Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet.
Folgende amtliche Mitteilung wird ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Präsident des Bundestages hat gemäß § 96 a der Geschäftsordnung die von der Bundesregierung als dringlich bezeichnete
Achtzehnte Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1968 ({0})
- Drucksache V/3360
mit der Bitte um fristgemäße Behandlung an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen überwiesen.
Zu den in der Fragestunde der 188. Sitzung des Deutschen Bundestages am 16. Oktober 1968 gestellten Fragen der Abgeordneten Frau Pitz-Savelsberg, Drucksache V/3350 Nrn. 10, 11 und 12 *), ist inzwischen die schriftliche Antwort des Staatssekretärs Dr. Barth vom 16. Oktober 1968 eingegangen. Sie lautet:
Die Vertreter der Träger des Freiwilligen Sozialen Jahres wurden in einer nach Erlaß des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 18. Juli 1967 in das Bundesministerium für Familie und Jugend einberufenen Konferenz darauf hingewiesen, daß nach dem Urteil der Bund für die Förderung örtlicher und regionaler Bestrebungen nicht zuständig sei und in den kommenden Haushaltsjahren die notwendigen Folgerungen hieraus gezogen werden müßten. Dies hat keineswegs zur Folge, daß damit alle Einrichtungen des Freiwilligen Sozialen Jahres von der Förderung durch den Bund ausgeschlossen werden, denn die aus Mitteln des Bundesjugendplans geförderten pädagogischen Betreuer der Helfer werden von den Bundeszentralen der Trägerverbände angestellt und jeweils an Stellen des Bedarfs eingesetzt. Auch die Fortbildungskurse für Mitarbeiter am Freiwilligen Sozialen Jahr werden zentral durchgeführt. Schließlich wird auch das Informationsmaterial über das Freiwillige Soziale Jahr in den Zentralen der Trägerverbände entworfen, redigiert und verschickt. In diesen - zahlenmäßig überwiegenden - Fällen handelt es sich somit nicht um örtliche oder regionale Maßnahmen. Die Zuwendungen des Bundes für diese Personal-, Kurs- und Sachkosten werden weitergewährt.
Das Land Nordrhein-Westfalen vergibt bereits seit dem Jahre 1965 jährlich 250 000,- DM, die unter anderem für pädagogische Betreuungsmaßnahmen im Rahmen des Freiwilligen Sozialen Jahres zur Verfügung stehen. Die anderen Länder haben bisher keine Ansätze für diesen Zweck vorgesehen. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts hat bisher nicht dazu geführt, daß derartige Haushaltsansätze geschaffen bzw. erhöht wurden.
Nur das Jugendsozialwerk und der Deutsche Paritätische Wohlfahrtsverband haben im laufenden Haushaltsjahr zusätzlich Bundesmittel mit der Begründung beantragt, daß andernfalls nicht alle Meldungen zum Freiwilligen Sozialen Jahr berücksichtigt werden könnten. Es handelt sich hierbei um etwa 150 Anmeldungen.
Hierbei muß berücksichtigt werden, daß das Schwergewicht der Betreuungsarbeit bei den konfessionellen Trägern liegt, die im Jahre 1967 insgesamt 1367 Helfer - davon Diakonisches Werk 813, der Bund der Deutschen Katholischen Jugend und der Deutsche Caritasverband 554 - aufnahmen. Von 2045 Teilnehmern am Freiwilligen Sozialen Jahr 1967 wurden vom Jugendsozialwerk und vom Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverband nur etwa ein Fünftel, nämlich insgesamt 434 Jugendliche, betreut.
*) Siehe 188. Sitzung, Seite 10149 A
Zu den in der Fragestunde der 188. Sitzung des Deutschen Bundestages am 16. Oktober 1968 gestellten Fragen des Abgeordneten Dr. Bechert ({1}), Drucksache V/3350 Nrn. 16, 17 und 18 *), ist inzwischen die schriftliche Antwort des Bundesministers Frau Strobel vom 16. Oktober 1968 eingegangen. Sie lautet:
Die wissenschaftliche Literatur über die gesundheitliche Gefährdung von Nichtrauchern durch Raucher ist nicht sehr umfangreich, aus den vorliegenden Arbeiten muß man jedoch den Schluß ziehen, daß die Feststellungen von Prof. Oettel zutreffen. Der Raucher raucht tatsächlich nur 1/3 bis 1/4 seiner Zigarette selbst, der Rauch der übrigen 2/3 bis 3/4 Zigarette qualmt zwischen den einzelnen Zügen in die Raumluft. Da dieser Rauch sich in nichts von dem unterscheidet, den der Raucher einzieht, teilt der Nichtraucher zwangsläufig das Rauchen und damit auch die Gesundheitsgefährdung des Rauchers.
Mir ist nicht bekannt, daß die Bundesregierung je abgestritten hätte, daß dieses zwangsweise Inhalieren von Tabak-Schwelprodukten für die Nichtraucher eine Gesundheitsgefährdung sei.
Die maximale Konzentration gesundheitsschädigender Stoffe am Arbeitsplatz ({2}) werden, wenn Unfall und Erkrankungen dazu Anlaß geben, von einer Kommission der Deutschen Forschungsgemeinschaft festgesetzt. Bisher wurden keine MAK-Werte für Gemische, wie etwa Tabak-Schwelprodukte, festgesetzt, weil durch einen Zahlenwert allein nicht ausgedrückt werden kann, ob die Konzentration gesundheitsschädlich ist. Ob solche Gemische gesundheitsschädlich sind, laßt sich nur durch experimentelle Reihenuntersuchungen ermitteln. Die Kommission zur Prüfung gesundheitsschädlicher Arbeitsstoffe der Deutschen Forschungsgemeinschaft hat einen Arbeitsausschuß gebildet, der Vorschläge für die Durchführung von Reihenuntersuchungen in den Betrieben durch Analytiker und Mediziner ausarbeiten soll.
Es wird darauf ankommen, dem Raucher durch entsprechende Aufklärung mehr als bisher ins Bewußtsein zu rufen, daß er durch seine Gewohnheit seine Mitmenschen nicht nur belästigt, sondern gesundheitlich gefährdet.
Unsere Tagesordnung beginnt mit der Fragestunde
- Drucksachen V/3350, zu V/3350, V/3354 -
Als erstes haben wir eine Dringliche Mündliche Anfrage zu beantworten, die Anfrage des Abgeordneten Ertl:
Welchen Standpunkt vertritt die Bundesregierung in ihrer Gesamtheit zu den Meinungsverschiedenheiten zwischen einzelnen Ressorts der Bundesregierung in der Frage der Agrarstrukturpolitik, die zu großer Beunruhigung in der landwirtschaftlichen Bevölkerung geführt haben?
Das Wort zur Beantwortung hat der Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten.
Ich bitte, mir eine etwas ausführliche Antwort zu gestatten, weil der Herr Kollege Ertl erst gestern Gelegenheit hatte, das Arbeitspapier des Wirtschaftsministeriums zur
*) Siehe 188. Sitzung, Seite 10150 B
Kenntnis zu nehmen, und weil er seine Anfrage auf Grund von Zeitungsnachrichten stellen mußte.
Im Agrarprogramm - so lautet die Antwort der Bundesregierung - ist unter dem Kapitel ,,Strukturpolitik" klar und unmißverständlich herausgestellt, daß die Entwicklung wirtschaftlich zurückgebliebener ländlicher Räume mit agrarpolitischen Mitteln allein weder einzuleiten noch zu verwirklichen ist. Das steht auf Seite 17 des Agrarprogramms, das schon seit längerer Zeit im Umlauf ist. Die Agrarstrukturverbesserung kann in diesen Räumen nur im Rahmen umfassender Infrastrukturmaßnahmen zur vollen Wirksamkeit gelangen, mit anderen Worten: sie muß durch Verkehrserschließung, Bereitstellung günstiger Energiequellen, Ansiedlung und Förderung krisensicherer gewerblicher Betriebe sowie durch Ausbau von Bildungsstätten, sozialer und kultureller Einrichtungen harmonisch ergänzt werden.
In Ausführung der Grundsatzentscheidung des Bundeskabinetts hat der Bundesminister für Wirtschaft als der für die regionale Wirtschaftspolitik zuständige Ressortminister nunmehr ein Arbeitspapier vorgelegt, in dem er die nach seiner Auffassung erforderlichen Maßnahmen zur wirtschaftlichen Erschließung ländlicher Problemgebiete zusammenfaßt und begründet. In diesem Arbeitspapier des Bundeswirtschaftsministers befinden sich neben den für notwendig erachteten Initiativen im eigentlichen wirtschaftspolitischen Bereich eine Reihe flankierender Maßnahmen, die, wenn auch zum Teil modifiziert, aus dem Agrarprogramm übernommen sind und die zusammen letztlich auf das Ziel hinauslaufen, die wirtschaftliche und soziale Situation der Bevölkerung in denjenigen Gebieten zu verbessern, die bislang im Schatten der konjunkturellen Entwicklung gelegen haben.
Über die im Agrarprogramm vorgeschlagenen Maßnahmen hinaus enthält die Vorlage des Wirtschaftsministeriums aber auch noch einige Vorschläge, die wir - wie z. B. die Pendlerprämie und die Möglichkeit einer Nachversicherung der aus der Landwirtschaft abwandernden Erwerbspersonen - als eine wertvolle Bereicherung des von uns angeregten regionalpolitischen Maßnahmenkatalogs begrüßen. Der in der Vorlage des Wirtschaftsministeriums enthaltene Vorschlagskatalog zur regionalen Wirtschaftspolitik muß somit uneingeschränkt als eine wichtige Diskussionsgrundlage für die Arbeit des Kabinettsausschusses angesehen werden, der durch Beschluß des Bundeskabinetts vom 26. Juni für die Koordinierung regionalpolitischer Initiativen auf Bundesebene gebildet wurde.
In dem Papier des Bundeswirtschaftsministeriums, das nach Mitteilung dieses Ressorts nicht für eine Veröffentlichung bestimmt war, findet sich auch der Versuch einer bis zum Jahre 1980 angelegten globalen Quantifizierung. Ein Grundelement dieser Quantifizierung ist die Hypothese, daß sich das Durchschnittseinkommen aller Arbeitnehmer in der Bundesrepublik bis 1980 auf rund 22 000 DM erhöhen würde. Von dieser Zahl, die von einer Fülle unvorhersehbarer Umstände und Imponderabilien abhängt und die sich heute noch in keiner Weise verifizieren
läßt, wird dann global abgeleitet, daß von den heute noch in der deutschen Landwirtschaft hauptberuflich erwerbstätigen Personen bis 1980 noch etwa 1,4 bis 1,5 Millionen ausscheiden müßten, um dem in der Landwirtschaft verbleibenden Rest ein im Durchschnitt auch nur annähernd adäquates Einkommen zu ermöglichen.
Derartige Berechnungen gehen, wie gesagt, von bestimmten theoretischen Annahmen aus und sind rein hypothetischer Natur. Es sind selbstverständlich auch ganz andere Rechnungen mit anderen Ergebnissen möglich. Solche Modellstudien können deshalb nach meiner Ansicht nicht zu hinreichend gesicherten und für die politische Willensbildung verwendbaren Ergebnissen führen. Derartige Vergleiche und Berechnungen verkennen die Vielfalt und Differenziertheit der Wirklichkeit und führen deshalb leicht in die Irre. Es wird nicht Aufgabe des Kabinetts sein können, die Fundierung und die Aussagekraft derartiger Berechnungen zu erörtern. Das Kabinett wird vielmehr über die in dem Papier des Bundeswirtschaftsministeriums enthaltenen Maßnahmenvorschläge zu diskutieren und zu entscheiden haben.
Gestatten Sie mir, in diesem Zusammenhang noch auf einen weiteren Punkt der Projektion des Wirtschaftsministeriums aufmerksam zu machen, der unseren Erfahrungen eindeutig widerspricht. Man muß sich vor dem Trugschluß hüten, daß sich mit dem Ausscheiden von 1,4 oder 1,5 Millionen landwirtschaftlicher Erwerbspersonen das Problem einer optimalen Kombination der Produktionsfaktoren in Vollerwerbsbetrieben mit ausreichender Existenzgrundlage automatisch lösen ließe. Abgesehen von dem immensen Investitionsbedarf einer solchen Intention, die von namhaften Agrarwissenschaftlern mit 80 bis 100 Milliarden DM veranschlagt wird, zeigt die Erfahrung der letzten zwei Jahrzehnte, während der sich die Zahl der in der Landwirtschaft Tätigen in einem historisch einmaligen Umstellungsprozeß halbiert hat, daß sich die Anpassung an die veränderte Umwelt stufenweise und außerordentlich differenziert vollzieht. Wir haben keinen Grund zu der Annahme, daß sich dieses Anpassungsverhalten unserer ländlichen Bevölkerung in einer auf freiheitlichen Grundsätzen basierenden Gesellschaftsordnung in Zukunft ändern wird.
Deshalb werden in naher Zukunft die Neben- und Zuerwerbsbetriebe als Form einer landwirtschaftlich-gewerblichen Berufs- und Einkommenskombination eher noch an Bedeutung gewinnen. Diese Betriebsform übernimmt eine nicht zu übersehende unterstützende und überleitende Funktion bei dem heute sich abspielenden gewaltigen Umstellungsprozeß im ländlichen Bereich. Ihre soziale und gesellschaftspolitische Bedeutung kann kaum überschätzt und durch keine soziale und gesellschaftspolitische Maßnahme ersetzt werden.
Das Agrarprogramm der Bundesregierung trägt ganz bewußt diesen bedeutsamen Aufgaben der Zu- und Nebenerwerbsbetriebe Rechnung. Die Förderung dieser Betriebe konzentriert sich neben den Globalmaßnahmen auf überbetriebliche Kooperationsformen, die zu einer Rationalisierung des KaBundesminister Höcherl
pital- und Arbeitseinsatzes führen, die Nebenerwerbslandwirte von ihrer betrieblichen Arbeit entlasten und Zeit für die berufliche Tätigkeit außerhalb der Landwirtschaft freisetzen. Wie zahlreiche Beispiele in besonders fortschrittlichen Ländern der westlichen Welt zeigen, können sich dabei insbesondere bei arbeitsextensiver Bewirtschaftung durchaus stabile und rationelle Berufs- und Einkommenskombinationen entwickeln.
Der Herr Bundeskanzler hat bei seiner Regierungserklärung am 16. dieses Monats mit Recht deutlich zum Ausdruck gebracht, daß wir auf die stabilisierenden sozialökonomischen Funktionen dieses Übergangsbereiches im ländlichen Sozialgefüge nicht verzichten können.
Durch diese kritischen Anmerkungen zu einem Teil der Überlegungen aus dem Bundeswirtschaftsministerium werden die darin enthaltenen strukturpolitischen Vorschläge, die wir anerkennen und fördern, in keiner Weise berührt. Ich habe die feste Zuversicht, daß unsere gemeinsamen Bemühungen um die Entwicklung wirtschaftlich zurückgebliebener ländlicher Räume Erfolg haben werden, wenn wir pragmatisch an diese ebenso dringliche wie schwierige innenpolitische Aufgabe herantreten.
Eine Zusatzfrage. Bitte, Herr Kollege Ertl!
Herr Bundesminister, wenn ich diese langen Ausführungen richtig verstanden habe, stimmen Sie in strukturpolitischer Hinsicht den Auffassungen der Studie zu. Nun frage ich- der Kollege Mischnick hat gestern schon darauf hingewiesen -: wie erklären Sie sich, daß z. B. der Bundesfinanzminister nach einer glaubwürdigen Meldung einer glaubwürdigen Korrespondenz gesagt hat: „Dummes Gerede, ein dummes Zeug, eine bewußte Menschenverhetzung" ? Wenn ich mich nicht täusche, haben auch Sie erklärt: „Diese Studie hat keinen realen Gehalt; wir sind froh, daß wir in den nächsten Jahren über die Runden kommen." Hier scheinen wohl offensichtlich vom letzten Freitag - Weilheim -- bis heute ganz beachtliche Vorgänge passiert zu sein. Ich frage Sie: stehen diese Vorgänge auf dem Boden einer gemeinsamen Strukturpolitik der Koalition auf diesem Sektor?
Ich weiß nicht genau, was der Kollege Strauß, der gern eine drastische Sprache führt,
({0})
gesagt hat. Ich glaube aber nicht, daß er sich in dieser Form ausgedrückt hat. Was nun meine eigene Äußerung betrifft - ich habe mich einmal vor der Industrie- und Handelskammer in Würzburg und dann in Weilheim und in einigen Zeitungsinterviews zu diesem Thema geäußert -, so habe ich immer erklärt: Es ist legitim, es ist sogar die Verpflichtung des Bundeswirtschaftsministers, zu diesem strukturpolitischen Teil unserer Agrarpolitik Stellung zu nehmen. Das ist seine ursprüngliche Aufgabe, und das hat er getan. Mit diesen strukturpolitischen Vorschlägen stimmen wir überein. Es gibt auch neue Vorschläge, die wir begrüßen und die wir gemeinsam erörtern wollen. Ich habe mich nur gegen die Prognosen und gegen das Zahlenspiel und gegen Berechnungen, die bis 1980 reichen, gewandt. Ich habe nichts gegen Berechnungen an und für sich, aber es ist außerordentlich schwer, in einem so differenzierten Kreis solche Berechnungen anzustellen. Dagegen habe ich mich gewandt.
Gegen den strukturpolitischen Teil habe ich überhaupt nichts einzuwenden. Nun, Herr Kollege Ertl, das wäre ja das Allerschönste, wenn Sie eine Regierungskoalition so verstehen wollten, daß alles wie eine Kompanie im Gleichschritt marschiert, in jeder Formulierung und in jeder wirtschaftstheoretischen Überlegung. In den Handlungen und Entscheidungen machen wir .das ganz korrekt nach Mehrheitsabstimmungen und vertreten die gemeinsame Auffassung. In bezug auf die wissenschaftliche Fundierung der einen oder anderen Maßnahme möchten Herr Kollege Schiller und ich immer vollständig frei sein.
Eine weitere Frage, Herr Kollege Ertl.
Herr Bundesminister, angesichts des beginnenden Wahlkampfes habe ich volles Verständnis dafür, daß Sie mit dem Bundeswirtschaftsminister in dieser Frage nicht im Gleichschritt marschieren wollen.
({0})
- Die Frage kommt schon. Wenn ich richtig informiert bin, haben Sie erklärt: Bei uns soll keiner aufgeben. So etwas glauben ja die Bauern, wenn Sie das sagen. Nun frage ich Sie: ist das nicht ein eklatanter Widerspruch zu der Auffassung des Wirtschaftsministers Schiller?
Herr Kollege Ertl, Sie zitieren aus einer längeren Bemerkung einen Halbsatz und glauben, damit Beweise antreten zu können. Ich habe erklärt, bei uns m u ß niemand aufgeben, weil wir eine freie Wirtschaftsordnung haben und es jedem überlassen, wie er sich entscheiden will. Das heißt aber nicht gleichzeitig, wie das oft aus Ihren Bemerkungen herauszuhören ist, daß jemand, der auf einem zu kleinen Betriebspotential sitzt, irgendwie eine Garantie dafür bekommen könnte, ein vollwertiges, steigendes Einkommen zu haben, obwohl, wie gesagt, die Voraussetzung, die Basis zu schmal ist. Das ist doch der eigentliche Unterschied. Wenn Sie ganz korrekt zitieren würden, und zwar nicht nur den Wortlaut, sondern auch den Sinn aus dem Zusammenhang, würden Sie eine solche Frage, glaube ich, gar nicht stellen.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Kollege Logemann.
Herr Minister, da in der Öffentlichkeit der Eindruck entstanden ist, daß agrarpolitisch betrachtet, in der Großen Koalition die Linke nicht weiß, was die Rechte tut oder umgekehrt, möchte ich fragen: Welcher Unterschied besteht 4n der Prognose bezüglich der bis 1980 ausscheidenden hauptberuflichen Landwirte zwischen Ihrem Programm, Herr Minister, unid dem Arbeitspapier Minister Schillers, wenn ich dabei in der Auswertung Ihre Aussage entsprechend dem Protokoll der Sitzung des Deutschen Bundestages vom 26. Juni 1968 mit berücksichtige, wonach 80 % der landwirtschaftlichen Nutzfläche im Bundesgebiet von Inhabern landwirtschaftlicher Betriebe mit unzureichender Existenzgrundlage bewirtschaftet werden?
Zunächst, Herr Kollege Logemann, zu der Frage, was die Linke und was die Rechte tut: Ich zähle mich nicht zur Rechten, sondern zur Mitte, wie Sie sehen. Rechts sitzen Sie.
({0})
Das ist das erste.
Das zweite ist folgendes: Es sind gar keine Prognosen beabsichtigt. Auch in dem Papier des Wirtschaftsministeriums sind diese Zahlen nicht als Prognosen, sondern als Hypothesen enthalten. Der Unterschied ist Ihnen bestimmt sehr geläufig. Ich bin aber gern bereit, Ihnen diesen Unterschied zu exemplifizieren.
Was meine eigene Vorstellung betrifft, so glaube ich, daß die Entwicklung so weitergehen wird, wie sie in den letzten zehn Jahren trendmäßig bereits zu erkennen ist. Regional vollkommen differenziert nach dem zur Verfügung stehenden Arbeitsangebot und insbesondere generationsdifferenziert werden sich die Dinge fortsetzen, die wir in den letzten zehn Jahren nicht ohne Interesse sehen und zum Teil auch erfolgreich gefördert haben - lange Zeit auch noch mit Ihrer Unterstützung.
({1})
Herr Kollege Logemann zu einer weiteren Zusatzfrage.
Herr Minister, würden Sie mir zustimmen, wenn ich feststelle, daß 'die im Arbeitspapier von Minister Schiller enthaltene Erwartung jährlicher Agrarpreissteigerungen von 2 % weiter geht als die Aussage in Ihrem Agrarprogramm, nach der bekanntlich die Agrarpreise eingefroren werden sollen?
Erstens stimmt nicht, was Sie sagen, daß ich in meinem Agrarprogramm behauptet hätte, es gebe keine Möglichkeit der Entwicklung oder der Anpassung der Agrarpreise, sondern ich habe nur zum Ausdruck gebracht, daß es bei drei Überschußprodukten struktureller Art große Schwierigkeiten gibt. Im übrigen werden solche Entscheidungen in Brüssel getroffen. Sie wissen, daß wir die letzten Entscheidungen, die ich zu vertreten hatte, auch in Abstimmung im Kabinett - das Kabinett muß zunächst die Vollmacht ausstellen - immer nach vorn entwickelt haben. Ich stimme Ihnen darin zu, daß wir, wenn auch Sie kräftig mitstimmen, in dieser Richtung fortfahren können.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Freiherr von Gemmingen.
Herr Minister, da Sie heute morgen ¡in recht auffälliger Weise versuchen, Einigkeit mit dem Herrn Bundeswirtschaftsminister zu demonstrieren, - ({0})
Herr Kollege, würden Sie in der Lage sein, das alles in eine Frageform zu kleiden!
Sind Sie wirklich der Meinung, Herr Minister, daß wir nach Ihren langen Erklärungen glauben sollten, daß zwischen Ihnen und dem Herrn Bundeswirtschaftsminister keinerlei grundsätzliche Meinungsverschiedenheiten bestehen und daß die Berichte darüber in den Zeitungen auf Falschmeldungen beruhen?
Herr Kollege, wenn Sie aufmerksam zugehört haben - ich weiß es nicht und kann eis nach Ihrer Fragestellung auch gar nicht unterstellen -, dann werden Sie festgestellt haben, daß ich in dem rein strukturpolitischen Teil zustimme und sonst Meinungen vertreten habe, die von den dort vertretenen Hypothesen sehr abweichen. Das müßte Ihnen als Opposition eigentlich an Gegensatz genügen.
({0})
Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Freiherr von Gemmingen.
Meine Frage lautet dahin, ob wir wirklich glauben sollen, daß keine weiteren Meinungsverschiedenheiten da seien.
Selbst wenn das der Fall wäre, wären die Meinungsverschiedenheiten immer noch erheblich geringer als die, die wir mit Ihnen in der Koalition auszutragen hatten.
({0})
Zu einer Zusatzfrage Herr Kollege Wächter.
Herr Bundesminister, ist nach Ihrer Ansicht die Studie Ihres Kabinettskollegen Professor Schiller, die beinhaltet, daß bis 1980 rund 1,5 Millionen Bauern ausscheiden sollen und daß nur unter dieser Voraussetzung den restlichen Bauern annähernd die Gewähr dafür geboten wird, daß sie drei Viertel des vergleichbaren Lohnes der anderen Berufe erreichen können, in Einklang zu bringen mit der Zielsetzung des § 1 des Landwirtschaftsgesetzes und mit dem Art. 39 des EWG-Vertrages, oder ist man berechtigt, aus den Äußerungen Ihres Kabinettskollegen Professor Schiller zu schließen, daß dann das Landwirtschaftsgesetz keine Gültigkeit mehr hat?
Herr Kollege, schon der erste Satz Ihrer Frage trifft nicht ganz das, was in diesem Papier steht. Hier geht es nicht um eine Forderung des Wirtschaftsministeriums, daß diese Bauern ausscheiden sollten, sondern hier geht es um einen hypothetischen Ansatz, der versucht, Quantifizierungen in einem sehr komplizierten Wirtschaftsbereich vorzunehmen. Von Sollen und Müssen ist überhaupt nicht die Rede.
Aber selbst wenn das so wäre, wäre eine solche Wunschvorstellung und eine solche Zielvorstellung nicht in der Lage, die gesetzlichen Bestimmungen oder die EWG-Bestimmungen aufzuheben, die wir gemeinsam schätzen und die in ständigem Vollzug sind und laufend verwirklicht werden müssen und bei denen es kaum einen Endpunkt gibt. Aber, Herr Kollege, das wissen Sie alles selber. Ich nehme an, daß Sie nur eine rhetorische Frage an mich richten wollten.
({0})
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Kollege Wächter.
Ich darf also nach Ihren Äußerungen, Herr Bundesminister, zu dem Ergebnis kommen, daß nach wie vor die Zielsetzung des Landwirtschaftsgesetzes in § 1 für die Bundesregierung richtunggebend ist.
Das ist vollkomen klar, aber nicht nur für die Bundesregierung, sondern auch für das Hohe Haus. Wir stehen zu dem, was wir selbst beschlossen haben.
({0})
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Kollege Reichmann.
Herr Minister, ist die Bundesregierung der Auffassung, daß mit der planwirtschaftlichen Hypothese des Bundeswirtschaftsministers
({0})
in der Tat die Mitbeteiligung der Landwirtschaft am gesamtwirtschaftlichen Wachstum realisiert werden kann?
Zunächst handelt es sich nicht um eine planwirtschaftliche Vorstellung. Planwirtschaft gibt es bei uns nicht. Zwischen der Entwicklung von mittelfristigen Finanzzahlen und einer planwirtschaftlichen Zielsetzung ist ein ganz wesentlicher Unterschied. Zweitens hat das, was Sie zuletzt verlangten, mit diesen Quantifizierungen nichts zu tun, sondern das ist Aufgabe der Wirtschafts-, der Steuer-, der Sozial-, der Außenhandels- und der europäischen Politik. Das sind die Felder, auf denen die Entscheidungen ausgetragen werden, die uns zu den Zielen des Landwirtschaftsgesetzes und des Art. 39 des EWG-Vertrages führen.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Kollege Könen.
Herr Minister, nachdem ich mir einige Fragen und deren Absicht angehört habe, darf ich Sie - ({0})
- Na, Sie sind gut; ich mache einen Halbsatz, um dann zu fragen, und dann rufen Sie: „Fragen Sie!"
- Ausgerechnet!
({1})
Ich muß es wiederholen: Nachdem ich mir einige Fragen und deren Absicht angehört habe, frage ich Sie, Herr Minister: würden Sie bitte einmal ausdrücklich dazu Stellung nehmen, ob es Ihrer Ansicht nach besser ist, daß Minister schon einmal unterschiedliche Auffassungen haben, als daß sie ihren selbständigen Denkapparat an der Garderobe abgeben?
({2})
Ich weiß nicht, Herr Minister, ob das in Ihr Ressort fällt.
({0})
Herr Präsident, ich bin durchaus der Meinung, daß das in das Landwirtschaftsressort fällt. Die Agrarpolitik ist eine sehr schwierige Aufgabe, die mit viel Sachverstand und Allgemeinwissen angepackt werden muß. Das war eine Frage, die sehr in den theoretischen Bereich hineinreicht, eine Frage, die das Instrument anspricht, das in der Landwirtschaftspolitik die größte Rolle spielt, nämlich ein scharfer Verstand, Beobachtungsgabe und eine entsprechende politische Ehrlichkeit.
({0}) Das sind die drei Elemente, die wir brauchen.
Nun, ich glaube, ich habe die Frage schon beantwortet: Unsere Garderobe hat keinen Aufhänger für eine abgelegte geistige Selbständigkeit.
Die nächste Frage 'dazu hat der Kollege Moersch.
Herr Minister, da Sie soeben die Ehrlichkeit beschworen haben, darf ich Sie fragen, ob Sie tatsächlich am 14. Oktober in Weilheim entgegen Ihrer Äußerung von vorhin gesagt haben, es sei nicht das letzte Glück dieser Erde, in der Großen Koalition Landwirtschaftspolitik zu betreiben; das sei in der Kleinen Koalition viel leichter gewesen.
