Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung soll die Tagesordnung um die in der Ihnen vorliegenden Liste bezeichneten Vorlagen ergänzt werden. - Ich höre keinen Widerspruch gegen diese Erweiterung der Tagesordnung.
Der Vorsitzende des Innenausschusses teilt mit Schreiben vom 12. Dezember 1968 mit, daß durch ein redaktionelles Versehen der in der 204. Sitzung am 11. Dezember dieses Jahres verabschiedete Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bundeswahlgesetzes - Drucksachen V/3036, V/3600 - als „Sechstes Gesetz zur Änderung des Bundeswahlgesetzes" bezeichnet worden sei. Ich unterstelle, daß das Haus damit einverstanden ist, wenn wir den Beschluß vom 11. Dezember dahingehend berichtigen, daß die Überschrift des Gesetzes lautet: „Gesetz zur Änderung des Bundeswahlgesetzes". - Das Haus ist damit einverstanden.
Die folgenden amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten und der Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen haben mit Schreiben vom 4., 6. und 12. Dezember 1968 mitgeteilt, daß gegen die nachstehenden Verordnungen des Rates keine Bedenken erhoben worden sind:
Verordnung Nr. 644/68 des Rates vom 29. Mai 1968 zur Änderung der Verordnung Nr. 172/67/EWG über die Grundregeln zur Denaturierung von Weizen und von zur Brotherstellung geeignetem Roggen
Verordnung EWG Nr. 1755/68 des Rates vom 5. November 1968 zur Änderung der Verordnung Nr. 973/67/EWG, soweit sie die Zolltarifbezeichnung von Zitrusfrüchten mit Ursprung in und Herkunft aus der Türkei betrifft
Verordnung EWG Nr. 1756/68 des Rates vom 5. November 1968 zur Änderung der Verordnung EWG Nr. 253/68, soweit sie die Zolltarifbezeichnung von Zitrusfrüchten mit Ursprung in und Herkunft aus der Türkei betrifft
Verordnung des Rates über die Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung des Gemeinschaftszollkontingents für getrocknete Weintrauben in Umschließungen mit einem Gewicht des Inhalts von 15 kg oder weniger der Tarifnr. 08.04 B des Gemeinsamen Zolltarifs
- Drucksache V/3493 Verordnung des Rates zur Ergänzung der Verordnung EWG Nr. 1042/68 des Rates betreffend die Festsetzung des Grundpreises und des Ankaufspreises für Apfel
- Drucksache V/3564 - Verordnung des Rates über den Absatz von Erzeugnissen des Sektors Schweinefleisch, die Gegenstand besonderer Interventionsmaßnahmen Waren
- Drucksache V/3531 Der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft hat mit Schreiben vom 11. Dezember 1968 die Kleine Anfrage der Fraktion der FDP betr. Förderung des Wirtschaftsraumes Unterweser - Drucksache V/3521 - beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache V/3627 verteilt.
Zu den in der Fragestunde der 204. Sitzung des Deutschen Bundestages am 11. Dezember 1968 gestellten Fragen des Abgeordneten Müller ({0}) Drucksache V/3618 Nrn. 35, 36 und 37 X), ist inzwischen die schriftliche Antwort des Bundesministers Leber vom 11. Dezember 1968 eingegangen. Sie lautet:
Da der derzeitige Stillstand der Verhandlungen auf unterschiedlichen Auffassungen der beiden anderen Vertragspartner Österreichs und der Schweiz - untereinander über den Umfang der vorzunehmenden Revision der Internationalen Schiffahrts-
und Hafenordnung für den Bodensee aus dem Jahre 1868 beruht, sind die Möglichkeiten der Bundesregierung, die Verhandlungen zu beschleunigen, nur beschränkt. Die deutschen Botschaften in Bern und Wien sind jedoch in diesen Tagen erneut angewiesen worden, in den Außenministerien ihrer Gastländer vorzusprechen, um eine baldige Fortsetzung und Beendigung der Verhandlungen zu erreichen.
Für die schiffahrtpolizeilichen Vorschriften auf der deutschen Seite des Bodensees ist nicht der Bund, sondern sind die Länder Baden-Württemberg und Bayern zuständig. Die Grundlage der Erteilung von Schiffs- und Bootsführerpatenten stimmt international überein. Bei den erwähnten internationalen Verhandlungen ist auch die einheitliche Auslegung einzelner Bestimmungen über die Patenterteilung erörtert worden.
Da für schiffahrtpolizeiliche Maßnahmen auf dem Bodensee ausschließlich die Länder Baden-Württemberg und Bayern verantwortlich sind, kann die Frage hier nicht beantwortet werden.
Wir kommen zur
Fragestunde
- Drucksachen V/3618, zu V/3618 -
Dazu zunächst eine Mitteilung. Das Auswärtige Amt hat in der Sitzung des Ältestenrates vom 9. Dezember durch den Sprecher der Bundesregierung vortragen lassen, daß es heute in der Fragestunde nicht vertreten sein könne. Der Ältestenrat hat daraufhin den Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts für Donnerstag vorgesehen; jedoch konnten gestern nicht alle Fragen beantwortet werden.
Zu den Fragen 116 bis 118 hat sich der Herr Abgeordnete Dr. Hudak mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt:
Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, um die seit der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen der Sozialistischen Volksrepublik Rumänien und der Bundesrepublik Deutschland zum Stillstand gekommene Familienzusammenführung wieder in Gang zu bringen?
*) Siehe 204. Sitzung, Seite 11020 A
Vizepräsident Dr. Mommer
Ist die Bundesregierung der Ansicht, daß die z. Z. mit der Sozialistischen Volksrepublik Rumänien geführten Wirtschaftsverhandlungen eine Möglichkeit für die Bundesregierung bieten, wenigstens auf die auch dem Auswärtigen Amt bekannten Härtefälle ({1}) hinzuweisen?
Teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß die Unsicherheit und Ungeklärtheit in der Frage der Familienzusammenführung für die Betroffenen gerade im Jahr der Menschenrechte eine schwere seelische Belastung und menschliche Not bedeuten?
Die Antwort liegt noch nicht vor. Sie wird nach Eingang im Sitzungsbericht abgedruckt.
Die Frage 126 stellt der Abgeordnete Dr. Schmidt
({2}) :
Wird die Bundesregierung sicherstellen, daß die Einreisegenehmigungen für die Fußballmannschaft von Torpedo Moskau zu Freundschaftsspielen in der Zeit vom 22. bis 29. Dezember 1968 mit den Offenbacher Kickers, dem Bonner SC, dem 1. FC Saarbrücken und dem VfL Osnabrück, die bereits vor dem 21. August 1968 vereinbart worden waren, erteilt werden?
Auch dieser Fragesteller hat sich mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt. Auch hier liegt noch keine Antwort vor. Auch sie wird nach Eingang im Sitzungsbericht abgedruckt.
Desgleichen hat sich der Abgeordnete Wendt mit schriftlicher Beantwortung der Fragen 127 bis 129 einverstanden erklärt:
Welche konkreten Vorstellungen hat die Bundesregierung zur Ausführung des Gedankens, den Bundesaußenminister Willy Brandt in seiner Regierungserklärung vom 29. November 1968 wie folgt formulierte: „Nicht zuletzt sollten wir den Problemen unserer Jugend, den Problemen der Ausbildung und des Jugendaustausches auf europäischer Grundlage eine besondere Aufmerksamkeit widmen und uns bemühen, die junge Generation wieder stärker mit dem Werk der europäischen Einigung zu verbinden"?
Ist die Bundesregierung bereit, über die Ausarbeitung und Durchführung ihrer Pläne zur Intensivierung des europäischen Engagements der Jugend mit den Jugendverbänden in direkte und konkrete Beratungen einzutreten?
Woran liegt es, daß die Konferenz europäischer Beamter über die Vorbereitung eines Europäischen Jugendwerkes noch immer nicht zustande gekommen ist?
Auch hier wird die Antwort nach Eingang im Sitzungsbericht abgedruckt.
Die Frage 122 ist zurückgezogen worden. Noch nicht beantwortet sind die Fragen 121 und 123 bis 125. Nach Ziffer 18 der Richtlinien unserer Geschäftsordnung über die Fragestunde werden diese Fragen im Januar zu Beginn der Fragestunde aufgerufen, in der der Bundesaußenminister oder sein Vertreter anwesend sein wird.
Ich rufe jetzt die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für das Post- und Fernmeldewesen auf. Zur Beantwortung ist der Herr Staatssekretär im Bundespostministerium anwesend. Die Frage 54 stellt der Abgeordnete Weigl:
Trifft es zu, daß ein qualifizierter Beamter des einfachen Postdienstes, der über den zweiten Bildungsweg die Fachschulreife nachgeholt hat, für den Aufstieg in den mittleren Dienst der Deutschen Bundespost nicht anders behandelt werden kann als ein Aufstiegsbewerber ohne Nachweis der mittleren Reife?
Die Frage betrifft qualifizierte Beamte des einfachen Postdienstes. Die Frage ist mit ja zu beantworten. Nach den Grundsätzen des Beamten- und Laufbahnrechts müssen Aufstiegsbewerber nachweisen, daß sie die erforderliche Eignung für die Laufbahn besitzen, in die sie aufsteigen wollen. Der Realschulabschluß oder eine gleichwertige Schulbildung, z. B. Fachschulreife, kann aber allein nicht als ausreichender Maßstab für die Beurteilung der Eignung angesehen werden. Dazu ist vielmehr eine Eignungsfeststellung erforderlich. Im Bereich der Deutschen Bundespost erfolgen diese Eignungsfeststellungen nach dem Prinzip der Bestauslese, da meist geringeren Einstellungsquoten wesentlich mehr Bewerber gegenübexstehen.
Eine Zusatzfrage, Herr Weigl.
Herr Staatseskretär, ist Ihnen bekannt, daß gerade junge Leute, die im zweiten Bildungsweg versuchen nach oben zu kommen, über diese jetzt noch bestehenden Vorschriften etwas enttäuscht sind? Ich möchte Sie also fragen, ob es nicht möglich wäre, bei den Möglichkeiten des Aufstiegs gerade auf jüngere Beamte Rücksicht zu nehmen, die im zweiten Bildungsweg nach oben streben.
Mir ist dieses Bestreben verständlich. Es ist jedoch so: einmal ist der Leistungsstand der Absolventen verschiedener Schulen erfahrungsgemäß sehr uneinheitlich, Zum anderen sind nicht genügend Aufstiegsmöglichkeiten vorhanden. Außerdem besteht kein Anlaß, daß Absolventen von Berufsaufbauschulen von vornherein den Bewerbern vorgezogen werden, die sich unter gleichen Opfern an Freizeit in Lehrgängen der Berufsverbände weiterbilden. Erfahrungsgemäß stehen sie den Absolventen von Berufsaufbauschulen leistungsmäßig nicht nach.
Keine weitere Zusatzfrage.
Die Frage 55 des Abgeordneten Faller:
Bis wann können das Kandertal ({0}) und das hintere Wiesental ({1}) in Südbaden mit dem Empfang des Zweiten Fernsehprogramms rechnen?
wird auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antwort des Bundesministers Dr. Dollinger vom 10. Dezember 1968 lautet:
Zur Fernsehversorgung des Kandertals mit dem 2. Fernsehprogramm konnte die Planung für den Aufbau der Fernsehumsetzeranlagen Binzen ({2}) und Kandern ({3}) soweit abgeschlossen werden, daß mit dem Aufbau im Jahr 1969 begonnen werden kann. Die Inbetriebnahme wird, sofern sich bei der Grundstückserschließung und der Bauzustimmung keine Schwierigkeiten ergeben, für Herbst 1969 angestrebt. Die Planung für die Versorgung der Orte Marzell mit 816 Einwohnern und Malsburg mit 898 Einwohnern kann erst nach Inbetriebnahme und Vermessung der vorgenannten Anlagen aufgenommen werden, da die Sender in Binzen und Kandern dieses Gebiet teilweise mit versorgen und jetzt noch nicht zu übersehen ist, wie groß die verbleibende Versorgungslücke sein wird.
Für die Fernsehversorgung des hinteren Wiesentales muß zunächst auf dem Feldberg ({4}) ein Bezugssender errichtet werden, an den die zur Versorgung von Todtnau und Schönau vorgesehenen Fernsehumsetzer angeschlossen werden können. Nach dem Stockholmer Wellenplan ist es erforderlich, daß die Deutsche Bundespost ihre Sendefrequenzen in diesem Gebiet mit Frankreich und der Schweiz koordiniert. Die Planung für den Bezugssender konnte nicht abgeschlossen werden, weil die Fernmeldeverwaltung der Schweiz den bisher vorgeschlagenen Sendekanälen nicht zugestimmt hat. Die Untersuchungen, die mit sehr umfangreichen Messungen verbunden sind, werden weitergeführt. Ein Inbetriebnahmetermin kann hei dieser Sachlage z. Z. nicht angegeben werden.
Vizepräsident Dr. Mommer
Jetzt kommen die Fragen 56 und 57 des Herrn Abgeordneten Peiter. - Herr Peiter ist nicht im Saal. Die Fragen werden schriftlich beantwortet.
Vielen Dank, Herr Staatssekretär.
Ich rufe dann den Geschäftsbereich des Herrn Bundesministers des Innern auf. Zur Beantwortung ist hier Herr Parlamentarischer Staatssekretär Köppler.
Zunächst die Frage 58 des Herrn Abgeordneten Dr. Giulini:
Ist die Bundesregierung bereit, durch Übernahme in die einschlägigen Gesetze ({5}) oder durch sonstige Maßnahmen zu erreichen, daß den übenden Reservisten die Übungstage bei ihrem Arbeitgeber bei der Berechnung von Sonderzuwendungen, Weihnachtsgratifikationen usw. mitangerechnet werden?
Bitte, Herr Staatssekretär.
Köppler, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Herr Kollege, da Sie das Besoldungsgesetz sowie die Sonderzuwendungen ansprechen, gehe ich davon aus, daß sich Ihre Frage in erster Linie oder sogar ausschließlich auf den öffentlichen Dienst bezieht, und beantworte sie wie folgt.
Die Beamten, Angestellten und Arbeitern gleichermaßen gewährte jährliche Zuwendung vermindert sich um ein Zwölftel für jeden Kalendermonat, in dem der Bedienstete von seinem Dienstherrn bzw. Arbeitgeber für keinen einzigen Tag Bezüge erhält. Die Beamten und die Arbeitnehmer des öffentlichen
) Dienstes erhalten nach dem Arbeitsplatzschutzgesetz bei Teilnahme an Wehrübungen ihre Bezüge grundsätzlich weitergezahlt. Die Weiterzahlung entfällt nur in den seltenen Fällen, in denen ein Bediensteter unter 25 Jahren, der noch keine zwölf Monate Wehrdienst oder auf den Wehrdienst angerechneten Dienst geleistet hat, an einer Wehrübung teilnimmt. Die von Ihnen angesprochenen übenden Reservisten haben in aller Regel Grundwehrdienst über zwölf Monate geleistet und somit Anspruch auf Weiterzahlung der Bezüge, unabhängig davon, ob sie das 25. Lebensjahr bereits vollendet haben.
Selbst in den wenigen Fällen, in denen danach ein Wegfall der Bezüge möglich ist, können sich Auswirkungen auf die jährliche Zuwendung nur dann ergeben, wenn sich die Übung über einen vollen Kalendermonat erstreckt. Auch bei Teilnahme an Wehrübungen auf Grund freiwilliger Verpflichtung kann eine Minderung der Zuwendungen nur dann eintreten, wenn die Wehrübungen in einem Kalenderjahr zusammen länger als 6 Wochen dauern.
Der Bundesminister des Innern nimmt aber Ihre Frage zum Anlaß, das von Ihnen aufgezeigte Problem gemeinsam mit dem Bundesminister der Verteidigung zu prüfen, zumal mit großer Wahrscheinlichkeit außerhalb des öffentlichen Dienstes die gleichen Schwierigkeiten auftreten können, vielleicht sogar noch vermehrt. Ich bin gern bereit, Ihnen das Ergebnis dieser Prüfung mitzuteilen.
Eine Zusatzfrage, Herr Giulini.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß es leider auch in der Privatwirtschaft sehr oft durch stures Ausrechnen der Tage der Nichtanwesenheit vorkommen kann, daß Weihnachtsgratifikationen und sonstige Zuwendungen geringer ausfallen, als wenn der Betreffende - so auch bei den Reservisten - anwesend gewesen wäre? - Ich habe Ihre Antwort auch so verstanden.
Köppler, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Ja.
Zweite Zusatzfrage.
Wäre es vorstellbar, Herr Staatssekretär, daß eine Art „Wehrkraftsicherungsgesetz", eine Art Grundgesetz für die Dienenden, erlassen werden könnte, in dem grundsätzlich aufgezeigt und festgelegt würde, daß ein Dienender nicht schlechter gestellt werden darf als ein Nichtdienender?
Köppler, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Ich bin mit Ihnen der Meinung, Herr Kollege, daß dieses Prinzip auch gesetzlich gelten sollte, wobei ich mich nicht auf die Überschrift des eventuell notwendigen Gesetzes festlegen möchte.
Keine Frage mehr dazu.
Die Fragen 59 bis 61 des Herrn Abgeordneten Dichgans werden auf seine Bitte schriftlich beantwortet:
Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, zur Sicherung höchster Qualität ihrer Ministerialbeamten einen systematischen Wechsel zwischen Ministerialtätigkeit und Verwaltungstätigkeit in praxisnahen Behörden, auch Behörden der Länder und der Gemeinden, für Altersgruppen bis etwa zum 40. Lebensjahr zu organisieren?
Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, einen Wechsel von Beamten zwischen den verschiedenen Bundesministerien zu fördern, um das Ressortdenken zu bekämpfen, das normalerweise einem Beamten Aufstiegsmöglichkeiten nur innerhalb des Ministeriums öffnet, in dem seine Laufbahn beginnt?
Hält die Bundesregierung es für zweckmäßig, Beamten, die aus dem Staatsdienst ausscheiden wollen, Ansprüche auf Angestelltenversicherung einzuräumen ({0}), um auf diese Weise auch die Beamtenpositionen gemäß den Grundsätzen moderner Arbeitsmarktpolitik beweglicher zu machen und um zu verhüten, daß ein Beamter, dessen Eignung und Neigung für den Beamtenstand geringer ist als für andere Tätigkeit, nur deshalb Beamter bleibt, weil er sonst seine Alterssicherung verliert?
Die Antwort .des Parlamentarischen Staatssekretärs Köppler vom 13. Dezember 1968 lautet:
Nach Artikel 36 des Grundgesetzes und der hierauf beruhenden Vereinbarung zwischen dem Bund und den Ländern über den Beamtenersatz bei den obersten Bundesbehörden aus dem Jahre 1954 werden in die Bundesministerien in erster Linie Beamte der Länder übernommen. Diese Beamten sind in aller Regel längere Zeit hindurch bei nachgeordneten Behörden tätig gewesen.
Soweit das nicht der Fall ist oder der Nachwuchs auf andere Weise gewonnen werden muß, liegt der Bundesregierung sehr daran, daß auch diese Beamten in der Außenverwaltung eingesetzt werden, damit sie sich mit der besonderen Struktur und den komplexen Funktionszusammenhängen moderner Verwaltung vertraut machen. Die Laufbahnvorschriften bestimmen daher, daß die Beförderung zum Ministerialrat eine mindestens dreijährige Außendienstzeit voraussetzt. Außerdem müssen alle Beamten des höheren Dienstes einen Teil ihrer Probezeit außerhalb oberster Dienstbehörden leisten.
Vizepräsident Dr. Mommer
Die obersten Bundesbehörden sind im Rahmen dieser Vorschriften in verstärktem Maße um eine vorübergehende Verwendung ihrer Beamten des höheren Dienstes in der Außenverwaltung bemüht. Bei den Ressorts ohne geeigneten Verwaltungsunterbau ist die Abordnung zu nachgeordneten Behörden jedoch oft deshalb schwierig, weil Ersatzkräfte für den Ministerialdienst nicht immer verfügbar sind und auch von den Ländern und Kommunalverwaltungen oft kurzfristig nicht abgegeben werden können.
Die Bundesregierung wird diesem für eine Stärkung der Verwaltungseffizienz äußerst wichtigen Problem weiterhin ihre besondere Aufmerksamkeit widmen.
Ein Personalaustausch zwischen den einzelnen Bundesministerien ist beamtenrechtlich ohne weiteres möglich. Schwierigkeiten ergeben sich jedoch aus dem Ressortprinzip des Artikels 65 des Grundgesetzes. Die Bundesregierung wird nach Wegen suchen, um die auch von ihr als dringend notwendig erachtete Austauschbarkeit und Flexibilität in diesem Bereich herzustellen.
Ungeachtet der unleugbar derzeit noch vorhandenen Schwierigkeiten sind aber auch bisher schon Beamte in größerer Zahl zwischen den Ressorts ausgewechselt worden. So sind 21 v. H. der Staatssekretäre und 31 v. H. der Ministerialdirektoren in mehr als einem Geschäftsbereich tätig gewesen.
Zu der Alterssicherung eines ausscheidenden Beamten in der Angestelltenversicherung ist zu sagen, daß die geltenden Regelungen die erwünschte Beweglichkeit bereits gewährleisten.
Scheidet ein Beamter aus der Beschäftigung im Beamtenverhältnis aus, so wird er für die Beamtendienstzeit in der gesetzlichen Rentenversicherung nachversichert. Damit ist für die Beamtendienstzeit eine Alterssicherung nach den besonderen Maßgaben des Sozialversicherungsrechtes gegeben.
Auch die Frage 62 des Abgeordneten Dröscher wird im Einverständnis schriftlich beantwortet:
Welche Auswirkungen hat die Erhöhung der Renten auf die Richtsätze nach dem Bundessozialhilfegesetz gehabt?
Hier lautet die Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Köppler vom 13. Dezember 1968:
Die Rentenerhöhungen haben keine Auswirkungen auf die Regelsätze ({1}), da Renten oder Rentenerhöhungsbeträge keine Bezugsgrößen für die Bemessung der Regelsätze sind.
Die Regelsätze werden im Rahmen der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Bundessozialhilfegesetz zur Deckung eines fest umrissenen Teils des notwendigen Lebensbedarfs, des Regelbedarfs, gewährt. Die Höhe der Regelsätze bestimmen die zuständigen Landesbehörden oder die von ihnen bestimmten Stellen unter Berücksichtigung der tatsächlichen Lebenshaltungskosten und der örtlichen Unterschiede. Zu den Regelsätzen treten der laufende Aufwand für die Unterkunft und für einen etwaigen Mehr- oder Sonderbedarf sowie einmalige Leistungen in Form von Bekleidungs-, Winter- oder Weihnachtsbeihilfen.
Dann kommen wir zu den Fragen 63 und 64 des Abgeordneten Paul - er ist im Saal -, zunächst zu Frage 63:
Ist die Bundesregierung bereit, entsprechend der Empfehlung 533 ({2}) der Beratenden Versammlung des Europarates darauf hinzuwirken, daß eine gemeinsame europäische Methode für die Durchführung von Volkszählungen erarbeitet und so bald wie möglich eingeführt wird?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Köppler, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Die Bundesregierung ist bereit, auf die Erarbeitung und Einführung einer gemeinsamen europäischen Methode für die Durchführung von Volkszählungen hinzuwirken. Sie begrüßt, daß auch der Europarat seine Aufmerksamkeit der Frage der Synchronisierung und Harmonisierung der Volkszählung in Europa zuwendet.
Es muß aber darauf aufmerksam gemacht werden, daß die Arbeitsgruppe der Konferenz europäischer Statistiker sich in Genf unter Beteiligung von Vertretern der Bundesrepublik bereits seit dem Jahre 1954 gleichfalls um dieses Thema bemüht. Diese Bemühungen richten sich auf ein gesamteuropäisches Programm, das die Weltempfehlungen der Vereinten Nationen berücksichtigt.
Es wäre erwünscht, wenn der Europarat sich diese Arbeitsergebnisse zunutze machte und der Durchführung der Empfehlungen der europäischen Statistikerkonferenz damit Nachdruck verleihen könnte. Die Bundesregierung sieht darin auch eine Möglichkeit, Doppelarbeit zwischen der Konferenz europäischer Statistiker und den Gremien des Europarats zu vermeiden.
Keine Zusatzfrage.
Dann Frage 64:
Wird die Bundesregierung sich im Ministerkomitee des Europarates für die Einberufung eines Sachverständigenkomitees, in dem auch europäische Nichtmitgliedstaaten vertreten sein sollten, einsetzen, das ein europäisches Abkommen über die einheitliche Durchführung und Auswertung von Volkszählungen auszuarbeiten hätte?
Herr Staatssekretär, bitte!
Köppler, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Herr Kollege, die Bundesregierung wird sich im Ministerkomitee des Europarats für die Einberufung eines Sachverständigenkomitees, in dem auch europäische Nichtmitgliedstaaten vertreten sein sollten, einsetzen.
Unter Bezug auf meine Antwort zu Ihrer vorigen Frage regt die Bundesregierung aus Gründen des Sachzusammenhangs an, den bereits bestehenden Organisationsausschuß des Europarates für die Zweite europäische Bevölkerungskonferenz zusätzlich mit dieser Aufgabe zu betrauen. Bei seinen Arbeiten zur Vorbereitung der genannten Konferenz werden schon jetzt immer wieder Fragen der Koordinierung der Statistiken erörtert. Das läßt es zweckmäßig erscheinen, beide Aufgaben in eine Hand zu legen.
Es muß jedoch darauf aufmerksam gemacht werden, daß die Erarbeitung gemeinsamer europäischer Methoden für die .Durchführung von Volkszählungen sich nur auf Zählungen nach dem Jahre 1970 richten kann, da die Vorarbeiten für die Volkszählung des Jahres 1970 wegen der Terminnähe bereits abgeschlossen werden mußten. Der Volkszählung 1970 wird die Bundesregierung die auf der Konferenz europäischer Statistiker erarbeiteten Empfehlungen zugrunde legen. Die Vorarbeiten hierzu sind beim Statistischen Bundesamt im Gange.
Keine Zusatzfrage.
Wir kommen zu den Fragen 65 und 66 des Herrn Abgeordneten Matthöfer, zunächst zu Frage 65:
Ist der Bundesregierung eine Studie bekannt, in der - nach einem Bericht der „Zeit" vom 29. November 1968 - ein hoher Polizeioffizier, während des Zweiten Weltkrieges Leiter einer Straßenkampfschule im polnischen Mokotrow", die Ergebnisse des Warschauer Aufstandes zusammenfaßte und sie auf die Städte der Bundesrepublik Deutschland - „für die Bekämpfung von ,Störern' im Innern" - übertrug?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Köppler, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Am 25. November 1965 wurde im Hinblick auf einen wahrscheinlichen Einsatz des Bundesgrenzschutzes im Verteidigungsfall in geschlossenen Ortschaften bei einer internen
Parlamentarischer Staatssekretär Köppler Kommandeurtagung eine entsprechende Planuntersuchung durchgeführt. Hierbei ist im Rahmen eines historischen Überblicks über Straßenkampfbeispiele auch über den Warschauer Aufstand vorgetragen worden. Der Vortrag wurde von einem Grenzschutzoffizier gehalten, der im Kriege als Heeresoffizier und Regimentskommandeur in der 337. Division beauftragt worden war, Erfahrungen des Warschauer Aufstandes in einer kurzfristig geschaffenen Schule für Straßen- und Festungskampf in einer insgesamt fünf Wochen dauernden Ausbildung auszuwerten.
