Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet.
Meine Damen und Herren, zu Beginn der Sitzung habe ich Glückwünsche auszusprechen: Herrn Abgeordneten Franzen zum 65. Geburtstag,
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Herrn Abgeordneten Mattick zum 60. Geburtstag,
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Herrn Abgeordneten Weimer ebenfalls zum 60. Geburt st a g.
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Die Abgeordnete Frau Pieser hat am 26. Juli 1968 die Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag als Nachfolgerin für den durch Verzicht ausgeschiedenen Abgeordneten Stingl erworben. Ich begrüße sie in unserer Mitte und wünsche ihr eine gute Zusammenarbeit.
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Nach einer interfraktionellen Vereinbarung soll die Tagesordnung ergänzt werden um die in der Ihnen vorliegenden Liste bezeichneten Vorlagen. Darf ich davon ausgehen, daß Sie die Liste der Vorlagen haben; es ist u. a. das Amnestiegesetz. - Widerspruch erfolgt nicht; dann ist die Erweiterung beschlossen. Es wird vorgeschlagen, das Amnestiegesetz unmittelbar im Anschluß an die Fragestunde zu verabschieden. Wegen der übrigen Punkte bitte ich die Parlamentarischen Geschäftsführer, sich darüber zu verständigen, wann diese Punkte erledigt werden sollen.
In der 179. Sitzung des Bundestages sind auf Grund eines interfraktionellen Antrages - Drucksache IV/3350 - die Mitglieder der Rundfunkräte der gemeinnützigen Anstalt des öffentlichen Rechts „Deutsche Welle" und „Deutschlandfunk" gewählt worden. Die Fraktion der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands hat unter dem 25. Juni 1968 vorgeschlagen, für den aus dem Rundfunkrat „Deutschlandfunk" ausscheidenden Herrn Stephan Thomas die Abgeordnete Frau Renger in den Rundfunkrat zu entsenden. Dies ist in ähnlichen Fällen, wenn kein Widerspruch erhoben worden ist, durch das Haus einfach genehmigt worden. - Ist das Haus damit einverstanden? - Ich höre keinen Widerspruch; dann ist so beschlossen.
Die Fraktion der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands hat mit Schreiben vom 26. Juni 1968 gebeten, für den bei der Beratenden Versammlung des Europarates wie bei der Versammlung der Westeuropäischen Union ausscheidenden Abgeordneten Blachstein den Abgeordneten Dr. Kübler zum ordentlichen Mitglied zu wählen. -- Das Haus ist damit einverstanden; damit ist der Abgeordnete Dr. Kübler als ordentliches Mitglied der genannten Gremien gewählt.
Es liegt Ihnen eine Liste von Vorlagen der Bundesregierung vor, die keiner Beschlußfassung bedürfen und die nach § 76 Abs. 2 der Geschäftsordnung den zuständigen Ausschüssen überwiesen werden sollen:
Vorlage des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung
Betr.: Finanzierungsausgleich in der gewerblichen Unfallversicherung
Bezug: Beschluß des Bundestages vorn 8. Dezember 1967 - Drucksache V/3034zuständig: Ausschuß für Sozialpolitik ({4}), Haushaltsausschuß
Vorlage des Bundesministers für Wirtschaft
Betr.: Gesetz zur Anpassung und Gesundung des deutschen Steinkohlenbergbaus und der deutschen Steinkohlenbergbaugebiete vom 15. Mai 1968
Bezug: Beschluß des Bundestages vorn 3. April 1968 -Drucksache V/3069 zuständig: Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandstragen ({5}), Ausschuß für Sozialpolitik
Erhebt sich gegen die Überweisungen Widerspruch? - Das ist nicht der Fall; dann ist so beschlossen.
Der Ältestenrat empfiehlt, wie in den vergangenen Jahren, für die Einreichung von Mündlichen Anfragen während der Sommerpause abweichend von der Geschäftsordnung folgende Regelung zu treffen: Jeder Abgeordnete ist berechtigt, in den Monaten Juli und August je drei Mündliche Anfragen einzureichen. Die Anfragen für den Monat .Juli müssen spätestens bis zum 31. Juli, 17.00 Uhr, die Anfragen für August bis Freitag, den 30. August, eingehen. Mündliche Anfragen, die in den Monaten
Vizepräsident Dr. Jaeger
Juli bis August eingereicht werden, werden von der Bundesregierung schriftlich beantwortet. Mündliche Anfragen, die im September gestellt werden, werden gemäß den Richtlinien für die Fragestunde mündlich beantwortet, wenn der Fragesteller sich nicht mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt. Sperrfrist für die Einreichung von Fragen für die Fragestunde der ersten Plenarsitzungen nach der Sommerpause ist gemäß Nr. 9 der Richtlinien Freitag, der 27. September, 17.00 Uhr.
Die übrigen amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Präsident des Bundestages hat am 26. .Juni 1968 die Verordnung zur Änderung der Regelung der Bezüge und der sozialen Sicherheit der Atomanlagenbediensteten der Gemeinsamen Kernforschungsstelle, die in der Bundesrepublik Deutschland dienstlich verwendet werden, - Drucksache V/3096 - an den Innenausschuß überwiesen mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat, die voraussichtlich im Juli erfolgen wird.
Der Vorsitzende des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat mit Schreiben vom 16. Mai, 18. Juni und 21. Juni 1968 mitgeteilt, daß bei nachstehenden Verordnungen von einer Beratung abgesehen wurde und auch seitens mutbeteiligter Ausschüsse keine Bedenken erhoben wurden, nachdem die Verordnungen entweder veröffentlicht oder anderweitig erledigt sind:
Verordnung sowie der Entwurf einer Entschließung des Rates
- zur Festsetzung der ab 1. Februar 1968 geltenden Höchstbeträge der Erstattung bei der Erzeugung von Zucker, der in der chemischen Industrie verwendet wird
- zur Gewährung einer Erstattung bei der Erzeugung von Zucker, der zur Herstellung bestimmter chemischer Erzeugnisse, die ebenfalls aus Stärkeerzeugnissen hergestellt werden können, verwendet wird
- Drucksache V/2522 -Verordnung des Rates zur Anderung der Verordnung Nr. 120/67/EWG über die gemeinsame Marktorganisation für Getreide, insbesondere hinsichtlich der Berichtigung der im voraus festgesetzten Erstattung und der für Italien vorgesehenen besonderen Maßnahmen
- Drucksache V/2607 -Verordnung des Rates
a) über besondere Interventionsmaßnahmen für Reis
b) zur Änderung der Verordnung Nr. 174/67/EWG über besondere Interventionsmaßnahmen für Getreide
- Drucksache V/2652 -Verordnung des Rates zur Festsetzung des Schwellenpreises für Getreide für das Wirtschaftsjahr 1958/1969
- Drucksache V/2669 Verordnung des Rates zur Festsetzung der abgeleiteten Interventionspreise, der Zuckerrübenmindestpreise und Schwellenpreise sowie über die Produktionsabgabe für das Zuckerwirtschaftsjahr 1968/1969
- Drucksache V/2670 Verordnung des Rates über die besonderen Maßnahmen für die Käufe von Butter aus privaten Beständen durch die Interventionsstellen
- Drucksache V/2746 Der Vorsitzende des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat am 11. Juni 1968 mitgeteilt, daß dar federführende Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten sowie der mitbeteiligte Haushaltsausschuß bei den nachstehenden Verordnungen keine Bedenken erhoben haben:
Verordnung des Rates zur Festsetzung einer Übergangsvergütung für die am Ende des Wirtschaftsjahres 1967/19611 vorhandenen Bestände an Weichweizen, Hartweizen und Mais
Verordnung ({6}) Nr. 51868 des Rates vom 29. April 1968 zur Festsetzung des Grundpreises und des Ankaufspreises für Blumenkohl für die Zeit vom 1. Mai bis zum 31. Oktober 1968
Verordnung ({7}) Nr. 54268 des Rates vom 30. April 1968 zur Änderung der Verordnung Nr. 215/66/EWG hinsichtlich der Festsetzung des besonderen Preises frei Grenze für Milchpulver für Futterzwecke
Verordnung ({8}) Nr. 543/68 des Rates vom 1. Mai 1968 zur Änderung der Verordnung Nr. 841/67/EWG zur Festsetzung des Grundpreises und des Ankaufspreises für Apfelsinen
Der Vorsitzende des Finanzausschusses hat mit Schreiben vorn 11. Juni 1968 mitgeteilt, daß die nachstehenden Vorschläge der
Kommission der EWG durch das Inkrafttreten des Mehrwertsteuergesetzes gegenstandslos geworden sind:
Richtlinie des Rats betreutend das Siebzehnte Gesetz in,
Änderung des Umsatzsteuergesetzes in Deutschland
-Drucksache V/1975 Richtlinie des Rats über eine gemeinsame Methode zur Berechnung der in Artikel 97 des Vertrages vorgesehenen Durchchnittssätze
- Drucksache V/2033 -Der Vorsitzende des Ausschusses für Wirtschaft und Mittelstandsfragen hat am 19. Juni 1968 mitgeteilt, daß der Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandstragen und der mitberatende Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten die
Verordnung zur Verschiebung des Zeitpunkts des Inkrafttretens der Verordnung Nr. 408/67
- Drucksache V/2523 -ohne besondere Bemerkungen zur Kenntnis genommen haben, da dieser Vorschlag überholt ist.
Damit, meine Damen und Herren, kommen wir zur Tagesordnung. Wir beginnen mit der
Fragestunde
- Drucksachen V/3085, V/3054, zu V/3054, Nachtrag zu V/3054 Zuerst kommen die Dringlichen Mündlichen Anfragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen, und zwar sind es drei Fragen des Abgeordneten Krammig:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß die Beneluxstaaten einen auf Artikel 37 Abs. 3 EWG-Vertrag gestützten Antrag ant Schutzmaßnahmen gegen Alkohol- und Spirituoseneinfuhren aus EWG-Staaten mit Branntweinmonopolen gestellt haben, dem voraussichtlich stattgegeben wird?
Weiß die Bundesregierung, daß Frankreich und Ration ebenfalls ihre bisherigen Einfuhrbelastungen bei Spirituosen nach dem 1. Juli d. J. beibehalten können, wodurch diese Länder sich auch nach dem 1. Juli 1968 vor wettbewerbsverzerrenden Spirituoseneinfuhren schützen können?
Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um die einseitige Schlechterstellung der deutschen Spirituosenindustrie nach horn 1. Juli 1968 zu vermeiden?
Herr Staatssekretär, bitte!
Leicht, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Ich möchte die drei Fragen des Herrn Kollegen Krammig, wenn es gestattet wird, zusammen beantworten.
Die Bundesregierung ist über einen Antrag der Niederlande nach Art. 37 Abs. 3 des EWG-Vertrages vom 16. November 1965 unterrichtet worden. Es ist ihr aber nicht bekannt, daß diesem Antrag voraussichtlich stattgegeben wird. Anträge Luxemburgs und Belgiens nach Art. 37 Abs. 3 des EWG- Vertrages sind der Bundesregierung nicht zugegangen.
Der Bundesregierung liegen keine Unterlagen darüber vor, daß die geltenden Zölle auf Spirituosen in Frankreich und Italien nach dem 1. Juli 1968 weiterhin erhoben werden können. Die jetzige Einfuhrbelastung könnte im gleichen Umfang nur durch eine Anhebung der inneren Abgabe in Höhe der wegfallenden Zölle erreicht werden. Eine solche Maßnahme wäre nur sinnvoll, wenn sie allein eingeführte Spirituosen träfe. Sie verstieße damit aber eindeutig gegen Art. 95 des EWG-Vertrages, wonach Waren aus anderen Mitgliedstaaten nicht mit höheren inländischen Abgaben belegt werden dürfen als gleiche inländische Erzeugnisse. Außerdem widerspräche die einseitige Mehrbelastung eingeführter Erzeugnisse als Abgabe zollgleicher Wirkung dem Art. 12 des EWG-Vertrages.
Parlamentarischer Staatssekretär Leicht
Die Bundesregierung hat die Kommission der Europäischen Gemeinschaften am 13. März 1968 um Ermächtigung nach Art. 226 des EWG-Vertrages gebeten, bei der Einfuhr von Waren der Tarifnummern 22.09 B und C - alkoholische Zubereitungen und alkoholische Getränke - aus den übrigen Mitgliedstaaten vom 1. Juli 1968 ab Ausgleichsabgaben in Höhe der geltenden Binnenzölle zu erheben. Damit sollen Wettbewerbsnachteile vermieden werden, die sich für die deutsche Branntweinwirtschaft nach dem Wegfall der Zölle aus den geringeren Preisen für Agraralkohol in den Partnerländern ergeben können. Über diesen Antrag ist bisher nicht entschieden worden. Deshalb hat die Bundesregierung zur Abwehr von Marktstörungen der EWG-Kommission einen Dringlichkeitsantrag nach Art. 226 Abs. 2 des EWG-Vertrages vorgelegt.
Die Bundesmonopolverwaltung für Branntwein wird Einfuhrgenehmigungen nach § 3 des Branntweinmonopolgesetzes für Spirituosen aus den Mitgliedstaaten bis zur Entscheidung über den Antrag nach Art. 226 nicht erteilen. Das schließt zwar nicht aus, daß im Rahmen der auf Grund einer Empfehlung der Kommission eröffneten Quoten Einfuhren aus EWG-Ländern weiterfließen; doch können bei voller Ausnutzung der Quoten höchstens 0,7 % des Trinkbranntweinabsatzes in die Bundesrepublik eingeführt werden.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß, wenn jetzt die Zölle wegfallen, inländische Unternehmen in den Freihafen Hamburg exportieren, dann an einen Holländer dort verkaufen und von dort die Ware wieder nach Deutschland hereinbringen und an der Flasche rund 70 Pf vereinnahmen können?
Leicht, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Ich kann das natürlich nicht ohne weiteres bestätigen, Herr Kollege Imle. Aber wenn das so sein sollte, werden wir uns bemühen, solche Dinge zu verhindern. Das tun wir ja schon jetzt. Was ich soeben auf die Fragen des Kollegen Krammig ausgeführt habe, vor allen Dingen der letzte Teil, bestätigt doch, daß wir im Augenblick alles versuchen, um auch solche Dinge zu unterbinden.
Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Imle.
Herr Staatssekretär, ist noch versucht worden, jetzt in den allerletzten Tagen durch ein Gespräch mit dem Kommissar von der Groeben eine schnelle Entscheidung herbeizuführen?
Leicht, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Ich kann nur sagen, daß laufend Gespräche geführt werden, Herr Kollege Imle. Daß wir natürlich auf Entscheidungen drängen, das beweist auch, daß wir nunmehr noch einmal den Dringlichkeitsantrag gestellt haben.
Auch das gibt doch Veranlassung, festzustellen, daß alles getan wird, um hier Dinge zu verhindern, die nicht schön wären.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Hauser.
Herr Staatssekretär, wurde der Dringlichkeitsantrag nach Art. 226 oder nach Art. 235 des EWG-Vertrages, also an den Rat oder an die Kommission, gestellt?
Leicht, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Der Dringlichkeitsantrag wurde gemäß Art. 226 des EWG-Vertrages gestellt. Ein Vorgehen nach Art. 235 des EWG-Vertrages hält die Bundesregierung nicht für sinnvoll, da die Anwendung dieser Vorschrift außer einem einstimmigen Ratsbeschluß noch die Anhörung des Europäischen Parlaments voraussetzt. Die Schutzklausel des Art. 115 des EWG-Vertrages, von der auch gesprochen werden könnte, bietet keine Grundlage für einen Antrag auf Schutzmaßnahmen gegenüber EWG-Staaten.
Eine zweite Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Hauser.
Darf ich darüber hinaus fragen, Herr Staatssekretär: Wurde der Antrag mit darauf gestützt, daß die Bundesregierung im Jahre 1963, als sie auf Empfehlung der EWG-Kommission für nicht liberalisierte Spirituosen Einfuhrkontingente eröffnete, einen schriftlichen Vorbehalt aussprach, daß insbesondere Italien seine Steuerdiskriminierung bei der Einfuhr von. Spirituosen beseitigen müßte?
Leicht, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Ich darf die Frage vielleicht so beantworten: Der Bundesregierung sind die eindeutig diskriminierenden Belastungen eingeführter Spirituosen in Frankreich durch eine surtaxe und in Italien durch die Unterstellung einer überhöhten Steuerbemmessungsgrundlage bekannt. Die Kommission der EWG hat sich mit diesen Diskriminierungen bereits befaßt, ohne daß allerdings bisher - zu unserem Bedauern muß man das feststellen - Änderungen eingetreten sind.
Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.
Wir kommen nunmehr zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts, zuerst zu der Frage 39 der Frau Abgeordneten Dr. Maxsein:
Bis wann kann mit der Vorlage der Zustimmungsgesetze zu dein 1963 unterzeichneten Europäischen Übereinkommen über die Anerkennung von akademischen Graden und Hochschulerzeugnissen und dem 1964 unterzeichneten Zusatzprotokoll zur Europäischen Konvention über die Gleichwertigkeit der Reifezeugnisse gerechnet werden, die nach Auskunft des Bundesaußenministers in der Fragestunde vom 9. Dezember 1965 in wenigen Monaten erfolgen sollte und nach einer weiteren Auskunft in der Fragestunde vom 30. November 1966 „in Kürze" erwartet werden könne?
Sie wird in Übereinstimmung mit der Antragstellerin schriftlich beantwortet. Die Antwort liegt noch
Vizepräsident Dr. Jaeger
nicht vor. Sie wird nach Eingang im Sitzungsbericht abgedruckt.
Dann komme ich zur Frage 40 des Herrn Abgeordneten Gierenstein:
Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung zur baldigen Einstellung des grauenhaften Mordens in Nigeria ({0}) und im Südsudan beizutragen?
Herr Staatssekretär, ich darf bitten!
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Herr Präsident, darf ich darum bitten, ein besonderes Verfahren zu wählen, nämlich zu den beiden Bereichen Nigeria und Südsudan getrennt zu antworten, aber innerhalb dieser beiden Bereiche die beiden Fragen jeweils zusammen. Ich glaube, daß das vereinfachend ist.
Jawohl. Dann rufe ich auch die Frage 41 des Herrn Abgeordneten Gierenstein auf:
Leistet die Bundesrepublik Deutschland an die beiden in Frage 40 genannten Länder Hilfen - ggf. in welcher Höhe im Rahmen der wirtschaftlichen Zusammenarbeit?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Zunächst also zu dem Komplex Nigeria.
Gespräche über einen Waffenstillstand in Nigeria haben vom 23. bis zum 31. Mai in Kampala zwischen der Zentralregierung in Lagos und den Vertretern der Ostregion „Biafra" stattgefunden. Sie wurden anschließend nochmals in London aufgenommen. Die Gespräche sind bisher ergebnislos abgebrochen worden. Die Föderationsregierung fordert den Fortbestand der Einheit Nigerias und die Anerkennung der Neugliederung in zwölf Staaten. Biafra war dagegen vorläufig nicht bereit, die Unabhängigkeitserklärung zu widerrufen, und sieht die von Lagos gegebenen Garantieerklärungen für die Ibos als unzureichend an.
Bemühungen der Organisation der Afrikanischen Einheit, des Commonwealth-Sekretariats sowie der britischen Regierung um eine Einigung sind somit bisher ergebnislos geblieben. Es ist jedoch zu hoffen, daß Vermittlungsverhandlungen mit Hilfe der britischen Regierung in Kürze wieder in London aufgenommen werden. Entsprechende Gespräche sind in den letzten Tagen geführt worden. Die Vereinten Nationen haben eine Befassung mit dem Bürgerkrieg abgelehnt, da es sich um eine innerstaatliche Auseinandersetzung handle.
Der deutschen Regierung sind eigene, unmittelbare Beiträge zur Überwindung des gegenwärtigen Zustands leider nicht möglich. Die Bundesregierung wünscht die Einstellung der Kampfhandlungen und würde stärkere Möglichkeiten zur Gewährung humanitärer Hilfe begrüßen.
Ich wiederhole meine in der Fragestunde des Bundestages vom 29. März 1968 abgegebene Erklärung, daß „die deutsche Regierung wiederholt auf offizieller Ebene Lagos ihre Besorgnisse wegen der blutigen Auseinandersetzungen und ihre Hoffnung auf einen für alle Teile annehmbaren Kornpromiß zum Ausdruck gebracht" hat. Dies ist auch in der Zwischenzeit wiederholt geschehen und wird weiterhin geschehen.
Die deutsche Regierung hat Nigeria 1962 eine Rahmenzusage von 100 Millionen DM Kapitalhilfe gegeben, für die insbesondere eine große Brücke in Lagos und Landkrankenhäuser im Norden gebaut worden sind. Die Projekte wurden im wesentlichen abgeschlossen.
Kürzliche Pressemeldungen über angebliche deutsche Lieferungen von Kriegsschiffen nach Nigeria sind falsch. Richtig ist, daß im Mai 1966, d. h. lange vor Ausbruch des Bürgerkrieges, von der nigerianischen staatlichen Schiffahrtskompanie vier Frachtschiffe von je rund 9000 BRT in Deutschland bestellt wurden, von denen das erste im April 1968 fertiggestellt worden ist und die anderen drei in den kommenden sieben Monaten ausgeliefert werden sollen.