Ich will Ihnen einmal etwas sagen: Das habe ich gesagt, und dazu stehe ich.
({0})
- Ja, meine Damen und Herren, Sie müssen mir
dazu noch eine Erklärung gestatten: das war in der
Kleinen Koalition leichter, aber weniger erfolgreich.
({1})
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Kollege Weigl.
Herr Bundesminister, wären Sie bereit, mit Ihrem Nachbarn, Herrn Bundesminister Professor Schiller, einmal ein sehr ernstes Gespräch darüber zu führen, daß Papiere, die nicht für die Veröffentlichung bestimmt sind, auch nicht veröffentlicht werden, weil nach meiner Meinung dadurch die Unruhe in der Landwirtschaft vielleicht noch künstlich erhöht werden könnte?
Nun, wir kennen das ungeheure Arbeitsmaß des Kollegen Schiller. Er war in dieser Zeit nicht da, sondern hat in einer sehr schwierigen monetären Frage, die in ihren Auswirkungen nicht zuletzt auch die Landwirtschaft ernsthaft berührt, die deutschen Interessen in Washington vertreten. Es ist natürlich möglich, daß in einem so großen Apparat da oder dort eine undichte Stelle entsteht. Das ist auch uns schon passiert. Wir beide bedauern das, ohne daß wir deswegen ernste Gespräche führen müssen.
Zu einer weiteren Zusatzfrage Herr Kollege Josten.
Herr Minister, treffen Pressemitteilungen zu, daß die Zahlen, die das Bundeswirtschaftsministerium zum Agrarprogramm der Bundesregierung benutzte, überholt sind?
({0})
Pressemitteilungen sind für uns alle zusammen kein Evangelium. Wir haben ein anderes Evangelium.
({0})
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Minister, ist Ihnen die Stellungnahme unseres Landwirtschaftsministers von Rheinland-Pfalz bekannt, der erklärte, daß diese Zahlen, die hier veröffentlicht wurden, überholt und falsch seien?
({0})
Ich werde das nachprüfen. Ich schätze den Kollegen Landwirtschaftsminister in Rheinland-Pfalz ganz besonders hoch. Wenn er tatsächlich so etwas gesagt haben sollte, wird er sich auf Zahlen stützen, die vielleicht überholt sind, und deswegen möchte ich ihm nicht widersprechen. Aber ich möchte dies auch nicht ohne weiteres akzeptieren, sondern ich möchte das prüfen.
Die nächste Frage stellt der Kollege Dr. Enders.
Herr Minister, wie weit wird sich nach Ihrer Vorstellung das Problem des Rückgangs der landwirtschaftlich Erwerbstätigen bis zum .Jahre 1980 natürlicherweise lösen, indem durch Hofaufgabe, durch Umschulung oder durch den Verkauf von landwirtschaftlichem Gelände in Stadtrandgemeinden zu Bauzwecken eine Verminderung der landwirtschaftlichen Betriebe eintreten wird?
Herr Kollege, ich muß Sie darauf hinweisen, daß selbst im Alten Testament die Propheten einen sehr gefährlichen Beruf ausgeübt haben. Meine prophetische Gabe reicht nicht so weit, und ich bin froh darüber.
Frau Kollegin Mönikes zu einer Zusatzfrage.
Herr Minister, sind Sie nicht auch der Meinung, daß die Existenz der Zuerwerbs- und Nebenerwerbsbetriebe weitgehend von der Arbeit der Landfrau abhängt?
Das habe ich nie bestritten, und ich würde es auch nie wagen, das zu bestreiten.
({0})
Eine weitere Frage, bitte!
Herr Minister, dann möchte ich Sie fragen: Was gedenkt denn die Bundesregierung zu tun, um dieser Tatsache, die meines Erachtens his jetzt zuwenig hervorgehoben worden ist, in Zukunft mehr gerecht zu werden?
Sie bringen mich in eine große Verlegenheit. Wir haben für die Ausstattung des ländlichen Wohnraumes usw., vor allem zugunsten der Landfrau, schon sehr viel getan. Diese Maßnahmen werden fortgeführt. Wieweit wir das propagandistisch herausstellen können, sollten wir gemeinsam überlegen. Ich sehe, Sie kennen die Verhältnisse sehr gut. Vielleicht können Sie uns dabei assistieren.
Zu einer weiteren Zusatzfrage Kollege Dr. Gleissner.
Herr Bundesminister, ist Ihnen klar, in welchem Umfang die vorgetragene Konzeption des Bundesministers Schiller in der Tat Verwirrung angerichtet hat und daß sich fast alle Landwirtschaftsminister der Bundesrepublik, fast alle zuständigen Organisationen der Landwirtschaft, auch städtische Kreise und städtische Volkswirte in Wort und Schrift enttäuscht und empört darüber ausgesprochen haben?
Ich muß noch einmal die beiden Teile, einmal den strukturpolitischen Teil und zum anderen den hypothetischen Teil, klar herausstellen. Bei diesem hypothetischen Teil handelt es sich nicht um eine Konzeption im Sinne dieses Begriffes.
Zweitens glaube ich, daß die hier gemeinsam von uns vertretene Antwort, die auch die Antwort der Bundesregierung ist, dazu beitragen wird, Mißverständnisse wieder zu bereinigen. Jeder, der sich draußen zu dem Thema äußert, sollte dazu. beitragen. Wenn im Anschluß an die heutige Fragestunde und Aussprache die Dinge aufgeklärt werden, wird bei dem Landvolk auch wieder Ruhe einkehren. Das Landvolk ist bekannt dafür, daß es seine eigene Situation nüchtern, ruhig und mit Gelassenheit betrachtet.
Eine weitere Frage, Herr Kollege Gleissner!
Herr Bundesminister, glauben Sie nicht, daß es in einem Zeitpunkt, in einer Situation, in der die deutschen Holzpreise seit Jahren am niedrigsten fast in ganz Europa liegen, in einer Situation, in der die Milchpreise um 3 und 4 Pf gesunken sind, besser wäre, sich zuerst mit Schwergewicht um diese Dinge zu kümmern, als dem Berufsstand der Landwirtschaft Gesundschrumpfung à la Mansholt und den anderen höhere Löhne und höhere Sozialleistungen anzuempfehlen?
Erstens. Was die Holzpreise betrifft, so hatten sie vor allem mit Rücksicht auf die Sturmschäden von vor zwei Jahren einen Tiefpunkt erreicht; sie sind aber zur Zeit leicht im Ansteigen begriffen.
({0}) - Sehr leicht.
Zweitens. Was die Frage des Milchpreises betrifft, so kann ich Ihrer Darstellung nicht beipflichten. Unsere letzten genauen ständig verfolgten statistischen Zusammenstellungen ergeben nicht einen Abfall von 3 oder 4 Pf, sondern wir werden nach der Mitteilung der ZMT, die genau Buch darüber führt, im Jahre 1968 im Bundesdurchschnitt den gleichen Milchpreis haben wie im Jahre 1967; also keine Verluste, aber unterschiedliche Ergebnisse bei den einzelnen Molkereien, die mit der Milchpreismarktordnung nichts zu tun haben, sondern sehr viel mit der unterschiedlichen Wettbewerbskraft der einzelnen Molkereien. Dabei haben wir immer wieder Beweise, daß sehr abgelegene Werkmilchmolkereien ausgezeichnete Ergebnisse haben und sogar Trinkmilchmolkereien an günstigen Standorten nicht die gleiche Höhe erreichen. Hier ist es genauso wie in anderen Fällen nicht möglich, Globalurteile zu verwenden.
Herr Dr. Gleissner, ich kann Ihnen keine Frage mehr geben. Sie müssen sich einer Hilfsperson bedienen, wenn Sie noch weitere Auskünfte haben wollen.
({0})
Die nächste Frage hat Herr Peters.
Da Sie von einer besonders erfolgreichen Agrarpolitik der Großen Koalition gesprochen haben, darf ich Sie fragen, Herr Minister: Betrachten Sie die Entwicklung der landwirtschaftlichen Erzeugerpreise in den letzten zwei Jahren als besonders erfolgreich, und betrachten Sie es als besonders erfolgreich, daß in Ihrem Haushalt und in der mittelfristigen Finanzplanung weniger Mittel für die eigentliche Agrarpolitik und mehr Mittel für den EWG-Agrarfonds Verwendung finden sollen?
Was die Preispolitik der letzten zwei Jahre betrifft - ein abendfüllendes Thema -, muß man wissen, daß sich die landwirtschaftlichen Preise in Zyklen bewegen, soweit sie nicht durch Interventionspreise abgesichert sind. In den letzten zwei Jahren 'z. B. wurde in Brüssel von mir auf dem Sektor des Futtergetreides eine Anhebung von vier Prozent erreicht. Es wurden die Orientierungspreise für Rinder und damit auch die Interventionspreise für Rinder verbessert. Es wurden der Grundpreis und die Interventionspflicht für Schweine eingeführt. Alles Vorgänge von nicht ge. ringer Bedeutung!
Was die Haushaltsfragen betrifft, bin ich der Meinung, daß die Rücksichtnahme auf die Durchführung der Marktordnungen, die also in Kap. 1003 stehen und die viel umfangreicher sind als die eigene Marktordnung, die wir früher hatten, zusammen mit dem Außenschutz für das tägliche Einkommen des Landwirtes eine entscheidende Hilfe darstellt. Für mich besteht Agrarpolitik aus zwei Teilen, einmal in der täglichen Einkommenssicherung und zweitens in dem strukturellen Teil. Wenn die tägliche Einkommenssicherung angesichts der raschen Entwicklung der übrigen Einkommen zunimmt, bin ich der Meinung, daß wir auf dem richtigen Wege sind.
Zur nächsten Zusatzfrage Herr Kollege Dröscher.
Herr Bundesminister, habe ich Sie richtig verstanden, wenn ich annehme, daß Sie mit Ihrem Kollegen Schiller darin übereinstimmen, daß, nachdem von 1950 bis jetzt mehr als 2 Millionen Arbeitskräfte aus der Landwirtschaft unter zum Teil schwierigsten Verhältnissen ausgeschieden sind und Hilfsarbeiter werden mußten, well man nicht rechtzeitig an sie gedacht hatte, nun dafür gesorgt werden soll, daß für diejenigen, die. unter dem zwingenden Druck der ökonomischen Ereignisse in dem jetzt größeren Wirtschaftsraum ausscheiden müssen, im Hinblich auf ihre sozialen Probleme unid auch ihre menschlichen Verhältnisse mit Hilfe der Solidarität aller rechtzeitig vorgesorgt wird?
Das steht alles schon in unserem Agrarprogramm und ist von dem Kollegen Schiller übernommen worden. Es dreht sich noch darum, die zusätzlichen Maßnahmen zu überlegen, die der Bundeswirtschaftsminister vorgeschlagen hat.
Meine Damen und Herren, ich halte damit die Frage des Kollegen Ertl für beantwortet.
({0})
-Der Kern der Frage ist von dem Herrn Bundesminister mehrfach teils beantwortet, teils mehr ausweichend beantwortet worden; weitere Erleuchtungen sind nicht zu erwarten. Alle 'anderen Zusatzfragen führen zu einer Diskussion, ,die über die Fragestunde weit hinausgeht.
Wir kommen damit zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich Ides Auswärtigen Amts.
Ich rufe die Fragen 24 und 25 des Abgeordneten Dr. Giulini auf:
Kann die Bundesregierung Angaben machen, ob die in der UNO vertretenen sowjetischen Republiken Ukraine und RSFSR ({1}) den Atomwaffensperrvertrag unterzeichnet haben oder nicht?
Welche Folgerungen zieht die Bundesregierung bezüglich des Atomwaffensperrvertrages, falls die Ukraine und Weißrußland nicht unterschrieben haben?
Das Wort zur Beantwortung hat der Herr Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen.
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister ides Auswärtigen: Die sowjetischen Republiken Ukraine und Weißrußland haben den Nichtverbreitungsvertrag bisher nicht unterzeichnet. Die Bundesregierung hält es auch nicht für wahrscheinlich, daß sie in Zukunft den Vertrag unterzeichnen werden.
Rechtlich lassen sich aus dem Fernbleiben der Ukraine und Weißrußlands keine Folgerungen ziehen, daß sich die Sowjetunion zur Begründung des Fernbleibens der beiden Republiken von dem NV-Vertrag immer auf ihr eigenes Verfassungsrecht zurückziehen kann.
Die Sowjetunion wird jeden Zweifel an ihrer Auslegung ihrer eigenen Verfassung als eine völkerrechtlich unzulässige Einmischung in innersowjetische Angelegenheiten abweisen. Falls Moskau - wie wir erwarten - von einem Beitritt der Ukraine und Weißrußlands zum NV-Vertrag absieht, wird es sich wahrscheinlich auf Art. 14 der sowjetischen Verfassung 'berufen, in dem es heißt:
Zur Kompetenz der Union der sozialistischen Sowjetrepubliken 'in Gestalt ihrer höchsten Organe der Staatsgewalt und der staatlichen Verwaltung gehören:
g) die Organisierung der Verteidigung der UdSSR, die Leitung aller Streitkräfte der UdSSR, die Festlegung der richtunggebenden Grundsätze für die Organisierung der Truppenformationen der Unionsrepubliken.
Politisch ließe sich allerdings die Frage aufwerfen, warum diese beiden Sowjetrepubliken, die immerhin Mitglieder der Vereinten Nationen und der Internationalen Atomenergiebehörde in Wien sind, die den Testbannvertrag und den Weltraumvertrag unterzeichnet haben und die sich als Miteinbringer der den NV-Vertrag empfehlenden VN-Resolution stark für den NV-Vertrag eingesetzt haben, diesen nicht unterzeichnen.
Für Moskau besteht dabei bekanntlich die Schwierigkeit, daß bei einer Unterzeichnung des NV-Vertrags durch die beiden Sowjetrepubliken sich sofort die Frage stellt, ob diese als Kernwaffenstaaten oder als Nichtkernwaffenstaaten unterzeichnet haben und folglich diese oder jene Kategorie der sehr ungleichen Verpflichtungen des Vertrages übernehmen wollen. Kernwaffenstaaten sind nach dem Vertrag solche, die vor dem 1. Januar 1967 eine Kernwaffe oder sonstige nukleare Sprengvorrichtungen hergestellt oder gezündet haben.
Die etwaige Behauptung, daß nicht nur die Sowjetunion, sondern auch ihre Gliedstaaten Ukraine und Weißrußland als Kernwaffenstaaten zu qualifizieren wären, hätte zur Folge, daß sich damit die Zahl der Kernwaffenstaaten von gegenwärtig fünf auf sieben erhöhen würde. Das wäre ein neuer, bisher nicht erörterter internationaler Aspekt.
Als Nichtkernwaffenstaaten dagegen müßten die Ukraine und Weißrußland die Verpflichtungen der Nichtnuklearen übernehmen, insbesondere die Sicherungsmaßnahmen des Art. III, also die Kontrollen, denen sich zu unterwerfen die Sowjetunion bisher
stets abgelehnt hat. Aus dem Umstand, daß die Sowjetunion und zwei ihrer Gliedstaaten dann mit entgegengesetztem Status dem NV-Vertrag beitreten würden, ergäben sich kaum überwindbare Schwierigkeiten für die Sowjetunion.
Aus dem Fernbleiben der Ukraine und Weißrußlands vom NV-Vertrag könnte die Sowjetunion keine Vorteile im Verhältnis zu Dritten ziehen; denn wenn die beiden Gliedstaaten der Sowjetunion dem Vertrag fernbleiben, muß sich die Sowjetunion die Verantwortung für die Erfüllung des Vertrages auch im Hinblick auf die Ukraine und Weißrußland zurechnen lassen.
Zu einer Zusatzfrage Herr Kollege Giulini.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen zufällig bekannt, ob auch die Vereinigten Staaten von Amerika auf diese eigenartige Logik gekommen sind und entsprechende Schritte unternommen haben?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Ich würde davon ausgehen, daß auf diese „eigenartige Logik" auch andere Staaten gekommen sind. Ob sie beabsichtigen, deswegen selber bei den betreffenden Staaten vorstellig zu werden, ist mir nicht bekannt. Anhaltspunkte dafür gibt es aber nicht.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Kollege Dr. Schulze-Vorberg.
Herr Staatssekretär, läßt sich aus Ihrer ausführlichen Antwort schließen, daß dieses an sich sehr interessante völkerrechtliche Problem bisher tatsächlich in der internationalen Erörterung ausgeklammert worden ist?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesministers des Auswärtigen: „Ausgeklammert" ist sicher mehr, als den Tatsachen entspricht. Aber es ist ihm auch keine übermäßige Bedeutung zugemessen worden.
Keine weiteren Zusatzfragen? - Damit sind die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts beantwortet.
Ich rufe die Fragen 26, 27 und 28 des Herrn Abgeordneten Dr. Mommer auf:
Wie lautet der nach Pressemeldungen von der britischen Regierung unterbreitete Vorschlag, unter den europäischen Mitgliedern des Nordatlantischen Vertrages eine eigene Verteidigungsgemeinschaft innerhalb der atlantischen Allianz zu bilden?
Welche Haltung nimmt die Bundesregierung zu diesem Vorschlag ein?
Würde die Bundesregierung die Nichtteilnahme eines aus der Organisation des Nordatlantischen Vertrages ausgeschiedenen Mitgliedes für einen Grund halten, die deutsche Teilnahme an der Verwirklichung des Vorschlages auszuschließen?
Die Fragen werden schriftlich, im Einverständnis mit dem Fragesteller, beantwortet. Die Antwort liegt noch nicht vor. Sie wird nach Eingang im Sitzungsbericht abgedruckt.
Wir kommen damit zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern, zunächst zu den Fragen 29 und 30 des Herrn Abgeordneten Dr. Wörner:
Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, die Zusammenarbeit zwischen Staat und Sport entsprechend der auf dem Bundestag des Deutschen Sportbundes proklamierten „sinnvollen Kooperation" weiter zu verbessern?
Was hat die Bundesregierung bisher getan, um ihre in der Sportdebatte des Deutschen Bundestages am 1. Dezember 1967 angekündigten Pläne zu verwirklichen?
Das Wort zur Beantwortung hat Herr Staatssekretär Köppler.
Köppler, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Herr Kollege, die allgemeine Zusammenarbeit mit dem Deutschen Sportbund und seinen Organisationen kann als gut bezeichnet werden. Die gesteigerten Anforderungen in allen Bereichen des Sports machen es jedoch notwendig, daß neue Formen der fachlichen Zusammenarbeit gefunden werden, die ein ständiges Gespräch zwischen der Bundesregierung und dem Deutschen Sportbund und seinen Organisationen gewährleisten. Das Ziel dieser ständigen Gespräche muß sein, daß der Staat dem Sport die Hilfsmittel zur Verfügung stellt, die die Sportorganisationen in die Lage versetzen, ihre Aufgaben in der freien Gesellschaft zu erfüllen, und daß die Sportorganisationen ihrerseits die. ihnen aus öffentlichen Mitteln bereitgestellten Hilfen in zweckmäßiger Weise einsetzen. Eine Zusammenarbeit in dieser Form macht die wechselseitige Verantwortung von Staat und Sportorganisationen für den deutschen Sport sichtbar.
Zur zweiten Frage, Herr Kollege: Die Bundesregierung hat neben der Weiterführung begonnener Maßnahmen dem Ausbau und der Planung von Trainingszentren ihr besonderes Augenmerk gewidmet. Darüber hinaus sind die Überlegungen zur Errichtung einer zentralen Institution, die der angewandten Sportwissenschaft und der praktischen Methodik dienen soll und die unter ihrem Arbeitstitel „Bundeszentrale für Sport" bekanntgeworden ist, fortgeführt worden.
Eine Zusatzfrage, Herr Kollege Dr. Wörner.
Herr Staatssekretär, wie weit sind die Vorstellungen über diese Bundeszentrale bis jetzt gediehen?
Köppler, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Herr Kollege, die Vorstellungen über die Ziele dieser unter dem Arbeitstitel „Bundeszentrale" bekanntgewordenen Einrichtungen sind seitens des Bundesinnenministeriums klar. Aber sie bedürfen noch der Erörterung mit den Sportorganisationen. Es geht uns im Innenministerium um eine Auswertung der weltweiten sportwissenschaftlichen Erkenntnisse zugunsten der Sportpraxis, um die Sportdokumentation und um die Methodik des Sportstättenbaus.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Kollege Dr. Wörner.
Herr Staatssekretär, ich darf Ihrer Antwort also entnehmen, daß Sie bereit sind, Ihre Vorstellungen mit dem Deutschen Sportbund abzustimmen. Haben Gespräche schon stattgefunden, oder sind welche geplant?
Köppler, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Die Bundesregierung ist nicht nur bereit, sondern sie hat mit solchen Gesprächen bereits begonnen. Es hat ein Gespräch zwischen dem Bundesminister des Innern und dem Präsidenten des Deutschen Sportbundes über diese Materie stattgefunden. Es ist vereinbart worden, daß eine Kommission, bestehend aus Vertretern des Deutschen Sportbundes und des Bundesministeriums des Innern, unter meinem Vorsitz die weiteren Fragen prüfen soll.
Eine Zusatzfrage dazu, Herr Kollege Josten.
Herr Staatssekretär, wird die Bundesregierung nach Abschluß der Olympischen Spiele in Mexiko die Erfahrungen unserer dortigen Sportführung unter Präsident Daume mit zu ihrer Auswertung heranziehen?
Köppler, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Selbstverständlich. Das hat früher schon nach allen bedeutenden Sportereignissen stattgefunden und wird namentlich nach diesen Olympischen Spielen der Fall sein.
Herr Staatssekretär, wird das Innenministerium bereit sein, gegebenenfalls im Ausschuß für Familie und Jugend einen Zwischenbericht über das zu geben, was vorhin von Herrn Kollegen Dr. Wörner angesprochen wurde, nämlich die Maßnahmen, die Sie in der Debatte am 1. Dezember 1967 hier angekündigt haben?
Köppler, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Auf Wunsch eines Ausschusses dieses Hohen Hauses ist das Bundesinnenministerium selbstverständlich jederzeit bereit, Auskünfte zu erteilen und Bericht zu erstatten.
Wir kommen damit zur Beantwortung der Frage 31 des Herrn Abgeordneten Müser:
Welche Gründe veranlassen die Bundesregierug, besonders befähigten Beamten des gehobenen technischen Dienstes den Aufstieg in den höheren technischen Verwaltungsdienst zu verwehren?
Bitte schön, Herr Staatssekretär!
Köppler, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Das Gesetz über die Befähigung zum höheren bautechnischen Verwaltungsdienst vom 16. Juli 1936 bestimmt, daß die Befähigung für den höheren technischen Dienst nur auf Grund einer zweiten Staatsprüfung, also nicht durch einen Aufstieg aus dem gehobenen technischen Dienst erlangt werden kann. Die Bundesregierung beabsichtigt, vorzuschlagen, diese Vorschriften in nächster Zeit an die sich aus der Praxis ergebenden Notwendigkeiten anzupassen. Bisher wurde der Aufstieg durch einen Laufbahnwechsel oder nach Feststellung der Befähigung für eine Laufbahn des höheren Dienstes durch den Bundespersonalausschuß in zahlreichen Fällen ermöglicht.
Eine Zusatzfrage, Herr Kollege.
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, heißt das, daß die Bundesregierung vorschlagen will, auch befähigten Beamten des gehobenen technischen Dienstes künftig die Möglichkeit zu eröffnen, im höheren technischen Verwaltungsdienst tätig zu werden?
Köppler, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Genau das, und dazu bedarf es einer Änderung des von mir erwähnten Gesetzes von 1936.
Ich rufe die Frage 32 des Abgeordneten Picard auf:
In welcher Weise ist die hessische Landesregierung an die Bundesregierung herangetreten, um eine Herabsetzung des Wahlalters durch eine entsprechende Gesetzesvorlage der Bundesregierung zu erreichen?
Der Fragesteller hat sich mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt. Die Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Köppler vom 18. Oktober 1968 lautet:
In der Frage des Wahlalters ist die hessische Landesregierung bisher nicht an die Bundesregierung herangetreten. Mir ist bekannt, daß im hessischen Landtag zur Zeit ein Antrag der Fraktion der SPD vom 12. September 1968 ({0}) beraten wird, in dem die hessische Landesregierung um einen Bericht ersucht wird, ob noch in dieser Legislaturperiode des Deutschen Bundestages eine einheitliche Herabsetzung des Wahlalters für das aktive Wahlrecht auf 18 Jahre erwartet werden kann.
Auch die Frage 33
Sieht die Bundesregierung eine Möglichkeit, dafür zu sorgen, daß Abgeordnete bei offiziellen Veranstaltungen, vor allem unterhalb der Länderebene, die ihnen als Vertretern der Legislative im Verhältnis zur Exekutive gebührende Achtung erfahren?
wird im Einverständnis mit dem Herrn Abgeordneten Picard schriftlich beantwortet. Hier lautet die Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Köppler vom 18. Oktober 1968:
Die Bundesregierung sieht keine Möglichkeit, durch eine verbindliche Regelung dafür zu sorgen, daß Abgeordnete bei offiziellen Veranstaltungen, vor allem unterhalb der Länderebene, die ihnen als Vertretern der Legislative im Verhältnis zur Exekutive gebührende Achtung erfahren, da dem Bund insoweit keinerlei Gesetzgebungs- oder Verwaltungsbefugnisse zustehen.
Die Bundesregierung ist jedoch bereit, dem Anliegen des Herrn Abgeordneten in der Weise Rechnung zu tragen, daß sie diese Frage auf einer der nächsten Innenministerkonferenzen den Innenministern der Länder unterbreitet mit der Bitte, sich insbesondere bei ihren nachgeordneten Gebietskörperschaften dafür einzusetzen, daß den Mitgliedern dieses Hohen Hauses auch hei Veranstaltungen unterhalb der Länderebene der ihnen gebührende Rang eingeräumt wird.
Ich rufe die Frage 34 des Herrn Abgeordneten Fritsch auf:
Ist unter den gegebenen Verhältnissen mit der für das kommende Jahr vorgesehenen Öffnung des Grenzüberganges zur CSSR in Bayerisch Eisenstein zu rechnen?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Köppler, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Herr Kollege, seit dem Einmarsch fremder Truppen in die CSSR haben sich tschechoslowakische Stellen zur Öffnung des Grenzüberganges Bayerisch Eisenstein nicht mehr geäußert. Es ist daher zur Zeit nicht vorauszusagen, ob und wann der Übergang wieder geöffnet werden kann. Die deutschen Behörden sind jedoch in der Lage, den Übergang jederzeit in Betrieb zu nehmen.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, kann es die Haltung der Bundesregierung im Sinne einer Beschleunigung der bisher angestellten Bemühungen beeinflussen, wenn, wie mir kürzlich mitgeteilt worden ist, auf tschechoslowakischer Seite die Vermessungen und die damit zusammenhängenden Arbeiten für die Grenzöffnung nunmehr fortgesetzt worden sind?
Köppler, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Herr Kollege, ich kann nur wiederholen: von deutscher Seite bestehen überhaupt keine Schwierigkeiten, die Wiedereröffnung dieses Grenzüberganges stattfinden zu lassen. Wir haben seit dem 21. August darüber keine Gespräche mehr mit tschechoslowakischen Stellen gehabt, und ich muß gestehen, Herr Kollege, daß ich es im Augenblick auch nicht für zweckdienlich halte, solche Gespräche von uns aus zu beginnen.
Herr Staatssekretär, glauben Sie, daß unter den obwaltenden Verhältnissen damit zu rechnen ist, daß das seinerzeit festgesetzte Ziel, die Grenze am 1. Mai 1969 zu öffnen, aus verschiedenen Gründen, die für das Grenzland von besonderem Interesse sind, nunmehr doch noch erreicht werden kann?
Köppler, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Ich halte das nicht für ausgeschlossen, Herr Kollege.
Ich rufe die Fragen 35, 36 und 37 des Herrn Abgeordneten Dr. MüllerEmmert auf:
Welche weiteren Sportleistungszentren sind entsprechend ihrer zeitlichen und finanziellen Reihenfolge auf Bundesebene noch geplant?
Wie erfolgt die Zusammenarbeit mit den Sportleistungszentren der Bundesländer?
Durch welche Finanzierungshilfen wurden die bisher in der Bundesrepublik Deutschland errichteten Sportleistungszentren gefördert?
