Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Ich eröffne die Sitzung.
Die heutige Tagesordnung soll um die in der Ihnen vorliegenden Liste verzeichneten Vorlagen ergänzt werden. Ist das Haus damit einverstanden? - Ich höre keinen Widerspruch; es ist so beschlossen.
Ich empfehle, diese Punkte vorweg zu erledigen. Besteht Einverständnis? - Das ist der Fall.
Zunächst teile ich mit, daß gemäß § 76 Abs. 2 der Geschäftsordnung der Zweite Bericht der Bundesregierung zum Problem der Beseitigung von Abfallstoffen - Drucksache V/248 - an den Ausschuß für Gesundheitswesen überwiesen werden soll. Erhebt sich dagegen Widerspruch? - Ich stelle fest, daß das nicht der Fall ist.
Folgende amtliche Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Präsident hat gemäß § 96 a der Geschäftsordnung die nachstehenden Vorlagen überwiesen:
Verordnung über Änderung von Zollkontingenten für das Kalenderjahr 1965 - Drucksache V/269 an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen mit der Bitte um fristgemäße Behandlung
Zwanzigste Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1966 ({0}) - Drucksache V/270 an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen mit der Bitte um fristgemäße Behandlung.
Nunmehr rufe ich die zusätzlichen Tagesordnungspunkte auf:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Wirtschaft und Mittelstandsfragen ({1}) über die von der Bundesregierung beschlossene Einundvierzigste Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1965 ({2})
- Drucksachen V/139, V/277 Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Preiß
Beratung des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft und Mittelstandsfragen ({3}) über die von der Bundesregierung erlassene Zweiundzwanzigste Verordnung zur
Änderung der Einfuhrliste - Anlage zum Außenwirtschaftsgesetz -- Drucksachen V/137, V/278 -Berichterstatter: Abgeordneter Lange
Beratung des Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Mittelstandsfragen ({4}) über die von der Bundesregierung erlassene Vierzigste Verordnung zur Änderung
des Deutschen Zolltarifs 1965 ({5}) - Drucksachen V/138, V/279 Berichterstatter: Abgeordneter Schmidhuber
Beratung des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft und Mittelstandsfragen ({6}) über die von der Bundesregierung erlassene Erste Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1966 ({7})
- Drucksachen V/149, V/280 Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Staratzke
Beratung des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft und Mittelstandsfragen ({8}) über die von der Bundesregierung erlassene Vierte Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1966 ({9})
- Drucksachen V/150, V/281 Berichterstatter: Abgeordneter Sander
Beratung des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft und Mittelstandsfragen ({10}) über die von der Bundesregierung erlassene Sechste Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1966 ({11})
- Drucksache V/151, V/282 Berichterstatter: Abgeordneter Lange
Beratung des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft und Mittelstandsfragen ({12}) über die von der Bundesregierung erlassene Neunte Verordnung zur Änderung der Ausfuhrliste - Anlage AL zur Außenwirtschaftsverordnung -- Drucksachen V/157, V/283 Berichterstatter: Abgeordneter Schmidhuber
Wünscht einer der Berichterstatter das Wort? -Das ist nicht der Fall.
Vizepräsident Frau Dr. Probst
Ich komme zur Abstimmung über den Ausschußantrag auf Drucksache V/277. Wer zustimmen will, gebe ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? - Keine Enthaltungen. Der Antrag ist angenommen.
In den übrigen Fällen hat das Haus nur von den Berichten des Ausschusses für Wirtschaft und Mittelstandsfragen Kenntnis zu nehmen. Anträge liegen nicht vor. - Ich darf feststellen, daß das Hohe Haus von den Berichten Kenntnis genommen hat.
Ich rufe auf Punkt 1 der gedruckten Tagesordnung: Fragestunde
- Drucksachen V/251, V/263 Wir fahren fort bei den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung. Ich rufe die Frage XI/4 des Herrn Abgeordneten Dr. Kliesing auf:
Ist dem Bundesverteidigungsminister bekannt, daß durch eine Pressekonferenz des Standortkommandanten von Bonn und durch die anschließenden Presseveröffentlichungen über die Anlegung eines Standortübungsplatzes der Bundeswehr innerhalb des Naturparks Kottenforst und unmittelbar im Anschluß an Wohngebiete der Gemeinde Heimerzheim in der dortigen Bevölkerung erneut eine starke Beunruhigung entstanden ist?
Das Wort zur Beantwortung hat der Herr Bundesverteidigungsminister.
von Hassel, Bundesminister der Verteidigung: Frau Präsidentin, ich darf anregen, daß die Fragen 4, 5 und 6 des Abgeordneten Dr. Kliesing zusammen beantwortet werden, da sie zusammengehören.
Ich bin damit einverstanden und rufe daher auch die Fragen XI/5 und XI/6 auf:
Wie vertragen sich die Ausführungen des Bonner Standortkommandanten mit Äußerungen der Dienststelle des Regierungspräsidenten in Köln, daß das Übungsplatzproblem für Heimerzheim und den Kottenforst erledigt sei?
Welches sind die tatsächlichen Absichten und Pläne des Bundesverteidigungsministers hinsichtlich der Anlage eines Standortübungsplatzes im Naturpark Kottenforst?
von Hassel, Bundesminister der Verteidigung: Zunächst zu der Frage Nr. 4. Mir ist bekannt, daß der Standortkommandant eine Pressekonferenz abgehalten hat, um die Öffentlichkeit über die Planungen hinsichtlich eines Standortübungsplatzes im Raume Bonn und insbesondere über den Charakter einer derartigen Anlage zu informieren. Ich halte es grundsätzlich für richtig, daß die Öffentlichkeit über unsere Vorhaben frühzeitig und eingehend informiert wird, zumal die Frage des Übungsplatzes bereits Gegenstand von Erörterungen in der Lokalpresse war.
Zu der Frage Nr. 5: Eine Mitteilung des Regierungspräsidenten in Köln, daß das Übungsplatzproblem Heimerzheim und Kottenforst erledigt sei, liegt mir nicht vor.
Zur Frage Nr. 6 darf ich mich auf die Ausführungen beziehen, die ich gestern zu der Frage des Kollegen Nellen in dieser Sache gemacht habe.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Kliesing.
Herr Minister, können Sie mir die Gründe darlegen, die für die Notwendigkeit eines Standortübungsplatzes in der vorgesehenen Größe sprechen? Ich darf darauf hinweisen, daß vor dem Krieg hier in Bonn ein Infanteriebataillon, eine schwere bespannte Artillerieabteilung und eine schwere motorisierte ErsatzArtillerieabteilung stationiert waren, ohne daß ein Standortübungsplatz von solchem Umfang notwendig war, weil nämlich die genannten Einheiten insgesamt für Standortübungszwecke mit dem nunmehr von Ihrem Haus in Anspruch genommenen Gelände der Hardthöhe auskamen.
von Hassel, Bundesminister der Verteidigung: Herr Kollege Kliesing, es ist gestern gefragt worden, welche gesetzlichen Vorschriften oder welche NATO-Kriterien für die Größe eines solchen Übungsplatzes vorlägen. Ich darf dazu sagen, daß es keine gesetzlichen Vorschriften gibt, daß aber die militärischen Erfahrungssätze, die nach Abstimmung innerhalb der Bundesregierung mit dem Bundesministerium der Finanzen vom Bundesministerium der Verteidigung festgesetzt worden sind, vorsehen, daß man für ein nicht gepanzertes Bataillon 150 ha benötigt und daß für jedes weitere Bataillon, das im gleichen Bereich auf denselben Übungsplatz angewiesen ist, weitere 50 ha hinzukommen müssen.
Ich gehe davon aus, Herr Kollege Kliesing, daß Sie bei Ihren Besuchen bei der Truppe draußen wahrscheinlich vielfache Klagen darüber hören, daß die Größe der Übungsplätze nicht ausreicht. Ich glaube, daß diese Erfahrungstatsachen für uns alle bindend sein müssen, weil wir sonst eine Ordnung in das Übungsplatzwesen nicht bekommen.
Über die Verhältnisse in Bonn vor dem Kriege bin ich persönlich leider nicht informiert.
Eine weitere Zusatzfrage.
Ich bin deshalb genau darüber informiert - wenn Sie die Bemerkung gestatten, Frau Präsidentin -, weil ich damals auf der Hardthöhe Rekrut gewesen bin.
Nun darf ich aber noch folgende Frage an Sie, Herr Minister, richten: Ist es notwendig, Gelände für einen Standortübungsplatz auch dann in einem solchen Umfang zu beanspruchen, wenn es sich im wesentlichen um Übungen eines Versorgungsbataillons und zu einem späteren Zeitpunkt noch des Wachbataillons, das sich ja zur Zeit noch rechtsrheinisch, in Siegburg, befindet, handelt?
von Hassel, Bundesminister der Verteidigung: Ich darf noch einmal darauf aufmerksam machen, daß der vorgesehene Standortübungsplatz für 3000 Soldaten geeignet sein muß. Ich glaube daher nicht, daß er zu groß ausgelegt wird.
