Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet.
Wenn ich so sehe, wie das Haus morgens um 9 Uhr besetzt ist, muß ich sagen, wir müßten wohl doch die Sitte der mediterranen Völker einführen und nachmittags beginnen und bis tief in den Abend hinein tagen.
Folgende amtliche Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Bundesminister des Innern hat am 26. November 1968 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Prochazka, Gierenstein, Dr. Hudak, Rainer, Schlager, Ziegler und Genossen betreffend internationale Studentenbrigaden - subversive Tätigkeit in der Bundesrepublik - Drucksache V/3405 - beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache V/3555 verteilt.
Der Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat mit Schreiben vom 21., 25. und 29. November 1968 mitgeteilt, daß gegen die nachfolgenden Verordnungen des Rates keine Bedenken erhoben worden sind:
Verordnung Nr. 766/68 des Rates vom 18. Juni 1968 zur Aufstellung allgemeiner Regeln über die Erstattungen bei der Ausfuhr von Zucker
Verordnung Nr. 988/68 des Rates vom 15. Juli 1968 über die Finanzierung der Interventionsausgaben und der Erstattungen für Obst und Gemüse
Verordnung Nr. 1703/68 des Rates vom 29. Oktober 1968 über den Pauschbetrag für nicht raffiniertes Olivenöl, das vollständig in Griechenland erzeugt wurde und aus diesem Land unmittelbar in die Gemeinschaft befördert wird
Verordnung ({0}) Nr. 1705/68 des Rates vom 30. Oktober 1968 zur Aufhebung der Beschränkung der Geltungsdauer der Verordnung Nr. 213/67/EWG zur Festsetzung des Verzeichnisses der repräsentativen Märkte für den Schweinefleischsektor in der Gemeinschaft
Verordnung ({1}) Nr. 1717/68 des Rates vom 30. Oktober 1968 zur Verlängerung der Geltungsdauer der Verordnung Nr. 754/67/EWG über die Beihilfe für Olivenöl
Verordnung des Rates
- zur Festsetzung der Richtpreise und Interventionsgrundpreise für Ölsaaten für das Wirtschaftsjahr 1968/69
- zur Festsetzung der Hauptinterventionsorte für Ölsaaten und der dort geltenden abgeleiteten Interventionspreise für das Wirtschaftsjahr 1968/69
- zur Änderung der Verordnung Nr. 116/67/EWG über die Bethilfe für Ölsaaten
- zur Änderung der Geltungsdauer der Verordnung Nr. 142/67/EWG über Erstattungen bei der Ausfuhr von Raps- und Rübensamen sowie Sonnenblumenkernen
- zur Festlegung der monatlichen Zuschläge zu dem Richtpreis und dem Interventionspreis für Ölsaaten für das Wirtschaftsjahr 1968/1969
- zur Änderung der Verordnung Nr. 876/67/EWG zur Einführung einer zusätzlichen Beihilfe für in Italien verarbeitete Raps- und Rübensamen
Verordnung des Rates betreffend die Finanzierung von Beihilfen für die Erzeugung von Traubenkernöl durch den EAGFL
- Drucksache V/2499 -
Die Vorlage des Rates zur Änderung der Verordnung Nr. 115/67/EWG zur Festsetzung der Kriterien für die Ermittlung des Weltmarktpreises für Ölsaaten und des Grenzübergangsortes ist nach Mitteilung des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten von der Bundesregierung zurückgezogen worden.
Der Älteste der Wahlmänner gem. § 6 Abs. 3 BVerfGG hat mit Schreiben vom 27. November 1968 mitgeteilt, daß als Nachfolger für den ausscheidenden Bundesverfassungsrichter Anton Henneka der Bundesrichter Dr. Hans-Justus Rinck gemäß § 4 Abs. 1 in Verbindung mit § 5 Abs. 1 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht in den Zweiten Senat für die Dauer seines Amtes als Bundesrichter beim Bundesgerichtshof gewählt worden ist.
Zu den in der Fragestunde der 199. Sitzung des Deutschen Bundestages am 28. November 1968 gestellten Fragen des Abgeordneten Dr. Müller-Emmert, Drucksache V/3529 Nrn. 30, 31 und 32 *) ist inzwischen die schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Köppler vom 28. November 1968 eingegangen. Sie lautet:
Ein Zusammenhang zwischen der im Haushaltsplanentwurf 1969 vorgesehenen Kürzung der Sportförderungsmittel gegenüber dem Haushalt 1968 und den Planungen zur Errichtung der sogenannten Bundeszentrale für Sport besteht nicht.
Die Sportförderungsmittel setzen sich zusammen aus Mitteln zur Förderung zentraler Maßnahmen auf dem Gebiet des Sports und Mitteln für die Spitzenfinanzierung des Turn- und Sportstättenbaus. ({2}) Die Mittel zur Förderung zentraler Maßnahmen sind nicht in gleicher Höhe wie 1968 veranschlagt worden, weil die besonderen Anforderungen durch die Olympiade in Mexiko in Wegfall gekommen sind. Der Mittelansatz für die Spitzenfinanzierung mußte gegenüber 1968 gesenkt werden, weil im Rahmen der mittelfristigen Finanzplanung höhere Beträge nicht zur Verfügung gestanden haben.
Inzwischen hat sich bei den Haushaltsberatungen im Deutschen Bundestag herausgestellt, daß eine Erhöhung der Ansätze sowohl für die zentralen Maßnahmen als auch für die Spitzenfinanzierung gegenüber dem Voranschlag erwartet werden kann.
Im übrigen ist nicht zu übersehen, wie hoch die Bau- und Betriebskosten für die „Bundeszentrale" nach Fertigstellung sein würden. Im Haushaltsplanentwurf 1969 ist lediglich ein Betrag von 20 000 DM vorgesehen.
Die Aufgaben, die die sogenannte Bundeszentrale für Sport übernehmen soll, liegen auf den Gebieten der angewandten Sportwissenschaft und der Sportdokumentation. Hierbei handelt es sich auf keinen Fall um ministerielle Aufgaben. Die Übernahme dieser Aufgaben durch bestehende oder, wie vorgeschlagen, neu zu schaffende Ministerien würde den Bestrebungen der Bundesregierung zuwiderlaufen, die Bundesministerien von allen Aufgaben zu entlasten, die nicht unbedingt in den Ministerien selbst wahrgenommen werden müssen, sondern durch andere Stellen erledigt werden können.
Die Bundesregierung hat den Gesetzentwurf über die Finanzreform dem Deutschen Bundestag vorgelegt. Die Entscheidung liegt nunmehr bei ihm.
Herr Kollege Genscher, Sie wünschen das Wort zur Tagesordnung?
({3}) - Zur Geschäftsordnung, bitte sehr!
*) Siehe 199. Sitzung, Seite 10706
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens der Fraktion der Freien Demokratischen Partei stelle ich den Antrag, den Antrag betreffend Entwurf eines Gesetzes über die Spitzengliederung der Landesverteidigung, Drucksache V/2994, auf die heutige Tagesordnung des Deutschen Bundestages zu setzen. Dieser Gesetzentwurf ist von meiner Fraktion am 7. Juni 1968 im Deutschen Bundestag eingebracht worden. Damit sollen eine Reihe von Fragen geregelt werden, die für die Effektivität der deutschen Landesverteidigung von höchster Bedeutung sind. Der Gesetzentwurf sieht vor, daß eine durchgehende Kommandostruktur für die Bundeswehr geschaffen werden soll, ferner, daß die Befehls- und Kommandogewalt über die Einheiten und Einrichtungen der militärischen und zivilen Verteidigung in Krieg und Frieden bei einem Inhaber konzentriert sowie ein Verteidigungskabinett geschaffen werden soll.
Ein Gesetzesauftrag in diesem Bereich, seit zehn Jahren vorliegend, ist bis heute nicht erfüllt worden. Die Fraktion der CDU/CSU hat in der letzten Sitzung des Ältestenrates der Aufsetzung dieses Entwurfs auf die Tagesordnung widersprochen. Nach unserer Auffassung dulden die Sache und das Anliegen, dem auch die heutige Debatte durch die Vorträge der Bundesminister des Auswärtigen und der Verteidigung dient, keinen längeren Aufschub.
Ich bitte deshalb namens der Fraktion der FDP, unserem Aufsetzungsantrag zuzustimmen.
({0})
Das Wort zur Tagesordnung hat der Abgeordnete Rasner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens der Fraktionen der Regierungskoalition widerspreche ich diesem Antrag. Herr Kollege Genscher, , der Auftrag, den wir haben, heißt, die „endgültige" Spitzengliederung durch Gesetz festzulegen. Darüber, wann der Zeitpunkt gekommen ist, zu dem man die endgültige Spitzengliederung festlegen soll, kann man streiten.
({0}) Wir sind der Meinung: jetzt nicht.
Zweitens, Herr Kollege Genscher, steht das Thema, das Sie hier angeschnitten haben, nicht in einem zwingenden sachlichen Zusammenhang mit der Debatte, die wir heute morgen zu führen haben.
Damit Sie jetzt nicht sagen, ich filibusterte bis zu dem Augenblick, zu dem Sie nicht die Mehrheit im Saal haben, beende ich diesen Vortrag und bitte das Haus, den Antrag der FDP abzulehnen.
Das Haus eignet sich jetzt ganz ausgezeichnet für scharfe Kampfabstimmungen.
({0})
Noch einmal zur Tagesordnung, Herr Abgeordneter Genscher.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Argumente des Kollegen Rasner sind in keiner Weise überzeugend. Die CDU/CSU will die Praxis der Großen Koalition fortsetzen, Probleme, bei denen man sich nicht einigen kann, sachlich auszuklammern. Wenn schon die Regierung nicht in der Lage ist, diesen längst überfälligen Entwurf vorzulegen, sollte wenigstens das Hohe Haus bereit sein, einen sachlich fundierten Entwurf zu beraten.
({0})
Herr Abgeordneter Rasner!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Genscher, Sie erwarten doch nicht, daß wir den Vorwurf, es sei Praxis der Großen Koalition, die Probleme auszuklammern, hinnehmen.
({0})
Das war Polemik und kein Sachargument für eine Geschäftsordnungsdebatte.
({1})
Was nach § 34 zur Tagesordnung gesagt werden darf, das wird ja der Bundestagspräsident vielleicht auch noch ein bißchen zu entscheiden haben.
({0})
- Also kurz und gut, jetzt ist Schluß. Es gibt jetzt keine Worterteilungen mehr zur Tagesordnung.
Meine Damen und Herren, ich finde es aus ganz allgemeinen Gründen richtig, daß Vorlagen, die immerhin schon monatelang im Hause liegen, so allgemach auf die Tagesordnung kommen,
({1})
ganz gleichgültig, wie das Haus darüber befinden will. Wir haben uns aus anderem Anlaß kürzlich im Ältestenrat darüber unterhalten, daß es kein guter Stil ist, wenn man zwar 15 Abgeordneten ein Eingaberecht zugesteht, die Dinge aber nachher eben nie auf die Tagesordnung kommen.
Aber jetzt muß ich abstimmen lassen. Wer für die Aufsetzung dieser Drucksache V/2994 - Antrag der Abgeordneten Schultz ({2}), Ollesch, Jung und der Fraktion der FDP - ist, den bitte ich um ein Handzeichen. - Die Gegenprobe! ({3})
Enthaltungen? - Meine Herren, regen Sie sich nicht auf: das ist einstweilen bachab, wie man in der Schweiz zu sagen pflegt.
Präsident D. Dr. Gerstenmaier
Bevor wir zur Tagesordnung kommen, soll nach einer interfraktionellen Vereinbarung die heutige Tagesordnung erweitert werden um die
Erste Beratung des von der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Bundesversorgungsgesetzes
- Drucksache V/3548 Das Haus ist einverstanden? - Kein Widerspruch; es ist so beschlossen.
Meine Damen und Herren, wir kommen zu Punkt 1 der Tagesordnung:
Fragestunde
- Drucksachen V/3529, zu V/3529 Zunächst die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts. Die Frage 109 des Herrn Abgeordneten Schmitt-Vockenhausen
Ist die Bundesregierung bereit, im Rahmen der deutsch-griechischen Kulturkommission eine generelle Regelung für Konfliktfälle zu erreichen, die sich aus der Tätigkeit griechischer Lehrer in der Bundesrepublik Deutschland ergeben?
wird mit dessen Einverständnis schriftlich beantwortet. Die Antwort liegt noch nicht vor. Sie wird nach Eingang im Sitzungsbericht abgedruckt. Dann die Fragen 110, 111 und 112 des Herrn Abgeordneten Dr. Rinderspacher:
Trifft es zu, daß die Bundesregierung im Ministerrat der Europäischen Gemeinschaften einen Beschluß herbeigeführt hat, wonach eine einheitliche EWG-Importpolitik gegenüber den osteuropäischen Staatshandelsländern für die nächsten Jahre aus der gemeinsamen Handelspolitik der EWG ausgenommen werden soll?
Welche Gründe waren für dieses Verhalten, d. h. für die Ablehnung der von der Kommission der Europäischen Gemeinschaften vorgelegten Verordnungsvorschläge durch die Bundesregierung ausschlaggebend?
Ist die Bundesregierung nicht auch der Auffassung, daß angesichts der ständigen Vorwürfe und Verdächtigungen einiger osteuropäischer Staaten gegenüber der Bundesrepublik Deutschland die deutsche Osthandelspolitik am besten im Rahmen der Europäischen Gemeinschaften und nicht bilateral geregelt werden sollte?
Zur Beantwortung der Herr Staatssekretär im Auswärtigen Amt.
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Ich würde gern die beiden ersten Fragen im Zusammenhang und die dritte getrennt davon beantworten, Herr Präsident.
Zunächst zu den beiden ersten Fragen.
({4})
Einen Augenblick! Man muß sich so langsam in diesen parlamentarischen Tag hineinleben. Aber, meine Damen und Herren, jetzt geht die Arbeit los. - Zur Beantwortung der Herr Staatssekretär im Auswärtigen Amt.
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: -Die Annahme, der Ministerrat habe beschlossen, eine einheitliche Importpolitik der EWG gegenüber den Staatshandelsländern in den nächsten Jahren nicht zu verwirklichen, beruht auf einem Irrtum. Der Ministerrat hat
keinen derartigen Beschluß gefaßt. Der Sachstand ist vielmehr folgender:
In der Gemeinschaft werden seit einigen Monaten Entwürfe zu drei Verordnungen zur gemeinsamen Handelspolitik der EWG erörtert. Sie regeln Fragen der Liberalisierung der Verwaltung von Gemeinschaftskontingenten und eines Sonderverfahrens für die Einfuhr von bestimmten Gütern. Weiterhin hat die Kommission den Entwurf einer Ratserklärung über den Anwendungsbereich der drei Verordnungen ausgearbeitet. Er sieht vor, daß die drei Verordnungen auf die Einfuhr von Agrarerzeugnissen jeder Herkunft Anwendung finden, die einer gemeinsamen Marktordnung unterliegen, also auch die Einfuhr derartiger Agrarerzeugisse aus Staatshandelsländern. Dagegen sollen die drei Verordnungen in einer ersten Phase keine Anwendung auf die sonstigen Einfuhren aus Staatshandelsländern finden. Vielmehr sollen die gegenüber den Staatshandelsländern angewandten Einfuhrverfahren der Mitgliedstaaten der EWG zunächst einmal einander angeglichen werden.
Die Entwürfe der drei handelspolitischen Verordnungen und der Ratserklärung über den Anwendungsbereich dieser Verordnungen haben im Prinzip die Zustimmung aller Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft gefunden. Sie werden dem Rat auf seiner nächsten Tagung am 9. und 10. Dezember dieses Jahres vorgelegt werden.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, wie beurteilt die Bundesregierung die Tatsache, daß die Bundesrepublik unter den Mitgliedsländern der EWG den niedrigsten Liberalisierungsstand des gemeinsamen Zolltarifs gegenüber den Staatshandelsländern aufweist?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Ich kann im Augenblick, weil ich derartige Unterlagen nicht hier habe, Herr Kollege Rinderspacher, nicht beurteilen, ob diese Bewertung zutreffend ist. Die Politik der Bundesregigerung ist darauf gerichtet, in einem wachsenden Maße auch den Handel mit den Staatshandelsländern, soweit das irgend möglich ist, zu liberalisieren.
Herr Staatssekretär, falls. ich Ihnen zur Hand sein kann: mir liegen die Zahlen vor, aus denen einwandfrei hervorgeht, daß die Bundesrepublik am Ende der Liste steht.
Aber ich darf die zweite Frage stellen. Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung der Auffassung, daß nach einer gemeinsamen Handelspolitik der EWG gegenüber den osteuropäischen Staaten deutsche Handelsmissionen in diesen Staaten eine geringere Bedeutung haben würden als bisher?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundsminister des Auswärtigen: Keineswegs. Die deutschen Handelsmissionen werden sich dann auch
Parlamentarischer Staatssekretär Jahn
bei der Verwirklichung der gemeinsamen Handelspolitik mit zu betätigen haben, mit darauf hinzuwirken haben, daß die gemeinsame Handelspolitik so gut und umfassend wie möglich gestaltet werden kann.
Herr Staatssekretär, da vom 1. Januar 1970 ab laut EWG-Vertrag eine gemeinsame Handelspolitik vorgeschrieben ist, ist doch das Verhalten der Bundesregierung zu diesem Fragenkomplex kaum verständlich.
Die Frage ist nicht zulässig. Können Sie eis anders formulieren? Sie darf keine Wertungen enthalten.
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Entschuldigen Sie, Herr Präsident, darf ich eine Bitte äußern. Es ist akustisch nahezu unmöglich, bei dieser heftigen Geräuschkulisse hier rechts zu verstehen, was gefragt wird.
Beide Kollegen sind aus dem streitbaren Niedersachsen. Wir haben jetzt seit beinahe zehn Minuten den Kampflärm gehört. Ich dachte immer, daß der Friede jetzt doch ausbrechen würde. - Jetzt wird es wirklich ganz still. Danke schön.
Herr Kollege Rinderspacher, Sie müssen ein bißchen anders formulieren: „Wie soll ich verstehen, daß ..." und so weiter.
({0})
Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung in Anbetracht der Tatsache, daß der EWG-Vertrag vom 1. Januar 1970 ab eine gemeinsame Handelspolitik vorschreibt, zu einer Überprüfung ihrer bisherigen Verhaltensweise bereit?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Die Bundesregierung hat keinen Anlaß, ihre bisherige Verhaltensweise zu überprüfen. Die Bundesregierung hat in dieser Frage von Anfang an die Auffassung vertreten und vertritt sie mit Nachdruck im Rat, daß die gemeinsame Handelspolitik auch gegenüber den Staatshandelsländern zum gegebenen Zeitpunkt in Kraft treten muß. Daran hat sich nichts geändert. Deswegen sehe ich auch keine Notwendigkeit, daß die Bundesregierung ihre Auffassung überprüft.
Vierte Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ist der Bundesregierung bekannt, daß ihre Osthandelspolitik in den Partnerländern als wenig gemeinschaftsfreundlich angesehen wird?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Auf diese etwas allgemein gehaltene Frage, Herr Kollege Rinderspacher, kann ich nur sagen: Die Vorwürfe, die gegen die Bundesregierung gelegentlich ja auch in diesem Hause in dieser Frage erhoben werden, erscheinen mir in gar keiner Weise gerechtfertigt. Ich darf darauf hinweisen, wir haben uns über diese Frage schon einmal vor etwa vier Wochen, in der Fragestunde am 25. Oktober, eingehend unterhalten, und ich habe damals Gelegenheit genommen, eindeutig klarzustellen, daß es keinen Anlaß gibt, der Bundesregierung den Vorwurf zu machen, sie leiste nicht ihren ernsthaften Beitrag zum Zustandekommen der gemeinsamen Handelspolitik.
Ich wäre sehr dankbar, wenn auch das Hohe Haus die Bemühungen der Bundesregierung unterstützen würde, gegen unbegründete und ungerechtfertigte Vorwürfe in geeigneter Form Klarstellungen vorzunehmen. Andere Länder haben aus dem jeweiligen Interesse heraus in den Verhandlungen des Rates natürlich und verständlicherweise immer wieder versucht, ihre eigenen Interessen wahrzunehmen und geltend zu machen. Das hat zu den vorhin erwähnten Diskussionen geführt. Die Bundesregierung denkt aber nicht daran, aus diesem Grunde nun etwa die Frage aufzuwerfen, ob dieses oder jenes Land deswegen in dieser Frage bereit oder geneigt sei, gegenüber der Gemeinschaft die gesteckten Ziele zu erfüllen. Nur möchte sie umgekehrt auch nicht eines Verhaltens beschuldigt werden, für das es keinen Anlaß gibt.
Erledigt?
Noch die Frage 3, Herr Präsident.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Fritz.
Herr Staatssekretär, stimmt es, was ich in Erfahrung gebracht habe, daß die Bundesrepublik zwar weniger Zollpositionen liberalisiert hat als die übrigen Länder, daß die anderen aber die Einführung durch Verwaltungsanordnungen und Verwaltungsakte beschränken?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Ob diese Differenzierung in dieser Form zutrifft, kann ich im Moment nicht beantworten, Herr Kollege. Ich will der Frage aber gerne nachgehen und darf Ihnen das noch einmal gesondert mitteilen.
Dann kommt die Frage 112, die dritte.
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß die gemeinsame Handelspolitik gemäß den Bestimmungen des EWG-Vertrags auch gegenüber den osteuropäischen StaatsParlamentarischer Staatssekretär Jahn
handelsländern verwirklicht werden muß. Der EWG-Vertrag sieht vor, daß bis zum Ende der Übergangszeit, d. h. bis zum 31. Dezember 1969, die Handelspolitik der Mitgliedstaaten zu koordinieren ist. Die von der Kommission vorgeschlagene Ratserklärung über die Anwendung der drei Verordnungen zur gemeinsamen Handelspolitik hält sich an diese Regelung. Sie sieht insbesondere eine Koordinierung der Einfuhrverfahren der sechs Mitgliedstaaten gegenüber den Staatshandelsländern vor. Nach Ablauf der Übergangszeit, also ab 1970, muß die gemeinsame Handelspolitik nach den Bestimmungen des EWG-Vertrags nach einheitlichen Grundsätzen gestaltet werden, und zwar auch gegenüber den Staatshandelsländern.
Schwierigkeiten bei der Verwirklichung einer gemeinsamen Handelspolitik können sich unter Umständen daraus ergeben, daß bei den osteuropäischen Staatshandelsländern vorerst keine Neigung festzustellen ist, die EWG als Völkerrechtssubjekt anzuerkennen und mit ihr zu kontrahieren. Gemäß ihrer 'bei der Unterzeichnung des EWG-Vertrags eingegangenen Verpflichtung wird die Bundesregierung bei der Verwirklichung einer gemeinsamen Handelspolitik gegenüber den Staatshandelsländern konstruktiv mitarbeiten.
Zusatzfrage.
Herr Staatseskretär, ist zumindest damit zu rechnen, daß vor dem 1. Januar 1970 ein Handelsabkommen der EWG mit Jugoslawien zustande kommen wird?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Wenn es hierbei auf die Mitwirkung der Bundesregierung ankommt, können Sie davon ausgehen, daß die Bundesregierung alles tun wird, damit diese Voraussetzung erfüllt wird.
Die Fragen 113 und 114 des Abgeordneten Unertl:
Ist vor der Berufung des SPD-Bundestagsabgeordneten Peter Blachstein zum Botschafter der Bundesrepublik Deutschland in Belgrad die im öffentlichen Dienst übliche ärztliche Untersuchung vorgenommen worden?
Beabsichtigt der Bundesaußenminister für den Fall, daß Botschafter Blachstein nicht wieder als Kandidat seiner Partei für die Wahl zum Deutschen Bundestag benannt wird, ihn weiter auf dem Posten zu belassen oder ihn anderweitig im Auswärtigen Dienst zu verwenden?
Zur Beantwortung der Herr Staatssekretär.
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Herr Präsident, wegen des Sachzusammenhangs wäre ich dankbar, wenn ich die Fragen 113 bis 117, das sind die zwei Fragen des Herrn Kollegen Unertl und die drei Fragen des Herrn Kollegen Stiller, im Zusammenhang beantworten dürfte.
Einverstanden!
Dann rufe ich auch noch die Fragen 115, 116 und 117 des Abgeordneten Stiller auf:
An wieviel Tagen war der Botschafter der Bundesrepublik Deutschland bei der jugoslawischen Regierung, Peter Blachstein, seit seinem Amtsantritt in Belgrad anwesend?
Hat der Bundesaußenminister, nachdem Blachstein bereits wenige Wochen nach seinem Amtsantritt erklärt hat, er wolle wieder aus dem diplomatischen Dienst ausscheiden, bereits einen geeigneten Nachfolger für den Belgrader Posten vorgesehen?
Welche Kosten ({0}) entstehen der Bundesrepublik Deutschland durch das vorzeitige Ausscheiden des Botschafters Blachstein aus dem diplomatischen Dienst?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Der Botschafter der Bundesrepublik Deutschland in Belgrad, Peter Blachstein, übt sein Amt ordnungsgemäß und zur vollen Zufriedenheit des Auswärtigen Amtes aus. Von seinem Dienstantritt in Belgrad am 3. Juni 1968 an war Botschafter Blachstein bis zum 22. November 1968 101 Tage in Belgrad anwesend. Außer infolge einer Erkrankung war er auch auf Grund einiger Tage Urlaub und einer Anzahl von Dienstreisen zur Berichterstattung im Amt von Belgrad abwesend. Eine besondere ärztliche Untersuchung hat vor der Berufung Botschafter Blachsteins nicht stattgefunden, weil keine begründeten Zweifel daran bestanden, daß er dem klimatisch nicht als schwierig anzusehenden Dienstposten in Belgrad gesundheitlich gewachsen sein würde.
