Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet.
Es ist die erste Sitzung in diesem Jahr 1969. Ich darf dem Haus und allen Kolleginnen und Kollegen für dieses Jahr viel Arbeitsfreude, viel Erfolg und vor allem jene Ruhe wünschen, die wir brauchen, um die schwierigen Geschäfte, die in diesem Jahre zu erledigen sind, vollends über die Bühne zu bringen.
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Ich darf zunächst einigen Geburtstagskindern Glück wünschen, „Geburtstagskinder" natürlich in einem übertragenen Sinne. Die Geburtstage liegen zum Teil auch schon etwas zurück. Der Abgeordnete Hilbert wurde am 24. Dezember 1968 70 Jahre alt.
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Am 26. Dezember wurde der Abgeordnete Büttner 60 Jahre alt,
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am 28. Dezember der Abgeordnete Brese 72 Jahre alt
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und am 30. Dezember der Abgeordnete Dr. Hesberg 70 Jahre alt.
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Der Abgeordnete Kuntscher beging am 7. Januar 1969 seinen 70. Geburtstag.
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Am 11. Januar 1969 beging der Abgeordnete Müller ({6}) seinen 72. Geburtstag,
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und am 13. Januar wurde der Abgeordnete Dr. Besold 65 Jahre alt.
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Allen Kollegen herzliche Glückwünsche, wenn auch zum Teil sehr nachträglich!
Ich habe mitzuteilen: Der Bundesminister der Finanzen hat am 17. Dezember 1968 gemäß § 33 Abs. 1 der Reichshaushaltsordnung die Zusammenstellung der über- und außerplanmäßigen Haushaltsausgaben im Betrage von 10 000 DM und darüber für das 3. Vierteljahr des Rechnungsjahres 1968 übersandt, die Ihnen als Drucksache .V/3685 vorliegt. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung wird diese Vorlage dem Haushaltsausschuß überwiesen. Ist das Haus damit einverstanden? - Es wird nicht widersprochen; dann ist so beschlossen.
Ferner liegt Ihnen eine Liste von Vorlagen der Bundesregierung vor, die keiner Beschlußfassung bedürfen und die nach § 76 Abs. 2 der Geschäftsordnung den zuständigen Ausschüssen überwiesen werden sollen:
Vorlage des Bundeskanzlers
Betr.: Abschlußbericht der Bundesregierung über das Erste Konjunkturprogramm und das Zweite Programm für besondere konjunktur- und strukturpolitische Maßnahmen 1967/68
Bezug: Beschluß des Bundestages vom 8. September 1967 - Drucksache V/3630 zuständig: Haushaltsausschuß ({9}), Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen
Vorlage des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten
Betr.: Bericht über die Auswirkungen der EWG-Marktorganisationen auf dem Agrargebiet
Bezug: Beschlüsse des Bundestages vom 25. Mai 1966 und 5. Februar 1964
- Drucksache V/3649 zuständig: Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ({10}), Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen, Haushaltsausschuß
Vorlage des Präsidenten des Europäischen Parlaments
Betr.: Entschließung über die derzeitigen Probleme der Europäischen Atomgemeinschaft
- Drucksache V/3677 zuständig: Ausschuß für Wissenschaft, Kulturpolitik und Publizistik
Vorlage des Bundeskanzlers
Betr.: Bericht über das Konzept der zivilen Verteidigung und das Programm für die Zeit bis 1972
Bezug: Beschlüsse des Bundestages vom 28. Oktober 1966 und vom 30. Mai 1968
- Drucksache V/ 3683 zuständig : Innenausschuß ({11}) , Haushaltsausschuß Vorlage des Bundeskanzlers
Betr.: Übereinkommen und Empfehlungen der 51. Tagung der Allgemeinen Konferenz der Internationalen Arbeitorganisation im Juni 1967
- Drucksache V/3686 -Übereinkommen 127, Empfehlungen 128, 129, 130, zuständig: Ausschuß für Arbeit
Übereinkommen 128, Empfehlung 131, zuständig: Ausschuß für Sozialpolitik
Erhebt sich gegen die beabsichtigte Überweisung Widerspruch? - Das ist nicht der Fall; dann ist die Überweisung erfolgt.
Ich habe noch auf folgendes aufmerksam zu machen. Die Arbeitszeit der Bundesministerien endet seit Januar dieses Jahres freitags in der Regel
Vizepräsident Schoettle
um 16.30 Uhr. Der Ältestenrat schlägt Ihnen deshalb vor, aus der Vorlage zur Neufassung der Richtlinien zur Fragestunde, die zur Zeit im Geschäftsordnungsausschuß beraten wird, die Bestimmung vorzuziehen, wonach Mündliche Anfragen künftig spätestens am vorangehenden Freitag bis 15 Uhr - bisher 17 Uhr - eingereicht werden sollen. Ist das Haus mit dieser Regelung einverstanden? - Es wird nicht widersprochen; dann ist so beschlossen.
Dann teile ich mit, daß der Abgeordnete Hübner am 14. Januar 1969 auf seine Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag verzichtet hat.
Die Fraktion der CDU/CSU hat mit Schreiben vom 27. November 1968 als Nachfolger für den aus dem Verwaltungsrat der Filmförderungsanstalt ausscheidenden Abgeordneten Dr. Martin den Abgeordneten Prinz von Bayern benannt. Ist das Haus mit diesem Wahlvorschlag einverstanden? - Ich höre keinen Widerspruch. Damit ist der Abgeordnete Prinz von Bayern als stellvertretendes Mitglied im Verwaltungsrat der Filmförderungsanstalt gewählt.
Folgende amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Bundesrat hat in- seiner Sitzung am 19. Dezember 1968 den nachstehenden Gesetzen zugestimmt bzw. einen Antrag gemäß Artikel 77 Abs. 2 GG nicht gestellt:
Fünftes Gesetz zur Änderung des Bundesbesoldungsgesetzes
Gesetz zur Durchführung einer Statistik über die Personenbeförderung im Straßenverkehr
Gesetz zu den Protokollen vom 29. November 1965 zum Internationalen Übereinkommen über die Fischerei im Nordwestatlantik, das Inkrafttreten der von der Kommission angenommenen Vorschläge und Kontrollmaßnahmen betreffend
Gesetz zu den Änderungen und Ergänzungen des Abkommens über den Internationalen Währungsfonds, die das Direktorium des Fonds im Bericht vom April 1968 dem Vorsitzer des Gouverneurrats des Fonds vorgelegt und die der Gouverneursrat bis 31. Mai 1968 genehmigt hat
Gesetz zu dem Internationalen Freibord-Übereinkommen von 1966 vom 5. April 1966
Gesetz zu dem Abkommen vom 8. März 1967 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Mexikanischen Staaten über den Luftverkehr
Gesetz zu dem Vertrag vom 7. März 1967 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über den Schutz von Herkunftsangaben und anderen geographischen Bezeichnungen
Gesetz zu dem Abkommen vom 14. September 1963 über strafbare und bestimmte andere an Bord von Luftfahrzeugen begangene Handlungen
Gesetz zu der Vereinbarung vom 23. August 1967 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und dem schweizerischen Bundesrat zur Durchführung des Abkommens vom 25. Februar 1964 über soziale Sicherheit
Gesetz zu dem Übereinkommen vom 10. September 1964 betreffend die Entscheidungen über die Berichtigung von Einträgen in Personenstandsbüchern ({12}) und zu dem Übereinkommen vom 10. September 1964 zur Erleichterung der Eheschließung im Ausland
Gesetz zu dem Abkommen vom 17. Januar 1966 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich über Fürsorge und Jugendwohlfahrtspflege
Gesetz zu dem Abkommen vom 19. Oktober 1967 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Italienischen Republik über die Regelung vermögensrechtlicher, wirtschaftlicher und finanzieller, mit dem zweiten Weltkrieg zusammenhängender Angelegenheiten
Gesetz über die Erhöhung der jährlichen Sonderzuwendung im Jahre 1968
Gesetz über Maßnahmen zur Sicherung der Altölbeseitigung ({13})
Gesetz zur Änderung mietpreisrechtlicher Vorschriften
Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Durchführung einer Repräsentativstatistik der Bevölkerung und des Erwerbslebens ({14})
Sechstes Gesetz zur Änderung des Wehrpflichtgesetzes Gesetz zur Änderung des Viehseuchengesetzes
Gesetz über den Abschluß der Sammlung des Bundesrechts
Gesetz zur Änderung der Bundesrechtsanwaltsordnung und der Patentanwaltsordnung
Neunzehntes Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes
Der Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat am 12. Dezember 1968 die Kleine Anfrage der Fraktion der FDP betreffend Subventionen für französische Kleinbauern - Drucksache V/3485 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache V/3655 verteilt.
Der Bundesminister für Wirtschaft und der Bundesminister für wissenschaftliche Forschung haben am 13. Dezember 1968 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Schmidt ({15}), Bading, Mertes, Dr. Elbrächter und Genossen betreffend Förderung der industriellen Entwicklungsforschung - Drucksache V/3496 - beantwortet. Ihr Schreiben ist als Drucksache V/3661 verteilt.
Der Staatssekretär im Presse- und Informationsamt der Bundesregierung hat am 13. Dezember 1968 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Moersch, Dorn, Mertes und der Fraktion der FDP betreffend Informations- und Werbetätigkeit der Bundesregierung - Drucksache V/3404 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache V/3650 verteilt.
Der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft hat am 19. Dezember 1968 die Kleine Anfrage der Fraktion der FDP betreffend Härtefonds des Absicherungsgesetzes - Drucksache V/3590 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache V/3684 verteilt.
Der Bundesminister für Wirtschaft hat am 19. Dezember 1968 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Starke ({16}), Mertes und der Fraktion der FDP betreffend Unabhängigkeit der Notenbank - Drucksache V/3601 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache V/3688 - verteilt.
Der Bundesminister für Wohnungswesen und Städtebau hat am 23. Dezember 1968 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Baier, Lücke ({17}), Biechele, Burger, Dr. Hauser ({18}), Kühn ({19}) und Genossen betreffend Darlehensschulden im öffentlich geförderten Wohnungsbau - Drucksache V/3612 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache V/3689 verteilt.
Der Bundesminister der Verteidigung hat am 23. Dezember 1968 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Stahlberg, Rommerskirchen, Ernesti, Dr. Klepsch und Genossen betreffend Wohnungsfürsorge in der Bundeswehr - Drucksache V/3583 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache V/3690 verteilt.
Der Staatssekretär im Bundesministerium des Innern hat am 30. Dezember 1968 die Kleine Anfrage der Abgeordneten SchmittVockenhausen, Hansing, Lautenschlager, Wilhelm, Spillecke und Genossen betreffend Erster und Zweiter Bericht des Präsidenten des Bundesrechnungshofes als Bundesbeauftragter für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung - Drucksache V/3579 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache V/3692 verteilt.
Der Bundesminister für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte hat am 8. Januar 1969 die Kleine Anfrage der Fraktion der FDP betreffend KriegsgefangenenentschädigungsAbschlußgesetz - Drucksache V/3673 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache V/3699 verteilt.
Der Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft hat am 9. Januar 1969 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Althammer, Dr. Zimmermann, Dr. Wörner, Rommerskirchen, Draeger und Genossen betreffend die Förderung der deutschen Luftfahrtindustrie - Drucksache V/3565 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache V/3706 verteilt.
Der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung hat am 2. Januar 1969 unter Bezug auf den Beschluß des Bundestages vom 8. April 1959 eine Ubersicht über die Beschäftigung Schwerbeschädigter bei den Bundesstellen nach dem Stand vom 1. November 1968 übersandt. Sie ist als Drucksache V/3695 verteilt.
Der Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen hat unter Bezugnahme auf § 19 Abs. 6 des Postverwaltungsgesetzes den Geschäftsbericht der Deutschen Bundespost über das Rechnungsjahr 1967 vorgelegt. Sein Schreiben ist als Drucksache V/3704 verteilt.
Der Präsident des Bundestages hat entsprechend dem Beschluß des Bundestages vom 23. Februar 1962 die nachstehenden Vorlagen überwiesen:
Siebzehnte Verordnung zur Änderung der Ausfuhrliste - Anlage AL zur Außenwirtschaftsverordnung - Drucksache V/3640 an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 26. März 1969
Fünfzehnte Verordnung zur Änderung der Außenwirtschaftsverordnung
- Drucksache V/3639 an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 26. März 1969
Der Präsident des Bundestages hat entsprechend dem Beschluß des Bundestages vom 25. Juni 1959 die nachstehenden Vorlagen überwiesen:
Verordnung des Rates über die zeitweilige Aussetzung von autonomen Zollsätzen des Gemeinsamen Zolltarifs für bestimmte Waren
- Drucksache V/3641 Vizepräsident Schoettle
überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen ({20}) und den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat, die voraussichtlich im Januar erfolgen wird
Verordnung des Rates betreffend Maßnahmen zur Erleichterung des Absatzes von in den französischen überseeischen Gebieten produziertem Zucker
- Drucksache V/3642 überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat, die voraussichtlich im Januar erfolgen wird
Verordnung des Rates zur Vorausfestsetzung der Abschöpfung bei der Einfuhr von Olivenöl
Verordnung des Rates zur Änderung der Verordnung Nr. 171/67/EWG des Rates vom 27. Juni 1967 zur Vorausfestsetzung der Erstattung bei der Einfuhr von Olivenöl
- Drucksache V/3652 überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen ({21}) und den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat, die voraussichtlich im Januar erfolgen wird
Verordnung des Rates zur Änderung der Verordnung ({22}) Nr. 950/68 des Rates vom 28. Juni 1968 über den Gemeinsamen Zolltarif
- Drucksache V/3665 überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat, die voraussichtlich im Januar erfolgen wird
Verordnung des Rates über die Modalitäten zur Feststellung und gegebenenfalls zum Ausgleich der Verlagerung von Zolleinnahmen
- Drucksache V/3680überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen ({23}) und den Finanzausschuß mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat, die voraussichtlich Ende Januar erfolgen wird
Entscheidung des Rates zur Erhöhung der von der Bundesrepublik Deutschland, der Französischen Republik und der Italienischen Republik zu eröffnenden Einfuhrkontingente für Wein
- Drucksache V/3696 überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat, die voraussichtlich Ende Januar erfolgen wird
Verordnung ({24}) des Rates über eine Verlängerung der in Artikel 20 Abs. 1 der Verordnung Nr. 17/64/EWG über den Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft vorgesehenen Frist für das Jahr 1968
- Drucksache V/3697 -
überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat, die voraussichtlich Ende Januar erfolgen wird
Verordnung des Rates über die Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung des Gemeinschaftszollkontingents für Fleisch von Rindern, gefroren, der Tarifnr. 02.01 A II a) 2 des Gemeinsamen Zolltarifs
- Drucksache V/3698 überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen ({25}) und den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat, die voraussichtlich im Januar erfolgen wird
Verordnung des Rates über die Hinzufügung einer zusätzlichen Güteklasse zu den gemeinsamen Qualitätsnormen für bestimmte Obst- und Gemüsearten
- Drucksache V/3701 -
überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat, die voraussichtlich Ende Januar erfolgen wird
Zu den in der Fragestunde der 206. Sitzung des Deutschen Bundestages am 13. Dezember 1968 gestellten Fragen des Abgeordneten Adams, Drucksache V/3618 Nrn. 88, 89 und 90 *), ist inzwischen die schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. Arndt vom 16. Dezember 1968 eingegangen. Sie lautet:
Die Bundesregierung teilt diese Auffassung. Sie ist darüber hinaus der Meinung, daß die Verlängerung der Entscheidung
*) Siehe 206. Sitzung, Seite 11 158 C
dem gemeinsamen Interesse aller Mitgliedstaaten an einer billigen und sicheren Versorgung ihrer Stahlindustrie mit Kokskohle entspricht.
Mit der Frage der Verlängerung wird sich der Ministerrat in seiner Sitzung am 20. Dezember 1968 befassen.
Die Bundesregierung hat bei den vorbereitenden Gesprächen, die im Rahmen der Gemeinschaft über die Verlängerung der Entscheidung geführt worden sind, die Bedeutung einer kontinuierlichen und sicheren Versorgung der Stahlindustrie der Gemeinschaft mit Kokskohle und Koks betont.
Darüber hinaus hat die Bundesregierung in bilateralen Kontakten mit verschiedenen Mitgliedstaaten ihre Argumente erläutert und auf die für die Gemeinschaft möglicherweise nachteiligen Folgen im Falle einer Nichtverlängerung hingewiesen.
Zu den in der Fragestunde der 205. Sitzung des Deutschen Bundestages am 12. Dezember 1968 gestellten Fragen des Abgeordneten Dr. Müller ({26}), Drucksache V/3618 Nrn. 113 und 114 *), ist inzwischen die schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Jahn vom 16. Dezember 1968 eingegangen. Sie lautet:
Die genaue Zahl der Deutschen aus der Bundesrepublik Deutschland, die zur Zeit in China gegen ihren Willen festgehalten werden, ist dem Auswärtigen Amt nicht bekannt.
In einem Einzelfall einer Verhaftung steht das Auswärtige Amt mit den Angehörigen in Verbindung. In einem weiteren Fall ist bis jetzt nur der Name des Inhaftierten bekannt. Vier weitere Fälle sind erst vor kurzem ohne Namensangabe dem Auswärtigen Amt mitgeteilt worden. In allen Fällen handelt es sich um Angehörige deutscher Firmen, die in China tätig sind.
Die Bundesregierung hat keine Möglichkeit, bei den chinesischen Behörden wegen der Freilassung und Ausreise von Deutschen, die gegen ihren Willen in der Volksrepublik China festgehalten werden, Schritte zu unternehmen.
Die chinesischen Behörden neigen dazu, amtliche Schritte, selbst von Staaten, die in China diplomatische Vertretungen unterhalten, als Eingriffe in ihren Ermessensbereich anzusehen und daher abzulehnen.
Zu den in der Fragestunde der 206. Sitzung des Deutschen Bundestages am 13. Dezember 1968 gestellten Fragen des Abgeordneten Dr. Hudak, Drucksache V/3618 Nrn. 116, 117 und 118 **), ist inzwischen die schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Jahn vom 12. Dezember 1968 eingegangen. Sie lautet:
Die Einreisen von deutschen Volkszugehörigen aus Rumänien sind seit 1965 erheblich zurückgegangen, wie ich bereits in der Fragestunde des Deutschen Bundestages vom 7. Februar 1968 auf die Frage des Abgeordneten Baier erklärt habe. Die Bundesregierung bedauert diese Entwicklung. Sie muß jedoch zugleich hervorheben, daß von einem Stillstand der Familienzusammenführung aus Rumänien nicht gesprochen werden kann. Nach wie vor treffen jeden Monat Übersiedler aus Rumänien ein. Ihre Zahl ist allerdings geringer als vor einigen Jahren. Der Rückgang der Einreisen steht jedoch nach Auffassung der Bundesregierung nicht in Zusammenhang mit der Aufnahme diplomatischer Beziehungen. Die Zahl der aus Rumänien übersiedelnden deutschen Volkszugehörigen war stets erheblichen Schwankungen unterworfen. Nach wie vor ist die Bundesregierung entschlossen, ihre bisherigen Bemühungen fortzusetzen und im Rahmen der sich ergebenden Kontakte und Verhandlungen auf eine humanitäre Lösung des Problems hinzuwirken.
Die Bundesregierung wird auch weiterhin jede geeignete Gelegenheit benutzen, um die deutsche Auffassung zum Ausdruck zu bringen, daß die Anstrengungen zur Lösung des humanitären Problems der Familienzusammenführung durch eine großzügigere Gewährung von Ausreisegenehmigungen verstärkt werden könnten. Die 20. Internationale Rotkreuz-Konferenz in Wien hat in der von ihr im Oktober 1965 unter anderem mit Zustimmung des Rumänischen Roten Kreuzes und der rumänischen Regierung gefaßten 19. Resolution zutreffend hervorgehoben, daß die Zusammenführung getrennter Familienangehöriger eine humanitäre Maßnahme darstellt, die der Verständigung und dem Frieden dient.
Die Bundesregierung ist sich der schweren menschlichen Probleme, die durch eine fortdauernde Trennung von Familienangehörigen aufgeworfen werden, bewußt. Der Bundesminister des Auswärtigen hat am 9. Oktober 1968 für die Bundesrepublik Deutschland die im Jahre der Menschenrechte im Generalsekretariat der Vereinten Nationen aufliegenden internationalen Pakte über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Grundrechte und über staatsbürgerliche und politische Grundrechte unterzeichnet. Der internationale Pakt über staatsbürgerliche und politische Grundrechte enthält bekanntlich einen Artikel über die Ein- und Ausreisefreiheit. Die Bundesregierung hat auch hierdurch zum Ausdruck gebracht, welche hohe Bedeutung sie den
*) Siehe 205. Sitzung, Seite 11 130 C **) Siehe 206. Sitzung, Seite 11 147 D
Vizepräsident Schoettle
Menschenrechten einschließlich des Rechts auf Auswanderung beimißt.
Zu der in der Fragestunde der 206. Sitzung des Deutschen Bundestages am 13. Dezember 1968 gestellten Frage des Abgeordneten Dr. Schmidt ({27}), Drucksache V/3618 Nr. 126 *), ist inzwischen die schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Jahn vom 16. Dezember 1968 eingegangen. Sie lautet:
Das Auswärtige Amt hat die Deutsche Botschaft in Moskau angewiesen, die Sichtvermerke für die Fußballmannschaft des Vereins „Torpedo Moskau" zu erteilen.
Zu den in der Fragestunde der 206. Sitzung des Deutschen Bundestages am 13. Dezember 1968 gestellten Fragen des Abgeordneten Wendt, Drucksache V/3618 Nrn. 127, 128 und 129 *), ist inzwischen die schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Jahn vom 16. Dezember 1968 eingegangen. Sie lautet:
Die Bundesregierung steht nach wie vor auf dem Standpunkt, daß ein verstärkter Jugendaustausch auf europäischer Ebene eine der wesentlichen Voraussetzungen der europäischen Einigung darstellt. In Verfolgung dieses Gedankens sind vom Auswärtigen Amt unter Beteiligung der zuständigen Ressorts Initiativen zur Schaffung eines europäischen Jugendwerks ergriffen worden. Das Auswärtige Amt hatte die deutschen Auslandsvertretungen bei den Regierungen der im Rat für kulturelle Zusammenarbeit des Europarats vertretenen Staaten angewiesen, die Vorstellungen der Bundesregierung darzulegen und eine internationale Konferenz über die Schaffung eines europäischen Jugendwerks anzuregen. Die Mehrzahl der befragten Staaten hat ihre Zustimmung bekundet. Die Antworten werden gegenwärtig noch ausgewertet.
Die Bundesregierung ist bereit, zu gegebener Zeit mit den Jugendverbänden Beratungen aufzunehmen, hält derartige Gespräche jedoch im gegenwärtigen Stadium noch für verfrüht.
Die Einladungen zu einer Konferenz europäischer Beamter über die Vorbereitung eines europäischen Jugendwerks konnten bisher noch nicht ergehen, da von der Bundesregierung eine möglichst vollzählige Beteiligung der befragten Staaten angestrebt wird. Von diesen haben bisher elf positiv geantwortet, vier nehmen noch eine unentschlossene Haltung ein, drei haben eine Beteiligung an der Konferenz abgelehnt.
Wir kommen nun zum Punkt 1 der Tagesordnung: Fragestunde
- Drucksachen V/3705, zu V/3705 -
Zum Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern liegen zwei Dringlichkeitsfragen vor. Übungsgemäß rufe ich zuerst die ordentlichen Fragen auf, die zu demselben Komplex gestellt sind. Es handelt sich zunächst um die Frage 28 des Herrn Abgeordneten Schlee:
Warum waren die Polizeikräfte der Bundesrepublik Deutschland und des Freistaates Bayern nicht imstande zu verhindern, daß am Freitag, dem 3. Januar 1969, bei Egerteich im Landkreis Tirschenreuth durch tschechoslowakische Polizeikräfte die deutsche Gebietshoheit verletzt und ein Flüchtling auf deutschem Gebiet festgenommen und in die Tschechoslowakei zurückgebracht wurde?
Herr Staatssekretär Köppler, wollen Sie bitte die Frage beantworten.
Köppler, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Nach Darstellung des Bayerischen Staatsministeriums des Innern und der Direktion der Bayerischen Grenzpolizei meldete ein Grenzanwohner am 3. Januar 1969 um 6.45 Uhr der Bayerischen Grenzpolizei, er habe Schüsse und Hilferufe gehört. Als Beamte der Bayerischen Grenzpolizei kurz darauf am Ort des Zwischenfalls eintrafen,
*) Siehe 206. Sitzung, Seite 11 148 A
war niemand mehr festzustellen. Lediglich Spuren wiesen darauf hin, daß mutmaßlich Flüchtlinge von tschechoslowakischen Soldaten auf deutschem Gebiet festgenommen und in die CSSR zurückgebracht worden waren. Die Nachforschungen waren durch hohe Schneeverwehungen und schlechte Sichtverhältnisse stark behindert.
Die mittlerweile von tschechoslowakischer Seite eingeräumte Verletzung der deutschen Gebietshoheit war möglich, weil sich zur Tatzeit keine Streife des Bundesgrenzschutzes, des Zollgrenzdienstes oder der Bayerischen Grenzpolizei in unmittelbarer Nähe des Tatortes befand. Eine lückenlose Überwachung der Grenze durch Grenzsicherungsorgane der Bundesrepublik Deutschland, Herr Kollege, ist nicht möglich. Hierzu trägt auch die schlechte Personallage beim Bundesgrenzschutz bei.
Eine Zusatzfrage!
Herr Staatssekretär, könnte der Vorgang vielleicht ein Anlaß sein, an der böhmischen Grenze die Geländestreifen zu verstärken?
Köppler, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Das ist durchaus ein Anlaß. Der Bundesminister des Innern ist seit langem bemüht, diese notwendige Verstärkung an dieser wie an anderen Stellen .der Grenze bzw. der Demarkationslinie zu erreichen. Ich habe aber schon auf einen zentralen Punkt in ,diesem Zusammenhang hingewiesen, nämlich die gegenwärtige Stärke des Bundesgrenzschutzes.
Keine weitere Frage mehr. Dann die Frage 29 des Abgeordneten Schlee:
Wird sich die Bundesregierung mit einer Entschuldigung der tschechoslowakischen Grenzbehörden begnügen oder wird sie weitere Konsequenzen aus diesem Vorgang ziehen, insbesondere die Auslieferung des Flüchtlings verlangen?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Köppler, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Im Einvernehmen mit dem Auswärtigen Amt beantworte ich diese Frage, Herr Kollege, wie folgt: Die Bundesregierung hat im Zusammenhang mit dem Grenzzwischenfall bei der tschechoslowakischen Regierung protestiert. Sie hat die tschechoslowakische Regierung um eine Stellungnahme sowie darum ersucht, den von deutschem Boden entfernten Personen die Rückkehr ins Bundesgebiet zu ermöglichen. Im übrigen möchte sich die Bundesregierung im einzelnen zu den Bemühungen um die Beilegung des Zwischenfalles zur Zeit noch nicht öffentlich äußern, um diese nicht zu erschweren. Ich bitte um Verständnis dafür.
Keine Frage mehr.
Dann rufe ich die Fragen 30 und 31 des Abgeordneten Paul auf:
Welche Maßnahmen wurden von der Bundesregierung ergriffen, um zu erzielen, daß der am 3. Januar 1969 im Landkreis Tirschenreuth in die Tschechoslowakei verschleppte deutsche Flüchtling wieder in die Bundesrepublik Deutschland zurückgestellt wird?
Vizepräsident Schoettle
Welche Vorkehrungen sind getroffen worden, um Verschleppungen aus dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland, wie sie am 3. Januar 1969 im Landkreis Tirschenreuth geschehen sind, in Zukunft zu verhindern?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Köppler, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Herr Kollege, die Fragen beantworte ich wie die des Herrn Abgeordneten Schlee im Einvernehmen mit dem Auswärtigen Amt wie folgt: Die Bundesregierung hat im Zusammenhang mit dem Grenzzwischenfall bei der tschechoslowakischen Regierung protestiert. Sie hat die tschechoslowakische Regierung um eine Stellungnahme sowie darum ersucht, den von deutschem Boden entfernten Personen die Rückkehr ins Bundesgebiet zu ermöglichen. Im übrigen möchte sich die Bundesregierung im einzelnen zu den Bemühungen um die Beilegung des Zwischenfalles zur Zeit noch nicht öffentlich äußern, um diese Bemühungen nicht zu erschweren.
Herr Paul!
Ist der Bundesregierung bekannt, daß etwa im Jahre 1935 in Böhmisch Eisenstein ein deutscher Emigrant mit dem Namen Josef Lampersberger aus etwa acht Meter Entfernung nach Bayerisch Eisenstein von der Gestapo verschleppt worden ist, und ist bekannt, daß es damals - vor allem durch die Initiative des deutschen sozialdemokratischen Ministers Ludwig Czech - der tschechoslowakischen Regierung gelungen ist, die Rücküberstellung dieses entführten Emigranten zu bewirken?
Köppler, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Herr Kollege, ich halte Ihren Hinweis auf diesen historischen Vorgang für die gegenwärtigen Verhandlungen für außerordentlich sachdienlich.
Keine weiteren Fragen.
Ihre zweite Frage, Herr Abgeordneter Paul. Bitte, Herr Staatssekretär.
Köppler, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Um Verschleppungen der genannten Art in Zukunft zu verhindern, bemüht sich der Bundesminister des Innern im Benehmen mit dem Bundesminister der Finanzen und dem Bayerischen Staatsministerium des Innern, die Zusammenarbeit der drei Grenzsicherungsorgane - Bundesgrenzschutz, Zollgrenzdierist und Bayerische Grenzpolizei - noch enger zu gestalten und insbesondere auf eine noch bessere gegenseitige Abstimmung der Streifentätigkeit hinzuwirken. Eine lückenlose Überwachung der Grenze bzw. Demarkationslinie ist aber auch bei bester Koordination nicht möglich, und zwar schon im Hinblick auf die von mir bereits erwähnte schlechte Personallage beim Bundesgrenzschutz. Die Breite der Grenzabschnitte und das stellenweise sehr schwierige Gelände lassen es nicht zu, daß bei Grenzzwischenfällen ein Posten oder eine Streife sich immer in unmittelbarer Nähe befindet.
Nach eine Frage, Herr Paul.
Ist es nicht möglich, daß zur besseren Überwachung der Grenze auch Hubschrauber eingesetzt werden?
Köppler, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Das geschieht bereits, Herr Kollege.
Eine Zusatzfrage, Herr Porsch.
Herr Staatssekretär, wäre es nicht besser, wenn die Garnisonen des Bundesgrenzschutzes, die zur Zeit 40 bis 70 km von der Grenze entfernt sind, vorverlegt würden? Die Städte Tirschenreuth und Marktredwitz bieten sich dafür an.
Köppler, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Herr Kollege, Sie spielen vermutlich auf den Standort des Bundesgrenzschutzes in Bayreuth an.
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Es ist in der Tat hier eine etwas überdurchschnittlich weite Entfernung vom unmittelbaren Einsatzbereich an der Grenze gegeben. Aber wegen der in diesem Falle hervorragend gewährleisteten Verkehrsmöglichkeiten ist dieser Standort nach Auffassung des Bundesministeriums des Innern geeignet.
Herr Porsch!
Herr Staatssekretär, sind Sie nicht der Meinung, daß nicht nur der Standort Bayreuth, sondern auch Nabburg und Schwandorf sehr weit von der Grenze entfernt sind; denn vor ihnen liegen ja noch Standorte der Bundeswehr?
Köppler, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Es ist richtig, daß die Lage der Standorte des Bundesgrenzschutzes nicht in jedem Falle eine ideale Voraussetzung für den Dienst des Bundesgrenzschutzes ist. Aber die Bundesregierung ist bemüht, diesen Zustand zu verbessern. Ob das in absehbarer Zeit gerade hinsichtlich der Standorte, die Sie genannt haben, möglich ist, wage ich allerdings zu bezweifeln.
Herr Weigl!
Wären Grenzzwischenfälle nicht leichter vermeidbar, wenn z. B. ein zusätzlicher Bundesgrenzschutzstandort in Tirschenreuth oder im Raum Marktredwitz geschaffen würde?
Köppler, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Die Bundesregierung
Parlamentarischer Staatssekretär Köppler
würde es begrüßen, wenn ihr die Möglichkeit eingeräumt würde, zusätzliche Standorte des Bundesgrenzschutzes zu schaffen. Ich darf noch einmal darauf hinweisen, daß die gegenwärtige Personallage des Bundesgrenzschutzes das allerdings nicht gestattet.
Herr Mertes!
Herr Staatssekretär, sind die bayerischen Behörden bei ihren Auslieferungsgesprächen im Auftrag der Bundesregierung tätig geworden oder im Auftrag des Freistaates Bayern?
Köppler, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Bei derartigen Gesprächen sind die bayerischen Organe ganz sicher im Auftrag der Bundesregierung - ich räume allerdings .ein: im vermuteten Auftrag der Bundesregierung - tätig geworden.
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Herr Fritsch!
Herr Staatssekretär, darf ich bei Ihrer Antwort davon ausgehen, daß Sie bei der Koordinierung der Zusammenarbeit zwischen der bayerischen Grenzpolizei, dem Zollgrenzdienst und dem Bundesgrenzschutz auch die Strecke Furth im Walde/Wegscheid mit einschließen ,und zwar als eine auch neuralgische Strecke und Grenze?
Köppler, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Jawohl, Herr Abgeordneter.
Damit scheinen diese Fragen ausreichend behandelt zu sein.
Ich rufe nun die Dringlichkeitsfragen aus der Drucksache V/3710 auf; zunächst die Frage des Abgeordneten Hirsch, die von Herrn Frehsee übernommen wird:
Angesichts der jüngsten Zwischenfälle an den Grenzen Oberfrankens und der nordöstlichen Oberpfalz zur DDR und zur CSSR und der daraus erwachsenden großen Unruhe der Bevölkerung dieser Gebiete, über die insbesondere die „Frankenpost" in detaillierten Berichten und berechtigt erbitterten Kommentaren geschrieben hat, frage ich die Bundesregierung, welche Maßnahmen zur besseren Zusammenarbeit zwischen Bundesgrenzschutz, Bundeszollgrenzdienst und Bayerischer Grenzpolizei sie bereits eingeleitet hat, um die Sicherheit der Bevölkerung in diesem Grenzbezirk dauerhaft wirksam zu gewährleisten?
Herr Staatssekretär, bitte!
Köppler, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Herr Kollege, in Bayern sind in der Grenzsicherung der Bundesgrenzschutz, der Zollgrenzdienst und die Bayerische Grenzpolizeit nebeneinander tätig. Die Zusammenarbeit dieser drei Organisationen bringt Probleme mit sich, die trotz mehrfacher Bemühungen des Bundesministers des Innern noch nicht alle zufriedenstellend gelöst sind. Es ist insbesondere notwendig, die primäre Zuständigkeit des Bundesgrenzschutzes für die
Grenzsicherung klarzustellen, die Tätigkeit der Grenzsicherungsorgane besser als bisher aufeinander abzustimmen und die gegenseitige Unterrichtung über Zwischenfälle und sonstige wichtige Ereignisse an der Grenze und an der Demarkationslinie zur sowjetisch besetzten Zone zu verbessern.
Der Bundesminister des Innern hat die beiden in der Frage erwähnten Zwischenfälle zum Anlaß genommen, beim Bundesminister der Finanzen und besonders bei dem Bayerischen Staatsministerium des Innern auf eine Verbesserung der Zusammenarbeit zu dringen. Ich hoffe, daß diese Bemühungen sehr schnell Erfolg haben werden. Ich muß allerdings betonen, daß eine Überwachung der Grenze und der Demarkationslinie, die Zwischenfälle mit Sicherheit verhindert, auch bei bester Zusammenarbeit aller beteiligten Grenzsicherungsorgane nicht möglich ist. Insoweit darf ich auf meine Ausführungen zu den Fragen des Herrn Kollegen Paul verweisen.
Herr Porsch!
Herr Staatssekretär, hat außer dem Land Bayern auch noch ein anderes Bundesland eine eigene Grenzpolizei?
Köppler, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Nein.
Dann kommen wir zur Frage des Abgeordneten Felder:
Sieht die Bundesregierung in dem Artikel der „NationalZeitung", Ausgabe Nr. 2 vom 10. Januar 1969, ({0}) nicht den Tatbestand der Völkerverhetzung für gegeben, der ein entsprechendes juristisches Einschreiten zur Folge haben müßte?
Herr Staatssekretär!
Köppler, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Herr Kollege, soweit in der Frage strafrechtliche Tatbestände angesprochen sind, handelt es sich um Offizialdelikte, die von den Strafverfolgungsbehörden ohne Antrag und ohne Ermächtigung verfolgt werden müssen.
Die zuständigen Justizorgane werden die entsprechenden Ermittlungen durchführen.
Wie Sie, Herr Kollege Felder, ergänzend erläutert haben, möchten Sie Ihre Frage auch dahingehend verstanden wissen, ob der von Ihnen geschilderte Sachverhalt ein Verbot der Zeitung rechtfertigt.
Die Bundesregierung ist der Ansicht, daß der von Ihnen erwähnte Artikel in der Nr. 2 der „NationalZeitung" mit der Überschrift „Verbrecherstaat Israel will uns Moral lehren" ein geschmackloses, indiskutables journalistisches Machwerk ist und eine Diffamierung des Staates Israel enthält. Ob strafprozessuale Maßnahmen gegen diese spezielle Ausgabe der Zeitung veranlaßt sind, wird von den Strafverfolgungsbehörden überprüft.
Ein vorbeugendes verwaltungsmäßiges Verbot einer Zeitung ist rechtlich nicht zulässig. Das GrundParlamentarischer Staatssekretär Köppler
Besetz bietet, wie Sie wissen, lediglich die Möglichkeit, unter bestimmten Umständen Vereinigungen oder Parteien zu verbieten. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Nach Art. 18 des Grundgesetzes verwirkt das Grundrecht der freien Meinungsäußerung, insbesondere das der Pressefreiheit, wer es zum Kampf gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung mißbraucht. Die Verwirkung und ihr Ausmaß werden durch das Bundesverfassungsgericht ausgesprochen. Der Grundrechtsverwirkungsantrag beim Bundesverfassungsgericht kann vom Bundestag, von der Bundesregierung oder von einer Landesregierung gestellt werden. Die Bundesregierung prüft, ob in dem konkreten Fall ein solcher Antrag gestellt werden kann. Die Prüfung ist allerdings noch nicht abgeschlossen.
Herr Felder!
Herr Staatssekretär, Sie sind also mit mir der Meinung, daß hier ein schwerwiegender Fall vorliegt, der die Bundesregierung veranlassen dürfte, diese Prüfung mit Beschleunigung durchzuführen und sich eventuell auch mit den Justizbehörden des Landes Bayern in Verbindung zu setzen?
Köppler, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Herr Kollege, ich bin mit Ihnen der Meinung, daß diese neue Veröffentlichung wie schon frühere Veröffentlichungen desselben Organs schwerwiegend ist. Ich bin der Meinung, daß sie der Bundesregierung erneut Anlaß zu der von mir erwähnten Prüfung gibt. Ich sehe allerdings für die Bundesregierung keinen Anlaß, in dieser Sache mit Justizbehörden eines Landes in Verbindung zu treten, weil, wie ich gesagt habe, die gesetzliche Grundlage für Offizialdelikte gegeben ist und die Justizbehörden von sich aus das Erforderliche tun werden.
Herr Felder!
Ich darf dann aber wenigstens der Meinung Ausdruck geben, daß Sie es begrüßen würden, wenn in Bayern ein Staatsanwalt den Mut fände, Offizialklage zu erheben.
Köppler, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Herr Kollege, ich zweifle nicht daran, daß der zuständige Staatsanwalt in Bayern den nötigen Mut aufbringt. Ich möchte aber in diesem Fall seiner juristischen Prüfung in keiner Weise vorgreifen.
({0})
Herr Sänger!
Herr Staatssekretär, würden Sie es für möglich halten, daß die Bundesregierung, die zu dem Raid in Beirut durch eine Erklärung des Sprechers Stellung genommen hat, auch zu der Tatsache Stellung nimmt, daß in unserem Lande begonnen wird, Israel - ausgerechnet von Deutschland aus Israel - als einen Verbrecherstaat zu kennzeichnen?
Köppler, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Herr Kollege, ich habe die hier gestellte Frage gern zum Anlaß genommen, meine Erklärung für die Bundesregierung abzugeben.
Keine weitere Frage.
Ich rufe aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Wohnungswesen und Städtebau die Fragen 1 und 2 des Abgeordneten Dr. Apel auf:
Welche Maßnahmen sieht die Bundesregierung vor, um die zum Teil übertriebenen und ungerechtfertigten Mietpreiserhöhungen bei Wohnungen mit sechs und mehr Wohnräumen in München und Hamburg auf ein erträgliches Maß zu beschränken?
Welche Kriterien sind nach der Meinung der Bundesregierung bei der Feststellung anzuwenden, ob eine Wohnung über sechs und mehr Wohnräume verfügt und damit auf Grund des Gesetzes zur Änderung mietpreisrechtlicher Vorschriften vom 20. Dezember 1968 von der Mietpreisbindung befreit ist?
Zur Beantwortung ist der Herr Bundesminister Dr. Lauritzen anwesend.
Gegen überhöhte Mieten können die Preisbehörden der Länder nach § 2 a des Wirtschaftsstrafgesetzes einschreiten. Nach dieser Vorschrift begeht derjenige Vermieter eine Zuwiderhandlung, der für Wohnraum eine Miete fordert, sich versprechen läßt oder annimmt, die infolge der Ausnutzung der Mangellage unangemessen hoch ist. Die für das Wohnungswesen zuständigen Länderminister und Senatoren habe ich erst kürzlich in einem Rundschreiben vom 16. Dezember 1968 auf diese Vorschrift hingewiesen und gebeten, dafür zu sorgen, daß beim Bekanntwerden unangemessen hoher Mietforderungen die zuständigen Behörden von sich aus Ermittlungen einleiten und nicht erst Anzeigen der Mieter abwarten.
Keine weitere Frage dazu. Nächste Frage des Abgeordneten Dr. Apel!
Das von Ihnen, Herr Abgeordneter, genannte Gesetz enthält für den Begriff „Wohnräume" keine Definition, auch nicht hinsichtlich deren Größe. Zur Auslegung dieses Begriffes können daher meines Erachtens nur baupolizeiliche Vorschriften der Länder, die einschlägigen DIN- Blätter und hinsichtlich der Größe eines Wohnraums der § 5 Abs. 1 des Zweiten Bundesmietengesetzes herangezogen werden. Danach - und das scheint mir entscheidend zu sein - sind nur solche Räume Wohnräume, die zum dauernden Aufenthalt von Menschengeeignet sind. Sie müssen eine ausreichende Größe haben sowie genügend belichtet und belüftbar sein. Als Wohnräume scheiden daher insbesondere Nebenräume, wie z. B. Abstellräume und Vorratsräume, aus.
Der von mir genannte § 5 Abs. 1 des Zweiten Bundesmietengesetzes bestimmt weiter, daß bei der Ermittlung der Zahl der Wohnräume einer Altbau11198
wohnung Küchen und andere Wohnräume mit weniger als 6 qm nicht mitgezählt werden. Nach meiner Auffassung kann diese Vorschrift analog zur Auslegung des von Ihnen genannten Gesetzes angewendet werden. Mit bindender Wirkung wird diese Frage aber nur durch die Rechtsprechung beantwortet werden können.
Herr Dr. Apel!
Herr Minister, sind Sie nicht mit mir der Meinung, daß neben Belüftung und Lichteintritt von außen zu einem Wohnraum dazugehört, daß er beheizt werden kann, so daß drei Kriterien eine Rolle spielen: Belichtung, Belüftung, Beheizung?
Da wir von der Bewohnbarkeit ausgehen, würde ich meinen, daß das dazugehört.
Herr Dr. Wuermeling!
Herr Minister, wären Sie bereit, wenn ich Ihnen die Unterlagen übermittle, einmal einem Fall nachzugehen, in dem mir nichts dir nichts jetzt in München bei einer Großwohnung eine Mieterhöhung um 130 % auf 230 % erfolgt ist?
Herr Abgeordneter Wuermeling, ich würde diesen Dingen gerne nachgehen. Ich habe leider auch andere Fälle aus derselben Stadt vorliegen, bei denen ähnliche Mietsteigerungen nachgewiesen werden. Ich möchte all diesen Dingen nachgehen.
Keine weitere Zusatzfrage? - Herr Abgeordneter Geisenhofer!
Herr Bundesminister, vertritt die Bundesregierung mit mir die Meinung, daß kleine Räume unter 10 qm - Sie sprachen von 6 qm - als nach dem Gesetz nicht zu zählende Räume gewertet werden können?
Herr Abgeordneter, ich habe in meiner Antwort darauf hingewiesen, daß es nicht nur auf die Größe ankommt. Es kommt auch auf die Bewohnbarkeit, auf die Belichtung und die Belüftung und, wie ich meine, auf die Beheizung an. Nach den bisherigen Gesetzen ist von einer Größenordnung von 6 qm ausgegangen worden. Es wäre natürlich sehr interessant, zu erfahren, was sich die Initiatoren dieses Gesetzes vorgestellt haben, als sie diesen Gesetzentwurf im Bundestag einbrachten; es ist ja keine Gesetzesinitiative des Bundestags. Deshalb wäre es mir sehr wertvoll, deren Meinung zu hören. Ich glaube, Sie gehörten mit dazu.
Herr Dr. Apel!
Herr Bundesminister, sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, daß die Initiatoren dieses Gesetzentwurfs davon ausgegangen sind, daß es ein Fünftes Bundesmietengesetz ist, daß die Definition, was Wohnraum ist, im Zweiten Bundesmietengesetz in dem von Ihnen bereits zitierten Paragraphen gegeben ist und damit eine erneute Definition eigentlich überflüssig war?
Ich bin davon ausgegangen und habe vorhin meine Antwort dementsprechend formuliert.
Jetzt sind aber wirklich keine weiteren Fragen mehr.
Wir kommen zu einer Frage aus dem Geschäftsbereich des Bundesschatzministers. Zur Beantwortung ist Herr Staatssekretär Dr. Vogel anwesend. Die Frage 3 stellt der Abgeordnete Weigl:
Warum werden leerstehende Vermögensobjekte des Bundes, z. B. in Thurndorf, Landkreis Eschenbach ({0}), die in immer stärkerem Maße dem Verfall ausgesetzt sind, nicht in den großen deutschen Tageszeitungen zum Verkauf ausgeschrieben?
Herr Abgeordneter, die bundeseigene ehemalige Funk- und Wetterdienststelle in Thurndorf, Landkreis Eschenbach ({0}), ist bis zum Februar vergangenen Jahres von der Bundeswehr genutzt worden. Nach der Räumung durch die Bundeswehr hat sich die Bundesvermögensverwaltung intensiv um eine anderweitige Verwertung bemüht. Zu diesem Zweck hat die Oberfinanzdirektion Nürnberg ganz im Sinne Ihrer Anregung, Herr Abgeordneter, das Grundstück in mehreren überregionalen Tageszeitungen - „Frankfurter Allgemeine Zeitung", „Süddeutsche Zeitung" - zum Verkauf bzw. zur Verpachtung ausgeschrieben. Übrigens wird regelmäßig in allen gleichgelagerten Fällen so verfahren. Ein Interessent hat sich jedoch bis jetzt leider nicht gefunden. Dies dürfte unter anderem auf den abgelegenen Standort zurückzuführen sein. Die Oberfinanzdirektion setzt ihre Bemühungen um eine wirtschaftliche Verwertung der Liegenschaft fort.
Herr Weigl!
Herr Staatssekretär, sind auch Bemühungen unternommen worden, um dieses Objekt vielleicht von einer staatlichen Behörde her zu nutzen?
Herr Abgeordneter, genau in diesem Sinne werden weitere Bemühungen angestellt, unter anderem den Bundeswetterdienst mit einzuschalten; bis jetzt leider auch ohne Erfolg.
Eine weitere Frage, Herr Fritsch.
Herr Staatssekretär, könnten Sie darüber Auskunft geben, zu welchem Ergebnis die Bemühungen des Abgeordneten Zebisch bis jetzt geführt haben, der sich meines Wissens mit Ihrem Haus, mit dem Bundesverkehrsministerium und dem Bundesverteidigungsministerium wegen der zukünftigen Verwendung dieser Objekte in Verbindung gesetzt hat?
Herr Abgeordneter, es ist mir im Augenblick nicht bewußt, daß sich noch andere Abgeordneten in der gleichen Sache bemüht haben. Ich gehe der Sache gern nach und darf Ihnen vielleicht schriftlich darüber berichten.
Herr Staatssekretär, würden Sie bitte in die Antwort die noch ausstehende Klärung der Frage mit einbeziehen, inwieweit die Flugsicherungsdienststellen um dieses Objekt bemüht sind oder die Absicht haben, es in Anspruch zu nehmen?