Der Fragesteller hat sich mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt. Die Antwort des Herrn Parlamentarischen Staatssekretärs Köppler vom 18. Oktober 1968 lautet:
Die derzeitige mit dem Deutschen Sportbund abgesprochene Planung des BMI umfaßt den Bau von insgesamt 15 bundeszentralen Trainingszentren, die nach dem jeweiligen Stand der Bauarten in folgende Gruppen eingeteilt werden können:
I. Funktionsfähige Trainingszentren:
Ort Verband
1. Stuttgart Deutscher Leichtathletik-Verband
2. Mainz Deutscher Leichtathletik-Verband
3. Dortmund Deutscher Leichtathletik-Verband
4. Hennef Deutscher Athleten-Bund
5. Herzogenhorn Deutscher Ski-Verband
6. Wiesbaden Deutscher Schützen-Bund
7. Inzell Deutsche Eisschnellaufgemeinschaft
Deutscher Rollsport-Bund
8. Ratzeburg Deutscher Ruder-Verband
II. Im Bau befindliche Trainingszentren:
Ort Verband voraussichtliche Fertigstellung
9. Frankfurt Deutscher Turner-Bund 1968/69
10. Bonn Deutscher Fechter-Bund 1969/70
11. Warendorf Deutsches OlympiadeKomitee für Reiterei und 1969/70
Deutscher Verband für Modernen Fünfkampf
12. Hannover Deutscher Tennis-Bund 1968
13. DuisburgWedau Deutscher Kanu-Verband 1969
14. Königssee/ Berchtesgaden Deutscher Bob- und Schlittensport-Verband 1968/69
III. Noch in der Planung,
Baubeginn steht unmittelbar bevor:
15. Köln Deuscher Schwimm-Verband 1970/71
Daneben beteiligt sich der Bund am Ausbau der Leistungszentren in Freiburg und Berlin. Diese Leistungszentren dienen der überfachlichen und sportwissenschaftlichen Vorbereitung und Betreuung der Hochleistungssportler sowie der Durchführung einzelner Zweckforschungsvorhaben.
Die Bundesregierung ist bestrebt, eine möglichst ganzjährige volle Auslastung der Trainingszentren zu gewährleisten, wobei es durchaus möglich sein kann und vielfach notwendig sein wird, daß eine Trainingsstätte verschiedenen Fachverbänden als Trainingszentrum dient. Aus diesem Grund wird zur Zeit von
der zuständigen Abteilung des Bundesinnenministeriums eine Umfrage bei den Sportfachverbänden über den voraussichtlichen Bedarf von Trainingszentren in den nächsten 10 Jahren vorbereitet. Sollte die Umfrage ergeben, daß über die aufgeführten Trainings- und Leistungszentren hinaus weitere bundeszentrale Einrichtungen notwendig sind, so wird die Bundesregierung prüfen, ob und in welcher Reihenfolge der Bedarf gedeckt werden kann.
Nach den Vorstellungen der Bundesregierung sollten in den Trainings- und Leistungszentren auf Länderebene die Talente regional zusammengefaßt und gefördert werden. Damit würden die regionalen Trainingszentren als natürliche Vorstufe für die bundeszentralen Trainingszentren dienen. Die Aufgabe der regionalen Trainingszentren wird vielfach von den Landessportschulen wahrgenommen. Zum Teil stehen auch bundeszentrale Sportstätten für regionale Aufgaben zur Verfügung, wie z. B. das Trainingszentrum für Reiten und Modernen Fünfkampf in Warendorf, das Trainingszentrum für Schwerathletik in Hennef, das Schwimmzentrum in Köln und das Kanuzentrum in DuisburgWedau. Eine enge Zusammenarbeit zwischen den Trainingszentren auf Länder- und Bundesebene ist auch aus methodischen Gesichtspunkten notwendig. Sie erfolgt bisher innerhalb der Bundessportfachverbände, die die Arbeit ihrer Landesverbände zu koordinieren haben.
Zum Bau von bundeszentralen Trainings- und Leistungszentren gewährte die Bundesrepublik bisher Zuschüsse in Höhe zwischen 331/3 und 70 % der beihilfefähigen Gesamtbaukosten.
Die Festsetzung des Bundeszuschusses erfolgte individuell unter Berücksichtigung der Finanzkraft des Bauträgers und des Bundesinteresses an der Errichtung des Projekts.
Die Forderung der regionalen Trainingszentren erfolgte im Rahmen des Goldenen Plans nach den Richtlinien über die Vergabe von Bundesmitteln zur Spitzenfinanzierung des Baues von Turn- und Sportstätten vom 7. Juli 1962, die in der Regel Bundeszuschüsse bis zu 20 % der beihilfefähigen Baukosten vorsehen.
Ich rufe die Frage 38 des Herrn Abgeordneten Schultz auf:
Zu welchem Ergebnis haben die Erwägungen geführt, die, laut Auskunft des Parlamentarischen Staatssekretärs beim Bundesinnenministerium vom 21. Juni 1968 im Bundestag, innerhalb der Bundesregierung auch mit dem Ziel angestellt werden, Wehrpflichtige, die jetzt einen Studienplatz in Aussicht haben, ihren. Wehrdienst vorzeitig beenden zu lassen, um es ihnen zu ermöglichen, ihr Studium ohne einen zusätzlichen Zeitverlust von vier Monaten schon mit dem Wintersemester und nicht erst mit dem nächsten Sommersemester aufzunehmen?
Bitte sehr, Herr Staatssekretär!
Köppler, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Der Herr Bundesminister der Verteidigung hat durch Erlaß vom 16. August dieses Jahres angeordnet, daß Abiturienten, die im Juli 1967 zum Wehrdienst einberufen worden sind und die ein Studium oder eine vergleichbare Ausbildung an einer Universität, Technischen Hochschule, Ingenieurschule oder an einer entsprechenden Ausbildungsstätte aufnehmen wollen, auf Antrag schon Ende September 1968 vorzeitig entlassen werden konnten, sofern das Studium oder die vergleichbare Ausbildung nur im Wintersemester aufgenommen werden kann.
Mit dieser Sonderregelung sollten die Schwierigkeiten behoben werden, die für die den Wehrdienst ableistenden Studienbewerber bestimmte Fachrichtungen durch die Festsetzung des Studienbeginns auf das Wintersemester entstanden sind. Ich möchte betonen, daß diese Regelung nur für die im Juli 1967 einberufenen Abiturienten gilt und einer allgemeinen Abstimmung der Termine für die Ableistung des Grundwehrdienstes mit den Studienanfangsterminen nicht vorgreifen soll. Insoweit hat die Bundesregierung die Kultusminister und Kultussenatoren der Länder und den Präsidenten der Westdeutschen Rektorenkonferenz gebeten, sich bei den Hochschulen dafür einzusetzen, daß
- der Studienbeginn ruit den Entlassungsterminen der Bundeswehr abgestimmt wird,
- den Wehrdienst leistenden Studienbewerbern
durch Zulassungsbeschränkungen keine unangemessenen Nachteile entstehen
und für Wehrdienst leistende Studienbewerber, die ihr Studium oder eine vergleichbare Ausbildung nach der an manchen Fakultäten geltenden Regelung derzeit nur im Wintersemester beginnen können, das Sommersemester als Erstsemester eingerichtet und anerkannt wird.
Diese Fragen werden in Kürze in der Kontaktkommission behandelt werden, die von der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder sowie der Westdeutschen Rektorenkonferenz einerseits und dem Bundesverteidigungsministerium andererseits gebildet wurde.
Zusatzfrage, Herr Kollege Schultz.
Herr Staatssekretär, kann man Ihrer Meinung nach davon ausgehen, daß diese Regelung, die für dieses Jahr praktisch für die im Juli vergangenen Jahres Eingetretenen gilt, diese Regelung, die jetzt vorgenommen worden ist, auch für die Zukunft wahrscheinlich verwirklicht werden wird, oder wäre das zu weit gegangen?
Köppler, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Das wäre in der Tat zu weit gegangen, Herr Kollege. Ich habe ausdrücklich auf den Sondercharakter dieser Maßnahme hingewiesen. Auf die Dauer kann dieses Problem nur durch entsprechende Vereinbarungen mit den Kultusministern und der Rektorenkonferenz gelöst werden. An sich ist es für die Bundeswehr nicht tragbar, daß die .Regelung, die im Interesse der Abiturienten diesmal getroffen worden ist, ständig fortgesetzt wird.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Kollege Schultz.
Herr Staatssekretär, ich frage Sie, ob ich mich an das Verteidigungsministerium wenden muß, wenn die Regelung, die hier vorgesehen war und die Sie hier besprochen haben, in der Praxis nicht zur Ausführung gekommen ist. Oder betrifft das Ihren Dienstbereich, wenn man entsprechende Anfragen zu stellen hat, warum dieser Regelung in diesem Jahr nicht stattgegeben worden ist?
Köppler, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Die Durchführung dieses Erlasses geschieht im Bereich des Verteidigungsministeriums, und wenn im Rahmen dieser Durchführung Zweifel aufkommen sollten, würde ich empfehlen, sich an den Bundesminister der Verteidigung zu wenden.
Nächste Frage Herr Kollege Dr. Enders.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß es bei Truppeneinheiten eine unterschiedliche Interpretation der Unterlagen gab, die wehrpflichtige Abiturienten von den Universitäten erhielten, so daß mit ein und derselben Unterlage bei einigen Einheiten Abiturienten entlassen wurden, bei anderen Einheiten nicht?
Köppler, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Darüber sind mir Einzelheiten nicht bekannt.
Herr Staatssekretär, wären Sie bereit, falls es ähnliche Maßnahmen in Zukunft gibt, von Ihrer Seite aus dazu beizutragen, daß verbindliche Erklärungen der Universitäten auch von den Truppeneinheiten anerkannt werden?
Köppler, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Selbstverständlich. Das Bundesministerium des Innern wird in Zusammenarbeit mit dem Bundesverteidigungsministerium dieser Frage gern nachgehen.
Eine weitere Zusatzfrage Herr Kollege Ott.
Herr Staatssekretär, wären Sie für den Fall, daß das Verteidigungsministerium auch in der Zukunft die Regelung des Jahres 1967/1968 übernehmen würde, bereit, bei der Konferenz der Kultusminister dafür einzutreten, daß Abiturienten ihre Abiturzeugnisse nicht erst in den ersten JuliOtt
tagen, sondern noch in den letzten Junitagen bekommen, weil auf diese Weise die Sicherheit gegeben wäre, daß sie im Juli eingezogen werden könnten? Dagegen kann in manchen Fällen bei Erteilung der Abiturzeugnisse Anfang Juli die Einziehung zur Bundeswehr erst im Oktober erfolgen, und die betreffenden Abiturienten hängen dann nach Entlassung im März übernächsten Jahres mindestens ein halbes Jahr ohne einen Studienplatz in der Luft.
Köppler, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Herr Kollege, ich hatte schon versucht, auf die Frage des Kollegen Schultz in dem Sinne zu antworten, daß in der Tat in der Richtung, die Sie angedeutet haben, in erster Linie eine Lösung des Problems gefunden werden muß und daß der Einmaligkeitscharakter der Aktion dieses Jahres im Interesse der Bundeswehr unterstrichen werden soll.
Ich rufe auf die Frage 39 der Frau Kollegin Dr. Diemer-Nicolaus:
Werden innerhalb der Bundesregierung Telefongespräche ohne Wissen und Einwilligung der Teilnehmer auf Tonband aufgenommen?
Bitte sehr, Herr Staatssekretär!
Köppler, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Frau Kollegin, die Frage ist mit Nein zu beantworten. Zu dem im Presse- und Informationsamt vorgekommenen Ausnahmefall, der gestern schon Gegenstand der Aussprache hier war, darf ich folgendes erklären. Bei einem Ferngespräch zwischen einer Nachrichtenagentur und dem Chef vom Dienst des Presse- und Informationsamtes am 8. August 1968 benutzte dieser nach einem Mißverständnis in einem vorangegangenen Telefongespräch das in seinem Vorzimmer vorhandene Diktiergerät, um den genauen Wortlaut seiner Antworten auf die Fragen der Nachrichtenagentur festzuhalten. Dabei wurden ungewollt auch die Fragen aufgezeichnet. Dieses Diktiergerät beim Chef vom Dienst dient dazu, zur Weitergabe an die Presse bestimmte Durchsagen aufzunehmen.
Zusatzfrage, Frau Kollegin.
Herr Staatssekretär, Sie sagten eben, das Diktiergerät habe ungewollt auch die Antworten aufgenommen. Wußte der betreffende Beamte beim Bundespresseamt nicht, daß das automatisch die Folge war, wenn er das Gerät eingeschaltet hatte?
Köppler, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Selbstverständlich, Frau Kollegin. Daß er annahm, es sei ungewollt geschehen, läßt vielleicht darauf schließen, daß er keine allzu große Praxis auf diesem Gebiet hat.
Herr Staatssekretär, ist eigentlich Ihre Antwort nicht insofern überraschend, als es gar nicht so lange her ist, daß
das Hohe Haus, und zwar nach einer eingehenden Diskussion, extra eine Strafvorschrift geschaffen hat, die die Vertraulichkeit des Wortes schützt? Sind Ihnen die Beratungen im Sonderausschuß für die Strafrechtsreform noch in Erinnerung, wo immer wieder als Beispiel angeführt wurde, daß gerade bei Telefongesprächen nur im gegenseitigen Einvernehmen Aufnahmen auf Tonbandgeräte erfolgen dürfen?
Köppler, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Selbstverständlich, Frau Kollegin. Ich wollte mit keinem Wort den Vorfall im Presse- und Informationsamt in diesem Zusammenhang verteidigen.
Ist die nächste Frage auch schon beantwortet?
Köppler, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Sie ist noch nicht beantwortet, Herr Präsident.
Ich rufe dann die Frage 40 der Frau Abgeordneten Dr. Diemer-Nicolaus auf:
Wer trägt dafür die politische Verantwortung?
Bitte schön!
Köppler, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Frau Kollegin, der Bundeskanzler trägt dafür die parlamentarische Verantwortung.
Zusatzfrage!
Herr Staatssekretär, wäre der Herr Bundeskanzler auch bereit, dahin zu wirken, daß eine Auslegung des Begriffes „Öffentlichkeit", wann ein Gespräch „öffentlich" und „nicht öffentlich" ist, von allen Behörden und Ministerien so erfolgt, wie es den maßgeblichen Kommentaren - z. B. dem von Schönke-Schröder -und der Rechtsprechung entspricht, und daß nicht die Auffassung, die gestern von Herrn Staatssekretär Diehl und vorher von Herrn Ahlers in solcher Hinsicht vertreten wurde, nachher die Praxis wird?
Köppler, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Ich bin davon überzeugt, daß nicht nur der Bundeskanzler, sondern alle Mitglieder der Bundesregierung dafür sorgen, daß die Gesetze nicht nur ihrem Wortlaut, sondern auch ihrem Sinngehalt nach gewahrt und eingehalten werden.
Wir kommen dann zur Beantwortung der Frage 41 des Herrn Abgeordneten Dr. Arndt ({0}) :
Wie viele ausländische Staatsangehörige sind in den Jahren von 1958 bis 1967 eingebürgert worden, obwohl sie ihren Wohnsitz noch nicht zehn Jahre oder noch nicht fünf Jahre oder noch nicht drei Jahre in der Bundesrepublik Deutschland hatten?
Vizepräsident Scheel
Ist Herr Kollege Dr. Arndt im Saal? - Die Frage wird von Herrn Kollegen Dr. Arndt ({1}) übernommen. Das, glaube ich, kann man zulassen, obgleich die Übernahme nicht schriftlich vorliegt; der Zusammenhang ist erkennbar.
Bitte schön, Herr Staatssekretär!
Köppler, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: In den Jahren 1958 bis 1967 sind im Ermessenswege insgesamt 71 897 ausländische Staatsangehörige eingebürgert worden. Die über die Einbürgerungen geführten Statistiken enthalten keine Aufgliederung nach der Dauer des Inlandaufenthalts. Das vorhandene Material ermöglicht auch keine nachträgliche Feststellung der Zahlen, nach denen gefragt wird.
Darf ich die nächste Frage gleich mit beantworten?
Ich rufe dann die Frage 42 des Herrn Abgeordneten Dr. Arndt ({0}) auf:
Aus welchen besonderen Gründen ist die Einbürgerung der in Frage 41 erwähnten Personen erfolgt?
Bitte sehr, Herr Staatssekretär!
Köppler, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Ähnlich wie in anderen europäischen Staaten wird in der Bundesrepublik Deutschland von einem ausländischen Einbürgerungsbewerber grundsätzlich ein zehnjähriger Aufenthalt in Deutschland gefordert.
Auf die Erfüllung dieses Erfordernisses kann vor allem verzichtet werden:
erstens bei Volksdeutschen sowie bei Bewerbern aus dem deutschen Kultur- und Sprachraum, also z. B. bei Österreichern, Schweizern oder Südtirolern,
zweitens bei Bewerbern, die schon früher einmal die deutsche Staatsangehörigkeit besessen haben,
drittens bei Ausländern, die seit mehr als fünf Jahren mit einer deutschen Staatsangehörigen verheiratet sind,
viertens bei minderjährigen Kindern aus getrennter Ehe einer deutschen Staatsangehörigen mit einem Ausländer,
fünftens bei Bewerbern, an deren alsbaldiger Einbürgerung ein besonderes staatliches Interesse besteht, das von einer obersten Bundes- oder Landesbehörde bestätigt ist.
Zusatzfrage, Herr Kollege Dr. Arndt ({0}).
Herr Staatssekretär, sind Ihnen Fälle bekannt, in denen die Bundesländer Einbürgerungen von Personen vorgeschlagen haben, die unter den Kreis der Frage 41 fallen, in denen aber das Bundesministerium des Innern der Einbürgerung widersprochen hat?
Köppler, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Es sind durchaus Fälle bekannt, in denen von den zuständigen Landesbehörden Einbürgerungsanträge befürwortet worden sind, das Bundesinnenministerium namens der Bundesregierung sich allerdings aus Gründen meistens des außenpolitischen Interesses der Bundesrepublik gegen den Einbürgerungsantrag wenden mußte.
Eine weitere Zusatzfrage.
Könnten Sie hierzu konkretes Zahlenmaterial dem Bundestagsausschuß für Inneres zur Verfügung stellen?
Köppler, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Selbstverständlich sind darüber genauere Zahlenangaben möglich, die ich gern zur Verfügung stellen werde.
Eine weitere Zusatzfrage.
Können Sie dem Haus ferner Mitteilung darüber machen, ob sich bei den von Ihnen genannten Eingebürgerten nachträglich herausgestellt hat, daß es sich bei ihnen um Sicherheitsrisiken gehandelt hat?
Köppler, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Ich bin nicht ganz sicher, Herr Kollege, ob es möglich ist, auf Grund der vorhandenen Statistiken diese Feststellung zu treffen. Ich werde mich aber darum bemühen.
Noch eine Zusatzfrage.
Haben Sie in Ihrem Hause Unterlagen darüber, so .daß Sie uns sagen .könnten - nicht hier heute, denn ich nehme an, daß Sie das nicht können, aber in den Beratungen des Innenausschusses -, ob sich durch eine etwa ein oder zwei Jahre dauernde Frist für die Einbürgerung die Möglichkeit eines Sicherheitsrisikos ausschließen läßt?
Köppler, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister .des Innern: Wie Sie zu Recht vermuten, Herr Kollege, hin ich nicht in der Lage, diese Frage hier .auf Anhieb zu beantworten. Ich will ihr nachgehen und hoffe, sie beantworten zu können.
Damit ist die Fragestunde beendet.
Ich gebe noch bekannt, daß Herr Kollege Dr. Enders .seine Frage 55 zurückgezogen hat.
Um das Wort gebeten hat jetzt Herr Abgeordneter Genscher.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Mündliche Anfrage meines Kollegen Ertl ist von allgemeinem aktuellem Interesse. Ich beantrage deshalb eine Aktuelle Stunde und
gehe zuversichtlich davon ,aus, daß mein Ersuchen von einer ausreichenden Unterstützung getragen wird.
({0})
Meine Kollegen, darf ich annehmen, daß die Zuversicht des Herrn Kollegen Genscher berechtigt ist? - Ich sehe am Kopfnicken auf allen Seiten des Hauses, daß er wie immer seine Zuversicht richtig quantitisiert hat.
Damit treten wir in eine
Aktuelle Stunde
ein.
Als erster hat Herr Kollege Ertl das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bundesregierung hat zunächst zur Agrarpolitik geschwiegen. Dann haben wir durch eine Große Anfrage die Bundesregierung wenigstens zu einer Antwort veranlaßt. In der Zwischenzeit scheinen innerhalb dieser Bundesregierung vielfältige Programme ausgearbeitet zu werden. Dabei war für uns sehr interessant, daß der Herr Bundesernährungsminister ein Bekenntnis abgelegt hat, nämlich in der Form, daß er sagte, in der Kleinen Koalition sei es für den Landwirtschaftsminister leichter gewesen, aber weniger erfolgreich. Ich glaube, das war eine phantastische Selbstanklage. Denn wer es leichter hat und nicht erfolgreich ist, hat versagt.
({0})
Das nehmen wir gern zur Kenntnis. Das beleuchtet vielleicht die Situation des Landwirtschaftsministers in der Großen Koalition.
Wir haben aber weiter in unserer Frage die Bundesregierung gefragt. Daher würde uns interessieren: was sagt der Bundeskanzler über die möglichen Studien und Agrarprogramme? Betrachtet er die Studie als eine quantifizierte Ergänzung des Agrarprogramms? Da muß der Kanzler bekennen. Da genügen nicht Sätze wie vorgestern: „um für unsere bäuerliche Bevölkerung die Voraussetzung für eine gesicherte und ihr gebührende Zukunft in unserem Volke zu schaffen" . Das ist zu wenig. Damit kann die Unruhe in der deutschen landwirtschaftlichen Bevölkerung nicht beseitigt werden. Hier müßte in der Tat einmal regiert werden. Hier wäre in der Tat Klarheit und Wahrheit am Platze.
Aber ich habe das Gefühl, daß - obwohl der Kollege Barzel gestern sagte, es sei zum gegebenen Zeitpunkt kein Interesse am Wahlkampf - in dieser Frage im Bereich der Großen Koalition der Wahlkampf schon begonnen hat.
({1})
- Kollege Fellermaier, ich wäre an Ihrer Stelle sehr traurig; denn ich kann Ihnen sagen, daß Sie hier von Ihrem Koalitionspartner im nächsten Jahr noch sehr viel erleben werden. Da werden Sie nämlich hören, wie gut der Landwirtschaftsminister und wie schlecht Ihr Wirtschaftsminister ist. Sie werden
das draußen im Lande verantworten müssen. Wir
haben vor Ihnen schon bittere Erfahrungen auf diesem Gebiet gesammelt. Wir sprechen aus Erfahrung.
({2})
Ich möchte nun aber zu dem konkreten Thema etwas sagen. Die Studie des Wirtschaftsministers scheint uns mit den Vorstellungen Mansholts in Brüssel voll übereinzustimmen. Wenn aber die Vorstellungen Mansholts von der Bundesregierung mit getragen werden, entspricht diese Studie - davon bin ich nach dem, was der Bundesernährungsminister hier gesagt hat, voll überzeugt - auch den strukturpolitischen Vorstellungen dieser Bundesregierung. Deshalb darf sich niemand draußen in Versammlungen vor der Verantwortung drücken.
({3})
Das ist, meine ich, sehr interessant.
({4})
Wer erzeugt denn die Unruhe bei den Bauern?
({5})
Ich könnte hier viele Zitate bringen; aber die Zeit erlaubt es nicht. Der Finanzminister hat mit Recht gesagt, daß der Wirtschaftsminister, der Ernährungsminister und, wie ich meine, auch der Finanzminister auf diesem Sektor zur Zusammenarbeit verdammt seien. Ich glaube sogar, daß sie in der Zusammenarbeit, zu der sie verdammt sind, dieses gemeinsame Konzept gefunden haben. Nur sollte man sich draußen nicht der Verantwortung entziehen.
Ich meine, diese Regierung muß wirklich einmal klären, wohin der Weg der deutschen Landwirtschaft gehen soll. Es ist nicht richtig, Herr Bundesernährungsminister, wenn Sie sagen: Wir wollen den Nebenerwerbsbetrieb beibehalten. In der Studie heißt es nämlich expressis verbis: Der Nebenerwerbsbetrieb muß verschwinden. Sie können nicht dauernd im Bundestag und anderswo herumflunkern; das geht nicht, sondern hier müssen klare Antworten gegeben werden.
Diese Bundesregierung muß auch erklären, ob sie im Jahre 1980 die Farm oder das Kolchos oder den bäuerlichen Familienbetrieb, wenn auch in moderner, kooperativer Form, will. Hier sind klare Antworten erforderlich. Man kann nicht in dieser Form ausweichen und in Versammlungen differenzierte Erklärungen abgeben.
Daher fordern wir, meine sehr verehrten Damen und Herren, den Bundeskanzler auf, klar zu sagen, welche Vorstellungen er hat und wie die Bundesregierung diese Vorstellungen im Rahmen der Zusammenarbeit mit Brüssel oder auch im Gegensatz zu Brüssel mit entsprechenden Konsequenzen verwirklichen will.
({6})
Das Wort hat der Herr Kollege Dr. Burgbacher.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es genügt nicht, die agrarpolitischen Probleme damit lösen zu wollen, daß man feststellt, der eine Minister habe die Variation und der andere die Variation, und daraus politisch Honig saugen will. Man muß die Agrarprobleme in einen größeren Zusammenhang stellen, um ihnen wirklich gerecht zu werden.
Tatsache ist, daß der EWG-Markt mit 30 Prozent Anteil am Welthandel die größte Handelsmacht der Welt ist, während die USA nur einen Anteil von 15 Prozent haben. Er hat ferner mit 25 Milliarden Dollar den größten Besitz an Gold und Devisen, während die USA nur die Hälfte davon haben. Ich sage das deshalb, weil für die EWG-Entwicklung die jetzt so heftig kritisierte EWG-Agrarpolitik eine unverzichtbare Voraussetzung war, von der alle Völker Europas profitiert haben.
({0})
Der Aufschwung in der EWG, innerhalb der EWG-Märkte und außerhalb der EWG-Märkte, war an diese Voraussetzung gebunden. Daß bei der Vereinheitlichung der Preise, eine unverzichtbare Maßnahme innerhalb des EWG-Marktes, die deutsche Landwirtschaft, die bei Beginn dieser Aktion im großen und ganzen gesehen die höchsten Preise in den EWG-Ländern hatte, im Interesse des Angleichs besondere Opfer gebracht hat, soll hier und heute dankbar anerkannt werden. 90 % der Ernährung der EWG-Völker - der Menge nach gerechnet - werden von der EWG-Agrarwirtschaft geleistet. Auch diese Zahl mit ihrem Gewicht für alle möglichen Gebiete der Politik soll hier heute besonders herausgestellt werden.
Weiter: Nach der Währungsreform betrugen die Kosten für die Ernährung einer vierköpfigen Familie etwa 45 % des damaligen Einkommens. Sie betragen heute gut 30 % des Einkommens. Bitte führen Sie sich das Gewicht dieser Zahlen einmal vor Augen: Der Ernährungsaufwand einer vierköpfigen Familie, gemessen am Gesamteinkommen, ist um ein Drittel gesunken. Stellen Sie sich bitte einmal vor, was dieses Drittel umgerechnet auf die Bezieher aller Masseneinkommen ausmacht: ein Vielfaches der Beträge, die jedes Jahr im Grünen Plan stehen.
Dasselbe ergibt sich aus einem Vergleich, der ja wahrscheinlich vielen bekannt ist, der aber hier und heute auch in die Erinnerung zurückgerufen werden soll; er hängt mit dem zusammen, was ich sagte. Wenn wir vergleichen, wieviel Arbeitsminuten für den Erwerb der gängigsten Nahrungsmittel 1949 und heute aufgewendet werden mußten, ergibt sich, daß für das Kilo Mischbrot 1949 23 Minuten Arbeit nötig waren und heute 16 Minuten Arbeit aufgewendet werden müssen. Die entsprechenden Zahlen betragen für Zucker 58 und 16 Arbeitsminuten, für 5 Kilo Speisekartoffeln 37 und 18 Arbeitsminuten, für 1 Kilo Kotelett 4 Stunden 35 Minuten und 1 Stunde 41 Minuten, für Butter 4 Stunden 13 Minuten und 1 Stunde 39 Minuten.
({1})
- Ja, das ist auch ein tolles Ergebnis. Das hätten Sie mal machen sollen. Wollen Sie denn behaupten, das sei gar nichts?
({2})
- Das müssen Sie aber ein bißchen charmanter sagen, wenn Sie Zustimmung äußern wollen.
Die Opfer, die wir im Grünen Plan und beim heutigen Stand in den beiden Brüsseler Fonds aufbringen, betragen rund 1 % des Bruttosozialprodukts in der Bundesrepublik.
Herr Kollege, leider ist die Redezeit zu Ende.
({0})
Fünf Minuten?
Ja. Sie dürfen Ihren Gedanken noch zu Ende führen, Herr Kollege.
Ich bedanke mich, Herr Präsident. Ich werde mich also straffen.
({0})
Ich bin der Meinung, daß die Richtpreise in der EWG laufend überprüft werden müssen und daß festgestellt werden muß, ob die Fortschritte in der Rationalisierung der Landwirtschaft der allgemeinen Einkommensentwicklung entsprechen oder nicht.
Herr Kollege, nur noch einen Gedanken; hier war schon ein zweiter angeschlossen. Jetzt muß ich Sie wirklich bitten, Ihre Rede zu beenden.
Dann rufe ich als letzten Satz nur unvollkommen folgendes aus: Die Landwirte sollten die Möglichkeit haben, Unternehmer zu werden. Das sollte das Ziel unserer Marktstruktur und Marktstrukturfondsgesetze sein, und die übrige Wirtschaft sollte die Landwirte nicht hindern, die Möglichkeit auszuschöpfen, von der großen Spanne zwischen Erzeugerpreisen und Verbraucherpreisen durch unternehmerische Betätigung etwas für sich zu retten.