Herr Kollege Dr. Kliesing, Sie wissen vielleicht aus der Lokalpresse Ihres Wahlkreises, daß über andere Übungsplätze, wegen deren wir vorher
Bundesminister von Hassel
Untersuchungen angestellt haben, im Raume Alfter zunächst einmal negativ entschieden worden ist, weil Widerstände aller Art kamen. Wir versteifen uns nicht darauf, in den Heimerzheimer Forst zu gehen. Wenn uns vernünftige Gegenvorschläge gemacht werden, sind wir jederzeit bereit, diese Vorschläge zu untersuchen. Wenn sie vom militärischen Standpunkt aus, extensiv ausgelegt, gut sind, sind wir jederzeit bereit, die lokalen Bedürfnisse entsprechend zu berücksichtigen. Wir müssen aber bei allen Behörden darum bitten, daß man in diesem Zusammenhang Verständnis für die Belange der Bundeswehr aufbringt und uns nicht überall eine Absage aus diesen oder bei anderen aus anderen Gründen erteilt.
Dritte Zusatzfrage.
Herr Minister, darf ich Ihrer letzten Antwort entnehmen, daß Sie bereit sind, über diese Frage mit der Landesregierung Nordrhein-Westfalen noch weitere Verhandlungen zu führen?
von Hassel, Bundesminister der Verteidigung: Ich habe das gestern schon zum Ausdruck gebracht.
Weitere Zusatzfrage.
Herr Minister, darf ich schließlich noch eine Frage mehr grundsätzlicher Art an Sie richten, die sich nicht nur auf Ihr Haus, sondern auf alle Ressorts bezieht, die im Bonner Raum Planungen vornehmen. Würden Sie meine Auffassung teilen, daß durch die wechselnden Planungen seitens einzelner Ressorts der Bundesregierung und dadurch, daß diese Planungen nicht definitiv sind, die Planungen der Gemeinden im Bonner Raum außerordentlich erschwert werden?
von Hassel, Bundesminister der Verteidigung: Ich kann nicht für meine Kollegen aus anderen Ressorts sprechen, sondern mich nur auf das 'beziehen, was ich zu verantworten habe. Das Bundesministerium der Verteidigung, das in der Gemeinde Duisdorf seinen Sitz hat, bemüht sich in sehr enger Zusammenarbeit mit dieser Gemeinde, Planungen für das Ministerium in die Planungen einzubetten, die die Gemeinde für ihre Zukunft hat. Zumindest soweit es mir seitens der politischen Spitze dieser Gemeinde dargestellt wird, ist die Zusammenarbeit zwischen Gemeinde und Verteidigungsministerium in dem Punkte Planung ausgezeichnet.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Minister, ist Ihnen bekannt, daß der Kottenforst nicht nur ein Naturpark, sondern auch seit Jahren ein forstwirtschaftliches Versuchsrevier ist und daß all die Planungen, die seit 10 oder 15 Jahren dort laufen, durch diese Vorgänge erheblich gestört werden?
von Hassel, Bundesminister der Verteidigung: Mir ist zwar nicht bekannt, daß das ein besonderes Versuchsgelände ist. Als alter gelernter Landwirt, der in Afrika sehr vielaufgeforstet hat, würde ich dafür besonderes Verständnis aufbringen. Aber, Herr Kollege, es ist leider so: welches Projekt Sie auch immer auswählen, man wird immer Gründe dieser oder jener Art haben, die gegen die Auffassung des Verteidigungsministeriums sprechen. Es ist für uns ungemein schwierig, in einem so dicht besiedelten Gebiet wie dem Bonner Raum Gelände zu finden, bei dem wirklich keine Gegengründe sichtbar werden.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Minister, teilen Sie mit mir .die Meinung, daß es begreiflich ist, wenn die Bevölkerung sich erregt, da sie vorher daran erinnert worden ist, daß der Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen noch im Jahre 1962 bei der Debatte über die Schaffung von Naturparken erklärt hat, Naturparke dürften ausnahmslos weder für Bebauung noch für andere Zwecke in Anspruch genommen werden? Diese Erklärung steht doch im Raum.
von Hassel, Bundesminister der Verteidigung: Ich weiß nicht, ob der Herr Ministerpräsident gesagt hat: sie dürften ausnahmslos nicht in Anspruch genommen werden. Das Bundesministerium der Verteidigung bemüht sich, die unter Naturschutz und Landschaftsschutz gestellten Gebiete zu schützen und aus seinen Betrachtungen herauszulassen. Aber ausnahmslos kann man das nicht. Man ist sicher auch zu gewissen Ausnahmen verpflichtet.
Herr Abgeordneter Verbeek zu einer Zusatzfrage.
Herr Minister, stimmen Sie mir zu, daß bei ,der Prüfung des gestrigen Vorschlages des Abgeordneten Dr. Kliesing, den Truppenübungsplatz auf einem angeblich 500 ha großen Gebiet zwischen Euskirchen und Mechernich anzulegen, auch die außerordentlich große Belastung der in diesem Gebiet wohnenden Bevölkerung unbedingt berücksichtigt werden sollte, die dadurch gegeben ist, daß hier bereits durch zwei Munitionsläger über 130 ha und durch zwei Truppenübungsplätze fast 540 ha in Anspruch genommen werden, während die im Raum Rheinbach-Heimerzheim wohnende Bevölkerung bisher keinerlei derartige Opfer hat bringen müssen?
von Hassel, Bundesminister der Verteidigung: Herr Kollege, ich darf vielleicht einmal als Verteidigungsminister darauf hinweisen: das eine ist das Thema des Landkreises Bonn, das andere ist das Thema des Landkreises Euskirchen, und in dem Augenblick, wo ich den Landkreis Bonn zu Lasten des Kreises Euskirchen entlasten und den Kreis Euskirchen belasten würde, kämen dieselben Schwierigkeiten mit umgekehrtem Vorzeichen auf uns zu. Wir werden uns bemühen, nach vernünftigen Kriterien
Bundesminister von Hassel
L) gemeinsam mit der Landesregierung, der zuständigen Bezirksregierung und den Kreisen eine vernünftige Lösung zu finden. Ich darf die Herren Abgeordneten dieser Gebiete bitten, auch uns dann bei der Lösung dieser Frage behilflich zu sein.
Herr Abgeordneter Lemper zu einer Zusatzfrage.
Herr Bundesminister, da die im Zusammenhang mit dem neuen Schießplatz gestellten Fragen nach dem Motto „Heiliger Florian ..." gestellt wurden, darf ich fragen, ob man derartige Anlagen nicht grundsätzlich aus Erholungsgebieten herauslassen und statt dessen rein militärische Gebiete wie z. B. das Gelände um die Burg Vogelsang nehmen sollte; oder ist das Gebiet um die Burg Vogelsang belgisches Territorium?
von Hassel, Bundesminister der Verteidigung: Das Gebiet um die Burg Vogelsang ist nicht belgisches Territorium, sondern ist ein alter Truppenübungsplatz, der den (belgischen Streitkräften zur Verfügung gestellt ist. Die belgischen Streitkräfte haben genauso wie die deutschen, die britischen, die holländischen, die französischen, die amerikanischen, die kanadischen Streitkräfte die Pflicht, irgendwo ihre Manöver und Übungen abzuhalten. Für diesen Zweck ist Vogelsang den Belgiern zur Verfügung gestellt. Im vergangenen Jahr bin ich dort gewesen und habe mit den belgischen Behörden die eine oder andere Frage besprochen, die aus lokaler Sicht vorgetragen worden ist - ob man dieses oder jenes an Erleichterungen, z. B. an Sonn- und Feiertagen, für das Publikum durchführen könnte. Vogelsang liegt aber von Bonn so weit entfernt, daß es für die hier stationierten deutschen Einheiten nicht in Betracht kommt.
Keine weitere Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage XI/7 des Herrn Abgeordneten Merten auf:
Ist dafür Vorsorge getroffen, daß bei der Musterung der Wehrpflichtigen den Musterungsärzten die personellen und technischen Voraussetzungen zur Verfügung gestellt werden, um die Tauglichkeit der Wehrpflichtigen mit neuzeitlichem Gerät, geschultem Hilfspersonal und modernen Methoden feststellen zu können?
Abgeordneter Merten ist nicht im. Saal. Wer übernimmt die Frage? - Herr Dr. Tamblé.
Bitte schön, Herr Bundesminister.
von Hassel, Bundesminister der Verteidigung. Es ist Vorsorge .getroffen, daß die Wehrpflichtigen vor ihrem Erscheinen vor idem Musterungsausschuß auf ihre geistige und körperliche Tauglichkeit eingehend ärztlich untersucht werden. Das Wehrpflichtgesetz schreibt vor, daß die Untersuchungen dem Stand der ärztlichen Wissenschaft entsprechen, daß sie für die Beurteilung der Tauglichkeit des Wehrpflichtigen für den Wehrdienst notwendig sind und im Rahmen einer Reihenuntersuchung durchgeführt werden können.
In einem Votum vom 9. Juli 1964 hat der Wissenschaftliche Beirat für das Sanitäts- und Gesundheitswesen beim Bundesminister der Verteidigung ({0}) festgestellt, daß die vorschriftsmäßig nach den Tauglichkeitsbestimmungen der ZDv 46/1 durchgeführte Untersuchung diese Forderungen des Wehrpflichtgesetzes durchaus erfüllt.