Der Vortrag am 25. November 1965 stützte sich auf die eigenen Erfahrungen sowie auf das Buch von H. Krannhals „Der Warschauer Aufstand 1944". Er wurde im Rahmen des Gesamtthemas als ein Beispiel für die Verhältnisse gebracht, die auf einen Einsatz des Bundesgrenzschutzes nicht anwendbar seien. Weder im Manuskript des Vortragenden noch in seinen Ausführungen noch in der ausschließlich das historische Geschehen zusammenfassenden, seinerzeit schriftlich abgefaßten Einführung zu dem Vortrag hat daher eine Übertragung auf die Verhältnisse der Bundesrepublik für die Bekämpfung von Störern im Innern stattgefunden. Eine unveröffentlichte Studie, die den genannten Offizier zum Verfasser hat und die derartige Gedankenverbindungen enthält, existiert nicht.
Wollen wir erst die nächste Frage beantworten lassen und dann Zusatzfragen stellen, Herr Matthöfer?
Ich habe nur eine, Herr Präsident; es geht sehr schnell.
Gut!
Herr Staatssekretär, wenn diese Erfahrungen aus dem Warschauer Aufstand weder übertragbar sind noch als relevant betrachtet wurden, warum hat man denn im Rahmen von Ausbildungsveranstaltungen diesen Vortrag überhaupt veranlaßt.
Köppler, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Wie ich Ihnen in der Antwort auf Ihre Frage dargelegt habe, Herr Kollege, ist im Rahmen dieser Tagung ein umfassender historischer Überblick über entsprechende und nicht entsprechende Situationen gegeben worden. In diesem Zusammenhang war das Thema des Warschauer Aufstandes von 1944 nur einer von vielen Punkten.
Wir kommen dann zur Frage 66 des Herrn Abgeordneten Matthöfer:
Trifft die im zitierten Bericht aufgestellte Behauptung zu, der Leiter einer dem Bundesinnenministerium zugeordneten zentralen Hubschrauberausbildungsstätte für Länderpolizeien habe erklärt, bei Tiefflugübungen für den Straßenkampf werde , selbstverständlich verbotenerweise wirklichkeitsnah ausgebildet"?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Köppler, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Die Frage bezieht sich wahrscheinlich auf die Grenzschutz-Fliegertruppe, bei deren Ausbildungsstaffel Hubschrauberführer des Bundesgrenzschutzes ausgebildet werden. An den Lehrgängen nehmen auf Wunsch auch Polizeibeamte der Länder teil.
Im Zuge der fliegerischen Ausbildung werden selbstverständlich auch Tiefflüge in den im Luftfahrthandbuch veröffentlichten Tieffluggebieten - überwiegend unbewohnte Gegenden - ausgeführt. Die Übungen sind zulässig, da sie sich im Rahmen der für den Bundesgrenzschutz und die Polizei geltenden Sonderbestimmungen des Luftverkehrsgesetzes halten. Sie stehen in keinem Zusammenhang mit dem Einsatz von Hubschraubern in einem „Straßenkampf". Eine mögliche Äußerung der Kommandeurs der Grenzschutz-Fliegertruppe über wirklichkeitsnahe fliegerische Ausbildung kann damit nicht in Verbindung gebracht werden.
Eine Zusatzfrage, Herr Matthöfer.
Sie sagen also, Herr Staatssekretär, daß die Veröffentlichung in der „Zeit" nicht den Tatsachen entspricht.
Köppler, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Jawohl!
Haben Sie eine entsprechende Berichtigung veranlaßt?
Köppler, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Eine entsprechende Berichtigung ist nicht veranlaßt worden.
Wir kommen zur Frage 67 des Herrn Abgeordneten Moersch:
Treffen Meldungen zu, nach denen Meinungsverschiedenheiten zwischen den beteiligten Bundesministerien eine Stellungnahme der Bundesregierung zu dem Bericht der von ihr eingesetzten „Günther-Kommission" verzögert haben, die die Wettbewerbssituation im deutschen Pressewesen untersucht hat?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Köppler, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Ich bitte, Herr Präsident, wenn es Herr Kollege Moersch gestattet, beide Fragen wegen des Sachzusammenhangs zusammen beantworten zu dürfen.
Dann rufe ich noch die Frage 68 des Herrn Abgeordneten Moersch auf:
Wann wird die Bundesregierung diese, Stellungnahme endgültig vorlegen?
Köppler, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Die einzelnen Bundesministerien haben den sehr vielschichtigen Komplex unter dem jeweils besonderen Aspekt ihres eigenen Ressortsbereichs zu prüfen gehabt. Daraus ergab sich ein Mehraufwand an Zeit, zumal da in allen Fra11152
Parlamentarischer Staatssekretär Köppler
gen eine Übereinstimmung innerhalb der Bundesregierung erreicht werden muß. Es ist jedoch damit zu rechnen, daß die Stellungnahme der Bundesregierung dem Bundestag alsbald - ich hoffe, im Januar - zugeleitet werden kann.
Zusatzfrage, Herr Moersch.
Herr Staatssekretär, was macht denn die Stellungnahme und die Abstimmung zwischen den verschiedenen Ressorts so schwierig? Sind es die grundsätzlich verschiedenen Auffassungen über das Maß der Pressefreiheit, die innerhalb der Bundesregierung bestehen?
Köppler, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Nein, sondern es ist genau das, was ich soeben in meiner Antwort zu sagen versuchte, daß sich unter den besonderen Aspekten des Ressortbereichs, unter denen die beteiligten federführenden Ressorts an diese Frage herangehen, differierende Gesichtspunkte ergeben haben, die absolut nicht auf dieser grundsätzlichen Ebene, die Sie genannt haben, etwa dem Maß der Pressefreiheit, stehen, sondern es sind Detaildifferenzen, die überbrückt werden konnten und bei denen in einigen Punkten noch eine Übereinstimmung erzielt werden muß.
Noch eine Frage, Herr Moersch.
Herr Staatssekretär, ist sich die Bundesregierung dessen bewußt, daß die Verzögerung der Vorlage dieser Stellungnahme und die Vorlage zu einem so späten Zeitpunkt die ganze Arbeit der Kommission, die durch das Drängen der Bundesregierung unter großem Zeitdruck stattfand, eines Tages wertlos machen könnte?
Köppler, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Ich bin mir der Tatsache bewußt, daß die Kommission ihre Arbeiten unter einem erheblichen Zeitdruck - nicht nur von der Bundesregierung, sondern auch von diesem Hohen Hause wurde gedrängt - abschließen mußte. Ich bedauere außerordentlich, daß die Schwierigkeit der Materie, die sich angesichts der Empfehlungen der Kommission nun für die Bundesregierung darstellt, eine schnellere Bearbeitung nicht zugelassen hat. Ich kann das mit Ihnen nur bedauern, aber es liegt in der Natur der Sache, um die es hier geht.
Noch eine Frage, Herr Moersch.
Herr Staatssekretär, sind die Vermutungen berechtigt, daß die Hauptschwierigkeiten bei der Abfassung der gemeinsamen Stellungnahme im Bundespresse- und Informationsamt bzw. im Bundeskanzleramt liegen?
Köppler, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Ich kann diese Vermutungen nicht bestätigen. Ich kann nur noch einmal wiederholen, daß es in einigen Detailpunkten Differenzen zwischen den beteiligten Ressorts gegeben hat, die inzwischen teilweise überbrückt sind, zum Teil noch in allernächster Zeit in Übereinstimmung gebracht werden müssen.
Letzte Zusatzfrage, Herr Moersch.
Ist es weiterhin zutreffend, daß das Bundeswirtschaftsministerium seit langem mit seiner Stellungnahme fertig ist, nicht aber die von Ministern aus der CDU/CSU-Fraktion geleiteten Ressorts?
Köppler, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Auch diese Vermutung kann ich Ihnen zu meinem Bedauern nicht bestätigen, Herr Kollege Moersch. Es ist nicht so, daß das Bundesinnenministerium als das letztlich federführende Ministerium hier Stellungnahmen anderer Ministerien einsammelt, sondern es wird über eine Reihe von Vorschlägen aus allen beteiligten Ministerien interministeriell diskutiert, und es wird - mit Erfolg - versucht, eine Übereinstimmung mit den aus den beteiligten Ressorts kommenden Vorschlägen zu erreichen.
({0})
Sie haben keine Zusatzfrage mehr, Herr Moersch.
({0})
- Herr Moersch, ich muß in der Fragestunde wegen der vielen Kollegen, die eine mündliche Antwort gar nicht erhalten, die Geschäftsordnung streng handhaben.
({1})
- Das war auch zu spät, Herr Matthöfer. Es tut mir leid.
Die Fragen aus diesem Geschäftsbereich sind beantwortet. Vielen Dank, Herr Staatssekretär.
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz. Der Herr Bundesminister ist selber zur Beantwortung anwesend.
Zunächst rufe ich die Frage 69 des Herrn Abgeordneten Dr. Frerichs auf:
Wann ist mit der Vorlage des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Zivilprozeßordnung zu rechnen?
Herr Kollege, der Entwurf einer Novelle zur Zivilprozeßordnung ist so weit gediehen, daß er in den ersten Monaten des neuen Jahres hier wird eingebracht werden können.
Zusatzfrage, Herr Frerichs.
Herr Bundesminister, heißt das Ihrer Ansicht nach, daß dieser Bundestag noch die erste Lesung dieser wichtigen Änderung des Gesetzes über die Zivilprozeßordnung durchführen kann, oder soll dies nur als Material für die weitere Arbeit des nächsten Bundestages angesehen werden?
Wenn keine Chance besteht, daß dieser Bundestag die Novelle bis zur Gesetzeskraft beraten kann, wird es auch keinen Sinn haben, eine erste Lesung zu halten. Mit anderen Worten, ich bringe den Entwurf nur ein, wenn nach ausreichender Vorklärung damit gerechnet werden kann, daß die Novelle noch in diesem Bundestag wird abgeschlossen werden können.
Noch eine Frage, Herr Frerichs,
Herr Bundesjustizminister, Sie stimmen mir doch sicher zu, daß, nachdem die Arbeiten der Kommission unter Ihrer Federführung so weit gediehen sind, es richtig wäre, wenn dieser Bundestag den Gesetzentwurf zur Änderung der Zivilprozeßordnung noch auf den Tisch bekäme?
Dem stimme ich vollauf zu.
Dann rufe ich die Frage 70 von Herrn Frerichs auf:
Welche Vorstellungen bestehen bei der Bundesregierung zur Reform des Konkurs- und Vergleichsrechts auch unter Berücksichtigung der Entwicklung in der Europäischen Gemeinschaft?
Bitte, Herr Minister!
Diese Frage beantworte ich mit einem runden Ja. - Verzeihung, - das ist ein Irrtum.
Zusatzfrage, Herr Frerichs.
Herr Bundesjustizminister, inwieweit kann die Änderung des Konkurs- und Vergleichsrechts im Zusammenhang mit der Harmonisierung mit den EWG-Vorschriften gesehen werden? Oder geht es hier nur um eine Änderung des deutschen materiellen Konkurs- und Vergleichsrechts?
Nein, das Ziel geht weiter. Wir wollen das Recht im europäischen Raum einander angleichen und bei dieser Gelegenheit auch weiterentwickeln. Es geht insbesondere darum, daß z. B. die Eröffnung eines Konkurs- oder Vergleichsverfahrens in einem der beteiligten Länder auch Auswirkungen in den anderen Ländern hat.
Noch eine Frage, Herr Abgeordneter Dr. Frerichs.
Herr Bundesjustizminister, sehen Sie besondere Schwierigkeiten aus den Partnerländern der Europäischen Gemeinschaften, die einer raschen Änderung der Konkurs- und Vergleichsgesetze in der Bundesrepublik entgegenstehen?
Herr Kollege, nach meiner bisherigen Erfahrung fühle ich mich nicht in der Lage, zu prophezeien, wieweit und wie schnell man in Brüssel mit irgendeiner Sache vom Fleck kommt.
Dann kommen wir zu Frage 71 des Herrn Abgeordneten Dr. Frerichs:
Wann beabsichtigt die Bundesregierung, das gesamte Kostenrecht in einer umfassenden Novelle neu zu ordnen?
Bitte, Herr Minister!
Die Bundesregierung bereitet gegenwärtig den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen sowie auch des Gesetzes über die Entschädigung ehrenamtlicher Richter vor. Es ist beabsichtigt, den Entwurf zu Beginn des nächsten Jahres hier einzubringen.
Eine Zusatzfrage, Herr Frerichs.
Herr Bundesjustizminister, trifft es zu, daß die Unterlagen zur Änderung des Kostenrechts, also insbesondere bei den Kostengesetzen im Justizbereich, schon im Frühjahr dieses Jahres fertig waren und daß man im Hinblick auf die konjunkturelle Situation aus der Befürchtung, daß die Anhebung der Kosten zu einer Preisanhebung führen könnte, davon abgesehen hat?
Es trifft zu, daß Kosten- oder Gebührenfragen im Bereich der Justiz immer mit Finanz- und Wirtschaftsministerien abgestimmt werden müssen.
Noch eine Frage, Herr Dr. Frerichs.
Herr Bundesjustizminister, haben Sie die Absicht, die Änderungsvorschläge über die Kostengesetze noch in diesem Bundestag einzubringen?
Ich sagte, daß unsere Vorbereitungen dazu führen werden, gewisse Änderungsvorschläge noch in die11154
sem Bundestag einzubringen. Aber eine Änderung des ganzen übrigen Kostenrechts - ich habe soeben nur einige Stücke genannt - wird erst für die nächste Wahlperiode vorgesehen werden können.
Wir kommen zu Frage 72 des Herrn Abgeordneten Matthöfer:
Wie beurteilt die Bundesregierung die Auffassung der Landeskonferenz der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Juristen Bayerns, ein Teil der Strafbestimmungen des 6. Abschnitts des StGB, vor allem der über Auflauf, Aufruhr und Landfriedensbruch, entspreche nicht den für die Rechtsprechung verbindlichen Wertvorstellungen des Grundgesetzes?
Bitte, Herr Minister!
Herr Kollege Matthöfer, die Bundesregierung ist der Ansicht, daß die Strafbestimmungen bei verfassungskonformer Auslegung nicht gegen verfassungsrechtliche Grundsätze verstoßen. Sie ist jedoch in Übereinstimmung mit der Landeskonferenz der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Juristen in Bayern der Meinung, daß eine kritische Überprüfung und Reform dieser Straftatbestände geboten ist, um sie auch schon in ihrem Wortlaut besser mit den Wertvorstellungen des Grundgesetzes in Einklang zu bringen. Der Sonderausschuß für die Reform des Strafrechts hat eine Überarbeitung der hier in Rede stehenden strafrechtlichen Bestimmungen in sein Sofortprogramm aufgenommen.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Matthöfer.
Darf ich daraus entnehmen, Herr Minister, daß eine Reform dieser Bestimmungen noch in dieser Legislaturperiode möglich sein wird?
Das ist das Ziel der Bemühungen sowohl im Ministerium als insbesondere auch in dem Ausschuß dieses Bundestags, der für die Reform des Strafrechts an der Arbeit ist.
Herr Moersch, eine Zusatzfrage.
Herr Minister, ist die Bundesregierung nicht der Meinung, daß die hier angezogenen Strafbestimmungen durch andere, allgemeinere Strafbestimmungen durchaus gedeckt werden und daß sie deshalb im Strafgesetzbuch überhaupt entfallen können?
Einer Bejahung dieser Frage möchte ich nicht zuneigen. Es kann aber natürlich bei der, wie ich sagte, vorrangigen Überprüfung auch das, was Sie anregen, Herr Kollege Moersch, zur Überlegung gestellt werden.
Vielen Dank für die Beantwortung dieser Fragen, Herr Bundesminister.
Ich rufe dann auf die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen. Zur Beantwortung ist Herr Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Leicht hier. Die Fragen 73 und 74 des Herrn Abgeordneten Strohmayr werden später von dem Vertreter des Bundeswirtschaftsministeriums beantwortet.
Frage 75 des Herrn Abgeordneten Peters ({0}) :
Ist die Bundesregierung bereit, die Westküste Schleswig-Holsteins nach dem Gesetz über die Besteuerung des Straßengüterverkehrs den Zonenrandkreisen des Landes gleichzustellen?
Ist er im Saal? - Er ist hier. Bitte, Herr Staatssekretär!
Leicht, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Ich darf die Frage des Kollegen Peters wie folgt beantworten. § 6 Abs. 3 des Gesetzes über die Besteuerung des Straßengüterverkehrs ermächtigt den Bundesminister der Finanzen im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Verkehr, durch Rechtsverordnung die Steuer für Beförderungen von oder nach bestimmten Teilen des Bundesgebietes auf 50 v. H. des Steuersatzes nach § 4 zu ermäßigen, wenn dies wegen der schwachen verkehrsmäßigen Aufschließung oder der ungünstigen Verkehrslage dieser Gebietsteile zur Vermeidung schwerwiegender volkswirtschaftlicher Nachteile geboten erscheint. Danach muß, Herr Kollege, der Verordnungsgeber zunächst prüfen, wie die Voraussetzungen „schwache verkehrsmäßige Aufschließung oder ungünstige Verkehrslage" mit der Folge drohender schwerwiegender volkswirtschaftlicher Nachteile abgegrenzt werden können, um eine zweckmäßige und gerechte Auswahl treffen zu können. Die Prüfung ist in Angriff genommen worden und soll so schnell wie möglich abgeschlossen werden, damit die Entscheidung möglichst Anfang des nächsten Jahres getroffen werden kann. Ich kann daher die Frage, ob und inwieweit Gebiete der schleswig-holsteinischen Westküste nach § 6 Abs. 3 des Gesetzes begünstigt werden, heute noch nicht beantworten.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Peters.
Herr Staatssekretär, nachdem wir seit ungefähr einem Jahr über die Probleme der Westküste Schleswig-Holsteins hier und in Briefwechsel geredet haben, ist es dann nicht vordringlich, daß dieses Problem nicht mehr lange geprüft wird, sondern daß eine Entscheidung getroffen wird?
Leicht, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Wir brauchen allgemeine Richtlinien, Herr Kollege Peters; denn es ist nicht nur über Ihr Anliegen zu entscheiden, sondern es ist nach objektiven Kriterien zu entscheiden, welche Gebiete im Bundesgebiet unter die vom Gesetz vorgesehene Ausnahme fallen.
Noch eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Peters.
Herr Staatssekretär, darf ich fragen, welche Stellungnahme das Land Schleswig-Holstein, das ja auch zu hören ist, hinsichtlich der Einbeziehung der Kreise eingenommen hat? Will das Land - um konkret zu fragen - nur die fünf nördlichen Westküstenkreise oder auch die Kreise Steinburg und Pinneberg einbeziehen?
Leicht, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Diese Frage kann ich Ihnen im Augenblick nicht beantworten. Ich bin aber gern bereit, nachzuforschen und Ihnen Antwort zu geben.
Damit ist wohl auch die Frage 76 beantwortet.
Leicht, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Nein, Herr Präsident, Frage 76 noch nicht. Da muß ich noch eine Klarheit schaffen.
Dann rufe ich die Frage 76 des Abgeordneten Peters ({0}) auf:
Welche Kreise Schleswig-Holsteins werden als Frachthilfegebiete erklärt, in denen die Besteuerung des Straßengüterverkehrs um 50 % ermäßigt würde?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Leicht, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Zu dieser Frage möchte ich, und zwar im Einvernehmen mit dem Bundeswirtschaftsministerium, das für diese Dinge zuständig ist, feststellen, daß nicht beabsichtigt ist, die bisherigen Frachthilfegebiete um weitere Gebiete zu erweitern.
Vielen Dank, Herr Staatssekretär, für die Beantwortung dieser Fragen.
Wir kommen dann zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft.
({0})
- Zur Geschäftsordnung? Ich kann nur aufrufen, was dran ist, Herr Kollege Könen, und zur Geschäftsordnung kann ich jetzt auch nicht das Wort geben.
Zur Beantwortung ist Herr Staatssekretär Dr. Arndt hier.
Zunächst die Fragen 77 und 78 des Abgeordneten Porsch:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß das Bauhandwerk und Baunebengewerbe im bayerischen Grenzland - anders als in den Ballungsräumen - nur bis etwa März 1969 beschäftigt ist?
Wird die Bundesregierung sofort alles Notwendige veranlassen, um die rechtzeitige Vergabe von Staatsaufträgen für das Frühjahr 1969 sicherzustellen?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Die Bundesregierung findet - wie die zu dieser Frage ebenfalls konsultierte bayerische Staatsregierung - in Ihrer Information keinen Grund zur Besorgnis. Ein Auftragsbestand im Bauhandwerk zu Wintersanfang in Höhe von vier Monaten ist normal. In der hinter uns liegenden schweren Zeit der Wirtschaftskrise hatten die Auftragsbestände nur eine Reichweite von zwei Monaten.
Die Bundesregierung beobachtet bekanntlich sehr sorgfältig die Lage in den Zonenrandgebieten. Die Probleme des bayerischen Grenzlandes sind darum Gegenstand ständiger Kontakte mit der bayerischen Staatsregierung. Aus diesem Grunde wurde auch das bayerische Wirtschaftsministerium um eine Stellungnahme zu Ihrer Frage gebeten. Ich erlaube mir, den Schlußsatz zu zitieren:
Die Staatsaufträge für 1969 werden so frühzeitig wie möglich hinausgegeben werden. Das gleiche gilt für die Aufträge des Bundes, die in Auftragsverwaltung in Bayern vergeben und durchgeführt werden.
Das war die Antwort auf Ihre beiden Fragen.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Porsch.
Herr Staatssekretär, weiß die Bundesregierung, daß bei staatlichen Ausschreibungen „frühzeitig" im allgemeinen Ende des Frühjahrs heißt, daß also nach den Erfahrungen aus den letzten Jahren, wenn wir von einem viermonatigen Auftragsbestand ausgehen, der jetzt noch gegeben ist, dann meistens gerade im Frühjahr die Beschäftigungslosigkeit eintritt, weil die Staatsaufträge erst im Sommer kommen?
Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Herr Kollege Porsch, wir haben uns an die bayerische Staatsregierung gewendet. Diese hat uns mitgeteilt, daß die Aufträge für 1969 so frühzeitig wie möglich herausgegeben werden. Das würde also doch sicher heißen: nicht mit größerer Zeitverzögerung als sonst.
Eine Zusatzfrage von Herrn Weigl.
Herr Staatssekretär, darf ich Ihre Antwort so verstehen, daß die Auftragsausschreibung in den Zonenrandgebieten jetzt früher erfolgen wird, also nicht mehr, wie es in der Vergangenheit der Fall war, erst im April oder im Mai des Jahres, sondern vielleicht schon im Januar oder Februar? Denn das ist ja das eigentliche Problem, das hier angesprochen worden ist.
Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Darüber haben wir von der bayerischen Staatsregierung noch keine Informationen bekommen. Wir sind gern bereit, sie noch nachträglich einzubringen.
Noch eine Frage, Herr Weigl.
11156 Deutscher Bundestag - 5. Wahlperiode - 206. Sitzung. Bonn, Freitag, den 13 Dezember 1968
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß zu Anfang des Jahres im Rahmen der Ausgleichsvermittlung immer Bauarbeiter aus Ostbayern in andere Bundesländer vermittelt werden sollen und die Schwierigkeiten nur deshalb auftreten, weil die öffentlichen Aufträge eben zu spät ausgeschrieben werden?
Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Das Problem ist bekannt.
Wir kommen zu den Fragen 79 und 80 des Herrn Abgeordneten Geldner:
Welche Auswirkungen auf den Fremdenverkehr in und nach Deutschland werden die von der Bundesregierung und einigen europäischen Nachbarstaaten in jüngster Zeit getroffenen währungspolitischen Maßnahmen voraussichtlich haben?
Welche Auswirkungen auf den Tourismus aus der Bundesrepublik Deutschland ins benachbarte Ausland werden diese währungspolitischen Maßnahmen haben?
Ist er im Saal? - Er ist im Saal. Bitte, Herr Staatssekretär!
Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Herr Kollege, die von Frankreich erlassenen Devisenbeschränkungen für den Reiseverkehr gelten vorläufig bis Ende des Jahres, d. h. für November und Dezember. Sie gelten für die reiseschwache Zeit, in der Quantifizierungen kaum möglich sind. Die von der Bundesregierung getroffenen währungspolitischen Maßnahmen haben überhaupt keine negativen Auswirkungen auf den Fremdenverkehr.
Zur nächsten Frage: Reisen von der Bundesrepublik ins Ausland werden weder von den deutschen noch von den französischen währungspolitischen Maßnahmen betroffen. Die durch diese Maßnahmen zu erwartende größere Preisstabilität in der Bundesrepublik im Vergleich zum Ausland könnte vielleicht manchen deutschen Urlauber veranlassen, 1969 im Inland zu bleiben.
Keine Zusatzfrage.
Dann rufe ich die Frage 81 des Herrn Abgeordneten Dr. Möller auf:
Ist die Bundesregierung bereit, Auskunft zu geben über den Stand einer Börsenreform, die in erster Linie eine Verbesserung des Kundenschutzes durch widerstandsfähigere Börsen und ausreichende Publizität zum Ziele haben muß?
Sie wird übernommen von Herrn Schulte. Bitte, Herr Staatssekretär!
Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Die Bundesregierung ist selbstverständlich dazu bereit. Ihre Bemühungen zielen einmal darauf ab, durch freiwillige Maßnahmen der Banken und Börsen wichtige Verbesserungen zu erreichen. Dazu gehört vor allem die stärkere Konzentration von Kundenaufträgen im Aktienhandel an der Börse.
Ferner wurde zur Prüfung anderer Fragen einer Börsenreform eine Sachverständigenkommission berufen. Ihre Untersuchungen erstrecken sich u. a. auf folgende Themen: obligatorische Zwischenberichte börsennotierter Gesellschaften, Erweiterung der veröffentlichten Börsenumsätze, Wiedereinführung des Terminhandels, Börsenmitgliedschaft für Investmentgesellschaften und nicht nur für deren „Mütter" sowie Verringerung des Informationsvorsprungs von Eingeweihten - die sogenannten Insider-Kenntnisse. Das Zeitziel dieser Untersuchungen ist der März 1969.
Keine Zusatzfrage.
Wir kommen dann zu den Fragen des Herrn Abgeordneten Dr. Stark.
Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Herr Präsident, vielleicht darf ich die Fragen .82 und 83 zusammenfassen.
Der Fragesteller ist einverstanden. Dann rufe ich die Fragen 82 und 83 auf:
Teilt die Bundesregierung die in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 3. Dezember 1968, Seite 13, geäußerte Auffassung, daß es sich bei der Preissenkung des „Walzstahlkontors West" von 95 DM pro Tonne Betonstahl = 24 % um eine gezielte Maßnahme handelt, welche die wirtschaftliche Vernichtung eines in Baden-Württemberg ansässigen mittelständischen Außenseiters auf dem Gebiete der Betonstahlherstellung zum Ziele hat und damit eindeutig wirtschaftlichen Machtmißbrauch darstellt?
