Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet.
Meine Damen und Herren! Vor Eintritt in die Tagesordnung gebe ich bekannt, daß der Abgeordnete Müller ({0}) am 10. Oktober seinen 65. Geburtstag gefeiert hat. Ich spreche ihm die herzlichen Glückwünsche dieses Hauses aus.
({1})
Nach § 76 Abs. 2 der Geschäftsordnung soll die Vorlage des Bundeskanzlers „Bericht der Bundesregierung über die Situation in den Europäischen Gemeinschaften" dem Auswärtigen Ausschuß überwiesen werden. - Kein Widerspruch; es ist so beschlossen.
Die Fraktion der CDU/CSU hat mit Schreiben vom 27. September 1968 für den aus dem Vorstand des Deutschen Bundestages ausscheidenden Abgeordneten Dr. Götz den Abgeordneten Kühn ({2}) benannt. - Das Haus ist damit einverstanden; kein Widerspruch. Der Herr Abgeordnete Kühn ({3}) ist hiermit als Mitglied des Vorstands des Deutschen Bundestages gewählt.
Ich spreche dem langjährigen Mitglied im Vorstand des Deutschen Bundestages, dem Abgeordneten Dr. Götz, den Dank des Hauses aus.
({4})
Die Fraktion der CDU/CSU hat am 30. September 1968 für den ausgeschiedenen Abgeordneten Dr. Vogel ({5}) den Abgeordneten Dichgans als ordentliches Mitglied im Wahlprüfungsausschuß benannt. - Das Haus ist einverstanden; kein Widerspruch. Damit ist der Herr Abgeordnete Dichgans als ordentliches Mitglied des Wahlprüfungsausschusses gewählt.
Nach § 9 Abs. 1 des Gesetzes zu Art. 10 des Grundgesetzes bestimmt der Bundestag aus seiner Mitte ein aus fünf Abgeordneten bestehendes Gremium. Die Fraktionen haben dafür folgende Mitglieder benannt: die CDU/CSU Herrn Abgeordneten Dr. Even und Herrn Abgeordneten Dr. Jaeger, die SPD Herrn Abgeordneten Hirsch und Herrn Abgeordneten Hansing und die FDP Herrn Abgeordneten Dorn. - Das Haus ist einverstanden. Damit sind die benannten Abgeordneten als Mitglieder des Gremiums nach § 9 Abs. 1 des Gesetzes zu Art. 10 des Grundgesetzes bestimmt.
Die folgenden amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Bundesminister für Verkehr hat am 28. September 1968 die Kleine Anfrage der Fraktion der FDP betr. Koordinlerungsausschuß für Straßenbauplanung - Drucksache V/3249 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache V/3303 verteilt.
Der Bundesminister für wissenschaftliche Forschung hat am 30. September 1968 die Kleine Anfrage der Fraktion der FDP betr. Förderung von deutschen Wissenschaftlern und der Zusammenarbeit auf internationaler Basis - Drucksache V/3176 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache V/3319 verteilt.
Der Bundesminister des Innern hat am 2. Oktober 1968 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dorn, Moersch und der Fraktion der FDP betr. Reform von Parlaments- und Regierungsarbeit - Drucksache V/3253 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache V/3327 verteilt.
Der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft hat am 7. Oktober 1968 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Lampersbach, Dr. Pohle, Orgaß und Genossen betr. Rechtsverordnung nach § 20 des Gesetzes zur Anpassung und Gesundung des deutschen Steinkohlenbergbaus und der deutschen Steinkohlenbergbaugebiete - Drucksache V/3251 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache V/3328 verteilt.
Der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft hat am 9. Oktober 1968 die Kleine Anfrage der Fraktion der FDP betr. Fortschreibung der mittelfristigen Finanzplanung - Entwicklung der Einkommen aus mittelständiger Arbeit - Drucksache V/3240 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache V/3330 verteilt.
Der Bundesminister der Verteidigung hat am 11. Oktober 1968 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Schultz ({6}), Ollesch, Jung, Schmidt ({7}), Porsch, Mischnick und der Fraktion der FDP betr. Kritische Unteroffizierslage der Bundeswehr - Drucksache V/3257 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache V13345 verteilt.
Der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung hat am 10. Oktober 1968 die Kleine Anfrage der Fraktion der FDP betr. Beseitigung von Defiziten in der Arbeiterrentenversicherung und der gesetzlichen Krankenversicherung - Drucksache V/3234 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache V/3347 verteilt.
Der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung hat am 10. Oktober die Kleine Anfrage der Fraktion der SPD betr. Rentenversicherung und Sozialbudget - Drucksache V/3219 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache V/3348 verteilt.
Gemäß § 6 Abs. 2 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht vom 12. März 1951 in der Fassung des Gesetzes vom 21. Juli 1956 ist der Abgeordnete Dr. Schmidt ({8}) aus der Reihe der nicht mehr Gewählten für den ausgeschiedenen Abgeordneten Benda als Wahlmann nachgerückt.
Der Präsident des Bundestages hat am 28. Juni 1968 die
Verordnung ({9}) Nr. 652/68 des Rates vom 29. Mai 1968 zur Festsetzung der Beihilfe für die Erzeugung von Hartweizen für das Wirtschaftsjahr 1968/69
dem Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten überwiesen mit der Bitte um Berichterstattung, wenn im Ausschuß Bedenken gegen die Verordnung erhoben werden. Der Vorsitzende des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat am 2. Juli 1968 mitgeteilt, daß Bedenken nicht erhoben würden.
Der Vorsitzende des Ausschusses für Wirtschaft und Mittelstandsfragen hat am 1. Oktober 1968 mitgeteilt, daß der Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen Bedenken gegen die inzwischen verkündete
Verordnung ({10}) Nr. 950/68 des Rates vom 28. Juni 1968 über den Gemeinsamen Zolltarif
nicht erhoben hat.
Der Vorsitzende des Ausschusses für Wirtschaft und Mittelstandsfragen hat am 7. Oktober 1968 mitgeteilt, daß der federführende Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen und die zum Teil mitberatenden Ausschüsse für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten bzw. Haushalt gegen die nachstehenden Verordnungen, die alle bereits im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften verkündet wurden und in Kraft getreten sind, keine Bedenken erhoben haben:
Verordnung ({11}) Nr. 653/68 des Rates vom 30. Mai 1968 über die Bedingungen für die Änderung des Wertes der Rechnungseinheit für die gemeinsame Agrarpolitik
Verordnung des Rates über die Bedingungen für die Änderung des Wertes der Rechnungseinheit für die gemeinsame Agrarpolitik ({12})
Verordnung des Rates zur Festsetzung der Durchführungsvorschriften zu der vorstehenden Verordnung
- Drucksache V/2866 -Verordnung des Rates Nr. 666/68 vom 30. Mai 1968 zur Anderung von Artikel 6 und der Anhänge A und B der Verordnung Nr. 217/67 EWG
Verordnung Nr. 735/68 des Rates vom 18. Juni 1968 zur Änderung bestimmter Vorschriften der Verordnung Nr. 83/67/EWG
Verordnung ({13}) Nr. 799/68 des Rates vom 27. Juni 1968 über eine vorübergehende Abweichung bei bestimmten Waren, von den Bestimmungen der Verordnung Nr. 160/66/EWG, welche das Verfahren zur Berechnung der beweglichen Teilbeträge betreffen
Verordnung ({14}) Nr. 812/68 des Rates vom 28. Juni 1968 über die vorübergehende teilweise Aussetzung bestimmter Zollsätze des Gemeinsamen Zolltarifs
Verordnung des Rates über die Grundregeln für die Gewährung von Erstattungen bei der Ausfuhr von Rindfleisch und über die Kriterien für die Festsetzung des Erstattungsbetrags
- Drucksache V/2811 Verordnung des Rates zur Änderung der Verordnung Nr. 755/67/EWG
- Drucksache V/3145 Der Präsident des Bundestages hat entsprechend dem Beschluß des Bundestages vom 23. Februar 1962 die
Fünfunddreißigste Verordnung zur Änderung der Einfuhrliste - Anlage zum Außenwirtschaftsgesetz
- Drucksache V/3285 an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen überwiesen mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 15. Januar 1969
Der Präsident des Bundestages hat entsprechend dem Beschluß des Bundestages vom 25. Juni 1959 die nachstehenden Vorlagen überwiesen:
Verordnung des Rates zur Änderung der Verordnung Nr. 359/67/EWG über die gemeinsame Marktorganisation für Reis bezüglich des Verfahrens für die Festsetzung des Berichtigungsbetrags für die Erstattung
- Drucksache V/3269 überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat, die voraussichtlich im Dezember erfolgen wird
Verordnung des Rates zur neuen Änderung der Verordnung Nr. 120/67/EWG über die gemeinsame Marktorganisation für Getreide, insbesondere hinsichtlich der für Italien vorgesehenen besonderen Maßnahmen
- Drucksache V/3270 -überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ({15}) und an den Haushaltsausschuß mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat, die voraussichtlich im Oktober erfolgen wird
Richtlinie des Rates für die Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten betreffend die technischen Sicherheitsmaßnahmen bei Bau und Betrieb von Ölfernleitungen
- Drucksache V/3271 überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat, die voraussichtlich im Dezember erfolgen wird
Verordnung des Rates zur Änderung der Verordnung Nr. 800/68 hinsichtlich der tariflichen Bezeichnung der aus den assoziierten afrikanischen Staaten und Madagaskar oder den überseeischen Ländern und Gebieten eingeführten Stärke
- Drucksache V/3276 -überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat, die voraussichtlich im September erfolgen wird
Richtlinie des Rates für die Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über gewisse Ausrüstungen und Merkmale von Kraftfahrzeugen - Rückspiegel - Sichtfeld - Scheibenwischer - Scheibenwascher
Richtlinie des Rates für die Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Steckvorrichtungen an Kraftfahrzeugen für den Anschluß der Beleuchtungs- und Lichtsignaleinrichtungen des Anhängers
Richtlinie des Rates für die Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Vorrichtungen für Schallzeichen von Kraftfahrzeugen
- Drucksache V/3280 überwiesen an den Verkehrsausschuß ({16}) und an den Ausschuß für Gesundheitswesen mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat, die voraussichtlich im Dezember erfolgen wird
Verordnung des Rates zur Änderung der Verordnung ({17}) Nr. 1114/68
- Drucksache V/3304 überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat, die voraussichtlich im Oktober erfolgen wird
Verordnung ({18}) Nr. 1497/68 des Rates vom 27. September 1968 zur Verlängerung der Gültigkeitsdauer der Verordnung ({19}) Nr. 666/68
überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen mit der Bitte um Berichterstattung innerhalb eines Monats, wenn im Ausschuß Bedenken gegen die Vorschläge erhoben werden
Zu den in der Fragestunde der 187. Sitzung des Deutschen Bundestages am 27. September 1968 gestellten Fragen des Abgeordneten Jacobi ({20}), Drucksache V/3277 ({21}) Nrn. 7 und 8 5), ist inzwischen die schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Jahn vom 30. September 1968 eingegangen. Sie lautet:
Das Auswärtige Amt hat einigen Mitgliedern des Bundestages Mitte Juli auf ihre Frage nach der Zweckmäßigkeit einer Reise nach Griechenland durch den für die politischen Beziehungen zu Griechenland zuständigen Referenten in Einzelgesprächen folgende Hinweise gegeben:
Es sei vom Standpunkt des Auswärtigen Amts zu begrüßen, wenn sich Mitglieder des Bundestags mit der Lage in Griechenland eingehend vertraut machten. In der Vergangenheit seien bekanntlich verschiedene Mitglieder der Fraktionen der SPD und der CDU/CSU nach Griechenland geflogen, um sich an Ort und Stelle ein Bild zu machen. Wir seien zwar im Prinzip der Ansicht, daß zur Zeit offizielle bilaterale Besuche nicht stattfinden sollten, doch gelte dies nicht für Einzel- oder Gruppenreisen zum Zwecke der Information über die Verhältnisse in Griechenland,
Derartige Reisen, in deren Verlauf tunlichst auch mit Politikern der alten Parteien Fühlung zu nehmen sei, gäben zudem Gelegenheit, dem gegenwärtigen Regime deutlich zu machen, daß eine alsbaldige Rückkehr zu rechtsstaatlichen Verhältnissen im Interesse der deutsch-griechischen Beziehungen liege. Ferner böten solche Reisen Gelegenheit, sich zugunsten bestimmter politischer Gefangener und in Griechenland zurückgehaltener Gastarbeiter zu verwenden.
Der Referent hat zu der Frage, ob es ratsam sei, sich von einer Werbe-Agentur im Auftrag der griechischen Regierung einladen zu lassen, geäußert, daß dies von den Eingeladenen selbst geklärt und entschieden werden müsse.
Die Auskünfte, die das Auswärtige Amt erteilt hat, besagten, daß außenpolitische Bedenken gegen die Reisen als solche nicht bestanden, daß aber die Annahme der Einladungen hierzu allein im Ermessen der Eingeladenen selbst liege.
Damit, meine Damen und Herren, kommen wir zur Tagesordnung.
Punkt 1:
Fragestunde
- Drucksachen V/3350, zu V/3350, V/3354 Wir beginnen mit den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für gesamtdeutsche Fragen. Zunächst die Frage 1 des Herrn Abgeordneten Schlager:
Bedeutet die Gewährung eines 30 000-DM-Zuschusses für die Baufinanzierung der Kindertagesstätte der Evangelischen Kirchengemeinde Selbitz ({22}) aus Mitteln des Ministers für gesamtdeutsche Fragen, daß der Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen damit seine seit 1964 eingenommene Haltung aufgibt, der Betrieb von Kindertagesstätten im Zonenrandgebiet sei keine kulturelle Einrichtung im Sinne des Einzelplanes 27 02 Tit. 602 b) und damit nicht förderungswürdig?
*) Siehe 187. Sitzung, Seite 10 128 D
Präsident D. Dr. Gerstenmaier
Ist der Herr Abgeordnete Schlager nicht im Haus?
- Die Frage wird schriftlich beantwortet. Frage 73 des Herrn Abgeordneten Porsch:
Wird die Bundesregierung im Rahmen ihrer Förderungsprogramme in den Zonenrandgebieten auch Zuschüsse für dringend benötigte Kindergärten einplanen, nachdem es solche fur Schulen, Kulturhallen und Hallenschwimmbäder bereits gibt?
Zur Beantwortung der Frage 73 der Herr Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen!
Da der Herr Fragesteller zur Frage 1 nicht anwesend ist, bin ich leider genötigt, die Frage des Herrn Kollegen Porsch ein wenig umständlicher zu beantworten, als ich es sonst hätte tun müssen, weil seine Frage in einem gewissen Zusammenhang mit dem anderen Komplex steht. Ich will dabei auch auf das Spezifikum der Frage des Herrn Kollegen Porsch noch besonders eingehen.
Es geht hier um den Bau von Kindergärten im Zonenrandgebiet. Die Frage der Förderung solcher Bauten ist wiederholt Gegenstand von Erörterungen und noch häufiger Gegenstand von Korrespondenz gewesen. Dabei habe ich - das will ich jetzt betonen - zu keiner Zeit die Auffassung vertreten, daß der Bau von Kindergärten nicht förderungswürdig sei. Hier ging es bisher und geht es noch nach den geltenden Bestimmungen um Eingruppierungen in die Titel des Haushaltsplans.
Der Herr Kollege Schlager hatte die Frage gestellt, ob das Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen seine Auffassung hinsichtlich der Förderungswürdigkeit geändert habe. Ich muß der Ordnung halber sagen, daß der Tit. 602 b für die Förderung von Kindergärten nicht herangezogen werden kann, weil die in diesem Titel zur Verfügung stehenden Mittel nach ihrer Zweckbestimmung ausschließlich zur Förderung von kulturellen Maßnahmen gesamtdeutschen Charakters im Zonenrandgebiet bestimmt sind, während es sich bei dem Bau von Kindergärten nach der Rubrizierung überwiegend um soziale Aufgaben handelt. Das ist keine Qualitätsbewertung, sondern ganz einfach eine Frage der Eingruppierung.
Angesichts der zweifellos gestiegenen Bedeutung der Errichtung von Kindergärten gerade auch im Zonenrandgebiet mit seinen besonderen Verhältnissen haben wir im Haushaltsentwurf für das Rechnungsjahr 1969 die Zweckbestimmung des Tit. 602 a, der bisher für den Bau von Schulen vorgesehen war, erweitert in „Für den Bau von Schulen und Kindergärten im Zonenrandgebiet". Dieser Titel ist um 1 Million DM von 18 auf 19 Millionen DM erhöht worden. Ich brauche das wohl nicht besonders zu begründen. Wahrscheinlich befinden wir uns hier in Übereinstimmung, daß damit, wenn auch nicht im vollen Umfang, so jedenfalls in einem Ansatz der Bedeutung Rechnung getragen wird, die der Förderung des Baues von Kindergärten in der Nähe von Schulen oder in Verbindung mit ihnen zukommt. Wenn der Bundeshaushalt nach unseren Vorstellungen verabschiedet wird - wir treten jetzt erst in die Beratungen ein -, würden die Mittel bereitstehen, um dem ersten, jedenfalls dringenden Bedarf beim Kindergartenbau im Zonenrandgebiet durch Bundesmittel abzuhelfen.
Ich muß hier nicht länger auf die Frage des Herrn Kollegen Schlager zurückkommen; ich will mich jetzt auf das beschränken, was der Herr Kollege Porsch speziell gefragt hat. Wenn vom Rechnungsjahr 1969 an Mittel für den Bau von Kindergärten im Zonenrandgebiet in eines unserer Förderungsprogramme aufgenommen werden können, so steht einer positiven Behandlung solcher Fragen nichts im Wege, wenn auch den übrigen Kriterien Rechnung getragen wird.
Ich hoffe, ich bin nicht indiskret, wenn ich vermute, daß Sie, Herr Kollege, dabei auch die Förderung eines Kindergartens in der Gemeinde Speichersdorf im Kreis Kemnath in der Oberpfalz im Auge haben. Wir haben diesen uns vorliegenden Antrag bisher nicht abschließend behandeln können, weil die von uns beim bayerischen Kultusministerium erbetene Stellungnahme immer noch aussteht. Wenn das bayerische Kultusministerium den Antrag für besonders dringlich halten sollte - was ich nicht beurteilen kann -, könnte diesem Antrag, was uns betrifft, ausnahmsweise noch in diesem Jahr stattgegeben werden.
Herr Abgeordneter Porsch!
Herr Minister, darf ich Ihrer Antwort entnehmen, daß Sie mit mir der Meinung sind, daß gerade für die beabsichtigte zukünftige Industrieansiedlung im Zonenrandgebiet die Unterstützung des Baus von Kindergärten aus Bundesmitteln sicher von Bedeutung sein wird.
Ja, das habe ich versucht darzustellen, und diese Meinung werde ich auch nicht ändern.
Eine Zusatzfrage, Herr Dr. Imle.
Herr Minister, Sie führten soeben an, daß es sich bei der Einrichtung von Kindergärten vornehmlich um eine soziale Maßnahme handele. Würden Sie mir zustimmen, daß die Einrichtung von Kindergärten im Grenzgebiet zwischen Flensburg und Dänemark angesichts der Einrichtung von Kindergärten der dänischen Seite auf deutschem Boden eine darüber hinausgehende Bedeutung hat?
Ich verstehe das. Nach dem, was ich kürzlich über die besonderen Aktivitäten gelesen habe, verstehe ich das besonders. Nur ist zu keiner Zeit abgelehnt worden, dort dem Bau von kulturellen und entsprechenden Einrichtungen, soweit die Mittel des Bundes dazu ausreichen, eine Förderung angedeihen zu lassen.
Zweite Zusatzfrage.
Darf ich aus Ihrer Antwort schließen, Herr Minister, daß Sie in Zukunft auch der Errichtung von Kindergärten in diesem Gebiet Ihre besondere Aufmerksamkeit durch Unterstützung angedeihen lassen?
Wenn die Anträge so begründet werden, daß bei gewissenhafter Prüfung die Zurverfügungstellung von Bundesmitteln verantwortet werden kann. Das ist ja weder eine Frage eines Nationalitätenkampfes noch die Frage von bloßer Liebhaberei, sondern dann, wenn in solchen Gebieten, die unter besonderen Bedingungen leben müssen, Einrichtungen solcher Art nicht aus den eigenen Mitteln, mit den Mitteln der Selbsthilfe geschaffen werden können, was die Regel bleiben sollte, wird der Bund prüfen, und zwar - wie ich hier zu sagen versucht habe - nicht nur wohlwollend, sondern auch mit einer gewissen finanziellen Unterlage prüfen, was er im Rahmen der Bestimmungen dazu beitragen kann. Es hängt ja immer davon ab, daß das Land auch das Seine tut.
Wir kommen nun zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung. Ich rufe zunächst die Frage 2 des Abgeordneten Dr. Imle auf:
Kann die Bundesregierung in Ergänzung der Antwort des Bundesarbeitsministers auf die Kleine Anfrage der Fraktion der FDP - Drucksache V/3233 - Angaben darüber machen, inwieweit ehemalige Kriegsgefangene im Hinblick auf Rechte und Ansprüche gegenüber der gesetzlichen Sozialversicherung den Verfolgten gleichgestellt werden, um keine Benachteiligung bei vergleichbaren Schäden eintreten zu lassen?
In Ihrer Frage, Herr Abgeordneter Dr. Imle, beziehen Sie sich auf die Antwort des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung auf die Kleine Anfrage der Fraktion der FDP, Drucksache V/3233. Diese Anfrage betraf den Entwurf eines Gesetzes zur abschließenden Regelung der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts in der Sozialversicherung. In der Antwort - Drucksache V/3268 - wird unter anderem festgestellt, die Bundesregierung habe sich noch nicht abschließend mit diesem Gesetzentwurf befaßt, so daß es im Augenblick noch nicht möglich sei, Fragen zu beantworten, die sich auf einzelne Punkte der beabsichtigten Neuregelung oder deren Auswirkungen bezögen. Bei dem Gegenstand Ihrer Frage handelt es sich um ein paralleles Problem, zu dem im Augenblick, so sehr ich es bedaure, aus den gleichen Gründen noch nicht Stellung genommen werden kann. Ich bitte Sie, Herr Abgeordneter Dr. Imle, hierfür um Verständnis.
Zusatzfrage!
Herr Staatssekretär, werden Sie dafür Verständnis haben, daß gerade die Kreise,
für die ich hier eintrat, nun in Unruhe kommen, wenn lediglich für einen bestimmten Kreis von Geschädigten hier bestimmte Bevorzugungen, Vergünstigungen eingereicht und verwirklicht werden sollen, während sie, die ein gleiches Schicksal gehabt und gleiche Schäden erlitten haben, zunächst einmal draußen verbleiben, wobei es dahingestellt ist, ob sie überhaupt jemals noch eine solche Gleichberechtigung erfahren?
Herr Abgeordneter Dr. Imle, die Bundesregierung hat sich mit dem Gesetzentwurf noch nicht abschließend befaßt. Die Frage der Auswirkung eines zu beschließenden Gesetzentwurfs auf andere Kreise, die ebenfalls in Not geraten sind, muß dabei erörtert werden und wird dabei erörtert.
Zweite Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, gehen Sie dann mit mir in der Ansicht einig, daß man gleichgelagerte Fälle, die gleiche Voraussetzungen haben, auch gleichbehandeln sollte?
Gleichgeartete Verhältnisse unter gleichen Voraussetzungen müssen natürlich gleichbehandelt werden. Aber es ist eine schwer zu beantwortende Frage, wann solche Verhältnisse vorliegen; sie muß im Zusammenhang mit dem Gesetzentwurf erörtert werden.
Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Josten.
Herr Staatssekretär, nachdem Sie vorhin erklärten, daß sich die Bundesregierung noch nicht abschließend mit der Materie befaßt hat, darf ich Sie fragen, ob Sie dafür eintreten wollen, daß gerade ehemalige Kriegsgefangene bei ihren Ansprüchen anderen Gruppen gegenüber eher bevorzugt statt benachteiligt werden.
Die Bundesregierung, Herr Abgeordneter, ist stets um Gleichbehandlung gleichgelagerter Fälle bemüht.
Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Schmidt ({0}).
Herr Staatssekretär, würden Sie mit mir darin übereinstimmen, daß die Ursachen für diese rentenmindernden Ersatzzeiten bei den einzelnen Gruppen überall nicht in der Schuld des Betroffenen liegen, sondern in einer übergeordneten Situation, so daß eine gleiche Behandlung einfach aus Rechtsgründen auf die Dauer notwendig ist?
Herr Abgeordneter, ich stimme Ihnen im Prinzip zu, aber es handelt sich hier auch um Tatsachenfragen, und bevor das Gesetz nicht vorgelegt wird, können wir uns abschließend noch nicht äußern. Ich möchte auch
glauben, daß der Gesetzentwurf in diesem Hohen Haus später ausführlich diskutiert werden wird, wobei gerade diese Fragen zu prüfen sind.
Zweite Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, darf ich Ihrer Antwort entnehmen, daß eine Regelung in diesem Gesetzesfall zwangsläufig andere Regelungen in den anderen Bereichen nach sich ziehen wird?
Genau diese Frage muß geprüft werden. Sie muß unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung und unter dem Gesichtspunkt der finanziellen Lasten geprüft werden. Es sollte nicht so sein, daß wegen der hohen finanziellen Lasten gar nichts getan werden kann.
Nun zur Frage des Herrn Abgeordneten Folger:
Wie ist der gegenwärtige Stand der Vorarbeiten zu einem Entwurf eines Deutschen Arbeitsgesetzbuches, deren Einleitung der 3. Bundestag in der Sitzung vom 2. Dezember 1959 einstimmig gefordert hat?
Der Fragesteller hat sich mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt. Die Antwort des Herrn Bundesministers Katzer vom 14. Oktober 1968 lautet:
Die Vorbereitungsarbeiten zur Schaffung eines Deutschen Arbeitsgesetzbuches werden im Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung wie geplant fortgeführt. Wenn diese Arbeiten nicht so zügig vorankommen, wie man zunächst erwartet hatte, so liegt das vor allem in den Schwierigkeiten der Aufgabenstellung begründet, auf die der Ausschuß für Arbeit des Deutschen Bundestages bereits in seinem Schriftlichen Bericht vom 19. November 1959 ({0}) hingewiesen hatte. Die insbesondere in Osterreich bei ähnlichen Vorhaben gesammelten Erfahrungen ließen es als zweckmäßig erscheinen, die Grundfragen dieses großen Gesetzgebungsvorhabens vor der Formulierung eines Gesetzentwurfs neu und gründlidi zu durchdenken. Denn sonst müßte man sich mehr oder weniger auf eine Zusammenfassung des derzeit geltenden Rechts beschränken, was dem der Bundesregierung erteilten Auftrag nicht gerecht würde.
Zur Vorbereitung einer eingehenden Erörterung der Vielzahl ungelöster Probleme, wie etwa des Verhältnisses des Arbeitsrechts zum allgemeinen bürgerlichen Recht, der Rechtsnatur des Arbeitsverhältnisses, der Abgrenzung zwischen öffentlichem und privatem Recht innerhalb des Arbeitsrechts und zu Fragen der Rechtsvereinheitlichung, sind daher zunächst zahlreiche Forschungsaufträge an namhafte Wissenschaftler erteilt worden. Diese Untersuchungen sind zum Teil noch nicht abgeschlossen. In Anbetracht dessen konnte auch die in Aussicht genommene Sachverständigenkommission noch nicht gebildet werden. Sie wird die ihr zufallende Arbeit um so besser und zügiger erfüllen können, je mehr Vorarbeiten geleistet sind, die zu einer Aufbereitung des Stoffes in einer der weiteren Diskussion sachdienlichen Form geführt haben. Zur weiteren Vorbereitung des umfassenden Vorhabens der Schaffung eines Deutschen Arbeitsgesetzbuches werden - soweit noch notwendig - im Rahmen der zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel auch künftig Forschungsaufträge vergeben.
Angesichts der aufgezeigten Schwierigkeiten hat in letzter Zeit der ebenfalls in dem schon erwähnten Bericht des Ausschusses für Arbeit enthaltene Gedanke, dazu geeignete Teilbereiche des Arbeitsrechts durch den Gesetzgeber vorab zu regeln, Bedeutung gewonnen. Auf diese Weise kann eine spätere Gesamtkodifikation erleichtert werden. Der erste Schritt auf diesem Wege ist der Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Bereinigung arbeitsrechtlicher Vorschriften, der in enger Zusammenarbeit mit Vertretern der Sozialpartner erarbeitet worden ist.
Dann rufe ich die Frage 4 des Herrn Abgeordneten Frehsee auf.
Ist es zulässig, bei der Einstellung von Arbeitnehmern die
Angabe möglicher Gerichts- und Polizeistrafen zu fordern?
Auch hier hat sich der Fragesteller mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt. Die Antwort des Herrn Bundesministers Katzer lautet hier:
Das Problem, ob es zulässig sei, bei der Einstellung von Arbeitnehmern nach Vorstrafen zu fragen, ist in Rechtsprechung und Rechtslehre wiederholt erörtert worden. Das Bundesarbeitsgericht hat in einer grundlegenden Entscheidung vom 5. 12. 1957 - 1 AZR 594/56 - hierzu ausgeführt:
„Nach Vorstrafen des Bewerbers darf im Personalbogen nicht einschränkungslos gefragt werden, schon um die Resozialisierung des Gestrauchelten nicht unnötig zu erschweren und den sich redlich um einen Arbeitsplatz bemühenden Vorbestraften nicht in unnötige Gewissenskonflikte zu bringen, die übrigens der Gewissenlose weniger als der Anständige haben wird. Nicht für jede Tätigkeit ist die die Vorstrafe eines Bewerbers ein beachtliches Hindernis. Sicherlich wird man nicht denjenigen zum Bankkassierer machen, der schon mehrfach wegen Unterschlagung bestraft worden ist, und eine wegen kommunistischer Betätigung vorbestrafte Stenotypistin wird man nicht im Verfassungsschutzamt, den aus § 175 StGB Bestraften nicht als Jugendpfleger, den wegen Trunkenheit am Steuer Bestraften nicht als Chauffeur einstellen. Aber es gibt eine Anzahl von Tätigkeiten, die ein Vorbestrafter durchaus ausüben kann. Es kommt stets auf den zu besetzenden Arbeitsplatz an. Je nach Art des zu besetzenden Arbeitsplatzes darf entweder nach Vorstrafen auf vermögensrechtlichem Gebiet ({1}) oder nach Vorstrafen auf politischem Gebiet ({2}), nach verkehrsrechtlichen Vorstrafen ({3}) usw. gefragt oder auch nicht gefragt werden. Es darf jedenfalls nicht schlechthin ohne sinnvolle
Beschränkung auf das für den zu besetzenden Arbeitsplatz
wichtige Strafrechtsgebiet gefragt werden. Bei der Fragestellung muß auch zum Ausdruck kommen, daß Strafen, die der Tilgung oder der beschränkten Auskunft unterliegen, nicht mitgenannt zu werden brauchen."