Sicherlich, sehr gern.
Ich rufe die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft auf. Zur Beantwortung ist Herr Staatssekretär Dr. Arndt anwesend. Wir kommen zunächst zu den Fragen des Abgeordneten Dr. Friderichs. Ist er anwesend? - Die Frage 48 wird durch Herrn Genscher übernommen:
Ist die Bundesregierung bereit, die aus der Differenz zwischen Importsubvention und Ausfuhrbelastung resultierenden Mehreinnahmen von über einer Milliarde DM entsprechend ihrer Zusage einem Härtefonds zugunsten besonders betroffener Wirtschaftszweige zuzuführen?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Die Bundesregierung hat darauf bereits am 19. Dezember 1968 auf die Kleine Anfrage der FDP-Fraktion geantwortet. Sie beabsichtigt, im Rechnungsjahr 1969 die Mehreinnahmen aus dem Absicherungsgesetz für ein binnenwirtschaftliches Anpassungsprogramm zur Erleichterung der Strukturanpassung bereitzustellen. Es wird voraussichtlich einen Betrag von etwa 500 bis 700 Millionen DM umfassen.
Dieses Programm sieht Investitionszuschüsse an Unternehmen solcher Produktionszweige der gewerblichen Wirtschaft vor, in denen die Auswirkungen der außenwirtschaftlichen Absicherung auf bereits bestehende Strukturschwächen treffen oder deren Strukturanpassung nachhaltig zu beeinträchtigen drohen.
Eine Zusatzfrage, Herr Genscher? - Das ist nicht der Fall.
Ich rufe dann die Frage 49 des Abgeordneten Dr. Friderichs auf:
Wird die Bundesregierung über die Verteilung der Beträge Richtlinien erlassen, denen die betroffenen Wirtschaftszweige entnehmen können, ob sie mit einer Ausgleichszahlung rechnen können?
Die Frage wird ebenfalls von Herrn Abgeordneten Genscher übernommen.
Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Herr Präsident, ich bitte die Fragen 49 und 50 zusammen beantworten zu dürfen.
Bitte sehr! Dann rufe ich zugleich die Frage 50 des Abgeordneten Friderichs auf:
Ist die Bundesregierung bereit, der in einer Region konzentrierten, stark exportorientierten und auf dem Inlandsmarkt unter erheblichem ausländischem Konkurrenzdruck stehenden deutschen Schuhindustrie eine Übergangshilfe aus dem Härtefonds zu gewähren?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Der Bundesminister für Wirtschaft arbeitet zur Zeit im Einvernehmen mit dem Bundesminister der Finanzen entsprechende Richtlinien aus. Die Schuhindustrie wird nach den Richtlinien zu denjenigen Produktionszweigen zählen, die Investitionszuschüsse aus dem binnenwirtschaftlichen Anpassungsprogramm erhalten sollen.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Genscher.
Wer wird im Einzelfall die Entscheidung zu treffen haben, ob ein Unternehmen eine solche Zahlung bekommt oder nicht?
Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Der Bundesminister für Wirtschaft.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Kiep.
In diesem Zusammenhang eine Frage, Herr Staatssekretär: Wie beurteilt die Bundesregierung, nachdem nun einige Wochen ins Land gegangen sind, die Auswirkungen der Exporterschwerungen oder Importerleichterungen auf die deutsche Export- und Importlage, insbesondere in Beziehung zu unseren Partnerländern?
Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Zur Zeit, Herr Abgeordneter, sind darüber nur Mutmaßungen möglich, weil wir Statistiken vom Dezember und vom Januar über Export und Import, Einfuhr- und Ausfuhrpreise brauchen; wir haben sie aber noch nicht.
Zu einer Zwischenfrage Herr Abgeordneter Dr. Giulini.
Herr Staatssekretär, muß die Bundesregierung bei dieser Subventionierung nicht sehr aufpassen, daß nicht der Effekt des Gesetzes durchkreuzt wird?
Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Der Effekt des Gesetzes soll nicht durchkreuzt werden. Es ist nur beabsichtigt, dort, wo bereits Hilfen gegeben werden, um Anpassungsprozesse nicht zu schnell ablaufen zu lassen, das Tempo durch das Absicherungsgesetz nicht zu verschärfen.
Keine weiteren Zusatzfragen. Dann rufe ich die Frage 51 des Abgeordneten Geldner auf:
Beabsichtigt die Bundesregierung, dem offenbar gegen die freien Tankstellen gerichteten Vernichtungswettbewerb tatenlos zuzusehen?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Nein, Herr Kollege Geldner. Bereits am 18. Dezember 1968 haben im Bundeswirtschaftsministerium Gespräche über die aktuelle Situation auf dem Benzinmarkt stattgefunden. An diesen Gesprächen nahmen Repräsentanten des Tankstellengewerbes, auch Vertreter des Bundesverbandes Freier Tankstellen und Unabhängiger Deutscher Mineralölhändler e. V., teil. In diesen Gesprächen sind die Tankstellenverbände und die Mineralölgesellschaften übereingekommen, die angesprochenen Fragen in unmittelbaren Verhandlungen weiter zu klären. Diese Verhandlungen finden gegenwärtig statt. Sobald die dabei erzielten Ergebnisse vorliegen, sollen diese und die dann gegebene Lage erneut im Bundeswirtschaftsministerium erörtert werden.
Im übrigen unterstellt das Wort „Vernichtungswettbewerb" den Benzinpreissenkungen Motivationen, für die in den bisherigen Gesprächen kein Indiz gefunden werden konnte.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Geldner.
Herr Staatssekretär, kann ich nicht doch aus Ihrer Antwort schließen, daß Sie in diesem Wettbewerb der Großkonzerne und vor allem auch der C C-Tankstellen, die, wie Sie ja wissen, den Einstandspreis als den Benzinverkaufspreis annehmen, einen gerade für das freie Tankstellengewerbe ruinösen Wettbewerb sehen?
Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Herr Kollege Geldner, das Problem steht in seiner ganzen Breite, wie Sie es soeben skizziert haben, zur Diskussion. Die Bundesregierung wäre glücklich, wenn die Betreffenden selbst Auswege aus dieser Lage fänden, und sie hofft, darüber bald Näheres zu hören. Ein Verdrängungswettbewerb im Sinne des Kartellgesetzes liegt wohl nicht vor. Das heißt: nach dem bisherigen Kartellrecht ist dieser Fall nicht justitiabel.
Herr Geldner!
Herr Staatssekretär, Sie sagen, dieser Fall des Eingriffs des Bundeskartellamts liegt wohl nicht vor; würden Sie mit mir übereinstimmen: „liegt noch nicht vor"?
Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Er kann nach Schätzung der juristisch besser bewanderten Mitglieder meines Hauses wohl kaum erfolgen. Das heißt, es gibt keinen Ansatzpunkt für ein Eingreifen des Kartellamtes, wenn es sich aus ganz anderen, von Ihnen soeben auch geschilderten Gründen als notwendig erweisen sollte. Das Kartellamt hätte aber andere Ansatzpunkte zur Verfügung.
Die Fragen 52 und 53 des Abgeordneten Dr. Kreutzmann werden im Einvernehmen mit dem Fragesteller schriftlich beantwortet:
Hält die Bundesregierung die unterschiedlichen Branchenkataloge für die Frachthilfe in den Zonenrandländern heute noch für vertretbar?
Ist die Bundesregierung nicht der Meinung, daß es besser wäre, einen einheitlichen Frachthilfekatalog für alle vier Zonenrandländer zu schaffen?
Die Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. Arndt vom 15. Januar 1968 lautet:
Die Bundesregierung ist nicht der Meinung, daß ein einheitlicher Frachthilfekatalog besser als die gegenwärtige Regelung wäre.
Zur Zeit wird die Frachthilfe nur für die Güter gewährt, die vor dem Krieg zu mehr als 40 % in Gebiete jenseits der Zonengrenze versandt oder von dort bezogen wurden. Diese Bedingung wird in den einzelnen Teilen des Zonenrandgebietes je nach Standortlage unterschiedlich erfüllt. Ein einheitlicher Frachtkatalog hätte deshalb zur Folge, daß bestimmte Güter aus der Frachthilfe herausgenommen werden müßten, weil zwar in einem Bundesland, nicht jedoch im Durchschnitt aller vier Bundesländer die genannte Bedingung erfüllt ist. Umgekehrt müßten bestimmte Güter eines Zonenrandlandes künftig gegebenenfalls auch in anderen Zonenrandgebieten begünstigt werden, wenn sie bei Einbeziehungen dieser Länder in einen Durchschnittswert die 40%-Grenze erreichen.
Ob eine solche Neuregelung zu höheren oder niedrigeren Gesamtaufwendungen führen würde, läßt sich gegenwärtig noch nicht übersehen. In jedem Fall würde eine solche Regelung aber zu einer Gleichbehandlung bei unterschiedlichen Kostenbelastungen und damit zu Störungen in den Wettbewerbsbeziehungen der Zonenrandländer untereinander führen.
Ich rufe die Fragen 54 und 55 des Abgeordneten Dr. Giulini auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß die Subventionen nach dem Gesetz zur Sicherung des Steinkohleneinsatzes von einigen Kraftwerken an die Verbraucher weitergegeben werden und sehr teuere Kredite mit hohen Zinsen zur Vorfinanzierung aufgenommen werden müssen, weil bisher die Auszahlung erst nachträglich erfolgte?
Ist die Bundesregierung bereit, die Verbraucher in den vollen Genuß der Subventionen dadurch zu bringen, daß sie Abschlagszahlungen an die Kraftwerke leistet und somit vermeidet, daß die zur Weitergabe bestimmten Subventionen durch hohe Zinsleistungen teilweise wieder aufgebraucht werden?
Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Der Bundesregierung ist bekannt, Herr Kollege, daß der Auszahlungszeitpunkt der Verstromungshilfe für die in Frage kommenden Kraftwerke zu Nachteilen geführt hat. Eine Beseitigung dieser Nachteile durch Abschlagszahlungen setzt eine Änderung des zweiten Verstromungsgesetzes und eine vorübergehende Erhöhung der Haushaltsmittel voraus. Dazu sah sich die Bundesregierung nicht in der Lage, wie sie beParlamentarischer Staatssekretär Dr. Arndt
reits in ihrem Bericht über die Auswirkung dieses Gesetzes an den Deutschen Bundestag vom 5. September 1966 erklärt hat.
Keine Zusatzfrage. Ich rufe die Frage 56 des Abgeordneten Fritsch auf:
Ist mit der Einführung einer Pendlerprämie für Arbeitnehmer, die Fahrstrecken von mehr als 20 km zu den zentralen Orten in den Bundesausbaugebieten zurückzulegen haben, noch in diesem Jahr zu rechnen?
Herr Staatssekretär, bitte!
Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Herr Kollege Fritsch, ich kann zu meinem Bedauern Ihre Frage weder mit Sicherheit bejahen noch verneinen. Die Pendlerprämie gehört zu den Maßnahmen, mit denen die regionale Strukturpolitik, vor allem in ländlichen Räumen, grundlegend verbessert werden soll. Sie erfordert eine Aufstockung der Mittel des regionalen Förderungsprogrammes. Über diese Aufstockung ist bei der Fortschreibung der mittelfristigen Finanzplanung zu entscheiden. Daher kann im Augenblick auf Ihre Frage, ob die Einführung noch in diesem Jahr möglich sei, keine eindeutige Auskunft gegeben werden.
Eine Zusatzfrage, Herr Fritsch.
Herr Staatssekretär, bejaht Ihr Haus grundsätzlich den arbeitsmarktpolitischen, aber auch wirtschaftspolitischen Effekt sowie die sozialpolitische Notwendigkeit einer derartigen Prämie für Arbeitnehmer, die eine größere Strecke, also über 20 km, zurückzulegen gezwungen sind, um zum Arbeitsplatz und zurück zu ihrem Wohnsitz zu kommen?
Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Die Bundesregierung und die insgesamt beteiligten Ressorts - diese Fragen werden ja im Kabinettsausschuß für das Agrarprogramm erörtert - haben sich noch kein abschließendes Sachurteil bilden können. Das Bundesministerium für Wirtschaft ist aber zuversichtlich, daß diese Maßnahme der regionalen Förderung zu den allgemein erstrebenswerten gezählt werden wird.
Fritsch ({0}) ({1}) : Wird unter Umständen, Herr Staatssekretär, diese Pendlerprämie Bestandteil der zu überlegenden und einzuführenden Aktionsprogramme für bestimmte Teilgebiete der
Bundesrepublik sein?
Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Das wird selbstverständlich der Fall sein müssen.
Frage 57 des Abgeordneten Dr. Frerichs:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß durch die unbefriedigende Regelung laufender Exportverträge durch die Sonderumsatzsteuer im Absicherungsgesetz in der Exportwirtschaft große
Unsicherheiten entstanden sind, da nach Ansicht des Außenhandels Rechtssicherheit und Kontinuität im grenzüberschreitenden Warenverkehr nicht mehr gewährleistet sind?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Ich bitte, Herr Präsident, die Fragen 57 und 58 zusammen beantworten zu dürfen; die Frage 59 muß ich wohl noch separieren.
Der Antragsteller ist einverstanden. Ich rufe auch Frage 58 auf:
Kann die Bundesregierung verbindlich erklären, daß es zu keiner weiteren umsatzsteuerlichen Maßnahme kommen wird, die die Exportwirtschaft erneut belastet, falls die Erwartungen zum Abbau der Außenhandelsüberschüsse nicht eintreten?
Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Der Bundesregierung ist bekannt, Herr Kollege Frerichs, daß durch die Einbeziehung der sogenannten Altverträge besondere Umsatzsteuererschwernisse für die betroffenen Exportunternehmen entstanden sind. Diese Erschwernisse bedeuten jedoch im juristischen Sinne keine Rechtsunsicherheit, und die in § 8 des Absicherungsgesetzes getroffene Regelung hat bisher nicht zu Auslegungsschwierigkeiten geführt.
Nach Auffassung der Bundesregierung werden die getroffenen außenwirtschaftlichen Maßnahmen und die Stabilisierungsanstrengungen in den wichtigen Partnerländern wesentlich zu einem besseren Zahlungsbilanzausgleich beitragen.
Alle Äußerungen, die bisher bekanntgeworden sind, stimmen in dieser Prognose überein. Die Bundesregierung hat daher allen Grund, ihre Politik auf diese Annahme zu gründen. Daß andere Annahmen zwar höchst unwahrscheinlich, aber im menschlichen Bereich nicht völlig auszuschließen sind, gibt keine Basis für eine Politik.
Ebensowenig kann die Bundesregierung zu ihrem Bedauern von vornherein sagen, welche Aktion in einem solchen nicht auszuschließenden, aber unwahrscheinlichen Fall die beste oder welche Aktion von vornherein unmöglich wäre, ,es sei denn, sie wäre verfassungswidrig oder läge außerhalb des Rahmens der marktwirtschaftlichen Ordnung. Die Wahl oder die Nichtwahl eines zulässigen Mittels hängt dann vor allem von der gegebenen währungspolitischen und handelspolitischen Lage ab.
Herr Dr. Frerichs!
Herr Staatssekretär, können Sie für die Bundesregierung erklären, daß während der Laufzeit des Absicherungsgesetzes, also bis zum 31. März 1970, keine Erhöhung der umsatzsteuerlichen Belastung - jetzt also 4% -für die Ausfuhren vorgesehen ist bzw. eintreten wird?
Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Herr Kollege, das kann in voller Form erklärt werden. § 9 des Absicherungsgesetzes gibt eine Ermächtigung an die
Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Arndt Bundesregierung, die ihr lediglich gestattet, die Sätze zu senken oder die Steuer und Importabgabe total zu beseitigen. Freiheit hat sie nur in Richtung einer Einbahnstraße nach unten, nicht nach oben.
Sie meinen § 7 des Absicherungsgesetzes, Herr Staatssekretär!
Ich rufe die Frage 59 des Abgeordneten Dr. Frerichs auf:
Ist die Bundesregierung bereit, unverzüglich Schritte zur Einberufung einer internationalen Währungskonferenz zu unternehmen, um die Währungsrelation auf multilateralem Wege den tatsächlichen Verhältnissen anzupassen?
Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Die Bundesregierung hält eine internationale Währungskonferenz gegenwärtig nicht für notwendig. Die Bonner Konferenz hat ihr Ziel erreicht, nämlich das Ziel, der Spekulation auf eine Änderung der Währungsparitäten Einhalt zu gebieten. Die der Bundesbank in der Zeit vom 1. bis zum 19. November 1968 zugeflossenen Devisen sind inzwischen wieder vollständig abgeflossen. Es handelt sich um einen Nettoabfluß von 10 Milliarden DM vom 25. November bis heute, in diesen sieben Wochen damit rund anderthalb Milliarden DM je Woche.
Jetzt kommt es darauf an, die während und im Zusammenhang mit dieser Konferenz erwogenen Maßnahmen durchzuführen, um auf der Grundlage des bereits Erreichten das internationale Zahlungsbilanzgleichgewicht zu festigen. Nach den Schätzungen des Sekretariats der OECD werden die Zahlungsbilanzen der wichtigsten Länder im neuen Jahr diesem Gleichgewicht erheblich näherkommen als im vergangenen Jahr.
Herr Dr. Frerichs zu einer Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, werden denn, wenn also nicht, wie wir in diesem Hohen Hause während der Beratung des Absicherungsgesetzes allgemein angenommen hatten, Schritte zu einer internationalen Währungskonferenz auf Grund der neuen Tatbestände, die einleuchtend sind, eingeleitet werden sollen, die Verhandlungen der Bundesregierung, die auch seinerzeit im Rahmen des Stabilitätsgesetzes zur außenwirtschaftlichen Absicherung angekündigt worden sind, fortgeführt, um gewisse Verzerrungen in den Währungsparitäten und Kaufkraftverhältnissen zu vermeiden und die Situation zu bereinigen?
Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Selbstverständlich. Diese Verhandlungen gehen weiter im Rahmen des Internationalen Währungsfonds, im Rahmen der OECD, im Rahmen des Währungsausschusses der EWG, alle mit dem Ziel, eine Lösung von Dauer vorzubereiten. Dazu gehören auch die Konsultationen der EWG-Wirtschafts- und Finanzminister, die wir gestern hatten. Im Kommuniqué wie in den Verhandlungen und Beratungen konnte festgestellt werden, daß sich die internationale Währungslage nach der Bonner Konferenz inzwischen beruhigt hat.
Keine weiteren Fragen.
Ich rufe die Fragen 79 und 80 des Abgeordneten Strohmayr auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß Kaminkehrer bei einer vierteljährlichen Beitragszahlung von 800 DM erst mit 70 Jahren Rente erhalten?
Wird zutreffendenfalls die Bundesregierung veranlassen, daß das Rentenalter für Kaminkehrer entsprechend dem Gleichheitsgrundsatz auf 65 Jahre festgesetzt wird?
Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Ich bitte, die Fragen gemeinsam beantworten zu dürfen.
Der Fragesteller ist einverstanden.
Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Es ist der Bundesregierung bekannt, daß Kaminkehrer- oder Schornsteinfegermeister erst mit 70 Jahren Rente erhalten. Zur Zeit wird von den Bundesressorts der Entwurf eines Gesetzes über das Schornsteinfegerwesen beraten. Es ist jedoch fraglich, ob diese Beratungen so zeitig abgeschlossen werden können, daß der Gesetzentwurf noch in dieser Legislaturperiode vom Hohen Hause behandelt werden kann.
Herr Abgeordneter Strohmayr!
Herr Staatssekretär, woran liegt es, daß gerade für die Kaminkehrer eine solche Ausnahme von allen anderen Berufen gemacht worden ist?
Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Das ist eine alte Gesetzgebung, eine Gesetzgebung, der sich nur wenige Berufe - wenn man so sagen darf - erfreut haben und die umfassend revidiert werden muß, um auch diesen Mißstand zu beseitigen.
Herr Staatssekretär, sind Sie mit mir der Auffassung, daß durch diese Maßnahme Kehrbezirke durch ältere Kaminkehrermeister blokkiert werden und jüngeren, elastischeren Kollegen die Übernahme eines Bezirks dadurch verwehrt wird?
Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Das wird in manchen Fällen der Fall sein.
Ich komme nun zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten.
Vizepräsident Schoettle
Ich rufe die Fragen 60 und 61 des Abgeordneten Ertl auf:
Trifft die Feststellung der COPA zu, daß sich Produktionsmittel und Lohnkosten in der Landwirtschaft in den letzten Jahren um durchschnittlich 4% bis 5 % erhöht haben?
Ist die Bundesregierung bereit, sich bei den Verhandlungen zur Neufestsetzung der Agrarpreise im EWG-Ministerrat für spürbare Preisverbesserungen, wie von COPA vorgeschlagen, einzusetzen?
Die Fragen werden im Einverständnis mit dem Fragesteller schriftlich beantwortet. Die Antwort liegt noch nicht vor. Sie wird nach Eingang im Sitzungsbericht abgedruckt.
Ich rufe die Fragen 62, 63 und 64 des Abgeordneten Dr. Rinderspacher auf. Ist der Abgeordnete anwesend? - Das ist nicht der Fall. Dann werden diese Fragen ebenfalls schriftlich beantwortet.
Ich rufe die Fragen 65 und 66 des Abgeordneten Reichmann auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß holländischen Exporteuren, die Speisekartoffeln in die Bundesrepublik Deutschland ausführen, Exportprämien von 2,5% für 50-kg-Packungen und sogar 10 % bis 12 % für abgetütete Ware bezahlt werden?
Welche Maßnahmen beabsichtigt die Bundesregierung gegen diese EWG-widrige, marktverdrängende Wettbewerbsverzerrung zu ergreifen?
Zur Beantwortung der Herr Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten!
Ich bitte, mir zu gestatten, die beiden Fragen wegen ihres sachlichen Zusammenhanges gemeinsam zu beantworten. Der Bundesregierung ist bisher nichts davon bekanntgeworden, daß holländische Exporteure bei der Ausfuhr von Speisekartoffeln nach der Bundesrepublik Deutschland Exportprämien erhalten. Selbst wenn das aber der Fall wäre, käme es für die Beurteilung entscheidend darauf an, ob die Kosten für eine Exportprämie auf dem Wege privatwirtschaftlicher Selbsthilfe aufgebracht oder aus öffentlichen Mitteln gewährt werden.
Die Bundesregierung wird dieser Angelegenheit nachgehen.
Herr Reichmann!
Herr Bundesminister, ist Ihnen nicht bekannt, daß insbesondere in Karlsruhe in erheblichem Ausmaße diese Auswirkungen festgestellt worden sind und dort zu einer Erschwerung der Absatzverhältnisse geführt und außerdem einen gewissen Preisdruck verursacht haben?
Ja, Herr Kollege, ich wundere mich, daß die beteiligten Geschäftsleute nicht mit diesen Klagen an mich herangetreten sind. Sie machen sonst einen sehr eifrigen Gebrauch von dieser Möglichkeit.
Noch eine Frage, Herr Reichmann.
Gestatten Sie, Herr Bundesminister, daß ich veranlasse, daß Ihnen diese Fragen und Probleme zugeleitet werden, und darf ich Sie dann bitten, diese mit aller Gründlichkeit zu prüfen und für Abhilfe zu sorgen?
Herr Kollege, da gibt es nichts zu gestatten.
({0})
Ich rufe die Frage 67 des Abgeordneten Peters ({0}) auf:
Wird die Bundesregierung im EWG-Ministerrat den Kommissionsvorschlag ({1}) ablehnen, in Zukunft die Agrarstrukturpolitik in der EWG nach gemeinsamen Kriterien auszurichten und gemeinsam zu finanzieren?
Ich darf zunächst die erste Frage beantworten. Ich halte es für dringend notwendig, daß die Diskussion über das Memorandum der Kommission auf eine nüchterne, sachliche Ebene zurückgeführt wird, und dazu gehört in erster Linie, daß man dieses Papier, das tatsächlich aus sechs Dokumenten mit insgesamt 800 Seiten Umfang besteht, als das nimmt, was es sein soll, nämlich Zielvorstellungen mit einem Katalog dazu möglicher Maßnahmen. Es handelt sich - mit Ausnahme des Papiers über Preise - nicht um offizielle Vorschläge, was im übrigen die Kommission wiederholt ausdrücklich betont hat. Soweit diese Vorstellungen die Koordinierung der Agrarpolitik betreffen, halten sie sich im Rahmen der Ratsentscheidung vom 4. Dezember 1962, eines ehrwürdigen Dokuments. Da diese Ratsentscheidung u. a. bestimmt, daß die Durchführung der Agrarstrukturpolitik in der Hauptsache den Mitgliedstaaten obliegt, bietet sie der Bundesregierung die geeignete Plattform, um den endgültigen Vorschlägen der Kommission mit Gelassenheit entgegenzusehen.
Herr Peters!
Herr Minister, Sie haben soeben von Zielvorstellungen für die Agrarstrukturpolitik gesprochen. Bezeichnet die Bundesregierung als Zielvorstellung für agrarstrukturelle Maßnahmen den rationellen Bauernbetrieb oder den Gemeinschaftsgroßbetrieb?
Ich habe von den Zielvorstellungen der Kommission gesprochen, die ich keineswegs übernehme. Die Zielvorstellungen der Bundesregierung, nach denen Sie fragen, sind hier so oft dargelegt worden, daß sie einer weiteren Darlegung nicht bedürfen.
Herr Peters!
Herr Bundesminister, ist die Bundesregierung der Meinung, daß der Gemeinschaftsgroßbetrieb, der von Herrn Mansholt angesteuert wird, billiger erzeugen wird und weniger
Peters ({0})
erzeugen wird, wie es Herr Mansholt in seinem Memorandum darlegt?
Ich bin der Meinung, daß dieser Gemeinschaftsgroßbetrieb nicht die Form des Betriebes in der EWG sein wird, sondern daß die bunte Mischung, die wir zwischen Neben-, Zu- und Vollerwerbs- sowie Großbetrieben haben, für das eng besiedelte Europa die richtige Struktur darstellt.
Herr Dr. Gleissner, wenn Sie eine Frage stellen wollen, sollten Sie sich schon rechtzeitig ans Mikrophon begeben.
Herr Bundesminister, eine Frage: Wird die Bundesregierung auch auf schriftlichem Wege die Zielvorstellugnen und Pläne Mansholts, so wie sie bekanntgeworden sind und in der Öffentlichkeit verbreitet werden, vorsorglich ablehnen und entsprechende Revisionsvorschläge in Aussicht stellen?
Ich glaube, daß es dazu gar keiner schriftlichen Darlegung bedarf. Wir werden schon morgen 'im Ministerrat Gelegenheit haben, das zu sagen, was notwendig ist, und das wird dann über das Protokoll in eine schriftliche Form gegossen werden. Was da nicht zutage gefördert wird, wird über die Presse zutage gefördert werden, und dann ist es schriftlich und mündlich so dargebracht, wie es die Umstände erfordern.
Herr Dr. Gleissner!
Herr Bundesminister, glauben Sie, daß die Bundesregierung angesichts der Unruhe, die in der Landwirtschaft nun einmal entstanden ist, nicht gut beraten wäre, wenn sie neben den Verhandlungen im Ministerrat auch von sich aus noch eine deutliche Meinungsäußerung an die Adresse Brüssel gäbe?
Herr Kollege, die Bundesregierung versäumt es niemals, in Brüssel deutliche Meinungsäußerungen abzugeben, wenn das notwendig ist. Das ist schon einmal hier geschehen, und zwar sehr früh, als die Vorstellungen des Vizepräsidenten Mansholt dem Allgemeinen Rat bekanntgegeben wurden. Dies wird sich morgen in der Form wiederholen, die dafür notwendig ist. Im übrigen glaube ich, daß sich diese Unruhe inzwischen etwas gelegt hat, nachdem klargestellt worden ist, daß der Ministerrat entscheidet und daß es sich nicht einmal um Vorschläge, sondern nur um Vorstellungen handelt.
Herr Westphal!
Herr Minister, fürchten nicht auch Sie, daß wir uns eventuell in der Debatte über die Agrarstruktur in eine unzutreffende Alternative - hie europäische Agrarstrukturpolitik, hie nationale Agrarstrukturpolitik - verrennen und dabei übersehen, daß es denkbar und möglich ist, daß eine solche Politik sowohl eine europäische als auch eine nationale Komponente haben könnte?
Ich bin nicht ängstlich.
Wir kommen zu den nächsten Fragen.
Ich möchte gern die beiden folgenden Fragen im Zusammenhang beantworten.
Dann rufe ich die Fragen 68 und 69 des Herrn Abgeordneten Peters ({0}) auf:
Wird die Bundesregierung im EWG-Ministerrat den Kommissionsvorschlag ({1}) ablehnen, nachdem die Finanzmittel im EWG-Agrarfonds für die Abteilung Ausrichtung ({2}) im Laufe der nächsten Jahre von 1 Milliarde DM auf 6 Milliarden DM erhöht und die Mittel für die Abteilung Garantie
. ({3}) von ca. 8 Milliarden DM auf 3 Milliarden DM vermindert werden sollen?
Hält die Bundesregierung eine starke Verminderung der Finanzmittel der Abteilung Garantie ({4}) des EWG-Agrarfonds für durchführbar, ohne einschneidende Folgen im landwirtschaftlichen Marktordnungswesen der Gemeinschaft hervorzurufen?
Die Kommission erwartet in ihren Vorstellungen nicht „im Laufe der nächsten Jahre", sondern erst ab 1980 eine, wie sie es ausdrückt, „bessere Verteilung der öffentlichen Ausgaben für Marktinterventionen und Strukturmaßnahmen". Hierdurch sollen sich die Ausgaben insgesamt auf zirka 8 Milliarden DM verringern; der geringere Teil, nämlich die in der Frage erwähnten 3 Milliarden DM, wäre dann für Marktinterventionen nach diesen Vorstellungen notwendig. In der Zwischenzeit sollen als Voraussetzung für diese Senkung Produktions- und Marktstruktur einschneidend geändert werden. Das würde nach den Vorstellungen der Kommission ab 1970 jährliche Ausgaben von durchschnittlich 10 Milliarden DM allein für Strukturmaßnahmen erfordern, ohne daß sich die Ausgaben für die Marktintervention in diesem Zeitabschnitt schon wesentlich verringern. Es handelt sich, wie gesagt, um Globalschätzungen der Kommission, deren Berechnungsgrundlage mir noch nicht bekannt ist.
Vor jeder Beschlußfassung wird die Bundesregierung präzise Darlegungen über Umfang und Kosten der Kommissionsvorstellungen inklusive der Berechnungsgrundlagen verlangen. Sie wird keiner Regelung zustimmen, die Ihre Bedenken, Herr Kollege, rechtfertigen könnte.
Herr Peters!
Herr Minister, hat die Bundesregierung schon konkrete Beschlüsse gePeters ({0})
faßt oder liegen genaue Vorstellungen der einzelnen betroffenen Ressorts vor, wie nach 1970, wenn die jetzige Regelung für den Agrarfonds ausläuft und eine neue beschlossen werden soll, die Regelung für die Abteilung Garantie und für die Abteilung Ausrichtung dann in etwa aussehen wird?
Die Bundesregierung wird solche Vorschläge entwickeln, wenn Vorschläge der Kommission vorliegen, die ja zunächst das Verfahren einleiten.
Herr Peters!
Herr Minister, hat die Bundesregierung, wenn eine Verstärkung der Strukturmittel über die EWG finanziert würde, Berechnungen angestellt, wie die Rückflüsse in die einzelnen Mitgliedstaaten bei wesentlicher Erhöhung des Teils für die Struktur in etwa sein würden?
Von verstärkten gemeinsamen Strukturmitteln kann noch gar nicht die Rede sein. Bei allen bisherigen Gemeinschaftsaufgaben, die dem Wesen nach einen ähnlichen Charakter haben, hat die Bundesregierung scharf darauf gesehen, daß in der sogenannten wohlabgewogenen Verteilung die Rückflüsse aus dem zweiten Teil des Kontos in gleichem Umfang in die Bundesrepublik zurückkommen wie die Einzahlungen. Das ist im großen und ganzen bisher auch einzuhalten gewesen.
Herr Peters!
Herr Bundesminister, teilt die Bundesregierung in bezug auf die Preisvorstellungen der EWG die Auffassung, daß sich bei einem starken Heranziehen des Futtergetreidepreises an den Weichweizenpreis auch für den Fonds günstigere Aspekte ergeben würden?
Die Bundesregierung teilt diese Meinung.
Herr Peters!
Herr Bundesminister, wie steht die Bundesregierung zu den Vorschlägen von Herrn Vizepräsident Mansholt, grundlegend neue Preisvorstellungen bei Milch, Milcherzeugnissen und Trockenmilch einzuführen? Hält die Bundesregierung diese Vorschläge für durchführbar und tragbar für die europäische Landwirtschaft?
Die Bundesregierung wird sich rechtzeitig dazu äußern, wenn Vorschläge der Kommission vorliegen. Die Veränderungen der Bewertung von Eiweiß und tierischem Fett werden von der Bundesregierung zur Zeit genau und gründlich geprüft.
Herr Dr. Gleissner!
Herr Bundesminister, wieso sollen die Strukturmittel der EWG erhöht werden, nachdem Sie selbst in einer Fragestunde vor Weihnachten gesagt haben, die Brüsseler Kommission sei für Strukturpolitik nicht zuständig?
Ich habe doch gerade erklärt, daß gar keine Rede davon sein kann, daß die Gemeinschaft über größere Strukturmittel verfügen werde. Das habe ich soeben erklärt. Ich habe dies im übrigen auch schon zu der Dringlichen Anfrage der Opposition zum Ausdruck gebracht.
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für gesamtdeutsche Fragen. Zur Beantwortung ist der Herr Staatssekretär Dr. Wetzel anwesend. Die Fragen stellt der Abgeordnete Dr. Marx ({0}). Es sind insgesamt drei. Ich nehme an, sie können in einem Zuge beantwortet werden.
({1})
- Dann rufe ich die Fragen 4, 5 und 6 des Abgeordneten Dr. Marx ({2}) auf:
Wie viele Jugendliche sind seit der Okkupation der CSSR von Gerichten der Sowjetzone wegen Sympathiebeweisen für die legale tschechoslowakische Staatsführung bestraft worden?
Wie sind die Urteile begründet worden? Wie hoch waren die Strafen?
Der Bundesregierung sind insgesamt 20 Fälle namentlich bekanntgeworden, in denen Personen wegen ihrer Kritik an der Besetzung der CSSR durch Truppen des Warschauer Paktes im anderen Teil Deutschlands inhaftiert oder verurteilt worden sind. Von diesen 20 Personen waren 11 Jugendliche. Bei einem der 11 Jugendlichen ist das Ergebnis des Strafverfahrens noch nicht bekannt. Gegen einen Sechzehnjährigen wurden jugenderzieherische Maßnahmen angeordnet, deren Einzelheiten ebenfalls nicht bekannt sind.
Gegen die übrigen Jugendlichen sind Freiheitsstrafen von einem Jahr bis zu zwei Jahren und drei Monaten verhängt worden. Fünf Jugendlichen, die zu Freiheitsstrafen veurteilt worden waren, ist Strafaussetzung zur Bewährung zugebilligt worden, so daß nach unseren Erkenntnissen zur Zeit vier Jugendliche ihre Freiheitsstrafe verbüßen. Es ist jedoch wahrscheinlich, daß im anderen Teil Deutschlands noch weitere Personen aus gleichem Anlaß verurteilt worden sind, worüber der Bundesregierung jedoch keine Informationen vorliegen. Die Ur11206
teile sind, wie das in solchen Fällen charakteristisch ist, nicht veröffentlicht worden, so daß es für die Bundesregierung sehr schwer ist, genaue Informationen über die hier in Rede stehenden Strafverfahren zu erhalten. In einem der uns bekanntgewordenen Fälle ist die Verurteilung eines Erwachsenen auf § 106 des Strafgesetzbuches der DDR gestützt worden, wonach mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu fünf Jahren bestraft wird, wer - so wörtlich - mit dem Ziel, die sozialistische Staatsoder Gesellschaftsordnung der DDR zu schädigen oder gegen sie aufzuwiegeln, die Tätigkeit staatlicher oder gesellschaftlicher Organe und Einrichtungen diskriminiert. Es ist zu vermuten, daß auch die anderen Verurteilungen auf diese Norm gestützt worden sind.
Herr Dr. Marx!
Herr Staatssekretär, da Sie gerade den § 106 genannt haben, der eigentlich einen eindeutigen Text hat, darf ich fragen: Inwieweit ist es Ihrer Auffassung nach möglich gewesen, das Sympathiebezeugungen für die kommunistischen Führer wie etwa Dubcek, Cernik und Svoboda, die heute noch offiziell von den Organen Ost-Berlins als führende Persönlichkeiten der Tschechoslowakei angesehen werden, als „Vergehen und Verbrechen gegen den Sozialismus" gebrandmarkt und daher bestraft worden sind?
Sympathiebezeugungen wie z. B. der Sprechchor „eins, zwei, drei - Dubcek frei" sind offensichtlich als Delikte der, wie es sich nennt, staatsfeindlichen Hetze nach jenem § 106 des DDR-Strafgesetzbuches, den ich zitierte, behandelt worden, nicht zuletzt mit Rücksicht auf die Beteiligung der NVA an der Besetzung der CSSR.
Herr Dr. Marx!
Herr Staatssekretär, wie werden eigentlich im Machtbereich der Ost-Berliner Regierung diejenigen, die abweichende politische Meinungen offen äußern, vor Gericht behandelt, und wie werden die gegen diese Personen angestrengten Verfahren und ausgesprochenen Urteile der Öffentlichkeit bekanntgemacht? Ich frage deshalb, weil Sie auch in Ihrer Antwort darauf hingewiesen haben, daß es der Bundesregierung sehr schwer ist, verläßliche Zahlen zu bekommen, da sich ein großer Teil dieser Prozesse als Geheimverfahren abwickeln.
Die Verfahren wickeln sich ab nach der - so wie das neue Strafgesetzbuch - am 1. Juli 1968 in Kraft getretenen neuen DDR-Strafprozeßordnung. Ich nehme an, daß Sie die Frage der Öffentlichkeit des Verfahrens besonders interessiert. Ich darf den § 212 dieser Strafprozeßordnung zitieren:
Die Verhandlung über die Ausschließung der Öffentlichkeit findet in nichtöffentlicher Sitzung statt, wenn ein Beteiligter
- d. h. beispielsweise der Staatsanwalt es beantragt oder das Gericht es für begründet erachtet.
Mit anderen Worten, jeder Prozeß kann durch einfachen Antrag des Staatsanwalts unter Ausschluß der Öffentlichkeit abgewickelt werden. Manche Verurteilungen aus politischen Gründen werden bekannt, wenn es sich um Schauprozesse handelt. Von anderen politischen Urteilen erfahren wir, wenn sie, ohne namentliche Nennung des Angeklagten, beispielsweise in juristischen Fachzeitschriften veröffentlicht werden. So wurde z. B. in der Zeitschrift „Neue Justiz" ein Urteil des Obersten Gerichts der DDR vom 1. August veröffentlicht, durch das jemand wegen des in dem neuen Strafgesetzbuch erstmals eingeführten Tatbestandes des landesverräterischen Treuebruchs bestraft worden ist. Der Verurteilte hatte nach seiner Flucht aus dem anderen Teil Deutschlands den Fluchtweg dem Untersuchungsausschuß freiheitlicher Juristen in West-Berlin mitgeteilt. Die überwiegende Mehrheit der politischen Verurteilungen im anderen Teil Deutschlands wird jedoch nicht veröffentlicht.
({0})
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, in diesem Zusammenhang möchte ich fragen: Wie kann man die sehr differierenden Zahlen erklären, die über politische Prozesse und Urteile bekanntwerden und die erst im Laufe der Zeit - ich nenne z. B. das Jahr 1967 - zu uns herüberdringen?
Weil diese Verurteilungen nicht veröffentlicht werden, erfahren wir erst verhältnismäßig spät von ihnen. Als Beispiel darf ich erwähnen, daß uns für das Jahr 1967 zunächst 327 Verurteilungen aus politischen Gründen bekanntgeworden waren, daß diese Zahl sich jedoch inzwischen auf 695 Urteile erhöht hat.
Eine weitere Zusatzfrage.
Ist es Ihnen möglich, zu sagen, in welcher Weise die Angeklagten und Verurteilten von ihrem selbst in der neuen Verfassung der „DDR" garantierten Recht der Meinungsfreiheit in diesen hier angesprochenen Fällen Gebrauch gemacht haben?
Wenn ich diese Frage überhaupt juristisch behandeln kann, muß ich den Art. 27 der neuen Verfassung der DDR
zitieren. Danach hat jeder Bürger der Deutschen Demokratischen Republik das Recht, den „Grundsätzen dieser Verfassung gemäß" seine Meinung frei und öffentlich zu äußern.
({0})
Man muß dazu den Art. 1 der DDR-Verfassung lesen. Danach ist die Deutsche Demokratische Republik die politische Organisation der Werktätigen, die gemeinsam unter Führung ihrer marxistischleninistischen Partei den Sozialismus verwirklichen. Das heißt also: Meinungsfreiheit nur im Rahmen des in der DDR maßgebenden Regimes. Das wäre auch dann richtig, wenn ich diese Artikel nicht zitiert hätte. Mit anderen Worten, der Begriff Meinungsfreiheit nach unseren Denkkategorien ist dort nicht anwendbar.
Präsident D. Dr. Gerstenmaier Eine weitere Frage.
Herr Staatssekretär, wären Sie bereit, gelegentlich die Frage zu untersuchen - und darüber vielleicht etwas zu veröffentlichen -, ob es einen inneren Zusammenhang gibt zwischen den Verhaftungen von jugendlichen Arbeitern und Intellektuellen in dem hier in Rede stehenden Zusammenhang und den beiden Reden, die Ulbricht und Gysi bei der 13. Tagung des Staatsrates gehalten haben, wo Ulbricht gesagt hat, daß eine Reihe von Intellektuellen eine „ideologische Koexistenzbereitschaft" gezeigt hätten, und dies sei die Grundlage für die Verwirrung im Bereiche des proletarischen Internationalismus?
Diese Frage ist durchaus eine zu untersuchende Thematik. Sie bedarf einer Analyse.
Keine weitere Zusatzfrage. Die Fragestunde ist beendet.
Ich rufe den Punkt 2 der Tagesordnung auf:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Verteidigungsausschusses ({0}) über den Jahresbericht 1967 des Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages
- Drucksachen V/2948, V/3422 - Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Klepsch
Ich frage zunächst den Herrn Abgeordneten Dr. Klepsch, ob er als Berichterstatter das Wort wünscht.
({1})
- Nicht als Berichterstatter. Er bekommt dann nachher als Sprecher seiner Fraktion das Wort.
Ich frage Sie, Herr Wehrbeauftragter, ob Sie den Wunsch haben, Ihren Schriftlichen Bericht hier vor dem Hause jetzt oder später mündlich noch zu ergänzen.
({2})
- Im Laufe der Debatte. - Gut, das Haus ist damit einverstanden.
Ich eröffne die Aussprache zu diesem Bericht. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Klepsch.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ganz sicher ist es zu begrüßen, daß es uns gelungen ist, in der ersten Sitzung des neuen Jahres den Bericht des Wehrbeauftragten für das Jahr 1967 zu behandeln. Wir wissen wohl, daß es die vielen dringenden Gesetzgebungsarbeiten gegen Ende des vergangenen Jahres verhinderten, daß wir uns noch im zurückliegenden Jahr mit diesem Bericht auseinandersetzen konnten. Um so mehr freuen wir uns, daß das heute möglich ist, wenn auch unsere Freude etwas durch den Wermutstropfen getrübt ist, daß wegen der Vorbereitung der Ministerratstagung der Minister für Verteidigung nicht persönlich hier anwesend sein kann; wir verstehen das. Freilich wären vielleicht etwas später glücklichere Umstände gegeben gewesen; doch wir wollten keine weitere Verschiebung dieser Debatte in Kauf nehmen.
Meine Damen und Herren! Der Bericht des Wehrbeauftragten gibt uns einen guten Überblick über die Bundeswehr und die Lage der Bundeswehr. Ich würde sogar soweit gehen, zu sagen, daß manche Probleme, die im zurückliegenden Jahr vor unser Blickfeld getreten sind, von dem Herrn Wehrbeauftragten in seinem Bericht schon sehr klar angedeutet und gewissermaßen vorausschauend betrachtet worden sind.
Ich darf an dieser Stelle begrüßen, daß der Wehrbeauftragte die Zahl seiner Truppenbesuche außerordentlich erhöht hat. Wir freuen uns, daß es ihm möglich gewesen ist, die Schwerpunkte zu setzen, die wir von ihm in diesem Bericht erwartet haben. Wir freuen uns insbesondere, daß er dem Wunsche des Verteidigungsausschusses Rechnung getragen hat, zum Fragenkomplex Innere Führung aus der Sicht des Wehrbeauftragten Stellung zu nehmen.
Die von ihm aufgezeigten Probleme sind durchaus so schwerwiegend, daß die heutige Aussprache einige Akzente für sie setzen sollte. Denn ich glaube, daß wir bei einer ganzen Reihe von Fragen nicht in einer Sitzung und auch nicht in wenigen Wochen die Aufgaben lösen können, die hier angesprochen worden sind.
Erlauben Sie mir, aus dem großen Kreis der berührten Fragen einige herauszugreifen, von denen ich meine, daß sie unserer besonderen Aufmerksamkeit bedürfen. Die Bundeswehr ist eine Verteidigungsarmee, eine Armee der Friedenssicherung. Das ist eine Position, die man nicht klar genug ansprechen kann. Eine solche Armee kann in der heutigen Lage ihre Aufgabe nur erfüllen, wenn drei Voraussetzungen gegeben sind. Die eine Voraussetzung ist, daß wir uns in einer Allianz befinden, die es möglich macht, daß die Bundeswehr - vereint mit anderen - angesichts der potentiellen Bedrohung ihre Aufgabe meistern kann.
Das zweite ist, daß die Bundeswehr ausreichend ausgebildet und ausgerüstet sein muß.
Zum dritten glaube ich - und das ist nicht das Unwichtigste, sondern eigentlich vielleicht das Bedeutungsvollste -, daß die Bundeswehr ihren Dienst für Staat und Volk nur dann leisten kann, wenn dieser Staat und dieses Volk seine Ordnung verteidigt sehen will.
({0})
Wir müssen heute erkennen, daß die staatsbürgerliche Pflicht des Wehrdienstes, die gerade im Interesse der Erhaltung von Frieden und Freiheit für die Gemeinschaft erfüllt werden muß, nicht so recht gewürdigt wird, vor allen Dingen nicht in unserer öffentlichen Meinung. Der verstorbene amerikanische Präsident Kennedy hat einmal ein Wort gesprochen, das, glaube ich, für uns alle nacheifernswürdig ist. Er sagte: „Fragt nicht immer, was euer Land für euch tun kann und tun wird, fragt mehr, was ihr für euer Land tun könnt!"
({1})
Dieser Punkt ist angesprochen, wenn wir uns mit
dem Ableisten der Wehrpflicht auseinandersetzen.
({2})
Aber lassen Sie mich zuvor sagen: der Bundeswehr muß aus den breiten Schichten dieses Volkes, die sie schützen soll und will, viel mehr Vertrauen, Ermutigung und Anerkennung entgegengebracht werden an Stelle von vielerorts spürbarem Mißtrauen, Argwohn und kritischem Abstand. Die Bundeswehr ist ein Teil dieser Gesellschaft, ein Teil unserer Staatsorgane, der in die demokratische Staats- und Gesellschaftsordnung ganz selbstverständlich eingefügt ist. Wir wollen keine Über-, aber auch keine Unterbewertung der Leistung, die von der Bundeswehr erbracht wird. Verglichen mit anderen, muß diese Pflicht unter härtesten Bedingungen, bei eingeschränkter Freiheit - der Soldat verfügt darüber nicht wie im normalen Status - erfüllt werden. Wir müssen den Soldaten als verantwortungsbewußten Bürger anerkennen und achten, der unter Verzicht auf die Wahrnehmung uneingeschränkter Freiheit im Rahmen unseres Grundgesetzes unter erschwerten Dienst- und Berufsbedingungen, unter vielfältigen besonderen Belastungen dem Gemeinsamen und Ganzen dient.