Falls Botschafter Blachstein den Antrag stellt, aus dem Auswärtigen Dienst auszutreten, endet damit seine Tätigkeit im Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes. Er hat seinerseits bereits mündlich versichert, gegebenenfalls auf alle ihm eventuell zustehenden Versorgungsbezüge, die aus seiner Tätigkeit als Botschafter in Belgrad folgen könnten, zu verzichten. Das entspricht im übrigen auch der Rechtslage. Für den Fall des Ausscheidens von Botschafter Blachstein wird über die Nachfolge zu gegebener Zeit entschieden werden.
Soweit ich sehe, sind damit alle fünf Fragen beantwortet. - Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Unertl.
Herr Staatssekretär, hält es die Bundesregierung, nachdem Sie sagten, eine Untersuchung habe vor Antritt des Dienstes nicht stattgefunden, für richtig, daß sich zwar das Personal vor der Einstellung in den Kneipen - in Bayern würde man sagen: Wirtshäusern - untersuchen lassen muß, nicht aber das Personal für den Botschafterdienst und den Auswärtigen Dienst?
({0})
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Herr Kollege Unertl, wenn ich recht unterrichtet bin, sind Sie ein erfahrener Vertreter Ihres Berufes als Gastwirt
({1})
und wissen natürlich, daß zwischen den gesundheitspolitischen Erwägungen, die den Untersuchungen
von Personal in Gasthäusern zugrunde liegen, und
Parlamentarischer Staatssekretär Jahn
den Zweckmäßigkeiten der Untersuchung im öffentlichen Dienst gewisse sachliche Unterschiede bestehen.
({2})
Zweite Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, darf ich dann Ihre Antwort so verstehen, daß der Dienst in einem Gaststättenbetrieb höher gewertet wird als der diplomatische Dienst?
({0})
Einen Augenblick! Herr Abgeordneter Unertl, was haben Sie gesagt? Ich habe das Wort nicht verstanden.
({0})
- Eine Sekunde, meine Damen und Herren! Ich halte den ehrsamen Beruf eines Gastwirts für einen hochanständigen Beruf. Darüber besteht gar kein Zweifel. Aber, Herr Kollege Unertl, hier geht es nicht an, daß in Frageform Wertungen - wenn auch nur fragenderweise - ausgeteilt werden. Das gibt es nicht. Infolgedessen ist die Frage nicht zulässig.
({1})
Weitere Zusatzfrage, Herr Kollege Unertl.
Herr Staatssekretär, gab es denn damals im Auswärtigen Amt unter den vielen Diplomaten keinen anderen Bewerber, auf den all das, was hier gefragt wurde, nicht zugetroffen wäre?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Herr Kollege Unertl, Sie wollen sicherlich dem Auswärtigen Amt und der Vielzahl seiner tüchtigen und hervorragenden Beamten nicht Unrecht tun, wenn Sie diese Frage aufwerfen.
({0})
- Sie sind nur neugierig? - Ja, ich will versuchen,
die Neugier zu befriedigen.
Selbstverständlich hat es eine ansehnliche Zahl von Damen und Herren des Auswärtigen Amtes gegeben, die für diese Position auch in Frage gekommen wären. In diesem Fall schien es dem Bundesminister des Auswärtigen aus sachlichen und politischen Gründen zweckmäßig, auch einmal einen Außenseiter in eine solche Position zu berufen. Ich glaube, insgesamt bekäme es unserer Verwaltung gar nicht so schlecht, wenn das häufiger geübt würde.
Zusatzfragen, Herr Abgeordneter Stiller? - Keine Zusatzfragen? - Dann rufe ich die Frage 118 des Herrn Abgeordneten Dr. Marx ({0}) auf:
Welche Schlüsse können insbesondere aus dem Text des Artikels 1 des sowjetisch-tschechoslowakischen Besatzungsabkommens vom 16. Oktober 1968 gezogen werden hinsichtlich der souveränen Entscheidungsfähigkeit der sozialistischen Polnischen, Ungarischen, Bulgarischen und Ostberliner Regierungen bei dem Entschluß, die CSSR zu okkupieren und bei der oben genannten Vereinbarung" über den Abzug der Okkupationstruppen und den zeitweiligen Aufenthalt sowjetischer Streitkräfte auf dem Territorium der CSSR?
Zur Beantwortung, Herr Staatssekretär.
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Die Fragen des Herrn Abgeordneten Dr. Marx sind drei ganz verschiedene Fragen. Ich beantworte zunächst die Frage 118.
Aus dem sowjetisch-tschechoslowakischen Stationierungsabkommen und insbesondere aus dem Art. 1 dieses Abkommens allein lassen sich keine Schlüsse hinsichtlich der Entscheidungsfähigkeit der genannten Regierungen ziehen. In Art. 1 des Abkommens wird ausdrücklich gesagt, daß die Regierung der UdSSR - ich zitiere - „mit Zustimmung der Regierungen der Volksrepublik Bulgarien, der Ungarischen Volksrepublik, der DDR und der Polnischen Volksrepublik handelt". Es steht jeder Regierung frei, einer anderen Regierung eine entsprechende Vollmacht zu erteilen. Das Abkommen wahrt insofern die völkerrechtliche Form.
Ich werde soeben von dem Parlamentarischen Geschäftsführer der CDU/CSU-Fraktion darum gebeten, die Sitzung wegen einer dringenden Fraktionssitzung der CDU/ CSU um 10 Uhr zu unterbrechen. Herr Abgeordneter Rasner, ich wäre außerordentlich dankbar, wenn das vermieden werden könnte. Sonst kommen wir mit unserer Tagesordnung in dieser Woche nicht zurecht. Das Haus ist sonst sehr konziliant und folgt solchen Wünschen im allgemeinen. Heute möchte ich aber im Interesse der Tagesordnung sehr darum bitten, daß wir durchtagen können.
Herr Abgeordneter Rasner, bitte sehr!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich verstehe Ihre Anregung, Herr Präsident, aber ich bedauere, sagen zu müssen, daß unsere Fraktion darum bittet, die Plenarsitzung um 10 Uhr wegen einer dringenden Fraktionssitzung zu unterbrechen.
({0})
- Für mindestens eine Stunde; ich glaube, wir müssen sagen, für anderthalb Stunden.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es war bisher immer und ausnahmslos die Gepflogenheit des Hauses, solchen Wünschen zu entsprechen. Ich bitte darum, das auch in diesem Fall zu tun.
Aber ich bitte doch zu verstehen: Wenn wir die Sitzung am Freitagvormittag um 10 Uhr für anderthalb Stunden unterbrechen, heißt das, daß wir erst um halb zwölf Uhr Weitertagen können. Wie soll ich denn das Haus dann zusammenhalten?
Präsident D. Dr. Gerstenmaier
Es ist wahr, der Herr Kollege Rasner hat insofern recht, man hat solchen Wünschen immer entsprochen. Aber diesmal ist es eine harte Sache.
Ich unterstelle, daß das Haus in Gottes Namen halt damit einverstanden ist. Ich werde die Sitzung nachher dann - ich kündige das jetzt an, damit die Damen und Herren sich darauf einrichten können - bis 11.30 Uhr unterbrechen.
({0})
Darf ich davon ausgehen, daß das Haus dann um 11.30 Uhr wieder zusammentreten kann?
({1})
Diese Zeit jetzt wird der Fragestunde zugeschlagen.
Herr Abgeordneter Dr. Marx!
Herr Staatssekretär, ist es richtig, daß bis jetzt keinerlei Dokumente darüber vorliegen, wer in den einzelnen Staaten, deren Truppen an der Okkupation der CSSR beteiligt waren, verantwortliche Beschlüsse zum Einmarsch in dieses Land gefaßt hat?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Ich muß so ant. worten, Herr Kollege Marx: der Bundesregierung ist nicht bekannt, ob solche Dokumente vorliegen. Wir wissen nicht, ob sie tatsächlich vorliegen.
Zweite Zusatzfrage!
Herr Staatssekretär, ich möchte die Frage jetzt so stellen: Hat die Bundesregierung irgendwelche Unterlagen gefunden - ich denke in diesem Zusammenhang an Beschlüsse der Zentralkomitees, der Regierungen, der Volksvertretungen oder an Reden führender Politiker dieser Staaten -, aus denen sich ergibt, daß diese Staaten dem sowjetischen Ministerpräsidenten eine direkte Möglichkeit gegeben haben, das darzustellen, was in Art. 1 ausgedrückt wird, daß er nämlich auch für diese Staaten handelt, oder stimmt die Mitteilung von Rude Pravo, der Parteizeitung in Prag, daß es sich um einen bilateralen sowjetisch-tschechoslowakischen Vertrag handelt?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Dies ist ein bilateraler Vertrag, zu dem Vollmachten erteilt worden sind.
Meine Frage bezog sich auf die Vollmachten. Sind diese irgendwo bekannt?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Der Bundesregierung nicht.
Dann rufe ich die Frage 119 des Abgeordneten Dr. Marx ({0}) auf:
Was sind die Hintergründe von Agentur- und Pressemeldungen, wonach die Tätigkeit der deutschen Presseagentur ({1}) im Irak untersagt worden sei und die irakische Nachrichtenagentur ina ihre Verträge mit dpa wegen angeblichen Geldmangels gekündigt habe?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Die von verschiedenen Presseagenturen verbreitete Meldung, wonach die Tätigkeit der Deutschen Presseagentur im Irak untersagt worden sei, trifft nach den Feststellungen des Auswärtigen Amts in dieser Form nicht zu. Richtig ist vielmehr, daß der irakische Informations- und Kultusminister in einem Interview mit der Bagdader Tageszeitung „Al-Thawra" ausgeführt hat, daß „das irakische Kultus- und Informationsministerium die Beziehungen mit der dpa abgebrochen hat" . Bis heute läßt sich nicht voll beurteilen, welche Bedeutung dieser Erklärung zukommt. Sie könnte sich darauf beziehen, daß die irakische Nachrichtenagentur ina ihre vertraglichen Beziehungen zur dpa gekündigt hat, angeblich wegen Kürzung der ihr zur Verfügung stehenden Mittel. Sie könnte auch ein Hinweis darauf sein, daß die irakischen Zeitungen derzeit dpa-Meldungen nicht veröffentlichen.
Andererseits kann der Vertreter der dpa in Bagdad seine Nachrichten bisher ungehindert an die Deutsche Presseagentur durchgeben. Von einem Verbot der Tätigkeit der dpa im Irak schlechthin kann daher nicht die Rede sein.
Als Grund für seine Ankündigung hat der irakische Informationsminister in dem besagten Zeitungsinterview pauschal die westdeutsche Haltung gegenüber irakischen Fragen angegeben. Den weiteren Hintergrund bildet möglicherweise die Tatsache, daß die Bundesregierung mit Bezug auf den Nahostkonflikt eine Politik der Nichteinmischung verfolgt, während Ost-Berlin eine groß angelegte Propagandakampagne zugunsten der arabischen Seite und gegen Israel führt in der Hoffnung, auf diese Weise in einigen arabischen Hauptstädten seine staatliche Anerkennung zu erreichen.
Ich rufe die Frage 120 des Abgeordneten Dr. Marx ({0}) auf:
Treffen Pressemeldungen im Paris-Match zu, wonach sowjetische Flugzeuge, von ägyptischen Piloten bedient, Bombenflüge gegen Biafra durchführen und wonach „fünf deutsche Piloten" ({1}) für Biafra gegen die
Nigerianische Zentralregierung kämpfen?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Die Bundesregierung kann Zeitungsmeldungen, wonach die von der. Sowjetunion an Nigeria gelieferten Düsenflugzeuge auch von ägyptischen Piloten in gegen „Biafra" gerichteten Einsätzen geflogen werden, nicht auf Grund eigener Erkenntnisse beurteilen.
Die nigerianische Presse berichtete kürzlich über angebliche Lieferungen deutscher Düsenjäger an „Biafra" sowie, daß fünf deutsche Piloten zum Ein10764
Parlamentarischer Staatssekretär Jahn
Satz auf seiten „Biafras" zugeteilt worden seien. Die Meldungen sind erfunden und als solche von der deutschen Botschaft in Lagos dementiert worden.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, sind Sie bei dieser Gelegenheit auch bereit, ebenfalls Meldungen sowjetischer Rundfunkstationen zurückzuweisen, in denen behauptet wird, daß Transportflugzeuge der Bundeswehr nicht nur karitative Hilfsmittel, sondern auch eine erhebliche Reihe von Waffen und Munition nach Biafra eingeflogen hätten?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Solche Meldungen müssen in aller Form und mit aller Entschiedenheit als unwahr zurückgewiesen werden.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Czaja.
Herr Staatssekretär, sollte nicht die Zuspitzung der Lage im Nigeria-BiafraKonflikt die Bundesregierung abermals veranlassen, wenigstens bei den verbündeten NATO-Partnern darauf hinzuwirken, daß gemeinsam alles versucht wird, um diesem Konflikt ein friedliches Ende zu bereiten und nach Möglichkeit die Vorbereitung oder Durchführung des Genocids abzubrechen?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Herr Kollege Czaja, ich habe wiederholt Gelegenheit gehabt, dem Hohen Hause darzutun, daß die Bundesregierung die im Bereich ihrer Möglichkeiten liegenden Schritte, zur Beendigung des Konfliktes beizutragen, unternommen hat, unternimmt und auch weiter unternehmen wird. Die Möglichkeiten der Bundesregierung, sich in eine innerstaatliche Auseinandersetzung - darum handelt es sich - einzumischen, sind nicht unbegrenzt. Das wirkt sich natürlich auch auf die Erfolgschancen der Bemühungen der Bundesregierung aus. Die Bereitschaft anderer Länder ist unterschiedlich groß. Deswegen bemüht sich die Bundesregierung unverändert. Erst die letzte Sitzung des Ministerrats der Westeuropäischen Union habe ich selber zum Anlaß genommen, auf diese Frage hinzuweisen und entsprechende Bitten zu äußern. Aber da gibt es von anderer Seite auch Vorbehalte und andére Beurteilungen, die jedenfalls ein sofortiges, übereinstimmendes Handeln auch anderer Verbündeter nicht ohne weiteres möglich machen.
Eine zweite Zusatzfrage.
Da es sich offensichtlich aber auch um Interventionen von verbündeten Mächten und nicht nur um einen inneren nigerianischen Konflikt handelt, möchte ich fragen: wird die Bundesregierung gegenüber unseren Verbündeten verstärkt zum Ausdruck bringen, daß diese Einmischung in der deutschen Offentlichkeit ein negatives Echo findet?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Die Bundesregierung läßt so wie bisher keine Gelegenheit aus und wird es auch in Zukunft so halten, gegenüber allen unmittelbar und mittelbar Beteiligten ihren dringenden Wunsch zum Ausdruck zu bringen, daß diese militärischen Auseinandersetzungen so schnell wie möglich beendet werden.
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Wohnungswesen und Städtebau. Die Fragen 62 und 63 des Herrn Abgeordneten Wurbs werden vom Herrn Bundesfinanzminister beantwortet. Ich rufe die Frage 64 des Herrn Abgeordneten Strohmayr auf:
Wird es möglich sein, die Ergebnisse der kürzlich durchgeführten Wohnungszählung für die künftige städtebauliche Planung nutzbar zu machen?
Zur Beantwortung der Herr Bundesminister.
Es ist ein wesentliches Ziel der Wohnungszählung 1968, Unterlagen für die städtebauliche Planung zu gewinnen. Dies bringt bereits die Begründung zum Wohnungszählungsgesetz zum Ausdruck. Um dieses Ziel erreichen zu können, läßt es das Gesetz im Gegensatz zu früheren Gesetzen ausdrücklich zu, Angaben über einzelne Gebäude und Wohnungen der städtebaulichen Planung zugänglich zu machen Außerdem sieht es die Möglichkeit vor, die Zählungsergebnisse nicht nur für das Gesamtgebiet einer Gemeinde, sondern auch für Teilbezirke einer Gemeinde besonders aufzubereiten.
Präsident .D. Dr. Gerstenmaier: Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Strohmayr.
Herr Minister, bis wann kann mit dem Ergebnis der Wohnungszählung gerechnet werden?
Mit dem Gesamtergebnis wahrscheinlich in anderthalb Jahren. Ich hoffe aber, daß die ersten globalen Zahlen bereits im Frühjahr des nächsten Jahres vorliegen werden.
Zweite Zusatzfrage!
Herr Minister, sind Sie mit mir der Meinung, daß die Ergebnisse der Wohnungszählung nicht nur für die Feststellung des notwendigen Bedarfs an Wohnungen, sondern auch für die Feststellung von Art und Ausstattung derselben, vor allem aber für die zukünftige städtebauliche Gestaltung und deren Ausmaß von eminent wichtiger Bedeutung sind?
Herr Abgeordneter, auf Grund dieser Wohnungszählung können wir damit rechnen, endlich exakte Zahlen darüber zu erhalten, wie groß der Wohnungsbedarf ist, wo die Hauptpunkte des Wohnungsbedarfs liegen und welche Größen der Wohnungen in Zukunft notwendig sein werden, also eine sehr detaillierte und exakte Übersicht über den Wohnungsbedarf.
Ich rufe die Fragen 65 und 66 des Herrn Abgeordneten Baier auf. - Herr Abgeordneter Baier ist nicht im Saal. Die Fragen werden schriftlich beantwortet.
Ich rufe die Frage 67 des Herrn Abgeordneten Orgaß auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung den vom Landesverband hamburgischer Grundeigentümer - für die Zeit nach Umwandlung Hamburgs vom „schwarzen" in den „weißen Kreis" zum 1. Januar 1969 - herausgegebenen „Hamburger Mietvertrag für Wohnraum"?
Herr Präsident, ich bitte, die drei Fragen wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantworten zu können.
Einverstanden. Dann rufe ich auch die Fragen 68 und 69 des Herrn Abgeordneten Orgaß auf:
Hält die Bundesregierung es mit dem sozialen Mietrecht für vereinbar, daß der Mieter sich mit seiner Unterschrift unter diesen Mietvertrag der Möglichkeit begibt, die Sozialklausel des § 556 a BGB in Anspruch nehmen zu können?
Hält die Bundesregierung die in dem „Hamburger Mietvertrag für Wohnraum" vorgesehenen Mietverpflichtung, Reparaturen an Licht, Klingelanlagen, Schlössern, Wasserspülungen, Klosettspülungen, Ofen, Badeöfen und Warmwasserbereitungsanlagen unverzüglich nach Feststellung der Schäden auf seine Kosten ausführen zu lassen und die in diesem Zusammenhang vorgesehene Vorauszahlung von zwei unverzinslichen Monatsmieten als Sicherheit an den Vermieter mit der Bestimmung des sozialen Mietrechts für vereinbar, die dem Eigentümer auferlegt, den Mietgegenstand in gebrauchsfähigem Zustand zu vermieten und zu erhalten?
Ein Muster „Hamburger Mietvertrag für Wohnraum" ist mir erst kürzlich bekanntgeworden. Eine erste Überprüfung hat ergeben, daß das Muster mehrere Bestimmungen enthält, die mit den gesetzlichen Vorschriften nicht im Einklang stehen. So widerspricht z. B. die Darstellung über das Widerspruchsrecht des Mieters dem geltenden Recht.
Ein vertraglicher Verzicht auf den Schutz der Sozialklausel ist rechtlich unwirksam. Der Mieter kann einer Kündigung widersprechen. Da in dem Muster des Mietvertrages aber die Vorausetzungen für den Widerspruch nicht richtig wiedergegeben sind, besteht die große Gefahr, daß der Mieter seine Lage falsch einschätzt und davon abgehalten wird, von den ihm zustehenden Rechten Gebrauch zu machen.
Außerdem berücksichtigt das Vertragsmuster die unterschiedliche Rechtslage für öffentlich geförderte Wohnungen und andere Wohnungen zum Teil ungenügend, zum Teil überhaupt nicht. So sind Mietkautionen im sozialen Wohnungsbau unzulässig. Bei anderen Wohnungen können sie allerdings vereinbart werden.
Im sozialen Wohnungsbau darf der Mieter auch nicht mit Reparaturen in einem solchen Umfang belastet werden, sondern nur mit den Kosten für das Beheben bestimmter kleiner Schäden. Dazu gehören z. B. kleine Schäden an der Installation für Wasser, Gas und Elektrizität und an den Heiz- und Kocheinrichtungen. Für die übrigen Wohnungen dagegen kann eine Abweichung von der Regelung des § 536 BGB, der dem Vermieter die Pflicht zur Instandhaltung auferlegt, vereinbart werden.
Das Beispiel dieses Vertragsmusters zeigt, daß wir in dem Bemühen, die Mieter über ihre Rechte aufzuklären, nicht nachlassen dürfen. Deshalb begrüße ich es sehr, Herr Kollege Orgaß, daß durch Ihre Fragen die Öffentlichkeit auf diesen Vorgang aufmerksam gemacht worden ist. Wie ich erfahren habe, ist die Angelegenheit durch Verhandlungen zwischen dem Hamburger Senat und dem Landesverband hamburgischer Grundeigentümer bereinigt worden. Ich bedaure sehr, daß es zu diesem Vorfall überhaupt gekommen ist.
Eine Zusatzfrage!
Herr Minister, sind Sie mit mir der Auffassung, daß die Tatsache, daß vor 14 Tagen der Hamburger Haus- und Grundeigentümerverband überraschend mit diesem Mietvertrag herauskam, nachdem man glaubte, das Thema Wohnungsbindung sei in Hamburg völlig von der Tagesordnung, ein Symptom für die angespannte Wohnungsmarktsituation in Hamburg ist?
Ich bin durchaus Ihrer Meinung. Es ist offensichtlich ein Zeichen dafür, daß von einem ausgeglichenen Wohnungsmarkt wohl noch nicht gesprochen werden kann.
Zweite Zusatzfrage!
Herr Minister, sind Sie dann nicht auch mit mir der Auffassung, daß, wenn solche Symptome bekanntwerden, das Parlament sich überlegen muß, wie einer solchen betrügerischen und auch wucherischen Absicht von Verbandsvertretern das Handwerk gelegt werden kann?
Herr Abgeordneter, ich habe -
Einen Augenblick, Herr Bundesminister. - Ich glaube, wir müssen in der Fragestunde doch noch mehr aufpassen. Das geht einfach nicht, Herr Kollege Orgaß, ,,betrügerisch" und „wucherisch".
({0})
- Das kann alles stimmen. Aber die Geschäftsordnung läßt es nicht zu, in der Fragestunde solche
Präsident D. Dr. Gerstenmaier
Wertungen abzugeben. Sie können alle stimmen. Aber der Bundestagspräsident ist überhaupt nicht dazu da, zu beurteilen, was richtig und was falsch ist. Er ist nur dazu da, an dem festzuhalten, was Gesetz des Hauses ist.
({1})
Außerdem würde ich das übrigens passieren lassen, Herr Kollege Orgaß - damit Sie den Unterschied kennenlernen -, wenn Sie hier auf der Rednertribüne stünden, ob in der Aktuellen Stunde oder sonstwann. Wenn Sie hier redeten, würde ich es wahrscheinlich passieren lassen, weil ich nicht sagen kann, ob es stimmt oder ob es nicht stimmt; das weiß ich nicht.
Aber in der Fragestunde sind Wertungen unter allen Umständen ausgeschlossen. Meine Damen und Herren, das hat einen guten Sinn. Sonst bekommt die Fragestunde ein anderes Gesicht, und wir wollen unsere Fragestunde verteidigen. Nehmen Sie es mir deshalb nicht übel, wenn ich immer wieder auf diesem Punkt herumreite.
Jetzt fragen Sie bitte so, daß ich keinen Anstand mehr daran nehmen muß.
Herr Präsident, darf ich zunächst um Verzeihung bitten. Es lag mir nicht daran, zu provozieren.
Nun, so schlimm war es nun auch wieder nicht.
({0})
Darf ich Sie, Herr Minister, fragen, ob Sie nicht mit mir der Meinung sind, daß das Parlament auf Grund solcher Vorgänge wie des Hamburger Mietvertrages gehalten ist, entsprechende Sicherungsmomente einzubauen, damit nicht ein Großteil der Mieter nicht marktwirtschaftlichen Bedingungen unterliegt und dadurch ungerechtfertigt ausgenutzt werden kann.
Herr Abgeordneter, Sie haben mich danach gefragt, was das Parlament nach meiner Auffassung tun sollte. Diese Frage muß ich zurückgeben. Es ist nicht meine Aufgabe, dazu Stellung zu nehmen.
Was ich dazu tun kann, will ich tun. Ich habe den Auftrag gegeben, zu überlegen, wie wir im Einvernehmen mit den Organisationen der Hausbesitzer und den Mietervereinen einen Entwurf für einen generellen Mietvertrag erarbeiten können, der dann als ein Modell für die Bundesrepublik dienen könnte, damit solche Mißbräuche in Vertragsentwürfen für Mietverträge in Zukunft vermieden werden.
Was die Frage des Auftretens von Verbänden und Organisationen angeht, so liegt dem Hohen Hause ein Gesetzentwurf vor, mit dem für das Maklerwesen auf diesem Gebiet Vorkehrungen getroffen werden sollen. Ich glaube, daß von beiden
Seiten eine Ordnung dieses Gebiets in Angriff genommen werden könnte.
Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Orgaß.
Herr Minister, sind Sie nicht mit mir der Meinung, daß der Antrag einer Gruppe von Unionspolitikern auf Bundestagsdrucksache V/3397, der zum Inhalt hat, Hamburg und München zu weißen Kreisen zu machen und damit die Wohnungszwangswirtschaft und den Mieterschutz abzubauen, aber eine gewisse Obergrenze zu schaffen, um Wucher zu begegnen, ein geeignetes Mittel ist, den sozialen Frieden in der Hansestadt Hamburg und auch in München besser zu gewährleisten?