Welche Maßnahmen wird die Bundesregierung einleiten, um die Europäische Kommission auf der Grundlage der rechtlichen Bestimmungen des Montan-Vertrages zu einem entsprechenden Eingreifen zu veranlassen, damit nicht unübersehbare wirtschaftliche und strukturelle Folgen für den Stahlhandel und einzelne Zweige der Stahlverarbeitung eintreten?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Die vom Walzstahlkontor West am 23. November vorgenommene Senkung des Preises für Betonstahl der Qualität III um rund 24 % ist zweifellos eine gezielte Maßnahme. Das Ausmaß dieser Preissenkung ist für deutsche Marktverhältnisse auch ungewöhnlich. Ob diese Aktion das Ziel hat, die Marktposition zu halten, an die Konkurrenz verlorene Märkte wiederzugewinnen - was verständlich wäre -, oder ob darüber hinaus Ziele angestrebt werden, wie sie die „Frankfurter Allgemeine Zeitung" in dem zitierten Artikel vermutet, läßt sich so kurze Zeit nach Inkrafttreten dieser Preissenkung noch nicht beurteilen. Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften hat den Vorgang bereits untersucht und mit den Beteiligten erörtert.
Zusatzfrage, Herr Dr. Stark.
Herr Staatssekretär, sind Sie bereit, in dem Zeitraum, der Ihnen zur Verfügung steht, zu prüfen, ob sich diese Maßnahme mit einem fairen Wettbewerb und mit unseren Kartellrechtsbestimmungen vereinbaren läßt?
Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Die BundesParlamentarischer Staatssekretär Dr. Arndt
regierung prüft das zur Zeit, und zwar sowohl mit dem Betroffenen als auch mit dem agierenden Kontor. Die eigentliche Zuständigkeit liegt bei der Europäischen Gemeinschaft bzw. ihrer Vorgängerinstitution, der Hohen Behörde in Luxemburg, die ja die Kontore zugelassen hat. Dennoch stehen wir in engstem Kontakt sowohl mit Brüssel als auch mit Düsseldorf und Kehl.
Dann die Frage 84 von Herrn Dr. Stark:
Wie beurteilt die Bundesregierung die Lage der deutschen Eisen- und Stahlindustrie, die einerseits anläßlich der Verabschiedung des Außenwirtschaftsgesetzes wegen der angeblichen Gesamtbelastung von 800 Millionen DM auf die Gefahr einer Stahlkrise hinwies und andererseits verlauten läßt, daß eine Preissenkung von 95 DM pro Tonne Betonstahl über Rationalisierungsmaßnahmen möglich sei, obgleich diese Preissenkung - bezogen auf die Lieferung aller deutschen Werke - einen Erlösverzicht von 70 Millionen DM bis 80 Millionen DM nur bei diesem Erzeugnis bedeutet?
Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Die deutsche Eisen- und Stahlindustrie wird im Jahre 1968 mit rund 41 Millionen t Rohstahl einen neuen Produktionshöchststand erreichen. Sie hat ursprünglich auch für 1969 eine ähnliche Beschäftigung erwartet.
Der Bundesminister für Wirtschaft erörtert gegenwärtig im Gespräch mit allen Beteiligten, welche Wirkungen das Absicherungsgesetz auf die Lage der Stahlindustrie hat. Im Rahmen dieser Betrachtung sieht die Bundesregierung selbstverständlich auch die Senkung des Betonstahlpreises, die nach Angaben des Walzstahlkontors West ihre Gründe in durchgreifenden Rationalisierungsmaßnahmen in diesem Sektor hat. Angesichts des Ausmaßes der Preissenkung für Betonstahl läßt sich eine gewisse Widersprüchlichkeit zur allgemeinen Lage der Eisen- und Stahlindustrie nicht leugnen.
Keine Zusatzfrage.
Ich rufe die Fragen 85 bis 87 des Herrn Abgeordneten Dr. Enders auf:
Wie wirken sich für das Zonenrandgebiet die Richtlinien aus, nach denen bei der Vergabe öffentlicher Aufträge Personen und Unternehmer aus dem Zonenrandgebiet bevorzugte Berücksichtigung erhalten sollen?
Welche Schlüsse zieht der Bundeswirtschaftsminister aus den Berichten der Vergabestellen über Art und Ausmaß der an Firmen im Zonenrandgebiet erteilten Aufträge?
Welche Firmen im osthessischen Zonenrandgebiet konnten auf Grund der aufgeführten Richtlinien für öffentliche Aufträge bevorzugt berücksichtigt werden?
Herr Staatssekretär, können die Fragen im Zusammenhang beantwortet werden?
Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Ja.
Herr Kollege, an Hand der Meldungen der Bundesressorts beobachtet das Bundeswirtschaftsministerium laufend die Auftragsvergabe in das Zonenrandgebiet. Für 1967 lassen die Zahlen eine recht beträchtliche Auftragsvergabe in dieses Gebiet erkennen. In dieser Zeit wurden Aufträge im Werte von 1,4 Milliarden DM - das sind 8 O/0 des erfaßten Auftragsvolumens - an Unternehmen im Zonenrandgebiet vergeben.
Die Richtlinien wurden im Juni dieses Jahres verbessert. Die Auswirkungen dieser Verbesserungen werden sich jedoch erst nach einer gewissen Anlaufzeit mit Sicherheit feststellen lassen. Die Bundesregierung hat bisher darauf verzichtet, die Auftragsvergabemeldungen regional aufzugliedern. Sie betrachtet das Zonenrandgebiet als Einheit. Dem Bundeswirtschaftsministerium liegen insbesondere keine Unterlagen über Aufträge an einzelne Firmen vor.
Zusatzfrage, Herr Enders.
Herr Staatssekretär, ist schon abzusehen, ob sich durch die Richtlinien zur Vergabe von öffentlichen Aufträgen an Personen oder Betriebe im Zonenrandgebiet die Arbeitslosenzahl oder die Zahl der Fernpendler verringert hat?
Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Das ist das Ziel dieser Richtlinie. Wir können allerdings keine Aussage machen, bevor diese neue Richtlinie nicht eine gewisse Zeit wirksam war. Klagen gibt es bereits von denjenigen, die sich nicht begünstigt fühlen im Gegensatz zu denen, die nun stärker begünstigt werden. Das ist immerhin ein Indiz dafür, daß diese Richtlinie greift.
Noch eine Zusatzfrage, Herr Enders.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen auch bekannt, wie lange bei Firmen im Zonenrandgebiet der Auftragsbestand vorreicht bzw. wie weit er durch die Richtlinie verlängert werden kann?
Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Das ist natürlich nach Branche, Gebiet und Konjunkturlage höchst unterschiedlich. Im Augenblick sind wir jedenfalls mit der Lage im Zonenrandgebiet nicht unzufrieden.
Noch eine Frage, Herr Enders.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß die einzige Autoreifenfabrik im osthessischen Zonenrandgebiet liegt, und sind Sie der Meinung, daß dieser Betrieb bei Lieferungen an Bundeswehr, Bundesgrenzschutz, Bundespost und dergleichen berücksichtigt werden sollte?
Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Herr Kollege Enders, ich bin gern bereit, das zu prüfen.
Herr Borm hat eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ist trotz des Vorhandenseins konkurrierender Präferenzen für die Auftragserteilung nach § 3 Abs. 3 der Vergabe11158
richtlinien vom 19. Juli sichergestellt, daß Bewerber aus dem Zonenrandgebiet auch dann bevorzugt werden, wenn andere Bewerber auftreten, die zu einer gesetzlich bevorzugten Kategorie gehören, etwa nach dem Bundesvertriebenengesetz?
Wenn der Herr Präsident gestattet, würde ich ganz kurz die Bestimmungen vorlesen.
Nein, Herr Abgeordneter, das darf der Präsident in der Fragestunde nicht gestatten.
({0})
Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Herr Kollege Borm, ich bin gern bereit zu prüfen, inwiefern sich Komplikationen bei den verschiedenen Vergabeförderungsrichtlinien ergeben. Ganz sicher ist es so zu interpretieren, daß bei sonst gleichen Umständen, wenn also eine Zonenrand- oder Berlin-Herkunft der Firma vorliegt, die Firma in diesem Rahmen zu bevorzugen ist.
Noch eine Frage, Herr Borm.
Dann darf ich dann unterstellen, daß Ihnen die Wichtigkeit dieser grundsätzlichen Klärrung bewußt ist?
Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Ja. Ich kann Ihnen aber auch sagen, daß dieses Moment, nämlich die Zonenrandherkunft, stärker ist.
Herr Schmidt ({0}) !
Schmidt ({1}) ({2}),: Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß sehr häufig große öffentliche Aufträge aus den Zonenrandgebieten der Zonenrandwirtschaft wegen der zu niedrigen Präferenzsätze verlorengehen?
Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Herr Kollege Schmidt, die Präferenzsätze sind ja nun erhöht worden; in den neuen Richtlinien ist auch gesagt, daß das Angebot eines Bewerbers aus dem Zonenrandgebiet oder aus Berlin geringfügig über dem wirtschaftlichsten Angebot liegen kann. Diese Präferenzen haben allgemeinen Beifall gefunden. Sie waren auf Verlangen der zuständigen Ausschüsse dieses Hauses und der Wirtschaftsministerkonferenz der Länder eingeführt worden. Die Bundesregierung erachtet es für notwendig, über eine gewisse Zeit die Erfahrungen mit dieser Maßnahme abzuwarten.
Noch eine Frage.
Herr Staatssekretär, darf ich Ihrer Antwort entnehmen, daß die Bundesregierung bereit ist, nach einer gewissen Zeit, in der sie genügend Erfahrung gesammelt hat, zu überdenken, ob diese Sätze nicht gegebenenfalls nochmals erhöht werden können?
Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Was Bundesaufträge anbelangt, sind diese Richtlinien wohl bereits von allen Bundesländern übernommen worden. Für die Aufträge der Länder selbst ist das allerdings wohl noch nicht vollständig geschehen. Ich weiß nur, daß es bei den Ländern der Fall ist, die an der Zonengrenze liegen. Bei den anderen ist mir das noch nicht so sicher.
Dann die Fragen 88, 89 und 90 des Herr Abgeordneten Adams:
Teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß das vom Ministerrat der Montanunion im Februar 1967 beschlossene und Ende dieses Jahres auslaufende Kokskohle-Beihilfesystem im Interesse der deutschen Montanwirtschaft zunächst für mindestens zwei weitere Jahre verlängert werden sollte?
Ist damit zu rechnen, daß der Ministerrat der Europäischen Gemeinschaften noch im Dezember 1968 einen entsprechenden Beschluß fassen wird?
Was gedenkt die Bundesregierung zu unternehmen, um die gegen die Verlängerung dieser Beihilfemaßnahmen bestehenden Bedenken anderer EWG-Partnerstaaten auszuräumen?
Die Fragen werden auf seine Bitte schriftlich beantwortet. Die Antwort liegt noch nicht vor. Sie wird nach Eingang im Sitzungsbericht abgedruckt.
Dann die Fragen 73 und 74 des Herrn Abgeordneten Strohmayr:
Hält es die Bundesregierung im Hinblick auf die intensive staatliche Förderung des Bausparwesens für vertretbar, daß die Bausparkassen eine überhöht erscheinende Abschlußgebühr erheben, die in sehr vielen Fällen genauso hoch ist wie die erste staatliche Bausparjahresprämie?
Teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß die Abschlußgebühren in der bisherigen Höhe nicht länger zu vertreten sind?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Herr Kollege Strohmayr, die von den Bausparkassen erhobene Abschlußgebühr beträgt gegenwärtig 1 bis 1,6 % der Bausparsumme. Dieser Prozentsatz kann nach Auffassung der Bundesregierung nicht als überhöht angesehen werden. Zwischen der Abschlußgebühr und der Höhe der Wohnungsbauprämien gibt es keinen sachlichen Zusammenhang; gelegentliche Zahlengleichheiten sind Zufall.
Eine Zusatzfrage, Herr Strohmayr.
Herr Staatssekretär, lassen die doch wohl einheitlichen Gebühren der Bausparkassen auf kartellartige Absprachen der Bausparkassen schließen?
Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Nein.
Zusatzfrage, Herr Strohmayr.
Herr Staatssekretär, ist es richtig, daß die Bausparkassen vorab ihre Unkosten für die abzuschließenden Bausparverträge kassieren, ohne daß sie vorab eine Leistung erbracht haben?
Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Es wird vorab kassiert, aber diese Abschlußgebühr dient zur Deckung der Abschlußkosten, die in sachlichen und personellen Aufwendungen der Bausparkasse für Werbung und für die Bearbeitung des Neugeschäfts bestehen. Der gravierendste Teil dieser Abschlußgebühr entfällt auf die Vermitlungsprovision des Außendienstes.
Die Gebühr entspricht daher den Preisfaktoren, die im Handel und bei den Versicherungen z. B. Bestandteile der Preise oder der Prämien sind, ohne daß sie gesondert ausgewiesen wurden.
Noch eine Frage, Herr Strohmayr.
Herr Staatssekretär, sind Sie mit mir der Auffassung, daß es besser wäre, wenn die Bausparkassen den Bausparer bei Abschluß des Bausparvertrags darauf aufmerksam machten, daß die Gebühr aus der ersten Jahresbausparprämie zu zahlen ist, damit Bausparer nicht in die Versuchung kommen, Bausparverträge um der ersten Prämie willen abzuschließen?
Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Wir werden prüfen, inwieweit das nützlich ist, Herr Kollege Strohmayr.
Eine Zusatzfrage, Herr Rollmann.
Ist Ihnen nicht bekannt, Herr Staatssekretär, daß die Abschlußgebühr auch dann fällig wird, wenn man sich ohne Vermittlung des Außendienstes direkt in die Geschäftsstelle einer Bausparkasse begibt?
Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Das ist mir sehr wohl bekannt, Herr Kollege Rollmann.
Noch eine Frage, Herr Rollmann.
Aber wieso ist dann eine Abschlußgebühr gerechtfertigt, da Sie eben gesagt haben: Sie dient dazu, den Außendienst finanziell zu befriedigen?
Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Weil diese Abschlußgebühr pauschaliert ist.
Eine Zusatzfrage, Herr Moersch.
Herr Staatssekretär, sind Sie nicht der Meinung, daß aus den Fragen der Kollegen zu den Methoden der Bausparkassen hervorgeht, daß sie die Bausparwilligen offensichtlich für ziemlich unmündig halten?
Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Es kann sein, daß diese Vertragsform obsolet geworden ist. Das wird sich aber unmittelbar im Geschäft der Bausparkassen niederschlagen müssen. Das Bundesaufsichtsamt für das Bausparwesen hat jedenfalls bisher diese Praxis nicht beanstandet.
Noch eine Frage.
Herr Staatssekretär, sind Sie mit mir der Meinung, daß die starke Zunahme der Bausparverträge doch offensichtlich darauf schließen läßt, daß viele Menschen mit der jetzigen Praxis durchaus zufrieden sind?
Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Das ist durchaus denkbar.
Damit sind diese Fragen beantwortet. Vielen Dank, Herr Staatssekretär.
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung. Ich rufe die Fragen 95, 96 und 97 des Herrn Abgeordneten Dr. Pohle auf:
Wie steht die Bundesregierung zu der schon seit Jahren geübten und zu laufenden Wettbewerbsverzerrungen führenden Benachteiligung deutscher Montagefirmen in Schweden, die daraus resultiert, daß die nach Schweden entsandten deutschen Monteure ihre Arbeit nur nach Erteilung einer behördlichen Arbeitserlaubnis aufnehmen können, die von den zuständigen Ämtern aber nur mit Zustimmung der schwedischen Gewerkschaften erteilt wird?
Ist der Bundesregierung bekannt, daß die schwedischen Gewerkschaften ihre Zustimmung zur Erteilung der Arbeitsgenehmigung davon abhängig machen, daß die deutschen Monteure unter Nichtberücksichtigung der deutschen Lohnbedingungen den schwedischen, von den dortigen Gewerkschaften diktierten Arbeitsbedingungen unterworfen werden, obwohl die deutschen Arbeitskräfte nur vorübergehend zur Abwicklung von deutschschwedischen Lieferverträgen tätig werden und an einer unbefristeten Niederlassung in Schweden nicht interessiert sind?
Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um die ungleiche Behandlung von deutschen Montagebetrieben in Schweden und schwedischen Firmen bei Arbeiten in der Bundesrepublik Deutschland zu beseitigen?
Diese Fragen werden auf Bitten des Herrn Abgeordneten Dr. Pohle schriftlich beantwortet. Die Antwort des Herrn Staatssekretärs Kattenstroth vom 13. Dezember 1968 lautet:
Die Bundesregierung bemüht sich seit 1963 darum, die schwedische Regierung von ihrer Auffassung abzubringen, daß auch für deutsche Montagearbeiter in Schweden eine Arbeitserlaubnis erforderlich sei. Diese Bemühungen blieben bisher ohne Erfolg. Gleiches gilt von Versuchen, die von der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände in unmittelbarem Kontakt mit schwedischen Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften unternommen worden sind.
Der Bundesregierung ist bekannt, daß die schwedischen Gewerkschaften auf die schwedische Arbeitsbehörde einwirken, für Montagearbeiter ausländischer Staatsangehörigkeit in Schweden eine Arbeitserlaubnis zu verlangen und deren Erteilung von den schwedischen Lohn- und Arbeitsbedingungen abhängig zu machen.
Die Bundesregierung wird sich auch weiterhin mit Nachdruck darum bemühen, bei allen sich bietenden Gelegenheiten die schwedische Arbeitsbehörde zur Aufgabe ihrer restriktiven Praxis zu veranlassen.
Vizepräsident Dr. Mommer
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Gesundheitswesen. Zur Beantwortung ist die Frau Bundesminister erschienen.
Ich rufe zunächst die Fragen 103 und 104 des
Herrn Abgeordneten Dr. Häfele auf:
Ist der Bundesregierung die Tätigkeit des von Zahnarzt Dr. Johannes G. Schnitzler geleiteten „Arbeitskreises Gesundheitskunde e. V." in Mönchweiler ({0}) bekannt, der sich zum Ziele setzt, Zahnerkrankungen durch Beseitigung von Ernährungsfehlern zu verhindern?
Ist die Bundesregierung bereit, die praktischen Erfahrungen des Arbeitskreises in der „Aktion Mönchweiler" aufzugreifen und durch eine bundesweite Aufklärungsaktion zu verbreiten?
Diese Fragen werden auf Bitten des Herrn Abgeordneten Dr. Häfele schriftlich beantwortet. Die Antwort des Bundesministers Frau Strobel vom 13. Dezember 1968 lautet:
Der Bundesregierung ist die Arbeit des Zahnarztes Dr. Schnitzler und des von ihm geleiteten Arbeitskreises Gesundheitskunde bekannt.
Die Bundesregierung betrachtet die Aufklärung über gesunde Ernährung als einen Schwerpunkt der gesundheitlichen Aufklärung überhaupt.
In enger Zusammenarbeit und durch finanzielle Förderung der Deutschen Gesellschaft für Ernährung ist die Bundesregierung auch über die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung um eine auf gesichertem Wissen beruhende Information über Zusammenhänge zwischen Ernährung und Gesundheit bemüht. Die vom Arbeitskreis Gesundheitskunde angeregte große Aufklärungsaktion speziell über seine Erfahrungen und Schlußfolgerungen aus der „Aktion Mönchweiler" überschreitet die Möglichkeiten des Gesundheitsministeriums.
In einem von mir in Kürze vorgesehenen Symposion über Fragen der Kariesbekämpfung durch Fluor wird auch der Arbeitskreis Gesundheitskunde Gelegenheit haben, seine Auffassung über in Kariesprophylaxe zu vertreten.
Ich rufe nunmehr die Fragen 105, 106 und 107 des Herrn Abgeordneten Dr. Tamblé auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß sich eine erhebliche Beeinträchtigung der Arbeitskapazität der von der öffentlichen Hand unterhaltenen Krankenanstalten abzeichnet, wenn Assistenzärzten, die zum Grundwehrdienst einberufen werden, nach § 1 Abs. 2 des Arbeitsplatzschutzgesetzes in der Fassung vom 21. Mai 1968 das Arbeitsentgelt weitergezahlt werden muß und auf Grund der schlechten Finanzlage der Krankenhäuser Ärzte als Vertretung für die zum Wehrdienst Einberufenen nicht eingestellt werden können?
Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, die für einen Vertreter des zum Wehrdienst einberufenen Arztes anfallenden Personalkosten zu übernehmen, um die Sicherstellung der stationären ärztlichen Versorgung der Bevölkerung zu gewährleisten?
Ist der Bundesregierung bekannt, daß Arbeitgeber der öffentlichen Hand dazu übergegangen sind, Ärzte, die nach Ableistung der Medizinalassistentenzeit und Erhalt der Bestallung eine Tätigkeit als Assistenzarzt aufnehmen wollen, entweder gar nicht einstellen oder mit ihnen unzumutbare kurzfristige Arbeitsverträge abschließen, sofern diese Ärzte keinen Nachweis über abgeleisteten Grundwehrdienst oder Befreiung hiervon beibringen können?
Die Fragen werden im Einvernehmen mit dem Fragesteller schriftlich beantwortet. Die Antwort des Bundesministers Frau Strobel vom 13. Dezember 1968 lautet:
Der Bundesregierung ist bekannt, daß die angespannte Personalsituation in den von der öffentlichen Hand unterhaltenen Krankenhäusern durch Einberufung von Assistenzärzten zum Wehrdienst noch schwieriger werden kann. Es ist richtig, daß das gemäß § 1 Abs. 2 des Arbeitsplatzschutzgesetzes zu zahlende Arbeitsentgelt vom Krankenhaus selbst bzw. von der öffentlichen Verwaltung, die das Krankenhaus trägt, zu zahlen ist und daß ein Vertreter des einberufenen Arztes nur eingestellt werden kann, wenn Mittel dafür bereitgestellt werden. Insoweit befinden sich aber die öffentlichen Träger von Krankenanstalten in der gleichen Lage wie die öffentliche Verwaltung überhaupt, da die Frage der Vertretung von Wehrdienstpflichtigen am Arbeitsplatz alle Berufe und Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst, also nicht nur Ärzte, betrifft.
Da die tiefere Ursache für die Schwierigkeiten der Krankenhäuser auch auf diesem Gebiete in ihrer schlechten wirtschaftlichen Lage begründet ist, kann eine Lösung der von Ihnen geschilderten Schwierigkeiten auf die Dauer nur durch eine wesentliche Verbesserung der finanziellen Lage der Krankenhäuser gefunden werden.
Es ist nicht möglich, diese Kosten speziell zu übernehmen. Diese und andere wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Krankenhäuser haben mich veranlaßt, eine Neuordnung der Krankenhausfinanzierung anzustreben.
Der Bundesregierung sind einzelne solcher Fälle bekannt geworden. Nach § 1 Abs. 4 des Arbeitsplatzschutzgesetzes wird ein befristetes Arbeitsverhältnis durch Einberufung zum Grundwehrdienst oder zu einer Wehrübung nicht verlängert; das gleiche gilt, wenn ein Arbeitsverhältnis aus anderen Gründen während des Wehrdienstes endet. Die Bundesregierung hält es nicht für vertretbar, daß befristete Arbeitsverhältnisse zur Umgehung der Verpflichtung nach § 1 Abs. 2 des Arbeitsplatzschutzgesetzes abgeschlossen werden.
Ich rufe die Frage 108 des Herrn Abgeordneten Peiter auf. Ist Herr Peiter im Saal? - Er ist nicht im Saal. Dann wird die Frage schriftlich beantwortet.
Vielen Dank, Frau Minister! Sie brauchten das Wort nicht zu ergreifen.
Ich komme dann zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Familie und Jugend. Ich rufe zunächst die Fragen 98 und 99 des Herrn Abgeordneten Dr. Meinecke auf:
Ist der Bundesregierung das Memorandum des Deutschen Studentenwerkes vom 28. Oktober 1968 bekannt, in dem die Auffassung vertreten wird, daß das Studentische Arbeitsprogramm im Bundesjugendplan verbleiben könne, weil es keine örtlichen oder regionalen, sondern überregionale Bestrebungen fördert und somit nicht im Gegensatz zum Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zum Gesetz für Jugendwohlfahrt vom 18. Juli 1967 steht?
Ist die Bundesregierung bereit, sich der Auffassung anzuschließen, daß das Studentische Arbeitsprogramm als Maßnahme der Jugendpflege nach § 25 Abs. 1 des Gesetzes für Jugendwohlfahrt auf Grund des Urteils des Bundesverfassungsgerichtes vom 18. Juli 1967 auch weiterhin aus Mitteln des Bundesjugendplanes gefördert werden kann?
Zur Beantwortung ist der Herr Staatssekretär erschienen. Bitte, Herr Staatssekretär!
Herr Abgeordneter, ich möchte Ihre Frage wie folgt beantworten. Der Bundesregierung ist das Memorandum des Deutschen Studentenwerks zur Lage des Studentischen Jugendarbeitsprogramms bekannt. Der Bundesregierung ist natürlich auch die darin vertretene Rechtsauffassung bekannt.
Sie kann diese Auffassung allerdings nicht teilen. Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 18. Juli 1967 zum Gesetz für Jugendwohlfahrt - und hier darf ich den Satz zitieren - „kann sich die Zuständigkeit des Bundes auf die Förderung regionaler oder örtlicher Bestrebungen keinesfalls erstrecken" . Der Bundesregierung ist es daher nicht möglich, ein Programm zu fördern, dessen Träger ausschließlich regionale Stellen, nämlich in der Regel die örtlichen Studentenwerke sind. Diese vergeben Stipendien an einzelne Studenten, die bei örtlichen Maßnahmen im Bereich der Jugendarbeit eingesetzt werden. Es mag zwar richtig sein, daß die Gesamtaktion als solche über den regionalen Bereich hinausgeht. Dies allein aber ändert nichts an der rechtlichen Würdigung und trifft im übrigen auch für zahlreiche andere regionale Programme zu. Nur soweit Grenzfälle vorliegen, ist ein befristeter Aufschub der endgültigen Entscheidung von der Sache her vertretbar und notwendig. Wo indessen der Sachverhalt so eindeutig wie im vorliegenden Fall zu bestimmen ist, kann der Vorstellung des Studentenwerks nicht gefolgt werden.
Zu einer Zusatzfrage Herr Meinecke.
Herr Staatssekretär ist Ihnen und der Bundesregierung die Meinungsäußerung von Professor Schelsky bekannt, der die studentischen Aktionen als die idealistischen und zugleich konkretistischen Impulse bezeichnet, die in dieser Generation leben und in außerordentlich glücklicher Weise zum Ausdruck gebracht werden? Ist Ihnen bekannt, daß der theoretischen Darlegung dieses Jugendarbeitsprogramms ein Modellcharakter für weitere Einrichtungen zugebilligt wird, und ist Ihnen bekannt, daß die Bundesregierung auf anderen Gebieten ja auch geneigt ist, Einrichtungen von Modellcharakter mitzufinanzieren?
Herr Abgeordneter, das ist der Bundesregierung bekannt. Die Bundesregierung kennt auch die von Professor Schelsky vertretene Auffassung und hält sie im Prinzip für richtig. Nur ändert das nichts an der Tatsache, daß eine Förderung als eine zentrale Maßnahme nicht möglich ist.
Was Ihren Hinweis auf den Modellcharakter betrifft, so Ist das einer der Gründe gewesen, weshalb diese Aktion überhaupt am Anfang von der Bundesregierung gefördert worden ist. Aber Ihnen ist sicher auch bekannt, daß ein Modellcharakter nicht langfristig bestehen kann.