({0})
Das Wort hat jetzt Herr Bundesminister Professor Schiller.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Als das Bundeskabinett das von Herrn Kollegen Höcherl vorgelegte Agrarprogramm im Grundsatz billigte, wurden auch verstärkte Maßnahmen der Regionalpolitik für erforderlich gehalten. Da das Bundeswirtschaftsministerium für die Regionalpolitik zuständig ist, wurden hierüber im Wirtschaftsministerium „Überlegungen" angestellt. Mit dieser Eigenschaft wurde das Papier in einem AnBundesminister Dr. Schiller
schreiben an die Kollegen im Agrarkabinett zur weiteren Behandlung bezeichnet. Der Sinn der Überlegungen in diesem Arbeitspapier war ein doppelter. Einmal: Das Bundeswirtschaftsministerium will große Anstrengungen unternehmen, um die schon auf Bundesebene existierende Töpfchenwirtschaft zu beenden. Es sind allein sechs Fonds in den verschiedenen Ressorts bis hin zur Bundesanstalt in Nürnberg an diesen Fragen der Regionalpolitik beteiligt. Hinzu trat nun der sehr positive und konstruktive Vorschlag des Agrarministers im Rahmen des Agrarprogramms, nämlich speziell die Besiedlung der ländlichen Räume zu fördern. Dazu kann ich nur sagen: Das hat das Bundeswirtschaftsministerium auch in der Vergangenheit getan. Es will das aber in Zukunft in verstärktem Maße tun.
Das Arbeitspapier ist also zum anderen ein Papier, um dem Agrarprogramm des Herrn Landwirtschaftsministers zu helfen. Wenn wir vom Wirtschaftsminsterium als flankierende Maßnahme Arbeitsplätze in den ländlichen Räumen schaffen wollen, so wollen wir damit in keiner Weise vom Wirtschaftsministerium her etwa die Zahl der Landwirte verringern. Es ist nur unsere verdammte Pflicht und Schuldigkeit, Auffangstellungen für die Fälle zu schaffen, daß in der Landwirtschaft Freisetzungen eintreten. Für die Beeinflussung des Umfanges der Freisetzung und damit der Zahl der in der Landwirtschaft tätigen Menschen ist allein die Agrarpolitik, d. h. das Landwirtschaftsministerium zuständig, nicht das Wirtschaftsministerium.
Nun zu den beiden Hypothesen, die Sie kennen. Erstens: Sie sind keine Zielprojektion. Zweitens möchte ich grundsätzlich sagen: Die Beamten und Experten aller unserer Ministerien, die solche Dinge in die Zukunft hinein bearbeiten, fühlen sich verpflichtet, alle Eventualitäten, alle Varianten zu durchdenken und dabei auch den ungünstigsten Fall ins Kalkül zu ziehen. Eine solche Haltung der Beamtenschaft sollte gewürdigt werden.
({0})
Zusätzlich zu den beiden erwähnten Hypothesen hat das Bundeswirtschaftsministerium inzwischen eine Fortschreibung der Projektion des EWG-Ausschusses für mittelfristige Wirtschaftspolitik über das Jahr 1970 hinaus vorgenommen. An diesem EWG-Ausschuß waren die zuständigen Ressorts der Bundesregierung beteiligt. Diese Projektion basiert auf der Annahme, daß die Verringerung der Zahl der in der Landwirtschaft Tätigen in Zukunft genau in demselben Maße erfolgt wie in der Vergangenheit. Allein diese Rechnung führt bis 1970, also in zwei Jahren, zu einer Verringerung der in der Landwirtschaft Tätigen um ca. 160 000 Menschen.
Wenn wir unter dieser Annahme des EWG-Ausschusses davon ausgehen, daß keine zusätzlichen Ereignisse eintreten, daß sich die Entwicklung einfach so fortsetzt - eben im Sinne einer simplen Trend-Extrapolation -, dann kommen wir im Endergebnis in dieser dritten Variante bis 1980 zu einer Verringerung der Zahl der Erwerbstätigen in der Landwirtschaft um 900 000.
Meine Damen und Herren! Auch nach dieser Variante - ich nenne sie mal die Variante C, von diesem Brüsseler Ausschuß abgeleitet - ist im Ergebnis, was die Zahl der Freisetzungen betrifft, immer noch erschreckend hoch. Sie ist gegenüber den beiden anderen Varianten, die wir in der Fragestunde diskutiert haben, zugleich mit einer weit schlechteren Pro-Kopf-Entwicklung der Einkommen der in der Landwirtschaft Tätigen verbunden. Jedoch auch die Entwicklung nach dieser dritten Hypothese, die ich neben die beiden anderen stelle, erfordert von der regionalen Strukturpolitik äußerste Anstrengungen, wenn eine ausreichende Zahl gut ausgestatteter gewerblicher Arbeitsplätze in den ländlichen Gebieten bereitgestellt werden soll, - und das für die Zukunft rechtzeitig.
Eine erfolgreiche Regionalpolitik ist die notwendige Ergänzung einer guten Agrarpolitik. Nur so kommen wir - und das ist unser gemeinsames Bestreben - zu einer Wirtschafts- und Agrarpolitik aus einem Guß.
({1})
Das Wort hat jetzt der Kollege Dr. Schmidt ({0}).
Meine Damen und Herren! In der Manier eines Revolverblattes hat die FDP versucht, aus einem Streit um ein Papier Schlagzeilen zu machen.
({0})
Ich habe den Eindruck, daß Sie wenig Interesse an der Sache selbst haben, denn sonst hätten Sie sich nur um die Sache gekümmert und nicht um das andere.
({1})
Lassen Sie mich dazu einige allgemeine Bemerkungen machen!
({2})
Es erscheint im Streit um dieses Papier allzu vordergründig, wenn man aus Modellrechnungen die Schlußfolgerung zieht: da wollen einige Leute 1,5 Millionen Bauern abschlachten - die es ja in der Zahl gar nicht gibt. Auch ich bin über den Gang der ganzen Geschichte nicht glücklich
({3})
- hören Sie zu, jetzt kriegen Sie es gleich wieder -, weil ich weiß, daß es genügend Leute gibt
- und Sie zähle ich dazu -, die auf der Suche nach Wahlschlagern nicht davor zurückschrecken, Hypothesen in Zielvorstellungen umzufälschen.
({4})
Wissen Sie, mit einem allgemeinen Palaver und allgemeinen Redewendungen rücken wir diesem Problem einfach nicht zu Leibe. Wer einmal quantitave Aussagen versucht, wer versucht, Entwicklungen zu analysieren, der ist doch noch lange kein Feind der Landwirtschaft. Das zum ersten.
Dr. Schmidt ({5})
Zum zweiten! Das Agrarprogramm der Bundesregierung ist im Grundsatz gebilligt, das unterschreiben wir. Aber in einem ganz entscheidenden Punkt, nämlich in den regionalpolitischen Erfordernissen, waren doch Ergänzungen notwendig, und dazu waren hypothetische Überlegungen notwendig, um die Gesamtrechnung zu quantifizieren. Ich erinnere nur an den Kollegen Strauß, der damals im Sommer bei der Aussprache über dieses Programm ausgeführt hat: „Man kann für alles hervorragende Rezepte und Programme vorlegen, aber solche Vorlagen sind doch nur dann ernsthaft, wenn man damit auch nach dein Zeitpunkt der Durchführung und Umfang der geplanten Maßnahmen eine finanzielle Gesamtschau verbindet." Er hat völlig recht. Wer nicht programmieren will, der muß Rechnung legen. Diese Projektionen sind sicher Schönwetter-Projektionen. Das weiß ich auch. Aber das tun wir doch auch an anderer Stelle. Ich gebe nur eins zu bedenken: Das Ergebnis dieses Papiers ist doch, daß ein Angebot zur Bereitstellung entscheidender Mittel zur Verbesserung der ländlichen Räume gemacht ist, und diese Chance sollten wir ganz real und nüchtern ergreifen. Das Papier enthält so ausgezeichnete konkrete Vorstellungen, daß man sich ihrer einfach nicht zu schämen braucht.
Eine dritte Bemerkung. Der Bundeskanzler hat hier vor zwei Tagen davon gesprochen, daß uns das Schicksal vieler Bauern - ich meine: aller Bauern - sehr am Herzen liege. Aber wenn dem so ist, können wir nicht unseren Überlegungen in Phrasen Ausdruck geben, sondern müssen die Wahrheit sagen, um eben zur Lösung dieser Probleme zu kommen.
Im übrigen ist das Ganze nicht neu. Herr Bundesminister Schiller hat soeben davon gesprochen, daß die Überlegungen schon im EWG-Papier zur mittelfristigen Wirtschaftspolitik enthalten sind, und die haben auch Sie, meine Damen und Herren von der FDP, in diesem Hause zustimmend zur Kenntnis genommen.
({6})
Eine vierte Bemerkung. In den landwirtschaftlichen Organisationen herrscht helle Aufregung, natürlich in Nuancen. Aber keiner hat sich wie der Kollege Ertl zu der Behauptung verstiegen, daß nunmehr die „Liquidation der Landwirtschaft" beginnt.
({7})
Ich erinnere Sie, meine Damen und Herren von der FDP, an ein Papier von Anfang der 60er Jahre, an das Professorengutachten. Das wurde damals verdonnert und verketzert. Proteste waren an der Tagesordnung. Es war doch eine schreckliche Zeit. Und was hat sich ereignet? Das Papier und die Vorausschau sind erfüllt, sogar noch übertroffen worden.
({8})
Nun darf ich mir erlauben, den Verbänden einen Rat zu geben. Sie sollten nicht so blind sein wie damals in den 60er Jahren beim Professorenpapier. Sie sollten nicht die Nebensachen, sondern die
Hauptsache sehen, nämlich daß hier ein Beitrag zur Entwicklung der ländlichen Räume geleistet wird.
({9})
Ohne diese Vorschläge würden diese Räume doch zu einem Armenhaus werden. Das wissen wir alle.
Im übrigen darf ich die Organisation der Landwirtschaft noch .an ihr eigenes Papier erinnern, nämlich an die Leitsätze zur Strukturpolitik.
({10})
- Bitte noch einen Satz, Herr Präsident!
Einen Satz, bitte!
Noch einen Satz und einen Rat an die FDP. Machen Sie daraus keinen Wahlschlager! Die Landwirtschaft selber hat längst begriffen, daß wir mitten in diesem Umstrukturierungsprozeß sind. Sie will nur die Wahrheit erfahren, und darum geht es.
({0})
Das Wort hat Herr Kollege Logemann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte einen Sachbeitrag leisten und damit gleichzeitig das widerlegen, was Kollege Dr. Schmidt uns soeben unterstellt hat, nämlich daß wir mit unseren Aussagen versuchten, schon Wahlpropaganda zumachen.
Punkt eins, die FDP ist zur künftigen Agrarpolitik der Meinung, daß die Abwanderung in der Landwirtschaft vor allem im Rahmen des Generationswechsels weitergehen wind.
Ein Zweites möchte ich hier mit Nachdruck sagen. Wir werden uns gegen eine verstärkte Abwanderung aus der Landwirtschaft, ,die ja einer Betriebsaufgabe gleichkommt, wenn versucht wird, durch Druck auf die landwirtschaftlichen Erzeugerpreise bei steigenden Kosten die Menschen von den Höfen zu vertreiben.
Für uns lautet die Kernfrage, Herr Minister Schiller, die beantwortet wenden muß: Wenn Sie davon sprechen, daß Sie zu einer Agrar- und Wirtschaftspolitik aus einem Guß kommen wollen, sind Sie dann bereit, auch die Landwirtschaft voll 'an der Entwicklung innerhalb der konzertierten Aktion zu beteiligen? Gilt dann auch für die Bauern das, was Sie tagtäglich an Lohnsteigerungszusagen in anderen Bereichen machen? Diese Frage muß beantwortet werden. Wer hier ausweicht, der treibt die Bauern von den Häfen und vergrößert die Abwanderungsquote ins Unermeßliche.
Ein weiterer Punkt. Die FDP hat sich seit eh und je - und das gilt auch für die Zukunft - für die Erhaltung der bäuerlichen Familienwirtschaft eingesetzt. Wir sind der Meinung, daß diese Familienwirtschaften als Betriebsform auch künftig voll wettLogemann
bewerbsfähig sind. Wir bejahren - auch das darf ich hinzufügen - alle Maßnahmen zur Verbesserung 'der Leistung der Familienwirtschaften. Man soll Zusammenarbeit machen, wo sie 'angebracht ist. Wir sehen in der Kooperation allerdings kein Allheilmittel. Wir sind auch bereit zu folgen, wenn versucht wird, nun die Infrastruktur zu verbessern, oder wenn man sich bemühen will, mehr für die Verstärkung agrarsozialer Maßnahmen zu tun. Wir schließen in unsere Forderung aber mit ein die Förderung der landwirtschaftlichen Nebenerwerbsbetriebe.
Nun eine weitere Kernfrage. Wir halten es für unverantwortlich, wenn die Bundesregierung national im Alleingang versucht, so weitgehende Schrumpfungspläne zu erörtern, wie es hier jetzt geschehen ist. Wir meinen, wir können nicht zulassen, daß wir in der Bundesrepublik durch solche Pläne, durch solche Vorstellungen zu einer Verödung landwirtschaftlicher Gebiete kommen, und gleichzeitig feststellen müssen, daß in den Partnerländern dann die Steigerung der landwirtschaftlichen Produktion entsprechend weitergeht. Wir sind der Auffassung - um das ganz deutlich zu sagen -: nicht leere Kuhställe bei uns und gleichzeitig neue Ställe mit mehr Kühen in Frankreich oder in Holland! Wir sind weiter der Auffassung, daß auch hier, wenn man etwas in den Griff bekommen will, die gewerbliche und die industrielle Massentierhaltung mit in den Griff genommen werden muß, die zusätzlich ,die landwirtschaftlichen Erzeuger aus der Produktion verdrängt.
Ein weiterer wichtiger Punkt, Herr Minister Höcherl, ist für uns, daß wir verlangen müssen, daß die Mittel, die für diese Rezepte, die Sie andeuten und die hier erörtert werden, eingesetzt werden, nun auch konkret im Etat ausgewiesen werden. Der Herr Bundeskanzler hat vorgestern davon gesprochen, er habe zur Lösung agrarpolitischer Fragen kein Zauberrezept. Ich habe den Eindruck, Herr Minister Höcherl, Sie haben eins. Wenn ich an Ihre Bemühungen denke, den Bauern im Etat Geld anzudichten, das sie gar nicht bekommen, dann kann ich wohl sagen, Sie sind ein Meister der Schwarzen Magie.
({0})
Nun ein letzter Punkt. Politisches Ziel der FDP - hier muß ich Herrn Schiller widersprechen - ist und bleibt für uns die Erhaltung möglichst vieler selbständiger Existenzen auf dem Land. Nicht so wenig, sondern so viel wie möglich an Selbständigen in der Landwirtschaft, im Handwerk, in Handel und Gewerbe. Herr Minister Schiller, wenn ich bei Ihnen Bilanz mache und mir die Kosten vorstelle, die Ihr Programm erfordert, dann komme ich zu dem Ergebnis, daß solche Überlegungen, wie Sie sie für die Zukunft anstellen, volkswirtschaftlich, gesamtwirtschaftlich keinen Gewinn bedeuten. Wir müssen also rigorose Schrumpfungspläne, wie sie Herr Schiller vorgelegt hat, ablehnen. Ich bin aber auch genauso der Meinung - das möchte ich vor allen Dingen Herrn Dr. Schmidt sagen -, daß es notwendig ist, auch andere Pläne europäischer Sozialisten - ich denke an Herrn Mansholt - mit der
gleichen Deutlichkeit abzulehnen und sie nicht irgendwie als Evangelium anzusehen.
({1})
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In der gebotenen Kürze, die dem Ritual dieser Stunde entspricht, einige Bemerkungen.
Herr Kollege Ertl, wenn ich gesagt habe, in der Kleinen Koalition war es leichter, dann deswegen, weil die FDP bekanntlich aus zwei Polen besteht. Einmal aus einem altliberalen Wirtschaftspol und aus einem altkonservativen, altmodischen Agrarpol. Dazwischen konnten wir eine recht gute CDU/CSU-Politik machen.
({0})
Unsere Auffassungen über die Agrarpolitik sind mündlich und schriftlich seit geraumer Zeit in dem Agrarprogramm niedergelegt, das Sie selbst sogar anerkennen mußten. Daß auch in diesen Fragen regiert wird, werden Sie in wenigen Tagen erfahren. Ich werde zu all den maßgebenden Punkten, die wir uns damals vorgenommen hatten - und zwar des Marktstrukturgesetzes, des Vermarktungsförderungsgesetzes, Sonderprogramme in Problemgebieten, Verbesserung der Altershilfe, Rente für Landabgabe, Zuschüsse für Landabgabe und Zuschüsse zu den Ausführungskosten der Flurbereinigung usw. -, Gesetzesvorlagen und Richtlinien vorlegen, über die das Agrarkabinett spätestens in 14 Tagen befinden wird. Dann ist Ihr Bedarf an Regierungsleistungen vielleicht erfüllt.
Zu den Vorstellungen Mansholts will ich Ihnen etwas sagen. Man macht immer wieder den Versuch, Mansholt in die Diskussion dieses Hauses zu bringen. Ich darf Ihnen folgendes sagen. Mansholt hat Vorstellungen entwickelt. Ein Teil entspricht denen, die wir im Agrarprogramm niedergelegt haben. Die anderen werden von der Kommission zur Zeit entschieden. Dann wird Zeit und Gelegenheit sein, daß wir uns darüber unterhalten. Im übrigen darf man auch ein Anliegen nicht übersehen, das Mansholt vertritt, wenn er auch Lösungen vorschlägt, die wir nicht teilen, nämlich die Frage, wie man die landwirtschaftliche Bevölkerung am Wochenende an den sozialen Errungenschaften und an all diesen Dingen mehr beteiligen kann. Das ist eine menschliche Frage allerersten Ranges.
({1})
Dafür brauchen wir Lösungen, die nicht in gigantischen Betrieben, aber in anderen Formen gefunden werden müssen, weil wir nämlich sonst keine Landwirte mehr kriegen, die sich dieser Arbeit aussetzen.
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Was die Unruhe bei den Landwirten betrifft, Herr Kollege Ertl, so habe ich den Verdacht, Sie hätten dazu beigetragen.
Nur ein Wort zu den bäuerlichen Familienbetrieben.
({3})
- Zum zehnten - und zum zwanzigstenmal wiederhole ich es. Es ist ja nicht der Wissensdurst, der Sie plagt, daß Sie immer wieder die Frage stellen, ob wir zu bäuerlichen Familienbetrieben stehen oder nicht;
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das ist so oft erklärt worden. Wir sind sogar der Meinung, der der bäuerliche Familienbetrieb wegen seiner Elastizität, seiner Anpassungsfähigkeit und seiner Fähigkeit zu Dienstleistungen, zu denen ja heute viele Produktionszweige gehören, ganz besonders geeignet ist. Auch westliche Erfahrungen - in Amerika - zeigen, daß er eine bedeutsame Zukunft hat, aber im Rahmen steigender Einkommen, wie wir das haben wollen. Ich bin bereit, das auf Anforderung noch einmal zu wiederholen, schriftlich und mündlich. Ich habe das schon x-mal getan.
. Zu dem, was der Kollege Burgbacher ausgeführt hat. Ich bin sehr dankbar, daß gerade von dieser Seite einmal die Leistungen auch der EWG-Agrarpolitik für die Integration dargestellt werden. Meine Damen und Herren, die Forderung nach europäischer Zusammenarbeit, nach europäischer Kooperation ist sehr einfach zu stellen. Man kann heiße Liebesschwüre ablegen, man muß aber etwas tun. All die bisherigen platonischen Erklärungen helfen überhaupt nichts.
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Die ersten konkreten Ansätze sind in der Agrarpolitik geschaffen worden. Wenn sich die Geschichtsschreibung einmal mit dieser Phase befaßt, wird es heißen: Das war das Beförderungsmittel - wenn es überhaupt zu einer Integration kommt -, das diese entscheidende Phase getragen hat. Nun kommt der berühmte Maßstab: All diese Dinge entsprechen nicht der Weisheit. Meine Damen und Herren, der Maßstab der Weisheit ist dem Sterblichen weithin versagt. Auf praktische Ergebnisse kommt es an, und die hätte man eigentlich von anderen Bereichen erwarten müssen, die integrationsfähiger sind.
Man sollte bei dieser Gelegenheit einmal eine Rechnung aufstellen, was die Landwirtschaft geleistet hat,' was ihr an Opfern zugemutet worden ist, was für einen europäischen Beitrag sie erbracht hat und wer dabei recht gut abgeschnitten hat und es gern vertuschen will. Das sind in Ihren Kreisen sehr viele. Sie müssen das im eigenen Bereich zwischen dem stockkonservativen, altmodischen Landwirtschaftsflügel und dem altliberalen Flügel austragen; das wird eine interessante Rechnung ergeben.
Nun, Herr Logemann - damit möchte ich auch schon schließen -, zu Ihren Darstellungen und Punktationen. Ich bin mit Ihnen der Meinung, daß das Wesentlichste im Generationenwechsel geschieht. Wir brauchen die Mischung zwischen .Groß-, Familienbetrieben und den Zu- und Nebenerwerbsbetrieben, wie wir das angesichts unserer Bevölkerungsstruktur, unserer Siedlungsstruktur, unserer
Knappheit an Boden und aus vielen anderen Gründen immer wieder verlangen, aber im ständigen Fluß und in der ständigen Entwicklung, die im wesentlichen auch generationenmäßig gesteuert wird. Wir wollen bei den Älteren, bei den mittleren Jahrgängen und bei den Jüngeren ansetzen. Wir wollen ihnen bei ihren eigenen Entschlüssen, dort zu bleiben und die Landwirtschaft ergänzend, aber extensiv zu führen, um eine volle Existenz zu haben, helfen, ohne jemanden zu zwingen oder irgendwie zu etwas zu veranlassen, was nicht seiner eigenen freien Entscheidung entspricht.
Verstärkte Abwanderung: kein Mensch spricht davon.
Erzeugerpreise: Meine Damen und Herren, die Erzeugerpreise sind eine wichtige Sache für das Einkommen des Landwirts. Wir bemühen uns, wo es überhaupt nur geht, eine Anpassung nach vorn zu erreichen. Aber wir haben dabei auch mit dem Verbraucher, mit der mangelhaften Elastizität des Verbrauchs zu rechnen. Das sind die Komponenten, die bei der Preisbildung mitsprechen.
Volle Teilnahme an der Entwicklung ist nicht nur eine gesetzliche Pflicht, sondern ist auch unsere politische Absicht.
Was die Konzertierte Aktion betrifft: In der Konzertierten Aktion wird nicht entschieden. Entschieden wird nach den Richtlinien des Bundeskanzlers im Bundeskabinett, und diese Entscheidungen gehen in die Konzertierte Aktion, um dort in weiteren Bereichen um Verständnis für sie zu werben. Auch ich hätte es mir gewünscht, daß die Landwirtschaft beteiligt wäre, und zwar institutionsmäßig. Man sollte sie zumindest beiziehen, nachdem das Gesetz die Ausdehnung auf die Landwirtschaft nicht vorgesehen hat.
Was die Frage des Alleingangs im nationalen Strukturbereich betrifft, - meine Damen und Herren, ich weiß nicht, ob dieser Alleingang, den wir in ganz moderner Weise versuchen, nicht befruchtend auf die Absichten der Kommission wirkt. Ich habe Meldungen und Informationen darüber, daß unsere Überlegungen strukturpolitischer Art weitgehend auch in der Kommission Anklang gefunden haben. Auf diese Weise hätten wir einen wichtigen Beitrag für eine gemeinsame europäische Strukturpolitik in nationaler Verantwortung geleistet. So wollen wir das haben.
Was die Problematik der Massentierhaltung betrifft, stimme ich Ihnen zu, Herr Logemann. Die Dinge sind so, daß unsere Rechtsordnung die Lösungsmöglichkeiten, die wir angestrebt haben, nicht bietet. Es ist die deutsche Delegation, die mit zunehmendem Erfolg ihre europäischen Partner für dieses Problem zu interessieren weiß.
({6})
Zum erstenmal sind auch von Partnerstaaten, die sich bisher strikt ablehnend verhalten haben, zustimmende und freundliche Äußerungen gekommen. Das Problem ist nicht ganz so einfach.
Von „Schrumpfungsplänen" kann überhaupt nicht die Rede sein. Wir haben eine dynamische und in
ständiger Fortbildung befindliche Wirtschaft. In allen Bereichen haben wir Entwicklungen, die sich im Endergebnis dadurch rechtfertigen müssen, daß sie den beteiligten Menschen ein besseres Einkommen und eine bessere Situation verschaffen. Das ist die Aufgabe jeder Art von Politik und auch der Agrarpolitik, nicht etwa, irgendwelche Garantien für alle möglichen Einheiten und für alle möglichen Erscheinungen aus der Vergangenheit zu geben. Welche besseren Einkommenschancen und welche soziale Besserstellung können wir der landwirtschaftlichen Bevölkerung bieten? Das ist die Aufgabe. Dabei ist - und das muß man gerechterweise sagen - auf dem Bildungssektor mit diesem breitgefächerten, bis in das letzte Dorf hineinreichenden Angebot an Bildungsmöglichkeiten so unendlich viel geschehen, daß man diesen Punkt nicht außer acht lassen darf. Er ist vielleicht sogar wichtiger als irgendeine ständig wiederholte und dadurch nicht glaubwürdigere Forderung, die von Ihrer Seite aus verständlichen Gründen in diesem letzten Jahr der Legislaturperiode erhoben wird.
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Das Wort hat Herr Kollege Struve.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, es ist niemand im Hohen Hause, der vorausschauend den ungeheuren Strukturwandel richtig eingeschätzt hat, der uns in den zurückliegenden zehn Jahren in unserer modernen Industriegesellschaft begleitet hat. Es ist deshalb, Herr Professor Schiller, auch sehr gefährlich und für die Betroffenen lebensgefährlich, wenn man im voraus in Zahlen abschätzt, was sich in den nächsten zehn Jahren vollziehen wird.
({0})
Keiner von uns - und die Betroffenen am wenigsten - wird Entwicklungstendenzen ausweichen, die die moderne Gesellschaft nun einmal mit sich bringt. Wir dürfen aber auch nicht vergessen, daß die Agrarpolitik im Rahmen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft sehr stark von politischen Entscheidungen, auch dieses Hohen Hauses und der Bundesregierung, mit bestimmt wird. Das bedeutet, daß sich dieser Strukturwandel wahrscheinlich beschleunigt statt verlangsamt; das bedeutet, daß die Landwirtschaft, die aus selbständigen wirtschaftlichen Unternehmen besteht, in ihrer Existenz besonders gefährdet ist. Der Lohn ihrer. Arbeit, die Preise, werden im Rahmen der EWG bestimmt. Auf der anderen Seite aber, weil wir in der Gemeinschaft ein Hochpreisland sind, werden unsere Kosten durch nationale Entwicklungstendenzen eindeutig eine Richtung nach oben anzeigen.
Herr Minister Schiller, was die Veröffentlichungen und Äußerungen aus Ihrem Hause angeht, so wird keiner Ihren Mitarbeitern das Recht bestreiten, die Dinge im voraus zu errechnen und zu kalkulieren. Aber täuschen wir uns nicht: bei den Betroffenen - und das gilt für die deutsche Landwirtschaft
- entsteht dadurch der Eindruck, daß die Landwirtschaft auf der Einnahmeseite mit ihren Preisen unter einen politischen Druck gesetzt wird, den wir bestimmen, und daß sie umgekehrt auf der Kostenseite, die für den Unternehmer nicht minder wichtig ist, in Zielvorstellungen hineingezogen wird, die von einer fast automatisch im voraus berechneten alljährlichen Lohn- und Gehaltssteigerung begleitet werden. Hier die Enden zusammenzubringen, das ist für die Betroffenen so ungeheuer schwer.
Deshalb würde ich sagen: Das Gefährliche an dieser Studie ist in der Fragestunde bereits von unserem Bundesernährungsminister und durch weitere Beiträge beleuchtet worden. Blicken wir nach vorn; seien wir uns gemeinsam darüber im klaren, daß ein Überbetonen der Strukturpolitik Gefahren in sich birgt, daß von dem Geschehen in der deutschen Landwirtschaft und den in ihr schaffenden und lebenden Menschen eine Preis-, eine Handels- und eine Marktpolitik, so wie sie auch für alle anderen übrigen Wirtschaftszweige gilt, nicht zu lösen ist und daß wir die Chancen dort nutzen müssen, wo sie gegeben sind. Sie sind in einzelnen Bereichen gegeben. Die EWG-Marktordnungen sind - genau wie Anfang der 50er Jahre die Marktordnungen in deutscher Zuständigkeit -, weil sie Kompromisse der Sechs sind, nicht auf einen Wurf gelungen. Wie könnte es auch anders sein? Nicht einmal auf der nationalen Ebene war es uns gelungen.