Den Musterungsärzten steht das erforderliche Hilfspersonal und das notwendige Gerät zur Verfügung, was nicht ausschließt, daß in dem einen oder anderen Fall noch Gerät hinzugefügt werden muß.
Darüber hinaus haben die Musterungsärzte in unbeschränktem Umfang die Möglichkeit, in allen Zweifelsfällen den Wehrpflichtigen zu einer fachärztlichen Untersuchung zu überweisen oder ihn - mit seiner Zustimmung - zu einer stationären Untersuchung in ein Bundeswehrlazarett einzuweisen.
Im übrigen habe ich bereits mit Erlaß vom 16. Dezember 1963 angeordnet, daß die Musterungsuntersuchung dadurch intensiviert wird, daß pro Tag nicht mehr 35, sondern nur 25 Wehrpflichtige untersucht werden; nicht zur Entlastung des Arztes, sondern um die Untersuchung sorgfältiger durchführen zu können.
Eine Zusatzfrage.
Herr Minister, können Sie mir sagen, welche Verbesserungen personeller Art und welche Verbesserungen auf medizinisch-technischem Gebiet seit 1964 beispielsweise vorgenommen worden sind?
von Hassel, Bundesminister der Verteidigung: Die Antwort kann ich Ihnen aus dem Kopf nicht geben. Wir haben seinerzeit sowohl im Verteidigungsausschuß als auch im Haushaltsausschuß im Zusammenhang mit der Abschaffung des Losverfahrens bei der Auswahl der Wehrpflichtigen vorgetragen, daß wir das Losverfahren verlassen und zu einem neuen System kommen, das eine gründliche ärztliche Untersuchung und eine entsprechende Eignungsprüfung vorsieht. Wir haben für diese beiden Komplexe - ärztliche Untersuchung und Eignungsprüfung - eine Zahl von neuen Planstellen angefordert, und zwar sowohl für die ärztliche Seite mit Hilfskräften als auch für die Untersuchungsgruppen, d. h. Psychologen und was dazu gehört. Ich kann Ihnen im Augenblick nicht sagen, um wie viele Planstellen es sich handelt. Ich würde sagen - aber nageln Sie mich bitte auf diese Zahl nicht fest -, daß wir etwa 200 derartige qualifizierte Stellen neu angefordert haben.
Im gleichen Atemzug ist für diese so personell verstärkten Einrichtungen auch die materielle Beschaffung eingeleitet worden. Sie ist meines Wissens im wesentlichen abgeschlossen. Es können noch irgendwelche Reste sein, die noch nicht geliefert sind, aber im großen und ganzen ist das abgeschlossen. Ich bin aber bereit, Ihnen dazu noch eine schriftliche Antwort zu geben, falls Sie, Herr Kollege, darauf besonderen Wert legen.
Zweite Zuzusatzfrage.
Herr Minister, glauben Sie, daß die Verordnung, in der Sie die Zahl von 35 auf 25 herabgesetzt haben, überall eingehalten wird?
von Hassel, Bundesminister der Verteidigung: Ich gehe davon aus, daß Weisungen des Verteidigungsministeriums durchgeführt werden. Wenn man unten feststellt, daß es z. B. dort bei 35 bleibt, dann werden die unten Betroffenen sehr rasch sich selber sagen: Hier ist das noch nicht in Ordnung.
Herr Abgeordneter Felder zu einer weiteren Zusatzfrage.
Herr Minister, können Sie mir sagen, ob sich die Arbeitsbedingungen der Bataillonsärzte im Hinblick vor allem auf die Zurverfügungstellung entsprechend geschulter Schreibkräfte in der letzten Zeit wesentlich verbessert haben, und sind Ihnen Klagen junger Offiziere in einem Standort bekannt, die von „weicher Welle" sprechen, weil Ihr Ministerium dankenswerterweise den 2000-m-Testlauf der Rekruten untersagt hat?
von Hassel, Bundesminister der Verteidigung: Die Klagen der jungen Offiziere sind mir bekannt. Daß zuweilen von „weicher Welle" geredet wird, ist ganz unbestreitbar. Aber den Einzelfall, den Sie nennen, kann ich Ihnen nicht bestätigen.
Der erste Teil Ihrer Frage berührt das Gebiet der Arbeitsfähigkeit der Bataillonsärzte. Vom Material her ist dort sicher nicht viel auszusetzen. Vom Personellen her haben wir die ganz große Schwierigkeit, nicht genügend Betaillonsärzte, d. h. Sanitätsoffiziere zu bekommen. Der Zuwachs an Sanitätsoffizieren und damit die Verringerung des Fehl ist immer noch unzureichend. Das Verteidigungsministerium hat in ganz enger Zusammenarbeit mit unserem eigenen hockqualifizierten Wissenschaftlichen Beirat für die ganzen Fragen des Sanitätswesens und auch im Zusammenhang mit den standesärztlichen Organisationen sehr viele Diskussionen geführt, bisher aber keine einzige Anregung bekommen, die uns in diesem Engpaß personeller Besetzung des Sanitätskorps die Dinge erleichtert hätte.
Zweite Zusatzfrage.
Herr Minister, ist es richtig, daß - um nur ein Beispiel zu nennen - z. B. im Standort Wildflecken wegen der Erkrankung des dortigen Oberstabsarztes neben ihm ein Vertragsarzt eingesetzt ist, wobei das Bataillon vierteljährlich 750 Rekruten erhält und die Belegstärke neben dem Übungsplatz und den übenden Truppen mindestens 800 Mann umfaßt?
von Hassel, Bundesminister der Verteidigung: Es kann sein, daß in Wildflecken oder auch in anderen Standorten vorübergehend derartige Engpässe auftreten. Aber, Herr Kollege, Sie wissen ganz genau, daß der Ärztemangel überall besteht. Den Ärztemangel haben nicht nur wir im Sanitätsoffizierskorps der Bundeswehr, den Ärztemangel haben Sie in jedem Krankenhaus, in jeder sonstigen Einrichtung etwa der Länder, der Verbände und der Gemeinden. Sie haben überall den gleichen Engpaß. Den kann ich auch alleine nur auf lange Frist beseitigen. Dazu gibt es eine Fülle von Maßnahmen, die in einer Fragestunde vorzutragen die ganze Fragestunde konsumieren würde.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Büttner.
Herr Bundesminister, ist Ihnen bekannt, daß der Mangel an Sanitätsoffizieren verhältnismäßig am größten ist und daß dieser Mangel u. a. durch eine grundsätzliche Änderung in der Besoldung behoben werden könnte?
von Hassel, Bundesminister der Verteidigung: Der erste Teil der Frage ist mir selbstverständlich bekannt. Den Mangel an Sanitätsoffizieren kenne ich. Im übrigen habe ich selber unlängst eine derartige Einrichtung als Patient drei Wochen lang aufsuchen können. Ich kenne die Situation dort.
Die Frage nach der Besoldung, Herr Kollege, ist nicht lediglich an den Verteidigungsminister zu richten, sondern eine Frage des öffentlichen Dienstes schlechthin.
({0})
Wenn wir die Besoldung der Ärzte wesentlich verbessern, kommen sofort Präzedenzfälle in den Ländern, Städten, Kreisen und Gemeinden. Es kommen sofort die Auswirkungen auch in anderen Teilen des höheren Dienstes. Dennoch bemühen wir uns um Abhilfen; aber das kann ich nicht allein, das kann ich nur mit der ganzen Bundesregierung und mit den Ländern gemeinsam tun, auch nicht isoliert für einen Bereich, sondern nur für den gesamten Bereich.
({1})
Herr Abgeordneter Büttner zu einer zweiten Zusatzfrage.
Herr Bundesminister, ist Ihnen bekannt, daß durch eine Änderung der Besoldung z. B. in den Vereinigten Staaten und in England der beklagenswerte Fehlbestand sehr schnell behoben worden ist?
von Hassel, Bundesminister der Verteidigung: Das ist mir bekannt. Jedoch kann die Regierung der Vereinigten Staaten mit anderen finanziellen Maßstäben messen als die Bundesregierung.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Vizepräsident Frau Dr. Probst
Ich rufe die Frage XI/8 des Herrn Abgeordneten Merten auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung den Bericht in dem Magazin „Der Spiegel" vom 31. Januar 1966, Seite 32, über den Tod des zuckerkranken Bundeswehrsoldaten Ohlhoff?
Die Frage wird von Herrn Abgeordneten Dr. Tamblé übernommen.
von Hassel, Bundesminister der Verteidigung: Gestatten Sie mir, daß ich die beiden Fragen gemeinsam beantworte, weil sie in einem Sachzusammenhang stehen.
Sind Sie einverstanden? - Dann rufe ich ferner die Frage XI/9 des Herrn Abgeordneten Merten auf:
Welche Maßnahmen sieht die Bundesregierung vor, um die Bundeswehrärzte und die technischen Einrichtungen des Sanitätsdienstes der Bundeswehr so vorzubereiten, daß Fälle von Zuckerkrankheit sofort erkannt und entsprechend behandelt werden können?