Auch in der arbeitsrechtlichen Literatur wird - soweit ersichtlich - überwiegend die Auffassung vertreten, daß der Stellenbewerber auf Befragen nur solche Vorstrafen zu offenbaren hat, die wegen ihres Zusammenhanges mit dem zu besetzenden Arbeitsplatz für den Arbeitgeber von Bedeutung sind.
Die Bundesregierung hält diese in der Rechtsprechung und dem überwiegenden Teil der Rechtslehre entwickelten Grundsätze für eine sachgerechte Lösung des Problems, die den berechtigten Interessen sowohl des Arbeitnehmers als auch des Arbeitgebers in erforderlichem Maße Rechnung trägt.
Nun die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für das Post- und Fernmeldewesen. Zunächst die Frage des Herrn Abgeordneten Geldner:
Wann wird der Nachholbedarf an Telefonanschlüssen so weit gedeckt sein, daß die Deutsche Bundespost in der Lage ist, die laufenden Anforderungen prompt zu erfüllen?
Ich darf die Frage des Herrn Abgeordneten wie folgt beantworten. Die Deutsche Bundespost ist seit langem eindringlich bemüht, den stetig wachsenden Anforderungen für Fernsprechhauptanschlüsse nachzukommen, und konnte jährlich die Einrichtungszahl erheblich steigern. So wurden z. B. 1960 bei 3 Millionen vorhandenen Hauptanschlüssen noch 264 000 Neuanschlüsse eingerichtet; 1967 sind dagegen bereits bei einem Bestand von 5,5 Millionen Hauptanschlüssen zusätzlich 567 000 neu bereitgestellt worden. In diesem Jahr kommen sogar zu den in Betrieb befindlichen 6,1 Millionen Hauptanschlüssen fast 700 000 neu hinzu.
Um einen guten Ausbauzustand des Fernsprechnetzes zu erreichen, wurden von 1962 bis 1967 für das Fernmeldewesen rund 10,8 Milliarden DM verausgabt. Für das Jahr 1968 werden es 2,175 Milliarden DM werden, für das Jahr 1969 sind 2,4 Milliarden DM vorgesehen, und für die Jahre 1968 bis 1972 schließlich sind insgesamt für gleiche Fern10148
meldezwecke Investitionen in Höhe von 14,1 Milliarden DM vorgesehen.
Trotz all dieser Anstrengungen und Erfolge werden sich aber auch weiterhin bei einer solch stürmischen Entwicklung gewisse Wartezeiten nicht vermeiden lassen, was sich wiederum verzögernd auf den im Abbau befindlichen Nachholbedarf auswirkt. Ein genauer Zeitpunkt der völligen Deckung des Nachholbedarfs läßt sich daher nicht voraussagen, zumal auch noch die unbekannte Zahl der in den nächsten Jahren gewünschten und geforderten Anschlüsse hierbei eine entscheidende Rolle spielen wird.
Frage 6 des Herrn Abgeordneten Ollesch:
Wie erklärt es sich, daß das Land Nordrhein-Westfalen das Ingenieur-Zeugnis der als private Ersatz-Schule staatlich genehmigten Ingenieurschule für Bergwesen der Westfälischen Berggewerkschaftskasse Bochum für den Eintritt in alle Laufbahnen der gehobenen technischen Dienste anerkennt, wogegen die Deutsche Bundespost dasselbe Zeugnis als Nachweis der Vorbildung zum Eintritt in den Vorbereitungsdienst ihres gehobenen technischen Dienstes nicht akzeptiert?
Für die Einstellung in den Vorbereitungsdienst der Laufbahnen des gehobenen fernmeldetechnischen, posttechnischen und hochbautechnischen Dienstes der Deutschen Bundespost kommen nach dem Studiengang und den zu stellenden Anforderungen in den vorgenannten Laufbahnen nur Ingenieure der Fachrichtungen Elektrotechnik, Maschinenbau, Feinwerktechnik, Physikalische Technik und Hochbau in Betracht.
Der Studiengang der Absolventen der Ingenieurschule für Bergwesen ist verständlicherweise auf die Fachrichtung Bergbau ausgerichtet, die zwangsläufig nicht den Erfordernissen des gehobenen posttechnischen oder fernmeldetechnischen Dienstes gerecht werden kann. Daher schließt sich eine Einstellung solcher Bewerber für den gehobenen technischen Dienst der Deutschen Bundepost aus.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, glauben Sie, daß die Anforderungen, die die Bundespost oder gleichartige Institutionen im Lande Nordrhein-Westfalen zu stellen haben, so gravierende Unterschiede aufweisen, daß die Absolventen der Ingenieurschule für das Bergwesen in Bochum wohl im Lande Nordrhein-Westfalen in den gehobenen Dienst einsteigen können, aber nicht in der Bundespost?
Ich möchte Ihre Frage mit Ja beantworten und die Antwort folgendermaßen begründen. Bei einem Vergleich der Stoffpläne der Fachrichtung Bergbau - Abteilung Bergmaschinentechnik und Bergelektrotechnik - mit denen der Fachrichtungen Maschinenbau und Elektrotechnik bei der Deutschen Bundespost ist festzustellen, daß der Schwerpunkt nach der
Ingenieurvorprüfung in der Fachrichtung Bergbau in den Studienfächern Bergbautechnik, Bergwerksmaschinen und Betriebsanlagen sowie Arbeitsschutz und Betriebssicherheit liegt, während der Schwerpunkt in den Fachrichtungen Maschinenbau und Elektrotechnik in den Studienfächern Maschinenbau, Elektrotechnik sowie Meß- und Regeltechnik liegt. Der Studiengang in der Fachrichtung Bergbau ist also unzweifelhaft verständlicherweise im besonderen auf das Bergwesen ausgerichtet. Diese Fachrichtung genügt deshalb nicht den Erfordernissen des gehobenen posttechnischen oder fernmeldetechnischen Dienstes der Deutschen Bundespost.
Zweite Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, meinen Sie nicht, daß die soeben dargelegte Auffassung der Überprüfung bedarf, wenn festgestellt werden muß, daß die Absolventen der Ingenieurschule für das Bergwesen in Bochum ebenso wie die Absolventen aller übrigen staatlichen Ingenieurschulen zur Weiterführung ihres Studiums an den Technischen Hochschulen zugelassen sind?
Wenn diese Feststellungen im Sinne Ihrer Frage zutreffen sollten, dann würden wir selbstverständlich unsere Ansicht überprüfen. Bis heute haben wir dazu keinen Anlaß.
Eine Zusatzfrage der Frau Abgeordneten Funcke.
Herr Staatssekretär, können Sie sich nicht vorstellen, daß im Rahmen der Bemühungen im Ruhrgebiet zur Umschulung und Einstellung von Leuten, die bisher im Bergbau tätig waren oder in den Bergbau gehen wollten, Ihre hier dargelegete Einstellung überprüfbar wäre?
Ich könnte mir das vorstellen, wenn es den betreffenden Umstellungsbewerbern möglich sein wird, den speziellen Erfordernissen, die die Bundespost an die betreffenden Bewerber stellen muß, nachzukommen.
Wir kommen dann zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Wohnungswesen und Städtebau.
Ich rufe die Frage 7 des Abgeordneten Burger auf:
Bis wann gedenkt die Bundesregierung, in Vollzug des vom Bundesernährungsminister im Bundestag im Juni vorgetragenen Beschlusses des Bundeskabinetts „das Bundesbaugesetz zu ändern, um die Bebauung des Außenbereichs ländlicher Räume zu erleichtern", initiativ zu werden?
Der Fragesteller hat sich mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt. Die Antwort liegt noch nicht vor. Sie wird nach Eingang im Sitzungsbericht abgedruckt.
Präsident D. Dr. Gerstenmaier
Dann rufe ich die Fragen 8 und 9 des Abgeordneten Schonhofen auf:
Trifft es zu, daß die Zuteilung der Bundesmittel zur Forderung der Ersatzbauvorhaben aus Anlaß der Räumung von Wohngrundstücken in der Gemeinde Oberbauerschaft ({0}) im Zusammenhang mit dem dort vorgesehenen Ausbau der B 239 noch aussteht, obwohl die Anerkennung als Räumungsfall für diese Grundstücke vom zuständigen Landesminister seit dem 2. Oktober 1967 vorliegt?
Können diese Bundesmittel - falls sie noch nicht zugeteilt sein sollten - nunmehr in kurzer Frist den zuständigen Landesbehörden zugeteilt werden, um die drohende Stillegung der im Bau befindlichen Ersatzwohnungen und die mit der bevorstehenden Schlechtwetterperiode verbundenen besonderen Gefahren für diese Baustellen abzuwenden?
Auch hier ist der Fragesteller mit schriftlicher Beantwortung einverstanden. Da die Antwort noch nicht vorliegt, wird sie nach Eingang im Sitzungsbericht abgedruckt.
Es folgen die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Familie und Jugend.
Ich rufe zunächst die Fragen 10, 11 und 12 der Abgeordneten Frau Pitz-Savelsberg auf:
Was ist geschehen, um den Trägern des Freiwilligen Sozialen Jahres die neue Situation bewußt zu machen, die durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes vom 18. Juli 1967 hinsichtlich der Finanzierung der Maßnahmen zur Förderung des Freiwilligen Sozialen Jahres entstanden ist?
Ist der Bundesregierung bekannt, ob die Länder sich ebenfalls auf die neue Lage eingestellt und Mittel in ihren Etats bereitgestellt haben?
Welche Träger haben unter Hinweis darauf, daß anderenfalls nicht alle Meldungen zum Freiwilligen Sozialen Jahr berücksichtigt werden könnten, im laufenden Haushaltsjahr weitere Bundesmittel beantragt?
Im Einverständnis mit dem Fragesteller erfolgt auch hier schriftliche Beantwortung, die nach Eingang im Sitzungsbericht abgedruckt wird.
Es folgt die Frage 13 des Abgeordneten Geldner:
Wie steht die Bundesregierung zu der vom Bezirksparteitag der CSU Mittelfranken im Beisein von Bundesminister Dr. Dollinger vorgebrachten Kritik an ihrer Jugendpolitik, die „mehr und mehr zu einer Kleinfürsorge geworden ist" und auf dem Gebiet der Gesetzgebung eindeutig versagt habe?
Die Frage wird von Herrn Abgeordneten Mertes übernommen. Bitte, Herr Staatssekretär!
Herr Abgeordneter, wie Sie selbst in Ihrer Frage ausgeführt haben, geht diese Bemerkung auf ein Referat zurück, das auf dem Bezirksparteitag der CSU in Mittelfranken gehalten worden ist. Die Bundesregierung hat den Wortlaut dieses Referats angefordert, Er liegt noch nicht vor. Deswegen kann die Frage heute nicht beantwortet werden. Die Bundesregierung ist aber gern bereit, darauf einzugehen, wenn der Wortlaut vorliegt.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Mertes.
Herr Staatssekretär, wäre Ihr Ministerium bereit, der Einfachheit halber dann dem Fragesteller die Frage schriftlich zu beantworten?
Ja, gern!
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesschatzministers.
Ich sehe zum erstenmal, meine Damen und Herren, daß das frühere Mitglied des Hauses, der frühere Abgeordnete Dr. Vogel, bekannt als „Haushalts-Vogel",
({0})
hier von der erhabenen Balustrade der Regierung auf das Haus herniederschaut. Herzlich willkommen!
({1})
Ich rufe die Frage 14 des Abgeordneten Schlager auf:
Ist die Bundesregierung bereit, darauf hinzuwirken, daß für den beim Aufbau der Staatsbibliothek in Berlin benötigten Granit nicht nur polnisches Rohmaterial, wie es der Architekt wünscht, sondern auch einheimischer Granit, vor allem aus dem Zonenrandgebiet, verwendet und damit zugleich ein Beitrag geleistet wird, damit die in der Stein- und Erdenindustrie noch nicht gesicherten Arbeitsplätze erhalten werden können?
Herr Abgeordneter, ich darf vorausschikken, daß es sich bei dem Neubau der Staatsbibliothek in Berlin um kein eigenes Bauvorhaben des Bundes handelt. Bauherr ist die Stiftung Preußischer Kulturbesitz. Das Bauvorhaben wird aus Beiträgen des Bundes und der Länder Baden-Württemberg, Berlin, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein finanziert. Die baufachliche Beratung der Stiftung und die fachliche Oberleitung dieses Neubaues werden mit meinem Einverständnis von der Bundesbaudirektion wahrgenommen.
Zur Sache selbst bemerke ich, daß mit Rücksicht auf den benachbarten Neubau der Nationalgalerie - die ja erst vor kurzem eingeweiht worden ist -, bei dem Granit aus Schlesien, meiner schlesischen Heimat verwendet wurde, sich auch, soweit mir bekannt, für den Neubau der Staatsbibliothek die Frage nach der Verwendung des gleichen Materials stellte. Die Baukommission der Stiftung hat jedoch am 26. Juni 1968 unter dem Vorsitz des Stiftungsratsmitglieds, Herrn Landesminister Dr. Kohlhase, beschlossen, diesmal kein schlesisches Steinmaterial zu verwenden. Die im Stiftungsrat vertretene Bundesregierung wird darauf hinwirken, bei dem Neubau der Staatsbibliothek bevorzugt Material heranzuziehen, das aus dem Zonenrandgebiet stammt. Der Architekt und die Bundesbaudirektion sind dabei, die Baupläne dementsprechend festzulegen.
Meine Damen und Herren, ich habe über der Begrüßung des Herrn Staatssekretärs Vogel übersehen, daß der Herr Abgeordnete Schlager gar nicht im Saale war. Ich danke Ihnen, Herr Abgeordneter Dr. Althammer, dafür, daß Sie diesen unseren gemeinsamen Auftritt nicht zu einer totalen Fehlleistung haben werden lassen.
({0})
Außerdem höre ich Beschwerden darüber, daß ich „herniederschaut" gesagt habe. Ich will Ihnen folgendes erzählen. Wir haben gerade jetzt das kana10150
Präsident D. Dr. Gerstenmaier
dische Parlament, Unterhaus und Senat, besichtigt. Wir, die Vertreter aller Fraktionen, sind der Meinung, daß das dortige System besser ist als bei uns, - bei allem Respekt vor der Bundesregierung.
({1})
Man sitzt auf der gleichen Ebene und sieht sich Auge in Auge.
({2})
Ich bitte deshalb, dem Präsidenten des Hauses diese Art von Selbstkritik nicht nur nachzusehen, sondern ihr möglichst feurig zuzustimmen. Das wäre ein Fortschritt.
({3})
- Wann das gemacht wird?
({4})
- Ja, meine Herren, das hängt von Ihrem Heldenmut ab.
({5})
Was den Präsidenten des Hauses anlangt - das sage ich gegen alle Geschäftsordnung, aber es ist interessant -, so hat er als „endesunterfertigter Diener" dieses Hauses sehr präzise Vorstellungen und auch die Vorbereitungen getroffen, deren allererste demnächst dann bei der Beratung des Haushalts fällig wird, nämlich durch Einstellung eines Leertitels. So fängt das Geschäft an: Einstellung eines Leertitels. Das heißt, jetzt kostet es noch nichts; aber später dann. Herr Kollege Brese, rüsten Sie sich seelisch darauf,
({6})
daß diese Schlacht trotz allem möglichst mit Ihrer Hilfe dieses Mal gewonnen wird.
({7})
Wir können einfach nicht immer und ewig so weitermachen.
({8})
Jetzt geht es weiter. Die Zeit dieser Bemerkungen wird natürlich der Fragestunde zugeschlagen.
Frage 15 des Herrn Abgeordneten Ertl:
Wie beurteilt die Bundesregierung die Vorwürfe der „Neuen Heimat", das Olympische Dorf auf dem Oberwiesenfeld in München würde deshalb eine der teuersten Wohnsiedlungen in der ganzen Bundesrepublik Deutschland werden - schon jetzt seien Mieten von 7 bis 9 DM/qm zu befürchten -, weil die von Bund und Land geforderten Grundstückspreise unverantwortlich hoch seien?
Der Fragesteller hat sich mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt. Die Antwort liegt noch nicht vor. Sie wird nach Eingang im Sitzungsbericht abgedruckt.
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Gesundheitswesen, zunächst zu den Fragen 16, 17 und 18 des Herrn Abgeordneten Dr. Bechert ({9}) :
Treffen die Feststellungen von Professor Dr. med. Oettel zu über die gesundheitliche Gefährdung von Nichtrauchern, die mit Rauchern in einem Raum zusammen sind, daß nämlich die Nikotin- und Staubkonzentration in kurzer Zeit so hoch werden kann, daß der Nichtraucher gezwungen ist, ebensoviel Tabakschwelprodukte einzuatmen, wie ein inhalierender Raucher aus einigen Zigaretten einatmet ({10}) ?
Ist die Bundesregierung bereit zuzugeben, daß dieses zwangsweise Inhalieren von Tabakschwelprodukten für die Nichtraucher eine Gesundheitsgefährdung bedeutet?
Was wird die Bundesregierung tun, um zu bewirken, daß die maximale Arbeitsplatzkonzentration von Tabakschwelprodukten nicht überschritten werden darf?
Der Fragesteller hat sich mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt. Die Antworten liegen noch nicht vor. Sie werden nach Eingang im Sitzungsbericht abgedruckt.
Frage 19 des Herrn Abgeordneten Dröscher:
Ist die Bundesregierung bereit, durch entsprechende Empfehlung an die Gesundheitsbehörden der Länder für eine einheitliche Regelung der Entschädigung von Impfschäden nach dem Bundesversorgungsgesetz auch dort einzutreten, wo Kinder bis zum 14, Lebensjahr nach den Ausführungsverordnungen der Länder zum Bundesseuchengesetz keine Rente erhalten sollen?
Zur Beantwortung die Frau Bundesministerin für das Gesundheitswesen.
Herr Kollege Dröscher, ich halte eine Empfehlung an die Länder nicht für ausreichend, um diese Frage zu regeln. Die im Bundesministerium für Gesundheitswesen seit einiger Zeit laufenden Arbeiten für eine diesbezügliche Novellierung des Bundesseuchengesetzes sind so weit gediehen, daß der Referentenentwurf, der die Änderung entschädigungsrechtlicher Vorschriften zum Gegenstand hat, den Bundesressorts und den Ländern in den nächsten Tagen zugeleitet werden kann. Darin ist auch vorgesehen, daß analog zum Bundesversorgungsgesetz auch bei Impfschäden Renten an Kinder unter 14 Jahren zu zahlen sind, wenn im übrigen die Voraussetzungen dafür gegeben sind.
Zusatzfrage.
Sehen Sie, Frau Bundesminister, nachdem Ihr Haus dankenswerterweise so gut vorgearbeitet hat, eine Chance dafür, daß wir diese Sache noch im Laufe der nächsten Monate durchziehen können?
Herr Kollege Dröscher, ich bin sehr darum bemüht. Es wird letzten Endes auch davon abhängen, ob das Haus, wenn die Novelle erst zu Anfang des nächsten Jahres vorgelegt werden kann, noch bereit ist, diese zu verabschieden.
Zweite Zusatzfrage.
Sehen Sie, Frau Bundesminister, angesichts der nun auf die Länder zukommenden bundesrechtlichen Neuregelung, die doch besagt, daß die Berechtigung der Versorgung erkannt wird, eine Möglichkeit dafür, daß die Länder von sich aus jetzt schon wenigstens Vorleistungen mit dem Ziel erbringen, die Kinder zu versorgen?
Diese Frage kann ich als Bundesminister schwer beantworten. Aber ich weiß, daß auch die
Länder an einer Änderung des Gesetzes in der Richtung interessiert sind, daß für alle Länder einheitliche Impfschadenregelungen durch Bundesgesetz festgelegt werden.
Frage 20 des Herrn Abgeordneten Dr. Enders:
Welche Haltung nimmt gegenwärtig die Bundesregierung zum Problem der Krankenhausfinanzierung und der Deckung der laufenden Krankenhausunkosten ein?
Zur Beantwortung, Frau Bundesministerin!
Herr Kollege, die Bundesregierung hält die Sicherung der Krankenhausfinanzierung für eine vordringliche gesundheitspolitische Aufgabe. Ihr steht gegenwärtig aber nur die Möglichkeit offen, über das Preisrecht die Entgelte für Krankenhausleistungen zu regeln. Über kostendeckende Pflegesätze ist aber wegen der damit verbundenen Belastung für die Benutzer, einschließlich der sozialen Krankenversicherung, das Problem nicht zu lösen. Dies würde zur Zeit eine Erhöhung der Beitragssätze bei den sozialen Krankenkassen notwendig machen. Das ist sowohl sozialpolitisch als auch konjunkturpolitisch nicht vertretbar. Die Deckung der laufenden Krankenhauskosten ist von einer Gesamtregelung der Krankenhausfinanzierung kaum zu trennen. Für eine bundesgesetzliche Vorschrift, nach der auch die Finanzverantwortung für die Krankenhausvorhaltekosten geregelt werden könnte, fehlt die verfassungsrechtliche Grundlage. Die Bundesregierung hat deshalb den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes vorgelegt, nach dem im Art. 74 des Grundgesetzes hinter Nr. 19 eine Nr. 19 a eingefügt werden soll, die lautet: „die wirtschaftliche Sicherung der Krankenhausversorgung". Für den Entwurf fand sich in der Sitzung des Bundesrates am 5. Juli 1968 im ersten Durchgang bekanntlich leider keine Mehrheit.
In der Bundestagsdrucksache V/3299 - Finanzplanung des Bundes 1968-1972, die ja heute auch dem Deutschen Bundestag vorliegt, lautet die Ziffer 31 der Vorbemerkungen deswegen:
Die Bundesregierung hat auch die Frage der Krankenhausfinanzierung erörtert. Mittel für die Krankenhausfinanzierung konnten nicht eingeplant werden, weil die gesetzlichen, verfassungsrechtlichen und finanziellen Voraussetzungen nicht vorliegen. Die Bundesregierung hat ihre Mitglieder im Finanzplanungsrat beauftragt, mit den Ländern und Gemeinden die Frage der Krankenhausfinanzierung im Zusammenhang mit der Behandlung der Schwerpunkte für die Erfüllung der öffentlichen Aufgaben zu erörtern, um zu einer befriedigenden Regelung des Problems zu kommen.
Zusatzfrage.
Frau Bundesminister, sehen Sie auch Möglichkeiten, beim Bau der Krankenhäuser oder zur Deckung der laufenden Kosten von
Bundesseite aus zu helfen, ohne Art. 74 des Grundgesetzes ändern zu müssen?
Ich sehe keine Möglichkeiten, über die Pflegesatzverordnung hinaus aus Bundesmitteln zu helfen, wenn nicht das Grundgesetz geändert wird. Es gibt ja nicht nur Bestrebungen der Bundesregierung in dieser Richtung, das Grundgesetz zu ändern; ich habe den Eindruck, daß es solche Bestrebungen auch im Parlament gibt.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Dittrich.
Frau Bundesminister, würden Sie sich, nachdem Sie davon sprachen, daß kostendeckende Pflegesätze aus verschiedensten Gründen nicht möglich sind, entschließen können, hinsichtlich der Pflegesätze wenigstens im Rahmen des Verantwortlichen nach oben zu gehen, oder sind Sie der Ansicht, daß die Pflegesätze keinesfalls erhöht werden dürfen?
Herr Dr. Dittrich, die Pflegesätze gehen bekanntlich dauernd nach oben; denn schon im Rahmen der geltenden Pflegesatzverordnung können ja die Preisbehörden, falls sich die Krankenhausträger mit den jeweiligen Krankenkassen nicht einigen, entsprechende Erhöhungen der Pflegesätze vorsehen mit der Einschränkung, daß auf die wirtschaftliche Situation der Krankenkassen Rücksicht genommen werden muß, und das bedeutet, daß darauf Rücksicht genommen werden muß, ob die Krankenkassen bereits die Beitragshöchstgrenze, die zur Zeit 11 % beträgt, erreicht haben.
Zweite Zusatzfrage.
Frau Minister, sind Sie mit mir der Ansicht, Idaß die gegenwärtigen Pflegesätze in keiner Weise ausreichen, um die laufenden Krankenhausunkosten zudecken?
Herr Dr. Dittrich, bei den gegenwärtigen Pflegesätzen ist nach der geltenden Pflegesatzverordnung die Möglichkeit gegeben, auch die Abschreibung der Investitionskosten zu berücksichtigen. Ich persönlich bin der Meinung, solange Vorhaltekosten, also die Kosten der Bereitstellung der Krankenhäuser und der Betten - das sind ja Investitionskosten -, über den Pflegesatz mit aufgebracht werden müssen, wind es unmöglich sein, die anderen Kasten des Pflegesatzes voll im Pflegesatz zu verrechnen, und deshalb wird die Pflegesatzregelung, solange wir keine bessere gesetzliche Grundlage für sie haben, nicht gut und für die Krankenhausträger fast nicht zumutbar sein.
Zweite Zusatzfrage.
Frau Bundesminister, ist Ihnen bekannt, daß die Forderungen, die Bestrebungen vor allem auch ,der Gesundheitsräte in den verschiedenen Ländern dringend auf eine Erhöhung der Pflegesätze zielen?
Mir ist bekannt, daß in erster Linie die Krankenhausträger nach einer Neuregelung rufen, weil - ich habe das bei der Behandlung der Großen Anfrage der SPD-Fraktion im Bundestag gesagt - eine erhebliche Unterdeckung ihrer Kosten vorhanden ist und sie praktisch von der Substanz zehren. Nicht zuletzt deswegen, Herr Dr. Dittrich. habe ich ja die ganze Frage sowohl von der Gesetzgebung her als auch in anderem Zusammenhang in der Beratung mit den gesamten Krankenhausträgern aufgeworfen.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Ott.
Frau Bundesminister, sind Sie mit mir der Meinung, daß aus Gründen der Verhinderung einer weiteren Sozialisierung des Lohns durch hohe Krankenkassenbeiträge den öffentlichen Trägern von Krankenhäusern unbedingt zugemutet werden muß, daß sie auch aus ihren allgemeinen Einnahmen weiterhin Zuschüsse für Krankenhäuser geben?
Herr Kolege Ott, damit können Sie praktisch nur die Kommunen meinen. Nun weiß ich aber, daß die Kommunen als Krankenhausträger erhebliche Beträge für die Krankenhäuser aufbringen und daß ihnen auf diesem Gebiet bei ihrer gegenwärtigen Finanzlage nicht noch mehr zugemutet werden kann. Nicht zuletzt deswegen ist der Versuch gemacht worden - und ich gebe ihn noch nicht auf -, im Rahmen der Finanzreform und der Grundgesetzänderungen in dieser Beziehung etwas zu erreichen.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr.
Ich rufe die Frage 107 der Abgeordneten Frau Funcke auf:
Hält die Bundesregierung es für gerecht und vertretbar, daß die Deutsche Bundesbahn Verbilligungen nur für „paarweise" Reisen gewährt, so daß z. B. eine Mutter mit ihrem Sohn verbilligt reisen kann, nicht aber eine Mutier mit ihrer Tochter?
und verbinde damit wegen des Sachzusammenhangs die Fragen 124 und 125 der Abgeordneten Frau Mönikes:
Wie vereinbart die Bundesregierung ihre familienpolitischen Grundsätze mit dem Werbe-Slogan der Deutschen Bundesbahn „Grünes Licht für rosa Zeiten"?
Ist die Bundesregierung bereit, auf die Deutsche Bundesbahn dahin gehend einzuwirken, daß die Ermäßigung auch auf Kinder in der Familie ausgedehnt wird?
Zur Beantwortung der Herr Bundesminister für Verkehr.
Verehrte Frau Kollegin, der Vorstand der Deutschen Bundesbahn ist nach dem Gesetz zuständig, Sondertarife zu erlassen. Das hat er in diesem Fall unter dem bekanntgewordenen Stichwort „Rosa Zeiten" getan. Ich möchte im übrigen bemerken, daß sowohl der Deutsche Bundestag wie auch die Bundesregierung, wie die von mir angeregte Eisenbahnpolitik von der Bundesbahn kaufmännische Initiative erwarten. Das jetzt veröffentlichte Sonderangebot liegt grundsätzlich auf der Linie dieser Erwartungen. Dieses Angebot ist befristet. Mir ist bekannt, daß in der Offentlichkeit neben kritischen Stimmen, die wir sorgsam registriert und zur Kenntnis genommen haben, auch viel Zustimmung sichtbar geworden ist. Ich darf anmerken, daß die Stimmen, die Zustimmung ausdrücken, bei weitem überwiegen.
Zusatzfrage!
Bei aller Anerkennung Ihres wünschenswerten Bekenntnisses zur freien Marktwirtschaft, Herr Bundesminister, meinen Sie nicht, daß auf diesem Gebiet einer öffentlichen Institution, die auch Steuermittel verwaltet, letztlich nicht jedes Mittel, vor allen Dingen nicht unsoziale Ungerechtigkeiten erlaubt sind?
Es handelt sich um ein Sonderangebot, gnädige Frau. Wenn wir erwarten, daß sich die Deutsche Bundesbahn so verhält wie ein gut geleitetes Wirtschaftsunternehmen, müssen wir unter einem Sonderangebot auch ein Angebot mit einem attraktiven Werbeelement verstehen. Genauso wenig wie Sie in einem Warenhaus, in dem Handschuhe für begrenzte Zeit zu niedrigen Preisen angeboten werden, erwarten können, daß Sie auch den dazugehörigen Wintermantel billiger bekommen, können Sie von der Eisenbahn erwarten, daß Sie, wenn sie ein solches befristetes, begrenztes Sonderangebot macht, es auf alle denkbaren Fälle ausdehnt, die sicher auch begründbar wären.
Zu einer zweiten Zusatzfrage Frau Abgeordnete Funcke.
Herr Bundesminister, könnten Sie sich nicht vorstellen, daß Frühinvaliden, Witwen und Frauen mit vorgezogener Altersrente, insbesondere die durch den Krieg verwitweten und alleingebliebenen Frauen es als unzumutbar und als ungerecht empfinden, wenn junge Leute, wenn Ehepaare oder auch Berufskollegen, die im vollen Arbeitsverdienst stehen, eine Vergünstigung bekommen, die ihnen selbst praktisch versagt bleibt, weil es ja schließlich nicht zumutbar ist, daß sich Witwen und Rentnerinnen am Schalter oder im Vermittlungsbüro um einen Reisebegleiter bemühen?
Gnädige Frau, ich könnte die Liste derer, bei denen eine
soziale Begründung für eine Sonderermäßigung durch die Deutsche Bundesbahn gegeben wäre, noch um ein Vielfaches erweitern. Ich möchte noch einmal betonen: hier handelt es sich um ein in der Sache und in der Zeit beschränktes Sonderangebot. Im übrigen möchte ich zur Beantwortung Ihrer Frage sagen: ich hoffe, daß sich die Möglichkeit ergibt, auch einmal für andere Personen vorübergehend, dann aber auf sie bezogen - abgegrenzt -, Sonderangebote zu machen.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Opitz.
