nicht tun - komme ich noch zu sprechen. Zunächst einmal aber zu der in unserer Anfrage angesprochenen Entschließung dieses Hohen Hauses vom 25. Juni 1968, die damals bekanntlich auf einen Antrag der CDU/CSU-Fraktion zurückging. Dieser Antrag war ,am 5. März in Berlin von Ihnen, meine Damen und Herren, beschlossen worden, und zwar - das ist wichtig - in Anwesenheit des Herrn Bundesernährungsministers und des Herrn Bundeskanzlers. Herr Kollege Bewerunge wird sich sicherlich an diese Sitzung noch erinnern, denn bei dieser Gelegenheit hat er Herrn Präsidenten Rehwinkel einen Demagogen genannt, weil er es gewagt hatte, - ({0}) - Ja, Sie müssen das verstehen. Auch ich komme aus Niedersachsen, und wir Niedersachsen hängen nun einmal an unserem Präsidenten. ({1}) Ich hoffe deshalb auf Ihr Verständnis. Aus diesem Grunde muß ich Ihnen das hier auch sagen. Meine Damen und Herren! Dieser Antrag, den Sie damals gestellt haben, enthielt eine ganze Reihe positiver Elemente, so daß auch wir von der FDP uns trotz mancher Bedenken bereit gefunden hatten, ihn zu unterstützen. Was die Preispolitik angeht, war die Bundesregierung aufgefordert worden, sich in Brüssel für eine Anhebung des Weizenrichtpreises um 50 DM und des Futtergetreidepreises um rund 72 DM einzusetzen. Wie Sie sicher aus der Presse wissen, hat sich das Kabinett nun Anfang Februar mit den Getreidepreisen befaßt und den Leiter der deutschen Delegation in Brüssel, also Sie, Herr Bundesernährungsminister, beauftragt, im EWG-Ministerrat für eine Erhöhung des Gerstenpreises um je 12 DM je Tonne einzutreten. Das ist genau ein Sechstel dessen, was in der Bundestagsentschließung gefordert worden war. Eine Erhöhung des Weizenpreises wurde vom Kabinett leider abgelehnt. Meine Damen und Herren, Sie müssen sich vor Augen halten, worum es nun im Kabinett ging. Unseres Erachtens ging es nicht um die tatsächliche Wiederherstellung des früheren deutschen Getreidepreises, sondern einzig und allein um die Frage, ob eine solche Revision in Brüssel vorgetragen werden sollte. Mehr war in dem Beschluß vom 25. Juni gar nicht verlangt worden, obwohl wir der Meinung waren, daß man diese Entschließung im Sinne einer Verpflichtung fassen sollte, in Brüssel hart aufzutreten, wie das andere Partnerländer mit bemerkenswertem Erfolg praktizierten. Wenn das richtig ist - ich lasse mich gern belehren -, was in der Presse zu lesen war, dann ist es der deutschen Delegation nicht nur untersagt, von sich aus eine Weizenpreiserhöhung zu beantragen, sondern sie müßte auch negativ votieren, wenn ein solcher Antrag von anderer Seite gestellt würde. Leider ist nun aber der Getreidepreis nicht das einzige Beispiel für die Disparität zwischen den Worten unseres Herrn Ernährungsministers. Der Bundesernährungsminister hat hier erklärt, die Bundesregierung sei der Auffassung - ich zitiere hier mit Genehmigung des Herrn Präsidenten -, daß die auf Grund der Nachfrageentwicklung vorhandenen preispolitischen Möglichkeiten in vollem Umfang ausgeschöpft werden sollen, um der Landwirtschaft - entsprechend der Entwicklung der Marktlage - aus ihren Verkaufserlösen möglichst hohes Einkommen zu sichern. Die dabei genannte Bedingung trifft auf kein anderes Produkt besser zu als auf Rindfleisch, denn für Rindfleisch besteht fetz und in Zukunft noch eine erhebliche Versorgungslücke im Gemeinsamen Markt. Deshalb hatte die Brüsseler Kommission schon im vergangenen Jahr vorgeschlagen, den Rinderorientierungspreis von 272 DM auf 282 DM je 100 kg anzuheben. Genau das wird in der Entschließung vom 25. Juni verlangt, und wir hatten eigentlich angenommen, daß sich auch die Bundesregierung das zu eigen machte. Inzwischen haben wir aber erfahren, daß sich die deutschen Vertreter im Sonderausschuß Landwirtschaft des Ministerrates ablehnend zu einer Anhebung des Rinderpreises geäußert haben, obwohl zwei andere Partnerländer der Ansicht waren, man müsse schon im Hinblick auf die Lage bei Milch die Umstellung auf Mast durch entsprechende Preisanreize fördern. Das dritte Beispiel ist noch seltsamer. Es betrifft den berühmten Milchpreis, von dem in der Entschließung vom 25. Juni sinngemäß gesagt wird, er solle auf das Niveau des Richtpreises gebracht werden. Wenn man es genau liest, stellt man fest, daß sogar eine Erhöhung des Richtpreises verlangt wird; denn die Antragsteller, in diesem Fall also die Freunde der Fraktion der CDU/CSU, haben den Richtpreis in Pfennigen je Liter definiert und nicht je Kilogramm, wie es in der EWG-Verordnung steht. Da aber bekanntlich 1 1 Milch 1,03 kg wiegt, müßte der Richtpreis um 3 % heraufgesetzt werden. Daran denkt selbstverständlich in dieser Koalition und in dieser Regierung niemand; und ich bedauere in diesem Augenblick, daß ausgerechnet der Bundeswirtschaftsminister nicht hier ist, der es verstanden hat, wunderschöne Worte zu sagen. Aber ich hätte ihn bei dieser Gelegenheit sehr, sehr gern gefaßt und mich zu diesem Punkt mit ihm hier besonders unterhalten. Ich sagte eben, daß in dieser Koalition und in dieser Regierung nun niemand mehr daran denkt. Im Gegenteil. Der Herr Bundesernährungsminister hat in seinem Hause ein neues Milchkonzept ausarbeiten lassen, welches darauf hinausläuft, die Preissicherung auf eine bestimmte Milchmenge zu beschränken. Wenn es sich dabei um eine Kontingentierung nach der Art der Zuckermarktordnung handelte - nun komme ich allerdings doch auf die Zuckerrüben -, wäre gegen diesen Plan unseres Erachtens nichts einzuwenden. Denn dann müßten nach dem Verursachungsprinzip diejenigen Erzeuger für die Überschüsse aufkommen, die dafür verantwortlich sind. Aber das ist beim Plan des Ernährungsministeriums gar nicht gemeint. Hier will man ein sogeanntes Quantumsystem einführen, das heißt, alle Erzeuger in der EWG sollen eine einheitliche Abgabe bezahlen, wenn eine bestimmte Anlieferungsmenge überschritten wird. In neuesten Pressemeldungen war von einem sogenannten Einbehalt bis zu 4 Pf - das überträgt sich auf mehrere Jahre - die Rede. Würde ein solcher Plan verwirklicht, dann wären die deutschen Erzeuger doppelt betroffen, denn erstens müßten sie für eine Überproduktion bezahlen, die andere auf den Markt bringen, und zweitens würden sie dafür bestraft, daß sie ihre Milch an die Molkerei abliefern. Um Mißverständnissen vorzubeugen, möchte ich hier ausdrücklich erklären, daß wir Freien Demokraten durchaus der Meinung sind, daß bei Milch etwas getan werden müßte, um die Marktproduktion zu begrenzen oder um zumindest die finanziellen Belastungen etwas anders zu verteilen. Das richtige Mittel dazu wären unseres Erachtens eben nationale Kontingente, wie sie auch der Deutsche Bauernverband nun vorgeschlagen hat. Der Einwand, daß in einigen EWG-Ländern die Milcherfassung nur unzureichend organisiert ist und daß dort noch nicht einmal eine einigermaßen zuverlässige Molkereistatistik besteht, kann uns doch wohl nicht überzeugen. Wenn bei den Milliardenbeträgen, die für die Milchmarktordnung ausgegeben werden, nicht genügend Geld vorhanden sein sollte, um eine brauchbare Statistik auf die Beine zu stellen, sollte man, meine Damen und Herren, unserer Meinung nach das gesamte Experiment des gemeinsamen Milchmarktes aufgeben. Tatsächlich ist es aber nun nicht etwa Unvermögen, sondern das Bedürfnis, sich nicht in die Karten sehen zu lassen, welches drei Länder der EWG - und ich möchte es hier ganz offen aussprechen -, nämlich Frankreich, Italien und Belgien, daran hindert, ihre Molkereien zu verpflichten, in regelmäßigen Abständen zu melden, wieviel Milch sie aufgenommen und was sie daraus hergestellt haben. Es ist hier wirklich - verübele man es mir bitte nicht - ein Skandal, daß z. B. aus Frankreich weder die Zahl der Kühe noch die durchschnittliche Milchleistung noch die Produktion noch die Höhe der Anlieferung bekannt ist. Und es ist erst recht ein Skandal, daß heute noch der mögliche Fehler in der EWG-Milcherzeugungsstatistik so groß ist wie die gesamte holländische Produktion. Hier wäre unseres Erachtens eine echte deutsche Initiative dringend notwendig. Statt dessen allerdings legt man einen Plan vor, mit dem nichts weiter erreicht werden soll als eine Senkung der Erzeugererlöse und der in letzter Konsequenz dazu führen wird, daß die Bauern bei uns geradezu gezwungen werden, ihre Milch auf dem Hofe zu verbuttern oder zu verwerten, also zu verfüttern. Meine Damen und Herren, was die politische Seite der Angelegenheit angeht, so finden wir es sehr unfair, daß die CDU der Landwirtschaft gegenüber erklärt, sie setze sich für einen Milcherlös von 41,2 Pf ein, während ihr Minister zur gleichen Zeit in Brüssel einen Plan präsentiert, der es zwar optisch bei dem Richtpreis beläßt, praktisch aber auf eine weitere Erlösminderung von Hunderten von Millionen DM hinausläuft. Eines ist jedenfalls sicher: Die Produktion wird damit nicht verringert. ({2}) Die Behauptung der Kommission, daß zwischen Preis und Produktionsmenge ein Zusammenhang besteht, der sich in einer einfachen mathematischen Formel erfassen läßt, ist schlicht falsch. Wäre sie richtig, dann hätten z. B. in den vergangenen beiden Jahren der französische Getreideanbau ausgedehnt und der deutsche eingeschränkt werden müssen. Meine Damen und Herren, genau das Gegenteil ist der Fall. Denn um den Verlust pro Mengeneinheit auszugleichen, haben gerade die deutschen Bauern mehr Getreide produziert. Selbstverständlich - das möchte ich hier zum Ausdruck bringen - ist das Ernteergebnis in den letzten beiden Jahren durch das gute Wetter beeinflußt worden; aber wenn die Brüsseler Theorie zuträfe, hätte sich das ja bei der Aussaat, bei der Anbaustatistik bemerkbar machen müssen. Meine Damen und Herren, die Zusammenhänge sind so simpel, daß sie eigentlich jedes Kind begreifen kann. Und so ist es auch nur schwer verständlich, weshalb Herr Mansholt bei einem Teil unserer Presse eine derartige Resonanz für seine falschen, unglaubwürdigen Behauptungen gefunden hat. Selbstverständlich weiß auch er, wie es in der Praxis aussieht. Daß er dennoch immer wieder für Preissenkungen eintritt, hat deshalb auch ganz andere Gründe. Ihm ist z. B. bekannt, daß die Einkommenselastizität eines landwirtschaftlichen Betriebes mit der Kapitalintensität abnimmt. Ein Großbetrieb kann - ich betone: kann - auf stark gedrückte Preise mit einer Extensivierung reagieren. Dem kapitalintensiven Familienbetrieb, wie er hier in der Bundesrepublik aber die Norm ist, muß bei anhaltend gedrückten Preisen am ehesten die Luft ausgehen; denn seine Betriebsorganisation ist nun einmal auf bestimmte Einnahmen abgestellt. Er kann weder extensivieren, noch werden wir ihm mit gutem Gewissen raten können, seine Maschinen abzuschaffen. Aber, meine Damen und Herren, glauben Sie: Wenn die Phase gedrückter Preise einmal überwunden ist - und früher oder später wird das der Fall sein; uns liegen genügend wissenschaftliche Arbeiten darüber vor -, dann wird gerade der Familienbetrieb wieder am rentabelsten wirtschaften. Dieser Betriebstyp wird jedoch nicht mehr in Deutschland zu finden sein, sondern in Frankreich und in Italien, während hier bei uns der extensive Großbetrieb übrigbleibt. Wir Freien Demokraten halten dies politisch für außerordentlich gefährlich! Meine Damen und Herren, dies Mansholtsche Konzept ist natürlich um so eher zu verwirklichen, solange in der EWG noch unterschiedliche Kostenstrukturen bestehen und jedes Partnerland seine eigene Sozialpolitik, seine Handels-, Beihilfen-, Steuer- und Verkehrspolitik betreibt. Der Herr Bundesernährungsminister hat in seiner letzten Rede leider nur ein einziges Beispiel erwähnt, und zwar die Sozialpolitik, Herr Minister. Wir hätten es sehr gern gehört, wenn auch die anderen wettbewerbsverzerrenden Gebiete mit einbezogen worden wären. Aber es gibt noch zahlreiche andere Bereiche, von denen gesagt werden kann, daß der Wettbewerb zum Nachteil unserer Bauern verfälscht ist. Das fängt mit den betrieblichen und den persönlichen Steuern an und geht dann weiter bis zu den Frachttarifen; ich könnte jetzt wieder die Zuckerrüben anführen; wir haben hier diesen komischen - ich sage: komischen! - Leberplan nun einmal verabschiedet, der sich bestimmt gerade zum Schaden der deutschen Landwirtschaft auswirken wird; davon dürfen wir überzeugt sein! Die Kommission hat leider bis heute geschwiegen, was bei der Sachlage - jetzt möchte ich es wieder sagen: Sie können nicht erwarten, daß ich ein Freund von Mansholt bin; das sind wir Freien Demokraten auf keinen Fall -, gar nicht überraschend ist. Dagegen finden wir es jedoch erstaunlich, daß die Bundesregierung - hier muß ich Sie, Herr Minister, erneut ansprechen - bisher so gut wie keine Initiative ergriffen hat, um wenigstens gegen die gröbsten Wettbewerbsverzerrungen vorzugehen. Nur am Rande sei erwähnt, daß Herr Bundesminister Höcherl z. B. die französische KuhPrämie nicht für wettbewerbsverzerrend hält. Zwar soll er inzwischen in Brüssel Bedenken angemeldet haben; aber sein Einspruch dürfte nach d e r Antwort, die er uns Freien Demokraten auf eine von uns gestellte Kleine Anfrage gegeben hat, noch nicht einmal das Papier wert sein, auf das sie geschrieben ist. Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluß; nun sagen Sie: Gott sei Dank! - Gerade in den letzten Wochen hat sich unsere Vermutung bestätigt, daß die Agrarpolitik der derzeitigen Koalition aus zwei Teilen besteht: erstens aus Anträgen und schönen Reden im Bundestag und aus Wahlveranstaltungen ({3}) und zweitens aus Plänen und Beschlüssen der deutschen Delegation im europäischen Ministerrat, in denen diese Anträge und Reden allerdings teilweise ignoriert und in bestimmten Fällen wie etwa bei der Milch geradezu in ihr Gegenteil verkehrt werden. Ob eine solche Politik bei der schwierigen Situation der Landwirtschaft - ich glaube, der Kreis der Kollegen, die jetzt noch hier sind, kennt die Schwierigkeiten in den Dörfern genau - allerdings noch glaubwürdig ist, möchte ich bezweifeln. Das nimmt dieser Koalition die Landwirtschaft einfach nicht ab, zumal sie auch aus der Vergangenheit einiges gelernt haben sollte. Was die anstehenden Preisprobleme betrifft, so liegt die Unglaubwürdigkeit nach den jüngsten Beschlüssen des Kabinetts über Getreide und Rindfleisch und nach dem Milch-Plan des Bundesernährungsministers so offen zutage, daß es unseres Erachtens keiner weiteren Beweise bedarf. Meine Damen und Herren, gestatten Sie mir, daß ich im Anschluß hieran nunmehr darauf hinweise, daß wir bei der - wie ich eben schon sagte - außerordentlich schwierigen, prekären Lage der deutschen Landwirtschaft wirklich einmal versuchen sollten - Herr Minister, darf ich Sie hier persönlich ansprechen -, auch Professor Preuschen, der, glaube ich, hier schon einmal genannt wurde, und auch Professor Blohm nach hier zu bitten, um von ihnen zu hören, wie sich nun tatsächlich die Preiserhöhungen - ich meine die reinen Erzeugerpreiserhöhungen - letzten Endes bei unseren Verbrauchern, die wir ja heute teilweise in unseren Betrieben auch schon sind, auswirken. Wir sind der Meinung, daß hier heute genau wie bei den Lohnerhöhungen und Gehaltserhöhungen wirklich die konzertierte Aktion stattfinden muß. Wenn es uns nicht gelingt, die Landwirtschaft in die gesamte Wirtschaft zu integrieren - mit allen Vor-und Nachteilen, wie es Herr Kollege Bauer mit Recht vorgetragen hat -, brauchen wir uns keine Mühe zu geben, dann werden unsere Söhne und Töchter von sich aus die Strukturfrage lösen. Es wird dann das geschehen, was in meinem Raum heute schon Tatsache ist: daß die Söhne und Töchter nicht mehr bereit sind, auch Höfe mit einer Größenordnung von 100 Morgen und mehr zu übernehmen. Deshalb meine herzliche Bitte, auch einmal die Wissenschaftler auszutauschen und die Wissenschaftler, die heute hier zitiert worden sind, hinzuzuziehen, um zu versuchen, eine Wirtschaftspolitik einschließlich der Landwirtschaftspolitik aus einem Guß zu machen. ({4})