Wir müssen also die Bundesregierung bitten, ja wir müssen als Parlament darauf dringen und die Bestrebungen des Europaparlaments mit stützen, daß man im Rahmen der Kommissionsvorschläge - und in Verbindung damit beim Gegenstück im Ministerrat - dort zügiger und schneller Korrekturen vornimmt, wo sie zwingend notwendig und nachweisbar richtig sind.
({1})
Und ein Weiteres: Vergessen Sie bei diesen Überlegungen nicht, daß Sozial- und Bildungspolitik ebenso wichtige Bestandteile wie die Strukturpolitik sind. Nur durch das Zusammenwirken aller wird der Weg nach vorn für die Betroffenen und für unser Volk gangbar sein.
({2})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Ravens.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst, so glaube ich, muß man in Erinnerung rufen, daß die Studie des Bundeswirtschaftsministeriums die Überschrift „Entwurf eines neuen regionalen Förderungsprogramms" trägt und nicht die Überschrift „Entwurf eines Agrarprogramms". Ich glaube, daran muß man an dieser Stelle erinnern.
Nun ein Zweites zu Ihnen, Herr Kollege Ertl - ich sehe ihn gar nicht mehr - -({0})
- Entschuldigung. Ich muß sagen, für diese Fragen, von denen Sie sagten, daß sie Lebensinteressen der deutschen Landwirtschaft berührten, scheint mir das Interesse bei der FDP doch nicht sehr groß zu sein. Schauen Sie sich einmal um!
({1})
Ich meine, dieses Hohe Haus und die Bundesregierung dürfen nicht in den Verdacht kommen, zu handeln wie die weisen Affen: nichts hören, nichts sehen und nichts sagen. Wer von uns hat es noch nicht erlebt, daß er draußen auf dem Lande in Veranstaltungen in landwirtschaftlichen Gebieten gefragt wird, immer wieder drängend gefragt wird: Wie geht es eigentlich weiter? Wir wollen von euch die Wahrheit wissen, damit wir uns auf die Entwicklung einstellen können!
({2})
Vor dieser Wahrheit dürfen wir nicht zurückschrekken. Wir müssen mindestens so weit, als wir schauen können, den Menschen sagen: So etwa kann sich die Entwicklung ergeben.
Meine Damen und Herren, wir sind gefragt worden, und wir haben Antwort zu geben. Wir haben auch Antwort zu geben auf die Leitsätze zur Strukturpolitik, die der Deutsche Bauernverband am 15. Juni dieses Jahres herausgegeben hat. Da heißt es:
Ziel der Strukturpolitik muß es sein, den Betriebsleitern, ihren Familienangehörigen und den Landarbeitern eine sichere Existenz im ländlichen Raum zu ermöglichen. Es ist nicht entscheidend, ob diese Existenz in landwirtschaftlichen Voll-, Zu- oder Nebenerwerbsbetrieben oder auch außerhalb der Landwirtschaft gefunden wird.
Soweit die Forderung des Deutschen Bauernverbandes.
Wie ist die augenblickliche Situation? Seit 1950 sind 2 Millionen Menschen aus der Landwirtschaft ausgeschieden, allein von 1956 bis 1965 1,4 Millionen, ohne ausreichende Umstellungshilfen, mit unzureichenden Umschulungshilfen und mit nicht ausreichenden Auffanghilfen im sozialen Bereich. In der Rezession des vergangenen Jahres haben wir die Folgen erlebt. In Heide, in Leer, in Deggendorf und in Passau haben wir weit über das Normalmaß hinausgehende Arbeitslosenzahlen von 19 % und 20 % gehabt. Ein Großteil dieser Arbeitslosen waren ehemalige freie Bauern und ehemalige Landarbeiter, weil sie mit unzureichender Ausbildung keine Chancen hatten, in einen neuen Beruf hineinzukommen, und weil sie bei der unzureichenden Ausstattung von gewerblichen Arbeitsplätzen in diesen Räumen keinen sicheren Arbeitsplatz finden konnten.
Der Prozeß des Abwanderns geht weiter. Ich glaube, darüber können wir uns nichts vormachen. Die ökonomischen Verhältnisse werden stärker sein. Da helfen uns keine Sprüche weiter, daß in Deutschland jeder Bauer bleiben könne, der Bauer bleiben wolle. Dieser Spruch ist sogar gefährlich, weil er den, der unter dem Druck der Verhältnisse
ausscheiden muß, zu dem Selbstschuldigen stempelt, um den wir uns dann angeblich nicht mehr zu kümmern brauchen.
Wir begrüßen es deswegen, daß sich das Bundeswirtschaftsministerium Gedanken über die zukünftigen möglichen Entwicklungen gemacht hat. Hier sind Hypothesen aufgestellt worden, und ich habe den Eindruck, daß wir hier über Nebensachen streiten, ohne zu sehen, was denn dieses Programm bedeutet.
Hier wurde von der FDP gesagt, dieses Programm beinhalte, daß 1,4 Millionen Menschen ausscheiden würden. Es sei ein Schrumpfungsplan. Meine Damen und Herren von der FDP, dieses Programm beinhaltet, daß jährlich in landwirtschaftlichen, in ländlichen Gebieten 20 000 neue gewerbliche Arbeitsplätze geschaffen werden sollen.
({3})
Dieses Programm hat zum Inhalt, daß unter einem Aufwand von etwa 330 Millionen DM jährlich in den Gemeinden und Städten im agrarstrukturellen Raum eine Förderung von Bildungseinrichtungen, von Fortbildungseinrichtungen, eine Förderung der Abwasserbeseitigung, eine Förderung der Infrastrukturmaßnahmen in diesem Bereich möglich gemacht werden sollen. Mit diesem Programm kann und soll erreicht werden, daß die Voraussetzungen für das Leben der Menschen im ländlichen Raum allgemein verbessert werden. Ich glaube, das muß man hier einmal in Erinnerung rufen.
Wir sind dem Bundeswirtschaftsminister dafür dankbar, daß er sich Gedanken über die zukünftige Entwicklung unserer unterentwickelten Gebiete gemacht hat. Das haben alle Fraktionen dieses Hauses am 19. Januar 1968 in der Strukturdebatte von ihm verlangt.
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Das Wort hat der Abgeordnete Peters.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir sind für eine sinnvolle Agrarstruktur- und auch für eine sinnvolle Regionalpolitik, die zu einer modernen ländlichen Struktur führt. Sie bedarf aber gleichzeitig einer Finanzierung. Wir wissen seit der heutigen Debatte, daß das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten und das Kabinett Zielvorstellungen haben und das Wirtschaftsministerium eine Studie und Hypothesen erstellt hat.
Ich stelle aber fest, daß für all das weder im Haushalt 1969 noch in der mittelfristigen Finanzplanung Geld zur Verfügung gestellt worden ist. Das scheint das Entscheidende zu sein. Der Finanzminister hat gestern gesagt, daß zusätzlich 265 Millionen DM für das Höcherl-Programm bereitgestellt werden. Es ist aber festzustellen, wenn man einen Querschnitt durch den Agrarhaushalt macht, daß die Agrarstruktur im Vergleich des Jahres 1969 zu 1968 um 292 Millionen DM gekürzt wird und daß beim Küstenschutz dazu noch um 52 Millionen DM gekürzt wird.
Peters ({0})
Das sind zusammen 344 Millionen DM Kürzungen, denen 265 Millionen DM für das Höcherl-Programm gegenüberstehen. Aus den letzten Jahren ist festzustellen, daß die Strukturpolitik 1967 noch mit 1,6 Milliarden DM gefördert wurde, 1968 mit 1,4 Milliarden DM gefördert wird und 1969 mit 1,1 Milliarden DM gefördert werden soll. Das ist also eine völlig abfallende Linie.
Wenn Sie die mittelfristige Finanzplanung nehmen, dann sehen Sie, daß das Gesamtvolumen des Agrarhaushalts 1969 5,5 Milliarden DM, 1970 5,1 Milliarden DM, 1971 4,9 Milliarden DM und 1972 5,2 Milliarden DM beträgt, - bei laufend steigenden Beträgen für die EWG- Agrarpolitik und folglich fallenden Beträgen für innerdeutsche Maßnahmen!
Ich weiß also nicht, woher die Regierung, das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten und das Bundesministerium für Wirtschaft die Erwartung hernehmen, daß in den nächsten Jahren für Regionalmaßnahmen und für agrarstrukturelle Maßnahmen mehr Geld vorhanden sei. 1970 werden 1,03 Miliarden DM EWG-Anpassung wegfallen, und dafür wird ein Plus von 770 Millionen DM als Höcherl-Plan vorhanden sein. Diese EWG-Anpassung, die wegfällt, erstreckte sich bisher auf Landarbeiterwohnungsbau, Investitionsbeihilfen, Altershilfe, landwirtschaftliche Unfallversicherung und Rationalisierung der Vermarktung. Ich glaube nicht, daß Sie, wenn diese Positionen wegfallen, in der Lage sind, sie durch andere Haushaltsmittel wieder aufzufüllen. Das bedeutet, daß Sie für zusätzliche Agrarmaßnahmen keine Mittel haben, weder im Haushalt 1969, noch in der mittelfristigen Finanzplanung.
So wird Ihr Programm, sei es die Studie von Herrn Schiller, sei es das Programm von Herrn Höcherl - das ja die Genehmigung des Kabinetts erfahren hat -, zu einem Plan ohne bereitgestelltes Geld. Das ist für uns alle das Bedauerliche. Wenn Sie noch auf die weitere Planung von Herrn Schiller hinauswollen, die Agrarstruktur in der Weise zu verändern, daß Sie zu 30- bis 60-ha-Betrieben kommen: dann brauchen Sie in zehn Jahren 120 bis 150 Milliarden DM. Das wären 8 bis 10 Milliarden DM im Jahr. Hinzu kommen die zusätzlichen Maßnahmen für die Regionalstruktur, wie es eben von Herrn Ravens gesagt wurde, die 330 Millionen DM im Jahr erfordern, für das Altersruhegeld 850 Millionen DM, für die Nachversicherung 730 Millionen DM und für die Pendlerhilfe 30 Millionen DM, also noch einmal 2 Milliarden DM. Herr Ravens, für all diese Projekte ist weder im Haushalt noch in der mittelfristigen Finanzplanung Geld vorhanden. Das müssen Sie erst bereitstellen.
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Das Wort hat jetzt Herr Kollege Röhner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Niemand bedauert mehr als ich - nach den Ausführungen des Herrn Kollegen Peters -, daß auch mir natürlich nur die fünf Minuten zur Verfügung stehen können. Es ist einfach nicht möglich, in fünf Minuten auf dieses schimmernde Zahlenwerk von Herrn Peters sachlich und ausführlich genug einzugehen.
Ich darf mich vielleicht auf die Bemerkung beschränken, Herr Kollege Peters, daß fernab von der Richtigkeit und Unrichtigkeit Ihrer Auf- und Abrechnung es entscheidend sein dürfte, daß im Agrarprogramm der Bundesregierung und im Haushalt 1969 vorgesehen ist, eine Reihe von Maßnahmen zu finanzieren, und daß es auf unsere Arbeit - auf die Arbeit des Haushaltsausschusses und des Parlaments - ankommen wird, bei diesen Maßnahmen - so da sind Vermarktungsförderungsgesellschaft, Marktstrukturgesetz, Sonderprogramm für die Problemgebiete, Verbesserung der Altershilfe, Rente für die Landabgabe und-und-und - aus jenen zusätzlich zur Verfügung gestellten 265 Millionen DM im Haushaltsjahr 1969 eben das Optimale zu machen. Ich bin der Meinung, es ist ein Ansatz, und es ist ein guter Ansatz. So weit zu den Ausführungen von Herrn Kollegen Peters.
Lassen Sie mich nunmehr auch zu der sonstigen Debatte noch einige Bemerkungen machen. Es ist in der Tat so, daß in den letzten Wochen und Monaten so etwas wie eine agrarpolitische Kulmination in der Diskussion stattfindet: Mansholt-Programm, Agrarprogramm der Bundesregierung, auch Höcherl-Programm genannt, und nun die Arbeitsstudie vom Bundeswirtschaftsminister Schiller. Ich habe den Eindruck, daß alle diese Papiere und diese Programme im Letzten darauf hinauslaufen, daß nach einer echten Alternative gesucht wird zwischen der Preispolitik, der Strukturpolitik und der Sozialpolitik.
Lassen Sie mich, weil das heute der Anlaß zu der Aktuellen Stunde war, ein paar ganz kurze Bemerkungen zu dieser Arbeitsstudie des Bundeswirtschaftsministers machen. Ich stehe nicht an, ausdrücklich zu sagen, Herr Wirtschaftsminister: ich war nahezu erlöst, daß nun endlich aus Ihrem Haus auch in Richtung Landwirtschaft Pläne und Gedanken über Entwicklungen gepflogen werden, die doch erkennen lassen, daß man in Ihrem Haus nunmehr davon Abstand nimmt, es im landwirtschaftlichen Bereich mit dem Laissez-faire genug sein zu lassen, sondern daß man ebenfalls für den landwirtschaftlichen Bereich nicht nur an maximale Wachstumsraten, sondern auch an eine entsprechend gerechte Einkommensverteilung herangeht.
Aber - und das möchte ich mit aller Deutlichkeit aussprechen - mir mißfällt, daß in dieser Studie das Produktivitätsgefälle für das Preisgefälle verantwortlich gemacht wird. Ich glaube, für diese These fehlt einfach der Beweis. Denn die Produktivität ist letztlich ein Mengenbegriff. Es kommt auf Angebot und Nachfrage an. Die Landwirtschaft mit ihren kolossalen Anpassungsschwierigkeiten, die Landwirtschaft, die ständig einem verzerrten Weltmarktpreissystem ausgeliefert ist, kann im Letzten nicht nach gleichen Gesetzen gemessen werden. Ich halte das für eine fundamentale Tatsache.
Lassen Sie mich noch ein Zweites, das mir aufgefallen ist, hier aussprechen: das ist die Überbetonung der strukturellen Lösungsmöglichkeit - der Herr Kollege Struve hat bereits darauf hingewiesen - in diesem Papier, in dieser Arbeitsstudie. Ich mache es mir nicht so einfach, daß ich einfach sage „Aus vier mach eins", aber ich bin der Meinung, daß es auch bei der ferneren Zielsetzung darum geht, Übergangslösungen zu finden. Denn was nützen uns langfristige Zielprojektionen, Pendlerprämien, Nachversicherungen usw., wenn nicht zuvor die Arbeitsstätten geschaffen werden, in die die Menschen gegebenenfalls einströmen können?
Lassen Sie mich ein Drittes zu dem Haushaltsproblem sagen, das mit diesem Papier verbunden ist. Ich halte es nicht für ganz realistisch, wenn man hier bei einer Kapitalisierung Milliarden errechnet, die als Zusatzaufwendungen für neue Arbeitsplätze ebenso wie für neue Ausstattungen in einem ganz bestimmten landwirtschaftlichen Bereich erforderlich sein würden, wenn man dabei - und das scheint mir das Entscheidende zu sein - den Preis, nämlich den landwirtschaftlichen Erzeugerpreis, wie es offensichtlich in Ihrem Papier geschehen ist, Herr Wirtschaftsminister Schiller, außer acht läßt.
Bei der Behandlung der Finanzierungsfragen fällt mir überhaupt auf, Herr Wirtschaftsminister, daß Ihr Haus
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hier sehr zurückhaltend verfahren ist, nämlich immer dann, wenn es um Maßnahmen geht, die den eigenen Haushalt beanspruchen würden, offensichtlich nach dem Motto: Aus dem Leder anderer Leute lassen sich leichter Riemen schneiden. Ich möchte feststellen - und darum geht es mir -, daß der Agrarhaushalt für diese notwendigen Maßnahmen nicht zusätzlich in Anspruch genommen werden darf, sondern daß zuerst und hauptsächlich über den Preis an eine zukünftig vernünftige Finanzierung der Anpassung und des Einkommens gedacht werden muß.
Ich darf noch daran erinnern, daß auch bei der Lösung -
Herr Kollege, Sie dürfen jetzt nicht mehr.
Kann ich den Satz zu Ende führen?
Nein, Sie haben schon mehrere zu Ende geführt. Es geht leider nicht. Sie tun das auf Kosten anderer Kollegen.
Ich bedanke mich.
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Verzeihen Sie bitte! Es tut mir gerade in Ihrem Falle sehr leid.
Das Wort hat Herr Kollege Fellermaier.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf hier nochmals folgendes in den Mittelpunkt rücken. Die Studie aus dem Bundeswirtschaftsministerium geht von einer Veränderung der Strukturpolitik im allgemeinen aus. Wir sollten deshalb auch dankbar anerkennen, daß das Bundeswirtschaftsministerium bei dieser Entwicklung einer Reihe von Fragen in den Vordergrund stellt, die eben dafür entscheidend sind, ob das Agrarprogramm der Bundesregierung zum Tragen kommt.
Es geht in diesem Papier um zwei bemerkenswerte Dinge, nämlich einmal darum, daß der Bundeswirtschaftsminister den Begriff des ländlichen Raumes auch dadurch ausfüllen will, daß durch ein Gesamtprogramm in der Zusammenarbeit zwischen dem Bund und den Bundesländern, die hier auch eine Aufgabe zu erfüllen haben, im Wege der Strukturveränderung die Arbeitsplätze und auch die Verkehrswege mit geschaffen werden, die notwendig sind, damit es zu einer positiven Strukturveränderung kommt.
Was wir nun - ich sage das für die sozialdemokratische Fraktion - von der Bundesregierung erwarten, ist, daß das, was an Ideen in diesen Papieren, in den Höcherl-Papieren wie auch in den Schiller-Papieren, vorhanden ist, in einem Extrakt zusammengefaßt wird und sich in einer besseren Koordinierung der Instrumente niederschlägt, die bisher zur Bewältigung dieser Fragen eingesetzt worden sind. Was wir hier erwarten, ist, daß das Agrarkabinett, das in wenigen Tagen zusammentritt, einen Extrakt herausfiltert und dieser Extrakt dann zu echten Vorlagen der Bundesregierung, zu einzelnen Gesetzentwürfen, führt. Auf der Grundlage der Gesetzentwürfe,. Herr Kollege Ertl, werden Sie dann die Leistungen der Bundesregierung zu messen haben. Sie sollten sie nicht an einer Studie messen, sondern Sie sollten dafür dankbar sein, daß mit der Studie ein Ansatz dafür gegeben worden ist, daß es zu einem Niederschlag in gesetzlichen Formulierungen kommt.
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- Lassen Sie sich überraschen! Sie waren sicherlich auch angenehm überrascht, daß die sozialdemokratische Bundestagsfraktion mit der Vorlage eines Agrarstrukturgesetzes einen eigenen Beitrag geleistet hat, um die Grundlage dafür zu schaffen, daß das Ausscheiden aus der Landwirtschaft ohne große Schmerzen vor sich gehen kann, daß es sich nahtlos ineinander übergehend vollziehen kann.
Deshalb erwarten wir auch von der Bundesregierung bei der Vorlage der Gesetze eine Antwort auf die vielen Fragen aus dem Bereich der Sozialpolitik, weil wir glauben, daß auch hier noch ein besserer Unterbau im Interesse der ausscheidenden Menschen aus der Landwirtschaft geschaffen werden muß.
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Das Wort hat jetzt Herr Kollege Bewerunge.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren: Ich glaube, keiner hier im Hause ist .der Meinung, daß es nicht sinnvoll sei, sich Studien für irgendwelche Vorgänge der Wirtschaft, im Leben, in der Politik zu erarbeiten. Sie sind sogar bitter notwendig. In dem komplexen Bereich „Agrarpolitik, Agrarwirtschaft und Strukturpolitik" sind Studien notwendig. Wir sind auch der Meinung, daß wissenschaftliche Äußerungen zu diesem Bereich, selbst wenn sie noch so hart sind, notwendig sind. Aber wenn ich eine Studie aus idem Bereich des Wirtschaftsministeriums nehme und sie in einer Pressekonferenz veröffentliche, wird diese Studie Politik. Wenn die Politik die Kunst der Staatsführung ist, so muß ich ganz offen sagen: Mir hat es leid getan, daß sich dieses Zahlenspiel in Schlagzeilen in der ganzen Öffentlichkeit entwickelte. Ich wurde prompt abends in einer Bauernversammlung gefragt: „Bitte, wo stehe ich auf der Streichliste?" Und das in einer Zeit, wo die Landwirtschaft sich bemüht, im Rahmen der EWG wettbewerbsfähig zu sein.
Meines Erachtens ist es auch 'deshalb notwendig, sich mit der Studie zu beschäftigen - das kann man nicht in fünf Minuten -, weil in ihr einige offensichtlich falsche Darstellungen enthalten sind. Es steht dort wörtlich: „Die Erhaltung von Nebenerwerbsbetrieben scheint 'darüber hinaus unter Kostengesichtspunkten nicht angebracht." Meine Damen und Herren, eine solche Äußerung ist grundfalsch. Es gibt in der ganzen Welt keine Landwirtschaft, in der nicht alle Betriebsgrößen, Neben-, Zu- und Vollerwerbsbetriebe, bestehen.
Es steht ein Zweites in der Studie:
Eine aktive Preispolitik für Agrarerzeugnisse wird auf mittlere Sicht nicht zu einer Erhöhung der Einkommen 'aus landwirtschaftlichen Produkten führen, sondern wegen der allgemeinen Interdependenz von Preisen und Löhnen sehr bald einen ,allgemeinen Anstieg des Lohn- und Preisniveaus bewirken.
Herr Minister 'Schiller, ist das, was hier steht, zu verantworten? Ist es nicht doch etwas schwierig, wenn wir hören, daß 'der Wirtschaftsminister 6 %ige Lohnerhöhungen empfiehlt und hier sagt: Das Ansteigen der Preise wird der Landwirtschaft nicht gut tun, es wird Lohnerhöhungen zur Folge haben? Widerspricht sich der Wirtschaftsminister hier nicht selbst? Und ist Ihnen nicht bekannt, daß der Anteil der Erzeugererlöse 'an der Preisbildung nur noch 16 % beträgt, während der gesamte Anteil der Nahrungsmittelkosten nur noch bei 32 %, 33 % liegt.
Ich glaube, das sind Ärgernisse, die einmal ausgebügelt werden müssen. Die Landwirtschaft ist nicht glücklich darüber, daß bei jeder Preiserhöhung im eigenen Bereich politische Emotionen hochkommen, wo doch jeder Wirtschaftler weiß, daß der Preis genau wie in allen Bereichen auch hier ein ökonomisches Mittel ist.
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Deshalb sind diese Äußerungen für mich sehr unangenehm.
Lassen Sie mich den Gedanken - ich weiß nicht, wie lange ich noch Zeit habe - von Herrn Röhner zu Ende führen. Herr Minister Schiller, es wäre ein Unglück, wenn wir uns in 'bezug auf den Einzelplan 10 - Landwirtschaft -, hinsichtlich dessen wir uns draußen schon sagen lassen müssen, daß wir für die Wasserversorgung, für die Entwässerung, für den Wirtschaftswegebau im ländlichen Bereich und auch für den Küstenschutz geradestehen müssen - all das wird in der Öffentlichkeit als Subvention für die Landwirtschaft bezeichnet -, auch noch sagen lassen müßten: Es werden jetzt auch noch Fabriken im ländlichen Raum aus Mitteln des Einzelplans 10 gebaut. Mir scheint es notwendig zu sein, für die Regionalpolitik mindestens so viel Energie aufzubringen wie für 'das Städtebauförderungsgesetz, meines Erachtens sogar mehr, weil diese Problematik im ländlichen Raum so deutlich ist, daß eine Regionalpolitik dort mit mehr Mitteln aus dem Titel des Wirtschaftsministeriums unterstützt werden müßte.
Aber, meine Herren von der FDP, ich muß Ihnen sagen, etwas hat mich an der ganzen Geschichte geärgert; wir haben Ihnen sofort geholfen, damit Sie Ihre 30 Leute zusammenbekommen haben. Wir stellen fest, das Interesse ist bei Ihnen auf fünf Leute zusammengeschrumpft. Wenn ich aber lese, daß die FDP auf Grund der Äußerungen des SPD-Wirtschaftsministers und des CDU/CSU-Landwirtschaftsministers nur mit Bestürzung feststellen könne, die Große Koalition sei im Begriff, immer mehr Bauern „zu opfern", so nenne ich das übelste Demagogie.
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Seien Sie überzeugt, die Landwirtschaft draußen weiß ganz genau, daß die Welt nie durch große Versprechungen geändert wird, sondern nur durch Taten. Mir wäre eine sachlichere Agrarpolitik von Ihrer Seite viel sympatischer. Ich meine, darin tun sich auch politische Tendenzen auf, die man der Landwirtschaft nicht wünschen würde.
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({3})
Das Wort hat der Abgeordnete Wächter.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich sehe meine Aufgabe im Rahmen dieser Aktuellen Stunde darin, mich mit den Ausführungen der Vorredner auseinanderzusetzen.
Zunächst zu Ihnen, Herr Bewerunge! Sie waren ja der letzte Redner. In dem Augenblick, als Sie sagten, von der FDP säßen nur noch fünf Leute im Saal, habe ich festgestellt, daß es zehn waren.
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Neigen Sie dazu, um 100 % zu untertreiben oder zu
übertreiben? Wenn ich diese Zahl von zehn Leuten
in Vergleich stelle zu der Zahl der anwesenden
CDU-Kollegen, dann, glaube ich, liegen wir vorn im Rennen.
({1})
Meine Damen und Herren, ich wollte einen Gedanken nicht untergehen lassen, den der Kollege Ertl heute in seinem ersten Beitrag aufgegriffen hat. Es ist der, daß man in landwirtschaftlichen Versammlungen immer von CDU-Kollegen oder CDU-Mitgliedern hört: wir haben ja keine Schuld, das ist der böse Professor Schiller. Früher war es so, daß man sagte: wir haben ja keine Schuld, das ist der böse Finanzminister Dr. Dahlgrün bzw. Dr. Starke. Die Aufmerksamkeit dorthin lenken, wohin sie gelenkt werden muß, auf den Bundesfinanzminister Strauß, - das tun Sie einfach nicht.
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Im Laufe dieser Debatte ist zunächst einmal in der Fragestunde sichtbar geworden, daß es erhebliche Differenzen zwischen dem Bundeslandwirtschaftsminister und dem Bundeswirtschaftsminister nicht gibt. Aber die Beiträge der verschiedenen Kollegen, insbesondere von der CDU/CSU, haben doch sehr stark sichtbar gemacht, wie unterschiedlich die Auffassungen zwischen der CDU/CSU und dem Bundeswirtschaftsminister sind. Ich denke an das, was insbesondere auch Herr Struve hier vorgetragen hat, an das, was Herr Gleissner in der Fragestunde vertreten hat, und an das, was zum Schluß Herr Bewerunge und was die verschiedenen Sprecher der CDU gesagt haben. Ich glaube also - und das soll zunächst meine Feststellung sein -, daß es Aufgabe des Bundeskanzlers wäre, hier entsprechend seiner Richtlinienkompetenz einmal klarzustellen, wie die unterschiedlichen Auffassungen zu schlichten oder von seiner Seite zu entscheiden sind.
Es sind hier noch manche andere Probleme angesprochen worden. Wenn ich die Zeit hätte, würde ich insbesondere auch auf die Probleme eingehen, die uns oben an der Küste in den norddeutschen Futterbaubetrieben beschäftigen und viel Sorge machen. Das hat mein Kollege Peters schon einmal getan, und auch Sie, Herr Röhner, haben es angesprochen. Hier handelt es sich um Sorgen von eminenter Bedeutung, die in der entsprechenden Form nachher bei unseren Haushaltsberatungen berücksichtigt werden müssen.
Ich begrüße es, daß ich hier den Bundeskanzler ansprechen konnte, und ich hoffe, daß er jetzt von sich aus noch einmal das Wort ergreifen wird.
({3})
Meine Damen und Herren! Die Aktuelle Stunde ist zu Ende.
Wir kehren zurück zu der Aussprache zu den Punkten 4 und 5 unserer Tagesordnung:
4. Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung
5. a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1969 ({0})
- Drucksache V/3300 -
b) Beratung der von der Bundesregierung vorgelegten Finanzplanung des Bundes 1968 bis 1972
- Drucksache V/3299 -
c) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes über das Beteiligungsverhältnis an der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer
- Drucksache V/3332 -
d) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Länderfinanzausgleichsgesetzes 1965
- Drucksache V/3333 Das Wort hat der Herr Bundeskanzler.
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Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich wollte eigentlich das Wort nicht nehmen, um noch einmal zur Landwirtschaftspolitik zu sprechen. Ich glaube, besser, als es der Herr Kollege Struve vorhin getan hat, kann man die Probleme gar nicht umreißen.
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Man kann eben nicht immer durch ein paar Sätze - auch nicht durch ein paar Richtliniensätze - ein kompliziertes Gebiet, wie .es unsere Agrarpolitik nun einmal ist, festlegen.
Wir haben ein Agrarprogramm entworfen. Wir haben eine bestimmte klare Konzeption vorgelegt. Wir bemühen uns, für diese Konzeption auch die notwendigen finanziellen Mittel aufzubringen. Ich habe außerdem schon gesagt, daß auch ich zu denen gehöre, die glauben, daß man nicht allzu leicht bereit sein darf, auf lange Fristen Prognosen zu stellen in einem Gebiet und in einem Zusammenhang, den wir einfach nicht mit mathematischer Sicherheit voraussagen können.