Herr Abgeordneter, ich habe zu dieser Frage am Mittwoch abend hier im Plenum gesprochen und kann im Grunde genommen nur das wiederholen, was ich bereits im Plenum und gestern in der Ausschußsitzung zum Ausdruck gebracht habe. Die Bundesregierung ist von sich aus nicht initiativ geworden, denkt aber auch nicht daran, irgendwie der Initiative des Parlaments vorzugreifen.
Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Rollmann.
Herr Minister, sind der Bundesregierung auch aus anderen Teilen des Bundesgebiets solche Mustermietverträge bekanntgeworden, wie sie der Landesverband hamburgischer Grundeigentümer vorgelegt hatte?
In dieser in der Öffentlichkeit mit Recht beanstandeten Form sind mir Beispiele aus anderen Gebieten der Bundesrepublik nicht bekannt.
Damit sind die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Wohnungswesen und Städtebau beantwortet, ausgenommen die Fragen 70 bis 72 des Abgeordneten Dr. Giulini, die im Einverständnis schriftlich beantwortet werden:
Ist die Bundesregierung der Meinung, daß es eines eigenen Städtebau- und Gemeindeentwicklungsgesetzes bedarf, statt die im Entwurf dieses Gesetzes behandelte Materie durch Ergänzung des Bundesbaugesetzes zu regeln?
Ist die Bundesregierung der Auffassung, daß die im Entwurf vorgesehene Wertermittlung bei Ausgleichs- und Entschädigungsleistungen ({0}), insbesondere die nur bedingte und teilweise Berücksichtigung der Wertsteigerung bei der Entschädigungsbemessung, mit dem Grundgesetz vereinbar ist?
Hat die Bundesregierung, trotz der negativen Erfahrungen mit der Preisstopp-Gesetzgebung der Jahre 1936 und 1942, die Erwartung, daß die umfangreichen Genehmigungsvorbehalte des Entwurfs, verbunden mit dem Preisstopp, im Sinne eines gesunden Grundstücksmarkts gelegen und geeignet sind, die städtebaulichen Sanierungs- und Entwicklungsmaßnahmen zu fördern?
Die Antwort des Bundesministers Dr. Lauritzen vom 29. November 1968 lautet:
Die Bundesregierung hält ein Städtebau- und Gemeindeentwicklungsgesetz für dringend erforderlich. Eine Ergänzung des Bundesbaugesetzes genügt nach ihrer Auffassung nicht.
Präsident D. Dr. Gerstenmaier
Die in dem Entwurf vorgesehene Entschädigungsregelung steht mit dem Grundgesetz in Einklang.
Bei der Genehmigungspflicht für den rechtsgeschäftlichen Grundstücksverkehr handelt es sich nicht um einen Preisstopp, sondern um eine räumlich und zeitlich begrenzte Überprüfung der vereinbarten Kaufpreise. Nur so ist der Grundsatz durchzusetzen, daß niemand aus städtebaulichen Maßnahmen einen ungerechtfertigten Gewinn erzielen soll.
Da der Entwurf des Gesetzes in der nächsten Woche zur 1. Lesung ansteht, darf ich mir vorbehalten, die hier wiedergegebene Auffassung der Bundesregierung dann näher zu begründen.
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz. Zunächst rufe ich die Frage 73 des Herrn Abgeordneten Rehs auf:
Beabsichtigt die Bundesregierung, nachdem der Aktionsausschuß zur Durchführung des Jahres der Menschenrechte ihr in seiner Sitzung vom 16. September 1968 unter Teilnahme von Bundesjustizminister Dr. Heinemann empfohlen hat, ihre Bemühungen um die Wahrung und Respektierung der Menschenrechte zu verstärken, noch in diesem Jahr - also noch vor Abschluß des von den Vereinten Nationen proklamierten „Internationalen Jahres der Menschenrechte 1968" - eine entsprechende Absichtserklärung abzugeben?
Zur Beantwortung der Herr Staatssekretär des Bundesjustizministeriums.
Die Bundesregierung hat sich um die Wahrung und Respektierung der Menschenrechte stets in besonderem Maße bemüht. Sie hat sich insbesondere für die Inkraftsetzung und Ausgestaltung der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten eingesetzt. An der Ausarbeitung der Europäischen Sozialcharta, die den Vorläufer und das Gegenstück zu dem Weltpakt der Vereinten Nationen über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte bildet, hat die Bundesregierung intensiv mitgearbeitet.
Die Bundesregierung hat weiter als eine der ersten Regierungen die Zuständigkeit der Europäischen Kommission für Menschenrechte zur Entgegennahme von Individualbeschwerden anerkannt, so daß diese Kommission vom Juli 1955 an in dieser Beziehung tätig werden konnte. In einem Plädoyer vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte hat der jetzige Präsident der Europäischen Menschenrechtskommission die Zusammenarbeit der Bundesregierung mit der Kommission besonders anerkannt.
Ferner hat die Bundesregierung, ebenfalls als eine der ersten Regierungen, die obligatorische Gerichtsbarkeit des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte anerkannt.
In bezug auf die weitere Ausgestaltung der Europäischen Konvention erwähne ich insbesondere die Mitarbeit der Bundesregierung an der Ausarbeitung des Zusatzprotokolls Nr. 4 zur Menschenrechtskonvention, durch das wichtige neue Rechte in das Schutzsystem der Konvention einbezogen worden sind. Auch von Stimmen außerhalb Europas wird immer wieder anerkannt, daß das Rechtsschutzsystem der Europäischen Menschenrechtskonvention als das bisher am wirksamsten entwickelte System anzusehen ist.
Als neueste Entwicklung kann ich berichten, daß die Bundesregierung in den nächsten Wochen die Ratifikationsurkunden zu den Zusatzprotokollen Nrn. 2, 3 und 5 zur Europäischen Menschenrechtskonvention in Straßburg hinterlegen wird. Die Weltpakte der Vereinten Nationen über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte sowie über staatsbürgerliche und politische Rechte hat die Bundesregierung am 9. Oktober in New York unterzeichnet. Die Bundesregierung hat auch bereits andere weltweite Übereinkommen, die den Schutz der Menschenrechte zum Gegenstand haben, unterzeichnet und bereitet ihre Ratifizierung vor. Als Beispiel ist hier das internatonale Übereinkommen der Vereinten Nationen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung zu nennen. Die Bundesregierung wird selbstverständlich auch in Zukunft der Durchsetzung der Menschenrechte in aller Welt die größte Beachtung widmen und im Rahmen ihrer Wirkungsmöglichkeiten alle Bemühungen unterstützen, diesem Ziele zu dienen.
Zusatzfrage!
Herr Staatssekretär, teilen Sie nicht die Auffassung, daß es unbeschadet der großen Verdienste der Bundesregierung und ihrer klaren Haltung in diesem hochbedeutsamen Fragenkomplex im Interesse der Vertiefung des öffentlichen Bewußtseins auch bei uns in der Bundesrepublik zweckmäßig und wünschenswert wäre, wenn die Bundesregierung - etwa durch eine Erklärung in irgendeinem entsprechenden Zusammenhang durch den Herrn Bundeskanzler - die Bedeutung dieser ganzen Fragen auch hier von der Tribüne des Bundestages aus nicht nur dem Parlament, sondern auch unseren Mitbürgern besonders eindringlich nahe-brächte?
Herr Abgeordneter, der Herr Bundseminister der Justiz hat eine entsprechende Anregung bereits an die Bundesregierung herangetragen, über die aber noch nicht entschieden ist. Im ganzen glauben wir aber auch hier sagen zu sollen, daß Taten mehr zählen als Worte.
Zweite Zusatzfrage!
Herr Staatssekretär, erlauben Sie mir noch die Frage - unbeschadet der Richtigkeit dieser Feststellung glaube ich, doch noch einmal fragen zu sollen -: Geht es nicht auch um die Vertiefung im öffentlichen Bewußtsein, um das Sichtbarmachen und das größere Engagement der Mitbürger auch in der öffentlichen Mitarbeit in diesen Fragen? Das meinte ich, als ich vorhin fragte, ob es nicht zweckmäßig und wünschenswert wäre, durch eine Erklärung in einem entsprechenden politischen Zusammenhang hier von der Tribüne des Parlaments aus und z. B. durch eine Sonderdarstellung über die Fernsehschirme diesen Fragenkomplex dem deutschen Mitbürger näherzubringen.
Herr Abgeordneter, ich sagte bereits, daß der Herr Bundesminister der Justiz eine
solche Anregung in diesem Jahr, das ja das Jahr der Menschenrechte ist, bereits an die Bundesregierung herangetragen hat.
Der Bundestagspräsident hätte jetzt eine Zusatzfrage, die zur Sache gehört; sie ist ihm aber nicht gestattet. Ich hätte diese Frage deshalb, weil wir am 11. Dezember vorhaben, das Jahr der Menschenrechte hier in angemessener Weise zu begehen. Meine Zusatzfrage, Herr Staatssekretär, wäre die, ob die Bundesregierung in Erwägung zieht, etwa im Zusammenhang mit einer parlamentarischen Demonstration das Wort zu nehmen oder ihrerseits grundsätzlich Stellung zu nehmen, z. B. in Form der Abgabe einer Erklärung. Das ist eine Frage, dir für das Haus im ganzen interessant ist.
Herr Präsident, ich habe die Frage akustisch nicht ganz verstanden.
Die Frage ist, ob die Bundesregierung beabsichtigt, aus Anlaß des Gedenkens des Jahres der Menschenrechte hier das Wort zu nehmen, etwa in Form einer Regierungserklärung.
Herr Präsident, ich sagte bereits, der Bundesjustizminister hat diese Anregung an den Herrn Bundeskanzler herangetragen; die Entscheidung darüber ist aber noch nicht gefallen.
Dann darf ich dem Haus bekanntgeben, daß vorgesehen ist - das ist der Wunsch des Ältestenrates -, daß, gleichgültig, ob die Bundesregierung das tut, das Parlament auf jeden Fall den 11. Dezember nicht vorübergehen lassen wird, Herr Kollege Rehs.
Meine Damen und Herren, ich bitte um Nachsicht; ich muß ausdrücklich um Ihre nachträgliche Genehmigung bitten, weil es eigentlich nicht statthaft ist, daß der Bundestagspräsident eine solche Bemerkung in diesem Rahmen macht. Es gibt aber die Möglichkeit, daß Sie mir nach § 127 der Geschäftsordnung sozusagen die Genehmigung nachträglich erteilen.
({0})
- Das ist geschehen.
Nun geht es weiter mit den Fragen der Frau Abgeordneten Dr. Diemer-Nicolaus, zunächst mit Frage 74:
Wieviel Strafverfahren sind wegen Aufruhr, Auflauf oder Landfriedensbruch anhängig?
Herr Präsident, ich bitte darum, die Fragen im Zusammenhang beantworten zu dürfen.
Bitte sehr! Ich rufe dann auch die Fragen 75 und 76 der Frau Abgeordneten Dr. Diemer-Nicolaus auf:
Wieviel Verurteilungen sind bereits erfolgt? Wieviel Freisprüche sind ergangen?
Dem Bundesministerium der Justiz stehen Unterlagen über die Zahl der anhängigen Strafverfahren wegen Aufruhr, Auflauf und Landfriedensbruch sowie über die Zahl der Verurteilungen und Freisprüche in derartigen Verfahren nicht zur Verfügung. Die Verfolgung dieser Straftaten obliegt den Strafverfolgungsbehörden der Länder.
Das Bundesministerium der Justiz ist bereit, zu versuchen, durch Rückfrage bei den Landesjustizverwaltungen die notwendigen Zahlenangaben zu beschaffen und dieses Material sodann in einer Gesamtstatistik zusammenzustellen. Eine Rückfrage bei den Landesjustizverwaltungen würde jedoch voraussetzen, daß die Anfragen hinsichtlich des Zeitraums, auf den sich die Angaben beziehen sollen, und der in Betracht kommenden Komplexe - Begehung der genannten Straftaten im Zusammenhang mit Demonstrationen der APO, des SDS, gegen Fahrpreiserhöhungen für öffentliche Verkehrsmittel etc. - präzisiert werden.
Zusatzfrage!
Herr Staatssekretär, trifft es zu - was mir in dieser Woche von Richtern berichtet wurde -, daß Anfragen, die von seiten der Bundesregierung, speziell des Bundesjustizministeriums, an die Länder kommen, z. B. wegen der Zahl der Strafverfahren, sonst als eilbedürftig dorthin gehen und auch von ,den Ländern als eilbedürftig behandelt werden?
Sie werden im allgemeinen sehr schnell beantwortet, weil wir eine sehr gute Zusammenarbeit haben. Hier müßten wir aber die Fragen präzisieren; so allgemein, wie sie gestellt sind, können wir sie an die Landesjustizverwaltungen nicht weitergeben. Außerdem wissen wir aus einer ähnlichen Erhebung, die wir seinerzeit in Zusammenhang mit dem Straffreiheitsgesetz durchgeführt haben, daß das Zusammenstellen der Zahlen erhebliche Mühe macht und erhebliche Zeit dauert. Es ist zum großen Teil so, daß sich die Staatsanwaltschaft in diesen Verfahren noch gar nicht entschlossen hat, ob sie Anklage erheben wird. Man müßte also sehen, wie viele Verfahren bei der Staatsanwaltschaft laufen, in welchem Stadium sich die Ermittlungsverfahren befinden, wo Anklage erhoben worden ist und wo bereits Urteile ergangen sind. Das würde doch einige Zeit erfordern.
Herr Staatssekretär, muß ich Ihrer Antwort entnehmen, daß Sie an die Länder bisher überhaupt noch keine Frage in dieser Hinsicht gerichtet haben?
Ich sagte schon, daß wir einmal in dem Zusammenhang mit dem Straffreiheitsgesetz eine solche Anfrage - Frau Dr. Diemer-Nicolaus ({0}) : Ich meine, speziell wegen dieser Fragen!
Ja, sicher, wegen der Fragen im Zusammenhang mit dem Straffreiheitsgesetz habe ich die Zahlen auf dem Stand vom 1. Mai.
Frau Dr. Diemer-Nicolaus ({0}) i Nein, ich meinte hier wegen Auflaufs, Aufruhr und dieser Demonstrationen.
Ja. Ich darf Sie daran erinnern, daß es ursprünglich der Vorschlag oder die Überlegung des Bundesjustizministeriums war, das Straffreiheitsgesetz auch auf diese Taten zu erstrecken. In diesem Zusammenhang haben wir uns Statistiken vom 1. Mai - das ist der letzte Stand - geben lassen. Wir haben sie langsam zusammengetragen, nur sind sie längst überholt, weil das - wenn Sie so wollen - eine „Prozeßlawine" ist, die erst langsam auf uns zukommt. Es hat keinen Zweck, sich zwischendurch fortgesetzt statistische Ergebnisse geben zu lassen.
Herr Staatssekretär, das würde doch nur bedeuten, daß jetzt eine Fortsetzung des statistischen Materials erfolgte, das Ihnen schon vorliegt. Ist es nicht notwendig, daß gerade - nachdem jetzt die Problematik dieser Bestimmungen zur Sprache kommt und Forderungen nach einer Reform, nach einer Novellierung erhoben werden - jetzt von seiten des Justizministeriums eine weitere Erhebung erfolgt, um eine Fortsetzung der Statistik zu erhalten, die Sie schon haben?
Gnädige Frau, Sie können sicher sein, daß wir die Urteile, die in diesen Fällen ergehen, auch als Material für die Behandlung im Sonderausschuß sammeln werden. Aber es ist für die materielle Reform dieser Vorschriften nicht von Bedeutung, die Zahlen von Ermittlungsverfahren oder Gerichtsverfahren zu sammeln. Die Statistik war nur von Bedeutung, um zu sehen, wie groß die quantitative Auswirkung bei einem Straffreiheitsgesetz sein würde. Für die materielle Reform kann uns sonst nur interessieren, was in diesen Fällen judiziert wird, damit danach die Reformüberlegungen angestellt werden können.
Herr Staatssekretär, darf ich Sie darauf aufmerksam machen, daß es doch von erheblicher Bedeutung ist, wie viele derartige Ermittlungsverfahren laufen, um überhaupt beurteilen zu können, ob die Gerichte noch in der Lage sind, diese Verfahren durchzuführen oder ob eine zu starke Überbelastung der Gerichte vorliegt, wenn eventuell noch Tausende von Verfahren zu erwarten sind?
Das ist keine Frage, die in die Zuständigkeit des Bundesjustizministeriums fällt, und wir werden sehr zurückhaltend sein, bei den Landesjustizverwaltungen den Eindruck zu erwecken, der Bund müßte sich darum kümmern, ob die Länder in der Lage sind, ihre Aufgaben zu erfüllen.
Aber für die Frage, wie dringend eine Reform ist, ist das doch von Bedeutung!
Nein, für die materielle Reform ist - wie ich glaube - nicht die Zahl der Verfahren von Bedeutung, sondern allein, ob die Urteile zeigen, daß die Vorschriften überholt sind und die Gerichte Schwierigkeiten haben, mit ihnen fertig zu werden.
Sind sie nicht für die Frage, wie dringend die Reform ist, von Bedeutung?
Es besteht wohl kein Zweifel darüber - weder zwischen uns, noch sonst unter Juristen allgemein -, daß es dringend erforderlich ist, diesen Teil des Besonderen Teils des Strafrechts .zu reformieren. Ich glaube aber, die Diskussion darüber ist eher eine Sache des Ausschusses als eine Sache der Fragestunde.
Außerdem sind sechs Zusatzfragen konsumiert. Es bleibt nun noch die Frage 77 des Herrn Abgeordneten Dr. Arndt ({0}) :
Ist der Bundesregierung die Organisation Amnesty International bekannt, die sich mit der Betreuung politischer Gefangener - insbesondere jedoch solcher, die um ihres Gewissens willen ihrer Freiheit beraubt sind- in den kommunistischen Staaten, denen des Westens und denen der „Dritten Welt" befaßt?
Der Fragesteller hat sich mit schriftlicher Antwort einverstanden erklärt. Die Antwort des Staatssekretärs Dr. Ehmke vom 29. November 1968 lautet:
Der Bundesregierung ist sowohl die internationale Organisation „Amnesty International" als auch deren Deutsche Sektion bekannt. Die internationale Organisation von „Amnesty International" hat beim Wirtschafts- und Sozialrat der Vereinten Nationen den beratenden Status der Kategorie B der nichtstaatlichen Organisationen. Vom Europarat ist der Organisation der beratende Status der Kategorie I der nichtstaatlichen Organisation zuerkannt worden.
Wir kommen nun zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen. Ich rufe die Frage 78 des Abgeordneten Opitz auf:
Wann beabsichtigt die Bundesregierung, meine mündliche Anfrage gemäß § 111 der Geschäftsordnung für die Sitzung des Deutschen Bundestages am 26. September 1968 auf Drucksache V/3277 ({1}) und Stenographischer Bericht über die 186. Sitzung des Deutschen Bundestages, Seite 10068, zu beantworten?
Das Wort zur Beantwortung hat Herr Staatssekretär Leicht.
Leicht, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Ich darf die Frage des Herrn Kollegen Opitz wie folgt beantworten. Ihre Frage, Herr Kollege, für die Fragestunde am 25. September bezog sich darauf, welche Maßnahmen die Bundesregierung für die Fälle erwäge, in denen Arbeitnehmer aus struktur- oder arbeitsmarktpolitischen Gründen weiter als 40 Kilometer von der Arbeitsstätte entfernt wohnen.
Hier sollte - so habe ich Ihre Frage verstanden - geprüft werden, ob das steuerliche Abzugsverbot von Fahrtkosten, die auf eine Entfernung von mehr als 40 km entfallen, für Härtefälle gemildert werden kann. Herr Staatssekretär Grund hatte Ihnen bereits am 29. August und 24. September 1968 mitgeteilt, daß zuvor Feststellungen darüber getroffen werden müßten, welche zahlenmäßige Bedeutung die von Ihnen angesprochenen Fälle haben. Da in meinem Haus entsprechendes Material nicht vorhanden ist, haben wir uns sofort nach Eingang Ihrer Frage unter anderem mit den Finanzministerien der Länder und über den Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung mit der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung in Verbindung gesetzt, um gegebenenfalls von dort die benötigten Angaben zu erhalten.
Leider liegen die erbetenen Stellungnahmen noch nicht vollständig vor, so daß mir zu meinem Bedauern eine abschließende Antwort auf Ihre Frage heute immer noch nicht möglich ist. Von meinem Hause ist inzwischen nochmals an die Abgabe der noch ausstehenden Stellungnahmen erinnert worden, die für die Beantwortung Ihrer Frage unerläßlich sind. Ich darf daher um Ihr Verständnis für die Verzögerung bitten. Wir werden uns bemühen, Ihnen eine Antwort so schnell wie möglich zu geben.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, können Sie mir, da .es im Interesse der Mobilität der Arbeitnehmer meines Erachtens von großer Wichtigkeit ist, diese Frage zu klären, annähernd sagen, wie lange es Ihrer Meinung nach dauern wird?
Leicht, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Auf Grund unserer Erfahrungen in den vergangenen Wochen möchte ich mir - Herr Kollege Opitz, das werden Sie verstehen - nicht erlauben, einen Zeitpunkt anzugeben.
Ich rufe die beiden Fragen 79 und 80 des Herrn Abgeordneten Folger auf:
Ist es richtig, daß die Bundesregierung beabsichtigt, Zündholzschachteln als Werbeträger für ihre Politik zu benützen?
Wenn die Frage 79 bejaht wird: ist damit das Verbot, auf Zündholzschachteln und -briefchen politische Reklame zu machen, hinfällig, so daß der Weg auch für politische Parteien, Abgeordnete und andere frei ist?
Leicht, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Ich darf die beiden
Fragen wegen des Sachzusammenhangs zusammen beantworten.
Die Bundesregierung hat von jeher die Auffassung vertreten, daß sich die Deutsche Zündwarenmonopolgesellschaft als eine mit der Ausübung eines staatlichen Monopols beauftragte Gesellschaft an der Werbung für politische Parteien nicht beteiligen könne. Dementsprechend hat die deutsche Zündwarenmonopolgesellschaft bisher alle Aufträge politischer Parteien, auch der Regierungsparteien - ich habe nachgesehen, es haben praktisch alle Parteien im Laufe der Jahre Anträge gestellt - zur Lieferung von Zündholzschachteln mit parteipolitischer Werbung abgelehnt. Auch Zündholzschachteln oder Zündholzbriefchen mit der Abbildung bekannter Politiker werden nicht geliefert. Die Bundesregierung beabsichtigt nicht, ihre bisherige Haltung aufzugeben, weil sonst auch radikalen Rechtsoder Linksparteien nicht verweigert werden kann, was den anderen Parteien zugestanden wird.
Mit Ihren beiden Fragen zielen Sie, Herr Kollege, sicherlich darauf ab, daß das Presse- und Informationsamt der Bundesregierung einen Auftrag zur Lieferung von Zündholzschachteln mit folgendem Aufdruck erteilt hat: „Durch gute Wirtschaftspolitik neuer Aufschwung, Stabilität, Vollbeschäftigung. Die Richtung stimmt." Die Bundesregierung sieht hierin kein Abweichen von dem oben erläuterten Grundsatz, denn es handelt sich nicht um eine parteipolitische Werbung. Die Bundesregierung ist hier als Bundesorgan durch das Presse- und Informationsamt tätig geworden und hat die Öffentlichkeit über ihre Ziele im Bereich ihrer Wirtschaftspolitik unterrichtet und auf ihren Erfolg hingewiesen. Es liegt durchaus im Aufgabenbereich der Bundesregierung, die Bevölkerung über ihre Pläne ins Bild zu setzen und sich dabei aller Möglichkeiten der Information zu bedienen.
Die Deutsche Zündwarenmonopolgesellschaft hat in der Art und Weise der Aufmachung des Aufdrucks eine parteipolitische Werbung nicht gesehen und deshalb den Lieferauftrag ausgeführt, ohne zuvor den Sachverhalt, wie das sonst in Zweifelsfällen geschehen ist, dem Bundesfinanzministerium zur Entscheidung vorzutragen.
Zusatzfrage!
Herr Staatssekretär, liegt Ihres Erachtens keine Ungerechtigkeit gegenüber den politischen Institutionen vor, wenn zwar die Bundesregierung politische Reklame auf Zündholzschachteln machen darf, nicht aber die politischen Parteien und die Abgeordneten? Mir ist z. B. ein Auftrag nicht ausgeführt worden, auf dem nur meine Name mit dem Zusatz „MdB" gedruckt werden sollte. Auch das ist schon als politische Reklame angesehen worden.
Leicht, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Herr Kollege, ich würde nicht sagen, daß die Bundesregierung Reklame macht. Die Bundesregierung informiert.
Herr Kollege Folger, eigentlich hätten Sie in strenger Übereinstimmung mit der Geschäftsordnung fragen müssen, ob die Bundesregierung das mit dem Grundsatz der Gleichberechtigung für vertretbar hält. Dann wäre es elegant gewesen. So haben Sie gefragt: Ungerechtigkeit?
Fragen 81 und 82 des Herrn Abgeordneten Dichgans. - Der Abgeordnete ist nicht da; die Fragen werden schriftlich beantwortet.
Frage 83 des Herrn Abgeordneten Weigl:
Trifft es zu, daß soziale Härten vermieden werden könnten, wenn in die jetzt laufende Versetzungsaktion auch jüngere Zollbeamte einbezogen würden, die bis jetzt noch nicht zur Grenzablösung vorgesehen sind ({0})?