Dr. Karl Mommer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001529

Das Wort hat Herr Dr. Siemer.

Dr. J. Hermann Siemer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002174, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Es fällt einem schwer, jetzt angesichts dieses leeren Saales - wenn ich das so sagen darf - einen kleinen Monolog zu halten. Aber ich habe leider meine Rede nicht schriftlich verfaßt, so daß ich sie nicht abgeben kann. Das, was ich sagen will und muß, hängt mit Punkt 3 c der Tagesordnung, mit dem Marktstrukturgesetz, zusammen. Weil meine Freunde aus der SPD diesen Punkt nicht absetzen wollten, sind wir gezwungen, dazu wenigstens einige Worte zu sagen. Leider kann ich nicht mehr auf die Ausführungen des Herrn Minister Schiller eingehen - er ist schon fortgegangen -, aber ich will doch folgendes sagen: Es ist nicht so, daß wir nicht auch in früheren Jahren den Landwirten die Wahrheit sagen durften. Das haben wir immer getan; nur waren die Verhältnisse nicht so wie heute, nachdem - wie Herr Minister Schiller selber sagt - eine Krise in den Marktordnungen Brüssels ausgebrochen ist. Das ist das Wort von Herrn Minister Schiller. Ich muß ihm insoweit recht geben, als das, was wir als großes Memorandum Brüssels vorfinden, eine sicherlich wertvolle Arbeit ist. Darüber hinaus ist es aber doch der Beweis einer Unsicherheit in bezug auf die politischen Maßnahmen, die nirgendwo stärker zum Ausdruck kommt als in der Frage der Preispolitik, dem Kernstück der landwirtschaftlichen Agrarpolitik, wie es der Herr Minister in seiner Einführungsrede auch gesagt hat. Das ist ein Kernstück, um das niemand herumkommt, auch dann nicht, wenn die Integration zwischen Wirtschaft und Landwirtschaft Formen angenommen hat, über die wir uns freuen, nämlich Formen der Integration, die uns wirklich sagen, daß die Landwirtschaft ein Teil der Wirtschaft ist. Aber - das ist heute schon zum Ausdruck gekommen -, ich will sagen: wenn sie das ist, wenn sie ein Teil der gesamten Wirtschaft ist, dann muß sie auch Maßnahmen ergreifen können, die man in der Wirtschaft als selbstverständlich ansieht. Dann kann sie nicht nur produzieren, produzieren ({0}) und nicht zu Maßnahmen kommen, die uns Landwirten - wenn ich es einmal einfach sagen soll - den Preis nicht nur verderben, sondern die Einkommensverhältnisse restlos kaputtmachen. Ich will es übersetzt sagen: Die Disparität unserer Einkommensverhältnisse in der Landwirtschaft - das Agrarproblem schlechthin, wie die gesamte Wissenschaft es nennt -, die nicht mehr im letzten Grünen Bericht zum Ausdruck gekommen ist - mit Recht nicht, weil sie von vielen Seiten mit Recht angegriffen werden konnte -, bleibt, sie ist da. Auch Herr Minister Schiller hat in seiner Studie klar zum Ausdruck gebracht, daß diese Einkommensdifferenz zu den übrigen Wirtschaftsfaktoren der Gesamtwirtschaft zunehmen wird. Er hat sogar die Prognose gestellt, bis zum Jahre 1980 hätten wir eine Einkommensdifferenz von mehr als 50 %. Dieser Tatsache kann man nicht ausweichen. Sie bleibt so lange, wie wir das Preisproblem in der Landwirtschaft nicht genauso wie in der übrigen Wirtschaft anpacken, ich will es ganz offen sagen: solange es ¡der Regierung nicht gelingt - hier stimme ich dem Herrn Kollegen Schmidt zu -, einen Akkord, wie er es genannt hat, nicht nur zwischen Wirtschaft und Landwirtschaft, sondern auch zum Finanzministerium herzustellen, damit die Frage gelöst wird, auf die es ankommt: die Preisfrage, und damit sie so gelöst wird, daß der Strukturwandel in der Landwirtschaft nicht übermäßig schnell vor sich geht, damit nicht Hunderttausende von Existenzen langsam, aber sicher ihr Eigien- oder Besitztum verzehren oder verschulden. Wenn wir das nicht wollen, dann müssen wir das Preisproblem anpacken, und zwar so, daß es von uns auch verkraftet werden kann. Wir müssen dann zuerst das Überschußproblem lösen. Es ist sehr leicht zu lösen. Das machen uns andere Länder vor. Nicht nur England, sondern auch Kanada haben das Milchproblem in einer eleganten, erstklassigen Weise gelöst. Ich will nicht darauf eingehen, welche Möglichkeiten gegeben sind. Aber eines können Sie mir abnehmen: Wir lösen morgen das Problem. Wenn wir mit den anderen Ländern erst ernstlich verhandeln - und die Franzosen, ich weiß es konkret, wollen die Lösung dieses Problems -, dann haben wir zunächst einmal die Möglichkeit, auch diese Überschußproduktionen in den Griff zu bekommen, sei ,es durch welche Kontingentierung oder Lizenzierung auch immer. Dann kann ich auch für den Landwirt entsprechende Preise fordern und muß sie fordern, damit sie den Preisen der übrigen Wirtschaft adäquat sind. Wir sollten nicht glauben, wir könnten nur durch die Theorie einer ständigen Produktivitätsverbesserung, die immer weiter gesteigert wird, durch 'immer niedrigere Preise, das Problem der Landwirtschaft lösen. Das geht nicht. Weil das so ist, meine sehr verehrten Damen und Herren, haben wir auf den Sektoren, wo wir keine Marktordnungen mit Interventionspreisen, Schwellenpreisen und Richtpreisen haben, versucht, zwei Gesetze zu konzipieren, erstens das Marktstrukturgesetz, das wir jetzt vorliegen, und zweitens, nachdem der Entwurf den Wirtschaftsausschuß passiert hat, das sogenannte Marktstrukturfondsgesetz. Das rMarktstrukturgesetz wird zwar keine Wunder bewirken, aber es bietet eine Handhabe für das was ich eben sagte: den Markt stärker in die Hand zu bekommen. Denn woran wir in der Landwirtschaft leiden, ist jedem klar, der sich mit den Dingen befaßt. Wir haben eine atomisierte Erzeugergemeinschaft, oder sagen wir: Erzeuger, die den Markt beliefern, praktisch ohne zu wissen, was der Markt hergeben kann und was er nicht hergibt. Die atomisierten Erzeuger sind der Grund dafür, daß heute die Preise auf dem Markt mehr oder weniger großen Schwankungen unterliegen und daß letztlich sogenannte Zyklen, wie wir sie aus der Schweineproduktion oder aus der Bierproduktion kennen, dem Landwirt immer wieder den Verdienst, dien er sich aufbaut, nehmen. Das wollen wir durch eine zügige Gesetzgebung in den Griff bekommen, indem wir über die Erzeugergemeinschaften, die wir schaffen, neue Möglichkeiten geben. Das hängt einfach davon ab, daß unsere ländliche Bevölkerung begreift, worauf es da ankommt. Wir müssen ihr sagen, daß dies ein Ausgangspunkt für eine bessere Marktstruktur ist. Lassen Sie es mich anders sagen: Wenn unsere Genossenschaften, die das auch könnten, schon so aufgeschlossen wären, wie wir es gern haben möchten, dann brauchten wir - ich sage es ganz offen - nicht einmal Marktgemeinschaften oder Erzeugergemeinschaften, sondern dann könnten wir die Aufgabe im wesentlichen über die Genossenschaften horizontal und vertikal lösen. Aber leider ist das nicht so. Leider müssen wir neue Anstrengungen machen, damit wir den ländlichen Menschen dafür gewinnen, dieser ,Gemeinschaft beizutreten, um durch die Vereinigung der Erzeugergemeinschaft - ich will es einmal so nennen - den Markt mehr in den Griff zu bekommen. Dazu gehört als entsprechender Abschluß, daß dann auch vom Markt her die Förderung der Produkte nach industriellen, gewerblichen Grundsätzen erfolgt. Der einzelne Landwirt - das hat das Gutachten, das sich die Regierung am 12. April 1967 hat geben lassen, eindeutig nachgewiesen - ist nicht in der Lage, Werbung durchzuführen. Auch der einzelne in der vertikalen Linie verarbeitende Betrieb kann diese Werbung und die Aufgaben des Marketing nicht übernehmen. Marketing - ein Wort, das heute vielen im Ohr liegt; es bestimmt und umfaßt eine Gruppe von Marktmaßnahmen, die sich heute jeder moderne industrielle Unternehmer zunutze macht. Wir können das nicht. Wir können das bestenfalls dort, wo wir schon von alters her Verarbeitungsbetriebe aufgebaut haben, die, um es einfach zu sagen, über Regionen hinweg einen Namen in der gesamten Industriewelt haben. Aber Deutschland hat ja lange Jahrzehnte als Importland gar kein Bedürfnis gehabt, den Markt für sich zu erobern. Heute aber, wo wir an der Grenze des Bedarfsdeckungsprinzips angelangt sind und auf gewissen Gebieten eine Überproduktion haben, müssen wir dafür Sorge tragen, daß die moderne Vermarktung und ihre Methoden unseren Produkten nutzbar gemacht werden. Darum, so meinte ich, wäre es richtig, wenn diese Frage heute Brüssel gegenüber stärker betont würde, denn Marktordnungen sind keine Ruhekissen, sondern bringen uns ein absolutes Warenrisiko. Das sehen wir doch heute bei der Überproduktion und bei dem sogenannten Limitpreis - oder nennen Sie ihn Schwellen- oder Interventionspreis -: Je stärker die Vorräte drücken, desto mehr und desto langsamer, aber sicherer werden wir Landwirte praktisch, was die uns versprochenen Preise angeht, Einbußen erleiden. Das können wir nur ändern, meine lieben verehrten Kollegen, wenn es uns gelingt, das Prinzip der gewerblichen Wirtschaft in der Werbung und bei den Marktstrukturhilfsmitteln so zu gebrauchen, daß unsere Artikel auch auf den deutschen und überseeischen Märkten und auf den Märkten dritter Länder einen sogenannten Goodwill aufgebaut erhalten. Der einzelne Betrieb ist viel zu schwach, um das zu erreichen. In den Ländern ist erst noch vieles zu tun, um überhaupt zu sehen, wie wir uns in unseren landwirtschaftlichen Produkten repräsentieren wollen. Wenn die gewerbliche Wirtschaft heute meint, wir wollten ihr die Werbung abnehmen, so hat sie gar nicht verstanden, worum es uns geht. ({1}) Darum geht es uns wirklich nicht, wenn wir einen Fonds aufbauen, in den die Landwirtschaft auf die Dauer ja selbst den größten Teil zahlen muß. Es geht vielmehr darum, daß wir im Ausland und auch im Inland die Voraussetzungen für die Durchführung einer solchen Werbung schaffen, damit die Produkte nicht nur in der jetzigen Form, sondern in besserer Verpackung, in vielleicht von wissenschaftlichen Instituten erforschten neuen Kombinationen auf den Markt kommen, um unsere Produktion ausweiten und verwerten zu können. Ich habe mich kurz gefaßt. Ich wollte eigentlich länger über dieses Thema sprechen. Ich hätte Herrn Minister Schiller einiges zu sagen gehabt; er erklärte, daß dieser Tag ,ein besonderer Tag sei, weil die Integration zwischen Wirtschaft und Landwirtschaft auch von unseren Verwaltungen entsprechend gefördert werden soll. Er soll aber nicht vergessen: Unser Problem - ich wiederhole das - ist, genau wie in der übrigen Wirtschaft, daß die Betriebe -ich meine jetzt die Durchschnittsbetriebe, die, was die Rationalisierung angeht, heute hochmodern sind - ihre Produkte nicht nur verkaufen, sondern daß sie sie so verkaufen, daß sie auf 'Grund der Erlöse auch ,die notwendige Aufwertung ihres Unternehmens erfahren und die notwendige Verzinsung der von ihnen investierten Kapitalien zu verzeichnen haben. Erst wenn das geschieht, wenn Schiller die Integration zwischen Wirtschaft und Landwirtschaft 'als Teil ;der 'Gesamtwirtschaft so durchführt, glaube ich an die sogenannte neue Welle in unserer gemeinsamen Arbeit. Ein Letztes, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist dies - der Herr Minister hat es zum Ausdruck gebracht -: Natürlich wollen wir an den sogenannten konzertierten Aktionen teilnehmen, weil hier zwischen den einzelnen Verbänden, zwischen der Industrie und den Gewerkschaften ausgewogen wird, was man den Arbeitnehmern, sagen wir ruhig, den gewerkschaftlich betreuten Menschen und den Unternehmern an Einkommen zubilligen will und wie man das Sozialprodukt verteilen will. Auch uns muß dann die Gerechtigkeit widerfahren. Wenn wir sagen, was unserer Meinung nach der Landwirtschaft aus der konzertierten Aktion an zusätzlichen abgewogenen neuen Entwicklungen zukommen muß, wenn ich das weiß, wenn ich die Zusicherung habe, daß die neue Linie zwischen Landwirtschaft und Gesamtwirtschaft dieses Ziel verfolgt, auch uns die Preise zu geben - wir können sie ja hinbekommen, wenn wir nur wollen; es ist nicht so, daß wir nicht könnten und daß etwa der jetzige sogenannte Interventionspreis eine heilige Kuh ist, die man nicht schlachten kann -, wenn wir das wollen und in der EWG wollen, dann werden wir sehen, daß in der gesamten landwirtschaftlichen Entwicklung eine neue Hoffnung einzieht und daß unsere jungen Leute nicht, wie vorhin gesagt wurde, aus der Landwirtschaft flüchten. Aber die Chance, die auch wir haben müssen, wie die übrige Wirtschaft im Wachstum mitzugehen und nicht stehenzubleiben oder vielleicht noch durch Rationalisierung mit den Preisen herabzusacken, ist doch wohl eine Selbstverständlichkeit für jeden, der unternehmerisch denken kann. Von uns hat man das nur bisher nicht angenommen und hat gesagt, die Preise in der Urproduktion müßten 'auf dem Stand von 1950 bleiben. Sie müssen nicht bleiben wie 1950 und können nicht nicht so bleiben! Denn auf keinem wirtschaftlichen Gebiet hat man solches verlangt oder 'durchgesetzt. Darum geht es uns, wenn wir mit Herrn Schiller dm Wirtschaftsministerium über eine Integration verhandeln. Es geht uns nicht allein darum, daß die vielen Menschen draußen zusätzlich Arbeit finden können. Wir warten darauf, daß das Ministerium für Ernährung und Landwirtschaft und das Ministerium für Wirtschaft die Mittel zur Verfügung stellen. Dazu brauchen wir auch den Finanzminister. Darüber hinaus müssen wir aber mehr fordern, daß nämlich in der Gemeinschaft dieser Arbeit auch diem Landwirt sein Recht wird. Ich will nicht vom gerechten Preis, sondern von dem Preis sprechen, der die Arbeit lohnt, nicht von dem Preis, den man glaubt, immer weiter nach unten drücken zu können. So ist für mich, Herr Minister Höcherl, das Preisproblem das konstante, ständig wichtigste 'Problem in der landwirtschaftlichen Agrarpolitik überhaupt. Wenn wir das nicht lösen, haben wir unsere Aufgabe in der Landwirtschaft nicht erkannt. ({2})