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Niemand von uns ha je gesagt, daß derjenige Bauer bleiben könne, der Bauer bleiben wolle. Einer der Herren sagte das heute früh. Das ist jedenfalls weder die Politik des Bundeskanzlers noch die der Bundesregierung noch die Politik des Vorsitzenden der Christlich-Demokratischen Union. Ich muß mich ja manchmal daran erinnnern, daß ich .auch das letztere bin.
Meine Damen und Herren, ich habe es immer so formuliert, daß ich sagte: Wir wollen dafür sorgen, daß jeder Bauer bleiben kann, bei dem die Voraussetzungen für die Existenzfähigkeit und der Wille zu dieser Existenz vorhanden sind. Das ist, glaube ich, die Formel, auf die man sich einigen
Deutscher Bundestag_- 5. Wahlperiode Bundeskanzler Dr. h. c. Kiesinger
kann, und an uns liegt es, zu sehen, wo und wie diese Voraussetzungen für die Existenzfähigkeit geschaffen werden können und - seien wir ehrlich! - wo nicht. Das ist das Problem.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Herr Bundeskanzler?
Bitte sehr!
Herr Bundeskanzler, in dem Bewußtsein, daß Sie sich sicherlich nicht nur manchmal, sondern stets dessen bewußt sind, daß Sie der Vorsitzende der Christlich Demokratischen Union sind, frage ich Sie: Stimmen Sie mir zu, daß Sie, wenn Sie in diesem Amt und von diesem Platz aus sprechen, als Bundeskanzler sprechen?
({0})
Verehrter Herr Kollege Schmidt, das würde ich nicht zugeben. Ich würde sagen müssen: Sie können den Bundeskanzler nicht einfach zu einer pouvoir neutre erklären. Das ist der Bundespräsident; der Bundeskanzler ist es nicht.
({0})
Aber wenn ich Aussagen als Bundeskanzler mache, sage ich dann in Zukunft, wenn Sie so wollen: Jetzt spreche ich als Vorsitzender der Christlich Demokratischen Union. Vielleicht hilft Ihnen das zu einem freundlichen Einvernehmen.
({1})
Für das, was jetzt kommt, werde ich als Bundeskanzler sprechen, Herr Kollege Schmidt.
Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage?
Bitte!
Im Bewußtsein, daß es sicherlich nicht in meiner Absicht lag, Sie entweder zu einer - wie war das? - pouvoir neutre zu erklären oder zu einer Schizophrenie zu ermuntern, Herr Bundeskanzler, möchte ich doch - auch wenn das nicht gut in eine Frageform gekleidet werden kann - meine Befriedigung darüber ausdrücken, daß Sie in Zukunft klar zu erkennen geben wollen, in welcher Eigenschaft Sie sprechen.
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Ich glaube, Sie haben keinen Anlaß, sich darüber zu beklagen, Herr Schmidt, daß ich es in der Vergangenheit etwa daran hätte fehlen lassen, von dieser Stelle aus klar als Bundeskanzler zu sprechen. Aber Sie wissen wohl, woran ich angeknüpft habe. Es gab gestern hier im Hause einige leichte Anklänge von Beanstandung, daß ich vielleicht in diesem Augenblick mehr als Vorsitzender der CDU denn als Bundeskanzler gesprochen hätte. Das war übrigens nicht der Fall;
ich darf das gleich sagen. Als ich vorgestern meine Bemerkungen zur Frage der Lohnfortzahlung im Krankheitsfalle für Arbeiter machte, sprach ich durchaus als Bundeskanzler, und zwar so, wie ich bei der Konstituierung des Sozialkabinetts das Arbeitsprogramm für das Sozialkabinett entworfen hatte. Ich glaube also, wir werden, auch wenn ich von dieser Stelle aus spreche, auch in Zukunft ganz gut miteinander auskommen.
Meine Damen und Herren! Ich wollte jetzt eigentlich nur noch das Wort nehmen, weil Herr Kollege Mischnick gestern Aufklärung haben wollte über einen entscheidenden Punkt, nämlich über den: Sind wir uns nun eigentlich alle über unsere Politik einig? Er meinte dabei vor allem: über unsere Ostpolitik. Soweit ich gestern zu meiner Befriedigung feststellen konnte, hat sich herausgestellt, daß wir uns jedenfalls unter den Koalitionsfraktionen in der Außenpolitik voll einig sind, und zwar rundum, d. h. in allen Fragen.
({0})
Das ist eine außerordentlich wichtige Feststellung. Aber ich habe den Eindruck, daß wir, jedenfalls in vielen entscheidenden Fragen, auch mit der Opposition einig sind, und deswegen nehme ich noch einmal das Wort; denn diese Fragen sind natürlich auch außerhalb dieses Hauses gestellt worden. Sie knüpfen erstens an meine Bemerkungen über die neue, nun sehr scharf präzisierte sowjetrussische Doktrin über das an, was Sie das sozialistische Commonwealth nennen, und über die völkerrechtliche Einschränkung der Souveränität der Mitglieder dieses Commonwealth im Blick auf die Ideologie des Klassenkampfes. Herr Kollege Mischnick, ich gehöre nicht zu denen, die solche sowjetrussische Äußerungen gering einschätzen, vielleicht sogar als Propaganda abtun, als etwas, was man heute für den Tagesgebrauch formuliert und morgen wieder beiseite legt. Natürlich kann sich auch drüben etwas ändern. Es ist z. B. in der Vergangenheit schon einmal so gewesen, daß man für eine kurze Zeit den Eindruck bekommen konnte, als wäre die Sowjetunion bereit, wenigstens ein Gebiet, das sie in ihren sozialistischen Bereich einbezogen hatte, wieder freizugeben. Das war der andere Teil Deutschlands. Das dauerte allerdings nur eine außerordentlich kurze Zeit, und dann war diese Hoffnung vorüber, wenn sie überhaupt je berechtigt war. Deswegen habe ich vorgestern gegenüber Kritik an unserer Politik, die sagt: Wir machen weiter, ausdrücklich gesagt, daß das nicht eine Palmströmsche Geisteshaltung sei - „weil nicht sein kann, was nicht sein darf" -, sondern daß wir dabei davon ausgehen, daß das, was heute nicht möglich ist, morgen oder übermorgen möglich sein kann. Das ist das eine.
Aber ich nehme diese Doktrin nun einmal ernst, und ich nehme sie deswegen ernst, Herr Mischnick, weil sie nicht nur eine gelegentliche Außerung des sowjetrussischen Botschafters war, sondern mit großer Präzision in dem bekannten Artikel der „Prawda" dargelegt und in der Rede des sowjetischen Außenministers Gromyko vor den Vereinten Nationen ebenso klar formuliert worden ist. Ich
finde, das ist es, was uns und anderen Anlaß geben muß, unsere Politik zu überprüfen.
Ich darf noch einmal darauf hinweisen, daß ich diese und keine andere Formel gebraucht habe. Ich habe nicht gesagt, daß wir - und andere - unsere Ostpolitik überprüfen sollen, sondern ich habe gesagt, daß wir unsere Politik überprüfen müssen. Das tun wir z. B. im Zusammenhang mit unserer Bündnispolitik schon recht gründlich, sowohl wir als auch andere.
Ein Zweites. Ich stelle fest: ich habe nicht - der Irrtum ist nicht in diesem Hause entstanden; aber ich habe ihn vielfach in der Presse gelesen - von einer Revision oder Änderung unserer Politik gesprochen, sondern von einer Überprüfung. Ich habe eben die Sorge, daß es wieder so gehen könnte, wie es früher so oft gegangen ist, nämlich daß man nach einer bitteren Erfahrung - und die bittere Erfahrung liegt darin, daß die Doktrin nicht nur formuliert, sondern in einer drastischen Weise auch politisch praktiziert wurde, nämlich durch die Invasion in der Tschechoslowakei - über diese Dinge zur Tagesordnung übergeht. Vor allem wir Deutsche haben diese Doktrin ernst zu nehmen. Wenn andere etwa so sagen können, wie gestern eine führende englische Zeitung schrieb: Nun, die Sowjetunion mag in ihrem eigenen Herrschaftsbereich Dinge tun, die wir nicht billigen können; außerhalb dieses Herrschaftsbereichs wird sie sich nach den traditionellen Spielregeln einer Großmacht pragmatisch verhalten. Meine Damen und Herren, das gehört zur Überprüfung. Die Frage, ob man wirklich eine solche Teilung der sowjetrussischen Politik erwarten darf, eine idiologisch-absolutistische im sowjetrussischen Herrschafts- oder Interessenbereich und eine pragmatisch-traditionelle außerhalb dieses Bereichs, ist schon ein sehr wichtiger Gesichtspunkt. Der Generalsekretär der NATO, Herr Brosio, den ich gestern zitiert hatte als einen, der noch im April dieses Jahres von der ausgestreckten Hand sprach, die die kommunistischen Länder nun ergreifen könnten oder nicht, hat in der Versammlung der Westeuropäischen Union erneut das Wort genommen, jetzt im Zusammenhang mit dem, was geschehen ist. Er hat gesagt:
Der sowjetische Interventionsanspruch in Ländern außerhalb des Warschauer Paktes ist eine gefährliche expansionistische Theorie, die jede Art von Intervention rechtfertigen könnte. Wir haben es nicht mit einer vorübergehenden Erscheinung zu tun, deren Auswirkungen wir bald ignorieren und vergessen können; wir befinden uns in einer tiefen Unsicherheit, im Zustand einer latenten Krise, und es wird unmöglich sein, die weiteren Entwicklungen zu ignorieren und zu unterschätzen.
Meine Damen und Herren, ich neige zu dieser Analyse und glaube, daß auch dies eine Aufgabe der Überprüfung ist, die ich vorgeschlagen habe. Das heißt also, daß die Überprüfung - ich sprach ausdrücklich von den übrigen Ländern der Welt - dazu führen muß, daß man möglichst zu einer gemeinsamen Interpretation dieser sowjetrussischen Doktrin und der damit verbundenen, für uns besonders schwerwiegenden Interventionsansprüche kommt; denn schließlich kann auch eine gemeinsame Verteidigung des Westens nur dann wirksam sein, wenn ein Minimum an Übereinstimmung über die voraussichtliche Politik, über das voraussichtliche Verhalten dessen existiert, um dessentwillen diese Verteidigungsbereitschaft eingerichtet worden ist.
Was unsere Ostpolitik und die Frage anlangt, ob wir uns darin noch einig sind: Ich glaube, gerade zu diesem Punkt habe ich eine ganz klare Aussage gemacht. Das heißt, ich habe bereits das Ergebnis meiner Überprüfung insoweit noch genauer zu formulieren versucht, als ich das schon früher getan habe. Ich darf in Ihre Erinnerung rufen, was ich dazu gesagt habe. Ich sagte zunächst einmal, nach den neuesten Äußerungen aus Moskau müsse es nun fraglich erscheinen, ob die Sowjetunion die damals in Karlsbad begrüßte Zusammenarbeit zwischen sozialistischen und nichtsozialistischen Ländern heute noch billigen wolle. Das ist eine sehr ernste Frage, vor allen Dingen die Frage, in welchem Rahmen, bis zu welcher Grenze sie sie billigen will. Ganz einig sind wir uns auch, glaube ich, mit Ihnen darin, daß wir unsere Ostpolitik niemals als eine Politik begriffen haben, bei der wir an der Sowjetunion vorbeigehen wollten. Ich sage das deswegen, weil ich gestern mit Interesse eine Sendung des Moskauer Rundfunks in Deutsch gelesen habe, daß heißt also offenbar doch auch ein wenig bewußt an uns gerichtet, in der stand, man könne eine Ostpolitik eben nicht an der Sowjetunion und an der DDR vorbei machen, und man müsse, wenn man Verständigung wolle, die Sowjetunion auch als einen europäischen Partner betrachten. Meine Damen und Herren, voll einverstanden! Wir haben nie etwas anderes gemeint, gesagt, getan. Wir wollten keine Politik an der Sowjetunion vorbei machen, sondern wir wollten eine eine allgemeine Aufhellung des politischen Klimas nach Osten erreichen und haben bei jedem Schritt der Sowjetunion gesagt: Wir wissen natürlich, daß es für die große Entscheidung unserer nationalen Frage auf ein Einvernehmen zwischen uns und euch und den anderen Beteiligten ankommt. Und was anderes konnte unsere Politik der Anbahnung einer großen europäischen. Friedensordnung bedeuten, als daß wir die Sowjetunion eben gerade nicht als eine außereuropäische Macht, sondern als einen künftigen europäischen Partner verstanden und verstanden wissen wollen! Hier könnten Ansatzpunkte für künftige Gespräche liegen. Ich formuliere es so behutsam und vorsichtig wie nur möglich.
Ich will also von der Sowjetunion recht genau hören, ob sie nun glaubt, daß wir in Zukunft mit keinem Staat des sozialistischen Lagers freundlichere, bessere, vertrauensvollere Beziehungen anstreben sollten.
Nach einigen Reden, die ich in den letzten Tagen z. B. aus Warschau gehört habe, darf allerdings nicht einmal mehr ein deutscher Tourist in diese Länder hinübergehen. Ich glaube, es war der polnische Verteidigungsminister, der unsere deutschen Touristen beschuldigt hat, sie hätten in Prag revanBundeskanzler Dr. h. c. Kiesinger
chistische und imperialistische Ziele verfolgt. Offenbar verwechseln die Herren ihre Methoden mit den unseren. Unsere Touristen haben wenigstens noch die Freiheit, nach Prag zu gehen, um dort eine der schönsten und liebenswertesten Städte der Welt zu besuchen.
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Das ist die eine Frage.
Das andere hängt damit zusammen, nämlich dies: „Ihr sagt in dem Brief an die Kommunistische Partei der Tschechoslowakei - ihr habt das nun durch die Präzisierung wiederholt -, daß ihr auch friedliche Annäherung als eine Aggression beurteilen und verurteilen wollt. Bitte, präzisiert das ein wenig genauer!" Dann habe ich selbst sehr klar formuliert, was es eigentlich heißt, wenn wir sagen: „Wir setzen unsere Friedenspolitik fort. Wir sehen dazu keine Alternative." Gerade in diesem Punkt war ich äußerst genau. Ich sagte - ich darf es wiederholen -, es sei vielleicht hilfreich, wenn ich in diesem Zusammenhang eben nicht nur die Wendung „mit friedlichen Mitteln" gebrauche, sondern indem ich sehr genau sage: mit friedlichen Mitteln und durch Einverständnis und Einvernehmen der Beteiligten in einer gemeinsamen Bemühung um die Schaffung eines europäischen Friedens. Man stellte dazu die Frage, ob auch ein solches Angebot zu Bemühungen um ein Einvernehmen mit der Sowjetunion unter die Rubrik möglicher feindseliger, friedlicher Akte fallen könnte.
Ich habe dann gesagt: „Wir haben immer gewußt, daß es sich hier um eines der schwierigsten Probleme der gegenwärtigen Weltpolitik handelt und daß deswegen auf uns eine große Verantwortung für die Bewahrung des Friedens in der Welt ruht." Ich glaube, diese Koalition - insoweit hat ja auch die Opposition unsere Politik gestützt -, also dieses Haus, diese Regierung, wir können wahrhaftig für uns in Anspruch nehmen, daß wir in den letzten beiden Jahren und im übrigen auch in den Jahren zuvor wirklich so gehandelt haben, daß vor aller Welt 'deutlich wurde, wie stark wir uns dieser unserer Verantwortung für den Frieden in der Welt bewußt sind.
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Wir müssen alle Versuche, die vor allem aus Moskau gekommen sind, uns dazu zu benützen, uns als Alibi zur Ablenkung von dem zu gewinnen, was die Sowjetunion in der Tschechoslowakei getan hat - ich sage es erneut -, zurückweisen. Aber ich habe weiter gesagt und ich sage es noch einmal - und das ist eine sehr genaue Aussage -, daß wir wissen, daß bei der Lösung dieses Problems den berechtigten Interessen aller Beteiligten, also auch der Sowjetunion, Rechnung getragen werden muß. Ich knüpfe hier an eine Formel an, die der russische Außenminister, glaube ich, in seiner Rede vor dien Vereinten Nationen gebraucht hat.
Wir sind nicht so töricht, nicht zu sehen, daß dieses Problem auch für die Sowjetunion außerordentlich schwierig ist, daß es mit den prekären Fragen des Gleichgewichts in der Welt und damit wieder mit den Fragen des Friedens zu tun hat.
Deswegen haben wir immer wieder Vorschläge gemacht, wie wohl diesen berechtigten Interessen auch der Sowjetunion Rechnung getragen werden könnte, und kamen dann zu dem Ergebnis - und das habe ich gestern aufs neue formuliert -, daß für uns deswegen, weil wir uns dieser Interessengegensätze, die man einfach zur Kenntnis nehmen muß, als Gegebenheiten bewußt sind, eine Lösung der deutschen Frage wirklich nur in einer allmählichen Überwindung der bestehenden Spannungen und in einer gemeinsamen Bemühung um die Anbahnung einer Ordnung des Friedens in Europa gelingen kann. Das war die Aussage.
Dann sagte ich klipp und klar, daß das ein völlig klares und redliches politisches Programm sei, über dessen Verwirklichung wir mit der Sowjetunion und allen anderen Beteiligten auch in Zukunft zu sprechen bereit sind. Und genau dies meinen wir, wenn wir sagen, daß wir unsere Friedenspolitik trotz aller Enttäuschungen fortsetzen wollen. Ich glaube, das ist eine durchaus wünschenswerte Präzisierung einer zunächst nach dem Schock der Ereignisse in der Tschechoslowakei gebrauchten allgemeinen Formel gewesen. Die Sowjetunion weiß also ganz genau, woran sie mit uns ist, und daran muß uns liegen.
Lassen Sie mich noch ein Wort zum Status quo sagen. Wir wissen seit vielen Jahren, daß die Sowjetrussen Meister darin sind, eine Terminologie westlicher Art für ihre propagandistischen Zwecke, aber noch mehr als propagandistisch auch in der unmittelbaren politischen Aktion zu benutzen. Wie nett klingt das, wenn der sowjetrussische Außenminister vor den Vereinten Nationen von einem „sozialistischen Commonwealth" spricht! Da sehen wir dieses nette, gemütliche, schon ein wenig knarrende britische Commonwealth vor uns, worin sich so gemütlich leben läßt. Bloß, die Wirklichkeit dieses „sozialistischen Commonwealth" sieht eben ganz, ganz anders aus als die des britischen. Das ist einer dieser Fälle.
Und nun der Status quo! Ich habe sehr bewußt vorgestern gesagt: Wenn man genau zusieht, dann stellt man fest, daß nicht wir es sind, die den Status quo in Europa ändern wollen, weil wir die Wiederherstellung der Einheit unseres Volkes verlangen. Das ist das, was uns aus Moskau Tag um Tag vorgeworfen wird, was Tag um Tag in allen Sendungen des Moskauer Rundfunks in die Welt geblasen wird. Diejenigen, die den Status quo wirklich ändern wollen, sind vielmehr diejenigen, die einen von allen Beteiligten als vorübergehend gedachten Zustand, nämlich den Zustand der deutschen Teilung, solange man sich nicht in einem Friedensvertrag einigen kann, nunmehr apodiktisch verewigen. Genau das tut die sowjetrussische Doktrin.
Gestern hat einer der bekannten Propagandisten des Rundfunks der Verantwortlichen, im anderen Teil Deutschlands klipp und klar gesagt: Es wird keine deutsche Wiedervereinigung geben, es sei denn unter sozialistischem - also kommunistischem - Vorzeichen.
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Das ist eine sehr klare Aussage; das ist es, was diese Herren unter Status quo verstehen.
Wir sind zwar in diesem Hause nicht in einem politischen Seminar, aber damit wir uns doch daran gewöhnen, diese Terminologie ein bißchen genauer unter die Lupe zu nehmen, wenn wir uns mit ihr auseinandersetzen, darf ich Sie an das bekannte Interview erinnern, das Walter Lippmann im Jahre 1958 mit Chruschtschow führte. In diesem Interview beschreibt Lippmann seine Unterhaltung mit Chruschtschow über den Begriff des Status quo, und ich darf das, was er damals sagte, in Ihrer aller Erinnerung rufen; es ist wichtig genug. Er sagt, nach seiner Chruschtschows - Auffassung ist die soziale und wirtschaftliche 'Revolution, die gegenwärtig in Rußland, in China und anderswo in Asien und Afrika fortschreitet, der Status quo, und er verlangt von uns, daß wir ihn so anerkennen. Nach seiner Auffassung ist Widerstand gegen diese Revolution ein Versuch, den Status quo zu ändern. Während wir uns - so sagt Walter Lippmann - unter dem Status quo die derzeit existierende Lage vorstellen, versteht er darunter den fortschreitenden Prozeß der revolutionären Änderung, und er verlangt von uns, daß wir die Revolution nicht nur anerkennen, wie sie ist, sondern auch, wie sie sich entwickeln wird.
Meine Damen und Herren! Zur Überprüfung der sowjetrussischen Doktrin gehört es, daß wir uns darüber klar werden, ob die heutigen Führer der sowjetrussischen Politik im Kreml noch dieselbe Auffassung haben, die Herr Chruschtschow Herrn Walter Lippmann damals sehr ausführlich entwickelt hat. Denn davon hängt natürlich das künftige Verhalten und vielleicht auch ein künftiger Interventionsanspruch der Sowjetunion gegenüber Staaten außerhalb des Warschauer Paktes ab, und das ist genau die Gefahr, auf die Generalsekretär Brosio hingewiesen hat.
Ich meine, das alles sollten wir gemeinsam versuchen, wir hier in diesem Lande, in diesem Hause, aber auch mit unseren Freunden und Verbündeten. Ich sage noch einmal, für mich hat die Überprüfung der Situation dazu geführt, daß wir unter allen Umständen - auch auf die Gefahr des Scheiterns hin, weil es eben in Moskau nicht gewollt wird - versuchen müssen, diesen Weg zu gehen: eine einverständliche, einvernehmliche Lösung des Friedens für Europa zu finden. - Ich hoffe, daß ich mich damit völlig klar ausgedrückt habe und daß damit kein Rest des Zweifels mehr bleibt. Ich freue mich, wenn wir uns wenigstens in dieser großen Frage im ganzen Hause einig sind.
Im übrigen, meine Damen und Herren, noch zu dem vorgestrigen Geplänkel mit dem Vorsitzenden der sozialdemokratischen Fraktion: Herr Schmidt, Sie haben eben Ihr Pulver ein bißchen zu früh verschossen. Sie haben gesagt, daß das anders gewesen wäre, wenn Sie den letzten Satz zuerst gehört hätten. Man muß eben manchmal einen Gedanken in mehreren Sätzen ausdrücken, und dann muß versucht werden, den Sinn dieser Sätze gemeinsam zu sehen.
Meine Damen und Herren! Ich konnte zur Lohnfortzahlung nichts anderes sagen als das, was ich gesagt habe, und ich glaube, Sie haben mir inzwischen zugestimmt, daß es eine ganz versöhnliche Formel war.
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Sie sehen, wie heiß das Eisen in der Tat ist, das ich da angefaßt habe.
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Das ist es, womit wir uns tatsächlich herumplagen müssen; auch in den großen Parteien gibt es in vielen Fragen eben nicht gleich von vornherein Einigkeit. Ich hätte einen ähnlichen Zuruf wie den, den ich von Ihrer Seite bekam, in diesem Augenblick vielleicht von einer ganz anderen Seite ebenso bekommen können. Das heißt mit anderen Worten, und jetzt - Herr Kollege Schmidt, erlauben Sir mir, im Augenblick als Vorsitzender der CDU zu sprechen ({6})
scheue ich mich keinen Augenblick, zu sagen, daß hier für die Christlich-Demokratische Union ein schwieriger Prozeß der Meinungsbildung gegeben ist, den wir demokratisch im vollen gegenseitigen Vertrauen untereinander austragen werden.
({7}) Das ist das eine.
Ich habe zur Mitbestimmung gesagt, daß die Bundesregierung in dieser Frage nichts anderes, nichts Weiteres tun werde, als was im Regierungsprogramm angekündigt worden ist. Meine Damen und Herren, ich weiß sehr wohl, daß zu dieser Frage innerhalb meiner Partei ebenfalls sehr tiefgreifende Meinungsunterschiede bestehen. Warum sollte man so etwas verheimlichen? Ich habe in dem Augenblick also nicht für die CDU gesprochen, sondern für die Bundesregierung und die Christlich-Demokratische und Christlich-Soziale Union, daß man sich auch in der Frage der Mitbestimmung zusammenraufen muß, so wie sich etwa die SPD in der Frage des Wahlrechts vielleicht noch zusammenraufen wird
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Das sind ganz natürliche Dinge.
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- Sagen wir einmal, mehr als bei Ihnen. Im übrigen, Herr Kollege Schmidt, stimme ich Ihnen vollkommen darin zu. Diese Dinge - wir haben nun dauernd miteinander zu tun und in diesen zwei Jahren immer recht offen miteinander gesprochen - werden uns nicht auseinanderbringen. Diese zwei Dinge sind auch nicht die erstrangigen Dinge, wenn wir uns nicht zu einer gemeinsamen Lösung zusammenfinden können.
Ich habe einmal - ich bedauere es heute - das Wort gebraucht: Wo man eben gar nicht zusammenkommt, muß man das Problem ausklammern. Die
Opposition hat sich - das ist ihr gutes Recht - natürlich mit Lust auf diese Formel gestürzt,
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dreht allerdings die Dinge um, stellt sie auf den Kopf und sagt, der Bundeskanzler wolle alles ausklammern, um seine Ruhe zu haben. Das haben wir nun wahrhaftig nicht getan, sondern wir haben bis jetzt eigentlich, wenn ich recht sehe, gar keine Frage ausgeklammert, sondern wir haben uns bis jetzt Mühe gegeben, zusammenzukommen. Im übrigen hat die Große Koalition klar ausgesagt, was sie in dieser Legislaturperiode noch tun wird. Wir haben uns auf ein bestimmtes gesetzgeberisches und administratives Programm geeinigt.
Meine Damen und Herren, Sie können gewiß sein: so wie wir im vergangenen Sommer des Mißvergnügens - nicht unter uns, aber zwischen manchen unserer Kritiker - vorausgesagt haben, daß in einer kurzen Frist die Wirtschaftsrezession überwunden sein würde, daß die öffentlichen Finanzen in Ordnung gebracht und daß auch die notwendigen weiteren Reformen angepackt sein würden, so wie wir damit recht bekommen haben, so werden wir auch mit der Erfüllung des Programms recht bekommen, das wir uns gemeinsam vorgenommen haben. Vielleicht werden wir bei diesem Programm da und dort auch die Unterstützung der Opposition finden. Ich sagte, es ist wahr, ein Wahljahr beginnt, aber noch wichtiger für uns ist das Arbeitsjahr, das die Vollendung unseres gemeinsamen Programms bringen wird.
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Das Wort hat der Herr Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es tut mir herzlich leid, daß ich jetzt nach dieser Einlage zu Wort komme. Ich kann nicht bieten, was in dieser Qualität erwartet wird, in dieser Zeit, wo alle sagen: Nicht zu früh Wahlkämpfe!, und jeder so erscheint, als könnte man von' ihm allerlei erwarten; er habe es ja. Das kann ich nicht. Ich will und muß auf einige Fragen zurückkommen, die der Herr Kollege Mischnick über die Richtung unserer Politik gemacht hat, und weiter auf einige Ausführungen, die einige andere Kollegen allerdings sehr speziell über sich bei den Bemühungen um Zusammenschluß und Vereinigung in Europa ergebende Schwierigkeiten gemacht haben. Diese Fragen möchte ich auch im Zusammenhang mit einigen Bemerkungen des Bundeskanzlers hier, soweit es sich um Erörterungen handelt, die zwischen ihm und Herrn Mischnick geführt worden sind, noch einmal aus meiner Sicht anleuchten.
Da ist zunächst die Frage, ob Grund zur Irritation deshalb besteht, weil der Bundeskanzler davon gesprochen hatte, wir und alle übrigen Völker - er hat gesagt: insbesondere die der westlichen Welt - stünden vor der Notwendigkeit, ja sogar unter dem Zwang einer Überprüfung der bisherigen Politik. Es ist weiter zu fragen, ob es der Position oder der
Situation, in der wir uns befinden, entspricht, zu verlangen, die Regierung oder der Bundeskanzler müsse, wenn von einer Überprüfung geredet werde, eigentlich gleich sagen, was anders gemacht werden müsse.
Nun, meines Erachtens hatte der Bundeskanzler recht, wenn er die Bedeutung der im Zusammenhang mit den Vorgängen in der und um die CSSR zum Teil schon zutage getretenen, aber teils auch noch nicht völlig bloßliegenden Faktoren hervorheben wollte. Ich mache Sie darauf aufmerksam: die noch nicht zutage getretenen, die noch nicht bloßliegenden Faktoren verdienen unsere Aufmerksamkeit mindestens ebenso wie jene, die schon zutage getreten sind.