Der von dem Fragesteller erwähnte Artikel in der Zeitschrift „Der Spiegel" ist die Darstellung der Verhandlung vor einem Strafgericht. Das Verfahren ist noch nicht rechtskräftig abgeschlossen. Ich sehe mich deshalb zur Zeit nicht in der Lage, mich zur Sache zu äußern. Nach Vorliegen des rechtskräftigen Urteils wird über die Einleitung eines Disziplinarverfahrens zu entscheiden sein.
Ich habe aber bereits veranlaßt, daß der angeklagte Sanitätsoffizier eine Tätigkeit erhalten hat, in der er mit der Behandlung oder Untersuchung von Patienten nicht befaßt ist.
Auf die Frage hinsichtlich der Diagnose und der Behandlung von Zuckerkrankheiten darf ich folgendes antworten. Die Untersuchung von Zuckerkrankheit ist ein einfaches Verfahren. Das Anzeichen von Zuckerkrankheit kann sofort erkannt werden. Gegebenenfalls kann dann eine zusätzliche fachärztliche Untersuchung veranlaßt werden. Der tragische Tod des Soldaten Ohlhoff ist nicht auf das Fehlen von technischen Einrichtungen zurückzuführen, sondern auf Unterlassungen, deren Beurteilung mir - ich darf es wiederholen - wegen des schwebenden Strafverfahrens zur Zeit nicht möglich ist.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe die Frage XI/10 des Herrn Abgeordneten Ollesch auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß wehrpflichtigen Abiturienten im Gebiet der Wehrbereichsverwaltung Stuttgart, denen ursprünglich erklärt wurde, sie hätten mit einer Einberufung zum 1. April 1966 zu rechnen, nunmehr eröffnet wird, sie könnten frühestens zum 1. Oktober 1966 einberufen werden?
Die Frage wird von dem Abgeordneten Moersch übernommen.
von Hassel, Bundesminister der Verteidigung: Ich darf auch hier anregen, daß die beiden Fragen des Herrn Abgeordneten Ollesch gemeinsam beantwortet werden, weil sie zusammengehören.
Sind Sie einverstanden? - Dann rufe ich weiter die Frage XI/11 des Herrn Abgeordneten Ollesch auf:
Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, um die nachteiligen Folgen des für die durch das in Frage XI/10 geschilderte Verfahren Betroffenen eintretenden Zeitverlustes - ein Studium nur im Sommersemester ist zumeist weder möglich noch sinnvoll - zu vermeiden?
Den wehrpflichtigen Abiturienten wird bei der Musterung mündlich mitgeteilt, daß sie mit einer Einberufung zum 1. April oder zum 1. Oktober rechtnen können. Die Wehrbereichsverwaltung V in Stuttgart hat auf Rückfrage fernschriftlich berichtet, daß auch in diesem Bereich nicht anders verfahren wird. Sie kann nicht ausschließen, daß in Einzelfällen mißverständliche oder unrichtige Auskünfte an Wehrpflichtige erteilt sein könnten. Es sind ihr jedoch solche Fälle nicht bekannt. Im übrigen haben alle Abiturienten, die im Vorjahr gemustert worden sind, bis Januar 1966 eine schriftliche Mitteilung erhalten, wenn sie nicht zum 1. April, sondern zum 1. Oktober 1966 einberufen werden.
Zur zweiten Frage. Die frühzeitige Unterrichtung der Abiturienten über ihren Einberufungstermin stellt sicher, daß sie rechtzeitig Dispositionen treffen und ihr Studium im Sommersemester aufnehmen können. Der Herr Präsident der Rektorenkonferenz - mit der Rektorenkonferenz haben wir dieses Thema sehr eingehend behandelt - hat anerkannt, daß nach Lage der Sache gegen dieses Verfahren nichts einzuwenden sei. Ich bin der Meinung, daß ein Semester, das vor dem Wehrdienst absolviert wird, nicht verloren ist. Das erste Semester dient in der Regel der Einführung in das Studium. Es wird hauptsächlich an dem einzelnen Studenten liegen, was er daraus zu machen versteht.
Eine Zusatzfrage.
Herr Minister, sehen Sie nicht eine Möglichkeit, grundsätzlich zu erreichen, daß Abiturienten sofort nach Ableistung des Abiturs eingezogen werden, zumal die von Ihnen geäußerte Meinung über das nicht verlorene Semester nicht unbedingt den Bemühungen um die Straffung des Studiums entspricht?
von Hassel, Bundesminister der Verteidigung: Ich darf darauf verweisen, Herr Abgeordneter, daß im vergangenen Jahr fast zur gleichen Zeit dieses Thema hier in einer Fragestunde behandelt worden ist. In seiner Antwort hat Herr Staatssekretär Gumbel am 19. Februar 1965 dazu eingehend Stellung genommen. Aus dieser Stellungnahme ergibt sich, Herr Kollege, daß es bei den begrenzten Ausbildungsmöglichkeiten, die wir haben, leider nicht möglich ist, die Abiturienten zu einem Zeitpunkt unmittelbar nach dem Abitur einzuberufen. Ich glaube, Sie stimmen mit mir darin überein, daß wir möglichst alle Abiturienten, die gesund und geeignet sind, zum Wehrdienst einziehen, daß wir also
Bundesminister von Hassel
nicht, wie wir es noch vor drei oder vier Jahren getan haben, nur einen kleinen Kreis einziehen. Aus einem staatspolitischen Prinzip heraus sollte möglichst jeder Abiturient seinen Wehrdienst zu leisten haben. Dabei entstehen dann jene Schwierigkeiten, die ich Ihnen eben geschildert habe. Sie liegen darin, daß wir keine größere Ausbildungskapazität haben, sie aber auch für die Abiturienten nicht schaffen können. Denn Sie werden mit mir auch darin übereinstimmen, daß man nicht eigene Ausbildungskapazitäten nur für den angehenden akademischen Nachwuchs haben soll, sondern daß man die jungen Menschen, ob sie Abiturienten oder Nichtabiturienten sind, in einer Ausbildungseinheit zusammenfassen soll.
Zweite Zusatzfrage.
Herr Minister, ist bereits die Frage bei Ihnen geprüft worden, wie die Dinge geregelt werden sollen, wenn es uns gelingt, die Frage des Beginns und des Endes des Schuljahres zu klären?
von Hassel, Bundesminister der Verteidigung: Dann wird es noch schwieriger als heute.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dichgans.
Herr Minister, wieviel Prozent der Abiturienten werden nach Ihrer Schätzung gegen ihren Willen erst verspätet eingezogen?
von Hassel, Bundesminister der Verteidigung: Die Frage kann ich Ihnen nicht beantworten, Herr Kollege, aber es ist so, daß sich diese Abiturienten bzw. ihre Väter dann relativ rasch an den Verteidigungsminister wenden mit der Bitte, zu helfen, damit der Sohn doch frühzeitig eingezogen wird. Darüber gibt es einen gewissen Schriftwechsel, der aber keinen übergroßen Umfang hat.
Zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dichgans.
Herr Bundesminister, halten Sie es nicht für möglich, bei den Wehrbereichen die Einziehung so zu organisieren, daß der Apriltermin vorzugsweise den Abiturienten vorbehalten wird und die Übrigen Termine für Berufe genommen werden, bei denen der Termin nicht so wichtig ist wie bei den künftigen Studenten?
von Hassel, Bundesminister der Verteidigung: Das geschieht bereits.
Herr Abgeordneter Schultz, erste Zusatzfrage.
Herr Minister, teilen Sie meine Auffassung, daß Zusagen, die staatliche Stellen - wenn auch nur mündlich - machen, nach Möglichkeit eingehalten werden sollen oder nicht nur nach Möglichkeit, sondern immer? Wären Sie bereit, entsprechende Weisung zu erteilen?
von Hassel, Bundesminister der Verteidigung: Ich teile diese Auffassung, weil ich selber danach handele.
Keine weitere Zusatzfrage? - Dann rufe ich die Frage XI/12 des Abgeordneten Schultz auf:
Welche rechtlichen Voraussetzungen lagen für die Suspendierung vom Dienst von Soldaten vor, die sich an einer Grundungsversammlung des „Stahlhelm" in Bergzabern beteiligt haben?
Darf ich ,die beiden Fragen des Abgeordneten Schultz im Zusammenhang beantworten?
Dann rufe ich noch die Frage XI/13 des Abgeordneten Schultz auf:
Ist mit einer Anklage wegen Angriffs auf die bestehende demokratische Ordnung oder Staatsgefährdung auf Grund der in Frage XI/12 genannten Vorgänge zu rechnen?
von Hassel, Bundesminister der Verteidigung: Des Dienstes enthoben wurde lediglich einer der Soldaten, die bei der Gründungsversammlung der Ortsgruppe des „Stahlhelm" in Bergzabern zugegen waren. Es handelt sich dabei um den 27jährigen Feldwebel Benitz, der als Schirrmeister dem Fernmeldebataillon 768 angehört. Benitz war kommissarisch eingesetzter Ortsgruppenführer des „Stahlhelm" in Bergzabern. Feldwebel Benitz hielt auf dieser Versammlung eine vom Blatt abgelesene Einführungsrede, in der unter anderem angeführt wurde, daß sich der deutsche Frontsoldat zwar in das Staatswesen einzugliedern habe, dabei aber nicht „im Sumpf der parlamentarischen Korruption" versinken dürfe.