Der Fragesteller hat sich mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt. Die Antwort des Staatssekretärs Leicht vom 29. November 1968 lautet:
Der Berufsweg eines Zollgrenzbeamten beginnt an der Grenze. Erst wenn er dort einige Jahre Dienst getan hat, wechselt er in den Innendienst über. Die Dauer der vorübergehenden Tätigkeit an der Grenze hängt vom Verhältnis der Personalstärke des Zollgrenzdienstes zur Personalstärke des Zollinnendienstes ab. Da die besonderen Anforderungen, die der Zollgrenzdienst an die Beamten stellt, mit zunehmendem Alter immer schwerer erfüllt werden können, liegt es im Interesse der Beamten, wenn sie frühzeitig in den Innendienst abgelost werden. Dann sind sie auch noch aufnahmefähiger für die ganz anders gearteten Aufgaben des Innendienstes. Um diese frühzeitige Grenzablösung für die Mehrzahl der Beamten zu erreichen, war in der Vergangenheit versucht worden, einen geringeren Teil der Beamten auf Dauer an der Grenze zu lassen. Das sollte durch ein Zollgrenzdienstgesetz geschehen, durch das diesen Beamten eine vorzeitige Versetzung in den Ruhestand mit einem entsprechenden geldlichen Ausgleich ermöglicht werden sollte. Dieses Gesetz konnte jedoch u. a. wegen Auswirkungen auf andere Bereiche nicht verwirklicht werden.
In Erwartung der Möglichkeit, dauernd an der Grenze zu bleiben, sind aber eine Reihe von Beamten besondere Bindungen an den derzeitigen Dienstort eingegangen. So haben sie z. B. Eigenheime errichtet. Diese Beamten trifft es nunmehr besonders hart, wenn sie jetzt doch in den Innendienst - verbunden mit einem Wechsel des Dienstortes - versetzt werden müssen. Der Zollverwaltung ist sehr daran gelegen, diese Härten so weit wie möglich zu mildern. Der Bundesminister der Finanzen hat deshalb angeordnet, daß diese Härtefälle dem Ministerium vorgelegt werden, um jedem Einzelfall gerecht werden zu können und eine gleichmäßige Behandlung im gesamten Bundesgebiet sicherzustellen. In ihrem wohlverstandenen Interesse kann diesen Beamten jedoch nicht ein ständiges Verbleiben im Zollgrenzdienst zugestanden werden, weil ihnen die Anforderungen des Zollgrenzdienstes nicht bis zum 65. Lebensjahr zugemutet werden können. Es wird aber in jedem einzelnen Fall geprüft, ob vor allem die Beamten, die selbst gebaut haben oder aus anderen dringenden Gründen an den derzeitigen Wohnort gebunden sind, nicht bei einer Innendienststelle verwendet werden können, ohne den Wohnsitz wechseln zu müssen, selbst wenn dadurch ihre Grenzablösung um einige Zeit herausgeschoben werden müßte. Die vorzeitige Freigabe jüngerer Jahrgänge zur Ablösung von der Grenze wäre dazu nur erforderlich, wenn anders freie Innendienststellen nicht besetzt werden könnten. Das ist nicht der Fall. Es besteht zurzeit ein Überhang an zur Ablösung heranstehenden Grenzdienstbeamten gegenüber den verfügbaren Innendienststellen.
Die hier geschilderte Regelung in all ihren Konsequenzen ist mit den Personalvertretungen und Beamtenverbänden abgesprochen worden und hat deren volle Zustimmung gefunden.
Fragen 84, 85 und 86 des Herrn Abgeordneten Matthöfer:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß bei den derzeit unterbrochenen Tarifverhandlungen für Arbeitnehmer der Stationierungsstreitkräfte zumindest für Ballungsbereiche durch britische und amerikanische Streitkräfte Lohnangebote gemacht wurden, die die bisher gezahlten freiwilligen Zulagen der Streitkräfte übertreffen, so daß bei der üblichen Anrechnung der Lohnerhöhung auf diese Zulage später keine Erhöhung der Löhne erfolgen würde?
Wird das „Einvernehmen" gemäß Artikel 56 des Zusatzabkommens zum NATO-Statut von der Bundesregierung so verstanden, daß ihre wirtschafts- und tarifpolitischen Grundsätze und die notwendige Souveränität der Bundesrepublik Deutschland in der Gestaltung dieser Arbeitsbedingungen - zuletzt in einem Beschluß des Deutschen Bundestages vom 24. Mai 1965 ({1}) gefordert - nicht durchgesetzt werden können?
Wann ist mit einem Abschluß der Verhandlungen zu rechnen, die die Bundesregierung seit der Aufforderung des Deutschen Bundestages im Mai 1965 mit den Entsendestaaten über die Veränderung des Rechtsstatuts der Beschäftigten bei den Stationierungsstreitkräften führt?
Übernehmen Sie?
({2})
Leicht, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Ich möchte die Fragen des Herrn Kollegen Matthöfer . im Zusammenhang beantworten, weil ein sachlicher Zusammenhang besteht.
Der Bundesregierung ist nicht bekannt, daß die britischen und die amerikanischen Stationierungsstreitkräfte ihren Arbeitnehmern oder bestimmten Arbeitnehmergruppen Lohnangebote gemacht hätten, welche die Lohn- und Gehaltserhöhungen vorwegnehmen, über die mein Haus am 26. und 27. dieses Monats mit den am Tarifvertrag für die Arbeitnehmer bei den Stationierungsstreitkräften beteiligten Gewerkschaften verhandelt hat. Das Bundesministerium der Finanzen führt diese Verhandlungen in seiner Eigenschaft als Tarifvertragspartei für die Stationierungsstreitkräfte. Es ist hierbei zwar an die Verpflichtung der Bundesregierung nach Art. 56 Abs. 5 des Zusatzabkommens zum NATO-Truppenstatut gebunden, bei allen Tarifabschlüssen das Einvernehmen mit den obersten Behörden der Stationierungsstreitkräfte herzustellen, diese Verpflichtung hat das Bundesministerium der Finanzen bisher jedoch niemals daran gehindert, die wirtschafts- und tarifpolitischen Grundsätze der Bundesregierung zur Geltung zu bringen und im Wege der Koordinierung mit den Stationierungsstreitkräften zu tarifvertraglichen Regelungen zu gelangen, die auch die Gewerkschaften als zufriedenstellend anerkannt haben.
Über die laufenden Lohn- und Gehaltsverhandlungen, die von meinem Hause in diesem Sinne geführt werden, kann naturgemäß im Augenblick nichts gesagt werden. Über den Stand der Verhandlungen der Bundesregierung mit den .Entsendestaaten zur Revision des Art. 56 des Zusatzabkommens zum NATO-Truppenstatut, die auf Grund des Beschlusses des Bundestages vom 24. Mai 1965 aufgenommen wurden, ist dem Bundestag zuletzt am 4. Juli 1968 berichtet worden. Wann die Verhandlungen, für die die Federführung beim Auswärtigen Amt liegt, zum Abschluß kommen, kann ich noch nicht angeben.
Zusatzfrage?
Ist der Bundesregierung bekannt, Herr Staatssekretär, daß im Bereich der Engineer-Einheiten geplant ist, ca. 500 Niederdruckheizer zu entlassen und sie durch Heizer mit einem Einkommen von ca. 400 Dollar monatlich bei freier Unterkunft, Verpflegung und Bekleidung, nämlich durch amerikanische Soldaten, zu ersetzen, und wäre nach Ansicht der Bundesregierung der bisherige Kreis der Niederdruckheizer in der Bezahlung nicht billiger?
Leicht, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Sie haben Verständnis, daß mir das im Augenblick nicht bekannt ist, Herr Kollege. Ich bin aber gerne bereit, mich darum zu kümmern und Antwort zu geben.
Könnte die Bundesregierung ihre sicherlich beabsichtigte zusagende Haltung bei den entstehenden Devisenausgleichsverhandlungen nicht auch davon abhängig machen, daß die Arbeitnehmer bei den Stationierungsstreitkräften gleichbezahlt und rechtlich gleichgestellt werden mit den vergleichbaren Arbeitnehmern bei der Deutschen Bundeswehr?
Leicht, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Wir werden diese Frage prüfen lassen, aber es wird schwierig sein, diese Frage mit den anderen von Ihnen angeschnittenen Fragen zu verknüpfen.
Weitere Zusatzfrage.
Sieht die Bundesregierung eine Möglichkeit, diesen Arbeitnehmern - vertreten durch ihre Personalvertretungen - das volle Recht des Bundespersonalvertretungsgesetzes, vor allem die dreijährige Amtszeit der Personalräte, zu geben?
Leicht, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Diese Probleme sind mit eingeschlossen in die Bemühungen, die seit 1965 bei den Stationierungsstreitkräften darauf gerichtet und abgezielt im Gange sind, entsprechende Lösungen zu erreichen. Aber ich sagte schon, ich könnte keinen Erfolg berichten. Federführend ist das Auswärtige Amt, das immer noch in Verhandlungen steht.
Ist es richtig, daß in den Ministerien des Bundes unterschiedliche Auffassungen vorliegen über eine Änderung des Art. 56 Abs. 2 des Zusatzabkommens, wonach auch nach Abschluß der derzeitigen Verhandlungen diesen Arbeitnehmern ein nur verminderter Kündigungsschutz gewährt werden könnte?
Leicht, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Ich kann mir nicht vorstellen, daß das der Fall ist, Herr Kollege; aber ich werde die Frage prüfen lassen und Ihnen das Ergebnis schriftlich mitteilen.
Meine Damen und Herren, die Fragestunde ist zu Ende.
Ehe ich die Sitzung unterbreche, teile ich mit, daß die Fragen 27, 28 und 29 des Herrn Abgeordneten Fellermaier inzwischen zurückgezogen sind. Die nicht aufgerufenen Fragen werden, soweit sie nicht auch zurückgezogen sind, schriftlich beantwortet.
Damit, meine Damen und Herren, unterbreche ich die Sitzung. Der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Fraktion hat mir in der Zwischenzeit mitgeteilt, daß sich das Problem insofern vereinfacht habe, als er nicht anderthalb Stunden, sondern eine halbe Stunde Unterbrechung erbitten müsse.
({0})
Ja, wie lange dauert diese halbe Stunde? 30 Minuten! - Aber wir wollen großzügig sein und sagen: wir treten um 10.45 Uhr wieder zusammen. Ich unterbreche bis 10.45 Uhr.
({1})
Wir fahren in der unterbrochenen Sitzung fort.
Ich rufe Punkt 21 der Tagesordnung auf:
Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung Das Wort hat der Herr Bundesaußenminister.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Für das Ost-West-Verhältnis in Europa wird dieses Jahr 1968 gekennzeichnet bleiben durch die Entwicklung in der Tschechoslowakei vor und nach der Intervention vom 21. August. Diese Entwicklung stand denn auch im Mittelpunkt der Ministerkonferenz des atlantischen Bündnisses, die in der vorletzten Woche in Brüssel stattgefunden hat. Dabei hat sich ergeben - um dieses Ergebnis gleich vorwegzunehmen -, daß sich die Außenpolitik der Bundesrepublik Deutschland in vollem Einklang mit der Politik des Bündnisses befindet und abgesichert ist. Die vor Monaten angelaufene und während der Krise um die Tschechoslowakei erneut verstärkte Kampagne gegen uns hat die Bundesrepublik nicht isoliert; das Gegenteil ist eingetreten.
Gleichzeitig ist in Brüssel klargestellt worden, daß die friedenssichernde Aufgabe der NATO heute wichtiger ist denn je und daß keiner der Mitgliedstaaten die Absicht hat, was formal möglich wäre, im nächsten Jahr das Ausscheiden aus der Allianz ins Auge zu fassen. Tatsächlich haben sich die Partner stärker und geschlossener zum Bündnis bekannt, als dies seit Jahren der Fall gewesen ist.
Dies, so denke ich, muß insbesondere für diejenigen eine Enttäuschung gewesen sein, die ihrer Öffentlichkeit gegenüber den Eindruck vermittelt hatten, das nordatlantische Bündnis werde im nächsten Jahr aufhören. In einer TASS-Erklärung vom vorigen Sonnabend wird - das stellt man fest, wenn man sie sich genau ansieht - die Hoffnung aufgegeben, daß sich im kommenden Jahr wesentliche Veränderungen im westlichen Bündnis ergeben würden. Ich denke, dies darf man realistisch nennen.
Es gibt auch sonst einige Nachwirkungen des Rechtsbruchs, den die Sowjetunion und ihre Helfer durch ihr Vorgehen gegen die CSSR auf sich genommen haben. Dazu gehört die immer noch bemerkenswerte Tatsache, daß 64 größere und kleinere kommunistische Parteien von der Besetzung der CSSR mehr oder weniger deutlich Abstand genommen haben. Außerdem haben wir ja kürzlich gelesen, daß man sich in Jugoslawien fragt, ob das
Arrangement mit Ost-Berlin nicht ein Irrtum oder ein Fehler gewesen ist angesichts einer Ostberliner Haltung, die als schulmeisterliche Arroganz und eifernde Überheblichkeit empfunden wird.
Was uns selbst angeht, meine Damen und Herren, so wurde, wie wir uns alle erinnern, in der Regierungserklärung vom Dezember 1966 erklärt und seitdem mehrfach wiederholt, daß wir unsere gesamte Außenpolitik als konsequente und wirksame Friedenspolitik verstehen. Friedenssicherung ist auch die Aufgabe, die sich die Atlantische Allianz gestellt hat. Sie verfolgt dabei die doppelte Zielsetzung: einmal, eine ausreichende militärische Stärke und politische Solidarität aufrechtzuerhalten, um das NATO-Gebiet zu sichern, und gleichzeitig eine Politik zu fördern, deren Ziel bestimmt ist durch das Bemühen um Entspannung, Überbrükkung des Ost-West-Gegensatzes, Rüstungskontrolle und Abrüstung.
In der Brüsseler Minister-Konferenz in der vorletzten Woche ging es nicht darum, diese Zielsetzung der Allianz zu verändern und bei unfruchtbaren Formeln des Kalten Krieges Zuflucht zu suchen. Worum es ging, war, zu definieren, wie in der durch die tschechoslowakische Krise veränderten Lage die Allianz ihrer Aufgabe der Friedenserhaltung und Friedenssicherung möglichst gerecht werden kann.
Dabei mußte man von folgenden Tatsachen ausgehen: Erstens. Die Sowjetunion hat mit der Okkupation der Tschechoslowakei den Grundsatz der Nichteinmischung in die Angelegenheiten eines anderen Staates vorsätzlich verletzt. Sie hat ihre imperialen Interessen, hier gegenüber einem Mitglied des Warschauer Paktes, den Grundsätzen der Charta der Vereinten Nationen übergeordnet.
Zweitens. Die sowjetischen Führer messen sich das Recht zu, sich in die Angelegenheiten anderer Staaten einzumischen, insbesondere sofern sie diese der „sozialistischen Gemeinschaft", wie sie es nennen, zuordnen. Diese erschreckende Auffassung widerspricht dem Völkerrecht und gibt Anlaß zu ernster Besorgnis. Man kann nicht ausschließen, daß auch in anderen Fällen unter Berufung auf diese Doktrin Gewalt angewendet wird.
Drittens. In der Tschechoslowakei stehen seit dem 21. August sowjetische Streitkräfte, die vorher dort nicht stationiert waren. Ein erheblicher Teil von ihnen richtet sich auf einen langen Aufenthalt ein, und die Sowjetunion ist nicht auf das Angebot einer ausgewogenen beiderseitigen Truppenverminderung in Europa zur Verringerung der militärischen Konfrontation eingegangen, jenes Angebot, das die Allianz ihr, der Sowjetunion, im Juni dieses Jahres in Reyjavik gemacht hatte.
In der Ministerkonferenz in Brüssel hat man nun die Lage analysiert und sich, gestützt auf diese Analyse, um die Entscheidungen bemüht, die notwendig sind, um die friedenssichernde Funktion der Allianz zu erhalten und zu festigen. Die 14 an der gemeinsamen NATO-Verteidigung teilnehmenden Staaten haben vereinbart, die Qualität und die Einsatzbereitschaft der NATO-Streitkräfte zu verbessern. Der Bundesminister der Verteidigung wird diese Vereinbarung und die sich daraus ergebenden Maßnahmen, die die Bundesregierung zu treffen beabsichtigt oder schon eingeleitet hat, im einzelnen erläutern. Lassen Sie mich dazu nur dies sagen: Die Bundesregierung hat ebensowenig wie ihre Verbündeten die Absicht, einen neuen Rüstungswettlauf einzuleiten. Die in Brüssel getroffenen Vereinbarungen bezwecken nichts anderes, als durch angemessene, undramatische Verbesserungen die NATO-Streitkräfte in die Lage zu versetzen, auch in der veränderten militärischen Situation ihren Aufgaben der Sicherheit gerecht zu werden. Und wir wissen ja alle, daß unsere Bundesrepublik von dieser Veränderung der Sicherheitslage in besonderem Maße betroffen ist. Wir können und wir wollen uns nicht unserem Teil der Verantwortung entziehen. Keiner nimmt uns unsere Mitverantwortung für die gemeinsame Sicherheit ab.
({0})
Andererseits hatten wir gegenüber unseren Verbündeten klargestellt, daß wir die Maßnahmen zur Verbesserung der deutschen Streitkräfte im Rahmen einer gemeinsamen Aktion zu treffen wünschen. Diese Bedingung ist nun gegeben. Die Brüsseler Konferenz hat gezeigt, daß sich keiner der am Verteidigungsprogramm der NATO teilnehmenden Staaten seiner Verantwortung entziehen will, zur Verbesserung der gemeinsamen Verteidigung beizutragen.
Meine Damen und Herren, angesichts der durch die sowjetische Politik geschaffenen Lage haben die Bündnispartner im Kommuniqué der Ministerkonferenz - hier geht es also um die 15, um alle 15 Mitglieder NATO - ihre Entschlossenheit bekräftigt, einander gegen jeden bewaffneten Angriff zu verteidigen. Aber sie haben dem etwas hinzugefügt -ganz genau, wenn man sich an den Aufbau des Kommuniqués hält: sie haben dem etwas vorangestellt -, alle 15 Partner haben nämlich festgestellt, daß jede sowjetische Intervention, die die Situation in Europa oder im Mittelmeer mittelbar oder unmittelbar beeinflußt, zu einer internationalen Krise mit schwerwiegenden Folgen führen würde. Ich meine, diese Warnung spricht für sich selbst. Sie bedeutet, daß die NATO-Staaten nicht gleichgültig oder untätig bleiben können, wenn ihre Sicherheit direkt oder indirekt durch Übergriffe gegen Staaten an der Peripherie der Allianz gefährdet wird..
Für die Bundesregierung habe ich in Brüssel betont, die Bundesrepublik Deutschland sei sich wegen ihrer Lage, ihrer Erfahrung und ihrer Perspektiven in besonderem Maße bewußt, daß eine bloß militärische Antwort nicht ausreicht. Ich habe dort erklärt, daß wir nicht nachlassen dürfen, trotz allem nicht nachlassen dürfen, um politische Lösungen bemüht zu sein, und daß die Allianz nicht nachlassen darf, nach Ansätzen für ein sicherheits- und friedensbewahrendes System zu suchen, das auch unseren Kontinent im Sinne einer gesamteuropäischen Friedensordnunng umfaßt.
Im Brüsseler Kommuniqué heißt es, das politische Ziel der Allianz sei nach wie vor - ich zitiere 10774
„die Herbeiführung gesicherter, friedlicher und für beide Seiten nutzbringender Beziehungen zwischen Ost und West". Und weiter:
Die Bündnispartner sind entschlossen, dieses Ziel zu verfolgen, dabei aber zu berücksichtigen, daß die Suche nach Entspannung das Bündnis nicht spalten darf.
So weit das Zitat. Dies ist - wie man wohl verstehen wird - eine deutliche Absage an Versuche, die Bundesrepublik Deutschland .aus Bemühungen um die Entspannung auszuklammern. In dem Kommuniqué heißt es dann - ich zitiere wieder wörtlich -:
Der Wunsch nach Frieden verlangt auf den entscheidenden Gebieten der Abrüstung und der Rüstungskontrolle Fortschritte, die mit der Sicherheit des Westens in Einklang stehen; er macht weitere Bemühungen um die Lösung der grundlegenden Fragen, die Ost und West trennen, notwendig.
Das sind, wie ich meine, klare Worte, ebenso wichtig wie die Beschlüsse über die Stärkung der NATO-Verteidigung.
Die Verbündeten haben also ihren Willen bekräftigt, auch das zweite Ziel der Bündnispolitik, d. h. die Bemühungen um eine friedliche Ordnung in Europa, beharrlich weiter zu verfolgen. Dazu gehört die Orientierung - die Orientierung über den Tag hinaus - auf eine ausgewogene beiderseitige Verminderung der Streitkräfte in Ost und West. Wenn auch die Ereignisse der letzten Monate die Lösung dieses Problems ganz gewiß nicht erleichtert, sondern erschwert haben, sind die Bündnispartner doch übereingekommen, die internen Studien über Modelle einer ausgewogenen Truppenverminderung in Ost und West fortzusetzen. Das heißt, die Bündnispartner sind entschlossen, die Sicherheitsinteressen der Allianz zu wahren, und sie bleiben zugleich bereit, über Entspannungsmaßnahmen zu sprechen.
Meine Damen und Herren, ich habe dies etwas ausführlicher dargelegt, weil sich auch bei uns zulande zuweilen Stimmen melden, die, wie ich meine, in vorgestrige Vorstellungen flüchten und uns, auf solche gestützt, der Illusion zeihen. Die realistische und ausgewogene Politik, zu der sich die Bundesregierung vor und nach dem ' 21. August bekannt hat, ist - das muß bei dieser Gelegenheit und nach der Brüsseler Tagung festgestellt werden . - eine Politik der Allianz, der wir angehören und die wir in vollem Umfang mit tragen.
({1})
Nun gehört freilich nicht viel Weitblick dazu, vorauszusehen, daß die beiden Weltmächte in einen neuen Dialog eintreten werden. Das scheint mir eine objektive Gegebenheit zu sein. Unser Interesse ist es - das 'haben wir übrigens auch in Brüssel gesagt, und wir haben dafür Verständnis gefunden -, daß die offenen mitteleuropäischen und damit auch die offenen deutschen Fragen aus künftigen Ost-West-Gesprächen nicht ausgeklammert werden.
Unsere Verbündeten haben durchaus Verständnis dafür, daß wir selbst bestrebt bleiben, auch wenn es noch schwieriger geworden ist, unser Verhältnis zu Osteuropa und besonders zur Sowjetunion zu verbessern. In diesem Sinne war es logisch, daß Anfang Oktober in New York die Möglichkeit eines Gesprächs mit dem sowjetischen Außenminister genutzt worden ist. Natürlich konnte durch ein solches Gespräch keine Wunderformel erreicht werden, durch die tiefgreifende Meinungsverschiedenheiten oder auch denkbare Mißverständnisse aus der Welt geschafft wurden. Das wird auch künftig weder leicht noch schnell gehen, sofern dies überhaupt gelingt. Fortschritte kann es nur geben, wenn es echte Verhandlungen gibt, d. h. wenn die Verständigungsbereitschaft der Sowjetunion weiter geht, als von uns nur die Hinnahme ihrer Forderungen zu erwarten. Mit dem sowjetischen Außenminister bestand jedenfalls insofern Übereinstimmung, daß das Thema des Austausches von Gewaltverzichtserklärungen nicht zu den Akten gelegt, sondern daß es weiter behandelt werden sollte. Wir erwarten weder rasche noch spektakuläre Fortschritte; aber diese illusionslose Einschätzung wird uns nicht davon abhalten, unsere Bemühungen fortzusetzen. Es handelt sich für uns eben nicht um Taktik, sondern um den notwendigen Versuch,
({2})
das deutsch-sowjetische Verhältnis zu entlasten und schließlich zu verbessern und damit der europäischen Entwicklung auch von dieser Seite her einen Dienst zu erweisen.
({3})
Meine Damen und Herren, ich darf aus gegebenem Anlaß eine persönliche Zwischenbemerkung machen. Wenn man mich fragen würde - wie das neuerdings Mode geworden ist -, ob denn wohl, als ich mit dem sowjetischen Außenminister in der Sowjetischen Botschaft bei den Vereinten Nationen in New York sprach, ein Tonband mitgelaufen sei, dann könnte ich dazu keine Auskunft geben. Das kann ich nicht wissen. Ich kann nur für diesen wie für andere Fälle sagen: Damit rechne ich, und ich äußere mich so, daß es keinen Unterschied macht, ob ein Tonband da mitläuft oder nicht.
({4})
Zur Sache selbst: Moskau und Ost-Berlin versuchen, in den mit der Bundesrepublik befreundeten Staaten den Eindruck zu erwecken, daß unsere Ost- und unsere Deutschland-Politik aussichtslos sei. Die uns befreundeten Staaten sollen dazu bewogen werden, uns nicht länger bei dieser Politik zu unterstützen. Aber gerade hier hat die Ministerkonferenz in Brüssel gezeigt, daß unsere Freunde dieser Versuchung nicht erlegen sind und ihr auch nicht erliegen werden.
Die Regierungen der NATO-Staaten haben - abgesehen davon, daß sie die Regierung in Ost-Berlin nicht anerkennen - erneut bekräftigt, daß sie alle Ansinnen zurückweisen, die die Verewigung der Teilung Deutschlands gegen den Willen des deutschen Volkes zur Folge haben würden. Sie haben die Entschlossenheit des Bündnisses bestätigt - ich
zitiere - „in seinen Bemühungen fortzufahren, zu einer friedlichen Lösung der Deutschlandfrage auf der Grundlage der freien Entscheidung des deutschen Volkes und des Interesses der europäischen Sicherheit beizutragen."
Sie - die Bündnispartner in ihrer Gesamtheit - haben sich ferner nachdrücklich zu ihrer Verantwortung für Berlin bekannt und die Bedeutung unterstrichen, welche die Bindungen des Landes Berlin an den Bund für das Wohlergehen und die Lebensfähigkeit dieses Landes und dieser Stadt haben. Ich denke, in beiderlei Hinsicht, was die deutsche Frage angeht und was Berlin angeht, wissen wir, daß es mit solchen Erklärungen nicht getan ist, daß es aber sehr viel schwieriger für uns wäre, wenn es sie nicht gäbe, und wir wissen diese Erklärungen zu würdigen - und dankbar zu würdigen.