Wer immer nach dem inneren Einsatzwert und der geistig-moralischen Kampfkraft der Bundeswehr fragt - nach der sogenannten Moral der Truppe -, der sollte dabei das Prinzip der kommunizierenden Röhren bedenken. Ich meine, daß unsere Bundeswehr auch in den zurückliegenden Monaten in mancher Weise deutlich gemacht hat, wie bereitwillig sie die ihr übertragenen Verpflichtungen erfüllt. Denken Sie etwa an die Zeit nach dem 21. August, als die Bundeswehr ganz selbstverständlich die Mehrinanspruchnahme durch die wegfallenden Sonntagsfreizeiten ohne Murren in Kauf genommen hat, weil es im Sinne der Notwendigkeit der Sicherung der Grund- und Freiheitsrechte erforderlich war. Ich meine, daß das Leben in der Bundeswehr - und das drückt der Bericht des Wehrbeauftragten auch aus -, ihre Geisteshaltung, ihre Bewußtseinslage, ihr Leistungswille und ihre Opferbereitschaft immer nur eine Widerspiegelung der inneren Verfassung unseres Gesamtvolkes sein werden und auch sein dürfen, wenn wir sie, wie wir es tun, als einen harmonisch sich einfügenden Teil der ganzen gesellschaftlichen und staatlichen Ordnung sehen. Daher möchte ich an dieser Stelle auch einmal namens meiner Fraktion, was sonst selten geschieht, ganz nachdrücklich meine Anerkennung für die Wehrpflichtigen, die ihrem Dienst sorgfältig, diszipliniert und pflichtbewußt nachkommen, ausdrücken.
({3})
Diese Wehrpflichtigen tragen ganz wesentlich dazu bei, daß die Friedenssicherung gewährleistet ist und gewährleistet bleibt.
Ich möchte an dieser Stelle auch sagen, daß es notwendig ist, die Informationspolitik, so umfassend sie betrieben werden mag, gerade über diese Aufgaben weiter zu verbessern. Wir sollten uns allerdings alle fragen, in welcher Weise wir dazu beitragen können, den Kreis möglicher Mißverständnisse, Mißhelligkeiten und Schwierigkeiten einzuschränken.
Ich will an dieser Stelle auch einmal ganz offen sagen, daß wir uns in bezug auf Fragen in der Fragestunde überlegen sollten, ob die Fragestunde der richtige Platz ist, einen falschen oder vermeintlich falschen Zungenschlag bei irgendeinem Informationslehrgang oder bei irgendeinem Bericht oder einer Diskussion einer Gruppe zum Gegenstand einer Art hochnotpeinlichen Untersuchung zu machen.
({4})
Verehrte Freunde, ich glaube, das ist nicht der richtige Platz. Wir haben ganz andere Gremien und Organe, die zur Aufhellung möglicher ahndenswerter Sachverhalte dienen können.
Verehrte Freunde, ich glaube, das dringendste Problem, mit dem wir uns auseinandersetzen müssen, ist das der Wehrgerechtigkeit. Der Bundestag hatte im zurückliegenden Jahr eine gemischte Kommission - ein Novum in dieser Parlamentsarbeit - eingesetzt, die sich dieser Frage annahm und die meines Erachtens ein ganz vorzügliches Arbeitsergebnis vorgelegt hat. Wir freuen uns, daß wir die Zusicherung haben, daß der Bundesminister der Verteidigung noch im Laufe dieses Monats zu dem großen Paket von Fragen, die in dem sorgfältigen Bericht der Kommission angesprochen worden sind, Stellung nehmen wird. Wir halten diese Frage für außerordentlich eilbedürftig. Wir sind aber auch der Meinung, daß man diesen Fragenkomplex „Wehrgerechtigkeit" im ganzen Paket diskutieren sollte und in die öffentliche Diskussion nicht - aus dem Zusammenhang gerissen - die eine oder andere vermeintliche Wahlrosine einbringen sollte.
Ich möchte damit ganz ausdrücklich zu den in den letzten Tagen in der Publizistik aufgetauchten Berichten über die Verkürzung der Wehrdienstzeit auf 15 Monate oder die Einführung einer gleitenden Wehrdienstzeit Stellung nehmen. Hier möchte ich ganz nachdrücklich hervorheben, daß der Gedanke
an und für sich auch in diesem Parlament gar nichts Neues ist. Mein Kollege Ernesti hat erst in der Debatte vom 4. April des zurückliegenden Jahres diesen Fragenkomplex für unsere Fraktion angesprochen. Auch die Kommission hat sehr einmütig, wie sie auch den sonstigen Bericht verabschiedete, zu dieser Frage Stellung genommen. Allerdings muß man sehen, daß es sich dabei um einen Bestandteil handelte, der an Voraussetzungen geknüpft war. Das muß man korrekterweise hinzufügen.
({5})
Niemand hier in diesem Saale, soweit er den Bericht der Kommission ernst genommen und gebilligt hat, hat gegen diese Tendenz etwas einzuwenden, aber wir gingen alle davon aus - und ich hoffe, daß das nicht nur damals so war -, daß es natürlich notwendig ist, die Bündnisverpflichtungen im vollen Umfang aufrechtzuerhalten und die Voraussetzung, von der diese Kommission ausging, nämlich die erhebliche Steigerung des Anteils der längerdienenden Soldaten bis auf einen Prozentsatz von 65 %, meine verehrten Kolleginnen und Kollegen, vorher erfüllt zu sehen. Ansonsten handelt es sich ja um eine Ankündigung, von der jedermann weiß, daß sie in absehbarer Zeit, solange diese Voraussetzung nicht erfüllt ist, ohne schwerwiegende Beeinträchtigung der Sicherheit und der Funktionstüchtigkeit der Bundeswehr nicht eingelöst werden kann.
Wir Christlichen Demokraten möchten ganz deutlich zum Ausdruck bringen, daß es uns nicht darum geht, eine möglichst lange Wehrdienstzeit zu haben, sondern daß es für uns darum geht, dafür Sorge zu tragen, daß diese Voraussetzungen auch erfüllt werden. Damit im Zusammenhang muß man sehen, daß es sich nur um einen Teil der Lösung des Problems der Wehrgerechtigkeit handelt. Wir alle - wir stellen betrübt fest, daß die Bundeswehr nicht in der Lage ist, alle Wehrpflichtigen aufzunehmen - stehen seit, ich würde sagen, zwei Jahren in der Diskussion über die Lösung dieser Frage. Der Vorschlag der Kommission, der eine kombinierte Lösung vorsah, ist unseres Erachtens ein sehr glücklicher Ausgangspunkt für die Diskussion und ein sehr gutes Arbeitsergebnis. Wir wollen durchaus, daß möglichst alle Wehrpflichtigen herangezogen werden, daß dazu die Einführung eines verkürzten Grundwehrdienstes, der Einsatz von Wehrpflichtigen auf frei werdenden Dienstposten für Zivilpersonal in den Streitkräften, der Einsatz von Wehrpflichtigen im Bundesgrenzschutz und im Zivilschutzkorps sowie auf freiwilliger Basis im Polizeivollzugsdienst und im erweiterten Katastrophenschutz Platz greift. Da wir ja aber alle wissen, daß auch das dann noch nicht ausreichen wird, um die Zahl der dann noch übrigbleibenden Wehrpflichtigen abzuschöpfen, wird sich im Sinne der Gleichbehandlung, der möglichst gleichen Heranziehung aller zu den Pflichten, durchaus die Frage stellen, ob die darüber hinaus nicht einberufenen Wehrpflichtigen - mit Ausnahme derer, die nach § 9 des Wehrpflichtgesetzes dauernd untauglich sind - mit einer Abgabe besonderer Art belastet werden sollen. Ich glaube, daß es nicht mehr als recht und billig ist, wenn wir das in die Diskussion einbeziehen.
Die Voraussetzungen, die wir hier zu erfüllen haben, sehen Sie natürlich in erster Linie in der Schließung der Lücke im Personalbestand der Unteroffiziere, der längerdienenden Soldaten. Mein Kollege Ernesti wird zu dem Bündel von Fragen, die damit zusammenhängen, einiges sagen. Ich möchte hier nur eines ganz klar sagen: Wir können auf keinen Fall daran denken, die Lücke im Unteroffizierskorps dadurch zu schließen, daß wir die Anforderungen senken. Das hat sich noch nie gelohnt. Wir müssen eher davon ausgehen, daß es in dieser Leistungsgesellschaft darauf ankommt, die Leistungen noch anzuheben; denn das ist ganz entscheidend für Geltung, Ansehen und Position in unserer Leistungsgesellschaft. Wir möchten aber auch sagen, daß es notwendig ist, in verstärktem Maße - der Bericht des Wehrbeauftragten bringt das auch zum Ausdruck - auf das Verhältnis Offizier-Unteroffizier zu achten, auf die Anerkennung der Leistungen des Unteroffizierskorps im Dienst.
Ich möchte sagen, der Bericht des Wehrbeauftragten hat in erfreulicher Weise deutlich gemacht, daß diese in Deutschland erstmals auf der allgemeinen Wehrpflicht aufgebaute Armee der Demokratie unter dem gesetzlich vorgeschriebenen Leitbild des Staatsbürgers in Uniform, das für den Erziehungsauftrag der Bundeswehr verbindlich ist, gerade im Hinblick auf die Wehrpflichtigen, wie alle Untersuchungen ergeben haben, gute Arbeit geleistet hat. Wir können heute unwidersprochen die Feststellung treffen, daß die ungedienten Wehrpflichtigen meist nicht das staatsbürgerliche Bewußtsein der von ihnen getrennt befragten Jahrgangskameraden, die ihre Wehrpflicht abgeleistet haben, besitzen. Wir können auch unwidersprochen feststellen, daß in aller Regel beim Wehrdienst ein positiver Meinungsumschwung in bezug auf Staat und Demokratie eintritt.
Nun wäre es nicht richtig, würde ich mich davor drücken, ein paar Worte, und zwar ein paar sehr nachdrückliche Worte, zu zwei Fragenkomplexen zu sagen, die uns alle quälen, weil sie uns deutlich machen, wieviel noch zu tun bleibt, um diesen Staat in jeder Lage zur Selbstbehauptung zu qualifizieren. Das eine ist, daß wir uns sehr viel mehr als mit dem Wehrdienst und den honorigen Leistungen, die die Wehrpflichtigen erbringen, mit dem Recht auf Kriegsdienst- oder Wehrdienstverweigerung auseinandersetzen, wie immer es hier in der Diskussion bezeichnet werden mag. Sie wissen, wie die offizielle Formulierung lautet. Wer den Kriegsdienst verweigert, verweigert natürlich auch den Wehrdienst; das liegt auf der Hand. Niemand wird die verfassungsmäßige Regelung zum Schutz der Gewissensfreiheit und der Gewissensentscheidung gemäß Art. 4 Abs. 3 und Art. 12 a des Grundgesetzes ändern oder einschränken wollen. Aber man muß sich vor Augen halten, daß der Wehrbeitrag der Kriegsverhinderung und der Friedenserhaltung dient und damit auch ein echter und wesentlicher Friedensdienst ist.
Wir müssen uns auch damit auseinandersetzen, daß die Duldung von willkürlichen Verweigerungen von uns nicht hingenommen werden kann, weil
das gegenüber jenen ungerecht wäre, die aus gewissenhafter Verantwortung ihre Gemeinwohlverpflichtung erfüllen.
({6})
Angesichts der Sicherheitslage unseres Volkes und Staates muß die allgemeine Wehrpflicht bestehenbleiben. So lange aber ist die Pflichterfüllung das Normale und ihre Verweigerung die Ausnahme. Dem Wehrdienstverweigerer muß im Namen der Gerechtigkeit und der Gleichheit aber auch dieselbe Belastung zugemutet und auferlegt werden wie demjenigen, der den Wehrdienst erfüllt. Das gilt für den vollen Umfang der Last, die der Wehrpflichtige für den Lauf seines Lebens auf sich zu nehmen hat. Deshalb müssen Wehrpflichtverweigerer konsequent einem Ersatzdienst mit gleicher Belastung zugeführt werden. Es ist dafür Sorge zu tragen, daß die Ersatzdienstorganisation personell und materiell so ausgestattet ist oder wird, daß alle anerkannten oder verfügbaren Wehrdienstverweigerer den Ersatzdienst ableisten und, soweit es sich um Soldaten handeln sollte, nahtlos in den Ersatzdienst übergeführt werden.
Ich glaube, daß man an dieser Stelle auch sagen sollte, daß die Praxis in der Truppe diesen Erfordernissen angepaßt werden sollte. Die Personen, Institutionen oder Organisationen, die jungen Bürgern im Hinblick auf das Recht der Kriegsdienstverweigerung Beistand leisten, müssen sich ihrer Gemeinwohlverantwortung bewußt sein und bleiben. Auch diese Organisationen haben zu bedenken, daß das Gewissen als personengebundene Größe ihrem Wesen nach keine Organisierung und Manipulierung zulassen sollte.
({7})
Zu dieser Frage werden die beiden Koalitionsfraktionen einen Entschließungsantrag einbringen, den ich hiermit ankündigen möchte.
Es ist schwer zu ertragen, daß man sich heute in der Aussprache des öfteren dem Begriff des organisierten Gewissens in der öffentlichen Meinung gegenübergestellt sieht. Wir sollten uns auch fragen, ob der Propagandaaufwand, der für das Recht auf Kriegsdienstverweigerung oder auf Wehrdienstverweigerung Platz greift, im rechten Maße zu dieser Fragestellung steht. Ich würde es z. B. für nicht ganz gut halten, wenn es so sein sollte, daß im Ersten Deutschen Fernsehen vor dem Wassern der Appollo 8 ausgerechnet eine Sendung über Kriegsdienstverweigerung gebracht worden ist - zur besten Sendezeit, die zur Verfügung stehen kann.
Die Bundeswehr hat sich jedoch gegenüber großen Belastungen behauptet und bewährt. Sie kann aber auf die Dauer nur dann voll intakt bleiben, wenn Staat und Gesellschaft auch ihrerseits zu ihrer Funktionstüchtigkeit beitragen. Ich meine, daß wir uns ernsthaft mit der Frage des Einwirkens auf die Zersetzung der Bundeswehr und auf Aktionen gegen ihre Funktionstüchtigkeit auseinandersetzen müssen.
({8})
Die wesensgemäße Verpflichtung des Staates, seinen Bürgern Schutz vor Gewaltanwendung von innen und außen zu garantieren, duldet gerade in diesem Fall keine unangebrachte Nachsicht. Wenn und wo unsere Rechtsordnung bewußt und gewollt verletzt wird, muß der Rechtsbruch unverzüglich geahndet werden. Das muß schon mit Rücksicht auf unsere zum Dienst verpflichteten Soldaten gefordert werden. Diesen Soldaten werden Pflichtverletzungen und Disziplinarübertretungen nicht zugestanden; das kann auch nicht sein. Aber dann ist es nicht mehr als recht und billig, daß jene, die das Recht verletzen, in gleicher Schnelligkeit und Härte herangezogen werden.
({9})
Sie dürfen und werden nirgendwo für zweierlei Maß beim Recht Verständnis haben. Denen, die die Verunsicherung der Bundeswehr proklamieren oder gar praktizieren, muß eindeutig und schnell Einhalt geboten werden. Wer zur strafbaren Handlung auffordert oder aufwiegelt, muß von verantwortungsbewußten Bürgern oder Gruppen zur Anzeige gebracht und von den zuständigen Staatsorganen zur Rechenschaft gezogen werden. Sonst ist es unmöglich, diesen Staat funktionstüchtig zu halten.
Der Wehrbeauftragte hat gerade einen Punkt in seinem Bericht mit besonderer Deutlichkeit herausgearbeitet: das ist die Frage des Sanitätswesens. Gerade weil der Soldat die unentgeltliche truppenärztliche Versorgung, die sogenannte freie Heilfürsorge, hat und damit für ihn der wesentliche Faktor der freien Arztwahl entfällt, muß unser aller Bestreben sein, ihm eine optimale ärztliche Versorgung angedeihen zu lassen. Ich möchte an dieser Stelle ausdrücklich ,die große Leistung, die das Sanitätswesen der Bundeswehr unter den herrschenden widrigen Umständen erbringt, würdigen.
({10})
Aber auch die wehrpflichtigen Ärzte, die heute ihren Grundwehrdienst leisten, können die Lücke nicht schließen. Daher möchten wir folgende Forderungen erheben:
1. Es muß eine leistungsgerechte Dienstpostenbewertung für das gesamte Sanitätspersonal der Bundeswehr, Sanitätsoffiziere und -unteroffiziere wie Medizinalbeamte, unter Berücksichtigung der eigentümlichen Belastung vorgenommen werden.
2. Das Besoldungsgefüge muß durch strukturelle Besoldungsverbesserungen neu geordnet werden, wobei zu bedenken ist, daß Sonderhonorierungen für Leistungen im Rahmen des Dienstes und Einkünfte aus nebendienstlichen Tätigkeiten, wie sie im öffentlichen Gesundheitsdienst gegeben sind, auf Grund der besonderen Situation im militärischen Bereich den Sanitätsoffizieren nicht offenstehen.
3. Die aktive Sanitätsoffizierslaufbahn muß so umgestaltet werden, daß dem Sanitätsoffiziersanwärter unmittelbar im Anschluß an die Erlangung der Hochschulreife der Laufbahneinstieg ermöglicht wird, so daß ein frühzeitiges Hineinwachsen in seine zukünftigen Aufgaben als Arzt und Soldat gewährleistet ist.
4. Die Zahlung einer Weiterverpflichtungsprämie für wehrpflichtige approbierte Sanitätsoffiziere in Höhe von 4000 DM je Verpflichtungsjahr sollte eingeführt werden, vorausgesetzt, daß ihr Studium nicht aus öffentlichen Mitteln gefördert wurde. Die Zahlung der gleichen Prämie sollte für Ärzte, Zahnärzte und Apotheker vorgesehen werden, die sich freiwillig für eine entsprechende Zeit dem Sanitätsdienst der Bundeswehr zur Verfügung stellen.
Wir glauben, meine Damen und Herren, daß es nicht darauf ankommt, diesem Fragenkomplex durch Kleinstschritte zu Leibe zu rücken, sondern wir halten es für notwendig, hier große Schritte zu tun, um nicht eine lange schwärende Wunde, mit der wir uns immer wieder zu beschäftigen haben, zu erhalten.
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Meine Damen und Herren, wir haben bei dem Bericht des Wehrbeauftragten mit einer Fülle von Phänomenen Bekanntschaft gemacht, die es dem ganzen Hause sicher sinnvoll erscheinen lassen, die eingeführte Praxis fortzusetzen, neben dem Überund Durchblick auch die Chance zu erhalten, zu einigen ausgewählten Fragenkomplexen, die sich der Wehrbeauftragte besonders vorgenommen hat, eine gute Ubersicht zu gewinnen. Wir meinen, daß diese Praxis fortgesetzt werden sollte. Wir möchten aber auch sagen, daß dieser Bundestag, der sich wie in den letzten Monaten so auch in den kommenden Monaten mit einer Fülle von detaillierten Gesetzgebungswerken zur Besserung der Lage der Bundeswehr auseinandersetzen muß, die Einsicht zur Richtschnur seines Handelns machen muß, daß die Sicherheit dieses Staates entscheidend davon abhängig ist, ob die Bundeswehr den notwendigen Beitrag dazu leistet, daß Frieden und Freiheit unseres Volkes gewährleistet bleiben.
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Das Wort hat der Abgeordnete Buchstaller.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch die SPD-Fraktion begrüßt es, daß wir heute im Parlament Gelegenheit nehmen, den Jahresbericht 1967 des Wehrbeauftragten - wenn auch etwas verspätet, aber, wie ich hoffe, um so eingehender - zu diskutieren.
Auch der Jahresbericht 1967 trifft eine Reihe von Feststellungen und gibt Anregungen, Hinweise und Vorschläge für die Truppe. Der Herr Wehrbeauftragte hatte bereits Gelegenheit, im Verteidigungsausschuß den Bericht zu ergänzen, seine allgemein gehaltenen Feststellungen zu konkretisieren, Vorschläge zur Behebung der von ihm aufgezeigten Mißstände und Probleme zu machen und im schriftlichen Bericht nicht angeführte Fragen vorzutragen. Ich begrüße .es für unsere Bundestagsfraktion, daß er heute Gelegenheit haben wird, dasselbe noch einmal vor diesem Hohen Hause zu tun.
Einige Probleme ziehen sich wie ein roter Faden von Bericht zu Bericht. Darin liegt der größte Teil des Mißbehagens in der Truppe begründet, und darin begründet sich auch der Auftrag an uns, hier endlich konkrete Lösungen zu schaffen.
Ein wichtiges Teilgebiet, das auch von meinem Herrn Vorsprecher angeführt wurde, die Personalmisere in der Bundeswehr, ist bereits in der Regierungserklärung und in der Verteidigungsdebatte Ende des letzten Jahres hier vorgetragen und diskutiert worden: das Problem des Fehls an Unteroffizieren vor allen Dingen auch des Fehls an Sanitätsoffizieren und Fachärzten und die Schwierigkeiten hinsichtlich des Veterinärdienstes.
Der Wehrbeauftragte stimmt sicherlich meiner Feststellung zu, daß sich eine Reihe der von ihm angeschnittenen Probleme aus dieser Personalsituation erklären lassen, so Mängel am militärischen Dienst, an der soldatischen und technischen Ausbildung, ungenügende Dienstaufsicht, unzureichender staatsbürgerlicher Unterricht, Mängel bei der ärztlichen Betreuung und bei der Tätigkeit im Gesundheitsdienst der Bundeswehr.
Der Personalmangel ist auch die Grundursache für die ständige Überforderung der Vorgesetzten und Fachkräfte. Wir hoffen, daß in dieser Beziehung durch die Vorstellungen und Maßnahmen, die von diesem Hause zu beschließen sind, Abhilfe geschaffen werden kann. Hier geht es vor allen Dingen um die Verbesserung der Unteroffiziersbesoldung und -laufbahn und darüber hinaus um die Verbesserung der Besoldung und des Stellenkegels im Sanitätsund Veterinärbereich. Was zu diesen Fragen aus der Sicht der SPD-Fraktion zu sagen war, wurde von meinem Fraktionskollegen Detlef Haase anläßlich der Verteidigungsdebatte hier zum Ausdruck gebracht. Es bleibt zu hoffen, daß die vorgesehenen Verbesserungen bald in diesem Hause behandelt und verabschiedet werden. Die Sache verträgt es jedenfalls nicht, weiter auf die lange Bank geschoben zu werden.
Der Personalmangel, meine sehr verehrten Damen, meine Herren, ist aber nicht ausschließlich ein Problem der Besoldungs- und Laufbahnverbesserung. Viele Randerscheinungen versauern dem Zeit- und Berufssoldaten das Leben, veranlassen Zeitsoldaten, sich nicht weiter zu verpflichten, und veranlassen andere, gar nicht erst solche Verpflichtungen einzugehen; auf einige der Gründe hat der Herr Wehrbeauftragte bereits hingewiesen. Das sind u. a. die ungenügenden Unterkünfte in den Kasernen und die fehlenden Unteroffiziersheime. Ein außerordentlich wichtiges Problem ist, daß die ständig steigenden Mieten für Bundeswehrwohnungen tatsächlich jede Besoldungsverbesserung von vornherein auffressen. Mir sind Fälle von Bundeswehrwohnungsmieten bekannt, die sich im Laufe von fünf Jahren verdoppelt haben. Eine solche Steigerung kann auch durch eine spürbare Besoldungserhöhung niemals wieder eingeholt werden.
Weiter nenne ich die zu vielen Versetzungen mit den damit verbundenen Familienproblemen und den Problemen für die schulpflichtigen Kinder. Wir haben bei den Beratungen des Verteidigungshaushalts, Herr Staatssekretär, wiederholt geglaubt, die Umzugskostenhöhe würde sich im Rahmen der
Stabilisierung einmal erniedrigen. Aber wir haben auch im nächsten Haushalt wieder als Europas größtes Umzugsunternehmen rund 33,8 Millionen DM verzeichnet, nur um mit den ständigen Versetzungen auch in finanzieller Hinsicht fertig zu werden.
Wir haben es ferner mit der vom Herrn Wehrbeauftragten angeschnittenen Vorschriften- und Erlaßinflation zu tun, mit dem häufigen Wach-, Schicht- und Bereitschaftsdienst, der keine geregelte Freizeit zuläßt, nicht einmal - das muß festgestellt werden - die Freizeit, die Unteroffiziere und Offiziere benötigen, um sich auf die Lehrgänge und Prüfungen vorzubereiten.
Wenn in diesen Punkten - das muß uns klar sein - nicht Abhilfe geschaffen werden kann, wird die Verpflichtung für die Bundeswehr nie attraktiv werden können. Hier ist weniger die Bundeswehr als vielmehr der Gesetzgeber um Lösungen angesprochen.
Dazu kommt - um bei dem Begriff der Arbeitswelt zu bleiben - die Frage nach dem innerbetrieblichen Klima. Seit Jahren singt man das Lied vom braven - weil fehlenden - Unteroffizier. Aus vielerlei Erfahrungen stelle ich mir aber die Frage, ob sein Auftrag und seine Leistung in der Bundeswehr und für die Bundeswehr wirklich entsprechend anerkannt sind. Ich stelle mir auch die Frage, auf die der Herr Wehrbeauftragte hingewiesen hat: Sind Offiziere und Unterführer zu dem Partner oder - um den Begriff des Herrn Wehrbeauftragten zu gebrauchen - zu dem Team geworden, das eine hochtechnisierte, moderne Armee braucht? Ich mache kein Hehl daraus, daß ich dies aus meinen Erfahrungen und aus meiner Sicht leider bezweifeln muß. Man kann sich manchmal des Eindrucks nicht erwehren, daß sich seit den Tagen in Andernach, wo Offiziere und Unteroffiziere der Kriegsgeneration die ersten Kader der Bundeswehr bildeten, in dem Verhältnis zwischen Offizieren und Unteroffizieren manches nicht immer zum Besseren oder zum Guten verändert hat. Man hat das Gefühl, daß die Distanz größer, die Atmosphäre schlechter geworden ist. Das liegt oft nur an Förmlichkeiten. Aber gerade diese Förmlichkeiten sind dazu in der Lage, die Atmosphäre in der Bundeswehr auf dem Personalsektor zu belasten.
Lassen Sie mich nur ganz wenige Beispiele dafür anführen.
Ich persönlich, Herr Staatssekretär, halte die in der zentralen Dienstvorschrift geregelte Anrede für einen feudalen Zopf, der nicht mehr in unsere Zeit paßt. Ich glaube, in dieser Beziehung sollte dem Ministerium etwas Neues, Zeitgemäßeres einfallen.
Auch glaube ich, daß wir mit der Kasino-Ordnung teilweise in die Gefahr geraten, daß sich das Offizierskorps vom Unteroffizierskorps abkapselt. Was aber auch unsererseits, von der Politik her, erreicht werden kann, ist - und darauf haben wir zu achten -, daß in die gesellschaftliche Repräsentanz der Bundeswehr auch das Unteroffizierskorps einbezogen wird. Mit gelegentlichen Abkommandierungen von Unteroffizieren zu Ministergesprächen ist dieses gesellschaftspolitische Problem jedenfalls nicht gelöst.
Ich möchte sagen, Herr Wehrbeauftragter, daß das von Ihnen angesprochene Problem der Anerkennung des Unteroffiziers in unserer Gesellschaft bei der Bundeswehr selbst beginnt und dort so geregelt werden muß, daß auch in der Gesellschaft um Anerkennung für sie gerungen werden kann. Ohne eine solche gesellschaftspolitische Anerkennung, ohne eine zeitgemäße Zusammenarbeit der einzelnen Führungsgruppen in der Bundeswehr und ohne die Bereitschaft, dem Unteroffizier - den wichtigen Aufgaben und Anforderungen entsprechend - mehr Eigenverantwortung ,einzuräumen, wird die Personalmisere in der Bundeswehr nicht zu beheben sein.
Unter diesen Gesichtspunkten und nicht nur aus militärtechnischen Notwendigkeiten begrüßen wir die Einführung einer Offizierslaufbahn im militärfachlichen Dienst. Wir werden darauf achten müssen, daß dieser Sinn nicht durch Laufbahnverordnungen verwässert wird. Ich möchte für meine Fraktion hier feststellen, daß wir uns allen Versuchen widersetzen werden, zwischen den beiden Laufbahnen - der des Truppenoffiziers und der des Offiziers des militärfachlichen Dienstes - Wertungsunterschiede einzuschmuggeln.
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Das Verhältnis zur Bundeswehr, das Verhältnis des jungen Menschen, des Wehrpflichtigen zur Bundeswehr beginnt mit dem Eindruck der ersten Tage und mit dem Eindruck von den ersten Vorgesetzten. Ich unterstreiche deshalb die Feststellung des Herrn Wehrbeauftragten im Bericht 1967, daß gerade in die Ausbildungseinheiten erfahrene Chefs, Zug- und Gruppenführer gehören. Ausbilder wie im berüchtigten Falle Nagold oder wie im aktuellen Fall des Feldwebels Spitzer und des Unteroffiziers Müller der Ausbildungskompanie des Panzergrenadierbataillons in Wedel bringen das Unteroffizierskorps immer wieder - zwar als Verallgemeinerung zu Unrecht, aber immer wieder - in den Geruch des Schleifers Platzek. Solche Methoden und solche Einzelfälle verleiden nicht nur den untergebenen Soldaten das Soldatsein, sondern schaden dem Ansehen und dem Gehalt der Bundeswehr schlechthin.
Diese Fälle unterstreichen darüber hinaus die Notwendigkeit einer klaren Belehrung über Rechte und Pflichten und besonders auch über das Beschwerderecht in der Bundeswehr. Ich bin verwundert, Herr Wehrbeauftragter, über Ihre wiederholt vermerkten Hinweise darauf, daß Beschwerdeführer nach wie vor - Sie wiederholen das im Bericht - bei Beschwerdeführung Nachteile befürchten. Es scheint so zu sein, daß die Erfahrungen des Soldaten etwas anders sind, als das im § 2 der Wehrbeschwerdeordnung festgelegt ist. Im übrigen aber - ich hatte Sie danach gefragt - sind Ihnen selbst keine Fälle von Beschwerdeunterdrückung oder nachweisbarer Benachteiligung bekannt. Ich meine, daß das in der Belehrung über das Beschwerderecht deutlich gemacht werden muß.
Darüber hinaus gehört zur Dienstgestaltung eine klare Dienstplanfestlegung, eine vernünftige Einteilung des Wach-, Schicht- und Bereitschaftsdienstes auch für den Wehrpflichtigen, das Weglassen sinnloser Dienstgestaltung, wie sie im Bericht über einen Fall übertriebener Spindeordnung angeschnitten wurde, klare Befehlsführung, eine eindeutige Abgrenzung zwischen Befehlsgewalt und Privatsphäre und - was hier vor allen Dingen dieses Hohe Haus betrifft - eine uneingeschränkte Übernahme der Fürsorgeverpflichtungen für diesen unseren Soldaten und Wehrpflichtigen. Wir sollten uns keinesfalls dazu verleiten lassen, dem Wehrpflichtigen gegebene Zusagen im Laufe seiner Wehrpflicht 'rückgängig zu machen oder sie zu verschlechtern.
In das Kapitel der Sorge um den Wehrpflichtigen gehören außerdem der Wunsch nach Schaffung von mehr Soldatenheimen, das leidige Thema der vernünftigen Preise in den Kantinen, das wir immer wieder diskutieren und diskutiert haben, das Kantinenwesen schlechthin, die jetzt in Diskussion befindliche Absicht, den Wehrsold zu verbessern, die Erhöhung des Entlassungsgeldes, die positiven Regelungen für Wehrübende, Klarheit über die Unterhaltssicherung, praktische Möglichkeiten für den Wehrpflichtigen, seinen Einsatz in Heimatnähe und auf einem Gebiet zu leisten, wo die Verwendung der Fortbildung in seinem Beruf dient, keine Benachteiligung der gedienten Studienanwärter und auch - was immer wieder verzeichnet werden muß - keine Benachteiligung bei der Rückkehr in den Zivilberuf.
Wie der Herr Berichterstatter Dr. Klepsch bereits zu diesem Thema hinzufügte, kann man über Probleme der Wehrpflichtigen nicht diskutieren, ohne die Frage der Wehrgerechtigkeit mit einzubeziehen. Alle Verbesserungen, die wir vorhaben und die noch kommen werden, reichen sicherlich nicht aus, das zu beseitigen, was die dienenden Wehrpflichtigen als ungerecht empfinden und, wie ich glaube, zu Recht als ungerecht empfinden. Es geht ihnen nicht so sehr darum, daß sie dienen müssen, sondern darum, daß eine Großzahl ihrer Jahrgangskameraden zu Hause bleiben kann und, während sie dienen, verdient. Dieses Problem kann nicht ernst genug genommen werden. Ich möchte ebenfalls unterstreichen, Herr Kollege Dr. Klepsch, daß ein Weg gefunden werden muß, um entweder alle tauglich gemusterten Wehrpflichtigen zur Dienstleistung heranzuziehen oder zwischen denen, die Dienst leisten, und denen, die ihn nicht zu leisten brauchen, einen Ausgleich zu schaffen. Bei der Erörterung der verschiedensten Möglichkeiten müssen auch bisherige Tabus mit zur Diskussion gestellt werden. Auch Sie haben es angeschnitten: die Frage des gleitenden Wehrdienstes, die Frage der Beibehaltung einer generellen Wehrpflichtzeit wie die der 18 Monate und der Einsatz von Wehrpflichtigen auf frei werdenden zivilen Dienstposten. Dazu gehört auch noch die Frage der Einbeziehung weiterer Instandsetzungs- und Wartungsaufgaben unmittelbar in die Bundeswehr, um auch hier neue Aufgaben für neu einzuziehende Wehrpflichtige zu schaffen. Die von Ihnen zitierte Unterkommission „Wehrgerechtigkeit" hat nach meinem Dafürhalten eine
Reihe sehr brauchbarer Vorschläge gemacht. Es geht jetzt darum, daß sie durch das Bundesministerium der Verteidigung begutachtet und ergänzt werden und daß wir endlich zu einer konkreten Vorlage im Verteidigungsausschuß und baldmöglichst auch hier in diesem Hohen Hause kommen.
Von denen, die ihrer Wehrpflicht genügen oder ihr nicht nachzukommen brauchen, nun zu denen, die ihn verweigern. Bei den derzeitigen Wehrpflichtsjahrgängen ist in besonderem Maße ein rapider Anstieg der Anträge von Soldaten auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer zu verzeichnen. Das darf uns nicht dazu verleiten und darf für uns auch kein Anlaß sein, das grundgesetzlich verbriefte Recht, den Wehrdienst aus Gewissensgründen zu verweigern, korrigieren zu wollen. Auch mein Vorredner hat das erfreulicherweise nicht getan. Aber ich spreche auch nicht vom Kriegsdienst, sondern ich spreche bewußt vom Wehrdienst. Schließlich machen unsere Soldaten Dienst, um unserem Volk Frieden und Freiheit zu erhalten, und dafür gebührt ihnen der Dank dieses Volkes. Ich verwahre mich gegen den demagogischen Versuch, Kriegsdienstverweigerer als Kriegsgegner anzusehen und die Soldaten, die ihren Dienst leisten, dann sozusagen in die Rubrik „Kriegsbefürworter" einzusortieren.
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Mit Wehrlosigkeit ist weder der Frieden noch die Freiheit zu erhalten. Keiner der jungen Menschen, die dem Wehrdienst nachkommen, will den Krieg. Sie helfen vielmehr, ihn durch ihre Verteidigungsbereitschaft zu verhindern. Bei aller Respektierung der Gewissensentscheidung jedes einzelnen kann nicht hingenommen werden, daß durch gezielte Aktionen die Einsatzfähigkeit der Bundeswehr in Gefahr gebracht wird. Zur Anerkennung von Wehrdienstverweigerern, die schon Truppendienst leisten, muß ein Verfahren gefunden werden, das für die Truppe tragbar ist. Es muß zugleich sichergestellt sein, daß die anerkannten Wehrdienstverweigerer direkt dem Ersatzdienst überstellt werden. Aus diesem Grund möchte ich auf den gemeinsam von CDU/CSU und SPD eingebrachten Entschließungsantrag auf Umdruck 563 hinweisen, nach dem diese Verfahrensfragen geregelt werden sollen.
Ein neues, aber völlig anderes Problem, auf das der Herr Wehrbeauftragte hinweist, ist die steigende Zahl der Verweigerungen des feierlichen Gelöbnisses. Damit ist wieder das Problem Soldateneid und feierliches Gelöbnis aktuell, das bei der Aufstellung der Bundeswehr vor nunmehr 13 Jahren hier in diesem Hause so leidenschaftlich diskutiert wurde. Nach einem Jahrzehnt Praxis wird es notwendig sein, im Verteidigungsausschuß das Für und Wider neu zu überdenken. Dabei werden die Erfahrungen und Vorstellungen der Truppe, des Wehrbeauftragten und der Militärseelsorge beider Konfessionen zu Rate gezogen werden müssen.
Der Herr Wehrbeauftragte hat dann noch die Fragen des Schutzes der Grundrechte, der Inneren Führung, der Ausbildung und Weiterbildung und der Wehrdisziplinarordnung angesprochen.
Zum Komplex Schutz der Grundrechte wiederholt der Herr Wehrbeauftragte seine allgemeine Feststellung, daß die Bedeutung der Grundrechte nicht erkannt werde. Darunter fallen besonders das Grundrecht der körperlichen Unversehrtheit und das Grundrecht zum Schutz der Familie.
Die Fragen der Inneren Führung, so stellt der Herr Wehrbeauftragte fest, seien nach wie vor umstritten. Es gebe Gegner sowohl innerhalb als auch außerhalb der Bundeswehr Ich glaube feststellen zu dürfen und der Bundeswehr bestätigen zu sollen, daß sie sich darum bemüht, dem Leitbild des Staatsbürgers in Uniform nahezukommen, und zwar glaube ich, daß sie sich mit besten Kräften darum bemüht. Aber hier wie überall ist die Bundeswehr auch nur ein Teil unserer Gesellschaft und ein Teilspiegelbild unserer Gesellschaft. Man kann die Bundeswehr nicht für Fehler, Verfehlungen oder Mängel der Gesamtgesellschaft verantwortlich machen, nicht für mangelnde allgemeine staatsbürgerliche Bildung, für den Bildungs- und Ausbildungsstand unserer jungen Menschen für ihre körperliche Verfassung, und man kann die Bundeswehr nicht für die geistige Einstellung der jungen Generation zu den Fragen der Verteidigung der Demokratie nach innen und nach außen verantwortlich machen. Die Bundeswehr ist und soll auch nach dem Wunsch dieses Hohen Hauses 'nicht „Schule der Nation" sein.
Es ist aber zur selbstverständlichen Durchsetzung der modernen Menschenführung in der Bundeswehr selbst noch viel zu tun. Das betrifft nicht nur die Vorgesetzten in der Truppe; das betrifft genauso das Verteidigungsministerium mit den entsprechenden Erlassen und Befehlen, und das betrifft genauso uns, das Parlament, mit unserer gesetzgeberischen Beschlußfassung. Es ist nicht so, daß Fehlleistungen bei der Menschenführung in der Bundeswehr, Fehlverhalten bei der Ausübung der Befehlsgewalt und der Disziplinarbefugnis, wie es der Herr Wehrbeauftragte hinsichtlich der vorläufigen Festnahmen und der erzieherischen Maßnahmen angesprochen hat, ausschließlich ein Verschulden einzelner wären. Es darf vielmehr keine Rechtsunsicherheit im Disziplinarwesen geben, es muß so sein, daß alle Bestimmungen klar und ausreichend sind, daß Befehle, Erlasse, Vorschriften und auch die Gesetze nicht zu Auslegungs- und Definitionsdiskussionen führen können. Ich denke dabei an das Handbuch „Innere Führung", an den umstrittenen Traditionserlaß und an die wiederholte Forderung des Herrn Wehrbeauftragten nach Schaffung einer klaren und praktikablen Fassung der Sicherheitsbestimmungen hinsichtlich des Schußwaffengebrauches.
Wer den Bericht des Herrn Wehrbeauftragten genau studiert, muß sich zwangsläufig die Frage stellen, ob der Bildungs- und Ausbildungsplan und -stoff der Bundeswehr ausreichend ist, um den Forderungen der Rechts- und Disziplinarpraxis gerecht zu werden und den militärischen Vorgesetzten den unverrückbaren Wert der Grundrechte und die Grundsätze der Inneren Führung bewußt zu machen. Zu dem Komplex der Grundsätze der Inneren Führung gehört nach meiner Auffassung, daß sie konkretisiert und zusammengefaßt werden. Man findet sie im Grundgesetz, im Soldatengesetz, in der Wehrdisziplinarordnung, in der Beschwerdeordnung, bei FüS I - Grundsatzfragen, Erziehung und Bildung - und FüS IV - Organisation und Ausbildung -. Man findet sie überall, aber überall so unverbindlich und wenig greifbar wie im Handbuch „Innere Führung" . Das ist mehr eine wissenschaftliche Betrachtung und grundsätzliche Manifestation, aber weniger eine praktische Unterweisung. Gerade das aber brauchen wir für den militärischen Alltag. Es ist deshalb unerläßlich, daß jeder angehende Kompaniefeldwebel und Hauptfeldwebel, Kompaniechef und Bataillonskommandeur auf der Schule „Innere Führung" der Bundeswehr mit den Grundsätzen moderner Menschenführung einer Armee der Demokratie vertraut gemacht wurde.
Mit dem immer wieder zu hörenden Hinweis älterer militärischer Vorgesetzter, man habe auch früher die Soldaten modern und menschlich geführt und die Fürsorge für den Soldaten sei aus ihrer Sicht schon immer ganz groß geschrieben worden, wird man der Sache nicht gerecht. Das mag zwar alles richtig sein, aber darum geht es gar nicht. Schließlich können ähnliche Behauptungen hinsichtlich moderner und menschlicher Führung auch von militärischen Vorgesetzten in China, Kuba, Griechenland oder einer Kolonialarmee aufgestellt werden.
Unser demokratischer Staat und unsere freiheitliche Gesellschaftsordnung braucht - das ist das Schwierige an diesem Problem und an dieser Aufgabe - den mündigen Bürger und braucht deshalb auch den mitdenkenden und mitverantwortlichen Soldaten. Der Soldat unserer Streitkräfte braucht das handwerkliche Rüstzeug für die modernsten Waffen und Geräte; er braucht aber zugleich das geistige Rüstzeug des Bürgers eines freien Landes, dem er sich aus seiner Gesinnung heraus, nicht eines Befehls wegen, verpflichtet fühlt. Dazu muß die Bundeswehr ihren Beitrag leisten. Den Leitfaden dazu geben die Grundsätze der Inneren Führung der Bundeswehr. Sie sind der Auftrag dieses unseres demokratischen Staates, unsere Streitkräfte so und nicht anders zu führen. Das muß jeder Vorgesetzte in der Bundeswehr wissen.
Die SPD-Fraktion und ich als Mitberichterstatter begrüßen es, daß der Herr Wehrbeauftragte diesen Fragen der Inneren Führung das notwendige Gewicht beimißt. Wir möchten Ihnen, Herr Wehrbeauftragter, und Ihren Mitarbeitern, dafür und für die insgesamt im Sinne dieses Hauses für unsere Streitkräfte geleistete Arbeit namens der SPD-Fraktion herzlich Dank sagen.
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Das Wort hat Herr Kollege Schultz.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir hatten uns schon einmal - und zwar im vergangenen Dezember - auf diese Debatte über den BeSchultz ({0})
richt des Wehrbeauftragten 1967 vorbereitet. Dazu hatte ich mir einige Notizen gemacht. Da ich Gelegenheit hatte, diese Notizen noch einmal zu überarbeiten - weil wir erst heute drankommen -, habe ich mir noch einmal die Berichte von früher und auch das vorgenommen, was im Plenum dazu gesagt worden ist. Da fiel mir insbesondere das auf, was mein Herr Vorredner am 29. Juni 1967 anläßlich der gleichen Debatte gesagt hat. Ich darf es mit Genehmigung des Herrn Präsidenten zitieren:
Vieles, was der Herr Wehrbeauftragte in dem Jahresbericht sagt, sagt er weniger für die Bundeswehr als für das Parlament. Ich möchte nicht gern, daß die immer wiederkehrenden Mahnungen des Herrn Wehrbeauftragten, seine Anregungen und Empfehlungen sich nur deshalb von Jahresbericht zu Jahresbericht fortpflanzen, weil in den zuständigen Gremien des Parlaments die allfälligen und notwendigen Entscheidungen hinausgezögert wurden. Das heißt: es wäre nicht gut, wenn die Truppe zu der Ansicht käme, der Jahresbericht des Wehrbeauftragten sei sozusagen der schriftliche Kummerkasten, der durch das Parlament zu den Akten gelegt werde.
Ich hatte mir für die Debatte im Dezember vorgenommen, ähnliche Gedanken vorzutragen. Ich bin aber sehr froh darüber, daß mir der Einfall kam, die vorausgegangenen Berichte und Debatten noch einmal nachzulesen. Besser, als es Herr Buchstaller im Jahre 1967 ausgedrückt hat, kann man das gar nicht darstellen, was ich sagen wollte.
Das Jahr 1967 war das Jahr, wo die Große Koalition begann, zu funktionieren und zu arbeiten, und wo die notwendigen Mehrheiten ohne Zweifel dagewesen wären, um die Dinge sehr schnell und sehr gut anders zu machen.
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Wenn man aber nun heute betrachtet, was inzwischen auf diesem Gebiet geschehen ist, dann muß man sagen: trotz seines Hilfsorganes und trotz der guten Arbeit, die der Herr Wehrbeauftragte mit seinen Herren geleistet hat - wofür auch wir ihm Dank sagen -, hat das Parlament nicht die notwendigen Folgerungen gezogen. Auch die Regierung hat diese Folgerungen nicht gezogen.
Die Regierung ist sehr groß im Herausstellen dessen, was beabsichtigt ist und was noch getan werden soll. Wenn Sie den gestern erschienenen Bonner Almanach „Informationen der Bundesregierung" aufschlagen, dann finden Sie auf Seite 55 unter dem Stichwort „Verteidigung" Minister Dr. Gerhard Schröder mit Bild - ich darf auch das mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten zitieren -:
Zur Verbesserung der Personalstruktur der Bundeswehr und zur Versorgung der Zeitsoldaten wurden die Gesetzesvorlagen über die Einführung der Fachoffizierlaufbahn für Unteroffiziere, über die besondere Laufbahn für Strahlflugzeugführer und über die Eingliederung von ausscheidenden Zeitsoldaten in den öffentlichen Dienst vorbereitet und teilweise vom Kabinett verabschiedet.
Der unbefangene Beobachter - und das wäre ich in diesem Falle auch - liest das so: diese Dinge werden also in kürzester Frist hier noch geregelt und über die Bühne gehen. Jedermann weiß natürlich, daß das im Dezember angesprochene Eingliederungsgesetz für die Zeitsoldaten allenfalls im Referentenentwurf vorliegt. Jeder weiß auch, daß selbstverständlich die Hürden über die höheren Referenten über über die Staatssekretäre bis zur Ministerebene hinauf wohl nicht mehr genommen werden können. Die Regierung ist also gut in dem, was sie über die Dinge sagt, die in Vorbereitung sind; aber weniger gut ist sie, wenn sie etwas tun muß, was für schon verabschiedete Gesetze notwendig ist.
Ich bin der Meinung, es ist kein Lob für die Bürokratie, wenn sie zwei Jahre braucht -das habe ich aus dem Jahresbericht des Wehrbeauftragten entnommen -, bis sie nach Verkündung des Gesetzes über die Anwendung unmittelbaren Zwanges eine brauchbare Unterrichtsgrundlage - so der Herr Wehrbeauftragte - für die Truppe schafft. Zwei Jahre bei 5000 Köpfen, die oben im Ministerium sitzen, ist dafür eine etwas zu lange Zeit. Das ist meiner Ansicht nach auch der Grund, weswegen wir uns immer wieder mit den gleichen Dingen beschäftigen müssen.
Herr Kollege Klepsch, Sie haben vier Punkte angeführt, wie das Problem bei den Sanitätsoffizieren gelöst werden könne. Auch der Herr Wehrbeauftragte hat dieses Problem angesprochen. Ich muß sagen, daß zumindest mir .dieses Problem nicht neu ist. Es begleitet mich als Mitglied des Verteidigungsausschusses mindestens etwa seit ,dem Jahre 1959 - da ich höflich bin, nenne ich nur diesen Zeitpunkt -; bis dahin ging ,es noch einigermaßen, dann wurde es allerdings ganz schlimm.
Ich darf doch darauf hinweisen, Herr Kollege Klepsch, daß die Herren Verteidigungsminister, die wir hier in ,der Bundesrepublik gehabt haben, sämtlich Ihrer Partei angehört haben und daß auch Ihre Partei die Regierungsverantwortung im wesentlichen getragen hat; darauf sind Sie ja auch stolz. Sie haben immer ,dieausreichenden Mehrheiten gehabt, um die Dinge in Ordnung zu bringen.
Deswegen stimmt das, was Herr Buchstaller seinerzeit gesagt hat: Wir stehen hier an der Klagemauer und müssen uns selber beklagen, daß wir als Parlament nicht in der Lage sind - weder bei den Regierungsparteien noch bei den Oppositionsparteien; wobei ich die beiden gar nicht voneinander trennen oder unterscheiden will; eine ist zwar größer, und die andere ist kleiner, wenn man es von der zahlenmäßigen Stärke der Opposition her in den letzten 20 Jahren betrachtet -, die Regierung zu einem schnelleren Arbeiten zu bringen. Haben wir vielleicht die Anregungen, die der Herr Wehrbeauftragte und sämtliche Wehrbeauftragten in der Vergangenheit immer gegeben haben, nicht so recht ernst genommen, was die Abstellung der Klagen betrifft?