Herr Staatssekretär, darf ich Ihren Ausführungen entnehmen, daß weitere Hilfen im Rahmen der wirtschaftlichen Zusammenarbeit nicht gewährt werden?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Das steht im Augenblick nicht zur Debatte.
Dann habe ich eine weitere Frage: Ist die Bundesregierung bereit, im Rahmen der künftigen wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit diesen Ländern Möglichkeiten der Einflußmaßnahme auf das Geschehen in den beiden Ländern zu ergründen?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Herr Kollege, in diesem Hause war bisher eigentlich Einigkeit darüber, daß die Fragen der wirtschaftlichen Zusammenarbeit von der Berücksichtigung tagespolitischer Auseinandersetzungen und Ereignisse möglichst frei gehalten werden. In diesem Falle wird es sich allerdings kaum vermeiden lassen, daß, wenn solche Fragen auftauchen - was, wie gesagt, nicht akut ist -, auch die Gesamtsituation Nigerias in Betracht gezogen wird. Ich würde aber meinen, daß die uns unmittelbar bedrängende Aufgabe ist, uns darum zu bemühen oder an den Bemühungen zu beteiligen, humanitäre Hilfe für die in diesem Gebiet betroffenen Menschen - und Sie wissen, daß es viele Hunderttausende sind, die sich in einer schrecklichen Situation befinden - zu ermöglichen, und, soweit das erforderlich ist, auch einen eigenen Beitrag dazu zu leisten.
Es kommen jetzt die Zusatzfragen zum Problem Biafra. Zunächst Herr Abgeordneter Dr. Kliesing.
Herr Staatssekretär, weil nun festzustehen scheint, daß außer der sowjetischen Regierung nur noch die britische Regierung Waffen und Munition nach Nigeria liefert, um die Fortsetzung des Bürgerkrieges zu ermöglichen, und zwar daß sie in einem ganz entscheidenden Maße dazu beiträgt, weil es sich um die Lieferung insbesondere von großen Mengen Infanteriemunition handelt, frage ich die Bundesregierung, ob sie bereit ist, der britischen Regierung in geeigneter Form mitzuteilen, daß weitere Waffenhilfen gegen Biafra nicht geeignet sind, das Ansehen der Regierung Ihrer Majestät in unserem Lande zu fördern, und die britische Regierung zu bitten, durch Einstellung ihrer Waffen- und Munitionslieferungen dem Massenmorden ein Ende zu bereiten.
({0})
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Nach den letzten uns vorliegenden Meldungen, Herr Kollege Kliesing, sieht es so aus, als seien die Voraussetzungen für Ihre Frage nicht mehr voll gegeben. Das heißt, es scheint sich eine Änderung nicht nur in der Auffassung, sondern auch in der praktischen Haltung anzubahnen. Dennoch bin ich mit Ihnen der Überzeugung, daß wir nach Mitteln und Wegen suchen sollten, in geeigneter und angemessener Form unsere Besorgnis über diese Situation und diese Vorgänge auch gegenüber der britischen Regierung klarzustellen.
Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Kliesing.
Herr Staatssekretär, ist Ihr Haus bereit, in Zusammenarbeit mit dem Ernährungsministerium beschleunigt dafür Sorge zu tragen, daß Lebensmittel wie Milchpulver usw. nach Biafra gebracht werden, die dort dringend benötigt werden?
({0})
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Ja.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Bauer ({0}).
Herr Staatssekretär, Sie deuteten vorhin schon an, daß die humanitären Maßnahmen eine der positiven Möglichkeiten seien. Darf ich ganz konkret fragen: Gibt es bereits derartige Maßnahmen - das schließt an die Frage des Kollegen Kliesing an - und wie und in welcher Weise und wann glauben Sie, daß solche Maßnahmen anlaufen können? Wenn die Meldungen von heute morgen richtig sind, ist dort die Lage äußerst bedrohlich geworden. Wir müssen damit rechnen, daß täglich Tausende von Menschen, insbesondere von unschuldigen Kindern, dort wieder einmal Opfer dieser Auseinandersetzung werden. Wann kann man damit rechnen, daß hier humanitäre Hilfe von uns geleistet und wirksam wird?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Die Situation ist nicht erst jetzt besorgniserregend, Herr Kollege Bauer, sondern sie ist es schon seit längerer Zeit. Deswegen haben wir ja auch schon vor einiger Zeit dem Internationalen Roten Kreuz unsere Hilfe und unsere Unterstützung zugesagt. Die Situation ist aber so, daß von einem Betrag in Höhe von 100 000 DM, die zur Verfügung gestellt worden sind, bisher nur ein sehr kleiner Teil verbraucht ist. Für diesen kleinen Teil sind Lebensmittel eingekauft worden, die bisher noch nicht haben nach Biafra gebracht werden können.
Warum?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Die Schwierigkeit liegt darin, daß offenbar und erkennbar die Überbringungsmöglichkeiten wegen der schwierigen Zufahrtswege nur in begrenztem Umfang zur Verfügung stehen. Wir hoffen und erwarten, daß die Bemühungen des Internationalen Roten Kreuzes, hier zu einer generellen und besseren Regelung als bisher zu kommen, alsbald von Erfolg sein werden, so daß sich das, was bisher schon zur Verfügung gestellt worden ist, und das, was die Bundesregierung bereit ist, mehr zu tun, auch unmittelbar für die betroffenen Menschen auswirken kann.
Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Bauer ({0}).
Herr Staatssekretär, meinen Sie nicht, daß bei dem bisher offensichtlich doch sehr engen Verhältnis zwischen der Regierung Ihrer Majestät und Nigeria eine Möglichkeit bestünde, diese Dienste dafür nutzbar zu machen, daß die humanitären Hilfen an die Bevölkerung, insbesondere die Ibos, auf diesem Wege rascher und schneller herangebracht werden könnten?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Man wird wohl, soweit wir über die Dinge informiert sind, davon ausgehen können, daß die Bundesregierung in Nigeria ziemlich weitgehendes Entgegenkommen beweist, um das möglich zu machen. Es gibt aber Schwierigkeiten nicht nur auf der einen Seite, sondern es bestehen auch Schwierigkeiten bei der Regierung in Biafra, die ihre Bedingungen stellt, unter welchen Voraussetzungen Zufahrtswege genutzt werden können. Sie wissen, die Verhältnisse dort sind in einem solchen Maße zugespitzt, daß es hier nicht einfach genügt, zu sagen, es kann ein bestimmtes Gebiet für den Zugang benutzt werden. Das Mißtrauen ist in diesem Fall auf beiden Seiten, also auch auf der Empfängerseite, so groß, daß befürchtet. wird, es gebe da Einflüsse der verschiedensten Art, wenn solche Zugangswege benutzt werden, so daß man sich weigert, diese Möglichkeit zu nutzen. Das scheint mir aber nur, soweit man es übersehen kann - diese Einschränkung muß ich immer machen -,
Parlamentarischer Staatssekretär Jahn
eine erste Reaktion zu sein. Ich hoffe, daß es möglich ist, in den Bemühungen des Internationalen Roten Kreuzes und anderer Beteiligter einen Weg zu finden, der für die Zukunft die Möglichkeit schafft, in notwendigem Umfang - und das ist wesentlich mehr als bisher - Hilfsmaßnahmen zu realisieren.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Brück ({0}).
Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung auf Grund der ihr vorliegenden Berichte überhaupt in der Lage, zu beurteilen, wo dort Recht und Unrecht ist?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Das ist die Bundesregierung sicher nicht. Aber das ist auch nicht das eigentliche Problem, Herr Kollege Brück.
({0})
Das eigentliche Problem ist, im gegenwärtigen Zeitpunkt einer ungewöhnlich großen Zahl von Menschen das an unmittelbarer humanitärer Hilfe zuteil werden zu lassen, was sie brauchen, um zumindest vor dem Hungertode bewahrt zu werden.
({1})
Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Brück.
Herr Staatssekretär, würden Sie mir beipflichten, daß Unrecht auf beiden Seiten geschieht und daß man den Menschen in diesem Krieg, unabhängig davon, wer Urheber dieses Krieges ist, helfen muß?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Kriege sind im allgemeinen keine Angelegenheit, bei der das Wort Recht eine besondere starke Geltung hat.
({0})
Ich möchte gerade nach Ihrer ersten Frage, Herr Kollege Brück, nicht in die Verlegenheit versetzt werden, hier ein Urteil in der Sache selbst abzugeben.
({1})
Es spricht sehr viel dafür, daß hier, wie in den meisten oder vielleicht allen Kriegen dieser Art, Unrecht auf allen Seiten geschehen ist, ich glaube aber, wir helfen in unserer Diskussion hier im Lande niemandem, wenn wir uns in dieser Frage allzusehr engagieren, weil erkennbarerweise die Not der betroffenen Menschen in jenem Lande inzwischen ein Ausmaß erreicht hat, das alle anderen Erwägungen und Überlegungen weit überschattet.
({2})
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Czaja.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen nicht bekannt, daß auch durch die Hilfswerke der Evangelischen Kirche in Deutschland und durch die internationale Karitas direkt auf Behelfsflugplätze in Biafra Lebensmittel eingeflogen werden mit Flugzeugen, bei denen die Piloten teilweise kostenlos fliegen, die aber immerhin hohe Transportkosten verursachen, und wäre die Bundesregierung bereit, diese karitativen Hilfsmaßnahmen durch Mittragung der Transportkosten zu fördern?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Erstens ist das der Bundesregierung bekannt; sie steht in Verbindung mit den beiden Kirchen und weiß deshalb auch um deren Bemühungen. Zweitens ist die Bundesregierung bereit, da, wo es möglich ist, mit ihren Mitteln zu helfen und diese Aktion zu unterstützen.
Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Czaja.
Ich hätte noch eine sehr ernste Frage in dem Zusammenhang. Meinen Sie nicht, Herr Staatssekretär, daß sich die Bundesregierung für verpflichtet halten dürfte, angesichts des Umstandes, daß nach Meldungen so seriöser Zeitungen wie der Neuen Züricher Zeitung und der Frankfurter Allgemeinen Zeitung zwischen einer halben und einer Million Menschen unmittelbar vor dem Hungertod stehen und daß der Lebensstandard bei uns verhältnismäßig hoch ist und früher andere dem hungernden deutschen Volk geholfen haben, die nicht abgerufene Summe von 100 000 DM auch für Transportkosten wesentlich zu erhöhen?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Herr Kollege Dr. Czaja, das war das, was ich bisher versucht habe zum Ausdruck zu bringen. Selbstverständlich wird die Bundesregierung tun, was ihr möglich ist, um hier zu helfen.
Eine Zusatzfrage: Herr Abgeordneter Biechele.
Herr Staatssekretär, ist der Bundesregierung bekannt, daß die bisherigen Bemühungen des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz, in Verhandlungen mit der Regierung in Lagos zu erreichen, daß die geeigneten Verbindungswege für humanitäre Hilfe nach Biafra geöffnet werden, wenig Erfolg gehabt haben und daß auf dem Hintergrund dieses Ergebnisses vor wenigen Tagen der geschäftsführende Direktor des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz, Roger Gallopin, einen neuen Hilferuf an die Welt gerichtet hat mit dem Hinweis darauf, daß, wenn nicht schnell geholfen wird, eine halbe Million Flüchtlinge zum Hungertod verurteilt ist, in der Hauptsache Kinder, Frauen und alte Menschen.
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Herr Kollege
Parlamentarischer Staatssekretär Jahn
Biechele, das sind zwei Punkte in einer Frage. Die letzte Feststellung ist, das darf ich wiederholen, der Bundesregierung bekannt. Ich bekräftige noch einmal: die Bundesregierung ist bereit, ihre Möglichkeiten zur Verfügung zu stellen und zu nutzen, um hier zu helfen.
Was die Frage der Zufahrtswege anbelangt, so sind die Informationen, die wir in den letzten Tagen bekommen haben, so, daß zu einer so pessimistischen Bewertung, wie sie in Ihrer Frage zum Ausdruck kommt, kein Anlaß besteht.
Eine zweite Zusatztrage, Herr Abgeordneter Biechele.
Sieht die Bundesregierung, Herr Staatssekretär, nicht weitere Möglichkeiten, die Bemühungen des Internationalen Roten Kreuzes zur Öffnung dieser geeigneten Wege für die humanitäre Hilfe nach Biafra mit größerem Nachdruck, vielleicht auf direkte Weise, zu unterstützen?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Mir ist nicht klar, Herr Kollege, was Sie unter „auf direkte Weise" verstehen. Ich darf aber noch einmal auf folgendes hinweisen. Die Frage der Zufahrtswege und ihrer Benutzung ist nicht eine einseitige Sache. Sie bedarf des Zusammenwirkens beider Parteien. Eine Partei, nämlich die Regierung in Biafra, hat bisher erklärt, daß dies eine für sie nicht akzeptable Möglichkeit sei. Unabhängig von der prinzipiell, wie ich vorhin bereits gesagt habe, positiven Haltung der Regierung in Lagos muß also auch die zweite Voraussetzung geschaffen werden, um diese Möglichkeit zu nutzen.
Im übrigen habe ich bereits vorhin auch darauf hingewiesen, daß die Bundesregierung ihre Beziehungen zu Nigeria dazu benutzt, um ihre Auffassung in dieser Frage wiederholt darzulegen. Das wird sie auch in der Zukunft in all den Fällen tun, in denen das nach ihrer Auffassung nach Kenntnis des Sachverhaltes und der Umstände erforderlich ist.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Freiherr von Gemmingen.
Herr Staatssekretär, sind Sie mit mir der Meinung, daß es absolut nichts nützt, dem Hohen Hause mitzuteilen, daß sich in der englischen Haltung anscheinend eine Anderuna ergehen hat, und meinen Sie nicht, daß im Angesicht der Grausamkeit, des Hungers und Elends und der Katastrophe unverzüglich mit der englischen Regierung verhandelt werden müßte, und dem Hohen Hause über die Verhandlungen berichtet werden sollte?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Ich glaube, Herr Kollege, es sind zwei verschiedene Dinge, um die es bier geht. Das eine ist die humanitäre Hilfe für die hungernden Menschen. Ich möchte hier keinen Zweifel lassen, daß die Bundesregierung die ihr gegebenen Möglichkeiten voll ausnutzen wird, um zu helfen. Das andere ist die Frage der Auseinandersetzung oder, besser gesagt, der Darlegung unserer Auffassung, der Auffassung dieses Hauses, gegenüber der britischen Regierung. Es sollte kein Ersatz für eine Antwort sein, wenn ich darauf hingewiesen habe, daß es Anlaß zu der Annahme gibt, daß sich in der britischen Haltung in den letzten Tagen eine Änderung vollzogen hat. Das sollte lediglich eine Information sein. Ich habe darüber hinaus zugesagt, daß die Bundesregierung prüfen wird, in welcher Weise sie die Auffassung des Hauses und ihre eigene Auffassung gegenüber der britischen Regierung darlegen kann.
Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Freiherr von Gemmingen.
Herr Staatssekretär, ist der Bundesregierung bekannt, ob etwa europäische Ölkonzerne die Hand im Spiel haben und da unten in dem Konflikt mitmischen?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Ich kenne persönlich solche Vermutungen. Informationen darüber hat die Bundesregierung nicht.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Vogt.
Herr Staatssekretär, halten Sie es nach den Fragen des Kollegen Brück nicht für richtig und notwendig, zu erklären, daß die Bundesregierung sehr wohl weiß, daß in Biafra der Versuch unternommen wird, einen Volksstamm, nämlich die Ibos, auszurotten?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Ich bin nicht in der Lage, eine so einseitige Darstellung hier im Namen der Bundesregierung zu bekräftigen. Der Sachverhalt ist sehr viel komplexer, Herr Kollege Vogt. Die Art und die Hintergründe der Auseinandersetzung sind sehr viel differenzierter, als daß sie mit einer solchen Frage erfaßt werden könnten.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Baier.
Herr Staatssekretär, war es, nachdem die Notlage in Biafra seit Monaten doch bekannt ist, der Bundesregierung nicht möglich, bisher entscheidender zu helfen, als nur 100 000 DM zur Verfügung zu stellen?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Wenn eine Möglichkeit dazu bestanden hätte, wäre das geschehen. Nur darf ich noch einmal darauf hinweisen, Herr Kollege Baier, daß diese 100 000 DM bis heute noch nicht in Anspruch genommen worden sind.
Eine zweite Zusatzfrage. Herr Abgeordneter Baier.
Herr Staatssekretär, hat man nicht im Falle von Vietnam durch die Entsendung einer besonderen Regierungsdelegation Mittel und Wege gefunden, um in geeigneter Weise zu helfen, und ist man nicht im Falle von Biafra in der gleichen Lage?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Das sind zwei völlig verschiedene Sachverhalte; sie sind in gar keiner Weise miteinander vergleichbar. Hier wäre die Entsendung einer Regierungsdelegation in keiner Weise eine Möglichkeit gewesen, um in der Sache die notwendige Klarheit zu gewinnen.
Ich muß noch einmal, wie ich es wiederholt getan habe, auf folgendes hinweisen. Die Frage, in welcher Form man in diesem Land helfen kann, kann nicht nur von einer Seite beantwortet werden, sondern dazu bedarf es der Mitwirkung beider Seiten. Das erleichtert die Bemühungen nicht.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dorn.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen nach den vielen drängenden Fragen, die hier gestellt worden sind, nicht das gleiche Gefühl, das ohne Zweifel hier im Plenum vorhanden ist, entstanden, daß, wenn die bereitgestellten Mittel nicht einmal in Anspruch genommen werden, die Bundesregierung mit ihrer Vorstellung völlig hilflos erscheint?
({0})
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Diesen Eindruck kann ich nicht teilen, Herr Kollege Dorn. Die Bundesregierung ist nicht in der Lage - und daraus würde ich kein Hehl machen --, in einem Lande, in dem eine innere Auseinandersetzung stattfindet, selber unmittelbar Einfluß zu nehmen. Hier können wir uns nur der Möglichkeit bedienen, über Organisationen wie das Internationale Rote Kreuz, über karitative Organisationen das an humanitärer Hilfe zu leisten, was möglich ist. Das ist nicht ein Ausdruck von Hilflosigkeit, sondern das ist eine korrekte Beschreibung des Sachverhaltes, wie er sich darbietet. Keine Bundesregierung könnte sich in dieser Situation anders verhalten.
Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dorn.
Herr Staatssekretär, haben Sie denn nicht das Gefühl, daß die Bundesregierung ihrem Verbündeten Großbritannien gegenüber in dieser Frage dann anders hätte entgegentreten müssen oder mit ihm Entscheidungen anderer Art hätte herbeiführen müssen, als das bisher geschehen ist?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Ich weiß nicht, inwieweit Gefühle ein geeigneter Diskussionsgegenstand in diesem Hause sind.
({0})
Aber ich habe hier erklärt - und davon habe ich nichts zurückzunehmen -: die Bundesregierung wird diese Frage mit der britischen Regierung in geeigneter Weise zu erörtern haben.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Ott.
Herr Staatssekretär, Sie hatten vorher darauf hingewiesen, daß 100 000 DM Hilfe nicht abberufen worden seien. Können Sie mir sagen, aus welchen Gründen diese Hilfe nicht in Anspruch genommen wird?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Dieser Betrag steht dem Internationalen Roten Kreuz zur Verfügung. Dieses hat auf eine entsprechende Rückfrage mitgeteilt, daß es noch nicht abrechnen könne. Es seien lediglich Waren - ich glaube, Konserven - im Werte von 20 000 DM eingekauft worden, die aber noch nicht verwertet seien. Nähere Informationen darüber, weshalb der über die soeben genannte Summe hinausgehende Betrag noch nicht in Anspruch genommen ist, hat die Bundesregierung nicht. Ich kann nur aus dem Gesamtbild, wie es sich aus den unterschiedlichen Meldungen ergibt, schließen, daß es sich im wesentlichen um Schwierigkeiten des Transportes handelt.
Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Ott.
Herr Staatssekretär, sind Sie mit mir der Meinung, daß es, wenn in Biafra die Menschenverluste größer sind als in Vietnam, Pflicht der Bundesregierung wäre, sich dort genauso durch eine Regierungskommission zu informieren, wie es in Vietnam der Fall gewesen ist?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Herr Kollege, ich darf noch einmal darauf hinweisen - ich habe es bereits gesagt -: Dies sind zwei miteinander nicht vergleichbare, unterschiedliche Situationen. Die Situation in Südvietnam ist mit der in Nigeria deshalb nicht vergleichbar, weil es sich in Nigeria um eine innerstaatliche Auseinandersetzung handelt und die Möglichkeiten der Bundesregierung, dort ohne Zustimmung der Beteiligten unmittelbar tätig zu werden, außerordentlich gering sind. Ich würde warnen, zu glauben, daß mit einer einfachen Übertragung der Erfahrungen in einem Falle auf diesen Fall schon ein Schlüssel zur Lösung des Problems gefunden wäre. Das ist nicht so.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Schlee.
Herr Staatssekretär, ist es nicht die Meinung der Bundesregierung, daß im Falle Nigeria-Biafra die Staaten der westlichen Welt einen Weg gemeinsamen Vorgehens finden müßten, um mit dem Nachdruck der Gemeinsamkeit die humanitäre Hilfe besser zum Erfolg zu bringen?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Die Bundesregierung würde das sehr begrüßen und unterstützen.