Noch eine Frage, Herr Meinecke!
Herr Staatssekretär, ist Ihnen neben der Begründung, die Sie aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zitiert haben, die Begründung auf Seite 37 bekannt? Dort heißt es:
Die Vorschrift des § 25 Abs. 1 des Jugendwohlfahrtsgesetzes ermächtigt die Bundesregierung, die Bestrebungen auf dem Gebiete der Jugendhilfe anzuregen und zu fördern, soweit sie über die Verpflichtung der Jugendämter, Landesjugendämter und obersten Landesbehörden hinaus zur Verwirklichung der Aufgaben der Jugendhilfe von Bedeutung sind.
Die Landesbehörden haben die Bedeutung, so wie das hier zutrifft, offenbar nicht erkannt.
Herr Abgeordneter, ich glaube, Ihre Auffassung trifft nicht ganz zu. Es gab bei den Besprechungen mit den Ländern über eine gewisse Aufteilung und Abgrenzung der Förderungsbereiche keinen Bereich, in dem so einmütig wie in diesem Fall die Auffassung vertreten worden ist, daß es keine Aufgabe des Bundes sein könne, das Studentische Arbeitsprogramm weiter zu fördern. Die Länder haben das also ohne jede Einschränkung eingesehen. Deswegen war und ist die Bundesregierung bis zum heutigen Tag der Auffassung, daß die Länder aus dieser Einsicht auch die notwendigen Konsequenzen ziehen werden.
Zu einer Zusatzfrage Herr Westphal.
Herr Staatssekretär, da Sie aber im Bundesjugendplan und in seiner Unterteilung für das Studentische Arbeitsprogramm von den 770 000 DM doch noch 280 000 DM übriggelassen haben, muß ich Sie fragen: Hat es denn nach Ihrer Meinung und bei Ihrer Auslegung des Verfassungsgerichtsurteils in dieser Frage überhaupt einen Sinn, zentrale Maßnahmen, also Kurse, die Ausbildung von Leitern für das Studentische Arbeitsprogramm, auf der Ebene des Bundes zu fördern, wenn unten auf der Ebene der Länder, wo nach Ihrer Meinung die regionalen und örtlichen Maßnahmen dieses Programms durchgeführt werden sollen, gar keine Stipendien gegeben werden, so daß das Programm ohnehin nicht ausgefüllt werden könnte?
Herr Abgeordneter, ich glaube, Ihre Annahme, daß von den Ländern keine Stipendien gegeben werden, trifft nicht zu. Außerdem muß ich darauf hinweisen, daß der noch vorgesehene Betrag von 280 000 DM ja nicht nur für zentrale Maßnahmen gedacht ist, sondern auch eingestellt worden ist, um unvertretbare Härten, die sich aus einer Übergangszeit ergeben können, aufzufangen und die Verhältnisse in Ordnung zu bringen.
Noch eine Frage, Herr Westphal.
Muß ich daraus schließen, daß Sie das, was sich aus dem Verfassungsgerichtsurteil ergibt, und seine für Sie darin enthaltene Weisung tröpfchenweise durchführen wollen?
Wir wollen sie in dem vorgesehenen Umfang durchführen. Wir können aber nicht einer Auffassung folgen, die etwa dahin geht: Wenn trotz klarer Rechtslage die Länder in bestimmte Verpflichtungen nach dem Jugendwohlfahrtsgesetz nicht eintreten sollten, hat automatisch der Bund für den Ausfall einzutreten.
Die Frage 99 ist damit auch schon beantwortet. Sie haben nun noch zwei Zusatzfragen.
Herr Staatssekretär, da es offenbar ist, daß es sich um eine verschiedenartige Auslegung eines Gerichtsurteils handelt und wir das hier juristisch nicht auslegen können, möchte ich Sie fragen: Ist die Bundesregierung wenigstens bereit, hinsichtlich der Auslegung dieses Urteils bezüglich dieser Maßnahme noch einmal ein unabhängiges Sachverständigengutachten einzuholen und ihre eigene juristische Stellungnahme zu überprüfen?
Herr Abgeordneter, ich glaube, das ist nicht notwendig, weil in der Auslegung des Urteils zu diesem Punkt keine Meinungsverschiedenheiten zwischen Bund und Ländern bestehen.
Noch eine Frage, Herr Meinecke.
Herr Staatssekretär, wenn keine Meinungsverschiedenheiten zwischen Bund und Ländern bestehen und Sie die Bedeutung von Modelleinrichtungen hier zugegeben haben, ist es doch unverständlich, daß einige Länder das Programm nicht fortführen wollen.
Gewiß ist das unverständlich, Herr Abgeordneter. Dennoch besteht auch mit den Ländern, die diese Programme nicht fortsetzen und nicht übernehmen wollen, Einvernehmen darüber, daß es sich um kein Programm handelt, das aus dem Bundesjugendplan gefördert werden kann.
Keine Zusatzfragen mehr. Die Fragen 100 bis 102 des Herrn Abgeordneten Westphal können wohl auch im Zusammenhang beantwortet werden:
Kann sich die Bundesregierung der Auffassung anschließen, daß diejenigen Teile von Förderungsprogrammen des Bundesjugendplanes, die als örtliche oder regionale Aufgaben angesehen werden und abtrennbar von den Gesamtprogrammen sind, erst im Zuge der Durchführung des Finanzausgleichs ({0}) an die Länder abgegeben werden sollen?
Wäre Einvernehmen mit den Ländern über eine Regelung im Sinne der Auffassung, wie sie aus Frage 100 hervorgeht, möglich und zu erreichen?
Welche Konsequenzen finanzieller Art müßten für 1969 im Bundesjugendplan gezogen werden, wenn die Bundesregierung mit den Ländern eine Vereinbarung im Sinne der Frage 100 erzielen würde?
Herr Abgeordneter, Sie wissen, daß die Bundesregierung verpflichtet ist, bei der Abgrenzung der Förderungsmaßnahmen des Bundesjugendplanes von denen der Länder die durch das Jugendwohlfahrtsgesetz vorgezeichnete Aufgabenteilung zu beachten. Grundsätzlich ist daher die Wahrnehmung örtlicher und regionaler Aufgaben Sache der Länder und der Kommunen. Das Bundesverfassungsgericht hat mit dem bekannten Urteil, auf das ich auch in diesem Zusammenhang verweisen muß, diese Aufgabenteilung zugleich bestätigt und näher präzisiert.
Ein zwingender zeitlicher und sachlicher Zusammenhang zwischen der Durchführung des Finanzausgleichs und der durch die geltende Rechtslage gebotenen Abgabe von Förderungsmaßnahmen mit örtlichem und regionalem Charakter besteht nach Auffassung der Bundesregierung nicht. Die Bundesregierung hat jedoch, um empfindliche Störungen in der Jugendarbeit zu vermeiden, davon abgesehen, schon für das Jahr 1969 dem Parlament strukturelle Änderungen des Bundesjugendplanes vorzuschlagen.
Ihnen, Herr Abgeordneter, ist sicher bekannt, daß das Bundesministerium für Familie und Jugend die Länder und die freien Träger schon sehr frühzeitig entsprechend unterrichtet hat.
Die Bundesregierung sieht es aber als unerläßlich an, die Überprüfung und Korrektur des Bundesjugendplanes unter dem Gesichtspunkt einer verfassungskonformen und mit dem Jugendwohlfahrtsgesetz zu vereinbarenden Aufgabenteilung alsbald in Angriff zu nehmen. Sie hält es für erforderlich, die notwendigen Folgerungen daraus so weit wie möglich schon zum 1. Januar 1970 zu ziehen. Sie geht dabei von der Erwartung aus, daß die Ergebnisse der Finanzreform in die Überlegungen einbezogen werden können.
Eine Zusatzfrage, Herr Westphal.
Herr Staatssekretär, welche Förderungsprogramme des Bundesjugendplanes neben den bei dieser Rechtsauslegung schon betroffenen Programmen - Erzieher in Jugendwohnheimen,
studentisches Arbeitsprogramm und politische Bildung - werden nach Ihrer Meinung von dieser Auslegung des Verfassungsgerichtsurteils noch betroffen sein, und für welche regionalen und örtlichen Dinge wird die Zuständigkeit des Bundes abgegeben werden müssen?
Herr Abgeordneter, Sie wissen, daß diese Frage im einzelnen schwer zu beantworten ist. Die Bundesregierung will sie auch nur beantworten, nachdem Einvernehmen mit den Ländern und möglichst auch mit den freien Trägern erzielt worden ist. Deswegen kann ich Ihre Frage im einzelnen heute noch nicht beantworten.
Noch eine Frage, Herr Westphal.
Ich möchte dennoch die Frage an dieser Stelle konkreter stellen, Herr Staatssekretär: Wollen Sie auch die Förderung örtlicher und regionaler Veranstaltungen von Jugendgemeinschaften im Rahmen der internationalen Jugendbegegnungen - hier werden doch lebendige Jugendliche aus dem Bundesjugendplan gefördert - streichen?
Herr Abgeordneter, möglichst nicht.
Noch eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Westphal.
Ich möchte dann fragen: Ist die Bundesregierung bisher nicht ieigentlich bei der Auslegung und Verwirklichung dessen, was das Verfassungsgerichtsurteil gebracht hat, inkonsequent vorgegangen, indem sie sozusagen jedes Jahr einen
Teil der Folgedinge dieses Urteils in Kraft gesetzt hat?
Herr Abgeordneter, Sie können mit Recht von einer gewissen Inkonsequenz sprechen. Aber diese Inkonsequenz, soweit sie vorliegt, ist allein darauf zurückzuführen, daß die Bundesregierung der Auffassung ist, es müßten Übergangslösungen gefunden werden, damit die Arbeit insgesamt an keiner Stelle durch diese :strukturellen Veränderungen notleidend wird.
Darf ich mich nun noch einmal nach der Größenordnung in D-Mark erkundigen, die es im Rahmen des Bundesjugendplanes kosten würde, wenn man dies eben nicht tröpfchenweise gemacht hätte und machen würde, sondern im Jahre 1970 im Zuge der Finanzreform und der damit verbundenen Flurbereinigung ein wirkliches Abgeben dieser Programmteile des Bundesjugendplanes an die Länder vornähme?
Herr Abgeordneter, ich kann diese Frage nur mit einer sehr groben Schätzung beantworten. Wahrscheinlich würde es sich um einen Betrag von etwa 10 bis 15 Millionen DM gehandelt haben.
Herr Meinecke, eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, geben Sie denn nun abschließend wenigstens zu, daß- dies in bezug auf eine Politik, die sich bemühen sollte - und die der Bundestag ja immer wieder praktiziert hat -, die aktiven und positiv gesonnenen Kräfte in der Studentenschaft anzuregen und zu fördern, politisch gesehen ein Fehlschlag ist?
Herr Abgeordneter, dieser Auffassung vermag sich die Bundesregierung nicht anzuschließen. Es kann nicht von einem Fehlschlag gesprochen werden. Die Bundesregierung wird sich weiterhin bemühen, auf die Länder, die die Programme nicht übernommen haben, dahin einzuwirken, sie zu übernehmen und fortzusetzen. Auch die Bundesregierung teilt die Auffassung, daß es sich dabei um ein sehr wertvolles Programm handelt.
Keine Zusatzfrage mehr. Vielen Dank für die Beantwortung der Fragen.
Wir sind am Ende der Fragestunde. Die nicht mündlich beantworteten Fragen werden schriftlich beantwortet.
Meine Damen und Herren, zunächst eine kleine Übersicht über die Geschäftslage.
Wir werden zuerst die zweite und die dritte Beratung des Textilkennzeichnungsgesetzes - ohne Debatte - vornehmen.
Der Punkt 23 - Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bundesministergesetzes - wird einvernehmlich abgesetzt.
({0})
- Wird abgesetzt; das ist so beschlossen.
Dann haben wir die Punkte 24 und 25 betreffend Verbrechensbekämpfung und Bundeskriminalamt - dazu wird debattiert werden - und zwei zweite und dritte Beratungen, die wir zusätzlich auf die Tagesordnung gesetzt haben; auch ohne Debatte.
Ich nehme an, daß uns die Punkte 24 und 25 länger beschäftigen werden, und sage das, was ich am Freitagmorgen zu sagen pflege; man sollte sich möglichst präzise ausdrücken und kurz fassen.
Ich rufe den Punkt 13 auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Textilkennzeichnungsgesetzes
- Drucksache V/2865 Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Mittelstandsfragen ({1})
- Drucksachen V/3604, zu V/3604 - Berichterstatter: Abgeordneter Lenders ({2})
Wir treten in die zweite Beratung ein.
({3})
- Das ist zumindest von hier aus nicht gesagt worden, daß es abgesetzt war.
({4})
- Wir wollen darüber nicht streiten. Wir waren jetzt in die zweite Beratung eingetreten. Bestehen ernsten Bedenken dagegen, daß wir diese Beratung schnell vornehmen? - Es bestehen keine Bedenken.
Ich rufe auf § 1. - Verzeihung! Ich sehe, daß ein Änderungsantrag vorliegt; der könnte Grund zu der Absetzung sein. Verstehe ich das recht? - Wer ist sachverständig? - Niemand der Anwesenden ist zu diesem Gesetz sachverständig? - Dann ist es sicher richtig, wenn wir die zweite Beratung hier abbrechen und sie in einer der nächsten Sitzungen erneut aufrufen.
Ich rufe dann den Punkt 24 der Tagesordnung auf:
Beratung des Antrags der Abgeordneten Dorn, Frau Dr. Diemer-Nicolaus, Busse ({5}), Moersch und der Fraktion der FDP betr. wirksame einheitliche Verbrechensbekämpfung
- Drucksache V/3445 - Zur Begründung des Antrags hat das Wort - ({6})
Vizepräsident Dr. Mommer
- Das können wir ja nachher in der Aussprache tun. Wir verbinden die Aussprache über beide Punkte, aber die Begründungen können getrennt erfolgen.
({7})
- Die können wir verbinden; dagegen bestehen keine Bedenken.
Zur Begründung des Antrags der FDP hat der Abgeordnete Dorn das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zwei Kriterien müssen im Mittelpunkt einer bundeseinheitlichen Verbrechensbekämpfung berücksichtigt werden. Erstens ist es notwendig, ein einsatzfähiges, umfassend weisungsbefugtes Bundeskriminalamt aufzubauen und die Bundeskompetenz dafür zu schaffen. Zweitens ist es notwendig, eine weitgehende Entlastung der örtlichen Polizei, insbesondere der Kriminalpolizeibediensteten, von Bagatelldelikten zu erreichen, um dadurch eine verstärkte vorbeugende Verbrechensbekämpfung insgesamt zu erreichen.
Wir Freien Demokraten fordern daher den Bundesinnenminister auf, er möge versuchen, so schnell wie möglich seinen ganzen Einsatz dahin zu lenken, auf diesem Gebiet eine Bundeskompetenz grundgesetzlich vorbereiten zu helfen, die eine zentrale Verbrechensbekämpfung mit allen modernen Mitteln und auf Grund der heutigen Erkenntnisse der Kriminologie ermöglicht.
Ich darf an dieser Stelle die Frage wiederholen, die mein Parteifreund Dr. Reinhold Maier, der frühere baden-württembergische Ministerpräsident, dem früheren Bundesinnenminister Lücke gestellt hat: „Was haben Sie für die Sicherheit der Bürger, für die Sie als Innenminister verantwortlich sind, und für eine bundeseinheitliche Verbrechensbekämpfung getan?" - Der damalige Innenminister hat sich mit Unzuständigkeiten entschuldigt. Diese Ausrede glaubt die Bundesregierung aber offenbar heute selber nicht mehr aufrechterhalten zu können. Denn immerhin hat der Bundeskanzler in seinem Bericht über die Lage der Nation im geteilten Deutschland am 11. März 1968 wörtlich erklärt:
Der Föderalismus steht, darüber soll sich niemand täuschen, vor einer ... Bewährungsprobe. Wir alle müssen wissen, wenn wir auf irgendeinem Gebiet versagen, daß die Geschichte niemandem ... die Entschuldigung abnehmen wird, ihm habe die Kompetenz gefehlt.
Auf dem Gebiet der Verbrechensbekämpfung liegt ohne Zweifel in vielen Bereichen auch ein politisches Versagen vor. Dabei gehe ich davon aus, daß den Kriminalbeamten kein Vorwurf daraus gemacht werden kann. Denn zu der ungenügenden personellen und materiellen Ausstattung der Kriminalpolizei kommen eine mangelhafte Gesamtorganisation und ein äußerst schwerfälliger Instanzenweg. Daher haben wir in der Vergangenheit oft genug erlebt, daß die Kriminalpolizei in vielen Dingen aus rein verfahrensrechtlichen Gründen nicht in der Lage war, die bestmögliche Leistung zu erbringen.
Hinzu kommt, daß die einzelnen Bundesländer ihre Polizeihoheit auch noch unterschiedlich ausüben und in den Ländern selbst teilweise staatliche und kommunale Polizeibehörden nebeneinander arbeiten.
Ich will gar nicht bestreiten, daß sich die Dienststellen die größte Mühe um eine gute Zusammenarbeit geben. Damit können aber der Zuständigkeitswirrwarr und die fehlenden Kompetenzen nicht überbrückt werden.
Während sich die Verbrecher der modernsten technischen Methoden bedienen und außerdem ohne Visum und Grenzkontrolle durch halb Europa reisen können, muß die Kriminalpolizei, sobald die Spuren über die eigenen Zuständigkeitsgrenzen - seien sie kommunal- oder landespolitisch bedingt - hinausgehen, entsprechende Genehmigungen einholen, um einen Fall weiterverfolgen zu dürfen. Es gab in den letzten Jahren eine Fülle von Einzelbeispielen dafür, daß sich allein durch diesen Zuständigkeitswirrwarr manche Verbrecher monatelang zwischen den Grenzen bewegen konnten und weitere Delikte ausübten. Wenn sich unser Staat und unsere Politik auf die Wohlstandskriminalität noch nicht eingestellt haben, so wäre es unfair, der Kriminalpolizei in der Bundesrepublik daraus einen Vorwurf zu machen. Wir müssen erkennen, daß die Aufklärungsquote von Verbrechen ständig zurückgegangen ist: 1963 waren es noch 55,5 Prozent, 1966 sind es nur noch 53 Prozent.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, es kommt jetzt darauf an, darauf zu dringen, eine Lösung zu finden und die Verfolgung vergleichsweise kleiner Delikte wie falsches Parken, Geschwindigkeitsüberschreiten und dergleichen dem zentralen Einsatz der vorbeugenden Verbrechensbekämpfung unterzuordnen. Ich bin daher der Meinung, daß es dringend erforderlich ist, die Kriminalpolizei von der Verfolgung von Bagatelldelikten zu entlasten. Es ist deshalb auch erforderlich, daß sich die Behörden in erster Linie auf die wesentlichen Aufgaben ihrer Tätigkeit konzentrieren können. Es sollte daher eine Novellierung des Bundeskriminalamtgesetzes vom 8. März 1961 erfolgen, um auf diese Weise ebenfalls eine Verbesserung der Verbrechensbekämpfung zu erreichen.
Die Bundestagsfraktion der Freien Demokraten hat den Antrag, über den wir heute diskutieren, im Oktober 1968 eingebracht. Die Bundesregierung wird auch in dem Bericht des Kollegen Hübner aufgefordert, entsprechende Maßnahmen zu ergreifen. - Ich darf dem Kollegen Hübner an dieser Stelle ein persönliches Wort sagen. Herr Hübner, wir freuen uns darüber, daß Sie das Amt des Polizeipräsidenten von Berlin angenommen haben. Wir wünschen Ihnen für dieses Amt Erfolg; denn Sie können diesen Erfolg im Interesse der Bürger dieser Stadt dringend brauchen.
({0})
Auf der anderen Seite bedauern wir, einen so fachkundigen Kollegen im Innenausschuß zu verlieren. Aber ich glaube, Sie selbst werden am besten wissen, warum Sie sich für die Annahme dieses Amtes entschieden haben.
Meine Damen und Herren, die Bundesregierung soll also auch nach dem Entwurf des Berichterstatters, des Kollegen Hübner, aufgefordert werden, einen Gesetzentwurf zur bundeseinheitlichen Verbrechensbekämpfung vorzulegen. Die Kriterien, die in dem Gesetzentwurf, der später erstellt werden muß, nach unserer Auffassung berücksichtigt werden sollten ({1})
- Ich habe das leider akustisch nicht verstanden, Herr Kollege Moersch.
({2})
Die Sicherstellung einer zentralen und wirkungsvollen Fahndung nach Personen, die einer Straftat verdächtig sind, ist der Punkt 1 unseres Antrags. Hier muß man, glaube ich, doch erkennen, daß uns die Erfahrungen, die in anderen Staaten, z. B. in den Vereinigten Staaten von Amerika, gesammelt worden sind, eine Fülle von Anregungen geben. Wir können durchaus noch vieles zu den Einzelproblemen lernen, nicht nur was den Einsatz von Computern, sondern auch was die Frage eines Ausbaus des Polizeibildfunknetzes und ähnliche Dinge mehr angeht.
Daß das erfolgreicher sein kann als das bisherige Verfahren der kriminalpolizeilichen Arbeit, hat sich doch auch in einem Punkt sehr deutlich gezeigt. Wenn wir uns einmal die Erfahrungen mit der Fernsehsendung „Aktenzeichen: XY ... ungelöst" ansehen, müssen wir doch feststellen, daß der Erfolg auf Grund besserer Information der Öffentlichkeit sowie durch den Appell an die Öffentlichkeit, sich in besonderem Maße für die Regelung bestimmter Fragen einzusetzen, eigentlich für eine solche Aktion gesprochen hat. Ich will nicht verkennen, daß durch die Aufrufe eine Fülle von Mehrarbeit auf die einzelnen Polizeidienststellen zugekommen ist. Aber es ist auch festzustellen, daß Verbrecher, die immerhin monatelang, zum Teil jahrelang, gesucht wurden, durch eine solche Aktion dingfest gemacht werden konnten.
Das zweite Problem, das wir in unserem Antrag anschneiden, ist, eine rationelle und optimal koordinierte Ermittlungstätigkeit aller im Bereich der Verbrechensbekämpfung tätigen Behörden zu erreichen. Hier werden wir nicht an der Feststellung vorbeikommen, daß sich die föderalistischen Prinzipien, die in unserem Staat auch ihre Vorteile haben können, auf diesem Sektor in der Vergangenheit eindeutig als Hemmschuh erwiesen haben. Wir werden die gesetzlichen Bestimmungen so ändern müssen, daß wir die Möglichkeit zu einer wirklich durchgehenden Verbrechensbekämpfung und Verbrecherverfolgung über die Landesgrenzen unseres Bundesstaates hinweg erhalten, damit nicht der Fahrer eines Polizeieinsatzwagens an der Grenze von
Rheinland-Pfalz die Verfolgung einstellt, weil seine Zuständigkeit hier aufhört.
({3})
- Sehr verehrter Herr Kollege, viele Absichten sind bisher geäußert worden, aber leider sind bisher nur wenige Schritte unternommen worden, um zu einer effektiveren Verfolgung dieser Dinge zu kommen. Sonst würden wir uns heute nicht so ausführlich mit diesem Thema befassen müssen.
Ich glaube, auch der dritte Punkt unseres Antrags muß in diesem Zusammenhang positiv bewertet werden: die Versorgung der Strafverfolgungsorgane mit allen zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben erforderlichen wissenschaftlichen und technischen Einrichtungen, welche Sicherheit, Schnelligkeit und Erfolg ihrer Arbeit gewährleisten und zur Auswertung der so gewonnenen Ergebnisse notwendig sind. Der Aufbau einer Kriminaldatenbank, die Frage einer zentralen Verbrechens- und Verbrecherkartei und ähnliche Dinge werden ja schon seit Monaten, eigentlich schon seit fast drei Jahren in der Bundesrepublik in einzelnen Ländern mit unterschiedlichem Engagement diskutiert. Der Aufbau nimmt eine gewisse Zeit in Anspruch - das wollen wir gar nicht bestreiten -, nur ist nach unserer Meinung bisher zu wenig getan worden, um diesen Aufbau so voranzutreiben, wie es den . Erfordernissen nach notwendig gewesen wäre.
({4})
- Natürlich muß man mehr Geld hineinstecken; da bin ich mit Ihnen einer Meinung. Wir meinen, daß diese Geldanlage in höchstem Maße investitionsintensiv ist, im Gegensatz zu anderen Maßnahmen, die man bisher ergriffen hat 'und die ohne Zweifel nicht den gewünschten Erfolg gehabt haben. Deswegen muß man hier eben zu neuen Überlegungen
bereit sein und neue Initiativen ergreifen.
Meine Damen und Herren, wir sollten an dieser Stelle auch ein Wort zu den Problemen der Polizei, die in vielen Fällen in der Diskussion aufgetaucht sind, vortragen, z. B. auch zu der Frage der Auseinandersetzung um die Bewaffnung der Polizei. Wir haben uns in diesem Hause ja mehrfach über die Frage des Kombattantenstatus unterhalten. Wenn wir die Diskussionen und die Ergebnisse der Innenministerkonferenz der Länder in den letzten Jahren verfolgen, sehen wir doch deutlich, daß es zu diesem Thema in den einzelnen Ländern, nicht nur in der parteipolitischen Beurteilung der Innenminister, die zuständig sind, sondern auch in den Kabinetten der einzelnen Länder, sehr unterschiedliche Auffassungen gibt.
Ich will hier nicht näher auf die einzelnen Vorschläge eingehen. Der Hamburger Innensenator Ruhnau auf der einen Seite hat bei dem Hearing in bezug auf die Frage des Einsatzes der Bundeswehr im Fall des inneren Notstandes vorgetragen, daß die Begrenzung des Polizeiwaffeneinsatzes in Hamburg an besondere Bestimmungen und Entscheidungen gebunden ist. In anderen Ländern - ich erinnere an das, was der rheinland-pfälzische Innen11166
minister oder der schleswig-holsteinische Innenminister vorgetragen haben - werden die Bestimmungen über den Einsatz der Waffen weit extensiver ausgelegt, als Herr Senator Ruhnau das tat. Ich glaube, wir müssen ganz nüchtern erkennen, daß sich aus den von den Regierungsparteien im Rahmen der Notstandsgesetzgebung beschlossenen besonderen Maßnahmen, nach denen in Zeiten des Notstandes auch die Bundeswehr im Inneren eingesetzt werden kann, logischerweise auch Konsequenzen für den Einsatz der Polizei mit größeren Waffen als den Schußwaffen, die ihr jetzt zur Verfügung stehen, ergeben. Wir meinen, daß die Ausbildung der Polizei an Granatwerfern und auch die Übungen mit scharfen Handgranaten auf den Truppenübungsplätzen in Zukunft nicht mehr Bestandteil des Ausbildungsprogramms der Polizei sein sollten. Wir meinen, daß die Polizeiausbildung sich mehr auf die tatsächliche Verbrechensbekämpfung in unserem Staate konzentrieren sollte. Ich glaube, daß diese Diskussion hier für die Zukunft anders verlaufen wird, als das bisher der Fall geweseen ist.