Dr. Karl Mommer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001529

Herr Dr. Reinhard hat die beabsichtigten Ausführungen zu Protokoll gegeben*). Das Wort hat dann Herr Dr. Gleissner.

Dr. Franz Gleissner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000689, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben heute in der Debatte sehr viel über den Weg der Agrarpolitik gehört. Der Minister wurde von der SPD gelobt, daß er einen neuen Weg beschritten hätte, der noch nicht ganz verstanden worden sei. Ich will diese Dinge jetzt nicht im einzelnen verfolgen. Es wurde sehr viel zum Grünen Plan und zum Agrarprogramm gesagt. Man könnte an einigen Stellen einiges wiederholen; man müßte auf Dinge eingehen, die mit der sogenannten Mobilisierung des Bodens angesprochen waren, auf Dinge eingehen, die der Wirtschaftsminister erörtert hat, manche Ideen und Gedankengänge, die da und dort doch letzten Endes ganz in der Nähe Mansholtscher Vorstellungen liegen, die wir aber doch abgelehnt haben. Lassen Sie mich aber noch einmal den Sprung zur EWG machen und die Frage stellen, die heute, wiederholt auch da und dort im Nebensatz oder in einigen längeren Ausführungen gestellt worden ist: *) Siehe Anlage 8 Ist der Weg der EWG-Agrarpolitik, wie wir ihn bisher gegangen sind, richtig und wird er, wenn wir ganz genau hinschauen, nicht nur zu einer Art von Stagnation führen, so daß wir dabei in die Sackgasse geraten? Sitzt nicht heute mit der Gefahr für Europa, für seine Landwirtschaft, aber insbesondere für die deutsche, ein Krisenherd, ein Herd der Unruhe in Brüssel? Ich sage das als ein leidenschaftlicher Europäer, als einer, der Angst und Sorge hat, daß bei dieser Art von Agrarpolitik, die sich in den letzten Jahren in Brüssel entwickelt hat und die jetzt im Mansholt-Programm letzten Endes eine Fortführung findet, nicht nur eine Gefahr für die Landwirtschaft und für die Bauern besteht, sondern für die europäische Zusammenarbeit. Ich möchte darauf kurz eingehen. Zunächst hat der Herr Minister - da sind wir ihm sehr dankbar - in den letzten Monaten sehr oft und sehr deutlich - nicht nur bei den Landwirten, sondern bei Industriellen, beim Industrie- und Handelstag, und wo sonst Gelegenheit war - darauf hingewiesen, daß die europäische Zusammenarbeit gefährdet sein könnte, wenn man nicht einsehen, d. h. honorieren will, daß wir die Landwirtschaft einseitig an die Spitze der Integration getrieben haben. Ich glaube, das Wort stammt auch von ihm, daß wir die europäische Integration mit der Landwirtschaft „am Schwanze aufgezäumt" haben. So darf man sich in der Agrardebatte wohl ausdrücken! Es wurde auch gesagt, das gemeinsame Agrar-Europa werde ohne gemeinsame Währung, ohne gemeinsame Steuer-, Finanz-, Handels- und Verkehrspolitik immer mehr beschleunigt. Ja, man muß sagen, es wurde gewaltsam vorwärtsgetrieben, anstatt sich politisch zu einigen und vielleicht die Vereinigten Staaten von Europa zu proklamieren. Eine Reihe von wirtschaftlichen Sektoren, meine Damen und Herren, die in erster Linie für die Integration in Frage kommen würden, liegen weit zurück, wenn sie nicht das Schlußlicht bilden. Es ist das da und dort gesagt worden, aber es muß in diesem Zusammenhang von heute noch einmal gesagt werden, damit der Landwirtschaft Gerechtigkeit widerfährt und damit wir nicht glauben, mit Programmen, Prognosen, Finanz- und Übergangshilfen dem Genüge zu tun. Man müßte selbstverständlich, wenn man zur EWG hinüberblickt, nicht nur diesen Anfang sehen, sondern man müßte wohl auch auf die Konzeption der EWG-Kommission wenigstens hinweisen. Es ist - so wird sie in der Schweiz, so wird sie ohne jede Schminke auch in Österreich beschrieben, und auch in manchen landwirtschaftlichen Blättern, aber nicht nur hier - eine liberalistische, eine dem rein industriell-ökonomischen Denken verbundene Konzeption. Hinzu kommt, daß der Agrarsektor doch recht einseitig - wie schon erwähnt -, perfektionistisch, bürokratisch und sehr zentralistisch im Alleingang dirigiert wurde, gar nicht zu reden von dem, was wir hier oft bedauert haben, praktisch ohne jede echte parlamentarische Kontrolle. Meine Damen und Herren, wer die Protokolle und die Festtagsreden nicht der Abgeordneten, sondern der Minister, der früheren Bundeskanzler, der Fraktionsvorsitzenden liest, wird finden, daß immer gesagt wurde: die Landwirtschaft muß jetzt vorangehen. Sie ist jetzt in der Lage, voranzugehen, weil dann die anderen Sektoren nachfolgen werden. Wir werden die Integration gewissermaßen am Schopfe der Landwirtschaft aus den europäischen Gewässern ziehen. Das ist nicht gelungen. Hier sind wir unerhört enttäuscht worden. Man soll die Öffentlichkeit daran erinnern, um nicht der Landwirtschaft erneut die Schuld zuzuschieben, wenn wir vielleicht den Mansholt-Plan kritisieren und ablehnen. Aber lassen Sie mich das beenden und in Verbindung mit Brüssel auf einen anderen Punkt kurz hinweisen. Das sind die Irrtümer und Fehlentscheidungen der EWG-Kommission. Denn ich behaupte, daß sich die EWG-Politik - das wäre zu beweisen, und es gibt auch Wissenschaftler, die jetzt endlich dazu ansetzen -, wie erwähnt, in einer Stagnation, in einer Sackgasse befindet und daß die EWG dazu aufgerufen ist - was ja heute auch in einigen Reden zum Ausdruck kam; ich will jetzt niemanden wiederholen, weder zum Thema Milchpolitik noch zum Thema Kontingente -, diese Fehler und Irrtümer und die Konzeption zu überprüfen, ja, sie einer Revision zu unterziehen. Nicht der geringste Versuch wird gemacht. Man hat uns dafür ein Programm vorgesetzt, Mansholt-Plan genannt. Lassen Sie mich diese Irrtümer - nicht alle, nur einzelne - kurz erwähnen, ohne jetzt noch einmal die Konzeption als solche zu behandeln. Man müßte die Aussprüche und die Reden der verschiedenen Kommissionsmitglieder hernehmen. Herr Bundesminister, wenn ich etwas gegen Herrn Mansholt sage, dann meine ich nie Herrn Mansholt allein. Wir und Sie sind ganz genauso verantwortlich für die deutschen Mitglieder der Kommission, die mitgestimmt haben und eine ganz ähnliche, wenn nicht die gleiche Sprache sprechen. ({0}) Herr Bundesminister, wir haben Sie u. a. oft in den Fragestunden darum gebeten. Was hilft denn die Debatte hier, was helfen denn Ihre wirklich guten Ausführungen der letzten Monate - ich denke an die Einbringung des Grünen Berichtes -, wenn Sie eine Pressedokumentation zur Landwirtschaft vornahmen. Die Bauern sind heute gebildet. Sie haben eine gute Schule hinter sich. Sie lesen das. Sie können ganz genau lesen, wie Sie das meinen. Man darf hier nicht allgemein von öffentlicher Meinungsmache sprechen, aber es wird doch eine Meinung in ganz bestimmter Richtung à la Mansholt fabriziert, die genau das Gegenteil von dem ist, was hier wohl auch die SPD wie die Opposition, wie wir, versuchen an Vertrauen und politischer Linie der Landwirtschaft zu geben, damit die Unsicherheit verschwindet. Wir könnnen nicht alles an Risiko wegnehmen. In der Landwirtschaft wird vieles ausgehalten. Aber sie muß die Richtung wissen, wohin es geht. Lassen Sie mich einige solcher Irrtümer der EWG-Politik kurz aufzählen. Man könnte bei jedem Punkt einsteigen, es gibt vielleicht auch einiges da11808 gegen zu sagen. Ich nenne einmal die unverantwortliche Beschleunigung der EWG-Agrarpolitik und die Verkürzung der ursprünglich vorgesehenen und auch notwendigen Übergangszeit. Herr Bundesminister, es war von uns allen ein schwerer Fehler - es war auch vom Bauernverband seinerzeit sehr großzügig und kurzsichtig -, daß wir zugestimmt haben, weil wir an Europa glaubten und weil wir drüben den Osten gesehen haben, und weil wir nicht die Landwirtschaft sozusagen mit dem Odium belasten wollten, sie sei schuld, wenn die Integration steckenbliebe oder die Franzosen nicht mittäten. Wir haben die Übergangszeit genau für den kompliziertesten Sektor der Wirtschaft verkürzt, den Sektor Landwirtschaft, für den es am schwierigsten war. Was die hektische Betriebsamkeit der EWG-Verhandlungen betrifft, Herr Bundesminister, beneide ich Sie nicht und niemand und keinen Minister eines der EWG-Länder, der da drüben verhandeln muß. Ich meine nicht die eine oder andere Sitzung unter Druck. Fast alle und gerade die entscheidenden Sitzungen finden unter Pression bis in die Nacht hinein statt. Manches mag international üblich sein. Aber dort ist Methode dahinter. So hat und hätte das nie pressiert. Drittens. Seit Jahren liegen Anträge vor, die Dinge irgendwo mit der Konzeption des Kontingents einzufangen. Das wurde von der Kommission, von Mansholt seit Jahren ebenso abgelehnt. Diese Landwirtschaft kommt nicht zur Ruhe, wenn der Wirtschaftsminister oder Mansholt sie ständig, wie eben Herr Dr. Siemer sagte, in den Run um die Produktivität treibt. Sie kommt nur zur Ruhe, wenn sie ein Ordnungssystem von den Kontingenten her bekommt, weil sonst die anderen auf unserem Rücken und gegeneinander produzieren. Aber ich will das jetzt hier nicht fortsetzen. Dann kommt die sinnlose vorschnelle Angleichung der Getreidepreise und der Irrtum der Getreidepreissenkung. Weiter erwähne ich die gefährliche, falsche Konzeption, die Veredelung einseitig zu forcieren, um sich für die Preissenkung und Stagnation der Preise der Bodenprodukte schadlos zu halten. Auch ein Irrtum! Selbst Professoren und viele andere haben gemeint: Das war der falsche Weg. Ein Jahr später haben wir die Quittung dafür bekommen. Ich nenne die Versäumnisse bei der Anhebung bzw. Wiederanhebung der Futtergetreidepreise, die übersteigerten Einfuhren von Futtermitteln, Eiweißfuttermitteln und Tapiokamehl. Nichts ist dagegen geschehen. Weiter nenne ich die Bildung von Eierfabriken und gewerblichen Mästereien, die verspätete Denaturierung von Weizen zu Futtergetreide, die immer noch zögernde Haltung der Kommission und des Ministerrats, das Fettproblem als ein Ganzes zu sehen, um die Milchproduktion wieder in Ordnung zu bekommen. Wir müssen noch eine Frage aufwerfen, die Frage, inwieweit die Bundesrepublik auf dem Sektor der Agrarpolitik derzeit und in den letzten Jahren als wirklich gleichberechtigter Partner angesehen werden kann. Herr Bundesminister, Ihnen ist oft hier im Hause von Ihren Freunden und von solchen, die Ihnen weniger freundschaftlich gegenüber gestanden sein mögen, gedankt worden. Sie haben ohne Zweifel ganz große Verdienste auf dem Gebiet der Brüsseler Verhandlungen. Aber die Frage der gleichberechtigten EWG-Partner muß aufgeworfen werden. Sie muß auch schon deswegen aufgeworfen werden, weil wir wissen, daß die EWG-Entwicklung und alle möglichen Interessen der EWG-Partner und unsere eigenen Industrieinteressen in erster Linie auf dem Rücken der deutschen Landwirtschaft ausgetragen worden sind. Es wurden zum Teil einseitige und extreme Interessen der deutschen Exportpolitik auf dem Rücken der deutschen Landwirtschaft ausgetragen. Ich nenne nur eine einzige Zahl. Es gäbe noch ein paar Punkte, die sehr viel interessanter wären, um die Hintergründe zu beleuchten, wer die Kommission drüben steuert, führt, beeinflußt, manipuliert unid sie öffentlich unter Druck setzt. Ich nenne, wie gesagt, eine einzige Zahl. Von 1958 bis 1967 ist die gewerbliche Ausfuhr der Bundesrepublik in die EWG-Länder um mehr als 300 % gestiegen, nämlich von 9,8 Milliarden auf fast 31 Milliarden DM, während unsere Gesamtausfuhr in der gleichen Zeit nur etwas mehr als verdoppelt werden konnte, nämlich von 36,1 auf 84,6 Milliarden DM. So könnte man das fortsetzen. Ich will nicht sagen: das Sündenregister. Ich muß es hier aufführen, weil es Tatsache ist und weil ich mich auch fachlich davon überzeugen konnte, desgleichen auch Leute, die es fachlich besser wissen und in Brüssel beobachten. Österreichische Zeitschriften, Schweizer Kommentare, wissenschaftliche Berichte belegen es, daß man das EWG-System korrigieren könnte. Aber es wird nicht korrigiert, weil an diesem System sehr viele partizipieren, ich wiederhole es: auf dem Rükken der europäischen Zusammenarbeit und insbesondere auf dem Rücken der deutschen Landwirtschaft, der man dann neue Produktivitätsprogramme und sonstige Dinge empfiehlt; ein Weg, an dem heute aufgezeigt worden ist, wohin er führt, daß nämlich bei den anderen die Kühe vermehrt werden, und wir treiben hin zu Agrarfabriken und großen Latifundienwirtschaften. Das ist ja das Denkmodell, das zugrunde liegt. Ich möchte, bevor ich schließe, nochmals eine Warnung aussprechen. Wenn nichts zur Revision der EWG-Politik geschieht, dann besteht ohne Zweifel nicht nur die Gefahr, daß Resignation und Verdrossenheit anhalten und zunehmen, sondern daß durch wachsende Unruhen für Stadt und Land gefährliche politische Auswirkungen entstehen können. Ich bitte auch alle, die von diesen Dingen fachlich wirklich etwas verstehen, die Probleme draußen nicht zu bagatellisieren: auch nicht vor Wahlen. Keine Vertröstungen, keine Ersatzlösungen, keine wohlgemeinten Ausgleichsmaßnahmen finanzieller Art, um wieder etwas getan zu haben, sondern wir müssen an diese Auseinandersetzungen herangehen. Wir stehen an einem Wendepunkt. Insofern begrüße ich es sogar, ,daß Mansholt die Katze aus dem Sack gelassen hat und uns mit diesem Programm zeigte, wohin er und seine Anhänger wollen. Man könnte das Agrarprogramm der Bundesregierung nochmals zitieren, um auch hierfür kritische Belege zu finden. Aber hier kommt es auf ein anderes an. Gestatten Sie mir trotz der fortgeschrittenen Zeit, nur ein paar Minuten noch wenigstens darauf hinzuweisen. Es hat wenig Sinn, wenn wir im Bundestag oder draußen oder wenn die Bauernverbände oder politische Versammlungen gegen diesen Mansholt-Plan protestieren. Das können wir tun, das sollen wir tun. Wir haben am 12. Dezember hier sozusagen mit dem Blick nach Osten gesagt: Die Panzer stehen im Osten und hier droht das Mansholt-Programm mit seinen Kollektivierungstendenzen. Das kann man sagen, das soll man sagen. Aber da dürfen wir nicht stehenbleiben. Wir würden dann so verfahren wie der Hund, der den Mond anbellt, ohne Erfolg; denn so dumm sind unsere Leute draußen nicht, daß sie nicht wissen: Dieser Protest allein genügt nicht. Wir sind sehr dankbar, daß heute von allen Seiten zum Ausdruck gekommen ist - ich bin davon überzeugt, von der bayerischen SPD kann ich es wohl sagen, trotz Wahlkampf, daß Hoegner und andere sich ganz deutlich distanziert haben -, daß wir wirklich im Distanzieren eine Einheitsfront bilden sollten. Aber dann müssen wir auch Konsequenzen ziehen, und es gibt Konsequenzen. Wegen der fortgeschrittenen Zeit kann ich nicht alle anführen, ich kann sie auch nicht mehr alle begründen. Ich bin aber gern bereit, dem Herrn Minister oder an anderer Stelle zu sagen, welche Konsequenzen es wären, zunächst auf dem Sektor der Agrarpolitik, um dieser Überproduktion Herr zu werden. Ich nenne nur einen Satz: Die EWG-Partner sollten künftig für die in ihren Ländern jeweils entstandene Überproduktion politisch und finanziell mitverantwortlich sein, um die kostspielige Überproduktion zu vermindern und zu verhindern, insbesondere aber um die Vernichtung von Lebensmitteln auf Kosten der EWG auszuschließen. Oder: Die gemeinsame Finanzierung der Überschüsse der EWG-Partner sollte daher auf der Basis der heutigen Erzeugung begrenzt werden. Wären das nicht Überlegungen, an die wir herangehen müßten, wenn wir wissen, was uns die Finanzierung demnächst kostet? Dabei geht es um die Neuregelung der Agrarfinanzierung und unter Umständen um einen damit verbundenen neuen Beitragsschlüssel. Oder - ich nenne nicht alle Konsequenzen, die sich ergeben würden -: Der im Interesse einer gerechten und tragbaren Finanzierung der EWG notwendige Übergang zum System der Mengenregulierung erfordert eine auf kurze Zeit und auf Teilmärkte beschränkte Aussetzung der agrarischen Integration, d. h. unter Umständen ein vorübergehendes Einfrieren auf der Basis bestehender Lieferbeziehungen. Warum sollten wir denn das, ehe wir neue Sprünge ins kalte Wasser machen, hier nicht ordnen? Würde diese Ordnung nicht ganz Europa dienen, vor allem unserer Landwirtschaft, auf deren Rücken sich diese Dinge abspielen? So könnte man noch einige Punkte vortragen. Ich möchte jetzt zum Agrarmarkt nichts mehr sagen; es gäbe einiges dazu. Aber ich darf noch auf einen Punkt hinweisen,_ der mir sehr am Herzen liegt und der auch in den Fragenstunden eine Rolle spielte, die Strukturpolitik. Herr Bundesminister, meine Damen und Herren, die EWG-Kommission ist für die Agrarstruktur der Partnerstaaten nicht zuständig. Das hat der Herr Minister in der Fragestunde schon zwei-, dreimal beantwortet. Wir haben auch ein Protokoll der Ratssitzung vom 4. Dezember 1962. Danach ist der Bereich der Agrarstruktur nicht auf die Behörden in Brüssel übergegangen. Ich sehe gar nicht ein, warum wir da zuschauen, wenn diese, anstatt ihre Agrarpolitik zu revidieren, sich jetzt in einem überdimensionierten Strukturprogramm austoben. Sind wir nicht töricht, wenn wir das zulassen? Wenn schon weitere Strukturverbesserungen, dann in Frankreich - da gibt es einige Probleme - oder in Italien. Aber die Bundesrepublik als dichtbesiedelter Staat mit dieser übergroßen Industriebeschäftigung, die wir nun einmal haben, und mit dem Risiko des VW-Exports z. B., müßte aus Sicherheitsgründen, wenn Amerika, das zehnmal dünner besiedelt ist, 5 %, 6% Agrarbevölkerung hat, eine bäuerliche Landwirtschaft in der Größenordnung von 10% halten. Denn, Herr Bundesminister, wer da jetzt sagt: „Wir sind selbstverständlich gegen den Mansholt, das wollen wir alle nicht, aber so ein bißchen langsamer und humaner in diese Richtung", - genau das ist es, was wir jahrelang an verschiedenen Stellen der Öffentlichkeit gegenüber geäußert haben. Weder Stadt noch Land glaubt daran: demnächst werden es bloß noch 8% und dann 5% sein, und dann kommen wir schon dahin, wo die uns haben wollen. Die bäuerliche Bevölkerung und die Bevölkerung der Stadt müssen jetzt wissen, daß diese Struktur von 10% Landbevölkerung gehalten werden muß. Aber, Herr Bundesminister, wenn wir diesen kleinen und mittleren Bauern, denen es bei uns gar nicht schlecht geht, die gut im Nebenerwerb verdienen - wir haben Probleme im Bayerischen Wald, in Ihrer Heimat und woanders in der Bundesrepublik -, den ganzen Tag im Fernsehen und in Illustrierten vorsagen, daß sie aufhören sollen, daß sie einfach nicht mehr modern sind, wenn man ihnen Geld anbietet, wenn sie aufhören, daß sie den Boden verkaufen zugunsten der Spekulanten und derer, die sonst an der überdimensionierten Entwicklung der Industrie und des Bausektors verdienen, dann muß ich sagen: Ich würde, wenn ich Bauer wäre, nie Ihren Worten glauben, Herr Bundesminister. Ich würde immer dieser Propaganda glauben, hinter der die Macht der Annoncen steht, die Macht der Presse, die das Tag für Tag in den Illustrierten bringt. Wo ein Stück im Verkauf eine Mark und 3 bis 3,60 DM in der Herstellung kostet, weiß ich doch, wer diesen Geist bestimmt, wer die Annoncen bezahlt. Herr Bundesminister, Sie sind in der Lage, mit Ihrer Begabung und Ihrem bayerischen Charme die Bevölkerung in der Stadt und ganz bestimmt auch die Gewerkschaften zu überzeugen - wenn nicht jeden, so doch die Masse unserer Arbeitnehmer -, was für sie auf dem Spiel steht, wenn wir diesen Weg gehen, den Weg der Auflösung der bäuerlichen Landwirtschaft. Darum keine Strukturpolitik in Brüssel! Aus verfassungsrechtlichen Gründen sind weitere Strukturverhandlungen in Brüssel und weitere Finanzierungen des Strukturfonds abzulehnen. Ich bitte das zu überprüfen. Wir wollen auch keine Zentralisierung der Strukturpolitik bei der EWG-Kommission. Ich fange jetzt nicht mehr an, das auseinanderzulegen. Wir wollen auch in Bonn für die Strukturpolitik doch nur die Rahmenkompetenz haben. Das sollen doch die Länder machen. Heute spricht man von Regionen und Regionalpolitik. Dort machen wir praktische Strukturarbeit, aber nicht dort drüben in Brüssel, wo ein wahrhaft revierferner Apparat sitzt, so kann man sagen, wo Leute sitzen, die wenig draußen waren. Wir haben sie gesehen, wir kennen ihre Gesichter, und wir kennen ihre Meinung. Von denen lassen wir uns nicht am „grünen Tisch" Strukturpolitik machen, Herr Bundesminister. Es ist auch nicht wahr, daß die Professoren alle gegen die Landwirtschaft eingestellt sind. Wer neueste Gutachten anschaut, wer wissenschaftliche Dokumentationen über Entwicklungen in Amerika und England durchliest, der weiß, welche Wege der Dezentralisierung man dort auch geht, der weiß auch, wie bei uns Wissenschaftler dieses MansholtProgramm so zerpflücken, daß nichts mehr übrigbleibt. Wir haben auch auf dieser Seite schon genügend Helfer, abgesehen von unseren politischen Pflichten und unserer Verantwortung, die wir für Landwirtschaft und Landschaft haben. Also keine Zentralisierung der Strukturpolitik in der EWG-Kommission! Herr Bundesminister, ich habe diese Punkte knapp in Eile vorgetragen. Ich werde angesichts unserer freundschaftlichen Verbindung dafür sorgen, daß sie Ihnen etwas ausführlicher übermittelt werden. Ich darf mich auf diese Bemerkungen beschränken. Ich möchte mit der Feststellung schließen: Bei all dem, was Sie tun, - an der Strukturpolitik und an Mansholt scheiden sich die Geister. ({1})

Dr. Karl Mommer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001529

Meine Damen und Herren. Herr Abgeordneter Dr. Ritgen *) hat seine Rede zu Protokoll gegeben. Das Wort hat Herr Berberich.