Täuschen Sie sich bitte nicht, täuschen wir uns nicht - ich schließe mich selbst ein - durch die Annahme, es könne das, was da geschehen ist, durch Causerien aus der Welt geschafft oder besänftigt werden. Ich sage Ihnen - ohne jemandem zu nahe treten zu wollen -: wenn man den Vorgang CSSR in seiner Gesamtheit und in dem Rahmen, in dem er sich abspielt - denn er ist ja noch lange nicht abgeschlossen - unterschätzt, dann vermag man nicht richtig einzuschätzen, welche Bedeutung das hat, was die „Moskauer Doktrin" genannt werden kann, von der ja auch der Bundeskanzler gesprochen hat.
Das eine ist, daß für die nächste Zukunft der kommunistisch regierten Länder der Vorgang CSSR in seiner Gesamtheit und in seinen Ausdehnungen sehr schwerwiegend ist. Die übrige Welt befände sich aber in einem groben Irrtum, wenn sie annähme, es seien lediglich oder vorwiegend diese Länder betroffen. Ich möchte nicht, daß wir uns bei den Erörterungen über unserere Politik einem solchen Irrtum mehr, als es menschlich unvermeidlich ist, hingeben.
Was meine ich nun, wenn ich sage: „Wer den Vorgang CSSR unterschätzt"? Erstens unterschätzt man ihn, wenn man annimmt, es sei ,ein Verkehrsunfall; zweitens, wenn man meint, es handle sich um einen innerkommunistischen Vorgang; drittens, wenn man erwartet, es sei ein kurzfristiger Vorgang oder er ließe sich wie ein Kavaliersdelikt bald wieder ausgleichen; viertens, wenn man mehr oder weniger die von den Wortführern der Invasionsgruppe aufgestellten Behauptungen, die zur Begründung ihres Vorgehens dienen sollen, übernimmt oder sich durch sie dazu verleiten läßt, in der einen oder anderen Behauptung das berühmte Körnchen Wahrheit oder den Schlüssel zur Aufklärung für alles erfahren zu haben.
Meine Damen und Herren, ich finde, es ist keine Schande, zuzugeben, daß man ernstlich prüfen müsse, was alles den Vorgängen zugrunde liegt, und wenn man sagt, dies sei Grund genug zu einer Überprüfung auch der eigenen Politik. Damit, so möchte ich sagen, wird doch nicht in Frage gestellt, was man bisher getan hat, sondern - sofern man es hat - im Instrumentarium der politischen Mittel und Möglichkeiten nach den Instrumenten gesucht, die genau passen. Das ist das Entscheidende.
Um einen Vergleich aus dem Leben zu nehmen, möchte ich sagen: wer sich, wenn er fährt, nicht darüber im unklaren sein kann, daß er sich vor einer offensichtlich sehr schwierigen Wegstrecke befindet, die er aber zu bewältigen suchen muß und auch will, der läßt doch wohl mindestens seine Reifen gründlich prüfen und notfalls auswechseln und vielleicht auch sonst noch einiges an seinem Wagen -, um sicher zu sein, soweit das menschenmöglich ist, daß sie die Belastung aushalten und die Strapazen bestehen können. Sich so zu verhalten, das heißt doch nicht „Ich gebe auf"- - oder? Man sollte runter von den im Grunde unfruchtbaren, wenn auch phantastisch die Zeit vertreibenden Diskussionen: ob oder ob nicht, und was davon und wie.
Im tschechosolwakischen Nachbarland wird unter Aufbietung aller Kraft versucht, die unter den Bedingungen einer militärischen Okkupation, die jetzt vertraglich besiegelt ist, und einer wirtschaftlichen Vormundschaft möglichen Formen nationaler Existenz mit gedrosselter demokratischer Selbstbestimmung zu finden und auszuprobieren. Das ist das, womit man sich jetzt dort zu beschäftigen hat.
Aber während das vor sich geht, hat auf der weltpolitischen Bühne schon ein neuer Akt begonnen. Dieser Akt ist von dem Außenminister der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken, Gromyko, mit seiner Rede in der Vollversammlung der Vereinten Nationen eingeleitet worden. Es wäre unzureichend, darin lediglich eine Begleiterscheinung oder eine Folge des Vorgangs CSSR zu sehen. Es wäre sogar unzureichend, darunter nur oder hauptsächlich eine sozusagen mit erhobener Stimme ausgesprochene Warnung an andere zu verstehen, die im Zusammenhang mit dem Vorgang CSSR unruhig geworden sind. Auch das wäre unzureichend.
In Wirklichkeit - ich meine das ganz unpathetisch - sind die Völker der Welt vor die Frage gestellt, welche Rollen ihnen in diesem Akt auf der weltpolitischen Bühne zugedacht sind, oder: welche sie zu übernehmen gedenken. Da müssen sie einen Moment nach Luft schnappen, wenn sie erkennen, was das nämlich in Wirklichkeit bedeuten wird. Das Schicksal der CSSR stellt in diesem Akt nur ein Bild oder eine Szene dar, - ohne damit dieses Schicksal verringern zu wollen.
Die Vereinten Nationen und die einzelnen Staaten in der Welt - die einen etwas mehr fühlbar, die anderen weniger fühlbar - sind vor die Frage gestellt, ob sie folgende Bedingungen hinnehmen wollen.
Erstens. Die kommunistisch regierten Länder im unmittelbaren Moskauer Einflußbereich unterliegen einem Sonderrecht.
Zweitens. Die Beziehungen dieser Länder zur übrigen Welt dürfen den von Moskau bestimmten Rahmen nicht überschreiten oder lockern.
Drittens. Versuchen sie es dennoch, so werden sie militärisch, politisch und wirtschaftlich zur Einhaltung der Moskauer Doktrin genötigt.
Viertens. Die übrige Welt hat sich aller Versuche zu enthalten, mit den unter diesem Sonderrecht stehenden Ländern andere Beziehungen anzubahnen oder zu unterhalten, als Moskau sie zuläßt.
Fünftens. Wer von Moskau verdächtigt oder gar bezichtigt wird, normale zwischenstaatliche Beziehungen auch zu den Ländern, die unter diesem Sonderrecht stehen, anzustreben, der wird zum Feind des Friedens erklärt.
Ich sage das unpathetisch. Das sind die Feststellungen, an denen man nicht vorbeikommt, mit denen man sich befassen und schließlich fertigwerden muß.
Vom sowjetischen Außenminister ist betont. worden, zwischen dieser Doktrin und Moskaus, d. h. seiner eigenen Regierung Entschlossenheit, den Frieden und die internationale Sicherheit zu verteidigen, bestehe kein Widerspruch. Ich nehme das so, wie es gesagt worden ist, und meine, genaugenommen kann das dann also, richtig verstanden, nur folgendes bedeuten: Frieden und internationale Sicherheit - es sind seine Begriffe; aber es sind ja allgemein gebräuchliche Begriffe, wenn es ihnen auch so geht, wie es eben der Bundeskanzler in bezug auf einige andere Begriffe einmal angeleuchtet hat - werden davon abhängig gemacht, daß Moskau dieses Sonderrecht aufrechtzuerhalten imstande ist, oder daß es Frieden und internationale Sicherheit nur geben wird, wenn sich alle anderen Staaten mit der Moskauer Doktrin abfinden. Da müssen Sie auch eine Weile den Atem anhalten, meine Damen und Herren, wenn Sie daran denken, was das nämlich heißen wird.
Für uns Deutsche jedenfalls ist diese Frage keine lediglich akademische Frage. Denn der Teil Deutschlands und unseres Volkes, den die Sowjetregierung als Glied der Gemeinschaft der kommunistisch regierten Länder bezeichnet, unterliegt nach ihrem Willen denselben Gesetzen, d. h. Gewalten, die wir jetzt in unserem südöstlichen Nachbarland CSSR angewandt sehen.
Es ist dieser Tage in Potsdam - beinahe hätte ich gesagt: wo könnte es anders sein? - eine Jahreszahl gefeiert worden für irgendeine Akademie des Rechtes. Das „Neue Deutschland" hat am 16. die grundlegende Rede des Staatsratsvorsitzenden wiedergegeben, auf die hier in der Debatte von Herrn Barzel kurz hingewiesen worden ist. Gestern, am 17., konnte man die Rede des prominenten sowjetischen Gastes, eines Professors, nachlesen, der - und in diesem Zusammenhang zitiere ich diesen seinen Satz - dort gesagt hat:
Die Grenzen der DDR haben nicht nur nationale, sondern auch internationale Bedeutung; sie sind Grenzen des Friedens, die Trennungslinie zwischen Sozialismus und Imperialismus.
So heißt das in der anmaßenden Ausdrucksweise eines sowjetischen Professors der Rechte, der den russischen Imperialismus als Jurist sozialistisch zu rechtfertigen sucht. Das ist der Tatbestand.
Deswegen sage ich: Für uns ist das nicht einfach eine akademische Angelegenheit, nein, wir müssen wissen, in diese Dimension will die Moskauer ReBundesminister Wehner
gierung die deutschen Fragen gebracht sehen, und unter dieser Doktrin steht für sie Frieden und internationale Sicherheit. Beides muß man sich immer wieder vergegenwärtigen, und es ist nicht zuviel gesagt, wenn man bemerkt, daß sich für die 'deutsche Politik, aber auch für die Politik anderer Nationen, in Europa vor allem, wie aber auch sonst in der Welt, aus dieser Doktrin erhebliche und, wie ich meine, ernste Folgerungen ergeben.
Meines Erachtens darf man diese Folgerungen nicht nur durch Protest oder durch achselzuckende Hinnahme für erledigt ansehen oder meinen: Es wird sich schon irgendwie einrichten. Manche meinen, es gäbe unter verschiedenen Lösungsmöglichkeiten für dieses Dilemma z. B. .die folgenden - ich zähle einige Idavon auf -:
Erstens. Die beiden Großmächte von West und Ost, in Hauptstädten genannt: Washington und Moskau, suchten und fänden untereinander eine Art von Koexistenzregelung, an die sich dann die Kleineren in ihrem jeweiligen Bereich zu halten hätten, respektive deren sie sich erfreuen dürften. Vom jugoslawischen Außenminister ist dies dieser Tage als hegemoniale Koexistenz gekennzeichnet worden, und er wird es ja wissen. Nach mancherlei Erfahrungen scheint es mir zweifelhaft, ob diese hegemoniale Koexistenz den Frieden sicherer machen kann, abgesehen davon, daß damit die Freiheitssphäre der kleineren Länder und Völker, theoretisch jedenfalls, von den Großen bestimmt würde, in Wirklichkeit aber ständigen Erschütterungen ausgesetzt wäre. Das ist das eine, wovon die Leute meinen, es wäre vielleicht eine Lösungsmöglichkeit.
Das andere, das Zweite: Die Vereinten Nationen nähmen also diesen Zustand hin und überließen es faktisch den Großmächten, die Rolle des Ordnungshüters auszuüben. Meine Damen und Herren, dann hätte man ein Blatt, auf dem der Originaltext der Menschenrechte verzeichnet ist, und man hätte ein oder mehrere teilweise durchsichtige Deckblätter, die auf den Urtext, auf den Originaltext zu klappen wären, damit für jeden Bereich jeweils die dort zugelassenen und dann unterschiedlichen Textstellen der Menschenrechte gelten.
({0}) - Ja, bitte, das ist der Vorgang.
Drittens, soweit es uns selbst betrifft - und vielleicht wird es dann etwas einleuchtender -: Unter den Lösungsmöglichkeiten, die manchen vorschweben oder nach denen manche greifen - warum soll man nicht sogar nach Strohhalmen oder etwas, das etwas dicker aussieht, greifen? -, findet man: Wir Deutschen anerkennen hier, was Moskau und die SED-Führung in Ostberlin anerkannt haben wollen, ehe es überhaupt zu sachlichen Verhandlungen über einen denkbaren und zu praktizierenden Modus vivendi kommt, um den es ja in Wirklichkeit die ganze Zeit geht. Wer sich mehr vorgestellt hat, den bedauere ich. Aber darüber brauchen wir nicht zu streiten. Wäre dies so, daß wir Deutschen hier anerkennen, was Moskau und die SED-Führung in
Ostberlin anerkannt haben wollen, ehe es überhaupt zu sachlichen Verhandlungen über einen denkbaren Modus vivendi kommt, bliebe dennoch die Doktrin wirksam, d. h. der Grad der Beziehungen für den Modus vivendi würde durch diese Doktrin diktiert, durch nichts anderes.
({1})
Dann kommen wir zu einer vierten Überlegung unter dieser Auswahl von Gedanken. Wir nehmen den Gedanken einer - ich hörte das dieser Tage - Achse Bonn-Ostberlin-Moskau auf. Das heißt, wir unterwerfen uns selbst der Doktrin und lassen alles andere beiseite. Dann haben wir es mit ziemlicher Sicherheit mit den Forderungen zu tun, die Ostberlin beim SED-Parteitag 1967 - um nur die letzten zu nehmen - aufgestellt und in diesem Jahr zum Fundament und zum Gerüst seiner DDR-Verfassung gemacht hat, jetzt einmal in unseren Bereich hinein projiziert. Die Forderungen des SED-Parteitages vom Jahre 1967 sind inzwischen weiterentwickelt worden. Sie sollen uns zu einem „friedliebenden" Staat umkrempeln, der allerdings dem Frieden der Welt nicht als gleichberechtigter Partner dienen könnte, das muß man dabei wissen.
Wie sehr übrigens auch offizielle Kommunisten Gefangene ihrer eigenen Doktrinen und Theorien sein können, konnte man unlängst am Beispiel einer großen Warschauer Zeitung sehen. Darin sind auch diejenigen in Deutschland als im Grunde genommen verdächtig und gefährlich denunziert worden, die geneigt wären, die kommunistische Formel vom Status quo, der nicht angerührt und verändert werden dürfe, hinzunehmen. Denn die offiziellen Kommunisten argwöhnen, auch dies sei nur eine besonders raffinierte Art und Weise, die kommunistische Macht untergraben zu wollen. Mit anderen Worten: was sie für sich selbst in Anspruch nehmen, das darf ein anderer keineswegs für sich in Anspruch nehmen, nämlich politisch um die Lösung von Streitfragen zu ringen, ohne Androhung oder Anwendung von Gewalt. Jedem anderen wird sofort unterstellt, er wolle hier die Politik nur als eine Fortsetzung des Krieges mit anderen Mitteln betreiben.
Damit will ich diese von manchen unter den gegenwärtigen Umständen ins Auge gefaßten oder als denkbare Lösung angesehenen Möglichkeiten hinter mir lassen.
Eine kommunistische Zeitung, die jugoslawische „Borba", hat kürzlich geschrieben: Die sowjetische These von der begrenzten Souveränität der sozialistischen Länder und dem Recht, selbst einander - Marxisten - durch Waffengewalt revisionistische Abweichungen zu korrigieren, trägt eine qualitativ neue Dimension in das internationale Leben, nämlich - so schrieb die „Borba" - die Dimension des Krieges zwischen sozialistischen Ländern. Das ist eine ernst gemeinte und ernst zu nehmende Feststellung, und sie wird nicht dadurch leichter, daß man sagt: na, wenn schon!
Wenn wir es aber, meine Damen und Herren, mit einer solchen Gesamtsituation zu tun haben,
darf ich hier vielleicht einen Begriff wiederaufnehmen, auch um - ich bitte um Entschuldigung, wenn ich darauf zurückkomme - Herrn Kollegen Mischnick noch einmal an seine Fragen - oder es waren schon etwas mehr als Fragen? - zu erinnern und auf sie einzugehen. Ich möchte einen Begriff wiederaufnehmen, den ich zu Beginn der 60er Jahre als Vorschlag in diesem Hause vorgebracht habe, nämlich: Eine Bestandsaufnahme ist fällig. Vielleicht verstehen Sie jetzt, meine Damen und Herren, diesen Begriff besser, so, wie er gemeint ist und auch gemeint war, nämlich weder als einen Versuch, damit etwas einschmuggeln zu wollen, das alles bisher Geübte in die Luft jagen soll, noch als Ausdruck von Ratlosigkeit angesichts einiger schwerwiegender Erscheinungen, sondern als einen Vorschlag, herauszufinden, was wir unseren Interessen gemäß und bei sachgerechter, zweckmäßiger Auswahl der Möglichkeiten, die den gegenwärtigen Notwendigkeiten entsprechen, tun müssen und tun können, um zu leisten, was zu leisten wir uns nach dem Grundgesetz verpflichtet haben.
Herr Mischnick hatte Fragen gestellt, wie es denn mit den Übereinstimmungen sei, die es etwa in der akuten Phase der militärischen Invasion gegen die CSSR gegeben habe, hinsichtlich gewisser Grundeinstellungen, oder was man vermeiden solle oder was man tun solle. Es tut mir leid, Herr Genscher, daß ich Sie so plagen muß und daß Sie so müde werden, aber irgendwann muß ich das einmal loswerden.
Mein Vorschlag ist, meine Damen und Herren: Wir sollten so aktuell wie möglich bleiben oder jedenfalls werden und- in diesen Punkten alle zusammen unser Bestes dazu beitragen, daß wir aus der Bestandsaufnahme solcher Art zu richtig wirkenden Schritten und Handlungen kommen. Was wir nämlich jetzt zu tun vermögen, das kann unter Umständen Ansätze für den schwierigen Übergang zu den 70er Jahren geben, in denen man, wenn man schon in den 60er Jahren ständig kollidiert hat, schon gar nicht mit den aus den 50er Jahren stammenden Einrichtungen, Modellen und Lösungsvorstellungen wird weiterkommen können. Das heißt, wir müssen erneuern. Das heißt, wir müssen manches umgruppieren und uns neu orientieren. Das kann man, weil wir in diese Situation alle gemeinsam verdammt sind, nur bei dem Willen, zu größtmöglicher Übereinstimmung zu gelangen. Deswegen sage ich: Wetteifern wir darin, jeder etwas dazu beizutragen, damit es niemandem gelingen möge, die Bundesrepublik in die Isolierung zu drängen und innerlich zu lähmen!
Auf beides geht diese Doktrin ganz aktuell aus, wenn sie auch nicht etwa nur uns gilt; so schön sind wir nun auch wieder nicht, als wäre das alles nur unseretwegen gemacht. Nein. Aber unser Platz ist nun einmal der, in dieser Doktrin und mit ihrer Hilfe isoliert und innerlich gelähmt zu werden.
Wenn es uns gelingen sollte, meine Damen und Herren, anderen europäischen Völkern und vielleicht auch sogar manchen ihrer Regierungen verständlich zu machen, daß mit ihrem eigenen Begehren nach Freiheit, nach Frieden, nach Sicherheit untrennbar auch eine positive europäische Behandlung und schließlich Lösung der deutschen Fragen verbunden ist, dann hätte die gewalttätige Verfahrensweise der UdSSR und ihrer Invasionsgruppe doch auch auf einer Seite sogar eine ganz heilsame Wirkung.
Wenn man sich nicht damit begnügen wird, darauf zu rechnen, daß die beiden ganz großen Mächte - Moskau und Washington in diesem Falle - sich über Formen verständigen werden, die für die Einführung der Moskauer Doktrin in die Theorie und in die Praxis der Vereinten Nationen anwendbar sein könnten - was ich nicht ausschließe -, dann gäbe das Ansatzpunkte zur Selbstbehauptung und zu kooperativerem Verhalten der Kleineren zueinander, abseits auch vieles Institutionellem, und auf das kommt es heute mehr an als auf den Streit um das Institutionelle.
Ich bezweifle nicht, daß sich die Moskauer Doktrin auf längere Sicht als unhaltbar erweisen mùß, weil sie die kommunistisch regierten Länder unter eine deren Entwicklung schließlich hemmende und unerträgliche Vormundschaft stellt. Aber für den Frieden und die internationale Sicherheit muß mehr getan werden, als diesen Widerspruch der Moskauer Doktrin zu den Interessen auch kommunistisch regierter Länder zur Wirkung kommen zu lassen; denn das gebieten die Interessen der Völker, und wir hier sollten bereit und fähig sein, unseren konstruktiven Beitrag zu leisten. Wir sollten ihn auch anbieten.
Ohne von anderen mehr verlangen zu wollen, als wir selbst zu tun bereit sind, und ohne als Lehrmeister auftreten zu wollen, müssen wir uns selbst immer wieder in Erinnerung bringen und den anderen zurufen und auch von uns aus darauf hinwirken: Europa muß mehr werden als ein bloßer geographischer oder historischer Begriff - er wird heute fast ausschließlich so verwendet, und man meint, er hätte genügend Inhalt -, auch mehr als ein Schlagwort oder ein Richtungsweiser zu einem fernen Ziel.
Entschuldigen Sie bitte, aber die Europäer dürften sich nicht den Luxus leisten, im Streit darüber zu verharren, ob Europa durch Integration oder durch Addition gebaut werden müßte. Verharren sie aber, wie ich jedenfalls vermute, in ihren amtlichen Bestandteilen darin, so werden sie faktisch zu Objekten, einerseits der Interessenkonflikte, andererseits aber auch der Interessenausgleiche - diese sind manchmal genauso schmerzhaft wie die Konflikte selbst - der großen Mächte, denen im übrigen mit diesem Verhalten der kleineren nicht gedient wird; denn sie bekommen immer mehr, von ihnen am Ende gar nicht zu bewältigende Verantwortungen und Zuständigkeiten.
Es ist etwas gespenstisch, wenn im guten Glauben - und man muß den Hut vor diesem guten Glauben ziehen - gesagt wird: Alles wäre zu lösen, wenn Europa zusammenhielte. Das Schlimme ist eben: die Welt und die Verhältnisse sind nicht so, und genau mit dem haben wir uns zu befassen. Bei dem, womit wir es unter ständiger Benutzung - und ich sage: Abnutzung - dieses Schildes Europa zu tun hatten,
haben doch in Wirklichkeit der Westen, der Norden und der Süden Europas immer ein wenig, jeder für sich, angenommen, sie berühre es nicht unmittelbar, wenn z. B. der westliche Teil Mitteleuropas - das sind wir und einige andere - infolge der vom Osten verursachten Störungen unter steigenden sowjetischen Druck gerate. Da haben die im eigentlichen Westen, im Norden und im Süden gemeint: An uns geht dieses Tief vorbei. Ich finde, es muß gesagt werden: es wäre ein tragischer Irrtum, anzunehmen, dieser Westen, der Norden und auch der Süden Europas vermöchten sozusagen um Mitteleuropa herum zu einer Art von Kooperation mit dem Osten einschließlich des östlichen Mitteleuropas - das geht dann so etwa bis zur CSSR - zu gelangen. Es wäre auch folgenschwer, wenn jeder Teil Europas auf eine etwas günstigere Großwetterlage spekulieren und für sich Chancen ausrechnen würde, sozusagen ein ganz spezielles Arrangement mit dem Osten zustande zu bringen. Was machen wir angesichts einer solchen Lage, an der sich im Grunde bisher die meisten Ansätze festgelaufen haben? Ich denke schon mit Bedauern an jene Damen und Herren, die - in wenigen Tagen wird es sein - angesichts des Kalenders - wir sind ja alle auch dem Kalender verpflichtet - 20 Jahre europäische Bemühungen in Den Haag in Erinnerung rufen werden.
Was ist daraus von uns aus und gar nicht in einem engen national-staatlich gemeinten Sinne zu bemerken? Meine Überzeugung ist, so untauglich die Block- und die Lagervorstellungen für Verständigung und für Interessenausgleich zwischen Ost und West sind, so untauglich sind auch die Vorstellungen, sozusagen jeder ganz für sich allein, einige auserwählte Nationen, ganz bestimmte jedenfalls, könnten es schaffen, sich mit dem Osten zu arrangieren oder voranzugehen. Das sind, glaube ich jedenfalls - und die Erfahrung scheint es zu lehren -, untaugliche Vorstellungen.
Wir haben es mit der Notwendigkeit zu tun, mehr denn je Bereitschaft zu Kooperation in Europa und auch Fähigkeit - was noch viel schwerer ist - zu Kooperation in Europa zustande bringen zu helfen. Bereitschaft - die erklärt man fortgesetzt. Fähigkeit- da stößt man sich an den Institutionen; die einen an ihrer EWG, die anderen an ihrer EFTA und wieder andere an noch anderen Institutionen. Das ist sehr, sehr schwierig. Ich meine also Fähigkeit zu kooperativerem Verhältnis und Verhalten, das über die bisher entwickelten institutionalisierten Formen hinausgeht, ohne diese zu vernachlässigen; denn dann wäre man auch wieder unten.
Es ist doch wohl nicht zu bestreiten: Solange der Osten Europas nicht zu Kooperation mit dem. übrigen Europa imstande ist - was immer die Gründe dafür sein mögen -, muß dieses übrige Europa, ohne deshalb zu einem Block werden zu wollen, wenigstens das Maß eigener Kooperation zu erreichen versuchen, das es möglich macht, die Voraussetzungen für das, was man Koexistenz mit dem Osten nennt, zu gewährleisten und die Ansätze zu bilden zu einmal kommenden kooperativeren Beziehungen, auch zwischen ost- und westeuropäischen
Staaten, wenn diese auch nur sehr allmählich heranreifen werden.
Es mag angesichts des Dramas in der und um die CSSR zur Zeit noch vermessen erscheinen, solche Forderungen oder Vorschläge zu erwägen. Aber ich halte es für falsch, dies einfach dem Lauf der Zeit überlassen zu wollen. Heute ist es unvermeidlich, daß die durch die Invasion in die CSSR gestörten Sicherheitsverhältnisse durch das nordatlantische Bündnis zum Gegenstand eigener militärischer Vorkehrungen für die Gewährleistung der Sicherheit des durch dieses Bündnis gedeckten Territoriums gemacht werden. Aber es wäre irrig anzunehmen, darin erschöpfe sich die Aufgabe des Westens oder darin erschöpfe sich das, was wir dazu beizutragen hätten, wenn wir ein wenig Licht auch für die eigentlichen deutschen Fragen mit herbeiführen helfen wollen. So lebensnotwendig unter den gegebenen Verhältnissen die militärische Funktionsfähigkeit des nordatlantischen Bündnisses ist, so wesentlich es, meine ich, außerdem sein würde, wenn etwa die europäische Gemeinschaft der Sechs jetzt über ihren Schatten zu springen vermöchte - und wäre es auch nur im Zeitlupentempo - und - außer Marktordnungen, die sicher vortrefflich sind - einige lebenswichtige Fortschritte in Richtung umfassenderer Kooperationen zustande zu bringen vermöchte, so dürfte sich europäische Aktivität auch darin nicht erschöpfen. Bei verantwortungsbewußten Staatsmännern, politisch verantwortlichen Menschen müssen diese Ereignisse und muß auch diese Doktrin zu Überlegungen und Schritten führen, die mindestens den Meinungsaustausch zwischen möglichst vielen europäischen Regierungen bewirken und eine Art von Synchronisation von Handlungen ermöglichen. Dabei sollte man auch, ohne diese zu verletzen, über institutionalisierte Verhältnisse hinauszuwirken versuchen.
Es wäre gut, meine Damen und Herren, wenn etwa durch das, was in dieser Debatte zu solchen und damit verwandten Fragen gesagt worden ist, der Eindruck vertieft würde, den der Bundesminister des Auswärtigen in Genf mit seiner maßvollen und präzisen Beschreibung der politischen Landschaft und einigen konstruktiven Vorschlägen hinterlassen hat. Dort hat man sich davon überzeugen können, daß die Bundesrepublik bemüht ist, ein konstruktiver Partner bei der Lösung komplizierter Probleme zu sein.
Es ist keine Schande, wenn weder die Bundesregierung noch der Bundestag funkelnagelneue Methoden zur Lösung von Krisen und Beseitigung von Krisenelementen anzubieten hat. Nein, es kommt darauf an, deutlich zu machen, daß wir aufrichtige Partner zu sein bemüht sind, daß wir nicht mit dem Feuer spielen und daß wir ebensowenig Öl in vorhandene Feuer schütten. Wir machen uns weder anheischig, alles besser oder am besten wissen zu wollen, noch, andere gängeln zu wollen. Die Bundesrepublik soll vielmehr wollen, wie jemand zu erscheinen, der sich wohl der Tatsache bewußt ist, daß es auf ihn allein angesichts der Wucht großer Ereignisse und einer Entwicklung, die einem schon den Atem rauben kann, zwar nicht ankommt, daß wir aber jemand sind und zu sein bemüht sind, der sei10306
nen Platz ausfüllt und zur Stelle ist, wenn es um konstruktive Bemühungen geht, die Gegensätze nicht aufeinanderprallen, sondern schrittweise der sachlichen Behandlung zuführen zu lassen.
Wir haben wenig sehr wirksame und für so schwere Verhältnisse aufrüttelnde Stimmen von außerhalb unseres eigenen Bereichs:
({2})
- Ja, das mögen Sie dann sagen, Herr Haase. Das ist eine Frage des Taktes auch für Abgeordnete, wie sie sich politische Gedanken, die einer vorbringt, anhören oder nicht. Wenn Sie das nicht wollen, dann müssen wir anders miteinander reden.
Weder der Präsident der Vereinigten Staaten noch der Präsident Frankreichs - das ist ganz natürlich, das ist weder ein Trost noch eine Anklage
- sind imstande, für diese so schwierige Lage und auch angesichts dieser Doktrin noch verschlimmerte Lage das erlösende Wort zu sprechen.