Eine Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Mönikes.
Herr Staatssekretär, nachdem es offensichtlich nicht möglich ist, diese 100 000 DM durch das Rote Kreuz weiterzuleiten, frage ich Sie, warum Sie diese Mittel nicht den Kirchen zur Verfügung stellen, die ja tätig helfen und auch Wege finden, die Hilfe richtig und zweckentsprechend weiterzuleiten.
({0})
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Erstens haben auch die Kirchen ihre Schwierigkeiten dabei. Zweitens sind entsprechende Bitten in den letzten Tagen an die Bundesregierung gerichtet worden. Die Bundesregierung hat ihre Bereitschaft erklärt, ebenfalls für diesen Bereich für die Tätigkeit der kirchlichen Organisationen Mittel zur Verfügung zu stellen. Das ist aber erst eine Entwicklung der letzten Tage.
Herr Staatssekretär, ich darf Sie bitten, nun zum zweiten Bereich der Fragen des Abgeordneten Gierenstein, zum Problem des Südsudan zu antworten.
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: In den drei südlichen Provinzen des Sudan ist seit der Unabhängigkeit des Landes am 1. Januar 1956 eine bewaffnete Auseinandersetzung zwischen Regierungstruppen und Gruppen der südsudanesischen Bevölkerung im Gange. Weder die Vereinten Nationen noch die regionalen afrikanischen Zusammenschlüsse oder die Bemühungen der weltweiten kirchlichen Organisationen haben auf diese Entwicklung Einfluß nehmen können. Nach Auffassung der Bundesregierung ist eine Lösung des Problems nur durch einen Ausgleich auf innerpolitischer Basis möglich. Unsere diplomatischen Beziehungen zum Sudan sind seit Mai 1965 unterbrochen. Nach dem Abbruch der diplomatischen Beziehungen im Mai 1965 hat die Bundesregierung dem Sudan keine neue Entwicklungshilfe mehr gewährt. Nur die laufenden Projekte der technischen Hilfe Fernsehen, Gewerbeschule und Schädlingsbekämpfung waren die Gebiete, auf denen die Hilfe gewährt wurde -- wurden fortgesetzt.
Herr Abgeordneter Gierenstein, keine Zusatzfrage? - Herr Abgeordneter Dr. Czaja!
Herr Staatssekretär, wird die Bundesregierung auch in diesem Falle über befreundete Mächte die friedenstiftenden Aufgaben gegen Völkermord unterstützen?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Wenn es dazu eine Möglichkeit gibt, ja.
Eine weitere Zusatzfrage? - Das ist nicht der Fall.
Ich rufe die Frage 42 des Abgeordneten Flämig auf :
Wird die Bundesregierung bei der von ihr geplanten Konferenz zur Schaffung eines europäischen Jugendwerkes die im interkommunalen Jugendaustausch gemachten Erfahrungen und Resultat, sowie die im Rahmen der vom Rat der Gemeinden Europas und der Internationalen Bürgermeister-Union in großer Zahl zustande gebrachten Städtepartnerschaften ({0}) berücksichtigen?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Ja, die Bundesregierung wird bei der von ihr geplanten Konferenz zur Schaffung eines europäischen Jugendwerks alle im interkommunalen Jugendaustausch gemachten Erfahrungen berücksichtigen, und zwar a) die der freien Träger - Jugendverbände, Studentenorganisationen, Fachverbände der Jugendarbeit -,
b) die der kommunalen Träger sowohl der bilateralen wie auch der multilateralen Partnerschaft,
c) die des Schüleraustauschs.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Flämig.
Herr Staatssekretär, trifft es zu, daß Jugendbegegnungen im Rahmen von Städtepartnerschaften besonders erfolgreich sind im Sinne der Förderung der Europa-Idee, weil sie über die Begegnungen in Jugendlagern oder Jugendherbergen hinaus unmittelbar familiäre Kontakte schaffen?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Sie können es sein, Herr Kollege Flämig. Das hängt immer davon ab, in welcher Form und mit welcher Maßgabe sie veranstaltet werden. Aber die Erwartung ist sicher besonders groß, daß bei Jugendbegegnungen besonders gute und besonders wirksame und andauernde Kontakte zustande kommen.
Eine zweite Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, wird sich die Bundesregierung dafür einsetzen, daß bei der Schaffung des Europäischen Jugendwerks nicht der Fehler wiederholt wird, der bei dem Deutsch-Französischen Jugendwerk begangen wurde, wo Gemeinden und Gemeindeverbände keine unmittelbaren Mitwirkungsmöglichkeiten bekommen haben?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Herr Kollege
Parlamentarischer Staatssekretär Jahn
Flämig, wenn es gelingt, das Europäische Jugendwerk zustande zu bringen, werden alle Erfahrungen - die guten wie die schlechten - aus allen Bereichen, in denen bisher schon etwas geschehen ist, einbezogen werden.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Vogt.
Herr Staatssekretär, sind die Vorbereitungen der Bundesregierung für die von ihr in Aussicht gestellte Konferenz, die meines Wissens schon im Herbst oder Ende 1966 stattfinden sollte, inzwischen so weit gediehen, daß mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit damit zu rechnen ist, daß noch in diesem Sommer oder aber in diesem Herbst diese Konferenz hier in Bonn zusammentreten kann?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Mit dem von Ihnen juristisch klar formulierten Sicherheitsvorbehalt zugunsten der Bundesregierung kann ich die Frage bejahen.
Herr Abgeordneter Westphal zu einer Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, würden Sie mir bestätigen, daß in dem Kuratorium des Deutsch-Französischen Jugendwerks, auf das Herr Flämig abhob, ein Vertreter aus dem kommunalen Bereich sitzt?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Ja.
Keine weitere Zusatzfrage.
Wir kommen zu der Frage 43 des Abgeordneten Dr. Emde:
Warum war die Bundesregierung bereit, den USA bei einer verringerten Truppenzahl eine erhöhte Devisenausgleichsleistung zu erbringen?
({0}) - Sie vertreten Herrn Dr. Emde.
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Die Bundesregierung hat keine erhöhten Devisenausgleichsleistungen erbracht.
Erstens. Die deutschen militärischen Beschaffungen bei der amerikanischen Rüstungsindustrie werden in den Kalenderjahren 1968 und 1969 von deutscher und amerikanischer Seite auf jeweils annähernd 100 Millionen Dollar geschützt. Hieraus ergeben sich für das amerikanische Haushaltsjahr vom 1. Juli 1968 bis zum 30. Juni 1969, für welchen Zeitraum der Devisenausgleich am 10. Juni 1968 in Bonn vereinbart wurde, zweimal 50 Millionen Dollar, also 100 Millionen Dollar. Die entsprechenden deutschen Ausgaben in der Zeit vom 1. Juli 1967 bis 30. Juni 1968 werden voraussichtlich gleichfalls einen Betrag von 100 Millionen Dollar erreichen.
Eine Erhöhung liegt daher nicht vor. Für diese militärischen Beschaffungen werden keine zusätzlichen Zahlungen aus dem Bundeshaushalt erforderlich sein.
Zweitens. Ebenso wie im laufenden amerikanischen Haushaltsjahr 1967/68 wird auch im kommenden amerikanischen Haushaltsjahr die Deutsche Bundesbank Währungsreserven in Höhe von 500 Millionen Dollar in mittelfristigen verzinslichen Staatspapieren der USA anlegen. Eine Erhöhung liegt daher nicht vor.
Drittens. Darüber hinaus werden deutsche Privatbanken ähnliche verzinsliche mittelfristige Staatspapiere der USA in Höhe von 125 Millionen Dollar erwerben. Diese Anlage hat bei den deutschen Banken großes Interesse gefunden. Sie wird in voller Höhe auf den Devisenausgleich angerechnet und führt allein zu dem höheren Gesamtbetrag des diesjährigen Devisenausgleichs.
Eine Zusatzfrage? - Bitte sehr!
Herr Staatssekretär, wie erklären Sie sich den Tatbestand, daß die USA insgesamt für 260 000 Soldaten in Deutschland 2,6 bis 2,7 Milliarden vor einigen Jahren verlangten und heute insgesamt für 210 000 Soldaten etwa 3 Milliarden?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Erstens einmal vollzieht sich der Abzug der Truppen erst im Laufe dieses Jahres; er ist also noch nicht abgeschlossen. Zweitens haben sich auf der Ausgabenseite bei den Vereinigten Staaten teilweise erhebliche Kostensteigerungen ergeben, u. a. durch eine allgemeine dort als notwendig angesehene Gehaltserhöhung im öffentlichen Dienst, so daß effektiv eine Minderung, eine rein rechnerische Minderung des Betrages durch die zu erwartende Truppenminderung nicht zu Buche schlagen kann.
Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Peters.
Die höheren Kosten, Herr Staatssekretär, belaufen sich, wenn man die Truppenstärke berücksichtigt, auf etwa 30 %. Sind Sie der Meinung, daß eine effektive Kostensteigerung in dieser Höhe eingetreten ist?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Die Prüfungen haben ergeben, daß sich das in etwa ausgleicht. Das ist nun nicht Gegenstand detaillierter Einzelberechnungen gewesen. Aber es gibt verschiedene kostensteigernde Faktoren, die insgesamt etwa diese Größenordnung erreichen.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Staratzke.
Herr Staatssekretär, Sie sprachen von den übernommenen amerikanischen Schatzanweisungen. Können Sie mir sagen, ob es hei den übernommenen Schatzanweisungen eine Währungssicherungsklausel gibt?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Diese Frage kann ich im Moment nicht beantworten. Ich bin aber gerne bereit, die Antwort nachzureichen.
Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Staratzke.
Würden Sie, Herr Staatssekretär, so gut sein, wenn Sie die Beantwortung nachholen, auch gleichzeitig die Frage zu beantworten, wer die Kosten der Währungssicherung trägt, wenn eine solche Klausel vereinbart ist?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär heim Bundesminister des Auswärtigen: Das will ich gerne tun.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Strohmayr.
Herr Staatssekretär, Ihren vorhergehenden Ausführungen ist doch wohl zu entnehmen, daß der Bundeshaushalt mit den Devisenausgleichszahlungen praktisch nicht belastet worden ist?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: So ist es.
Ich komme damit zur Frage 44 des Herrn Abgeordneten Dr. Schulz ({0}) :
Wird sich die Bundesregierung entsprechend der Emptehlung 521 der Beratenden Versammlung vom 8. Mai 1968 dafür einsetzen, daß der Europarat in Zukunft als Instrument für die Anbahnung engerer technischer Kontakte zwischen ost- und westeurpäischen Ländern und als Forum zwischen West und Osteuropäern größere Bedeutung erhält?
Die Frage wird von Herrn Rinderspacher übernommen. - Bitte sehr, Herr Staatssekretär!
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Die Bundesregierung begrüßt grundsätzlich den in der Empfehlung 521 der Beratenden Versammlung niedergelegten Gedanken, den Europarat im Rahmen seiner Zuständigkeit stärker als bisher als Instrument ostwestlicher Zusammenarbeit zu nutzen. Sie steht den Bemühungen, die Kontakte des Europarates mit osteuropäischen Staaten und Stellen in nicht. politischen, technischen Bereichen auszubauen und zu einer engeren Zusammenarbeit zu gelangen, positiv gegenüber. Sie sieht darin eine parallele und helfende Maßnahme zu ihrer auf Entspannung gerichteten Ostpolitik. Diese Auffassung konnte noch im Mai dieses Jahres dem Generalsekretär des Europarates bei seinem offiziellen Besuch in Bonn eingehend erläutert werden.
Die bisherigen Ergebnisse der Bemühungen des Europarates, solche Kontakte herzustellen, haben allerdings gezeigt, daß es nicht leicht ist, osteuropäische Stellen zur Mitarbeit zu gewinnen. Von den gebotenen Möglichkeiten - Beitritt zur Europaratskonvention, Mitarbeit bei technischen Konferenzen, Zulassung von Beobachtern zu Sachverständigenausschüssen - haben sie nur wenig Gebrauch gemacht. Selbst in diesen Fällen lag die Initiative überwiegend beim Europarat.
Jedoch müssen die vorn Europarat und seinen Mitgliedsregierungen übernommenen Bemühungen fortgesetzt werden. Um sie in der Hand des Ministerkomitees zusammenzufassen, hat dieses im vergangenen April auf deutsche Initiative hin einen entsprechenden Beschluß gefaßt. Damit ist eine einheitliche Basis geschaffen worden. Diese Maßnahme, so hofft die Bundesregierung, wird dazu beitragen, die Möglichkeiten zur Herstellung von Kontakten zu Osteuropa, jedenfalls von seiten des Europarate, noch zu verbessern mit dem Ziel, die Beziehungen zu den osteuropäischen Staaten enger zu gestalten und die Entspannung in Europa zu fördern.
Eine Zusatzfrage, herr Abgeordneter Rinderspacher.
Herr Staatssekretär, darf ich Ihrer Antwort entnehmen, daß die Bundesregierung bei ihren Bemühungen, engere Kontakte über den Weg des Europarates herzustellen, keinen Unterschied macht zwischen Ländern, mit denen wir offizielle Kontakte haben, und solchen, mit denen wir keine offiziellen Kontakte haben?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Es handelt sich um Bemühungen des Europarates, die die Bundesregierung schlechthin unterstützt.
Wir kommen zur Frage 45 des Herrn Abgeordneten Dr. Schulz ({0}) :
Hält die Bundesregierung internationale Begegnungen und Gespräche auf kulturellem und wissenschaftlichem Gehiet auch mit Vertretern von Ostblockländern für nützlich und durchführbar?
Der Fragesteller wird wieder vertreten.
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Auch diese Frage ist mit Ja. zu. beantworten. Die kulturellen Begegnungen mit Vertretern aller künstlerischen und wissenschaftlichen Disziplinen aus Ländern Osteuropas einschließlich der Sowjetunion sind heute einer der erfreulichsten Aktivposten in unserer Politik der Entspannung. Dieses trifft auch zu für internationale Kongresse und Seminare, die teils auf Empfehlungen supranationaler Organisationen wie der UNESCO, des Europarates und anderer, teils aus eigener Initiative deutscher wissenschaftlicher und kultureller Institutionen zustande kommen. Dabei ist sich die Bundesregierung bewußt, daß von diesen Organisationen nur Empfehlungen gegeben
Parlamentarischer Staatssekretär Jahn
werden können, die praktische Durchführung aller wissenschaftlichen und kulturellen Vorhaben aber nur auf bilateraler Basis durch deutsche Organisationen erfolgen kann.
Stipendien für Studienaufenthalte von Wissenschaftlern aller Fakultäten sowie von Praktikanten aller Staaten Osteuropas werden durch die Organisationen vermittelt und von den Empfängern gern angenommen.
Ausstellungen über interessante Themen finden guten Widerhall. Theater- und Konzertensembles reisen in Haupt- und Provinzstädte Osteuropas, wo sie mit großem Beifall die Kenntnis des gegenwärtigen künstlerischen Lebens der Bundesrepublik vermitteln.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Rinderspacher.
Herr Staatssekretär, sind in diesem Zusammenhang auch die sportlichen Beziehungen zwischen den Ländern des Westens und des Ostens zu verstehen?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Die Bundesregierung rechnet sie zu diesem Bereich. Aber dort sind die Möglichkeiten, wie ich glaube, noch entwicklungsfähig.
Ich rufe die Frage 46 der Abgeordneten Frau Geisendörfer auf:
Sieht die Bundesregierung ihre Unterstutzung der Arbeit der deutschen UNESCO-Kommission sowohl in personeller wie in finanzieller Hinsicht in Anbetracht ihres ständig an politischer Bedeutung gewinnenden Einflusses als ausreichend an?
Herr Staatssekretär!
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß die deutsche UNESCO- Kommission mit ihrem verhältnismäßig kleinen Arbeitsstab, dem Sekretariat in Köln, ihre Aufgaben in hervorragender Weise erfüllt. In Würdigung der Bedeutung dieser Arbeit hat die Bundesregierung die Mittel für die deutsche UNESCO-Kommission und ihr Sekretariat laufend verstärkt. Für das Rechnungsjahr 1969 sind vorbehaltlich der Zustimmung des Parlaments 540 000 DM vorgesehen. Das bedeutet gegenüber 501 000 DM im Jahre 1968 eine Steigerung um fast 8 %.
Zu einer Zusatzfrage Frau Abgeordnete Geisendörfer.
Herr Staatssekretär, Sie haben gerade bei der Beantwortung der vorhergehenden Frage betont, wie sehr die Bundesregierung die Kontakte zu anderen Staaten, besonders auch des Ostens, begrüßt. Die fehlenden 47 000 DM - wenn ich sie einmal so nennen darf - sind dafür bestimmt, diese Kontakte zu verstärken, den Austausch von Delegationen usw. zu unterstützen. Diese Arbeit kann nicht aus dem übrigen Fonds geleistet werden, weil er irgendwie zweckgebunden ist. Ich darf Sie deswegen fragen, ob sich die Bundesregierung nicht doch in der Lage sieht, ihre Entscheidung bzw. die Entscheidung des Finanzministeriums noch einmal zu überprüfen.
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Die Bundesregierung oder, in diesem Fall muß ich genauer sagen, das Auswärtige Amt ist sicher dazu bereit. Aber Sie kennen die Schwierigkeiten. Ich brauche sie hier nicht im einzelnen darzulegen. Sollte es möglich sein, in diesem Hause, insbesondere in seinem Haushaltsausschuß, eine größere Bereitschaft zu finden, dort einen Schwerpunkt zu setzen, wird das Auswärtige Amt das dankend und gern verzeichnen und entgegennehmen.
Eine zweite Zusatzfrage! Ich bitte aber, die Frageform zu benutzen.
Herr Staatssekretär, sollten wir in Anbetracht der Anerkennung, die Sie der Tätigkeit der personell sehr gering besetzten Zentrale in Köln soeben ausgesprochen haben, und in Anbetracht der Tatsache, daß die Bundesrepublik Deutschland der drittgrößte Beitragzahler bei der UNESCO ist, aber in den entsprechenden Stellen personell weit unterbesetzt ist, nicht überlegen, ob wir hei der deutschen UNESCO- Kommission in etwa ein Personalreferat einrichten könnten, das verstärkten Akzent darauf legen könnte, daß dieser Mißstand, die Unterbesetzung in bezug auf deutsche Stellen, behoben wird?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Ich denke, darüber sollte einmal zwischen der deutschen UNESCO- Kommission und dem Amt gesprochen werden.
Ich rote die Frage 47 des Abgeordneten Lemper auf:
Was gedenkt die Bundesregierung zu ton, um die Anerkennung der deutschen grad. Ingenieure als Ingeniem im Ausland sicherzustellen?
Bitte sehr, Herr Staatssekretär!
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Die Bundesregierung hat sich bei den Beratungen in der EWG stets dafür eingesetzt, daß die Absolventen der Ingenieurschulen in der EWG als Ingenieure anerkannt werden. Entscheidungen über diese Frage sind in Brüssel noch nicht getroffen. Die Bundesregierung wird auch weiterhin die Anerkennung der Absolventen der Ingenieurschulen fordern. Sie steht in dieser Frage in ständigem Kontakt mit den Kultusministerien der Länder. Ohne eine angemessene Lösung für die Absolventen der Ingenieurschulen erscheint der Bundsregierung eine europäische Regelung nicht denkbar.
Parlamentarischer Staatssekretär Jahn
Im übrigen Ausland ist. die Bundesregierung bemüht, entweder im Rahmen bilateraler Kulturabkommen falls entsprechende Äquivalente vereinbart werden können - oder durch Vorstellungen und Interventionen von Fall zu Fall die Anerkennung des graduierten Ingenieurs zu erwirken.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dorn.
Herr Staatssekretär, wird sich die Bundesregierung wie bisher in Brüssel im Rahmen der Verhandlungen mit den anderen Staaten dafür einsetzen, daß die Absolventen der deutschen Ingenieurschulen mindestens gleich behandelt werden mit den Absolventen z. B. der belgischen St.-Luc-Schulen?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Ich habe bereits darauf hingewiesen, Herr Kollege Dorn, daß wir auf eine einheitliche Anerkennung hinwirken. Ich glaube nicht, daß es ein erstrebenswertes Ziel ist, sich für neue Differenzierungen auszusprechen.
Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dorn.
Es ist schwer, das in eine Frage zu kleiden, Herr Staatssekretär. Die Bundesregierung - das ist Ihnen doch bekannt - hat sich bisher in dem von mir ausgesprochenen Sinne in Brüssel eingesetzt, auch mit der Beraterkommission der Bundesregierung. Würde die Bundesregierung bereit sein, z. B. durch ein abschließendes Gespräch mit Herrn von der Groeben sich für den weiteren Einsatz in der Richtung, die die Bundesregierung bisher eingeschlagen hat zur Verfügung zu stellen?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Ja.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Kühn.
Herr Staatssekretär, glauben Sie - unter Berücksichtigung der Vorschläge, die, wie Sie wissen, zur Zeit von seiten des Bundes mit den Länderkultusministern hinsichtlich der Gestaltung der Voraussetzungen des Besuchs der Ingenieurschulen überlegt werden -, daß in absehbarer Zeit eine vermehrte Bereitschaft zum Eingehen auf das Petitum der Bundesregierung bei
unseren EWG-Partnern zu erreichen ist?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Das hoffe ich sehr.