Herr Bundesminister, ist das paarweise Reisen mit dem Bundesfamilienministerium abgestimmt worden?
({0})
Ich könnte jetzt scherzhaft darauf antworten, will das aber nicht tun. Wenn die Eisenbahnpolitik, wie sie von Teilen des Deutschen Bundestages an sich gewünscht wird, vom Deutschen Bundestag beschlossen werden sollte - Sie werden in ein paar Wochen Gelegenheit haben, persönlich daran teilzuhaben -, wird nicht nur der Bundesfamilienminister als Mitglied des Kabinetts auf diese tarifpolitischen Entscheidungen der Deutschen Bundesbahn keinen Einfluß haben, sondern auch der Bundesverkehrsminister wird nur aus der Zeitung erfahren, was die Deutsche Bundesbahn beabsichtigt und tut.
Herr Abgeordneter Strohmayr zu einer Zusatzfrage.
Herr Bundesminister, sind die Netzkarten der Abgeordneten ebenfalls geeignet, hierfür den Rabatt zu bekommen?
Es sind Eisenbahnfahrkarten, und es kommt darauf an, ob Sie den rechten Partner finden, Herr Kollege Strohmayr.
({0})
Eine Zusatzfrage der Frau Abgeordneten Geisendörfer.
Herr Bundesminister, habe ich Sie recht verstanden, daß Sie das Angebot „Rosa Zeiten" als „soziales" Angebot bezeichnet haben, also ebenso einrangieren wie die Vergünstigungen für Rentner?
Ich habe es nicht als ein soziales Angebot bezeichnet, obwohl ich mir seiner gesellschaftlichen Bedeutung natürlich bewußt bin, gnädige Frau. Der Vorstand der Deutschen Bundesbahn hat das ausdrücklich aus ökonomischen und kaufmännischen Gesichtspunkten gewollt.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Imle.
Herr Minister, Sie sprachen soeben davon, daß Sie auch in Zukunft Sonderangeboten sehr aufgeschlossen gegenüberstehen würden. Darf ich im Zusammenhang mit der soeben gegebenen Antwort fragen, ob Sie sich dann dafür einsetzen werden, daß gerade frühinvalide Frauen, die über 60 Jahre alt sind und bisher nicht berücksichtigt worden sind - bisher wurden die 65jährigen und die anderen, die mit einem Partner fahren, berücksichtigt -, besonders berücksichtigt werden können.
Ich möchte wiederholen, was ich soeben gesagt habe. Ich kann mir vorstellen, daß die Deutsche Bundesbahn auch andere Personenkreise künftig zum Gegenstand anderer Sonderangebote machen wird. Dafür kann ich mir eine soziale Begründung sehr wohl vorstellen.
Eine zweite Zusatzfrage.
Herr Minister, können Sie einen Zeitpunkt angeben, zu dem mit anderen Sonderangeboten eventuell zu rechnen ist?
Herr Kollege Dr. Imle, ich könnte Ihnen jetzt eine Antwort geben, die Sie vielleicht lieber hätten. Aber der Bundesminister für Verkehr muß sich an das Gesetz halten. Ich bin für die Tarifpolitik der Deutschen Bundesbahn nicht zuständig. Ich kann höchstens in einem Brief an den Vorstand der Deutschen Bundesbahn anregen, was ich auf diesem Gebiet für zweckmäßig halte.
({0})
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Schultz.
Herr Bundesminister, darf ich Sie davon unterrichten, daß Ihre Beantwortung der Frage des Kollegen Strohmayr mit den tatsächlichen Fakten nicht übereinstimmt. An den Schaltern wird eine solche Paarung nicht zugelassen.
Herr Abgeordneter Schultz, die Frage ist nicht zulässig. Sie enthält eine Tatsachenfeststellung. Herr Bundesminister, Sie brauchen darauf nicht zu antworten.
Herr Präsident, wenn Sie erlauben, möchte ich die Frage beantworten.
Ich werde der Sache gern nachgehen. Ich halte die Fahrkarte eines Abgeordneten für eine regel10154
rechte Netzkarte der Deutschen Bundesbahn und würde von mir aus das Verkehrsangebot der Deutschen Bundesbahn, soweit ich es definieren kann, auch darauf bezogen sehen.
Eine Zusatzfrage der Frau Abgeordneten Freyh.
Herr Bundesminister, würden Sie mir darin zustimmen, daß die Verwirrung, die offensichtlich in dieser Frage immer noch weitergeht, dadurch entstanden ist, daß die Bundesbahn ihre Sonderangebote mit einer sozial abgegrenzten Gruppe, die das eigentliche Anliegen dieser Sonderangebote zunächst nicht deutlich machte, begonnen hat?
Die Deutsche Bundesbahn hat ihren Sondertarif veröffentlicht und unter der Überschrift „Rosa Zeiten beginnen" auch noch erläutert. Ich habe die entsprechenden Veröffentlichungen und die Plakate hier. Ich weiß allerdings, daß es bei jedem Sondertarif Verwirrungen gibt. Wenn ich das werbetechnisch betrachte, ist meiner Auffassung nach ein Aspekt, den die Werbetechniker - die so etwas natürlich auch mit beeinflußt haben - mit bedacht haben, daß hier ein Sonderangebot ins Gespräch kommt. Es ist eine kaufmännische Angelegenheit.
Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Dittrich.
Herr Bundesminister, halten Sie es für richtig, daß in den Zügen, insbesondere in den Speisewagen, mit Bonbons in rosa Einwickelpapier für diese „Rosa Zeiten" geworben wird?
Ich bin nicht zuständig für diese Werbemethoden. Ich habe auch solche Bonbons nicht gesehen, ich will aber gerne Gelegenheit nehmen, mir einmal einen anzusehen. Ich werde dann erst meine Antwort geben können.
({0})
Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Schulze-Vorberg.
Herr Bundesminister, darf ich Sie in bezug auf Ihre Antwort eben, daß man ,das auch werbetechnisch sehen müsse, doch fragen, ob Sie in Zukunft darauf hinwirken werden, daß Werbemaßnahmen der Deutschen Bundesbahn auf jeden Fall so gestaltet werden, daß sie das Publikum vernünftig aufklären und nicht verwirren.
Das versucht die Deutsche Bundesbahn natürlich bei jeder Gelegenheit, denn sie hat ein Interesse an der Wirkung einer solchen Maßnahme. Ich kann in diesem Zusammenhang überdies anmerken, daß diese Aktion nach dem feststellbaren Erfolg ein ausgesprochen günstiges wirtschaftliches Ergebnis haben wird.
({0})
Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Josten.
Herr Minister, wird die Bundesbahn ihr Sonderangebot „Aktion 65" wiedereinführen, oder ist dieses Angebot „Rosa Zeiten" zum Opfer gefallen?
Dem Wesen von Sonderangeboten - ich habe das auch erst gelernt ({0})
ist es eigen, daß diese nicht regelmäßig und in der alten Form und Fassung wiederholt werden. Ich bin aber überzeugt davon - soweit ich darauf einwirken kann, werde ich das auch tun -, daß der Personenkreis, der von der „Aktion 65" im vergangenen Jahr eingeschlossen war - es waren Rentner über 65 Jahre -, an der nächsten Aktion ähnlicher Art mindestens beteiligt sein wird. Ich hätte ihn gern noch ausgeweitet.
({1})
Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Könen.
Herr Minister, wären Sie bereit, die Deutsche Bundesbahn bezüglich ihrer Werbemaßnahmen, die in bürokratisches Denken nicht hineinpassen, aber der Forderung nach kaufmännischer Führung dieses Betriebes durchaus entsprechen können, nicht nur gegen Bürokraten, die damit nicht einverstanden sind, in Schutz zu nehmen, sondern auch gegen solche Leute, die immer die kaufmännische Sicht fordern, sie aber kritisieren, wenn sie durchgeführt wird?
Der Bundesverkehrsminister muß die Bundesbahn bei allem unterstützen, was zu erhöhter Wirtschaftlichkeit führt, und ihr alles abwehren helfen, was diesem Ziel nicht dient.
Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Hofmann.
Herr Bundesminister, sind Sie, wenn die Bundesbahn eine weitere Werbeaktion startet, bereit, sich dafür einzusetzen, daß dann vielleicht nicht nur die Rentner über 65 Jahre fahren, sondern auch die jüngeren Ehepaare in den Genuß dieser verbilligten Fahrpreise kommen können?
Es sind ja noch nicht alle Ehepaare Rentner. Es handelt sich hier also darum, wieder einen abgegrenzten PersoBundesminister Leber
nenkreis zu finden. Wenn man das auf alle Ehepaare ausdehnte und diese tatsächlich führen, wäre es kein Sonderangebot mehr.
Herr Bundesminister, könnten, wenn Sie das in der Größenordnung so weit ,ausdehnten und alle über 65 hineinnähmen, Ihrer Meinung nach die jüngeren Ehefrauen auch mit niedrigerem Fahrpreis mitfahren?
Ich kann mir vorstellen, daß die Bundesbahn einmal ein attraktives Angebot für wirkliche junge Ehepaare macht.
({0})
Ich weiß gar nicht, habe ich „wirkliche" gehört?!
Herr Abgeordneter Ott! Das ist die letzte Zusatzfrage zu diesem Kapitel. Dann geht es weiter.
Herr Bundesminister, würden Sie bei einer Neuauflage der „Aktion 65" bei der Deutschen Bundesbahn dafür eintreten, daß invalide Personen auch unter dem 65. Lebensjahr unter Vorlage ihres Invaliditätsausweises in diesen Kreis mit einbezogen werden?
Ich habe die Absicht, beim Vorstand der Deutschen Bundesbahn in Kürze anzuregen, den Personenkreis, der unter die „Aktion 65" fiel, und darüber hinaus auch solche Rentner, die das 65. Lebensjahr noch nicht erreicht haben, künftig für einen begrenzten Zeitraum in eine solche Aktion einzubeziehen. Aber mehr als eine Anregung steht dem Bundesverkehrsminister nicht zu.
Ich rufe die Fragen 108 und 109 des Abgeordneten Mertes auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung die Tatsache, daß die geplante Bundesautobahn Basel-Lindau-München im Landesentwicklungsplan Baden-Württemberg als durch die Schweiz führend ausgewiesen wird, obwohl in früheren Plänen die Autobahnstreckenführung als auf deutschem Gebiet verlaufend aufgezeigt wurde?
Teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß die neue Streckenplanung für den Kreis Donaueschingen, für die Teile der Kreise Waldshut und Konstanz, insbesondere aber auch für die Stadt Blumberg erhebliche wirtschaftliche Nachteile befürchten läßt?
Verehrte Frau Kollegin! Wie ich bereits ({0})
- Ich dachte, jetzt kämen die Fragen 124 und 125, Herr Präsident.
Ich habe angenommen, daß diese Fragen erledigt sind, da die Frau Abgeordnete Mönikes nicht im Saal ist. Jetzt kommen die Fragen 108 und 109 des Herrn Abgeordneten Mertes.
Herr Kollege Mertes, im Landesentwicklungsplan BadenWürttemberg ist der Verlauf der geplanten Autobahnverbindung nur schematisch dargestellt. Zur Zeit sind umfangreiche Untersuchungen im Gange, an denen auch die Schweiz beteiligt ist, um eine optimale Führung dieser Autobahn zu erarbeiten. Selbstverständlich werden dabei die verkehrlichen und wirtschaftlichen Belange der Landkreise Donaueschingen, Waldshut und Konstanz sowie der Stadt Blumberg Berücksichtigung finden.
Eine Zusatzfrage, Herr Reichmann.
Herr Minister, ist Ihnen bekannt, daß das Gebiet, das von Ihnen eben genannt wurde, besonders im Verkehrschatten liegt und dadurch wirtschaftlich sehr stark benachteiligt ist?
Aus diesem Grunde ist diese Trasse ja auch in die Planungen des Bundes und des Landes Baden-Württemberg einbezogen worden. Die Frage des Kollegen Mertes bezog sich im besonderen darauf, wie die Trasse geführt wird, und nicht darauf, ob dort Verkehrsbauten vorgenommen werden.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Reichmann.
Wird die Bundesregierung bei der Entscheidung über die Streckenführung die Gesichtspunkte der Raumordnung und die Verbesserung der Infrastruktur in diesem benachteiligten Gebiet besonders berücksichtigen?
Dazu ist sie schon von Gesetzes wegen gehalten.
Ich rufe die Frage 110 des Herrn Abgeordneten Dr. Hellige auf:
Trifft eine Mitteilung des Niedersächsischen Landkreistages zu, daß die Deutsche Bundesbahn den Verkehr auf der Strecke Göttingen-Dransfeld-Hann. Münden ganz oder in einigen Streckenabschnitten stillzulegen beabsichtigt?
Ich kann auf die Frage des Herrn Kolegen Dr. Hellige mit Nein antworten. Nach den gegenwärtigen und neuesten Vorstellungen der Deutschen Bundesbahn sind auf der Strecke Göttingen-Hannoversch-Münden weder Gesamt- noch Teilstillegungsmaßnahmen vorgesehen.
Zusatzfrage!
Darf ich der Antwort entnehmen, Herr Minister, daß die Bundesbahn ihren Plan, den Personenverkehr auf dieser Strecke auf Omnibusse zu verlagern, auch fallengelassen hat?
Wenn ich sage, es sind keine Stillegungen vorgesehen, ist darin auch der Personenverkehr eingeschlossen.
Die Fragen
111 bis 113 des Abgeordneten Freiherr von Kühlmann-Stumm werden schriftlich beantwortet, ebenfalls die Frage 114 des Abgeordneten Burger:
Ist es der Bundesregierung bekannt, daß die verladende Wirtschaft im Kreis Schlüchtern durch die ungünstige Verkehrslage erheblich beeinträchtigt und im Wettbewerb benachteiligt ist?
Ist es der Bundesregierung bekannt, daß die für diesen Zonenlandkreis unerläßlich wichtige Neuansiedlung von Industriebetrieben an dieser schlechten Verkehrslage gescheitert ist?
Welche Maßnahmen auf dem Gebiet des Straßenbaus wird die Bundesregierung ergreifen, um durch den lange versprochenen Ausbau der B 40 in Richtung Autobahnauffahrt Hanau und in Richtung Autobahnauffahrt Fulda-Süd sowie der Straßen in Richtung Autobahnauffahrt Brückenau-Süd oder Brückenau-Nord den Kreis Schlächtern wenigstens an das bestehende Autobahnnetz so anzuschließen, daß auch schwere Lastwagen ohne Schwierigkeiten vorankommen?
Ist die Bundesregierung bereit, im Zuge des weiteren Ausbaus der B 33 im Kinzigtal die Umgehungen von Haslach, Hausach und Steinach vorzuziehen?
Der Fragesteller hat sich mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt. Die Antworten des Bundesministers Leber vom 9. Oktober 1968 lauten:
Zu den Fragen 111 und 112:
Die Verkehrslage des Kreises Schlächtern ist nicht ungünstig. Sie ist wesentlich besser als die zahlreicher anderer Landkreise des Zonenrandgebietes. Schlüchtern liegt an zwei Bundesbahnhauptstrecken ({0}), ferner an der Bundesstraße 40 und nur 20 km von der Autobahn Bad Hersfeld-Würzburg und ca. 60 km von den Autobahnen um Frankfurt/Main entfernt. Sowohl die Bundesstraße 40 als meines Wissens auch die zahlreichen Landesstraßen im Kreise Schlüchtern befinden sich in einem guten Zustand und werden noch laufend verbessert.
Der Bundesregierung sind keine Fälle bekanntgeworden, in denen die Ansiedlung von Industriebetrieben im Kreise Schlächtern gescheitert wäre. Vielmehr sind dort in den letzten Jahren ({1}) dank der Hilfe des Bundes und des Landes Hessen im Rahmen der regionalen Förderungsprogramme 9 Betriebe mit über 270 Arbeitsplätzen neu angesiedelt worden.
Die B 40 wurde in großem Umfang in den vergangenen Jahren durch teilweisen Vollausbau und Zwischenausbau auf der gesamten Strecke zwischen Hanau und Fulda verbessert.
Der Anschluß des Kreises Schlächtern an die neue Autobahn Bad Hersfeld-Würzburg über die Anschlußstelle Fulda-Süd ist durch die Eröffnung einer neuen 2spurigen Bundesstraße zwischen Neuhof und der Anschlußstelle schon seit 1967 gewährleistet.
Es ist vorgesehen, die B 40 zwischen Hanau und Fulda 4spurig auszubauen. Einzelne Teilstrecken sind bereits fertiggestellt bzw. im Bau. Weitere Abschnitte sollen noch in diesem Jahr bzw. in den nächsten Jahren begonnen werden. Für die restlichen Abschnitte werden z. Z. die Entwürfe aufgestellt.
Für den Ausbau der Kreis- und Landesstraßen zwischen Schlächtern und der Anschlußstelle Brückenau-Nord hat der Bund seit längerer Zeit eine Bezuschussung nach den geltenden Zuschußrichtlinien in Aussicht gestellt.
Zu Frage 113:
Die Bundesstraße 33 wurde in den vergangenen Jahren auf dem Abschnitt Offenburg-Gengenbach neu gebaut. Für den anschließenden Abschnitt Gegenbach-Biberach steht das laufende Planfeststellungsverfahren kurz vor dem Abschluß, so daß hier mit dem Beginn der Bauarbeiten im kommenden Jahr gerechnet werden kann. Es besteht die Absicht, den Ausbau der Bundesstraße 33 im Anschluß daran bis einschließlich Ortsumgehung Hausach fortzusetzen.
Die Planung sieht auf dem gesamten Abschnitt von Biberach bis Hausach einen völligen Neubau der Bundesstraße 33 vor, wofür bereits eine mit meinem Hause abgestimmte Vorplanung vorliegt. Die Lage der neuen Bundesstraße 33 auf der nördlichen Seite der Kinzig macht es nicht möglich, einen mit der übrigen Ausbaustrecke nicht zusammenhängenden Abschnitt vorzuziehen, da der große Aufwand für dann notwendige zusätzliche Verbindungen mit der bestehenden Bundesstraße 33 bei dem geplanten baldigen Gesamtausbau nicht vertretbar ist. Hinzu kommt noch, daß eine Annahme durch den Verkehr wegen der damit verbundenen Umwege erfahrungsgemäß nicht zu erwarten ist. Aus diesem Grunde ist vorgesehen, die schwierigen Verhältnisse in den vorhandenen Ortsdurchfahrten durch entsprechende Ausbaumaßnahmen an der bestehenden Bundesstraße 33 zu verbessern.
Ich rufe nun die Fragen 115 und 116 des Abgeordneten Dr. Schmidt ({2}) auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung die Mitte Juli 1968 in der Bundesrepublik Deutschland bekanntgewordene Veröffentlichung des „Eidgenössischen statistischen Amtes" über die schweizerische Straßenrechnung 1959 bis 1965, statistische Quellenwerke der
Schweiz, Heft 424, Bern, März 1968, inbesondere die darin angewandten, vom Schweizer Bundesrat genehmigten Methoden?
Hält es die Bundesregierung für zweckmäßig, im Interesse einer schnellen und objektiven Klärung des seit vielen Jahren anstehenden Wegekostenproblems das Schweizer Beispiel aufzugreifen, die anzuwendenden Methoden wie in der Schweiz nach Anhörung der beteiligten Verkehrsträger festzulegen und anschließend einen Auftrag an das Statistische Bundesamt zu erteilen mit der Aussicht auf allseitige Anerkennung, eine Wegekostenrechnung zu erstellen?
Die Bundesregierung hat von der schweizerischen Straßenrechnung mit großem Interesse Kenntnis genommen. Die darin angewandten Methoden weichen zum Teil erheblich von den Grundlagen der WegekostenEnquete der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft ab. Sie betreffen zudem nur die Straßen und sind auf die Eisenbahnen und Wasserstraßen nicht übertragbar. Ferner enthalten die Schweizer Untersuchungen noch keinen Lösungsvorschlag für die Zurechnung der Kosten auf die einzelnen Fahrzeugkategorien. Dies ist eine Aufgabe, die für eine vollständige Wegekostenrechnung von entscheidender Bedeutung ist.
Zusatzfrage!
Ist das die Beantwortung der Fragen 115 und 116?
Das ist die Antwort auf Frage 115.
Frage 116!
In Brüssel steht zur Zeit eine Musteruntersuchung über die Verkehrsachse Paris-Le Havre vor dem Abschluß, die auf Grund einer Ratsentscheidung vom 13. Mai 1965 durchgeführt wurde. Hauptzweck dieser Untersuchung ist die Klärung der verschiedenen methodischen Lösungsmöglichkeiten im Hinblick auf ihre praktische Anwendbarkeit. Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß zunächst das Ergebnis dieser Untersuchung zusammen mit den anderen Mitgliedstaaten der EWG geprüft werden muß. Sie hält es daher nicht für zweckmäßig, den von Ihnen, Herr Kollege, angeregten Auftrag zu erteilen.
Eine Zusatzfrage, Herr Dr. Schmidt.
Herr Minister, wäre es nicht zweckmäßig, in diesem Hause einmal, so wie es im Schweizerischen Bundesrat geschehen ist, über die verschiedenen möglichen Methoden betriebswirtschaftlicher und kameralistischer Art zu diskutieren und sich insbesondere zwischen Exekutive und Legislative möglichst auf eine gemeinsame Linie des Vorgehens zu einigen?
Nach meiner Auffassung steht einer solchen Aussprache im Deutschen Bundestag nichts im Wege, Herr Kollege Schmidt, wenn sie von dem Hohen Hause gewünscht wird. Nur bin ich überzeugt davon, daß eine solche
Debatte erst dann fruchtbar geführt werden kann, wenn gewisse Unterlagen zur Verfügung stehen, die im Augenblick noch nicht vorhanden sind.
Frage 117 des Abgeordneten Dr. Schmidt ({0}) :
Wie beurteilt die Bundesregierung die von der Kommission der Europäischen Gemeinschaften in ihrem Vorschlag einer Richtlinie zur Anpassung der nationalen Systeme der Steuern für Nutzfahrzeuge vom 16. Juli 1968 vorgeschlagenen Methoden zur Gestaltung einer Straßenbenutzungsgebühr sowie die diesem Verfahren ähnlichen Methoden der bekannten Laval-Kommission?
Im Einvernehmen mit dem für diese Frage zuständigen Bundesminister der Finanzen gebe ich folgende Antwort.
Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften betrachtet ihre Vorschläge als einen ersten Schritt auf dem Wege zu einer Harmonisierung der Steuersysteme. Grundlage sind die Grenzkosten der Benutzung der Verkehrswege unter Berücksichtigung der Treibstoffsteuer. Diese Konzeption kann im Hinblick auf die praktische Anwendung erst dann beurteilt werden, wenn die Ergebnisse der Brüsseler Musteruntersuchung geprüft und entsprechende Berechnungen meines Hauses für das deutsche Wegenetz durchgeführt worden sind. Diese Arbeiten sind in vollem Gange.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Müller-Hermann.
Herr Minister, kann ich Ihrer Antwort auf die Frage 116 entnehmen, daß Sie bereit wären, etwa vor dem Finanzoder Verkehrsausschuß einmal die Systeme darzulegen, nach denen in Ihrem Hause die Wegekostenberechnungen vorgenommen werden sollen?
Dazu bin ich gerne bereit, Herr Kollege.
Die Frage 118 des Abgeordneten Baier wird schriftlich beantwortet:
Ist der Bundesverkehrsminister angesichts der sich häufenden Fälle von Fehlleitungen von Kraftfahrzeugen am Autobahnkreuz Walldorf nunmehr bereit anzuordnen, daß durch die Anbringung eines Hinweises auf die nächste Ausfahrt Walldorf dies künftig vermieden wird?
Der Fragesteller hat sich mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt. Die Antwort des Bundesministers vom 9. Oktober 1968 lautet:
Bei der Wegweisung an Autobahnkreuzen muß berücksichtigt werden, daß es sich hier um Verzweigungspunkte für den weiträumigen Autobahnverkehr handelt. Darauf muß die Wegweisung abgestimmt sein. Nahziele, d. h. z. B. die nächste Autobahn-Abfahrtstelle, können hier nur genannt werden, wenn auf den Tafeln der Schilderbrücken, an denen im Höchstfall 3 Namen angeschrieben werden können, dafür noch Platz vorhanden ist.
Der Bundesminister für Verkehr wird mit der Auftragsverwaltung umgehend prüfen, ob im Autobahnkreuz Walldorf in Süd-Nordrichtung auf die Angabe eines Fernzieles verzichtet und statt dessen das Nahziel Walldorf/Wiesloch angebracht werden kann. Nach den Plänen des Innenministeriums Baden-Württemberg ist vorgesehen, dort die Fernziele Frankfurt, Darmstadt und Heidelberg anzugeben, so daß für das Nahziel Walldorf/Wiesloch kein Raum mehr wäre.
Es wird weiter untersucht werden, welche Möglichkeiten für einen Hinweis auf Walldorf in der Fahrtrichtung Mannheim-Heilbronn noch bestehen. In dieser Richtung müssen auf der Schilderbrücke für die abzweigende Richtung die Fernziele Basel, Karlsruhe und Heidelberg genannt werden. Auch hier würde der vorhandene Raum die Hinzufügung des an der abzweigenden Strecke liegenden nächsten Nahzieles Walldorf/Wiesloch nicht mehr zulassen.
Schließlich soll an der Anschlußstelle Wiesloch/Rauenberg nach dem Vorschlag der Auftragsverwaltung Walldorf zusätzlich als Ausfahrtsziel angegeben werden.
Nun die Frage 119 des Herrn Abgeordneten Strohmayr:
Was hält die Bundesregierung von dem Vorschlag, den Führerscheinen ein kleineres Format zu geben, etwa die Größe des Bundespersonalausweises?
Herr Kollege Strohmayr, 'der Führerschein soll auf Grund eines weltweiten Abkommens über den Straßenverkehr in allen Mitgliedstaaten eine einheitliche Ausgestaltung erhalten; dafür treten wir ein. Der Abkommensentwurf, der noch in diesem Jahre abschließend beraten wird, sieht eine Größe des Führerscheins im Format A 7, das sind 74 mal 105 mm, vor. Das entspricht etwa der Größe des bundeseinheitlichen -Personalausweises. Da die Bundesrepublik Deutschland diesem Abkommen beizutreten beabsichtigt, ist mit der Einführung eines kleinen Führerscheinvordruckes in absehbarer Zeit zu rechnen.
Frage 120 des Abgeordneten Strohmayr:
Teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß es nützlich wäre, das Format aller Kfz-Papiere auf die Größe des Bundespersonalausweises zu reduzieren, wie dies etwa im US-Staat Kalifornien längst praktiziert wird?
Bei den Kraftfahrzeugpapieren kommt es für den Halter auf die Größe des Kraftfahrzeugbriefes nicht so sehr an. Der Brief braucht und soll sogar im Verkehr nicht mitgeführt werden. Die Größe des Kraftfahrzeugscheines hängt heute davon ab, daß Brief und Schein drucktechnisch in einem Arbeitsgang hergestellt werden. Das ist billiger und rationeller, zumal hierbei auch noch die Karteikarte für die Zulassungsstelle gewissermaßen als Nebenprodukt mit anfällt. Das Kraftfahrt-Bundesamt arbeitet aber an einer Neugestaltung des Kraftfahrzeugbriefes im Hinblick auf die elektronische Datenverarbeitung. In diesem Zusammenhang wird auch geprüft, ob das Format des Kraftfahrzeugscheins der Größe des Bundespersonalausweises angepaßt werden kann.
Zusatzfrage des Abgeordneten Strohmayr.
Herr Minister, es ist also damit zu rechnen, daß der Kraftfahrzeugschein in allernächster Zeit ebenfalls dem künftigen Format des Führerscheins angepaßt wird.
Für den Führerschein kann ich verhältnismäßig zuverlässig - wenn in Wien bei der gegenwärtig tagenden Konferenz nicht noch eine Änderung kommt - zusagen, daß er das Kleinformat des Bundespersonalausweises haben wird. Für den Kraftfahrzeugschein
sind Überlegungen unter Untersuchungen im Gange, die das auch unter Einbeziehung eines Rationalisierungseffekts anstreben. Ob das gelingen wird, kann ich in ein paar Wochen etwas besser sagen als heute.
Frage 121 des Abgeordneten Ollesch:
Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um entsprechend einem Vorschlag des Bundesfinanzministers den Gemeinden das Recht einzuräumen, die Höhe der Parkgebühren selbst festzusetzen?
Ob den Gemeinden ein unbegrenztes Recht eingeräumt werden soll, die Höhe der Parkgebühren selbst festzusetzen, wird bei der Beratung des bereits vorliegenden Antrags vom Bundestag zu entscheiden sein. Ich selbst bin der Auffassung, daß dem Pkw-Fahrer gegenwärtig keine zusätzlichen Belastungen durch neue Gesetzesanträge auferlegt werden sollen.
Keine Zusatzfrage. Fragen 122 und 123 des Abgeordneten Müser:
Welche Investitionskosten würden dem Bund entstehen, wenn alle Bundesautobahnen bei Dunkelheit und unsichtigem Wetter beleuchtet würden?
Welche Betriebskosten würden dem Bund entstehen, wenn alle Bundesautobahnen bei Dunkelheit und unsichtigem Wetter beleuchtet würden?
Bei einer Länge des Autobahnnetzes von rund 4000 km, gemessen am Stand des Jahres 1968, würden für die Beleuchtung aller Bundesautobahnstrecken Investitionskosten in Höhe von 1 Milliarde DM entstehen.
Die Betriebskosten bei einer Beleuchtung aller Bundesautobahnstrecken würden sich im Jahre auf rund 100 Millionen DM belaufen.
Keine Zusatzfrage. - Fragen 126 und 127 des Abgeordneten Schmidhuber:
Treffen Zeitungsberichte zu, daß die von der Deutschen Bundesbahn für den S-Bahn-Verkehr im Raum München entwickelten Triebwagen ET 20 für den Betrieb auf der von der Stadt München zu errichtenden Nord-Süd U-Bahnstrecke wegen ihrer Abmessungen nicht geeignet sind?
Ist dadurch ein zukünftiger Verkehrsverbund zwischen der V-Bahn und der U-Bahn in München in Frage gestellt oder technisch erschwert?
Ist der Herr Abgeordnete Schmidhuber im Saal?
({0})
- Frage 123 von Herrn Abgeordneten Müser? - Ja. Die Fragen 124 und 125 sind erledigt. Wir kommen also jetzt zu den Fragen 126 und 127 des Herrn Abgeordneten Schmidhuber. Bitte Herr Minister!
Zur Frage 126: Es trifft zu, daß die von ,der Deutschen Bundesbahn für den S-Bahn-Verkehr entwickelten Triebwagen der Baureihe 420 - früher ET 20 - wegen ihrer Abmessungen nicht für den Betrieb auf der Münchener Nord-Süd-U-Bahnstrecke geeignet sind.