August Berberich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000144, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist eigentlich nicht besonders reizvoll, zu dieser Stunde und bei dieser Besetzung *) Siehe Anlage 9 des Hauses noch über sozialpolitische Fragen der Landwirtschaft zu sprechen. Ich glaube aber, es ist nach den Ausführungen, die von verschiedenen Rednern hier gemacht worden sind, notwendig, auch von unserer Seite noch einiges zu diesen sozialen Fragen der Landwirtschaft auszuführen. Meine Damen und Herren, zur Unfallversicherung! Es ist hier von Herrn Saxowski darauf hingewiesen worden, daß die Probleme der Unfallversicherung in der Landwirtschaft, der Kürzung der Zuschüsse für die Unfallversicherung, für die Landwirtschaft wahrscheinlich zu einer erheblichen Belastung führen werden. Das ist selbstverständlich auch richtig. Ich glaube aber nicht, daß wir uns vordergründig nur mit diesen Zuschüssen zur Unfallversicherung beschäftigen sollten. Wir müssen uns vielmehr mit dem beschäftigen, was in der Unfallversicherung eigentlich noch notwendig ist. Herr Kollege Reichmann hat die Frage der Erhöhung der Schwerbeschädigtenrente angesprochen. Wir haben von seiten unserer Fraktion schon vor Monaten auf diese Frage hingewiesen und die Bundesregierung gebeten, einen Entwurf vorzulegen, der die Unfallversicherung in der Landwirtschaft für die Schwerbeschädigten regelt. Ich weiß, daß es im gegenwärtigen Moment bei der vorhandenen Arbeitslage des Parlaments nicht mehr möglich ist, in diesem Bundestag einen solchen Entwurf zu verabschieden. Wir müssen uns aber darüber klar sein, daß die Renten in der landwirtschaftlichen Unfallversicherung für den Betriebsinhaber, für den Ehegatten und für den mithelfenden Familienangehörigen bei einer schweren Beschädigung tatsächlich zu niedrig sind und hier im Ernstfall die Sozialhilfe eingreifen muß, wenn dem Betriebsinhaber oder der Ehefrau ein schwerer Unfall zustößt. Die finanziellen Auswirkungen der Verbesserung der Schwerbeschädigtenrenten sind auch nicht derart, daß man das nicht im Rahmen der heutigen Finanzierung - wenn es sich auch um einige Prozent Beitragserhöhung handeln sollte - würde verkraften können. Meiner Überzeugung nach sind allenfalls 20 bis 22 Millionen DM notwendig, um die Erhöhung der Schwerbeschädigtenrenten für diesen Personenkreis - 50% - vorzunehmen. Wir sollten uns wirklich gemeinsam darum bemühen, dieses Problem im nächsten Bundestag sehr frühzeitig einer Regelung zuzuführen. In der Frage der Unfallversicherung spielt immer wieder die Finanzierung eine Rolle und dabei die Überlegung: Soll man die Unfallversicherungsträger zusammenfassen? Wird man durch die Zusammenfassung zu besseren Ergebnissen, zu billigeren Verwaltungen kommen? - Die Erfahrungen zeigen uns allerdings - und zwar zeigen ,sie es denjenigen, die in der Selbstverwaltung tätig sind, sehr deutlich -, daß eine weitere Konzentrierung nicht zu einer Verbesserung der Betreuung der Versicherten führt, sondern daß dort, wo ,die großen Unfallversicherungsträger sind, die Bearbeitung und die Betreuung der Versicherten sehr zu wünschen übrigläßt. Es ist sicherlich der Überlegung wert, ob diese oder jene der kleinen Versicherungen sich mit einer Nachbarversicherung zusammentun soll, um mit elektroniBerberich scher Datenverarbeitung und ähnlichen Dingen arbeiten zu können. Aber im Prinzip dürfte ein Teil unserer heutigen Unfallversicherungsträger sogar zu groß sein und müßte eigentlich im Interesse der Rationalisierung der Arbeit verkleinert werden. In der Frage der Beitragsbelastung spielt es natürlich eine entscheidende Rolle, in welchem Umfang es uns gelingt, die Unfallverhütung stärker in das Bewußtsein der Betriebsinhaber und der Mitarbeiter zu bringen. Aber ein guter Teil der Unfälle ist heute bei der Technisierung in der Landwirtschaft darauf zurückzuführen, daß durch die Hektik des Betriebes und durch das Fehlen von ausreichenden Arbeitskräften in vielen Fällen eben doch nicht mit der Sorgfalt gearbeitet werden kann, die im Interesse der Gesundheit des einzelnen notwendig wäre. Mehr möchte ich zur Unfallversicherung heute abend nicht mehr ausführen. Ich möchte nun noch einige Gedanken zur Altershilfe darlegen. Herr Kollege Saxowski, Sie haben im Interesse der Finanzierung sehr erhebliche Bedenken gegen eine Erhöhung der Altershilfe auf 175 DM bzw. 115 DM angemeldet. Wenn wir dem, was jetzt als Bundesratsentwurf vorliegt, gegenüberstellen, was wir voraussichtlich morgen als Fraktion einbringen werden, so ist es selbstverständlich, daß ,das erhebliche finanzielle Belastungen bringt. Es ist aber genauso richtig, daß .diese Belastung nur die Hälfte von dem beträgt, was ,der Landwirtschaft ursprünglich einmal für die Erhöhung zur Verfügung gestellt wurde. Ich bin nicht derjenige, der lautstark dafür plädiert, daß die Erhöhungsbeträge, die ursprünglich angesetzt wurden, nun unbedingt ausgegeben werden; denn ich weiß, wie die Haushaltslage des Bundes ist und daß das Bundeslandwirtschaftsministerium ganz erhebliche Sorgen mit der Finanzierung seiner verschiedenen Aufgaben hat. Aber es kann nicht Sinn der Sache sein, ,daß man nur in der Entwicklung der landwirtschaftlichen Sozialfragen zurückhält und es in allen übrigen Fällen als eine Selbstverständlichkeit betrachtet, daß von seiten des Bundes die notwendigen Mittel bereitgestellt werden, um hier die soziale Sicherheit zu verwirklichen. Wenn wir im Zusammenhang mit der Altershilfe nun auch die Landabgaberente - die SPD nennt ihren Entwurf einen Entwurf für die Agrarstrukturverbesserung; es ist aber praktisch dasselbe wie das, was im Regierungsentwurf als Landabgaberente bezeichnet wird - durchführen, so wäre es selbstverständlich schön, wenn wir in den Beträgen erheblich höher gehen könnten. Ich glaube aber, wir sollten zunächst einmal versuchen, mit diesen Beträgen einen Anlauf zu machen und hier lieber den Kreis derjenigen, die einbezogen werden, etwas größer ziehen, als es die Regierungsvorlage vorsieht, anstatt den Betrag wesentlich heraufzusetzen. Hohe Beträge sind sehr schnell in Aussicht gestellt; nur die Realisierung über .die Finanzierung macht dann jeweils dem Haushaltsausschuß und diem Bundesfinanzministerium Kopfzerbrechen. Ich bin der Überzeugung, daß die Landabgaberente zunächst einmal nicht die finanziellen Auswirkungen haben wird, die manche befürchten, denn wir haben es im Lande Baden-Württemberg mit ähnlichen Dingen - mit einem Pachtvorschuß und mit Pachtzuschüssen - erlebt, daß in einem einzigen Jahr, im ersten Anlaufjahr, ganze fünf Anträge gestellt worden sind, die das Land finanzieren mußte. Dabei hatte man mit Tausenden von Anträgen gerechnet. Meine Damen und Herren, unterschätzen wir eines nicht: Ein Großteil unserer kleinbäuerlichen Betriebe ist mit dem Besitz und dem Eigentum in einem Ausmaß verbunden, daß sich die Besitzer nur schwer entschließen, sich von diesem Eigentum zu trennen, und wenn es nur durch langfristige Pacht ist. Wenn wir die Landabgaberente einführen, werden wir aber eines erreichen. Wir werden die Fälle bereinigen können, in denen heute infolge des Fehlens von Nachfolgern die Betriebe nicht mehr abgegeben werden können, auch nicht verpachtet werden können, weil die Pacht allein und das Altersgeld als Zuschuß zu diesem Pachtgeld nicht ausreichend sind, um der Familie eine Lebensgrundlage zu geben. In diesen Fällen wird diese Landabgaberente sicherlich ihre Wirkungen tun. Und nun lassen Sie mich noch ein paar Gedanken zur Frage der Krankenversicherung aussprechen. Sie wissen alle, daß ich mich sehr lange bemüht habe, in der Frage der Krankenversicherung in der Landwirtschaft zu einer Lösung zu kommen. Ich kenne den Entwurf, den die SPD, den Herr Kollege Frehsee, der leider heute nicht da sein kann, weil er krank ist, ausgearbeitet hat, und weiß deshalb sehr gut, welche Gedanken er dazu hat. Ich bin im Prinzip nicht gegen eine Lösung auf der Basis einer Pflichtversicherung. Wir müssen uns aber -und wir wissen alle, daß wir das in diesem Bundestag nicht mehr schaffen können; deshalb müssen wir es im neuen Bundestag tun - von Anfang an daran machen, eine brauchbare und praktikable Lösung des Krankenversicherungsproblems in der Landwirtschaft zu finden. Und wenn sich alle drei Fraktionen gemeinsam darum bemühen, werden wir sicherlich eine Lösung finden. Mehr möchte ich heute abend mit Rücksicht auf die vorgerückte Zeit nicht mehr ausführen. ({0})

Dr. Karl Mommer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001529

Das Wort hat Herr Bundesminister Höcherl.

Hermann Höcherl (Minister:in)