Wegen dieser und ähnlicher Äußerungen hat der Bataillonskommandeur dem Feldwebel Benitz nach § 22 ,des Soldatengesetzes verboten, seinen Dienst auszuüben, weil zwingend angenommen werden mußte, daß das Vertrauen der Benitz unterstellten Soldaten zu ihm als militärischen Vorgesetzten erschüttert war.
Zur zweiten Frage: Nach den mir vorliegenden Unterlagen sind wegen des Vorfalles in Bergzabern sowohl von der örtlich zuständigen Polizei als auch vom Landesamt für Verfassungsschutz RheinlandPfalz Ermittlungen eingeleitet worden. Ob diese Ermittlungen zu einer Anklageerhebung wegen Verletzung strafrechtlicher Tatbestände führen werden, kann nur von ,der zuständigen Staatsanwaltschaft beurteilt werden.
Im übrigen hat der hier für die Einleitung disziplinargerichtlicher Verfahren zuständige Befehlshaber der territorialen Verteidigung die Aufnahme disziplinargerichtlicher Vorermittlungen angeordnet. Dieses Verfahren ist aber noch nicht abgeschlossen.
Herr Abgeordneter Schultz zu einer Zusatzfrage.
Herr Minister, welchen Dienst versieht nun der suspendierte Schirr-meister Benitz? Sitzt er auf seiner Stube und tut nichts, oder wird er irgendwie eingesetzt?
von Hassel, Bundesminister der Verteidigung: Die Frage, Herr Abgeordneter, kann ich Ihnen nicht beantworten. Ich bin bereit, dies klären zu lassen. Er ist vom Dienst suspendiert, tut also im Dienst nichts. Aber ob er auf seiner Stube sitzt oder zu Hause ist, weiß ich nicht.
Herr Abgeordneter Schultz zu einer zweiten Zusatzfrage, bitte!
Herr Minister, halten Sie es für richtig, daß ein Feldwebel in diesem Fall vom Dienst suspendiert worden ist, obwohl er ja nicht Zugführer ist, wo er in Ausbildungsfragen mit den Männern natürlich einen sehr viel engeren Kontakt hätte? Glauben Sie, daß es in diesem Falle sinnvoll ist, den Mann sozusagen wegen der Vorarbeit eines einzuleitenden Disziplinarverfahrens dem Dienst zu entziehen?
von Hassel, Bundesminister der Verteidigung: Herr Kollege Schultz, lassen Sie mich dazu zweierlei sagen.
Erstens. Die mir bisher vorliegenden Berichte der Organe der Landespolizei oder der Bundeswehr sind nicht völlig identisch. Es gibt Unterschiede in der Darstellung, die die Dinge gravierend oder weniger gravierend erscheinen lassen.
Zweitens. Ich reagiere hart - ich glaube, daß ich mich da eigentlich mit dem ganzen Hohen Haus in Übereinstimmung befinde -, wenn in der Bundeswehr Rechtsradikalismus oder Linksradikalismus auftaucht.
({0})
Ich bin nicht bereit, als der für die Bundeswehr verantwortliche Minister derartige Strömungen zuzulassen. Wenn ein Mann eine solche Rede hält, dann ist es mir völlig gleichgültig, ob er Zugführer oder Schirrmeister oder Funkmeister ist.
({1})
Herr Abgeordneter Schultz zu einer weiteren Zusatzfrage, bitte!
Stimmen Sie mir zu, Herr Minister, wenn ich sage, daß ich in dieser Auffassung völlig Ihrer Meinung bin?
({0})
Aber meinen Sie nicht, Herr Minister, daß es sich auch darum handeln kann, daß Dinge dramatisiert werden,
({1}) die nicht zu dramatisieren notwendig wäre?
({2})
von Hassel, Bundesminister der Verteidigung: Herr Abgeordneter, ich habe im ersten Teil meiner Antwort ja angedeutet, daß die Berichte, die uns vorliegen, unterschiedlich sind. Die einen sind gravierender in der Aussage als die anderen. Das muß genau untersucht werden. Man sollte zwar nichts dramatisieren, aber ich wiederhole, daß ich persönlich außerordentlich allergisch bin, wenn derartige Ansätze - ob das so etwas oder etwas anderes ist, ist mir völlig gleichgültig - sichtbar werden.
({3})
Herr Abgeordneter Cramer zu einer Zusatzfrage.
Herr Minister, Sie sprachen von der Allergie. Ich darf Ihnen folgende Frage stellen: Halten Sie es für vertretbar, daß Delegationen, Abordnungen oder geschlossene Formationen der Bundeswehr an Veranstaltungen - ich denke an den Großen Zapfenstreich, an Gedenkfeiern, an Skagerrakfeiern - teilnehmen, an denen auch geschlossene Formationen des „Stahlhelm" teilnehmen?
von Hassel, Bundesminister der Verteidigung: Ich glaube, hierfür gilt das, was vorhin Kollege Schultz gesagt hat: Man sollte nicht dramatisieren. Wenn Sie nämlich die Angehörigen des „Stahlhelm" im ganzen Bundesgebiet einmal addieren, dann kommen Sie vielleicht auf eine ganz kleine vierstellige Zahl. Anders ist es aber, wenn sie anfangen, Reden zu halten. Beim Zapfenstreich jedoch haben sie nichts zu reden, da haben sie sich den Zapfenstreich anzuhören. Ich habe keine Bedenken, wenn sie dann dabeistehen und einmal lernen, wie die deutsche Bundeswehr aussieht.
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Herr Abgeordneter Cramer zu einer zweiten Zusatzfrage.
Herr Minister, ist Ihnen bekannt, daß es einen Großen Zapfenstreich nicht nur bei der Bundeswehr, sondern auch bei anderen Organisationen gibt?
von Hassel, Bundesminister der Verteidigung: Beispielsweise bei der Landespolizei. Die untersteht den Ministerpräsidenten. Dann muß die Frage an den betreffenden Ministerpräsidenten gestellt werden. Sonst wird der Große Zapfenstreich nach meinem Dafürhalten nicht mehr gespielt.
Herr Abgeordneter Hamm zur ersten Zusatzfrage.
Herr Minister, wissen Sie etwas davon, daß sich dieser Feldwebel darauf berufen hat, daß er erstens nicht gewählt sei und daß zweitens in dem Saal, in dem er die Eröffnung bekanntgegeben habe, eine größere Anzahl von Offizieren anwesend gewesen seien, die kein Wort zu der ganzen Sache gesagt hätten, und daß er das Gefühl habe, er sei der falsche, der geschnappt worden sei?
von Hassel, Bundesminister der Verteidigung: Verzeihung, Herr Abgeordneter, wenn sich ein ausgewachsener Feldwebel als kommissarischer Führer, mehr oder weniger als Versammlungsleiter dort präsentiert und eine Einleitungsrede hält, dann kann er sich nicht herausreden, er sei nicht gewählt worden. Wie kommt er denn sonst dahin? Wenn sich Offiziere das dort angehört haben, werden sie sich überlegt haben: Sollen wir gleich etwas sagen, oder wollen wir uns das anhören und dann sehen, was wir machen? Ich sehe nicht ein, daß jeder einzelne Offizier für derartige Reden verantwortlich gemacht wird, die ein Feldwebel hält. Daß sie sofort reagiert haben, sehen Sie daran, daß Wir ihn suspendiert haben.
Eine zweite Zusatzfrage.
Ich wollte nur von Ihnen wissen, ob Sie das wissen.
von Hassel, Bundesminister der Verteidigung: Nein, das war mir im Detail nicht bekannt, wer und wieviel dabei gewesen sind. Es ist im Grunde eine kleine Veranstaltung gewesen, bei der nicht viel los gewesen ist.
Herr Abgeordneter Dr. Schäfer zur ersten Zusatzfrage.
Herr Minister, liegen Ihnen Nachrichten darüber vor, daß es ähnliche Vorgänge auch an anderen Standorten gegeben hat?
von Hassel, Bundesminister der Verteidigung: Mir liegen keine Nachrichten hinsichtlich des „Stahlhelm" vor. Ich habe aber im Zusammenhang mit dem zurückliegenden Bundestagswahlkampf Erfahrungen über die Frage der NPD. In dieser Beziehung - NPD - habe ich genauso reagiert wie etwa in dem Fall des „Stahlhelm", da ich in diesem Punkte genauso empfindlich bin. Ich glaube, Herr Kollege, daß wir uns da völlig einig sind.
Zweite Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Schäfer.
Herr Minister, bezieht sich Ihre Antwort eben darauf, daß Angehörige der Bundeswehr dort Mitglied sind oder sogar führende Funktionen übernehmen?
von Hassel, Bundesminister der Verteidigung: Das Wort „führende Funktionen" würde ich einschränken. Ich meine beispielsweise: selber Plakate kleben, in Versammlungen mit auftreten, als Diskussionsredner im Saal sein, nicht als der Redner vorn, sondern mitten im Saal. Ich würde also sagen: die nicht unmittelbar Führer sind, aber doch sehr stark das ganze mit fördern. Wir dürfen die Bundeswehr nicht in die Gefahr bringen, daß in Deutschland oder draußen im Ausland beim Beobachter das Gefühl Platz greift, daß in der Bundeswehr rechts- oder linksradikale Strömungen im Gange seien. Das habe ich eben schon einmal gesagt.