({5})
Ich habe in Brüssel auch betont, daß es unser legitimes Ziel ist, den Weg für eine konstruktive Lösung des deutschen Problems offenzuhalten und hierfür die Unterstützung unserer Freunde zu bewahren. Ich habe ferner erklärt, daß wir uns ohne jede Illusion auch weiterhin mit allen friedlichen Mitteln um innerdeutsche Regelungen bemühen werden. Auch hier darf ich dem Hohen Haus sagen: Unsere Verbündeten verstehen und unterstützen diese Politik. Auch hier ist unsere Politik eingebettet in und abgesichert durch die Politik des Bündnisses.
Der innere Zusammenhang zwischen den Problemen der Allianz und den Bemühungen um die europäische Zusammenarbeit und die schließliche Einigung unseres Kontinents ist, so denke ich, evident. Die Brüsseler Ministerkonferenz selbst hat diesen Zusammenhang in dem Wunsch charakterisiert, daß die Allianz - ich darf noch einmal zitieren - „auch in Zukunft der unerläßliche Garant der Sicherheit und die wesentliche Grundlage für die europäische Versöhnung" bleibe. Meine Damen und Herren, ich denke, es war und ist unsere Überzeugung, daß Europa den Schutz der Atlantischen Allianz braucht. Aber es gilt auch dies: Je wirksamer die lebendigen Kräfte in Europa zusammengefaßt werden, desto sicherer ist die Grundlage und die Wirksamkeit der gemeinsamen Verteidigung.
Die Bundesregierung weiß um die Gefahren und die Schwierigkeiten, die sich gegenwärtig einer zügigen europäischen Entwicklung in den Weg stellen. Gerade in den letzten Tagen haben wir erfahren müssen, daß alte, um nicht zu sagen atavistische Instinkte des Mißtrauens in Europa wieder wach geworden waren. Wir können dies nur bedauern. Es wäre verderblich, wenn wir das Ziel einer gemeinsamen und gemeinschaftlichen Politik verlassen würden, um zur Vorstellung eines europäischen Gleichgewichts rivalisierender Staaten zurückzukehren.
Denjenigen, die uns mißverstehen und manchmal auch mißverstehen wollen, wenn sie sagen, wir strebten eine Führungsrolle in Europa an, muß man, denke ich, antworten: Europa wird nicht geeint durch einen irgendwie gearteten Führungsanspruch des einen oder des anderen, sondern durch den freiwilligen, konstruktiven Beitrag gleichberechtigter Partner.
({6})
Ich denke, wir sagen dies auf Grund bitterer Erfahrung und als Sprecher einer leidgeprüften Nation.
Zur Zeit bieten sich mehrere, leider nur ganz schmale Wege an, um trotz aller widrigen Umstände realistische, wenn auch nur bescheidene Fortschritte in der europäischen Zusammenarbeit zu erreichen. Bei allen diesen Anstrengungen hat die Bundesregierung unverändert das Ziel im Auge, den Kreis der an der Zusammenarbeit beteiligten Länder so weit wie möglich zu fassen und letzten Endes auf diesem Wege auch einer gesamteuropäischen Friedensordnung näherzukommen. Kostbare Zeit sollte nicht im Streit um Theorien und Dogmen verloren werden. Wir müssen daran interessiert sein, auf der Grundlage des Bestehenden vernünftige und ereichbare Ziele anzustreben.
Wir hoffen daher, daß der Ministerrat der Westeuropäischen Union, der Anfang Februar nächsten Jahres in Luxemburg erneut zusammentritt, sich eingehend mit der Verstärkung der politischen Zusammenarbeit beschäftigen wird. Wir jedenfalls möchten auf dieser Ratstagung an Vorschlägen mitwirken, die konstruktiv, wirksam und angemessen sein werden.
Was die Sicherheitsfragen angeht, die sich aus spezifischer europäischer Sicht ergeben, so meinen wir, daß der geeignete Ort für ihre Behandlung im Rahmen des Bündnisses liegen sollte. Es handelt sich wohl darum, die europäische Identität im Bündnis möglichst deutlich - wo es vernünftig ist, deutlicher - zu betonen, wofür wir uns ebenso wie Großbritannien, Italien und andere ausgesprochen haben und wozu uns auch die Amerikaner ermuntern, dabei aber andererseits den Zusammenhalt aller Bündnispartner nicht zu verlieren. Das ist der zweite der schmalen Wege.
Was den dritten Weg angeht, so liegt den Europäischen Gemeinschaften in Brüssel seit dem 27. September eine deutsche Initiative zum inneren Ausbau der Gemeinschaften und zu Interimslösungen im Hinblick auf ihre Erweiterung vor. Diese Initiative ist von allen Partnern relativ günstig aufgenommen worden, so daß der Rat am 5. November, wie Frankreich und wir es angeregt hatten, nachdem Frankreich seine eigenen Vorschläge zum inneren Ausbau nicht weit entfernt von unseren eigenen Vorstellungen unterbreitet hatte, die Prüfung dieser Frage beschließen konnte. Wir sehen darin einen bescheidenen Erfolg unserer Bemühungen.
Meine Damen und Herren, die amerikanische Regierung hat inzwischen zu erkennen gegeben, daß sie gegen das Kernstück der Interimsmaßnahmen, nämlich das handelspolitische Arrangement, Bedenken hat. Sie, die amerikanische Regierung, befürchtet, daß eine solche Zwischenlösung an die Stelle des Beitritts treten und den Vorschriften des GATT widersprechen könnte. Mit einer solchen Entwick10776
lung.- das darf ich hier sagen - wären auch wir nicht einverstanden. Diese Hinweise nehmen wir ernst, aber wir halten an unseren Vorschlägen fest, die geeignet sind, innerhalb und außerhalb der EWG eine Annäherung zu bewirken, wenn sie, wovon wir immer ausgegangen sind, GATT-konform gestaltet werden. Um so mehr müßten wir es bedauern, wenn diesen Bemühungen um Annäherung durch neue protektionistische Schritte entgegengewirkt werden würde.
Was die Position zu dieser wichtigen Frage angeht, darf ich dem Hohen Hause ergänzend mitteilen, daß wir der amerikanischen Regierung - durch Zufall am heutigen Tag - auf dem normalen, nämlich diplomatischen Wege unsere Erwägungen, wie ich sie eben anklingen ließ, mitteilen werden.
In den Vorschlägen, die im Zusammenhang mit der WEU diskutiert wurden und werden, spielen dann auch noch die Fragen der Technologie und die internationalen Währungsfragen eine Rolle. Hierzu meinen wir in der Bundesregierung, daß diese Fragen sehr wohl im Rahmen der bestehenden Organisationen gefördert werden können, sei es im Rahmen der EWG, insbesondere in der Perspektive ihrer Erweiterung, oder sei es für die Währungsfragen in dem sogenannten Zehnerklub, dessen Bedeutung wir gerade in den letzten Tagen in recht dramatischer Weise erfahren haben.
Aber ich gebe denen recht, die in den Diskussionen der letzten Wochen über die künftige europäische Zusammenarbeit ausgesagt haben, daß wir dabei nicht zuletzt den Problemen unserer Jugend, den Problemen der Bildung und Ausbildung und des Jugendaustausches auf europäischer Grundlage eine besondere Aufmerksamkeit widmen und uns bemühen sollten, die junge Generation wieder stärker mit dem Werk der schwieriger gewordenen und dadurch auch manchmal langweiliger gewordenen europäischen Einigung zu verbinden.
({7})
Meine Damen und Herren, wenn es uns gelingt, auf den hier dargelegten Wegen - hinzu käme dann noch die funktionelle Zusammenarbeit von Fall zu Fall zwischen jeweils einer Gruppe von europäischen Staaten, die eine praktische Aufgabe gemeinsam glauben anpacken. zu können - voranzuschreiten, so erweist sich die Schaffung neuer Organisationen und Institutionen als überflüssig, jedenfalls nicht als vordringlich. Was Europa braucht, sind nicht neue Einrichtungen, sondern ist ein stärkerer Wille zu gemeinschaftlichen Lösungen.
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Wir sind der Überzeugung, daß in den bestehenden europäischen Organisationen die Möglichkeiten für eine Intensivierung der Zusammenarbeit noch längst nicht ausgeschöpft sind und daß durchaus adäquate Mittel gegeben sind, zu zeitgemäßen und fortschrittlichen Lösungen zu gelangen.
Meine Damen und Herren, die Bundesregierung wird in der Zukunft noch mehr als bisher bemüht sein, sich nirgends als Vermittler aufzudrängen, sich aber zum Treuhänder einer integralen europäischen
Politik zu machen, die sich daraus ergebenden Vorstellungen und Initiativen klar zu formulieren und jedem europäischen Partner die Hand zu reichen, der zu aufrichtiger und gleichgerichteter Zusammenarbeit bereit ist.
In Brüssel haben sich die NATO-Regierungen entschlossen gezeigt, das Nötige und Mögliche zu tun, um die Wirksamkeit der NATO-Verteidigung zu verbessern. Im europäischen Bereich stehen wichtige Ministerratstagungen bevor, sowohl auf der Sechserebene wie im Rahmen der WEU. Die Politik des Ausgleichs zwischen West und Ost wird in beiden Bereichen nicht vernachlässigt werden. Die Atlantische Versammlung, die unmittelbar vor und während der Ministerkonferenz in Brüssel tagte, hat den Beratungen der Minister wesentliche Impulse gegeben. Ein Gleiches gilt für die Europäische Parlamentarier-Konferenz in Den Haag, die Anfang November stattfand. Beide Veranstaltungen haben gezeigt - alles in allem -, daß unsere Zielsetzungen weithin auf Unterstützung rechnen können. Für die Bundesregierung darf ich das Hohe Haus bitten, es an dieser Unterstützung auch hier weiterhin nicht fehlen zu lassen.
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Das Wort hat der Herr Bundesminister der Verteidigung.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Außen- und die Verteidigungspolitik der Bundesrepublik Deutschland sind in unserer Bündnispolitik verankert und mit ihr verklammert. Ihr Ziel ist, unserem Land und Volk die äußere Sicherheit zu geben. Dies war das Ziel jeder deutschen Regierung seit dem Bestehen der Bundesrepublik Deutschland. Die Bündnispolitik haben alle Fraktionen dieses Hohen Hauses unterstützt. Diese entscheidende Tatsache, meine Damen und Herren, möchte ich an den Beginn meiner Ausführungen stellen. Meinungsverschiedenheiten in Einzelfragen verdunkeln gelegentlich die grundsätzliche Übereinstimmung über die Bedeutung unserer Streitkräfte für die Außen- und Verteidigungspolitik. Aber auch diese Einzelfragen müssen in der Überzeugung besprochen werden, daß wir gemeinsam die Verantwortung für Land und Volk tragen.
Die letzte NATO-Ministerratstagung hatte vor allem die sicherheits- und verteidigungspolitischen Maßnahmen und Anstrengungen der Partner angesichts der Veränderungen festzulegen, die sich aus der militärischen Intervention der Sowjetunion und - mit Ausnahme Rumäniens - der Warschauer Pakt-Staaten in der Tschechoslowakei ergeben haben.
Zunächst ist zu sagen, daß unmittelbar nach dem sowjetischen Einmarsch innerhalb der Allianz eine Reihe von Sofortmaßnahmen getroffen wurde, um die präsenten Streitkräfte der NATO auf Eventualfälle in den nunmehr besonders gefährdeten Gebieten vorzubereiten. Gleichzeitig waren die Fragen
zu prüfen, die sich aus der neuen militärischen Lage ergaben. Höhepunkt dieser Beratungen war die NATO-Ministerratskonferenz in Brüssel vom 14. bis 16. November 1968. Am 16. Januar 1969 soll eine weitere Sitzung der Verteidigungsminister zur abschließenden Abstimmung der von den einzelnen Mächten zu treffenden zusätzlichen Maßnahmen stattfinden.
Meine Damen und Herren, die Ausschüsse des Hohen Hauses sind über den Fortgang dieser Arbeiten und über die Erwägungen, von denen sich die Bundesregierung leiten ließ, fortlaufend unterrichtet worden. Der Herr Bundeskanzler hat am 16. Oktober 1968 ausgeführt - erlauben Sie mir, das zu zitieren -:
Mit unserer Friedenspolitik steht unsere Entschlossenheit zur Bewahrung und Festigung des nordatlantischen Bündnisses keineswegs im Widerspruch! Im Gegenteil! Solange die hochgerüstete militärische Macht der Sowjetunion und des sozialistischen Lagers besteht, muß ihr eine angemessene Verteidigungskraft des Westens entsprechen. Es geht dabei nicht um die Frage, welche Absichten wir bei den Führern der Sowjetunion vermuten. Dieser Irrtum ist leider in der Vergangenheit von manchen begangen worden. Die bloße Existenz einer so gewaltigen militärischen Macht auf der Seite der Sowjetunion fordert auf der Seite des Westens eine entsprechende Anstrengung. Nur unter dieser Voraussetzung - ich wiederhole es - kann der Westen eine Politik der Verständigung und des Friedens mit der Sowjetunion betreiben. Ohne eine solche Sicherheit wäre das Gleichgewicht und der Frieden in der Welt aufs höchste gefährdet. Es gibt natürlich eine Alternative, die wir bei weitem vorziehen würden - und wir haben es schon oft gesagt -: die schrittweise, kontrollierte, gleichzeitige und gleichwertige Abrüstung auf beiden Seiten. Diese Regierung wird sich auch in Zukunft bemühen, dazu durch eigene Initiativen beizutragen.
. Die Sowjetunion kann sich nicht darüber täuschen, daß sie durch die Besetzung der Tschechoslowakei und durch die Bereitstellung sowjetischer Divisionen an der deutsch-tschechoslowakischen Grenze die militärische Lage verändert hat. Die Zurückziehung ihrer Streitkräfte aus der Tschechoslowakei würde es den verbündeten Ländern ersparen, neue Überlegungen und Maßnahmen zu treffen, die dieser veränderten Situation entsprechen. Noch ist es dafür nicht zu spät.
Soweit das Zitat!
Vor weniger als einem Jahr erläuterte ich für die Bundesregierung vor dem Deutschen Bundestag die Grundlagen und die Ziele der deutschen Verteidigungspolitik. Das war am 6. Dezember des vergangenen Jahres. Ich schloß mit dem Blick auf unsere eigenen Verteidigungsanstrengungen, wie sie in der mittelfristigen Finanzplanung ins Auge gefaßt waren und sagte:
Die deutsche Regierung muß deshalb in aller Deutlichkeit darauf hinweisen, daß ein weiteres Beschneiden der Verteidigungsausgaben die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland in einem nicht mehr zu verantwortenden Maße gefährden würde, wenn sich die militärpolitische Lage nicht grundlegend ändert.
Nach den uns alle bewegenden Ereignissen im August dieses Jahres ist uns die Frage des Umfangs unserer Verteidigungsanstrengungen mit aller Deutlichkeit vor Augen geführt worden. In den Hauptquartieren der Allianz, in unseren Planungsabteilungen und in der Offentlichkeit wurden konkrete Fragen gestellt, von denen ich vor allem drei hervorheben möchte.
Die erste Frage lautet: Ist unsere Sicherheit stärker als bisher bedroht?
Die zweite Frage: Reichen die Präsenzstärken der Bundeswehr und unserer Alliierten aus, um unser erklärtes Hauptziel - die Abschreckung auf allen Ebenen und die Verteidigungsfähigkeit im Kriege - zu gewährleisten?
Schließlich die dritte Frage: Ist die Strategie der flexiblen Reaktion richtig?
Ich möchte dazu folgendes erklären.
Zunächst über unsere Zielsetzung: Wir wollen unsere Streitkräfte - zusammen mit denen unserer Bündnispartner - auf der Höhe der Zeit und in dem Stande der Kampffähigkeit halten, der erforderlich ist, um den potentiellen Gegner auch in Zukunft abzuschrecken und im Falle eines Angriffs unser Land wirksam zu verteidigen.
Es nimmt nicht wunder, daß dies Erfordernis nach den Ereignissen in der Tschechoslowakei stärker in das Bewußtsein vieler Deutscher gelangt ist. Aber wir haben nicht mit dramatischen Gesten geantwortet, sondern mit der nüchternen Entschlossenheit, das Notwendige zügig und zielbewußt zu tun. Die Beständigkeit unserer Anstrengungen ist die Grundlage für ihren Erfolg. Alles nur Plakathafte galt es und gilt es noch zu vermeiden.
In unserer Grundeinstellung werden wir in den nächsten Monaten mit unseren Verbündeten eine Reihe wichtiger Allianzfragen zu behandeln haben, wie die des Devisenausgleichs und die der Gestaltung der Allianz in den nächsten Jahren. Nicht in weiteren Organisationen - das hat gerade der Herr Bundesminister des Auswärtigen hier vorgetragen -, sondern darin, daß wir in den Bereichen gemeinsamen Interesses gemeinschaftlich, praktisch voranschreiten, sehen wir das Wesentliche unserer Anstrengungen.
In Verbindung mit der weiteren Entwicklung der Europa-Politik steht auch der Gedanke einer stärkeren Abstimmung zwischen den Verteidigungsmini10778
stern der europäischen NATO-Partner, wie er vor allem von britischer Seite vorgeschlagen worden ist. Darüber ist am Rande der letzten Brüsseler NATO-Tagung gesprochen worden. Von solchen Begegnungen können nützliche Impulse ausgehen. Wir beteiligen uns an diesen Bemühungen. Wir lassen uns dabei davon leiten, daß die Verteidigung des freien Teils von Europa auf absehbare Zeit eine gemeinsame Verantwortung aller NATO-Partner beiderseits des Atlantiks bleibt und daß deswegen nichts unternommen werden sollte, was diese Tatsache in ihrem Gewicht vermindern könnte.
Meine Damen und Herren, erlauben Sie mir nun, mich den folgenden Problemkreisen zuzuwenden: 1. die militärpolitische Lage nach den Ereignissen in der Tschechoslowakei, 2. die Darstellung und Erläuterung der NATO-Beschlüsse vom 14. bis 16. November 1968 und 3. die Darlegung der von der Bundesregierung im Verteidigungsbereich zusätzlich durchgeführten, eingeleiteten und geplanten Maßnahmen.
Ich komme zunächst zu der veränderten militärischen Lage in Mitteleuropa. Die in Brüssel versammelten Minister aller 15 NATO-Staaten stimmten in ihrer Beurteilung der Lage in folgendem überein: Seit dem Tage, an dem die Sowjetunion Truppen an der Grenze der Tschechoslowakei versammelte, ist das militärische Kräfteverhältnis zugunsten der Kräfte des Warschauer Pakts verändert. Diese Kräfteverschiebung ist durch den Abzug einiger sowjetischer Verbände und der an der Okkupation beteiligten Kontingente anderer Warschauer-Pakt-Staaten nach der Invasion nicht aufgehoben worden. Die Sowjetunion hält noch immer westlich der Weichsel rund 10 Divisionen mehr als zu Beginn dieses Jahres. Die Mehrzahl dieser Verbände steht im Grenzraum jenseits des Böhmerwaldes, also in einem Gebiet, in dem zuvor keine sowjetischen Streitkräfte waren. Es kommt hinzu, daß die Streitkräfte des Warschauer Pakts ihre Einsatzbereitschaft bewiesen haben. Sie haben dabei eine bemerkenswerte Perfektion in der Durchführung von Operationen verbundener Teilstreitkräfte gezeigt.
Diese Veränderung der Lage hat der Sowjetunion militärisch nicht unbedeutende Vorteile gegenüber der Zeit vor dem Einfall in die Tschechoslowakei gebracht. Die jetzige Dislozierung ihrer Truppen bietet der Sowjetunion größere operative Möglichkeiten. Das gilt nicht nur gegen den NATO-Bereich Europa-Mitte. Die Voraussetzungen für Überraschungsangriffe und für Angriffsoperationen mit nur geringer Vorwarnung gegen das NATO-Gebiet sind günstiger geworden.
Meine Damen und Herren, ich verstehe sehr wohl, daß dieses Hohe Haus und die deutsche Offentlichkeit die Veränderung der Lage in Mitteleuropa mit besonderer Besorgnis betrachtet. Es wäre aber zu einseitig, die Invasion in die Tschechoslowakei als einen isolierten Vorgang zu sehen oder aufzufassen. Die Verstärkung der sowjetischen Seestreitkräfte im Mittelmeer, der Anspruch der Sowjetunion, als Mittelmeermacht anerkannt zu werden, ihre offene Einmischung in den Nah-Ost-Konflikt müssen als Zeichen einer expansiven Machtpolitik gewertet werden. In die gleiche Richtung zielen auch die unübersehbare Aktivität der sowjetischen Marine im Nordmeer und auf den Weltmeeren sowie die Landmanöver entlang der norwegisch-sowjetischen Grenze.
In diesem Zusammenhang sind auch die Erhöhungen der Militärausgaben im Warschauer Pakt zu sehen.
Zweiter Punkt: die Ungewißheit über die sowjetischen Absichten. Man kann natürlich fragen, ob dieses militärische Lagebild die politischen Absichten der Sowjetunion widerspiegelt.
Die westlichen Regierungen, meine Damen und Herren, haben in den vergangenen Jahren große Anstrengungen unternommen, um eine Verständigung über politische Fragen mit der Sowjetunion zu ermöglichen. Immer wieder sind Sondierungen in dieser Richtung unternommen worden. Der Herr Bundesminister des Auswärtigen hat auch heute wieder über diesen Aspekt unserer Außenpolitik gesprochen. Man darf aber nicht übersehen, daß der systematische Auf- und Ausbau der sowjetischen Streitkräfte Zweifel an den weitergehenden politischen Absichten der Sowjetunion aufkommen und fortbestehen läßt. Die Vorgänge um die Tschechoslowakei haben diese Zweifel verstärkt. Langfristige politische Absichten spiegeln sich deutlich im militärischen Bereich, und das heißt: in der Art der Bewaffnung und in der Ausbildung der Streitkräfte wider. Es unterliegt nun keinem Zweifel, daß die Struktur der sowjetischen Streitkräfte vornehmlich auf die Durchführung offensiver Operationen ausgerichtet ist. Wir haben gesehen, daß die sowjetische Regierung jederzeit in der Lage ist, das militärische Instrument zur Ausübung politischen Druckes oder zur gewaltsamen Durchsetzung politischer Ziele einzusetzen.
Das Vorgehen gegen die Tschechoslowakei hat auch deutlich gemacht, wie rasch - und ich möchte noch einmal unterstreichen: wie rasch - politische Absichten totalitärer Regierungen sich ändern können.
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Politische Entschlüsse lassen sich unter solchen Verhältnissen unvermittelt, ohne den Umweg über eine langwierige und öffentliche Meinungsbildung und ohne Rücksicht auf die Bevölkerung verändern oder sogar umkehren.
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Die Ungewißheit über die sowjetischen Absichten verbietet es uns, die eigene Verteidigungsplanung primär nach gegenwärtig erkennbaren Absichten der sowjetischen Regierung auszurichten. Die Planung der Allianz muß sich vor allem an den Fähigkeiten des möglichen Gegners ausrichten, und das nun unter Berücksichtigung der veränderten militärischen Lage.
Die erhöhte militärische Aktivität der Sowjets in allen Teilen der Welt muß gerade im Hinblick auf die neue Formulierung ihrer Interventionsdoktrin Sorge bereiten.
Ich komme zu dem dritten Punkt, der Haltung der Allianz. Der in Brüssel versammelte Ministerrat hat keinen Anlaß gesehen, auf Grund der jüngsten Ereignisse das strategische Konzept der flexiblen Reaktion zu ändern. Die Strategie der angemessenen Antwort ist weiterhin die vom Bündnis anerkannte und, wie wir glauben, realistische Doktrin der Abwehr, die den möglichen Angreifer vor ein unkalkulierbares Risiko stellt. Die Bündnispartner halten auch künftig eine ausgewogene konventionelle und nukleare Verteidigungsmöglichkeit der NATO für notwendig.
Meine Damen und Herren, die geschilderte Veränderung der Lage durch die Anwesenheit zusätzlicher sowjetischer Streitkräfte westlich der Weichsel legte es daher den Bündnispartnern nahe, die gegebenen Voraussetzungen für die Anwendung dieser Strategie zu überprüfen.
Nun bestand in Brüssel kein Zweifel darüber, daß optimistische Annahmen bezüglich einer Vorwarnzeit heute weniger denn je begründet sind, daß eine erhöhte Präsenz in den bereitstehenden Verteidigungskräften notwendig ist und daß sich Verstärkungen aus Übersee, Rotation von Verbänden und eine verbesserte Mobilmachung nur dann auswirken können, wenn sofort einsatzbereite Abwehrkräfte in genügendem Umfange vorhanden sind, um einen Angriff zunächst aufzufangen.
Meine Damen und Herren, als im vergangenen Jahr im Rahmen der mittelfristigen Finanzplanung erhebliche Beschneidungen an den für mehrere Jahre vorgesehenen Mitteln für den Verteidigungshaushalt vorgenommen wurden, war dies zwar in erster Linie eine Folge der damals erwarteten gesamtwirtschaftlichen Entwicklung Es spielte aber auch die Überlegung eine Rolle, daß eine gewisse Erhöhung des Sicherheitsrisikos eingegangen werden konnte. Für manche verband sich mit dieser restriktiven Politik gegenüber dem Verteidigungshaushalt auch die Hoffnung, beiderseitige Truppenreduzierungen herbeiführen bzw. mit eigenen Maßnahmen einleiten zu können. Ich erwähne in diesem Zusammenhang die Regierungserklärung zur Verteidigungspolitik vom 6. Dezember 1967, in der ich bereits damals erklärte:
Es war Absicht dieser Regierungserklärung, die Grundzüge der deutschen Verteidigungspolitik klarzulegen und sie aus der gegenwärtigen militärpolitischen Lage in Europa und aus den Forderungen der neuen Strategie der Nordatlantischen Allianz als notwendig und zweckmäßig abzuleiten. Diese Grundzüge berücksichtigen insbesondere aber auch den finanziellen Rahmen, den die mittelfristige Finanzplanung der deutschen Regierung dem Bereich der Verteidigung gesetzt hat. Die zu treffenden Maßnahmen sind im Zusammenhang mit
den von einigen Verbündeten angekündigten Veränderungen innerhalb ihrer Streitkräfte in Europa zu sehen. Sie werden zur Folge haben, daß auf einen Angriff in Mitteleuropa nicht mehr so verzugslos wie bisher reagiert werden kann.