Keine Zusatzfragen? - Dann Frage 127.
Die verkehrliche Zusammenarbeit in München ist durch diesen Tatbestand nicht in Frage gestellt. Vielmehr haben der Freistaat Bayern, die Landeshauptstadt München und die Deutsche Bundesbahn am 26. Juli 1968 eine Vereinbarung zur Vorbereitung des Münchner Verkehrs- und Tarifverbundes geschlossen, der U-, Sund Straßenbahn sowie Omnibus zur gemeinsamen Bedienung von Stadt und Region München mit besten und bequemen Übergängen zusammenführen soll. Wenn allerdings Ihre Frage auf die Möglichkeit eines Betriebsverbundes zwischen dem S-Bahn-netz ,der Deutschen Bundesbahn und dem U-Bahnnetz abzielt, kann ich bestätigen, daß nach dem augenblicklichen Stand im Hinblick auf die Abmessungen ein Befahren des U-Bahntunnels mit Triebwagen der Deutschen Bundesbahn der Baureihen 420 und 427 nicht möglich ist.
Keine Zusatzfragen. - Die Fragen des Herrn Abgeordneten Wieninger - ({0})
- Die Frage 127 ist aufgerufen.
({1})
Jetzt kommen die Fragen 128, 129 und 130 des Herrn Abgeordneten Wieninger:
Trifft es zu, daß die Deutsche Bundesbahn auf eine gemeinsame Anfrage der Stadtverwaltung München und der Regierung von Oberbayern im Jahre 1964 zu erkennen gegeben hat, daß sie einen S-Bahnzug ET 27 entwickelt, für den eine Tunnelhöhe von 4,90 m ausreiche?
Wann hat die Deutsche Bundesbahn die Stadtverwaltung München von der Veränderung ihrer Planungskonzeption bezüglich der Abmessungen der S-Bahnzüge verständigt?
Welche Vorkehrungen wird die Deutsche Bundesbahn treffen, um in Zukunft eine bessere Koordinierung der Planung und des Baus unterirdischer Massenverkehrsmittel im Raum München zu erreichen?
Anschließend ist dann 'die Fragestunde zu Ende.
Zur Frage 128: Nach den mir vorliegenden Informationen sind in 'der Frage eines etwaigen Verbundbetriebes zwischen der Regierung von Oberbayern und der Deutschen Bundesbahn zwar Verhandlungen geführt worden, die allerdings in der Frage der Tunnelhöhe zu keinem schlüssigen Ergebnis führten. Eine bindende Erklärung, wonach bei einer lichten Tunnelhöhe von 4,90 m ein Verbundbetrieb möglich sei, hat meines Wissens die Deutsche Bundesbahn nicht abgegeben.
Eine Zusatzfrage.
Herr Minister, trifft es zu, daß die Deutsche Bundesbahn die StadtverwalWieninger
tung München veranlaßt hat, die Tunnelhöhe zu vergrößern, damit auch die Wagen der Bundesbahn Verwendung finden können?
Ich habe versucht, das restlos zu klären. Das liegt etwas in der grauen Zeit vor meiner Amtszeit. Ich will aber gern versuchen, das noch einmal mehr zu durchleuchten.
Dürfte ich bitten, Herr Bundesminister, daß uns darüber noch eine Mitteilung zugeht.
Ich bin gern bereit, das zu tun, wenn ich herausfinde, wie das im Zusammenhang steht.
Frage 129.
Da die Deutsche Bundesbahn ihre Planungskonzeption bei den Triebwagen in bezug auf die Fahrzeughöhe nicht geändert hat und sie außerdem keine diesbezüglichen Verpflichtungen gegenüber der Regierung von Oberbayern eingegangen ist, hatte die Deutsche Bundesbahn keinen Anlaß, die Stadt München noch besonders zu unterrichten.
Eine Zusatzfrage.
Glauben Sie nicht, Herr Bundesminister, daß es nützlich wäre, wenn die Bundesbahn mit der Stadtverwaltung München etwas intensiver zusammenarbeitete, um Fehlplanungen zu vermeiden?
Ich bin überzeugt davon, daß dann manches etwas kontinuierlicher und besser gelaufen wäre. Aber wir beschäftigen uns hier mit der Geschichte, nicht mit der Gegenwart.
Frage 130.
Wären Sie bereit, Herr Bundesminister, bei der Bundesbahn auf eine Verbesserung der Zusammenarbeit hinzuwirken?
Darauf bezieht sich die Frage 130. Wenn ich sie gleich beantworten darf: Die Zusammenarbeit zwischen den zuständigen Stellen der Landeshauptstadt München und denen der Deutschen Bundesbahn, die nicht zuletzt in der Errichtung eines gemeinsamen Planungsbüros für Kreuzungsbahnhöfe und durch die Übernahme von Bauaufgaben der. S-Bahn durch das U-Bahn-Referat der Stadt München unter Beweis gestellt wird, ist jetzt so gut, daß es keiner Vorkehrungen mit dem Ziel einer noch besseren Koordinierung von Planung und Bau bedarf.
Keine Zusatzfragen. - Meine Damen und Herren, die Fragestunde ist zu Ende.
Ich rufe Punkt 2 unserer Tagesordnung auf:
Eidesleistung des Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit und des Bundesministers für Familie und Jugend
Meine Damen und Herren, der Herr Bundespräsident hat mir mit Schreiben vom 2. Oktober 1968 mitgeteilt, daß er auf Vorschlag des Herrn Bundeskanzlers am 2. Oktober Frau Bundestagsabgeordnete Anne Brauksiepe zum Bundesminister für Familie und Jugend
({0})
und den Herrn Bundestagsabgeordneten Dr. Erhard Eppler zum Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit ernannt habe.
({1})
Nach Art. 64 des Grundgesetzes leisten die Bundesminister bei der Amtsübernahme den in Art. 56 des Grundgesetzes vorgesehenen Eid. Ich bitte die Frau Bundesministerin Brauksiepe und den Herrn Bundesminister Dr. Eppler, zu mir heranzutreten und den nach Art. 64 in Verbindung mit Art. 56 des Grundgesetzes vorgeschriebenen Eid zu leisten.
({2})
Ich werde den Eid einmal vorsprechen und bitte Sie, ihn mit den Worten: „So wahr mir Gott helfe" zu bekräftigen.
Der Eid lautet:
Ich schwöre, daß ich meine Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden, das Grundgesetz und die Gesetze des Bundes wahren und verteidigen, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann üben werde.
Sind Sie bereit, diesen Eid zu schwören, so bekräftigen Sie ihn mit der Formel: „So wahr mir Gott helfe".
So wahr mir Gott helfe.
Ich gratuliere Ihnen und spreche Ihnen den Glückwunsch des Hauses aus.
({0})
Herr Bundesminister Dr. Eppler, sind Sie bereit, diesen Eid zu schwören, so bekräftigen Sie ihn mit den Worten: „So wahr mir Gott helfe".
So wahr mir Gott helfe.
Ich gratuliere Ihnen und spreche Ihnen den Glückwunsch des Hauses zu Ihrem Amt aus.
({0})
Präsident D. Dr. Gerstenmaier
Meine Damen und Herren, mein Amt erfordert, festzustellen, was Sie alle gesehen und gehört haben, daß die Bundesministerin für Familie und Jugend und der Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit den im Grundgesetz vorgeschriebenen Eid geleistet haben.
Ich rufe Punkt 3 der Tagesordnung auf:
Beratung der Sammelübersicht 33 des Petitionsausschusses ({1}) über Anträge von Ausschüssen des Deutschen Bundestages zu Petitionen
- Drucksache V/3293 Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Es ist antragsgemäß beschlossen.
Ich rufe Punkt 4 der Tagesordnung auf:
Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung Das Wort hat der Herr Bundeskanzler.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hätte heute zu Beginn der Beratungen über den Haushalt und die Fortschreibung der mittelfristigen Finanzplanung das Wort nicht genommen, wenn mir nicht der Wunsch der Fraktionen dieses Hohen Hauses übermittelt worden wäre, eine Erklärung über die Verhandlungen mit dem französischen Staatspräsidenten am 27. und 28. September abzugeben und auch zu einigen wichtigen Fragen der Innenpolitik Stellung zu nehmen.
Seit meiner Erklärung vom 25. September ist im Gefolge der Ereignisse in der Tschechoslowakei vieles in Bewegung geraten. Ich meine daher, die Gelegenheit benutzen zu sollen, um dem Hohen Hause nicht nur über das Ergebnis der deutsch-französischen Beratungen, sondern auch über die Entwicklung der vergangenen drei Wochen zu berichten.
Nachdem der Versuch der sowjetischen Führung, ihre Intervention in der Tschechoslowakei mit der Behauptung zu rechtfertigen, die tschechoslowakische Regierung habe um diese Intervention gebeten, gescheitert war, hat Moskau eine Theorie verkündet, die besagt, daß ein Land, das einmal sozialistisch geworden sei, immer sozialistisch bleiben müsse und daß, um diesen Status zu wahren, der Sowjetunion und den übrigen Mächten des Warschauer Paktes ein Interventionsrecht gegenüber einem Abweichenden zustehe.
Diese Theorie wurde schon in dem Brief der intervenierenden fünf Mächte des Warschauer Paktes an die Kommunistische Partei der CSSR vom 15. Juli 1968 formuliert. Es lohnt sich, daran zu erinnern. Es hieß dort:
„Wir werden niemals zulassen, daß der Imperialismus auf friedlichem oder unfriedlichem Wege von innen oder von außen her eine Bresche in das sozialistische System schlägt und das Kräfteverhältnis zu seinen Gunsten verändert."
Ähnliche Gedankengänge enthielt die zweite Mitteilung, die mir Botschafter Zarapkin am 2. September überbrachte. In Artikeln der führenden sowjetrussischen Zeitungen und in der Rede des sowjetrussischen Außenministers vor den Vereinten Nationen am 3. Oktober wurde diese Doktrin weiter präzisiert.
In unsere politische Sprache übersetzt bedeutet dies, daß die Sowjetunion auch eine friedliche Annäherung zwischen West- und Osteuropa jederzeit als eine Gefährdung und Bedrohung ihrer hegemonialen Sphäre bewerten kann. Eine Politik, die sich die Entspannung zwischen dem Osten und dem Westen zum Ziel gesetzt hat, muß also jederzeit damit rechnen, daß sie als aggressiv verurteilt wird, wenn die Sowjetunion dadurch eine Gefährdung ihrer Interessen im Sinne der neuen Doktrin befürchtet.
Die kommunistischen Länder im Einflußbereich Moskaus, so wird offen verkündet, müssen insoweit eine Begrenzung ihrer Souveränität hinnehmen. Ihre Beziehungen zur übrigen Welt werden durch die von Moskau verkündeten und gehüteten Regeln des Zusammenlebens der sozialistischen Staaten beschränkt. Art und Umfang der Beziehungen nichtsozialistischer Länder zu Ländern des sozialistischen Einflußbereichs der Sowjetunion werden also nur innerhalb des von Moskau abgesteckten Rahmens zugelassen. Wer gegen diese von Moskau aufgestellten Regeln - friedlich oder unfriedlich - verstößt, wird als ein Konterrevolutionär und ein aggressiver Störer des Friedens gebrandmarkt.
Meine Damen und Herren! Diese neue, zwar schon in früheren Jahren gelegentlich anklingende, aber jetzt in voller Schärfe formulierte Doktrin zwingt uns wie alle Völker der übrigen, insbesondere der westlichen Welt zu einer Überprüfung unserer bisherigen Politik. Der sowjetrussische Außenminister hat in seiner Rede vor den Vereinten Nationen in diesem Zusammenhang unsere eigene Politik ausdrücklich angegriffen. Er behauptete, in Bonn fänden sich Politiker, die Europa einem neuen Zuschnitt unterwerfen möchten durch Aushöhlung der Abkommen der Alliierten. Ich selbst hätte vor kurzem offen erklärt, daß die Bundesrepublik Deutschland eine Änderung des Status quo in Europa fordere.
Wir weisen diese Behauptung mit allem Nachdruck zurück. Wir wollen Europa keinem neuen Zuschnitt unterwerfen. Es war und ist nicht unsere Absicht, die Verhältnisse im sozialistischen Lager, weder die inneren Verhältnisse der einzelnen sozialistischen Länder noch ihre Beziehungen zueinander, zu beeinflussen, nicht ideologisch, nicht politisch, nicht militärisch und nicht wirtschaftlich.
Was wir in den beiden vergangenen Jahren getan haben, meine Damen und Herren, entsprach paradoxerweise einer Feststellung der Karlsbader Erklärung vom April 1967. Dort wurde begrüßt, daß sich gegenwärtig in der öffentlichen Meinung Europas ernsthafte Veränderungen zur Überwindung einer unfruchtbaren und gefährlichen Politik der Spaltung Europas vollzögen. Zwischen Ländern mit unterschiedlichen kapitalistischen und sozialistischen Gesellschaftsordnungen entwickelten sich, so hieß es da, Beziehungen der Zusammenarbeit, besonders auf dem Gebiet der Wirtschaft und der Kultur.
Meine Damen und Herren, auch wir sahen in einer solchen sich anbahnenden Zusammenarbeit einen Weg zu besseren Zuständen in Europa. Noch im März dieses Jahres stellte der Generalsekretär der NATO fest, daß zwar eine angemessene Verteidigung weiterhin unabdingbar sei, daß aber jetzt als neues Element der Akzent etwas stärker auf der Forderung liege, zu einer Verständigung, zu einer Annäherung mit Osteuropa zu gelangen. Dies sei, so sagte er, eine Politik der ausgestreckten Hand, und es sei nun Sache der kommunistischen Länder, sich darüber klar zu werden, ob sie diese Hand ergreifen oder zurückweisen sollten.
Ich hatte die oben angeführte Stelle aus der Karlsbader Erklärung vor kurzem in meiner Rede auf dem Deutschlandtag der Jungen Union zitiert. Es ist danach das Mißverständnis entstanden, als hätte ich durch dieses Zitat dem vollen Inhalt der Karlsbader 'Erklärung meine Zustimmung geben wollen. Das ist natürlich grotesk. Ich hatte selbstverständlich nichts Derartiges gemeint und nichts Derartiges gesagt.
Nach den neuesten Äußerungen aus Moskau muß es nun fraglich erscheinen, ob die Sowjetunion die damals in Karlsbad begrüßte Zusammenarbeit zwischen sozialistischen und nichtsozialistischen Ländern heute noch billigen will. Wenn der sowjetische Außenminister mich angeklagt hat, ich wolle, da ich auf der friedlichen Wiedervereinigung Deutschlands im Wege der Verständigung der Beteiligten bestehe, in aggressiver Weise den Status quo ändern, so muß ich ihm diesen Vorwurf zurückgeben. Es ist in Wahrheit die Sowjetunion, die eine Änderung des Status quo beabsichtigt, wenn sie die zeitweilige Spaltung Deutschlands mit ihrer neuen Doktrin verewigen will.
({0})
Sie weiß genau, daß die überwältigende Mehrheit der Völker die sowjetrussische Auffassung nicht billigt. In der Debatte der Vereinten Nationen ist wieder, wie so oft, von einer ganzen Anzahl von Rednern das Recht des deutschen Volkes auf seine Wiedervereinigung in Frieden und Freiheit anerkannt worden.
Wir haben - das muß immer wieder in die Erinnerung gerufen werden, weil uns die Sowjetunion gern als den Störenfried, den einzigen Störenfried darstellt - für unser friedliches nationales Anliegen bis zur Stunde die moralische und politische Unterstützung der großen Mehrheit der Völker unserer Erde.
'({1})
Vielleicht ist es hilfreich, wenn ich bei der Versicherung, daß wir die Einheit unseres Volkes mit friedlichen Mitteln erstreben, noch einmal ausdrücklich wiederhole, daß diese Bemühungen den Weg einer Verständigung, eines Einvernehmens aller an dem Problem Beteiligten, also auch mit der Sowjetunion suchen müssen. Ich frage mich neugierig, ob in der neuen Moskauer Doktrin auch dieses Verständigungsangebot als ein Fall feindseliger Aggression einbegriffen ist.
Ich habe in den vergangenen beiden Jahren immer wieder betont - und wir alle haben es getan -, daß wir uns bei unseren Bemühungen um die Einheit unseres Volkes unserer Verantwortung für den Frieden voll bewußt sind. Wir haben ebenso oft gesagt, daß wir wissen, daß dieses schwierige politische Problem in einer Weise gelöst werden muß, die den berechtigten Interessen aller Beteiligten, also auch der Sowjetunion, gerecht wird, und wir haben ebenso oft klar gesagt, daß dies nur in einer allmählichen Überwindung des bestehenden Gegensatzes und der bestehenden Spannungen durch eine gemeinsame Bemühung um die Anbahnung einer Ordnung des Friedens in Europa gelingen kann. Meine Damen und Herren, dies ist ein völlig klares und redliches politisches Programm, über dessen Verwirklichung wir mit der Sowjetunion und allen anderen Beteiligten auch in Zukunft zu sprechen bereit sind, und genau dies meinen wir, wenn wir sagen, daß wir unsere Friedenspolitik trotz aller Enttäuschungen fortsetzen wollen.
({2})
Leider hat weder die Rede des Außenministers der Sowjetunion vor den Vereinten Nationen noch die Unterredung zwischen unserem Außenminister und Herrn Gromyko in New York ein ermutigendes Ergebnis gebracht. Herr Gromyko wiederholte lediglich die bekannten Forderungen Moskaus, die man dort als unabdingbar bezeichnet. Wenn wir, meine Damen und Herren, trotzdem an einer Politik festhalten, welche die künftige Sicherung des Friedens in Europa durch eine letztliche Verständigung der Völker und Staaten anstrebt, so folgen wir damit keineswegs einer Palmström-Logik: weil nicht sein kann, was nicht sein darf, sondern wir folgen unbeirrbar der Erkenntnis, daß das, was heute noch nicht sein kann, vielleicht morgen oder übermorgen möglich sein wird.
({3})
Mit dieser unserer Friedenspolitik steht unsere Entschlossenheit zur Bewahrung und Festigung des nordatlantischen Bündnisses keineswegs im Widerspruch. Im Gegenteil! Solange die hochgerüstete militärische Macht der Sowjetunion und des sozialistischen Lagers besteht, muß ihr eine angemessene Verteidigungskraft des Westens entsprechen. Es geht dabei nicht um die Frage, welche Absichten wir bei den Führern der Sowjetunion vermuten. Dieser Irrtum ist leider in der Vergangenheit von manchen begangen worden. Die bloße Existenz einer so gewaltigen militärischen Macht auf der Seite der Sowjetunion fordert auf der Seites des Westens eine entsprechende Anstrengung. Nur unter dieser Voraussetzung - ich wiederhole es - kann der Westen eine Politik der Verständigung und des . Friedens mit der Sowjetunion betreiben. Ohne eine solche Sicherheit wären das Gleichgewicht und der Frieden in der Welt aufs höchste gefährdet. Es gibt natürlich eine Alternative, die wir bei weitem vorziehen würden - und wir haben es schon oft gesagt -: die schrittweise, kontrollierte, gleichzeitige und gleichwertige Abrüstung auf beiden Seiten. Diese Regierung wird sich auch in Zukunft bemühen, dazu durch eigene Initiativen beizutragen.
Meine Damen und Herren, die militärische Intervention der Sowjetunion und anderer Mächte des Warschauer Paktes in der Tschechoslowakei ist nicht nur fast einmütig von den Staaten der Welt verurteilt worden; sie hat auch zu einer neuen Bestätigung des Verteidigungsauftrages des nordatlantischen Bündnisses geführt. Präsident Johnson hat am 10. September 1968 erklärt, aus diesem aggressiven Akt seien neue militärische und politische Risiken entstanden, die eine noch engere Zusammenarbeit zwischen den westlichen Verbündeten erforderten. Wir begrüßen diese Feststellung. Er und andere führende Staatsmänner der verbündeten Länder haben keinen Zweifel darüber gelassen, daß im Falle der Anwendung von Gewalt gegen das von der Allianz geschützte Gebiet die Bündnisverpflichtungen voll erfüllt würden.
Die Sowjetunion weiß genau, daß der verbündete Westen niemals einen Angriff gegen sie oder gegen ein Land des sozialistischen Lagers beginnen würde. Der Zweck des Bündnisses ist die Verteidigung im Falles eines Angriffs bzw. die Verhinderung eines solchen durch die Existenz der Allianz. Die Sowjetunion weiß ebensogut, daß die Verteidigungsanstrengungen des Westens sich nach dem Bestand ihrer eigenen militärischen Macht richten. Sie hat es also selbst in der Hand, durch die Verminderung ihrer militärischen Macht auch auf die Rüstung des Westens Einfluß zu nehmen. Die Sowjetunion kann sich nicht darüber täuschen, daß sie durch die Besetzung der Tschechoslowakei und durch die Bereitstellung sowjetischer Divisionen an der deutsch-tschechoslowakischen Grenze die militärische Lage verändert hat. Die Zurückziehung ihrer Streitkräfte aus der Tschechoslowakei würde es den verbündeten Ländern ersparen, neue Überlegungen und Maßnahmen zu treffen, die dieser veränderten Situation entsprechen. Noch ist es dafür nicht zu spät.
Die Gremien des Bündnisses haben sich in den vergangenen Wochen wiederholt mit den Konsequenzen dieser geänderten Situation und der Verbesserung der Verteidigungsbereitschaft der NATO-Streitkräfte befaßt. Bei einer Begegnung der NATO-Außenminister in New York am 7. Oktober, an der, wie Sie wissen, auch unser Außenminister teilgenommen hat, wurde eine Einigung über die Vorverlegung der nächsten Ministerkonferenz auf den 14. bis 16. November erzielt.
Die sowjetrussische Intervention in der Tschechoslowakei und die dadurch bedingte Änderung der militärischen Lage haben Pläne innerhalb des nordatlantischen Bündnisses, die Zusammenarbeit der europäischen Partner zu verstärken, wieder belebt. Einige europäische Regierungen haben bestimmte Vorstellungen dazu entwickelt, und auch in Amerika hat der Gedanke, innerhalb des atlantischen Bündnisses einen europäischen Kern zu bilden, an Boden gewonnen. Das steht in Verbindung mit dem Wunsch der Vereinigten Staaten und ihrer Regierung und der amerikanischen öffentlichen Meinung nach einer stärkeren Beteiligung der verbündeten europäischen Partner an der gemeinsamen Verteidigung. Meine Damen und Herren, die Bundesregierung ist bereit, solche Vorschläge zu prüfen und sich an entsprechenden Überlegungen und Beratungen zu beteiligen. Das Ergebnis solcher Beratungen könnte für das Verhältnis der europäischen Partner zu den Vereinigten Staaten und für die Zukunft des Bündnisses von größter Bedeutung sein.
Ich hatte am 11. Oktober den Besuch des amerikanischen Verteidigungsministers Mr. Clifford, der mir eine mündliche Botschaft des amerikanischen Präsidenten überbrachte, eine Botschaft, die sich auf die mit dem sowjetischen Einfall in der Tschechoslowakei verbundenen Probleme und auf die NATO bezog. In dieser Botschaft bestätigte der Präsident erneut, für die Vereinigten Staaten sei die NATO von überragender Bedeutung. Die Vereinigten Staaten stünden zu ihren Verpflichtungen. Diese Verpflichtungen gründeten sich nicht nur auf die Freundschaft mit den Bündnispartnern, sondern auf die Einsicht, daß es notwendig sei, durch ein funktionierendes Bündnis eine Weltkatastrophe zu vermeiden. Mit großem Nachdruck wies der Verteidigungsminister im Auftrag seines Präsidenten auf die Notwendigkeit der Verstärkung der Anstrengungen der europäischen Partner für das gemeinsame Bündnis hin.
Dabei kam auch das Problem des Devisenausgleichs zur Sprache, das in den Beziehungen unserer beiden Länder seit Jahren, wie Sie wissen, eine besondere Rolle spielt. Wir haben in den letzten beiden Jahren kurzfristige Lösungen gefunden. Es wird aber unvermeidbar sein, eine für beide Länder akzeptable längerfristige Regelung zu vereinbaren. Eine solche Vereinbarung - das will ich nicht verschweigen - würde uns allerdings vor sehr schwierige Probleme stellen, wenn sie mit einer Erhöhung unseres eigenen Verteidigungshaushalts parallel liefe.
Wie Sie wissen, meine Damen und Herren, hat der amerikanische Präsident aufs neue durch seinen Verteidigungsminister in Berlin bestätigt, daß die Vereinigten Staaten klar, voll und uneingeschränkt zu Berlin stehen. Wir verzeichnen diese Aussage mit Dankbarkeit.
({4})
Nun zu unseren Gesprächen mit General de Gaulle und seinen Mitarbeitern. Sie knüpften unmittelbar an die Ereignisse in der Tschechoslowakei an. Wir waren uns in der Verurteilung der Intervention der Sowjetunion in der CSSR einig, ebenso - trotz des schweren Rückschlags - in der Überzeugung der Notwendigkeit der Fortsetzung einer europäischen Friedenspolitik, die auch allein zur Überwindung der Teilung Deutschlands führen kann. Unsere französischen Gesprächspartner bestätigten, daß wir uns trotz der Verschiedenheit der Lage unserer beiden Länder ,gegenüber der Sowjetunion und den osteuropäischen Staaten im Ernstfall einer Katastrophe beisammen finden würden.
Im Zusammenhang mit dem Nordatlantischen Bündnis erklärten sie, daß sie uns keineswegs den Austritt aus dem integrierten System des Bündnisses zugemutet hätten und daß sie volles Verständnis für unseren Wunsch nach Anwesenheit verBundeskanzler Dr. h. c. Kiesinger
bündeter, insbesondere amerikanischer Truppen in der Bundesrepublik hätten. Der General wies bei dieser Gelegenheit darauf hin, daß Frankreich das zweitstärkste Kontingent verbündeter Truppen auf dem Gebiete der Bundesrepublik stelle, ohne dafür einen Devisenausgleich zu fordern.
Im Verlaufe der Gespräche erläuterten wir unseren französischen Gästen unsere Haltung gegenüber einem Atomsperrvertrag und machten ihnen ganz deutlich, daß damit keinerlei Absichten auf den Besitz nuklearer Waffen verbunden sind. Wir bleiben bei den von uns eingegangenen Verpflichtungen.
Einen großen Teil der Gespräche mit unseren französischen Gästen nahm das Thema des Ausbaus und der Erweiterung der europäischen Gemeinschaften ein. Ich stelle mit Befriedigung fest, daß unsere Gesprächspartner das Ergebnis der Februar-Besprechungen noch einmal bekräftigt haben. Dort hieß es, daß beide Regierungen die Erweiterung der Gemeinschaften um andere europäische Länder wünschen und daß dies namentlich für Großbritannien gilt. Es ist sattsam bekannt, daß wir, wie auch die anderen Staaten der Gemeinschaft, verschiedener Ansicht mit Frankreich darüber sind, wie und wann die Verwirklichung dieser Erweiterung begonnen wenden kann. Das ist einer leidige Tatsache.
Wir hatten am 27. September in Brüssel unsererseits Vorschläge unterbreitet, in denen wir versucht haben, den verschiedenen Standpunkten und den gegebenen Möglichkeiten für eine konstruktive Lösung Rechnung zu tragen. Wir haben diese Vorschläge in unseren Gesprächen noch einmal eingehend erläutert. Sie knüpfen an diese gemeinsame deutsch-französische Erklärung vom 16. Februar dieses Jahres über eine handelspolitische Zwischenlösung an, an der Frankreich, sogar mit gewissen Erweiterungen, auch seinerseits weiterhin festhalten will.
Unsere französischen Partner haben uns auch versichert, daß sie in dem Willen mit uns einig sind, die Gemeinschaften weiter zu entwickeln. Wir können daher jedenfalls auf französische Unterstützung für den Teil unserer in Brüssel vorgelegten Vorschläge hoffen, der sich auf den inneren Ausbau der Gemeinschaften bezieht. Diese Vorschläge, meine Damen und Herren, sollen der Überwindung der bedauerlichen Stagnation der europäischen Politik dienen. Sie sollen bei der nächsten Ratssitzung am 4. November erneut erörtert werden.
Mir scheint - ich sage das offen - eine der Ursachen der europäischen Stagnation zu sein, daß man sich zuviel und zu vieles auf einmal vorgenommen hat und dazu noch versucht, diese verschiedenen Vorhaben miteinander zu verketten. Die innere Entwicklung des Gemeinsamen Markts wird mit der Beitrittsfrage verknüpft. Die Zusammenarbeit auf Gebieten, die nicht in der Zuständigkeit des Gemeinsamen Markts liegen, wird wiederum mit den beiden vorgenannten Problemen verbunden. Schließlich wird in das Paket auch noch das Problem der Fusion der Gemeinschaften eingebunden.
Ich meine - und dies nicht erst sei heute -, daß wir so nicht weiterkommen werden. Wir müssen bereit sein, das Problem nicht dogmatisch, sondern pragmatisch anzugehen, ohne allerdings dabei die Zusammenhänge und die weitergesteckten Ziele aus dem Auge zu verlieren. Es gilt ganz einfach das Mögliche zu erkunden, das, was jetzt im Konsensus mit den anderen Regierungen auf den verschiedenen Sektoren getan werden kann, energisch zu tun. Wenn wir uns dazu nicht entschließen können, meine Damen und Herren, werden wir noch jahrelang auf allen Gebieten hoffnungslos auf der Stelle treten.
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Ich habe schon bei einer anderen Gelegenheit richtiggestellt, daß ich nie gesagt habe, wir würden in unserer europäischen Politik keinen Schritt ohne Frankreich tun. Das ist Unsinn. Ich habe in meinem Interview am 28. September erklärt: Nach meiner Meinung kann man Europa . nur mit Frankreich bauen, oder man kann es nicht bauen; das heißt, man kann Frankreich aus den Bemühungen um die europäische Einigung nicht ausklammern. Darin weiß ich mich mit anderen führenden europäischen Staatsmännern durchaus einig. Ich habe damit wiederholt, was ich in der Regierungserklärung vom 13. Dezember 1966 sagte und was heute wie damals gilt:
Die deutsch-französische Zusammenarbeit, die wir wünschen, richtet sich gegen kein anderes Volk... Sie ist vielmehr Kristallisationspunkt einer Politik, die sich die Einigung Europas zum Ziele gesetzt hat.... Europa kann nur mit Frankreich und Deutschland, nicht ohne oder gar gegen eines der beiden Länder, gebaut werden.
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- Und England? Sie wissen genau, daß diese Regierung mit der großen Mehrheit dieses Hauses der Überzeugung ist, daß England an der europäischen Gemeinschaft und am Bau des zukünftigen Europas teilnehmen soll und muß.
({7})
- Aber Sie wissen ebensogut, daß wir dieses Ziel nicht dadurch erreichen können, daß wir den Stuhl Frankreichs leerwachen, um anstelle Frankreichs Großbritannien auf diesen Stuhl zu setzen. Das wünscht selbst Großbritannien nicht.