Es mag dem einen oder anderen, gemessen an den schwierigen Problemen, die bei der Verbrechensbekämpfung insgesamt anstehen, etwas kleinlich klingen, wenn ich Ihnen jetzt zwei Dinge vortrage, die vielleicht in der Auswirkung im einzelnen nicht so hoch bewertet werden, die aber nach meiner Auffassung für den polizeilichen Einsatz und für die Zurverfügungstellung von mehr Polizeibeamten zur Verbrechensbekämpfung eine ganz entscheidende Bedeutung haben.
Ich bin der Meinung, daß die Aufgaben, die Polizeibeamte heute zu einem großen Teil noch ausführen, einfach nicht mehr mit ihrem Einsatz zur Verbrechensbekämpfung vereinbart werden können. Tausende von Polizeibeamten müssen täglich mit ihrem „Zehn-Finger-Such-System" auf der Schreibmaschine tippen, um Berichte zusammenzustellen, um bei den Vernehmungen irgendwelche Dinge in stundenlangen Versuchen, der Schreibmaschinenbedienung Herr zu werden, zu Papier zu bringen, obwohl diese Schreibarbeit von einer Stenotypistin in wenigen Minuten erstellt werden könnte. Das beweist eigentlich schon, daß die innere Ordnung und Organisation der Polizei auch dringend reformbedürftig ist.
({5})
- Herr Kollege, ich bin nicht der Meinung, daß das eine Frage der Ausbildung der Polizeibeamten ist, sondern ich bin vielmehr der Meinung, daß das nicht zur Aufgabe der Polizei im Rahmen der Verbrechensbekämpfung gehört, sondern daß es viel besser wäre, die Polizeibeamten davon ganz freizumachen. Verwaltungsbeamte und Sekretärinnen sollten der Polizei diese Dinge abnehmen, um die Polizeibeamten zum Einsatz für die wirkliche Verbrechensbekämpfung freizubekommen.
({6})
Das ist das eine Problem.
Das zweite Problem gehört in den Bereich der Entscheidungen dieses Hauses in den letzten Tagen - ich denke da an das Ordnungsbehördengesetz -, wonach die Bewältigung von Ordnungsstrafen z. B. den Ordnungsbehörden übertragen werden sollte. Der nordrhein-westfälische Innenminister Willi Weyer hat dazu in den letzten Tagen eine Reihe von Anregungen gegeben. Hier könnte einiges geschehen, um wirklich polizeiintensivere Maßnahmen durchzuführen.
In engem Zusammenhang damit steht natürlich die Stellung des Polizeibeamten in unserer Gesellschaft überhaupt. Hier muß vermerkt werden, daß dazu einiges zu ändern ist, von beiden Seiten: von der Öffentlichkeit auf der einen Seite und von der Polizei - und damit von der Ausbildung des polizeilichen Nachwuchses - auf der anderen Seite. Ich bin nicht sicher, ob die lange Ausbildungszeit bei der Bereitschaftspolizei heute noch erforderlich ist. Ich bin vielmehr der Meinung, daß es besser wäre, eine konzentriertere Ausbildung der Polizeibeamten durchzuführen und sie eher aus dem kasernierten Bereich der Bereitschaftspolizei herauszubekommen und in ihre polizeiliche Arbeit hineinzustellen.
In engem Zusammenhang damit steht natürlich auch die Frage, die in dieser Woche in diesem Hause von der Mehrheit entschieden worden ist, nämlich wie zukünftig durch besoldungspolitische Maßnahmen im Rahmen des Art. 75 des Grundgesetzes - diese Entscheidung haben Sie in Beratung der Finanzreform getroffen - .eine Verbesserung der Polizeibesoldung in den einzelnen Ländern überhaupt noch denkbar ist. Wir befürchten, daß als Auswirkung dieser Entscheidung, die Sie zu diesem Zeitpunkt getroffen haben, ohne daß das neue Besoldungsgesetz bereits in diesem Hause vorliegt oder zur Sachberatung ansteht, eine Nivellierung der zukünftigen Nachwuchsförderung erfolgen wird.
Lassen Sie mich zum Abschluß noch wenige Worte zum Verhältnis der Polizei und der Öffentlichkeit zueinander sagen. In den letzten Monaten ist es in steigendem Maße dazu gekommen, daß Polizeibeamte in tätliche Auseinandersetzungen vor allen Dingen mit Angehörigen der jungen Generation eingetreten sind. Hier bedarf es ganz besonders der Ausbildung der Polizeibeamten im psychologischen Bereich. Das Verhältnis zwischen der Polizei und der jungen Generation sollte so gestaltet werden, daß beide Seiten Verständnis füreinander aufbringen. Ich gestehe sehr freimütig, daß an dieser Stelle der richtige Adressat nicht der Polizeihauptwachtmeister oder auch der Polizeiobermeister an der Straßenecke ist, auch nicht der Polizeirat oder Kriminalrat, der diese Einsätze leitet, sondern daß der Adressat auf der einen Seite der Politiker ist, der mit seiner Möglichkeit der Einwirkung auf die Öffentlichkeit, mit seiner Möglichkeit, auch mit jungen Menschen in unserem Staate zu diskutieren, mit dazu beitragen muß, diese jungen Menschen davon zu überzeugen, daß der Polizeibeamte im Interesse der Gesamtheit unseres Volkes dort seine Pflicht zu erfüllen hat, wo die Interessen der Gesamtheit unseres Volkes berührt, wo sie bedroht
werden können. Daß aber auch die Frage des verhältnismäßigen Einsatzes der Mittel von dem Polizeibeamten richtig erkannt werden muß, das ist die andere Seite dieser Medaille.
Wir müssen alle miteinander daran arbeiten, daß hier das richtige Verständnis gefunden wird und daß den jungen Menschen - lassen Sie mich das hier in aller Deutlichkeit sagen -, die glauben, die Auseinandersetzung in diesem Staat so führen zu können, daß sie die Argumente durch Gewalt ersetzen, klargemacht wird, daß sie sich dann nachher auch nicht beschweren dürfen, wenn diese Gewalt niedergeschlagen wird, sondern daß auch ihnen hier das Interesse der Gesamtheit unseres Staates die Grenze setzt, nicht mit Gewalt zu operieren, weder gegen den anderen Teil, der anderer Auffassung in der Sache ist, noch gegen den Polizeibeamten, weil eine parlamentarische Demokratie, der wir alle als Politiker, als Bürger und als Polizeibeamte genauso verpflichtet sind wie die jungen Menschen in diesem Staate, nur leben kann, wenn die Diskussion an erster Stelle steht und jede gewalttätige Auseinandersetzung unterlassen wird.
Das, meine Damen und Herren, wollte ich zum Abschluß noch sagen, um die Polizeibeamten auch gegenüber denen in Schutz zu nehmen, die glauben, die Polizeibeamten seien als Erfüllungsgehilfen und Büttel des sogenannten Establishments daran interessiert, diese Auseinandersetzung hart zu führen, und ihnen zu sagen, daß dies auf beiden Seiten nicht Grundlage der Auseinandersetzung sein kann. Recht und Gerechtigkeit in diesem Staate müssen von allen verteidigt werden. Der Polizeibeamte ist hier in besonderem Maße betroffen; er ist aber auch in besonderem Maße aufgerufen, seinen Dienst so zu tun, daß er im Interesse der Allgemeinheit unseres Volkes akzeptiert werden kann.
({7})
Damit ist der Antrag unter Punkt 24 unserer Tagesordnung begründet. Die Aussprache verbinden wir mit dem Punkt 25, den ich nunmehr aufrufe:
Beratung des Mündlichen Berichts des Innenausschusses ({0}) über die Berichte des Bundesministers des Innern vom 29. Januar und 24. April 1968
betr. Bundeskriminalamt
- Drucksachen V/2525, V/2855, V/3569 Berichterstatter: Abgeordneter Hübner
Ich frage den Berichterstatter, ob er das Wort wünscht. - Sie haben das Wort, Herr Berichterstatter.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Bericht, der heute hier mündlich zu erstatten ist, sollte eigentlich besser als Zwischenbericht bezeichnet werden - als Zwischenbericht deshalb, weil wir hier eine Sache beraten, die nunmehr in dreieinhalb Jahren kräftig in Fluß gekommen ist und die wir jetzt auch in Fahrt halten müssen. Insofern stimme ich mit Ihnen, Herr Dorn, darin überein, daß hier noch viel getan werden muß. Aber ich stehe nicht an, zugleich zu sagen, daß doch schon - und das sage ich auch als kritischer Beobachter - sehr, sehr viel geschehen ist.
({0})
Die Dinge haben vor fast genau dreieinhalb Jahren, am 29. Juni 1965, ihren Anfang genommen mit einer Kleinen Anfrage, die aus 24 Einzelfragen bestand. Wir beraten heute zwei Berichte, die aus dem Hause des Innenministers kommen, vom Januar und vom April 1968. Diese beiden Berichte sind, wie auch schon die unmittelbar vorhergegangenen, ausgezeichnete Sachbeiträge, die uns tatsächlich in die Lage versetzt haben, schon erste Konsequenzen zu ziehen, und die uns helfen sollten, zu einem einheitlichen Konzept in der Verbrechensbekämpfung zu kommen. Das ist ja auch die Forderung, die hier schon des öfteren von uns aufgestellt worden ist, nämlich auf diese moderne Verbrechensbekämpfung nicht durch Einzelmaßnahmen, durch ein Kurieren an Symptomen einzuwirken. Wir müssen vielmehr ein einheitliches Konzept miteinander finden. Ich glaube, dazu sind wir auf dem besten Wege. Ich sagte bereits: diese beiden Berichte vom Januar und April enthalten ausgezeichnete Sachbeiträge. Das gilt auch für sie als Vorlagen zu der öffentlichen Anhörung, die der Innenausschuß im Oktober dieses Jahres veranstaltet hat. Am 14. November hat der Innenausschuß die Ergebnisse der öffentlichen Anhörung erörtert. Das Ergebnis ist die Vorlage, die wir heute beraten. Der Innenausschuß hat aber darüber hinaus am gleichen Tage den Antrag der Fraktion der FDP, zu dem soeben Herr Dorn gesprochen hat, mitberaten. Das ist die Drucksache V/3445. Insoweit möchte ich in die wenigen Anmerkungen, die ich jetzt zur Sache machen will, auch das Ergebnis der Beratungen des Innenausschusses über diesen Antrag mit einbeziehen.
Es ist vollkommen richtig, wie Herr Kollege Dorn hier sagte, daß die Offentlichkeit durch die sinkenden Zahlen der Kriminalstatistik alarmiert worden ist. Wir wissen aber auch, daß diese Kriminalstatistik, wenn man nur die Durchschnittszahlen nimmt, sehr irreführend sein kann. Wenn wir von einem Pegel, der ungefähr um 50 % pendelt, ausgehen wollen, müssen wir erkennen, daß wir in Deutschland - in Europa ist die Ziffer nicht viel anders, aber in Deutschland ist sie noch etwas besser - bei der Aufklärung der Verbrechen gegen das Leben eine Quote von weit über 95 % erzielen können. Wenn dennoch der Mittelwert der Statistik nur bei 50 % liegt, dann liegt das daran, daß wir im Moment einfach nicht in der Lage sind, der Massendelikte, nämlich der Verbrechen und Vergehen, die mit Kraftfahrzeugen oder unter Benutzung von Kraftfahrzeugen erfolgen, Herr zu werden. Tatsächlich sind wir dieser Massendelikte bisher noch nicht Herr geworden. Das ist aber zugleich eine Herausforderung an alle, die sich um die Sache bemühen. Wenn man sieht, daß bei diesen Massendelikten die Aufklärungsquote noch nicht einmal 10 % erreicht, daß auf der anderen Seite aber 95 % erreicht werden, ergibt sich daraus, daß der Verbrecher, der sich gegen das Leben wendet, eigentlich keine Chance hat, nicht
entdeckt zu werden. Auf der anderen Seite ist bei den Massendelikten - das ist das Feld, in dem auch die „Lehrlinge" operieren - die Chance für die Verbrecher ungleich größer als die Chance für die Polizei und die Bevölkerung, dagegen etwas unternehmen zu können. Das halte ich, wie gesagt, für eine Herausforderung.
Das zweite Alarmzeichen aus jüngerer Zeit ist eine unmittelbare Folge dieser Kriminalstatistik, die ja immer nur pauschal behandelt wird. Demoskopen haben nämlich inzwischen herausgefunden, daß unter allen negativen Zeiterscheinungen an der Spitze die Furcht der Bevölkerung vor dem Verbrechen rangiert, und das ist wirklich ein Alarmzeichen, das man nicht übersehen kann. Es kann zu einem Politikum werden. Am Schluß meiner Ausführungen werde ich darauf noch einmal mit einem Satz eingehen.
Nun wenige Bemerkungen zu dieser Vorlage. Die meisten Antworten auf die Fragen, die wir an den Minister zu stellen haben, sind - das klingt vielleicht im ersten Moment etwas merkwürdig - schon fällig oder sogar schon fertig. Das ist aber zugleich der Grund dafür, daß wir einen sehr kurzen Termin gesetzt haben. Wir haben um einen Bericht zum 31. Januar gebeten. Es kommt eigentlich nur darauf an, in dieser Sache Feuer unter dem Kessel zu halten. Gerade weil die ganze Sache im Fluß ist, wollen wir, daß fortlaufend dokumentiert wird, bei welchem Punkt der Bestandsaufnahme wir angekommen sind, um weitere Konsequenzen daraus ableiten zu können.
Ich möchte Ihnen nur einen Schlüssel geben, damit diese Vorlage in den Akzenten deutlich wird. Die Fragen zielen einmal darauf ab, welchen Stand die personelle und technische Ausrüstung beim Bundeskriminalamt nach den vielen Bemühungen erreicht hat. Es ist zugleich die Frage gestellt worden, und zwar ganz konkret: wie weit ist es mit der Einführung der elektronischen Datenverarbeitung in der Verbrechensbekämpfung, und wie steht es mit dem Aufbau eines Bildfunknetzes? Hierzu, wie gesagt, sind Antworten fertig, und es kommt hier darauf an, sie zu dokumentieren, um in dieser Sache weiter voranzukommen.
Der zweite Komplex aus diesem Fragenkatalog zielt auf die Ausbildung hin. Hier darf ich nicht verhehlen, daß ich persönlich sehr ernste Sorgen um die Ausbildung der Kriminalpolizei habe, und zwar ganz einfach deshalb, weil in der letzten Zeit Tendenzen deutlich werden, daß die Länder im Gegensatz zu einer zu fordernden Zentralisierung der Ausbildung dazu übergegangen sind - zunächst im gehobenen Dienst der Kriminalpolizei -, die Ausbildung wieder in die einzelnen Länder zurückzunehmen. Ich bin, glaube ich, mit den Fachleuten darüber einig, daß gerade bei der Kriminalpolizei nicht nur eine gemeinsame zentrale Ausbildungsveranstaltung notwendig ist, sondern auch einheitliche Richtlinien für eine solche Ausbildung geschaffen werden müssen, weil auch dadurch föderalistische Grenzen, die in diesem Falle nur dem Verbrecher nützen könnten, aufgehoben werden könnten. Ich mahne deshalb ganz dringend und rufe die Fachleute auf, alles zu tun, um diese zentrale Ausbildung für die Kriminalpolizei zu bekommen. Dabei wäre es nicht nur ein Nebeneffekt, daß der verhältnismäßig nicht große Personalkörper der Kriminalpolizei im ganzen Bundesgebiet durch persönliches Kennenlernen zugleich Kontakte knüpfen könnte für die laufende Arbeit in der Folgezeit.
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- Danke schön, Herr Schlager. Wünschen Sie uns allen den Erfolg, dann wird es gelingen!
Ein Ergebnis dieser Ausbildung, die auch auf ein Berufsbild hinzielen muß, das man ebenfalls noch einmal unter modernen Gesichtspunkten zu überdenken hat, muß allerdings auch sein, daß man die Laufbahn, die ja beim Bundeskriminalamt noch nicht sehr alt ist, noch einmal überdenkt und daß man auch, wo es notwendig ist, den Mut findet, Korrekturen anzubringen, wo man erkannt hat, daß einiges anders werden muß. So ist mir z. B. kaum noch vorstellbar, daß der qualifizierte Sachbearbeiter in der Kriminalpolizei geringer bewertet werden könnte als mit der Besoldungsgruppe A 9. Ich möchte diesen Merkpunkt setzen. - Herr Brück, Sie lachen und drohen mir mit dem Finger. Dieser Punkt wird aber den Innenausschuß ganz sicher weiterhin beschäftigen, zu unserer Freude, aber auch zu unserem Leide. Das muß jedenfalls einmal gesagt sein.
Der dritte Komplex der Fragen, die wir hier aufgeworfen haben, betrifft eine Frage, die nicht einfach mit ja oder nein zu beantworten ist. Es ist die Frage: Wie wird man in der Verbrechensbekämpfung mit den Massenkommunikationsmitteln fertig? Es gibt hier zwei Gesichtspunkte. Hier besteht eine gewisse Polarität.
Einmal gibt es - wir kennen das alle - in der Presse diese wirklich unerwünschte Glorifizierung des Verbechens. Ich bin sehr dankbar, daß der Deutsche Presserat vor einiger Zeit die deutsche Presse aufgefordert hat, nicht mehr diese Verbrechermemoiren zu bringen, wo es so zuging, daß heute einer ein Ding dreht, sich ins Gefängnis setzt, dort seine Memoiren schreibt und dann nach der Entlassung die Honorare von der Bank abholt. Das ist ein Unding. So etwas darf es nicht geben. Wenn wir das nicht zum Stillstand bringen können, dann sehe ich für andere Maßnahmen in diesem Bereich absolut schwarz.
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Der andere Pol ist die positive Seite, nämlich - ich will hier ein Beispiel bilden - die Art, wie man bei der Fahndung mithelfen kann. Da haben wir in der öffentlichen Anhörung auch von Herrn Zimmermann einiges gehört über seine Sendung „Aktenzeichen XY, Täter unbekannt" - Sie haben es soeben auch angesprochen, Herr Dorn -, eine Sache, die in der Hörergunst sehr weit vorne steht, die aber auch nicht unumstritten ist, wie wir neulich hören mußten. Allerdings möchte ich sagen: Diejenigen, die sich um solche Fahndungsmethoden bemühen - also auch Herr Zimmermann und seine Mitarbeiter -, sollten sich durch dieses UmstrittenHübner
sein nicht entmutigen lassen, sondern sie sollten ermutigt sein. Diejenigen nämlich, die sich dagegen wenden, daß auf diese Art Fahndung betrieben wird, sind meist „Interessenten".
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Auch kann man nicht sagen, daß hier das Denunziantentum angereizt wird. Wenn man weiß, daß etwa 10 Millionen Hörer und Seher diese Sendung verfolgen, daß sich nachher aber nur ein Zehntelpromille an Mitfahndung daraus aktivieren läßt, dann, glaube ich, braucht man nicht zu befürchten, daß sich hier der Denunziant angesprochen fühlen muß. Die Ergebnisse jedenfalls - das möchte ich noch einmal sagen - sollten sowohl die Leute auf der Seite der Publizisten ermutigen, so fortzufahren, als auch die auf der Seite der Kriminalisten, ihnen das notwendige Material zu geben, um weiter vorankommen zu können.
Damit ist der Bericht in den Fragestellungen eigentlich schon erschöpft, und es bleibt etwas übrig, was den Gesetzgeber hier im Hause, also uns alle, in der Zukunft angeht. Der Innenausschuß ist sich darüber klar geworden, daß einige Gesetzesinitiativen aus seiner Mitte heraus in diesem Hause ergriffen werden müssen, und zwar handelt es sich dabei in erster Linie um Änderungen des Gesetzes über das Bundeskriminalamt. Es liegen bereits vier Vorschläge für derartige Änderungen vor, die hier wieder in zwei Komplexen kurz darzustellen sind.
Einmal soll sichergestellt werden, daß das Bundeskriminalamt bei der Strafverfolgung im Auftrage des Generalbundesanwalts und im Auftrage des Bundesgerichtshofes eine festere Basis bekommt. Hier im Hause ist schon einmal der Versuch gemacht worden, den § 134 b des Gerichtsverfassungsgesetzes entsprechend einzuführen. Das ist seinerzeit gescheitert. Ich glaube aber, daß wir jetzt im Zuge einer Änderung des BKA-Gesetzes diese Strafverfolgung auf sicherere Füße werden stellen können, um eine größere Selbständigkeit für den ermittelnden Beamten daraus herleiten zu können.
Der zweite Punkt in diesem Zusammenhang ist der, dem Bundeskriminalamt auch in der Strafverfolgung mehr Raum einzuräumen, wenn es notwendig wird - und die Notwendigkeit ist erkannt -, daß eine zentrale Stelle für die Verfolgung eines Verbrechens zuständig sein muß. Wir haben hier einige Merkmale gesetzt: wenn es nämlich z. B. aus kriminaltaktischen Gründen notwendig ist, zur Verfolgung eines bestimmten Verbrechens in einer zentralen Stelle einen Schwerpunkt zu bilden - es gibt bisher schon nach dem bestehenden Gesetz eine Möglichkeit -; dies ist eine Ausprägung, die einfach aus Erfahrung und aus den Ergebnissen der öffentlichen Anhörung hergeleitet werden kann.
Das zweite Ist meines Erachtens noch wichtiger, nämlich dem Bundeskriminalamt auch eine gesetzlich besser ausgeprägte Plattform für das Koordinieren bei der Verbrechensbekämpfung zu geben, indem man einmal sagt, in welchen Fällen das Bundeskriminalamt selbst koordinierend, also richtunggebend, bei der Verbrechensbekämpfung in Einzelfällen eingreifen kann und muß. Zum anderen gehen wir aber auch auf der Ebene der Landeskriminalämter, denen wir - und das ist leider nicht in allen Ländern der Fall - ihrerseits auch das Recht geben wollen, zu koordinieren und Fälle an sich zu ziehen. Durch diese Abstufung glauben wir, eine Durchdringung des ganzen Raumes der Bundesrepublik erreichen zu können.
Ich darf darauf hinweisen, daß uns die Innenminister der deutschen Länder berichten konnten, daß sie bereits einen Staatsvertrag unter Dach und Fach haben, der noch durch die Landtage ratifiziert werden muß und der damit aufräumen soll - was ich hier einmal beklagte -, daß die Grenzen der Bundesländer für die Verbrecher durchlässig geworden sind, aber für die verfolgenden Kriminalbeamten zu Netzen geworden sind. Hier hat man einen Staatsvertrag miteinander geschlossen, der die Ländergrenzen zueinander öffnen soll. Daraus ergeben sich aber Probleme, die durch Koordinierung aufgefangen werden müssen.
Als letzten Punkt erwähne ich, daß vom Gesetzgeber eine Entscheidung über die Frage zu fordern ist, wie man mit den Wiederholungstätern verfahren soll. Dazu liegt ein Initiativentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und der SPD vor. Diese Initiative kommt aus der Mitte des Rechtsausschusses. Es geht darum, damit Schluß zu machen, daß es bei einem bekannten Täter sowie bei Leuten, die zu Gewalttaten neigen - ich will da gar nicht nur an Rocker denken, sondern auch an solche Gewalttäter, die ihre Gewalttat in den Mantel einer scheinbaren Überzeugung hüllen wollen; das will ich mit aller Deutlichkeit sagen -, der Polizist erleben muß, daß ihm ein solcher, lange gesuchter Täter, den er endlich dingfest gemacht hat, der aber, weil er einen festen Wohnsitz hat, am gleichen Abend wieder entlassen wird und am nächsten Morgen auf der Straße freundlich sagt: Guten Morgen, Herr Wachtmeister, ich bin schon wieder unterwegs! Damit muß aufgeräumt werden. Die entsprechende Strafprozeßnovelle wird sicher die Grundlage dafür sein.
Lassen Sie mich noch eine Schlußbemerkung machen. Es ist in unserem Antrag - in dem Antrag des Innenausschusses - darauf hingewiesen worden, daß man im Rahmen der mittelfristigen Finanzplanung nun auch Konsequenzen ziehen muß, die an den Geldbeutel gehen. Da darf ich Ihnen hier nur eine Zahl angeben, die verarbeitet werden muß. Es ist notwendig, sich damit vertraut zu machen, daß im Bundeskriminalamt auf Grund der neuen Aufgaben, auch auf Grund der Erkenntnisse, die wir hier miteinander gewonnen haben, ein Stellenzuwachs von rund 200 Stellen im Laufe der nächsten Haushaltsjahre notwendig ist, wenn das Amt bei der Verbrechensbekämpfung wirklich erfolgreich sein soll. Ich muß Ihnen diese Angabe machen; ich kann es Ihnen nicht ersparen. Ich bin zutiefst davon überzeugt, daß nicht nur äußere Sicherheit, sondern auch innere Sicherheit Geld kostet;
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oder - wenn man so will -: die äußere Sicherheit
kann ja nur das schützend umhüllen, was an innerer
Sicherheit vorhanden ist. Oder noch ein anderes
Bild: Es sind die beiden Seiten einer einzigen Medaille, die insgesamt „Sicherheit" heißt.
Der Antrag des Ausschusses, verbunden mit den Gesetzesinitiativen, die noch zu ergreifen sind - der Innenausschuß hat sich allerdings, das darf ich hier mit ankündigen, entschlossen, erst noch die Ergebnisse des 2. Untersuchungsausschusses abzuwarten; deshalb liegen sie noch nicht vor -, könnten den Antrag der FDP, den ich hier mit aufgegriffen habe, als erledigt erscheinen lassen. Ich würde vorschlagen, entsprechend zu beschließen.
Meine Damen und Herren, was ich jetzt sage, sage ich nicht ganz ohne Wehmut: Dies ist nun die letzte Rede gewesen, die ich als Abgeordneter in diesem Hohen Hause habe halten können. Es ist mir schwergefallen, zu sagen, daß das nur ein Zwischenbericht ist; zugleich möchte ich aber auch sagen, daß es gewissermaßen für diesen Berichterstatter persönlich zugleich eine Abschlußbilanz des bisherigen Tätigseins sein muß. Ich hoffe aber, daß diese Abschlußbilanz zugleich Eröffnungsposten bringt, die eine Basis dafür sein können, in der Verbrechensbekämpfung zu positiven Entscheidungen zu kommen.
Ich darf mich, Herr Kollege Dorn, jetzt am Schluß auch noch für Ihre guten Wünsche sehr herzlich bedanken. Ich glaube, die guten Wünsche werden etwas Wesentliches in dem Gepäck sein, das ich mit nach Berlin zu nehmen habe. Über die Schwierigkeiten der Aufgabe mache ich mir keine Illusionen.
Ich darf aber nicht von diesem Pult gehen, ohne zu sagen, daß in den vergangenen dreieinhalb Jahren Hilfe auch von denen zuteil geworden ist, um die es eigentlich geht. Ich freue mich gerade deshalb, daß Herr Dickopf hier in diesem Hause anwesend ist. Er hat ja auch inzwischen - das gereicht der Bundesrepublik zur Ehre - das hohe Amt des Präsidenten der Interpol .durch Wahl errungen. Ich darf ihm herzlichst für die Mitarbeit, die wir von ihm haben konnten, danken.
Ich darf zugleich sagen, daß die Berichte, von denen ich sagte, daß sie Sachbeiträge seien, diese sachlich fundierte Färbung seit der Zeit des früheren Innenministers und unseres jetzigen Kollegen Herrn Lücke haben, der die Sache in die Hand genommen hatte. Ich freue mich, daß das auch im Hause Benda fortgesetzt wird. Ich wäre dem Herrn Staatssekretär dankbar, wenn er das seinem Minister weitergeben könnte.