Die zwischenzeitliche Entwicklung, meine Damen und Herren, hat, wie wir heute feststellen können, leider zu einer weiteren Verschärfung der militärischen Lage geführt.
Auf der NATO-Ministerratskonferenz im Mai dieses Jahres sah ich mich veranlaßt, zu erklären, daß die Regierungen der Warschauer-Pakt-Staaten nur auf die fortschreitende Erosion der NATO-Streitkräfte warteten. Entschuldigen Sie das Fremdwort „Erosion" ; aber das ist hier ziemlich gebräuchlich geworden. Damals hat die NATO den Beschluß gefaßt, ihr militärisches Potential nicht weiter zu reduzieren, es sei denn im Rahmen ausgewogener, beiderseitiger Truppenverminderungen auf der Grundlage tatsächlicher Gegenseitigkeit. Die sowjetische Invasion in die Tschechoslowakei hat den Beweis für die Richtigkeit unseres damaligen Beschlusses geliefert.
Dazu steht nicht im Gegensatz, daß alle NATO-Partner sich darin einig sind, daß das Ziel einer ausgewogenen, beiderseitigen Truppenverminderung damit nicht aufgegeben ist, sondern weiter verfolgt wird in der Hoffnung - sei sie stärker oder schwächer -, daß die Warschauer-Pakt-Länder ihre Bereitschaft erkennen lassen, dieses Ziel gemeinsam mit den NATO-Mächten zu verfolgen.
Meine Damen und Herren! Die Okkupation der Tschechoslowakei hat die verteidigungspolitischen Funktionen der Allianz erneut in den Vordergrund gerückt. Alle NATO-Partner, die an der integrierten Verteidigung teilnehmen, haben unter dem Eindruck der erhöhten Bedrohung - und das ist das entscheidende Ergebnis der Konferenz auf militärischem Gebiet - ihre Bereitschaft erklärt, die derzeit bestehenden Mängel der NATO-Verteidigung in einer gemeinsamen Aktion zu beheben.
Es müssen in erster Linie die Personalstärke, die Ausrüstung und die Ausbildung der bestehenden Verbände verbessert werden.
Ferner ist geplant, die Ausbildung der Reservisten zu verstärken und deren Ausrüstung zu vervollständigen. Durch die Erhöhung der Anzahl von Rotations- und Mobilmachungsübungen ist beabsichtigt, die Präsenzstärken auch indirekt zu steigern.
Weiterhin soll die konventionelle Kampfkraft der taktischen Luftstreitkräfte der NATO verbessert werden.
Meine Damen und Herren! Die Verbündeten sind sich darüber klar, daß die Durchführung dieser Maßnahmen Geld kostet. Sie vereinbarten, die Verbesserungen in den Streitkräfteplan der NATO 1969 bis 1973 einzubeziehen. Dieser Plan soll am 16. Januar des kommenden Jahres in einer Ministersitzung verabschiedet werden.
Auf der Brüsseler Konferenz haben die einzelnen Mitglieder bekanntgegeben, welche Maßnahmen sie bereits getroffen, eingeleitet oder geplant haben. Das Hohe Haus wird verstehen, daß ich sie hier - soweit sie die Partner betreffen - nicht detailliert darlegen kann. Ich möchte aber einige Beispiele anführen, um zu verdeutlichen, daß es sich bei den Maßnahmen der NATO um eine gemeinsame Aktion handelt.
Ich beginne mit den Vereinigten Staaten von Amerika. Die Vereinigten Staaten beabsichtigen, die Verteidigungskraft ihrer Truppen in Europa durch eine Reihe von Maßnahmen zu stärken. Die Luftstreitkräfte sollen modernisiert, die Luftbeweglichkeit soll durch die Einführung von Großraumtransportern ausgebaut und - das erscheint besonders wichtig - die personelle Stärke bestimmter Verbände in Europa verbessert werden. Die Vereinigten Staaten beabsichtigen ferner, ihre jetzt schon vorhandene Luftbeweglichkeit im Rahmen einer auf Anfang 1969 vorgezogenen Rotationsübung, in der die aus Deutschland zurückverlegten Verbände vorübergehend wieder nach Deutschland verlegt werden, unter Beweis zu stellen. Darüber hinaus ist geplant, die in den Vereinigten Staaten befindliche und für Europa vorgesehene strategische Reserve wieder aufzufüllen.
Die amerikanische Regierung hat im übrigen an die europäischen Bündnispartner einen sehr ernsten und nachdrücklichen Appell gerichtet, ihre Verteidigungsbeiträge zu erhöhen. Mit Sicherheit wird sich der amerikanische Beitrag für die NATO u. a. auch an den Leistungen der Europäer orientieren.
Ich komme zu Großbritannien. Großbritannien hat die Rheinarmee unmittelbar nach der Besetzung der Tschechoslowakei verstärkt und wird seine See-und Luftstreitkräfte im Mittelmeer erhöhen.
Die Niederlande haben zugesagt, ihre Streitkräfte zu verbessern, u. a. ihre Panzerwaffe, wofür sie in den nächsten zwei bis drei Jahren einen wesentlichen Mehrbetrag aufwenden werden. Sie werden in den neueren Meldungen gehört oder gelesen haben, daß am gestrigen Tage zusätzliche 225 Millionen Gulden im holländischen Parlament für die nächsten drei Jahre genehmigt worden sind, das sind also rund 250 Millionen DM. Ich will im Augenblick darauf verzichten, das in Relation zu unseren eigenen Möglichkeiten und Anstrengungen zu setzen. Ich sehe das nur als Unterstreichung dessen an, was ich über die Erklärung der holländischen Regierung in Brüssel gesagt habe.
Norwegen und Dänemark sind bereit, ihre Verteidigungsanstrengungen über die bisherige Planung hinaus zu erhöhen und wesentliche Mehrausgaben vorzusehen. Dänemark will vor allem die Luftwaffe verstärken und sich mehr als bisher der intergrierten Verteidigungsorganisation anpassen.
Italien beabsichtigt ebenfalls, seinen Verteidigungshaushalt zu erhöhen. Es will unter anderem neue Flugzeugtypen einführen, die Ausrüstung, Bewaffnung und Bevorratung den NATO-Normen angleichen und sich insbesondere auf dem Gebiet der U-Boot-Bekämpfung der neuen Lage im Mittelmeer anpassen.
Belgien hat seine Neuordnungspläne, die den Abzug belgischer Truppen aus Deutschland vorsehen, zunächst zurückgestellt. Die belgischen Truppen in der Bundesrepublik Deutschland sollen vorübergehend verstärkt werden.
Nun komme ich zur Erhöhung der Einsatzbereitschaft unserer eigenen Streitkräfte. Ich habe den Empfehlungen der Allianz im Namen der Bundesregierung in der Ministerratssitzung zugestimmt und erklärt:
Ich gehe davon aus, daß wir heute - das heißt, damals in Brüssel ein gemeinsames Aktionsprogramm beschließen. Die Bundesregierung wird dann im Rahmen ihrer finanziellen und wirtschaftlichen Möglichkeiten alle Anstrengungen machen, um den Empfehlungen zu entsprechen.
Wie alle anderen Minister habe ich sodann die eingeleiteten und die geplanten deutschen Maßnahmen in großen Zügen vorgetragen.
Um es schon an dieser Stelle meiner Erklärung zu sagen, meine Damen und Herren: unsere Maßnahmen erfordern keine drastische Erhöhung des Verteidigungshaushalts. Wir wollen in den Grenzen des unbedingt notwendigen die Mängel beseitigen, die weder mit unserer Sicherheit noch mit unseren Verpflichtungen im Bündnis vereinbar wären.
Ich sage zunächst ein Wort über die durchgeführten Maßnahmen. Als erste Konsequenz aus der Krise haben wir die Entscheidung getroffen, einige zur Umwandlung in Ausbildungseinheiten vorgesehene Verbände als Kampfverbände zu erhalten. Die Quote der Reservisten, die noch in diesem Jahre eine Übung ableisten, ist erhöht worden.
Ich komme zu den eingeleiteten Maßnahmen. Eine Reihe weiterer Maßnahmen mit längerfristiger Auswirkung ist eingeleitet worden. Dies geschah bereits vor den jüngsten krisenhaften Entwicklungen. Die Dringlichkeit dieser Maßnahmen hat aber unter den jetzigen Voraussetzungen-erheblich zugenommen.
Wie Sie alle wissen, machen wir besondere Anstrengungen, einen wesentlichen Mangel unserer Streitkräfte, der auch in den Streitkräftebeurteilungen SACEURs immer wieder herausgestellt wurde, zu beheben, nämlich die Aufklärungslücke zu schließen. Als erstes und wichtigstes Projekt zur Schließung dieser Lücke sollen 88 „Phantom"-Aufklärungsflugzeuge angeschafft werden. Dem Antrag ist vor zwei Tagen im Haushaltsausschuß des Hohen Hauses zugestimmt worden, nachdem der Verteidigungsausschuß ihn bereits vor mehreren Wochen positiv zur Kenntnis genommen hatte.
Zur Aufrechterhaltung der Einsatzbereitschaft unserer F-104-Staffeln ist es gleichzeitig notwendig, 50 „Starfighter"-Flugzeuge nachzubauen.
Im Bereich der Marine ist es notwendig, das U-Boot-Programm mit dem Bau von zwölf Küsten-U-Booten fortzusetzen und die Anfang der 70er
Jahre wegen Überalterung außer Dienst zu stellenden fünf Leihzerstörer aus den Vereinigten Staaten durch vier moderne Einheiten vom Typ „Fregatte 70" zu ersetzen. Ich hoffe, daß wir das Grüne Licht dafür von dem Hohen Hause noch vor Weihnachten haben werden.
Schließlich ist für den Bereich des Heeres die Beschaffung von 135 mittleren Transporthubschraubern beabsichtigt, um eine größere Luftbeweglichkeit des Heeres zu erreichen.
Meine Damen und Herren! Es gilt ferner, die Lücke in der Luftverteidigung zu schließen. Hierbei handelt es sich darum, die Flugplätze durch eine bessere Erfassung und Bekämpfung von tieffliegenden Flugzeugen wirksamer zu schützen. Wir halten zu diesem Zweck unter anderem die Beschaffung von 1560 Stück 20-mm-Flugabwehrzwillingskanonen für erforderlich.
Eines der wichtigsten Probleme ist die Verbesserung der Personalstruktur der Streitkräfte. Darauf komme ich gleich noch zu sprechen.
Zusammenfassend zu diesem Teil möchte ich unterstreichen, daß alle Maßnahmen, die ich gerade unter der Bezeichnung „eingeleitete Maßnahmen" dargelegt habe, in der mittelfristigen Finanzplanung enthalten sind.
Ich komme nun zu den geplanten Maßnahmen.
Ein nächster Schritt muß nunmehr sein, unseren Anteil an der von der NATO während der Novembersitzung beschlossenen gemeinsamen Aktion festzulegen. Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß es sich nicht darum handelt, die Anzahl der Verbände zu vermehren, sondern darum, die bestehenden Kampfeinheiten durch Personalverstärkung, durch bessere Ausbildung und durch bessere Ausrüstung auf einen höheren Stand der Kampfkraft zu bringen.
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Wir haben, wie ich schon andeutete, vor einem Jahr geglaubt, das Risiko tragen zu können, im unveränderten organisatorischen Rahmen die personelle Präsenz einiger Verbände herabstufen zu können. Dazu zwangen uns die Beschränkungen der mittelfristigen Finanzplanung, wenn wir nicht - das war die Alternative - eine Streichung von Rüstungsprogrammen und damit eine Überalterung des Materials in Kauf nehmen wollten. Wir haben nunmehr vor, die personelle Präsenz heraufzustufen und - das ist der wichtigste Teil aller Maßnahmen zur Erhöhung der Abwehrbereitschaft unserer Verbände - höhere Präsenzstärken sicherzustellen. Dies soll im einzelnen durch eine Verbesserung der Personalstruktur, wie ich schon sagte, bei unverändertem Organisationsumfang der Streitkräfte erreicht werden.
Es sind aber auch materielle Maßnahmen notwendig, um die konventionelle Schlagkraft der Verbände zu erhöhen. Dabei beabsichtigen wir vor allem, die konventionelle Feuerkraft der Heeresbrigaden zu verstärken. Die bisher zurückgestellte Aufstellung der dritten schießenden Batterien in den Artilleriebataillonen der Brigaden soll nun eingeleitet werden. Das sind insgesamt 30 Batterien; für sie müssen 220 Panzerhaubitzen 155 mm auf Selbstfahrlafetten beschafft werden.
Mit der Zielrichtung der Erhöhung der konventionellen Kampfkraft und zugleich zur Erfüllung einer dringenden NATO-Forderung beabsichtigen wir, die konventionelle Zweitrolle der taktischen Luftstreitkräfte weiter auszubauen.
Ein weiterer Schwerpunkt des Programms wird in der Verbesserung der Flugabwehr gegen Tiefflieger liegen. Die Masse dieser Maßnahmen betrifft die Flugplätze der Luftwaffe. Ich habe darüber gerade gesprochen. Eine Ergänzung der Flugabwehr bei den Marineflugplätzen ist ebenfalls erforderlich. Für diesen Zweck müssen zusätzlich 550 Stück 20-mm-Flugabwehrzwillingskanonen beschafft werden.
Im materiellen Bereich muß ferner dem Mangel an Betriebsstoffen und bestimmten Munitionsarten abgeholfen werden.
Die Erfahrungen der jüngsten Krise legen uns besonders nahe, bei Luftwaffe und Marine gewisse Lücken auf dem Gebiet der elektronischen Kampfführung zu beseitigen. Das dazu erforderliche Gerät muß beschafft werden.
Meine Damen und Herren! Die Erläuterung all dieser Beschaffungsvorhaben veranlaßt mich, einige allgemeine Bemerkungen zu unserer Rüstungspolitik zu machen. Das eindeutige Hauptziel unserer Rüstungspolitik besteht darin, die Truppe bestmöglich auszurüsten. Um dieses Ziel in optimal wirtschaftlicher Weise zu erreichen, ist der Bedarf möglichst vieler Bündnisnationen zu gemeinsamen Programmen zusammenzufassen. Solche Entwicklungs-und Produktionsprogramme führen zu größerer Wirtschaftlichkeit der Beschaffung, zur Standardisierung und letztlich zur Verwirklichung gemeinsamer Logistik und Versorgung. Die militärische Wirksamkeit wird dadurch wesentlich gesteigert.
Meine Damen und Herren - und das ist etwas, was Sie selbst beobachtet haben werden -: In den ersten Jahren des Aufbaus der Bundeswehr haben wir diese Ziele durch Kauf gemeinsamer Ausrüstung zu erreichen versucht.
Mit dem Wunsch, die von der Rüstung ausgehenden Impulse auch für die Entwicklung der eigenen Wirtschaft und den technologischen Fortschritt zu nutzen, sind in der zweiten Phase der Entwicklung und Beschaffung von Rüstungsmaterial zwei- und mehrseitige Programme - in der Fachsprache heute heißt das bi- und multilaterale Programme - in den Vordergrund getreten.
Die Bundesregierung hält an der Rüstungspolitik fest, die ich dem Hohen Hause am 6. Dezember des vergangenen Jahres ausführlich dargelegt habe. Vielleicht darf ich darauf zurückkommen. Ich habe damals gesagt:
Die große Kapazität, die der potentielle Gegner für die einheitliche und moderne Bewaffnung und Ausrüstung seiner Streitkräfte einsetzt, läßt keine andere Wahl, als die technologischen Mittel und Möglichkeiten aller Verbündeten
zusammenzufassen. Nur so können bei optimalem Mitteleinsatz Waffensysteme entwickelt werden, die dem neuesten Stand der Technik entsprechen. Die deutsche Regierung wird keine Mühen scheuen und rechnet auf die Unterstützung der Offentlichkeit, um im Zusammenwirken mit ihren Verbündeten dieses Ziel zu erreichen.
Wir sind überzeugt, daß diese Rüstungspolitik dazu beiträgt, die Zusammenarbeit zu vertiefen und das Bündnis zu stärken.
Meine Damen und Herren! Die guten Ergebnisse der bisherigen Rüstungszusammenarbeit, z. B. bei den Projekten des Kampfzonentransporters TRANSALL und des Seeaufklärungsflugzeuges Bréguét Atlantic, ermutigen uns, auf diesem Wege fortzuschreiten. Ich nenne in diesem Zusammenhang die Projekte Kampfpanzer 70, Neues Kampfflugzeug - abgekürzt NKF - und bestimmte Panzer- und Flugabwehrsysteme.
Auch die Rüstungsbeziehungen mit den Vereinigten Staaten sollten in erster Linie unter diesen allgemeinen Gesichtspunkten gesehen werden. Die rüstungswirtschaftliche Zusammenarbeit mit den Vereinigten Staaten stellt selbstverständlich einen beträchtlichen Anteil im Rahmen der Bemühungen um einen angemessenen Devisenausgleich dar. Dabei muß - und ich unterstreiche etwas, was für uns eine Selbstverständlichkeit ist -, jedenfalls grundsätzlich, nur solches Rüstungsgut erworben werden, das wir nach eigenem Urteil auch benötigen. Es wäre jedoch falsch, meine Damen und Herren - ich sage das, um keine falschen Erwartungen aufkommen zu lassen -, anzunehmen, daß das Devisenausgleichsproblem nur in diesem Zusammenhang gesehen werden darf. Ich bin davon überzeugt, daß es richtig ist, einen langfristigen Rahmen für eine beide Seiten befriedigende Lösung dieser wichtigen Frage der Allianz zu finden.
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Meine Damen und Herren, lassen Sie mich nun zu den beiden Hauptproblemen zurückkommen, dem Personalumfang sowie der Personalstruktur. Ein fester Personalumfang von 460 000 Mann wird erforderlich sein, um die bestehenden Mängel, vorwiegend im Bereich der konventionellen Streitkräfte des Heeres, auszugleichen. Dies soll durch drei Maßnahmen erreicht werden:
Erstens: Die längerdienenden Soldaten, die einen Anspruch darauf haben, nach Ablauf ihrer Dienstzeit für eine zivile Tätigkeit vorbereitet zu werden, sollen zusätzlich zum festen Personal der Bundeswehr ausgewiesen werden. Es handelt sich dabei um die Gruppe von Soldaten, die an dem sogenannten Dienstzeitbeendenden Unterricht teilnimmt und damit den Einsatzverbänden nicht mehr zur Verfügung steht.
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Zweitens: Auch die naturgemäß schwankende Zahl der Wehr- und Mobübenden, die wir in den Jahren 1969 bis 1972 erhöhen wollen, soll unabhängig vom bestehenden Personalumfang der Streitkräfte ausgewiesen werden.
Drittens. Es ist beabsichtigt, den im Laufe der Dienstzeit auftretenden - ich sage das in Anführungszeichen - „Schwund an Wehrpflichtigen" durch einen entsprechenden Überhang an Wehrpflichtigen auszugleichen. Damit Sie bei dem Wort „Schwund" nicht auf falsche Vorstellungen kommen, will ich das einmal erläutern. Der Schwund, den ich hier meine, entsteht durch nachträglich sich herausstellende Untauglichkeit und vorzeitige Entlassungen aus anderen Gründen.
Alle drei Gruppen von Soldaten sollen künftig als „veränderlicher Teil des Personalbestandes" neben dem festen, unveränderlichen Personalumfang der Bundeswehr zusätzlich ausgewiesen werden. Dabei wird es sich um eine Größenordnung zwischen 10 000 und 20 000 Mann handeln. - Das ist das eine.
Ich muß nun auf das Problem zu sprechen kommen, das uns seit langem die größten Sorgen macht - lange vor meiner Zeit - und das für die Kampfkraft der Streitkräfte von entscheidendem Einfluß ist: die Frage der längerdienenden Soldaten.
Jeder noch so gut durchdachte Organisationsrahmen, meine Damen und Herren, jede materielle Verbesserung bleibt wirkungslos, wenn es nicht gelingt, genügend längerdienende Soldaten zu gewinnen.
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Unsere schwierige Lage ist durch die Tatsache gekennzeichnet, daß von den im vorliegenden Haushaltsentwurf für 1969 genannten 240 000 längerdienenden Soldaten zu Beginn des Jahres 1969 weniger als. 200 000 zur Verfügung stehen werden. Aus diesem Grunde ist die Wiedereinführung der Soldaten auf Zeit mit zweijähriger Verpflichtung und die damit erforderliche Änderung des Bundesbesoldungsgesetzes notwendig und beantragt.
({6}) Heute wird ja darüber noch gesprochen werden.
Der nächste Punkt ist folgender: Auch das in Vorbereitung befindliche sogenannte „Eingliederungsgesetz", das die Überführung von Soldaten mit zwölf und mehr Dienstjahren in den öffentlichen Dienst sicherstellen soll, dient dem Zweck, mehr langdienende hochqualifizierte Soldaten zu gewinnen. Das Eingliederungsgesetz kann die Existenzunsicherheit der Unteroffiziere beseitigen. Eine gesamtstaatliche Anerkennung und Mitwirkung von Bund, Ländern und Kommunen ist hier erforderlich. Ich möchte heute nur am Rande bemerken, daß wir dabei auch mit der Hilfe der Wirtschaft rechnen und überzeugt sind, daß wir diese Hilfe bekommen werden.
Die Verbesserung der wirtschaftlichen Lage aller Unteroffiziere durch das 2. Besoldungsneuregelungsgesetz erscheint uns besonders vordringlich.
Wir erwarten einen weiteren Impuls zur Verbesserung der Personallage u. a. auch von der Einführung der Laufbahn des militärfachlichen Dienstes
für besonders qualifizierte Unteroffiziere. Ich darf darauf hinweisen, daß das Kabinett diesen Vorschlag bereits am 28. August 1968 gebilligt hat.
Ein nächster Punkt. Eine lange Dienstzeit der Piloten in den Geschwadern und damit ein Höchstmaß an Einsatzbereitschaft der fliegenden Verbände soll durch die Einführung einer besonderen Altersgrenze für Strahlflugzeugführer sichergestellt werden. Das ist im übrigen eine Maßnahme, die es in anderen Ländern auch gibt und bei der es, wie ich glaube, Zeit wird, daß wir sie einführen. Das hierfür vorbereitete Siebente Gesetz zur Änderung des Soldatengesetzes steht zur Beratung in den Ausschüssen heran, und ich habe die herzliche Bitte an alle dabei unmittelbar Beteiligten, daß diese Maßnahmen möglichst schnell verabschiedet werden.
Ergänzend hält die Bundesregierung eine Reihe weiterer Maßnahmen für erforderlich wie z. B. die Erhöhung der Übergangsbeihilfen für Zeitsoldaten und eine Erhöhung der Verpflichtungsprämie bei vierjähriger und achtjähriger Verpflichtung.
Meine Damen und Herren, damit habe ich den wichtigsten Teil der zur Verbesserung der Einsatzbereitschaft der Bundeswehr erforderlichen Gesetzesarbeit aufgezeigt. Sofern die Gesetzesentwürfe noch nicht dem Hohen Haus vorliegen, sondern im Zulauf auf das Hohe Haus sind, wird die Bundesregierung alles daran setzen, die nötige Vorarbeit zu beschleunigen. Ich wiederhole, diese Gesetze zur Verbesserung der personellen Struktur der Streitkräfte sind die Voraussetzung für die von uns allen für erforderlich gehaltene Verbesserung der Kampfkraft unserer Verbände. Ich bitte daher darum, diese Gesetzesvorschläge - und das betrifft alle Stellen, die damit befaßt sind - mit besonderer Dringlichkeit zu behandeln und noch in dieser Legislaturperiode zu verabschieden.
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Herr Kollege Barzel, in erster Linie natürlich die
Fraktionsvorsitzenden, das versteht sich von selbst.
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Die finanziellen Auswirkungen. Das Paket der dargestellten geplanten Maßnahmen, deren Durchführung sich auf den Zeitraum 1969 bis 1972 erstrecken soll, wird vorbehaltlich der noch durchzuführenden Detailuntersuchungen die Ansätze der mittelfristigen Finanzplanung insgesamt um bis zu 2,5 Milliarden DM übersteigen. Dabei kann sich keine gleichmäßige Aufteilung dieser Summe auf den Zeitraum der mittelfristigen Finanzplanung ergeben. Das Anlaufen der erwähnten Maßnahmen braucht Zeit, so daß für den Haushalt 1969 - ich darf noch einmal unterstreichen: für den Haushalt 1969 - nicht etwa ein volles Viertel der genannten Summe nachgefordert werden wird.
Dieser Mehrbedarf ist dem Hohen Hause bereits angekündigt worden mit dem Vorbehalt, den ich in Anbetracht der vorauszusehenden Auswirkungen der Invasion der Tschechoslowakei vorsorglich bei den Kabinettsberatungen über den Haushalt 1969 und bei der Fortschreibung der mittelfristigen Finanzplanung eingelegt habe und der von dem Herrn Bundeskanzler in seiner Erklärung vor dem Deutschen Bundestag am 25. September 1968 unterstrichen worden ist.