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Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Schäfer.
Herr Minister, ich darf also Ihrer Antwort entnehmen, daß Sie in diesen Fällen, die Ihnen bekanntgeworden sind, genauso verfahren sind wie in Bergzabern?
von Hassel, Bundesminister der Verteidigung: Ich bin gern bereit, über diesen ganzen Komplex einmal im Verteidigungsausschuß vortragen zu lassen, weil es ein Vorgang ist, den man nicht in einer kurzen Fragestunde abhandeln kann. Ich habe Ihnen hier nur meine Prinzipien für die Leitung des Hauses dargelegt.
Herr Abgeordneter Dr. Müller ({0}).
Herr Minister, was ist gegen die Offiziere unternommen worden, die bei dieser Sitzung des „Stahlhelm" anwesend waren und geschwiegen haben, also nicht Stellung genommen haben? Sind Sie nicht auch der Meinung, daß Offiziere, die schweigend so etwas anhören, in den Verdacht kommen können, daß sie schweigend dem zustimmen könnten?
von Hassel, Bundesminister der Verteidigung: Ich bin der Meinung, daß Offiziere, die politische Versammlungen besuchen, nicht verpflichtet sind, gleich ihre gegenteilige Auffassung dort kundzutun. Wenn Offiziere dort hingehen, sich orientieren und reagieren, wie es hier geschildert worden ist, dann kann man ihnen nach meiner Meinung keinen Vorwurf machen. Im Gegenteil, es ist ganz gut, wenn sie sich selber einmal ein Bild davon machen, was in einer solchen Ortsgruppenversammlung - oder wie das nun geheißen haben mag - vor sich geht.
Zweite Zusatzfrage.
Herr Minister, Sie haben vorhin in Zusammenhang mit einem großen Zapfenstreich davon gesprochen, daß es bei Rechtsradikalität allein maßgebend sei, ob man das aussage, ob man sich also dazu äußere, eine Rede halte. Glauben Sie, daß das die richtige Einstellung dazu ist?
von Hassel, Bundesminister der Verteidigung: Ich darf, ohne in irgendeinen Verdacht zu geraten, doch einmal sagen, daß nicht alle Leute, die im „Stahlhelm" sind, dieses Geistes sind, der hier geschildert worden ist. Es gibt durchaus auch anständige Leute, die aus diesem oder jenem Grunde dabei sind. Man sollte nun nicht in Bausch und Bogen alles hier verurteilen. Insofern stimme ich Herrn Abgeordneten Schultz in seiner Zusatzfrage zu.
Herr Abgeordneter Dr. Marx ({0}).
Herr Minister, stimmt es, wie ich in Erfahrung gebracht habe, daß die Beweisaufnahme hinsichtlich der von Ihnen vorhin angedeuteten widersprüchlichen Darstellungen der Befragten über eine gewisse Zeit hin noch erfolgt und es daher nicht gut ist, hier den Eindruck zu erwecken, als ob über die dort im Saale anwesenden Offiziere von Ihrer Seite aus hinweggegangen würde, und wird diese Beweisaufnahme nicht noch weiter fortgesetzt, so daß man Endgültiges erst sagen kann, wenn die gesamten Texte vorliegen?
von Hassel, Bundesminister der Verteidigung: Ich stimme Ihnen zu.
Keine weiteren Zusatzfragen? - Dann rufe ich die Frage XI/14 des Herrn Abgeordneten Schultz auf:
Wird das Bundesverteidigungsministerium dafür sorgen, daß im Bereich der Heeresfliegerstaffel 8 in Schleißheim ein Gehweg neben der stark befahrenen Ingolstädter Landstraße angelegt wird, besonders nachdem das Fehlen eines solchen zum Tode zweier Soldaten geführt hat?
Bitte, Herr Bundesminister, zur Beantwortung!
von Hassel, Bundesminister der Verteidigung: Der Unfalltod zweier Soldaten auf der Ingolstädter Landstraße ereignete sich, als sich die Soldaten auf dem Rückweg von einer nördlich von der Unterkunft Hochbrück gelegenen Gaststätte befanden. Grundsätzlich werden Truppenunterkünfte durch Fußwege mit dem nächstgelegenen Besiedlungsgebiet verbunden. Das nächstgelegene Besiedlungsgebiet ist in diesem Falle die 2 km südlich gelegene Stadtgrenze von München. Der Ausbau eines befestigten Gehweges zur Stadtgrenze München ist vorgesehen, da die Erweiterung der bisher nur schwach belegten Behelfsunterkunft Hochbrück geplant ist.
Es ist aus Kostengründen nicht möglich, von einer Unterkunft aus nach allen Richtungen Gehwege anzulegen. Ich bin jedoch bereit und habe die entsprechende Anordnung erteilt, im Falle Hochbrück eine Ausnahme zu machen und außer dem Gehweg zur Stadtgrenze München nach Süden einen Gehweg zu der genannten Gaststätte nach Norden anlegen zu lassen. Es handelt sich dabei um eine Entfernung von etwa 1 km.
Erste Zusatzfrage, bitte sehr!
Herr Minister, bis wann ist damit zu rechnen, daß die von Ihnen dankenswerterweise angeordnete Maßnahme durchgeführt ist?
von Hassel, Bundesminister der Verteidigung: Diese Frage kann ich Ihnen nicht beantworten; denn die Durchführung aller Bauvorhaben ist - mehr oder weniger aus zwei Gründen - außerordentlich schwierig. Erstens haben wir für die Planung nicht genügend Fachkräfte - in diesem Falle ist sie allerdings relativ einfach -, und zweitens haben wir für die Durchführung der Bauarbeiten nicht genügend Baufirmen; sie sind wegen der Konjunktur überlastet. Dennoch glaube ich, daß die Anlegung dieses Fußweges von 1 km nicht sehr lange Zeit in Anspruch nehmen wird. Ich darf Sie vielleicht zur Einweihung des Fußweges dann einladen, Herr Abgeordneter.
Herr Abgeordneter Schultz, zur zweiten Zusatzfrage.
Herr Minister, wären Sie bereit, der Wehrbereichsverwaltung München nahezulegen, daß diese Sache äußerst dringlich ist, da sie schon lange beantragt ist, und wäre es vielleicht möglich, diesen Gehweg entlang des dort vorhandenen Stacheldrahtzauns unterhalb der Straße von Pionieren anlegen zu lassen oder die allgemeine Verwaltung entsprechend zu unterstützen?
von Hassel, Bundesminister der Verteidigung: Herr Abgeordneter, ich bin gerne bereit, mich in dieser Richtung einzusetzen. Ich darf Ihnen aber eine Zahl ins Gedächtnis rufen, die, glaube ich, auch der Verteidigungsausschuß kennt, daß wir nämlich gegenwärtig - eigentlich immer - 2000 Bauvorgänge haben, so daß es also nicht ganz einfach ist, eine Sache vorzuziehen; man muß sie immer irgendwie einplanen. Aber so groß ist diese Sache hier nicht, als daß man es nicht vielleicht doch tun könnte.
Eben drum.
Ich danke dem Herrn Bundesminister der Verteidigung.
Ich rufe die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr auf, zunächst die Frage XII/1 des Herrn Abgeordneten Baron von Wrangel:
Ist die Bundesregierung in der Lage, in Zusammenarbeit mit den zuständigen Behörden des Landes Schleswig-Holstein, den Ausbau der Bundesstraße Nr. 208 von Bad Oldesloe nach Ratzeburg beschleunigt in Angriff zu nehmen, zumal es sich bei dieser Bundesstraße um eine besonders wichtige Verkehrsader für die wirtschaftliche Erschließung des Zonenrandgebietes im Norden der Bundesrepublik handelt?
Ich bitte den Herrn Bundesminister für Verkehr um Beantwortung.
Herr Kollege, die Bundesstraße 208 Bad Oldesloe-Ratzeburg, deren rund 34 km langer Abschnitt von
Bad Oldesloe bis Harmsdorf, dem Kreuzungspunkt mit der Bundesstraße 207, erst am 1. Januar 1961 zur Bundesstraße aufgestuft wurde, gehört zu den verkehrsschwächsten Bundesstraßen des zwei Drittel des Landes umfassenden schleswig-holsteinischen Zonenrandgebiets. Dessen ungeachtet wurde wegen des unbefriedigenden Zustandes der B 208 der Ausbau von Teilstrecken begonnen. Eine weitere Förderung ist im Einvernehmen mit dem schleswig-holsteinischen Minister für Wirtschaft und Verkehr 1966 und im 3. Vierjahresplan von 1967 bis 1970 im Rahmen der verfügbaren Mittel, sofern baureife und rechtskräftig festgestellte Pläne, für die das Land verantwortlich ist, vorliegen, vorgesehen. Die Vorbereitung und das baureife Gestalten dieser Pläne - Planfeststellung usw. - ist, wie gesagt, im wesentlichen Sache der Auftragsverwaltung.