Politiker ID: 11000912

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bitte, mir noch einige Anmerkungen zu gestatten. Ich werde mich dabei auf eine Auswahl beschränken müssen. Es tut mir leid, daß ich auf diese vielen Argumente und Anregungen nicht im gesamten anworten kann, aber bei einigen scheint es mir absolut notwendig zu sein, ohne in eine Wertung eintreten zu wollen, die ich mir gar nicht anmaße. Ich darf beginnen mit den Ausführungen des Kollegen Struve, der jetzt fast 20 Jahre lang in diesem Hause mit seiner Erfahrung, mit seinem Rat und mit seinen Aktionen Agrarpolitik in allen Phasen ge11812 macht und entscheidend beeinflußt hat. Sie, Herr Kollege Struve, haben angeknüpft an den eigentlichen Gegenstand der heutigen Debatte, nämlich an den Grünen Bericht und das Landwirtschaftsgesetz. Ich stehe nicht an zu sagen und wiederhole es hier, daß das Landwirtschaftsgesetz damals und auch heute noch eine Großtat war und ist, eine Großtat der Selbstkontrolle. Es gibt keinen vergleichbaren Berufsstand, der so etwas auf sich genommen hätte. Wenn wir heute die Methoden verbessern, wenn wir den Inhalt fortschreiben, dann handeln wir nur im Sinne dieses Gesetzes, indem hier eine einwandfreie, nach modernsten wissenschaftlichen Gesichtspunkten erstellte Röntgenaufnahme vorliegt, um daraus Konsequenzen sowie politische Maßnahmen und Folgerungen abzuleiten. Einen Grünen Plan, der früher mit dem Gesetz verbunden war, können wir nicht mehr vorlegen, da wir nicht mehr das alte Haushaltsjahr haben, das der Vorlage des Grünen Berichts gefolgt ist. Dafür haben wir eine mittelfristige Finanzplanung, dafür haben wir eine EWG, die uns bindet. Wir haben aber etwas Besseres vorgelegt, nämlich ein langjähriges Programm. Damals handelte es sich um Versuche, die nur zeitbedingten Wert hatten. Es war jedoch nicht möglich, auf Grund eines Jahresberichts jahresbedingte Konsequenzen zu ziehen und Maßnahmen zu treffen. Das haben wir mit den heutigen Methoden und den Zielen des Landwirtschaftsgesetzes verbessert. Sie haben auch von der Finanzreform gesprochen. Hier muß ich auf eine ernste Gefahr hinweisen. Sie wissen, daß die Agrarstruktur - nicht nur die Struktur, wie wir sie kennen, sondern auch die Marktstruktur - eine Gemeinschaftsaufgabe sein wird. Schon nach bisherigem Recht wäre die Agrarstruktur Aufgabe der Länder gewesen. Wir haben einen sehr praktischen und sehr fruchtbaren Modus mit den Ländern gefunden, nämlich die Dinge gemeinsam mit unserem Richtlinienrecht zu bewältigen. Das hat sich bewährt; zwar war es nicht ganz verfassungsgemäß, aber es war sehr fruchtbar und hat dem Interesse beider Seiten gedient. Wenn nun heute in der Form von Gemeinschaftsaufgaben mit reichlich umständlichen Organen und mit festliegenden Kostenbeteiligungen das Werk ohne das Richtlinienrecht des Bundes fortgesetzt werden soll, bedarf es ganz besonderer Verträglichkeit und einer ganz besonderen Kompromißbereitschaft. Dann werden viele Gelegenheit haben, in diesen Gremien zu sehen, welches Vergnügen es bedeutet, zum Beispiel im Rahmen der Sechs zu Kompromissen und zu Entscheidungen zu kommen. Hier muß bei den Folgegesetzen sehr, sehr Obacht gegeben werden, damit wir nicht das gefährden, was wir bisher doch mit sichtbarem Erfolg - vor allem im internationalen Vergleich - aufbauen und schaffen konnten. Gestatten Sie mir gerade im Zusammenhang mit den sehr abgewogenen Ausführungen des Herrn Kollegen Struve noch ein Wort! Wir müssen wissen, daß wir nur Übergangslösungen finden können. Auch die letzten 20 Jahre waren nichts anderes als eine Übergangslösung, aufbauend auf der nächsten Übergangslösung. Es ist niemandem möglich, die Zukunft vorwegzunehmen und sie in die Gegenwart zu projizieren. Wir können nicht mit den Autos von 1975 fahren, sondern müssen die benutzen, die vor drei oder vier Jahren auf dem Reißbrett gezeichnet wurden und heute aufs Band gehen. So wird es in aller Zukunft sein. Unsere größten Feinde in der öffentlichen Diskussion sind diejenigen, die die allerfernsten und allerkompliziertesten Modelle, die einer fernen Zukunft angehören, heute schon verwirklichen wollen und dabei gar nicht wissen, daß wir für die Gegenwart, für das Heute, und für das unmittelbare Morgen eine tragbare Kompromißlösung erzielen müssen. Das ist praktische Politik, und damit befinden wir uns immer in einer Spannung mit denjenigen, die diese Verantwortung nicht zu tragen haben und die nicht so sehr mit der Praxis, mit dem Wohl und Wehe dieser vielen Menschen verbunden sind. Diese Spannung hat ihren gesunden fruchtbaren Sinn. Sie muß sein, weil sie beiden Seiten etwas gibt. Hier liegt jedoch die Aufgabe anders, als sie der Wissenschaft, anders, als sie anderen Gremien gestellt ist. Hier muß für den Alltag, für das Heute, für das Morgen aufbauend auf dem gearbeitet werden, was wir geschaffen haben; jeder steht auf den Schultern seiner unmittelbaren Vergangenheit. Wenn wir uns dessen auch in der Diskussion bewußt bleiben, dann werden wir sehr rasch verschiedene, ja viele Härten vermeiden, die zu nichts führen. Herr Kollege Schmidt, ich darf mich für Ihre Blumen herzlich bedanken. Ich weiß, daß Sie darauf sehen - Sie blicken jetzt schon auf die Uhr -, daß ich in meinen Ausführungen eine freiwillige Selbstbeschränkung übe, damit Sie nicht mehr gezwungen sind, darauf zu antworten, obwohl Sie im Rahmen der Koalition natürlich nicht so harte Pflichten haben, wie das bei unseren Freunden der Opposition der Fall ist. ({0}) Sie haben etwas gerügt, was mich eigentlich ein wenig verwundert, nämlich daß wir etwas spät mit unseren Ausführungsmaßnahmen gekommen seien und daß das Agrarkabinett nicht früher habe tagen können. - Ich darf da um Nachsicht bitten; Sie wissen, daß wir in aller Eile und ständig gehetzt das Programm vorgelegt haben. Dann kamen Ferien; die gab es für meine Beamten nicht, denn wir brauchten die Zeit, um all die Maßnahmen vorzubereiten. Heute ist es so - vielleicht stellt Sie das zufrieden -, daß kein einziges Gesetz, das einzubringen wir uns vorgenommen haben, noch bei uns wäre. Vielmehr sind alle Gesetze beim Bundestag, sei es auf Grund Ihrer eigenen Initiative, sei es auf Grund der Initiative der CDU beim Marktstrukturfonds, seien es die anderen Gesetze im sozialen, wirtschaftlichen und strukturellen Bereich. Alle Gesetze sind bereits verabschiedet mit Ausnahme von zwei Forstgesetzen, die ich gestern dem Kabinett zugeleitet habe. Eines stimmt mich eigentlich immer - so möchte ich es einmal sagen - fast elegisch: Wenn ich daran denke, daß Sie, Herr Kollege Schmidt - Sie als exponierter Agrarpolitiker der Koalitionspartei; Sie wissen, daß wir Sie noch mehr ins Herz geschlossen haben, als das bisher der Fall war - bezüglich des Sinns der Altershilfe doch wissen, welchen großartigen strukturellen Erfolg gerade im europäischen Vergleich die Altershilfe hatte. Wir werden mit dieser Anhebung und Verbesserung weitere Entschließungen und Entscheidungen mit Bezug auf unsere strukturelle Zielsetzung erreichen. Das hat die Vergangenheit bewiesen; das sind keine Behauptungen. Ich darf Sie also bitten, doch auch hier Ihre hilfreiche Hand zu leihen. Wir finden dann aber auch sicher Hilfe bei unseren Freunden der FDP, die ja versprechen, uns überall zu helfen, wenn es nur der Landwirtschaft dient. Herr Kollege Bauer hat sich liebenswürdigerweise mit den zehn Thesen befaßt; ich will nicht darauf zurückkommen. Ich darf kurz auf die Ausführungen des Kollegen Logemann eingehen. Herr Kollege Logemann, Sie meinen, wir sollten in der Statistik etwas großzügiger sein. Die Statistik hat keinen guten Ruf; sie hat den Ruf eines leichten Mädchens, das seine Gunst sehr vielen schenkt. ({1}) Wenn wir uns bemühen, aus der Statistik eine Jungfrau mit gutem Ruf zu machen, die nur auf einen hört, nämlich auf das höchste Maß an Wahrheit, sollte man das eigentlich unterstützen. ({2}) Ich weiß, Herr Kollege Logemann, daß es gerade von Ihrem Standpunkt aus ein interessantes Lotteriespiel ist, die 3000 Betriebe über 100 ha, die 15 000 Betriebe von 50 bis 100 ha, die 200 000 Betriebe von 20 bis 50 ha und die 800 000 bis 900 000 kleinen Betriebe in einen Sack zu tun, zu schütteln und sie dann herauszunehmen. Das gibt interessante Zahlen, aber damit können wir in unserem wissenschaftlichen Zeitalter nicht mehr antreten. Wir haben eine differenzierte, genau nach den Bestimmungen des Gesetzes angelegte viel bessere Statistik vorgelegt, in der auch der Lohnvergleich enthalten ist. Ich muß Sie bitten: Lesen Sie das genau. Ich kann nicht verlangen, daß Sie das alles schon gelesen haben. Wir haben eine bessere Statistik vorgelegt. Im übrigen bin ich auch heute noch nicht mit dieser Statistik zufrieden, obwohl sie weiß Gott besser ist als die EWG-Statistik. Ich wünsche mir, wenn wir 1970 oder 1971 eine neue, nach modernen Gesichtspunkten ausgerichtete Landwirtschaftszählung haben werden, eine Statistik, die mir Zahlen für die Betriebe gleicher Ordnung liefert, und diese von 1956 bis heute, damit ich sehen kann, wo politische Eingriffe, wo preispolitische Aktionen aus dem EWG-Bereich die Ertragslage beeinträchtigt haben. Daraus kann ich etwas ableiten, aber nicht, wenn ich Äpfel und Birnen, Böcke und Schafe vergleiche. Sie haben sicher sehr viel vorgetragen; es tut mir leid, daß ich nicht auf alles eingehen kann. Der Kollege Schmidt würde mir das sehr, sehr übelnehmen. Aber eine Sache darf ich noch behandeln. Sie haben einen großen nachrichtendienstlichen Erfolg: Sie haben nämlich aus dem Landwirtschaftsministerium - ich kann mir auch die Quelle vorstellen - ein Milchkonzept bekommen. Sie haben das, wie das Ihr gutes Recht ist, verwertet. Ich will Ihnen einmal etwas sagen, Herr Kollege Logemann: In unserem Hause gibt es vielleicht 20 Vorstellungen darüber, wie man dieser schwierigen Lage beikommen könnte. Wir holen uns aus der ganzen Wirtschaft, aus der Praxis, aus der Wissenschaft, aus dem Ausland alle nur denkbaren Lösungsmöglichkeiten, weil mich bisher noch keine überzeugt hat. Eine dieser Vorstellungen haben Sie bekommen; Sie haben sie verwertet. Sie ist aber nicht die offizielle. Die offizielle Vorstellung kann ich hier ja noch gar nicht ausspielen; ich würde ja meine eigenen Verhandlungschancen - ({3}) - Ich weiß schon; ich lese das Blatt auch mit großem Interesse. Es ist eine interessante Information. Man kann aber bei einer solchen Fleißarbeit nicht verlangen, daß immer alles hundertprozentig stimmt. Das ist kein Einwand gegen die sonstigen Qualitäten dieses Dienstes, dessen wir uns alle bedienen. Das muß sein. Ich darf damit auch gleich Herrn Sander antworten. Wir müssen eine Lösung ungefähr wie bei Zucker finden. ({4}) - Da sind wir schon einig. So etwas Ähnliches müßten wir finden. Wir müßten eine finanzielle Ordnung haben, damit uns nicht der Milchtopf überquillt und die ganze Agrarpolitik bei uns und in Europa zum Überlaufen bringt. Das muß verhindert werden. Das ist nur möglich, wenn man es von mehreren Seiten angeht. Ich bin der Meinung, alles was zur Verbesserung des Frischmilchabsatzes, also der nicht bearbeiteten Milch, getan werden kann, muß mit Vorzug getan werden. Die Schulmilchspeisung ist ein Projekt, das größte Bedeutung hat. Was die Frage der Wettbewerbsverzerrungen betrifft, so sollten wir uns nicht dieses allgemeinen Begriffes bedienen. Die Wettbewerbsverzerrungen selbst innerhalb der Bundesrepublik, selbst innerhalb Niedersachsens, erst recht innerhalb der sechs Länder können auch bei den größten Anstrengungen und bei einem Supererfolg der Integration angesichts des Zusammenfügens historisch gewachsener volkswirtschaftlicher Körper nicht von heute auf morgen bereinigt werden, erst recht nicht so ohne weiteres innerhalb der Landwirtschaft, die ja auch von der Natur noch viel mehr Wettbewerbsbeschränkungen zudiktiert bekommen hat als irgendein anderer Zweig. Natürlich ist es schade, daß weder auf dem Frachtengebiet noch auf dem steuerlichen Gebiet Ergebnisse erzielt werden konnten. Eigentlich hätten diese Gebiete an der Spitze liegen müssen. Aber umgekehrt hätte es ohne die Einigungen auf dem Agrarsektor niemals eine EWG gegeben. Sie waren einmal Geschäftsgrundlage, sie sind es heute noch. Wir selber sind dabei nicht so schlecht gefahren. Die deutsche Landwirtschaft hat sich in diesen zehn Jahren mit in die Spitzenklasse der europäischen Landwirtschaften hinaufgearbeitet, obwohl sie mit den allerschlechtesten Startbedingungen angetreten ist. Und wir haben ein Ziel vor uns. Wenn es gelingt, den Markt auch mit diesem Instrument zu schließen, zu klammern - Sie wissen, welche Gefahren dieser Integration drohen; jeden Tag kommen neue hinzu, und wir sind noch lange nicht über den Berg -, wenn es aber tatsächlich gelingen sollte, mit diesem und den anderen Instrumenten dieses Europa zu schließen, zunächst wirtschaftlich, dann haben wir in der kaufkräftigen Bevölkerung von 180 Millionen Menschen mit dieser Intelligenz und Leistungsfähigkeit und Wirtschaftskraft für die deutsche Landwirtschaft und für die Landwirtschaft der sechs Staaten eine Basis geschaffen, wie sie keine irgendwie geartete agrarpolitische, strukturpolitische oder preispolitische Maßnahme erreichen könnte. In der großen Kaufkraft liegt die eigentliche Chance neben den politischen Zielen, die uns weiß Gott noch näher am Herzen liegen müssen. Ich sage es immer wieder: Bisher war es die Landwirtschaft, die das erreicht hat. Davon leite ich auch bei unseren