In der Regierungserklärung vom 6. Dezember 1967 habe ich angekündigt, daß jeweils mit dem Einbringen des Haushaltsentwurfs in den Deutschen Bundestag in einem Weißbuch über die deutsche Verteidigungspolitik die Forderungen des Einzelplans 14 begründet werden sollten. Ich weiß, meine Damen und Herren, daß dieses Weißbuch zahlreichen der Kollegen sehr am Herzen liegt, und möchte deswegen dazu noch folgendes sagen. Die Ereignisse im Zuge der tschechoslowakischen Krise ließen es der Bundesregierung geboten erscheinen, mit der Herausgabe des zu diesem Zeitpunkt bereits fertiggestellten Weißbuches so lange zu warten, bis sich ein klares Bild der sicherheitspolitischen Auswirkungen und der entsprechenden Beschlüsse der nordatlantischen Allianz abzeichnen würde. Beides ist nunmehr zu übersehen, so daß die Absicht besteht, das Weißbuch im Januar des kommenden Jahres zu veröffentlichen. In diesem Weißbuch wird unter anderem auch über den Fortgang der in der Regierungserklärung vom 6. Dezember 1967 angekündigten und inzwischen eingeleiteten Fusion von Heer und Territorialer Verteidigung und über Einzelheiten des Rüstungsplans berichtet werden.
Meine Damen und Herren, ich möchte an dieser Stelle etwas wiederholen, was ich gelegentlich gesprächsweise gesagt habe. Ich bin mir völlig darüber klar, daß zu den großen Stärken - andererseits auch Schwächen - der Deutschen ihre Neigung zu hundertprozentigen Veranstaltungen gehört und daß das auch für das Weißbuch gilt. Wir werden nicht in der Lage sein, ein so schönes Weißbuch aufzumachen, wie es die Briten sehr häufig vorgelegt haben. Aber im Laufe der Zeit werden wir das schaffen. Ich bitte also, dem demnächst, im Januar, veröffentlichten Weißbuch eine gewisse Nachsicht entgegenzubringen und nicht eine auf hundert Prozent abgestellte Kritik. Jeder Anfang ist schwer, und wir sind die erste Stelle der Bundesregierung, die das versuchen wird.
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Meine Damen und Herren, erlauben Sie mir eine kurze Zusammenfassung. Ich habe Ihnen die uns bedrängenden Fragen der Verteidigungspolitik im Namen der Bundesregierung dargelegt. Ich möchte das Ganze in sieben Punkten zusammenfassen.
1. Das Sicherheitsrisiko in Mitteleuropa ist größer geworden. Die zusätzlichen sowjetischen Divisionen westlich der Weichsel und ihr Bereitschaftsstand haben die Gefahr eines Überraschungsangriffs erhöht.
2. Die Ungewißheit über die sowjetischen Absichten bleibt bestehen. Für die Verteidigungsplanung - ich unterstreiche: für die Verteidigungsplanung - kann daher nur die militärische Fähigkeit des möglichen Gegners bestimmend sein.
3. Die Allianzpartner stimmen darin überein, daß Untätigkeit des Bündnisses in dieser Lage Anlaß zu
Fehleinschätzungen auf der Seite der Sowjetunion sein könnte.
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4. Die Allianz hat während ihrer Novembertagung beschlossen, in einer gemeinsamen Aktion - ich möchte gern „gemeinsame Aktion" noch einmal unterstreichen - die Schwächen der alliierten Verteidigung zu beseitigen.
5. Die Erhöhung der Kampfkraft der NATO-Verbände soll vor allem durch Verbesserung der Personalstärke, der Ausbildung und der Ausrüstung der präsenten Verbände erreicht werden.
6. Die beabsichtigten Maßnahmen der Vereinigten Staaten und ihr Beitrag zur NATO werden sich u. a. an den künftigen Anstrengungen ihrer europäischen Verbündeten orientieren.
7. In Übereinstimmung mit dem NATO-Beschluß zielen die von der Bundesregierung durchgeführten, eingeleiteten und geplanten Maßnahmen darauf ab, vor allem die Kampfkraft und Reaktionsfähigkeit der konventionellen Verbände zu erhöhen. Dies soll durch eine feststehende Umfangszahl der Bundeswehr, der Verbesserung der Personalstruktur und der Modernisierung der Ausrüstung erreicht werden. Dafür wird ein zusätzlicher finanzieller Bedarf für die nächsten vier Jahre in einer Gesamthöhe bis zu 2,5 Milliarden DM erforderlich sein.
Meine Damen und Herren, die Bundesregierung appelliert mit großem Ernst an dieses Hohe Haus, den vorgeschlagenen Maßnahmen im Grundsatz seine Zustimmung und Unterstützung zu geben. Diese Maßnahmen sind nicht nur ein notwendiger Beitrag für die Sicherheit unseres Volkes, sondern sie sind auch ein Beweis unserer Solidarität mit den Nationen des nordatlantischen Bündnisses. Sie zeigen unseren festen Willen, an diesem Bündnis festzuhalten.
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Meine Damen und Herren, erlauben Sie mir nun noch ganz wenige Sätze über die innere Entwicklung der Bundeswehr. Die Soldaten der Bundeswehr erfüllen ihren Dienst mit anerkennenswertem Pflichtbewußtsein unter oft schwierigen Bedingungen.
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Die gängigen Wertmaßstäbe unserer Zeit sind dafür nicht günstig. Um so mehr haben wir alle den Soldaten zu danken.
({13})
Die Bundeswehr ist ein fester Bestandteil unseres Staates und unserer Gesellschaft. Der große Personalkörper unserer Streitkräfte - jeder wird das finden - spiegelt naturgemäß die Zeitströmungen des ganzen Landes wider. Er bedarf nicht nur der ausreichenden materiellen Ausstattung. Er bedarf auch der politischen, der staatspolitischen Unterstützung, der Bestätigung und der Anerkennung.
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Ich glaube, meine Damen und Herren, wir alle
wissen - das kann wohl für alle gesagt werden -,
der Wille zur Verteidigung des Landes kann sich für die Öffentlichkeit, für die politischen Parteien und für die parlamentarischen Gremien nicht in der Bereitstellung materieller Mittel erschöpfen. Der Verteidigungswille muß in unserer Offentlichkeit lebendig sein.
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Meine Damen und Herren, dieser Verteidigungswille ist ein Teil unseres Willens, den Frieden für uns und den Frieden für Europa zu bewahren.
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Meine Damen und Herren, an der Entschlossenheit der Bundesregierung, unsere Streitkräfte durch die allgemeine Wehrpflicht fest in unserem Staate zu verankern, hat sich nichts geändert. In wachsendem Maße stellt sich das Problem, das trotz allgemeiner Wehrpflicht nur ein Teil der Wehrpflichtigen zum aktiven Wehrdienst herangezogen werden kann. Die Bundesregierung hofft, daß die vor Jahresfrist eingeleiteten gemeinsamen Beratungen mit dem Bundestag über die mit diesem Problem verbundenen Fragen zu einer einigermaßen befriedigenden Lösung führen werden. In erster Linie wird es sich, wie ich wiederholt, unter anderem auch hier, erklärt habe, darum handeln, den Wehrpflichtigen zu fördern, der seine Wehrpflicht abgeleistet bzw. ableisten kann.
({17})
Ergänzende Vorschläge wie Ersatzdienstleistungen und finanzielle Abgaben derjenigen, die nicht zum Wehrdienst herangezogen werden, bedürfen ebenso sorgfältiger Prüfung.
Ebenso sorgfältig, meine Damen und Herren, sind auch die Fragen zu behandeln, die sich für die Streitkräfte aus dem Umstand ergeben, daß unsere Gesetzgebung zur Regelung der Kriegsdienstverweigerung einem, wie für mich selbst jedenfalls ganz sicher feststeht, organisierten Mißbrauch durch extreme Gruppen gegenübersteht.
({18})
Sorge bereiten uns nicht diejenigen Wehrpflichtigen, die vor ihrer Einberufung aus Gewissensgründen den Kriegsdienst verweigern. Es sind vielmehr diejenigen, die nach ihrer Einberufung die Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer beantragen.
({19})
Bundestag und Bundesregierung müssen gemeinsam Wege finden, um diese Probleme zu lösen. Wir werden jedenfalls die Bundeswehr gegen den Mißbrauch durch organisierte Einzelne schützen.
({20})
In diesem Zusammenhang, meine Damen und Herren, möchte ich erwähnen, daß ich die Absicht habe, in Kürze einen neuen Beirat - das ist dann der dritte - für Fragen der Inneren Führung zu berufen. Ich verspreche mir von seiner Arbeit auch einen wichtigen Beitrag bei der Klärung der soeben angeschnittenen Fragen,
Wir sind überzeugt, daß sich die aufgetretenen Probleme lösen lassen. Wir sehen der weiteren Entwicklung des inneren Gefüges der Bundeswehr mit Zuversicht entgegen.
Die Streitkräfte haben nicht nur ihren Platz in unserem Volke gefunden, sondern sie fördern auch durch ihre vielfältige Zusammenarbeit mit den Verbündeten das gegenseitige Verständnis innerhalb der Allianz und zwischen den befreundeten Nationen.
Lassen Sie mich abschließend sagen: Die Bundesrepublik Deutschland trägt mit ihren Verteidigungsanstrengungen wesentlich zur Lebensfähigkeit der nordatlantischen Verteidigungsorganisation bei. Sie trägt bei zur Erfüllung des gemeinsamen Zieles, den Frieden zu bewahren, der Bedrohung zu begegnen und unser Volk und Land zu schützen.
({21})
Meine Damen und Herren, die Fraktionen des Hauses sind sich darüber einig, daß die Aussprache über diese Erklärungen der Bundesregierung in der nächsten Woche am Mittwochnachmittag stattfinden soll. Damit ist der Punkt 21 der Tagesordnung erledigt.
Ich rufe dann die Punkte 22 bis 29 unserer Tagesordnung auf;
22. Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP eingebrachten Entwurfs eines Fünften Gesetzes zur Änderung des Bundesbesoldungsgesetzes
- Drucksache V/3488 -23. Erste Beratung des von der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Soldatenversorgungsgesetzes
Drucksache V/3486 -24. Erste Beratung des von der Fraktion der CDU/ CSU, SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Anderung des Soldatenversorgungsgesetzes
- Drucksache V/3489 -25. Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Anderung des Unterhaltssicherungsgesetzes
- Drucksache V/3490 -26. Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Wehrsoldgesetzes
- Drucksache V/3491 -27. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Achten Gesetzes zur Änderung des Soldatengesetzes
- Drucksache V/3522 -28. Erste Beratung des von den Abgeordneten 011esch, Schultz ({0}), Jung und
der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Neuregelung des Besoldungsrechts
- Drucksache V/3417 -29. Erste Beratung des von den Abgeordneten Schultz ({1}), 011esch, Jung und der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ergänzung des Soldatengesetzes
- Drucksache V/3512 Es handelt sich um erste Beratungen von Gesetzen, die mit dem Thema Verteidigung zu tun haben. Die Vorlagen sollen nicht begründet werden. Eine Aussprache darüber ist heute nicht vorgesehen.
Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, die Gesetzentwürfe Drucksachen V/3488 und V/3417 an den Innenausschuß - federführend -, an den Verteidigungsausschuß zur Mitberatung sowie an den Haushaltsausschuß gemäß § 96 der Geschäftsordnung, die Gesetzentwürfe Drucksachen V/3486, V/3489, V/3490, V/3491 und V/3522 an den Verteidigungsausschuß - federführend -, an den Innenausschuß zur Mitberatung und an den Haushaltsausschuß gemäß § 96 der Geschäftsordnung sowie den Gesetzentwurf Drucksache V/3512 an den Verteidigungsausschuß - federführend - und an den Innenausschuß - mit-beratend - zu überweisen.
Ich frage das Haus, ob es mit diesen Überweisungsvorschlägen einverstanden ist. - Ich höre keinen Widerspruch; es ist so beschlossen.
Ich rufe nunmehr Punkt 30 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Bundesversorgungsgesetzes
- Drucksache V/3432 Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Schellenberg.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Einige Bemerkungen zur Begründung unseres Antrags.
Erstens. Es ist noch nicht ganz zwei Jahre her, daß dieses Haus am 14. Dezember 1966 in einer finanziell und politisch äußerst schwierigen Situation das Dritte Neuordnungsgesetz zur Kriegsopferversorgung verabschiedet hat. Inmitten der wirtschaftlichen Rezession, während Löhne und Gehälter stagnierten, hat der Bundestag Mehrleistungen für die Kriegsopferversorgung in Höhe von jährlich 885 Millionen DM beschlossen und den Aufwand je Versorgungsberechtigten um durchschnittlich 17 % erhöht. Zugleich hat der Bundestag mit dem § 56 einen wichtigen Ansatz zur Anpassung der Kriegsopferrenten an die wirtschaftliche Entwicklung geschaffen. Das Dritte Neuordnungsgesetz hat damals die einhellige Zustimmung der Kriegsopfer und ihrer Verbände gefunden. Sie haben sich dafür ausdrücklich bedankt. An diese Tatsachen, meine Damen und Herren, daß dieses Haus in finanzwirtschaftlich schwerster Zeit den Kriegsopfern finanzpolitisch
einen Vorrang zuerkannt hat, sollten diejenigen sich erinnern, die heute dem Bundestag Vorwürfe machen wollen.
Zweitens. Auch nach Verabschiedung des Dritten Neuordnungsgesetzes haben wir uns weiterhin energisch für die Belange der Kriegsopfer eingesetzt. Bekanntlich war eine Zeitlang davon die Rede, man solle doch die Grundrenten der 30- und 40 %igen Kriegsbeschädigten antasten. Das haben wir vom Tisch gewischt.
Weiterhin hat der Bundestag bei der Beratung des Finanzänderungsgesetzes die Streichung von § 56 verhindert. Die Verschiebung der Berichtspflicht auf den 31. Dezember 1970, die im Zusammenhang mit den Finanzproblemen beschlossen werden mußte, haben die Vertreter der Kriegsopferverbände im Gegensatz zur beabsichtigten Streichung schließlich akzeptiert. Das alles ist noch nicht ein Jahr her.
Drittens. Jetzt hat sich die wirtschaftliche Lage durch eine erfolgreiche Wirtschafts- und Finanzpolitik erfreulicherweise gebessert, und die Finanzsituation des Bundes hat sich etwas entspannt. Die erste Fortschreibung der mittelfristigen Finanzplanung, die gegenwärtig im Haushaltsausschuß beraten wird, bringt eine Reihe von gesellschaftspolitischen Fortschritten. Von besonderer Bedeutung auch für die Kriegsopfer sind die Beschlüsse der Bundesregierung über die volle Gewährung der Bundeszuschüsse ab 1972. Das schafft entscheidende Voraussetzungen für die weitere Gewährleistung der bruttolohnbezogenen Rente. Wer die bruttolohnbezogene Rente sichert - und das wollen die Regierungsparteien -, der dient damit auch den Interessen der Kriegsopfer. Ich nenne hier zwei Punkte: a) Viele Kriegsopfer, die meisten Schwerbeschädigten, die meisten Kriegerwitwen und -eltern sind gleichzeitig Rentner der Rentenversicherung. Die Bruttolohndynamik kommt ihnen unmittelbar zugute, seitdem wir durch das Dritte Neuordnungsgesetz die Freibeträge dynamisiert haben. b) Wäre die bruttolohndynamische Rente den Bach hinuntergegangen, wer könnte dann mit Aussicht auf Erfolg für eine Anpassung der Kriegsopferrenten eintreten, meine Damen und Herren von der FDP?
Viertens. Der positive Beschluß über die Bundeszuschüsse der Rentenversicherung zeigt, daß wir nicht gewillt sind, Rezessionseinbußen zu einem sozialpolitischen Dauerzustand werden zu lassen. Für uns Sozialdemokraten gilt das auch für die Kriegsopferversorgung. Deshalb wollen wir durch unseren Gesetzentwurf Drucksache V/3432 den § 56 in der ursprünglichen Fassung wiederherstellen. Damit soll der vor einem Jahr leider notwendige Beschluß des Finanzänderungsgesetzes für die Kriegsopferversorgung wieder rückgängig gemacht werden.
Was wir freilich nicht wieder rückgängig machen können, sind die Tatsache der Rezession und die damit verbundenen Einbußen im Bundeshaushalt. Unser Gesetzentwurf kann deshalb nicht bedeuten, daß der Ansatz für die Kriegsopferversorgung im
Haushalt 1969 durch neu zu beschließende Leistungsverbesserungen erhöht wird.
({0})
Der Haushaltsausschuß wird, soweit ich unterrichtet bin, den Haushaltsansatz für die Kriegsopferversorgung in der nächsten Woche um 107 Millionen DM erhöhen, weil infolge der sich aus dem Dritten Neuordnungsgesetz ergebenden unvorhergesehenen Mehraufwendungen für die Kriegsopferversorgung diese Erhöhung notwendig ist. Damit werden die Gesamtausgaben des Bundes für die Kriegsopferversorgung einschließlich der Kriegsopferfürsorge im Jahre 1969 rund 6,5 Milliarden DM betragen.
Im übrigen ist es eine Illusion, zu meinen, in Fortsetzung der „Aktion Weihnachtsmann" könnten weitere Mittel für die Anpassung der Kriegsopferrenten zusammengekratzt werden.
Die Forderung nach 20%iger Erhöhung der Kriegsopferrenten bedeutet eine zusätzliche Belastung der Bundesausgaben um 965 Millionen DM jährlich. Es ist völlig unmöglich, solche Beträge in den Bundeshaushalt zusätzlich einzustellen. Wir haben es für unsere Pflicht gehalten, dies den Vertretern der Kriegsopferverbände in eingehendem Gedankenaustausch freimütig zu sagen.
Fünftens. Bereits bei der Haushaltsberatung am 18. Oktober hat mein Kollege Herr Dr. Möller zum Ausdruck gebracht: Die SPD-Fraktion erwartet im Zuge der weiteren Fortschreibung der mittelfristigen Finanzplanung, daß unter Wahrung der Prinzipien und Forderungen des Stabilitätsgesetzes auch die Kriegsopferversorgung dann noch stärkere Berücksichtigung findet. Diesem Ziel soll unser Gesetzentwurf dienen.
Mit Genugtuung haben wir erfahren, daß die Kollegen des Kriegsfolgenausschusses, dem unser Gesetzentwurf überwiesen werden soll, beabsichtigen, ihn noch in diesem Jahr zu beraten. Es ist also zu erwarten, daß er bald in zweiter und dritter Lesung mit breiter Mehrheit verabschiedet werden kann, zumal da die Opposition vorgestern - in Klammern möchte ich sagen: für eine Opposition ein bißchen spät - einen gleichlautenden Gesetzentwurf eingebracht hat.
({1})
- Ja, die FDP unterstreicht gern mit besonderem Nachdruck Ihre Pflichten als Opposition. Als Sprecher einer Fraktion, die hier viele Jahre Pflichten der Opposition wahrzunehmen hatte, darf ich sagen, wir waren damals und sind heute viel aktiver.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Schulze-Vorberg?
Ja, bitte!
Herr Professor Schellenberg, Ihre Bemerkung in Richtung
Opposition eben ändert doch wohl nichts an der Tatsache, daß wir uns im ganzen Hause darüber freuen können, daß in einer so wichtigen Frage wie der, die hier ansteht, in der Einstellung für die Kriegsopfer, Übereinstimmung sowohl zwischen den Regierungsparteien als auch in der Opposition erreicht ist. Das ist doch eine auch in Ihrem Sinne gute Sache.
Lieber Herr Kollege Schulze-Vorberg, wenn Sie mir hier eine solche Frage stellen, muß ich Ihnen sagen: ich wäre noch froher gewesen, wenn Ihre Fraktion den Antrag mit uns unterzeichnet hätte. Wenn Sie schon fragen, muß ich sagen, daß dann die Sache noch schneller gegangen wäre.
({0})
Wir haben uns kollegialiter um Ihre Mitunterzeichnung bemüht und - das kann ich bestätigen - auch die Unterstützung eines nicht unerheblichen Teils Ihrer Fraktion gespürt, sie hat sich aber nicht in einem diesbezüglichen Fraktionsbeschluß niedergeschlagen. Das auf Ihre Frage!
Ich möchte meine Ausführungen mit einer persönlichen Bemerkung über Möglichkeiten der Weiterentwicklung des Kriegsopferrechts abschließen, wobei ich natürlich dem Bericht der Bundesregierung und den Beratungen hierüber nicht vorgreifen will.
Ich persönlich meine: Die Erfahrungen, die wir gemeinsam seit dem Dritten Neuordnungsgesetz auf dem Gebiet der Kriegsopferversorgung gewonnen haben, sollten nach Vorlage des Berichts zu Konsequenzen führen. Die bisherige Praxis, die Leistungen für die Kriegsopfer erst nach vielfachem Hin und Her zu erhöhen, hat sich - das bitte ich auch in den anderen Fraktionen zu überlegen -nach meiner Auffassung weder sozialpolitisch noch haushaltsmäßig, noch staatspolitisch bewährt. Ich bin deshalb der Ansicht, es ist nicht einzusehen, weshalb die Kriegsopferrenten nicht im gleichen Ausmaß wie die Bezüge der Berufssoldaten der wirtschaftlichen Entwicklung angepaßt werden sollten.
Wenn der Bericht der Bundesregierung vorliegt, werde ich mich dafür einsetzen, daß ungeachtet aller Schwierigkeiten dies vom Parlament und von den Ausschüssen erörtert wird; denn nur durch eine solche Regelung machen wir dem unwürdigen Streit um die Anpassung der Kriegsopferrenten auf lange Sicht ein Ende.
({1})
Meine Damen und Herren, ich darf zunächst nachholen, was ich eben versäumt habe. Wir hatten einen Zusatzpunkt auf die Tagesordnung gesetzt, den ich hiermit aufrufe:
Erste Beratung des von der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Bundesversorgnungsgesetzes
- Drucksache V/3548 - Dieser Punkt hat den gleichen Inhalt wie Punkt 30 unserer Tagesordnung. Damit ist der Aufruf nachgeholt.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Maucher.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Seitens der CDU/CSU-Fraktion habe ich zu diesen Anträgen folgende Erklärung abzugeben.
Es war und ist die erklärte Absicht meiner Fraktion, die nach den Neuwahlen zum Deutschen Bundestag gebildete neue Bundesregierung zum erstmöglichen Zeitpunkt zu veranlassen, den nach § 56 des Dritten Neuordnungsgesetzes - des Dritten Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Kriegsopferrechts - zu erstattenden Bericht so früh wie möglich abzugeben. Sie war dabei der Ansicht, daß dies im ersten Vierteljahr 1970 mit Sicherheit möglich sein würde. Die Frage des Termins ist jedoch keineswegs eine grundsätzliche. Die grundsätzliche Frage lautet vielmehr, ob der Deutsche Bundestag und insonderheit hier die CDU/CSU-Fraktion, für die zu sprechen ich die Ehre habe, willens ist, aus diesem Bericht die notwendigen Konsequenzen zu ziehen,
({0}) das heißt in der Sprache der Praxis, ein Viertes Neuordnungsgesetz in Angriff zu nehmen. Die CDU/ CSU-Fraktion erklärt sich dazu ausdrücklich bereit, ist aber nicht willens, im Sinne von Einzelmaßnahmen oder auch nur einer einzigen Maßnahme ein Viertes Neuordnungsgesetz durch entscheidende Regelungen vorwegzunehmen. Darin stimmen wir überein.
Eine Neuordnung der Kriegsopferversorgung kann nur im Gesamtzusammenhang angegangen und durchgeführt werden. Die CDU/CSU-Fraktion ist also auch gewillt, die Systematik in der Kriegsopferversorgung nicht zu gefährden bzw. keine Gefährdung zuzulassen. Es ist bekannt, daß wir von den Kriegsopfern in Zeiten der Rezession Bescheidung erwarten mußten. Wir denken aber nicht daran, über die Rezession hinaus die Kriegsopfer hinanzuhalten. Das sich das, was in der Kriegsopferversorgung wie auf allen anderen Gebieten geschehen kann, an den Gegebenheiten des Haushalts und den wirtschaftlichen Möglichkeiten orientieren muß und im Gesamtzusammenhang aller Notwendigkeiten gesehen werden muß, bedarf hier keiner weiteren Erläuterung.
Was den Termin für die Berichterstattung der Bundesregierung angeht, wird mart sich gewiß in den zuständigen Ausschüssen nach sachlichen Notwendigkeiten verständigen.
({1})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Schmidt ({0}).
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zunächst darf ich namens der FDP den beiden Regierungsfraktionen dafür danken, daß sie es ermöglicht haben, daß
Schmidt ({0})
heute unser noch in den letzten Tagen vorgelegter Antrag ebenfalls mit in erster Lesung behandelt wird, bei dem es sich, wie Sie festgestellt haben werden, um einen in gleicher Richtung laufenden Antrag handelt.
Aber etwas, Herr Kollege Schellenberg, muß ich Sie natürlich gleich korrigieren. Sie haben so etwas abfällig gesagt: Na, die Opposition hätte das eigentlich eher vorlegen können. Darf ich Sie daran erinnern - und ich werde darauf noch zurückkommen müssen -, daß es das drittemal innerhalb eines Jahres ist, daß wir Freien Demokraten die Wiederherstellung des Dritten Neuordnungsgesetzes hinsichtlich des § 56 beantragt haben, daß es - ich darf mich Ihrer Worte bedienen - fast genau zwei Jahre her ist, daß wir im Dritten Neuordnungsgesetz als einem der Grundpfeiler für das künftige Kriegsopferversorgungsrecht die Berichtspflicht festlegten und daß es fast genau ein Jahr her ist, daß auch Ihre Fraktion, meine Damen und Herren, im Rahmen der Beratungen des Finanzänderungsgesetzes damals unseren Antrag - wohlgemerkt unseren Antrag - die Berichtspflicht des § 56 in der bisherigen Form zu belassen, abgelehnt hat. Herr Kollege Schellenberg, das hätten Sie dann wenigstens mit sagen sollen, als Sie uns den Vorwurf machen wollten, zu spät einen neuen Antrag vorgelegt zu haben.