Herr Kollege Klepsch, Sie haben gesagt, die Frage der Wehrgerechtigkeit sei eilbedürftig. Da muß ich lachen. Denn die Kleine Kommission hat sehr schnell und gut unter dem Vorsitz des Parlamentarischen
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Staatssekretärs gearbeitet. Nur das, was sich hinterher ergeben hat, war leider ein Trauerspiel. In dem Vorschlag der „Wehrgerechtigkeitskommission" stand nämlich die Geschichte von dem gleitenden Wehrdienst. Da hatten unglücklicherweise die Freien Demokraten in der Opposition auch noch einen Antrag eingebracht, die Wehrdienstdauer von 18 Monaten wieder auf 12 Monate zurückzuführen, wie sie schon ,einmal gewesen ist. All dies traf zusammen mit dem Russeneinfall in die Tschechoslowakei . und der Aufgestörtheit der NATO, die sich übrigens inzwischen, wie mir scheint, weitgehend wieder beruhigt hat. Dann wurde gesagt - und das ist der wirkliche Grund, warum dieser Bericht noch nicht beraten worden ist -: „Um Gottes Willen, da steht ja das mit den 15 Monaten darin, was macht das für einen Eindruck innerhalb der NATO, und was sagen die Amerikaner dann dazu, sie ziehen vielleicht noch weitere Truppen ab usw. usw.; wir müssen hier doch ein Beispiel geben!"
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- Überlegungen, Herr Kollege Leicht, die außerordentlich wichtig sind, bei denen man aber dann mal entscheiden muß: sind diese Überlegungen so wichtig und so notwendig, daß man das dann nicht tun kann, was eigentlich getan werden müßte? Deswegen kann ich es Ihnen, Herr Kollege Klepsch, nicht so ganz abnehmen, wenn Sie heute sagen, die Dinge seien eilbedürftig. Sie hätten sehr viel mehr tun können, um bei der Lösung dieses Problems der Eilbedürftigkeit Rechnung zu tragen.
Herr Buchstaller, Sie haben über die Anrede in der Bundeswehr gesprochen und gesagt, die Anrede sei nicht mehr zeitgemäß und müsse geändert werden. Ich will das hier nicht vertiefen. Ich bin aber interessiert daran, im Ausschuß zu erfahren, was Sie sich darunter vorgestellt haben. So wie ich das höre, kann ich mir nur denken, daß Sie die Anreden „Herr General" und „Herr Leutnant" durch „Genosse General" und „Genosse Leutnant" ersetzen wollen. Ich weiß nicht recht, was Sie damit meinen. Ich glaube, daß in der Anrede gewisse Formen der Höflichkeit enthalten sind, die man auch in der Bundeswehr noch wird beibehalten müssen.
Ich möchte auch ein Wort zu dem sagen, was draußen in der Truppe geschieht. Darüber kann man am Bericht des Wehrbeauftragten etwas ablesen. Es scheint kein Lob für die militärische Führung zu sein - die militärische Führung, die im Ministerium beginnt und bei der Truppe endet -, daß in der Übersicht über die Fälle, die der Wehrbeauftragte des Untersuchens für wert hält - wir haben seinerzeit im Parlament die Neuregelung beschlossen, daß die Vorgänge dem Verteidigungsausschuß zugeschickt werden; der Wehrbeauftragte darf sie nicht untersuchen oder muß sie anders untersuchen, wenn Einspruch erhoben wird, und wenn wir nichts sagen, darf er untersuchen -, im November 1968 nur solche Fälle verzeichnet gewesen sind, die Unglücke betreffen, die sich auf der Wache im Umgang mit Pistolen ereignet haben. Ich bin der Meinung, nach 12 Jahren Bundeswehr müßte es möglich sein, eine entsprechende Waffenausbildung an der Pistole durchzuführen, so daß solche Unglücke vermieden werden. Das sollte sich die höhere militärische Führung doch auch einmal angelegen sein lassen.
Ich möchte nun noch zu einigen Dingen Stellung nehmen, die mir des Besprechens wert erscheinen, wobei ich gleich sagen möchte, daß mein Kollege Ollesch noch über die Frage der Kriegsdienstverweigerung und mein Kollege Porsch über die Frage der Wohnungsfürsorge sprechen werden. Ich möchte mich auf die Dinge beziehen, die hier auch schon von den Vorrednern angesprochen worden sind, möglichst mit der notwendigen Kürze.
Zunächst zur Frage des Mangels an Unteroffizieren. Natürlich begrüßen wir Freien Demokraten es, daß hier eine weitere Laufbahngruppe geschaffen werden soll, nämlich die der Fachoffiziere, und daß hier eine Regelung getroffen werden soll, die auch dem Problem des Sozialprestiges des Unteroffiziersstandes Rechnung trägt. Wir meinen aber - das hat Herr Kollege Buchstaller schon angesprochen -, daß sich die Bundesregierung auch hier auf dem Weg der Halbheiten bewegt und sich nicht zu einer sauberen Lösung durchringen kann. Damit spreche ich das an, was auch Herr Kollege Buchstaller hier schon erörtert hat, nämlich, daß diese Fachoffiziere, die aus dem Unteroffiziersstand kommen, von den anderen Offizieren durch einen Zusatz unterschieden werden sollen. Ich glaube, daß das nicht gerechtfertigt ist. Ich hatte damals in einer Anfrage danach gefragt. Daraufhin ist mir gesagt worden, daß sie einen Zusatz bekommen und die Stabs- und Oberstabsfeldwebel ,sich trotzdem einer Offiziersprüfung unterziehen müssen. Wenn schon Offiziersprüfung, dann keine Besonderheiten anderer Art mehr! Ich glaube, daß wir diese Frage bei der Beratung des Gesetzes im Ausschuß beachten und ihr die notwendige Aufmerksamkeit schenken müssen.
Der Herr Wehrbeauftragte hat ein weiteres Problem angesprochen, das Problem der Personalführung und Personalbeurteilung. Das steht auf Seite 17 des Berichtes, unten, wenn es jemanden interessiert. Es handelt sich dabei um die Frage, inwieweit den Offizieren das Recht zugestanden wird, Einsicht in die Unterlagen zu nehmen, die zu einer Einordnung des Soldaten in die Wertungs- und Eignungslisten führen, auf Grund deren dann die Beförderungen vorgenommen werden. Wir Freien Demokraten haben gemeint, daß diese Dinge so, wie sie jetzt sind, nicht ganz in Ordnung sind und daß hier Einsichten verwehrt werden, die zu verwehren nicht gerecht und vor allen Dingen nicht fair ist.
Der Gesetzentwurf, den wir eingebracht haben - er ist im federführenden Verteidigungsausschuß und im mitberatenden Innenausschuß dankenswerterweise sehr schnell beraten worden -, ist von den verehrten Koalitionsparteien leider abgelehnt worden. Sie werden dem Parlament statt dessen eine Empfehlung geben, daß man vermehrt Personalgespräche führen soll, um möglichst Gerechtigkeit in der Personalführung zu erlangen. Das scheint uns nicht ausreichend zu sein. Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren von den Regierungsparteien, haben sich hier wieder einmal um eine Entscheidung herumgemogelt. Sie werden die Folgen hinterher
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noch sehen. Der Hoffnung, daß das, was im Ausschuß einmal beschlossen worden ist, hier noch verändert wird, kann ich mich leider nicht hingeben.
Ein anderes Problem, das der Wehrbeauftragte erörtert, ist das einer gerechteren Dienstpostenbewertung. Er nimmt das Beispiel der Truppenärzte; aber dieses Problem reicht weiter, auch in die anderen Bereiche hinein. Ich wäre dankbar, wenn hier tatsächlich eine Neubewertung, eine andere, gerechtere Art der Bewertung gefunden werden könnte.
Der Wehrbeauftragte befürwortet auch die Einführung des Zivilversorgungsscheins, eine Sache, die uns von der FDP schon sehr lange beschäftigt, schon beschäftigt hat, als Sie von den Regierungsparteien sich damit noch nicht beschäftigt haben, weil Sie es nicht für notwendig hielten. Wir haben dieses Problem damals im Dezember schon besprochen, ich will es deswegen nicht wiederholen. Ich möchte nur etwas hinzufügen. Ich glaube, daß es auch an der Zeit ist, sich über die Wiedereingliederung des Zeitoffiziers Gedanken zu machen und zu fragen, ob da alles so ganz in Ordnung läuft, ob wir hier die Voraussetzungen haben, um auf die Dauer ein entsprechendes Aufkommen auch an Zeitoffizieren zu gewinnen.
Schließlich - ich sprach schon über die berühmte Wehrgerechtigkeit - möchte ich noch auf das Problem der Abiturienten hinweisen, die ihren Wehrdienst ableisten und die, bis auf eine einzige Ausnahme einmal, nicht entlassen werden können, wenn es für sie wichtig ist, ein halbes oder Vierteljahr früher entlassen zu werden, um ihren Studienplatz an der Universität zu bekommen, der nur zeitlich befristet zur Verfügung steht. Dieses Problem hat den Bundestag mehrfach in Fragestunden mit Fragen von allen Seiten dieses Hauses beschäftigt, aber es ist bisher nichts Entscheidendes geschehen außer dieser einmaligen Ausnahme. Nun ist in der Tat die Regierung zu fragen: Kann diese Ausnahme, die Sie, glaube ich, im Jahre 1967 einmal gewährt haben, nicht eine Dauereinrichtung werden? Das wäre vielleicht etwas ganz Vernünftiges. Ich möchte die Regierung hier natürlich nicht zu sehr attackieren, weil gerade die Frage der Aufnahme des Studiums an der Universität eine Angelegenheit ist, die nicht hier und nicht bei der Regierung entschieden werden kann. Die Entscheidung liegt natürlich bei den Ländern.
Lassen Sie mich noch eine Bemerkung dazu machen. Wenn wir uns nicht durchringen - und das geht etwa in die Richtung dessen, was Herr Kollege Klepsch gesagt hat und was ich unterstreichen möchte -, den Wehrdienst als solchen aufzuwerten, indem er nämlich praktisch auch dadurch honoriert wird, daß jemand, der studieren will, später, wenn er seinen Wehrdienst abgeleistet hat, einen Platz auch dann bekommt, wenn andere ein bißchen bessere Noten haben, werden wir die Probleme unserer Landesverteidigung nicht lösen können.
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Das ist nur ein Beispiel, das sich für andere Gebiete der Gesellschaft natürlich weiter vertiefen oder verbreitern läßt.
Eine weitere Anmerkung zu dem Bericht des Wehrbeauftragten, die mir wichtig erscheint. Er spricht über die Vorschrifteninflation. Bis gerade eben saß mir noch Herr Minister von Hassel im Plenum gegenüber, und ich erinnere mich noch gut, wie er einmal als Verteidigungsminister, attackiert von der SPD wegen der Vorschriftenflut und wegen des Papierkriegs, gesagt hat: Wir haben schon soviel getan, um das einzudämmen; auch die Soldaten machen Papierkrieg. Es hat sich also auch hier nicht viel geändert!
Was aber der Wehrbeauftragte hier in seinem Bericht sagt, das ist noch etwas ganz anderes. Das steht am Ende dieses Abschnitts, das läßt sich auch gut lesen. Da steht nämlich: Es „entsteht ... der Eindruck, daß die Verantwortung - wo immer nur möglich - nach unten verlagert werden soll". Das ist das, was in der Truppe mit dem berühmten Wort „Deckungsbefehl" bezeichnet wird. Auch das ist eine ernste Mahnung, allerdings hier nicht an das Parlament, denn wir können dazu nichts tun, aber eine ernste Mahnung an die Bundesregierung.
Nicht folgen kann ich dem Wehrbeauftragten in der Ansicht, Wehrstraftaten von vorbestraften Wehrpflichtigen könnten dann vermieden werden, wenn der Vorgesetzte von diesen Vorstrafen Kenntnis hätte. Er meint, daß dem Disziplinarvorgesetzten bestimmte Vorstrafen, Erziehungsmaßregeln oder Zuchtmittel aus der gerichtlichen Erziehungskartei bekanntzugeben seien. Ich bin der Meinung, daß dieser Weg nicht praktikabel ist, sondern daß er die Resozialisierung eines straffällig Gewordenen ohne weiteres erschwert und gerade auch im Bereich der Bundeswehr erschweren würde und daß eine solche Bekanntgabe von Vorstrafen im Gegenteil mehr Probleme schaffen würde, als augenblicklich schon dadurch bestehen, daß Vorbestrafte auch ihren Wehrdienst ableisten müssen oder eingezogen werden. Ich glaube, daß man der Truppe selber, wenn man dieser Anregung folgte, keinen guten Dienst erweisen würde.
Ich sagte vorhin, daß ich dem Herrn Wehrbeauftragten und seinen Mitarbeitern für die Arbeit dankbar bin, die er für uns geleistet hat, und für die Unterstützung, die er uns gegeben hat. Allerdingst möchte ich doch eine Bemerkung machen, die sich wiederum an den Herrn Wehrbeauftragten und gegen ihn richtet. Ich muß sie leider hier machen, weil der amtierende Ausschußvorsitzende mir verwehrt hat, im Ausschuß das vorzubringen, was ich eigentlich vorbringen wollte, weil er meinte, das gehöre nicht dort hin. Es geht um die Frage, wie lange es dauert, bis Eingaben von Beschwerdeführern beim Wehrbeauftragten behandelt werden.
Mir liegt eine Eingabe eines Offiziers vom 17. April 1967 vor, deren Bearbeitungsdauer 1 1/2 Jahre betrug und schließlich mit dem Bescheid endete, die in der Beschwerde vorgebrachten Dinge seien nicht justitiabel, und man könne deswegen in dem Fall leider nichts tun. Da müssen Sie natürlich wissen, was der Gegenstand der Beschwerde war. Es waren drei Dinge. Einmal beschwerte sich der Offizier über die Verletzung der Grundsätze der Inneren Führung, und zwar im Rahmen der Unter11218
Schultz ({6})
suchung eines Bundeswehrunglücks durch einen Zwei-Sterne-General. Dieser General wurde von dem Beschwerdeführer wegen Befangenheit abgelehnt, weil er die Übung geleitet habe. Zweitens beschwerte sich der Mann über die Verletzung der Grundrechte durch einen anderen Zwei-Sterne-General. Der Beschwerdeführer fühlte sich in seinen Grundrechten durch Versagen einer Aussagemöglichlichkeit bei dem auf das Unglück folgenden Prozeß eingeengt. Drittens fühlte er sich in seiner Menschenwürde verletzt, da ihm von einem Ein-SterneGeneral mitgeteilt wurde, daß er befördert werden solle, nachdem er Monate vor dem Unglück erfahren hatte, daß dies für ihn nicht mehr möglich sei. Der Beschwerdeführer meinte dazu, er sei nicht käuflich.
Es ist hier gar nicht zu untersuchen, ob das, was vorgebracht worden ist, alles richtig ist. Aber ich frage mich: Warum kann so etwas nicht in angemessener Zeit entschieden werden?
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Es muß sich nämlich der Gedanke im Kopf eines solchen Beschwerdeführers festsetzen, daß man die obersten Dienstgrade anders behandle als die unteren. Das wäre nach meiner Meinung schlecht, und ich bin fast verführt, selber ebenso zu denken. Wenn der Wehrbeauftragte in einem solchen Fall zu der Auffassung kommt, was der Mann erzähle, sei alles dummes Zeug, dann kann er selbst entscheiden und ihm das auch mitteilen. Wenn er meint, daß etwas daran sei, sollte er den Weg gehen, dem Vorsitzenden des Verteidigungsausschusses und zumindest den Obleuten außer der Reihe über einen solchen Fall zu berichten. Das würde ich dann für nützlicher halten. Denn mir scheint, die Hauptaufgabe des Wehrbeauftragten als unseres Hilfsorgans ist natürlich auch, den Soldaten vor dem Apparat zu schützen und - den Gedanken habe ich früher schon öfter ausgeführt - dafür zu sorgen, daß alle vor dem Gesetz gleichmäßig behandelt werden.
Ich möchte noch einen anderen Fall ansprechen, weil er mit der Inneren Führung und dem Handbuch dazu zusammenhängt, von dem Herr Buchstaller vorhin gesprochen hat. Ein junger Offizier findet, daß im „Handbuch der Inneren Führung" fälschlich von einer demokratischen Armee gesprochen werde. Er setzt sich für die Änderung des Begriffes im Sinne der Formulierung des Wehrbeauftragten ein, wie dieser es in seinem Bericht unter B 2 gesagt hat. Der junge Mann wird dann damit abgespeist, nachdem er den Dienstweg eingehalten hat, daß eine Neuauflage vorgesehen sei. Die Neuauflage dieses „Handbuches der Inneren Führung" kommt, aber sie ist genau die alte, und es steht dasselbe darin. Der junge Offizier wird nun im Ton leicht massiv und beschwert sich, daß das so nicht gehe; er habe eine vernünftige Sache vorgebracht, und man hätte darauf doch reagieren können. Das einzige, was erfolgt, ist, daß er wegen des etwas rüden Tones gerügt wird - eine Sache, die durchaus in Ordnung ist -; aber auf die Sache selbst wird nicht eingegangen. Daraufhin beschwert sich der junge Offizier beim Wehrbeauftragten, und es ist wieder dasselbe: alles verläuft im Sande, weil das, worüber er sich beschwert hat, nicht justitiabel sei. Auch in diesem
Falle hat die hohe und höchste militärische Führung gesprochen, und anscheinend ist sie unfehlbar.
Ich sage also wieder das, was ich am Anfang gesagt habe: Fehler sind vorhanden, sie werden erkannt, aber sie werden nicht geändert. Wozu dann eigentlich die Zeit? Das sehr Interessante ist dabei, daß ich im Mai 1967 anläßlich der gleichen Debatte, wie sie heute geführt wird, das Ministerium gebeten habe, für eine Überarbeitung dieses Handbuchs in dem Sinne zu sorgen, wie es Herr Kollege Buchstaller vorhin vorgetragen hat: praktikabler, so, daß man es verstehen kann, und nicht mit so vielen Allgemeinplätzen. Das war im Mai 1967, heute haben wir Januar 1969, und geschehen ist zwischendurch selbstverständlich nichts.
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Ich meine - um wieder auf den Anfang zurückzukommen -, wir müssen uns davor hüten, daß der Bericht des Wehrbeauftragten zum Kummerkasten wird, der dann hier vom Parlament abgelegt wird. Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren von der Großen Koalition, sind bei Ihrer Mehrheit in der Lage, alles schnell und gut in Ordnung zu bringen. Tun Sie das! Ich sage noch einmal, was ich im Dezember gesagt habe: Die Dankesworte an die Bundeswehr - denen wir uns selbstverständlich anschließen - genügen allein nicht.
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Das Wort hat Herr Abgeordneter Ernesti.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Während mein Kollege Dr. Klepsch vorhin einige grundsätzliche Ausführungen zum Bericht des Wehrbeauftragten aus dem Jahre 1967 gemacht hat, möchte ich mich einigen Einzelfragen zuwenden, die in diesem Bericht angesprochen sind. Vorher gestatten Sie mir aber, Herr Kollege Schultz, daß ich Ihre Ausführungen gleich beantworte; denn das ist ja auch der Sinn der Debatte in diesem Hause, daß wir auf solche Diskussionsbeiträge wenn eben möglich gleich antworten.
Herr Kollege Schultz, Sie haben natürlich das Recht, die Dinge hier in der Sprache der Opposition vorzutragen. Aber Sie sind zu sehr in der Materie drin, als daß Sie nicht genau wissen müßten, was Sie sagen.
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- Gut, Herr Kollege Schultz, wir werden uns darüber unterhalten. Ich meine nur, den globalen Vorwurf, den Sie hier erhoben haben, es sei nichts geschehen, das Parlament und die Regierung hätten sich an allen Folgerungen vorbeigedrückt, können Sie deswegen nicht aufrechterhalten, weil Sie als Beispiel nur das Eingliederungsgesetz brachten. Selbstverständlich wissen wir, daß das Eingliederungsgesetz, welches sicherstellen soll, daß alle Zeitsoldaten nach zwölf und fünfzehn Jahren, wenn sie es wünschen, gesichert im öffentlichen Dienst bei
den Ländern und Kommunen untergebracht werden, ein Gesetzesvorhaben ist, das nicht initiativ durch dieses Haus gemacht werden kann, sondern das eine lange Vorbereitungszeit braucht. Aber alle anderen Dinge - das wissen Sie durch die Beratungen -, wie die Wiedereinführung des Z-2-Soldaten, die Schaffung der Fachoffizierslaufbahn, die Verbesserung der Wehrpflichtigenabfindung, die Verbesserung des Geldes für die Wehrübenden und die Änderung des Versorgungsgesetzes in bezug auf die Unfallentschädigung, sind dank der fleißigen Arbeit der Ausschüsse nach der ersten Lesung jetzt praktisch so weit in der Beratung, daß sie unmittelbar vor der Verabschiedung stehen. Ich meine, wenn dieser gute Wille vom Parlament und von der Regierung gezeigt worden ist, dann sollten Sie mit solchen globalen Beschuldigungen etwas vorsichtiger sein.
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Es ist eine Selbstverständlichkeit, daß wir auch in bezug auf den Kommissionsbericht zur Wehrgerechtigkeit nicht sehr glücklich sind, und ich habe meinem Herzen in dieser Richtung schon einige Male Luft gemacht. Trotzdem aber bleibt die Eilbedürftigkeit, auch wenn die Regierung bis heute die Stellungnahme dazu nicht abgegeben hat. Der Herr Parlamentarische Staatssekretär ist sicherlich selbst in einer schweren Situation, da er der Vorsitzende dieser Kommission war und nun heute hier das Haus vertreten muß, welches die Stellungnahme zu seinem eigenen Bericht noch nicht vorgelegt hat. Vielleicht sagen Sie aber dem Herrn Minister: Die graue Mappe haben wir im Dezember hier gesehen, uns interessiert nicht die Farbe, sondern der Inhalt dieser grauen Mappe. Wir erwarten, daß diese Stellungnahme nun endlich zur Beratung in den Verteidigungsausschuß kommt.
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- Das will ich ja hier klar herausstellen, daß die globale Beschuldigung nicht richtig ist, sondern daß man zu Einzelpunkten sehr wohl kritische Anmerkungen machen dürfte. Wenn sich die Kollegen in dieser Richtung befleißigen, wird man sicherlich auch der Sache gerecht.
Zur Frage der Personalführung! Herr Kollege Schultz, Sie haben auch hier die Frage der Wertungsund Eignungslisten noch einmal angesprochen und auch hier wieder gesagt, die Regierungsparteien hätten sich um die Entscheidung herumgemogelt. Bitte überlegen Sie einmal, ob nicht bei dieser Regierungskoalition vielleicht auch bessere Einsicht zu dem anderen Ergebnis geführt hat. Wenn Sie darüber nachgedacht haben, werden wir uns sicherlich nochmal über die Wertungs- und Eignungslisten unterhalten. Mir jedenfalls als Berichterstatter im Ausschuß werden Sie mindestens unterstellen, daß ich die Materie beherrsche.
Nun aber zu einigen Einzelpunkten des Berichts des Wehrbeauftragten.
Zunächst sollten wir uns, glaube ich, noch einmal der Frage der Inneren Führung insgesamt zuwenden. Sie wissen, Herr Wehrbeauftragter, und haben das in Ihrem Bericht zum Ausdruck gebracht, daß der Begriff noch umstritten ist; vielleicht deswegen, weil der Inhalt nicht klar ist. Er ist großen Mißverständnissen ausgesetzt. Denn die Innere Führung ist nichts Statisches, sondern eine Aufgabe, die sich für jeden militärischen Vorgesetzten jeden Tag neu stellt. Deswegen aber müssen, meine ich, die Grundsätze der Inneren Führung auch weiterentwickelt und der Zeit angepaßt werden. Es steht heute noch der Auftrag des Deutschen Ausschusses für Erziehung und Bildung im Raum, der damals in seinem Gutachten bei der Verabschiedung der Leitsätze für die Erziehung der Soldaten zum Ausdruck gebracht hat: Eine endgültige innere Verfassung der Streitkräfte kann erst gewonnen werden, wenn Erfahrungen mit dem neuen Ansatz vorliegen. Deswegen steht dieser Auftrag des Deutschen Ausschusses für Erziehung und Bildung immer noch im Raum. Wir haben in der Bundeswehr eine zwölfjährige Erfahrung mit der Inneren Führung, und die endgültige innere Verfassung der Streitkräfte soll auf Grund der neuen Erfahrungen überprüft werden. Diese Aufgabe haben wir, das Parlament, diese Aufgabe hat aber auch der Herr Wehrbeauftragte, und ich würde ihn sehr bitten, dabei mitzuhelfen, die Innere Führung weiterzuentwickeln und den Gegebenheiten anzupassen. Das Ministerium von sich aus wird - dafür habe ich Verständnis - nicht so sehr drängen, weil bei irgendeiner Änderung, die gewünscht wird, leicht der Verdacht aufkommen kann, sie habe einen „reaktionären" Hintergrund. Ihr Amt, Herr Wehrbeauftragter, ist in dieser Richtung unverdächtig. Wenn Sie hier der Bundeswehr im Sinne der Sache helfen könnten, wäre das sicherlich ein Verdienst.
Ich glaube, es ist auch der Zeitpunkt gekommen, wo wir uns über die Fixierung der Grundsätze der Inneren Führung unterhalten sollten. Ein Kollege hat hier bereits gesagt, daß sich die Grundsätze in allen Vorschriften, Befehlen und Erlassen widerspiegeln. Das ist sicherlich richtig. Aber die Truppe lebt auch von Graubrot. Sie braucht also auch eine Zusammenfassung der Grundsätze der Inneren Führung als ein Gerippe, Leitsätze ähnlich wie die ausführlichen Leitsätze für die Erziehung. Sie sollten mithelfen, Herr Wehrbeauftragter, daß unsere Bitte, einen solchen Katalog zu erstellen, erfüllt wird. Ich weiß, daß das nicht sehr leicht ist und schon sehr lange daran gearbeitet wird. Ich weiß auch, daß es im Bereich der Bundeswehr schon einmal ein Preisausschreiben gegeben hat, um eine Definition des Begriffs „Innere Führung" zu finden. So schwer ist das also. Trotzdem, meine ich, sollten wir uns an einer solchen Aufgabe nicht vorbeidrücken. Denn eines steht fest: beim Aufbau der Bundeswehr haben wir uns und es war richtig, daß dieses Hohe Haus das getan hat - verstärkt der Einordnung dieser Armee in den demokratischen Staat gewidmet. Entscheidend ist aber auch die Schlagkraft der Truppe. Wir müßten unser Augenmerk mehr darauf richten, die Schlagkraft als einen Teil der Abschreckungswirkung dieser Verteidigungsarmee nun auch so auszubauen, daß sie für einen Gegner tatsächlich Abschreckungscharakter hat. Deswegen sollten wir dem Gesichtspunkt der Schlagkraft der
Truppe unsere Aufmerksamkeit auch in Zusammenhang mit der Inneren Führung widmen. Überall da, wo einzelne Bestimmungen oder auch Gesetze aus diesem Bereich unter Umständen die Schlagkraft beeinträchtigen, sollte dieses Hohe Haus den Mut haben, Änderungen vorzunehmen.
Ein weiterer Komplex sind die Versorgungsfragen. Sie wurden von einigen Kollegen im Zusammenhang mit der Fürsorgepflicht des Dienstherrn angeschnitten. Wir wissen natürlich, daß in der Bundeswehr gegenwärtig eine Stimmung ist, die sehr schnell einer Verbesserung bedarf. Die Unruhe in der Truppe hängt weitestgehend mit solchen materiellen und Fürsorgefragen zusammen. Wir wissen von der Unsicherheit über die Unterbringung der Zeitsoldaten, wir wissen aber auch - was hier vor allen Dingen angesprochen worden ist -, daß die Personallage insgesamt durch dieses hohe Fehl an Unteroffizieren im mittleren Führungsbereich natürlich dazu führt, daß der Dienst nicht immer sinnvoll gestaltet werden kann. Deswegen meine ich, diese personellen Probleme müssen möglichst bald gelöst werden; und dazu sind ja einige Gesetzesvorhaben hier eingebracht worden.
Ich vermag allerdings dem Unterschied zwischen Unteroffizieren und Offizieren, wie ihn der Kollege Buchstaller hier geschildert hat, nicht ganz zu folgen. Über dieses Problem werden wir uns im Verteidigungsausschuß sicherlich noch einmal unterhalten müssen, weil hier der Grund ein anderer ist. Er hängt nämlich weitestgehend auch damit zusammen, daß wir den Berufsunteroffizier auf Lebenszeit haben und damit die ganzen Querelen im menschlichen, sozialen Bereich im Grunde erst im Alter von 38 bis 40 Jahren einsetzen. Von daher gesehen, glaube ich, wirkt sich ein Teil dieser Probleme im Verhältnis zwischen Unteroffizier und Offizier aus. Könnten wir uns endlich entschließen und könnte sich auch das Ministerium entschließen, der Frage der Begrenzung des Berufsunteroffiziers auf Lebenszeit näherzutreten und ihn durch einen langfristig dienenden Zeitsoldaten zu ersetzen, würden wir jedenfalls diese Probleme mit Leichtigkeit und noch einige andere vom Tisch haben.
In diesem Zusammenhang ist das Augenmerk auf die Frage der Wohnungen zu richten. Auch das ist hier bereits angedeutet worden. Wir haben die Kleine Anfrage, die von einigen meiner Kollegen eingebracht wurde, hier durch die Regierung beantwortet bekommen. Ich muß wirklich sagen, Herr Staatssekretär, das war nicht zufriedenstellend. Wir werden darin nicht nachlassen, weil uns die Beantwortung einfach nur bestätigt, daß das System einige Mängel hat und daß man versuchen will, Härtefälle auszugleichen. Im Grunde bleibt es bei dem System. Da meine ich, wir müßten auch hier Ihre Mithilfe, Herr Wehrbeauftragter, erbitten, daß im Zusammenhang mit den Wohnungsquerelen auch die Frage des Systems noch einmal untersucht wird. Wenn man eine Armee einer Sondersituation unterwirft und ihr zumutet, daß sie in Einödstandorten, in einer Inselsituation, in Grenzorten, am Rande von Truppenübungsplätzen lebt, dann muß man dieser Besonderheit Rechnung tragen. Denn hieraus ergeben sich Folgen, die keinem anderen Staatsbürger zugemutet werden, nämlich die unzureichenden Einkaufsquellen, die begrenzten Möglichkeiten des Schulbesuchs für die Kinder, die begrenzten Möglichkeiten für die Berufsausbildung, die ungenügende ärztliche Versorgung und dazu die fortwährenden Mieterhöhungen. Weil das System für alle gleich ist, führt es dazu, daß eine Unruhe vorwiegend im Unteroffizierskorps da ist. Damit stellt dieses Wohnungsproblem einen abwerbenden Faktor in der jetzigen Regelung dar.
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Meine Damen und Herren, wir müssen uns das überlegen und uns - Herr Wehrbeauftragter, ich darf nochmals um Ihre Mithilfe bitten - der Frage zuwenden, ob wir nicht auf das System der Dienstwohnung herauskommen sollten oder der Bund insgesamt als Mieter bei Einödstandorten auftreten sollte, um die Rechte des einzelnen Soldaten, der als Mieter machtvollen Wohnungsbaugesellschaften gegenübertreten muß, zu erkämpfen.
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- Natürlich hängt hiermit die Frage der Zuständigkeit zusammen. Ich habe auch in diesem Falle die Bundesregierung angesprochen, da hier nicht nur der Verteidigungsminister zuständig ist, sondern selbstverständlich der Wohnungsbauminister einbezogen werden muß.
Im Zusammenhang mit dieser Fürsorgepflicht des Dienstherrn muß ich noch einmal auf das Kantinenwesen hinweisen. Es ist klar, daß auch diese Frage bis heute nicht zufriedenstellend gelöst ist. Die vorübergehende Lösung, die gefunden wurde, reicht sicherlich nicht aus. Wir werden uns auch hiermit noch einmal zu befassen haben und in diesem Zusammenhang sicherlich noch einmal mit den Unteroffiziersheimen und den Offiziersheimen. Die Richtlinien für die Selbstbewirtschaftung der Unteroffiziersheime stehen ja wohl heute immer noch aus. Das heißt, wo Eigeninitiative der Unteroffiziere da war, erfährt sie bis heute nicht die genügende Unterstützung durch das Ministerium. Von daher gesehen, meine ich, meine Damen und Herren, sollten wir uns auch dieser Frage noch einmal zuwenden, selbstverständlich unter Einbeziehung aller Gedanken, die damals Pate gestanden haben, wie z. B. Rücksicht auf den Mittelstand usw. Aber ich meine trotzdem, daß wir im Interesse des Soldaten, der einfach nur diese Einkaufsquelle hat und dem dort jeder Preis zugemutet werden kann, weil er keine Konkurrenz nutzen kann, verpflichtet sind, für ihn hier in besonderem Maße zu sorgen.
Herr Wehrbeauftragter, es ist in Ihrem Bericht noch nicht zum Ausdruck gekommen, aber im nächsten werden Sie sich sicherlich auch mit der Frage einer gewissen Unruhe zu beschäftigen haben, die sich in eine Richtung auswirkt, die mit einem Begriff zu umschreiben ist, der für uns sehr neu ist, nämlich mit der Wehrmittelbeschädigung. Früher nannte man so etwas Sabotage, heute sagt man Wehrmittelbeschädigung dazu. Es sind solche Fälle in vermehrtem Umfang in der Bundeswehr zu verzeichnen.
Ernest!
Es ist sicherlich nicht richtig, hier in diesem Hohen Hause im einzelnen darüber zu sprechen, aber der Verteidigungsausschuß muß sich dringend mit Ihnen, Herr Wehrbeauftragter, zusammen über diese Fragen unterhalten, welche Maßnahmen wir ergreifen müssen, um diesem Übel abzuhelfen, daß hier bewußt einige Soldaten Wehrmittelbeschädigungen vornehmen, die sogar den Verdacht der Sabotage aufkommen lassen.
Herr Wehrbeauftragter, ich darf Ihnen vielleicht noch einige Anregungen geben, erstens für Ihre Arbeit, zweitens aber auch vielleicht für den nächsten Bericht, den Sie uns sicherlich aus Zeitgründen schon in einigen Monaten vorlegen werden, so daß wir hoffentlich noch einmal in diesem Jahr, bevor sich dieses Parlament verabschiedet, über einen Wehrbeauftragtenbericht diskutieren können.
Das eine: Sie sollten vielleicht die psychologischen Schwierigkeiten etwas mehr einbeziehen, die sich unmittelbar auf die Innere Führung in der Truppe auswirken, d. h. die psychologischen Schwierigkeiten, die im Bereich des öffentlichen Raumes sind. Einige Kollegen haben in dieser Richtung schon gesagt, daß die Armee selbstverständlich vom Verteidigungswillen des Volkes getragen werden muß. Vielleicht wäre es für dieses Hohe Haus interessant, daß Sie uns einige Hinweise in der Richtung geben, ob nicht außerhalb der Armee psychologische Schwierigkeiten sind, die unmittelbar auf die Innere Führung in der Truppe einwirken.
Ich darf als Beispiel dafür, in welcher Richtung ich das meine, vielleicht sagen, daß eine Akademie des Heeres für Maschinenwesen existiert. An dieser Akademie des Heeres für Maschinenwesen, die sich nicht „Akademie für Wehrtechnik nennen darf, wird natürlich Munitionskunde und Panzertechnik gelehrt. Diese Fächer sind im Lehrplan als Sondergebiete des Maschinenwesens ausgewiesen. Wenn man jahrelang Offiziere an einer solchen Akademie studieren läßt und diese nicht sagen dürfen, was sie dort eigentlich im Interesse unseres Volkes gelehrt bekommen, und zwar wegen bestimmter Probleme, die mit dem Föderalismus zusammenhängen - man kann ja eine solche Akademie nicht bundeseigen unterhalten, sondern sie muß einem Kultusministerium unterstellt werden; da ist man auf das Examen angewiesen, das ja anerkannt werden muß -, so halte ich diesen Tatbestand für nicht gut. In dieser Richtung, Herr Wehrbeauftragter, sollten Sie die psychologischen Schwierigkeiten, die sich dann unmittelbar auf den Bereich der Inneren Führung auswirken, vielleicht auch mit einbeziehen.
Neben den Untersuchungen von Einzelfällen möchte ich Ihnen noch als Anregung geben, Gespräche nicht nur mit den Herren des Ministeriums und nicht nur mit einzelnen Soldaten zu führen, sondern vielleicht auch mit den zentralen Stellen, an denen die innere Situation der Bundeswehr erfaßt wird. Das sind die Inspizienten für Erziehung und Bildung. Es gibt drei solcher Inspizienten: beim Heer, bei der Luftwaffe und bei der Marine. Ich habe gehört, daß Sie inzwischen auf Grund meiner Anregung, die ich im Ausschuß gegeben hatte, bereits mit dem Inspekteur des Heeres in dieser Richtung Verbindung aufgenommen haben. Pflegen Sie das Gespräch mit diesen Inspizienten für Erziehung und Bildung in den Teilstreitkräften und nicht nur das Gespräch mit den Herren im Ministerium, weil durch die Gemeinsame Geschäftsordnung aller Ministerien selbstverständlich eine kleine Bremse - ich will mich einmal vorsichtig ausdrücken - angebracht worden ist.
Pflegen Sie aber darüber hinaus vielleicht auch das Gespräch mit den verantwortlichen Herren der Militärseelsorge, denn Sie haben in Ihrem Bericht das Problem von Eid und feierlichem Gelöbnis erwähnt. Wenn wir hier eine tragbare Lösung bekommen wollen - und daran werden wir auf die Dauer nicht vorbeikommen -, werden Sie das nicht ohne das Gespräch auch mit den zuständigen Leuten der Militärseelsorge machen können. Deswegen in diesem Zusammenhang meine Anregung, hier einmal Gespräche mit dem Generaldekan und dem Generalvikar zu führen.
Eine weitere Anregung: Vielleicht machen Sie einmal Gebrauch davon, sich Leute aus der Truppe für vier Wochen an Ihre Dienststelle kommandieren zu lassen. Ich weiß, daß Sie einen solchen Fall gehabt haben, als ein Soziologe von einer Schule der Bundeswehr vier Wochen bei Ihnen war. Wäre es nicht richtig, auch einmal einen Kompaniefeldwebel, einen Bataillonskommandeur, einen Kompaniechef oder auch einen Dozenten zu einer Schule oder einen Lehrer für vier Wochen an Ihre Dienststelle zu holen, damit Ihre Herren insgesamt, die ja nicht dauernd reisen können, auch einmal mit einem Mann, der unmittelbar in einer Führungsverantwortung steht, ein Gespräch führen können? Sicherlich würde sich diese Ergänzung positiv auf die Arbeit der Herren aus Ihrer Dienststelle auswirken.
Eine andere Bitte habe ich auch. Ich glaube, Herr Wehrbeauftragter, es wäre sicherlich auch an der Zeit, die Beschwerdemöglichkeiten insgesamt vielleicht noch einmal zu durchleuchten und zu ordnen. Gegenwärtig ist es doch einfach so, daß wir in diesem Zusamenhang eine Fülle von Rechtsbehelfen haben. Der Soldat kann sich zu einem gleichen Tatbestand zum gleichen Zeitpunkt an fünf, sechs verschiedene Stellen wenden. Der Disziplinarvorgesetzte bekommt eine Beschwerde, der Wehrbeauftragte eine Eingabe, der Abgeordnete einen Brief, und die Zeitung bekommt einen kleinen Artikel. Auch der Petitionsausschuß wird noch in derselben Angelegenheit betroffen. Alle legen einen Aktenordner an und verständigen sich nachher, wer eigentlich die richtige Antwort gefunden hat. Teilweise wird dann noch gegenseitig abgeschrieben, damit jeder wenigstens der Form halber eine Antwort erteilt hat. Ich halte diesen Zustand auf die Dauer gesehen für unmöglich. Ohne eine Beschwerdemöglichkeit abwürgen zu wollen, meine ich, es sollte eine gewisse Instanz hineingebracht oder jedenfalls die Fülle der Rechtsbehelfe so geordnet werden, daß Doppelarbeit vermieden und Mißtrauen untereinander abgebaut wird.
Noch ein Wort zur Wehrdisziplinarordnung. Wir werden in absehbarer Zeit dieses Problem im Ausschuß zu diskutieren haben. Auch das Hohe Haus wird sich damit beschäftigen müssen. Soweit ich den
Entwurf durchgesehen habe, glaube ich, daß wir auf die Dauer nicht daran vorbeikommen werden, den Strafenkatalog noch einmal zu überprüfen. Er ist meiner Ansicht nach zu groß. Wenn man sich dort einmal die Möglichkeiten der Strafen und ihre Folgen ansieht, kann einem teilweise angst und bange werden. Wir haben z. B. die Ausgangsbeschränkung, die in der Durchführung nicht zu kontrollieren ist. Wenn sie verletzt wird, folgt nachher zwangsläufig eine Arreststrafe. Das führt teilweise dazu, daß im Bereich des Heeres, wenn Sie 250 Diensttage zugrunde legen, ein Bataillon ständig im Arrest sitzt. Ich meine deshalb, Herr Wehrbeauftragter, wir sollten die Disziplinarordnung noch einmal daraufhin untersuchen, ob nicht die Ausgangsbeschränkung, vor allem auch die Geldbuße eine wirkliche Strafe ist. Wir sollten diesen Katalog durchforsten mit dem Ziel, ihn zu vereinheitlichen und zu vereinfachen, damit er vom Disziplinarvorgesetzten, der ja auch ein Normalverbraucher ist, in der Praxis gehandhabt werden kann.
Eine Bitte habe ich an das Ministerium. Herr Staatssekretär, ich glaube, es reicht nicht aus, daß Sie den Bericht des Wehrbeauftragten nur an die Kompanien verteilen. Das ist geschehen, es ist lobenswert und dankenswert. Aber es sollte eine Anweisung an die Kommandeure herausgehen, daß sich die Unteroffiziere und die Offiziere mit diesem Bericht in ihrem Unterricht zu befassen haben. Nur die Verteilung allein genügt nicht. Es wäre auch zweckmäßig, die Stellungnahme des Verteidigungsministeriums zu diesem Bericht, die ja bis auf die Ebene der Kommandierenden Generale verteilt worden ist, weiter bis zur Ebene der Divisionskommandeure oder der Brigadekommandeure zu verteilen. Da gehört nämlich eigentlich auch die Stellungnahme Ihres Hauses hin. Selbstverständlich können Sie dabei noch über den VS-Grad entscheiden. Aber es hat gar keinen Zweck, nur den Kommandierenden Generalen eine solche Stellungnahme dazu zu geben. Es handelt sich um ein Dokument, eine Drucksache des Deutschen Bundestages, die in diesem Hause und in der deutschen Öffentlichkeit diskutiert wird. Sie soll auch offen in der Bundeswehr diskutiert werden. Deswegen meine Anregung, sie weiterzuverteilen und nächstens die Anweisung zu geben, daß darüber von den Unteroffizieren und Offizieren in ihrem Weiterbildungsunterricht gesprochen wird.
Erlauben Sie eine Zwischenfrage von Herrn Abgeordneten Schultz? - Bitte!
Herr Kollege Ernesti, wären Sie bereit, Ihre Bitte noch dahin gehend zu erweitern, daß die Stellungnahme des Ministeriums, die anscheinend schriftlich verfertigt wird, dann auch in entsprechender Zahl der Exemplare 'den Mitgliedern des Verteidigungsausschusses zumindest zugestellt wird?
Herr Kollege, ich werde Ihre Anregung gern unterstützen.
Ich darf zum Schluß kommen. Herr Wehrbeauftragter, die Anregungen, die ich hier gegeben habe, sollen keine Kritik an Ihrem Amt sein. Das verstehen Sie bitte richtig. Es soll eine Hilfe sein, Ihr Amt weiterzuentwickeln im Sinne der gemeinsamen Aufgabe, aus dieser Bundeswehr ein zuverlässiges und schlagkräftiges Instrument zu machen, um unsere Freiheit in der Bundesrepublik zu erhalten. Wir müssen den Auftrag und die Mittel in Übereinstimmung bringen, und wenn Sie, Herr Wehrbeauftragter, dabei mithelfen, dann hat diese Armee eine Glaubwürdigkeit, ,die erreicht werden muß, und dann ist die Politik, die dazu die Hilfen geben muß, ,ebenfalls der Armee gegenüber glaubwürdig.
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Das Wort hat jetzt Herr Kollege Ollesch.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Problem der Kriegsdienstverweigerer, über das hier und heute im Anschluß an die Aussprache über den Bericht des Wehrbeauftragten gesprochen werden soll, findet in .dem Bericht des Wehrbeauftragten von 1967 keine Erwähnung. Es ist jedoch ein dringendes Problem. Denn nicht von ungefähr liegt -uns ein Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und der SPD vor, der sich mit dem Problem der Wehrdienstverweigerer beschäftigt. Der Wehrbeauftragte spricht vielmehr in seinem Bericht in einigen wenigen Zeilen von den Schwierigkeiten, die Kompanien und Kompaniechefs durch „schwierige" Soldaten haben können, sowie davon, daß diese wenigen „schwierigen" Soldaten, die es - so war es doch wohl immer - in jeder Kompanie in geringer Anzahl geben mag, den Dienstbetrieb der Bundeswehr entscheidend beeinträchtigen können.
Um so mehr bringen die angestiegenen Zahlen der 'Kriegsdienstverweigerer unsere Bundeswehr in Schwierigkeiten, die, wenn ihnen nicht recht bald mit den entsprechenden Mitteln begegnet wird, die Effektivität unserer Verteidigungskraft und Verteidigungsbereitschaft zu einem guten Teil in Frage stellen können. Wir haben im Jahre 1968 über 11 000 Anträge auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer gehabt. Das ist ein beachtlicher Teil, wenn man daran denkt, daß dm Jahre 1968 177 000 Wehrpflichtige einberufen wurden, ein Anteil, der unter Umständen ins Uferlose wachsen kann, wenn nicht recht bald das Problem der Kriegsdienstverweigerung geregelt wird.
Nun besteht ja das Gesetz über den Ersatzdienst schon seit einigen Jahren, und insoweit rennt der Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/CSU offene Türen ein. Denn auch in diesem Gesetz heißt es, daß der anerkannte Kriegsdienstverweigerer unverzüglich dem Ersatzdienst zu überstellen ist. Dieser Entschließungsantrag scheint aber trotz des vorliegenden Gesetzes notwendig zu sein, weil den Auflagen, die das Gesetz uns macht, augenscheinlich nicht nachzukommen ist wegen des Fehlens der entsprechenden Organisationen, die in der Lage wären, diesen jetzt sehr hohen Anteil von KriegsOllesch
dienstverweigerern aufzunehmen. So weit, so gut! Die Freien Demokraten stimmen dieser Entschließung in allen ihren Punkten zu.
Nur, meine Damen und Herren, damit ist nicht die Schwierigkeit aus der Welt geschafft, die auftritt, wenn der Soldat, der dienende Soldat, seinen Antrag als Kriegsdienstverweigerer stellt und die Entscheidung einige Zeit auf sich warten läßt. Was geschieht dann mit diesem Soldaten, der seinen Antrag gestellt hat, der nicht mehr bereit ist, seinen Wehrdienst zu leisten, der aber dem Ersatzdienst noch nicht überstellt werden kann, weil über seinen Antrag nicht entschieden ist? Dieser Soldat bringt notwendigerweise durch sein Verhalten - Verweigerung des Dienstes mit der Waffe - Unruhe in die Bundeswehr hinein, wir wir über die bestehende Unruhe - aus ganz anderen Gründen - hinaus nicht gebrauchen können. Die Beschäftigung mit Kartoffelschälen oder mit Flurreinigung scheint mir nicht der Ausweg zu sein. Wir fragen das Bundesverteidigungsministerium, ob es einmal darüber nachgedacht hat, ob es nicht die Möglichkeit der unverzüglichen Überstellung in den Ersatzdienst geben kann, wenn der dienende Wehrpflichtige einen Antrag auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer stellt, gleichgültig, ob über seinen Antrag positiv oder negativ entschieden werden wird. Bei einer negativen Entscheidung könnte er vom Ersatzdienst zur Truppe zurücküberstellt werden. Wir meinen, daß uns die widersprüchlichen Erlasse und auch die unterschiedlichen Urteile der verschiedenartigen Gerichte in der Vergangenheit bisher nicht weitergeholfen haben. Hier scheint mir Abhilfe dringend erforderlich zu sein.