({8})
Sie müssen die Frage und den Vorwurf nicht an meine Adresse, sondern an die Adresse derjenigen richten, die sich dem Beitritt Großbritanniens aus ihren eigenen Erwägungen und Interessen widersetzen.
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- Selbstverständlich. Haben Sie in Ihrem Leben die
Erfahrung gemacht, daß Sie mit jedem, mit dem Sie
sprechen, auch den Erfolg erreichen, ihn von Ihrer Auffassung zu überzeugen?
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Das ist Ihnen während Ihrer ganzen oppositionellen Arbeit in den vergangenen zwei Jahren auch mit uns nicht gelungen.
({11})
- Das lassen wir die Geschichte beurteilen.
So verstehen wir auch die besondere - General de Gaulle nennt sie die präferentielle - Zusammenarbeit unserer beiden Länder im Rahmen des deutschfranzösischen Vertrages. Diese Zusammenarbeit darf auf keinen Fall - ich betone dies sehr nachdrücklich - zu einer Bevormundung der übrigen Länder der Gemeinschaft führen und damit die Entwicklung Europas stören. Sie darf vor allem auch nicht eine Schwächung der bestehenden Institutionen bewirken und damit das gegenseitige Vertrauen und die Entwicklung Europas gefährden. Wir sind im Gegenteil der Meinung, daß diese Zusammenarbeit für die Kräftigung und den Ausbau dieser Institutionen eingesetzt werden muß.
So liegen eben die Dinge. Da hilft es nicht, sich an die Klagemauer zu stellen. Man wird mit diesen Klagen keinen Fortschritt erreichen. Es wird uns eher gelingen, unsere gemeinsamen Ziele zu erreichen, wenn wir über bestehende Meinungsverschiedenheiten offen miteinander sprechen, als wenn wir sie ungelöst gegeneinander stehen lassen. Die bisherigen Erfahrungen haben uns jedenfalls gezeigt - darin besteht wohl Übereinstimmung der Meinungen in Europa -, daß es für die Zukunft Europas von entscheidender Bedeutung sein wird, daß gerade unsere beiden Länder, Frankreich und Deutschland, sich nicht dauernd voneinander entfernen. Geschähe dies, wäre .es eine Katastrophe.
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Wir werden uns also weiter plagen und mühen müssen. Wir werden uns auch - ich spreche jetzt von der Bundesregierung - weiter gefallen lassen müssen, Kritik und Vorwürfe derjenigen zu hören, die, ständen sie an unserer Stelle, gewiß kein Mittel zur Lösung dieses tragischen Konfliktes finden würden.
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Ich rate jedem, der allzu bereit zu solchen kritischen Äußerungen ist, sich im stillen Kämmerlein zu fragen,
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- hüben wie drüben -, wozu er selbst wirklich imstande sein würde. Die Politik ist eben - das ist wahr - die Kunst des Möglichen.
Meine Damen und Herren! Ich hatte am Vorabend der deutsch-französischen Besprechungen eine Botschaft des britischen Ministerpräsidenten erhalten, in welcher Mr. Wilson mir seine Auffassung zu der augenblicklichen Lage und zu der Möglichkeit der Zusammenarbeit unserer beiden Länder im Rahmen des nordatlantischen Bündnisses und im europäischen Bereich darlegte. Ich bin Mr. Wilson für das Verständnis, das er in seiner Botschaft für unsere deutschen Probleme und für unsere Politik, auch im Zusammenhang mit den europäischen Fragen, gezeigt hat, aufrichtig dankbar. Mr. Wilson legt in seiner Botschaft insbesondere noch einmal das britische Anliegen der Teilnahme seines Landes an den europäischen Gemeinschaften in großer Eindringlichkeit dar. Ich werde seine Botschaft in den nächsten Tagen beantworten, und ich hoffe, daß wir bei seinem Besuch zu Beginn des nächsten Jahres, auf den wir uns freuen, sowohl in den Beziehungen unserer beiden Länder als auch in der europäischen Zusammenarbeit einige beträchtliche Schritte weiter gehen können.
Die Sicherheit jedes Landes, meine Damen und Herren, hängt nicht nur von seinen auswärtigen Gegebenheiten, sondern auch von seiner inneren Stabilität und Gesundheit ab. Die Wirtschaft der Bundesrepublik, deren Entwicklung uns zur Zeit der Regierungsbildung so schwere Sorge bereitet hat, hat die berüchtigte Talsohle längst hinter sich gelassen. Sie befindet sich im Herbst dieses Jahres in vollem Aufstieg. Wir erwarten für das Jahr 1968 einen realen Zuwachs unseres Sozialprodukts von etwa 6 %. Wir haben diesen bemerkenswerten Wiederaufschwung unserer Wirtschaft in einer im ganzen optimalen Stabilität der Preise erreicht.
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Es ist uns auch gelungen, die Gefahren einer außenwirtschaftlichen Gleichgewichtsstörung vor allem durch unseren längerfristigen Kapitalexport und durch die zunehmenden Einfuhren abzuwehren, womit der sonst bedenkliche Überhang unserer Handelsbilanz weitgehend kompensiert wird.
Meine , Damen und Herren! Angesichts dieser Situation sollte man das Rätselraten um eine etwaige Aufwertung der D-Mark besser unterlassen.
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Aufwertungsgerüchte dienen ausschließlich der Spekulation, und sie beeinträchtigen die Ausgeglichenheit unserer wirtschaftlichen Entwicklung.
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Die Bundesregierung und die sie tragenden Fraktionen dieses Hauses dürfen auf den großen wirtschaftlichen Erfolg ihrer Politik stolz sein. Dieser Erfolg wurde trotz der zahlreichen Unkenrufe des Sommers 1967 errungen, als wir uns bei der Beratung der mittelfristigen Finanzplanung mit unserem bekannten Zielkonflikt - einerseits Ordnung der öffentlichen Finanzen, andererseits wirtschaftlicher Aufschwung - abplagten. Wir verdanken diesen großen und unbestreitbaren Erfolg einer konsequenten, engen Zusammenarbeit in der Finanz-, Haushalts- und Wirtschaftspolitik, welche die Möglichkeiten des Gesetzes zur Förderung des Wachstums und der Stabilität der Wirtschaft energisch ausgenützt hat.
Auch die Ordnung unserer öffentlichen Finanzen haben wir mit großem Erfolg vorangetrieben und bedeutende Reformen begonnen. Der Herr Finanzminister wird darüber sicher ausführlich sprechen, so daß ich darauf verzichten kann, dieses Thema näher zu behandeln. Ich verzichte auch darauf, heute einen umfassenden Rechenschaftsbericht über die umfangreiche gesetzgeberische Arbeit der Bundesregierung zu geben, auf die sie mit Genugtuung verweisen kann. Ich beschränke mich - und so durfte ich wohl die Bitte der Fraktionen verstehen - auf einige wichtige, noch diskutierte oder umstrittene Probleme.
({18})
Auf dem Gebiet der Sozialpolitik wird die Bundesregierung als ersten Schritt zu einer besseren Transparenz der sozialen Leistungen ein Sozialbudget vorlegen. Das Sozialkabinett, das sich am 9. Oktober unter meinem Vorsitz konstituiert hat, wird noch in dieser Legislaturperiode einen Bericht über die Lage der gesetzlichen Rentenversicherung erarbeiten und Alternativvorschläge zu einer dauerhaften finanziellen Konsolidierung der sozialen Altersversicherung über das Jahr 1975 hinaus vorlegen.
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In diesen Zusammenhang gehört auch das Problem der Lohnfortzahlung für kranke Arbeiter. Dieses Problem ist prinzipiell nicht mehr umstritten, da die gesellschaftspolitische Unterscheidung des Arbeiters vom Angestellten der Vergangenheit angehört.
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Aber wir können dieses Problem nicht anpacken, ohne die unumgängliche Reform der Krankenversicherung mit ins Auge zu fassen und in Angriff zu nehmen.
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Das Ziel einer solchen Reform - darüber sind wir uns alle einig - darf nicht die Verminderung der sozialen Leistungen sein, sondern sie muß die Besserung der Leistungsfähigkeit der Krankenversicherung mit sich bringen.
Wir alle kennen ja die Schwierigkeiten des Problems. Ich betone: Ein ganz isoliertes Vorziehen der Frage der Lohnfortzahlung hat die Gefahr, daß hinterher die notwendige Reform der Krankenversicherung, die mit dem Problem ja in einer inneren Verbindung steht, allzu leicht versanden könnte.
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- Das Kabinett hat sich zu dem Problem der Lohnfortzahlung noch nicht in einem Beschluß geeinigt, aber, Herr Kollege Schmidt, ich glaube, ohne meine prognostischen Kräfte zu überschätzen, Ihnen vorhersagen zu können, daß die Meinung des Kabinetts nicht weit von meinen Feststellungen abweichen wird.
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- In dieser Frage, Herr Kollege Schmidt, bin ich meiner Prognose ziemlich sicher. Aber hören Sie bitte ruhig weiter zu.
Wir alle, sagte ich, kennen die Schwierigkeiten des Problems. Und weil wir sie kennen, müssen wir eben ein Verfahren finden, das die Gefahr eines Versandens der Bemühungen um eine Reform der Krankenversicherung vermeidet. Ich finde, das ist eine ganz versöhnliche Formel.
({24}) - Warten Sie ab!
In der heiß umstrittenen Frage - Sie sehen, es kommen noch weitere heiße Eisen - der Mitbestimmung wird die Bundesregierung in dieser Legislaturperiode keine anderen Schritte unternehmen als diejenigen, die sie in der Regierungserklärung angekündigt hat. Sie hat die von ihr in Aussicht gestellte Kommission unabhängiger Sachverständiger berufen; deren Bericht, welcher die Grundlage für weitere Überlegungen sein soll, muß abgewartet werden. Ich bin mir der großen gesellschaftspolitischen Bedeutung dieser Frage durchaus bewußt. Aber eben darum glaube ich, daß sie auf das gründlichste durchdacht werden muß und daß es daher für die Bundesregierung nicht möglich sein würde, in dieser Legislaturperiode einen weiteren Schritt zu tun als den, den wir gemeinsam bei der Gründung der Regierungskoalition ins Auge gefaßt haben.
Die Bundesregierung hat unverzüglich nach Beginn der konjunkturellen Wiederbelebung ein mittelfristiges Agrarprogramm konzipiert. Sie wird noch in diesem Jahr dem Bundestag ein Bündel von Gesetzentwürfen zur Verwirklichung dieses Programms vorlegen. Schon für das Jahr 1969 ist dafür insgesamt ein Betrag von 265 Millionen DM vorgesehen. Die Kompliziertheit der Probleme unserer Agrarpolitik im nationalen wie im europäischen Zusammenhang ist uns allen wohlvertraut. Es gibt dabei ohne Zweifel Zwangsläufigkeiten, denen wir mit keinerlei Maßnahmen ausweichen können. Aber es wird sehr darauf ankommen, daß wir genau erkennen, was wirklich unausweichlich ist, um es von dem zu unterscheiden, was zwar auch unter dem Zwang des Geschehens steht, aber trotzdem von uns konstruktiv gestaltet werden kann.
Hier, meine Damen und Herren, liegt die Gefahr globaler langfristiger Prognosen. Wir haben schon in den vergangenen Jahren erfahren, wie begrenzt in unserer schnellebigen Zeit unsere prognostische Kraft ist.
({25})
Wir stehen zwar immer unter dem Zwang, Prognosen wagen zu müssen, um für die Zukunft überhaupt handeln zu können. Aber wir müssen uns auch stets darüber im klaren sein, daß wir von solchen Prognosen keine mathematisch verläßliche Genauigkeit erwarten können.
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Diese Behutsamkeit und Vorsicht ist um so mehr geboten, als wir es in der Agrarpolitik nicht nur mit einem sachlich-ökonomischen Problem zu tun haben,
sondern mit dem Schicksal vieler bäuerlicher Menschen und Familien, die unserer Sorge anvertraut sind.
({27})
Unsere bäuerliche Bevölkerung darf gewiß sein, daß wir diese unsere Pflicht gegenüber den Menschen, bei allen unseren Bemühungen um eine moderne, an der Zukunft orientierten Agrarpolitik ganz ernst nehmen. Wir müssen sie allerdings um Verständnis dafür bitten, daß sich die gegenwärtigen Schwierigkeiten nicht durch ein Zauberrezept sofort beheben lassen Worauf sie sich aber verlassen kann, ist, daß wir alle Mittel anwenden werden, um für unsere bäuerliche Bevölkerung die Voraussetzungen für eine gesicherte und ihr gebührende Zukunft in unserem Volke zu schaffen.
Meine Damen und Herren, in der Regierungserklärung vom 13. Dezember 1966 haben die beiden die Große Koalition bildenden Parteien angekündigt, daß während ihrer Zusammenarbeit ein neues Wahlrecht grundgesetzlich verankert werden sollte, das für Wahlen zum Deutschen Bundestag nach 1969 klare Mehrheiten ermöglicht. Auch ein Übergangswahlrecht für die Bundestagswahl 1969 sollte von der Bundesregierung geprüft werden. Im Zuge der Beratungen dieser Fragen sind starke Kräfte, insbesondere bei der Fraktion der CDU/CSU, dafür eingetreten, schon für die Bundestagswahl 1969 unter Verzicht auf eine Übergangslösung ein mehrheitsbildendes Wahlrecht einzuführen. Angesichts der Tragweite der zu treffenden Entscheidung ist eine Einigung leider bisher nicht zustande gekommen. Ich selbst halte diese Frage nach wie vor für eine der wichtigsten Entscheidungen, vor die wir gestellt sind, wichtig im Hinblick auf eine solide tragfähige Struktur des politischen Lebens in Deutschland.
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Daher halte ich es für höchst wünschenswert, daß sich doch noch eine positive Entscheidung gewinnen läßt, wofür in beiden Fällen die rechtlichen Möglichkeiten noch offen sind. Ich würdige dabei durchaus die Schwierigkeiten, vor die- wir alle bei dieser Entscheidung gestellt sind.
Meine Damen und Herren, ich glaube, daß ich damit die heißen Eisen, die anzufassen von mir erwartet wurde, auch tatsächlich behandelt und das dazu gesagt habe, was in der gegenwärtigen Lage gesagt werden kann.
Wir 'stehen nicht nur vor einem Wahljahr, meine Damen und Herren, sondern dieses Jahr wird für die Regierung und für das Parlament noch eine überreiche Fülle von Arbeit Mit sich bringen. Wir werden nicht darum herumkommen, uns in diesem Wahljahr demokratisch miteinander auseinanderzusetzen. Auch die Koalitionspartner werden nicht darum herumkommen. Aber das Wichtigste für uns ist, daß wir die Arbeit, die vor uns liegt, trotzdem unbeirrt und gewissenhaft erledigen. Das ist es, was unser Volk von uns erwartet, und wenn wir es tun, dann wird es uns dafür danken.
({29})
Meine Damen und Herren, wir kommen damit zu Punkt 5 unserer Tagesordnung:
a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1969 ({0})
- Drucksache V/3300 -
b) Beratung der von der Bundesregierung vorgelegten Finanzplanung des Bundes 1968 bis 1972
- Drucksache V/3299 -
c) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes über das Beteiligungsverhältnis an der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer
- Drucksache V/3332 --
d) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Länderfinanzausgleichsgesetzes 1965
- Drucksache V/3333 Das Wort dazu hat der Herr Bundesfinanzminister.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit dem Haushaltsentwurf für das Rechnungsjahr 1969 und mit der Finanzplanung des Bundes für die Jahre 1968 bis 1972 hat die Bundesregierung ihre programmatischen Absichten dargelegt. Dieser Haushaltsentwurf und diese fortgeschriebene Finanzplanung tragen in verstärktem Maße den Stempel der bisherigen Arbeit und der politischen Vorstellungen dieser Bundesregierung. Im vorigen Jahr bestand aus mancherlei Gründen ein Zwang zu raschem Handeln; die Entscheidungen der Bundesregierung waren in gewisser Weise vorgegeben. Wir haben jetzt wieder eine bereinigte Ausgangsbasis gewonnen. Auf dieser Grundlage war in diesem Jahr der Übergang zu einer gestaltenden und in die Zukunft weisenden Finanzpolitik möglich. Wir können heute mit Befriedigung feststellen, daß diese Regierung der Großen Koalition mit der bisherigen Finanz- und Wirtschaftspolitik ihre erste große Bewährungsprobe auf einem uns alle bewegenden und die deutsche Offentlichkeit beunruhigenden Gebiet bestanden hat. Der Haushaltsentwurf 1969 und die Finanzplanung für die Jahre bis 1972, die in deutlich erkennbarer Weise ihre Ausprägung durch die politischen Absichten dieser Regierung erfahren haben, sollten deshalb auch den eigentlichen Maßstab für die Beurteilung der bisherigen Arbeit und der politischen Absichten dieser Regierung abgeben.
Dieser Anspruch wird deutlich, wenn man die unterschiedliche Ausgangslage bei der Aufstellung der Finanzplanung im Jahre 1967 und in diesem Jahre einander gegenüberstellt. Ich darf kurz noch einmal die besonderen Probleme in die Erinnnerung
zurückrufen, die für die finanzpolitischen Entscheidungen im vorigen Jahr bestimmend waren. Auf der einen Seite war die Aufgabe einer langfristigen Sanierung der Bundesfinanzen gestellt. Wir mußten einen Schlußstrich unter die finanzielle Entwicklung der Jahre ziehen, in denen, verschuldet von vielen Seiten, die Ausgabenflut sich beinahe der Kontrolle zu entziehen drohte. Zum anderen galt es, den anhaltenden konjunkturellen Abstieg zu beenden, der sich nicht zuletzt auch als eine Folge der Vertrauenskrise zwischen Staat und Wirtschaft entwickelt hatte, und ihn wieder in eine Aufwärtsbewegung überzuleiten.
Mit der ersten Finanzplanung und den Gesetzen zur Verwirklichung der Finanzplanung des Bundes - ich erinnere an das Finanzänderungsgesetz 1967 und an die Steueränderungsgesetze - ist die Ordnung der Bundesfinanzen wiederhergestellt worden. Sie .kann und wird dauerhaft sein, wenn die Lehren aus der Vergangenheit verstanden worden sind, alte Sünden nicht mehr begangen und neue vermieden werden, aber auch nur dann.
({0})
Die einschneidenden Einschränkungsmaßnahmen, die seinerzeit in fast allen Punkten einer - sicherlich verständlichen - Kritik seitens der Betroffenen ausgesetzt waren, haben zu dem angestrebten Ergebnis geführt. Bei der Anpassung und Fortschreibung der Finanzplanung in diesem Jahre waren erneute gesetzgeberische Eingriffe auf der Ausgabe- oder Einnahmeseite des Haushalts in nennenswertem Umfang nicht mehr nötig. Dies scheint mir ein Erfolg der Arbeit der Jahre 1967/68 zu sein. Das bestätigt die Richtigkeit der bisher getroffenen Entscheidungen auch gegenüber einer vielstimmigen Kritik, nach der wir - je nach Standort - im einen Fall zuwenig und im anderen Fall zuviel, und das meistens in ein und demselben Fall, getan haben. Ich sage das mit Nachdruck allen denen, die von den seinerzeitigen Einschränkungsmaßnahmen betroffen worden sind. Die Opfer, die wir dem einzelnen, sei es auf der Ausgabeseite, auf der Leistungsseite, sei es auf der Einnahmeseite - Steuererhöhungen - abverlangt haben, sind nicht umsonst gewesen und waren nicht Ausdruck einer willkürlichen Fiskalpolitik.
({1})
Wir haben nicht nur die Unsicherheit beseitigt, die darin lag, daß in der Vergangenheit jederzeit aus der Situation heraus bestimmte Leistungen des Staates infolge finanzieller Schwäche in Frage gestellt werden konnten und daneben die Sicherheit der Arbeitsplätze nicht mehr gewährleistet erschien. Wir haben auch eine Basis geschaffen, auf der alle Bürger unseres Staates wieder an dem weiteren wirtschaftlichen Fortschritt teilnehmen können.
Auch die bewußte und entschlossene Hinwendung des Bundes zu einer antizyklischen Finanz- und Wirtschaftspolitik dort, wo sie möglich war, hat inzwischen ihre Früchte getragen. Mit den beiden Konjunkturprogrammen der Jahre 1967/68 sowie mit den sonstigen konjunkturstützenden Maßnahmen des Bundes ist der entscheidende Anstoß für eine schnelle Beendigung der Rezessionsphase und für eine Wiederbelebung der Konjunktur gegeben worden. Im Laufe dieses Jahres hat sich der Konjunkturaufschwung auf breiter Front wider alle pessimistischen Prognosen durchgesetzt. Wir haben wieder ein gesundes und normales Wirtschaftswachstum.
Die Situation, in der die Fortschreibung der Finanzplanung für die Jahre bis 1972 vorgenommen wurde, unterscheidet sich somit wesentlich von der des Jahres 1967. Wir haben eine normalisierte Ausgangslage, frei von brennenden Sorgen - ich möchte nicht sagen: frei von Problemen; das wird es nie geben; aber frei von brennenden Sorgen - hinsichtlich der weiteren finanziellen oder wirtschaftlichen Entwicklungsmöglichkeiten. Diese veränderten Voraussetzungen bieten auch eine bessere Möglichkeit, die Absichten der Bundesregierung zahlenmäßig auszudrücken und zu verwirklichen.
Die Erarbeitung des Jahreshaushalts auf der Grundlage einer mehrjährigen Finanzplanung, die im vorigen Jahre die Wende in der Haushalts- und Finanzpolitik markierte, ist inzwischen zur Selbstverständlichkeit geworden. War im vorigen Jahr der erste Versuch einer mehrjährigen Finanzplanung unvermeidbar noch mit gewissen Unzulänglichkeiten behaftet, so kann doch jetzt die Feststellung gewagt werden, daß die Fortschreibung der Finanzplanung für die Jahre bis 1972 eine echte Fortentwicklung gegenüber dem ersten Versuch darstellt. Die Erfahrungen der ersten Finanzplanung sind genutzt, das ökonomische Instrumentarium ist weiter verfeinert worden, und die ersten Abstimmungen für eine gemeinsame Finanzplanung zwischen den drei Ebenen von Gebietskörperschaften, Bund, Ländern und Gemeinden, sind herbeigeführt.
An den grundlegenden Zielsetzungen der Finanzplanung, die mit der ersten Planung des Jahres 1967 fixiert worden sind, hat sich allerdings nichts geändert und brauchte sich auch nichts zu ändern. Die erste Aufgabe der neuen Finanzplanung bestand darin, den Rahmen festzulegen, innerhalb dessen sich die Ausgaben des Bundes bewegen sollen und begrenzen müssen. Wir halten dabei nicht den kleinsten Haushalt für den besten - wie eine zwar weitverbreitete, aber trotzdem an Überalterung leidende Denkweise immer wieder festzustellen pflegt; im übrigen wird die Kleinheit des Haushalts auch nur an der Begrenzung der Leistung gegenüber anderen, nicht bei den eigenen Interessen gesehen, gleichgültig, worauf es sich bezieht -, sondern den Haushalt, der dazu beiträgt, die Produktionsreserven der Wirtschaft so weit auszunutzen, wie das ohne Gefährdung der Preisstabilität möglich ist, um durch gezielte Ansetzung der finanziellen Schwerpunkte die geistige und materielle Infrastruktur des Lebens von morgen sicherzustellen. Dieser Haushalt ist der beste.
Der Rahmen, den wir in der mehrjährigen Finanzplanung gesetzt haben, beruht auf einer gesamtwirtschaftlichen Zielprojektion, die keine Aussageverbindlichkeit und Vollzugsverbindlichkeit haben kann. Aber sie ist mit nominal 6 v. H. und real 4,4 v. H. im Durchschnitt der Jahre 1968 bis 1972 nicht wesentlich von der Grundtendenz der ersten mehrjährigen Finanzplanung abgewichen, aber
etwas verbessert worden. Bei der Bemessung der Haushaltsvolumen des Bundes für die kommenden Jahre ist allerdings eine nicht unwesentliche methodische Verbesserung vorgenommen worden: Die Entwicklung des öffentlichen Gesamthaushalts - d. h. Bund einschließlich Sondervermögen, Lastenausgleich und ERP, Länder und Gemeinden sowie Sozialversicherungen - ist in stärkerem Umfang in die Gesamtbetrachtung mit einbezogen worden.
Beim Vollzug des Haushalts 1968 und bei der Aufstellung des Haushalts 1969 muß neben den langfristigen Wachstumstendenzen auch die nur kurzfristige, voraussehbare konjunkturelle Entwicklung berücksichtigt werden.
Im Hinblick auf den Bundeshaushalt 1968 darf ich feststellen, daß er der gesamtwirtschaftlichen Lage in der Bundesrepublik angemessen und in seiner expansiven Wirkung richtig dimensioniert war, obgleich nicht wenige Stimmen bis weit in dieses Jahr herein weitere konjunkturbelebende Maßnahmen für unbedingt erforderlich hielten, um wesentlich weniger Wachstum zu erreichen, als heute ohne Durchführung dieser Maßnahmen für Ende dieses Jahres schon mit Sicherheit vorausgesagt werden kann. Wäre man damals diesen Vorschlägen gefolgt - und es gab ihrer viele -, befänden wir uns heute bereits wieder mitten in der Gefahr einer konjunkturellen Überhitzung; denn nach neuesten Schätzungen wird die Bundesrepublik im Jahre 1968 auch ohne derartige Schritte ein Wachstum des realen Bruttosozialprodukts von 6 v. H. statt wie ursprünglich angenommen von 4 v. H. erreichen. Darüber hinaus hätte der Minderertrag aus Steuersenkungen oder die Mehrbelastung durch weitere zusätzliche Ausgaben von neuem die finanzielle Ordnung des Bundes gefährdet und beeinträchtigt.
Hier erhebt sich folgende Frage. Wenn der Zuwachs sowohl des realen als auch des nominalen Sozialprodukts 2 % höher ist, als in der ursprünglichen Projektion vorgesehen war, stellt sich gerade für ein Parlament und seinen Haushaltsausschuß die Frage, ob auch gemäß diesem Zuwachs mehr Steuern eingegangen sind. Da müssen wir zugeben, daß unsere Steuerschätzungen für 1968 zu optimistisch waren. Meist unterstellt man dem Finanzminister das Gegenteil. Der Bund wird in diesem Jahr seine Steuerschätzungen im günstigsten Fall knapp erreichen oder, wenn nicht, dann mit einem nicht erheblichen Betrag - wenn man das Gesamtvolumen sieht - unterschreiten. Der Bund wird - das kann ich heute bereits mit Sicherheit für den 31. Dezember dieses Jahres und für die Kassenbestandsaufnahme, die Anfang Januar möglich sein wird, voraussagen - auf keinen Fall Mehreinnahmen erzielen, im Gegensatz zu den Ländern und vielleicht auch zu den Gemeinden.
Eine solche Entwicklung ist in keiner der vor einem Jahr aufgestellten Prognosen vorausgesagt worden. Vielmehr wurde heute die Auffassung vertreten, daß nach dem Auslaufen des ersten und zweiten Konjunkturprogramms die wirtschaftseigenen Kräfte die Konjunktur kaum allein weiter zu tragen und zu heben vermöchten. Der Sachverständigenrat hat sich beispielsweise in dem Gutachten vom November 1967 für die Gewährung von Investitionsprämien, für eine Herabsetzung der Einkommen- und Körperschaftsteuersätze, für den Verzicht auf die dreiprozentige Ergänzungsabgabe und für die Aussetzung der sogenannten Investitionsteuer im Interesse einer optimalen Auslastung aller Produktionskapazitäten ausgesprochen. Aber nicht nur von diesem Kreis, auch von verschiedenen anderen Seiten wurde eine Senkung der Investitionsteuer als unvermeidbar zur Erreichung der angestrebten Ziele befürwortet, nicht zuletzt, weil man damals das von der Bundesregierung angestrebte Wachstumsziel durch die Pfundabwertung und durch die befürchteten Maßnahmen der USA zur Verbesserung der Zahlungsbilanz für gefährdet hielt.
Diese Sorge war gottlob offensichtlich unbegründet. Denn die Maßnahmen des Auslandes, die Abwertung verschiedener Währungen, bewirkten in keiner Weise den befürchteten Rückgang des Außenbeitrags. Im Gegenteil, Mitte dieses Jahres wurde sogar wegen der anhaltend hohen Exporte eine Ausweitung des Haushaltsvolumens zur Stärkung der Binnennachfrage vorgeschlagen, damit auf diesem Wege ein stärkeres Wachstum der Einfuhr und eine stärkere Auslastung der Binnenkapazitäten durch Binnenkaufkraft erreicht wird. Eine Verstärkung der Binnennachfrage hätte aber dann bei dem inzwischen in der Bundesrepublik erreichten Auslastungsgrad der Kapazitäten die Preisstabilität wieder zur Diskussion gestellt. Eine solche Entwicklung konnten wir auch nicht zulassen.
Aus dem gleichen Grunde kam ja im Ausland und im Inland das bis zur Stunde noch nicht gestorbene Stichwort der Aufwertung in die Diskussion, über die ich mich allerdings hier aus verständlichen Gründen im einzelnen nicht mehr weiter auslassen will. Der Standpunkt, den wir bezogen haben, ist mehrfach sehr klar dargelegt und auch mit entsprechenden Argumenten versehen worden.
Ich mache dabei auch kein Hehl aus unserer Auffassung, daß wir uns diese Sache auch nicht leicht machen, also nicht aus nationalistischem Egoismus heraus handeln. Jede Entscheidung darf nicht unter dem Stichwort falsch oder richtig gesehen werden, sondern jede Entscheidung ist eine Entscheidung zwischen dem kleineren und dem größeren Übel. Das heißt, es geht um die Bewertung der Pro- und Kontra-Argumente nach der einen wie nach der anderen Richtung hin, aber nicht um eine so apodiktische Feststellung: das eine ist falsch und das andere ist richtig. Das wäre die Schwarz-WeißMalerei, die bei diesem Thema noch weniger angebracht ist.
Konnte man vielleicht zu Beginn dieses Jahres die weitere wirtschaftliche Entwicklung noch mit einigem Unbehagen betrachten, so kann man heute feststellen, daß die Konjunkturflaute seit dem Frühjahr dieses Jahres überwunden ist. Am Arbeitsmarkt ist die Vollbeschäftigung erreicht. Im September unterschritt die Arbeitslosenstatistik erstBundesminister Dr. h. c. Strauß,
mals seit 13/4 Jahren mit 0,8 v. H. die berühmte 1 %-Grenze.
({2})
Es muß wieder auf ausländische Arbeitskräfte zurückgegriffen werden. Man kann als gewiß davon ausgehen: der konjunkturelle Aufschwung, der durch die Maßnahmen der Wirtschafts- und Finanzpolitik herbeigeführt worden ist, hat eine sich selbst tragende Dynamik entwickelt.