Auch auf der anderen Seite hat man seine Probleme, und diese Probleme erledigen sich nicht dadurch, daß man dort die durch die militärische Invasion in das Prokrustesbett gezwängten Sprecher des Volkes der CSSR sagen läßt, was Moskau oder auch andere, Ostberlin z. B., von ihnen hören wollen.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Ja, bitte!
Herr Abgeordneter Haase!
Hochverehrter Herr Minister, sind Sie bereit, davon Kenntnis zu nehmen, daß ich eben lediglich die Gelegenheit nahm, mich bei meinem Fraktionsgeschäftsführer über den Takt der Bundesregierung zu beschweren, mit keinem Minister - mit Ihrer Ausnahme - und mit dem Bundeskanzler nicht mehr in der Haushaltsdebatte vertreten zu sein? Das war meine Frage an Herrn Rösing.
Ich bin bereit, ja.
Jedenfalls unser Volk sollte alles daran setzen - amtlich und auch nicht amtlich meine ich das -, daß rundherum erkennbar wird: Die Deutschen wollen helfen, mit an Europa zu bauen, nicht einer bestimmten anderen Doktrin wegen, sondern weil sie wie kaum ein anderes Volk für die Zukunft ihres eigenen Volkes darauf angewiesen sind, daß aus Europa mehr wird als Formeln, die sich aneinander reiben.
Wenn dazu noch kommt, daß man aus den vielen Begegnungen und auch aus den Versuchen, wie wir in schwieriger Situation unsere Fragen zu klären bemüht sind, den Eindruck von uns mitnimmt, daß wir ehrlich Recht und Respekt vor dem Recht bei uns selbst und auch im Verhältnis zu anderen wünschen und zu halten bemüht sind, nun, dann werden wir etwas haben, von dem man später sagen wird: unter schwierigen Verhältnissen auch eine wichtige Leistung.
Damit dieser Eindruck, auf den es heute sehr ankommt, mehr sein kann als ein freundlicher Schimmer, der eine Art von politischer Trümmerlandschaft etwas verschönt, müssen wir im gespaltenen Deutschland tun, was möglich ist, um auch über die Demarkationslinien hinweg unbefangen über das zu sprechen, was dazu helfen kann, unserem Volk die Last der Spaltung zu erleichtern. Ich meine, wir haben in dieser Hinsicht nichts von dem zurückzunehmen oder zu bereuen, was wir angeboten haben, wozu wir Ansätze geliefert haben. Wir sind imstande und auch bereit, das sogar weiter zu entwickeln, so souverän wie nur möglich, aber nicht, es dem Mißbrauch oder der Täuschung anheimfallen zu lassen, die von anderen damit getrieben werden.
Ich darf hier, weil die Diskussionen, wenn auch nicht in diesem Hause zur Zeit, aber mit ihrem Widerhall in Ausschüssen und draußen um das Haus herum diese Fragen doch drängender erscheinen lassen, darauf hinweisen: Wir sind - ich jedenfalls fühle mich dazu auch durch meinen Eid verpflichtet - dazu verpflichtet, dafür zu wirken, daß unser gesamtes deutsches Volk in freier Selbstbestimmung die Einheit und die Freiheit Deutschlands vollenden kann. Wir haben in unserer Regierungserklärung vom Dezember erklärt, daß wir die Landsleute im anderen Teil unseres Vaterlands nicht bevormunden wollen. Wir haben keinen Zweifel daran gelassen. Wir werden es auch immer wieder beweisen, daß uns das ernst ist, daß wir unser Ziel auch nicht durch Gewalt oder durch Androhung von Gewalt zu erreichen suchen werden. Auch diese unsere Politik steht unter dem Leitwort des Willens zu Frieden und zu Verständigung. Wenn die Menschen im anderen Teil Deutschlands einwandfrei in eigener, freier Entscheidung bestimmen können, wie sie mit uns zu leben wünschen, so respektieren wir ihre Entscheidung.
Daß die innerdeutschen Demarkationslinien oder Grenzen von uns nicht angetastet werden, das haben wir nicht nur betont, sondern hinlänglich bewiesen. Daß übrigens auf unserer Seite auf keinen geschossen wird, der von Deutschland nach Deutschland will, das ist auch erwiesen, wird von manchen aber schon vergessen. Unsererseits jedenfalls steht einem vernünftigen Modus vivendi nichts im Wege. Wir suchen dabei weder nach Arbeit über dieses schreckliche Pensum hinaus noch nach Betätigungsplätzen bei anderen, denen wir Modelle anbieten oder aufdrängen wollten für die Art, wie sie ihre kommunistische Ordnung ändern oder umgestalten sollten; das soll und muß deren Sache sein. Aber wir werden jetzt sehr schweren Belastungsproben ausgesetzt sein, und das heißt für viele Menschen: sie werden ganz schweren Enttäuschungen hinsichtlich dieser Doktrin ausgeliefert sein, die nicht, Herr Mischnick, etwas ist, was einfach so hingesagt worden ist, die auch nicht etwas ist, was funkelnagelneu ist; die Bestandteile dieser Doktrin waren für den, der sich ernsthaft mit den Verhältnissen beBundesminister Wehner
schäftigt, leider schon sehr lange erkennbar; ich will das nicht im einzelnen beleuchten.
Angesichts einer solchen Zäsur, mit der wir es zu tun haben werden, wird es gut sein, wenn die Bereitschaft und dann auch die Fähigkeit zum InOrdnung-Bringen und In-Ordnung-Halten unseres eigenen Instrumentariums und unserer auch geistigen und seelischen Arsenale nicht nur beteuert, sondern auch in Handlungen umgesetzt werden.
Deswegen habe ich - und ich bitte Sie dafür noch nachträglich um Entschuldigung - Wert darauf gelegt, in meiner eigenen Weise einiges zu dieser Situation, die die innerdeutsche Wirklichkeit wahrscheinlich sehr drückend machen wird für die, die sich einfach kneten lassen, einiges zu sagen, um erklären zu helfen, gerade im Zusammenhang mit Debatten, bei denen es im Grunde genommen darum geht, unser Eigenes zu tun, damit unser Staat seine Handlungsfähigkeit und seine Bewegungsfähigkeit behalte und sie, wenn möglich, noch steigere. Er wird sie wahrlich nötig haben. - Ich danke Ihnen für Ihre Geduld.
({0})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Möller.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Fraktion hatte mich beauftragt, eine Erklärung zur mittelfristigen Finanzplanung abzugeben. Unter dem Eindruck der Ausführungen meines Herrn Vorredners stehend, bitte ich Sie, damit einverstanden zu sein, daß ich diese Erklärung zu Protokoll gebe *).
Aber gestatten Sie mir noch zwei Anmerkungen, gerade im Hinblick auf die ernsten Darstellungen des Bundeskanzlers und des Herrn Bundesministers Wehner zu unserer Lage, zwei Anmerkungen, die die gestrige Debatte in diesem Hohen Hause betreffen.
Wer die beiden Darstellungen des Bundeskanzlers und des Bundesministers Wehner in sich aufgenommen hat, der wird, so meine ich, froh und glücklich darüber sein, daß wir uns jetzt in diesem Zeitabschnitt nicht mehr in einem Zustand der Rezession und der finanzwirtschaftlichen Unordnung befinden, daß wir das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht zurückgewonnen haben, daß wir aus der Rezession heraus sind, daß wir unsere Finanzen wieder ordnen konnten und daß wir heute aus dieser Position heraus in der Lage sind, Politik zu machen.
Da ist es doch mehr als eigenartig, daß ein Abgeordneter der FDP gestern nachmittag hier in diesem Hohen Hause den Mut gehabt hat, die Frage aufzuwerfen: Wann verschwindet die Ergänzungsabgabe?, und den Mut gehabt hat, die Forderung aufzustellen, die Steuerbelastungsquote müsse gesenkt werden. Angesichts dieser Lage, in der wir uns befinden, angesichts dieser Aufgabenstellung, die wir heute noch einmal durch den Herrn Bundeskanzler und durch Herrn Wehner vorgetragen erhalten ha-
*) Siehe Anlage 2
ben, ist es doch unmöglich, eine solche Forderung aufzustellen, und es ist auch unmöglich, in diesem Zusammenhang davon zu sprechen, daß die Finanzplanung dieser Bundesregierung nicht seriös sei. Das ist im Hinblick auf Änderungen, die sich aus der Sicherheitslage ergeben, 'der Vorbehaltsklausel, die unseren Verteidigungshaushalt betrifft, gesagt worden. Das wurde auch im Hinblick auf Änderungen des Devisenausgleichsabkommens erklärt.
Meine Damen und Herren, das Devisenausgleichsabkommen mit den USA läuft bis 30. Juni 1969. Es ist im Hinblick auf die Situation, in der wir uns befinden, und im Hinblick auf die Forderungen, die von den USA aus an uns ergehen, unmöglich, irgendwelche Zahlen schon jetzt zu nennen oder in die mittelfristige Finanzplanung einzubauen. Das würde unseren Verhandlungen überhaupt keinen Spielraum mehr geben. Die Bundesregierung kann in einer solchen Situation nichts anderes tun, als auf dieses vorhandene Risiko möglicher Änderungen hinzuweisen.
Wenn wir Sozialdemokraten von wirtschaftlichem Wachstum reden und uns für wirtschaftliches Wachstum einsetzen, dann bewerten wir die Steuer, die erhoben werden muß; um eine Wohlstandspolitik zu machen, nicht einfach als Belastungsfaktor der Bevölkerung, sondern wir wissen, daß diese Abgaben unumgänglich sind, um den gesellschaftspolitischen Fortschritt sicherzustellen. Wirtschaftliches Wachstum und gesellschaftspolitischer Fortschritt sind für uns zwei Seiten derselben Münze.
Und die zweite Bemerkung: Der Bundeswirtschaftsminister hat gestern über die Konferenz des Weltwährungsfonds und die Tagung der Weltbank in Washington berichtet und darauf aufmerksam gemacht, daß unsere Überschußposition uns in eine besondere Lage gebracht hat. Er hat dargestellt, daß es möglich gewesen ist, die anderen Länder davon zu überzeugen, daß eine andere Entwicklung z. B. unserer Zahlungsbilanz im Gegensatz zum Jahre 1967 nicht dazu zwingt, die Forderung nach Aufwertung der D-Mark aufzustellen. Er hat dies im einzelnen begründet und gesagt: „Die Aufwertungsfrage war damit vom Tisch". Sie war bei dieser internationalen Konferenz vom Tisch, und ich möchte hinzufügen: sie sollte auch für uns vom Tisch sein. Sie sollte bei uns nicht mehr in den Mittelpunkt der Diskussion gerückt werden, wenn wir uns über die außenwirtschaftliche Absicherung unserer Wirtschaft und unseres Staates unterhalten.
Ich möchte hinzufügen: wir Sozialdemokraten lehnen Rezessionen als Mittel -der Politik ab. Als sozial orientierte Partei sind wir auch keine Inflationspartei. Aufschwung nach Maß bedeutet für uns Aufschwung nach Maß und Ziel, des Zieles nämlich, das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht zu wahren, damit das deutsche Volk und die Bundesrepublik Deutschland gerade jetzt in der Lage sind, der Herausforderung unserer Zeit gerecht zu werden und das zu tun, was einmal als eine Tat dieses Volkes in die Geschichte eingeht.
({0})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Genscher.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich ergreife das Wort nicht nur, um dem Herrn Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen zu zeigen, daß ich noch hellwach bin; denn seinen Ausführungen pflege ich mit besonderer Aufmerksamkeit zuzuhören, heute mit besonderer Aufmerksamkeit deshalb, weil ich zu jenen gehöre, die eine gewisse Verantwortung dafür tragen, daß der Herr Bundesminister bei der letzten außenpolitischen Debatte die Rede nicht halten konnte, die er heute hier gehalten hat.
Herr Kollege Dr. Möller hat eine Erklärung meines Fraktionskollegen Dr. Staratzke von gestern aufgegriffen. Herr Staratzke hatte die Frage aufgeworfen, ob es nicht richtig sei, in voller Anwendung des Stabilitätsgesetzes endlich zu Alternativrechnungen zu kommen, um allen Eventualitäten der politischen Entwicklung Rechnung zu tragen. Herr Dr. Möller, im Hinblick auf eine solche Alternativrechnung hatte er auch die Frage einer Aufhebung der Ergänzungsabgabe angesprochen, eine, wie ich finde, berechtigte Frage; denn auch Sie müssen sich ja idem Problem stellen, daß wir bei steigenden Löhnen und Einkommen und bei progressiven Tarifen zu einer Erhöhung der Gesamtsteuerbelastung kommen, über deren Verwendung oder Aufrechterhaltung wir hier in diesem Haus Entscheidungen zu treffen haben. So und nicht anders ist diese Erklärung gemeint. Sie steht in keinem Zusammenhang und kann nicht in einen Zusammenhang gebracht werden mit den außenpolitischen Erwägungen, die hier angestellt worden sind.
({0})
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich glaube, daß die heutigen Ausführungen des Bundeskanzlers und des Bundesministers für gesamtdeutsche Fragen sichtbar gemacht haben, wie notwendig diese Debatte war und wie richtig es war, daß der Vorsitzende der FDP-Fraktion, Wolfgang Mischnick, den Bundeskanzler zur Klärung in bestimmten außenpolitischen Fragen gedrängt hat. Was wir heute über das Problem der Überprüfung der Positionen gehört haben, ist ein sinnvoller Beitrag zur Klärung der außenpolitischen Position der Bundesrepublik und der Bundesregierung gewesen.
Herr Bundesminister, wir nehmen Ihren Vorschlag zu einer Bestandsaufnahme gern auf, denn in der Tat haben die Ereignisse in der Tschechoslowakei erneut einen Impuls dazu gegeben, die Gesamtlage in Europa, die Gesamtlage in der Welt, aber auch unsere eigene Situation zu überprüfen und nach Wegen. zu suchen, wie wir weiterkommen.
Wenn Herr Mischnick an dieser Stelle vor einer Überbewertung dessen gewarnt hat, was Sie als Doktrin bezeichnen, so deshalb, weil er verhindern wollte, daß eine solche Erklärung der sowjetischen Regierung, in welcher Form sie auch immer vorgebracht sein mag - ob durch den Botschafter, ob in parteiamtlichen Veröffentlichungen, ob in Reden des Außenministers -,
als unabänderlich, als endgültig hingenommen wird. Er hat es getan, um zu verhindern, daß wir sie nur in einem Sinn interpretieren und nicht andere Möglichkeiten des Verständnisses dieser Doktrin offenlassen; denn natürlich ist es denkbar, daß hier - und das ist ja auch in den Ausführungen. des Herrn Bundesministers Wehner angeklungen. - die Entwicklung, die darauf gerichtet ist, aus den bestehenden Paktsystemen auf europäischem Boden zu einer neuen Ordnung in Europa zu kommen, nicht ausgeschlossen werden soll. Ich jedenfalls habe eine solche Erklärung, man könne zweiseitig nicht zu Veränderungen kommen, es sei müßig, zu versuchen, das Gleichgewicht in Europa durch Einwirkungen auf einzelne Staaten des Warschauer Paktes zu verändern, in erster Linie gar nicht als eine Absage an die Politik der Bundesrepublik - oder sagen Sie meinetwegen: der Bundesregierung - verstanden, sondern ich habe es in erstek Linie als eine Absage an eine Politik verstanden, wie sie z. B. der französische Staatspräsident vertritt, wenn er der Meinung ist, zunächst einmal müßten die Blocksysteme auf europäischem Boden aufgelöst werden, und dann könne man zu größeren europäischen Lösungen kommen. Ich glaube, wir sollten diese Interpretation uns selbst und auch der anderen Seite offenhalten, damit wir nicht zu einer Blockierung kommen. Das allein war der Grund, warum Herr Mischnick gestern auf diese Frage eingegangen ist.
Das bedeutet aber nicht, daß mit den heutigen Erklärungen der Bundesregierung alle offenen Fragen beantwortet wären. Offen ist weiter die Frage, was der Bundeskanzler meinte, als er sagte, vielleicht hätten wir uns in Europa zuviel vorgenommen. Ist das eine Übernahme der außenpolitischen Meinung des französischen Staatspräsidenten? Wollen wir jetzt dem Ausbau der bestehenden Gemeinschaft den Vorrang geben, und wollen wir die Frage der Erweiterung nicht mehr so sehr betonen? Das wäre in der Tat eine Veränderung der Politik der Bundesregierung. Es wäre nützlich gewesen, wenn wir hierzu Näheres gehört hätten.
Eine andere Frage ist aufgeworfen - gar nicht hier im Parlament, aber durch einen zeitlichen Zusammenklang verschiedener Erklärungen -, nämlich, ob es richtig ist, in diesem Zeitpunkt im Rahmen der NATO einen stärkeren Zusammenschluß der europäischen NATO-Mächte vorzunehmen. Der Herr Bundeskanzler hat sich in dieser Richtung ausgesprochen. Zur gleichen Zeit, als der Bundeskanzler hier sprach, hat der Verteidigungsminister in Paris davor gewarnt, das in diesem Zeitpunkt zu tun. Er hat gemeint, hier sei eine Denkpause erforderlich, wenn man nicht erreichen wolle, daß die Amerikaner durch einen solchen Zusammenschluß zu einem Desinteresse an Europa kämen. Das ist eine, wie ich finde, erwägenswerte Vorstellung, die aber natürlich besser hier im Parlament zum Ausdruck gekommen wäre.
Ich erwähne das, um zu zeigen, daß Debatten dieser Art, wenn sie von der Opposition gefordert werden, in erster Linie das Ziel haben, die RegieGenscher
rung dort zu einer Präzisierung ihres Standpunktes zu zwingen, wo das erforderlich ist.
Ich darf noch ein Wort zu Herrn Kollegen Schmidt sagen, bevor er den Raum verläßt. Herr Kollege Schmidt, Sie haben gestern in bezug auf eine Wahlbroschüre der FDP, in der ein gewisser zeitlicher Stillstand in der Frage der Strafrechtsreform beanstandet wurde, an mich die Frage gerichtet, was denn die Justizminister der FDP in Sachen Strafrechtsreform getan hätten. Sie haben die Namen von Thomas Dehler, Ewald Bucher und Wolfgang Stammberger genannt. Ich glaube, wir dürfen Thomas Dehler hier aus dem Spiel lassen, weil er als erster Justizminister dieses Staates in den ersten vier Jahren der Bundesrepublik wahrhaftig andere Aufgaben hatte, als sich mit den Fragen der Strafrechtsreform zu befassen. Aber daß er die Grundlagen für eine einheitliche Justiz in der Bundesrepublik Deutschland mit gelegt hat, daß das mit sein Werk ist und daß er ein Maß gesetzt hat für künftige Justizminister, ist sicher unbestritten zwischen Ihnen und mir, - so daß wahrscheinlich Ihre Frage völlig überflüssig ist.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Herr Genscher, Sie haben sicherlich bemerkt, daß ich mich bemüht habe, gegenüber Thomas Dehler einen großen Respekt zum Ausdruck zu bringen.
Ja, Herr Kollege Schmidt, ich akzeptiere das völlig. Was die anderen Kollegen angeht - - .
Gestatten Sie eine andere Zwischenfrage, von Frau Abgeordneter Diemer-Nicolaus?
Herr Kollege Genscher, darf ich Sie vielleicht daran erinnern, daß es Thomas Dehler war, der überhaupt die Grundlagen für die Strafrechtsreform gelegt hat, der die Sachverständigengutachten anforderte und die ganze Strafrechtsreform in Gang gebracht hat?
Ich gebe diese Erinnerung gern an die Kollegen weiter, bei denen diese Erinnerung erforderlich ist.
Was den Kollegen Ewald Bucher angeht, Herr Kollege Schmidt: Sie wissen, daß er wegen einer sehr entscheidenden, wegen einer Überzeugungsfrage vorzeitig aus seinem Amt ausgeschieden ist und deshalb vieles von dem nicht erledigen konnte, was er sich vorgenommen hatte. Vielleicht war es für ihn auch ein Mangel, daß er in der Zeit, als er Justizminister war, nicht auf eine liberale Opposition zurückgreifen konnte.
({0}) Der Kollege Stammberger, Herr Kollege Schmidt, dem ich mich unverändert persönlich verbunden fühle, sollte jetzt besser in politischen Fragen Ihrer Verteidigung anvertraut werden. So viel hierzu.
Ich gehe sogar einen Schritt weiter und möchte sagen, daß natürlich die Fragen der Strafrechtsreform - hier geht es weitgehend um weltanschauliche Fragen - gehemmt worden sind durch die tiefgreifenden Meinungsverschiedenheiten, die es in dieser Frage gibt, und zwar fast mehr, würde ich sagen, zwischen der CDU auf der einen und der SPD und der FDP auf der anderen Seite. Das ist nicht etwas, das wir direkt oder indirekt etwa dem amtierenden Bundesjustizminister anlasten, sondern das ist Sache des Hauses. Wir wissen, daß der Bundesjustizminister hier sehr gern Vorstellungen verwirklichen würde, die mit den unseren weitgehend übereinstimmen. Mehr Freundlichkeiten möchte ich im Augenblick in diesem Falle nicht sagen, um völlig falschen Interpretationen zu entgehen. Sonst wird eine solche Bemerkung am Ende noch in der Öffentlichkeit eine gewisse präsidiale Note bekommen.
({1})
Aber ich habe zu Beginn meiner Ausführungen ganz
bewußt auch ein nettes Wort für Herrn Schröder
gefunden, um eine gewisse Parität zu gewährleisten.
({2})
Herr Kollege Schmitt-Vockenhausen, ich würde im Augenblick etwas vorsichtiger sein; denn wir hören natürlich im Moment sehr genau zu, was jeder von hier oben zu welcher Frage sagt.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, vielleicht lassen Sie mich an dieser Stelle zu einem Problem, das indirekt in dem Hinweis auf zwei Mitglieder der amtierenden Bundesregierung angesprochen wurde, etwas sagen, zu einem Problem, das in der Öffentlichkeit diskutiert wird, das seit Montag legitimer Weise in der Öffentlichkeit diskutiert wird und das in diesem Hause nicht unerwähnt bleiben sollte.
Der Bundespräsident hat durch seine Erklärung, daß er vorzeitig aus dem Amt zu scheiden wünsche, den Weg für eine faire und offene Diskussion über seine Nachfolge und über personelle Entscheidungen der Parteien über diese Frage freigemacht. Wenn ich mich veranlaßt gesehen habe - und ich habe das nicht ganz ohne Hintergrund getan -, bei der Erwähnung von Namen amtierender Bundesminister, die, wie wir alle wissen, auch als Kandidaten für das höchste Staatsamt im Gespräch sind, den Hinweis zu geben, daß man daraus Rückschlüsse nicht ziehen könne, so wollte ich damit eigentlich die Aufmerksamkeit dieses Hauses auf das Problem richten, das in der Tat darin liegt, daß Mitglieder der Bundesregierung, die noch dazu einer zur Mehrheitsbildung erforderlichen Opposition gegenüberstehen, unter Umständen in schwierige Situationen kommen können, wenn sie über eine lange Zeit in einem solchen Zustand gehalten werden.
Bei allem, was wir in der Vergangenheit aus objektiven und subjektiven Gründen an Sorgen mit dem Amt gehabt haben, gibt es in dieser Frage eigentlich doch eine gemeinsame Aufgabe, die wir als tragende politische Kräfte in diesem Land zu lösen haben, die wir mit Fairneß, Anstand und Stil zu bewältigen haben. Hier gibt es keine Regierungsmehrheit, hier gibt es keine Opposition, sondern hier gibt es nur eine gemeinsame Verpflichtung, und der können wir uns wohl am besten unterziehen, wenn die Entscheidungen, die hier zu treffen sind, bald getroffen werden, wenn die Ungewißheit beseitigt wird. Das bedeutet auch, daß die Wahlgremien, die wir für diese Entscheidung brauchen, sehr bald Gelegenheit haben müssen, ihre Entscheidung zu treffen. Ich sage das in diesem Augenblick nur als meine persönliche Meinung. Aber ich glaube, daß es in dieser Frage zwischen den Fraktionen jedenfalls dieses Hohen Hauses keine Meinungsverschiedenheit geben kann.
({3})
Keine weiteren Wortmeldungen? - Meine Damen und Herren, die Aussprache zu den Punkten 4 und 5 ist geschlossen.
Überweisungsvorschlag für den Punkt 5 a) : Haushaltsausschuß. Kein Widerspruch? - Es ist so beschlossen.
Über Punkt 5 b) - Finanzplanung des Bundes 1968 bis 1972 - war eine Einigung im Ältestenrat nicht zu erzielen. Wird Überweisung beantragt?
({0})
- An den Haushaltsausschuß. Widerspruch? - Dann muß ich abstimmen lassen.
Meine Damen und Herren, wer für die Überweisung der Vorlage Drucksache V/3299 an den Haushaltsausschuß ist, gebe bitte ein Handzeichen.
- Gegenprobe! - Das erste war die Mehrheit. Überwiesen an den Haushaltsausschuß!
Punkt 5 c) :
c) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes übet das Beteiligungsverhältnis an der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer
- Drucksache V/3332 -
Überweisungsvorschlag: Finanzausschuß, Haushaltsausschuß gemäß § 96 der Geschäftsordnung. - Kein Widerspruch. Es ist so beschlossen.
Punkt 5 d) :
d) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Länderfinanzausgleichsgesetzes 1965
- Drucksache V/3333 -Überweisungsvorschlag: Finanzausschuß federführend, Haushaltsausschuß mitberatend und gemäß
§ 96 der Geschäftsordnung. - Kein Widerspruch. Es ist so beschlossen.
Punkt 6 der Tagesordnung:
6. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu den Änderungen und Ergänzungen des Abkommens über den Internationalen Währungsfonds, die das Direktorium des Fonds im Bericht vom April 1968 dem Vorsitzer des Gouverneursrats des Fonds vorgelegt und die der Gouverneursrat bis zum 31. Mai 1968 genehmigt hat
- Drucksache V/3338 Wird das Wort gewünscht? - Das Wort wird nicht gewünscht.
Es ist Überweisung an den Ausschuß für Wirtschaft- und Mittelstandsfragen vorgeschlagen. - Kein Widerspruch. Es ist so beschlossen.
Punkt 8:
8. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 19. Oktober 1967 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Italienischen Republik über die Regelung vermögensrechtlicher, wirtschaftlicher und finanzieller, mit dem Zweiten Weltkrieg zusammenhängender Angelegenheiten
- Drucksache V/3339 Wird das Wort gewünscht? - Keine Wortmeldungen.
Es ist Überweisung an den Ausschuß für Kriegs- und Verfolgungsschäden vorgeschlagen. - Kein Widerspruch. Es ist so beschlossen.
Punkt 9:
9. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Genfer Protokoll von 1967 zum Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommen, dem Übereinkommen vom 30. Juni 1967 zur Durchführung von Artikel VI des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens und dem Abkommen vom 30. Juni 1967 zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft sowie deren Mitgliedstaaten und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über Uhrmacherwaren
- Drucksache V/3341 Keine Wortmeldungen. Es ist Überweisung an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen vorgeschlagen. - Kein Widerspruch. Es ist so beschlossen.
Punkt 10:
10. Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Wirtschaft und Mittelstandsfragen ({1}) über die von der BunDeutschei Bundestag - 5. Wahlperiode Präsident D. Dr. Gerstenmaier
desregierung beschlossene Dreizehnte Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1968 ({2})
- Drucksachen V/3284, V/3323 - Berichterstatter: Abgeordneter Lange
Ich frage den Herrn Berichterstatter, ob er das Wort wünscht. - Der Herr Berichterstatter verzichtet.
Ich frage, ob dem Antrag des Ausschusses in Drucksache V/3323 zugestimmt wird. - Kein Widerspruch. Die Zustimmung ist erteilt.
Punkt 11:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Wirtschaft und Mittelstandsfragen ({3}) über die von der Bundesregierung beschlossene Achte Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1968 ({4})
- Drucksachen V/3262, V/3324 -Berichterstatter: Abgeordneter Schmidhuber
Ich frage den Herrn Abgeordneten Schmidhuber, ob er das Wort wünscht. - Das Wort wird nicht gewünscht.
Wer zustimmt, gebe bitte ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Einstimmig angenommen.
Punkt 12:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Wirtschaft und Mittelstandsfragen ({5}) über die von der Bundesregierung beschlossene Siebenundvierzigste Verordnung zur Änderung des
Deutschen Zolltarifs 1967 ({6})
- Drucksache V/3247, V/3325 - Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Preiß
Wünscht der Herr Berichterstatter das Wort? -Der Herr Berichterstatter verzichtet.
Wer zuzustimmen wünscht, gebe bitte ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen.
Punkt 13:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Wirtschaft und Mittelstandsfragen ({7}) über die von der Bundesregierung beschlossene Dritte Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1968 ({8})
- Drucksache V/3264, V/3326 - Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Staratzke
Ich frage den Herrn Berichterstatter, ob er das Wort wünscht. - Er verzichtet.
Wer zuzustimmen wünscht, gebe bitte ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen.
Meine Damen und Herren, ehe ich die Sitzung schließe, gebe ich bekannt, daß der Vorsitzende des Innenausschusses mitteilt, daß die heutige Sitzung des Innenausschusses ausfallen müsse.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Mittwoch, den 23. Oktober 1968, 9.00 Uhr vormittags, ein.
Die Sitzung ist geschlossen.