Meine Damen und Herren! Wenn wir auch versuchen, den Auswüchsen der Kriegsdienstverweigerung mit der Realisierung der Wünsche, die in den Entschließungen niedergelegt sind, zu begegnen, so scheint mir dieses Mittel allein nicht auszureichen. Es ist doch die Frage zu stellen, worin die Ursache liegt, daß die Zahl der jungen Menschen, die den Antrag auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer stellen, in der letzten Zeit so sprunghaft zugenommen hat. Dazu sind einige Feststellungen von meinen Vorrednern getroffen worden. Herr Buchstaller erklärte - wenn ich mich nicht irre -, daß die Atmosphäre in den letzten Jahren in der Bundeswehr schlechter geworden sei. Der Kollege Ernesti hat sich vorsichtiger ausgedrückt und gemeint, die Stimmung sei verbesserungswürdig. Ist unseren jungen Leuten und unserer gesamten Bevölkerung denn der Sinn und Auftrag unserer Bundeswehr nahe genug gebracht worden? Ist es möglich, mit schönen Sätzen in dem Handbuch für innere Führung die Notwendigkeit der Verteidigungspflicht auch in einer Demokratie überzeugend darzustellen? Mein Kollege Schultz hat erwähnt, wie es einem Offizier ergangen ist, der sich bemüht hat, im Handbuch den nicht stimmenden Begriff der demokratischen Armee zu beseitigen. Der Mann wird wehrunwillig, weil er sieht, daß eine von ihm - sicherlich nicht von ihm allein - als notwendig angesehene vernünftige Formulierung einfach nicht durchsetzbar ist, da es irgendwelche langen Instanzenwege sowie Gremien und Ebenen gibt, die nicht
bereit sind, Anregungen von unten aufzunehmen.
In diesen Tagen habe ich einen fotokopierten Brief - einen Entlassungsantrag - eines Offiziersanwärters in die Hand bekommen. Er hat uns den Text übermittelt und dabei bemerkt, daß die Auffassung, die er dort als Begründung zu seinem Entlassungsantrag niedergelegt hat, die Auffassung vieler junger Menschen in der Bundeswehr ist. Er beginnt seinen Brief damit: „Da mich nur das Geldangebot veranlaßt hat, in die Bundeswehr einzutreten ...". Meine Damen und Herren, ist das überhaupt der richtige Weg, bessere Wehrwilligkeit durch bessere Honorierung zu erzielen?
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- Herr Kollege Lemmer, wie sollen wir es denn sonst machen?
Die Frage der Wehrwilligkeit hängt auch unmittelbar mit der Frage der Wehrgerechtigkeit zusammen. Es ist doch zu greifen, daß die jungen Menschen nicht wehrwillig sein können, daß der kleine Teil, der betroffen ist, nicht sehr freudig zur Bundeswehr gehen kann, wenn er feststellt, daß der Großteil seiner Kollegen nicht von den Einschränkungen der 18monatigen Dienstzeit betroffen wird.
Herr Kollege Ernesti, Sie sagten meinem Kollegen Schultz, die Vorwürfe, die er - wie Sie meinen - in globaler Art an die Adresse der die Regierung tragenden Parteien der Großen Koalition gerichtet habe, seien nicht berechtigt, die Koalitionsfraktionen und auch der Verteidigungsausschuß - unter Einschluß der Opposition; so haben Sie es sicherlich gemeint - hätten sich bemüht, einiges in Richtung auf Fortentwicklung zu tun; Sie haben das Eingliederungsgesetz erwähnt. Herr Kollege Ernesti, dazu können wir nur sagen: viel zu spät. Wir - und ich persönlich - haben Jahre vorher darauf aufmerksam gemacht, daß die vorhandene Personalstruktur und das vorhandene Konzept nicht stimmen und nicht stimmen können und daß recht bald Überlegungen angestellt werden sollten, dem Unteroffiziersmangel mit adäquaten Mitteln zu begegnen. Ein adäquates Mittel wäre damals schon nach unserer Meinung das Eingliederungsgesetz gewesen. Es wird jetzt kommen. Sie haben die Schwierigkeiten aufgezeigt. Wir hätten sie hinter uns, wenn wir früher begonnen hätten.
Sie haben die Wiedereinführung des Z-2-Soldaten erwähnt. Herr Kollege Ernesti, der Z-2-Soldat wurde praktisch unter dieser Regierung der Großen Koalition abgeschafft. Nunmehr soll er wieder eingeführt werden.
Ich habe bei der letzten Debatte gefragt: wo ist die langfristige personelle Konzeption zur Beseitigung des Fehls? Das Fehlen dieser Konzeption, das Arbeiten mit punktuellen Mitteln haben wir heute und in der Vergangenheit kritisiert.
Ich glaube auch nicht, daß man den Wehrwillen in unserer Bevölkerung und bei den jungen Menschen, auf die es in der Bundeswehr ankommt, mehr verankert, wenn man die Schaffung einer Bundeswehr und die Unterhaltung dieses Instruments mit
hohen finanziellen Aufwendungen etwa mit solchen Sätzen wie dem folgenden Satz begründet: „Die Bundeswehr dient dem Frieden; sie erhält ihn durch Abschreckung." Das mag so sein; aber es gehört etwas Gehirnakrobatik dazu, darauf zu kommen, daß die Ausbildung im Waffenhandwerk dem Frieden dient. Ich glaube, die Bundeswehr dient vornehmlich der Verteidigung unseres Lebensraumes gegen einen Angriff. Warum diese Sprache? Wir sprechen sie doch vernehmlich in dem Bestreben, den Grundsätzen der inneren Führung nachzukommen; das scheint mir zu kompliziert und zuwenig faßbar zu sein. Sie scheint mir auch nicht geeignet zu sein, das Bewußtsein zu verankern, daß jedes Volk und vor allen Dingen ein Volk unserer Bedeutung und Größe die Verpflichtung hat, sich zu verteidigen, seine Freiheit zu verteidigen, und seinen Willen, über sein Leben selbst zu entscheiden und sich erhalten zu wollen, auch mit Hilfe seiner Verteidigungsanstrengungen bekunden muß.
Ich meine also, daß es uns gelingen müßte, im Verein mit unseren Bündnispartnern mit dem Einsatz aller unserer Mittel in der Bundeswehr ein Instrument zu erhalten, das selbstverständlicher Teil unseres gesamten Volkes wird und das mit einigermaßen Sicherheit und Aussicht auf Erfolg in der Lage ist, unser Land vor einem Angriff zu schützen. Wenn es uns gelingt, das Unbehagen bei unseren jungen Leuten gegenüber der Bundeswehr - auch hervorgerufen durch das Unvermögen, eine Wehrpflicht in praxi durchzuführen - zu beseitigen, werden wir über das Problem der Kriegsdienstverweigerung in der Zukunft nicht mehr zu sprechen haben, weil die Anzahl der Antragstellenden dann wieder wie in der Vergangenheit so gering sein wird, daß von einem Problem nicht mehr gesprochen werden kann.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Felder.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Eine ganze Fülle von Aspekten zum Bericht des Wehrbeauftragten und zu den daraus sich ergebenden Folgerungen ist gesetzt worden. Gestatten Sie mir, daß ich noch einige hinzufüge, die zweifellos mit dem Bericht des Wehrbeauftragten - und hier speziell mit der Inneren Führung - zu tun haben.
Zunächst möchte ich aber im Auftrage meines Kollegen Buchstaller, dessen Ausführungen ich mich anschließen kann, sagen, daß er die Änderung der Anrede, die hier Gegenstand einer etwas kühnen Unterstellung gewesen ist, selbstverständlich ganz anders gemeint hat und daß er bei Gelegenheit darauf zurückkommen wird.
Die erfreuliche Tatsache, daß wir heute im Hohen Hause über den Jahresbericht des Wehrbeauftragten diskutieren, widerlegt wiederum einmal - und das ist sehr erfreulich - die weiterhin hartnäckig verfochtene These der Gegner dieser Institution; sie sagen nämlich: Mißtrauen gegen das Militär schuf das Amt des Wehrbeauftragten; mit ihm verstand es der Bundestag, die militärische Autorität auf eine Weise zu durchlöchern, die nicht einmal Hitler geschafft hatte. - Unter diesem Generaltitel geht nun seit über elf Jahren der publizistische Kampf all jener, zahlen- und einflußmäßig leider wachsenden Kreise, die mit dem Amt des Wehrbeauftragten zugleich die Innere Führung mit Stumpf und Stiel beseitigen wollen. Sie sagen, das Experiment sei unter dem Zwang der Notwendigkeiten und der Realitäten gescheitert.
Während wir nun den Jahresbericht 1967 - leider etwas zu spät - verabschieden und uns dabei durchaus vor die Bundeswehr stellen, der wir danken, sehen wir, daß sich die allgemeine politische Situation in unserer Bundesrepublik erheblich schwieriger gestaltet hat. Sie alle kennen die Problematik bei der studentischen Jugend, die wir bewältigen müssen Es wäre erstaunlich, wenn sich hier keine Ausstrahlungen in das Gefüge der Truppe ergeben hätten. So ist es begreiflich, wenn der in bezug auf seine demokratische Integrität unbezweifelbare Herr Generalinspekteur besorgt von den großen und wachsenden Schwierigkeiten spricht, denen die Bundeswehr nun seit Monaten ausgesetzt sei: erhebliches Anwachsen der Wehrdienstverweigerung, vor allem nach dem Eintreten in die Truppe, Demonstrationen vor den Kasernen, Flugblattverteilung an die Einrückenden usw. So kommt der Herr Generalinspekteur zu der Formel, für die Bundeswehr sei jetzt die Gefahr von links größer geworden als die von rechts, denn hier gehe es um um den Angriff auf unsere Verteidigungsbereitschaft schlechthin. Zugegeben, rein optisch mag das so aussehen, aber ich wage doch zu widersprechen, denn das, was die äußerste Linke anstrebt, ist, auf die Dauer gesehen, zum Mißerfolg verurteilt. Von berechtigten Forderungen auf dem Bildungssektor, die unbedingt erfüllt werden müssen, abgesehen, ist sie iin ihrer gegenwärtigen Grundhaltung zu unserer parlamentarischen Demokratie leider nur negativ eingestellt. Darin wird sie sich aber auch erschöpfen. Sie zeigt im eigenen Lager schon Zersetzungserscheinungen. Wir können an dem Auflösungsprozeß mitwirken, wenn wir unsere Verfassung und unsere parlamentarische Demokratie entschieden verteidigen und selbst allerdings auch zu sachgemäßen Reformen entschlossen sind.
Ich bin mit Herrn Dr. Klepsch und anderen darin einig, daß Rechtsverletzungen nicht geduldet werden können und daß auch die Justiz bemüht werden muß, wenn das notwendig erscheint. Ich möchte aber hinzufügen, daß n u r der Ruf nach der Polizei und der Justiz wirklich nicht genügt, sondern daß - heute mehr denn je - Aufklärung in umfassendster Weise betrieben werden muß und daß diese Aufklärung auch den Abgeordneten dieses Hohen Hauses zukommt, die in die Kaserne hineingehen müssen; allerdings nicht erst unmittelbar vor einem Wahlgang zum Bundestag.
Es genügt auch nicht, wenn das Bundesministerium der Verteidigung in der Abwehr gegen das, was von Studenten getan wird, die Inseratenverteilung an die Schülerzeitungen sperrt. Damit ist es nicht getan. Wenn wir uns in den Reformen bewähFelder
ren, ist die außerparlamentarische Opposition keine Dauergefahr.
Die von rechts aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, bemühen sich mit einer Zähigkeit sondergleichen, lautlos und offen, ja, mit Fanatismus, eine Ideologie in die Bundeswehr hineinzutragen. Sie haben nämlich im Gegensatz zur außerparlamentarischen Opposition eine Ideologie, und zwar eine sehr gefährliche. Diese Ideologie verbindet sich nun mit dem Widerstand gegen die Innere Führung und mit dem durch eine Reihe materieller und ideeller Mißhelligkeiten immer stärker aufgekommenen Unbehagen in der Truppe, ein Unbehagen, das wir ja nun durch rasche und weitgreifende gesetzliche Maßnahmen beheben wollen und beheben müssen, nicht nur, weil das Unbehagen gerechtfertigt ist, sondern auch, weil es sonst weiteren Nährboden für die Rechtsradikalen abgibt.
Gewiß, der Kampf gegen die von rechts, vor allem gegen die NPD, ist schwieriger geworden. Der Soldat kann sich nach dem Soldatengesetz politisch organisieren. Man muß ihm aber vor Augen halten, wie sehr seine Verpflichtung im Widerspruch zu den Zielen der rechtsradikalen Gruppierung steht. Wehrpolitische oder militärische Thesen dieser Rechtspartei widersprechen den Grundlinien unserer Politik, ich möchte sagen, sogar der Verfassung. Man braucht gar nicht viel zu zitieren, um zu wissen, wohin der Weg nach dem Willen dieser Leute führen wird.
Der Herr Bundesminister der Verteidigung hat 1967 am Ende seiner Rede zur Lage der Bundeswehr gesagt: Wir werden die Abschreckungsfunktion des Bündnisses nur aufrechterhalten, wenn wir auch in Zukunft eine schlagkräftige, disziplinierte und modern gerüstete Bundeswehr als unseren Beitrag zur gemeinsamen Verteidigung bereitstellen. Wenige Tage vor Abschluß des Jahres 1968 hat er das gleiche gesagt, mit dem besonderen Hinweis auf die Ereignisse des 21. August 1968. Auch wir Sozialdemokraten stimmen mit den Forderungen, die hier aufgestellt sind, voll überein, aber wir sagen in diesem Zusammenhang auch mit Nachdruck: Die Bundeswehr muß nicht nur in ihrer materiellen, militärischen Struktur, sondern auch in ihrer geistigen Struktur gesund sein. Sie muß sich auf die psychologische und materielle Verteidigungsbereitschaft jener Bevölkerungskreise stützen können, die sich zum demokratischen Rechtsstaat bekennen und die glücklicherweise die Mehrheit in unserem Staate darstellen. Für alle muß dabei das Wehrmotiv, das defensive Wehrmotiv klar sein, denn sonst bilden sich nur neue Ressentiments in den verschiedenen Schichten der Bevölkerung.
Was aber nun, meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn seit vielen Monaten und jetzt stärker denn je unablässig auf diese Bundeswehr und auf die Öffentlichkeit eingehämmert wird und wenn in Wort und Schrift gesagt wird, unsere Bundeswehr sei krank an Haupt und Gliedern? Ich denke da z. B. nicht nur an viele Leitartikel der letzten Monate, sondern auch besonders an ein Buch mit dem Titel „Rettet die Bundeswehr - Weg mit der Inneren Führung! Weg mit dem Wehrbeauftragten!", und ich denke an das Echo, das leider solche Leitartikel und ein derartiges Buch mit seinen Formulierungen in der Truppe gefunden haben. Angriff auf den Generalinspekteur in diesem Buche, Angriff auf die Kirchen - und der Herr Generalinspekteur sagt: „Dieses Buch habe ich wie einen Krimi gelesen." Schön und gut, aber bei dieser Wertung darf es nicht bleiben. Man muß sich, nicht zuletzt im Interesse der Truppe, geistig-sachlich auseinandersetzen. Ich gebe zu: es ist manches geschehen. Das ist nicht zu leugnen. Wie steht es aber mit dem, was auch einige Kollegen - ich glaube, insbesondere auch von der FDP - hier soeben gesagt haben? Wie steht es mit der Inneren Führung? Wie steht es mit diesem soviel angegriffenen Handbuch, von dessen Abänderung nach gemachten Erfahrungen - auch Herr Ernesti hat darauf hingewiesen - soviel gesprochen wird? Warum geschieht hier nichts? Wir sind der Meinung, es gibt hier kein ewig gültiges Dogma, aber es geht doch immer wieder um bestimmte unabdingbare Grundsätze. Hier ist unserer Meinung nach nicht nur eine Aufgabe für den Verteidigungsausschuß, sondern für den jetzt wieder neu gebildeten Beirat für Innere Führung bei der Bundeswehr. Ich sage: für den jetzt endlich wieder gebildeten.
Lassen Sie mich einige, wie wir meinen, berechtigte Kritik anfügen. Wir bedauern, daß es fast ein Jahr gedauert hat, bis ein neuer Beirat für Innere Führung berufen wurde. Der zweite Beirat wurde nach Ablauf seiner vierjährigen Berufungszeit von Herrn Minister Dr. Schröder am 25. Januar 1968 verabschiedet. Wir hätten gern gehört, wie oft der zweite Beirat getagt hat und ob der Herr Minister bereit ist, vor dem neuen Beirat und damit auch vor der Bundeswehr die Grundthese des zweiten Beirats zu vertreten, die da lautet: Die Frage, wofür wir dienen, kann nicht aus einer Ideologie oder aus einer Antiideologie beantwortet werden, sie muß ihre Antwort aus der erfahrbaren Wirklichkeit von Freiheit und Recht in der Bundesrepublik gewinnen, die es zu verteidigen gilt. - Damit sind auch die Fragen beantwortet, die verschiedene Redner hier zu diesem Gebiete gestellt haben. Die These vom Vaterland, die von den Rechtskreisen immer wieder in den Vordergrund geschoben wird als jener Wert, der über allem stehen müsse, nehmen wir dann auf, wenn zugleich davon gesprochen wird, daß es sich um ein Vaterland der sozialen Sicherheit und der absoluten Gerechtigkeit und Freiheit handeln muß.
Wenn im Zusammenhang mit der Inneren Führung von Tradition oder Notwendigkeit einer Traditionspflege gesprochen wird, nun, dann antworten wir Sozialdemokraten mit Baudissin, daß alle Überlieferungen, deren Grundlagen patriarchisch, feudal und ohne ethischen Wesensgehalt sind, in der Bungeswehr indiskutabel erscheinen müssen, denn solche Traditionen sind gefährlich. In einer Rezension über das bedeutsame Buch von Carl Hans Hermann von der Führungsakademie der Bundeswehr heißt es, Militärgeschichte sei nach diesen Darlegungen keine Heldenbühne; weder könne noch sollte sie zur Glorifizierung des Soldaten beitragen.
Meine Damen und Herren, wir haben es bedauert, ja, wir waren sehr befremdet über die lange Vakanz, die nach dem Tode des Herrn Professors Gerhard Möbus, des Direktors des wissenschaftlichen Forschungs- und Lehrstabes der Bundeswehrschule für Innere Führung entstand. Wenn ich nicht irre, starb Professor Möbus schon im Herbst 1965. Er hatte kurz vor seinem Ableben in mehreren aufsehenerregenden Äußerungen davor gewarnt, die Koblenzer Akademie rein militärischem Kommando zu unterstellen. Er wollte die Schule zu einer Art Pädagogischer Hochschule für jene Lehroffiziere machen, die sich besonders mit den Fragen der Inneren Führung befassen. Was sprach gegen diese Auffassung? War es wirklich so schwer, einen geeigneten Nachfolger für Herrn Professor Möbus zu finden, oder ging es so langsam, weil hier etwa ein Tauziehen zwischen den Militärs und dem Ministerium stattfand? Dieser Eindruck entstand bei unseren wiederholten erfolglosen Anfragen im Hohen Hause. Nun hören wir, die Stelle sei jetzt besetzt. Hoffentlich hat das Ministerium eine gute Entscheidung getroffen. Vielleicht hören wir vom Herrn Staatssekretär, da ja der Herr Minister leider verhindert ist, etwas Näheres darüber, und vielleicht hören wir auch etwas darüber, was uns in den letzten Tagen zu Ohren gekommen ist: daß geplant sei, die Wissenschaftliche Abteilung an der Schule für Innere Führung auszugliedern. Dann würde nach unserer Meinung in Koblenz praktisch nur mehr eine Fachschule bestehen. Das würde wohl nicht dem Zweck der Übung dienen.
Wir bedauern, daß das Verteidigungsministerium eine vor einiger Zeit im Auftrag des Bundeskanzleramtes ausgearbeitete wissenschaftliche Untersuchung über das Wahlverhalten der Bundeswehr - eine Arbeit der Wissenschaftler Heribert und Marianne Schatz und des Mannheimer Professors Wildenmann - sofort nach ihrer Erwähnung im Verteidigungsausschuß mit dem Bannstrahl belegt hat. Es wurde gesagt, diese Untersuchung gehe teilweise von falschen Voraussetzungen aus und müsse deshalb überarbeitet werden. Nun gut, aber dann versank die 110 Seiten umfassende, sehr diskussionswürdige Schrift lautlos im Orkus des Informationsamtes. Müssen wir immer alles auf diesem Sektor, was uns nicht angenehm ist, mit dem Geheimstempel versehen? Hat das Ministerium so wenig Selbstvertrauen?
In der genannten Untersuchung - ich habe sie gelesen - steht viel Interessantes gerade auch über die in diesem Hohen Hause vertretenen Parteien, und wir könnten das sehr gut benützen, wenn wir in die Kasernen gehen. Von der Partei, die in das Hohe Haus herein will, wird in dieser Untersuchung behauptet, daß jeder vierte Bundeswehrangehörige ein potentieller NPD-Wähler bei der Bundestagswahl 1969 sei. Das müssen wir doch durch Aufklärung verhindern. Wir hätten ein Recht darauf gehabt, uns mit diesen Untersuchungsergebnissen auseinanderzusetzen, und wenn sie nicht für das Hohe Haus geeignet gewesen wären, dann wenigstens in dem zuständigen Ausschuß, dem Ausschuß für Verteidigung.
Wir bedauern bestimmte Vorfälle in den letzten 15 Monaten. Ich will sie nur ganz summarisch behandeln. Die Liste geht vom Feldwebel Benitz und dem Major Schönberg über Jugendoffiziere und bestimmte andere Chargen bis zu den Entgleisungen, die - ich muß das mit Bedauern sagen, Herr Staatssekretär - noch im alten Jahr zum Gegenstand erregter Minuten in der Fragestunde wurden. Herr Kollege Dr. Klepsch hat darauf angespielt und gesagt, es wäre zweckmäßig, solche Dinge nicht durch Fragen im Hohen Hause zu behandeln, sondern sie in dem zuständigen Ausschuß vorzubringen. Das mag recht und gut sein, und für bestimmte Fälle ist das wohl zuunterstreichen. Aber wir dürfen doch nicht vergessen, daß das, was öffentlich gesagt wird, unter Umständen auch eine öffentliche Antwort erfordert, wenn es sich um schwerwiegende Dinge handelt. Wenn Thesen über die Lehre vom totalen Kreg, vom Phänomen der Macht aufgestellt werden, wenn die Kirchen angegriffen werden - in diesem Fall die Evangelische Kirche - und wenn ein Offizier, der zur Aufklärung der Öffentlichkeit für den Wehrwillen und für die Bundeswehr spricht, psychologisch so ungeschickt ist, daß er sagt, wir müßten auf die Geschichte trotz drei Millionen vergaster Juden stolz sein, dann sind das bedauerliche Vorgänge. Wir verlangen, daß sie zumindest im zuständigen Ausschuß restlos aufgeklärt werden und daß die Untersuchung über den Wesensgehalt dieser Darlegungen genau und ganz unparteiisch durchgeführt wird. Den Eindruck, daß hier die andere Seite in ausreichendem Maße gehört worden ist, haben wir leider nicht gehabt.
Wir haben Anlaß zur Sorge gehabt - und wir hoffen, daß diese Sorgen bald behoben sein werden - beim Büchereiwesen der Bundeswehr. Es sind neue Richtlinien erlassen worden. Man soll uns nicht Kleinlichkeit vorwerfen. Es gibt objektive Kriegserlebnisliteratur, die nun einmal zum Metier des Soldaten gehört; aber, meine Damen und Herren, das hat nichts mit dem NS-Schrifttum zu tun, das sich anscheinend in den letzten Jahren immer mehr in die Truppenbüchereien eingeschlichen hat. Man soll nicht sagen, es gebe keine Zensur, alle diese Bücher seien frei erhältlich. Schön, aber darauf ist zu antworten, daß wir nicht wollen, daß mit Steuergeldern eine NS-Literatur beschafft wird. Wir würden es auch begrüßen, wenn an die Stelle, die zum Büchereiwesen der Bundeswehr Stellung nimmt, die geeignetste Persönlichkeit gesetzt würde. Ich will zu einem bestimmten Fall, der uns sehr viel Ärger bereitet hat und der sogar zur Erörterung in zwei Sendungen im Westdeutschen Rundfunk geführt hat, aus Zeitgründen nicht näher Stellung nehmen.
Einige Sätze noch zu den Truppenzeitschriften. Sind es nicht zu viele, besonders nach der technischen Seite hin? Ich erinnere mich, daß der Vorgänger des Herrn Ministers schon einmal auf Fragen unseres Kollegen Wienand geantwortet hat, man müsse sich tatsächlich überlegen, ob hier nicht Überlappungen vorhanden seien, die durch Zusammenlegungen vermieden werden könnten. Geschehen ist leider nichts, obwohl uns diese Zeitschriften monatlich 210 000 DM an Subventionen abverlangen.
Interessant ist in diesem Zusammenhang auch die Klage über die ungenügende Auswertung der techFelder
nischen Zeitschriften. Denn da heißt es in einer Monatszeitschrift unter der Überschrift „Kampf den Gammlern!" :
Gemeint sind jene Exemplare von „Truppenpraxis", „Soldat und Technik" und „Wehrausbildung in Wort und Bild", die in den Einheiten und Verbänden in Kellern, auf Böden, in Schränken, Schubladen, auf Regalen, sozusagen noch „taufrisch" ein unproduktives Dasein fristen und dort fehlen, wo sie dringend gebraucht würden.
Besondere Aufmerksamkeit verdienen nach wie vor die monatlich erscheinenden, zweifellos ausgezeichnet redigierten „Informationen für die Truppe" und die Schriftenreihe „Innere Führung". Jede Kompanie soll hiervon befehlsgemäß jeweils 15 Exemplare bekommen. Ich nehme an, daß weiterhin der Befehl besteht, das in den „Informationen" empfohlene Thema des Monats im staatsbürgerlichen Unterricht der Truppe zu behandeln. Auch das seit längerer Zeit beigefügte Heft „Aus der Praxis für die Praxis" kann vor allem den Unteroffizieren sehr dienlich sein. Aber wird das genannte Material auch intensiv verwertet, oder ist es heute noch so wie vor einigen Jahren? Da berichtete nämlich ein hockqualifizierter, im praktischen Truppendienst seit vielen Jahren erfahrener Offizier folgendes:
Ich habe in den letzten Monaten ungefähr 200 Stabsunteroffiziere - und zwar solche mit vier- bis zehnjähriger Bundeswehrdienstzeit - aus etwa 150 verschiedenen Einheiten nach diesen Heften gefragt. Etwa 180 hatten sie nicht gelesen, ihnen waren die befohlenen Unterrichte auch nicht gegeben worden! Dafür erhielt ich von diesen Unteroffizieren auf entsprechende Fragen in schriftlichen Prüfungsarbeiten u. a. Antworten wie: „Ein Nachteil der Demokratie ist, daß jeder Bürger von seinen verfassungsmäßigen Rechten Gebrauch machen kann." „Ein Vorteil der Diktatur ist, daß gefaßte Entschlüsse nicht verantwortet werden müssen."
Wenn man dies hört, wundert man sich nicht über bestimmte Vorgänge, die in den Jahresberichten der Wehrbeauftragten jeweils ihren beklemmenden Niederschlag gefunden haben.
Wir erwarten also, daß dem staatsbürgerlichen Unterricht trotz Ausbildermangels durch entsprechende Zeitdisposition - auf die heute auch schon hingewiesen worden ist - mehr Raum gegeben wird. Grundsatz sollte bei diesem Unterricht, gerade angesichts der Situation, in der die Truppe stimmungsmäßig heute unter dem Einfluß von rechts nach links steht, sein, was der Kollege Lohmar in diesem Hohen Hause schon einmal zum Ausdruck gebracht hat:
Wer die Demokratie in der Bundesrepublik verstehen will, muß davon ausgehen, daß es sich um eine repräsentative Form der Willensbildung und um eine von Parteien getragene Meinungsbildung handelt. Daraus ist zu folgern, daß eine Übermittlung von Verfassungstexten allein im staatsbürgerlichen Unterricht in der Bundeswehr nicht genügt. Auch der Bundeswehrangehörige muß wissen, daß eine funktionierende Kontrolle in der Demokratie unerläßlich ist und daß eine Voraussetzung für diese Kontrolle die Publizität allen öffentlichen Geschehens bleibt.
Die Arbeit der Lehroffiziere, meine Damen und Herren, muß also künftig stärker auf die Kompanien ausstrahlen. Und hier muß die äußere Führung eben besser mit der inneren in Einklang gebracht werden. Sehr interessant ist in diesem Zusammenhang die Übereinstimmung, die vor einiger Zeit die Wehrpolitische Hochschulgruppe Frankfurt bei einer Diskussion mit einem Panzergrenadier-Betaillon erzielte. Da hieß es nämlich in Vereinbarung mit den Soldaten:
Es liegt in der Aufgabenstellung der Inneren Führung, daß sie sich zum weitaus überwiegenden Teil auf Kompanieebene abspielt, weil hier in der engen Tuchfühlung des täglichen Dienstes und im gewissen Umfang sogar der Freizeit die Möglichkeiten zu direkter Ansprache und direkter Einwirkung - aber auch zu direkter Reibung - in einem Maße gegeben sind, wie schon vom Bataillon ab nicht mehr.
Auf der Ebene der Kompanie ist die Innere Führung immer präsent oder so oder so wirksam, weil der Vorgesetzte hier bei den verschiedensten Gelegenheiten mit seinen Untergebenen umgeht und zusammenarbeitet, dabei ihre starken und schwachen Seiten sowie individuellen Eigenarten erkennt, einen Einblick in ihre persönlichen Verhältnisse und Interessen bekommt, sich so mit der Zeit ein abgerundetes Bild von der Persönlichkeit eines jeden Kompanieangehörigen machen kann und nun wissen muß, wie er ihn zu nehmen hat.
So haben sich auch alle Verstöße gegen die Grundsätze der Inneren Führung fast ausnahmslos auf der Kompanieebene abgespielt, die in jedem Fall die Hauptlast der zeitgemäßen Menschenführung zu tragen hat. Auf ihre Bedürfnisse und auf ihr Niveau müssen sich infolgedessen auch zweckmäßigerweise alle theoretischen Grundsätze und Interpretationen ausrichten.
Es ist meiner Meinung nach kein Freibrief für einen Kompanieführer, wenn er nur darüber jammert, daß die Rekruten, die zu ihm kommen, in der Schule schon sehr vieles versäumt haben oder über die staatsbürgerlichen Grundbegriffe nicht entsprechend unterrichtet worden sind. Ein Freibrief ist das also nicht. Denn inzwischen ist auch in der Schule doch manches geschehen, wenn auch noch sehr vieles fehlt. Man darf also nicht alle Schuld der Schule zuschieben, sondern muß auch den staatsbürgerlichen Unterricht entsprechend führen.
In diesem Zusammenhang ist der Diskussionsbeitrag eines Oberleutnants in der „Information für die Truppe" sehr interessant, der da schrieb:
Man kann sich in der Tat kaum einen größeren Gegensatz vorstellen: Demonstrierende, diskutierende und - bisweilen auch! - randalierende Studenten auf der einen Seite, auf der anderen das zum Gehorsam erzogene Offi11228
zierkorps. Hier ein Geist, der alles in Frage stellt, neue Wege sucht, gegen das Bestehende anrennt - dort der Hang zum Bewahren, zur Einordnung, zur Unterordnung. Aber
- fragt er dann ist dieser Gegensatz tatsächlich so unüberbrückbar?
Er verneint es. - Ich will mich nicht weiter damit aufhalten, sondern nur sagen, daß er dann erklärt:
Auch Vorgesetzte sind in der heutigen Zeit nicht mehr tabu.
Es ist ein Oberleutnant, der in der Truppe steht. Er sagt:
Sie werden sich daran gewöhnen müssen, - auch die Vorgesetzten daß sie von ihren Untergebenen zunächst eineinmal an ihren Leistungen gemessen werden. Wer jede Kritik als Insubordination empfindet, wird vergeblich Zivilcourage oder Offenheit von seinen Untergebenen erwarten. Das vielzitierte „Establishment" ist in unserer Armee auch vorhanden. Wer wagt es noch, seine Meinung freimütig zu äußern? Wer hat den Mut, seine Karriere der Sache unterzuordnen?
({0})
Lähmt nicht oft genug die Furcht vor einer möglichen Mißbilligung von „oben" jede Initiative?
Ich zitiere, was dieser Mann sagt; Sie mögen dazu auch verschiedene Meinungen haben, und das mag auch nicht überall gleich sein. Es gibt in dieser Frage durchaus auch mutige Offiziere und mutige Unteroffiziere. Das konzediere ich ohne weiteres.
({1}) Er sagt aber dann:
Mir mißfällt die mangelnde Bereitschaft, mit Untergebenen zu diskutieren ({2}). Wann hat man als junger Offizier z. B. Gelegenheit, maßgeblichen Vorgesetzten das vorzutragen, was einen innerhalb des eigenen Bereiches bedrückt, womit man allein nicht fertig wird?
Das, verehrte Anwesende, ist zweifellos zu überlegen und im Dienstbetrieb der Truppe zu beherzigen. Aussprechen, argumentieren und sachgemäß überzeugen, das ist es, was der Truppe künftig mehr als je nottut. Nur so erwächst auch nach unserer Meinung wirkliche Autorität.
Der Verteidigungsminister sagte am Jahresende in seiner - übrigens von der FDP als „erstaunlich liberal" bezeichneten - Rede vor der Industrie- und Handelskammer in Hagen:
Autorität, auch die des Staates, beruht letzten Endes auf dem Vertrauen und der Mitarbeit jedes einzelnen und schließlich der breitesten Volksschichten. Autorität ist aber nur dann lebendig, wenn sie überzeugen kann. In der täglichen Bereitschaft, die in der Autorität liegende Verantwortung zu übernehmen, dürfen die Träger staatlicher Aufgaben keinen Augenblick erlahmen.
Diese These haben wir Sozialdemokraten in Wort und Tat schon immer vertreten.
Zum Schluß, meine Damen und Herren, noch eine Bemerkung zu der heute auch schon angeführten Integration der Bundeswehr in die Gesellschaft, die wir absolut bejahen und auch weiterhin fördern wollen. Aber hier muß an das erinnert werden, was der Herr Bundespräsident im März 1964 zu den Lehrgangsteilnehmern an der Schule für Innere Führung gesagt hat. Er sagte:
Wo sich Offiziere, Unteroffiziere und Mannschaften gegeneinander abkapseln und in der Freizeit künstliche gesellschaftliche Schranken zwischen sich errichten, da ist es mit der Kameradschaft und mit der staatsbürgerlichen Gesinnung nicht gut bestellt.
Wir werfen die Frage auf: Hat sich inzwischen auf diesem wichtigen Gebiet etwas Entscheidendes ereignet oder gebessert? Leider müssen wir sagen: Auf manchen Sektoren ist die Abkapselung fortgeschritten. Es gibt dann also keine eigene Integration bei jenen innerhalb des Truppenkörpers, die mit Recht die völlige Integration der Bundeswehr in die Gesellschaft fordern. Wir meinen kein Sonderprestige, aber gleiche Rechte und eine ihrer besonderen Aufgabe, der Aufgabe der Bundeswehr, entsprechende Förderung.
Hier halten wir es als Sozialdemokraten nach wie vor - sowohl im Rahmen unserer Tätigkeit in der Koalition wie auch sonst - unveränderlich mit dem, was Graf von Baudissin grundsätzlich zu unserer Bundeswehr gesagt hat, und zwar am Beginn, als der Begriff des „Staatsbürgers in Uniform" geprägt wurde. Er sagte:
Um eine nochmalige „Machtergreifung" totalitärer Prägung zu verhindern, schloß sich die Bundesrepublik Deutschland der freien Welt an. Über den Wert ihrer Bundeswehr als Verteidiger des freien Teils eines geteilten Vaterlandes entscheidet der freiheitliche Geist ihrer Soldaten. Nur er gewährleistet die Staatstreue, die heute trägt.
Einwände kommen von Menschen, die den Soldaten noch immer im glanzvollen Gehege von ehedem sehen und ihn daher in einer rein militärischen Umwelt und Wertordnung halten möchten. Für sie gilt noch immer allein die Überlieferung der Kaserne, nur die Tradition des Schlachtfeldes, von dem fraglos leuchtende Vorbilder für Tapferkeit, Opfermut und entsagenden Gehorsam abzuleiten sind.
Aber genügen diese Vorbilder in einer Zeit, da die Entscheidung täglich auf anderen Schlachtfeldern als dem der militärischen Auseinandersetzung vorweggenommen wird, da in der Welt, aus der der Soldat kommt und die er verteidigt, die hergebrachten dynastischen Bindungen nicht mehr, die nationalen nur noch bedingt gelten, wo auch militärischer Krieg und
soldatischer Kampf durch die Atomwaffen ganz anderen, zum Teil ganz neuen Gesetzen unterliegen?
Zu dieser grundsätzlichen Feststellung bekennen sich, meine Damen und Herren, meine Freunde und - davon bin ich überzeugt - auch das Hohe Haus in seiner Gesamtheit nach wie vor. Wir erwarten also, daß der Erlaß über Erzieherische Maßnahmen vom 21. Oktober 1958 weiterhin Gültigkeit behält
({3})
und daß jeder Soldat, der Vorgesetztenfunktionen ausübt, diesen Erlaß kennt und respektiert. Die Grundsätze der Inneren Führung müssen Befehl bleiben. Und nicht zuletzt soll gerade der Herr Wehrbeauftragte des Parlaments weiterhin sorgsam darüber wachen. Für seine Arbeit - das haben auch schon der Kollege Buchstaller und die anderen Kollegen getan - sagen wir ihm herzlichen Dank.
Jenen aber, die in der Truppe das Heil von anderen Maximen erwarten, sagen wir: Es gibt kein Zurück mehr in frühere Zeiten! Wer das durchsetzen will, muß wissen, daß dann eine tiefe Kluft - und zwar eine nicht mehr reparable - zwischen der Mehrheit des Volkes, zwischen allen echten Demokraten - dazu zählen ja auch das Hohe Haus und draußen die Millionen in den freien Gewerkschaften Organisierten - und der Bundeswehr aufgerissen würde. Mit einem Marsch der Bundeswehr nach rechts, von dem so viel gesprochen wird, wäre aber auch jeder Wehrwille tödlich getroffen. Allen außerhalb und innerhalb der Bundeswehr, die da ein Zurück fordern, kann man nur mit Armin Halle von der SZ antworten: „Rettet die Bundeswehr vor den Vorurteilen jener, die das Wehrwesen in Deutschland so treffend verstehen, - allerdings wie es vor 50 Jahren gewesen ist!"
({4})
Das Wort hat der Herr Kollege Porsch.
Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Es würde mich nach ,den Worten meines Vorredners
({0})
reizen, zu den Problemen des Unmuts, meinetwegen auch des angeblichen Marsches der Bundeswehr nach rechts, zu sprechen, aber die Zeit läßt das nicht zu. Ich möchte Ihnen aber noch ein paar Worte zur Frage der Wohnungsfürsorge sagen, nicht deswegen, weil es vielleicht dieser oder jener hier in diesem Hause nicht weiß; aber manches, was hier gesprochen wird, wird ja auch gesprochen, damit draußen unsere Soldaten und unsere Unteroffiziere wissen: wir hier, das Parlament dieses Landes, kennen diese Sorgen und wollen versuchen, ihnen, den Soldaten, zu helfen.
Der Wehrbeauftragte spricht zwar in seinem Bericht nur von den Unterkünften; die übrigen Wohnungsprobleme werden überraschenderweise nicht ausführlich angesprochen. Ich selbst bin bei vielen Truppenbesuchen in jedem Gespräch, das ich mit
Unteroffizieren und mit Offizieren geführt habe, auf die Wohnungsprobleme angesprochen worden. Lassen Sie mich deshalb kurz zusammengefaßt ein paar Worte dazu sagen, angereizt sicher durch die Broschüre, die der Bundeswehrverband zur Lage der Wohnungsfürsorge der Bundeswehr herausgegeben hat, aber auch aus der Erfahrung meines Ausschusses, .des Wohnungsausschusses.
Es steht fest, daß hohe Mieten, oft schwierig nachzuprüfende Sonderabgaben, nicht ausgeführte Reparaturen sehr zum Mißtrauen zwischen Mietern, unseren Soldaten, und den Wohnungsbaugesellschaften und privaten Trägern geführt haben. Die Miete ist für unsere Soldaten, wie heute schon einige Male erwähnt wurde, in recht unzentralen Garnisonsorten häufig viel höher als bei den privaten Vermietern. Der Einfluß ,der Bundeswehrverwaltung und der Oberfinanzdirektion auf die betreffenden Wohnungsbesitzer ist meistens sehr gering, und wie oft beim Staat wird eine Beschwerde in der üblichen bürokratischen Form behandelt; es dauert sehr lange, bis sie zum Erfolg führt.
Dazu kommen noch die in den letzten zwei Jahren eingetretenen Mieterhöhungen, die tatsächlich zum größten Teil 50 % der Gesamtmiete ausmachen, während demgegenüber die Gehaltserhöhungen - nach dem Steuerabzug - sehr weit zurückgeblieben sind. Alles das bringen in diesen Tagen und Wochen unsere Soldaten den Politikern vor.
Ein besonderes Ärgernis ist noch, daß in grenznahen Garnisonen, wenn in den gleichen Häusern Bundesbeamte wie etwa die Grenzaufsichtsbeamten wohnen, diese Wohnungen als Dienstwohnungen anerkannt sind, während dies für die Masse .der Zeit- und Berufssoldaten nicht zutrifft. Vor einem Jahr, in der 153. Sitzung am 8. Februar, hat der Herr Bundesminister für Wohnungswesen und Städtebau meine diesbezügliche Anfrage folgendermaßen beantwortet:
In dem von Ihnen genannten Fall wird es sich bei ,dem Zollbediensteten vermutlich um leinen Grenzaufsichtsbeamten handeln. Da die Grenzaufsichtsbeamten der Zollverwaltung nicht kaserniert sind, andererseits aber jederzeit im Grenzgebiet einsatzbereit sein müssen, werden ihnen an Ort und Stelle Dienstwohnungen zur Verfügung gestellt.
Diese Stellungnahme dürfte zumindest heute als völlig überholt gelten, nachdem der häufige Bereitschaftsdienst, den unsere Soldaten vor allem in den grenznahen Standorten leisten müssen, diese Erklärung schon vom Standpunkt .der Gerechtigkeit aus widerlegt. Mit Recht fragen die Zeit- und Berufssoldaten heute, warum sie häufig den ,eigenartigen Methoden der nichtstaatlichen Wohnungsbauträger ausgeliefert sind, die doch größtenteils nur ein geringes Eigenkapital für den Bau der Wohnungen aufgebracht haben. Vorhin ist schon bei einem Kollegen angeklungen: wenn hier der Bund und das Verteidigungsministerium als Hauptmieter aufträten, würde wahrscheinlich sehr viel Unwille beseitigt werden. Man mag uns entgegnen, daß diese Vermietung nicht lukrativ wäre. Dazu kann ich nur sagen: wenn die Verzinsung des Eigenkapitals nicht
sehr günstig ist, kann man doch wohl annehmen, daß die privaten Träger gerne und schnell an den Bund vermieten, falls er diese Wohnungen übernehmen will.
Weil jeder, wenn er am gleichen Standort eine preisgünstige Wohnung von einem privaten Vermieter bekommt, alles versucht, um die Bundeswehrwohnung schnell zu räumen, sind sie auch nicht immer besetzt. Da aber hilft man sich heute und hat man sich besonders im letzten Jahr ganz einfach damit geholfen, daß man diejenigen in diese Wohnungen zwingt, die bisher in Nachbarorten untergebracht waren und nunmehr keine Wegstreckenentschädigung mehr bekommen.
Sie werden sagen: Das ist eine Selbstverständlichkeit für einen großen Teil anderer Bürger. Ich darf hier nur daran erinnern: wie anders verhalten sich zu einem großen Teil Arbeitgeber der privaten Wirtschaft, wenn sie irgendwo Industrie ansiedeln, wenn sie für ihre Arbeiter Wohnungen bauen und dort ihre Leute unterbringen!
Noch ein Wort zur Sorge unserer Soldaten um die Möglichkeit des Erwerbs eines Eigenheims oder einer Eigentumswohnung. Durch die ständigen Versetzungen, die nach unserer Meinung jetzt, nach Abschluß des Aufbaus unserer Bundeswehr, noch wesentlich eingeschränkt werden könnten, ist es bei den derzeit bestehenden Gesetzen unseren Soldaten kaum möglich, auf diesem Sektor Eigentum zu bilden, wie es fast jedem Bürger gleichen Alters in anderen Berufen geboten wird. Auch hier müßten sich - das gilt wohl auch für viele andere Gruppen unserer Bundesbeamten, nicht zuletzt auch für den Zoll - Regierung und Parlament etwas einfallen lassen, um Gesetze zu schaffen, die diesen Gruppen unserer Staatsdiener dieselben Vorteile geben wie denjenigen Beamten, z. B. der kommunalen Verwaltung, die immer am gleichen Ort bleiben können.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie mich noch ein kurzes Wort zum Wohnungsmangel sagen. Das Verteidigungsministerium hat am 25. Juni 1968, also vor einem halben Jahr, den Bedarf bis 1970 noch mit 149 339 Wohnungen bekanntgegeben. Davon fehlen allein in Köln 900, in Flensburg, wo die Lage besonders katastrophal zu sein scheint, 850 und in München 597. Nachdem das Trennungsgeld schon nicht dem Mehraufwand entspricht, verpflichten sich sehr viele Unteroffiziere nicht weiter.
Ich darf Sie nun bitten, sich noch etwas zu überlegen. Für einen Großteil der Wohnungen sind vier Bundesministerien zuständig. Deshalb sollten wir auf diesem Gebiet eine bestimmte Ordnung schaffen. Auf alle Fälle muß der Wohnungsfürsorge unserer Soldaten größere Aufmerksamkeit geschenkt werden. Es dürfte gerade für den Herrn Wehrbeauftragten nicht schwierig sein, von amtlicher Seite feststellen zu lassen, wie entscheidend diese ungelösten Probleme zum Unmut unserer verheirateten Zeit- und Berufssoldaten beitragen. Wenn Sie allein die für eine schlagkräftige Bundeswehr fehlenden 32 000 Unteroffiziere gewinnen wollen, müssen Sie erst einmal auch auf dem Gebiet des Wohnungswesens die heute bestehenden Mißstände beseitigen.
Ich möchte zum Schluß noch ein Wort zu dem sagen, was mein Herr Vorredner vorhin angeschnitten hat. Es geht darum: Wie können wir von uns aus den Unmut und die Unlust in der Bundeswehr zurückdrängen? Ich bin der Meinung, wir sollten als Abgeordnete dieses Hauses häufiger denn je Gespräche mit unseren Soldaten führen, und zwar betont nicht nur mit dem Kommandeur, sondern auch mit unseren Unteroffizieren. Dieses unvoreingenommene Gespräch wird dann das Vertrauen schaffen, das, wie wir glauben, zur Zeit fehlt.
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Das Wort hat jetzt der Herr Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages.
Hoogen, Wehrbeauftragter des Deutschen Bundestages: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, ich würde meine Aufgabe falsch verstehen, wenn ich nicht zu den einzelnen Fragen, die hier in der Diskussion aufgeworfen worden sind - wenn auch nur kurz, weil es die Zeit nicht länger gestattet -, Stellung nähme. Dabei darf ich so verfahren, daß ich die Probleme und die Fragenkreise, die von mehreren Sprechern der drei Fraktionen angesprochen worden sind, zusammenfassend behandle und auf die nur von einzelnen Sprechern angeschnittenen Fragen vorweg im einzelnen eingehe.
Herr Abgeordneter Schultz hat gegen meine Auffassung Stellung genommen, die ich nicht nur in diesem Jahresbericht, sondern schon früher vertreten habe, daß man nämlich die Disziplinarvorgesetzten - Herr Abgeordneter Schultz, nur die Disziplinarvorgesetzten - etwa sogar durch eine Verschlußsache darüber unterrichten soll, mit wem sie es zu tun haben. Dies soll nicht so sehr im Interesse der schwierigen Soldaten geschehen; es braucht sich nicht immer um Vorstrafen zu handeln, da die Disziplinarvorgesetzten diese mit der Zusendung der Strafregisterauszüge ohnehin erfahren. Vielmehr geht es um Dinge des Vormundschaftsrichters und Jugendrichters. Es geht insbesondere um das Interesse jener Soldaten, die, - und das ist die weitaus größte Zahl in der Kompanie - sich anständig führen. Weil sie als anständige junge Leute zur Bundeswehr kommen, müssen sie ebenso anständig wieder von der Bundeswehr entlassen werden.
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Ich habe festgestellt - und das ist der Anlaß gewesen, diesen Gedanken zu äußern -, daß es nicht selten vorkommt, daß anständige junge Leute teilweise bis zu gerichtlich zu verurteilenden strafbaren Handlungen hin verführt werden und daß die Eltern dieser nicht selten noch unmündigen jungen Leute der Bundeswehr deswegen böse sind.