Wir kommen nunmehr zu den Fragen 127, 128 und 129 des Herrn Abgeordneten Dr. Rinderspacher:
Wie beurteilt die Bundesregierung die Tatsache, daß die französischen Behörden 20 deutsche Staatsangehörige unter teilweise empörenden Umständen ausgewiesen haben? Was hat die Bundesregierung gegen diese Maßnahmen bei
den französischen Behörden unternommen ?
Treften die Darstellungen der Ausweisungamethoden zu, wie sie z. Li. in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 22. Juni 1968 geschildert wurden?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Nach dem deutsch-französischen Niederlassungs- und Schifffahrtsvertrag vom 27. Oktober 1956 dürfen deutsche Staatsangehörige aus Frankreich nur ausgewiesen werden, wenn sie die Sicherheit des französischen Staates gefährden oder gegen die öffentliche Ordnung oder die Sittlichkeit verstoßen. Der Bundesregierung ist bekannt, daß mit Sicherheit in einem Falle der deutsch-französische Niederlassungs- und Schiffahrtsvertrag verletzt worden ist. Wahrscheinlich liegt eine Vertragsverletzung auch in anderen Fällen vor. Hinzu kommt, daß von den französischen Polizeiorganen bei der Festnahme der ausgewiesenen Deutschen Methoden angewandt worden sind, die nicht gebilligt werden können.
Die Bundesregierung verfügt bereits über eine Reihe von Unterlagen, die für die Beurteilung der Angelegenheit wesentlich sind. Eine endgültige Beurteilung kann erst erfolgen, wenn die Sammlung des Materials über die Ausweisungen abgeschlossen ist. Schon jetzt muß aber als Auffassung der Bundesregierung festgestellt werden, daß auch unter schwierigen Umständen, wie sie sich anläßlich der Unruhen in Frankreich ergeben haben, vertragliche Bestimmungen eingehalten werden müssen.
Die deutsche Botschaft in Paris hat unmittelbar nach Bekanntwerden der Ausweisung von 20 deutschen Staatsangehörigen aus Frankreich das französische Außenministerium um Angabe der Gründe der Ausweisungen ersucht und zugleich ihr Befremden über die dabei angewandten Methoden zum Ausdruck gebracht. Vom französischen Außenministerium wurde dabei zugesichert, der Angelegenheit nachzugehen.
Die deutsche Botschaft hat sich außerdem wegen mehrerer Einzelfälle mit dein zuständigen französischen Stellen in Verbindung gesetzt. Nachdem nach Ablauf mehrerer Tage keine weitere Stellungnahme von französischer Seite vorlag, ist die deutsche Botschaft in Paris am 21. Juni 1968 erneut an das französische Außenministerium herangetreten und hat unter Hinweis auf das deutsch-französische Niederlassungsabkommen nochmals mit Nachdruck um die erbetenen Auskünfte gebeten.
Die Bundesregierung wird sich weiLer mit Entschiedenheit für eine baldige Aufklärung des Sachverhalts einsetzen und auf eine baldige Bereinigung der Angelegenheit drängen. Dazu gehört auch, daß denjenigen Deutschen, die entgegen den vertraglichen Bestimmungen aus Frankreich ausgewiesen wurden, die Wiedereinreise nach Frankreich gestattet wird.
Die in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 22. Juni 1968 enthaltene Darstellung der Ausweisungsmethoden stimmt mit der Berichterstattung der deutschen Botschaft in Paris überein. Den Ausgewie9994
Parlamentarischer Staatssekretär Jahn
senen wurde weder gestattet, mit der deutschen Botschaft in Paris in Verbindung zu treten, noch, ihr Gepäck mitzunehmen. Die Bundesregierung erwartet auch insoweit eine Stellungnahme französischen Regierung.
Eine Zusatzfrage, Abgeordneter Dr. Rinderspacher.
Wird die Bundesregierung nach Klärung der Sachverhalte auch darauf dringen, daß den Betreffenden ein entsprechender Schadensersatz zuteil wird?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Selbstverständlich. Soweit nachweisbare Schadensersatzansprüche bestehen, wird die Bundesregierung bei der Geltendmachung helfen und sie unterstützen.
Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.
Wir stehen am Ende der Fragestunde. Die nicht erledigten Fragen werden schriftlich beantwortet, soweit sie nicht zurückgezogen sind.
Gemäß dem vorhin gefaßten Beschluß des Hohen Hauses rufe ich nunmehr den Zusatzpunkt 7 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über Straffreiheit ({0})
- Drucksachen V/3028, 3028, V/3030 -Schriftlicher Bericht des Sonderausschusses für die Strafrechtsreform
- Drucksache V/3108 -Berichterstatter: Abgeordnete Frau Dr.
Schwarzhaupt
({1})
Ich danke der Berichterstatterin für ihren Schriftlichen Bericht und erteile ihr das Wort zu einer mündlichen Ergänzung.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich kann mich im wesentlichen auf den Schriftlichen Bericht beziehen und möchte nur ein paar Sätze über die Motive sagen, die den Ausschuß veranlaßt haben, Ihnen den Entwurf eines Amnestiegesetzes vorzulegen.
Es ist zwei Mißverständnissen vorzubeugen. Erstens handelt es sich nicht um eine Sonderamnestie für die Straftaten, die im Zusammenhang mit den Demonstrationen der letzten Monate begangen worden sind. Zweitens darf der Entwurf nicht mißverstanden werden als Ausdruck eines Weicher-Werdens, als ein Zeichen einer besonderen Milde in der Beurteilung von Angriffen gegen den demokratischen Rechtsstaat. Das Parlament ist nach wie vor entschlossen, auch mit dem Mittel des Strafrechts die demokratische Ordnung zu verteidigen.
Der Sinn des Amnestiegesetzes ist eine nüchterne logische Folgerung aus dem Achten Strafrechtsänderungsgesetz, das Sie vor kurzem beschlossen haben. Das politische Strafrecht wurde neu gefaßt, weil Erfahrungen der Praxis dazu zwangen. Die Mehrheit des Parlaments war davon überzeugt, daß das alte politische Strafrecht nunmehr durch ein gerechteres und wirksameres Gesetz ersetzt worden ist. Das Achte Strafrechtsänderungsgesetz war nicht in allen Teilen unbestritten; es sind Kompromisse darin enthalten, und gegen einzelne Bestimmungen gab es auch Widerspruch. Aber nachdem die große Mehrheit dieses Hauses das neue politische Strafrecht beschlossen hat, ist es nur eine logische Konsequenz daraus, daß nicht weiterhin nach dem alten Recht Straftaten bestraft und Strafen vollstreckt werden, nach einem Recht, das der Gesetzgeber als nicht mehr zulänglich angesehen hat.
Der Ausschuß schlägt Ihnen deshalb vor, eine Amnestie zu erlassen als eine Folgerung aus dem Strafrechtsänderungsgesetz, das Sie vor wenigen Wochen beschlossen haben.
({0})
Ich danke der Frau Berichterstatterin und rufe in zweiter Beratung auf die §§ 1 bis 12, Einleitung und Überschrift. - Das Wort wird nicht gewünscht.
Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. Die Gegenprobe! - Es ist so beschlossen.
Wir kommen zur
dritten Beratung.
Ich eröffne die allgemeine Aussprache. - Das Wort hat der Herr Bundesminister der Justiz.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bundesregierung begrüßt es dankbar, daß der Bundestag zu den in der Sitzung vom 29. Mai hier aufgeworfenen Amnestiefragen eine schnelle Entscheidung trifft. Nichts ist für Gerichte und Statsanwälte beschwerlicher, ja unerträglicher als eine Ungewißheit über das, was Rechtens ist. Diese Ungewißheit wird durch die Vorlage in einer doppelten Weise ausgeräumt. Die Vorlage gibt an, unter welchen Voraussetzungen und in welchen Grenzen politische Straftaten amnestiert werden. Indem sich die Vorlage auf diesen Bereich beschränkt, klärt sie zugleich, daß für Straftaten in Zusammenhang mit Demonstrationen keine Amnestie erfolgt. Das entspricht auch dem Standpunkt der Bundesregierung, die sich in einer Kabinettssitzung am 12. Juni gegen eine Amnestie für Straftaten im Zusammenhang mit Demonstrationen ausgesprochen hat.
({0})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Busse.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren Kollegen! Die Freien Demokraten begrüßen es, daß es auf Grund des guten Willens, der bei alten Fraktionen dieses Hauses bestanden hat, gelungen ist, dieses Amnestiegesetz schnell und kurzfristig zu erledigen. Ich darf an die Worte unseres verehrten Kollegen 1)r. Güde erinnern, der nach Abschluß der Beratungen des Achten Strafrechtsänderungsgesetzes hier erklärt hat, daß, wenn eine Amnestie erfolgen solle, sie zügig und schnell erfolgen müsse. Das ist, wie gesagt, nun glücklicherweise gelungen.
Wir begrüßen diesen Gesetzentwurf, der, wie es bei einem solchen Amnestiegesetz eben nicht anders geht, eine Reihe von Tatbeständen erfaßt, die infolge der Änderung des Strafrechts nun zu amnestieren sind. Wir sind uns dabei aber darüber im klaren, daß diese notwendigerweise etwas grob geschnittene Regelung nicht alles erfassen kann, was vielleicht doch noch erfaßt werden muß. Ich denke dabei nicht an das, was auch die Berichterstatterin eben angesprochen hat, nämlich an das, was im Zusammenhang mit Oster-Unruhen usw. geschehen ist, sondern ich denke an die Fälle, die von der Amnestie ausdrücklich aasgenommen sind. Auch etwa um nur ein Beispiel zu sagen - beim Landesverrat sind gewisse Dinge heute anders geregelt, als sie früher geregelt waren. Landesverrat ist aber bei der Amnestie ausgenommen. Hier und in ähnlichen Fällen wird es Sache der Gnadeninstanzen sein, zu untersuchen, ob nicht die Notwendigkeit besteht, im Wege des Gnadenerlasses auszugleichen, was vielleicht an Unebenheiten noch im Gesetz stecken könnte.
Alles in allem ein erfreulicher Abschluß einer neuen Besinnung auch auf dem Gebiet des Staatsschutzrechts. Wir begrüßen diese Regelung und werden ihr zustimmen.
({0})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Müller-Emmert.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Straffreiheitsgesetz ist die unmittelbare Folge des Achten Strafrechtsänderungsgesetzes, das wir am 29. Mai 1968 beschlossen haben und dem inzwischen auch der Bundesrat in seiner Sitzung vom 14. Juni 1968 zugestimmt hat. Dieses Achte Strafrechtsänderungsgesetz hat die Reform des politischen Strafrechts gebracht. Es hat dabei sehr viele Vorschriften ersatzlos gestrichen und sehr viele erheblich eingeschränkt. Daraus folgt, daß es ein Akt. der Gerechtigkeit und der Gnade ist, auch nach außen hin zu dokumentieren, daß unter die Vergangenheit ein Schlußstrich gesetzt werden muß, was auch durch ein solches Gesetz zum Ausdruck gebracht werden muß.
Dabei ist die Feststellung wichtig, daß durch dieses Amnestiegesetz nur politische Straftaten, die genau aufgeführt sind, erfaßt werden, keinesfalls aber Straftaten, die mit den Demonstrationen der jüngsten Zeit in irgendeiner Weise in Zusammenhang stehen. Körperverletzung, Sachbeschädigung und Nötigung, fahrlässige Tötung oder auch vorsätzliche Tötung, Landfriedensburch, Brandstiftung waren nicht Gegenstand unserer Beratungen im Rahmen des politischen Strafrechts. Sie fallen deshalb - dies muß ausdrücklich festgestellt werden - auch in keiner Weise unter diese von uns vorgesehenen Amnestievorschriften.
Meine Herren Vorredner haben schon darauf hingewiesen, daß Eile notwendig ist. Wir müssen die Justiz aus dem Schwebezustand, in dem sie sich im Augenblick befindet, befreien. Wir müssen daran denken, daß rund 1000 - etwas weniger als 1000 Verfahren der Abwicklung harren und daß, wenn wir dieses Amnestiegesetz heute nicht erlassen würden, sowohl die polizeilichen Ermittlungen zum Stillstand kämen als auch die Staatsanwaltschaft sehr oft nicht wüßte, ob sie Anklage erheben soll oder nicht, als auch die Gerichte höchstwahrscheinlich mit der Ansetzung der Hauptverhandlung in diesen Fällen verzögerlich verfahren würden, ganz abgesehen davon, daß auch die Strafvollstreckungsbehörden, wenn dieses Gesetz nicht erlassen würde, in Schwierigkeiten gerieten.
Ich darf zum Abschluß noch sagen, daß nur dank der ausgezeichneten Arbeit des Justizministeriums und dank der Hinweise des Bundesjustizministers dieses doch sehr schwierige Gesetz mit dieser Schnelligkeit und trotzdem - das muß ich besonders betonen - in dieser Gründlichkeit erarbeitet werden konnte. Ich darf an dieser Stelle dem Herrn Justizminister und seinen Mitarbeitern recht herzlichen. Dank sagen.
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Abschließend darf ich sagen, daß es wohl selbstverständlich ist, daß die SPD-Fraktion diesem Gesetz ihre volle Zustimmung gibt.
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Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Güde.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich sage nur noch zwei oder drei Sätze zu dem, was meine Vorredner gesagt haben. Denn die Frau Berichterstatterin hat die Motive dieses Gesetzes, wie sie den Ausschuß geleitet haben, ganz klar dargelegt. Ich sage dazu nur noch: Dieses Amnestiegesetz ist. ausgerichtet auf die Justiz. Es soll der Justiz ermöglichen, die Rechtskorrektur, die durch das Achte Strafrechtsänderungsgesetz aufgegeben ist, gerecht und gleichmäßig durchzuführen. In diesem Sinne und aus diesem Grunde wird auch die Fraktion der CDU/CSU diesem Gesetz zustimmen.
({0})
Das Wort wird nicht mehr gewünscht. Ich schließe die allgemeine Aussprache.
Ich komme zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetzentwurf in dritter Beratung zustimmt, den bitte
Vizepräsident Dr. Jaeger
ich, sich zu erheben. - Ich bitte uni die Gegenprobe. - Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? - Keine Enthaltungen. Es ist so beschlossen.
Wir kommen zu Punkt 19 der Tagesordnung:
a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes
b) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Grundsätze des Haushaltsrechts des Bundes und der Länder ({0})
c) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs einer Bundeshaushaltsordnung ({1})
- Drucksache V/3040 -Werden die Gesetzentwürfe begründet? - Das ist nicht der Fall. Dann treten wir in die verbundene Aussprache ein. Das Wort hat der Abgeordnete Haas. - Der Abgeordnete Haas ist nicht im Saal. Dann hat das Wort der Abgeordnete Schoettle. Wenn der Abgeordnete Schoettle auch nicht im Saal ist, liegen keine Wortmeldungen mehr vor.
({2})
- Er ist nicht anwesend. Daraufhin habe ich die Aussprache eröffnet. Bitte, Herr Abgeordneter Schoettle!
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- Sie verzichten?
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- Wir können hier nicht warten, sondern wir können entweder den Punkt überweisen oder ihn zurückstellen, bis wir einen anderen Punkt verabschiedet haben.
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Meine Damen und Herren, ich glaube, wir sollten zuerst einmal die Zusatzpunkte behandeln und bis dahin die Angelegenheit zurückstellen.
Ich rufe Zusatzpunkt 1 auf:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Angelegenheiten der Heimatvertriebenen und Flüchtlinge ({6}) über den Bericht der Bundesregierung zur Fortführung der Suchdienstarbeiten des Deutschen Roten Kreuzes und der kirchlichen Wohlfahrtsverbände
- Drucksachen V/2435, V/2816 ({7}) Berichterstatter: Abgeordneter Bartsch
Ich danke dem Herrn Berichterstatter für seinen Schriftlichen Bericht. - Das Wort wird nicht gewünscht.
Wer dem Antrag des Ausschusses zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Der Antrag ist angenommen.
Ich rufe Zusatzpunkt 2 auf:
Beratung des Mündlichen Berichts des Innenausschusses ({8}) über den Bericht der Bundesminister des Innern und für wissenschaftliche Forschung
betr. Arbeitsbedingungen des wissenschaftlichen und technischen Personals in hochschulfreien Forschungseinrichtungen des Bundes
- Drucksachen V/2165, V/3071 -Berichterstatter: Abgeordneter Schlager
Herr Abgeordneter Schlager hat seinen Bericht schriftlich zu Protokoll gegeben*). Das Haus ist damit einverstanden. Wird das Wort gewünscht? -Das ist nicht der Fall.
Wer dem Antrag des Ausschusses zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. Der Antrag ist angenommen.
Ich rufe den Zusatzpunkt 3 auf:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Innenausschusses ({9}) über den Antrag der Fraktion der SPI) betr. europäische Schulen
- Drucksachen V/533, V/3105 -Berichterstatter: Abgeordneter Biechele
Ich danke dem Herrn Berichterstatter für seinen Schriftlichen Bericht. - Das Wort wird nicht gewünscht.
Wer dem Antrag des Ausschusses zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Der Antrag ist angenommen.
Ich rufe Zusatzpunkt 4 auf:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Wirtschaft und Mittelstandsfragen ({10}) über den von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der Kommission der Europäischen Gemeinschaften für eine Richtlinie des Rates über die Harmonisierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für den aktiven Veredelungsverkehr
- Drucksachen V/2844, V/3104 - Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Giulini
Ich danke dem Herrn Berichterstatter für seinen Schriftlichen Bericht. - Das Wort wird nicht gewünscht.
Wer dem Antrag des Ausschusses zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Der Antrag ist angenommen.
*) Siehe Anlage 2
Vizepräsident Dr. Jaeger
ich rufe Zusatzpunkt 5 auf:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Wirtschaft und Mittelstandsfragen ({11}) über den von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der Kommission der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft für ein Allgemeines Programm zur Beseitigung der technischen Hemmnisse im innergemeinschaftlichen Warenverkehr, die sich aus der Unterschiedlichkeit der einzelstaatlichen Rechtsvorschriften ergeben
- Drucksachen V/2743, V/3107 Berichterstatter: Abgeordneter Regling
Ich danke dem Herrn Berichterstatter für seinen Schriftlichen Bericht. Das Wort wird nicht gewünscht.
Wer dem Antrag des Ausschusses zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Der Antrag ist angenommen.
Wir kommen zum Zusatzpunkt 6:
Beratung des Mündlichen Berichts des Innenausschusses ({12}) über die Vorlage der Bundesregierung betr. Vorschlag der Euratom-Kommission für eine Verordnung zur Änderung der Regelung der Bezüge und der sozialen Sicherheit der Atomanlagenbediensteten der Gemeinsamen Kernforschungsstelle, die in der Bundesrepublik Deutschland dienstlich verwendet werden
- Drucksachen V/3096, V/3106 Berichterstatter: Abgeordneter Schmitt-Vokkenhausen
Ich erteile das Wort dem Berichterstatter, Herrn Abgeordneten Schmitt-Vockenhausen. - Er ist nicht im Saal. Verzichtet das Haus auf den mündlichen Bericht? - Das ist der Fall. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Wer dem Antrag des Ausschusses zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Der Antrag ist angenommen.
Meine Damen und Herren, damit sind die Zusatzpunkte erledigt.
Ich rufe erneut Punkt 19 der Tagesordnung auf. Das Wort zur Begründung hat der Herr Bundesminister der Finanzen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst ist es mein Wunsch, daß Sie mir es nicht übelnehmen mögen, daß ein immerhin sehr bedeutendes von mir heute in die gesetzgebende Körperschaft einzuführendes Gesetzgebungswerk an diesem Tage zu relativ ungünstiger Stunde begründet werden muß. Ich tue es nicht, meine Damen und Herren, weil ich glaube, daß mein Redesoll in diesem Hause im Laufe meines parlamentarischen Lebens noch nicht erfüllt ist, sondern weil ich meine, daß ein grundsätzliches Reformwerk, und zwar ein wesentlicher Bestandteil des Gesamtbereichs Finanzreform, doch sowohl in Begründung als auch in Aussprache einige Zeit und einige Ausführungen verdient.
Mit der Vorlage der Gesetzentwürfe zur Haushaltsreform kommt die Bundesregierung einem Teil der Regierungserklärung vom 13. Dezember 1966 nach, in der vom Herrn Bundeskanzler Vorschläge für eine neue Haushaltsordnung einschließlich einer innerhalb und außerhalb dieses Hauses gewünschten Änderung des Art. 113 des Grundgesetzes als Bestandteil des kommenden Programms angekündigt worden sind. Diese Bundesregierung, in deren Namen zu sprechen ich die Ehre habe, sieht in der Reform des nach allgemeinem Urteil veralteten Haushaltsrechts eine längst fällige Aufgabe. Diese Aufgabe hätte vielleicht früher gelöst werden können, es besteht aber kein Zweifel darüber, daß sie jetzt unter dem Stichwort Verwaltungsreform und - im engeren Sinne des Wortes - Finanzreform gelöst werden muß. Mit der Bildung der gegenwärtigen Regierung hat sich deshalb insoweit auch die Hoffnung verbunden, daß die schwierigen Probleme einer neuen Haushaltsgestaltung bewältigt werden und das dazu notwendige neue rechtliche Instrumentarium in Bund und Ländern geschaffen wird. Wenn ich sage „in Bund und Ländern" dann drücke ich den Wunsch aus, der sich an die Adresse der Länder richtet, daß dieses Haushaltsrecht auch so einheitlich wie möglich auf die Gemeinden ausgedehnt wird.