Die konjunkturellen Entwicklungstendenzen deuten darauf hin, daß das Wachstumspotential im kommenden Jahr voll ausgeschöpft wird, ohne daß es zu Spannungen mit schädlichen Folgen für die Preisentwicklung kommen muß. Das gilt jedoch nur - und das möchte ich mit allem Nachdruck betonen -, wenn mit dem Haushalt 1969 der konjunkturgerechte Rahmen nicht überschritten wird. Mit dem Haushaltsentwurf 1969 hat die Bundesregierung diesen konjunkturgerechten Rahmen gesetzt. Das hat auch die Deutsche Bundesbank im Kabinett zum Ausdruck gebracht. Aus heutiger Sicht ist weder eine bewußt restriktive noch eine expansive Ausrichtung der öffentlichen Haushalte notwendig. Nach der Abstimmung einiger wichtiger Grundannahmen für die Entwicklung des öffentlichen Gesamthaushalts 1969 mit den Ländern ist deshalb das Ausgabevolumen des Bundes auf den Betrag von 82,4 Milliarden DM - nach neuer Rechnung -festgelegt worden. Das bedeutet eine Steigerung gegenüber dem Vorjahr - unter Berücksichtigung der Überhänge aus den beiden Konjunkturprogrammen - von 5,4 %.
Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß über den für 1969 im Haushaltsentwurf und für die Folgejahre in der Finanzplanung gezogenen Rahmen hinaus neue haushaltswirksame Vorhaben - sie mögen für sich betrachtet noch so gerechtfertigt und erwünscht sein - nur verwirklicht werden können, wenn andere gleichwertige Aufgaben dafür zurückgestellt werden.
({3})
Die Bundesregierung wird die ihr nach der Verfassung zustehenden Rechte - auch und gerade in einem Wahljahr - einsetzen, um die Einhaltung dieses Rahmens sicherzustellen.
Die konjunkturgerechte Gestaltung des Bundeshaushalts 1969 findet ihren Ausdruck auch in der vorgesehenen Kreditaufnahme. Im Haushaltsentwurf 1969 ist die Nettokreditaufnahme des Bundes mit rund 3,6 Milliarden DM nur noch halb so hoch wie der für 1968 vorgesehene Kreditbetrag von rund 7,3 Milliarden DM. Diese Hinweise mögen verdeutlichen, daß auf 'besondere Konjunkturimpulse und Konjunkturanreize verzichtet wird.
Bei der Aufstellung des Haushaltsentwurfs 1969 und bei der Fortschreibung der Finanzplanung hat sich die Bundesregierung nicht damit begnügt, lediglich global die Ausgaberahmen für die künftigen Jahre festzulegen. Das allein wäre noch keine aktive Wachstumspolitik. Das allein wäre noch keine hinreichende Bemühung zur Bewältigung der vor uns liegenden dringenden Aufgaben der Zukunftsvorsorge und Zukunftssicherung. Dafür ist nicht nur das Volumen, sondern dafür ist besonders die Struktur, die Zusammensetzung des Bundeshaushalts von entscheidender Bedeutung. Um es konkret zu sagen, entscheidend sind die Ausgaben für die Verbesserung .der Infrastruktur, für die Lösung struktureller und regionaler Probleme sowie für ,die Hebung unseres technischen Leistungsstandes.
Bereits in der Finanzplanung des Vorjahres haben wir im Rahmen einer Umstrukturierung des Haushalts den Anteil der investiven und sonstigen wachstumsfördernden Ausgaben an den Gesamtausgaben des Bundes erhöht. Dieser Richtungswandel unserer Politik wird in der neuen Finanzplanung fortgesetzt. Es ist deswegen vorgesehen, den zur Verfügung stehenden Handlungsspielraum, soweit er nicht bereits durch zwangsläufigen, gesetzlich festliegenden Mehrbedarf - ich nenne nur die Stichworte knappschaftliche Rentenversicherung und Kriegsopferversorgung - festgelegt ist, 'zum ganz überwiegenden Teil für eine Verstärkung der zukunftsweisenden Aufgaben auszunutzen.
Die Förderung von Wissenschaft und Forschung, die schon in der alten Finanzplanung einen bedeutsamen Schwerpunkt bildete, erhält in noch größerem Maße hervorragenden Rang. Der Haushalt des Bundesministers für wissenschaftliche Forschung soll zum Ende des Planungszeitraums der neuen Finanzplanung, also 1972, mit 4 Milliarden DM mehr als doppelt so hoch sein wie im Jahre 1968.
({4})
Durch die neue Finanzplanung soll eine wesentlich verbesserte Ausbildungsförderung der jungen Menschen ermöglicht werden.
Verstärkte Mittel gegenüber der alten Planung sind auch für den landwirtschaftlichen Bereich vorgesehen mit dem Ziel, die Finanzierung des Agrarprogramms der Bundesregierung im Rahmen unserer Möglichkeiten sicherzustellen.
In engem, fast unlösbarem Zusammenhang mit den Maßnahmen zur Verbesserung der Agrarstruktur stehen die Maßnahmen zur Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur, d. h. zum Einbau der Landwirtschaft von heute in eine große Leistungs- und Wirtschaftsgemeinschaft auf der Grundlage der Marktwirtschaft von morgen. Das ist das Problem, weshalb sowohl der Agrarminister wie der Wirtschaftsminister hier zur Kooperation geradezu verdammt sind,
({5})
- wobei ich das Wort „verdammt" nicht bösartig meine. Hier ist mit der neuen Finanzplanung ein eindeutiger Schwerpunkt auch im Wirtschaftshaushalt gesetzt worden, um auch in den durch Standort und strukturelle Schwächen benachteiligten Gebieten ein ausgeglichenes und für die dortigen Verhältnisse optimales Wachstum zu erreichen.
Für den Verkehrssektor hat die Bundesregierung gegenüber der alten Finanzplanung zusätzliche Mittel veranschlagt, um ihr verkehrspolitisches Programm zu verwirchlichen und zur Sanierung der Deutschen Bundesbahn weiterhin beizutragen.
10170 Deutscher Bundestag - 5. Wahlperiode - 188. Sitzung. Bonn, Mittwoch, ,den 16. Oktober 1968
Die Finanzkraft der Länder und Gemeinden wird weiter verstärkt. Vor allem soll die zügige Fortführung der gerade auf Gemeindeebene zu tätigenden Infrastrukturinvestitionen, die für Leistungskraft und Wachstum unserer Volkswirtschaft von großer Bedeutung sind, gesichert werden.
Das Ausmaß der mit dieser Planung erreichten Umstrukturierung des Bundeshaushalts wird deutlich, wenn ich die Entwicklung des Anteils der investiven und wachstumsfördernden Ausgaben an den Gesamtausgaben des Bundes nenne. Dieser Anteil steigt in der Planungsperiode von 1968 bis 1972 von 19,4 v. H. im ersten Jahr auf 21,4 v. H. im Jahre 1972. Diese Finanzplanung und die in ihr gesetzten Prioritäten werden sicherlich wieder nicht der Kritik entgehen; sie werden selbstverständlich der Kritik von allen Seiten ausgesetzt sein, wobei die vorgesehene Umstrukturierung der Bundesausgaben den einen zu wenig und den anderen zu viel sein wird.
Zunächst ein Wort an diejenigen, die ein Zuwenig an Umstrukturierung bemängeln. Für die Investitionstätigkeit des Bundes, besonders im Infrastrukturbereich, sowie für die Wachstumsförderung des Bundes gibt es verfassungsrechtliche Grenzen. Durch die verfassungsrechtliche Verteilung der Zuständigkeiten ist auf der anderen Seite die Struktur des Bundeshaushalts in großem Umfange rechtlich zwingend vorgeschrieben. Der Bund hat nun einmal die Hauptlast der sozialen Sicherung zu tragen, er hat allein die finanzielle Last der äußeren Sicherheit ex natura rerum und gemäß Verfassung zu gewährleisten, ihm obliegt das weite Gebiet der Kriegsfolgenlasten. Deshalb werden die Sozialausgaben und die Verteidigungsausgaben immer den größten Anteil am Bundeshaushalt ausmachen. Natürlich hätte man an der einen oder anderen Stelle durch Kürzungen noch Spielraum für weitere investive oder wachstumsfördernde Ausgaben schaffen können. Wenn wir das nicht getan haben, so ist das nicht Angst vor der eigenen Courage oder Mangel an politischem Mut.
Der Entschluß der Bundesregierung, von neuen Einschränkungen, namentlich auf dem Sozialgebiet, abzusehen, ist eine Entscheidung zugunsten des „sozialen Besitzstandes". Der Bund bekennt sich zu seiner Verantwortung für die Erfüllung der sozialen Aufgaben. Wir wollen unsere Wachstumspolitik, die allen Bürgern des Landes zugute kommen soll und zugute kommen wird, nicht auf dem Rücken der sozial Schwachen austragen.
Ebenso entschieden muß ich einer Kritik entgegentreten, die der Bundesregierung ein Zuviel an Umstrukturierung der Ausgaben und damit ein Zuwenig an sozialen Verbesserungen vorwerfen möchte. Dabei gebe ich mich keinen Illusionen darüber hin, daß besonders in einem Wahljahr, wie es vor der Tür steht, die Neigung zur Verbesserung von Leistungen auf diesem Gebiet besonders groß ist. Ich will auch gar nicht bestreiten, daß es Bereiche gibt, in denen Verbesserungen wünschenswert sind oder berechtigt sein könnten. Aber wie sind die Tatsachen?
Wenn wir weiterhin ein stetiges Wirtschaftswachstum wollen, und das nicht nur morgen, sondern auch übermorgen, so brauchen wir einen steigenden Anteil der investiven und wachstumsfördernden Ausgaben bei einem Haushaltsvolumen, das unsere volkswirtschaftliche Gesamtleistungsfähigkeit nicht erneut überfordert.
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Die Leistungsfähigkeit der Wirtschaft von morgen
und übermorgen ist auch die Basis für die Sozialpolitik der nächsten und übernächsten Generation.
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Gerade die Finanzplanung, die ihre Stärke und Aussagekraft aus der gedanklichen Vorwegnahme künftigen Geschehens gewinnt, verdeutlicht, daß die Verwirklichung der mit der gesamtwirtschaftlichen Projektion anvisierten Ziele entscheidend davon abhängig ist, daß der Bund wie die gesamte öffentliche Hand den Anteil ihrer Leistungen zur Zukunftsvorsorge und Zukunftssicherung an den Gesamtausgaben erhöhen.
Mit der jetzt vorgelegten Finanzplanung und den in ihr enthaltenen wachstumsfördernden Elementen sollen und müssen die Voraussetzungen für den wirtschaftlichen und sozialen Fortschritt in den kommenden Jahren und Jahrzehnten geschaffen werden. Diesen Fortschritt dürfen wir nicht zugunsten eines Augenblickskonsums aufs Spiel setzen.
Noch ein anderer Gesichtspunkt in diesem Zusammenhang. Der Verfügungsspielraum, der auf der Ausgabenseite weitgehend mit wachstumsfördernden Maßnahmen ausgefüllt worden ist, konnte nur durch eine Erhöhung der Nettokreditaufnahmen gegenüber der alten Finanzplanung gewonnen werden. Das hat verschiedene Gründe: auf der einen Seite die Starrheit der großen Ausgabenblöcke, an denen, wie auch die parlamentarischen Verhandlungen zeigen werden, wesentliche Korrekturen und Einschnitte nicht mehr vorgenommen werden können.
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Ich möchte das nicht dramatisieren; ich möchte aber auch Erwartungen unterbinden, daß etwa gegenüber der unzulänglichen Finanzplanung der Bundesregierung das Parlament Wunder wirken könnte. Hier sind die Grenzen eng gesetzt.
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- Keine Wunder auf allen Seiten! - Herr Kollege Barzel, darf ich in diesem Zusammenhang ein paar Stichworte erwähnen. Auf welchem der großen Ausgabengebiete sozialer Art ist es möglich, Korrekturen vorzunehmen, um damit den finanziellen Spielraum zu erhöhen oder die Kreditaufnahme zu vermindern? Freiwillige vor! Wer würde heute einer Beschneidung unseres. Verteidigungshaushalts das Wort reden angesichts der gesamten sicherheitspolitischen Konstellation, angesichts der Verhandlungen, die der Herr Bundesaußenminister und der Herr Bundeswirtschaftsminister in den USA mit auch nicht ganz leichten Partnern zu führen hatten? Wer würde heute, wo wir wirklich vor der Frage stehen, durch
einen verstärkten Aufwand die Landwirtschaft von morgen lebensfähig zu halten, einer Kürzung des Agrarhaushalts das Wort reden, um damit Spielraum zu gewinnen oder einen geringeren Schuldenstand zu haben?!
Wir haben uns außerstande gesehen, und zwar unter Abwägung aller Pro und Contra und unter Inkaufnahme vieler Enttäuschungen, etwas anderes vorzulegen als das, was ich heute Ihnen vorzutragen die Ehre habe.
Ich verteidige damit auch gegen eine manchmal wenig sachkundige Kritik die Höhe der Nettokreditaufnahme, die erheblich zurückgegangen ist, die aber, jedenfalls nach unserer Sicht, nach tagelangen Beratungen und wochenlangen Verhandlungen im Wirtschaftskabinett in der heute vorgelegten Höhe nicht vermeidbar war.
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Der andere Grund liegt ja in der Entwicklung des Steueraufkommens, über das ich vorher gesprochen habe.
Ich muß auch die hie und da noch gehegte Hoffnung abermals enttäuschen, daß sich alle Finanzierungsprobleme durch höhere Steuereinnahmen bzw. durch höhere Steuerschätzungen im Rahmen des weiteren konjunkturellen Aufstiegs gewissermaßen von selbst lösen würden. Aus heutiger Sicht kann - ich darf das noch einmal betonen - nicht gesagt werden, ob die im Bundeshaushalt 1968 veranschlagten Steuern, die die Basis für das Jahr 1969 abgeben, voll erreicht werden.
Ich darf zur Begründung noch ein paar Zahlen nennen: Die Steueransätze für das Jahr 1968, also das laufende Rechnungsjahr, sind 3,5 Milliarden DM höher als 1967. Nach den vorliegenden Aufkommensergebnissen für die Monate Januar bis September 1968, die ersten neun Monate, haben aber die tatsächlichen Einnahmen des Bundes nur um 1,4 Milliarden DM zugenommen. Das ist pro rata zu wenig. In den drei fetten Monaten dieses Jahres - Oktober, November, Dezember - müßte eine Aufkommenssteigerung von 2,1 Milliarden DM mehr als in den gleichen drei Monaten des Vorjahres erzielt werden, um das Einnahmesoll des Haushalts 1968 zu erreichen.
Von besonderer Bedeutung für die' Steuereinnahmen in den ersten neun Monaten war die Umsatzsteuer. Hier hat die Entlastung der Altvorräte zu stärkeren Mindereinnahmen geführt, als wir ursprünglich sowohl in der Vorlage der Bundesregierung als auch bei den parlamentarischen Beratungen zugrunde gelegt haben. Wir konnten aber auch nicht eine so präzise und exakte Bestandsaufnahme aller Läger in unserer Wirtschaft zugrunde legen, wie man sie für eine genaue Kalkulation gebraucht hätte. Wir kommen jedoch in diesem Jahre hin, nur ist nichts Zusätzliches mehr drin. Ich darf mich auf diese Feststellung beschränken.
Bei allem Optimismus hinsichtlich der gegenwärtigen Wirtschaftsentwicklung ist eine gewisse Unterschreitung, allerdings in einem geringfügigen Promillesatz - ich spreche nicht einmal von Prozentsatz -, nicht auszuschließen, auch wenn noch zwei wichtige Steuertermine mit auslaufender Entlastung der Altvorräte wohl einen günstigeren Verlauf für die Gesamtheit des Jahres ergeben werden, als die ersten neun Monate aus den vorhin genannten Gründen erwarten lassen.
Für 1969 waren bei einem nominalen Zuwachs des Bruttosozialprodukts von 6,3 % nach der Zielprojektion die Steuereinnahmen des Bundes auf 73,58 Milliarden DM geschätzt worden. Das sind 7,2 Milliarden DM oder 10,9 % mehr als das Haushaltssoll des Jahres 1968. Sollte das Sozialprodukt stärker steigen als in der Zielprojektion angenommen, so dürften sich daraus möglicherweise ergebende Mehreinnahmen keinesfalls zur Finanzierung zusätzlicher Ausgaben empfehlen,
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wenn wir den Grundsätzen treu bleiben wollen, die wir in der Stunde der sich anbahnenden Krise und in der Stunde der Hoffnung, die Schwierigkeiten überwinden zu können, damals als für uns verbindlich beschworen haben.
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Für diesen Fall müßten die Mehreinnahmen zur Herabsetzung des Kreditbedarfs oder zur verstärkten Schuldentilgung oder, je nach der Situation, für die Konjunkturausgleichsrücklage verwendet werden. Wenn die Mehreinnahmen entstehen, kann man sich in der dann gegebenen Situation darüber unterhalten und einigen. Ich kann jetzt hier nur sagen, was mit ihnen auf keinen Fall geschehen dürfte. Wir wollen die antizyklische Finanzpolitik nicht nur zur Vermeidung einer Rezession anwenden, sondern genauso auch zur Verhinderung einer konjunkturellen Übertreibung heranziehen, auch wenn es manchmal unpopulär und schwierig ist.
Ein Umstand, der die Einnahmeerwartungen des Bundes in besonderer Weise berührt und den ich deshalb auch zur Begründung einer höheren Nettokreditaufnahme für das Jahr 1969 in der heutigen Planung und in der Planung der Jahre 1967 bis 1971 anführen muß, ist die Neuregelung des Beteiligungsverhältnisses an der Einkommen- und Körperschaftsteuer. Die bisher festgesetzten Anteile - 37 % für den Bund, 63 % für die Länder - gelten nach Absprache zwischen dem Herrn Bundeskanzler und den Ministerpräsidenten und nach der gesetzlichen Rege- lung nur für die Jahre 1967 und 1968. Um den Ländern und Gemeinden, bei denen das Schwergewicht der öffentlichen Investitionen auf Grund verfassungsmäßiger Regelung sowieso liegt, verstärkte Maßnahmen in diesen vordringlichen Aufgabenbereichen zu ermöglichen, soll nach dem ebenfalls zur Beratung anstehenden, Ihnen vorliegenden Gesetzentwurf der Bundesanteil an der Einkommen- und Körperschaftsteuer mit Wirkung ab 1969 auf 35 %, also um 2 %, zugunsten der Länder herabgesetzt werden. Damit ist - und deswegen muß ich das 'in diesem Zusammenhang erwähnen - ein Einnahmeverlust des Bundes, bezogen auf 1969, von 1 Milliarde DM verbunden, der aus konjunkturellen Gründen nicht durch Erhöhung von Steuern und aus
den vorher genannten Gründen auch nicht durch anderweitige Kürzung von Ausgaben gedeckt werden konnte.
Ich bitte auch um Verständnis für den Standpunkt der Bundesregierung, daß sie angesichts der großen Entscheidungen, die wir auf finanzpolitischem Gebiet gütlich und schiedlich im Einvernehmen mit den Ländern zu treffen haben, aber auch angesichts allgemeinpolitischer Notwendigkeiten es für denkbar falsch gehalten hätte, den leidigen Streit um den Anteil des Bundes und den der Länder an der Einkommen- und Körperschaftsteuer um ein weiteres Kapitel sinnlos zu verlängern. Herausgekommen wäre zum Schluß doch nichts anderes, als was hier vorgelegt wird, aber wieder einmal hätte ein häßlicher politischer Streit jahrelang sozusagen in der Landschaft gestanden. Wir brauchen jedoch - ich mache aus meiner sehr opportunistischen Einstellung in dem Fall gar kein Hehl - ein gutes Klima für die Entscheidungen, die in der Finanzreform und der Haushaltsrechtsreform nun einmal noch in dieser Legislaturperiode erzielt werden müssen.
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Damit bin ich bei einem Thema, meine Damen und Herren, das die Öffentlichkeit sehr bewegt, dem Thema der Schuldenpolitik. Hierüber kann man mit um so größerem Freimut sprechen, als uns gerade in der jüngsten Zeit sowohl die Deutsche Bundesbank wie der Wissenschaftliche Beirat beim Bundesministerium für Wirtschaft expressis verbis bestätigt haben, daß die Kreditaufnahmen des Bundes, wie sie in der Vergangenheit waren und wie sie für die Dauer der Planungsperiode beabsichtigt sind, aus heutiger Sicht bei einer gleichgewichtigen Wirtschaftsentwicklung unbedenklich sind.
Die Frage der Verschuldung darf man nicht nur, wie erwähnt, fiskalisch sehen. Man muß sie namentlich auch unter konjunktur- und wachstumspolitischen Gesichtspunkten betrachten.
Bereits mit der ersten Finanzplanung des Bundes ist eine Neuorientierung der Kreditpolitik eingeleitet worden. Dahinter stand und steht die Überlegung, daß eine aktive Wachstumspolitik eine stärkere Kreditfinanzierung erfordert. Bei den Investitionen der öffentlichen Hand, die in aller Regel eine lange Nutzungsdauer haben und mit denen vor allem die unentbehrlichen Voraussetzungen für ein weiteres stetiges Wirtschaftswachstum geschaffen werden sollen, ist die Kreditfinanzierung in einem modernen Staat also ein legitimes Mittel der staatlichen Finanzgestaltung und nicht ein widerwillig hingenommener Bastard, dessen man sich zu schämen bräuchte, um ein sehr deutliches Wort zu diesem Thema zu sagen.
Ich kann nur die ganz nüchterne Feststellung treffen: Wer sich zur Wachstumsförderung als einer mit dem Akzelerationsprozeß, dem Beschleunigungsprozeß der menschlichen Geschichte von heute unvermeidlich verbundenen Begleiterscheinung bekennt, und zwar als einer Zielsetzung, die auch der öffentlichen Hand gestellt ist, nicht nur der privaten Wirtschaft, der muß auch ja sagen zu einer höheren
Kreditaufnahme des Staates, zur Leistung der wachstumsfördernden Ausgaben. Man soll uns nicht weismachen, daß man ein ausreichendes Maß an äußerer und innerer Sicherheit, die ja auch Geld kostet, schaffen kann und daneben noch ohne diese Kreditaufnahme die beträchtlichen und wachsenden Investitionen der öffentlichen Hand finanzieren kann.
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Wer das tun wollte, der hat entweder von den Dingen keine Ahnung, oder er führt die Offentlichkeit bewußt in die Irre. Etwas Drittes gibt es kaum mehr.
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Denn schließlich geht es auch um die Erhaltung des Finanzierungsspielraumes für die privaten Investitionen, und hier besteht ein enger innerer Zusammenhang. Natürlich kann der Staat auf Grund seiner Machtposition sich die Mittel für seine Investitionen auch durch Erhöhung der Steuern besorgen, wenn Regierung und Parlament diesen Weg zu gehen beschließen. Aber dann muß er sich darüber klar sein, daß ausschließlich auf diesem Wege finanzierte öffentliche Investitionen den Finanzierungsspielraum der privaten Hand, der wieder in einem ausgewogenen Maße zu ihrer Verschuldung stehen muß, in gleichem Maße beeinträchtigen. Wir können heute nicht allein eine Wirtschaftsexpansion durch private Initiative erwarten, wenn nicht die Maßnahmen, die ihr meistens vorangehen - die Infrastruktur, das Schul- und Bildungswesen, die Planung beim Ausbau der Verkehrswege, die Erschließung und all diese Dinge, die wir schon oft in diesem Kreise besprochen haben -, von der öffentlichen Hand gefördert worden sind.
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Beide Dinge gehen so eng Hand in Hand, daß wir keinen anderen Zusammenhang sehen und vertreten können.
Gerade die Finanzplanung verdeutlicht, daß wir weiterhin ein stetiges Wachstum brauchen, um für die zukunftsorientierten wirtschafts-, sozial- und gesellschaftspolitischen Aufgaben auch die nötige Basis zu haben. Das möchte ich besonders den oppositionellen Kräften vor Augen halten, deren Sprecher nur allzugern bereit sind, vorschnell das Wort „Inflation" auf der Zunge zu führen - ein Wort, für das die Ergebnisse unserer Wirtschafts- und Finanzpolitik keinen Spielraum gewähren,
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aber ein böses Wort, wenn es leichtfertig verwendet wird.
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Zur Erreichung der Wachstumsziele ist eine Steigerung der Investitionen erforderlich. Die private Investitionstätigkeit hängt in der jetzigen Phase von einer Normalisierung der Wachstumsraten und den Möglichkeiten der Selbstfinanzierung ab. Insofern würde ein Verzicht auf die vorgesehene Kreditfinanzierung des Bundes bei gleichzeitiger Erhöhung von Steuern keine Alternative bieten. Wenn die Steuerlastquote erhöht wird, so kann das zwei
Folgen haben: Entweder führt die Verringerung der Selbstfinanzierungsquote der Unternehmen zu einem Verzicht auf Investitionen, der im Interesse unserer wachstumspolitischen Zielsetzung nicht hingenommen werden kann, oder die erhöhten Steuern schlagen auf die Preise durch. Beide Konsequenzen kann niemand ernsthaft wollen. Die Bundesregierung hat sich deshalb zu einer verstärkten Kreditfinanzierung innerhalb der genannten Grenzen entschlossen, weil sie den gesamtwirtschaftlichen Erfordernissen am besten entspricht.
Wir haben auch die Frage der Höhe ernsthaft geprüft und nach langen Auseinandersetzungen, nach Angleichung der Interessen und Standpunkte zum Schluß als gemeinsames Ergebnis unserer Überlegungen eine Grenze von 3,6 Milliarden DM netto Kreditaufnahme herausgestellt.
Gegenüber der ersten Finanzplanung sind in den neuen Plan für die Jahre bis 1972 erhöhte Kreditaufnahmen vorgesehen, aber nicht willkürlich. Detailliertere Projektionen der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung sowie eine genauere Untersuchung der Wechselwirkungen zwischen öffentlicher Finanzwirtschaft und privater Investitionstätigkeit, zwischen öffentlicher Investitionstätigkeit und gesamtwirtschaftlicher Entwicklung haben zu dem Ergebnis geführt, daß ein höheres Ausgabevolumen der öffentlichen Gebietskörperschaften und damit des Bundes in den kommenden Jahren leider aus den vorher genannten Gründen nicht zu vermeiden ist. Daraus ergibt sich eine gewisse Erhöhung der Kreditaufnahme gegenüber der gröberen Planung des Jahres 1967, die noch mit einem einfacheren Instrumentarium in kurzer Zeit bewältigt werden mußte. Die neuen Kreditansätze beruhen auf sorgfältigen Berechnungen über die Geldvermögensbildung unserer Volkswirtschaft, die vom Bundesfinanzministerium, Bundeswirtschaftsministerium und von der Bundesbank gemeinsam angestellt und ohne jede Diskrepanz der Zukunftsvorstellungen aufeinander abgestimmt worden sind. Dabei wurde die steigende Tendenz der privaten Ersparnisbildung natürlich berücksichtigt. Sie muß für Investitionen genutzt werden. Insgesamt steht für Bund, Länder und Gemeinden im Jahre 1969 ein Spielraum für Nettokreditaufnahmen von rund 10 bis 11 Milliarden DM zur Verfügung, auch nach Meinung der Bundesbank und anderer sachkundiger Institutionen. Wenn der Bund davon für 1969 ein Drittel - 3,6 Milliarden DM - in Anspruch nimmt, dann ist dieser Betrag nur halb so hoch wie die für 1968 unvermeidlich gewesene Neuverschuldung von rund 7,3 Milliarden DM.
Nach den konjunkturpolitisch weiterhin bedingten hohen Kreditaufnahmen der Jahre 1967 und 1968 soll sich die Kreditfinanzierung des Bundes in dem Zeitraum 'bis 1972 etwa auf diesem Niveau einpendeln. Wenn sie aber mit einem Drittel des Spielraums angesetzt wird, bleibt noch genügend Spielraum für Länder und Gemeinden. Es ist eine heute nicht zu beantwortende Frage, ob die Länder und Gemeinden den ihnen übriggelassenen Spielraum auszunutzen in der Lage sind oder auszunutzen entschlossen sind. Gerade hier müssen die Arbeiten des Finanzplanungsrates dafür sorgen, daß eine ausgewogene Inanspruchnahme stattfindet. Nebendiesen 10 bis 11 Milliarden DM bleibt noch genug Spielraum und Funktionsfähigkeit auf dem Kapitalmarkt für die Investitionsbedürfnisse der privaten Wirtschaft, weil die öffentliche Hand ja in erster Linie auf den Geldmarkt oder auf den mittelfristigen Markt geht und sich ,das auch ,aus gutem Grundeleisten kann.
Mit dem Kreditansatz von 3,6 Milliarden DM trägt der Haushaltsentwurf 1969 also den Kreditbedürfnissen der übrigen öffentlichen Haushalte Rechnung. Im Jahr 1969 wird die gesamte Kreditaufnahme des Bundes 28 % der investiven und wachstumsfördernden Ausgaben ausmachen, d. h. daß immer noch 72 % investive und wachstumsfördernde Ausgaben aus ordentlichen Einnahmen bestritten werden. Dieses Verhältnis von 1 : 4 kann man noch als eine gesunde Relation bezeichnen und nicht als einen leichtfertigen Gang in die Verschuldung hinein.
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In den folgenden Jahren geht dieser Anteil auf rund 26 % zurück. Es werden dann immer noch drei Viertel der Ausgaben des Bundes aus Steuern und sonstigen ordentlichen Einnahmen gedeckt. Auch die Zinsbelastung des Bundes, die sich von 1969 bis 1972 um rund 3,5 % der Gesamtausgaben bewegen wird, gibt zu finanzwirtschaftlichen Bedenken keinerlei Anlaß. Voraussetzung ist allerdings - und darauf muß mit Nachdruck 'hingewiesen werden -, daß in ,der Ausgabenstruktur des Bundes, wie sie Ihnen hier vorliegt, nichts zugunsten konsumtiven Ausgaben verändert wird. Unter dieser Voraussetzung ist mit der vorgesehenen Kreditfinanzierung, die uns nicht nur Steuererhöhungen erspart, sondern auch eine Beteiligung breiter Schichten unseres Volkes an 'der Vermögensbildung des Staates ermöglicht, der richtige Mittelweg eingeschlagen.
Allerdings ist - auch das darf nicht verschwiegen werden - mit ,den Kreditansätzen der Finanzplanung der vorhandene Kreditspielraum auch ausgeschöpft. Eine weitere Ausdehnung des Kreditrahmens, d. h. eine weitere Steigerung der Ausgaben des Bundes auf dem Wege einer erhöhten Kreditfinanzierung könnte die Preisstabilität gefährden und könnte und würde gesamtwirtschaftlich nicht zu verantworten sein.
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Auch aus dieser Sicht zeigen sich einfach Grenzen, die man nicht durch guten Willen, schöne Programme oder markige Erklärungen willkürlich verrücken kann.