Herr Abgeordneter Schultz, die Resozialisierung braucht dadurch keineswegs gefährdet zu werden - ich habe das schon zu Beginn gesagt -, wenn diese Tatsachen nur dem Chef bekannt werden. Wir sollten das Problem im Verteidigungsausschuß weiter vertiefen, aber im Interesse der übrigen 95 % anWehrbeauftragter Hoogen
ständigen Soldaten wäre es notwendig, zu überlegen, ob nicht § 71 des Jugendgerichtsgesetzes - darauf kommt es nämlich an - ergänzt werden sollte. Er eröffnet diese Möglichkeit; denn als er geschaffen wurde, hatten wir noch keine Bundeswehr. Das also ist der Anlaß.
Was die Frage der langen Dauer der Verfahren angeht, die Sie, Herr Abgeordneter Schultz, angesprochen haben, so werden Sie von mir nicht erwarten, daß ich jetzt in allen Einzelheiten dazu Stellung nehme. Denn die Tausende von Überprüfungsverfahren, die bei mir laufen, kenne ich nicht alle auswendig. Ich verspreche Ihnen jedoch, in beiden Fällen mitzuteilen, wie es zu der Verzögerung gekommen ist. Ferner bin ich nicht sehr glücklich darüber, daß auch in meinem Amt noch Verzögerungen vorkommen. Aber Sie kennen aus den Beratungen des Verteidigungsausschusses die personellen Schwierigkeiten, die ich bis vor knapp einem Jahre hatte und die nun, wie ich feststellen darf, dank der Mitwirkung des Verteidigungsministeriums - das darf ich dankbar anerkennen - und des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages im wesentlichen beseitigt sind.
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Ich verspreche also zukünftiges Wohlverhalten, was die schnelle Bearbeitung angeht.
Die Herren Abgeordneten Ernesti und Porsch haben die Frage der Wohnungsversorgung angesprochen. Herr Abgeordneter Porsch, Sie haben mit Recht „beanstandet", daß ich in diesem Jahresbericht davon nicht gesprochen habe. In meinen beiden ersten Jahresberichten war diese Frage behandelt. Auch in meinem nächsten Jahresbericht 1968, der, Herr Abgeordneter Ernesti, nicht erst in einigen Monaten vorgelegt wird, sondern ohne Rücksicht darauf, daß in der zweiten Hälfte des Monats Februar im Rheinland Karneval ist, schon in der Karnevalswoche erscheint, wird wieder die Frage der Wohnungsversorgung der Soldaten der Bundeswehr angesprochen werden. Herr Abgeordneter Porsch, Sie haben völlig recht, die Schwierigkeiten liegen zu einem Teil darin, daß allein auf Bundesebene vier Ministerien mit der Frage befaßt sind: das Verteidigungs-, das Finanz-, das Wohnungsbau- und das Schatzministerium. Es ist nicht sehr schwierig, die Meinungen der Ressorts der Bundesregierung auf diesem Gebiet zu koordinieren. Die Durchführung der Vorhaben auf diesem Gebiet geschieht indes auf Länderebene. Ich habe mir im zweiten Amtsjahr die Mühe gemacht, mit sämtlichen Länderwohnungsbauministern und vielen Oberfinanzdirektionen, die für die Durchführung zuständig sind, zu korrespondieren. Dies habe ich deshalb getan, weil ich davon überzeugt bin, daß wir uns sonst in diesem Hohen Hause noch in zehn Jahren über diese Frage unterhalten werden. Denn angesichts der ständig steigenden Mieten und der nicht dementsprechend steigenden Versorgungsbezüge der ausgeschiedenen Soldaten wird die Bundeswehr vermutlich aus Gründen der allgemeinen Fürsorge nicht dazu kommen, die ausgeschiedenen Soldaten, insbesondere der Unteroffiziersgrade, aus den Dienstwohnungen herauszusetzen. Das wird vermutlich aus allgemeinen menschlichen Erwägungen nicht gehen. Infolgedessen wird immer mehr Wohnraum gebaut werden müssen. Das ist die eine Seite.
Zu der anderen Seite, der Zuständigkeit, darf ich folgendes sagen: Ich habe in der ersten Hälfte der fünfziger Jahre, als die Wiederaufrüstungsgesetzgebung hier in diesem Hohen Hause beraten wurde, zwei Tage lang - ich glaube: sogar mit Erfolg - darum gerungen, daß die Zuständigkeit für die Wohnungsversorgung im Verteidigungsbereich durch ein Bundesgesetz auf den Bundesminister der Verteidigung übertragen werden kann. Das steht in Art. 87 b des Grundgesetzes. Es bedarf allerdings eines Bungesgesetzes, das in diesem Hohen Hause mit einfacher Mehrheit zu beschließen ist und der Zustimmung des Bundesrates bedarf. Ich kann mir nicht vorstellen, daß der Bundesrat diese Zustimmung nicht geben würde. Dann wäre die Möglichkeit gegeben, wenigstens einen Teil des nicht abreißenden Mangels an Wohnungen zu beseitigen. Ich verweise auf die getroffenen Lösungen bei der Bundesbahn und der Bundespost. Das wäre eine Möglichkeit. Ich sage das hier in diesem Flohen Hause zwar zum erstenmal. Aber an vielen Stellen habe ich diesen Gedanken bereits eingehend ausgeführt.
Zu der weiteren Frage, die Herr Abgeordneter Ernesti angesprochen hat, darf ich sagen: Soweit der Strafenkatalog der Wehrdisziplinarordnung angesprochen ist, bin ich unmittelbar nicht zuständig; ich kann mich nur dann äußern, wenn mich der Verteidigungsausschuß um meine Erfahrungen bittet. Die übrigen hier zu regelnden Fragen liegen allein in der Zuständigkeit des Hohen Hauses.
Die Frage der Wehrmittelbeschädigung habe ich in meinem Jahresbericht 1967, den wir heute beraten, nicht angesprochen. Nach den auch mir zugehenden Meldungen über besondere Vorkommnisse in der Bundeswehr hat die Wehrmittelbeschädigung - wie Sie sie mit Recht genannt haben; man kann das auch Sabotage nennen - in der Tat erst im Jahre 1968 rapide zugenommen; an dieser Stelle darf ich sagen, daß sie in einem mir auffallend erscheinenden, prozentual gleichen Maße wie ungefähr die Anträge auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer angestiegen ist.
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Diese auffallende Steigerung der Prozentsätze hat mir zu denken gegeben. Ich komme darauf zurück, wenn ich über die Frage der Kriegsdienstverweigerer im Zusammenhang spreche.
Die Abordnung von Soldaten, Herr Abgeordneter Ernesti, in mein Amt habe ich in den ersten sechs Monaten meiner amtlichen Tätigkeit im Jahre 1965 zu erreichen versucht. Ich habe dabei im Verteidigungsministerium großes Verständnis gefunden. Ich habe mich sodann der auch in der Wirtschaft bekannten „Methode der Abwerbung" bedient und einen Stabsoffizier, der über eine volljuristische Ausbildung verfügt, gebeten, von der Offizierlaufbahn in das Beamtenverhältnis überzuwechseln und in meinem Amt tätig zu werden.
Wehrbeauftragter Hoogen
Nunmehr darf ich zu den Fragen kommen, die von einer Reihe von Abgeordneten hier erörtert worden sind. Gleich zu Beginn meines Berichtes habe ich davon gesprochen, daß das Unbehagen und die Unruhe in der jungen Generation nicht ohne Einfluß auf die Bundeswehr geblieben sind. Ich habe auch im einzelnen ausgeführt oder wenigstens angedeutet, was meines Erachtens die Ursache hierfür ist. Bei den Ursachen steht - das habe ich auch im Verteidigungsausschuß bereits sehr ausführlich dargetan - die Frage der Wehrgerechtigkeit - besser gesagt: der Wehrungerechtigkeit - an oberster Stelle. Von Verfassungs wegen haben wir eine allgemeine Wehrpflicht. Nach dem Wehrpflichtgesetz sind alle Männer von 18 bis 45 Jahren wehrpflichtig. Aber wie sieht es in der Wirklichkeit aus? Ein Beispiel: Von 281 000 Gemusterten des Jahrgangs 1946 waren nur 70 % tauglich; die übrigen waren beschränkt tauglich, zeitlich untauglich oder völlig untauglich. Auch diese Zahl von 30 % Untauglichen
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sollte eigentlich das Hohe Haus gelegentlich beschäftigen.
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Von diesen 70 % als tauglich gemusterten Wehrpflichtigen stehen wiederum nur 41 % der Erfaßten des Gesamtjahrgangs zur Einberufung zur Verfügung. Die anderen sind auf Grund der gesetzlichen Ausnahmen des § 12 des Wehrpflichtgesetzes - und ich muß hinzufügen: und seiner überaus großzügigen Handhabung -,
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nicht zur Einberufung gekommen. Das muß bei den Soldaten Unbehagen im Gerechtigkeitsempfinden hervorrufen. Denn es ist ja gar nicht so - das kann ich bei den Truppenbesuchen immer wieder feststellen; 69 habe ich im vergangenen Jahr gemacht -, daß unsere Soldaten nicht mit Lust und Liebe bei der Sache wären. Aber die Soldaten können zwei Dinge nicht vertragen: daß man sie ungerecht behandelt und daß man gegebene Versprechungen nicht hält.
Ich wiederhole deshalb mit großer Eindringlichkeit, was ich schon oft gesagt habe, nicht zuletzt bei der Beratung meines Jahresberichts im Verteidigungsausschuß: ich habe diesem Hohen Hause lange genug angehört, um zu wissen, daß, wenn die Frage der Wehrgerechtigkeit in dieser Legislaturperiode nicht entschieden wird, die Gefahr besteht, daß es darüber 1970 oder noch sehr viel später werden könnte. Ich bitte Sie, mir zu glauben, daß der Schaden, der dadurch entsteht, vielleicht so groß sein kann, daß er dann nicht wiedergutgemacht werden kann.
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Daran sollte man denken.
Zu den Fragen, wie die Wehrgerechtigkeit im einzelnen hergestellt werden kann, habe ich hier nicht Stellung zu nehmen; das ist nicht meine Aufgabe. Aber auf Grund meiner Erfahrungen aus meinen Besuchen bei der Truppe und aus vielen Eingaben darf ich hier nicht schweigen; denn das würden die Soldaten nicht verstehen, wenn ich ab nächster
Woche wieder zu ihnen komme. Die Eilbedürftigkeit dieser Frage kann nicht hoch genug veranschlagt werden.
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Ein zweites Problem, das heute hier nicht angesprochen worden ist, von dem ich aber glaube, daß man es ansprechen sollte, weil es mir nicht nur die Soldaten, die davon betroffen sind, sondern auch die Kommandeure bei allen Besuchen immer wieder vortragen, liegt in der Frage der sogenannten heimatfernen Einberufung; Soldaten aus Niedersachsen werden zu den Gebirgsjägern nach Bayern und umgekehrt Soldaten aus Südbaden nach Schleswig-Holstein einberufen. Man sollte meinen, das müsse nicht unbedingt so sein. Ich gestehe zu, daß es dafür Gründe gibt, die nicht beseitigt werden können. Aber ich muß auch hinzufügen, daß es Mißlichkeiten hervorruft, die mir nicht nur die Soldaten vortragen, die davon betroffen sind, sondern auch die Kommandeure und Einheitsführer, weil sie dann in ihren Verbänden und Einheiten viel Ärger haben. Die Soldaten, die in der Nähe wohnen, können jedes Wochenende nach Hause fahren; demgegenüber können die- anderen allenfalls nur alle vier Wochen ihre „Füße unter Mutters Tisch stecken". Die Folgen hiervon sind Dienstvergehen und Straftaten.
Abgesehen davon werden sowohl die Bundeswehr als auch der Wehrbeauftragte mit einer Flut von Versetzungsgesuchen überschüttet. Man könnte es ändern, wenn man die Gründe für die heimatferne Einberufung kennt. Dann könnte man an die Stelle des gegenwärtigen Systems vielleicht ein anderes setzen; die Sachverständigen nennen es das „Ziehharmonika-System". Bei diesem System erfolgen die Einberufungen in Länder, die nebeneinander liegen, z. B. von Bayern nach Baden-Württemberg, von Baden-Württemberg nach Hessen. Dagegen wird eingewandt, das gehe nicht ohne weiteres. Denn der Grundsatz der allgemeinen Wehrpflicht gebiete es, das personelle Aufkommen an tauglichen Reservisten entsprechend ihrer Jahrgangsstärke und unter Berücksichtigung der Bevölkerungsdichte in den einzelnen Bundesländern gleichmäßig auszuschöpfen. Das leuchtet ein. Aber Folge hiervon ist, daß etwa 40% der Wehrpflichtigen in heimatfernen Standorten dienen müssen, mit allen Beschwernissen, mit allen Verdrossenheiten und Mißlichkeiten, die sich hieraus ergeben, insbesondere gegenüber den Kameraden, die eben jedes Wochenende nach Hause fahren können. Wenn das nicht der Fall wäre, meine Damen und Herren, käme es vielleicht nicht zu diesen Beschwernissen und Verdrossenheiten. Von den Kommandeuren wird mir in diesem Zusammenhang immer wieder gesagt, daß sich gerade die heimatferne Einberufung in hohem Maße belastend auf das innere Gefüge der Truppe auswirke.
Ich glaube, nichts ist schlimmer, als mit unzufriedenen Soldaten die Ausbildung sowie Übungen und Manöver zu veranstalten. Das hat auch der Herr Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Herr Dr. Zimmermann, in einer Debatte hier in diesem Hohen Hause vor etwa einem Dreivierteljahr einmal hervorgehoben. Dies kann ich nur unterstreichen. Die Zufriedenheit der Soldaten durch eine gerechte BeWehrbeauftragter Hoogen
handlung - aber nicht nur durch Geldzuwendungen - herzustellen, scheint mir das A und O der Reformen zu sein, die man anstreben sollte.
Meine Damen und Herren, ich trage damit ein Anliegen der Soldaten vor. Eigentlich könnten Sie mir entgegnen: Sie sind Hilfsorgan des Bundestages bei der Ausübung der parlamentarischen Kontrolle von Regierung und Bundeswehrführung, und Sie überwachen die Handhabung der Grundsätze der Inneren Führung; im übrigen werden Sie auf Grund besonderer Aufträge nach dem vor zwei Jahren beschlossenen Verfahren tätig. Meine Damen und Herren, bei der Beratung des Gesetzes über den Wehrbeauftragten und auch bei der Beratung der Verfassungsergänzung ist damals mit voller Absicht darauf abgestellt worden - und das hat auch im Wehrbeauftragtengesetz seinen Niederschlag gefunden -, daß der Wehrbeauftragte sich zur Förderung und Vertiefung des Vertrauens zwischen den Soldaten der Streitkräfte und diesem Hohen Hause auch als Sachwalter der Soldaten gegenüber diesem Hohen Haus fühlen sollte. Und das tue ich! Ich glaube, daß ich auf diese Weise im Laufe der Zeit das Vertrauen der Bundeswehr zu diesem Hohen Hause in noch stärkerem Maße festigen werde.
Eine in deutscher Sprache, aber im Ausland erscheinende Zeitung hat den Wehrbeauftragten wegen dieser seiner Tätigkeit, die offenbar auch im benachbarten Ausland bemerkt worden ist, eine Relaisstation zwischen Parlament und Armee genannt. Wenn die Zeitung das Wort „Relais" nicht im alten militärischen Sinne als Stafettenstation, sondern im modernen technischen Sinn als Schalt- und Steuerungsinstrument versteht, das insbesondere mit einer ganz schwachen Kraft eine große Kraft in Gang zu setzen imstande ist, ist dieser Vergleich richtig. Dann würde nämlich der in seinen Kräften schwache Wehrbeauftragte die große Kraft des Parlaments in Bewegung setzen, damit den Anliegen der Soldaten stets im erforderlichen Umfang Rechnung getragen wird. Deswegen bin ich der Meinung, daß wir dankbar anerkennen sollten, daß diese Institution, die sich im Inland nicht immer der gleichen Beliebtheit erfreute, auch im Ausland eine gute Resonanz findet.
Ich muß aus einem anderen Grunde noch einmal auf die heimatfern eingezogenen Soldaten zurückkommen. Wer wie ich freitags auf der Autobahn „liegt", wenn ich von Truppenbesuchen und aus Garnisonen komme, erkennt schon rein äußerlich die Wagen, in denen die Soldaten über das Wochenende in Urlaub fahren. Das Ernste bei der Sache scheint mir zu sein, daß sich bei diesen Wochenendfahrten eine Unzahl von Verkehrsunfällen mit tödlichem Ausgang ereignet. Diese Zahl darf ich dem Hohen Hause nicht vorenthalten. Im Berichtsjahr 1967 sind bei Kraftfahrzeugunfällen im Dienst 48 Todesopfer zu beklagen gewesen, außer Dienst waren es 356 Todesfälle. Das sind etwas weniger als die Hälfte aller toten Bundeswehrsoldaten im Dienst und außer Dienst, die natürlichen Todesfälle eingeschlossen. Diese Zahlen sollten zu denken geben.
Meine Damen und Herren, viel Verdrossenheit, Wehrunwilligkeit und Ärger wird bei jenen Wehrpflichtigen Soldaten verursacht, die nach Ableistung ihres Wehrdienstes ihre Ausbildung an Hoch- und Fachschulen beginnen oder fortsetzen wollen. Auch diese Frage ist von Herrn Abgeordneten Schultz angesprochen worden. Die Schwierigkeit liegt, wie ich glaube, zu einem ganz großen Teile in der Abstimmung der Termine, nämlich des Abiturtermins, des Einberufungs- und Entlassungstermins der Bundeswehr und der Termine für Immatrikulation, Semesterbeginn und Semesterende der Universitäten und Fachhochschulen. Für die Festsetzung der Termine des Abiturs sind die Landeskultusminister zuständig, für die Einberufungs- und Entlassungstermine der Bundeswehr der Verteidigungsminister und für die Termine, die die Universitäten betreffen, wie etwa den Beginn der Erstsemester - nur im Winter oder nur im Sommersemester -, die Universitäten in ihrer Autonomie. Es muß mithin eine ganze Zahl von Instanzen und Behörden zusammenwirken, um diese Termine so zu harmonisieren, daß die Soldaten, die ihren Wehrdienst ableisten, im Hinblick auf ihre Berufsausbildung möglichst wenig behelligt werden. So sollte es, wie ich meine, sein. Ich habe mich aber noch nicht davon überzeugen können, daß es so ist. Es wurde mir heute gesagt, daß in der nächsten Woche die Kontaktkommission, die das also regeln soll, wieder zusammentritt. Meine Damen und Herren, das allein genügt mir nicht. Im Jahresbericht 1968, der in der zweiten Februarwoche vorgelegt wird, werden Sie dazu von mir Näheres hören. Ich bin darauf zurückgekommen, weil die Frage hier eben angesprochen wurde und weil sie überaus viel Unwillen unter den Soldaten hervorruft, da sie manchmal bis zu sechs Monate Zeit verlieren, wenn z. B. im Sommermester eine bestimmte Vorlesung für Physik-Studenten - wie in Bonn - nicht gelesen wird.
Ein Teil dieser Bekümmernisse ist durch den Erlaß des Bundesverteidigungsministers vom 16. August 1968 beseitigt worden. Ich habe indes schon gesagt: nur ein Teil; es bleibt auf diesem Gebiet noch einiges zu tun, und ich meine, wenn alle Instanzen von Bund, Ländern und Universitäten zusammenwirken würden, würde der in der Praxis gehandhabte Föderalismus, worauf es ja hinausläuft, jedenfalls bei den Soldaten einen guten Eindruck hinterlassen; denn sie verstehen es einfach nicht, daß sich Behörden über diese Fragen nicht einigen können.
Die Frage der Personalsituation bei der Bundeswehr, soweit sie Offiziere und Unteroffiziere betrifft, brauche ich hier nicht zu vertiefen, denn sie ist Gegenstand von Beratungen von Gesetzentwürfen in den zuständigen Ausschüssen, die - wie wir alle wissen - in Kürze wieder in zweiter und dritter Lesung hier das Plenum beschäftigen werden. Es wird an dieser Stelle dann das Notwendige darüber gesagt werden müssen.
Eines sollte ich, glaube ich, doch noch sagen, weil mir das die Grundfrage zu sein scheint. Ich nehme regelmäßig an den Sitzungen des Verteidigungs11234
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ausschusses teil, ohne jedoch das Wort zu ergreifen - es sei denn, ich werde hierzu aufgefordert. Dabei habe ich schon sehr oft festgestellt, daß immer wieder, wenn über Dinge gesprochen wird, wie z. B. über die Erhöhung einer bestimmten Zulage für Soldaten, etwa für Flugzeugführer von Strahlflugzeugen, oder auch über andere Dinge, Vergleiche in andere Richtungen gezogen und Hinweise in andere Richtungen gegeben werden. Das scheint mir auch daran zu liegen, daß wir uns Anfang der fünfziger Jahre, als das Soldatengesetz beraten wurde, aus Zeitmangel und weil wir damals keine einschlägigen Erfahrungen hatten, nicht genügend mit dem Berufsbild des modernen Soldaten befassen konnten. Darin scheint mir eine Hauptursache der gegenwärtigen Situation zu bestehen.
Ich entsinne mich sehr genau, daß damals hier in diesem Hohen Hause gesagt wurde: Regeln wir das einstweilen analog nach Beamtenrecht! - Das war seinerzeit für eine Übergangszeit durchaus erträglich und sogar das einzig Mögliche, weil keine Erfahrungen vorlagen.
Ich glaube aber, daß diese Zeit allmählich abgelaufen ist; denn das Berufsbild eines modernen Soldaten unterscheidet sich von dem eines Beamten nicht unerheblich.
Lassen Sie mich auch noch einige wenige Worte - weil auch das hier angesprochen ist - zum Problem der Sanitätsoffiziere sagen. Ich glaube, wenn ich Ihnen die Zahlen nach dem heutigen Stand nenne, werden Sie genauso erschrocken sein wie ich: Es fehlen hier - ohne Sie mit Einzelheiten zu belästigen - nach der StAN, d. h. nach dem Stellen- und Ausrüstungsnachweis, im Augenblick 41 %. Entweder ist die StAN falsch, oder es wird dem Umstand, daß 41% der Sanitätsoffiziere fehlen, nicht genügend Rechnung getragen.
Natürlich versucht man, die Soldaten mit Hilfe von Vertragsärzten sanitätsärztlich zu versorgen. Der Vertragsarzt untersteht nicht militärischer Disziplinargewalt. Ich bekomme nicht selten Eingaben, aus denen sich ergibt, daß sich der Vertragsarzt eben nicht so um die kranken Soldaten kümmern kann, wie es eigentlich der militärische Vorgesetzte verantworten muß; denn dieser ist auch für das körperliche Wohl seiner Soldaten von 0 bis 24 Uhr verantwortlich. Dieser Verantwortung kann er mit einem Vertragsarzt, der ihm nicht untersteht, nicht immer hinreichend gerecht werden. Man könnte diesen Zustand ertragen, wenn es 10 bis 15 % Fehlstellen wären; bei 41 % ist dieser Zustand indes nicht erträglich.
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Deswegen meine ich, daß man diesem Umstand Rechnung tragen und die Laufbahn der Sanitätsoffiziere verbessern sollte.
Meine Damen und Herren, auch die politischen Unruhen der letzten Monate sind an der Bundeswehr nicht spurlos vorübergegangen. Das zeigt sich an folgendem: Die Beteiligung der Soldaten an Flugblattaktionen - natürlich vor den Kasernentoren - macht den Vorgesetzten viel zu schaffen.
Nach meinen Beobachtungen wird man ohne Inanspruchnahme der Gerichte, der Staatsanwaltschaften und der Polizei auf disziplinarer Ebene mit diesen Dingen fertig. Es berührt aber doch auch gleichzeitig die Frage der Inneren Führung der Truppen.
Ich meine, es wäre besser, wenn man diesen Mißständen nicht nur mit Strafen oder sogar mit Polizei und Gerichten entgegenträte, sondern wenn sich auch die Vorgesetzten über diese Probleme mit ihren Untergebenen unterhielten und eingehend darüber diskutierten. Auch das ist heute hier, wenn ich mich nicht täusche, von Herrn Abgeordneten Ollesch gesagt worden.
Das gilt insbesondere auch für die Fragen der Fortgeltung von Eid und Gelöbnis, nachdem in diesem Hohen Hause die Notstandsverfassung verabschiedet worden ist. Sie kennen diese Misere aus der Presse. Sie ist auch in großem Maße an mich herangetragen worden, weil Soldaten ihre Wehrpässe an die Kreiswehrersatzämter zurückschickten und sagten: „Nachdem ich diesen Eid - oder dieses Gelöbnis - vor diesem Zeitpunkt abgelegt habe, halte ich mich für den Fall des inneren Notstandes für daran nicht gebunden."
Ich habe meinen Standpunkt sowohl dem Verteidigungsausschuß als auch dem Verteidigungsminister dargelegt, daß ich den Standpunkt der Soldaten nicht für richtig halte. Ich habe das auch im einzelnen begründet und nehme an, daß sich auch der Verteidigungsausschuß inzwischen meiner Meinung im einzelnen angeschlossen hat.
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Natürlich kann und braucht ein Kommandeur seinen Soldaten seine Befehle nicht zu erläutern und zu begründen. Das ist nicht üblich. Aber bei dem Informationsbedürfnis der Soldaten, wie ich es immer wieder feststelle, würde es der Sache und dem Zusammenhalt der Truppe nichts schaden, wenn er es täte und wenn er vor allen Dingen von der Bundeswehrführung durch brauchbares Material hierzu in den Stand gesetzt würde.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich für die steigende Unruhe und das steigende Unbehagen in der Bundeswehr noch folgende Symptome nennen: Das Ansteigen der Zahl der unerlaubten Entfernungen, d. h. der eigenmächtigen Abwesenheit von der Truppe, im letzten Jahr, ferner die steigende Zahl der Sabotagefälle, von denen ich soeben schon gesagt habe, daß sie in einer auffälligen Korrelation zu der steigenden Zahl der Anträge von Soldaten auf Anerkennung als Wehrdienstverweigerer stehen, weiter insbesondere die steigende Zahl der Eingaben beim Wehrbeauftragten. Im Jahre 1967 hatte ich 4500 Eingaben, im Jahre 1968 eine Zahl von 6517, das sind rund 2000, also ewta 45% mehr. Ich meine, man sollte darüber nachdenken und nach Wegen suchen - die es zweifellos gibt, die man nur beschreiten muß.
Die Soldaten sind, wie ich immer wieder feststelle, in ihrem Verlangen gar nicht so anspruchsvoll. Sie können aber - ich wiederhole es - zwei
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Dinge nicht vertragen: einmal, daß man ihnen etwas verspricht, z. B. eine Verbesserung der Unterkunftsverhältnisse, und der Kommandeur das Versprechen nicht halten kann, nicht, weil er es nicht will, sondern weil er von oben her dazu nicht in den Stand gesetzt wird, und zum anderen können Soldaten Ungerechtigkeit nicht vertragen. Denn sie leisten ja - ich spreche hier besonders von den wehrpflichtigen Soldaten - ihren Dienst als einzige in unserem ganzen Volke, die ein echtes Opfer bringen. Ich meine, die Öffentlichkeit, das Volk, für das sie das Opfer bringen - auch das ist heute schon gesagt worden - sollte das nicht nur, was wir ja tun, dankbar zur Kenntnis nehmen, sondern sollte das auch anerkennen und sollte den Soldaten in all ihren Nöten, wenn die Mittel der Propaganda, insbesondere durch die Flugblattaktionen, auf sie herunterprasseln, sagen, daß es sich doch lohnt, in diesem Staate und zum Schutz dieses Staates Soldat zu sein.
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Das stärkste Symptom für die wachsende Unruhe und das wachsende Unbehagen in der Bundeswehr scheint mir indessen die ständig steigende Zahl der Soldaten zu sein, die Antrag auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer stellen. Wenn ich dieses Problem am Schluß bringe, dann bitte ich, das nicht so zu verstehen, als wenn ich es für weniger wichtig hielte. Im Gegenteil! Ich will es nicht in einer großen Ausführlichkeit, aber mit einem großen Ernst hier vortragen. Ich möchte es weder dramatisieren noch bagatellisieren. Denn zum Dramatisieren besteht kein Anlaß, und zwar deswegen nicht, weil die Schlagkraft und die Kampffähigkeit der Truppe sowie die Moral der Soldaten dadurch in gar keiner Weise beeinträchtigt sind.
Ich gebrauche das Wort Kriegsdienstverweigerer oder sogar Wehrdienstverweigerer nicht gern, weil es den Sachverhalt, wie ich meine, unzureichend und ungenau kennzeichnet. Ich halte mich lieber an den Ausdruck im Grundgesetz, der da heißt, daß niemand gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen werden darf, oder um es positiv zu sagen: daß jeder das Recht hat, den Kriegsdienst mit der Waffe zu verweigern, wenn sein Gewissen ihn dazu zwingt, mithin, wenn er in Gewissensnot geraten würde, falls der Staat von ihm den Kriegsdienst mit der Waffe verlangen würde. Die Verweigerung von Kriegsdienst ohne Waffe genießt also nicht den Schutz des Grundgesetzes. Nach dem Wehrpflichtgesetz aber doch, denn § 25 des Wehrpflichtgesetzes ist über den durch die Verfassung gebotenen Schutz hinausgegangen. Das können wir all denen sagen, die uns entgegenhalten, wir. nahmen es damit nicht ernst. Im Gegenteil! Der Bundesgesetzgeber hat mehr getan, als ihm die Verfassung gebietet. Ich glaube, das sollte auch in aller Öffentlichkeit denen gesagt werden, die meinen, sie könnten den Verdacht schöpfen, wir versuchten, auf irgendeine Art und Weise den Kriegsdienst mit der Waffe trotz Gewissensnot zu erzwingen. Niemand in diesem Staate, niemand in diesem Hohen Hause denkt daran, das zu versuchen. Es wäre auch durch eine Änderung des Grundgesetzes nicht durchsetzbar. Aber ich darf auch daran erinnern, daß, wie alle Grundrechte, auch das Recht auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer ein gemeinschaftsbezogenes Recht ist. Wenn durch den Mißbrauch und die Ausuferung dieses Rechtes die ganze Staatsgemeinschaft in Gefahr geriete, wäre niemand mehr da, der alle anderen Grundrechte schützen könnte. Hieran findet jedes Grundrecht seine Grenze. Auch das sollte einmal sehr deutlich in der Öffentlichkeit gesagt werden.
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Das möchte ich zur völligen Klarstellung an den Anfang dieser Ausführungen setzen. Denn ich komme jetzt zu der Frage: Was geschieht mit denen, die nun als Soldaten den Antrag auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer aus Gewissensgründen stellen? Im Jahre 1967 stellte sich mir dieses Problem noch nicht in dieser Deutlichkeit. Damals stellte man den Antrag auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer bei der Musterung, im Musterungstermin oder spätestens dann, wenn man gemustert war, d. h. wenn man tauglich befunden war. In diesem Zeitpunkt war der Betreffende noch nicht in den Kreis meiner Klienten einbezogen. Nachdem man aber nunmehr als Soldat in der Bundeswehr einen derartigen Antrag stellt, bin auch ich mit diesem Problem konfrontiert.
Es stellt sich mir hierbei die Frage, wodurch das Anwachsen der Zahl der Anträge auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer eigentlich motiviert ist. Es sind für mich zwei Anzeichen, und zwar eigentlich mehr aus den Erfahrungen des Jahres 1968 als denen des Jahres 1967; aber es wäre, glaube ich, unrealistisch, wenn ich heute zu Beginn des Jahres 1969 sagte: „Meine Herren, darüber erst Ende 1969." Ich sagte: Es sind zwei Anzeichen für dieses Phänomen der ansteigenden Zahl. Das eine ist die Tatsache, daß im Gegensatz zu früheren Jahren die Wehrpflichtigen ihren Antrag nicht stellen, wenn sie die Ladung zum Musterungstermin bekommen, oder im Musterungstermin selbst. Das läge ja nahe, und das sieht auch das Gesetz vor. Seit einiger Zeit werden die Anträge in ständig zunehmender Zahl von Soldaten in bestimmten Ausbildungsabschnitten gestellt. Ein Beispiel dazu! Beim Besuch einer Kompanie in einem Panzerbataillon im norddeutschen Raum wurde ich damit bekanntgemacht, daß am Tage zuvor in einer Kompanie zehn Soldaten nach etwa drei- bis viermonatiger Dienstzeit den Antrag auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer aus Gewissensgründen gestellt hatten. Während ich noch mit dem Bataillonskommandeur darüber diskutierte, kamen zwei weitere Anträge dazu. Die Mehrzahl dieser Soldaten waren Panzerfahrer. Man muß sich einmal vergegenwärtigen, welche Folgen das hat! Meine Damen und Herren, ich kann das von hier aus nicht beurteilen, das ist Sache der Ausschüsse; aber es drängt sich einem der Verdacht auf, daß das nicht von ungefähr geschehen sein kann.
Das zweite Anzeichen ist, daß die Anträge in den einzelnen Gebieten, Bezirken und Landesteilen der Bundesrepublik verschieden häufig gestellt werden. Die Herren Mitglieder des Verteidigungsausschusses darf ich an das Schaubild erinnern, das Herr General
Wehrbeauftragter Hoogen
Juergens uns vorgeführt hat, wo die Fähnchen verstärkt in bestimmten Teilen der Bundesrepublik gesteckt waren. Ich bin aber noch nicht soweit, anzuerkennen, daß das Gewissen in bestimmten Teilen der Bundesrepublik anders gestaltet sein könnte als in anderen.
({12})
Jedenfalls veranlaßt mich diese Tatsache zum Nachdenken. Denn beide Anzeichen legen die Vermutung nahe, daß den Anträgen Berechnung und Manipulation zugrunde liegen könnten, wie Herr Abgeordneter Dr. Klepsch es mit Recht angedeutet hat. Das ist auch meine Meinung. Echte Gewissensentscheidungen und auf Berechnung und Manipulation gegründete Entschlüsse vertragen sich indes nicht miteinander. Denn unter einer Gewissensentscheidung verstehe ich eine an den Kategorien von Gut und Böse orientierte Entscheidung, die der einzelne als ihn bindend und unmittelbar und unbedingt verpflichtend nicht etwa rational trifft, sondern in seinem Innern erfährt, und nach der er handeln muß. Das ist die Not, in die er gerät, weil er es innerlich erfahren und nicht so sehr rational entschieden hat. Eine echte Gewissensentscheidung in diesem Sinne ist ein unabweisbares, die ganze Persönlichkeit ergreifendes sittliches Gebot, welches den Charakter einer Warnung vor dem Bösen und eines unmittelbaren Anrufs zum Guten, in diesem Fall zum Ersatzdienst, beinhaltet. Aber gerade auch diesen Dienst lehnen manche Kriegsdienstverweigerer ab; er wäre aber eine gute Tat.
Meine Damen und Herren, mit dieser Formulierung befinde ich mich in Übereinstimmung mit der maßgeblichen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu dieser Frage vom Dezember 1960. Wenn diese Entscheidung, wie ich glaube, sowohl von den Ausschüssen wie auch von den Gerichten mehr beachtet würde, könnten wir mit dieser Problematik besser fertig werden.
({13})
Die Unmittelbarkeit der Gewissensnot, deren Nichtberechenbarkeit und deren Nichtmanipulierbarkeit sind doch das Entscheidende. Sie allein sind Ausdruck einer echten Gewissensentscheidung.
Ich habe auch nicht den Eindruck gewinnen können, daß diese charakteristischen Merkmale einer echten Gewissensentscheidung immer und überall die rechte Beachtung gefunden haben. Damit meine ich, daß man die entscheidenden Behörden, insbesondere aber auch die Gerichte - das Bundesverwaltungsgericht eingeschlossen - darauf hinweisen sollte, was zu dieser Frage in Karlsruhe im Dezember 1960 gesagt worden ist. Und den Herrn Bundesverteidigungsminister würde ich sehr ermutigen, sich mehr auf diese Entscheidung, die damals in Karlsruhe fiel, zu berufen, wenn es darum geht, die Anerkennung als Verweigerer des Kriegsdienstes mit der Waffe aus Gewissensgründen in einem etwas anderem Sinne zu sehen, als es bisher manchmal leider geschieht. Ich sagte schon - ich dramatisiere trotzdem nicht -, daß kein Anlaß besteht, aus diesem Grunde Schlagkraft und Kampfmoral der Bundeswehr in Zweifel zu ziehen.
In diesem Zusammenhang sei mir am Ende meiner Ausführungen aber auch 'noch folgender Hinweis gestattet. Von denen, die diese Anträge auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer stellen, spricht seit mindestens einem Jahr die ganze Öffentlichkeit des In- und fast auch schon des Auslands.
({14})
Von den Soldaten, die als Wehrpflichtige in Übereinstimmung mit ihrem Gewissen oder sogar von ihrem Gewissen getrieben, also mit gutem Gewissen, im Kriegsdienst mit der Waffe zur Verteidigung der Freiheit unseres Vaterlandes ausgebildet werden, wird verhältnismäßig selten gesprochen, jedenfalls nicht unter diesem Aspekt. Meine Damen und Herren, das scheint mir nicht sehr gerecht zu sein. So spricht insbesondere aus dieser Tatsache nicht die Anerkennung des Opfers, das nun schon seit vielen Jahren junge deutsche Männer bringen. Meine Erfahrungen bei Truppenbesuchen zwingen mich sogar dazu hervorzuheben, daß man die jungen Soldaten in und vor den Kasernen, wenn sie der Propaganda ausgesetzt sind, zuviel allein läßt. Es muß zu jeder Gelegenheit verstärkt darauf hingewiesen werden, daß es eine gute, ja sogar eine sittliche Tat ist, das Vaterland und damit auch jene Bürger zu verteidigen, die sich nicht selbst verteidigen können. Man muß jedem immer wieder klarmachen, daß Waffendienst auch Friedensdienst ist.
({15})
Man müßte hierüber mit großem Ernst nachdenken und darf sich nicht damit begnügen, daß es schrecklich ist, daß es so etwas gibt.
Wir sind, so meine ich, hier alle angesprochen, ganz besonders aber die Verantwortlichen im politischen und militärischen Bereich.
Meine Damen und Herren, gewiß, Recht und Freiheit sind der Gegenstand unserer Verteidigung. Darauf werden die Soldaten vereidigt, darauf legen sie ihr Gelöbnis ab. Aber für einen jungen Menschen von 19, 20 Jahren, der sich nur unter konkreten Dingen etwas vorstellen kann, sind die Begriffe Recht und Freiheit, wenn auch durchaus richtig, so doch vielleicht etwas zu abstrakt, wenn Sie wollen, vielleicht sogar etwas zu blaß. Man muß ihnen sagen, was man unter Recht und Freiheit konkret versteht und was uns droht, wenn beides in Gefahr gerät oder verlorenzugehen droht. Ich meine, wir hätten in den letzten sechs Monaten hinreichend Beispiele, um das den Soldaten klarmachen zu können. Aber, meine Damen und Herren, es muß mit den Soldaten diskutiert werden.
Auch hierzu ein Beispiel: Aus Anlaß der Anordnung des Bereitschaftsdienstes in den Wochen nach dem 21. August bekam ich eine große Zahl von Eingaben, aber es wurde weniger Klage darüber geführt, daß man diesen zusätzlichen Dienst über das Wochenende machen müsse, sondern vielmehr darüber, daß der Vorgesetzte die Soldaten nicht über die Zusammenhänge aufgeklärt habe. Ich meine, das ist ein gutes Zeugnis für das Informationsbedürfnis und für das politische Interesse der Soldaten, dem man entsprechen sollte. Für mich ist es ein
Wehrbeauftragter Hoogen
Beweis dafür, daß die deutschen Soldaten durchaus dienstwillig sind, wenn man sie dementsprechend führt. Auf den Führungsstil, so meine ich, kommt es an.
Wenn das alles geschieht, wird ein großer Teil des Unbehagens und der Unruhe in der Bundeswehr zum Verschwinden kommen. Das ist meine feste Überzeugung auf Grund meiner nunmehr vierjährigen Erfahrungen und Erkenntnisse.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich Ihnen, insbesondere allen Diskussionsrednern, zum Schluß sagen, daß ich Ihnen für die vielfältigen Anregungen, die ich heute mitnehme, dankbar bin und daß sie darüber hinaus auch rechtzeitig genug gekommen sind, um bei dem in der Entstehung befindlichen Bericht für das Jahr 1968 - vorzulegen bis spätestens Ende Februar - ihre Verwendung zu finden.
({16})
Das Wort hat der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesverteidigungsministerium, Herr Adorno.
Adorno, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich will im Anschluß an die Ausführungen des Herrn Wehrbeauftragten nur noch einige wenige Bemerkungen machen.
Die positiven Feststellungen des Herrn Wehrbeauftragten in seinem Jahresbericht 1967 bestärken mein Haus, auf dem eingeschlagenen Weg weiterzugehen. Das Bundesministerium der Verteidigung war in enger Fühlungnahme mit der Dienststelle des Herrn Wehrbeauftragten mit gutem Erfolg bemüht, die sich aus den Eingaben der Soldaten als notwendig erweisenden Maßnahmen unverzüglich einzuleiten. Auf diese Weise war es möglich, den im Jahresbericht des Herrn Wehrbeauftragten enthaltenen Feststellungen in vielen Fällen bereits im Laufe des Berichtsjahres Rechnung zu tragen. Ich darf Ihnen, Herr Wehrbeauftragter, den Dank meines Hauses aussprechen.
Meine Damen und Herren, dies ist die Stunde des Wehrbeauftragten. Es kann daher nicht Sinn dieser Debatte sein, daß auch ich am Schluß einer langen Diskussion noch einmal auf Einzelheiten eingehe. Ich möchte Ihnen aber für die Fülle der Anregungen, die Sie im Verlauf dieser langen Diskussion vorgetragen haben, ebenfalls danken und Ihnen versichern, daß sie in meinem Hause sorgfältig geprüft werden. Die damit in Zusammenhang stehenden Probleme werden dann sicher auch im Verteidigungsausschuß beraten werden.
Wir begrüßen besonders den Entschließungsantrag, der diesem Hohen Hause zur Beschlußfassung vorliegt. Wenn es gelingt, die in diesem Entschließungantrag enthaltenen Gedanken, Vorschläge und Forderungen zu verwirklichen, wird es möglich sein, der dringenden Lösung eines wichtigen Problems näherzukommen.
Ich möchte aber noch einen Punkt, und zwar die Frage der Wehrgerechtigkeit, aus der Debatte herausgreifen, weil sowohl die Sprecher der Fraktionen als auch der Herr Wehrbeauftragte die besondere Dringlichkeit dieses Problems angesprochen haben. Wie der Bundesminister der Verteidigung selbst dieses Problem einschätzt, geht schon aus der Tatsache hervor, daß auf seinen Vorschlag hin eine Kommission eingesetzt worden ist, die den Auftrag hatte, nach Lösungsvorschlägen zu suchen. Ich kann Ihnen heute mitteilen - der Herr Vorsitzende des Verteidigungsausschusses ist bereits darüber informiert -, daß die Beratungen über den Bericht der Kommission im Februar im Verteidigungsausschuß aufgenommen werden können. Die Stellungnahme meines Hauses zu den Vorschlägen der Kommission ist soweit abgeschlossen. Sie werden Verständnis für meine Bitte haben, an alle Vorschläge, die die Kommission erarbeitet hat - an alle Vorschläge! -, ohne Voreingenommenheit heranzugehen. Dann finden wir sicher auch gemeinsam eine optimale Lösung.
Lassen Sie mich zusammenfassend das unterstreichen, was auch der Herr Wehrbeauftragte in seinem Bericht besonders hervorgehoben hat: Die Einordnung unserer Streitkräfte in Staat und Gesellschaft ist im ganzen als geglückt anzusehen. Das ist, glaube ich, eine ganz besonders wichtige Feststellung, und ich bin sicher - obwohl wir natürlich die Gefahr sehen -, daß bestimmte Versuche in jüngster Zeit, den Soldaten von seinem Auftrag abzubringen, letzten Endes zum Scheitern verurteilt sind.
Der Auftrag, Recht und Freiheit im Rahmen des Bündnisses zu verteidigen, hat selbstverständlich an erster Stelle aller Zielsetzungen zu stehen. Den Grundsätzen der inneren Führung wie auch den selbstverständlichen Gegebenheiten des Staatsbürgers in Uniform steht eine solche Forderung in keiner Weise entgegen.
Sicher bleibt noch manches in der Bundeswehr zu verbessern. Mein Haus wird das Parlament im Laufe dieses Jahres auf einigen das innere Gefüge besonders berührenden Gebieten um Unterstützung bitten.
({0})
Meine Damen und Herren, damit ist die Debatte über den Bericht des Wehrbeauftragten abgeschlossen. Wir haben nun über den Antrag des Ausschusses und über einen Entschließungsantrag *) abzustimmen. - Zu dem Entschließungsantrag hat das Wort der Herr Abgeordnete Jung.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf im Namen meiner Fraktion erklären, daß die Freien Demokraten bereit sind, diesen Entschließungsantrag zu unterstützen. Allerdings sind wir der Meinung, daß der Punkt b) durch folgenden Zusatz ergänzt werden sollte: „Bis zur Entscheidung leisten diese Soldaten Dienst in Ersatzdienstgruppen."
*) Siehe Anlage 2
Lassen Sie mich das ganz kurz begründen. Der Kollege Ollesch hat vorhin schon in seinen Darlegungen darauf hingewiesen, daß es für die Betroffenen, sowohl für die Antragsteller als auch für die Truppe, besser wäre, wenn der Antragsteller sofort, nachdem er den Antrag gestellt hat, den Dienst in der Ersatzdienstgruppe leisten könnte. Dann wissen beide, woran sie sind. Allerdings muß das zwischen dem Bundesverteidigungsministerium und dem Arbeitsministerium gesetzlich geregelt werden.
Würden Sie mir bitte Ihre Formulierung geben, Herr Kollege Jung; denn so, wie Sie sie vorgetragen haben, ist es nicht ganz klar. - Herr Abgeordneter Klepsch!
Meine Damen und Herren! So gern wir dem Vorschlag der FDP folgen würden, muß ich doch darauf aufmerksam machen, daß der Zusatz deshalb nicht übernommen werden kann, weil er dem Soldatenstatus der Betroffenen widerspricht. Wir können deshalb diesen Zusatz leider nicht übernehmen.
Dann müssen wir bei der Entscheidung über den Entschließungsantrag darüber abstimmen, ob diese Ergänzung aufgenommen werden soll oder nicht.
Zunächst stimmen wir über den Antrag des Ausschusses ab. Ich mache darauf aufmerksam, daß im Tenor dieses Ausschußantrages der entscheidende Punkt derjenige ist - ({0})
- Ich spreche jetzt von dem Antrag des Ausschusses und mache darauf aufmerksam, daß der entscheidende Punkt ist: „Der Bundestag dankt dem Wehrbeauftragten für seine Arbeit im Berichtsjahr." - Ich mache deshalb darauf aufmerksam, weil sich das Haus damit dem anschließt, was von den einzelnen Rednern hier gesagt worden ist.
Wir stimmen also über den Antrag des Ausschusses ab. Wer stimmt ihm zu? - Die Gegenprobe ! - Enthaltungen? - Dieser Antrag ist einstimmig angenommen.
Ich bitte Sie, Herr Wehrbeauftragter, davon Kenntnis zu nehmen, daß sich das Haus durch die Annahme dieses Antrags dem Votum des Ausschusses angeschlossen hat und Ihnen für Ihre Arbeit dankt.
({1})
Meine Damen und Herren, wir müssen nun zunächst über den Ergänzungsvorschlag der Fraktion der FDP abstimmen. Er ist mir hier jetzt im Wortlaut vorgelegt worden. Danach soll also Buchstabe b) - „daß die Anträge, die Soldaten auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer stellen, in kürzester Frist bearbeitet und entschieden werden" - durch den Zusatz ergänzt werden: „Bis zur Entscheidung leisten diese Soldaten Dienst in Ersatzdienstgruppen."
Darf ich um ein Handzeichen derer bitten, die diese Ergänzung des Entschließungsantrags wollen. Wer stimmt dem zu? - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das letztere ist die Mehrheit; die Ergänzung ist abgelehnt.
Wir stimmen nunmehr über den Entschließungsantrag selbst auf Umdruck 563 *) ab. Wer stimmt diesem Entschließungantrag zu? - Die Gegenprobe! -Enthaltungen? - Bei 2 Enthaltungen ist dieser Entschließungsantrag mit großer Mehrheit angenommen. - Damit ist dieser Punkt der Tagesordnung erledigt.
Meine Damen und Herren, vereinbarungsgemäß rufe ich jetzt den Punkt 6 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Bundesversorgungsgesetzes
- Drucksachen V/3432, V/3548 Schriftlicher Bericht des Ausschusses für
Kriegs- und Verfolgungsschäden ({2})
- Drucksache V/3691 -Berichterstatter: Abgeordneter Burger ({3}).