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Das Gesetzgebungswerk ist ein Teil des großen Bereiches Finanzreform. Er ist zum Teil in dieser Legislaturperiode verwirklicht, in der letzten Legislaturperiode in Angriff genommen worden. Der Gesamtbereich kann aber erst in der nächsten Legislaturperiode abgeschlossen werden.
Ich darf die Stichworte in dem Zusammenhang erwähnen: Die Finanzreform ist nicht nur das, was vor einigen Wochen unter dem Stichwort Finanzverfassungsreform hier in diesem Hause in erster Lesung behandelt worden ist. Zum Begriff Finanzreform gehört, wenn ich es dem Ablauf der Dinge nach darstelle - nur in Stichworten darstelle -, einmal das schon im letzten Bundestag verabschiedete Gesetz zur Feststellung der Einheitswerte; dazu gehört das Gesetz zur Förderung von Wachstum und Stabilität, das wir bereits als ein Stück Haushaltsreform unter dem Druck der Stunde und der Not der Umstände vorweggenommen haben; dazu gehört die Umstellung des Umsatzsteuerrechts durch Einführung der Mehrwertsteuer; dazu gehört die
Einführung des Systems der mittelfristigen Finanzplanung; dazu gehört die Errichtung eines Finanzplanungsrats als einer Institution des kooperativen Föderalismus; dazu gehört die Finanzverfassungsreform, die nunmehr in den Ausschüssen dieses Hauses beraten wird.
Die Entscheidung über die Grundzüge dieser Finanzverfassungsreform wird es der Bundesregierung in Bälde ermöglichen, die wahrscheinlich sieben - das ist eine Frage der Einteilung - Aus9998
führungsgesetze, die die Konsequenz der Finanzverfassungsreform sind, den Gesetzgebungskörperschaften gegen Ende dieses Jahres vorzulegen, und das mit der Bitte, sowohl die Verfassungsreform wie die Ausführungsgesetze noch in dieser Legislaturperiode zu verabschieden.
Ich glaube, in jedermanns Sinne zu sprechen, wenn ich sage, daß es nicht genügt, in der Öffentlichkeit oder bei Konferenzen immer das Wort Reform im Munde zu führen und sich darunter traumhafte und phantastische Dinge vorzustellen. Reformen vollziehen sich meistens nach einer mühseligen, arbeitsreichen Vorbereitung, Reformen greifen in bestehende Besitzstände, Privilegien ein, Reformen verändern liebgewordene Gewohnheiten, aber sie können nicht deshalb vermieden werden. Wenn wir vor der Öffentlichkeit - und hier geht es nicht um weltpolitische Fragen - Bilanz zu ziehen haben, was dieser Bundestag geleistet hat, dann sollten wir aufweisen können - das ist für alle Mitglieder dieses Hauses von Bedeutung -, daß er die wesentlichen Teile, den Hauptteil des großen Bereiches der Finanzreform in den wenigen Jahren, die dieser Regierung und dieser Koalition bis zum Termin der nächsten Wahlen beschieden sind, verabschiedet hat.
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Hier ist das letzte große Werk, das diese Regierung noch vorzulegen hat, die Reform des Haushaltsrechtes. Ich habe nie einen Zweifel daran gelassen - und ich glaube, niemand wird die Zwangsläufigkeit oder Richtigkeit dieser Meinung ernsthaft bestreiten können -, daß der große Komplex Steuerreform und in Verbindung damit die Reform des Abgabenrechtes von diesem Bundestag nicht mehr bewältigt werden kann. Es liegt ohne Zweifel eine Menge von Vorarbeiten vor, und wir hören intra et extra muros immer wieder die Forderung: neues Steuerrecht, größere Einfachheit und größere Gerechtigkeit, was sich ja bekanntlich „leicht" miteinander verbinden läßt. Aber die Reform des gesamten Steuerrechts und nicht nur die Reform der direkten Steuern, die weitgehend vorbereitet ist, kann angesichts der Terminlage, angesichts der zur Verfügung stehenden Arbeitskapazität in diesem Bundestag nicht mehr verabschiedet werden. Dieser Bundestag sollte aber mit dem Gesamtbereich der Finanzverfassungsreform nebst den Ausführungsgesetzen und mit dem Gesamtbereich der Haushaltsrechtsreform auch noch ein echtes Stück Verwaltungsreform verabschiedet haben. Aus diesem Grunde bitte ich auch dieses Haushaltsrecht so rechtzeitig zu verabschieden, daß alle öffentlichen Gebietskörperschaften, Bund, Länder und Gemeinden, die Möglichkeit haben bzw. erhalten, das neue Recht spätestens vom Haushaltsjahr 1970 an anzuwenden.
Alle diese großen Reformen verfolgen das Ziel, unser Finanzsystem modern und leistungsfähig zu gestalten. Wenn auch oft mit dem Begriff Reform ein magischer Wunderglaube verbunden wird, so möchte ich nur ganz schlicht sagen, daß gerade diese Reformen, von denen ich eben gesprochen habe, für das weitere Schicksal unseres Staates, für seine wirtschaftliche Stabilität, seine politische Ordnung und seinen gesamten Fortschritt von maßgebender Bedeutung sein werden, vielleicht mehr als manches, was heute pompös unter dem Namen Reform durch die Landschaft unserer Zeit trabt. Noch niemals in der bald zwanzigjährigen Geschichte der Bundesrepublik Deutschland haben in einer Legislaturperiode finanzwirtschaftliche Reformen von solchem Umfang und solcher Bedeutung wie die eben von mir geschilderten, zum Teil verabschiedeten, zum Teil noch zu verabschiedenden Reformen zur Beratung und Beschlußfassung angestanden. Ich sage das nicht als Vorwurf, sondern als Feststellung, weil ich der Meinung bin, daß bis zur Mitte der sechziger Jahre auch keine Zeit war.
Heute drängt alles in allen staatlichen Bereichen stärker nach Reformen. In den vergangenen Jahren, in den ersten Legislaturperioden dieses Staates und dieses Parlamentes mußte es unser Hauptziel sein, angemessene Lebensverhältnisse im Rahmen des Möglichen für alle Schichten der Bevölkerung zu schaffen. Ich habe schon mehrmals, auch von diesem Platz aus, betont, daß die Gewohnheiten der Finanzpolitik von der Bewältigung der Vergangenheit, auch von der Aufgabe, angemessene Lebensverhältnisse für alle als tragbaren Lebensrahmen zu schaffen, auf die Sicherung der Zukunft, auf die Schaffung der Grundlagen umgestellt werden müssen. Dazu gehören materielle Entscheidungen, dazu gehören auch rechtlich-technische Entscheidungen, nämlich eine finanzrechtliche Neuordnung und eine daran orientierte klare, konsequente Politik. Wenn die Finanz- und Haushaltsreform sachgerecht und rechtzeitig vollendet werden kann, wird diese Legislaturperiode mit Recht als eine Epoche einer grundlegenden finanzsystematischen Reform gekennzeichnet werden und als solche auch ihren bescheidenen, aber nicht zu übersehenden Platz in der Geschichte der Bundesrepublik einnehmen können.
Das Thema Haushaltsreform datiert als Wunsch und Forderung aus den Anfängen der Bundesrepublik im Jahre 1949. In der Bundesgesetzgebung ist die Beibehaltung der Reichshaushaltsordnung von 1922 von vornherein als vorläufig bezeichnet worden. Aber was ist nicht schon alles als vorläufig bezeichnet worden! Wir kennen ja das Wort: le provisoire, c'est le définitif. Manches ist so vorläufig, daß es Dauerlösung geworden ist. So schien es beinahe auch mit dem Haushaltsrecht zu werden. Aber hier ist mit einer vorläufigen Regelung, d. h. einer vorläufigen Bestätigung der Fortsetzung des alten Haushaltsrechtes jetzt - nicht zuletzt aus den Erfahrungen, die wir in diesem Hohen Hause in fast 20 Jahren gesammelt haben - nicht mehr weiterzukommen.
In der Gesetzesbegründung zur vorläufigen Haushaltsordnung von 1950 heißt es, daß auf längere Sicht zu erwägen sein wird, das gesamte Haushaltswesen für die Bundesverwaltung neu zu ordnen. Wenn also in Zukunft das Wort „auf längere Sicht" noch einmal fällt, kann man sich eine ungefähre zeitliche Vorstellung machen, was das schätzungsweise bedeuten könnte.
Es verstand sich von selbst, daß in der damaligen Aufbauzeit, wo es wichtigere Dinge zu bewältigen gab, zunächst auf die alten haushaltsrechtlichen Grundsätze zurückgegriffen werden mußte, zumal auch die Verfassung im wesentlichen auf dem alten Reichshaushaltsrecht aufbaute. Wegen des Rechtes der Rechnungsprüfung, das in Deutschland zum Haushaltsrecht gehört, verweist auch das Bundesrechnungshofgesetz von 1950 auf die alte Reichshaushaltsordnung, die bis zu einer anderweitigen Regelung - wie es im Gesetz heißt - anzuwenden sei. Auch hier klingt der Gedanke des Provisorischen und damit auch der Grundgedanke der Notwendigkeit einer Reform an.
In der Gesetzgebung der deutschen Länder verlief die Entwicklung etwa gleich. Auch dort wurde die alte Reichshaushaltsordnung als Landesrecht übernommen. Erst später machten zwei Länder von der Befugnis Gebrauch, ihr Haushaltsrecht neu zu regeln, und zwar das Saarland 1958 und das Land Berlin im Jahre 1966, Die Rechnungsprüfung wurde in einigen Ländern durch Sondergesetze geregelt.
Mehrere Gremien haben sich mit der Frage der Reform des Haushaltsrechtes befaßt. Ihre Arbeiten haben zur Klärung von Vorfragen beigetragen; aber sie haben nicht zu einem kompletten Entwurf einer neuen Haushaltsordnung geführt. Im Ergebnis zeichnete sich nach den damaligen Erörterungen ab, daß eine neue Gliederung der Einnahmen und Ausgaben notwendig ist und der Wegfall des außerordentlichen Haushaltes ratsam sowie die Umstellung des Rechnungsjahres auf das Kalenderjahr - wie bereits vor geraumer Zeit geschehen - zu empfehlen sei. Obwohl sich der Reformgedanke meistens an Einzelproblemen des Haushaltsrechtes entzündete, setzte sich schließlich die Erkenntnis durch, daß eine Anpassung des alten Reichshaushaltsrechtes an neuere Entwicklungen durch die Jahreshaushaltsgesetze Stückwerk bleiben muß und daß eine grundlegende Neuordnung unumgänglich sei. Dieser Gesichtspunkt kommt auch in dem Gutachten der Kornmission für die Finanzreform zum Ausdruck. Aber wir wissen, daß die Kommission zur Haushaltsreform nur einige Leitgedanken, aber keine fertige Konzeption entwickelt hat. Sie hat empfohlen, diese Arbeiten einem besonderen Gremium zu übertragen.
Dafür konnte es kein geeigneteres Gremium geben als den Arbeitskreis der Haushaltsabteilungsleiter von Bund und Ländern unter Mitarbeit der Rechnungshöfe, weil hier bei aller Achtung vor der modernen finanzwirtschaftlichen Theorie eine intime Kenntnis der Haushaltspraxis unentbehrlich ist und weil das Ziel eines zumindest in den Grundzügen übereinstimmenden Haushaltsrechtes von Bund und Ländern von vornherein eine enge und stetige Zusammenarbeit erfordert. Nicht nur Finanzpolitik, auch Finanztechnik erfordert ein gemeinsames Recht und eine gemeinsame Grundlinie von Bund und Ländern. Es ist müßig, in einem Staat von Finanzpolitik als Instrument der Wirtschaftspolitik, als konjunkturpolitischem Instrumentarium zu reden, wenn nur die Hälfte des öffentlichen Finanzvolumens nach einem Grundwillen gestaltet wird und die andere Hälfte in unzählige Einzelentscheidungen zersplittert wird. Das gleiche gilt nicht nur für die materielle Entscheidung, das gleiche gilt auch für die rechtlichtechnische Gestaltung. Unsere Haushaltspläne müssen endlich einmal wieder vergleichbar und transparent werden.
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Haushaltspläne sollen nicht dazu dienen, Tatbestände zu verschleiern und der Öffentlichkeit das Gruseln vor dem Sonderwissen der haushaltstechnischen Magier beizubringen, sondern Haushaltsgestaltung soll dazu dienen, dem Staatsbürger ein wesentliches Stück seines Lebens, der Gestaltung seiner Umwelt, seiner Gegenwart und seiner Zukunft verständlich und durchschaubar zu machen.
Ein großer Teil der Kritik, die wir heute schriftlich und mündlich in jeder nur denkbaren Form vernehmen müssen, stammt nicht so sehr von einer Entrüstung über echte Mißstände, sondern weitgehend von einer Unkenntnis der Zusammenhänge. Wenn durch die öffentlichen Kassen, sei es des Staates, sei es der parafiskalischen Gewalten, beinahe 40 % des gesamten Volkseinkommens gehen, was eine wirtschaftliche Bedeutung ausmacht, wie sie noch niemals in der Geschichte der deutschen Finanzpolitik bestanden hat, dann hat der Staatsbürger einen Anspruch darauf, daß die Gestalter der öffentlichen Finanzen die Finanztechnik ihm so verständlich machen, wie es die Kompliziertheit der Materie überhaupt nur erlaubt.
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Ich habe einen mir schon seit einer Reihe von Monaten vorliegenden Entwurf nicht diesem Hohen Hause zugeleitet, meine Damen und Herren, weil ich auch eine Prüfung unter wissenschaftlichen Kriterien, nicht nur unter pragmatischer Erfahrung, wünschte. Ich habe deshalb den Wissenschaftlichen Beirat beim Bundesminister der Finanzen gebeten, sich mit diesem Entwurf zu befassen. Er hat einen Sonderausschuß gebildet. Er hat weitere Fachleute beigezogen. Der vorliegende Entwurf ist nicht nur sozusagen das Konzentrat jahrelanger Überlegungen der Haushaltsabteilungsleiter von Bund und Ländern, die eine gewaltige Summe an Erfahrung repräsentieren, sondern der vorliegende Entwurf enthält auch wesentliche Teile dessen, was immerhin ein achtbares Elitegremium der deutschen Wissenschaft einschlägiger Art dazu beigetragen hat. Die Verarbeitung der pragmatischen Erfahrung und der theoretischen Erkenntnis ist Ihnen in diesen Entwürfen, in der Verfassungsänderung, in dem Grundsätzegesetz und in dem technischen Stück der neuen Bundeshaushaltsordnung hiermit vorgelegt worden.
Die Verfassungsänderung ist in erster Linie notwendig, um eine Gesetzgebungskompetenz des Bundes für den Erlaß des Haushaltsgrundsätzegesetzes zu schaffen. Ich glaube, ich brauche in diesem Hause nicht zu begründen, warum eine Verfassungsänderung deshalb notwendig ist, warum ein Haushaltsgrundsätzegesetz erforderlich ist und warum wir ohne Verfassungsänderung und Haushaltsgrundsätzegesetz uns nicht erlauben können zu behaupten, daß wir uns ernsthaft bemühen, diesen Staat
und seine Formen zu modernisieren. Die Entscheidung über dieses Gesetzgebungswerk ist auch eine Frage nach der Modernisierung unseres Staates in einem wesentlichen Bereich, dessen Umrisse ich eben nur in kurzen Zügen schildern konnte. Aber auch eine grundlegende Neuordnung des materiellen Haushaltsrechts ist ohne Verfassungsänderung nicht möglich, weil das derzeitige Haushaltsrecht des Bundes in wesentlichen Grundzügen verfassungskräftig, aber unter Rückgriff auf die alte Reichshaushaltsordnung vom Jahre 1922 festgelegt worden ist.
Das Haushaltsgrundsätzegesetz hat die Aufgabe, die Rechtseinheitlichkeit in Bund und Ländern auf dem Gebiet des Haushaltswesens zumindest in den Grundzügen dauerhaft zu sichern und die öffentlichen Haushalte vergleichbar zu machen. Ich glaube nicht, daß ein Wesenselement der Staatsqualität der Länder etwa darin bestehen könnte, ein zum Bund unterschiedliches Haushaltsrecht als Souveränitätssymbol aufweisen zu können.
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Dieses Grundsätzegesetz enthält, abgesehen von einigen für Bund und Länder unmittelbar geltenden Vorschriften, den Gesetzgebungsauftrag an Bund und Länder, ihr Haushaltsrecht nach den Grundsätzen zu regeln, die dieses Gesetz aufstellt. Und die Verfassungsänderung bietet uns im übrigen in der von der Regierung vorgeschlagenen und von Ihnen, so nehme ich an, zu beschließenden Form die Möglichkeit, den Art. 113 des Grundgesetzes, über den so viel theoretisch und praktisch geredet worden ist, so zu gestalten, daß er endlich anwendbar wird, ohne daß durch seine Anwendung größere Entscheidungen ausgelöst werden, als es in der Natur der Sache oder im Rahmen des finanziell Möglichen bedingt ist.
Der zugleich vorgelegte Entwurf der Haushaltsordnung erfüllt auch bereits den Gesetzgebungsauftrag, den das Haushaltsgrundsätzegesetz dem Bundesgesetzgeber erteilt. Hier ist ebenso wie beim Stabilitätsgesetz die Möglichkeit gegeben, mit der Verfassungsänderung gleichzeitig auch das Ausführungsgesetz vorzulegen. Ich sage das deshalb, weil die Bundesregierung im Zusammenhang mit der Finanzverfassungsreform gebeten oder ermahnt worden ist, auch die Ausführungsgesetze vorzulegen. Ich habe dem widersprochen, weil dieses Haus zuerst die Grundstäze der Finanzverfassungsreform, wenigstens im wesentlichen, festlegen muß, bevor es einen Sinn hat, Ausführungsgesetze festzulegen. Es gibt für die Finanzverfassungsreform verschiedene mögliche Modelle. Da ist eine Entscheidung zwischen diesem oder jenem Modell zu treffen. Aber die Regierung muß wissen, welchen Modellen das Parlament zuneigt, um dann auch ihrerseits eine sinnvolle Arbeit leisten und ein Gesetz vorlegen zu können, das nicht in Grundzügen bereits wieder in der parlamentarischen Arbeit geändert werden muß.
Die hier vorliegenden Gesetzentwürfe dienen dem gemeinsamen Zweck, das veraltete Haushaltsrecht den veränderten politischen, wirtschaftlichen, sozialen und technischen Verhältnissen anzupassen und im Sinne neuzeitlicher Erkenntnisse weiter zu entwickeln. Seit der Kodifikation des Haushaltsrechts im Jahre 1922 haben sich die Staatsaufgaben nach Art und Umfang gesteigert und gewandelt, eine Entwicklung, die sich, vor allem bedingt durch den Zweiten Weltkrieg und bedingt durch den rapiden technischen Fortschritt, in den letzten Jahren stark beschleunigt hat. Das Bemühen, alle Teile der Bevölkerung am wirtschaftlichen Fortschritt teilhaben zu lassen, das Bemühen, eine dauerhafte und gerechte Sozialordnung zu schaffen, das Bemühen, diesen Staat, diese Gemeinschaft auf die Notwendigkeiten und Aufgaben der Zukunft vorzubereiten, ließen den öffentlichen Haushalt ungleich mehr als früher zu einem maßgeblichen Gestalter, zu einem maßgeblichen Faktor der Gesellschaftsordnung werden. Der Anteil der öffentlichen Haushaltswirtschaft an der Gesamtwirtschaft hat einen solchen Umfang angenommen, daß er das gesamtwirtschftliche Geschehen entscheidend beeinflußt, aber auch entscheidend von ihm beeinflußt wird. Eine isolierte Betrachtung der staatlichen Haushaltswirtschaft ist heute weniger möglich denn je.
Die Haushaltswirtschaft hat zwei wesentliche Funktionen zu erfüllen: Sie muß nach klassischen Grundsätzen den Bedarf an Mitteln zur Finanzierung der öffentlichen Aufgaben befriedigen, sie muß einen wesentlichen Beitrag zur Konjunktur- und Wachstumspolitik leisten, und sie muß auch die geistige und materielle Infrastruktur des Lebens von morgen rechtzeitig vorbereiten.
Ein Mitglied des Sachverständigengremiums, Staatssekretär a. D. Binder, hat vor einigen Jahren eine Äußerung getan, die vielleicht einen Finanzminister freuen könnte, aber einen Staatsbürger bei oberflächlicher Betrachtung erschrecken müßte, daß nämlich ein stärkerer Anteil des privaten Einkommens zur Finanzierung der Infrastruktur in Zukunft herangezogen werden muß. Ich sagte, eine solche Bemerkung müßte den Finanzminister freuen, weil er sich damit die Hoffnung machen könnte, daß damit eine größere Bereitschaft zum Steuerzahlen verbunden wäre. Ich möchte das nicht unmittelbar damit verbinden. Ich möchte nur eines so plastisch und drastisch wie möglich ausdrücken: Es ist in unserem Lande relativ leicht geworden, und zwar für einen wachsenden Teil der Bevölkerung, z. B. ein Kraftfahrzeug zu erwerben. Es ist für den Staat im selben Maße - beinahe proportional zunehmend - schwierig geworden, das Stück Straße, das zum reibungslosen Verkehrsfluß für alle in Dienst gestellten Kraftfahrzeuge erforderlich ist, zu beschaffen.