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In methodischer Hinsicht besteht die wesentliche Neuerung des Haushaltsentwurfs 1969 darin, daß die Bundesregierung zur reinen Nettoveranschlagung der Kredite übergegangen ist. Im Haushaltsplan ist nur noch die Nettoneuverschuldung des Bundes veranschlagt, die allein zur Finanzierung von Haushaltsausgaben im eigentlichen Sinne dient. Ich möchte in dem Zusammenhang allerdings nicht das Argument hören, daß man damit die wirkliche Höhe der Schuldenaufnahme verschleiern wollte, denn
die alte Rechnung ist in der Finanzierungsübersicht - Brutto und Netto und Saldierung - in vollem Umfang und in allen Einzelheiten angeführt. Man braucht sich also nur die Mühe zu machen, es insgesamt zu lesen, dann wird man einerseits die Umstellung der rechnerischen Methodik, aber auch die Zahlen sehen, wie sie sich bei Fortsetzung der alten Methode ergeben hätten. Diese Form der Veranschlagung ist sozusagen ein Vorgriff auf die Haushaltsreform, weil moderne Finanz- und Wirtschaftspolitik die Nettoveranschlagung der Kredite und der Tilgungsausgaben erfordert. Für die gesamtwirtschaftlichen Wirkungen des Bundeshaushalts ist allein die Höhe der Nettokreditaufnahme entscheidend. Die Nettoveranschlagung der Kredite sollte nicht den Blick auf die Probleme verdecken, die sich in den kommenden Jahren aus den hohen Anschlußfinanzierungen für fällig werdende Schulden ergeben.
Ich darf nur wenige Zahlen nennen. Die Bruttokreditaufnahme des Bundes beträgt im Jahre 1969 12,7 Milliarden DM und steigt bis zum Jahre 1971 auf 15,7 Milliarden DM. Die Umwälzung derart hoher Schuldenbeträge bereitet keine unüberwindlichen Schwierigkeiten, aber es bedarf noch eingehender Überlegungen über die Schaffung eines flexiblen schuldenwirtschaftlichen Instrumentariums der Finanzpolitik, das den vielseitigen finanz- und wirtschaftspolitischen Anforderungen an eine moderne öffentliche Schuldenpolitik gerecht wird. Die auf dem Gebiet des sogenannten debt-management in einer Reihe von ausländischen, insbesondere angelsächsischen Staaten seit längerer Zeit gewonnenen, in Deutschland von wissenschaftlicher Seite verwerteten Erfahrungen dürften sicherlich dazu beitragen, die Lösung der technischen schuldenwirtschaftlichen Probleme zu ermöglichen.
Noch einen anderen Punkt zu den Fragen des öffentlichen Gesamthaushalts, soweit sie auf die Finanzplanung des Bundes einwirken. Die Einpassung der Ausgaben der gesamten öffentlichen Hand in die gesamtwirtschaftliche Entwicklung und die Bestimmung des Ausgabevolumens für die verschiedenen Ebenen der öffentlichen Hand haben bereits deutlich gemacht, daß eine Finanzplanung des Bundes, die Anspruch auf ökonomische Ausrichtung erheben will, nicht isoliert betrachtet werden kann. Es kann nicht geleugnet werden, daß wir uns auf diesem Gebiet noch in den Anfängen befinden. Der Bund muß seine Bemühungen zunächst darauf richten, der spezifischen Rolle der Länder und Gemeindehaushalte in der Gesamtwirtschaft Rechnung zu tragen. Ich habe schon ausgeführt, daß der Bund den Ländern zur Stärkung ihrer Investitionskraft zwei Punkte an dem Aufkommen von Einkommen- und Körperschaftsteuer zusätzlich vorschlägt. Ein Punkt davon - darin bestand im Finanzplanungsrat Einvernehmen - soll den Gemeinden zufließen, um auf diese Weise die Investitionskraft der Gemeinden zu stärken. Weiter sind immer noch Hilfen für die finanzschwächeren Länder vorgesehen. Der ebenfalls zur Beratung anstehende Gesetzentwurf zur Änderung des Länderfinanzausgleichsgesetzes sieht neben einem zusätzlichen Sonderausgleich unter den Ländern für 1969 auch Ergänzungszuweisungen des Bundes an finanzschwache Länder in Höhe von 190 Millionen DM vor, und vier leistungsschwache Länder werden durch den Haushalt 1969 außerdem 50 Millionen DM als Sonderzuweisungen für Strukturmaßnahmen erhalten.
Die Bundesregierung hat mit diesen Maßnahmen, die eine Übergangsregelung bis zur Verwirklichung der Finanzreform darstellen, erneut bewiesen, daß sie sich ihrer gesamtstaatlichen Verantwortung bewußt sein will und bei Abwägung der Schwerpunkte des öffentlichen Ausgabebedarfs gewillt ist, den Bedürfnissen von Ländern und Gemeinden weitgehend Rechnung zu tragen. Die genannten Maßnahmen müssen ab 1970 allerdings durch die Steuerneuverteilung im Rahmen der Finanzreform abgelöst werden. Dabei muß eine Regelung erreicht werden, die ohne das Provisorium der Ergänzungszuweisungen für alle Länder einen angemessenen Ausgleich sichert.
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Für die Finanzreform und für ihre Auswirkung auf die Finanzausstattung der Länder ab 1970 konnten in der Finanzplanung noch keine Folgerungen gezogen werden. Es liegt auf ¡der Hand, daß die Finanzreform auch die Haushaltsgestaltung des Bundes in den künftigen Jahren beeinflussen wird. Der Umfang der Verschiebung der Lasten und Deckungsmittel ist aber jetzt noch nicht zu übersehen. Die Neuverteilung der Steuern wird sich dann entsprechend danach 'zu richten haben.
Im Zusammenhang damit erscheint es mir notwendig, den Stimmen entgegenzutreten, die dem Bund eine ungenügende Berücksichtigung der Gemeindefinanzen vorhalten. Diese Kritik wird durch die vorliegende Finanzplanung und die bisherigen Bemühungen des Bundes um eine Verbesserung der Gemeindefinanzmasse widerlegt.
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Einige Zahlen: Seit 1967 - das war .ein Teil der Koalitionsabsprache - werden den Gemeinden im Vorgriff auf die Finanzreform die Mehreinnahmen aus der Erhöhung der Mineralölsteuer um 3 Pf je Liter zur Förderung des Verkehrsausbaues zur Verfügung gestellt. Diese Mittel - sie sind im vorliegenden Haushaltsentwurf für 1969 mit 800 Millionen DM angesetzt - werden bis 1972 auf 950 Millionen DM ansteigen. Ab 1969 erhalten die Gemeinden zusätzliche Mittel in Höhe von 1 % des Aufkommens aus Einkommen- und Körperschaftsteuer, das sind rund 500 Millionen DM; dieser Betrag wird bis 1972 auf rund 620 Millionen DM ansteigen. Darüber hinaus ist vorgesehen, die Gemeindefinanzen ab 1970 um weitere 500 Millionen DM 'zu verbessern. Der Bund geht dabei von der Erwartung aus, daß dieser Betrag zur Hälfte von den Ländern getragen wird. Darüber wird im Finanzplanungsrat zu sprechen sein. Für 1970 ergibt sich insgesamt eine Verstärkung der Finanz- und Investitionskraft der Gemeinden von rund 1,9 Milliarden DM, das isind immerhin 10 % ihres Investitionsvolumens. Damit werden zwar nicht die Vorstellungen der Gemeinden und des Bundesrates erfüllt. Die Bundesregierung sieht jedoch bei BerückBundesminister Dr. h. c. Strauß
sichtigung des Gesamtbedarfs der öffentlichen Hand keine weitere Möglichkeit zur Verbesserung der Gemeindefinanzen. Ich darf hier nur auf die drei Stichworte verweisen: Wo Einschränkung von Bundesausgaben? Sollen Steuern erhöht werden? Soll die Kreditaufnahme noch stärker ausgedehnt werden? Ich kann diese drei Fragen mit einem Nein beantworten.
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Die Bundesregierung ist sich ferner bewußt, daß eine Finanzplanung, die sich bisher im wesentlichen auf den Bereich des Bundeshaushalts beschränkt, unvollkommen ist. Er trägt nur die Hälfte der Ausgaben aller Gebietskörperschaften. Deshalb ist Koordinierung der Haushaltsgestaltung aller öffentlichen Aufgabenträger der fiskalischen und parafiskalischen Gewalten eine dringende Aufgabe in der Fortentwicklung einer modernen Finanzwirtschaft.
In Erkenntnis dieser Tatsache sind der Herr Bundeskanzler und die Herren Ministerpräsidenten der Länder im Frühjahr dieses Jahres übereingekommen, einen Finanzplanungsrat ins Leben zu rufen, für den auch bereits ein parlamentarischer Gesetzentwurf von einer Koalitionsfraktion vorlag. Der Finanzplanungsrat soll Empfehlungen für eine Koordinierung der Finanzplanung von Bund, Ländern und Gemeinden geben, dabei auch eine Rangordnung der öffentlichen Ausgaben nach ihrer Dringlichkeit für die öffentlichen Aufgabenträger erarbeiten. Nur in einer Gesamtschau der öffentlichen Finanzwirtschaft, quer durch alle drei Ebenen unseres Gemeinwesens - Bund, Länder und Gemeinden und auch noch eines Tages die parafiskalischen Gewalten -, kann eine Rangliste der Aufgaben in zeitlicher und sachlich richtiger Reihenfolge getroffen werden und damit ein für die Entwicklung von Wirtschaft und Gesellschaft abträgliches Nebeneinander oder Gegeneinander der Politik der verschiedenen Gebietskörperschaften vermieden werden.
Ich verkenne nicht die Schwierigkeiten der Aufgaben, die hier zu lösen sind. Andere Staaten mögen es leichter haben. Dafür haben sie auch ihre Nachteile mit einer etwas stärkeren Straffung der Verwaltungsstruktur und der Finanzordnung. Die Arbeiten im Finanzplanungsrat haben immerhin in diesem Jahr schon dazu geführt, daß man sich auf einige Grundannahmen geeinigt hat. Hier muß man, wie in der Außenpolitik, Herr Bundeskanzler, viel Geduld haben. Der Finanzplanungsrat hat ferner die Probleme der öffentlichen Schuldenaufnahmen erörtert und Einvernehmen erzielt, daß der vom Kreditmarkt gezogene Rahmen bei einer Aufteilung auf die einzelnen Haushaltsträger beachtet werden muß. Der in früheren Jahren so unerquickliche Steuerstreit zwischen Bund und Ländern ist durch die Zusammenarbeit im Finanzplanungsrat vermieden worden.
Diese allgemeinen Ausführungen zum Haushaltsentwurf 1969 und zur Finanzplanung bedürfen noch der Ergänzung durch eine kurze Bemerkung, nämlich zu der Frage, die möglicherweise bei der Haushaltsführung 1969 von erheblicher Bedeutung sein kann. Ich meine damit die notwendige Vorsorge von seiten des Staates für den Fall einer konjunkturellen
Überhitzung. Die Bundesregierung hat in der Finanzplanung und im Haushaltsentwurf 1969 keine alternativen Maßnahmen vorgesehen, weil aus heutiger Sicht davon ausgegangen werden kann, daß der Haushaltsentwurf 1969 mit der voraussichtlichen Entwicklung im Einklang steht und mit der ihm zugedachten Funktion bei einer gesamtwirtschaftlichen Betrachtung zurechtkommt.
Es kann nicht ausgeschlossen werden, daß wir zu kontraktiven Maßnahmen gezwungen sind. Die Bundesregierung hat sich mit dieser Frage bei der Vorbereitung dieser Gesetzgebungswerke eingehend befaßt. Sie ist zu der Überzeugung gekommen, daß bei einer etwaigen konjunkturellen Überhitzung in erster Linie finanzpolitische Maßnahmen -als Regulativ in Betracht gezogen werden sollen und nicht die Bundesbank dafür strapaziert werden könnte.
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Wir müssen uns deshalb heute mit dem Gedanken vertraut machen, daß eine Bewährungsprobe unserer Finanz- und Wirtschaftspolitik vor uns liegt. Das Instrumentarium ist von Ihnen in diesem Hohen Hause mit dem Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft ja geschaffen worden. Die Bundesregierung hat die verfassungsrechtliche und gesamtpolitische Verpflichtung, von diesem Instrumentarium keinen übertriebenen Gebrauch zu machen, aber auch vor der Anwendung nicht aus irgendwelchen politischen Rücksichtnahmen oder Ängsten zurückzuscheuen. Das heißt, daß konjunkturbedingte Steuermehreinnahmen in keinem Fall für zusätzliche Ausgaben verwendet werden. Es möge niemand auf die traditionsgemäß kurz vor Abschluß der Beratungen zum Haushalt vorzunehmende Überprüfung der Steuerschätzung hoffen, um vielleicht doch noch die eine oder andere zusätzliche Ausgabe im Haushalt unterzubringen.
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Ich erinnere mich noch an eine Rede, die der Vorgänger des heutigen Herrn Bundeskanzlers damals als Direktor der Verwaltung für Wirtschaft in Frankfurt gehalten hat, wo er vor der Methode gewarnt hat, in einem kalten Zimmer ein Streichholz unter das Thermometer zu stecken und dann auf eine höhere Temperatur zu schließen, wenn die Quecksilbersäule hochgeht.
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Ein solcher Verzicht mag schmerzlich sein, wenn der Druck von dieser oder jener Seite kommt. Für den Fall sich abzeichnender konjunktureller Spannungen müssen konjunkturbedingte Mehreinnahmen in der vorher erwähnten Form verwendet werden.
Außerdem müssen wir darauf vorbereitet sein, notfalls Ausgaben des Bundeshaushalts zurückzustellen, um die von der öffentlichen Hand ausgehenden gesamtwirtschaftlichen Anstoßwirkungen, die oft gerade die kritische Grenze darstellen, zu vermindern. Hierfür kommen bei der gegebenen Ausgabenstruktur des Bundeshaushalts in erster Linie die Investitionsausgaben in Betracht, soweit diese keiner gesetzlichen oder faktischen Bindung unterliegen.
Bundesminister Dr. h. c. Strauß.
Der Staat ist in erster Linie berufen, seine Investitionsentscheidungen antizyklisch auszurichten. Die Bundesregierung hat deshalb bei der Verabschiedung der Finanzplanung und des Haushaltsentwurfs 1969 einen wichtigen Beschluß gefaßt, nämlich nach Dringlichkeitsstufen gegliederte Investitionsprogramme aufzustellen, um für alle Eventualitäten gerüstet zu sein. Der Bund kann die konjunkturelle Entwicklung allein durch zeitliche Variierung seiner Investitionen nur in gewissen Grenzen beeinflussen, da das Schwergewicht der Investitionen nicht beim Bund, sondern bei den Ländern und Gemeinden liegt. Um eine voll wirksame antizyklische Ausgabenpolitik zu betreiben, ist deshalb auch aus diesem Grunde ein aufeinander abgestimmtes Verhalten aller öffentlichen Hände erforderlich.
Die Länder und Gemeinden müssen daher ebenfalls durch Aufstellung mehrjähriger Investitionsprogramme entsprechend § 10 des Stabilitätsgesetzes, der nicht nur ein Stück Papier oder ein Paragraph zu sein hat, sondern eine Verpflichtung darstellt, die Voraussetzungen dafür schaffen, daß auch sie rechtzeitig den konjunkturellen Schwankungen durch ihre Investitionspolitik Rechnung tragen. Auch darüber wird im Finanzplanungsrat noch eingehend zu sprechen sein.
Dabei bin ich mir bewußt, daß ein Optimismus unangebracht ist, daß nämlich der Staat seine Investitionen allein nach konjunkturellen Gesichtspunkten manipulieren darf, daß er den Bau von Wohnungen, Straßen, Universitäten und was immer in einem Fall doppelt und dreifach forcieren kann, wenn es die Konjunktur erfordert, und dann als „Stabilitätsruinen" bis zur nächsten Rezession stilllegen kann. So töricht wird niemand sein. Aber es gibt Spielräume, innerhalb derer man Ausgaben vermindern kann, innerhalb derer man nach Dringlichkeiten handeln und wo man die Durchführung strecken kann.
Die Bundesregierung ist darüber hinaus entschlossen - hofft aber, es vermeiden zu können -, die sonstigen Instrumente einzusetzen, die ihr nach diesem Gesetz zur Verfügung stehen. Wir haben über aus heutiger Sicht noch keinen Anlaß, Maßnahmen dieser Art zu treffen oder innerhalb eines festgelegten Zeitraums vorzusehen. Ich halte es nur für meine Pflicht, auf diese Probleme hinzuweisen. Ich hoffe auf die volle Unterstützung gerade dieses Hohen Hauses, wenn wir auch im Aufstieg finanzpolitische Disziplin üben und das tun, was die Bürger unseres Landes zu Recht von uns erwarten.
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Nun noch wenige Worte zu den Ausgabenschwerpunkten. Die Leistungen im sozialen Bereich nehmen auch künftig - das sei entgegen einer oft im Lande getriebenen böswilligen Propaganda mit aller Deutlichkeit gesagt - eine hervorragende Stellung in der Ausgabenstruktur des Bundes ein. Im vorigen Jahr haben sich bei den Sanierungsmaßnahmen heftige Diskussionen gerade an diesen Einschränkungsmaßnahmen im Sozialbereich entzündet. Es ist damals - wenn auch zu Unrecht -das irreführende Schlagwort von der „sozialen Demontage" geprägt worden. Gerade im Sozialhaushalt des Bundes läßt sich feststellen, daß die Sanierung der Bundesausgaben gelungen ist. Wie im laufenden Haushaltsjahr 1968, so stehen auch 1969 die Sozialleistungen des Bundes an erster Stelle. Ihr Anstieg ist durch gewisse Einschränkungen des Finanzänderungsgesetzes verlangsamt worden. Aber ihr Anstieg ist auch weiterhin durch die Wiedergewinnung der finanziellen Solidität ermöglicht worden,
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und was in Aussicht gestellt wird, kann als garantiert in Aussicht gestellt werden und nicht zu Lasten der Währung, zu Lasten einer wirtschaftseinschränkenden Steuererhöhung oder zu welchen Lasten auch immer. Die fortwirkenden Regelungen des Finanzänderungsgesetzes 1967 haben die weitere organische Entwicklung der sozialen Sicherung nicht in Frage gestellt, sondern auf tragfähigen Boden gestellt.
Im Gegenteil, mit dem Finanzänderungsgesetz sind sozialpolitisch sinnvolle Dauerlösungen eingeleitet worden ; Stichwort: Mutterschutz. Die Novellierung des Mutterschutzrechts ist vollendet, die Neugestaltung der Kostenträgerschaft in Anpassung an die finanziellen Möglichkeiten der einzelnen Kostenträger vorgenommen worden.
Auf der anderen Seite konnte auch das Finanzänderungsgesetz nicht alle sozialpolitischen Probleme lösen. Das zeigt das Beispiel der knappschaftlichen Rentenversicherung, wo wir mit Beibehaltung der Difizithaftung in sechs Jahren etwa 3,3 Milliarden DM mehr auszugeben haben werden, als nach der Finanzplanung 1967 ursprünglich vorgesehen war, und zwar weil das Tempo der Zechenstillegungen und die sich daraus ergebenden sozialpolitischen Konsequenzen ein wesentlich größeres Ausmaß angenommen haben, als man damals von seiten aller Weisen einschließlich der Weisen innerhalb der Bundesregierung vorhersehen konnte.
Das schwerwiegendste Problem bei den Überlegungen zur Weiterentwicklung des Sozialsystems ist die Sicherstellung der Leistungsfähigkeit der Arbeiter-Rentenversicherung. Obwohl im Finanzänderungsgesetz 1967 die Vorschläge der Bundesregierung zur Konsolidierung der Rentenversicherungsträger im wesentlichen übernommen worden sind, ist doch das Problem der längerfristigen Finanzierung noch nicht gelöst. Nach einer Vorausschau auf der Grundlage der gesamtwirtschaftlichen Projektion werden die Vermögen der beiden großen Zweige, Arbeiter- und Angestelltenversicherung, von insgesamt 24,8 Milliarden DM Anfang 1968 auf 17,1 Milliarden DM am Ende 1972 absinken, und das trotz der beschlossenen und beabsichtigten Beitragserhöhungen. Diese Vermögensabschmelzung kann schon im Interesse der Erhaltung der Liquidität nicht uferlos fortgesetzt werden.
Während aber bei der Angestelltenversicherung auch künftig das Vermögen wächst, ist die Entwicklung bei den Trägern der Arbeiter-Rentenversicherung insgesamt gesehen besorgniserregend. Das Vermögen, das Anfang 1968 noch 12,8 Milliarden DM, also die Hälfte des Gesamtvermögens betragen
hat, wird bis 1972 vollends aufgezehrt sein. Das hat seinen Grund in der tendenziellen Umstrukturierung der Arbeitnehmerschaft, die zu ständig steigenden Wanderungsverlusten bei der Arbeiter-Rentenversicherung zugunsten der Angestelltenversicherung geführt hat.
Wenn diese große soziologische Umschichtung in unserem Land, die ein Ergebnis der zweiten oder dritten industriellen Revolution ist, nun einmal so abläuft, wie sie unvermeidbar abläuft, können die Konsequenzen daraus nicht aus irgendwelchen Berufungen oder aus irgendwelchem Privilegiendenken heraus auf die Dauer einfach ignoriert oder unterdrückt werden.
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Es gibt in diesem Fall auch eine Solidargemeinschaft
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und nicht nur ein Festhalten an einem einmal überkommenen Status, vor allen Dingen, wenn die Veränderungen dieses Status, wie sie aus der Wanderungsbewegung entstehen, zu Vorteilen führen, die von den Betreffenden, aber auch von den anderen, den Benachteiligten, nicht verschuldet worden sind. Hier kann nicht jeder sozusagen auf seinem Töpfchen sitzen und dieses Töpfchen bis in alle Zeiten hinein festhalten und uns damit die Lösung der Probleme durch eine Menge von Protesten und ärgerniserregenden Deklamationen noch immer schwieriger machen.
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Die Bundesregierung hat die Frage der längerfristigen Finanzierung der Rentenversicherungen natürlich besonders geprüft. Sie hat einen Kabinettsausschuß für Sozialbudget und soziale Strukturfragen eingesetzt, der Vorschläge für eine sozialpolitisch, finanzpolitisch und gesamtwirtschaftlich befriedigende Regelung der Finanzierung der sozialen Alterssicherung über das Jahr 1971 hinaus erarbeiten soll. Die Arbeit ist aufgenommen worden. Grundlage wird ein Sozialbudget sein, das entsprechend den Forderungen aller Fraktionen dieses Hohen Hauses erstmals aufgestellt und noch vor Ablauf dieses Jahres diesem Parlament vorgelegt werden soll.
Im Mittelpunkt bewegter Diskussionen stehen immer wieder die Leistungen des Bundes für die Kriegsopfer. Es mehren sich in jüngster Zeit die Stimmen, die auch in diesem Bereich verständlicherweise neue Wünsche und Verbesserungsvorschläge an uns herantragen. Demgegenüber erlaube ich mir aber doch den Hinweis, daß es nicht ohne Risiken und Schwierigkeiten 1967 möglich war, Leistungsverminderungen zu vermeiden, was heute anerkannt werden -sollte, und daß sich auch auf der Grundlage des geltenden Rechts für die besonders hart betroffenen Gruppen gewisse Verbesserungen ergeben. Im Rechnungsjahr 1969 erhält ein großer Teil der- Versorgungsberechtigten höhere Versorgungsbezüge, weil der Berufsschadensausgleich für Beschädigte und der Schadensausgleich für Witwen kraft Gesetzes laufend den neuen Durchschnittsverdiensten angepaßt werden. Ferner führen die neuen Anrechnungsbestimmungen des Dritten Neuordnungsgesetzes für einen Teil der Versorgungsberechtigten zu höheren Ausgleichs- und Elternrenten.
Die Bundesregierung hat sich der Erkenntnis nicht verschlossen, daß in manchen Bereichen noch Verbesserungen notwendig sind, ohne die Frage der Richtigkeit der Gesamtstruktur aufzuwerfen. Für die Jahre 1971 und 1972 sind deshalb begrenzte Beträge für Leistungsverbesserungen vorgesehen, die allerdings nach den Vorstellungen der Bundesregierung zur Beseitigung noch vorhandener Härten verwendet werden sollen. Wenn es uns ernst ist mit einer Umstrukturierung der Bundesaufgaben, wenn es uns ernst ist mit einer Zukunftsorientierung unserer Finanz- und Haushaltspolitik, müssen wir uns in Zukunft im sozialen Bereich stärker als bisher auf den Ausgleich von immer noch bestehenden Härten beschränken und denen, die wirklich dieses Ausgleichs bedürfen, in größerer Weise Hilfe zukommen lassen als denen, die dessen nicht bedürfen.
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Die Bundesregierung hat sich eingehend mit der Frage der Abwicklung von Kriegs- und Nachkriegsfolgen befaßt. In das Lastenausgleichsgesetz soll nunmehr eine soziale Regelung zur Entschädigung der in der SBZ erlittenen Vermögensverluste mit einem Gesamtvolumen von 2,6 Milliarden DM aufgenommen werden. Weiterhin sind 70 Millionen DM zur Abschlußgesetzgebung des Kriegsgefangenenentschädigungsgesetzes sowie des Häftlingshilfegesetzes für 1971 in die Finanzplanung eingestellt. Damit ist nach Ansicht der Bundesregierung der letzte Schritt zur Entschädigung vergangenheitsbezogener Tatbestände getan.
Nach den Vorstellungen der Bundesregierung sollen bei den Entschädigungen der Flüchtlinge aus der SBZ nur solche Vermögensverluste entschädigt werden, die zu einem Verlust der beruflichen Existenz geführt haben. Diese Entschädigung soll den Gruppen von Flüchtlingen zukommen, die noch nicht wieder in befriedigender Weise in den Wirtschafts- und Einkommensprozeß eingegliedert sind.
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Das bedeutet aber - ich sage: leider -, daß Leistungen nicht ohne Rücksicht auf die Wirtschaftslage des Empfängers sozusagen nach. dem Gießkannenprinzip verteilt werden können.
Ich muß darauf hinweisen, daß eine Entschädigung von Flüchtlingen aus der SBZ eine gewisse Beteiligung der Länder an der Finanzierung voraussetzt. Der Bundesrat hat in seiner Stellungnahme zur Finanzplanung 1969 bis 1972 indessen jede finanzielle Beteiligung unter Hinweis auf Art. 120 des Grundgesetzes abgelehnt. Die Bundesregierung hofft, daß die Länder nicht bei dieser Weigerung bleiben. Sie wird das ganze Problem nochmals zur Diskussion stellen. Die Beteiligung der Länder soll nur darin bestehen, daß nur 0,25 % Vermögensteuer, also ein Viertel, die für den allgemeinen Lastenausgleich verwendet werden, etwas länger als nach der gegenwärtigen Rechtslage vorgesehen an den La10178
stenausgleichsfonds abgeführt werden sollen und zur gemeinsamen Finanzierung dieser Aufgabe verwendet werden. Wenn der gute Wille auf allen Seiten vorhanden ist, müßte eine Bereinigung dieser Frage möglich sein, wobei eine Bereinigung dieser Frage allerdings auch ein Bekenntnis zur Solidargemeinschaft zwischen Flüchtlingen und Vertriebenen aller Kategorien einschließt. Die Einzelheiten darüber werden zu einem anderen Zeitpunkt an anderer Stelle in diesem Hause noch zur Sprache kommen.
An zweiter Stelle der Ausgabenschwerpunkte steht der Bereich der Verteidigung. Er gibt der Ausgabenstruktur des Bundes nach den Sozialaufwendungen das entscheidende Gepräge. Die Finanzplanung macht deutlich, daß die Bundesregierung den Verteidigungsaufgaben gebührenden Rang einräumt. Sie wird auch fürderhin im Rahmen ihrer NATO-Verpflichtungen wiederum einen erheblichen Beitrag leisten. Diesem Bündnis ist vielleicht noch zu keiner Zeit größere Bedeutung zugekommen als heute.
Für die künftigen Anstrengungen im Rahmen der NATO wird die an unseren Grenzen entstandene neue Lage möglicherweise nicht ohne Einfluß bleiben. Fernab von jeder Hektik in der Beurteilung dieser Vorgänge werden wir die neue und jeweilige Situation sehr sorgfältig prüfen. Bereits jetzt müssen wir uns bewußt sein, daß hier im Rahmen der Finanzplanung über das Jahr 1969 hinaus ein von uns nicht zu verantwortendes und auch nicht zu beeinflussendes Risiko liegt, ein Risiko nämlich, daß im Interesse unserer Sicherheit Opfer verlangt werden können. Wir halten gar nichts von einer Politik des Säbelrasselns.
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Uns kann und soll nicht jede Provokation zu heftigen Reaktionen reizen. Wir müssen aber unseren Willen zur Selbstverteidigung, falls erforderlich, entsprechend zum Ausdruck bringen,
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unter Umständen stärker, als es in der Vergangenheit geschehen ist.
Wenn wirklich Umstände erkennbar würden, die aus zwingenden Gründen eine Überschreitung des in der Planung vorgesehenen Rahmens für die Verteidigung und für den Devisenausgleich nach sich ziehen, sollte jedermann wissen, daß vermehrte Opfer für Sicherheit nicht ohne Folgen für die gesamtwirtschaftliche Entwicklung gefordert werden können.
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Daß Sicherheit bei vermehrter Bedrohung sozusagen gratis, ohne irgendwelche Verzichte - sei es in Bezug auf Mehreinnahmen, sei es in bezug auf Einschränkungen von Ausgaben -, uns so magisch wie der deus ex machina hilfreich erscheinen könnte, dieser Meinung wird sich hoffentlich niemand hingeben.
Die besondere Situation Berlins ist der Öffentlichkeit durch die jüngsten Erschwernisse der Ostberliner Regierung für den Berlin- und Interzonenverkehr erneut vor Augen geführt worden. Die Bundesregierung hat schnell reagiert. Sie hat die betroffenen Personen und Unternehmen von den finanziellen Belastungen der Ostberliner Maßnahmen freigestellt und den Flugverkehr Hannover-Berlin weiter verbilligt. Die Bundesregierung setzt ihre Bemühungen fort, die Lebensfähigkeit und Wirtschaftskraft Berlins zu stärken. Das kommt in der Bemessung der Bundeshilfe an den Berliner Haushalt zum Ausdruck. Sie ist gegenüber dem Vorjahr um weitere 159 Millionen DM auf 2564 Millionen DM in der Planung des Haushaltes für 1969 erhöht worden.
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Bei der Gesamtberechnung dessen, was Beitrag für Sicherheit bedeutet, bei der Bewertung der Lasten, die die einzelnen Bündnismitglieder zu tragen haben, können wir nicht darauf verzichten, daß unsere beträchtlichen wirtschaftlichen und finanziellen Leistungen für Berlin entsprechend in Ansatz gebracht werden.