Das Wort hat der Herr Berichterstatter.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie noch einige mündliche Ergänzungen zum Schriftlichen Bericht. Der Ausschuß für Kriegs- und Verfolgungsschäden schlägt dem Hohen Hause vor, den § 56 BVG zu ändern. Diese durch das Dritte Neuordnungsgesetz gefaßte Vorschrift beinhaltet die sogenannte Anpassungsklausel. Damit soll die periodische Überprüfung der Versorgungsleistungen unter Berücksichtigung der Entwicklung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und des realen Wachstums der Volkswirtschaft sichergestellt werden. Die Bundesregierung wurde verpflichtet, darüber in zweijährigen Abständen, erstmalig im Jahre 1969, dem Bundestag zu berichten. Das Finanzänderungsgesetz 1967 hatte jedoch unter dem Druck eines finanziellen Engpasses und unter Berücksichtigung einer Priorität für investive Ausgaben den Berichtstermin vom Jahre 1969 auf den 31. Dezember 1970 hinausgeschoben. Damit wurde eine Anpassung der Kriegsopferrenten in das fünfte und sechste Jahr nach der letzten Rentenerhöhung verwiesen. Mit der vorgeschlagenen Änderung soll die ursprüngliche Fassung des Dritten Neuordnungsgesetzes wiederhergestellt werden.
Meine Damen und Herren, unter den Kriegsopfern ist Unruhe entstanden. Obwohl die Bundesregierung und der Bundestag in schwierigen Jahren durch die Verabschiedung des Dritten Neuordnungsgesetzes im Dezember 1966 und unter Vermeidung von Kürzungen am Kriegsopferetat die Opfer der Betroffenen würdigten, fühlen sich die Kriegsopfer heute vergessen. Die Gründe hierfür liegen einmal im zunehmenden Abstand zu den Kriegsereignissen und darin, daß man ihren Problemen im gesellschaftlichen und beruflichen Raum mehr und mehr ver-
*) Siehe Anlage 2
ständnislos gegenübersteht, zum anderen aber auch in den neuen Prioritäten und Schwerpunkten der Staatsausgaben, . die gesetzt werden mußten, gedrängt durch harte politische Probleme und Herausforderungen für eine ungewisse Zukunft. Hinzu kommt noch, daß den Erwerbstätigen Einkommensverbesserungen in Aussicht gestellt werden und außerdem in allen vergleichbaren Entschädigungsgesetzen eine Anpassung vorgenommen wird. Nach Auffassung der Regierungskoalition sind in, diesem Haushaltsjahr Mittel für eine angemessene Anpassung nicht vorhanden. Es wird jedoch erwartet, daß auf Grund der verbesserten wirtschaftlichen und finanziellen Situation für das Haushaltsjahr 1970 entsprechende Mittel im Rahmen der mittelfristigen Finanzplanung bereitgestellt werden. Der Ausschuß bittet das Hohe Haus, die Berichtspflicht der Bundesregierung wieder auf das Jahr 1969 festzulegen. Damit können gesetzliche Maßnahmen eingeleitet werden, die eine Anpassung der Rentenleistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz im Jahre 1970 ermöglichen. Denn, meine Damen und Herren, ein Bericht ohne Anpassung wäre Brot ohne Butter.
({0})
Ich eröffne die Aussprache in der zweiten Beratung. Wird dazu das Wort gewünscht? - Meine Damen und Herren, wir müssen uns darüber klar sein, ob Sie in der zweiten Beratung eine Debatte führen wollen oder erst in der dritten Beratung. Sie müssen Ihre Wortmeldungen so klar zum Ausdruck bringen, daß der Präsident weiß, woran er ist. - In der Aussprache wird das Wort nicht gewünscht. Wir kommen zur Einzelabstimmung.
Ich rufe die §§ 1, 2 und 3, Einleitung und Überschrift der Vorlage auf. Wer den aufgerufenen Paragraphen zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen - Danke! - Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Die aufgerufenen Paragraphen sind einstimmig angenommen.
Wir treten in die
dritte Beratung
ein. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Schmidt ({0}).
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich halte es - wenn auch zu dieser späten Stunde - für eine verhältnismäßig glückliche Lösung, daß in Verbindung mit dem eben beratenen Bericht des Wehrbeauftragten nunmehr die Verabschiedung des wiederhergestellten Dritten Neuordnungsgesetzes und die Wiederherstellung des § 56 auf der Tagesordnung stehen, weil dadurch deutlicher wird - wenigstens für uns Freie Demokraten -, welche engen Verbindungen zwischen dem Bundesversorgungsgesetz und den Problemen bestehen, die zu einem großen Teil im Bericht des Wehrbeauftragten angesprochen waren. Wenn auch, wie ich für die Freien Demokraten sagen möchte, das Thema der Versorgung in dieser Debatte bisher vielleicht zuwenig angesprochen worden ist, so enthält doch immerhin der Bericht des Wehrbeauftragten darüber, über Unfälle und ihre Folgen, einen Abschnitt. Ich sehe hier also eine glückliche Lösung der Tagesordnungszusammenhänge gegeben. Allerdings zeigt sich - ähnlich wie es Freitagmittag bei der ersten Lesung dieses Gesetzentwurfs der Fall war - für unsere Begriffe doch wieder, daß es nicht sehr glücklich ist, wenn wir Fragen der Kriegsopferversorgung - der Herr Kollege Burger hat ja die Bedeutung dieser Frage in der Öffentlichkeit mit Recht angeschnitten - zu einer so späten Stunde diskutieren müssen.
Dennoch möchte ich eingangs feststellen, daß auch wir Freien Demokraten es begrüßen, daß nunmehr die völlig unnötige Korrektur am Dritten Neuordnungsgesetz, die im vorigen Jahr durch die Regierungsfraktionen auf Vorschlag der Bundesregierung erfolgte, wieder ausgeräumt worden ist. Damit wurde die ursprüngliche Absicht der Bundesregierung, gar keinen Bericht mehr vorzulegen oder ihn weiter vor sich herzuschieben, durch die Einstimmigkeit des Hauses zunichte gemacht. So bekommen wir nunmehr - und das begrüßen wir - im Jahre 1969 den Bericht der Bundesregierung vorgelegt, wie es bereits vor zwei Jahren durch dieses Hohe Haus festgelegt worden ist.
Nun ergibt sich die Streitfrage, die auch im Ausschuß eine Rolle gespielt hat, wann dieser Bericht vorgelegt werden soll. Der Ausschußbericht spricht von einer Anpassung im Jahre 1970. Es ist kein Geheimnis, daß die Mehrheit dieses Hauses, daß die Regierungskoalition, daß Sie, meine Damen und Herren von der CDU/CSU und SPD, den Bericht erst im letzten Jahresviertel kurz vor Weihnachten vorgelegt haben möchten. Das ist in den Ausschußberatungen deutlich geworden.
Wir Freien Demokraten sind der Auffassung - in dem Zusammenhang darf ich gleich den von uns vorgelegten Entschließungsantrag auf Umdruck 567 *) begründen -, daß dieser Bericht der Bundesregierung von der jetzigen Bundesregierung und so vorgelegt werden muß, daß auf seiner Grundlage noch entsprechende Maßnahmen ergriffen werden können - ich werde noch einiges im Detail dazu sagen -, und daß diese Maßnahmen noch im Jahre 1969 in Kraft treten sollen. In unserem Entschließungsantrag ist der 15. Februar als Termin für die Vorlage des Berichtes genannt. Meine Damen und Herren, Sie werden sagen, das sei eine sehr kurze Zeit. Wäre man aber unserem Vorschlag in der ersten Lesung gefolgt, die Gesetzesänderung sofort zu verabschieden, dann wären wir hinsichtlich der Zeit für die Vorlage des Berichtes besser dran gewesen. Wäre man unseren Vorstellungen gefolgt, im Ausschuß, in der ersten Beratung sofort Entscheidungen zu fällen, wie sie dann doch gefällt wurden, dann wäre man auch zeitiger dran gewesen. Aber damals spielte eben auch schon die Frage der Vorlage des Berichtes eine Rolle.
({0})
- Entscheidungen hätten aber jedenfalls gefällt
werden können. Wir hätten der Bundesregierung
mehr Zeit gegeben, den Bericht zu dem aus unserer
*) Siehe Anlage 3
Schmidt ({1})
Sicht notwendigen Termin - nämlich dem 15. Februar - vorzulegen.
Wenn die Bundesregierung den Bericht zum 15. Februar vorlegen soll, wie es unseren Vorstellungen entspricht, ergibt sich natürlich die Frage des Berichtszeitraumes. Hier sind wir der Auffassung - das habe ich bereits im Ausschuß deutlich gemacht -, daß als Berichtszeitraum zunächst einmal die Jahre 1967 und 1968 genommen werden sollen, um damit auch den seinerzeit von diesem Hohen Hause einstimmig eingeführten Zweijahresrhythmus deutlich zu machen. Es sollte damit deutlich gemacht werden, daß in zwei Jahren der nächste Bericht vorgelegt werden muß. Darum fordern wir, den Bericht für die Jahre 1967 und 1968 vorzulegen.
Wir fordern gleichzeitig in unserem Entschließungsantrag, daß die Bundesregierung mit dem Bericht ein entsprechendes Anpassungsgesetz vorlegt, das die sich aus dem Bericht ergebenden Anpassungsmaßnahmen enthält. Dieses Gesetz soll im Jahre 1969 nicht nur in Kraft treten, sondern in diesem Jahre auch noch Leistungen für die Kriegsopfer ermöglichen.
Wir befinden uns da in Übereinstimmung mit dem Bundesrat. Wir bedauern es, daß die Bundesregierung der am 4. Oktober 1968 vom Bundesrat gegebenen Empfehlung, darüber im Rahmen der mittelfristigen Finanzplanung nachzudenken, nicht gefolgt ist. Wir befinden uns auch in Übereinstimmung nicht nur mit einigen für dieses Ressort zuständigen Länderministern, die ich bereits in der letzten Debatte anführen durfte, sondern auch der neuesten Äußerung - das darf ich vor allen Dingen den Kollegen der CSU sagen - des bayerischen Arbeitsministers Dr. Pirkl, der an den Weihnachtstagen in Bayreuth wortwörtlich erklärte - ich darf zitieren, Herr Präsident -:
Mir will es nicht in den Kopf, daß sich bei einer sorgfältigen Haushaltsanalyse keine Möglichkeiten finden lassen sollten, an anderer Stelle Mittel zugunsten der Kriegsopfer einzusparen.
({2})
- Einen Moment, ich bin gerade am Anfang der
Finanzierungsfrage, weil das ja das heiße Eisen ist.
Nun, wo sind solche Möglichkeiten der Haushaltsanalyse, wie sie auch der bayerische Arbeitsminister Dr. Pirkl vorgeschlagen hat und wie wir sie für richtig halten? Das ist einmal die Frage an die Bundesregierung - die in meiner Mündlichen Anfrage ebenfalls angesprochen ist; ich wußte nicht, Herr Minister, das muß ich dazu sagen, daß dieses Thema heute abend schon anstehen würde -: wo ist diese eine Milliarde, und kann diese eine Milliarde nicht verwendet werden, die in drei Ressorts, und zwar in den Ressorts Wissenschaft und Forschung, Verkehr und Verteidigung, wegen Nichtausschöpfung der zweckgebundenen Mittel am Ende des Jahres frei geblieben ist; oder wo ist sie inzwischen untergebracht?
Die zweite Möglichkeit der Haushaltsanlyse - ich darf sie in Anbetracht der späten Stunde sehr gekürzt, aber doch noch einmal vortragen - ist die Tatsache, daß 'im Verteidigungsausschuß eine ganze Reihe von Umorientierungen, Umentscheidungen bereits im Gange sind. Dabei wird - ich möchte den Zusammenhang zwischen Verteidigungshaushalt, Bundeswehr und Bundesversorgungsgesetz wieder betonen - im Rahmen dieses Umdenkens eine stärkere Priorität zugunsten des Bundesversorgungsgesetzes bei der Mittelfreimachung vielleicht möglich sein.
Ich mache noch einen anderen Vorschlag. Ich erinnere an das, was vor fünf Jahren - fast zur gleichen Zeit - in diesem Hause möglich war, als es um das Zweite Neuordnungsgesetz ging, Herr Professor Schellenberg. Damals waren wir an der Bundesregierung beteiligt. Damals gab es auch zunächst Haushaltsschwierigkeiten. In der ersten Lesung dieses Neuordnungsgesetzes im Dezember 1963 bestand noch keine Möglichkeit, die Abdekkung zu finden. Damals sahen wir uns gezwungen, als Koalitionspartner, Herr Kollege Schellenberg, durch den Mund unseres Kollegen Zoglmann hier oben an die von uns mitgetragene Bundesregierung die Frage zu richten, ob eine gute Koalitionszusammenarbeit weiterhin möglich sei, wenn die Mittel nicht gefunden würden. Keine sechs Wochen später, am 22. Januar 1964, konnte der Haushaltsspritische Fragen zuständige Haushaltssprecher der CDU/CSU
der auch heute noch weitgehend für sozialpolitische der Kollege Götz, erklären: In diesen sechs Wochen haben wir die damals benötigten rund 400 Millionen durch Kürzungsvorschläge bei rund 90 Titeln des Haushaltsplans zusammengebracht, - und das Zweite Neuordnungsgesetz konnte verabschiedet werden.
({3})
- Das war zu einem Zeitpunkt, als wir in der Bundesregierung waren.
({4})
Lassen Sie mich zum Schluß kommen. Sie sehen: damals war ein Wille da, und es wurde ein Weg gefunden. Ich möchte noch einmal sehr deutlich sagen: wo ein Wille ist, ist ein Weg; wo kein Wille sein sollte, ist natürlich auch kein Weg.
({5})
Damit es etwas deutlicher wird, möchte ich es einmal auf die Ebene dessen herunter projizieren, der draußen diese Debatten verfolgt. Holen wir doch einmal die Zahl, um die es hier geht, die 700 oder 800 Millionen, herunter in das allgemein-menschliche Vorstellungsvermögen. Was heißt es denn, wenn in einem Haushalt - ich erinnere an das, was vor fünf Jahren möglich war - von 80 Milliarden - ich sage es noch einmal: 80 Milliarden oder 80 000 Millionen - 800 Millionen durch Umdispositionen bereitgestellt werden sollen? Das ist das gleiche Verhältnis, als wenn eine Hausfrau bei
Schmidt ({6})
einem Haushaltsetat von 800 Mark für 8 Mark Umdispositionen treffen muß.
({7})
So sieht das Problem doch aus. Und nun sagen Sie mir, meine Damen und Herren, hier könnte auch bei gutem Willen kein Weg gefunden werden, nach der Vorlage des Berichtes von der Bundesregierung gleichzeitig ein Anpassungsgesetz mit Maßnahmen und entsprechender Deckung zu erreichen? Sollte Ihnen das nicht möglich sein, wird die Opposition ein solches Gesetz zum richtigen Zeitpunkt vorlegen.
({8})
Ich möchte dem Herrn Abgeordneten nur in einem Punkt, der nichts mit der Sache zu tun hat, widersprechen. Ich möchte es nicht unwidersprochen durchgehen lassen, daß die Zeit 19 Uhr als späte Stunde bezeichnet wird.
({0})
Ich glaube, wir sollten unsere Vorstellungen von den Arbeitsmethoden und -möglichkeiten dieses Hauses nicht allzusehr reduzieren.
Das Wort hat der Abgeordnete Bals.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die SPD-Bundestagsfraktion begrüßt es, daß der von den Sozialdemokraten vorgeschlagene Antrag zur Änderung des § 56 des BVG so schnell, aber auch mit so einheitlicher Auffassung aller Fraktionen vom Ausschuß abschließend beraten worden ist.
Durch diese Änderung wird die Bundesregierung aufgefordert, erstmals im Jahre 1969 den gesetzgebenden Körperschaften des Bundes zu berichten, inwieweit es unter Berücksichtigung der Entwicklung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und des realen Wachstums der Volkswirtschaft möglich ist, die Leistungen des Bundesversorgungsgesetzes zu ändern.
Uns kam es darauf an, diesen Bericht zu einem Zeitpunkt vorgelegt zu bekommen, der nicht nur die wirtschaftlichen Auswirkungen der schlechten Zeit im Jahre 1967, Herr Schmidt, und im ersten Halbjahr 1968, sondern auch den wirtschaftlichen Aufschwung des zweiten Halbjahres 1968 und vor allem des ersten Halbjahres 1969 wiedergibt. Schließlich verbinden wir mit der Berichtspflicht der Bundesregierung die Aussicht einer Änderung zugunsten der Versorgung der Kriegsopfer, was jedoch voraussetzt, daß sich das reale Wachstum der Volkswirtschaft aufwärtsentwickelt.
Der im Jahre 1969 vorzulegende Bericht wird Auswirkungen auf die im Jahre 1970 bereitzustellenden Mittel für die Kriegsopferversorgung haben müssen. Wir erwarten von der Bundesregierung, daß sie bei der Fortschreibung der mittelfristigen Finanzplanung für 1970 dieser Situation Rechnung trägt.
Mit dieser Änderung ist es den Sozialdemokraten gelungen, hinsichtlich der Anpassung der Kriegsopferversorgung an die volkswirtschaftlichen Gegebenheiten den Zustand wiederherzustellen, der nach dem 3. NOG gegeben war. Ich möchte feststellen, daß das seinerzeit von allen Kriegsopferverbänden ausdrücklich gebilligt worden ist.
({0})
Das Wort hat der Abgeordnete Mick.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Der in der 200. Sitzung des Deutschen Bundestages abgegebenen Erklärung der CDU/CSU-Fraktion in Sachen Änderung des Bundesversorgungsgesetzes ist im wesentlichen nichts Neues hinzuzufügen. Deshalb namens meiner Fraktion diese kurze Erklärung.
Es ist und war die Absicht meiner Fraktion, die Kriegsopfer ebenso am wirtschaftlichen und sozialen Aufstieg teilnehmen zu lassen wie andere Gruppen. Wir sind uns klar darüber, daß die Kriegsopfer wesentlichen Anteil am sozialen und wirtschaftlichen Aufstieg unseres Volkes haben. An den gesunden Grundlagen dieser Kriegsopferversorgung soll nicht gerüttelt werden. Gesunde Grundlagen bestehen darin, daß die Kriegsopferversorgung für diejenigen, für die sie weitestgehend Lohn- oder Einkommensersatzfunktion darstellt, so beschaffen sein muß, daß sie ein menschenwürdiges Leben garantiert. Dies gilt für die Schwer- und Schwerstbeschädigten und für die Kriegerwitwen.
Wir sind uns aber auch klar darüber, daß die Grundrente nicht etwa ein Taschengeld für ansonsten gut verdienende Kriegsversehrte, sondern lediglich den Versuch darstellt, für schwere körperliche und seelische Schäden 'einen gewissen, zugegebenermaßen völlig unzulänglichen, Ausgleich zu geben. Wir wissen, daß gerade die eben genannten Kriegsbeschädigten mit größeren körperlichen und geistigen Anstrengungen ihren Beruf ausüben müssen als diejenigen, die im vollen Besitz ihrer Gesundheit sind. Dies gilt besonders dann, wenn die Last zunehmender Jahre hinzukommt. Dabei ist uns aber auch sehr wohl bekannt, wie groß die Differenz in der Abgeltung von Schäden, die im Berufsleben oder aber infolge von Kriegseinwirkung entstanden sind, noch ist.
Wir haben über das eben Gesagte hinaus im Zweiten Neuordnungsgesetz auch noch die Möglichkeit eines Berufsschadensausgleichs geschaffen, von dem immer mehr Gebrauch gemacht wird. Aus dem Gesagten mag der ehrliche Versuch zu ersehen sein, den Krieg nicht nur die verlieren 'zu lassen, die an sich schon schwer getroffen wurden.
Im Dritten Neuordnungsgesetz ist erstmals der Versuch unternommen worden, in die Kriegsopferversorgung eine gewisse Kontinuität hineinzubringen.. Das heißt, daß durch den § 56 und die Berichterstattungspflicht der Bundesregierung unwürdige Auseinandersetzungen zwischen den Kriegsopfern
und dem Gesetzgeber über die Höhe der Renten und den Zeitpunkt der Rentenerhöhungen möglichst aus der Welt geschafft oder doch auf ein Mindestmaß beschränkt werden sollten. Die CDU/CSU-Fraktion ging und geht, wie sie auch schon in der ersten Lesung zu diesem Gesetzentwurf nachdrücklichst betont hat, von der Voraussetzung aus, daß, wenn ein Bericht der Bundesregierung über die wirtschaftliche und finanzielle Lage günstig ausfällt, damit auch ein Gesetzentwurf über die Verbesserung des Kriegsopferrechts, insonderheit der Kriegsopferrenten, verbunden sein muß. Wir gestehen der Bundesregierung allerdings auch grundsätzlich zu und würden sie dabei unterstützen, wenn sie zu einem Zeitpunkt, wo wirtschaftliche und finanzielle Möglichkeiten eine Rentenerhöhung nicht zulassen, von einer Vorlage zur Erhöhung der Renten absehen würde. Wir wissen um die Zusammenhänge von Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik, wo mehr auch weniger sein kann.
({0})
Die Lauterkeit gebietet uns, darauf aufmerksam zu machen, daß die Rückführung des § 56 auf seinen ursprünglichen Wortlaut keine materielle Änderung des Kriegsopferrechts darstellt. Lassen Sie mich als meine Meinung hinzufügen: es ist müßig, darüber zu streiten, ob die Änderung des § 56 eine Voraussetzung für die Änderung des Kriegsopferrechts ist, genauso wie es in der Zeit der Rezession müßig war, den § 56 zu ändern; denn auch hier hätte das gegolten, was ich eben sagte, als ich davon sprach, was wir als die Pflicht der Bundesregierung in schlechten Zeiten ansehen.
Heute dürfen wir wiederholen, was ebenfalls bereits in der 200. Sitzung gesagt wurde, daß die Kriegsopfer nicht Opfer einer Rezession sein sollten, die längst überwunden ist. Das heißt, wenn ein Bericht der Bundesregierung über die wirtschaftliche und finanzielle Lage günstig ausfällt, erwarten wir von dieser Bundesregierung, daß sie auch unter Änderung der mittelfristigen Finanzplanung Konsequenzen zieht; denn diese Konsequenzen orientieren sich ja an den im Bericht angegebenen wirtschaftlichen und finanziellen Möglichkeiten. Wir sagten aber auch, daß wir es für richtig halten, daß erst eine aus den kommenden Wahlen hervorgegangene Bundesregierung den Bericht erstatten sollte; denn erst sie hat auch die Konsequenzen eines solchen Berichts zu verantworten. Außerdem ist dieser Bericht näher an den Möglichkeiten des Jahres 1970, für das wir die Einlösung von Verpflichtungen im Falle günstiger Prognosen erwarten und mit allen Möglichkeiten fördern.
Die CDU/CSU-Fraktion stimmt dem vom Ausschuß für Kriegs- und Verfolgungsschäden einstimmig gefaßten Beschluß, den § 56 in der ursprünglichen Fassung wiederherzustellen, zu.
Nun, meine verehrten Damen und Herren, einige Sätze zu dem Entschließungsantrag der FDP. Wenn ich es recht in Erinnerung habe, haben die Freien Demokraten, die für die Einbringung des Haushaltssicherungsgesetzes mitverantwortlich sind, hier nicht nur Anträge zu § 56 in Sachen Kriegsopferversorgung gestellt, d. h. in bezug auf die Verschiebung.
Man soll doch nicht so tun - und ich betrachte das als unwahrhaftig -, als wenn in dieser mittelfristigen Finanzplanung nur die Kriegsopfer hätten Federn lassen müssen.
({1})
Ich vermisse Ihren Antrag, Herr Kollge Schmidt, etwa die Zuschüsse der Bundesregierung zur Rentenversicherung, die Zuschüsse der Bundesregierung in Sachen Mutterschaft usw. usw. wiederherzustellen.
Weil wir diesen einseitigen Antrag als unredlich ansehen, lehnt ihn meine Fraktion ab.
({2})
Das Wort hat der Abgeordnete Dorn.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es hätte sicher nicht des dramatischen Schlußakkords des Kollegen Mick bedurft, um eine psychologische Begründung dafür zu finden, den Antrag der Freien Demokraten, der Ihnen natürlich unangenehm ist, abzulehnen.
Aber so einfach sollten Sie es sich doch lieber nicht machen. Herr Kollege Mick, wenn die Probleme, die Sie jetzt angesprochen haben, hier zur Diskussion anstehen, werden wir uns zu diesen Dingen genauso äußern, wie wir uns jetzt zu Fragen der Kriegsopferversorgung äußern. Ich meine, es ist doch geradezu zu billig, herzugehen und zu sagen, Sie würden unseren Antrag heute deswegen ablehnen, weil wir nicht auch zu diesen anderen Problemen hier unsere Anträge vorbrächten.
Schauen Sie, eigentlich wundere ich mich sehr darüber - -({0})
- Nein, Herr Kollege Mick, das nehme ich auch nicht an. Aber ich habe mir in dem Alter, in dem ich heute bin, auch noch die Möglichkeit bewahrt, mich über etwas wundern zu können. Vielleicht kann ich das in Ihrem Alter auch nicht mehr.
({1})
- Wir Liberalen, Herr Kollege, sind es gewohnt, großzügig zu sein.
({2})
Wenn es so wäre, wie Sie es heute oft gar nicht mehr wahrhaben wollen, nämlich daß wir in der Koalition mit Ihnen diese Dinge so schlecht behandelt haben, wie der Kollege Mick es jetzt gerade darzustellen versuchte, dann könnte man eigentlich fast den Eindruck gewinnen, als hätten Sie damals aus der Regierung austreten müssen und nicht wir.
({3})
Aber wir erinnern uns noch an die Zeit - ({4})
- Schade, daß ich es akustisch nicht verstehe, Herr Kollege; sonst würde ich Ihnen mit Sicherheit auch auf diesen Zwischenruf eine Antwort geben können.
Zu der Zeit, als wir in der Regierung die Frage der Kriegsopferversorgung gemeinsam vertreten haben, hatten wir eigentlich den Eindruck, daß wir vernünftige Regelungen durchgepaukt hatten. So sehr unvernünftig können sie auch gar nicht gewesen sein, denn Sie selbst haben zum damaligen Zeitpunkt - ich habe mir absichtlich das dicke Buch mitgebracht, in dem die Reden auch Ihrer Kollegen über die damaligen Entscheidungen zur Kriegsopferversorgung stehen - doch ganz andere Erklärungen abgegeben, als Sie sie heute abgeben.
Wir stehen zu dem, was wir damals gesagt haben, und wollen das heute in der Opposition genauso vertreten, wie wir es damals in der Regierung vertreten haben.
Nun gebe ich zu, Sie haben sich vielleicht auf Ihren Koalitionspartner einstellen und deswegen in einigen Dingen heute eine andere Meinung vertreten müssen, als Sie sie früher vertreten haben. Das könnte man verstehen, Herr Kollege Mick, wenn die Opposition von damals, Ihr heutiger Koalitionspartner, in der Sache damals die Auffassung vertreten hätte, die Sie heute hier vertreten haben; dann hätte man das als eine - ideologische, ist vielleicht übertrieben, aber als eine koalitionspolitische Angleichung verstehen können. Aber auch das trifft nicht zu. Denn der Zahlenvergleich, den mein Freund Hansheinrich Schmidt vorhin hier vorgetragen hat, ist doch hochinteressant. Holen wir diese Zahl noch einmal herunter in das allgemeine menschliche Vorstellungsvermögen: Was heißt es denn, wenn in einem Haushalt von 60,3 Milliarden DM Umdispositionen in einer Höhe von 642 Millionen DM bereitgestellt werden müssen? Das ist dann das gleiche Verhältnis, wie wenn eine Hausfrau, die einen Monatsetat von 603 DM hat, in Höhe von 6,42 DM umdisponieren muß.
({5})
- Ja, aber Sie haben leider vergessen, wer das damals gesagt hat. Das war nämlich der SPD-Abgeordnete Mommer, und das ist das Interessante an dieser Auseinandersetzung.
Wir müssen also heute feststellen: Von alledem, was die Sozialdemokraten damals gesagt haben, wollen sie natürlich heute auch nichts mehr wissen, und weil unser Antrag, Herr Kollege Schellenberg, in der Sache dem entspricht, was Sie damals wollten und was wir in einem weiten Umfang, nämlich in mehr als zwei Dritteln der von Ihnen geforderten Höhe, mit der CDU zusammen durchgesetzt haben, lehnen Sie heute, nach den Worten des Kollegen Mick zu urteilen, unseren Antrag ab. Da muß ich allerdings sagen, ich verstehe die Begründung, die Sie nunmehr vortragen, überhaupt nicht mehr; denn wenn unser Antrag in der Sache so schlecht wäre, dann frage ich mich, warum wir über den § 56 heute überhaupt diskutieren müssen.
({6})
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage? Frau Korspeter ({0}) : Herr Kollege Dorn, ist es Ihrer Erinnerung entfallen, daß unser Antrag vom 30. Oktober 1968 stammt und daß Ihr gleicher Antrag am 27. November 1968 eingebracht wurde, und ist Ihnen nicht durch die Mitglieder, die an den Ausschußberatungen teilgenommen haben, bekanntgemacht worden, daß sie im Ausschuß diesen Anträgen zugestimmt und keine anderen Anträge gestellt haben?
Sehr verehrte Frau Kollegin, dem Antrag, den § 56 wiederherzustellen, haben wir zugestimmt.
({0})
- Entschuldigen Sie, darauf komme ich jetzt doch erst. Daß wir den Antrag gestellt haben, liegt doch nicht an uns, - ({1})
- Sehr verehrte Frau Kollegin, darauf komme ich jetzt zu sprechen. Ich hatte ja gerade erst mit diesem Problemteil der Auseinandersetzung angefangen. Daß wir diesen Antrag stellen mußten, genauso, wie Sie ihn - für uns unverständlich - jetzt wieder stellen müssen, liegt doch daran, daß Ihre Fraktion entgegen früheren Meinungen, seitdem Sie in der Regierung sind, auf diesen § 56 in der ursprünglichen Form verzichtet und seine Änderung herbeigeführt hat. Wenn es also darum gegangen wäre, den Tatbestand, den Sie heute erstreben, beizubehalten, dann hätten Sie mit uns in der Vergangenheit nur dafür zu stimmen brauchen, daß nichts geändert wird.
({2})
Sie müssen doch diesen Antrag heute nur stellen, um das wieder zurückzudrehen, was Sie hier im Plenum beschlossen haben. Das ist die Problematik, vor der wir stehen.
({3})
- Aber selbstverständlich! Fragen Sie einmal Ihren Kollegen Schellenberg, der das noch vor wenigen Wochen in einer Veranstaltung, in der wir gemeinsam gesprochen haben, ausdrücklich bestätigt hat.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Herr Kollege Dorn, haben Ihnen Ihre Kollegen nicht gesagt, daß der Antrag des Ausschusses, der jetzt hier im Plenum zur Abstimmung steht, wortgleich ist mit dem Antrag, den Ihre Fraktion am 28. November vergangenen Jahres eingebracht hat?
Ich kann Ihnen doch nur sagen: wir haben diesen Antrag logischerweise einbringen müssen, weil wir dieser Meinung immer gewesen sind.
Sie mußten diesen Antrag einbringen, weil Sie den ursprünglichen Zustand, den Sie jetzt wiederherstellen wollen, durch eine zwischenzeitliche Entscheidung erst einmal verändert haben und für eine Verschlechterung der Kriegsopferversorgung eingetreten sind. Darüber gibt es doch keinen Zweifel.
Gestatten Sie eine Frage?
Nein, Herr Präsident. Ich bitte um Verständnis dafür. Ich habe mehrere Zwischenfragen zugelassen, ich möchte jetzt zum Schluß kommen.
Ich bin mit dem Kollegen Mick der Meinung, daß es bei der Änderung dieses Paragraphen um keine materielle Verbesserung oder Verschlechterung geht. Aber es geht doch bei der Veränderung, die jetzt herbeigeführt werden muß, darum, den ursprünglichen Zustand wiederherzustellen, um die Grundlage der notwendigen Verbesserungsentscheidungen wiederherzustellen.
({0})
- „Eben", sagen Sie, Frau Kollegin. Daß diese Grundlage wiederhergestellt werden muß, liegt doch einzig und allein daran, daß Sie die Grundlage einseitig zum Nachteil verändert haben. Diese falsche Entscheidung wollen Sie - Gott sei Dank, kann ich nur sagen - jetzt mit uns gemeinsam wieder zurückdrehen.
({1})
Und nun lassen Sie mich ein letztes Wort zu dem sagen, was der Kollege Mick dargelegt hat. Er sagte, erst die Bundesregierung, die aus den nächsten Wahlen hervorgehen soll, solle für die zukünftigen Entscheidungen zuständig sein und diese zukünftigen Entscheidungen auch verantworten, und deswegen wollten Sie jetzt keine Entscheidung mehr von dieser Regierung, keine Vorlage mehr von dieser Regierung. Herr Kollege Mick, ich halte Sie für viel zu intelligent, als daß Sie das, was Sie hier vorgetragen haben, selber glauben. Denn Sie wissen genau, daß wir in diesem Hause ständig Entscheidungen treffen, die auch die nächste Bundesregierung binden, nicht nur materiell, nicht nur gesetzlich. Warum das jetzt auf einmal in diesem einen Falle nicht mehr gelten soll, begreife ich wirklich nicht mehr.
Lassen Sie mich ein Letztes sagen. Herr Kollege Mick, Sie wollen von dieser Regierung nicht, daß sie sagt, was sie will. Das kann ich verstehen nach den Erfahrungen, die Sie mit dieser Regierung gemacht haben.
({2})
Aber wenn diese Regierung und diese Koalitionsfraktion nicht in der Lage sind, einen entsprechenden Gesetzentwurf bis zu diesem Zeitpunkt vorzulegen, dann, meine Damen und Herren, werden wir Freie Demokraten einen Gesetzentwurf so kurzfristig vorlegen, daß Sie mit Sicherheit noch in diesem Frühjahr zu diesem Gesetzentwurf in diesem Hause Farbe bekennen müssen.
({3})
Das Wort wird weiter nicht begehrt. Die allgemeine Aussprache in der dritten Beratung ist geschlossen. Wir kommen zur Schlußabstimmung über das Gesetz zur Änderung des Bundesversorgungsgesetzes. Wer dem Entwurf im ganzen zustimmen will, den bitte ich, sich zu erheben. - Die Gegenprobe, bitte! - Enthaltungen? - Das Gesetz ist einstimmig angenommen.
Wir kommen nun zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion der FDP auf Umdruck 567 *). Wer diesem Antrag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Gegen die Stimmen der FDP ist dieser Antrag abgelehnt.
Punkt 3 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Textilkennzeichnungsgesetzes
- Drucksache V/2865 Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Mittelstandsfragen ({0}) - Drucksachen V/3604, zu V/3604 Berichterstatter: Abgeordneter Lenders ({1})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte um Ihre Aufmerksamkeit für ein paar ergänzende Bemerkungen zu dem Ihnen vorliegenden Schriftlichen Bericht.
Das Textilkennzeichnungsgesetz soll dem Verbraucher, und zwar mit dem Mittel der Rohstoffgehaltsangabe, in Zukunft den Textileinkauf erleichtern. Diese Information, die Rohstoffgehaltsangabe, und zwar nach Art und Gewichtsanteil der verwendeten Fasern, dient der Wahrheit und Klarheit des Angebots, gibt dem Verbraucher mehr Übersicht über den Markt der textilen Erzeugnisse und erlaubt ,es ihm, eine bessere Beurteilung der Qualität und der Verwendungsfähigkeit von Textilerzeugnissen beim Einkauf vorzunehmen.
Der Wirtschaftsausschuß hat deshalb die Vorlage des Gesetzentwurfs der Bundesregierung zum Textilkennzeichnungsgesetz begrüßt. Für Industrie und Handel bringt das Gesetz die Möglichkeit, die Rohstoffkennzeichnung, die nunmehr verbindlichen Kriterien unterliegt, in ihre Werbung einzubeziehen, und der Handel bekommt für die Kundenberatung gesicherte Grundlagen.
Entscheidend für die Rohstoffkennzeichnung der im Handel angebotenen textilen Fertigerzeugnisse ist die Kennzeichnungspflicht der Vorerzeugnisse. Hier liegt die besondere Verantwortung der Textilindustrie. Wir - d. h. der Ausschuß - gehen nicht davon aus, daß in jeder Produktions- und Handelsstufe der Rohstoffgehalt eines Textilerzeugnisses neu festgestellt werden kann.
*) Siehe Anlage 3
Meine Damen und Herren, dem Schriftlichen Bericht ist ein Entschließungsantrag beigefügt. Der Wirtschaftsausschuß war sich darüber im klaren, daß die Rohstoffgehaltsangabe allein noch nicht ausreichen wird, um Trageeigenschaften, Verarbeitungsqualitäten und Preiswürdigkeiten eines Textilerzeugnisses sicher beurteilen zu können. Der Wirtschaftsausschuß bringt daher in dieser Entschließung zum Ausdruck, daß er die baldige Einführung einer Qualitätskennzeichnung sehr begrüßen würde. Er sieht in der Entwicklung einer solchen Qualitätskennzeichnung vor allen Dingen eine Aufgabe der Stiftung Warentest.
In dieser Entschließung ist als Aufforderung an die Textilwirtschaft ebenfalls die allgemeine Verwendung der Pflegekennzeichnung angesprochen. Die Pflegekennzeichnung hat ihre Bedeutung für den Verbraucher auf dem Hintergrund der ständigen Neuentwicklungen im Bereich der Textilfasern und der zunehmenden Verwendung von Mischgeweben. Der gesetzlichen Festlegung einer solchen Pflegekennzeichnung standen allerdings rechtliche Schwierigkeiten im Wege. Außerdem würdigte der Wirtschaftsausschuß, daß die Textilwirtschaft schon von sich aus damit begonnen hat, die Auszeichnung von Textilerzeugnissen mit Pflegevorschriften vorzunehmen.
Eine Bemerkung zu der Übergangsfrist bzw. zum Inkrafttreten des Gesetzes. Der Wirtschaftsausschuß sah es als ausreichend an, eine Übergangsfrist von etwa anderthalb Jahren zu wählen. Der Vorschlag ist deshalb der, daß das Gesetz am 1. Juli 1970 in Kraft treten soll. Es bestehen aber - das kann ich zunächst einmal für meine Fraktion und mich sagen - keine Bedenken, wenn dieser Termin, wie es der Wunsch eines vorliegenden Antrags ist, um zwei Monate auf den 1. September 1970 verschoben wird. Insbesondere dem Versandhandel würden dann wegen seiner Kataloglaufzeiten unnötige Schwierigkeiten erspart. Ich glaube, wenn das Haus dem 1. September 1970 als Termin des Inkrafttretens zustimmt, dürften auch anderen Bedenken wegen bis dahin etwa nicht geräumter Läger entsprochen sein. Sollten nach Ablauf der Übergangsfrist wirklich noch nicht gekennzeichnete Reste lagern und in den Verkauf kommen, wird die Bundesregierung sicher darauf hinwirken können, daß die Gewerbeaufsicht nicht kleinlich verfährt.
Eine letzte Klarstellung, die mir erforderlich scheint: Muster und Proben, die als Ergänzung einem Prospekt oder einem Katalog beigegeben werden, sind nach unserer Auffassung von der Kennzeichnungspflicht dann ausgenommen, wenn dieser Kennzeichnungspflicht im Katalog oder im Prospekt entsprechend den gesetzlichen Vorschriften Genüge getan wird und wenn zwischen den Mustern und Proben und dem Katalog bzw. Prospekt ein erkennbarer Zusammenhang vorhanden ist.
Diese zusätzlichen Bemerkungen erschienen mir erforderlich; ich bitte Sie, dem Antrag des Ausschusses zu folgen und dem Gesetzentwurf in der Ausschußfassung und dem Entschließungsantrag zuzustimmen.
({0})
Wir treten in die Einzelberatung in der zweiten Beratung ein. Ich rufe zunächst die §§ 1, 2 und 3 auf. Wer diesen Paragraphen zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Danke. - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die aufgerufenen Paragraphen sind angenommen.
Ich rufe den § 4 auf. Dazu liegt auf Umdruck 564*) ein Änderungsantrag der Abgeordneten Burgemeister, Lampersbach, Schulhoff und Genossen vor. Das Wort zur Begründung hat der Herr Abgeordnete Lampersbach.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Ich glaube, alle, die an diesem Gesetz mitgewirkt haben, sind sich - ähnlich wie die Wirtschaft - darüber im klaren, daß mit diesem Gesetzentwurf Neuland betreten worden ist. Die Problematik, so vielseitige Erzeugnisse aus vielfältigen Rohstoffen herzustellen und sie dann zu kennzeichnen, daß der Letztverbraucher auch tatsächlich die letzte Klarheit über das, was er kauft, bekommt, ist sicherlich nicht ganz unbedeutend. Wir haben bei dem § 4 auf Grund der vielfältigen Mischung aber Bedenken, daß bei der Gehaltsangabe von 10 v. H. für „sonstige Fasern", wie es heißt, eine zu große Aufzählung von sonstigen Fasern erforderlich würde. Wir schlagen daher vor, daß der Anteil von 10 v. H. auf 15 v. H. erhöht wird. Gleichzeitig glauben wir, daß die etwas abwertende Bezeichnung „sonstige Fasern" besser durch die Bezeichnung „verschiedene Fasern" ersetzt würde. Ich bitte hier um Zustimmung zum Änderungsantrag auf Umdruck 564.
Herr Präsident, darf ich gleichzeitig meine Bemerkungen zu den §§ 12 und 15 vortragen?
Ich darf mir das erst einmal ansehen, ob das zweckmäßig ist. - Ja bitte, tun Sie das!
Mit Genehmigung des Herrn Präsidenten darf ich zum Änderungsantrag, der sich noch auf die §§ 12 und 15 bezieht, weiter vortragen: Bei dem § 12 glauben wir, daß der Begriff „fahrlässig" hier etwas zu eng ausgelegt werden könnte. Wir bitten daher das Hohe Haus, diesen Begriff „fahrlässig" in „grob fahrlässig" auszuweiten, weil hier dem Handel, der für die Bezeichnung selbst nicht verantwortlich gemacht werden kann, zugemutet werden müßte, in jedem Einzelfall konkret nachzuprüfen, ob das, was er als Muster gesehen und geprüft hat, hinterher auch in jedem Fall vom Lieferanten in vollem Umfang realisiert wird.
({0})
- Ja, Herr Kollege, ich würde Ihnen dann doch empfehlen, daß Sie hier einmal in jedem einzelnen Fall die Durchprüfung vornehmen. Wenn Sie wissen, daß ein erheblicher Teil heute vertätet oder
*) Siehe Anlage 4
kartoniert geliefert wird, dann wird ihnen die Unmöglichkeit dieser Aufgabe selbst aufgehen. Ich glaube, es bedeutet keine wesentliche Änderung, wenn Sie von „fahrlässig" auf „grob fahrlässig" ausweiten.
Des weiteren hat Herr Kollege Lenders zu § 15 bereits vorgetragen, daß einer Hinausschiebung des Inkrafttretens um zwei Monate nichts entgegensteht.
Wir bitten daher, auch diesen Änderungen zuzustimmen.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Lenders.
Meine Damen und Herren! Ich will für meine Fraktion zu diesem Änderungsantrag ganz kurz Stellung nehmen, zunächst zu Ziffer 1, also der Änderung in § 4 Abs. 3, der Erhöhung von 10 auf 15 %. Wenn man zuläßt, daß 15 % des Gewichtsanteils eines Textilerzeugnisses von vornherein, und zwar ohne Rücksicht auf die Art des verwendeten Rohstoffes, unter den Sammelbegriff „verschiedene Fasern" fallen soll, dann wird das Ziel des Gesetzes, nämlich Wahrheit und Klarheit bei der Auszeichnung und Kennzeichnung von Textilien, doch wesentlich eingeschränkt. Aus diesem Grund können wir dem Antrag nicht folgen. Wir sind der Auffassung, daß es bei der Regierungsvorlage bleiben soll.
Über den Antrag in Ziffer 2, das Wort „fahrlässig" durch „grob fahrlässig" zu ersetzen, haben wir im Ausschuß diskutiert. Das Ordnungswidrigkeitenrecht kennt in diesem Bereich den Begriff „grob fahrlässig" vom Grundsätzlichen her gar nicht. Es ist also rechtssystematisch nicht möglich, hier „grob fahrlässig" einzufügen. Ich glaube, die Juristen unter uns werden das bestätigen können.
Zum dritten Punkt, dem Termin, habe ich mich soeben schon geäußert. Damit sind wir einverstanden.
Herr Lenders, Sie sollten eigentlich eine Zwischenfrage beantworten, aber Sie waren bereits am Ende.
Keine weiteren Wortmeldungen. Wir kommen zur Abstimmung über den Änderungsantrag Umdruck 564 Ziffer 1. Wer stimmt ihm zu? - Danke. Die Gegenprobe! - Das letzte war die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Wir stimmen nun über den § 4 in der Fassung des Ausschusses ab. Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Danke. Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Bei einigen Enthaltungen ist der § 4 angenommen.
Ich rufe die §§ 5, 6, 7, 8 und 9 auf. Wer ihnen zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Danke. Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen.
Ich rufe § 10 auf. Dazu liegt ein Änderungsantrag der Abgeordneten Frau Blohm, Dr. Wörner, Burgemeister und Genossen auf Umdruck 566 *) vor. Soll er begründet werden? - Offenbar besteht kein Bedürfnis, den Antrag zu begründen.
Wer dem Änderungsantrag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Danke. Die Gegenprobe! - Das letzte ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Wir stimmen jetzt über den § 10 in der Ausschußfassung ab. Wer stimmt ihm zu? - Danke. Gegenprobe! - Enthaltungen? - Keine Gegenstimmen, keine Enthaltungen; § 10 ist also einstimmig angenommen.
Ich rufe den § 11 auf. Wer ihm zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Danke. Gegenprobe! - Enthaltungen? - § 11 ist angenommen.
Ich rufe den § 12 auf. Dazu liegt ein Änderungsantrag auf Umdruck 564 vor. Der Antrag ist bereits begründet. Wer diesem Änderungsantrag Umdruck 564 Ziffer 2 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Das letzte ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Wir stimmen über den § 12 in der Ausschußfassung ab. Wer ihm zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Danke. Gegenprobe! - Enthaltungen? - § 12 ist angenommen.
Ich rufe die §§ 13 und 14 auf. Ich bitte um ein Handzeichen derjenigen, die zustimmen wollen. - Danke! Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die beiden Paragraphen sind einstimmig beschlossen.
Ich rufe den § 15 auf. Dazu liegt ein Änderungsantrag auf Umdruck 564, Ziffer 3, vor, nach dem der Termin des Inkrafttretens vom 1. Juli auf den 1. September 1970 verschoben werden soll. Der Antrag ist bereits begründet. Wer stimmt ihm zu? Ich bitte um ein Handzeichen. - Danke! Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Änderung ist einstimmig beschlossen. Damit ist auch der Änderungsantrag auf Umdruck 556 *) erledigt.
Ich rufe Einleitung und Überschrift auf. Wer stimmt zu? - Danke! Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Auch das ist einstimmig beschlossen. Damit ist die zweite Beratung beendet.
Wir treten in die
dritte Beratung
ein. Wird das Wort in der allgemeinen Aussprache gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann kommen wir zur Schlußabstimmung.
Wer dem Gesetz im ganzen zustimmen will, den bitte ich, sich zu erheben. - Danke! Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das Gesetz ist - bei 2 Enthaltungen - einstimmig angenommen.
Wir haben nun über die Ziffer 2 des Ausschußantrags abzustimmen, einen Entschließungsantrag, der Ihnen auf Drucksache V/3604 vorliegt. Wer stimmt diesem Entschließungsantrag des Ausschusses zu? - Danke! Die Gegenprobe! - Enthaltun-
*) Siehe Anlage 5
*) Siehe Anlage 6
Vizepräsident Schoettle
gen? - Der Entschließungsantrag des Ausschusses ist einstimmig angenommen.
Ich rufe den Punkt 4 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gaststättengesetzes ({0})
- Drucksachen V/205, V/1652 Schriftlicher Bericht des Rechtsausschusses ({1})
- Drucksache V/3623 Berichterstatter: Abgeordnete Frau Dr. Kuchtner
({2})
Wünscht die Berichterstatterin das Wort? - Sie verzichtet auf das Wort.
Wir treten in die zweite Beratung ein. Ich rufe den § 1 auf. Dazu liegt ein Änderungsantrag der Abgeordneten Ravens, Kurlbaum, Lange und der Fraktion der SPD auf Umdruck 565 *) vor.
Das Wort hat der Abgeordnete Lange.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen, meine Herren! Herr Präsident, wir sind hier technisch in einer etwas schwierigen Lage, und ich bitte, mir zu erlauben, den Antrag, den die Fraktion der SPD vorgelegt hat, insgesamt zu begründen; denn mit Ausnahme der Ziffer 4 gehören alle anderen Punkte zusammen.