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Es gibt nicht den leisesten Zweifel daran, daß sich der Preis eines Automobils und die Kosten des für dieses Automobil zum Zwecke des reibungslosen Verkehrsflusses notwendigen Stückes Straße in einem Verhältnis bewegen, das optimal 1 : 10, wahrscheinlich 1 : 20 ist. Das führt zwangsläufig - ich mache aus dieser meiner persönlichen Meinung seit geraumer Zeit kein Hehl - zu einem Zustand, daß wir entweder auf dringend notwendige öffentliche Investitionen verzichten oder den Haushalt umstrukBundesminister Dr. h. c. Strauß
turieren bzw. durch private Initiative Aufgaben, die sonst zwangsläufig dem Staat zufallen würden, lösen lassen müssen.
Wir haben aber - und darin hat Herr Binder ohne jeden Zweifel recht - nicht mehr die Entscheidung, den einen oder anderen bequemen Weg zu gehen. Wir haben nur mehr die Möglichkeit, entweder auf die rechtzeitige Vorbereitung auf das Leben von morgen zu verzichten und zu sagen, das mag die nächste Generation tun, wir wollen nach den harten Jahren, die wir hinter uns haben, unser Leben genießen und unser Sozialprodukt in vollem Umfang verbrauchen, oder in dieser Form staatlicher Zwangsaufgaben oder in der anderen Form privater Initiative ein Stück Konsumverzicht zur Bewältigung des Lebens von morgen zu leisten.
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Gerade aus diesem Grund kommt auch der rechtlich-technischen Gestaltung des gesamten Haushaltswesens von Gemeinden, Ländern und Bund eine höhere Bedeutung zu als nur etwa einem Stuck modernerer Gesetzgebung, das dann ausschließlich sogenannten Experten verständlich ist; denn der Staatsbürger muß wissen, was mit seinem Geld geschieht.
Aus diesem Grund, meine Damen und Herren, sollten wir es alle begrüßen, daß nunmehr wirklich die Zeit dafür reif geworden ist, Änderungen zu treffen, z. B. die Möglichkeit eines zweijährigen Haushalts vorzusehen, ferner den Haushalt aufzugliedern in einen Finanz-, man kann auch sagen, Kapital- oder Investitionshaushalt, wie immer man ihn auch nennen mag, in einen Finanzhaushalt und in einen Verwaltungshaushalt. Wir müssen vom Jährlichkeitsdenken, das dann durch Krücken sozusagen abgemildert wird, endlich loskommen. Wir müssen von dem System der Bindungsermächtigungen zu Verpflichtungsermächtigungen kommen, und wenn sich die Verpflichtungsermächtigungen für größere Projekte an einen zweijährigen Haushalt anschließen, wird das Ganze schon überschaubarer und präziser.
Wenn von der Ermächtigung Gebrauch gemacht wird, einen Zweijahreshaushalt zu verabschieden, sollten die beiden Teile des Zweijahreshaushaltes nicht parallel zueinander laufen, sondern sich jeweils um ein Jahr überlappen, ein zweijähriger Investitionshaushalt, Finanzhaushalt, dessen zweites Jahr dann das erste Jahr des Verwaltungshaushaltes darstellt.
Ich darf Ihnen noch ein Weiteres sagen, was nicht nor Erkenntnis der modernen Theorie, sondern auch zwingendes Ergebnis der pragmatischen Erfahrung ist. Es hat heute einfach keinen Sinn mehr, zwischen einem ordentlichen und einem außerordentlichen Haushalt zu unterscheiden.
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ich bin nicht der Meinung, daß die Verpflichtung zur Deckung des Haushaltes aufgegeben werden sollte, daß das Deckungsprinzip überhaupt keine Bedeutung mehr habe, wie es von einigen „Bilderstürmern" auf diesem Gebiet verlangt wird. Andererseits sollten wir aber auch, wenn wir uns nicht selbst unglaubwürdig oder vielleicht sogar lächerlich oder zum Gegenstand von ungerechten Angriffen machen wollen, mit dem Deckungsprinzip nicht mehr die patriarchalische Vorstellung verbinden, wonach Deckung heißt: Summe der ordentlichen Einnahmen und Summe der Ausgehen müssen Jahr für Jahr gleich sein.
Wenn heute die Staatsfinanzen ein wesentliches Stück Wirtschaft geworden sind, wenn die Staatsfinanzen ein in seiner Bedeutung gar nicht zu überschätzender Wirtschaftsfaktor geworden sind, dann muß für den Staat dasselbe gelten wie für die private Wirtschaft, daß nämlich der Staatskredit ein legitimes Stück der Staatsfinanzierung, sozusagen ein legitimes Stück des Anlage- und Umlaufkapitals darstellt. Ich habe meiner Meinung unmißverständlich hier und anderswo Ausdruck gegeben, daß die Staatsverschuldung in Grenzen gehalten werden muß, die man weder nach der Methode Coué noch nach autosuggestiven Vorstellungen etwa beliebig ändern kann.
Wir haben ungefähre Größenordnungen vor Augen. Die Größenordnungen dürften je nach Wirtschaftslage so liegen, daß sich alle Gebietskörperschaften zusammengenommen - Bund, Länder und Gemeinden ohne die Sondervermögen Bahn, Post usw. - eine Nettomehrverschuldung von jährlich rund 10 Milliarden DM bei normalen Wirtschaftsverlauf, d. h. ausgehend von einer Gleichgewichtslage, erlauben können. Geht die wirtschaftliche Entwicklung nach unten, muß der Staatskredit erhöht werden. Verläuft die Wirtschaft außerplanmäßig und über die Zielprojektion hinaus wesentlich nach oben, muß der Staatskredit gedrosselt werden.
Ich habe auch nie einen Zweifel daran gelassen, daß der Bund entgegen den kaufmännischen Grundsätzen in erster Linie verpflichtet ist, seinen Kreditbedarf kurzfristig zu decken, um den mittel- und langfristigen Markt anderen Bedürfnissen zu überlassen.
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In der Reihenfolge meiner Vorstellungen kommt am langfristigen Markt zuerst die private Wirtschaft; dann kommen die Gemeinden als die Hauptträger der Investitionen, dann die Länder, dann die Sondervermögen, und erst dann kommt, was den langfristigen Markt betrifft, der Bund.
Von den rund 5 Milliarden DM, die der Bund bis jetzt an Kredit aufgenommen hat, sind nur 300 Millionen DM durch eine langfristige Anleihe finanziert worden. Der Rest ist mittel- und großenteils kurzfristig angelegt worden. Ich sage das nicht zur Entschuldigung, sondern in der vollen Überzeugung der Richtigkeit dieser Verhaltensweise, weil der Bund nicht seine Sonderstellung, etwa besonders gute Konditionen zu ermöglichen, dazu mißbrauchen darf, seinen Finanzbedarf mühelos zu decken, die Verhältnisse auf dem Kapitalmarkt in Unordnung zu bringen und anderen die Schwierigkeit der Annahme dieser Konditionen zu überlassen.
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Meine sehr verehrten Damen und Herren, ferner verfolgt dieser Entwurf auch ein Ziel, an dem uns allen - ich möchte beinahe sagen: in Kenntnis des Unterschieds zwischen Ideal und Wirklichkeit - sehr gelegen ist, nämlich die Haushaltspläne in Zukunft termingerecht vorlegen und verabschieden zu können. Ich glaube, niemand in diesem Hause mit seiner beinahe zwanzigjährigen Haushaltserfahrung wird bestreiten, daß das System des einjährigen Haushalts wesentlich daran schuld ist, daß wir einfach aus Gründen, die ich hier im einzelnen nicht zu erläutern brauche, weil sie uns allen bekannt sind, nicht in der Lage sind, den Haushalt, genauso wie es der Soll-Vorschrift der Verfassung entspricht, zum 31. Dezember des vorhergehenden Jahres für das kommende Jahr zu verabschieden. Bei Zweijahreshaushalten wird dieser Termin leichter einzuhalten sein. Und etwas braucht nicht mehr einzutreten, was diesem Hause und seinem Haushaltsausschuß immer besondere Sorgen macht, daß nämlich die Regierung mit dem Termin der Vorlage des Haushaltsplans das Parlament im gesamten und den Haushaltsausschuß im besonderen unter einen Druck setzt, den ich, lieber Herr Kollege Schoettle, selber am liebsten vermeiden wollte, weil mir - ich sage das nicht als billiges Kompliment - daran gelegen ist, daß der Haushaltsausschuß Zeit hat, die Dinge der Gestaltung des Haushalts, abgesehen von den Konjunkturhaushalten, wo eine globale Zustimmung notwendig ist, gründlich im einzelnen prüfen zu können.
Es fällt mir keine Perle aus der Krone, wenn ich sage, daß die Zusammenarbeit zwischen der Regierung und dem Parlament im allgemeinen sowie zwischen dem Finanzministerium und dem Haushaltsausschuß im besonderen in der Frage der Konsolidierung der Finanzen und einer stabilen und soliden Haushaltspolitik von einer nicht zu überschätzenden Bedeutung ist. Ich möchte diesen Dank auch hier im Zusammenhang mit der Vorlage eines neuen Haushaltsrechts in aller Ausführlichkeit wiederholen.
Neben dem vorher genannten Ziel ist auch die Beseitigung der Schattenhaushalte aus ungedeckten Ausgaberesten und mehrjährigen Verpflichtungen ein dringendes Reformerfordernis. Drittens ist eine größere Beweglichkeit im Haushaltsvollzug anzustreben. Viertens sollten der Haushaltsvollzug, der ausschließlich Sache der Exekutive ist, und die Haushaltskontrolle, die dem Parlament und dem Rechnungshof obliegt, wieder klar voneinander getrennt werden.
Fünftens sind die Möglichkeiten für eine rechtzeitige Vorlage der Rechnung nebst den Bemerkungen des Rechnungshofs zu verbessern, um die Kontrollwirkung zu steigern. Die Kontrollwirkung geht größtenteils verloren, wenn die Kontrollfunktion entweder überzogen wird oder wenn die Vorlage des Kontrollberichts so spät nach der Aktualität erfolgt, daß weder daraus Schlußfolgerungen abzuleiten sind noch ein öffentliches Interesse daran festzustellen ist. Auch daran, glaube ich, sollte uns allen wesentlich gelegen sein.
Besondere Erwähnung verdient die neue Haushaltssystematik, über die zwischen der Bundesrepublik und den Landesregierungen Einvernehmen erzielt worden ist. Sie wird beim Land Hessen bereits mit dem Haushalt 1969 eingeführt. Alle übrigen Länder haben sich verpflichtet, die neue Haushaltssystematik mit dein Jahre 1970 einzuführen. Grundlage der neuen Haushaltssystematik, die für die Vergleichbarkeit entscheidend ist, ist die Gliederung des Staatskontos im Rahmen der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung. Die Gruppierung der Einnahmen und Ausgaben berücksichtigt damit weitaus stärker als bisher ökonomische Gesichtspunkte. Der Aufbau des Haushaltsplans nach dem institutionellen Prinzip wird jedoch nicht berührt.
Von einem sollten Bundesregierung und Parlament Gebrauch machen, was ihnen in diesem neuen Haushaltsrecht ermöglicht wird, nämlich auch die Kosten, die Ausgaben des Staates funktional zu gliedern ohne Rücksicht auf Einzelpläne und ohne Rücksicht auf die Aufteilung in Kapitel und Titel. Es ist heute fast unmöglich - selbst für Experten fast unmöglich -, festzustellen, was insgesamt die Kosten eines bestimmten Programms sind. Ich habe mich dazu im Zusammenhang mit der agrarpolitischen Debatte geäußert. Ich halte daran fest, daß heute bei größeren Ausgabenvorhaben eine Kosten-NutzenAnalyse vorher erstellt werden muß und daß mit der Kosten-Nutzen-Analyse eine GesamtprogrammKostenrechnung verbunden werden muß. Es würde von neuem zur finanzwirtschaftlichen Unsolidität, zur Desorientierung und Derangierung unserer Finanzen führen, wenn man ein Programm zu finanzieren beginnt, ohne sich über Nutzen und Kosten ein Bild zu machen und ohne sich über die Gesamtkosten der Durchführung dieses Programms eine nach rationalen Grundsätzen glaubhafte Gesamtkonzeption zu erarbeiten.
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Das System - ich klage niemanden an oder höchstens mich selber oder uns alle - : „Laßt uns ein Gesetz machen, was es kostet, werden wir nachher im Vollzug feststellen, erst dann werden wir uns auch überlegen, wie die Mittel für den Vollzug dieses Gesetzes zu beschaffen sind", darf angesichts der' brennenden Probleme der Zukunftsfinanzierung, vor denen wir stehen, nach den bitteren Erfahrungen, die wir gesammelt haben, nie mehr in die Praxis der Haushaltsgestaltung und der Kostengestaltung zurückkehren.
({11}) Ich sage buchstäblich: nie mehr.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich bitte Sie um Verständnis, wenn ich trotz der Bedeutung der Materie, trotz der Tatsache, daß noch eine Reihe von wesentlichen Gesichtspunkten im Zusammenhang mit der Einbringung des Haushaltsrechts anzuführen wären, meine Ausführungen mit der Hervorhebung einiger wesentlicher Gesichtspunkte beschließe. Ich bin, um auf das zurückzukommen, was ich eingangs meiner Ausführungen sagte, mit Recht - subjektiv oder objektiv mit Recht - davon überzeugt, daß die Verabschiedung
der Finanzverfassungsreform mit ihren Ausführungsgesetzen, die Verabschiedung des Haushaltsrechts - all das in einem Zeitraum, der wesentlich geringer ist als der Umfang einer Legislaturperiode - ein wesentliches Stück Reformwerk ist. Wenn auch mit diesem Reformwerk kein magischer Glanz und keine illustre Reputation verbunden ist, so wissen wir doch, daß ein großer Unterschied zwischen pompösen Ankündigungen und dicken Phrasen einerseits und der harten Arbeit im sachlichen Detail andererseits besteht. Hier können Bundesregierung und Parlament beweisen, daß die vom Bundeskanzler im Dezember 1966 abgegebene Erklärung, wonach die Reform dieses Staates in wesentlichen Teilbereichen Aufgabe und Inhalt des Regierungsprogramms ist, auch in diesem Punkt bestätigt wird.
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Die Gesetzentwürfe sind begründet. Wir treten in die Aussprache ein. Das Wort hat der Abgeordnete Haas.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens der FDP-Fraktion habe ich folgendes vorzutragen.
Der Schwerpunkt des neuen, dreiteiligen Gesetzgebungswerkes liegt zunächst einmal in der vorgesehenen Grundgesetzänderung und hier vor allem in der geplanten Ergänzung des Art. 113. Auch die Opposition gibt zu und hat dies insbesondere früher durch die der FDP angehörenden Bundesfinanzminister wiederholt betont, daß das jetzt in Art. 113 des Grundgesetzes vorgesehene Erfordernis der Zustimmung der Bundesregierung bei ausgabeerhöhenden Gesetzesbeschlüssen nicht ausreicht. Lehnt die Bundesregierung ab, obwohl sie mit der Tendenz des Gesetzes selbst einverstanden ist, es vielleicht sogar selbst vorgelegt hat, aber gegen die im Laufe des Gesetzgebungsganges entstandenen Veränderungen Bedenken hat, so muß sie bei einer erneuten Einbringung ein neues und langwieriges Gesetzgebungsverfahren in Kauf nehmen, das sich häufig schon aus Zeitnot verbietet. Die Vereinfachung des Verfahrens, die mit der jetzigen Regelung vorgesehen ist, ist daher im Prinzip zu begrüßen.
Das gilt vor allem von der Möglichkeit einer erneuten Stellungnahme durch das Parlament vor der Beschlußfassung. Ob aber die Möglichkeit der Einschaltung des Vermittlungsausschusses bereits in dieser Phase zweckmäßig ist, erscheint mir sehr zweifelhaft. Bisher sind wir in jedem Fall mit der Einschaltung des Vermittlungsausschusses nach dem zweiten Durchgang im Bundesrat ausgekommen. Über diese in den neuen Absätzen 2 und 3 dieses Artikels vorgesehenen Modalitäten wird man sich bei der Ausschußberatung noch eingehend unterhalten können.
Begrüßenswert ist auch, daß sich Art. 113 Abs. 1 nunmehr auch auf ausgabemindernde Gesetzesvorlagen bezieht.
Die zu Art. 110 Abs. 1 bis 3 des Grundgesetzes vorgesehenen Änderungen ergeben sich vor allem aus dem Vorhaben der Bundesregierung, in Zukunft die Haushaltspläne für zwei Jahre aufzustellen. Über die Zweckmäßigkeit dieser Maßnahme wird man sich während des Gesetzgebungsganges ebenfalls noch eingehend unterhalten müssen. Der ins Auge springende Vorteil einer starken Arbeitsvereinfachung in Exekutive und Legislative wird weitgehend durch die Notwendigkeit in Frage gestellt, die fünfjährige Finanzplanung alljährlich erstellen zu müssen. Hieraus und aus der Tatsache, daß die Wirkungen des öffentlichen Haushalts auf den Wirtschaftsablauf so frühzeitig wie möglich erkannt werden müssen, schon um den Forderungen des Stabilitätsgesetzes zu genügen, werden sich bei einem zweijährigen Turnus im zweiten Jahr so umfangreiche Änderungen des Zahlenwerks als notwendig erweisen, daß sich die Beibehaltung des Einjahresturnus vielleicht schon aus der Forderung einer möglichst großen Übersichtlichkeit und Klarheit des Haushalts ergibt. Man muß auch beachten, wie oft schon jetzt, unter der Geltung des bisherigen einjährigen Turnus, die Bundesregierung gezwungen war, einen Nachtragshaushalt oder sonstige Änderungswünsche vorzulegen. Jedenfalls bedarf auch die Entscheidung dieser Frage einer genauen Überlegung.
Gegen den in Art. 109 Abs. 4 vorgesehenen Wegfall der Einschaltungsmöglichkeit des Vermittlungsausschusses bei nichtzustimmungsbedürftigen und dringlichen Gesetzesvorlagen und die geplante Verkürzung der Frist zur Stellungnahme des Bundesrats haben auch wir, ebenso wie der Bundesrat, starke Bedenken. Die Arbeitsfähigkeit und Einflußmöglichkeit des Bundesrates sollte nicht beschnitten, und eine Sonderregelung für einen Gesetzgebungsgang sollte vermieden werden. Es kann der Bundesregierung auch zugemutet werden, selbst dringliche Vorlagen rechtzeitig einzubringen.
Eine entscheidende und zu begrüßende Änderung des Grundgesetzes liegt vor allem auch in der vorgesehenen Änderung des Art. 109 Abs. 3 des Grundgesetzes. Nunmehr werden für Bund und Länder die Haushaltsgrundsätze als neues Bundesrecht, auch als Bundesrahmenrecht für die Länder eingeführt und damit endlich die fast 50 Jahre alte Reichshaushaltsordnung, die als vorkonstitionelles Recht bisher weiter galt, außer Kraft gesetzt.
Viele der in den Haushaltsgrundsätzen vorgeschlagenen Änderungen erscheinen schon von der Systematik und Organisation wie auch von der Technik her als begrüßenswert, z. B. die Schaffung von Großraumkassen unter Verwendung von elektronischen Datenverarbeitungsanlagen, die Durchführung des Fälligkeitsprinzips und die gesonderte Aufführung und damit Sichtbarmachung der Bindungsermächtigungen, jetzt Verpflichtungsermächtigungen genannt. Gerade hier lag ein entscheidender Nachteil der bisherigen Regelung. Die Aufgabe des Prinzips der Volldeckung für die nicht verbrauchten Ausgabereste mag eine gewisse Klarheit schaffen und vor allem optisch ein entstandenes Haushaltsdefizit verkleinern, kann aber auch dazu führen, daß viele
Restgelder am Ende des Haushaltsjahres einfach ausgekehrt werden, z. B. Zahlung vor Fertigstellung von Bauten geleistet und damit auf Mängelrügen vorzeitig faktisch Verzicht geleistet wird. Auch wird eine große Anzahl von Umschichtungsanträgen im folgenden Haushaltsjahr die Folge dieser Maßnahme sein; denn viele Ausgaben, vor allem auf dem Gebiete der öffentlichen Baumaßnahmen, die erfahrungsgemäß immer mit Verzögerungen durchgeführt werden, müssen abgewickelt werden.
Auch der Wegfall des außerordentlichen Haushaltes schafft erhebliche Probleme. Aber die Grenzen zwischen ordentlichem und außerordentlichem Haushalt waren schon bisher flüssig und sind je nach Ergiebigkeit des Kreditmarktes hin und her verschoben worden. Natürlich ist jetzt die unbedingte Notwendigkeit der Aufstellung einer Finanzierungsübersicht, wie vorgeschlagen, gegeben.