politischen Kräften die Forderung ab, daß ihr all das, was sie im Interesse dieser Integration mitmachen mußte, abgegolten wird. Das ist ein Anspruch, der sich sehen läßt. Er ist moralisch und politisch in. höchstem Maße begründet. Da mag sich jemand hinstellen und sagen: Für meine eigene nationale Agrarpolitik bräuchte ich das alles nicht; da gibt es ganz, ganz einfache Mittel! Das waren Notwendigkeiten, die einem höheren Zweck untergeordnet waren. Hierfür einen Ausgleich zu verlangen, hat einen moralischen Sinn und hat einen politischen Sinn. Damit kann man antreten. Diese Basis sollten wir nicht aufgeben, vor allem dann nicht, wenn wir an unsere Kinder denken. Es ist von meiner Formulierungskunst und all diesen Dingen die Rede gewesen. Auch Sie, Herr Kollege Logemann, müssen Ihre Worte etwas schärfer fassen, weil Sie sonst gar nicht als echter Oppositionspolitiker gewertet werden, auch in Ihrer Fraktion nicht. ({5}) Aber ich selbst hätte Zweifel, wenn Sie diesen alten Witz, mit Humor und mit einer gewissen Schärfe gepaart, nicht hier vortragen würden. Ich weiß sehr wohl, Sie sind selber ein sehr tüchtiger praktischer Landwirt und haben eine gute Übersicht über die Verhältnisse. Viele Landwirte in der Welt würden sich bei Ihrer Größenordnung freuen, wenn sie unter ähnlich günstigen Bedingungen operieren könnten. Das können Sie hier nicht vortragen, weil es in eigener Sache wäre. Aber es ist so. Sie wissen es, ich weiß es. Ich freue mich darüber. Wir brauchen ja wohlverdienende, gute Landwirte. Was wollen wir denn mit den armen Schlukkern? Meine Aufgabe sehe ich darin, ihnen mehr Geld zu besorgen, wo es nur geht. Das ist meine Aufgabe. Ob ich dabei das Maß an Zufriedenheit erreiche, das ich mir vorstelle, weiß ich nicht. Darauf kommt es gar nicht an. Ich bin etwas überrascht, daß eine Frage nicht ausreichend behandelt worden ist. Sie ist für mich die allerwichtigste. Meine Damen und Herren, Sie müssen die ganzen Übergangs- oder Anpassungsbewegungen im Zusammenhang mit den drei Generationsstufen sehen, mit der älteren, der mittleren und der jungen Generation. Die ältere Generation müssen Sie mit anderen Mitteln angehen, um ihr zu helfen, die mittlere Generation ebenfalls. Aber bei der jungen Generation gibt es etwas, was ich für das Entscheidende überhaupt halte. Es ist die Fachausbildung und im besonderen die Allgemeinbildung, auf die die Fachausbildung gesetzt werden muß. Wenn ich Hunderte von Millionen hätte und sie nur diesem Zweck zuwenden würde, hätten wir in fünf Jahren eine ganz andere agrarpolitische Landschaft. Glauben Sie mir das! Eigentlich hätte das - das hätte ich mir gewünscht - viel, viel intensiver behandelt werden müssen. Das ist der Kern der ganzen Sache. Es wäre wünschenswert, daß auch das Beratungswesen ganz modern gestaltet würde; es müßte auch in der Landwirtschaft Berater geben, ebenso wie etwa Steuer- und Wirtschaftsberater in anderen Gebieten. Wir werden einiges auf diesem Gebiet tun - wir sind schon dabei -, das ist alles eingeleitet. Herr Kollege Reichmann hat sich eingehend mit der Sozialpolitik befaßt. Ich werde im Zusammenhang mit dem Diskussionsbeitrag des Kollegen Berberich darüber sprechen. Ich möchte auch in Abwesenheit des Kollegen Schiller einige Worte an ihn richten. Ich bin ihm sehr dankbar, daß er hier von diesem Pult aus wiederum die Integration von Agrar- und Wirtschaftspolitik verkündet und dazu gestanden hat. Mit einem Wort bin ich aber nicht einverstanden, und zwar mit der Behauptung, wir hätten eine Krise in der EWG. Meine Damen und Herren, wir haben kritische Situationen in der EWG und wir haben schwierige Situationen bei einigen Marktordnungen, aber zu glauben, daß es uns nicht gelingt, mit diesen Überschußproblemen fertig zu werden, und daß die EWG daran scheitern könnte: nein! Andere, viel besser geeignete Wirtschaftszweige haben es nicht einmal so weit gebracht. Die meisten unserer Agrarstrukturprobleme haben wir ja schon gelöst. Einige sind noch zu lösen, aber die Masse ist, wie gesagt, bereits gelöst. Ich fühle mich von all diesen Vorschlägen gar nicht in dem Maße angesprochen, wie das bei anderen Partnerländern der Fall ist. Jeder, der einen solchen Vertrag schließt, mußte sich darüber im klaren sein, daß er eine Hypothek übernimmt, eine Hypothek auf Grund einer Produktionskapazität, die natürlich im Rahmen der modernen Entwicklung, unabhängig von der Preissituation, ausgeschöpft wird. Das ist auch so, wenn wir ganz bewußt eine solche Struktursituation übernehmen. Das ist also eine ganz selbstverständliche Entwicklung. Jeder mußte wissen, daß auch noch das Strukturproblem von Sizilien bis zur Provence übernommen wurde. An dieser Strukturkrankheit werden wir nicht scheitern. Das wird Europa nicht umbringen können. Wir werden dieses Strukturproblem lösen, genau wie wir unser Strukturproblem gelöst haben, dies jedoch in nationaler Verantwortung, nationaler Bezahlung und mit gemeinsamen Prinzipien, damit die Wettbewerbsfunktion, die dabei eine Rolle spielt, auch egalisiert wird. Das brauchen wir. Das Wort „Krise" halte ich für ein sehr gefährliches Wort, und zwar deswegen, weil es so unbestimmt und so nebelhaft ist und sehr vielen Leuten Gelegenheit gibt, damit Mißbrauch zu treiben. Der Kollege Schiller hat es bestimmt nicht so verstanden, aber so ist es geäußert worden, und das könnte mißverstanden werden. Das wollte ich zum Ausdruck bringen. Herr Kollege Ehnes, Sie haben heute vor einem sehr großen Forum sprechen können. Ich danke Ihnen herzlich für das Engagement, mit dem Sie das getan haben. Der Herr Kollege Wächter meinte, ich wäre wieder von einem Paulus in einen Saulus zurückverwandelt worden. Sie wissen ja ganz genau, das eine war ein großer Gnadenakt. Der Heilige Geist hat selber unmittelbar mitgewirkt. Für eine Rückwärtsbewegung gibt es kein vergleichbares Beispiel, aber Ihrer Phantasie ist, wie ich sehe, eben nichts gewachsen. ({6}) Meine Damen und Herren, ich will zur Frage des Mansholt-Planes ein abschließendes Wort sagen. Es ist ja nicht mehr anzuhören! In der Frühe: Mansholt-Plan, mittags: Mansholt-Plan, nachts: Mansholt-Plan. Meine Damen und Herren, ich sage Ihnen verbindlich folgendes, und zwar nehme ich dabei die Meinung auf, die Sie ja nun schon x-mal geäußert haben: Wir werden das Gute aus dem Mansholt-Plan mit den Methoden des Gemeinsamen Marktes übernehmen. Vieles ist von uns längst formuliert und in unserem Agrarprogramm niedergelegt worden. Wir werden alles Humanitäre und alles Soziale aufgreifen, weil es keine größere Aufgabe gibt. All das andere wird in dieser Form nicht stattfinden, sondern es wird so stattfinden, wie wir das formuliert haben. ({7}) Genügt das? ({8}) Es gibt auch gar keine rechtliche Zuständigkeit, sondern es ist ja so, daß man sich bereits 1962 in der EWG geeinigt hat, daß die Strukturpolitik im nationalen Bereich bleibt. Es gibt nur zwei Einwendungen dagegen. Dabei handelt es sich um folgendes. In der Abteilung Ausrichtung haben wir gewisse strukturelle Vorgänge, und wir haben im Wettbewerbssektor gewisse strukturelle Aufgaben. Wir müssen sehen, daß hier keine Verfälschung eintritt. Insoweit gibt es keine Kompetenz, aber es wird nichts passieren. Trotzdem, meine Damen und Herren, darf man doch nicht das Kind mit dem Bade ausschütten. Wir müssen sehen - und dafür gibt es noch keine Lösung; ich glaube, daß die Kombination dieser drei Betriebsformen, die wir im ländlichen Raum haben, eine Lösung darstellen könnte -, wie wir unsere Vollerwerbsbetriebe, vor allem die bis zum letzten ausgelasteten Familienbetriebe, in den Genuß der sozialen Errungenschaften eines bescheidenen Wochenendes und eines Urlaubs bringen. Wenn wir das nicht schaffen, meine Damen und Herren, dann wird eine echte Krise menschlicher Art einsetzen. Das war auch eine Überlegung von Mansholt; dieses Motiv kann von uns nicht verworfen werden, ({9}) sondern wir müssen überlegen, welche Lösungen wir finden. Da gibt es die und jene. In der Landwirtschaft gibt es überhaupt keine Schwarz-WeißMalerei, sondern das ist ein ganz differenziertes Gewebe mit vielen, vielen Bestandteilen und Farben. ({10}) Meine Damen und Herren, ein Wort noch zur Konjunktursituation, zur Frage der monetären Probleme. Hier ist ein Komplexangeschnitten, der sehr ernst zu nehmen ist. Sie ersehen aus dem letzten Bericht der Bundesbank und aus vielen Äußerungen, daß da oder dort Sorge besteht, ob uns die Konjunktur nicht davonläuft und ob wir sie im Griff behalten und wie ¡die Preisentwicklung sein wird. Ich will zu diesem Komplex, der nicht zu meinem Ressort gehört - mein Ressort wird aber davon sehr berührt -, nicht Stellung nehmen. Bei der letzten Lösung mit dem außenwirtschaftlichen Absicherungsgesetz, also diesem Aufwertungsersatz - wenn ich das einmal so sagen darf -, sind sehr stark agrarpolitische und kommunotäre Argumente ins Feld geführt worden. Es ist richtig, wir hätten damals 'entsprechende Ausgleichszahlungen leisten müssen. Aber daß sich .ein solcher Vorgang wiederholen könnte, ist ausgeschlossen, meine Damen und Herren, dazu reicht die Tragfähigkeit dieses Wirtschaftssektors nicht aus. Man muß sagen, die Kommission hätte sich, anstatt sich mit voreiligen Strukturüberlegungen zu befassen, vielleicht mit diesen Fragen befassen können. Es gibt Lösungen, wie man in der Rechnungseinheit durch gewisse Veränderungen und eine Veränderung der Parität zu einem Ergebnis kommt. Die Frage ist noch nicht entschieden. Der hohe Besuch, den wir heute im Hause hatten, wird dieses Thema ganz bestimmt anschneiden. Das ist für ihn, wie ja aus seinen Äußerungen beim Besuch der Treasury zu entnehmen war, ein ganz bedeutsames Thema. Es ist auch ganz klar, daß eine in den vierziger Jahren abgeschlossene Paritätsordnung über diese vielen wirtschaftspolitischen Ereignisse hinweg heute nicht mehr den Anforderungen entspricht, und daß bezüglich gemeinsamer konjunkturpolitischer und wirtschaftspolitischer Maßnahmen auch hier morgen oder übermorgen etwas geschehen kann, müssen wir wissen. Wir müssen die Landwirtschaft so vorbereiten. Wir sind noch nicht ganz soweit. Ich darf das hier sagen, ich habe mich mit der Bundesbank in Verbindung gesetzt, um technische Lösungen zu finden, damit es keine Überraschungen gibt, sondern damit wir vorbereitet sind. Das ist 'das eine. Meine Damen und Herren, zur Preispolitik habe ich mich heute früh schon geäußert. Preispolitik kann man nicht im Abstrakten machen, Preispolitik muß zwischen dem Verbraucher und dem Erzeuger und all den anderen Dingen in einem Bezugssystem gemacht werden. Nehmen Sie die „Käsemisere". Meine Damen und Herren, der Verbraucher macht nicht alles mit, was man sich so vorstellt. Der läßt uns morgen oder übermorgen im Stich. Bei Käse haben wir einen sehr interessanten Anzeiger und ein interessantes Instrument, das uns immer wieder zeigt, daß auch uns Grenzen gesetzt sind. Im übrigen kann man die Preispolitik nicht in dieser Form ansprechen. Wir haben es immer nach vorn gemacht, und wir tun das Möglichste. Aber bei den sechs Ländern gibt es viele, die ganz andere Interessen haben, z. B. Holland, Italien und darüber hinaus die Verbraucher insgesamt. Ich brauche Ihnen das nicht zu sagen. Man kann sich aber nicht einfach hinstellen und sagen: höhere Preise. So einfach, Herr Sander, geht das nicht. ({11}) Wenn ich daran denke, was Sie damals gesagt haben! Sie haben hier Tränen geweint über den Zuckerpreis. Sie wollten 7,25 DM, und als Sie dann 6,85 DM bekamen, haben Sie mir die Hände nicht nur geschüttelt, sondern gedrückt, so begeistert waren Sie von diesem Ergebnis. ({12}) - Mein Gott, ich muß mir das ja auch den ganzen Tag anhören und muß mich dazu äußern. ({13}) Meine Damen und Herren, ein vorletztes Wort. Herr Dr. Gleissner hat hier - wir kennen ihn alle - seinen titanenhaften Kampf um Raumordnung, soziologisch gute Verhältnisse im ländlichen Raum und vor allem gegen die Entartung der Konsumgesellschaft geführt. Ich nehme das sehr, sehr ernst. Das ist vielleicht eines der größten Anliegen überhaupt. Das ist ein Teil unseres Themas. Daß ich das heute nicht mehr so abhandeln kann, wie es dieser Aufgabe und diesem Thema gebührte, bitte ich zu entschuldigen. Aber meine Freunde aus der Koalition sind ungeduldig. Sie waren so lange in der Opposition und waren so geduldig, und jetzt auf einmal erfaßt sie eine Ungeduld. ({14}) Meine Damen und Herren, lassen Sie mich schließen, schließen einmal mit einem Dank an Sie alle, ({15}) - ja -, daß Sie ausgehalten haben, daß Sie in einer für eine Agrardebatte doch recht interessanten Anzahl noch anwesend sind, für Ihre Beiträge, für Ihre Argumente, für Ihr Engagement. Noch etwas - und das ist das allerletzte -: Meine verehrten Damen und Herren, der Bundestag hat sich bei vielen Gelegenheiten zu einer großen Einigkeit und zu einer Einstimmigkeit aufgerafft, und zwar oft, wenn es um außenpolitische Probleme ging. Außenpolitische Probleme fordern viel mehr als irgend etwas anderes dazu auf, zusammenzustehen und die Fragen gemeinsam zu lösen. Wenn es um die sozial Schwachen ging, ist auch der Bundestag immer wieder bereit gewesen, etwas gemeinsam zu entscheiden. Wir haben das Los ides Bergmanns hier gemeinsam und einstimmig gelöst. Ich könnte mir vorstellen, daß es eine gute Sache wäre, wenn wir unseren bedrängten Landwirten auch einen geschlossenen Deutschen Bundestag gegenüberstellten. Das wäre meine Bitte. Und herzlichen Dank für Ihren Beitrag! ({16})