Das Kernstück dieses Antrags ist die Ziffer 5, die die Wiederherstellung der Vorlage des Wirtschaftsausschusses bezweckt, die also die Beseitigung dieses merkwürdigen Sachkundenachweises zum Ziele hat.
({0})
- Ich komme darauf, warum „merkwürdig". - Habe ich das Einverständnis des Präsidenten, daß ich das insgesamt vortrage?
Ich kann Ihnen nicht widersprechen, und wahrscheinlich ist es in dieser späten Stunde zweckmäßiger, Herr Kollege Lange, wenn Sie so verfahren.
Recht schönen Dank! - Ich möchte noch auf einen Sachverhalt hinweisen, meine Damen und Herren. Dieser Entwurf, den der Wirtschaftsausschuß ursprünglich federführend beraten hat, ist dem Hause als Drucksache V/1652 mit Datum vom 1. Februar 1967 vorgelegt worden.
Es sind dann rechtssystematische und rechtspolitische Gründe geltend gemacht worden, den Entwurf des Wirtschaftsausschusses noch einmal an den früher mitberatend tätigen Rechtausschuß zurückzuverweisen mit der Maßgabe, daß er federführend sein sollte, weil es sich nur um rechtspolitische und rechtssystematische Dinge handle. Es ging damals um eine entsprechende Formulierung des Nachbarschaftsschutzes und außerdem darum, die Sanktions-
*) Siehe Anlage 7 bestimmungen dem Ordnungswidrigkeitengesetz anzupassen. Dagegen war nicht der mindeste Einwand zu erheben; die Vereinbarung ist in entsprechender Weise erfolgt.
Nun ist etwas eingetreten, was zu einer völlig neuen Praxis hier im Hause geführt hat: Da hier bei der Überweisung durch den Präsidenten nicht ausdrücklich festgestellt worden ist, wie die Vereinbarung zwischen den Fraktionen hinsichtlich dieser Rücküberweisung ausgesehen hat, hat der Rechtsausschuß sich imstande gesehen, nicht nur diese eben zitierten Fragen zu erörtern, sondern darüber hinaus auch noch andere Fragen, die ursprünglich zwischen dem Rechts- und dem Wirtschaftsausschuß kontrovers erörtert worden sind, die aber der Wirtschaftsausschuß als der federführende Ausschuß in bestimmter Weise entschieden hat und die auch im Bericht des Kollegen Wieninger in ausführlicher Weise dargestellt worden sind. Ich glaube, für künftige Verfahren sollten wir sehr sorgfältig prüfen, ob man mit Argumenten im rechtspolitischen oder rechtssystematischen Gewande wirtschaftliche Fragen entscheiden soll oder ob man, wenn man das nicht will, nicht die Federführung wieder ändern und die wirtschaftspolitischen Fragen an den dafür zuständigen Ausschuß überweisen muß. Diese Bemerkung, Herr Präsident, glaubte ich nicht unterdrücken zu dürfen, da das eine völlig neue Verfahrensweise hier in diesem Hause gewesen ist, die meiner Meinung nach nicht Schule machen sollte.
Im übrigen, meine Damen und Herren, ist der Wirtschaftsausschuß der Meinung gewesen - das ist auch die Meinung der sozialdemokratischen Fraktion -, daß für die Führung eines entsprechenden Betriebes - Schankwirtschaft, Speisewirtschaft oder Beherbergungsbetrieb - ein Sachkundenachweis, so wie er jetzt in § 4 a enthalten ist, nicht erforderlich ist, weil es für die einschlägigen Betriebe lebensmittelrechtliche Vorschriften gibt, mit denen die entsprechenden Verstöße geahndet werden können.
Darüber hinaus gibt es eine verfassungsgerichtliche Entscheidung, die auch im Bericht der Kollegin Frau Kuchtner zitiert worden ist, die aber noch einen anderen Tenor enthält, daß nämlich bei der gesetzlichen Regelung oder Reglementierung der Berufsausübung die Verhältnismäßigkeit der Mittel sichergestellt werden muß. Die Verhältnismäßigkeit der Mittel scheint uns auch nach den Ausführungen des Bundesverfassungsgerichtes mit dem Sachkundehinweis nicht gegeben. Wir sehen in diesem Sachkundehinweis vielmehr einen Versuch, den Zugang zum Beruf zu erschweren. Gesundheitspolitische Gründe oder Gefahren für Leben oder Gesundheit, die hier angeführt werden, können nicht durchschlagen, weil eine Absicherung durch lebensmittelrechtliche Vorschriften besteht. Die entsprechenden Kontrollen sind vorhanden. Die Praxis hat bisher gezeigt, daß diese Kontrollen völlig ausreichen. Der Sachkundenachweis ist auch kein Beweis dafür, daß damit ein besserer Wille des einzelnen zur Beachtung gesetzlicher Vorschriften gewährleistet werden kann.
({0})
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir sind also der Überzeugung, daß dieser § 4 a gestrichen werden sollte, da die Bestimmungen des § 4 völlig ausreichen. Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion hat die entsprechenden Wünsche verschiedener Gewerbezweige, die Berufsausübung durch Gesetze zu reglementieren, bisher immer abgelehnt. Wir befinden uns dabei auch mit anderen in Übereinstimmung. Wir wären dankbar, wenn hier insoweit keine unnötige Erschwerung des Zugangs zur Berufsausübung erfolgt, wären also auch dem Hause dankbar, wenn es sich insoweit zur Wiederherstellung der Vorlage des Wirtschaftsausschusses entschließen könnte. Der § 4 a steht, so wie er heute gefaßt ist, an sich im Widerspruch zum § 4; denn konsequenterweise hätte hiernach § 4 aufgehoben werden müssen.
Ich möchte noch, wenn es erlaubt ist, Herr Präsident, ein letztes Wort zu § 4 sagen: Der Wirtschaftsausschuß und die sozialdemokratische Bundestagsfraktion waren der Meinung, daß bei der sogenannten Freibettengrenze die Zahl 8 entscheidend sein soll, weil nämlich damit in den Fremdenverkehrsgebieten entsprechende Erleichterungen auf der wirtschaftlichen Seite möglich sind und strukturpolitisch einige Veränderungen herbeigeführt werden können. Das würde aber auf der anderen Seite - da damit möglicherweise auch die Verabfolgung von Speisen verbunden ist - durch die Bestimmung des § 4 a in Frage gestellt.
Ich bitte, dem Antrag der sozialdemokratischen Fraktion zu entsprechen.
({1})
Das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. Kuchtner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Hier ist zunächst einmal das Verfahren des Rechtsausschusses kritisiert worden. Ich darf dazu feststellen, daß der Wirtschaftsausschuß in einer wirklich ganz eindeutigen rechtlichen Frage, nämlich in der Frage des Klagerechts der Nachbarn, von der Empfehlung des Rechtsausschusses wie auch des Bundesrates abgewichen ist und daß das der letzte Grund der Zurückverweisung an den Rechtsausschuß war. Im übrigen hat der Rechtsausschuß nach der Übung dieses Hauses das Recht, sich jederzeit bei Rechtsfragen einzuschalten. Die Frage, ob Sie einen Sachkundenachweis für ein Gewerbe fordern, ist ganz eindeutig eine Rechtsfrage.
Eine Zwischenfrage?
Bitte schön!
Frau Kollegin, halten Sie auch die Veränderung, die es im Rechtsausschuß hinsichtlich der Freigrenze für die Bettenzahl im Übernachtungsgewerbe gegeben hat, für eine Rechtsfrage?
Das ist zumindest eine rechtspolitische Frage.
({0})
Sie wird später behandelt werden. Es ist zumindest eine rechtspolitische Frage, von wann ab ich die Erlaubnispflicht für ein Gewerbe eintreten lasse und ob ich den Zusammenhang mit den gewerbesteuerrechtlichen und anderen gewerberechtlichen Vorschriften nun so weit aufhebe, wie das dann hier der Fall sein würde.
({1})
Eine zweite Zwischenfrage?
Frau Kollegin, muß ich aus dieser Ihrer Überlegung schließen, daß Sie der Meinung sind, daß in Zukunft unter dieser Konstruktion die übrigen Ausschüsse des Hauses einfach überflüssig werden, weil man - so herum konstruiert - alles zu einer Rechtsfrage konstruieren kann?
Ich glaube, das ist eine sehr übertriebene Auffassung, die Sie darlegen.
({0})
Der Rechtsausschuß hat immer bewiesen, daß er mehr Arbeit von sich abwälzt als an sich zieht. Aber dieser Sachkundenachweis ist eindeutig auch eine Frage des Rechtes.
({1})
Sie haben selber zitiert, daß sich das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung zu dem Einzelhandelsgesetz u. a. mit den Fragen der Lebensmittelgesetzgebung beschäftigt hat. Ich habe das Urteil hier. Ich möchte angesichts unserer Tagesordnung den Fortgang der Verhandlungen nicht zu sehr ausdehnen. Jedenfalls steht in dem Urteil drin, es könnten Gefahren davon ausgehen, daß Einzelhändler ohne Kenntnis der lebensmittelrechtlichen Vorschriften Waren an die Verbraucher abgeben. Für diese Situation müsse das Bundesverfassungsgericht eine andere Entscheidung als für die anderen Fragen des Einzelhandelsgesetzes treffen.
Wenn wir das für den hier zu behandelnden Fall zugrunde legen, müssen wir feststellen, daß es sich nicht - wie das Bundesverfassungsgericht auch ausdrücklich festgestellt hat - um eine Verteilung und eine Abgabe von Waren handelt. Es handelt sich vielmehr um die Zubereitung von Waren.
({2})
Wenn man ein Paket Reis verpackt verkauft, braucht man den Nachweis der Sachkunde nach dem Lebensmittelrecht und nach dem Einzelhandelsgesetz. Wenn der Inhalt dieser Packung Reis gekocht und von Konsumenten verzehrt wird, soll man nach den Vorstellungen, die hier entwickelt werden, diesen Sachkundenachweis nicht verlangen dürfen. Es ist ganz zweifellos eindeutig eine Rechtsfrage, ob das zulässig ist oder nicht.
({3})
Im übrigen hat der Rechtsausschuß in drei Sitzungen zu diesen Fragen Stellung genommen. Er hat jedesmal einstimmig bejaht, daß für dieses Gewerbe die Sachaufsicht bzw. der Sachkundenachweis verfassungsmäßig zulässig sein sollen; dabei ging es um das speiseverarbeitende Gewerbe, nicht um die, die Getränke und Beherbergungen anbieten, sondern um die, die Speisen verabreichen. Das ist in drei Sitzungen wiederholt und einstimmig beschlossen worden. Auch die SPD hat in den ersten Sitzungen - ich glaube, im Juni 1966 - einen Sachkundenachweis gefordert;
({4})
die Änderung ist erst in den späteren Sitzungen des vorigen Jahres eingetreten. Uns aber kann das in unserer Entscheidung nicht beeinflussen. Ich muß immer wieder sagen: was dem Lebensmittelhändler recht ist, was dem Einzelhandel recht ist, was dem Handwerker, der mit Lebensmitteln zu tun hat, recht und billig ist - dem Konditor, Metzger usw. -, das muß doch erst recht für den lebensmittelverarbeitenden Gastwirt zulässig und auch richtig sein.
({5})
Im übrigen darf ich darauf hinweisen, daß in den EWG-Ländern Luxemburg und Niederlande ein eingehender Sach- und Fachkundenachweis verlangt wird. In Italien ist es offen, welche Nachweise verlangt werden. In der Schweiz und in Österreich wird ebenfalls ein ganz eingehender Sachkundenachweis gefordert. Es würde ein Gefälle zwischen uns und diesen Ländern geben, wenn wir bei einer Reform des Gaststättenrechts mildere Maßstäbe anwendeten.
Im übrigen ist die behauptete geringe Anzahl von Verstößen kein Beweis dafür, daß ein Sachkundenachweis nicht erforderlich sei. Das Lebensmittelrecht muß - nach vielen Presseveröffentlichungen - noch vervollkommnet und verfeinert werden. Wir können das Unsere dazu tun, indem wir auch die Gewerbe, die mit dem Lebensmittelrecht zu tun haben, in entsprechender Weise heranziehen, sich hier Kenntnisse zu erwerben. Dann wird es nicht mehr möglich sein, daß böswillige Leute erklären, sie hätten es nicht gewußt. Für den Durchschnitt bedeutet jedenfalls die Kenntnis des Lebensmittelrechts und der Lebensmittelgesetzgebung einen Vorteil.
({6})
Angesichts der Tatsache, daß andere Gewerbe bezüglich der Lebensmittel einen Fachkundenachweis auf diesem Gebiete haben, erscheint ,es uns nicht bloß als eine rechtmäßige, sondern auch als eine rechtspolitisch geradezu erforderliche Maßnahme, den Sachkundenachweis zu verlangen.
({7})
Das Wort hat der Abgeordnete Unertl.
Meine Damen und Herren! Ich kann nichts dafür, daß der Bericht des Rechtsausschusses vorliegt. Ich bin auch nicht Mitglied des Rechtsausschusses, ich bin es zu keiner Zeit
gewesen.Es ist vielleicht etwas Gutes. Ich habe auch oft schon an großen juristischen Entscheidungen Kritik geübt. Aber in diesem Falle spricht der langjährige Gastwirt, - ohne Gastwirtschaft zur Zeit; das muß auch einmal gesagt werden, weil ich dauernd so ungefähr angepflaumt werde, als ob ich fahnenflüchtig geworden wäre. Ich komme in meiner Rede noch darauf. Ich mache es nicht zu lange, aber ich habe etwas zu diesem Fragenkomplex zu sagen.
({0})
Die Gastronomie will sich hier selber eine Ordnung geben, die niemand etwas kostet und die man der Gastronomie durch die totale Gewerbefreiheit genommen hat. Die totale Gewerbefreiheit hatte schließlich dazu geführt, daß Gaststättenbetriebe wie die Pilze im warmen Sommer nach einem lauen Regen aus dem Boden geschossen sind. Die guten Bierbrauer beklagen sich heute auch über das vorliegende Gesetz, haben aber alle miteinander vergessen, daß sie .es waren, die dazu beigetragen haben, daß immer wieder neue Gaststättenbetriebe und Schankwirtschaften nach der berühmten Hektoliterjagd errichtet wurden und das Bierhausieren den Gastwirt bzw. Schankwirt schwer schädigt.
Und es gibt auch Lobbyisten. Ich habe jetzt, nachdem der Familienbetrieb des Gastwirts Unertl seit einem Jahr nicht mehr besteht, diesen Lobbyismus eigentlich abgelegt, ohne mich zu entschuldigen, und bekenne mich als langjähriger Gastwirt und Fachmann zu diesem Gewerbestand.
Warum ist der Unertl heute kein Gastwirt mehr? Die Pressevertreter, die mich heute angerufen haben, sollen dies hier von dieser Stelle aus von mir selber erfahren: Von den drei Söhnen des Unertl hat der eine das Metzgerhandwerk erlernt und die Metzgerei übernommen. Der zweite - das habe ich getan, um dem in Bayern von der SPD und von der CSU immer so sehr beklagten Lehrernotstand etwas Abhilfe zu leisten - ist Lehrer geworden.
({1})
- Ja. Im übrigen hat er vielleicht ein biss'l was von mir. Ich habe gar nicht so ein schlechtes Schulzeugnis gehabt, obwohl ich, um mit Dr. Kempfler zu reden, nur die Volksschule und die Landwirtschaftsschule besucht habe
({2})
und kein Studierter bin. Der dritte von den Unertls ist wieder ins landwirtschaftliche Berufsleben zurückgekehrt. Er ist Tierarzt geworden. Die beiden Töchter sind verheiratet,
({3})
und deswegen findet der Unertlsche Familienbetrieb nicht mehr statt.
({4})
- Die sind auch Beamte und Bauern und Unternehmer, aber keiner will mehr einen Gastwirt abgeben.
({5})
- Die sind noch zu klein.
Der Unertl hat deswegen, weil diese Gaststätte gar nicht mehr benötigt wird, weil wir an Gaststätten keinen Mangel haben, diese Gastwirtschaft geschlossen.
({6})
- Ach, den Befähigungsnachweis hätte ich schon, weil in dem Gesetz gar nicht mehr verlangt wird als das, was der Unertl und seine Frau und auch seine Kinder jetzt schon nachweisen können. Deswegen verstehe ich die große Aufregung nicht, mit der man gegen den Sachkundenachweis ins Feld zieht. Ich habe in der „Frankfurter Allgemeinen", die ich sehr oft lese, gelesen, dies sei ein Wahlgeschenk.
({7})
- Lieber Kollege, lassen Sie mich ausreden, auch mit dem Blick auf die Uhr, weil jede Unterbrechung Ihnen selber die Zeit wegnimmt.
In zwei Legislaturperioden hat sich der Bundestag mit diesem Gesetz befaßt. Und jetzt macht man Bemerkungen in dem Sinne, das sei ein Wahlgeschenk. Was kann das gute Gesetz oder schlechte Gesetz dafür, daß es ausgerechnet im Wahljahr 1969 zur Verabschiedung kommt? Es hätte genauso gut noch im vergangenen Jahr verabschiedet werden können, weil es schon zwei Jahre vorliegt und beraten wird.
Ich verstehe die Aufregung auch unter einem anderen Gesichtspunkt nicht: Sonst ist man gern bei der Hand, wenn Vorschriften erlassen werden, die Regelungen für den Fall von Ordnungswidrigkeiten enthalten und die den Menschen irgendwelche Auflagen machen. Und ausgerechnet hier verlangt ein Berufsstand selber diese Ordnung, die der Rechtsausschuß in dieses Gesetz hineingelegt hat. Meine Damen und Herren, es ist doch zu überlegen - ({8})
- Nein, wir wollen keine Zünfte mehr, wir wollen nur eines: daß dieses Gaststättengewerbe - ich komme dann noch auf recht interessante Ausführungen eines SPD-Abgeordneten zurück - sich wieder mehr den guten Ruf gibt, den der Gastwirtsstand durch die Auswüchse und Einbrüche, die die Gewerbefreiheit zugelassen hat, ein wenig verloren hat.
Es ist doch bekannt, daß viele Gaststätten heute - so schreibt die Frankfurter Allgemeine - nur als Nebenerwerb betrieben werden. Ich möchte sagen, es ist gar nicht sozial, wenn man heute noch einer Kriegerwitwe oder Rentnerin zumutet, eine Gaststätte zu pachten. Sie kann ihre Rente dort noch einschustern oder loswerden. Schließen wir doch gleich solche Betriebe, die nicht mehr existenzfähig sind, und geben wir denen, die überleben können, die Chance, daß sie sich in der Ordnung, die sie sich selber geben wollen, bewähren können.
Im übrigen, meine Damen und Herren, darf ich vielleicht mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten - Herr Präsident, ich bitte um die Erlaubnis - zitieren, was der in Bayern bekannte - ich möchte nur hoffen, daß ihn wenigstens heute die bayerischen SPD-Bundestagsabgeordneten unterstützen - Landtagsabgeordnete Hans Demeter in einer Versammlung in München in bezug auf dieses heute zu verabschiedende Gaststättengesetz erklärt hat:
Es scheint nunmehr doch so weit zu sein, daß der Bundestag ein Gaststättengesetz beraten wird. Den langjährigen Bemühungen der im Hotel- und Gaststättengewerbe Tätigen kann Rechnung getragen werden.
Und Demeter sagte, es sei am Platze, daß der so lange geforderte Sach- und Fachkundenachweis - wir wollen ihn gar nicht einen Fachkundenachweis nennen; wir sind schon mit der Sachkunde einverstanden - im Gesetz zur Verankerung komme.
Wenn man die verantwortliche Tätigkeit im Gaststättengewerbe objektiv betrachtet, dann ist schon längst eine solche Bestimmung überfällig und notwendig.
Dann macht er weiter noch darauf aufmerksam - ich möchte nicht den ganzen langen Artikel, der in Gastwirtskreisen einen großen Beifall gefunden hat, zitieren -, daß der Fremdenverkehr in Bayern ein Anrecht darauf habe, mit seiner Gastronomie eben auch im Ausland und Inland werben zu können, und daß die Gastronomie ein Aushängeschild sei. Das hören die Kollegen aus dem Gastwirtsstand auf Versammlungen auch recht gern von der SPD.
Ich darf noch den gastwirtfreundlichen zweiten Bürgermeister der Stadt München zitieren, den ich x-mal habe reden hören und der auch immer für die Ordnung auf dem Sektor des Gaststättenbereichs eingetreten ist. Meine Damen und Herren, es müßte doch merkwürdig zugehen, wenn es die bayerischen Sozialdemokraten in Bonn nicht fertigbrächten, wenigstens ihrem bayerischen Fachmann Folge zu leisten. Ich appelliere deswegen in diesem Zusammenhang an die bayerischen Abgeordneten der SPD hier in Bonn.
({9})
Zum Schluß! § 4 des Einzelhandelsgesetzes schreibt die Sachkunde und den Sachkundenachweis vor. Ich habe mir damals bei der Verabschiedung des Lebensmittelgesetzes, weil ich wegen der totalen Verbotsgesetzgebung, die im Lebensmittelgesetz für Fremd- und Giftstoffe enthalten ist, auch erlaubt, zu sagen, man solle doch die Kennzeichnungspflicht nicht so total vorschreiben. Ich komme da nicht mehr ganz mit. Ich weiß nicht, warum die Verfechter des Lebensmittelgesetzes, die damals auf der linken Seite des Hauses noch härter und schärfer waren als die Mitte und die rechts von mir Sitzenden, heute bei dieser Ordnung, die man sich allenthalben im Lebensmittelgesetz gegeben hat, nicht zulassen wollen, daß auch das Gaststättengesetz in der Form verabschiedet wird, daß wenigstens dem Rechnung getragen wird, was jeder andere, der mit Lebensmitteln handelt, einhalten muß.
Meine Damen und Herren, ich möchte Sie bitten, der Vorlage des Rechtsausschusses stattzugeben und das Gesetz in diesem Sinne zu verabschieden.
({10})
Das Wort hat der Herr Parlamentarische Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft.
Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Regierungsvorlage für das Gesetz stammt vom Januar 1966. Sie enthält in der Begründung die Bemerkung, daß den Anregungen, einen Sachkundenachweis einzuführen, wegen der damit verbundenen Beschränkung der Gewerbefreiheit und wegen verfassungsrechtlicher Bedenken nicht gefolgt werden könne. Das war am 21. Januar 1966.
Ich bin damit in der ebenso angenehmen wie interessanten Lage, für diese Bundesregierung einen Regierungsentwurf von Bundeskanzler Professor Erhard -, unterzeichnet vom Stellvertreter des Bundeskanzlers, Herrn Dr. Mende, ({0})
und damit gleichzeitig die vom Wirtschaftsausschuß beantragte Fassung und den Änderungsantrag der SPD zu unterstützen.
({1})
- Weil dieser Antrag,
({2})
Herr Kollege Stücklen, notwendig ist, um die vorliegende Fassung, die nicht die Billigung der Bundesregierung finden kann - und auch nicht die Billigung der vorigen Bundesregierung gefunden hat - im Sinne der Bundesregierung zu ändern.
({3})
Der Rechtsausschuß hat den Sachkundenachweis gefordert.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Herr Staatssekretär, sollte die Bemerkung, daß die Bundesregierung dem nicht zustimmen kann, wenn eine Mehrheit des Parlaments so entscheidet, wie die Rechtsausschußvorlage es vorsieht, bedeuten, daß die Bundesregierung verfassungsrechtliche Bedenken vortragen und die Unterzeichnung verweigern wird?
({0})
- Das wäre eine gute Tat!
Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Ich glaube, Sie haben die Antwort selbst gegeben, Herr Moersch: Es sind verfassungsrechtliche Bedenken.
({1})
Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Moersch.
Herr Staatssekretär, glauben Sie, daß die verfassungsrechtliche Kenntnis der Bundesregierung die einstimmige Vorlage des Rechtsausschusses überwinden kann?
Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Ich gebe Ihnen zu, daß die Formulierung „Zustimmung" nicht richtig ist. Ich wollte an das Hohe Haus appellieren, den Änderungsantrag aus diesem und jenem Grund anzunehmen.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Unertl?
Herr Staatssekretär, auf Ihre Äußerung hin, daß sich die Regierung mit der Vorlage befaßt habe, darf ich Sie fragen: Wann hat sich denn die neue Regierung der Großen Koalition überhaupt mit der Vorlage beschäftigt?
Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Die Bundesregierung war laufend im Wirtschaftsausschuß und im Rechtsausschuß tätig. Sie hat unzweideutig ihre Meinung gesagt.
({0})
Herr Staatssekretär, gestatten Sie noch eine Zwischenfrage des Abgeordneten Busse?
Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Bitte sehr!
Darf ich Sie fragen, in welcher Sitzung des Rechtsausschusses die Bundesregierung durch die dort vertretenen Stellen ihre Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der beschlossenen Formulierungen geltend gemacht hat? Ist Ihnen nicht bekannt, daß die Formulierungen, wie sie hier vorliegen, auf Formulierungshilfen der Bundesregierung zurückzuführen sind?
({0})
Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Ich kann nur hoffen und wünschen, daß Sie auch das fachlich zuständige Ressort, welches in diesen Sachfragen für die Bundesregierung zu sprechen hat, bei diesen Beratungen des Rechtsausschusses hören konnten.
({1})
Herr Abgeordneter Moersch, Sie hatten jetzt bereits zwei Fragen. Wir können das ja nicht ewig fortsetzen. Es stehen
Vizepräsident Dr. Jaeger
Ihnen nur zwei Fragen zu. Ich würde vorschlagen, den Herrn Staatssekretär jetzt weitersprechen zu lassen. Zu einem späteren Zeitpunkt können Sie sich erneut melden.
Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Der Rechtsausschuß des Bundestages und damit die Ihnen vorliegende Vorlage fordern die Einführung eines Sachkundenachweises für den Betrieb von Speisewirtschaften. Es wird also in den Fällen, in denen gewisse berufliche und fest umrissene Kenntnisse nicht mitgebracht werden können, eine Prüfung abgelegt werden müssen. Diese Prüfung würde sich auf den Besitz der erforderlichen Warenkenntnisse erstrekken, auf Kenntnisse, Grundsätze und Erfahrungen im Zubereiten von Speisen und auf Kentnnisse der umfangreichen Vorschriften des Lebensmittelrechts.
Gegen die Einführung eines solchen Sachkundenachweises bestehen die von mir im Namen der Bundesregierung geäußerten starken Bedenken: Es handelt sich um eine das Grundrecht der freien Berufswahl einschränkende Maßnahme. Sie wäre nur dann gerechtfertigt, wenn der Schutz eines überwiegenden Gemeinschaftsgutes, z. B. der Gesundheit, diese Maßnahme zwingend erforderlich machte. Das macht sie aber nicht.
Der bisherige Verzicht auf den Sachkundenachweis hat nicht zu Mißständen geführt. Die Landesbehörden unterziehen die Speisewirtschaften und Restaurants einer dauernden Kontrolle. Diese findet mehrmals im Jahr statt und ist sicherlich für die Sicherung der Einhaltung der uns allen am Herzen liegenden Vorschriften wirksamer als eine einmalige Prüfung.
Wenn man sich fragt - und damit beziehe ich mich besonders auf die Äußerungen des Herrn Abgeordneten Unertl -, wer denn von dieser Prüfung besonders betroffen würde, dann sind das nicht der Großbetrieb der Hotelerie und das große Restaurant, die sich selbstverständlich die Fachleute leisten können, die diese Prüfungen absolvieren oder absolviert haben, sondern es ist der kleine Mann, und es ist die kleine Speisewirtschaft, die in Schwierigkeiten hineinkommen.
({0})
- Nein, es sind nur Speisewirtschaften mit einer Beherbergung ausgenommen, aber doch nicht Speisewirtschaften mit einer Bettenzahl von null.
Herr Staatssekretär, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Stammberger? Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Bitte!
Herr Staatssekretär, Ihren Ausführungen kann man doch wohl entnehmen, daß die Annahme der Ausschußvorlage der beste Beweis für das wäre, was ein bekannter deutscher Professor vor einigen Tagen als deutschen Berechtigungsstaat brandmarken wollte.
Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Ich möchte dem nicht widersprechen, Herr Kollege Stammberger.
Der zweite große Personenkreis neben dem kleinen Mann, der durch diesen Sachkundenachweis vom Gewerbe ferngehalten werden könnte, sind die Ausländer. Sie treffen auf die Sprachbarriere, und sie hätten sich auch noch die sehr zahlreichen und sehr komplizierten Bestimmungen des Lebensmittelrechts einzuprägen. Ich glaube, man kann davon ausgehen, daß es, wenn dieser Sachkundenachweis schon in früheren Jahren verlangt worden wäre und wenn die Prüfung mit dem erforderlichen Ernst durchgeführt würde, in unseren Städten die große Zahl ausländischer Speisewirtschaften, ob jugoslawischer, italienischer oder anderer Provenienz, nicht gäbe. Gerade diese kleinen Lokalitäten treten zu dem heimischen Gewerbe kaum in Konkurrenz; ihr Konkurrent ist das Kochen am heimischen Herd. Ich bitte, auch zu bedenken, daß Einschränkungen der Gewerbefreiheit mit der Vorschrift von Prüfungen ausländischen Staatsbürgern doppelte Lasten und meines Erachtens unübersteigbare Schranken auferlegen.
Deshalb bittet die Bundesregierung, nicht für die Fassung des Rechtsausschusses, sondern für die ursprüngliche Regierungsvorlage, die auch im Sinne der Entschließung des Bundesrates ist, und für die Fassung des Wirtschaftsausschusses einzutreten. Dies würde freilich heißen, daß der § 4 a mit dem Nebenparagraphen gemäß dem Änderungsantrag gestrichen werden müßte.
({0})
Das Wort hat der Abgeordnete Elbrächter.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich spreche hier nicht für die CDU-Fraktion, sondern als Mitglied der CDU-Fraktion nur für einige Freunde - sicherlich für die Freunde, die dem Wirtschaftsausschuß angehören und die mit Mehrheit hinter der Drucksache V/1652, die der Wirtschaftsausschuß erarbeitet hat, stehen.
Ich brauchte hier gar nicht groß zu argumentieren, wenn ich voraussetzen dürfte, daß jeder der im Saale Anwesenden die nach meiner Meinung ausgezeichnete Begründung des Kollegen Wieninger in dieser Drucksache gelesen hätte. Denn dort hat er sich mit vorzüglichen Argumenten mit der Frage auseinandergesetzt, warum der Wirtschaftsausschuß nicht auf dem Sachkundenachweis bestanden hat.
Ich will das Schwergewicht seiner Ausführungen nur auf zwei Sachfragen legen.
Das eine ist die Frage des Gesundheitsschutzes. Der Rechtsausschuß - vor dessen Weisheit ich einen unbegrenzten Respekt habe, aber in diesem Falle kann ich der Weisheit nicht folgen - motiviert seine Fassung vornehmlich mit dem Schutz der Gesundheit des Verbrauchers in einer Gastwirtschaft. Lassen Sie mich dazu sagen: Um den Konsumenten in seiner Gesundheit zu schützen, brauDr. Elbrächter
chen wir kein neues Gesetz, keine neue gesetzliche Bestimmung; dazu ist es lediglich notwendig, daß die in den §§ 6, 7 und 8 unseres sehr guten Lebensmittelgesetzes vorgesehene lebensmittelpolizeiliche Überwachung der Betriebe richtig durchgeführt wird. Ich bin nicht ganz so optimistisch wie der Herr Parlamentarische Staatssekretär Arndt; ich bin nicht der Meinung, daß das in ausreichendem Maße überall geschieht; aber ich meine, es ist ein Mangel nicht des Lebensmittelgesetzes, sondern der Überwachung, daß nicht überall genug und hinreichend ausgebildete Überwachungsbeamte zur Verfügung stehen. Doch ich weiß, das ist nicht Sache des Bundes, nicht Sache dieses Parlaments, es ist Ländersache, und es kostet Geld; das möchte ich ganz deutlich sagen. Aber bei ausreichender Überwachung würde dem Gesundheitsschutz völlig Genüge getan werden. Es liegt also nicht an neuen gesetzlichen Bestimmungen.
Um zu belegen, daß ein Fachkundenachweis nicht davor schützt, daß man Böses tut, darf ich an die leidige Nitrit-Geschichte erinnern. Wir hatten vor etwa zwölf oder dreizehn Jahren einen Tatbestand, der uns die Novellierung des Lebensmittelgesetzes in einem praktikablen Sinne nicht sehr erleichterte. Wir haben es erlebt, daß Leute mit dem Großen Befähigungsnachweis in leider nicht kleinem Maße gegen die Bestimmungen - sehr vernünftige Bestimmungen - verstoßen haben.
({0})
Sie sehen: ein Befähigungsnachweis schützt vor gar nichts.
({1})
Durch Überwachung kann man Schäden verhindern oder zumindest dafür sorgen, daß sie kein größeres Ausmaß annehmen.
Das zum Thema „Gesundheitsschutz".
Als zweites Argument führt der Rechtsausschuß die Gleichstellung mit dem Lebensmittelhandel, die Gleichstellung mit dem Lebensmittelgewerbe an. Ich glaube, man kann da nicht gleich und gleich messen. Selbstverständlich bin ich mit dem Rechtsausschuß der Meinung, daß Gesundheitsschutz ein höherwertiges Gut ist als etwa die Gewerbefreiheit. Insofern sähe ich keine verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn das gegeben wäre. Aber beim Einzelhandel liegen die Dinge nicht so einfach, wie das von der Kollegin Kuchtner dargestellt worden ist. Da ist eine viel größere Zahl von Artikeln zu überwachen, und es ist ja nicht so, daß 60, 70, 80% aller Artikel abgepackt vorliegen. Zum Teil packen die Einzelhandelsbetriebe, gerade die größeren, selber ab. Sie müssen in großem Umfange lagern. Der Einkauf erfordert bestimmte lebensmitteltechnologische Kenntnisse. Sie sehen: so einfach kann man das nicht vergleichen
Und vor allen Dingen: die großen Hotelbetriebe und Restaurantbetriebe werden ja sowieso nicht erfaßt. Hier stoße ich auf eine ganz bedenkliche Lücke in der Logik des Rechtsausschusses. Es wird gesagt - auch dem Herrn Staatssekretär wurde das entgegengehalten -: Es sind ja Ausnahmen für das flache Land da, wo so etwas nicht praktikabel ist. Nach welchen Gesichtspunkten sollen denn die Prüfungen vorgenommen werden? Sie müssen auf den untersten Level der Kenntnisse gehen, den der Dorfgastwirtschaften, der ganz kleinen Stehbierhallen usw. Damit ist doch kein Schutz gegeben.
Ich glaube also, daß die Fassung, die wir in der Regierungsvorlage haben - daß eine Belehrung notwendig ist -, einen ausreichenden Schutz darstellt. Wenn ich aber Ausnahmen mache, weil sie nicht zumutbar sind, dann habe ich doch eine Kautschukbestimmung, dann nützt das ganze Gesetz nichts. Oder ich komme zu der anderen Alternative: ich muß das Gesetz so perfektionistisch handhaben, daß eine Bürokratie entsteht, die wir doch alle nicht wollen; zwar keine staatliche Bürokratie, aber eine halbstaatliche. Die Industrie- und Handelskammern - ({2})
- Ist kein Argument dagegen. Es kostet Geld!
Nun wird gesagt: Hier liegt ein mittelstandsfreundliches Gesetz vor, das kein Geld kostet. Beides ist meiner Meinung nach nicht richtig. Geld kostet es bestimmt, wie ich eben gesagt habe, wenn wir es perfektionistisch machen. Ob das mittelstandsfreundlich ist, wage ich zu bezweifeln; denn ich kenne die Verhältnisse auf dem Lande sehr genau. Wir sprechen dauernd von Mobilität. Wir sprechen von Strukturveränderungen gerade auf dem flachen Lande, wo viele bäuerliche Grenzbetriebe sich umstellen sollen, den Tourismus erschließen wollen. Denen erschweren wir diesen Strukturwandel.
({3})
Ich könnte Ihnen Beispiele nennen. Ich will es wegen der vorgeschrittenen Zeit nicht tun.
Ich behaupte, daß diese offene Gesellschaft - ich wähle dieses Wort ganz bewußt; ich will den Gegensatz nicht nennen - dem Mittelstand hervorragend bekommen ist, daß der Mittelstand keinen Grund hat, sich über dieses Gesetz zu beklagen, und daß durch die Schutzbestimmung des § 4 a mindestens ebenso viele Mittelständler in Mitleidenschaft gezogen würden, wie sie gewissen Leuten vielleicht nützen mag.
Damit möchte ich schließen. Ich bitte Sie also, den Änderungsantrag des Kollegen Lange, mit dem ich oft in diesem Hause in gegensätzlicher Meinung war - aber in diesem Fall bin ich voll und ganz derselben Auffassung -, zu unterstützen.
({4})
Das Wort hat der Abgeordnete Kühn ({0}).
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Hier sind eine Reihe von Argumenten vorgetragen worden, die mich und auch einen großen Teil meiner Freunde nicht überzeugt haben.
Kühn ({0})
Herr Staatssekretär, ich glaube, es ist kein Unterschied in der rechtlichen Betrachtung des Verkaufs - und das müßte ich auch gegenüber dem Kollegen Elbrächter sagen - in Einzelhandelsgeschäften und im Gaststättengewerbe. Wenn aber das Bundesverfassungsgericht für den Einzelhandel diese Sachkundeprüfung ausdrücklich als erforderlich bezeichnet hat - Sie kennen das Urteil, ich brauche es hier nicht zu zitieren -, dann werden Sie nicht bestreiten können, daß diese Notwendigkeit dort, wo Speisen behandelt werden - in viel eingehenderer Weise, als das im Einzelhandel der Fall ist - unter den gleichen Gesichtspunkten bejaht werden muß.
({1})
Sie können auch nicht bestreiten - und es ist von Ihnen auch nicht bestritten -, meine Herren, die Sie diesen Antrag begründet und unterstützt haben, daß die Verhältnisse bei einem Groß- und einem Kleinbetrieb natürlich anders liegen, ganz selbstverständlich. Diese Bestimmungen sind ja gerade mit Rücksicht auf den Einzelhandel im Verfassungsgerichtsurteil so betrachtet worden.
Was wir wollen, ist, daß sich die Leute in einer mobilen Gesellschaft, Herr Kollege Elbrächter, ohne Gefahr für ihre Gesundheit in die Restaurants begeben können. Es soll nicht erst hinterher durch irgendwelche Kontrollen festgestellt werden, daß verdorbene Ware abgegeben wurde, sondern von vornherein muß gewährleistet sein, daß eine bestimmte Sachkunde vorliegt.
({2})
Wir haben hier also einen guten Grund, dem Votum des Rechtsausschusses zu folgen. Wir sollten es auch im Interesse des Status tun, den unser Gaststätten- und Beherbungsgewerbe in der ganzen Welt genießt; denn die Länder um uns herum haben die gleichen Schutzbestimmungen, wie wir sie hier für die deutschen Gaststätten fordern.
Ein Letztes. Meine Damen und Herren, ich vermag nicht einzusehen, wieso man hier von „Zunftdenken" sprechen kann, wenn ein Berufsstand von sich aus einschränkende Bestimmungen gegen seine eigenen Mitglieder fordert, nicht zum Schutz für die Bestehenden; denn die Bestehenden gehen ja zu einem großen Teil - Herr Kollege Unertl hat es hier an seinem eigenen Beispiel dargetan - aus dem Betrieb heraus. Wir wollen, daß es aufhört, daß Betriebe, die nicht mehr existenzfähig sind, von einer Hand in die andere wandern und dort nicht nur zu Quellen der gesundheitlichen Gefährdung, sondern der Sicherheitsgefährdung ganz allgemein werden.
({3})
Ich glaube, daß es aus diesem Grund berechtigt ist, dem Antrag des Rechtsausschusses zu folgen. Ich bitte daher, den Änderungsantrag abzulehnen.
({4})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Opitz.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gestatten Sie mir, wie meine Vorredner einiges zum Allgemeinen und einiges zum SPD-Antrag zu sagen. Gestatten Sie mir bitte, auch gleichzeitig unseren eigenen Änderungsantrag auf Umdruck 561 *) zu begründen.
Bitte sehr!
Die FDP-Fraktion begrüßt es, daß der Entwurf eines Gaststättengesetzes, der seit 1965 dieses Hohe Haus beschäftigt - wie der Herr Staatssekretär ausführte, mit der Unterschrift von Erich Mende -, nunmehr endgültig verabschiedet werden soll.
({0})
Dadurch wird eine Rechtszersplitterung beseitigt, die in der Vergangenheit immer wieder zu erheblichen Schwierigkeiten im Bereich des Gaststättengewerbes geführt hat und die immer wieder Anlaß zu Mißverständnissen gewesen ist.
Die ausgiebigste Diskussion bei der Beratung dieses Gesetzes ist über die Zulassungsvoraussetzungen geführt worden, also über die Frage eines Sachkundenachweis. Es ist sinnlos, absolut sinnlos, an dieser Stelle die vielen Ausschußdiskussionen zu wiederholen. Wir haben uns von Anfang an für einen Sachkundenachweis im Sinne eines Verbraucherschutzes eingesetzt,
({1})
und ich weiß gar nicht, was gegen diesen Sachkundenachweis immer wieder einzuwenden ist. Wir sind der Meinung, der Verbraucher kann verlangen, daß er, wenn er in eine Gaststätte geht, keine Sorge zu haben braucht, Schaden an seiner Gesundheit zu leiden.
({2})
- Herr Kollege Lange, die lebensmittelrechtlichen Vorschriften und die anderen Vorschriften, die Sie hier zitiert haben, reichen uns absolut nicht aus!
({3})
Denn wenn wir im Sinne Ihres Antrages den § 4 a streichen und den § 4 so belassen, Herr Kollege Lange, besteht überhaupt nicht die Gewähr, daß derjenige, der solch eine Gaststätte führt, diese Lebensmittelvorschriften überhaupt kennt.
({4})
Wir wollen die Gewißheit haben, daß sich die Leute, die solche Betriebe führen, mit diesen Vorschriften auch einmal auseinandergesetzt haben. Wir begrüßen darum ausdrücklich die Entscheidung des Rechtsausschusses und unterstreichen die Ausführungen der Berichterstatterin Frau Dr. Kuchtner, daß durch die Einführung des neuen § 4 a, also eines Sachkundenachweises für die erlaubnispflichtige
*) Siehe Anlage 8
Verabreichung zubereiteter Speisen, eine Lücke zum Schutz der gesundheitlichen Belange geschlossen wurde, eine Lücke, die bisher gegenüber dem Lebensmitteleinzelhandel und dem Lebensmittelhandwerk bestanden hat. Wir bitten darum dieses Haus, die Änderungsanträge der Fraktion der SPD abzulehnen.
({5})
Wir haben darüber hinaus zum § 4 einen Antrag eingereicht. Nach § 4 Abs. 1 Nr. 4 muß der Antragsteller nachweisen, daß er durch die zuständige Industrie- und Handelskammer über die notwendigen allgemeinen kaufmännischen, betriebswirtschaftlichen, steuerrechtlichen und gewerberechtlichen Kenntnisse unterrichtet worden ist. Meine Fraktion beantragt, die Unterrichtung auf die lebensmittelrechtlichen Kenntnisse, Herr Kollege Lange, und auf die wettbewerbsrechtlichen Kenntnisse auszudehnen, da wir glauben, daß auch diese Kenntnisse für die Führung eines Betriebes unbedingt erforderlich sind.
Des weiteren beantragen wir, nach den Worten „unterrichtet worden ist" die Worte „und sie beherrscht" einzufügen. Unserer Meinung nach reicht die bisherige Fassung nicht aus; denn danach kann der Antragsteller, überspitzt gesagt, fast schlafenderweise die Unterrichtung über sich ergehen lassen, und die Kammer muß ihm im Zweifelsfall die Bescheinigung über erfolgte Unterrichtung ausstellen. Wir wollen mit unserem Antrag die Möglichkeit schaffen, daß sich die Kammern auch davon überzeugen können, ob die Unterrichtung von Erfolg gewesen ist. Ich bitte Sie deshalb, unserem Änderungsantrag auf Umdruck 561 zuzustimmen.
({6})
Zum Schluß noch wenige Sätze zum Unterschiebungsverbot. Teile meiner Fraktion waren ursprünglich der Meinung, in § 20 Nr. 7 sollte verboten werden, daß einem Gast an Stelle der von ihm bestellten Speisen und Getränke ohne seine Zustimmung andere Speisen und Getränke verabreicht werden. Wir waren nicht ganz davon überzeugt, daß dieses Problem schon durch den Betrugstatbestand geregelt sein soll. Wir haben uns aber in letzter Konsequenz auf den Standpunkt gestellt, daß wir auf die Ehrlichkeit der deutschen Gastwirte vertrauen können.
({7})
Wünscht noch jemand das Wort? - Der Parlamentarische Staatssekretär wünscht noch das Wort. Im Hinblick auf die Uhrzeit bitte ich, sich kurz zu fassen.
Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Ich möchte zu der Debatte, die wir vorhin zu meiner Rede hatten, noch drei Punkte nachtragen.
Erstens ist jetzt festgestellt, daß der Bundesjustizminister dem Rechtsausschuß keine von der Regierungsvorlage und von der Stellungnahme der
Bundesregierung zu den Beschlüssen des Bundesrates abweichende Meinung mitgeteilt hat, sondern lediglich aus Courtoisie Formulierungshilfe für andere Vorstellungen gegeben hat.
Zweitens ist darauf hingewiesen worden, daß im Lebensmitteleinzelhandel ebenfalls ein Sachkundenachweis gefordert wird. Er wird aber nicht gefordert bei der Lebensmittelproduktion im In- und Ausland, d. h. innerhalb unserer Grenzen und bei unsexer Einfuhr. Auch das wäre dann eine Inkonsequenz, die zu beseitigen wäre.
Drittens darf ich darauf verweisen, daß der FDP- Antrag die Unterrichtung und das Beherrschen des Unterrichteten auf das Lebensmittelrecht ausdehnt. Man nehme sich nur einmal die Verbotsparagraphen des Lebensmittelgesetzes vor. Da gibt es zwei Paragraphen mit insgesamt fünf Absätzen und verschiedenen Unterabsätzen. Ich lese nur einen dieser jetzt insgesamt 7 Unterabsätze vor:
Es ist verboten, Lebensmittel für andere derart zu gewinnen, herzustellen, zuzubereiten, zu verpacken, aufzubewahren, zu befördern oder sonst zu behandeln, daß ihr Genuß die menschliche Gesundheit zu schädigen geeignet ist; ...
Sieben Kriterien in einem von 7 Unterabsätzen! Was wird wohl die Sachkundeprüfungskommission verlangen, wieviel allein von diesen sieben Kriterien ein Prüfling nennen muß? Ich glaube, das ist eine sehr schwere Benachteiligung für den Mittelstand und sicher auch für den ausländischen Bewerber.
Meine Damen und Herren, mit der Erklärung der Bundesregierung ist die Aussprache wieder eröffnet. Das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. Kuchtner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist zwar richtig, daß die beiden Ministerien uns nur Formulierungshilfe geleistet haben; es ist aber ausdrücklich festgestellt worden, daß es nicht verfassungswidrig ist, einen Unterrichtsnachweis und einen Sachkundenachweis zu verlangen. Das haben beide Ministerien mehrmals eindeutig gesagt.
Ein Zweites! Hier ist gesagt worden :Lebensmittelproduzenten unterlägen nicht dieser Nachweispflicht. Nun, wir wollen ja auch nur die unmittelbare Weitergabe bearbeiteter oder sonstiger Lebensmittel an den Verbraucher schützen, selbstverständlich nicht die Herstellung, also sozusagen den ersten Produktionsprozeß.
({0})
Wird noch das Wort gewünscht? - Das ist jetzt nicht mehr der Fall. Dann schließe ich die Aussprache und komme zur Abstimmung.
Vizepräsident Dr. Jaeger
Es wird über den Antrag der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion auf Umdruck 565 abgestimmt, in § 1 Abs. 2 die Worte „oder zubereitete Speisen" zu streichen. Wer dem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Meine Damen und Herren, man ist sich hier über das Ergebnis nicht im klaren. Ich lasse die Abstimmung wiederholen.
Wer dem Antrag der sozialdemokratischen Fraktion zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Der Sitzungsvorstand ist sich nicht einig. Wir müssen auszählen.
Meine Damen und Herren, die Auszählung hat ergeben: Mit Ja haben gestimmt 105 Abgeordnete, mit Nein 94, drei haben sich der Stimme enthalten. Das sind insgesamt 202 abgegebene Stimmen zur Beschlußfähigkeit sind 249 Stimmen erforderlich. Das Haus ist nicht beschlußfähig.
Ich berufe die nächste Sitzung auf Donnerstag, den 16. Januar, 14 Uhr, ein.
Die Sitzung ist geschlossen.