Da der Finanzplanungsrat durch Verwaltungsvereinbarung der Länder bereits de facto institutionalisiert ist, wollen wir gegen seine Einführung de lege in die Haushaltsgrundsätze keinen Einspruch erheben. Schließlich stellt der Finanzplanungsrat das Korrelat zum Konjunkturrat des Stabilitätsgesetzes dar und eröffnet auch den kommunalen Spitzenverbänden das notwendige Mitspracherecht und der Deutschen Bundesbank zumindest eine Informationsmöglichkeit. Beides ist richtig.
Dagegen durfte es den Aufgabenbereich dieses Rates übersteigen, wenn er Schwerpunkte setzen würde. Für den Bund muß die Bundesregierung sich vor der Erstellung des Haushaltsplanes ohnedies über die Schwerpunktsetzung im klaren sein. Für die Länder und Gemeinden sollte man die Setzung von Schwerpunkten denjenigen überlassen, welche - wie Bürgermeister Weichmann im Bundesrat ausgeführt hat - der Problematik, insbesondere der Infrastruktur, am nächsten sind, nämlich den Gebietskörperschaften selbst. Die Mitwirkung beider Räte, sowohl des Konjunkturrates wie des Finanzplanungsrates, bei einer Aufgabe, nämlich finanzpolitisch das sogleich durchzuführen, was konjunkturpolitisch geboten ist, ergab sich schon bei der Beratung der Materie des Stabilitätsgesetzes.
Noch ein Wort zur Neuregelung der Kreditfinanzierung. Der Entwurf verläßt den bisherigen Grundsatz, Kredite „nur bei außerordentlichem Bedarf und in der Regel nur für werbende Zwecke aufzunehmen". Gewiß war diese Bestimmung der Reichshaushaltordnung zu eng. Aber schießt nicht die neue Regelung des Art. 115 des Grundgesetzes, als Maßstab künftig die Summe der geplanten Investitionen gelten zu lassen, ja in Ausnahmefällen auch noch darüber hinausgehen zu können, über das wünschenswerte Ziel hinaus? Der sehr große Umfang der Neuverschuldung auf dem Kreditmarkt im lautenden und im vergangenen .lehr, der nur durch eine völlig exzeptionelle Situation erklärt werden kann, sollte uns davon abhalten, ein so hohes Limit für Neuverschuldungen im Grundgesetz zu akzeptieren. Auch im Bundesrat sind Bedenken hiergegen laut geworden.
Zuni Schluß: Zuch die beste Haushaltsordnung kann nicht mehr Geld schaffen, noch nicht einmal durch zweifellos vorhandene Rationalisierungseffekte. Die hier später ersichtlichen Einsparungen werden noch auf viele Jahre durch technische Neubeschaffungen sehr kostspieliger Art, z. B. Ankauf vieler Datenverarbeitungsmaschinen, mehr als aufgefressen. Dennoch ist im ganzen gesehen das vorgelegte dreiteilige Haushaltsreformwerk auch vom Standpunkt. der Opposition aus gesehen zu begrüßen. Das Gesetzeswerk war überdies im wesentlichen schon fertiggestellt, als Ihr Herr Vorgänger im Amt, Herr Bundesfinanzminister, dieses Amt verlassen hat.
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Das Wort hat Herr Abgeordneter Schoettle.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die heute dem Hohen Hause vorgelegten drei Gesetze stellen den haushaltspolitischen Teil der Verfassungsreform dar, die wir in dieser Legislaturperiode, wie ich hoffe, im ganzen zu einem vorläufigen Ende werden führen können. Unser Grundgesetz teilt das Schicksal aller geschriebenen Verfassungen: sie müssen in gemessenen Zeiträumen den Bedürfnissen einer neuen Zeit angepaßt, sie müssen revidiert werden, wenn sie nicht zur Fessel für die Entwicklung der Ordnung der Gemeinschaft werden sollen. Freilich dürfen dabei die Grundsätze, auf denen die Verfassung ruht, nicht angetastet werden - Grundsätze, die durch das Grundgesetz selbst als unveränderbar bezeichnet worden sind.
Die Reform des Haushaltsrechts ist seit langem fällig gewesen. Wir - und nicht. wir allein - haben bei den Haushaltsdebatten der Vergangenheit immer wieder ihre Notwendigkeit betont. Die politische Praxis der Jahre seit der Begründung der Bundesrepublik hat Grenzen und Schwächen der bestehenden Verfahrensweisen gezeigt und die Erfahrungen und Einsichten ergeben, aus denen nun nach unablässigem Drängen aus dem politischen und wissenschaftlichen Bereich, nach intensiven Vorarbeiten von Haushaltsfachleuten und vor allem nach gründlicher Abstimmung zwischen Bund und Ländern endlich beratungsreife Entwürfe hervorgegangen sind. Ich darf für meine Fraktion dieses Ergebnis mit Genugtuung feststellen, um so mehr, als ich und meine Freunde an dem jahrelangen Drängen nach einer Reform nicht ganz unbeteiligt gewesen sind. Das gilt natürlich auch für die Kollegen der anderen Fraktionen, die aus ihren Erfahrungen im Haushaltsausschuß heraus an den Bemühungen um eine Reform beteiligt waren.
Vor beinahe dreizehn Jahren, im Sommer 1955, hat eine Studienkommission des Haushaltsausschusses, an der neben drei Mitgliedern des Ausschusses auch ein Vertreter des Bundesfinanzministers und ein Vertreter des Bundesrechnungshofes teilnahmen, diesem Haus einen Bericht über die amerikanischen Budgetverhältnisse und -methoden vorgelegt, mit dem ausgesprochenen Ziel, die Reform unseres eigenen Haushaltsrechts voranzutreiben. Wenn es dann noch ein gutes Dutzend Jahre bis zu den heutigen Vorlagen gebraucht hat, so ist das aus der KompliSchoettle
ziertheit der Sache ebensowohl wie aus den Schwierigkeiten zu erklären, die unsere föderative Grundordnung bietet. Wenn wir am Ende der Beratungen in diesem Hause sagen könnten: Was lange währt, wird endlich gut, so dürften wir uns alle glücklich preisen, obwohl auch in diesem Fall gelten muß, was die Engländer zu sagen pflegen: „Ob der Pudding gut ist, merkt man erst beim Essen." Nämlich bei der Anwendung der Beratungsergebnisse in der Praxis des haushaltspolitischen Alltags.
Welche Bedeutung kommt nun diesem dreiteiligen Gesetzentwurf zu? Der Herr Bundesfinanzminister hat bei der Einbringung schon auf einen erheblichen Teil der Problematik hingewiesen, und da wir von der gleichen Sache reden, ist es unvermeidlich, daß bei der prinzipiellen Auseinandersetzung mit den Entwürfen auch häufig die gleichen Punkte berührt werden. Wenn also jetzt irgendwie etwas nach Wiederholung klingt, so ergibt sich das einfach aus der Sache.
Welche Bedeutung haben diese Entwürfe? Das ist die Frage, die jenseits von allen Einzelheiten, über die in den Ausschüssen noch zu reden sein wird, in dieser ersten Beratung der Haushaltsreform zu stellen ist.
Die drei Teile des Entwurfs stehen in einem engen sachlichen und gedanklichen Zusammenhang miteinander. Oder besser gesagt: obwohl von verschiedener verfassungsrechtlicher Qualität, ergibt sich aus der Änderung der Grundgesetzartikel notwendigerweise das Gesetz über die Haushaltsgrundsätze von Bund und Ländern und aus diesem wieder die neue Bundeshaushaltsordnung als die konkrete Anwendung der Grundsätze auf die Bedürfnisse des Bundes, die eine Ablösung der altehrwürdigen RHO erfordern.
Die drei Gesetze sind nicht gerade die Krönung, aber doch ein wichtiger Eckpfeiler des Reformgebäudes, das seit dem vorigen Jahr im Entstehen begriffen ist in Gestalt des Stabilitäts- und Wachstumsgesetzes, der mittelfristigen Finanzplanung und der Entwürfe für die Finanzreform.
Alle diese Reformmaßnahmen stehen in einem engen Zusammenhang miteinander - nicht zuletzt als Ausdruck der zunehmenden Verflechtung von Wirtschaftspolitik und Finanzpolitik. Wir verlassen mit diesen Reformen die Ära der fiskalischen und kameralistischen Denkweise und streben an, die Haushalts- und Finanzwirtschaft der öffentlichen Hand den Erfordernissen des modernen Industriezeitalters - bei föderativem Staatsaufbau - anzupassen. Das bedeutet, daß wir Verfahrensregeln schaffen müssen, um neben den sich aus der Deckung des öffentlichen Bedarfs ergebenden Aufgaben in zunehmendem Maße mit der Haushaltspolitik der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung Rechnung zu tragen. Dies verlangt der stetig wachsende Umfang des öffentlichen Haushalts und die zwischen dem privaten und staatlichen Sektor unserer Volkswirtschaft bestehenden wechselseitigen Wirkungen. Der Herr Bundesfinanzminister hat schon darauf hingewiesen, wie sich das Gewicht der öffentlichen Haushalte im Laufe der letzten Jahrzehnte verändert hat. Die Gesetze zur Haushaltsreform werden in verfahrensrechtlicher Hinsicht auch die Grundsatzregeln zu ergänzen haben, die das Stabilitäts- und Wachstumsgesetz für eine konjunkturgerechte Haushaltswirtschaft aufstellt.
Diese Anforderungen an eine moderne Haushaltswirtschaft können aber nur dann realisiert werden, wenn alle Gebietskörperschaften handlungsfähiger werden auf der Grundlage von gemeinsamen Rechtsvorschriften für die Haushaltswirtschaft. Mit der Grundgesetzänderung vom Juni vorigen Jahres wurde bereits für die gesamte öffentliche Haushaltswirtschaft zwingend vorgeschrieben, daß Bund und Länder bei ihrer Haushaltswirtschaft den Erfordernissen des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts Rechnung zu tragen haben und daß durch zustimmungsbedürftiges Bundesgesetz Grundsätze für eine konjunkturgerechte Haushaltswirtschaft und für eine mehrjährige Finanzplanung aufgestellt werden können. Nun schaffen wir durch eine weitere Änderung des Art. 109 des Grundgesetzes abschließend noch die verfassungsrechtliche Grundlage für ein in Bund und Ländern übereinstimmendes Haushaltsrecht, das seine Regelung im Entwurf des Haushaltsgrundsätzegesetzes findet.
Damit wird endlich auch der Vergleichbarkeit der Haushalte von Bund und Ländern der Weg bereitet. Die bisher fehlende Vergleichbarkeit hat in der Vergangenheit das Klima bei den Finanzverhandlungen zwischen Bund und Ländern immer wieder stark beeinträchtigt. Für die Zukunft ist die Vergleichbarkeit der Haushalte ein entscheidendes Instrument für das Wirksamwerden des Finanzplanungsrates, der die mittelfristige Finanzplanungen von Bund und Ländern zu koordinieren hat. Wir begrüßen es, daß der Finanzplanungsrat nunmehr gesetzlich verankert wird, wie es meine Fraktion bereits im Oktober 1967 beantragt hat, nachdem der Rat inzwischen durch Vereinbarungen mit den Ländern seine schwierige Arbeit zur Abstimmung der mittelfristigen Finanzplanung für 1968 und 1972 aufgenommen hat.
Die Neufassung des Art. 110 des Grundgesetzes hält an den klassischen Etatprinzipien der Vollständigkeit und der Einheit sowie am Gebot des Haushaltsausgleichs fest. Neu ist hingegen die Möglichkeit, mehrjährige Haushaltspläne aufzustellen, wobei eine Teilung in Verwaltungs- und Finanzhaushalt sowie deren zeitliches Überlappen zulässig sind. Wir begrüßen diese Entwicklung; damit fällt künftig die Gliederung in ordentlichen und außerordentlichen Haushalt weg. Wir sind dafür dankbar, da wir uns von dem Zweijahreshaushalt eine rationellere Beratungsweise versprechen, die es erlaubt, sich mehr auf die politischen Probleme des Haushalts zu konzentrieren. Die bisherige Zweiteilung, die sich nach der Art der Finanzierung richtete, war wenig aussagekräftig, und ihr Wegfall entspricht lange erhobenen Forderungen, den Haushaltsplan nach ökonomisch bestimmten Ausgabearten zu gliedern.
Zur Sichtbarmachung des Kreditbedarfs ist dem Haushaltsplan künftig neu eine Finanzierungsübersicht beizugeben, die den Saldo zwischen den Ausgaben und den laufenden Einnahmen darstellt.
Diese Darstellungsform soll die Ordnungsfunktion des bisherigen außerordentlichen Haushalts übernehmen und zugleich die Aussagefähigkeit des Haushaltsplans in Finanz- und volkswirtschaftlicher Sicht fördern. Diese Finanzierungsübersicht ist Teil der neuen Haushaltssystematik. Sie soll nach der Begründung des Regierungsentwurfs drei Grundforderungen erfüllen, sie soll erstens den ökonomischen Gehalt des Haushalts und die Wirkungen der finanzpolitischen Entscheidungen auf die gesamtwirtschaftliche Entwicklung ausweisen, zweitens Auskunft darüber geben, in welchem Umfang einzelne Aufgaben erfüllt werden, drittens die haushaltsmäßigen Erfordernisse bei Aufstellung, Ausführung und Abschluß des Haushalts berücksichtigen.
Zur Erreichung dieses Ziels wird der Haushaltsplan künftig nach dem neuen Gruppierungsplan aufgestellt, der mit Ländern und Gemeinden abgestimmt ist, so daß die Vergleichbarkeit zwischen den Gebietskörperschaften gewährleistet ist, ohne strukturbedingte Unterschiede zu ignorieren. Hinzu kommt wie bisher ein allerdings verbesserter Funktionenplan, der die Erfordernisse der Datenverarbeitung berücksichtigt. Als Zusammenfassung wird es außerdem einen Haushaltsquerschnitt geben. Wir hoffen, daß damit die Durchsichtigkeit des Haushalts erhöht wird und notwendige Unterlagen zur finanzund wirtschaftspolitischen Entscheidung schnellstens zur Verfügung gestellt werden können.
Die nach Art. 109 des Grundgesetzes gebotene Berücksichtigung gesamtwirtschaftlicher Erfordernisse bei der öffentlichen Haushaltswirtschaft hat auch auf die staatliche Kreditwirtschaft ihre Auswirkung und schlägt sich in einer Änderung des Art. 115 des Grundgesetzes nieder, abgesehen von der ohnehin notwendigen Klarstellung einiger Zweifelsfragen. Die Bedeutung der öffentlichen Verschuldung, d. h. der Kreditfinanzierung öffentlicher Ausgaben wurde in der hinter uns liegenden Phase der wirtschaftlichen Rezession auch für die Skeptiker einsichtig. Ohne die vom öffentlichen Haushalt ausgehenden Impulse durch kreditfinanzierte Investitionsausgaben wäre die Konjunkturflaute und die drohende Massenarbeitslosigkeit keinesfalls so gezielt abgewendet worden. Der Vorschlag der Bundesregierung trägt der Bedeutung des öffentlichen Kredits Rechnung. Wir halten die Regelung für sinnvoll, daß künftig die Einnahmen aus Krediten „in der Regel" die Summe der im Haushaltsplan veranschlagten „Ausgaben für Investitionen" - gegenüber bisherigen „Ausgaben zu werbenden Zwecken" bei „außerordentlichem Bedarf" - nicht überschreiten dürfen. Der Bereich der Kreditfinanzierung wird damit unter Berücksichtigung gesamtwirtschaftlicher Betrachtungsweise weiter gezogen. Im übrigen gilt die Beschränkung auf die Investitionsausgaben nicht im Falle einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts. Nach der Begründung der Regierungsvorlage darf die Kredithöhe im Falle einer das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht gefährdenden Abschwächung der allgemeinen Wirtschaftstätigkeit die Summe der Ausgaben für Investitionen überschreiten. Auch diese Regelung ist sinnvoll und notwendig, wie uns die jüngste
Vergangenheit gelehrt hat. Mit dieser Umorientierung der staatlichen Kreditwirtschaft wird der bisherige objektgebundene Deckungsgrundsatz durch eine modernere, situationsbezogene Betrachtungsweise abgelöst. Voraussetzung für die Kreditaufnahme bleibt unverändert die Ermächtigung durch ein Bundesgesetz, so daß die Haushaltsrechte des Parlaments in jedem Fall gesichert bleiben.
In diesem Zusammenhang ist noch hervorzuheben, daß der Regierungsentwurf des Haushaltsgrundsätzegesetzes und der Bundeshaushaltsordnung für die Kreditaufnahme - in Abweichung vom allgemeinen Grundsatz der Bruttoveranschlagung - künftig die Nettoveranschlagung vorsieht. Wir haben wiederholt bei den Diskussionen um die vertretbare Höhe der Verschuldung darauf hingewiesen, daß nicht die Brutto-, sondern die Summe der Nettoneuverschuldung die ökonomisch relevante Größenordnung darstellt. Dem wird in diesen Entwürfen Rechnung getragen.
Ich muß es mir aus Zeitgründen versagen, auf weitere Einzelbestimmungen der Regierungsentwürfe auch nur in den Grundzügen einzugehen. Wir werden in den Ausschußberatungen über die Fragen zu sprechen haben, die mit der Durchführung des Fälligkeitsprinzips, also der Darstellung der reinen Geldbewegungen im Bundeshaushalt, mit der Neuregelung der Verpflichtungsermächtigungen, früher Bindungsermächtigungen, der größeren Beweglichkeit beim Haushaltsvollzug, den Vorschriften über die Vermögenswirtschaft und die Vermögensrechnung, der Weiterentwicklung der Rechnungsprüfung usw. zusammenhängen. Alles das sind Probleme, die der Einzelberatung im Ausschuß vorbehalten bleiben müssen.
Lassen Sie mich abschließend die für den Politiker wichtige Frage untersuchen, welchen Einfluß die Regierungsentwürfe auf die Stellung des Parlaments haben und ob und wie weit sie das Verhältnis von Legislative und Exekutive verändern können. Die bedeutsamste Rolle spielt in diesem Zusammenhang die vorgeschlagene Änderung des Art. 113 des Grundgesetzes. In der jetzigen Fassung gab dieser Artikel der Bundesregierung ein Vetorecht gegenüber Ausgabenbeschlüssen des Parlaments mit der Folge, daß die gesamte Gesetzvorlage verfällt. Wir alle wissen, daß sich die Anwendung dieser Vorschrift in prekären Situationen wie z. B. im Wahljahr 1965 nicht bewährt hat, d. h. sie wurde praktisch nicht angewandt. Bekanntlich hatte die Bundesregierung früher zwar wiederholt mit der Anwendung des Art. 113 gedroht, aber letzten Endes doch die Konsequenzen gescheut, einmal gegen die politischen Absichten ihrer eigenen Parlamentsmehrheit hart vorzugehen und zum anderen im Falle der Zustimmungsverweigerung nicht nur den überhöhten Ausgabebeschluß des Parlaments, sondern auch die eigene Regierungsfassung zu Fall bringen zu müssen.
Inzwischen ist allerdings seit Bestehen der Großen Koalition Entscheidendes zur Sicherung der Haushaltswirtschaft getan worden. Das Stabilitätsund Wachstumsgesetz sowie die mittelfristige Finanzplanung geben künftig Grundlagen für eine
vorausschauende und koordinierende Politik, die dem Parlament die qualitativen und quantitativen Zielvorstellungen der Bundesregierung für einen mehrjährigen Planungszeitraum verdeutlichen soll und an der der parlamentarische Gesetzgeber seine eigenen Beschlüsse messen kann. Insoweit hat die Bedeutung des Art. 113 als Eingriffsinstrument der Bundesregierung gegenüber dem Parlament eine Wandlung erfahren. Dennoch ist dieser Art. 113 nicht zu entbehren, und seine Änderung mit dem Ziele einer verstärkten Praktikabilität ist auch nach unserer Auffassung wichtig.
Bei der Neufassung des Artikels wird sich als Kernfrage die nach der Abgrenzung der politischen Verantwortlichkeit des Parlaments und der Regierung stellen. Weder das englische System der Selbstbeschränkung des Parlaments durch die Standing Order 78 noch z. B. Art. 50 der französischen Verfassung ist auf das deutsche Verfassungsrecht übertragbar, wenn die Position des Parlaments - vor allem hinsichtlich seines Bewilligungsrechts und seines Initiativrechts - nicht entscheidend verändert werden soll.
Die Bundesregierung macht deshalb in ihrem Entwurf den Versuch, das Fallbeil ihrer Zustimmungsverweigerung künftig in gegebener Situation langsamer - also erst nach Ausschöpfung aller Kompromißmöglichkeiten - gegen finanzwirksame Gesetzesbeschlüsse des Parlaments anzuwenden. Abgesehen davon, daß künftig das Zustimmungsrecht der Bundesregierung nicht nur auf ausgabenwirksame Gesetze, sondern logischerweise auch auf einnahmemindernde Gesetzesbeschlüsse anwendbar sein soll, sieht die Neufassung des Art. 113 folgendes vor: Bevor der Bundestag haushaltswirksame Beschlüsse faßt, ist der Bundesregierung Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Nach Abschluß des Gesetzgebungsverfahrens hat die Bundesregierung das Recht, anstatt sogleich über die Zustimmung entscheiden zu müssen, eine erneute Beschlußfassung des Bundestages oder die Einberufung des Vermittlungsausschusses zu verlangen. Auch Bundestag und Bundesrat können die Einberufung des Vermittlungsausschusses nach Art. 77 des Grundgesetzes verlangen, falls die Bundesregierung ihre Zustimmung verweigert hat oder falls sie diese nicht innerhalb von sechs Wochen seit der Beschlußfassung des Bundestages erteilt und von ihren Rechten nach erneuter Beschlußfassung des Bundestages oder der Einberufung des Vermittlungsausschusses nicht Gebrauch gemacht hat. Der Bundestag hat erneut Beschluß zu fassen, wenn der Vermittlungsausschuß eine Änderung des Gesetzesbeschlusses vorschlägt.