Lassen Sie mich mit der Mahnung hier vorn Pult treten, daß bei allem, was man in der Verbrechensbekämpfung tun mag, auch der Grundsatz gilt - obwohl das hier keine gesundheitspolitische Debatte ist -: Vorbeugen ist besser als heilen. Das heißt: Alle Aufmerksamkeit der Verbrechensvorbeugung, nicht nur der Frage: Wie verfolgen wir Verbrechen, deren wir der Massenerscheinung wegen nicht Herr werden können?
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Ich danke dem Herrn Berichterstatter für seinen Mündlichen Bericht.
Ich eröffne die Aussprache über die Punkte 24 und 25 der Tagesordnung. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Picard.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! 72 % der Bevölkerung - so lautet das Ergebnis einer Umfrage - fürchten sich vor der wachsenden Kriminalität. Es gibt eine Partei, etwas weit rechtsaußen, die das auf ihre Fahnen geschrieben hat, was der dritte Bewerber um die Präsidentschaft in den Vereinigten Staaten mit dem Verlangen nach „law and order", nach Gesetz und Ordnung, ausdrückte. Diese Partei versucht, auf der Welle des Unmutes der Bevölkerung über diese gefährliche Kriminalität zu Stimmen zu kommen.
Erlauben Sie mir deshalb, lein paar sachliche Bemerkungen zur Kriminalität überhaupt zu machen. Eingangs möchte ich darauf verweisen, daß sich der Bundestag - besonders der Innenausschuß -, die Bundesregierung - besonders das Innenministerium -, das Bundeskriminalamt und weitere Mitarbeiter seit Jahren mit der auch die Politiker mit Sorge 'erfüllenden wachsenden Kriminalität beschäftigen. Zeugnis davon geben die Drucksachen dieser Legislaturperiode V/1697, 2502, 2525, 2855 und 3569, aber auch der Antrag der FDP Drucksache V/3445.
Nun zur Kriminalität. Bei dem jährlichen Erscheinen der Kriminalstatistik wiederholt sich in der Regel dieselbe Diskussion, die immer mit der Feststellung endet, daß wir wiederum ein Ansteigen der Kriminalität zu verzeichnen hätten. Es war von 1966 auf 1967 ein Anstieg von rund 8 % bei einer gleichzeitigen Abnahme der Aufklärungsquote von 53 auf 52,2 %. Dieser Trend hält seit Jahren an, mindestens seit 1963. Gleichzeitig stellen wir eine Umschichtung der Täter fest. Wir haben eine Abnahme bei den Erwachsenen, eine geringe Zunahme bei den Heranwachsenden, eine stärkere Zunahme bei den Jugendlichen und - das ist vielleicht doch etwas erschreckend - den Kindern. Ohne nun auf die Kriminalstatistik im ,einzelnen eingehen zu wollen, scheint es mir doch notwendig zu sein, die Entwicklung nüchterner zu betrachten, da die Kriminalstatistik ja nur Zahlen vermittelt, die der Erläuterung und Auslegung bedürfen. Der Herr Kollege Hübner hat soeben schon darauf hingewiesen. Die absolute Zunahme der aufgeklärten Straftaten beträgt von 1966 auf 1967 mehr als 66 000. Das heißt, meine Damen und Herren, daß es der Polizei trotz Personalmangels, trotz Schwierigkeiten in der materiellen Ausstattung, trotz Schwierigkeiten, die darauf beruhen, daß es mancher - auch mancher Politiker - in dieser Gesellschaft in der Bundesrepublik immer noch nicht unterlassen kann, leichtfertig am Ansehen der Polizei zu kratzen oder sie gar zu verteufeln, gelungen ist, insgesamt über 66 000 Straftaten mehr aufzuklären. Das muß man einmal feststellen.
Ich möchte das zum Anlaß nehmen, im Auftrage meiner Fraktion der Polizei insgesamt Dank und Lob für diese bei all den Schwierigkeiten vollbrachte hervorragende Leistung auszusprechen.
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Ich möchte bei dieser Gelegenheit aber auch einmal dem Präsidenten des Bundeskriminalamts danken,
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der nun auch Chef der Interpol geworden ist. Ich gehöre diesem Haus erst einige Jahre an. Ich kann mich aber erinnern, meine Damen und Herren, daß die Einrichtung des Bundeskriminalamts in früheren Jahren - bei der Rückschau muß ich feststellen: nicht immer gerechtfertigt - erheblich in der Kritik stand. Gerade aus diesem Grunde ist es angebracht, einmal ein Wort der Anerkennung und des Dankes zu sagen.
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Nun zu den Aufklärungsquoten. Ich sprach davon, daß die Aufklärungsquote von 53 auf rund 52 % gesunken sei. Ich möchte darauf verweisen, daß wir bei den Verbrechern, die das Gefühl der Unsicherheit, des Unmuts, des Unbehagens in der Bevölkerung im wesentlichen hervorrufen - nämlich bei Schwer- und Schwerstverbrechen, insbesondere bei Sittlichkeitsverbrechen - nicht nur eine relativ hohe Aufklärungsquote haben, sondern auch eine Abnahme der Straftaten im Laufe der letzten Jahre haben.
Woher kommt dieses Unbehagen? Sicher zu einem Teil daher, daß über Verbrechen in einer Breite berichtet wird - ich wehre mich gar nicht dagegen, ich stelle nur fest, daß das eine Folge der Verbreitungsmöglichkeiten der Massenkommunikationsmittel ist -, daß der Eindruck entsteht, als wären sowohl die Schwere der Verbrechen wie auch ihre Häufigkeit noch weit größer, als sie es tatsächlich sind.
Nun, meine Damen und Herren, der hohe Anteil der Diebstahldelikte ist es, der die Aufklärungsquote so sehr herunterdrückt. Ich spreche jetzt einmal von dem Diebstahl an und aus Kraftfahrzeugen. Die Aufklärungsquote beim Diebstahl an Kraftfahrzeugen liegt unter 10 %. Ein solcher Diebstahl liegt z. B. vor, wenn jemand im Vorbeigehen einen Spiegel oder einen Mercedes-Stern abmontiert. Ein Diebstahl aus Kraftfahrzeugen liegt beispielsweise vor, wenn ein Kofferradio aus einem nicht verschlossenen Wagen entwendet wird. Solche Diebstähle sind natürlich schwer aufzuklären. Das sind 250 000 Fälle im Jahr mit einer Aufklärungsquote von 9 % oder - bei der anderen Gruppe - ein bißchen mehr. Daran wird deutlich, daß wir uns unter Umständen etwas vormachen, wenn wir meinen, daß Diebstahlskriminalität und die Kriminalität so schrecklich groß sei.
Immerhin zeigt sich hier ganz deutlich, daß ein wesentlicher Grund für die unbefriedigende Aufklärungsquote in der Personalknappheit zu suchen ist. Ich lebe in der Nähe von Frankfurt in einer dieser - sagen wir einmal - Wohnsitzgemeinden. Dort kommen solche Diebstähle ja des öfteren vor. Bis dann der Telefonanruf bei der zentralen Polizeidienststelle angelangt ist, sind die Täter längst verschwunden; bis das Einsatzkommando ankommen kann, ist doch der Markt endgültig verlaufen. Das heißt mit anderen Worten, wir brauchen eine stärkere Präsenz der Polizei, das heißt eine höhere Personalstärke. Das ist eine Frage der Besoldung und auch der Beförderungsmöglichkeiten.
Ich möchte mich nicht mehr weiter mit der Frage der Kriminalität aufhalten, sondern nur noch etwas zur Position der Polizei in unserer Gesellschaft sagen. Ich bin der Auffassung, daß das Ansehen der Polizei in unserer Gesellschaft nicht zuletzt dadurch gemindert worden ist, daß manchmal fehlgeleitete oder ungenügende Informationen eine irrende öffentliche Meinung hervorgerufen haben. Ich stehe aber auch nicht an, zu sagen, daß da oder dort auch Personen, die politische Verantwortung tragen, die Polizei mehr als einmal im Stich gelassen haben.
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Ich empfehle unserem Kollegen Dorn, einmal das Verhalten seiner Parteifreunde im Lande Hessen und in der Stadt Frankfurt etwas genauer daraufhin zu durchleuchten, ob hier nicht ein Ansatzpunkt dafür zu finden ist, daß wir es heute mit Erscheinungen zu tun haben, die uns Sorge machen.
Wir Politiker haben der Polizei zu helfen, ihre Aufgabe erfüllen zu können, Sicherheit und Ordnung als Grundlage der Freiheit zu bewahren. Es muß endlich damit Schluß sein, daß wir am Ansehen der Polizei leichtfertig kratzen. Es muß endlich damit Schluß sein, daß wir die Korrektheit des Vorgehens der Polizei in einem ungerechtfertigten Ausmaß in Frage stellen. Polizei ist weder Knüppelgarde noch Prügelknabe der Nation, sondern Garant für Sicherheit, Ordnung und Freiheit des einzelnen im Rahmen des freiheitlichen Rechtsstaates.
Nun zurück zu den Vorlagen, die Anlaß dieser Debatte sind. Ich glaube, der Bericht des Innenausschusses hat gezeigt, daß der Antrag der Freien Demokraten eigentlich offene Türen einrennt, zumal da er sechs Tage nach dem Abschluß der Anhörung durch den Innenausschuß gestellt worden ist. Es war doch völlig unmöglich, daß sich innerhalb von sechs Tagen schon konkrete Ergebnisse aus dieser Anhörung zeigen konnten. Ich bin aber dennoch dankbar, weil dieser Antrag zeigt, meine Damen und Herren von der FDP, daß wir uns in diesem Parlament in einer breiten Gemeinsamkeit des Bemühens befinden, die zu beklagenden Zustände - oder mancher mag sagen: Mißstände - zu bessern.
Lassen Sie mich einiges zu den beiden Anträgen sagen. Auch ich bin der Auffassung, daß Bagatellfälle nach Möglichkeit aus der Tätigkeit der Kriminalpolizei herausgenommen werden müssen. Inwieweit das möglich ist, ohne einen - sagen wir einmal - straffreien Raum entstehen zu lassen, bedarf einer Prüfung. Auch polizeifremde Tätigkeiten müssen der Polizei nach Möglichkeit abgenommen werden. Ich bin hier mit dem Kollegen Dorn völlig einig und weiß aus der bitteren Erfahrung dieser Polizisten, wie sehr sie darunter leiden, daß sie ihre kostbare Zeit mit einer Tätigkeit vergeuden müssen, für die sie gar nicht ausgebildet sind und für die sie auch nicht bezahlt werden, einer Tätigkeit, für die wir nicht sie, sondern vielleicht ein paar tüchtige Stenotypistinnen brauchen. Ich bin allerdings ein bißchen
im Zweifel, ob es uns immer gelingen wird, dahin, wohin wir immer noch in der Lage sind, einen Polizisten zu versetzen, eine tüchtige Stenotypistin zu bekommen. Aber das müßte eigentlich gehen.
Ich bin nicht einig mit dem Kollegen Dorn, wenn er meint, daß das, was der Bundestag dieser Tage in der Finanzreform beschlossen hat, die Vereinheitlichung der Besoldung durch Änderung des Art. 75, ein Hinderungsgrund für eine Besoldungsverbesserung sein könne. Ich glaube, es liegt an diesem Parlament, zu zeigen, daß wir bereit sind, für die Erhaltung der Sicherheit auch im Innern die nötigen Mittel aufzubringen. Hier können wir ein Beispiel für die Länder setzen, und hier können wir zeigen, daß wir, wenn wir einmal - wir tun das sehr zurückhaltend - die Länder in diesem Bereich kritisieren, sie mit Recht kritisieren. Ich darf also bitten, daß alle Kollegen sich dann an das erinnern, was wir heute morgen wieder einmal sagen - nicht zum erstenmal und sicher nicht zum letztenmal -: daß wir, der Bundestag, bereit sind, alles zu tun, was notwendig ist, um die Sicherheit unserer Bevölkerung zu gewährleisten.
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Flüchten wir uns nicht in das Argument mangelnder Zuständigkeit!
Zu Punkt 3 des Antrages der FDP - Versorgung der Strafverfolgungsorgane mit allen zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben erforderlichen wissenschaftlichen und technischen Einrichtungen - läßt sich sagen: wir sind in der Erprobung sowohl des Einsatzes von elektronischen Datenverarbeitungsanlagen wie auch des Bildfunks so weit, daß wir damit rechnen können, daß die positiven Auswirkungen in absehbarer Zeit sichtbar werden. Ich möchte aber, weil wir alle miteinander zur Ungeduld neigen, doch darauf hinweisen, daß es auch in dem Lande, in dem man viel früher begonnen hat, insbesondere die EDV-Anlagen einzusetzen, in den Vereinigten Staaten, einer jahrelangen Vorarbeit bedurft hat - die bis heute noch nicht abgeschlossen ist -, um eine wesentliche Verbesserung bei der Fahndung zu erreichen.
Ich möchte zum FDP-Antrag noch eines sagen. Es gibt seit Sommer dieses Jahres eine Verwaltungsvereinbarung zwischen den deutschen Ländern, die ein Argument des Herrn Dorn hinfällig macht: daß nämlich Ländergrenzen, Zuständigkeitsgrenzen ein Hinderungsgrund bei der Verfolgung eines Täters über die Grenzen eines Bundeslandes hinaus seien. Auch ich verhehle jedoch nicht, daß ich es für besser hielte, wenn wir über dieses Verwaltungsabkommen hinaus eine gesetzliche Regelung hätten. Meine Fraktion ist insoweit zwar den Ländern dankbar, daß sie sich zu dieser Kooperation - erlauben Sie eine kleine kritische Bemerkung: immerhin nach 18 Jahren Bestehen der Bundesrepublik, fast 18 Jahre nach Verabschiedung des Bundeskriminalamtsgesetzes - bereitgefunden haben. Wir glauben jedoch, daß es einer gesetzlichen Regelung bedarf, von der der Bericht des Innenausschusses schon gesprochen hat.
Zum Antrag des Innenausschusses erlauben Sie mir noch einige wenige Bemerkungen.
Zu Punkt II.1 - Bericht über den weiteren Fortgang des Ausbaues und der personellen und technischen Ausstattung des Bundeskriminalamtes zum 31. Januar - wünschen wir, daß die Anstrengungen beschleunigt und verstärkt werden. Zum Bildfunknetz kann man, glaube ich, sagen, daß die Erfahrungen positiv sind und wir, wenn dieses Bildfunknetz funktioniert, tatsächlich ein hervorragendes Hilfsmittel zur Verbesserung der Fahndung haben. Sowohl Bildfunknetz wie EDV-Anlagen sollen uns in den Stand versetzen, die Fahndung zu beschleunigen, die Aufklärungsquote zu erhöhen, kurz: eine raschere und umfassendere Aufklärung zu bewerkstelligen.
Ich möchte hier ganz deutlich sagen: drakonische Strafen - nach denen in der deutschen Offentlichkeit so oft verlangt wird - haben nicht die abschreckende Wirkung, die man sich von ihnen verspricht. Die beste Abschreckungswirkung hat eine möglichst rasche und umfassende Aufklärung. Das ist das Ziel unseres Bemühens.
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Eine Bemerkung noch zu einem inzwischen von der Koalition eingebrachten Antrag, der in ähnlicher Form auch von der CSU vorliegt. Er verlangt, das, was manche Leute das Verbrecherschutzgesetz nennen, zu ändern. Ich meine das, was ich als „Wiederholungsgefahr als Haftgrund" bezeichnen möchte. Es liegt ein Antrag auf Änderung der Strafprozeßordnung und des Jugendgerichtgesetzes vor. Ich möchte eines ganz deutlich sagen, weil sich heute schon in der Presse deutlich sehr heftige und scharfe Gegnerschaft gezeigt hat: dieses Parlament - das kann ich sicher für meine Fraktion sagen, das kann ich aber auch sicher für die anderen Fraktionen sagen - hat nicht die geringste Absicht, mehr zu tun als notwendig; wir sind aber auch fest entschlossen, nicht weniger zu tun als notwendig. Wir halten es für dringend erforderlich, daß wir sowohl die deutsche Offentlichkeit als auch die Polizei davor bewahren, heute jemand hinter Gittern verschwinden zu sehen, dem man morgen bei derselben Gelegenheit wieder begegnet; und das Spiel können Sie dann mehrmals wiederholen. Das demoralisiert nicht nur die Polizei, sondern auch die deutsche Offentlichkeit.
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Der Herr Präsident hat um Kürze gebeten; ich will mich daran halten. Ich glaube, daß die Debatte, die wir heute führen, dazu beitragen kann - und ich hoffe, daß sie auch dazu beitragen wird -, daß das, was ich eingangs angesprochen habe, sich in nächster Zeit ändert, daß nämlich die Mehrheit der deutschen Bevölkerung nicht die Kriminalität fürchten zu müssen glaubt, sondern daß die Mehrheit der deutschen Bevölkerung der Überzeugung sein wird, daß auch unsere Sicherheit und damit unsere persönliche Freiheit im Innern weitgehend gewahrt bleiben.
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Das Wort hat der Abgeordnete Schlager.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die ansteigende Kriminalität ist ein so vielschichtiges Thema, daß es den Rahmen der heutigen Debatte natürlich sprengen würde, wollte man es umfassend behandeln und ausleuchten.
Nun erweckt der FDP-Antrag so etwas den Anschein, als lägen die Ursachen für die steigende Kriminalität vor allem in gewissen organisatorischen Mängeln unseres bundesstaatlichen Systems sowie an der, gemessen an der Aufgabe, ungenügenden Personal- und Sachausstattung unserer Polizei.
Es steht außer Zweifel, daß die Ausstattung insbesondere unserer Kriminalpolizei noch nicht den Anforderungen entspricht, die die wachsende Kriminalität und die immer größer werdende Mobilität der Verbrecher stellen. Hinzu kommt, daß sich natürlich auch die Verbrecherwelt zunehmend aller Möglichkeiten bedient, die heute Chemie, Physik und die modernsten Verkehrs- und Nachrichtenmittel anbieten. Aber selbst hier ist ja schon mehr verbessert worden, als man auf den ersten Blick annehmen möchte. Der Herr Berichterstatter und Kollege Picard haben heute schon Näheres dazu ausgeführt; ich darf es ergänzen. Bayern hat z. B. ein Landeskriminalamt neu errichtet, das dank seiner technischen Einrichtungen und wegen seiner physikalischen und chemischen Untersuchungsmöglichkeiten zu dem Modernsten gehört, was es auf diesem Gebiet gibt.
Auch untereinander sind die Länder zunehmend bemüht, in engerer Zusammenarbeit mit dem Bundeskriminalamt die Voraussetzungen für eine rasche Nachrichtenübermittlung einschließlich der Weitergabe von Bildern und Fingerabdrücken etc. zu schaffen. Dazu gehören auch der Einsatz modernster Mittel des Funk- und Fernsprechverkehrs und der Einsatz geeigneter Datenverarbeitungsanlagen. Noch in diesem Jahr soll, wie ich gehört habe, das deutsche Fahndungsbuch auf Band aufgenommen werden.
Freilich, auf dem Gebiet der Datenverarbeitung erscheinen neue Impulse durchaus erforderlich. Die in den Berichten von 1967 und 1968 des Herrn Bundesinnenministers in Aussicht gestellte Analyse der Kriminaldaten in Bund und Ländern ist noch nicht durchgeführt. Noch erscheint es wohl fraglich, ob die Fülle des auf polizeilichem Gebiet anfallenden Materials es gestatten wird, mit einer einzigen Datenverarbeitungsmaschine - etwa nur beim Bundeskriminalamt - zu arbeiten. Das ursprüngliche Konzept sieht ja, wenn ich richtig informiert bin, den Aufbau von polizeilichen Datenbanken in den Ländern vor. Diese Datenbanken müssen dann natürlich untereinander und mit dem Bundeskriminalamt verbunden sein. Da die analytische Arbeit für dieses System erst in den Anfängen steht, ist ein paralleles Vorgehen im Bund und in den Ländern - wohl auch im Hinblick auf die leider noch immer beschränkte Ausstattung des Bundeskriminalamts mit Personal und Haushaltsmitteln - notwendig, um den Aufbau zu beschleunigen. Es wäre wünschenswert, wenn der Herr Bundesforschungsminister dem Bund wie den Ländern Mittel für Forschungsaufträge auf dem Gebiete der Datenverarbeitung im Anwendungsbereich Kriminalistik zur Verfügung stellen könnte. Ich brauche nicht zu betonen, daß wir die Verwendung eines marktgängigen deutschen Geräts dabei sehr begrüßen würden. Eines ist sicher: Auf dem Gebiet der Technik kann nur eine enge Kooperation zwischen Bund und Ländern Fehlinvestitionen und Fehlentwicklungen verhindern.
Zu den bisherigen Schwierigkeiten im Zusammenhang mit den aufgespaltenen Zuständigkeiten darf ich noch folgendes feststellen. Meine Damen und Herren, wir würden es uns zu einfach machen, wenn wir glaubten, man brauche nur Zuständigkeiten zu zentralisieren, zu konzentrieren, oder man müsse eben nur dem Bund mehr Kompetenzen geben, und alles wäre dann gleich viel besser. Wäre das so, müßte eigentlich Bayern mit der stärksten Aufsplitterung der Zuständigkeiten die geringste Aufklärungsquote haben. Es hat aber mit 65,7 Prozent im Durchschnitt die höchste Aufklärungsquote aller Länder bei einem Bundesdurchschnitt von rund 52 Prozent. Natürlich dürfen und können wir hieraus nicht den Schluß ziehen, daß hinsichtlich der Zuständigkeiten alles beim alten bleiben kann. Deutlich aber wird, daß die regionale Abgrenzung der Zuständigkeitsbereiche nicht allein von so ausschlaggebender Bedeutung für den Arbeitserfolg ist, wie es manchmal angenommen wird.
Viel wichtiger scheint es, die Zuständigkeiten an die Kriminalgeographie anzupassen und eine befriedigende Regelung der polizeilichen Zuständigkeiten in den Grenzbereichen zu suchen. Die Länder haben hier - darauf hat der Kollege Picard hingewiesen - im Bereich der örtlichen Zuständigkeiten bereits Regelungen vorgesehen, die eine schnelle und eine wirksame Verfolgung über die eigenen Grenzen hinaus jederzeit jetzt in der erforderlichen Weise ermöglichen. Bayern hat das von den Innenministern im Juli abgesprochene neue Verfolgungsabkommen als erstes Land bereits in sein Polizeiorganisationsgesetz einbezogen. Die Mehrheit der Länder hat dieses Abkommen bereits ratifiziert. Ein gewichtiges Hemmnis für eine schnelle Verbrechensbekämpfung ist damit wohl ausgeräumt. Damit ist im Grunde auch dem Antrag der FDP im wichtigsten Punkt, glaube ich, schon lange vor seiner Einreichung Rechnung getragen.
Auch Senator Ruhnau hat davor gewarnt, die Dinge mit zentralistischen Lösungen in Ordnung bringen zu wollen. In diesem Zusammenhang haben wir es aufmerksam vermerkt, daß der Herr Präsident des Bundeskriminalamts die Notwendigkeit einer bundeseinheitlich orientierten Kriminalpolizei verneint hat. Auch der Herr bayerische Innenminister Merk hat, was dieses Problem betrifft, zutreffend darauf hingewiesen, daß, wollte man eine Bundeskriminalpolizei einrichten, man diese ja ebenso regional aufgliedern müßte, damit sie arbeitsfähig ist. Damit würden aber gerade wieder die gleichen Kompetenzfragen auftauchen, die auch bei der Län11174
derzuständigkeit im Polizeiwesen bestehen, aber eben - das zeigt auch das letzte Abkommen - lösbar sind. Zudem würde eine Bundeskriminalpolizei zu einer Trennung von der uniformierten Polizei der Länder führen, was einer erfolgreichen Verbrechensbekämpfung abträglicher als alles andere wäre.
Die Verbrechensbekämpfung hat viele Aspekte. Die Ausstattung der Strafverfolgungs- und Polizeibehörden, auch der Staatsanwaltschaften und der Strafgerichte, die ja bekanntermaßen die Stiefkinder der als sparsam bekannten Justiz schon immer gewesen sind, mit genügend Arbeitskräften, mit allen Hilfsmitteln, die dem jeweils neuesten Stand der Technik entsprechen und die auch die Verbrecher benutzen, die Verbesserung der Organisation durch Kooperation, durch Konzentration, wenn nötig vielleicht sogar durch Zentralisation, das alles ist nur die eine Seite der Verbrechensbekämpfung. Die wachsende Kriminalität hat aber noch weitere gewichtige Ursachen, und daher werden wir ihrer nur Herr werden durch ein ganzes Bündel von gesetzgeberischen und organisatorischen Maßnahmen sowie durch die Bereitstellung von erheblich mehr Geld zur besseren Personal- und Sachausstattung. Nun haben alle Vertreter der Fraktionen heute hier erklärt, man müsse mehr Geld zur Verfügung stellen. Die Wahrheit wird sehr bald auf uns zukommen, wenn es darum geht, in unseren Haushaltsplanungen Prioritäten zu schaffen. Dann werde ich an die Zusagen, die von diesem Pult aus gemacht worden sind, erinnern können.
Was die gesetzgeberischen Maßnahmen anbelangt, so werden wir noch in dieser Legislaturperiode prüfen müssen und können, inwieweit es zutrifft, daß die wachsende Kriminalität auch auf die Erschwerungen des Haftrechts durch die letzte Strafprozeß-novelle zurückzuführen ist, und welche Konsequenzen wir daraus zu ziehen haben. Innerhalb des Hohen Hauses - darauf hat Herr Kollege Picard vor mir bereits hingewiesen - sind ja inzwischen zwei entsprechende Gesetzentwürfe vorbereitet worden; zuerst ein Entwurf von den Kollegen Stücklen, Wagner, Schlager, Dr. Jaeger, Frau Dr. Kuchtner und Genossen der CDU-Landesgruppe, und danach ein Entwurf von den Koalitionsparteien.
Meine Damen und Herren, es ist angesichts des Wellenschlages in der Presse wohl angezeigt, daß ich einige kurze Bemerkungen zu diesem Problem mache. Nach dem geltenden Haftrecht kann Untersuchungshaft nur bei Vorliegen gewisser Voraussetzungen, nämlich bei Flucht, Fluchtgefahr oder Verdunkelungsgefahr, angeordnet werden. Die Wiederholungsgefahr, d. h. die Befürchtung, der Beschuldigte werde in nächster Zeit sein strafbares Verhalten fortsetzen und weiteren Schaden verursachen, ist nach dem Vereinheitlichungsgesetz von 1950 zunächst einmal als Haftgrund entfallen. 1964 haben wir, auf Grund praktischer Erfahrung, den Haftgrund der Wiederholungsgefahr für einen bestimmten Fall wieder in das Gesetz aufgenommen: für die schweren Sittlichkeitsdilekte. Nach dem gegenwärtigen Haftrecht bleiben aber besonders gefährliche Berufsverbrecher oder Serientäter, die vor ihrer Aburteilung oder vor ihrer Strafverbüßung erneut einschlägige Straftaten begehen, von der Untersuchungshaft verschont, wenn sie irgendwie beweisen können - vielleicht durch präparierte Beweise -, daß sie einen festen Wohnsitz haben und weder Flucht- noch Verdunkelungsgefahr besteht.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Frage?