Dr. Karl Mommer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001529

Es liegen keine Wortmeldungen mehr vor. Die Debatte über den Grünen Plan ist geschlossen. Wir kommen zur Beschlußfassung, zunächst zu den Überweisungen des Berichtes auf Drucksache V/3810 an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten - federführend -, an den Haushaltsausschuß - mitberatend - und gemäß § 96 der Geschäftsordnung. Kein Widerspruch? - Es ist so beschlossen. Zu diesem Bericht liegt ein Entschließungsantrag der Fraktion der FDP auf Umdruck 588 *) vor. Er ist begründet. Ich schlage Ihnen vor, ihn an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu überweisen. ({0}) - Dem wird nicht widersprochen. Zu der Großen Anfrage auf Drucksache V/3756 liegt ein Antrag der FDP-Fraktion auf Umdruck 589 **) vor. Ich schlage Ihnen vor, auch diesen Antrag an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu überweisen. - So ist beschlossen. Wir kommen dann zur Einzelberatung des Entwurfs eines Gesetzes zur Anpassung der landwirtschaftlichen Erzeugung an die Erfordernisse des Marktes. Ich rufe in zweiter Beratung die §§ 1 und 2 auf. Wer zustimmen will, gebe das Zeichen. - Danke! Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die beiden Paragraphen sind angenommen. Ich rufe § 3 auf. Zu § 3 liegt ein Änderungsantrag auf Umdruck 587 ***) vor. Zur Begründung hat Herr Dr. Frerichs das Wort.

Dr. Göke D. Frerichs (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000581, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich verspreche Ihnen: In der Kürze liegt die Würze. Die in § 3 Abs. 1 Ziffer 3 d) vorgesehene Verpflichtung der Mitglieder von Erzeugergemeinschaften - ich zitiere aus dem Gesetz -, „ihre. gesamten zur Veräußerung bestimmten Erzeugnisse, die Gegenstand der Tätigkeit der Erzeugergemeinschaft sind, durch diese zum Verkauf anbieten zu lassen", macht nach unserer Ansicht eine weitere Ausnahmemöglichkeit erforderlich, um die traditionellen Handels-und Lieferbeziehungen zwischen Erzeugern und gewerblichen Verarbeitern, für die keine Kauf- oder Lieferverträge abgeschlossen sind, nicht zu gefährden. Die in § 3 Abs. 2 Ziffer 2 vorgesehene Möglichkeit, daß Erzeuger nach ihrem Beitritt zu einer Er- *) Siehe Anlage 2 **) Siehe Anlage 3 ***) Siehe Anlage 4 zeugergemeinschaft von dieser Verpflichtung befreit werden können, ist unserer Meinung nach völlig unzureichend. Die Ziele des Gesetzes werden durch eine derart abgegrenzte Erweiterung der Ausnahmemöglichkeiten nicht gefährdet und der Grundsatz der Andienungspflicht nicht aufgegeben, da sie sich auf eine im voraus festzulegende Menge bzw. Fläche der Erzeugnisse beschränkt. Die beantragte Ausnahmeregelung ermöglicht also lediglich den Direktabsatz der Erzeuger im Nahbereich. Unter Hinweis auf die großen Sorgen im agrargewerblichen Bereich, meine Damen und Herren, insbesondere beim deutschen Fleischerhandwerk, bitte ich Sie, diesem Änderungsantrag zuzustimmen.