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Das gilt nicht nur für die Übertragung von Haushaltsmitteln, das gilt auch für den Verzicht auf Steuereinnahmen. Darüber hinaus steht der Bund wie in den Vorjahren mit einer Bürgschaftszusage hinter den notwendigen Anleihen Berlins. Diese Maßnahmen sind ergänzt durch eine vorzeitige und diesmal unbefristete Verlängerung und Ausweitung der steuerlichen Hilfsmaßnahmen. Weitere sind in Vorbereitung. Bei Investitionen soll das politische Risiko stärker abgedeckt werden. Im übrigen werden die Bemühungen fortgesetzt, den Zuzug von Arbeitskräften zu fördern. Aber, erlauben Sie mir den Hinweis, die Lösung der Berlin-Problematik liegt nicht im Bundeshaushalt; sie liegt bei der inneren Ordnung und der äußeren objektiven und subjektiven Sicherheit dieser Stadt, also in der großen Politik.
Nun noch einige Akzente und Schwerpunkte, was Zukunftsorientierung anbetrifft. 1969 steht die Förderung von Wissenschaft und Forschung an erster Stelle. Für unsere künftige wirtschaftliche und politische Stellung in der Welt sind die Anstrengungen auf diesem Gebiet von entscheidender Bedeutung. Daran hängt das weitere Wachstum unserer Wirtschaft. Wir als Industrienation mit hoher Exportabhängigkeit stehen in einem weltweiten Wettbewerb gerade in den zukunftsträchtigen und technisch interessanten Bereichen. Im Bundeshaushalt 1969 werden deshalb fast 4 Milliarden DM - das sind 350 Millionen DM mehr als im laufenden Rechnungsjahr - für Zwecke der wissenschaftlichen Forschung zur Verfügung gestellt. Davon entfallen auf den Einzelplan des Wissenschaftsministers 2,2 Milliarden; das sind 13 % mehr als im Vorjahr.
Im Durchschnitt der Jahre bis 1972 hat sich die Bundesregierung eine Steigerung der Ausgaben dieses Haushaltes durchschnittlich Jahr für Jahr von 20 v. H. zum Ziele gesetzt. Dabei unterstreicht die Bemessung der Steigerungsbeträge in den einzelnen Jahren die Notwendigkeit, die Mittel sinnvoll und
rationell auszugeben. Dafür ist eine kontinuierliche und planvolle Arbeit erforderlich.
Der Mitteleinsatz im Hochschulausbau wird wesentlich verstärkt. Mit großer Sorge verfolgt die Bundesregierung die Entwicklung in den Länderhaushalten, die sich vielfach nicht in der Lage sehen, entsprechend den geltenden Verwaltungsabkommen eine Bleichhohe Quote bereitzustellen. Der Bundeswissenschaftsminister sucht gemeinsam mit den Ländern nach Möglichkeiten, die Länderetats im Forschungsbereich mit dem Ziel einer Aufstockung der Ausgaben für den Ausbau der Hochschulen zu entlasten.
Ein beachtlicher Schwerpunkt liegt bei der Förderung der friedlichen Nutzung von Kernforschung und Kerntechnik, einem Gebiet, auf idem unbestritten Erfolge erzielt sind, die nicht zuletzt den Förderungsmaßnahmen des Bundes seit Ende 1955 zu verdanken sind.
Die Aufwendungen für die Weltraumforschung und die Luftfahrtforschung werden im Rahmen des mittelfristigen Programms erhöht. Auch die Förderung der elektronischen Datenverarbeitung gewinnt im Bereich des Bundeswissenschaftsministers wie des Wirtschaftsministers zunehmende Bedeutung.
Neu in den Förderungskatalog ist die Forschung und Entwicklung auf dem Gebiet neuer Technologien aufgenommen worden, d. h. in den sich schnell entwickelnden Bereichen der angewandten Mathematik und der technisch orientierten Naturwissenschaften.
Die unmittelbaren Ausgaben zur Förderung von Wissenschaft und Forschung werden noch ergänzt durch die Einführung einer 10%igen Investitionszulage für Anlageinvestitionen der gewerblichen Wirtschaft, die der Forschung und der technischen Entwicklung dienen. Mit der Gesamtheit dieser Maßnahmen unterstreicht die Bundesregierung ihre Absicht, alles in ihren Kräften stehende zu tun, um die notwendigen Voraussetzungen für den weiteren technischen Fortschritt und damit eine auch in Zukunft gesicherte wirtschaftliche Entwicklung zu schaffen.
Hervorragende Bedeutung kommt in diesem Zusammenhang der Ausbildungsförderung zu. Die Verbesserung der Ausbildungsförderung berührt sich eng mit der Frage einer Verbesserung des Familienlastenausgleichs. Bei der Knappheit der zur Verfügung stehenden Mittel mußten wir leider eine Entscheidung treffen, nicht die zusätzlichen Mittel halbe-halbe aufzuteilen, sondern zu fragen: welche der beiden Aufgaben genießt angesichts der Gesamtorientierung unserer Politik Vorrang? Darum hat die Bundesregierung eine Verbesserung der Ausbildungsförderung mit Priorität gegenüber der Verbesserung des allgemeinen Familienlastenausgleichs ausgestattet. Es geht dabei nicht nur um den Grundsatz gleicher Bildungschancen für alle; es geht auch um die bessere Ausnutzung unseres Bildungs und Begabungsreservoirs. Bei den mit der wirtschaftlichen Dynamik verbundenen Strukturveränderungen werden in den kommenden Jahren und Jahrzehnten an die geistige Mobilität unserer Arbeitskräfte wesentlich höhere Anforderungen gestellt werden als jemals seit Beginn des Industrialisierungsprozesses vor vielen Generationen.
Nach den Vorstellungen der Bundesregierung soll mit den zusätzlich bereitgestellten Mitteln zugleich ein Ansatzpunkt zu einer Zusammenfassung und Verbesserung der bisherigen Maßnahmen, d. h. einer Zusammenlegung statt der Kategorienförderung, erreicht werden. Allerdings, Pläne, die dia oder dort erarbeitet worden sind und die allein zusätzliche Mittel des Bundes bis zu einer Größenordnung von 3 Milliarden DM erfordern würden, entbehren leider der Realistik, die wir ihnen gern einräumen würden.
Auf den Gebieten der Energiepolitik, der Luftfahrt und der Datenverarbeitung sind wesentlich erhöhte Mittel eingesetzt worden.
Besonderen Wert haben wir darauf gelegt, im Haushalt zum Ausdruck zu bringen, .daß wir die Verbesserung unserer Wirtschaftsstruktur, die Schaffung gleichmäßiger Lebensverhältnisse und ein Wachstum auch in den bisher zu kurz gekommenen Gebieten durch Einsatz der staatlichen Haushaltspolitik fördern wollen. Es gibt eine Reihe von Gebieten, in denen regionale oder strukturelle Probleme bestehen. Hier waren wir uns einer Problematik bewußt, daß nämlich eine Summe von Maßnahmen für regionale Strukturpolitik zum Schluß auch nicht ohne konjunkturelle Auswirkungen bleiben kann. Darum sind wir bei der Zuweisung von Mitteln für die Lösung regionaler und struktureller Probleme nicht so weit gegangen, wie es da oder dort, wie es vor allen Dingen vom Bundesrat oder von .den betroffenen Ländern gewünscht worden ist. Aber immerhin, das von der Bundesregierung beschlossene Strukturprogramm, an dem sich auch 'die Nürnberger Anstalt beteiligen wird, wird in den Jahren 1968 bis 1970 zusätzliche Investitionen in Höhe von rund 1,3 Milliarden DM auslösen. Die dafür zur Verfügung stehenden 'Bundesmittel in Höhe von 270 Millionen DM für .die Zeit bis 1972 werden als Zuschüsse und Zinszuschüsse eingesetzt.
Im Ruhrgebiet werden schwerpunktmäßig Verkehrsinvestitionen gefördert, auch im Hinblick auf die Verbesserung der Mobilität der Arbeitskräfte. Im Saarland und im angrenzenden Gebiet von Rheinland-Pfalz soll Industriegelände erschlossen und das Straßennetz verbessert werden. Im Zonenrandgebiet, in den Bundesfördergebieten und Bundesausbaugebieten stehen Maßnahmen der kommunalen Infrastruktur im Vordergrund. Zeitlich vorgezogene Baumaßnahmen an Bundesfernstraßen sollen die Verbindung gerade des Zonenrandgebietes mit dem übrigen Bundesgebiet verbessern.
Daneben sollen durch eine Aufstockung der Zuschußmittel des Regionalfonds die regionalen Hilfsmaßnahmen des Bundes zur Steigerung der Wirtschaftskraft verstärkt werden.
Zur Förderung der Industrieansiedlung wird außerdem eine Investitionsprämie in Höhe von 10 % der Anschaffungs- oder Herstellungskosten eingeführt, mit der die Bundesregierung die Schaffung von 20 000 neuen Arbeitsplätzen jährlich in den Strukturgebieten zu erreichen hofft.
Es sei auch darauf hingewiesen, daß das ERP-Vermögen ebenfalls in den Dienst einer gezielten Regional- und Strukturpolitik gestellt werden soll.
Diese regionalen strukturpolitischen Maßnahmen müssen in engstem Zusammenhang mit dem vorgesehenen Agrarprogramm zur Verbesserung der Landwirtschaftsstruktur gesehen werden. Das ist ein weiterer Beweis dafür, daß die neue Finanzplanung die Probleme nicht mehr für einzelne Gebiete isoliert betrachtet, sondern eine Gesamtschau herbeiführt, die zwingend geboten ist.
Die Landwirtschaftspolitik stellt uns vor sehr komplexe Probleme. Ich habe bereits im vorigen Jahr ausgeführt, daß es das Ziel einer langfristigen Finanzplanung sein muß - unid wir haben dieses erklärte Ziel -, durch eine Neuorientierung der Landwirtschaftspolitik auf Dauer wettbewerbsfähige und von Einkommenshilfen unabhängige Landwirtschaftsbetriebe zu schaffen. Darum das neue Agrarprogramm, das dem Umstellungsprozeß eine ganz bestimmte Richtung gibt.
Zur Durchführung sind zusätzliche Mittel vorgesehen, und zwar von 265 Millionen DM im Jahre 1969 ansteigend auf 770 Millionen DM für das Jahr 1972.. Die für die regionale Wirtschaftsförderung außerhalb des Landwirtschaftshaushalts veranschlagten Mittel sind in diesen Beträgen nicht enthalten. Wenn auch mit diesen Steigerungsbeträgen noch nicht optimale Vorstellungen verwirklicht werden können, so stellen sie dennoch nach Auffassung der Bundesregierung eine tragfähige finanzielle Grundlage für die Verwirklichung dieses Programms dar, das sowohl der Verbesserung der Infrastruktur in den ländlichen Räumen als auch den Maßnahmen der Bildungs-, Umschulungs- und ländlichen Sozialpolitik noch zusätzlich dient.
Eine schwere Sorge, die ich letztes Jahr hier zum Ausdruck gebracht habe und die uns außen- wie innenpolitisch noch sehr zu schaffen machen wird, ist das Problem der EWG-Agrarpolitik. In diesem Zusammenhang nur ein kurzes Wort. Auf dem Agrarsektor sind 1968 wieder für die Zukunft bedeutsame Entscheidungen mit der Einführung der neuen Marktordnungen für Zucker und vor allem für Milch und Rindfleisch gefallen. Der gemeinsame Agrarmarkt ist entscheidend erweitert worden. Die Bedeutung dieser neuen Marktordnungen läßt sich am besten daraus ersehen, daß 40 % des landwirtschaftlichen Umsatzes in der Gemeinschaft aus der Rinderhaltung stammen und die Kosten aller drei Marktordnungen knapp 60 % der Gesamtausgaben des Brüsseler Agrarfonds im nächsten Abrechnungszeitraum ausmachen werden. Daraus ergibt sich eine steigende finanzielle Belastung, die man in der allgemeinen Bewertung der Bundesausgaben nicht schlechthin als „Hilfen für die deutsche Landwirtschaft" in einer die Öffentlichkeit irreführenden Weise subsumieren darf.
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Ich möchte mich auf diese Bemerkung beschränken.
Per Saldo, meine Damen und Herren, muß die Bundesrepublik im Rahmen der gemeinsamen Agrarfinanzierung für den laufenden Abrechnungszeitraum einen Betrag von rund 1,45 Milliarden DM für die Landwirtschaften der anderen Mitgliedstaaten aufbringen. In den folgenden Jahren wird sich die deutsche Nettobelastung noch erhöhen. 1969 strebt man die Verabschiedung von gemeinsamen Marktordnungen für Wein, Tabak - sehr problematisch wegen der Auswirkungen sowohl für Handelsströme und Verbrauchergewohnheiten als auch für den Steuerertrag! - sowie Fischereierzeugnisse an. 1970 läuft die dritte und damit letzte Rate der Getreidepreisausgleichszahlung aus der Sonderabteilung des Agrarfonds aus.
Die absehbare Entwicklung der finanziellen Belastung der Bundesrepublik, die wachsende Kritik der Offentlichkeit an den Auswirkungen dieser Agrarpolitik, die manche Manipulationen z. B. auf dem Milchsektor oder bei Obst und Gemüse schon als skandalös empfindet, zwingen meines Erachtens zu einer Überprüfung dieses Bereiches.
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Damit soll nicht die Bereitschaft der Bundesrepublik in Frage gestellt werden, für das große Werk der Einigung Europas Opfer zu bringen. Aber bei dem ständig steigenden Volumen des Brüsseler Agrarfonds besteht Anlaß, eine Begrenzung der Ausgaben ins Auge zu fassen, ohne das Prinzip der Gemeinschaftsfinanzierung damit über Bord zu werfen.
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Die Gelegenheit dazu bieten die Verhandlungen, die im nächsten Jahr über die Finanzierung der gemeinsamen Agrarpolitik für die Zeit nach dem 1. Januar 1970 geführt werden. Begrenzungsmöglichkeiten sehen wir bei den einzelnen Marktordnungen und beim Agrarfonds selbst. Auch der gegenwärtig noch gültige Beitragsschlüssel gilt nur noch bis zum Ende 1969 und kann von niemandem als „Heilige Kuh", die nicht angerührt werden darf, in Anspruch genommen werden.
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In allen diesen Punkten besteht die Möglichkeit, Korrekturen vorzunehmen, die der Vernunft und Gerechtigkeit dienen. Die Interessenlage anderer Länder wird die Verhandlungen nicht leicht machen.
. Wir haben darüber hinaus das Bestreben, die Finanzverfassung und die Haushaltsregelung der Gemeinschaften zu verbessern. Uns liegt daran, die Gemeinschaften auch in ihrem Bereich zu einer mittelfristigen Finanzplanung zu veranlassen. Da diese Ausgaben im Rahmen der gemeinsamen Agrarpolitik der Beeinflussung durch unsere Gesetzgebung entzogen sind, muß sichergestellt werden, daß wir bei der Schätzung der Kosten eine vorausschauende Finanzplanung der Kommission zugrunde legen können, damit wir zuverlässige Daten für wesentliche Bereiche unserer eigenen Finanzplanung haben.
Ich brauche in diesem Hohen Hause über die Bedeutung des Verkehrsbereiches nichts zu sagen. Er ist bereits zu einem vorrangigen Schwerpunkt in der Planung des letzten Jahres erklärt worden. Diese Priorität bleibt erhalten. Sie kommt zum AusBundesminister Dr. h. c. Strauß
druck in der überproportionalen Steigerung der Verkehrsaufwendungen, die mit 10,7 % erheblich über der Zuwachsrate des Gesamthaushalts von 5,4 % liegt. Im Durchschnitt der Jahre bis 1972 sollen die Verkehrsausgaben jeweils um 7,8 % erhöht werden. In absoluten Zahlen ausgedrückt: Gesamtausgaben auf dem Verkehrssektor im Jahre 1969 9,06 Milliarden DM und Kreditmittel von 1,1 Milliarden DM, für die der Bund mittelbar oder unmittelbar den Kapitaldienst übernimmt. Es reicht aber nicht aus, erhöhte Mittel zur Verfügung zu stellen, es bedarf auch einer koordinierten und bedarfsgerechten Verkehrsplanung, ein Thema, über das man sich hier in diesem Hause, in seinen Ausschüssen und in anderen Kreisen und Gremien schon reichlich unterhalten hat, weshalb ich keine weiteren Ausführungen hierzu mehr zu machen brauche.
Auch bei einem anderen kritischen Kapitel, das in der Offentlichkeit vielfach mißverstanden wird und deshalb auch starker Kritik ausgesetzt ist, finden wir eine überproportionale Erhöhung der Ausgaben, nämlich auf dem Gebiete der Entwicklungshilfe. Wenn man aber bedenkt, daß bereits bis Ende 1967 30 % aller Auslandsinvestitionen der deutschen Wirtschaft in Entwicklungsländern vorgenommen worden sind,
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wenn man bedenkt, was die ja erst in Erschließung befindlichen Märkte für den Wettkampf der großen Industrienationen bedeuten, dann sollte man das Thema Entwicklungshilfe nicht unter nationalistisch engstirnigen, poujadistisch aufgezäumten und kleinkarierten Gesichtspunkten zum Gegenstand demagogischer Proklamationen machen.
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Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ein schwieriges Kapitel, bei dem uns Verhandlungen bevorstehen, die nicht leicht zu führen sein werden, ist das Kapitel der Besoldungspolitik. Der Bund hat für das Jahr 1969 einen Globalansatz für neue Besoldungs- und Tarifverbesserungen im Jahre 1969 von 894 Millionen DM eingestellt. Das sind 260 Millionen DM mehr an personellen Verstärkungsmitteln für 1969, als ursprünglich vorgesehen waren. Wir wollen damit einmal die Bediensteten der öffentlichen Hand, Arbeiter, Angestellte und Beamte, mit der Einkommensentwicklung - ich denke an die privatwirtschaftlichen Bereiche -, so gut wir können, gleichstellen. Wir wollen bei der Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt den Staat nicht von vornherein in eine schlechtere Position versetzen. Wir wollen auch die Voraussetzungen schaffen, um eine Harmonisierung der Beamtenbesoldung herbeizuführen. Aber ich muß hier in allem Ernste zum Ausdruck bringen, daß dieser Ansatz ohne schmerzliche Kürzungen an anderen Stellen, ohne Auswirkungen auf andere Gebiete, unter Umständen auch unter dem Gesichtspunkt konjunktureller Probleme nicht erhöht werden kann. Und nehmen Sie mir eine Bemerkung nicht übel: So große Begeisterung lösen Mehrausgaben auf dem Gebiete des öffentlichen Dienstes in der allgemeinen öffentlichen Meinung auch nicht aus, daß wir hier nicht auch gewisse warnende Grenzen, so will ich einmal sagen, sehen sollten.
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- Das gilt auch für andere Gebiete, selbstverständlich. Aber ich habe soeben gesagt, daß wir 260 Millionen DM mehr als ursprünglich vorgesehen in den Haushalt 1969 eingesetzt haben, daß wir die Bediensteten der öffentlichen Hand an der allgemeinen Entwicklung teilhaben lassen wollen, daß wir den Staat auf dem Arbeitsmarkt nicht als Nachfrager in eine schlechte Konkurrenzposition drücken wollen. Und Sie können bei mir unterstellen, daß ich schon auf Grund meiner eigenen Ausbildung und früheren Tätigkeit ein Freund des öffentlichen Dienstes bin. Ich habe nur kein Verständnis für Forderungen, die damit begründet werden: Jetzt geht es uns wieder besser, also können wir das, was wir früher verlangt haben, nunmehr wieder aufgreifen.
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Dafür habe ich kein Verständnis aus Gründen, die
ich hier nicht mehr im einzelnen darzulegen brauche.
Schließlich darf ich zur Vermögenspolitik nur anführen die Einführung von Zusatzprämien für die unteren Einkommensschichten, die Novellierung des Zweiten Vermögensbildungsgesetzes zur Beseitigung sozialer Härten dieses Gesetzes und die Herausgabe eines voraussichtlich Anfang Januar erscheinenden Bundesschatzbriefes.
Meine sehr verehrten Damen und Herren. Wir haben einen Subventionsbericht vorgelegt, und wir werden in gebührendem Abstand wieder einen vorlegen. Wenn man diesen Bericht in seinen Einzelheiten kritisch liest, gewinnt man die Erkenntnis, daß es eine Illusion wäre, zu glauben, die Finanzhilfen könnten eines Tages ganz verschwinden und der Staat könnte sich aus der Förderung durch sichtbare Finanzhilfen oder unsichtbare Steuerhilfen völlig zurückziehen, nur eine beobachtende Nachtwächterfunktion ausüben und im übrigen alles dem Automatismus des Spiels der freien Kräfte überlassen. Ich glaube, das werden wir angesichts der durch Wissenschaft und Technik hervorgerufenen Änderungs- und Umstellungsprozesse in unserem Leben nicht mehr erleben, daß der Staat sich aus diesen Bereichen voll zurückziehen kann. Und im allgemeinen gibt es erstens keine Subventionen bei denen, die sie beziehen, weil sie dafür eine andere Bezeichnung mit Rechtfertigung haben, zweitens haben nur andere Subventionen, dritten sind die eigenen Subventionen lebenswichtig, und viertens dienen sie der Zukunftssicherung.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, was auf dem Gebiet steuerlicher Hilfen an Abbau möglich und notwendig ist, wird durch die von uns beabsichtigte, demnächst ihre Arbeit aufnehmende Kommission gründlich geprüft werden. Wir haben uns gestern in dem dafür geeigneten Kreis unterhalten, wie diese Kommission endgültig aussehen
soll. Ich kann nunmehr in den nächsten Tagen mit der Bildung dieser Kommission beginnen und sie einladen, ihre erste Arbeitssitzung abzuhalten. Ich
erwarte, daß diese Kommission in einem Zeitraum von eineinhalb bis zwei Jahren ihr Arbeitsergebnis vorlegt, nämlich ein vereinfachtes Steuerrecht, ein gerechtes Steuerrecht. Aber erlauben Sie mir die pessimistische Bemerkung, daß „einfach" und „gerecht" zwei Zielorientierungen darstellen, die auf Kollisionskurs zueinander stehen. Ich könnte mich noch mehr zu dem Lieblingsthema äußern, aber ich habe mich dazu schon des öfteren geäußert.
Mit der Finanzplanung, die die künftige Entwicklung nicht mehr Zufälligkeiten überläßt, mit der Neuregelung des Haushaltsrechts in Würdigung der neuen Funktion der Finanzpolitik, mit der Reform der Finanzverfassung zur Verbesserung der Wirkungsmöglichkeiten der öffentlichen Hand, mit der Aufnahme der Arbeit im Finanzplanungsrat mit dem Ziel, ein gleichgerichtetes Verhalten der öffentlichen Hände herbeizuführen und nicht zuletzt mit der Schaffung eines wettbewerbsneutralen Umsatzsteuerrechts wird der Durchbruch zu einer im echten Sinne des Wortes modernen Finanzpolitik einen Schritt weiter gelingen und weitgehend abgeschlossen sein.
Zur Finanzplanung und zum Haushalt 1969, die das eigentliche Thema meiner Rede waren, glaube ich feststellen zu dürfen, daß sich die Bundesregierung ehrlich unter Abwägung aller Interessen und in Kenntnis aller Schwierigkeiten um eine vertretbare Gesamtkonzeption bemüht hat, eine Gesamtkonzeption, die die Bedürfnisse der Gegenwart und der Zukunft angemessen aufeinander abstimmt. Es liegt nun bei Ihnen in diesem Hohen Hause, diesen Rahmen mit der Entscheidung über den Bundeshaushalt 1969 auszufüllen. Ich habe die Bitte, daß Sie dabei die Zielsetzungen der Finanzplanung im Auge behalten. Schon jetzt ist diese Finanzplanung mit einigen Risiken, die ich vorher aufgezählt habe, belastet, und es können unerwartete Situationen auftreten, die dann aus Gründen, die wir nicht zu kontrollieren in der Lage sind, zu Änderungen zwingen, und deshalb ist die Einhaltung des Rahmens um so gebotener.
Ich habe den Wunsch, daß der Finanzminister, der den nächsten Haushalt vorzulegen hat, und zwar den nächsten nach Verabschiedung des Haushaltsrechts, bereits in der Lage sein wird, seinen Haushalt so einzubringen, wie es erfreulicherweise der Haushaltsausschuß vorgeschlagen hat: nämlich bei den beiden gesetzgebenden Körperschaften des Bundes gleichzeitig. Ich halte diesen Vorschlag, der uns bei der Vorbereitung der Haushaltsrechtsreform nicht eingefallen ist, für einen echten Fortschritt in der Entwicklung eines kooperativen Föderalismus im Zusammenwirken der beiden gesetzgebenden Körperschaften Bundestag und Bundesrat. .
Die finanziellen Auswirkungen, meine Damen und Herren, der in der Zeit vom 1. Januar 1965 bis 6. Juli 1965, also in sechs Monaten des Wahljahres 1965 verabschiedeten Gesetze waren folgende: Mehrausgaben für die Jahre 1965 und 1966 5,5 Milliarden DM und Mindereinnahmen 800 Millionen DM; das heißt in sechs Monaten sind für zwei Jahre Mehrbelastungen in einer Größenordnung von 61/2 Milliarden DM geschaffen worden. Das darf sich nicht mehr wiederholen, auch deshalb nicht, weil das Jahr 1969 vier Jahre nach 1965 liegt.
Mit den gesetzlichen Maßnahmen zum Ausgleich der Haushalte 1966 und 1967 sind folgende Kürzungen auf der Ausgabeseite und Mehrbelastungen auf der Einnahmeseite zwangsläufig von uns erbeten und von Ihnen beschlossen worden: für das Jahr 1966 auf der Ausgabeseite Kürzungen von 3,2 Milliarden DM, auf der Einnahmeseite von 300 Millionen DM, für das Jahr 1967 auf der Ausgabeseite 3,4 Milliarden DM, auf der Einnahmeseite 2,8 Milliarden DM. Ich glaube nicht, daß diese Entscheidungen leichten Herzens getroffen worden sind und daß die Entschlüsse ohne Schwierigkeiten gefaßt werden konnten. Ich nenne diese Zahlen ohne Kommentar und ohne Wertung, weil sie für sich selbst sprechen.
Ein Konjunkturaufschwung verführt natürlich dazu, wieder neue Wünsche zu äußern. Zu meiner großen Überraschung hat der Bundesrat zur vorliegenden Finanzplanung folgende Anliegen unterbreitet: noch stärkere Erhöhung der Gemeindefinanzmasse ab 1970 zu Lasten des Bundes,
Weitergewährung der Ergänzungszuweisungen und der Strukturhilfen auch nach Verwirklichung der Finanzreform,
stärkere Ausstattung des Agrarhaushalts,
Anpassung der Kriegsopferversorgung bereits ab 1969,
Erhöhung des Kindergeldes schon vor 1972,
Berücksichtigung der Mittelaufbringung für das Arbeitsförderungsgesetz in der Finanzplanung.
Deckungsvorschläge für .diese umfangreichen Anregungen sind allerdings nicht gemacht worden.
({48})
Ich muß hier, weil die Sammlung der Wünsche auf eine etwas ungewöhnliche Art zustande gekommen und in die Gesamtempfehlung eingegangen ist, die Frage stellen: Welche Ausgaben des Bundes können unter den Gesichtspunkten, die ich heute vor Ihnen abermals genannt habe, so gekürzt werden, daß die Wünsche, die auch wir kennen, erfüllt werden können?
({49})
Ist man bereit, dem Bund einen so hohen Anteil an der Einkommen- und Körperschaftsteuer zu gewähren, daß diese Wünsche berücksichtigt werden können,
({50})
oder ist man der Meinung, daß man jetzt mit Steuererhöhungen vorgehen kann, oder ist man der Meinung, daß die 3,6 Milliarden DM Nettokreditaufnahme, die die Grenze des Zulässigen darstellen, aber noch unbedenklich sind, um die Beträge erhöht werden können, die zur Erfüllung dieser Empfehlungen notwendig sind, oder ist man der Meinung, daß die investiven und wachstumsfördernden Ausgaben des Bundes in dem Umfang vermindert werden sollen, in dem Mittel für ,die Erfüllung dieser Empfehlungen eingesetzt werden müssen, oder ist man
der Meinung, daß die Umstrukturierung des Haushalts aufgegeben und alles wieder dem Zufall jährlicher Haushaltspläne, die unter oft sehr willkürlichen Einflüssen in der Struktur so oder so gestaltet worden sind, überlassen werden darf?
({51})
Damit hätten wir einen wesentlichen Ertrag unserer harten Arbeit der beiden letzten Jahre verspielt, und das kann doch niemand von der Bundesregierung verlangen, auch die Länder nicht, die an dem Erfolg ihrer Arbeit ein legitimes Interesse haben müssen.
Es soll auch heute niemand so tun, als ob in der zurückliegenden Rezessionsphase irgend jemand zu kurz gekommen wäre und deshalb heute dieses oder jenes wieder schleunigst geändert werden müßte. Die Finanzplanung ist ein Spiegelbild der breiten Palette der Aufgaben des Bundes, die wegen ihrer unterschiedlichen Zielrichtungen Interessenkonflikte in sich bergen. Es gibt keine konfliktsfreie oder von Interessenkollision freie Finanzoder überhaupt Politik irgendwelcher Art.
({52})
Man muß sich darüber klar sein, daß die in der Finanzplanung vorgesehenen Ausgaberahmen sowohl von der Finanzierungsseite her als auch unter gesamtwirtschaftlichen Gesichtspunkten das Maximum dessen darstellen, was aus heutiger Sicht vertretbar ist.
Dieses Parlament hat im vergangenen Jahr gegen eine zum Teil sehr heftige Kritik die Gesundung der Bundesfinanzen gebilligt, durch mutige Entschlüsse herbeigeführt und damit ,die Basis dafür geschaffen, daß wir Ihnen eine planvolle Programmierung für die nächsten Jahre vorlegen können. Dieses Hohe Haus hat damit seine entscheidende Funktion abermals bewiesen. Vermeiden Sie jetzt bitte Entscheidungen, die das Errungene wieder aufs Spiel setzen könnten. Sie stellen jetzt .die Weichen. Ich übergebe Ihnen dieses Werk. Wir werden an ihm, vielleicht auch an der Erarbeitung von Verbesserungen, wo immer sie sich anbieten, mit allem, was an Sachverstand und kooperativer Haltung möglich ist, ehrlich mitarbeiten.
Von der Bewältigung dieser gemeinsamen Arbeit wird nicht nur für die 'Bewertung dieser Regierung, sondern auch für die weitere 'Gestaltung des Lebens unseres Volkes, auch im Hinblick auf die Menschen drüben im anderen Teil Deutschlands, mehr abhängen, als man gemeinhin Zahlen .zu unterstellen traut.
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Meine Damen und Herren, mit der Einbringung dieses Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1969 ist unsere Sitzung beendet. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages 'auf Donnerstag, den 17. Oktober 1968, 9 Uhr, ein.
Die Sitzung ist geschlossen.