Bitte sehr!
Bitte, Herr Abgeordneter Dorn!
Herr Kollege Schlager, ich habe heute aus der Presse entnommen, daß die Koalitionsfraktionen ein solches Gesetz vorbereiten wollen. Wollen Sie die erste Lesung jetzt schon vorziehen?
Nein, Herr Kollege, natürlich will ich die erste Lesung nicht vorziehen, aber ich glaube, im Hinblick auf den Wellenschlag, den diese beiden Anträge verursacht haben, ist es vielleicht doch angezeigt, hier kurz zu diesem Problem zu sprechen, einfach auch deshalb, Herr Kollege, weil das, wie wir es verstehen, auch mit der wachsenden Kriminalität im Zusammenhang steht. Ich habe vorhin eingangs meiner Einführungen schon gesagt, daß Ihr Antrag allenfalls einen Aspekt der wachsenden Kriminalität anspricht. Wir müssen - schon aus optischen Gründen und in der Verantwortung gegenüber unserem Volk - die Dinge aber doch etwas breiter darstellen. Dazu gibt die heutige Debatte durchaus Anlaß. Ich meine jedenfalls, wir sollten das hier ansprechen.
Viele Polizeibehörden und Staatsanwaltschaften, vor allem in den Großstädten, vertreten nun die Ansicht - daran kommen Sie nicht vorbei, Herr Kollege Dorn; wir haben uns dieses Material sehr genau angesehen; es wurde ja auch im Hearing Entsprechendes bestätigt -, daß die gesetzliche Neuregelung des Haftrechts bei der Bekämpfung der Kriminalität doch zu großen Schwierigkeiten führt. Vor allem die Berufsverbrecher begehen vor ihrer rechtskräftigen Verurteilung und Strafverbüßung eine Vielzahl weiterer Straftaten. Nach den Erfahrungen der Praxis nehmen sie wegen der bevorstehenden Bestrafung - nun hören Sie zu, Herr Kollege - in aller Regel keine Arbeit mehr auf. Sie zeigen auch im Hinblick auf die zu erwartende Strafe vielfach eine gewisse Gleichgültigkeit. Ihre verbrecherische Neigung und ihre wirtschaftliche Zwischensituation verleiten sie dann eben dazu, weitere Bleichgelagerte Straftaten zu begehen. Gerade die „schweren Jungen" gehen, wenn sie einmal erwischt worden sind, aufs Ganze. Diese Tatsache ist mit eine Ursache für die wachsende Kriminalität. Ich glaube, all dies gehört zur Vervollständigung des Problems in die heutige Debatte.
Nun ist es so, daß sich bei den erfahrenen Verbrechern schwer nachweisen läßt, daß sie fliehen
wollen, weil sie darin geübt sind - manchmal auch mit Hilfe einer nicht gerade recht getreuen Beratung -, den Nachweis eines festen Wohnsitzes, einer sozialen oder familiären Bindung zu präparieren. Der jetzt objektiv gefaßte Begriff der Fluchtgefahr läßt dem Richter im Gegensatz zu dem noch subjektiv gefärbten Begriff des Fluchtverdachtes in der alten Fassung der Strafprozeßordnung eben nur noch einen ganz engen Wertungsspielraum.
Nach Ansicht der Antragsteller erschüttert es daher das Rechtsbewußtsein breitester Schichten unseres Volkes in einer gesellschaftlich und politisch nicht zu verantwortenden Weise, daß es gerade dem gefährlichen Kriminellen derzeit möglich ist, sozusagen unter den Augen der Polizei laufend in erheblicher Weise weiter gegen die Gesetze zu verstoßen, ohne daß man dem vorbeugen kann.
({0})
- Herr Kollege Dorn, Sie müssen deutlicher sprechen; ich kann Sie leider nicht verstehen. Aber ich gestehe Ihnen selbstverständlich gern wieder eine Zwischenfrage zu.
Ich möchte aber noch eins abschließend sagen. Der Haftgrund der Wiederholungsgefahr steht natürlich ganz eng unter dem Prinzip, dem Gebot der Verhältnismäßigkeit der Mittel. Haft wegen Wiederholungsgefahr darf nicht ausgesprochen werden, wenn sie zur Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Strafe außer Verhältnis steht, wobei wir uns dann noch - das wäre die erste Lesung, Herr Kollege - zu den Modalitäten der beiden Entwürfe im einzelnen zu äußern haben werden.
Im übrigen kann nicht unerwähnt bleiben, daß auch die mit der sogenannten Gesamtstrafenbildung verbundene Strafmilderung tatsächlich zu neuerlichen Straftaten vor der Bestrafung reizt. Es reizt natürlich zu weiteren Straftaten an, wenn für Straftaten, die man noch schnell nach dem Entdecktwerden bis zur Straßverbüßung begeht, nur noch um ein Geringes mehr bestraft wird. Auch um dieses Problem werden wir uns kümmern müssen.
Nun wehre ich mich gegen den Vorwurf, wir würden jetzt mit der Ausdehung dieses Haftgrundes der Wiederholungsgefahr über die Sexualdelikte hinaus den Weg des geringsten Widerstandes gehen, wie es eine hessische Tageszeitung geschrieben hat. Diese Zeitung meint, wir sollten statt dessen die Polizei verstärken, besser bezahlen und endlich modernisieren. Das ist in der Tat - ich verkenne das nicht - einer der wesentlichsten Beiträge überhaupt zur Bekämpfung der wachsenden Kriminalität: die Polizei mit Sachmitteln, mit Personalmitteln und auch mit Spezialisten zu verstärken. Aber es ist nicht der einzige Weg. Die Forderung nach besserer Ausstattung ist natürlich leichter erhoben, als sie in einer Zeit der Vollbeschäftigung und der ständigen Etatnöte verwirklicht werden kann. Das von mir zitierte Blatt stellt dann auch seine Kritik ungewollt in die richtige Proportion hinein, wenn es nämlich auf derselben Seite in seiner gestrigen Ausgabe in einem kritischen Beitrag zur hessischen Politik feststellt, der hessische Kultusminister Schütte verliere als einer der progressivsten Kulturpolitiker von Tag zu Tag mehr an Nimbus, weil es ihm nicht gelinge, genügend Geld für seine Reformen locker zu machen. Das ist eben des Pudels Kern auch für uns hier. Vor allem die Ausstattung mit genügend Personal hat heute ihre natürlichen Grenzen. Das möchte ich auch sagen, Herr Kollege Dorn, zu Ihrem Vorschlag, unseren Polizisten Schreibkräfte an die Seite zu stellen. Das hört sich theoretisch gut an, aber die praktische Durchführung dürfte sehr viel mehr Schwierigkeiten machen. Aber darüber zu reden werden wir sicher auch noch Gelegenheit haben.
Sicherlich würde es die Steigerung der Kriminalität bremsen, wenn wir die Personalstärke vor allem jener Polizeieinheiten entscheidend vergrößern könnten, die unmittelbar mit der Verbrechensbekämpfung und der Aufklärung von Straftaten zu tun haben. Aber hier werden auch schon eine Reihe von Wegen gegangen. Ich erinnere an die Politessen, die den ruhenden Verkehr überwachen. Es ist überhaupt das Problem, daß sich die Polizei vielzuviel mit der Verkehrsregelung abgeben muß, anstatt die Verbrechensbekämpfung forcieren zu können. Im Hearing wurde uns ja bestätigt, daß die größten Erfolge in der Verbrechensbekämpfung dort sind, wo die Täter mehr als anderswo auf frischer Tat gefaßt werden können, wo das Risiko des Gegriffenwerdens größer ist und die Chance, nicht entdeckt zu werden, geringer ist, wo die Polizei im Bild unserer Städte wieder präsenter wird und sich damit das Risiko des Entdecktwerdens gerade auch für die Gelegenheitsstraftaten entscheidend vergrößert.
Im Hinblick auf die fortschreitende Technisierung, die auch dem Verbrechertum neue Wirkungsmöglichkeiten eröffnet, kommt aber auch der Aus- und der Fortbildung des Personals sowie der Verwendung von Spezialisten aus anderen Berufen eine immer größere Bedeutung zu. Wir werden die besoldungsrechtlichen Konsequenzen hieraus für das Polizeiwesen, aber auch in ihrer Auswirkung auf das gesamte Besoldungsgefüge sorgfältig zu prüfen haben. Ob man wegen der notwendigen Einstellung von Fachleuten z. B. für die elektronische Datenverarbeitung mit dem herkömmlichen Besoldungsrecht noch auskommen wird, ist eine sehr schwierige Frage.
In diesem Zusammenhang stellt sich aber auch die Frage einer besseren Fortbildung, nicht zuletzt auch im Hinblick darauf, daß durch die Elektronik mancher Arbeitsplatz - z. B. durch Auflösung von Karteien - verlorengehen wird. Hier wird natürlich Personal frei, und es ist die Frage, wie man dieses Personal zweckmäßig, vielleicht nach entsprechender Umschulung, verwenden kann. Hier wird es aber eines großen psychologischen Einfühlungsvermögens und sozialer Fürsorge des Dienstherrn bedürfen, um mit diesem Personalproblem fertigzuwerden. Wir sind im übrigen der Ansicht, daß die Laufbahn des höheren Polizeidienstes und seine Aus- und Fortbildung ,einer Reform bedürfen, ohne daß deswegen nun die Einheitslaufbahn der Polizei aufgegeben werden muß.
Weil ich gerade die Aus- und Fortbildung anspreche, möchte ich doch einen Kriminalbereich besonders herausgreifen, für den die Ausbildung von besonderer Bedeutung ist, nämlich den Bereich der Wirtschaftskriminalität, auch auf die Gefahr hin, daß der Kollege Dorn mich wieder „rügt". Gerade wirtschaftsdeliktisches Verhalten ist einer Aufklärung nur zugänglich, wenn der Polizeibeamte, der Richter, der Staatsanwalt auch über das nötige spezifische Rüstzeug, die nötigen Fachkenntnisse im Wirtschaftsleben verfügen. Aber gerade hier stehen sich wie in einem Zweikampf der kenntnisreiche - und daher noch übermächtige - Verbrecher und die bisher nur mangelhaft ausgebildeten Strafverfolgungsbehörden gegenüber. Gerade der Wirtschaftsverbrecher bedient sich aller Massenmedien, aller Verkehrsmittel, zahlreicher Nachrichtenverbindungen und nicht zuletzt einer ausgeklügelten gesellschaftsfeindlichen Rechtsberatung. Die Verfolgung einer Vielzahl von Straftaten mit Millionenschaden ist offensichtlich mangels ausreichender Sachkunde ergebnislos geblieben. Hierdurch wird verdeutlicht, daß die Polizei, der Staatsanwalt und der Richter in dem Erkennen wirtschaftsdeliktischen Verhaltens nachdrücklicher zu schulen sind und daß die mangelnde Ausbildung mit eine Ursache für die wachsende Kriminalität gerade auf diesem Gebiet ist.
Die beste Fortbildung der Beamten ist natürlich der ständige Kontakt im Bereich der Wirtschaftskriminalität zwischen Staatsanwalt und Polizei sowie die fortgesetzte Auswertung kaufmännischer
) Verhaltensweisen, die Auswertung aller im Ermittlungsverfahren sichergestellten Bilanzen und Buchführungsunterlagen, die Kontaktpflege zu den verschiedenen Finanzämtern, informatorische Besprechungen mit den Leitern der Landeszentralbanken über Gepflogenheiten beim Ankauf von Wechseln, die Auswertung aller beim Vergleichs- und Konkursgericht gestellten Anträge. Selbstverständlich müssen sich der Polizeibeamte und der Staatsanwalt auch gute Kenntnisse in der Buchführung und Bilanzierung aneignen.
Die Weiterbildung kann aber nur in der Praxis erfolgen. Aus diesem Grunde sollte bei der Kriminalpolizei an die Einführung sogenannter gleitender Planstellen gedacht werden - man sollte es zum mindesten prüfen -, die dem Beamten die Beförderung innerhalb des Sachgebietes ermöglichen und eine Versetzung in ein artfremdes Sachgebiet, in dem er seine früher erworbenen Kenntnisse nicht zielgerichtet verwerten kann, ausschließen. So viel zu dem Problem der Ausbildung.
Weil wir aber gerade im Bereich der Wirtschaftskriminalität immer knapp an fachkundigem Personal sein werden, empfiehlt es sich, gerade hier die Strafverfolgung für einen größeren Amtsbereich zu konzentrieren. Deshalb werden in meiner Fraktion auch Überlegungen angestellt, in Anlehnung an die Konzentration der Steuerstrafgerichte auch für Wirtschaftsstrafsachen generell Spezialamtsgerichte und Sonderstrafkammern vorzuschlagen, wie das meines Wissens in zwei Ländern bereits mit gutem Erfolg erprobt wird.
Es gäbe noch einiges zu den anderen Ursachen der Kriminalität im Bereich des Kreditwesens, im Bereich der Steuer- und Zolldelikte, im Bereich der Jugendkriminalität zu sagen. All das müssen wir uns aber heute wegen der Zeitknappheit versagen. Ich möchte zum Abschluß nur noch folgendes ansprechen.
Die steigende Kriminalität erfüllt uns mit großer Sorge und sie bringt, wie Kollege Picard gesagt hat, auch die Gefahr mit sich, daß die Rechtstreue unserer Bevölkerung allmählich untergraben wird. Doch müssen wir dazu folgende grundsätzliche Feststellungen treffen.
Die steigende Kriminalität ist nicht nur ein deutsches Problem, sie ist auch ein europäisches, ja ein weltweites Problem. Es darf uns nicht beruhigen, aber es gibt doch einen guten internationalen Vergleich wieder, wenn ich feststelle, daß die deutsche Steigerungsquote wesentlich niedriger als die unserer europäischen Nachbarn ist. Ich möchte hier nur einmal auf das schwedische Beispiel hinweisen. Es macht besonders deutlich, daß wir es heute eben auch mit einer ganz besonderen Art der Kriminalität, nämlich mit der Wohlstandskriminalität, zu tun haben. Auch der amerikanische Wahlkampf stand im Zeichen der wachsenden Kriminalität. Die Rückkehr zu Gesetz und Ordnung ist ja die Parole gewesen, auf die Millionen von Amerikanern am stärksten reagiert haben. Unter diesem Aspekt müssen wir auch Humphreys bissige Bemerkung sehen, er wolle nicht zum Sheriff, sondern zum Präsidenten des amerikanischen Volkes gewählt werden. Aber die Amerikaner haben verärgert reagiert auf die echte oder angebliche Tolerierung von Straftaten durch eine, wie sie meinen, zu liberale Gesetzgebung, Rechtsprechung oder Exekutive, die die großen wie die kleinen Gauner durch ihre Netze schlüpfen läßt.
Im internationalen Vergleich können sich unsere Polizeibehörden mit der von ihnen erzielten Aufklärungsquote durchaus mit den anderen Ländern messen, und das trotz ihrer im Vergleich zur Aufgabe unzureichenden Ausstattung an Sachmitteln, ihrer unzureichenden Personalausstattung und trotz einer Bezahlung, die meiner Ansicht nach nicht in allen Punkten den Entbehrungen und Gefahren entspricht, die dieser Dienst mit sich bringt.
-Wenn wir nicht bald auf kriminalpolitischem Gebiet zu entscheidenden Verbesserungen kommen, wird man - da möchte ich zum Abschluß ein Wort des Herrn Präsidenten des Bundeskriminalamts zitieren - vielleicht eines Tages tatsächlich von den 60er Jahren als der guten alten Zeit, aber auch von einer Zeit sprechen, in der entscheidende Versäumnisse begangen wurden.
Für meine Fraktion darf ich abschließend feststellen, daß wir uns der Ursachen und der Bekämpfung der wachsenden Kriminalität in besonderer Weise auch in Zukunft annehmen werden.
({1})
Das Wort hat der Abgeordnete Mischnick.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Kollege Picard hat es für richtig gehalten, hier über das Verhalten der Freien Demokraten in Frankfurt am Main und Hessen zu sprechen. Seine Ausführungen dazu waren von keiner Sachkenntnis getrübt.
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1. Die FDP hat sich nicht gegen die Polizei gewandt, sondern Mängel der Polizeiführung zur Diskussion gestellt. Das ist die Pflicht von Stadtverordneten.
2. Die FDP hat im Januar 1968 Anträge gestellt, die Ausrüstung der Polizei mit Funkgeräten und -wagen zu verbessern. CDU und SPD in Frankfurt hatten das abgelehnt
({1})
und dann acht Monate später diesen Zustand bejammert.
3. Aufgabe der Abgeordneten, sowohl im Landtag als auch in einer Stadtverordnetenversammlung, ist es, zu prüfen, ob Erlasse eines Ministers eingehalten werden. Wenn Polizeibeamte es trotz Erlaß ablehnen, ihren Namen, wie es darin heißt, laut und vernehmlich zu nennen, so ist es Aufgabe der Stadtverordneten, zu prüfen, aus welchen Gründen das geschieht.
4. Sie haben von „Knüppelgarde" im nahen Zusammenhang mit der Kritik an der FDP gesprochen. Um mögliche Mißdeutungen auszuschalten, möchte ich hier feststellen, daß zwar ein leitender Funktionär der Gewerkschaft der Polizei dem Fraktionsvorstand der FDP in Frankfurt unterstellte, die Polizei als „Knüppelgarde" bezeichnet zu haben, daß sich aber bei Prüfung des Protokolls heraustellte, daß der Begriff „Knüppelgarde" nur in der Rede des Oberbürgermeisters vorkam, nicht als Meinung, sondern als Zitat, und von sonst niemandem verwandt worden ist.
({2})
Das Wort hat der Parlamentarische Staatssekretär Köppler.
Köppler, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte die Kontroverse, die hier entstanden ist, nicht fortsetzen. Sie werden das von mir auch nicht erwarten.
({0})
Aber ich erlaube mir doch noch einige Anmerkungen, die ich so kurz wie möglich halten will, zu den hier vorliegenden Drucksachen und zum Verlauf der Aussprache. Über den Stand und die Wachstumsrate der gesamten Kriminalitätsentwicklung hierzulande und die Probleme, die sich daraus ergeben, will ich mich nicht näher äußern.
Dazu ist vieles gesagt worden, und ich glaube, ich kann Übereinstimmung zwischen allen Rednern und
der Bundesregierung in zwei Punkten feststellen, erstens darin, daß das Anwachsen der Kriminalität, namentlich im Bereich der Vermögensdelikte, der Eigentumsdelikte, mehr als nur ein Alarmzeichen darstellt und alle Verantwortlichen zu überlegtem Handeln zwingt, und zweitens in der Feststellung - wir können sie sicher gemeinsam treffen -, daß dieses Phänomen der Kriminalitätsentwicklung ein Zeichen ist, das in der ganzen Welt als Zivilisationsphänomen vergleichbaren Staaten eigen ist, und daß wir hier einen gesellschaftspolitischen, einen gesellschaftlichen Hintergrund der Kriminalität sehen, der es uns nicht erlaubt, diesem Phänomen und diesem Problem ausschließlich mit polizeilichen Mitteln entgegenzutreten. Ich glaube, die Uberwindung dieses Phänomens ist eine gesellschaftspolitische Aufgabe umfassenden Ranges. Damit soll die Notwendigkeit auch polizeilicher Überlegungen und polizeilicher Maßnahmen nicht bestritten werden, aber es wäre sicher falsch, ausschließlich hierin die Möglichkeit der Bewältigung der anstehenden Probleme suchen zu wollen.
Ich möchte noch in einem dritten Punkt dem Herrn Kollegen Hübner ausdrücklich zustimmen. Ich möchte aber zunächst auch von der Bundesregierung her die Gelegenheit nutzen, ihm für seine künftige Aufgabe alle guten Wünsche zu übermitteln. Wir sind uns einig darin, wie sehr gerade an der Stelle, an der er wirken wird, solche guten Wünsche angebracht sind.
({1})
Ich bin völlig seiner Meinung, daß es Sinn der polizeilichen Überlegungen angesichts dieser Kriminalitätsentwicklung sein muß, zunächst alles zu tun, um mögliche Straftaten zu verhindern. Dann allerdings ist alle Energie darauf zu verwenden, auch die repressive Tätigkeit der Polizei so auszustatten und so zu ermöglichen, daß ihre Erfolgsquote ausreicht. Wir müssen uns darüber klar sein, daß nichts der Ordnung eines Staates mehr Schaden zufügen kann als die Tatsache, daß Verstöße gegen die Strafnormen dieses Staates und dieser Ordnung nicht in dem nötigen Maße aufgeklärt und gesühnt werden.
Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich zu den in die Zukunft gewandten Überlegungen, die in dieser Debatte angestellt worden sind, noch einige konkrete Anmerkungen machen! Ich glaube, die gegenwärtige Lage der eigentlichen polizeilichen Verbrechensbekämpfung ist durch drei Probleme gekennzeichnet. Einmal handelt es sich um Organisationsfragen, dann um Fragen der Ausstattung der Polizei und schließlich um Personalfragen.
Zu den Organisationsfragen möchte ich hier eines einmal klarstellen, was zwar in der Debatte schon wiederholt sachlich geklärt worden ist, was aber auch seitens der Bundesregierung, glaube ich, einer klärenden Feststellung bedarf. Es ist in der deutschen Öffentlichkeit immer wieder zu hören, daß die gegenwärtige Verfassungsstruktur einer wirksamen Verbrechensbekämpfung hinderlich sei. Weit verbreitet ist auch die Vorstellung, daß es nur einer Einrichtung wie etwa des amerikanischen FBI bedürfe, um hier alle Probleme zu lösen. Meine Damen und Herren, lassen Sie mich doch einmal fest11178
Parlamentarischer Staatssekretär Köppler
stellen, daß sich die deutsche Kriminalpolizei in ihrer Tätigkeit und ihrer Erfolgsquote mit dieser vielgepriesenen Einrichtung in den Vereinigten Staaten durchaus messen kann und mehr als das, wenn auch vielleicht nicht in der Publicity, die bei der deutschen Kriminalpolizei nicht ganz so groß ist wie bei bestehenden Einrichtungen in anderen Ländern. Ich möchte in aller Form feststellen, daß die Bundesregierung die Einrichtung einer auf Bundesebene zentralisierten Kriminalpolizei weder jemals gefordert hat noch einer solchen Lösung, die auf dem Boden der geltenden Verfassung ohnehin nicht zu realisieren wäre, das Wort reden wollte. Wie jede staatliche Verwaltung - auch das ist schon gesagt worden - muß auch die Kriminalpolizei in örtliche Stellen, Mittelinstanzen und zentrale Dienststellen gegliedert sein. Davon müßte auch eine Bundeskriminalpolizei selbstverständlich ausgehen. Insofern unterscheide ich mich nicht von der Auffassung, die Herr Kollege Schlager in Zitierung des bayerischen Innenministers hier vorgetragen hat. Im grundsätzlichen Aufbau würde sich gegenüber der jetzigen Regelung kaum etwas ändern, auch wenn man eine Bundeskriminalpolizei schaffen wollte. Aber mit der Feststellung, daß die Kriminalpolizei grundsätzlich Sache der Länder bleiben kann, ist selbstverständlich nicht die Schlußfolgerung verbunden, daß die gegenwärtige Regelung in jeder Hinsicht der Weisheit letzter Schluß ist. Gewisse Akzentverschiebungen scheinen einer Überprüfung wert.
Auch die Überlegungen sind richtig, ob dem Bundeskriminalamt nicht im Rahmen der gegenwärtigen Verfassung in begrenztem Umfang das Recht, selbst exekutive Ermittlungen zu führen, über den bisherigen Rahmen hinaus zugebilligt werden muß, wenn für eine solche Übernahme kriminaltaktische Gründe einen zwingenden Anlaß geben. Das gilt ganz besonders für das Gebiet der Staatsschutzkriminalität, weil es sich z. B. bei hochverräterischen und landesverräterischen Straftaten immer wieder um weitverzweigte Tatkomplexe handelt, deren Aufklärung einen umfassenden Überblick über die Sachzusammenhänge erfordert. Es scheint mir auch erwägenswert - auch da möchte ich dem Kollegen Hübner folgen - die regionalen Zentralstellen, die Landeskriminalämter, zu exekutiven Stellen auszubauen und darüber hinaus sowohl dem Bundeskriminalamt als auch den Landeskriminalämtern gewisse Koordinierungsbefugnisse einzuräumen. Entsprechende detaillierte Vorstellungen sind von dem zuständigen Abteilungsleiter im Bundesinnenministerium bereits in der öffentlichen Informationssitzung des Innenausschusses dieses Hohen Hauses am 24. Oktober vorgetragen worden.
Herr Kollege Dorn, ich möchte aber in diesem Zusammenhang nicht unerwähnt lassen, daß eine von Ihnen richtig und erneut angesprochene Lücke in der Zusammenarbeit der Kriminalpolizei inzwischen durch ein Abkommen der Innenminister der Länder - nicht nur durch Absichten, sondern durch ein Abkommen - vom 4. Juli 1968 geschlossen worden ist. In diesem Abkommen wird jede Polizeibehörde ermächtigt, auch außerhalb des eigenen Zuständigkeitsbereichs im gesamten Bundesgebiet Ermittlungen zu führen, wenn solche einheitlichen Ermittlungen von der Sache her notwendig sind.
Noch wenige Sätze zum zweiten Problemkomplex, der Frage der technischen Ausstattung. Die Bekämpfung des überörtlichen Straftäters erfordert ganz sicher, daß die Kriminalpolizei ihre Kommunikationsmittel soweit als irgend möglich und alle gegebenen technischen Möglichkeiten voll ausnutzt. Hierzu zählt der beschleunigte Ausbau eines polizeieigenen Bildfunknetzes, mit dem sowohl Fahndungsmaßnahmen als auch erkennungsdienstliche Maßnahmen ohne räumliche Behinderung in der ganzen Bundesrepublik und notfalls auch über die Bundesrepublik hinaus schnellstens eingeleitet und durchgeführt werden können. Das Bundeskriminalamt ist ab 1. Januar 1969 hierfür sende- und empfangsbereit, und ich bin zuversichtlich, daß sich die Länder sehr bald diesem Bildfunknetz anschließen werden.
Auch auf dem Gebiet der Elektronik liegen für die Kriminalpolizei Möglichkeiten zur Beschleunigung und Erweiterung des Informationsaustausches. Als ersten Schritt auf diesem Wege erstellt das Bundeskriminalamt seit 1. November 1968 das Personenfahndungsbuch elektronisch und stellt den Ländern entsprechende Bandkopien zur Verfügung. Ich hoffe sehr, daß auf diesem Gebiet bald weitere Fortschritte gemacht werden können. Wir wissen alle, daß mit der weiteren Ausstattung der Polizei nicht unerhebliche finanzielle Aufwendungen verbunden sein werden. Die Bundesregierung wird darum besorgt sein, daß der auf den Bund zukommende Anteil rechtzeitig bereitgestellt wird. Ich bin sicher, daß auch die Länder das gleiche tun werden, ohne daß es dafür eines besonderen Weisungsrechts des Bundes bedarf.
Ein letztes, die Personalfragen. Wir müssen uns darüber klar sein, daß auch bei Ausnutzung aller technischen Möglichkeiten die Bekämpfung der Kriminalität, soweit sie Sache der Polizei sein und bleiben muß, auch in Zukunft in der Hauptsache eine Personalfrage bleiben wird.