Dr. Karl Mommer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001529

Wird das Wort gewünscht? - Herr Schmidt hat das Wort.

Dr. R. Martin Schmidt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002014, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Meine Damen und Herren, ich bitte, den Antrag abzulehnen. ({0})

Dr. Karl Mommer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001529

Das Wort wird nicht mehr gewünscht. Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Antrag zustimmen will, gebe das Zeichen. - Danke. Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Antrag ist mit großer Mehrheit abgelehnt. Wir stimmen jetzt über § 3 in der Ausschußfassung ab. Wer zustimmen will, gebe das Zeichen. - Danke. Gegenprobe! - Enthaltungen? - § 3 ist angenommen. Ich rufe die §§ 4 bis 14 sowie Einleitung und Überschrift auf. Wer zustimmen will, gebe das Zeichen. - Danke. Gegenprobe! - Enthaltungen? - Diese Bestimmungen sind angenommen. Ich schließe die zweite Beratung und rufe auf zur dritten Beratung. Das Wort hat Herr Abgeordneter Marquardt.

Werner Marquardt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001422, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion hatte angekündigt, eine Erklärung abzugeben. Man müßte dafür schon deshalb Verständnis haben, weil die sozialdemokratische Fraktion den Gesetzentwurf eingebracht hat. Wir beweisen heute wieder einmal, daß wir ökonomischer denken als zumindest ,die CSU. Ich erlaube mir, das, was die Fraktion zu sagen beabsichtigt, zu Protokoll zu geben t), und hoffe, daß Sie das damit honorieren, daß Sie jetzt zustimmen. ({0})

Dr. Karl Mommer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001529

Das Wort wird nicht mehr gewünscht. Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Gesetz im ganzen zustimmen will, möge sich erheben. - Danke. - Gegenprobe! - *) Siehe Anlage 10 Enthaltungen? - Das Gesetz ist gegen zwei Stimmen ohne Enthaltungen angenommen. Ich rufe Punkt 4 der Tagesordnung auf: Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung ({0}) über den Antrag der Abgeordneten Dr. Schmidt ({1}), Bading, Mertes, Dr. Reischl und Genossen betr. Aufhebung der Immunität von Abgeordneten - Drucksache V/2424, V/3790 - Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Reischl Das Wort wird nicht gewünscht. Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Antrag des Ausschusses auf Drucksache V/3790 zustimmen will, gebe das Zeichen. - Danke. Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Antrag ist angenommen. ({2}) - Meine Damen. und Herren, darf ich bitten, entweder hier zu bleiben oder auch nicht zu bleiben, jedenfalls die Abstimmung zu ermöglichen. Die Punkte 5 a und b wollen wir am Freitag behandeln, ebenso Punkt 6. Punkt 7 ist abgesetzt. Wir kommen zu Punkt 8: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 19. Juli 1966 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Tunesischen Republik über Rechtsschutz und Rechtshilfe, die Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen sowie über die Handelsschiedsgerichtsbarkeit - Drucksache V/3167 Schriftlicher Bericht des Rechtsausschusses ({3}) - Drucksachen V/3847, zu V/3847 Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Wahl ({4}) Wir treten in die zweite Beratung ein. Das Wort wird nicht gewünscht. Ich rufe auf: Art. 1, 2, 3, Einleitung und Überschrift. - Wer zustimmen will, gebe das Zeichen. Danke. Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das Gesetz ist in zweiter Beratung angenommen. Ich rufe auf zur dritten Beratung. Das Wort wird nicht gewünscht. Wer dem Gesetz im ganzen zustimmen will, möge sich erheben. - Danke. Gegenprobe! - Enthaltungen? - Ich stelle einstimmige Annahme fest. Ich rufe Punkt 9 der Tagesordnung auf: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Vizepräsident Dr. Mommer Gesetzes zu dem Vertrag vom 19. Juli 1966 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Tunesischen Republik über die Auslieferung und die Rechtshilfe in Strafsachen - Drucksache V/3180 Schriftlicher Bericht des Rechtsausschusses ({5}) - Drucksachen V/3848, zu V/3848Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Wahl ({6}) Das Wort wird nicht gewünscht. Wir kommen zur Abstimmung über Art. 1 bis 4, Einleitung und Überschrift. - Wer zustimmen will, gebe das Zeichen. - Danke. Gegenprobe! - Enthaltungen? - In zweiter Beratung angenommen. Ich rufe auf zur dritten Beratung. Das Wort wird nicht gewünscht. Wer dem Gesetz im ganzen zustimmen will, möge sich erheben. - Danke. Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das Gesetz ist einstimmig angenommen. Ich rufe Punkt 10 der Tagesordnung auf: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ausführung des Vertrages vom 19. Juli 1966 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Tunesischen Republik über Rechtsschutz und Rechtshilfe, die Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen sowie über die Handelsschiedsgerichtsbarkeit - Drucksache V/3166 Schriftlicher Bericht des Rechtsausschusses ({7}) - Drucksachen V/3849, zu V/3849 - Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Wahl ({8}) Das Wort wird in der zweiten Beratung nicht gewünscht. Dann kommen wir zur Abstimmung über die §§ 1-17, Einleitung und Überschrift. - Wer zustimmen will, gebe das Zeichen. - Danke. Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen. Ich rufe auf zur dritten Beratung. Das Wort wird nicht gewünscht. Wer dem Gesetz im ganzen zustimmen will, möge sich erheben. Danke. Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das Gesetz ist einstimmig angenommen. Ich rufe Punkt 11 der Tagesordnung auf: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes - Drucksache V/3187 - a) Bericht des Haushaltsausschusses ({9}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung - Drucksache V/3894 - Berichterstatter: Abgeordneter b) Schriftlicher Bericht des Finanzausschusses ({10}) - Drucksache V/3852 Berichterstatter: Abgeordneter Porzner ({11}) Das Wort in zweiter Beratung wird nicht gewünscht. Wer den Art. 1 bis 4, Einleitung und Überschrift zustimmen will, gebe das Zeichen. - Danke. Gegenprobe! - Enthaltungen? - In zweiter Beratung angenommen. Ich rufe auf zur dritten Beratung. Das Wort wird nicht gewünscht. Wer dem Gesetz im ganzen zustimmen will, möge sich erheben. - Danke. Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das Gesetz ist einstimmig angenommen. Wir müssen noch über Ziffer 2 des Antrags des Ausschusses abstimmen, den Gesetzentwurf Drucksache V/2773 für erledigt zu erklären. -- Das Haus stimmt dem zu. Ich rufe Punkt 12 der Tagesordnung auf: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 6. Mai 1963 über die Verringerung der Mehrstaatigkeit und über die Wehrpflicht von Mehrstaatern - Drucksache V/1219 Schriftlicher Bericht des Innenausschusses ({12}) - Drucksache V/3854 Berichterstatter: Abgeordneter Collet ({13}) Das Wort in der zweiten Beratung wird nicht gewünscht. Ich rufe auf: Art. 1 bis 4, Einleitung und Überschrift. - Wer zustimmen will ,gebe das Zeichen. - Danke. Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das Gesetz ist in zweiter Beratung angenommen. Ich rufe auf zur dritten Beratung. Das Wort wird nicht gewünscht. Wer dem Gesetzentwurf im ganzen zustimmen will, möge 'sich erheben. - Danke. Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das Gesetz ist einstimmig angenommen. Ich rufe den Punkt 13 der Tagesordnung auf: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Vieh- und Fleischgesetzes - Drucksache V/3664 Vizepräsident Dr. Mommer Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ({14}) - Drucksache V/3865 Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Ritz ({15}) Das Wort zur zweiten Beratung wird nicht gewünscht. Ich rufe auf: Art. 1, - 2, - 3, - Einleitung und Überschrift.- Wer zustimmen will, gebe das Zeichen. - Danke. Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das Gesetz ist in zweiter Beratung angenommen. Ich rufe zur dritten Beratung auf. Das Wort wird nicht gewünscht. Wer im ganzen zustimmen will, möge sich erheben. - Danke. Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das Gesetz ist einstimmig angenommen. Ich rufe Punkt 14 der Tagesordnung auf: Zweite und Dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 18. Oktober 1967 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Zypern über den planmäßigen gewerblichen Luftverkehr - Drucksache V/3534 Schriftlicher Bericht des Auswärtigen Ausschusses ({16}) - Drucksache V/3834 Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Seume ({17}) In zweiter Beratung wird das Wort nicht gewünscht. Wer den Art. 1 und 2, der Einleitung und der Überschrift zustimmen will, gebe das Zeichen. - Danke. Gegenprobe! - Enthaltungen? - In zweiter Beratung angenommen. Ich rufe auf zur dritten Beratung. Das Wort wird nicht gewünscht. Wer dem Gesetz im ganzen zustimmen will, möge sich erheben. - Danke. Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das Gesetz ist einstimmig angenommen. Ich rufe Punkt 15 der Tagesordnung auf: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Kreditanstalt für Wiederaufbau - Drucksache V/3195 Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Mittelstandfragen ({18}) - Drucksache V/3842 Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Frerichs ({19}) In der zweiten Beratung wird das Wort nicht gewünscht. Wer den Art. 1 bis 4, der Einleitung und der Überschrift zustimmen will, gebe das Zeichen. - Danke. Gegenprobe! - Das Gesetz ist in zweiter Beratung angenommen. Ich rufe auf zur dritten Beratung. Das Wort wird nicht gewünscht. Wer dem Gesetz im ganzen zustimmen will, möge sich erheben. - Danke. Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das Gesetz ist einstimmig angenommen. ({20}) - Das ist immer so. Wir stimmen immer über den Ausschußbericht ab und nichts anderes. Das versteht sich von selbst. Punkt 16 ist abgesetzt. Punkt 17 der Tagesordnung: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über den zivilen Ersatzdienst - Drucksache V/3795 Das Wort wird nicht gewünscht. Der Ältestenrat schlägt vor, den Entwurf an den Ausschuß für Arbeit als federführenden Ausschuß und an den Verteidigungsausschuß zur Mitberatung zu überweisen. - Das Haus ist damit einverstanden. Ich rufe auf Punkt 18 der Tagesordnung: Erste Beratung des von den Abgeordneten Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein, Kühn ({21}), Ruf, Frau Kalinke, Müller ({22}), Dr. Hammans und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über den Verkehr mit Arzneimitteln ({23}) - Drucksache V/3836 Das Wort wird nicht gewünscht. Die Vorlage soll dem Ausschuß für Gesundheitswesen überwiesen werden. - Ich höre keinen Widerspruch; es ist so beschlossen. Ich rufe Punkt 19 der Tagesordnung auf: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Bundesärzteordnung - Drucksache V/3838 Keine Wortmeldungen. Überweisungsvorschlag: Ausschuß für Gesundheitswesen als federführender Ausschuß und Innenausschuß zur Mitberatung. - Kein Widerspruch; es ist so beschlossen. Punkt 20 der Tagesordnung: Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Gesetzes über Kapitalanlagegesellschaften - Drucksache V/3840 11820 Vizepräsident Dr. Mommer Das Wort wird nicht gewünscht. Vorgeschlagen ist Überweisung an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen - federführend -, an den Finanzausschuß, den Ausschuß für das Bundesvermögen und den Ausschuß für Kommunalpolitik, Raumordnung und Städtebau - mitberatend. - Es ist so beschlossen. Ich rufe Punkt 21 der Tagesordnung auf: Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Beschußgesetzes - Drucksache V/3843 Keine Wortmeldungen. Vorgeschlagen ist Überweisung an den Innenausschuß - federführend - und an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen - mitberatend -. - Es ist so beschlossen. Ich rufe Punkt 22 der Tagesordnung auf: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 5. Juli 1968 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Panama über den Luftverkehr - Drucksache V/3850 Das Wort wird nicht gewünscht. Vorgeschlagen ist Überweisung an den Auswärtigen Ausschuß - federführend - und an den Verkehrsausschuß - mitberatend -. - Kein Widerspruch; es ist so beschlossen. Ich rufe Punkt 23 der Tagesordnung auf: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 28. Oktober 1968 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich der Niederlande über die Benutzung niederländischer Hoheitsgewässer und Häfen durch N. S. „Otto Hahn" - Drucksache V/3860 Das Wort wird nicht gewünscht. Vorgeschlagen ist Überweisung an den Auswärtigen Ausschuß - federführend -, an den Ausschuß für Wissenschaft, Kulturpolitik und Publizistik - mitberatend - und an den Haushaltsausschuß gemäß § 96 der Geschäftsordnung. - Es ist so beschlossen. Punkt 24 der Tagesordnung: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu den vom Rat der Organisation am 14. Dezember 1967 beschlossenen Änderungen des Abkommens über die Errichtung einer Europäischen Organisation für kernphysikalische Forschung ({24}) - Drucksache V/3861 Das Wort wird nicht gewünscht. Vorgeschlagen ist Überweisung an den Ausschuß für Wissenschaft, Kulturpolitik und Publizistik - federführend - und an den Auswärtigen Ausschuß - mitberatend -. - Es ist so beschlossen. Punkt 25 der Tagesordnung: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Durchführung der Ersten Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften zur Koordinierung des Gesellschaftsrechts - Drucksache V/3862 Das Wort wird nicht gewünscht. Vorgeschlagen ist Überweisung an den Rechtsausschuß - federführend - und an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen - mitberatend -. - Es ist so beschlossen. Punkt 26 der Tagesordnung: Beratung der Übersicht 26 des Rechtsausschusses ({25}) über die dem Deutschen Bundestag zugeleiteten Streitsachen vor dem Bundesverfassungsgericht - Drucksache V/3853 Das Wort wird nicht gewünscht. Wer dem Ausschußantrag zustimmen will, gebe das Zeichen. - Danke. Gegenprobe! - Der Antrag des Ausschusses ist angenommen. Die Punkte 27 und 28 werden am Freitag behandelt. Wir sind am Ende der heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Donnerstag, den 27. Februar, 14 Uhr, ein, und zwar nur zur Fragestunde. Die Sitzung ist geschlossen.