Eine Zusatzfrage.
Herr Minister, hat sich die Bundesregierung mit der Landesregierung eine Meinung darüber gebildet, ob man die Bahnstrecke Bad Oldesloe-Ratzeburg für den Bau dieser Straße heranziehen sollte?
Dieser Gedanke ist von der Landesregierung nicht an die Bundesregierung herangetragen worden. Die Landesregierung hat sich offenbar auch früher nicht mit dieser Frage beschäftigt; denn auch bei der Aufstufung ist dieses Problem nicht vorgetragen worden.
Zweite Zusatzfrage.
Herr Minister, ist zu vermuten, daß die Heranziehung der Bahnstrecke, die im Augenblick nicht befahren wird, die Kosten des Baues dieser Straße verbilligen würde?
Ich glaube nicht, daß die Kosten nennenswert dadurch vermindert werden, daß die Bahnstrecke in den Straßenkörper einbezogen wird. Es ist nur eine Grunderwerbsfrage.
Herr Abgeordneter Sänger zu einer Zusatzfrage.
Herr Bundesminister, ist der Bundesregierung bekannt, daß diese eventuell einzuziehende Bahnstrecke ein Teil der kürzesten Verbindung Kiel-Berlin ist?
Gerade deswegen, Herr Kollege Sänger, ist diese Frage eben nicht behandelt worden bei der Aufstufung der Straße in dem Sinne, daß die Strecke eingezogen werden könnte, sondern sie ist offengeblieben aus dem von Ihnen eben genannten Grund.
Herr Abgeordneter Sänger zu einer weiteren Zusatzfrage.
Herr Bundesminister, dann darf ich also auch schon voraussetzen, daß die Bundesregierung sicher bereit sein wird, die Landesregierung darauf hinzuweisen, daß in dem gleichen Augenblick, in dem möglicherweise diese Teilstrecke auf unserer Seite die Kiel-Berlin-Verbindung abbricht, auf der anderen Seite die gleiche Strecke zweigleisig ausgebaut wird?
Diese Frage wird natürlich sorgfältig überlegt, wenn ein solcher Gedanke an uns herangetragen werden wird.
Keine weitere Zusatzfrage.
Ich rufe Frage XII/2 des Herrn Abgeordneten Strohmayr auf:
Teilt die Bundesregierung die Auffassung der Bundesverkehrswacht, daß die Verkehrssicherheit wesentlich gehoben werden könnte, wenn sämtliche Verkehrszeichen, zumindest aber sämtliche Verbotszeichen sowie die polizeilichen Kennzeichen der Kraftfahrzeuge nur noch aus rückstrahlendem Material hergestellt würden?
Herr Kollege, die Bundesregierung ist der Auffassung, daß die Ausführung der Verkehrszeichen aus rückstrahlendem Material, mindestens aber der Verkehrszeichen für den fließenden Verkehr, zur Verbesserung der Verkehrssicherheit beitragen wird.
Ob die amtlichen Kraftfahrzeugkennzeichen rückstrahlend sein dürfen, wird augenblicklich im Zusammenhang mit umfangreichen Versuchen auf internationaler Ebene im Rahmen der ECE in Genf geprüft. Diese Versuche sollen bis Mitte dieses Jahres abgeschlossen sein. Danach können wir entsprechende Maßnahmen ergreifen.
Herr Abgeordneter Strohmayr, erste Zusatzfrage.
Herr Bundesminister, ist Ihnen bekannt, ,daß zum Teil in den USA und auch in Frankreich rückstrahlende Verkehrszeichen zugelassen sind und dort im nächtlichen Straßenverkehr einen wesentlichen Sicherheitsfaktor darstellen?
Ja, das ist bekannt. Ich habe ja auch meine positive Auffassung zu dieser Frage geäußert. Wir wollen aber diese Versuche bei der ECE abwarten, damit möglichst eine Einheitlichkeit in der Ausführung erreicht wird. Sie wissen, daß wir bezüglich der Einheitlichkeit der Straßenverkehrszeichen auch im Rahmen der europäischen Verkehrsministerkonferenz in Verhandlungen stehen, die noch nicht ganz abgeschlossen sind.
Zweite Zusatzfrage.
Herr Bundesminister, ist Ihnen auch bekannt, daß rückstrahlende Verkehrszeichen nach den gemachten Erfahrungen den Vorzug haben, daß beim Ausffall der Beleuchtungsanlage nachts ein rechtzeitiges und deutliches Erkennen von Pannenfahrzeugen möglich ist?
Ja, das ist bekannt, aber es ist nicht ganz unbestritten. Es hängt nämlich davon ab, unter welchem Winkel diese rückstrahlenden Kennzeichen angefahren werden. Davon hängt ab, ob der Anfahrende sie auch wirklich dann bemerkt, wenn seine eigene Beleuchtung völlig ausgefallen sein sollte.
Ich rufe Frage XII/3 des Herrn Abgeordneten Dr. Hamm ({0}) auf:
Was unternimmt die Bundesregierung, um Unfallschwerpunkte auf Bundesstraßen, die aus örtlichen Gegebenheiten entstehen, systematisch zu erfassen und bei ihrer Straßenplanung zu berücksichtigen?
Frau Präsidentin, ich bitte damit einverstanden zu sein, daß ich die drei Fragen des Herrn Kollegen Dr. Hamm gemeinsam beantworte, da sie von der Sache her zusammenhängen, falls der Herr Kollege damit einverstanden ist.
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Ich bin damit einverstanden. Dann rufe ich die Fragen XII/4 und XII/5 ebenfalls auf:
Ist die Bundesregierung bereit, ihre Baumaßnahmen an Bundesstraßen in Zukunft mehr als bisher auf die Beseitigung örtlicher Unfallschwerpunkte auszurichten?
Inwieweit gedenkt die Bundesregierung, der Wichtigkeit der Beseitigung örtlicher Unfallschwerpunkte durch eine gewisse Verlagerung der verfügbaren Straßenbaumittel vom Bundesautobahnbau auf den Bundesstraßenbau Rechnung zu tragen?
Die Bundesregierung hat bereits im Jahre 1957 Richtlinien für die örtliche Untersuchung der Straßenverkehrsunfälle herausgegeben. Diese Richtlinien dienen der systematischen Erfassung der Unfallschwerpunkte. Auswertungen der danach jeweils durchgeführten Unfalluntersuchungen geben den Verkehrsbehörden wertvolle Hinweise für verkehrsregelnde Maßnahmen und der Polizei für den zweckmäßigen Einsatz ihrer Kräfte.
Die obersten Straßenbaubehörden der Länder verwalten die Bundesstraßen im Auftrag des Bundes. Die Ergebnisse der Unfallauswertungen werden von ihnen beim Neubau und beim Ausbau der Bundesstraßen berücksichtigt. Dabei erforderliche zusätzliche Maßnahmen werden in engem Einvernehmen zwischen dem Bundesminister für Verkehr und der jeweils zuständigen obersten Straßenbaubehörde des Landes geprüft und im Rahmen des Möglichen beschleunigt durchgeführt. Für die Bauwürdigkeit einer Maßnahme ist daneben natürlich auch der Verkehrsbedarf von besonderer Bedeutung. Zur Beurteilung darf allerdings nicht außer acht gelassen werden, daß die Mängel im Straßenbau nur einen relativ geringen Anteil an den Unfällen überhaupt haben. Die Masse der Unfälle wird von den Verkehrsteilnehmern selbst durch ihr nicht verkehrsgerechtes Verhalten verursacht.
Im Straßenbau-Haushalt des Bundes sind erhebliche Mittel enthalten, die für zusätzliche Maßnahmen wie z. B. die Beseitigung von neu erkannten oder inzwischen bekanntgewordenen örtlichen Unfallschwerpunkten vorgesehen sind.
Eine Verlagerung der für den Autobahnneubau bereitzustellenden Mittel auf Bundesstraßen ist deshalb nicht erforderlich. Auch ist der Autobahnneubau wegen der Kürzung der Mittel und der bekannten Schwierigkeiten auf dem Kapitalmarkt in seiner Baudurchführung ohnehin stark behindert, während der Bundesstraßenanteil aus dem Bundeshaushalt voll bedient wird.
Eine Zusatzfrage.
Herr Bundesminister, besteht eine ausdrückliche Anweisung, daß die Unfallkarten der Verkehrspolizei, auf denen die Unfallorte meistens mit bunten Stecknadeln gekennzeichnet werden, systematisch und über ein Jahr hinaus auf längere Zeit ausgewertet und die Unfallschwerpunkte festgehalten werden?
Daß sie ausgewertet werden, habe ich soeben betont, Herr Kollege. Die Entscheidung, ob sie aufgehoben werden, ist Sache der Polizei. Ich kann zwar den Ländern empfehlen, was sie tun sollen, aber ich weiß natürlich nicht, ob die Länder ihre Polizeidienststellen auffordern, diese Unterlagen aufzubewahren oder die Übersicht in der Form fortzuführen, daß die Unfälle weiterhin auf denselben Karten - vielleicht unter Verwendung verschiedenfarbiger Stecknadelköpfe für die einzelnen Jahre - festgehalten werden. Das muß den Polizeibehörden der Länder überlassen bleiben.