In der Verbrechensbekämpfung wird die Maschine den Kriminalbeamten nie ersetzen. Sie wird für ihn nur ein Hilfsmittel bleiben und in neuen Bereichen werden müssen. Bei steigender Kriminalität wird man deshalb nicht um eine personelle zahlenmäßige Verstärkung der Kriminalpolizei herumkommen, um allein den gegenwärtigen Stand der Aufklärungsquote halten zu können. Wenn man sich mit dem gegenwärtigen Stand der Verbrechensbekämpfung nicht zufriedengeben will - und ich glaube, wir sollen und dürfen uns nicht zufrieden geben -, dann wird man weitere personelle Verstärkungen beschließen müssen.
Ich will die bisherigen Anstrengungen der Länder auf diesem Gebiet damit nicht schmälern. Meines Erachtens ist das personelle Problem nicht nur ein solches quantitativer, sondern mindestens im gleichen Umfang auch qualitativer Art. Wir dürfen unsere Kriminalbeamten nicht für die Kriminalität von gestern und auch nicht für die von heute ausParlamentarischer Staatssekretär Köppler
bilden, sondern wir müssen die Ausbildung auf die Kriminalität des Jahres 1980, der nächsten Jahrzehnte, ausrichten. Deshalb müssen künftig bei der Auswahl der Bewerber für die Kriminalpolizei einfach wesentlich höhere Anforderungen an ihre geistige Beweglichkeit gestellt werden. Die Ausbildung muß - darüber sind wir uns nach den eingehenden Beratungen im Innenausschuß einig - weiter intensiviert werden. Ich glaube, daß insbesondere die Ausbildung des Führungsnachwuchses auf eine qualitativ hohe Stufe gestellt werden muß.
Meine Damen und Herren, ich habe versucht, Ihnen in gedrängter Form in aller Offenheit einige Überlegungen der Bundesregierung zu den in letzter Zeit aktuellen Fragen der Verbrechensbekämpfung mitzuteilen. Die Bundesregierung hat auch die Absicht - was ich im übrigen diesem Hohen Hause schon in der Antwort auf eine Anfrage im Zusammenhang mit dem Fall Lüdke bekanntgegeben habe -, nach Abschluß der notwendigen Vorklärungen einen entsprechenden Änderungsvorschlag zu dem Gesetz über die Einrichtung eines Bundeskriminalpolizeiamtes vorzulegen. Sie läßt sich allerdings gern von diesem Hohen Hause - in dem, wie ich weiß, ähnliche Überlegungen angestellt werden - hier sozusagen überrunden. Die Bundesregierung würde es auch dankbar begrüßen, wenn eine entsprechende Vorlage aus dem Hohen Hause selbst eingebracht würde.
Ich glaube aber auch, deutlich gemacht zu haben, daß entgegen der vielleicht Ihrem Antrag, l err Kollege Dorn, zugrunde liegenden Auffassung mit gesetzlichen Maßnahmen allein eine verbesserte Effektivität der Verbrechensbekämpfung nicht erreicht werden kann. Dazu ist, um das noch einmal zu sagen, eine umfassendere Anstrengung im Rahmen eines gesellschaftspolitischen Konzepts notwendig.
({2})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Schmitt-Vockenhausen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die heutige Debatte hat - ich glaube, das ist sehr wesentlich - deutlich gemacht, daß es nicht so ist, als ob in den letzten Jahren Bund und Länder auf dem Gebiet der Verbrechensbekämpfung nichts getan hätten, sondern daß schon sehr viel geschehen ist, daß wir aber - wie auch auf vielen anderen Gebieten - natürlich noch große Anstrengungen unternehmen müssen, um alles das zu tun, was unter den veränderten Verhältnissen notwendig ist.
Ich möchte die Gelegenheit benutzen, Ihnen, Herr Kollege Hübner, hier herzlich dafür zu danken, daß Sie als Berichterstatter in diesem Jahr im Innenausschuß in so sorgfältiger, subtiler Kleinarbeit mit zu dem Gelingen dieser Aufgaben beigetragen haben. Ich bin der dritte, der Ihnen sagt, daß wir Ihnen aber auch in Ihrem neuen Amt in Berlin alles Gute wünschen.
Hier ist im Laufe der Debatte auch noch einmal die Frage der allgemeinen Stellung der Polizei angesprochen worden. Der beste Beitrag, den ich dazu
gelesen habe, ist der von Jürgen Eick in der „FAZ"
- „Die Polizei, dein ,Was?" vom 9. 10. 1968 -, der hier in den Beiträgen gewissermaßen einen Niederschlag gefunden hat.
Meine Damen und Herren, der Polizei ist nie mit pauschalen Ehrenerklärungen gedient; das wissen die Beamten am besten. Was die Beamten brauchen, ist, daß die Politiker ganz klar und eindeutig auch dann zum Auftrag und zu den Aufgaben der Polizei stehen, wenn es einmal schwierige Situationen gibt und Gesetz und Recht durchgesetzt werden müssen.
({0})
Meine sehr verehrten Damen und Herren, nun ist hier heute sehr viel zu den aktuellen Problemen gesagt worden. Die Kompetenzen des Grundgesetzes reichen aus, Herr Staatssekretär, darüber sind wir einig. Wenn die Kollegen von der Opposition anderer Meinung gewesen wären, hätten sie ja in der Debatte in dieser Woche auch einen entsprechenden Antrag eingebracht; das ist nicht geschehen.
({1})
- Nein, es geht ja jetzt um die Kompetenzen, die in Art. 73 Nr. 10 des Grundgesetzes festgelegt sind und die wir im Innenausschuß im Hearing eindeutig erörtert haben.
({2})
- Aber, entschuldigen Sie, Sie hätten ihn erst einmal stellen sollen, dann hätten wir ihn geprüft.
({3})
- Ja selbstverständlich, das machen wir immer mit allen Anträgen. Nur ergibt sich gelegentlich, daß der Inhalt des Antrags den Anforderungen nicht so entspricht, daß man ihn annehmen kann; aber das ist eine andere Frage.
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- Entschuldigen Sie, Herr Kollege Genscher, so etwas können Sie doch nur sagen, wenn in all den Jahren die ganze Arbeit auf dem Gebiete der Verbrechensbekämpfung völlig unbemerkt an Ihnen vorbeigegangen ist, was offensichtlich der Fall ist -; sonst würden Sie wissen, daß wir uns gerade auf diesem Gebiet in all den Jahren sehr viel Mühe gegeben haben.
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- Entschuldigung, das steht hier doch gar nicht zur Debatte!
Was hier eine entscheidende Rolle spielt und deutlich geworden ist, meine Damen und Herren, ist die Tatsache, daß in der Bundesrepublik die Arbeit der Verbrechensaufklärung in der Bewertung der Öffentlichkeit ein bißchen zu kurz kommt, weil es in diesem Land nicht so eine Art Identifikation bestimmter kriminalpolizeilicher Behörden mit Literatur, mit öffentlicher Meinung gibt, wie das nun einmal in England, in Amerika usw. der Fall ist - dafür sind wir ein Bundesstaat mit all den Konsequen11180
zen -, und nicht zuletzt auch deshalb, weil unser Bundeskriminalamt - das haben der Herr Kollege Hübner und andere deutlich gesagt - in der augenblicklichen Situation zu stark Aktenfriedhof ist und zuwenig die Möglichkeit zur aktiven Arbeit hat. Wir hoffen, daß wir hier in den weiteren Beratungen vernünftige Wege finden.
Was über die Bewaffnung der Polizei und die Ausrüstung sonst noch gesagt worden ist, meine Damen und Herren, insoweit wurde durch Gesetzgebungsakte hier viel erledigt. Wir haben in der letzten Woche durch die Ergänzung des Wehrpflichtgesetzes dafür gesorgt, daß der Bundesgrenzschutz auf seine Sollstärke kommt. Das war die Voraussetzung für den Beschluß der Innenministerkonferenz, daß die Granatwerfer an den Bund zurückgehen können. Das war weiterhin auch die Voraussetzung dafür, daß man sich nunmehr überlegen kann, wie die Ausbildung der Polizei zu verbessern und zu ändern wäre. Das alles haben wir ohne großen Aufwand, ohne große Anträge in den letzten Wochen und Monaten hier zu Ende behandelt und damit die Voraussetzungen für eine weitere Verbesserung auf dem Gebiete der Polizei geschaffen.
Wir haben noch einen letzten Antrag vorliegen, den über die Polizeikonvention. Da warten wir noch die weiteren Erörterungen in der juristischen Kornmission des Europarates ab. Aber auch da werden wir, wie man sagt, am Ball bleiben, wir werden uns um diese Dinge weiter kümmern.
Nun noch ein letztes. Hier ist gesagt worden, das Zweite Besoldungsneuregelungsgesetz sei gewissermaßen polizeifeindlich. Ich kann das nicht finden. Ein bißchen Erregung ist in der Polizei durch einen Antrag der verehrten Kollegen von der FDP über die Unteroffiziersbesoldung entstanden, weil die Polizeibeamten das Gefühl haben, sie würden dadurch zurückgesetzt. Aber ich bin sicher, daß Sie den Antrag nicht so gemeint haben. Wir werden bei dem Zweiten Besoldungsneuregelungsgesetz selbstverständlich dafür sorgen, daß auch die Stellung der Polizeibeamten im ganzen Gefüge so bleibt, wie das zur Erfüllung des Auftrags notwendig ist.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich meine, wir müssen dafür sorgen, daß wir jetzt vor allem die Offentlichkeit etwas stärker über diese Fragen unterrichten, auch darüber, was auf diesem Gebiet geleistet wird und was noch zu tun ist. Das ist in den letzten Jahren etwas zu kurz gekommen, weil wir einfach aus dem Gefühl heraus gehandelt haben: Wir sind uns im Grunde alle - von hier bis da - über die Grundfragen einig. Aber wir sollten auch den guten Dienst der zahlreichen Publikationsorgane und Massenmedien in Anspruch nehmen, von denen wir doch erwarten können, daß diese Arbeit in sehr starkem Umfang unterstützt wird.
Für die Zusammenarbeit mit den Massenmedien, die in den letzten Wochen seit der öffentlichen Sitzung deutlich geworden ist, darf ich herzlich danken. Wir sollten erwarten, daß uns die Bundesregierung mit dem nächsten Bericht, einem Zwischenbericht, wie der Herr Kollege Hübner gesagt hat, die Basis für eine weitere Debatte in diesem Hohen Hause gibt.
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Das Wort hat der Abgeordnete Dorn.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Leider zwingen mich die Ausführungen des Kollegen Schmitt-Vockenhausen, doch noch ein paar Worte zur sachlichen Klarstellung zu sagen. Herr Kollege Schmitt-Vockenhausen, zu Ihrer polemischen Bemerkung, der Antrag der FDP-Fraktion zur Unteroffiziersbesoldung habe eine Unruhe in die Polizeibeamtenschaft wegen deren Besoldung hineingetragen,
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kann ich Ihnen nur sagen, daß das, was Sie hier miteinander verbinden - das wissen Sie viel zu gut, weil Sie viel zu lange in der Materie stecken -, weder von der Sache, noch von der Argumentation her etwas miteinander zu tun hat.
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Wir haben unseren Antrag eingebracht. Die Entscheidung über den Antrag ist im Verteidigungsausschuß - mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen - zurückgestellt worden, weil die Bundesregierung - und zu der Regierungskoalition gehören Sie ja nun auch - einen in der Sache gleichen Antrag zum zweiten Besoldungsneuregelungsgesetz vorlegen wird. Im Endergebnis wird also genau das durchgeführt werden, was wir beantragen. Ich glaube also, daß das, was Sie vorgetragen haben, schon allein aus diesem Gesichtspunkt nicht die Wertung 'ergeben kann, die Sie beabsichtigen.
Zu der Frage der Besoldung der Polizeibeamten darf ich Ihnen, Herr Kollege Schmitt-Vockenhausen, folgendes sagen. Wir Freien Demokraten haben uns in den Landtagen nachweisbar in einer entsprechenden Form für eine Verbesserung der Besoldung der Polizeibeamten eingesetzt. Das haben wir in der Vergangenheit getan, das tun wir in der Gegenwart, und in der Zukunft werden wir uns in dieser Frage genauso verhalten. Wir sehen also keinerlei Anlaß, für irgendeine Beunruhigung bei der Polizeibeamtenschaft; eine solche kann auch nicht durch solche Argumente in die Polizeibeamtenschaft hineingetragen werden.
Herr Abgeordneter Schmitt-Vockenhausen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich weiß, daß ich das Mißfallen des einen oder anderen Kollegen errege, wenn ich mich in dieser Stunde noch einmal zu Wort melde. Ich wollte nur noch einmal ganz deutlich sagen: Wir haben uns immer dazu bekannt, daß bei keiner Gruppe Veränderungen erfolgen, ohne daß man auch andere Gruppen sieht. Das ist auch der Sinn der vorliegenden Vorschläge. Wenn jetzt
Beunruhigung .entstanden ist, dann können Sie nicht ganz bestreiten, daß das andere - - bitte schön, Herr Kollege!
Herr Kollege Schmitt-Vockenhausen, sind Sie bereit, mir zuzugeben, daß der Deutsche Bundestag - Sie mit, Herr Kollege Schmitt-Vockenhausen - in zwei Entschließungen die Bundesregierung aufgefordert hat, die Strukturverbesserung in der Besoldung der Unteroffiziere vorzunehmen und baldmöglichst die. Vorlage dem Parlament vorzulegen?
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- Sehen Sie, Herr Schmitt-Vockenhausen, wir haben das eben getan. Die Regierung hat etwas länger dazu gebraucht.
Meine Damen und Herren! Wir werden beim zweiten Besoldungsneuregelungsgesetz diese Frage regeln. Ich kann hier nur sagen: Wir wissen selbstverständlich, daß wir bei jeder Entscheidung für bestimmte Gruppen auch alle anderen Bereiche mit sehen müssen. Das heißt, kein Polizeibeamter soll sich Sorgen machen, daß hier die Regierungskoalition nicht alle Bereiche übersieht.
Im übrigen hindert uns die Grundgesetzänderung zu Art. 75, wenn sie in Kraft tritt, gar nicht. Sie tritt ja erst am 1. Juni in Kraft. Das ist der späteste Termin, zu dem die Regierungsvorlage in Kraft tritt und wir in der Lage sind, diese Probleme zu regeln. Das wollte ich nur zur Klarstellung sagen.
Damit ist die Aussprache geschlossen. Wir kommen zur Beschlußfassung über den Antrag der Abgeordneten Dorn, Frau Diemer-Nicolaus und der Fraktion der FDP betr. wirksame einheitliche Verbrechensbekämpfung. Der Ältestenrat empfiehlt, diesen Antrag dem Innenausschuß zu überweisen. - Gegen diesen Vorschlag wird kein Einwand erhoben; es ist so beschlossen.
Punkt 25: Der Ausschußbericht Drucksache V/3569 muß verabschiedet werden. Ich glaube, wir können den Antrag des Ausschusses im ganzen verabschieden, brauchen nicht über die einzelnen Punkte gesondert abzustimmen. - Wer dem Ausschußantrag zustimmt, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? Einstimmig angenommen.
Dann, meine Damen und Herren, darf ich auch vom Präsidium her dem Kollegen Klaus Hübner, der ja heute morgen noch einen sehr sachlichen Beitrag zu unserer Arbeit geleistet hat, herzlich danken und Glück wünschen für die schwere Aufgabe, die er zweifellos in Berlin übernommen hat. Er verläßt das Haus. Ich hoffe, daß ihn die Arbeit, die er in Zukunft zu übernehmen und durchzuführen hat, voll befriedigt. Ich kann nicht sagen, ich wünsche, daß er bald wieder in unsere Reihen zurückkehrt. Er ist ja schon einmal mit einer kurzen Unterbrechung Mitglied des Hauses gewesen. Auf jeden Fall, Herr Kollege: herzlichen Glückwunsch, und herzlichen Dank für Ihre fruchtbare Arbeit hier im Hause.
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Meine Damen und Herren, wir haben noch die beiden Punkte zu behandeln, die heute früh auf die Tagesordnung gesetzt worden sind, zunächst:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Erhöhung der jährlichen Sonderzuwendung im Jahre 1968
- Drucksachen V/3617, V/3558 -Mündlicher Bericht des Innenausschusses ({1})
- Drucksache V/3644 Berichterstatter: Abgeordneter Gscheidle Der Berichterstatter hat das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Ausschuß für Inneres hat gestern die beiden Drucksachen, und zwar den Entwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes über die Erhöhung der jährlichen Sonderzuwendung im Jahre 1968 - Drucksache V/3617 - und den Antrag der FDP-Fraktion Drucksache V/3558 - Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Gewährung einer jährlichen Sonderzuwendung - beraten.
Die Bundesregierung ging bei ihrem Entwurf davon aus, daß nur 40 Millionen DM zur Verfügung stehen, und mußte deshalb ihren Entwurf so gestalten, daß die Mittel so verwendet werden, beginnend bei den unteren Besoldungsgruppen, wie die Mittel reichen, also auslaufend mit Besoldungsgruppe A 6 einschließlich Amtszulage.
Der Entwurf der FDP ging dahin, allen Beamten und Soldaten die Erhöhung von 33 1/3 auf 40 % zu gewähren.
Eine nachträgliche Prüfung der Haushaltsmittel hat ergeben,
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- ich enthalte mich als Berichterstatter solcher Äußerungen, Herr Kollege -, daß die Restmittel aus dem Jahre 1968, die in Frage kommen, dafür ausreichen, allen Soldaten und Beamten die erhöhte Sonderzuwendung zu gewähren.
Der Ausschuß hat bei der Erörterung dieser Frage wie in den vergangenen Jahren zwei Punkte in die Diskussion einbezogen:
Erstens die Frage der Gewährung dieser Sonderzuwendung an Angehörige des öffentlichen Dienstes, die ihren Grundwehrdienst abgeleistet haben und wieder in den öffentlichen Dienst zurückgekehrt sind. Hier stellte sich schon in der Vergangenheit das Problem, ob man für diese Angehörigen des Öffentlichen Dienstes den Grundwehrdienst nicht als öffentlichen Dienst anerkennen könnte, das heißt, den Zurückkehrenden die volle Sonderzuwendung ausbezahlen könnte. Im Sinne der Diskussion über Wehrgerechtigkeit wird das
Haus sicherlich Verständnis dafür haben, daß die Frage, wenn auch diesmal noch nicht entschieden, im Zusammenhang mit dem Zweiten Besoldungsneuregelungsgesetz entschieden werden muß. Der Ausschuß konnte sich dazu gestern noch nicht entschließen, weil es hier besoldungs- und beamtenrechtliche Zusammenhänge gibt, die einer weiteren Prüfung bedürfen. Aber es wurde erkennbar, daß der Ausschuß mehrheitlich doch der Auffassung zuneigt, dies im Zweiten Besoldungsneuregelungsgesetz positiv zu regeln.
Die zweite Frage ist der Komplex: Zusatzversorgung für Arbeiter und Angestellte des öffentlichen Dienstes. In den Satzungsbestimmungen dieser Zusatzkassen findet sich die 'Regelung, daß den Arbeitern und Angestellten des öffentlichen Dienstes über diese Zusatzkassen eine beamtenähnliche Versorgung gewährt werden soll.
Dies ist in der Vergangenheit im Streit geblieben, weil die Zusatzkassen die Sonderzuwendungen nur dann in .die Versorgungsregelung einbeziehen können, wenn die Rechtsnatur dieser Zahlung, und zwar geklärt im Hinblick auf Gehalts- oder Lohnbestandteil, eindeutig geklärt ist.
In der Vergangenheit, vermutlich wegen der finanziellen Auswirkungen auf diese Kassen, konnte man sich nicht dazu entschließen. Es ist aber für jedermann offenkundig, daß hier, je mehr sich diese Sonderzuwendung auf die Ausgestaltung eines 13. Monatsgehalts hin entwickelt, desto weniger in der Lage sind, den Betroffenen klarzumachen, daß zwar die Versorgungsempfänger an dieser Sonderzuwendung beteiligt werden, aber nicht die Angestellten und Arbeiter über die Zusatzkassen.
Der Ausschuß kam bei seinen Erörterungen noch nicht zu einem abschließenden Ergebnis. Aber die Bundesregierung wurde gebeten, noch einmal die unterschiedlichen Rechtsstandpunkte zu prüfen, und Erhebungen anzustellen, welche finanziellen Belastungen auf den Bund oder andere gesetzgebenden Körperschaften zukommen würden. Auch diese Frage soll dann im Zusammenhang mit dem Zweiten Besoldungsneuregelungsgesetz weiter erörtert und geprüft werden.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Wir treten in die zweite Beratung ein. Das Wort wird nicht weiter gewünscht.
Ich rufe die §§ 1, - 2, - 3 soll entfallen, 4 wird 3 und 5 wird 4 - sowie Einleitung und Überschrift auf. - Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Danke. Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei zwei Enthaltungen sind die aufgerufenen Paragraphen, die Einleitung und die Überschrift verabschiedet.
Wir treten in die
dritte Beratung
ein. Das Wort wünscht der Abgeordnete Dorn.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir freuen uns darüber, daß in der Sache unser Antrag nun doch noch angenommen worden ist. Es war ja ein interessantes Erlebnis,
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das Verhalten der Koalitionsfraktionen untereinander, miteinander und gegeneinander, in dieser Frage zu beobachten. Ich habe von einem Beamten aus meinem Kreisverband die Presseverlautbarungen der Fraktionen und einzelner Kabinettsmitglieder der Koalitionsparteien zu dieser Sache zusammengestellt bekommen. Wenn man es liest, mutet es fast wie ein modernes Märchen an. Es geht auch entsprechend aus.
Die Regierung hat also eine Entscheidung getroffen: die Weihnachtsgeldzahlungen bleiben bis auf die unteren Beamtengruppen bei 33 1/3%; sie werden nicht erhöht. 40 % wurden nur für die unteren Stufen vorgesehen.
Die SPD hat dann durch mehrfache Äußerungen von Abgeordneten der Koalitionsfraktion erklärt, das liege daran, daß der Finanzminister dagegen gewesen sei. Sie selbst, die SPD, sei selbstverständlich für eine Erhöhung auf 40 % gewesen, doch sie sei an dem Finanzminister gescheitert.
Am Tage darauf gab dann der Finanzminister eine ausführliche Gegendarstellung,
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die in einer ganzen Reihe von Zeitungen veröffentlicht worden ist. Er warf der SPD vor, daß sie in der Sache eine völlig falsche Darstellung gegeben habe. Er selbst habe an der Kabinettsitzung gar nicht teilgenommen, und die Entscheidung des Kabinetts sei einstimmig gefaßt worden, also auch mit den Stimmen der SPD-Mitglieder des Kabinetts.
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Damit war also die erste Runde der parteipolitischen Auseinandersetzungen innerhalb dieser Koalition beendet. Dann habe ich selbst Zeuge einer zweiten Runde sein dürfen, die auch nicht ganz uninteressant war. Der SPD-Vorsitzende Willy Brandt diskutierte im Deutschen Fernsehen mit politisch interessierten jungen Damen und Herren. Dabei stellte ihm einer, der der Jugend des Deutschen Beamtenbudes angehörte, sinngemäß die Frage: Sagen Sie, Herr Minister, wie kommt es, daß das Bundeskabinett in dieser Frage nun pötzlich wohl eine andere Auffassung einnimmt, nachdem also der Bummelstreik durchgeführt wurde? Und dann hat Willy Brandt eine hervorragende Sachdarstellung gegeben. Er hat erklärt: Erstens. Der Finanzminister hat gerechnet und stellte im Ergebnis fest, daß nicht genügend Geld dafür vorhanden war, und dann hat er noch einmal nachgerechnet, und dann stellte er plötzlich fest, daß doch genügend Geld vorhanden war. Deswegen wird also jetzt das Weihnachtsgeld erhöht. - Sehr logisch, sehr konsequent. - Nur lassen Sie mich hier noch ein Wort sagen - die Glaubwiirdigkeit der Regierung wird dadurch natürlich nicht erhöht. Denn erst wird im Kabinett festgestellt - einstimmig festgestellt -: es ist nicht genügend Geld dafür vorhanden, die Weihnachtsgeldzahlungen zu erhöhen, und dann setzt ein Bummelstreik ein, und dann beschließt dasselbe Kabinett wenige
Tage später, sie hätten also festgestellt, daß sie das Weihnachtsgeld doch erhöhen wollten, aber das sei selbstverständlich keine Reaktion auf den Bummelstreik.
Man habe vielmehr jetzt festgestellt, die Berechnungen hätten ergeben, daß man sich bei der ersten Berechnung getäuscht habe.
Wir empfehlen der Regierung zur Erhöhung ihrer Glaubwürdigkeit, in Zukunft gleich beim erstenmal richtig zu rechnen.
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Das Wort wird weiter nicht gewünscht. Wir kommen zur Schlußabstimmung.
Wer dem Gesetz im ganzen zustimmen will, den bitte ich, sich zu erheben. - Danke! - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei zwei Enthaltungen ist das Gesetz im übrigen einstimmig angenommen.
Ziffer 2 des Ausschußantrags ist noch zu erledigen. Die Ziffer 2 besagt, daß auf Grund der Beschlußfassung zu Nr. 1 der Antrag der Abgeordneten Dr. Miessner und Genossen für erledigt zu erklären sei. Ich nehme an, daß das ohne Widerspruch beschlossen werden kann. Widerspruch erfolgt nicht. Dann ist damit auch die Ziffer 2 des Ausschußantrags erledigt.
Ich rufe nun den letzten Punkt der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP eingebrachten Entwurfs eines Fünften Gesetzes zur Änderung des Bundesbesoldungsgesetzes
- Drucksache V/3488 -
a) Bericht des Haushaltsausschusses ({0}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung
- Drucksache V/3646 -
Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Althammer
b) Mündlicher Bericht des Innenausschusses ({1})
- Drucksache V/3645 - Berichterstatter: Abgeordneter Brück
Das ist ein Entwurf aller Fraktionen. - Wir treten in die zweite Beratung ein. Das Wort wird nicht gewünscht.
Ich rufe auf Art. 1, - Art. 2, - Einleitung und Überschrift. - Wer den aufgerufenen Artikeln zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Danke! Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das ist einstimmig beschlossen.
Wir treten ein in die
dritte Beratung.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort wird nicht gewünscht. - Die Aussprache ist geschlossen. Wir kommen zur Schlußabstimmung.
Wer dem Gesetz im ganzen zustimmen will, den bitte ich, sich zu erheben. - Danke! - Gegenprobe! ,- Enthaltungen? - Das Gesetz ist ein-, stimmig angenommen.
Meine Damen und Herren, damit sind wir am Ende der heutigen Sitzung. Das Haus tritt in die Weihnachtspause ein. Ich darf allen Mitgliedern des Hauses - selbstverständlich auch denen, die nicht anwesend sind; beinahe 40 Abgeordnete sind für Sitzungen des Europarats und des Europäischen Parlaments beurlaubt; das muß in diesem Zusammenhang angemerkt werden ({2})
- Parteitag der CSU - eine gesegnete Festzeit,
etwas Ruhe, nicht zu viele politische Verpflichtungen und eine gesunde Rückkehr im Januar wünschen.
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Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages ein auf Mittwoch, den 15. Januar 1969. Die Uhrzeit wird noch bekanntgegeben.
Die Sitzung ist geschlossen.