({1})
Zum zweiten darf ich noch einige wenige Worte zu der damaligen Situation bei Verabschiedung des Finanzänderungsgesetzes sagen. Es waren dankenswerterweise das Hohe Haus, der Kriegsfolgenausschuß und der Bundesrat, die es unmöglich machten, daß die seinerzeitige Absicht der Bundesregierung, sich der Verantwortung einer Berichtspflicht ganz zu entziehen, zunichte gemacht wurde; das möchte ich nachträglich anerkennen. Aber es war doch auch so - und die Ausführungen des Kollegen Maucher haben das eben wieder besonders deutlich gemacht -, daß zumindest der Kompromiß, der gegen unsere Stimmen zustande kam - wir wollten die Berichtspflicht, wie sie ursprünglich vorgesehen war -, bereits darauf hinzielte, die Frist für den nächsten Bericht über die Bundestagswahl 1969 hinaus zu schieben. Wenn ich die Erklärungen des Kollegen Maucher richtig verstanden habe, soll es zumindest nach Meinung der CDU/CSU so bleiben, daß der Bericht im ersten Vierteljahr 1970 vorgelegt wird,
({2})
daß also nicht wieder - und hier ist ein Widerspruch zu dem, was Herr Kollege Schulze-Vorberg vorhin sagte - die übliche Berichtspflicht eingeführt wird und dieser Bericht - wie es beide Anträge, der Antrag der SPD und unser Antrag, verlangen - im Jahre 1969 vorgelegt wird. Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, mit wieviel Gehirnakrobatik damals seitens gewisser Sprecher der Regierungsfraktionen darüber hinweggegangen wurde, daß man sich beim Dritten Neuordnungsgesetz bereits so weit einig war, daß die Berichtspflicht unbedingt beibehalten werden soll. Damals
gab es in der SPD-Fraktion sogar noch eine weitergehende Vorstellung, die Sie dankenswerterweise hier wieder bestätigt haben - nur sah es in der Zwischenzeit bei der SPD etwas anders aus -, nämlich die, die ich hier noch einmal für die Freien Demokraten treffen darf, daß diesem Bericht Überlegungen in diesem Hohen Hause über eine entsprechende Anpassung folgen müßten. Das muß, solange wir in allen anderen Rentenbereichen automatische und dynamische Anpassungen entsprechend der Entwicklung haben, auch für das Kriegsopferrecht gelten. Nachdem das Grundsatz in anderen Rentenbereichen ist, sollte es auch hier der Fall sein. Ich stimme völlig mit Ihnen überein, daß wir auf Grund des Berichtes solche Anpassungen durchführen und das - vielleicht noch besser als mit unseren Anträgen - im Gesetz verankern sollten.
Nicht nur beim Finanzänderungsgesetz standen wir allein, als es um die Berichtspflicht nach der alten Fassung des Neuordnungsgesetzes ging, sondern auch in der Debatte über den Haushalt 1968. Auch damals wurde hier im Hause - ich möchte Ihnen das ins Gedächtnis zurückrufen, meine Damen und Herren - unser Entschließungsantrag zur Wiederherstellung des alten § 56 ohne Überweisung an den Ausschuß von den beiden Regierungsfraktionen abgelehnt. Man fürchtete scheinbar, daß der Ausschuß für Kriegs- und Verfolgungsschäden bei einer Überweisung etwas anders zu den Dingen Stellung nehmen würde, als es auf höchster Koalitionsebene bereits abgemacht worden war; auch daran möchte ich noch einmal erinnern.
Deshalb haben wir unseren Antrag jetzt noch einmal auf den Tisch gelegt. Er ist nicht so neu, Herr Kollege Schellenberg; das noch einmal zur Korrektur Ihrer Ausführungen. Und wie sah denn wenige Monate später, als im Frühsommer dieses Jahres eine Kleine Anfrage über die Vorstellungen der Bundesregierung zur Weiterentwicklung des Kriegsopferrechts einbrachten, die Antwort aus? Da wußte man ja wirklich nicht mehr genau - und wir wissen es heute noch nicht genau -, ob der seinerzeit beim Dritten Neuordnungsgesetz von allen drei Fraktionen gemeinsam beschlossene Grundsatz der Entschädigungsentwicklung im Kriegsopferrecht - nicht der Fürsorgeentwicklung - nicht plötzlich wieder aufgegeben worden sei. Oder sind die Bemerkungen der Bundesregierung im Bericht bezüglich anderer Versorgungsmöglichkeiten usw. nicht so zu verstehen, daß hier unterschiedliche Auffassungen gegenüber dem bestanden, was beim Dritten Neuordnungsgesetz von allen Fraktionen beschlossen wurde?
Und noch ein viertes. Auch als die Fortschreibung der mittelfristigen Finanzplanung auf den Tisch des Hauses kam, wurde erst 1971 als ein Termin angesehen, zu dem, von einem Bericht her gesehen, notwendige Anpassungen durchgeführt werden könnten oder sollten. Dabei muß ich allerdings schon sagen, Herr Kollege Schellenberg, da Sie mit Recht die Größenordnung genannt haben, die da im Raume steht - ({3})
Schmidt ({4})
- Ich darf nur noch den Satz zu Ende führen. Sie haben mit Recht die Größenordnung genannt, die da im Raume steht, daß bei einem Unterschied von 156 Millionen DM zwischen den Jahren 1970 und 1971 im zuständigen Kriegsopferversorgungsetat nicht allzu viel - obwohl zwei Jahre später, als wir es ursprünglich wollten - möglich sein kann. - Bitte schön, Herr Kollege Schellenberg.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage von Professor Schellenberg?
Herr Kollege Schmidt, ich entnehme einem Schreiben, das ein großer Verband am 24. Oktober an Ihre Fraktion gerichtet hat, wörtlich, Sie seien bereit, dafür einzutreten, daß die Kriegsopferversorgung bereits im Jahre 1969 verbessert wird und hierbei das Schwergewicht auf die Erhöhung aller Grundrenten und eine Verbesserung des Berufsschadensausgleichs und des Schadensausgleichs für Witwen gelegt wird. Darf ich Sie fragen: Können wir damit rechnen, daß Sie dem Parlament hierzu auch Deckungsvorschläge unterbreiten?
Herr Kollege Schellenberg, ich bin Ihnen sehr dankbar; Sie haben die Frage genau an der Stelle gestellt, wo ich im Rahmen der Ausführungen zur mittelfristigen Finanzplanung dazu etwas sagen wollte.
({0})
Ich bin Ihnen dafür sehr, sehr dankbar. - Jawohl, wir sind der Auffassung und haben das nicht erst heute zum erstenmal gesagt - ich habe es vorhin als Grundsatz schon einmal festgestellt -, daß hier einfach Anpassungen erfolgen müssen.
Sie haben aus dem Schreiben zunächst einmal ersehen können -um das gleich klarzustellen -, daß wir nicht unbedingt, sosehr es angesichts der Zahlenentwicklungen notwendig wäre, die 20 % als realisierbar ansehen. Das ist eine Frage: was kann dieses Haus machen?
Voraussetzung aber ist zunächst - ich komme auf die Deckung gleich -, daß der Bericht möglichst bald vorliegt. Ich bin dankbar, daß wir uns im Kriegsfolgenausschuß bereits geeinigt haben, das vor Weihnachten noch zu beraten und damit der Bundesregierung die Möglichkeit zu geben, als Start für die Erstellung des Berichts den 1. Januar 1969 anzusehen, also damit nicht bis zum 31. Dezember 1969 zu warten.
Nun haben Sie mit Recht gefragt: Können Sie Deckungsvorschläge machen? - Ich kann schlecht an Sie die Gegenfrage richten, aber ich richte sie an Sie, genauso wie ich sie sowieso an die Bundesregierung gerichtet hätte: Besteht denn überhaupt von dem, was uns in der fortgeschriebenen mittelfristigen Finanzplanung vorgelegt wurde, noch sehr viel, was nicht inzwischen durch Forderung von einzelnen Sprechern der Fraktionen, was nicht vorhin durch den Herrn Bundesverteidigungsminister aus seiner Sicht heraus - 2,4 Milliarden DM - und dergleichen mehr überholt ist? Ist es nicht sowieso notwendig, die mittelfristige Finanzplanung in der
Fortschreibung völlig neu zu überdenken? Ist es nicht auch notwendig, daran zu denken, Herr Kollege Schellenberg - immer noch eine Antwort auf Ihre Frage -, daß die Vorausschätzungen erfreulicherweise zu niedrig waren und daß wir auch hier immerhin die Überlegung anstellen müssen - wir stellen sie jedenfalls an -, was hier an Möglichkeiten und an neuen Überlegungen geboten ist? Das muß doch mit herangezogen werden, um festzustellen: Ist diese Bundesregierung, ist dieser Bundestag der Auffassung, daß die Kriegsopfer in der Überlegung zweit- oder drittrangig sind, oder ist es nicht vielmehr notwendig, hier ganz klare Prioritäten, einen ganz klaren Vorrang mit einzuräumen? Ich denke hier gerade an das, was der Herr Bundesverteidigungsminister hier vor wenigen Minuten zu Fragen der Verteidigungspolitik, zu Fragen der Laufbahn der Bundeswehr usw. gesagt hat. Sehen wir denn nicht den engen Zusammenhang zwischen Bundesversorgungsgesetz und Bundeswehr? Sehen wir denn nicht, daß auch im Rahmen der verteidigungspolitischen Fragen, im Rahmen der Bereitschaft zur Stärkung des Verteidigungswillens, auch diese Fragen mit eine Rolle spielen? Sehen wir denn nicht, daß hier eine Vorrangigkeit auch von dieser Seite her notwendig ist? Ich glaube es jedenfalls.
Herr Kollege Schmidt, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Mertes?
Herr Kollege Schmidt, halten Sie es für möglich, daß ein erneuter flüchtiger Durchblick durch den Bundesetat vielleicht zu ähnlichen Resultaten kommen könnte, wie es hinsichtlich der Beamten der Fall war, und halten Sie es auch für möglich, daß man unter Umständen aus der gestern beschlossenen Erhöhung der Umsatzsteuer Mittel für die Kriegsopfer freimachen könnte?
({0})
Vielen Dank, Herr Kollege Mertes. Sie haben noch zwei weitere Punkte aufgezeigt. Zweifellos würde noch einiges - sicher nicht in der Größenordnung von Hunderten von Millionen - bei einer Durchforstung möglich sein, und zweifellos sind bei den zu erwartenden Mehreinnahmen auf Grund des gestern gefaßten Beschlusses immerhin auch Überlegungen anzustellen. Das sind alles Dinge, die jedenfalls beim neuen Überdenken der Fortschreibung auf Grund dessen, was sich in den letzten Wochen und Monaten gezeigt hat, mit angesprochen, mit diskutiert werden müssen. Und hier, glauben wir, ist es notwendig, den Kriegsopfern eine entsprechende Priorität einzuräumen.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Abgeordneten Kühn?
Bitte schön, Herr Kollege Kühn!
Herr Kollege Schmidt, läßt es sich nach Ihrer Meinung verantworten, daß wir an dieser Stelle Hoffnungen erwecken, die, wie Sie genau wissen, bei der Größenordnung, die dabei zur Diskussion steht, mit Sicherheit nicht erfüllt werden können?
Herr Kollege Kühn, ich habe nicht davon gesprochen. Ich erwecke hier nicht Hoffnungen, sondern ich stelle für die Freien Demokraten fest, daß wir eine solche Anpassung im Sinne des Dritten Neuordnungsgesetzes in die neuen Finanzberatungen mit aufnehmen wollen und daß dann einfach Überlegungen angestellt werden müssen. Ich halte es allerdings für bedenklich, wenn man draußen immer wieder Reden hält und sagt: „Wir werden etwas tun; laßt erst einmal die Wahl vorbeigehen", oder wenn man ein Jahr lang - das muß ich an Ihren Koalitionspartner richten - Anträge ablehnt, die in die gleiche Richtung gehen, und dann selber einen Antrag einbringt, und wenn dann Sie gleich schon wieder sagen: Das ist ja nicht realisierbar. Dann müssen wir allerdings fragen: Wo ist denn hier eigentlich eine Konzeption der Regierungskoalition?
Verzeihung, Herr Kollege Schmidt, wollen Sie nicht differenzieren zwischen der Frage, die ich gestellt habe auf Grund der Bemerkungen, die Sie eben gemacht haben, und dem, was uns Kollege Schellenberg zur Begründung des Antrages vorgetragen hat? Das sind doch zwei verschiedene Dinge, die müssen Sie doch auseinanderhalten. Meine Frage - ich hoffe, daß Sie mich so verstanden haben - bezog sich doch nur auf Ihre letzten Ausführungen, die doch in der Tat geeignet sind, falsche Vorstellungen zu erwecken.
Herr Kollege Kühn, ich darf wiederholen. Ihre Frage oder Ihr Vorwurf, der in der Frage lag, war, ich erwecke falsche Hoffnungen.
({0})
- Ich stelle zunächst noch einmal fest - entschuldigen Sie, daß ich das zum Teil wiederholen muß -, daß auf Grund der Entwicklungen der letzten Wochen und Monate - ich kann es auch im Detail aufzählen - die im Sommer vorgelegte Weiterschreibung der mittelfristigen Finanzplanung nicht mehr den Tatsachen entspricht und umformuliert werden muß. Zahlreiches Kopfnicken auch in Ihrer Fraktion hat mir bestätigt, daß das so ist. Allein die Rede des Herrn Verteidigungsministers vorhin hat bereits deutlich gemacht, daß wir über eine andere Gestaltung dieser mittelfristigen Finanzplanung sprechen müssen.
Ich stelle weiter fest - und das haben wir bereits vor einem Jahr hinsichtlich des Finanzänderungsgesetzes und in der Haushaltsdebatte gesagt -, daß wir der Meinung sind, daß im Rahmen dieser Maßnahmen den Kriegsopfern eine größere Priorität eingeräumt werden muß, als dies bisher der Fall ist.
Ich stelle zum dritten fest - weil Sie mir vorwarfen, daß ich Hoffnungen erwecke -, daß anscheinend andere mit Anträgen und mit Reden Hoffnungen erwecken wollen, aber nicht bereit sind, sie zu realisieren. Insofern war hier der Zusammenhang zweifellos gegeben. Ich unterstelle das dem Herrn Kollegen Schellenberg aber gar nicht. Ich muß das nur deutlich machen. Er hat sich ja für eine baldige Beratung und zumindest - so habe ich ihn verstanden - für eine Realisierung im Jahre 1970 auf Grund des Berichtes 1969 eingesetzt. Das bedeutet aber auch schon Umdenken und Umgruppierung innerhalb der mittelfristigen Finanzplanung, weil dort die Ausgaben für 1971 erst vorgesehen sind. Insofern sind wir uns, glaube ich, einig.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage von Professor Schellenberg?
Herr Kollege Schmidt, es geht doch offensichtlich darum, daß Sie bereits für das Haushaltsjahr 1969 Versprechungen gemacht haben. Wer solche Versprechungen macht, muß Deckungsvorschläge bringen. Darf ich Sie fragen: Welches finanzielle Volumen sehen Sie bei Ihren Versprechungen vor, und wie wollen Sie die Ausgaben konkret decken?
Herr Kollege Schellenberg, es tut mir leid, daß ich einiges noch einmal wiederholen muß. Ich hatte vorhin bereits festgestellt
({0})
- lassen Sie mich doch erst einmal ausreden! -, daß wir der Auffassung sind, dieser Bericht sollte
({1}) : Dummes Zeug!)
so bald wie möglich im Frühjahr 1969 vorgelegt werden.
({2})
Ich habe weiter festgestellt, daß wir der Auffassung sind, daß im Jahre 1969 auf Grund dieses Berichts von diesem Hohen Hause Konsequenzen gezogen werden müssen.
Ich stelle noch einmal fest, daß wir im Rahmen der Neuberatung der mittelfristigen Finanzplanung
- an die wir leider erst dann herankommen, wenn sie auf dem Tisch des Hauses liegt, auf die Sie aber vielleicht Einfluß haben -, mehr und prioritätsmäßig daran denken müssen, dabei für die Kriegsopfer Möglichkeiten im Sinne dessen, was wir - alle drei Fraktionen - im Dritten Neuordnungsgesetz beschlossen haben, zu schaffen. Wir werden unsere Vorschläge machen, sowie wir die Zahlen genau dahaben.
({3})
- Herr Kollege Schellenberg, bisher haben wir jedesmal festgestellt, daß zwar eine mittelfristige Finanzplanung vorgelegt wurde, daß eine FortSchmidt ({4})
schreibung vorgelegt wurde, anschließend aber die Zahlen sich beinahe schon innerhalb von Wochen wieder veränderten, daß auf einmal neue Zahlen da waren. Aber lassen wir es jetzt einmal dabei bewenden.
({5})
- Ich bin gern bereit, noch etliche Zusatzfragen, wenn Sie wollen, zu beantworten. Lassen wir es dabei bewenden, daß wir - ({6})
- Herr van Delden, ich bin überzeugt, daß der Ausschuß, genauso wie er es vor einem Jahr gern getan hätte, mehr Vorstellungen in dieser Richtung gemeinsam aus allen Fraktionen entwickeln würde, als sie leider bisher seitens der Bundesregierung zum Ausdruck kamen und von den Regierungsfraktionen heute vorgetragen wurden. Da habe ich also keine Sorgen.
Ich stelle noch einmal fest - ich bin dann gleich fertig! -: Wir erwarten den Bericht in den ersten Monaten des kommenden Jahres. Wir werden dann Deckungsvorschläge machen. Ich habe vorhin ausdrücklich gesagt: wir müssen erst überprüfen, welcher Prozentsatz dazu notwendig ist.
({7})
- Entschuldigen Sie, meine Damen und Herren, Sie haben doch mit uns zusammen die Berichtspflicht im Gesetz festgelegt gehabt. Vor einem Jahr haben Sie sie herausgeboxt. Wollen wir doch einmal die Dinge ganz klarstellen. So ist es doch!
Schon einmal, damals nämlich, als auch eine Bundesregierung - zumindest einige ihrer Mitglieder - sich in der Kriegsopferfrage etwas merkwürdig verhalten hat, hat dieses Hohe Haus gemeinsam beschlossen, daß ein anderer Weg gegangen werden muß.
({8})
- Herr Kollege Kühn, das ist eine Frage, wie weit Sie die Kriegsopferversorgung nur als eine Fürsorgeleistung oder soziale Leistung ansehen,
({9})
wieweit Sie sie als eine Entschädigungsleistung ansehen, wieweit Sie damit auch die Querverbindungen - ich darf es noch einmal sagen ({10})
zur Verteidigungspolitik, zur Verteidigungsaufgabe, zum Verteidigungswillen sehen.
({11})
- Herr Kollege Rommerskirchen, wenn das Polemik ist, dann frage ich mich, warum Ihre Sprecher
draußen durch die Lande ziehen und in der Frage eine andere Stellung einnehmen.
({12})
Dann frage ich mich, wieso mit den Verbänden Gespräche geführt und dann pressemäßig groß ausgewertet werden.
({13})
- Ich spreche die Regierungsfraktionen an. Wenn es da Streit gibt, dann müssen Sie ihn untereinander führen.
({14})
Meine Damen und Herren, darf ich mich einmal einschalten. Ich wäre sehr glücklich, wenn wir das ein wenig dämpfen könnten. Vor allem könnten wir - das heißt, diejenigen, die noch da sind - dann früher diesen Saal verlassen.
Ich danke Ihnen, Herr Präsident. Ich war nämlich an sicht fast am Ende, als sich diese Diskussion entwickelte. Aber ich bedauere das nicht; es hat manches deutlich gemacht.
Ich darf abschließend noch einmal feststellen: Wir haben diesen Antrag erneut vorgelegt, um zusammen mit der SPD-Fraktion etwas zu korrigieren, was w i r vor einem Jahr gar nicht erst gern gewollt haben. Wir sind dankbar, daß die SPD-Fraktion unseren Weg mitgehen will. Wir erwarten eine baldige Entscheidung. Wir hoffen, daß es keinen Zickzackkurs mehr gibt und nicht zuviel Gehirnakrobatik, um dann wieder vielleicht zu anderen Aussagen zu kommen. Denn wir glauben - gut, Sie können anderer Meinung sein -, daß es bei der Entscheidung über den § 56 nicht nur um den Bericht geht, daß es nicht nur um die Anpassungsnotwendigkeiten geht, sondern daß es um eine zentrale Frage des Kriegsopferrechts geht, und hier stimme ich Ihnen zu, Herr Kollege Schellenberg, um die zentrale Frage, wie weit hier Anpassungen entsprechend der übrigen Automatik und Dynamik grundsätzlich für die Zukunft gestaltet werden sollen, wie weit statt Fürsorgeüberlegungen, wie sie von anderer Seite immer wieder angesprochen werden, echte Entschädigungsüberlegungen auch für die Zukunft im Kriegsopferrecht eine Rolle spielen.
({0})
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich hätte mich nicht gemeldet, wenn nicht einige Bemerkungen des Herrn Kollegen
Schmidt etwas sehr nebulös gewesen wären. Ich kann einfach nichts anfangen mit einem Satz, in dem Sie sagen, einige Mitglieder der Bundesregierung hätten sich in der Kriegsopferfrage etwas merkwürdig verhalten. Ich muß das erstens für meine Person auf das Entschiedenste zurückweisen und zweitens für die ganze Bundesregierung, weil diese Bundesregierung sich in dieser Frage sehr klar und entschieden verhalten hat.
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Lassen Sie mich nun, meine Damen und Herren, nur noch drei Bemerkungen machen.
Erstens. Herr Kollege Schellenberg hat vorhin sehr deutlich ausgeführt: Es kann keine Rede davon sein - und bei dem Rang, den diese Frage für unsere gesellschaftliche Ordnung hat, darf es in diesem Parlament einfach nicht möglich sein, durch das Aufwerfen von Fragen einen solchen Eindruck zu erwecken -, daß Regierung und Regierungsfraktionen diese Frage als zweit- oder drittrangig behandeln.
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Wir haben bewiesen, welchen Rang wir dieser Frage einräumen.
Zweitens. Die Bundesregierung ist dankbar dafür, daß in dieser wichtigen Frage zwischen den Koationsfraktionen Einigkeit besteht, wie das hier heute zum Ausdruck gekommen ist. Die Bundesregierung ist auch dankbar - das möchte ich unterstreichen - für das, was vom Sprecher der CDU/CSU-Fraktion gesagt worden ist: Niemandem ist damit gedient, hier und heute Versprechungen zu machen, die man später nicht halten kann.
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Meine Damen und Herren, ich glaube, wir sind gewarnt; das sollten wir und dürfen wir nicht tun.
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- Bitte schön Herr Kollege!
Eine Zwischenfrage von Herrn Schmidt.
Herr Minister, darf ich Sie auf Grund Ihrer jetzigen Äußerungen fragen, weshalb die Bundesregierung in der Vorlage des Finanzänderungsgesetzes vor einem Jahr zunächst den § 56 - nämlich die Berichtspflicht - gestrichen haben wollte.
Aber lieber Herr Kollege Schmidt, es würde uns wirklich in dieser Stunde zeitlich sehr überfordern, im einzelnen darauf einzugehen. Aber lassen Sie mich Ihnen in aller Freundschaft sagen,
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wir haben doch als Parlament gemeinsam Erfahrungen gemacht, aus denen wir, so hoffe ich, gelernt haben und die wir nicht nochmals machen wollen. Sie haben von der Finanzplanung und den veränderten Daten gesprochen. Wir alle wissen doch, daß das ,ein Rahmen ist, der sich immer wieder verändert; denn das Leben wandelt sich, und wir müssen uns in der Entwicklung mitwandeln. Darüber besteht keine Meinungsverschiedenheit. Ich glaube aber, wir haben doch alle miteinander gelernt, Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik als eine Einheit zu sehen. Wir wollen die Verzahnung dieser drei Bereiche in der Praxis durchführen und müssen sie planend und vorausschauend in die Zukunft projizieren. Ich glaube, das ist doch der Ertrag, den wir aus der Erfahrung der Vergangenheit gewonnen haben:
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Deshalb, Herr Kollege Schmidt, wollen wir doch, natürlich alle miteinander, wenn sich die Daten ändern, darüber sprechen, nicht isoliert, sondern über das veränderte Paket insgesamt.
Lassen Sie mich ein Weiteres sagen. Ich glaube, es wäre gut, wenn die großen Kriegsopferverbände aus dieser Debatte den Willen dieses Parlaments und der Regierung erkennten, daß wir der Kriegsopferfrage den Rang einräumen wie bisher, worauf die Kriegsopfer Anspruch haben.
Ein Letztes! Ich habe mit den Verbänden ein ausgezeichnetes Verhältnis. Wir haben sehr gut zusammengearbeitet, und ich anerkenne ganz ohne Frage und ohne Zweifel, daß sie insbesondere nach 1945 in der schwierigen Wiederaufbauphase hervorragende Arbeit geleistet haben. Ich stehe nicht an, auch dies zu sagen: Ich möchte an dieser Stelle meinen Respekt, meine Anerkennung und Dankbarkeit den 2,8 Millionen Kriegsopfern aussprechen, von denen viele oft unter unerhört schwierigen Bedingungen ihre Arbeit leisten. Wir sollten uns gemeinsam bemühen, diesen auch für die Zukunft einen sicheren Arbeitsplatz zur Verfügung zu stellen.
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Keine Wortmeldungen mehr? - Die Aussprache ist geschlossen. Die beiden Vorlagen sollen an den Ausschuß für Kriegs- und Verfolgungsschäden überwiesen werden. - Das Haus ist damit einverstanden.
Ich darf dann noch bekanntmachen, daß die Sitzung des Innenausschusses, die vorgesehen war, ausfällt.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages ein auf Mittwoch, den 4. Dezember 1968, 9 Uhr.
Die Sitzung ist geschlossen.