Zweite Zusatzfrage.
Glauben Sie nicht, Herr Bundesminister, daß es gerade der Sinn einer Straßenplanung, die vornehmlich der Unfallverhütung dienen soll, sein müßte, die manchmal gar nicht von vornherein erkennbaren, aus örtlichen Gegebenheiten entstandenen Unfallschwerpunkte auf längere Zeit festzuhalten und bei der Planung auszuwerten?
Herr Kollege, diese Unfallschwerpunkte können ja je nach der Belastung wechseln. Wenn wir beispielsweise eine Ortsdurchfahrt durch den Neubau einer Umgehungsstraße entlasten, können die Unfallschwerpunkte in der Ortsdurchfahrt erheblich zurückgehen. Es muß also den laufenden Unfalluntersuchungen der Landesbehörden überlassen werden, diese Fragen zu behandeln und sie mit den Auftragsverwaltungen oder, soweit es sich um Landesstraßen handelt, mit den Landesstraßenbaubehörden abzustimmen. Hier liegt ja eine starke Zuständigkeit der Länder vor, denn wie Sie wissen, ist die Durchführung der von uns erlassenen Gesetze und Verordnungen über den Straßenverkehr nach dem Grundgesetz den Länderbehörden übertragen.
Herr Abgeordneter Dr. Hamm zur dritten Zusatzfrage.
Herr Bundesminister, würden Sie den Ländern die Anregung geben, in der Straßenplanung die polizeilichen Feststellungen über Unfallschwerpunkte zu übernehmen?
Aber das geschieht ja, Herr Kollege. Ich habe doch in meiner Antwort ausdrücklich gesagt, daß wir bereits im Jahre 1957 Richtlinien für die örtliche Untersuchung der Straßenverkehrsunfälle herausgegeben haben und daß nach diesen Richtlinien die oberste Straßenbaubehörde die Ergebnisse der Unfallauswertungen zu berücksichtigen hat. Es findet also auf der Ebene des Landes eine entsprechende, selbstverständliche Koordination zwischen Polizei und Straßenbaubehörde des Landes statt.
Vierte Zusatzfrage.
Herr Bundesminister, gibt es eine Untersuchung darüber, welche Bedeutung Straßenbäume, Randsteine und abfallende Straßenböschungen für die Unfallhäufigkeit haben?
Man kann so verschiedene Dinge wie einen Straßenbaum und einen Bordstein nicht ohne weiteres in dasselbe Verhältnis setzen. Ich kann deshalb diese Frage nicht generell beantworten. Es sind eben die örtlichen Untersuchungen durch die Polizei notwendig, die sich ja auch auf die Ursache erstrecken. Ergibt sich, daß ein Bordstein die Ursache war, muß das natürlich in Ordnung gebracht werden. War das Fehlen eines Bordsteins die Ursache - z. B. bei einem Fußweg -, dann sollte dort ein Fußweg mit Bordstein angelegt werden.
Mit den Bäumen ist es nicht viel anders. Wir haben uns in diesem Hohen Hause schon öfter darüber unterhalten, daß dort, wo ein Baum tatsächlich geeignet ist, Unfälle herbeizuführen, er natürlich beseitigt werden soll und daß wir uns bemühen, die
Neuanpflanzungen so vorzunehmen, daß die Entfernungen zwischen der Straßenfläche und den Bäumen entsprechend größer sind, aber daß auf der anderen Seite natürlich auch hier Elemente zu berücksichtigen sind, die bezüglich der Landschaftsgestaltung, der Klimaführung und sonstiger Dinge eine Rolle spielen.
Fünfte Zusatzfrage.
Eine letzte Zusatzfrage, Herr Bundesminister. Sie haben vorhin gesagt, daß letzten Endes der Verkehrsteilnehmer die größte und endgültige Ursache des Unfalls sei. Sind Sie mit mir der Meinung, daß bei einer angenommenen menschlichen Schwäche, die nun einmal bei jedem vorhanden ist, grundsätzlich die bestimmte örtliche Verkehrslage einen entscheidenden Faktor abgeben wird?
Wenn jemand einen Führerschein hat, muß er in der Lage sein, auch unter Berücksichtigung der ihm anhaftenden menschlichen Schwächen nach den Vorschriften des Gesetzes diese örtliche Verkehrslage zu beurteilen und sich darauf einzustellen. Tut er das nicht - fahrlässig oder schuldhaft -, dann ist eben er der Verursacher des Unfalls und nicht die Verkehrslage.
Ich rufe als letzte Frage der heutigen Fragestunde die Frage XII/6 des Abgeordneten Picard auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß größere Fahrzeugkolonnen der verbündeten Streitkräfte zu Spitzenzeiten des Verkehrs auf den Autobahnen eine erhebliche Behinderung darstellen?
Bitte schön, Herr Bundesminister!
Frau Präsidentin, darf ich auch hier bitten, die drei Fragen des Herrn Kollegen zusammen zu beantworten, da sie zusammengehören?
Ja, ich bin damit einverstanden, wenn der Fragesteller zustimmt.
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Dann rufe ich auch die Fragen XII/7 und XII/8 des Abgeordneten Picard auf:
Sieht die Bundesregierung eine Möglichkeit, darauf hinzuwirken, daß zu Spitzenzeiten des Verkehrs Kolonnen der verbündeten Streitkräfte in der Regel nicht auf den Autobahnen fahren?
Wenn die Bundesregierung früher schon Versuche der in Frage XII/7 angeregten Art unternommen haben sollte, welches war deren Ergebnis?
Die erste Frage, Herr Kollege, wird bejaht. Zu den beiden nächsten Fragen darf ich Ihnen mitteilen: Auf meine Veranlassung wird das Auswärtige Amt die für die Stationierungsstreitkräfte zuständigen Botschaften wie bisher auch künftig bitten, Ostern,
Pfingsten und bei Beginn der Sommerferien militärischen Kolonnenverkehr - soweit nur irgend möglich - von den Bundesautobahnen fernzuhalten. Die zuständigen Behörden haben bisher stets die ihnen unterstehenden Stationierungsstreitkräfte angewiesen, unseren Wünschen soweit als möglich zu entsprechen. Im allgemeinen halten sich auch die Streitkräfte nach den Feststellungen in den Ländern, von einigen Ausnahmen abgesehen, an diese Wünsche.
Eine Zusatzfrage.
Herr Minister, haben Sie Ihre Bemühungen auch auf den besonders starken Verkehr vor allem zum Wochenende und -anfang ausgedehnt?
Ja, aber hier kann man natürlich vor allen Dingen in Manöverzeiten die Streitkräfte nicht daran hindern, daß sie eben mit Kolonnen auch auf den Bundesautobahnen fahren. Hier ist ja nur die Frage nach den Bundesautobahnen gestellt. Ich kann die Streitkräfte von der Benutzung der Bundesfernstraßen, wenn sie irgendwelche Übungen abhalten wollen, nicht absolut ausschließen.
Zweite Zusatzfrage.
Herr Minister, ich glaube, Sie haben meine letzte Frage nicht ganz verstanden. Ich fragte, ob Sie Ihre Bemühungen auf den Wochenendverkehr auf den Autobahnen, vor allen Dingen Montag vormittags, ausdehnen konnten.
Das ist geschehen. Die entsprechenden Stellen sind nicht nur für die Hauptreisezeiten, sondern auch für diese besonders starken Belastungszeiten darum gebeten worden. Aber man kann das, während man in den Hauptreisezeiten - Ostern, Pfingsten, Ferien - diesen Wunsch mit absolutem Nachdruck der Erfüllung zuführen kann, nicht bei jedem Montag tun, weil natürlich sonst die Leute sagen, daß ihnen eine zu starke Einschränkung zugemutet wird. Wir haben ja aus diesem Grunde in Übungsgebieten vielfältig Sonderstraßen, so daß wir also damit die anderen Straßen entlasten.
Ich darf damit diesen Punkt abschließen. Ich danke dem Herrn Bundesminister. Wir sind am Ende der heutigen Fragestunde.
Die nicht erledigten Fragen werden schriftlich beantwortet, soweit sie nicht neu gestellt wenden.
Zur Drucksache V/263 hat sich der Abgeordnete Dr. Miessner mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt:
Ist die Bundesregierung bereit, zur Erzielung einer gleichen steuerlichen Behandlung aller im öffentlichen Dienst gewährten .Jubiläumszuwendungen auch die auf Grund der Änderungsverordnung vom 7. Mai 1965 gewährten Jubiläumszuwendungen durch Übernahme der Lohnsteuerbeträge auf den Bundeshaushalt steuerfrei zu zahlen?
Welche Maßnahmen hat die Bundesregierung zur Frage der Besteuerung von Jubiläumszuwendungen ergriffen, um eine einheitliche Regelung in Bund und Ländern sicherzustellen, nachdem die Länder Bayern, Baden-Württemberg und RheinlandPfalz mit gutem Beispiel vorangegangen sind?
Wir sind damit am Ende der heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages ein auf Mittwoch, den 16. Februar 1966, 14 Uhr.
Ich schließe die heutige Sitzung.