Dieses Verfahren erlaubt eine Vielzahl von Varianten für die Ausschöpfung politischer Einigungsmöglichkeiten; aber es hat in seiner Perfektion - das muß man sehen - eine langwierige Prozedur zur Folge. Der Bundesrat hat deshalb die Einführung von Fristen empfohlen, damit das Verfahren nach Art. 113 im Streitfall in einem übersehbaren Zeitraum zu Ende geführt werden kann. Trotz der angemeldeten Bedenken der Bundesregierung gegen die Einführung von Fristen werden wir bei den Ausschußberatungen derartige Überlegungen eingehend zu prüfen haben. Diese eingehende Prüfung sollte sich meines Erachtens auch auf die Formulierung des Herrenchiemseer Verfassungsentwurfs zu Art. 113 erstrecken, für die sich seinerzeit die sozialdemokratischen Vertreter ausgesprochen hatten. Auch eine Überarbeitung des § 96 der Geschäftsordnung des Bundestages wird in diese Prüfung einzubeziehen sein, zumal dem Haus ohnehin zu diesem Thema Änderungsanträge bereits vorliegen.
Im Grundsatz ist die Absicht des Regierungsentwurfs zu begrüßen, wieder eine klarere Trennung zwischen der Budgetbewilligung, der Haushaltskontrolle durch das Parlament und dem Haushaltsvollzug durch die Verwaltung vorzunehmen. In dieser Beziehung ist in den letzten Jahren manches verschoben worden. Das Parlament mit seinem Haushaltsausschuß ist in einem nach meiner Meinung vielzu hohen Umfang immer wieder in den Vollzug des Haushaltes einbezogen worden, eine Entwicklung, die man nicht begrüßen kann. Wenn das abgebaut wird, kann man darüber nur glücklich sein.
Die Verwaltung hat - uni dieses Thema etwas zu vertiefen z. B. bei notwendigen Abweichungen vom bewilligten Haushaltsplan in zunehmendem Maße von dem Instrument der über- und außerplanmäßigen Ausgaben Gebrauch gemacht, anstatt Nachtragshaushalte verabschieden zu lassen, bei denen der Bundesrat und der Bundestag im normalen Gesetzgebungsweg einzuschalten gewesen wären. Diese über- und außerplanmäßigen Ausgaben, die inzwischen ein beträchtliches Ausmaß angenommen haben und z. B. 1966 rund 2,4 Milliarden DM oder 3,5 % des Etatvolumens betragen haben, können vom Parlament nur nachträglich im Rahmen des Verfahrens zur Entlastung der Bundesregierung für die Haushaltsrechnung zur Kenntnis genommen werden. Die SPD hat diese Entwicklung wiederholt als Aushöhlung des parlamentarischen Bewilligungsrechtes kritisiert. Auch der in den letzten Jahren verstärkte Brauch, daß hilfsweise der Haushaltsausschuß des Bundestages vom Bundesfinanzminister vor seiner Bewilligung von über- und außerplanmäßigen Ausgaben um zustimmende Kenntnis ersucht wird, ist keine Lösung, die den Gesamtinteressen des Parlaments auf die Dauer Rechnung trägt.
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Dieses Mitwirken eines Parlamentsausschusses beim Vollzug des Haushaltsplanes kann die nachfolgende Kontrolle des Gesamtparlamentes unter Umständen präjudizieren.
Deshalb ist der Versuch zu begrüßen, mittels eines vereinfachten Verfahrens in der neuen Fassung des Art. 110 die Nachtragsgesetzgebung wieder attraktiver zu machen. Wir begrüßen dieses Bemühen der Bundesregierung und werden es durch die Bereitschaft unterstützen, zu prüfen, ob im Interesse der Wiederbelebung der Nachtragshaushaltsgesetzgebung und damit der Stärkung des parlamentarischen Budgetbewilligungsrechtes der Bundestag nicht auch zu einer Beschleunigung des Verfahrens beitragen
sollte, indem er sich in dringenden Fällen auf eine Lesung beschränkt. Bei einer solchen Bereitschaft des Bundestages würde dem Bundesrat vielleicht auch die Zustimmung zur Verkürzung der für ihn bisher geltenden Fristen leichter gemacht werden.
In den Fragenkomplex der klaren Trennung der legislativen und der Exekutivaufgaben im Bereich der Haushaltspolitik gehört auch eine Überlegung, die den Bundesrechnungshof betrifft: Das Gesetz über den Bundesrechnungshof tritt am 1. .Januar 1970 außer Kraft. Ein neues Organisationsgesetz müßte bald, möglichst noch in dieser Legislaturperiode, verabschiedet werden. Dabei sollten wir darauf Wert legen, daß die Position des Rechnungshofes im Aufbau der Gewalten näher an das Parlament herangerückt wird. Er ist ein Kontrollorgan gegenüber der Regierung, das dem Parlament und seiner Kontrollaufgabe nähersteht als der Regierung, die er kontrollieren soll, die aber nach dem geltenden Recht seine Führung bestimmt. Ich halte diesen Sachverhalt für prüfungswürdig. Die Möglichkeit der Abhängigkeit des Kontrollorgans von der zu kontrollierenden Institution sollte ausgeschaltet werden. Ebenso sollte geprüft werden, ob die Personalunion zwischen dem Präsidenten des Bundesrechnungshofes und dem Bundesbeauftragten für die Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung zweckmäßig ist.
Lassen Sie mich schließlich noch ein Thema behandeln, das mir seit Jahren besonders am Herzen liegt. Wir beklagen alle miteinander zwei Tatsachen: 1. daß wir als Gesetzgeber jedes Jahr nicht das Verfassungsgebot einhalten können, wonach der Haushaltsplan vor Beginn des Rechnungsjahres durch Gesetz festzustellen ist; 2. daß wir ohne große Lust die erste Lesung des Haushaltsplanes im Bundestag absolvieren, weil schon Wochen vorher die interessanten und politisch wichtigen Fragen in aller Munde sind. Fast mit Neid sehe ich in diesem Falle nach England, wo die ganze Nation mit Spannung die Vorlage des Etats am „budget day" erwartet.
Diese Überlegungen und die Sorgen des Bundesrates um seine Beratungsfristen veranlassen mich und meine Freunde zu einem Vorschlag, der bei den weiteren Beratungen ernsthaft zu prüfen ist. Es ist folgendes: Für Haushaltsgesetze sollte die Vorlage des Regierungsentwurfs gleichjeitig an Bundesrat und Bundestag erfolgen. Die gleichzeitige Einbringung von Gesetzesvorlagen der Bundesregierung bei Bundestag und Bundesrat war seinerzeit generell vom Parlamentarischen Rat bis einschließlich der zweiten Lesung am 12. Januar 1949 vorgesehen. Dann haben sich bei den Beratungen Veränderungen ergeben, bei denen schließlich die heutige Regelung herausgekommen ist. Ich meine, wir sollten mindestens hinsichtlich der Haushaltsgesetze uns noch einmal intensiv mit dem sogenannten Recht des „ersten Votums" des Bundesrates beschäftigen.
Die von mir vorgeschlagene Lösung bietet gegenüber der jetzigen Regelung einige Vorteile:
1. Die Rechte des Bundesrates brauchen nicht geschmälert zu werden. Im Gegenteil, sie könnten seinen Wünschen entsprechen, indem seine Beratungsfrist für Haushaltsgesetze bei gleichzeitiger Vorlage an Bundestag und Bundesrat auf mindestens sechs Wochen ausgedehnt wird. Es käme dann lediglich auf das Zusammenspiel der beiden Häuser an.
2. Der Vorschlag der Bundesregierung in § 30 des Entwurfs der neuen Bundeshaushaltsordnung könnte zweckmäßiger ausgestaltet werden. Ich halte es nicht für angebracht, daß nach der Fassung der Regierungsvorlage die Bundesregierung acht Wochen Zeit erhält für ihre Gegenäußerung zu der Stellungnahme des Bundesrates, die dieser innerhalb von drei Wochen erarbeitet haben muß. Außerdem - das hätte eine Änderung zugunsten der Regierung zur Folge - erscheint mir der in § 30 der Bundeshaushaltsordnung vorgesehene Vorlagetermin für den Entwurf des Haushaltsgesetzes an den Bundesrat zum 15. Juni zu früh, wenn man bedenkt, daß gleichzeitig mit dem Haushaltsplan die mittelfristige Finanzplanung vorzulegen ist.
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3. Damit komme ich zum dritten Vorteil, der sich bei gleichzeitiger Vorlage an Bundestag und Bundesrat ergibt. Je bedeutsamer der öffentliche Haushalt für die gesamtwirtschaftliche Entwicklung wird, desto wichtiger ist größtmögliche Realistik bei der Aufstellung des Haushaltsplans. Sie wird um so mehr gewährleistet, je mehr der Zeitpunkt der Planaufstellung und der Planberatung an den Zeitpunkt der Haushaltsplanperiode heranrückt. Jetzt haben wir einen gewaltigen Abstand zwischen der Aufstellung des Bundeshaushalts und seiner endgültigen Verabschiedung. Die Regierung hätte bei späterem Vorlagetermin, der sich bei gleichzeitiger Vorlage an Bundesrat und Bundestag verwirklichen läßt, mehr Zeit für die umfangreichen Vorarbeiten, die erforderlich sind für die Bearbeitung gesamtwirtschaftlicher Zielprojektionen als Basis für die jährlich anzupassende mittelfristige Finanzplanung und für die Aufstellung des Haushaltsplanes, der in die mittelfristige Planung einzubetten ist und auch den kurzfristigen konjunkturellen Erfordernissen Rechnung zu tragen hat. Für die Bundesregierung wären also bei späterem Vorlagetermin die Schätzungsunterlagen realistischer; für das Parlament würde entsprechend die Ausübung seines Bewilligungsrechtes effektiver.
Schließlich will ich noch einmal nachdrücklich darauf aufmerksam machen, daß die gleichzeitige Vorlage des Haushaltsplans an Bundesrat und Bundestag die Rolle des Parlaments erheblich stärken könnte.
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Das Parlament wäre dann wieder der Ort, an dem der Haushalt, der nicht zu Unrecht als Schicksalsbuch der Nation bezeichnet wird, mit Priorität von den politischen Verantwortlichen aktuell diskutiert würde.
Das wäre ein wesentlicher Beitrag zur Stabilisierung der parlamentarischen Demokratie.
Angesichts der Bedeutung der Gesetzesvorlagen der Bundesregierung zur Haushaltsreform wird meine Fraktion alles ihr Mögliche dazu beitragen,
um eine schnelle Verabschiedung noch in dieser Legislaturperiode zu ermöglichen.
Gestatten Sie mir eine letzte Bemerkung! Verfassungsänderung und neue Ordnungen des Haushaltsrechts sind notwendig. Aber ihre Absichten werden nur dann verwirklicht werden können, wenn bei allen Beteiligten der politische Wille vorhanden ist, im Alltag der Gesetzgebung nicht nur dem Buchstaben, sondern auch dem Geist der Gesetze gerecht zu werden.
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Dies gilt ganz allgemein und im besonderen erst recht, wenn es sich um ein Gebiet wie die Haushalts- und Finanzpolitik handelt. Denn nirgends im Bereich der Gesetzgebung ist die Versuchung so groß, durch Befriedigung von Wünschen und Begehren Freunde und Wählerstimmen zu gewinnen.
Die Haushaltspolitik ist eines der entscheidenden Elemente der Finanzpolitik. Sie muß sich im Rahmen der finanzpolitischen Planung vollziehen. Dieser Rahmen darf nicht nach Belieben und politischer Konjunkturlage gesprengt werden. Situationen wie die von 1965 dürfen sich nicht wiederholen.
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Dieses Haus muß sich bei seinen finanz- und haushaltspolitischen Entschlüssen in der Zukunft jene Selbstbeschränkung auferlegen, die allein den Gesetzen, über die wir heute beraten, ihre volle Wirksamkeit verleihen.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Althammer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Geburt dieses Kindes, das wir heute vorstellen können, habe ich wiederholt von dieser Stelle aus angekündigt und dabei auch einiges über den Entwicklungsprozeß mitgeteilt. Bei der Verzögerung dieser Geburt hat das Kind nun inzwischen zwar einen anderen Vater bekommen, es ist auch gewichtiger geworden, aber über seine Schönheit gehen die Ansichten wie üblich weit auseinander.
Nun, die Haushaltsrechtsreform war dringend notwendig. Die Reichshaushaltsordnung vom Jahre 1922 hat sich zwar glänzend bewährt in ihrer Kombination von festem Gerüst und Anpassungsfähigkeit an die jeweiligen Bedürfnisse, trotzdem darf man nicht übersehen, daß die politische und wirtschaftliche Landschaft seit damals eine völlig andere geworden ist. Es wird heute ganz einfach verlangt, daß auch eine Haushaltsordnung ein taugliches Instrument der staatlichen Konjunktur-, Wirtschafts- und Finanzpolitik darstellt. Es ist ja kein Zufall, daß ein wesentlicher Teil der prizipiellen Änderungen schon im Stabilitätsgesetz vorweggenommen ist, weil einfach das Bedürfnis dafür bestand, sehr rasch neue Möglichkeiten auch dem Staate hier zu geben.
Ich möchte hier allerdings anmerken, daß mir im Regierungsentwurf die volle Abstimmung zwischen
Stabilitätsgesetz und Haushaltsrechtsreform noch nicht gelungen erscheint. Wir werden uns im Laufe des Gesetzgebungsvorgangs über dieses Problem noch zu unterhalten haben.
Die Haushaltsreform soll vor allem beweisen, daß innerhalb der EWG auch ein Land mit ausgeprägter föderalistischer Struktur den Erfordernissen einer modernen Wirtschafts- und Finanzpolitik gewachsen ist. Dazu ist es erforderlich, daß auch die Haushaltsvorschriften der Gemeinden - wie der Herr Bundesfinanzminister ja schon betont hat - durch die Ländergesetzgebung diesem Reformwerk und den Erfordernissen der modernen Industriezeit angepaßt werden.
Die Haushaltsreform verbindet eine Vereinfachung der Behördenstruktur mit dem Einsatz modernster Datenverarbeitungsanlagen. Damit ist ein Beitrag zu der dringend notwendigen Verwaltungsreform geleistet, die den Prinzipien des modernen Managements in den Behörden Rechnung tragen soll. Das beängstigende Anwachsen der Personalkosten kann am ehesten auf diese Weise eingedämmt werden. Es ist auch gar nicht einzusehen, warum nicht auch für die öffentliche Verwaltung die Prinzipien gelten sollen, die für jeden modernen Großbetrieb und für Wirtschaftszweige heute maßgeblich sind.
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Es müssen also auch Typisierung, Normierung und Rationalisierung hier wirklich mit Vorrang behandelt werden. Die Zeit, als das Schönschreiben noch als eine entscheidende Qualifikation für die Beamtenlaufbahn galt, ist noch nicht so weit zurück, wie wir das manchmal glauben. Es ist deshalb wichtig, daß gerade die Haushaltsrechtsreform den Rahmen dafür schafft, daß man diese modernsten Mittel in der öffentlichen Verwaltung wirklich einsetzt.
Heute wird so viel über die Personalkostenlawine geklagt. Ich meine, bei allen Bestrebungen, nun die Stellenmehrungen einzuschränken, ist der andere Weg, nämlich hier durch moderne Technisierung voranzukommen, zukunftsversprechender als der, einfach zu sagen: Hier müssen unter allen Umständen Stellen eingespart werden.
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Die Haushaltsrechtsreform wird zu einem Dialog nicht nur zwischen der Ländervertretung und der Bundesregierung, sondern auch zwischen der Bundesregierung und diesem Hohen Hause, also der Volksvertretung, führen. Der Bundesrat hat einen Teil seiner Einwendungen schon vorgetragen. Wir freuen. uns besonders darüber, daß bei aller Einzelkritik und bei den abweichenden Voten vom Bundesrat betont worden ist,
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daß er dieses Gesetzgebungswerk mit verabschieden wolle. Einige Punkte hat der Kollege Schoettle schon angesprochen. Auch wir sind der Überzeugung, daß sich in der Frage der Fristen eine Lösung finden läßt, die an § 8 des Stabilitätsgesetzes angelehnt ist. Ich stimme hier völlig mit dem überein,
was der Kollege Schoettle an Vorschlägen hinsichtlich der Wünsche des Bundesrates vorgetragen hat.
Eine sehr entscheidende Rolle wird dann natürlich das Netto- oder Bruttoveranschlagungsprinzip bei der Kreditgewährung und bei der Kreditaufnahme spielen. Ich glaube, daß das Parlament hier doch sehr genau überlegen muß, welchen Rahmen die Kreditgewährung haben kann. Wir haben hier und da Sorge, daß mit dem Mittel der Kreditaufnahme unter Umständen doch zu großzügig umgegangen werden könnte. Wir werden hier wachsam sein müssen.
Das zweite große Streitproblem ist das Problem des Ist- oder Soll-Abschlusses. Auch hier wird uns der Gesetzgebungsgang einiges sagen müssen.
Ich habe davon gesprochen, daß es entscheidend darauf ankommen wird, die Abgrenzung zwischen den Kompetenzen der Exekutive und denen der Gesetzgebung, also des Parlaments, zu finden. Herr Kollege Schoettle hat schon darauf hingewiesen, daß sich in der Vergangenheit hier doch eine zunehmende Vermischung gezeigt hat.
Der zentrale Punkt der Haushaltsrechtsreform ist in diesem Zusammenhang die Neufassung des Art. 113 des Grundgesetzes, wodurch diese wichtige Bestimmung praktikabler gemacht werden soll. An die Stelle des totalen Vetos der Regierung gegen Gesetze soll der Dialog zwischen Parlament und Bundesregierung treten. Im Zusammenhang damit hat das Parlament die Änderungsvorschläge zu den §§ 78, 85 und 96 der Geschäftsordnung des Bundestages zu behandeln. Die erste Lesung hat in diesem Hause schon stattgefunden.
Wir dürfen nicht übersehen, daß sich das Verhältnis von Parlament und Regierung innerhalb von 50 Jahren völlig umgekehrt hat. Während vor dem ersten Weltkrieg der Finanzminister der damaligen Volksvertretung jede Geldmittelbewilligung abringen mußte, will sich heute die Regierung mit einer Neufassung des Art. 113 des Grundgesetzes ein Instrument gegen ein zu ausgabefreudiges Parlament schaffen. Wir erinnern uns noch daran, daß sich früher an der Weigerung des Parlaments, Geldmittel zu bewilligen, regelrechte Verfassungskonflikte entzündet haben. Heute hören wir allenthalben die Klagen, daß sich dieses Parlament in der Mittelbewilligung zu wenig bescheide.
Gleichzeitig werden wichtige Leitfunktionen von außerparlamentarischen Gremien wie dem Konjunkturrat und dem Finanzplanungsrat übernommen. Es ist bezeichnend, daß es der Bundesrat abgelehnt hat, in das Haushaltsgrundsätzegesetz als neue Aufgabe für den Finanzplanungsrat das Ermitteln von Schwerpunkten für öffentliche Leistungen aufzunehmen. Die Ländervertretung begründet ihre Ablehnung damit, daß das Parlament und die Regierungen diese Aufgaben zu erfüllen hätten.
Die Haushaltsreform soll nach dem Willen der Bundesregierung eine klare Trennung der Funktionen von Parlament und Exekutive bringen. Für dieses Hohe Haus wird daher Veranlassung bestehen, seinen eigenen Aufgabenkreis im Finanzbereich gründlich zu durchdenken. Ein weiterer Substanzverlust darf meiner Meinung nach nicht hingenommen werden.
Wenn wir verhindern wollen, daß das Parlament von außen her unter Vormundschaft genommen wird, müssen wir für eine wirksame Selbstbindung des Parlaments bei Ausgabenbeschlüssen sorgen. Dieses Parlament muß sich wie einst in der Sage Odysseus an den Mast des Schiffes binden,
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um den Sirenengesängen zu widerstehen, die hier von allen möglichen Interessenvertretungen laut werden. Diese Gesänge sind nicht immer schön, sie sind meistens nicht schön, aber merkwürdigerweise finden sie in diesem Hohen Hause häufig Gehör. Die vorgeschlagene Neufassung einiger Paragraphen der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages soll dazu dienen, daß dieses Parlament diese Selbstbindung auf sich nimmt. Bevor die Bundesregierung in die Lage kommt, gemäß Art. 113 des Grundgesetzes einzugreifen, soll sich das Parlament selbst mit aller Schärfe und Klarheit die Finanzierungsfrage beantworten.
Wenn es nicht gelingt, im Rahmen dieses Gesetzgebungswerks die verschärfte Selbstbindung des Parlaments und eine verstärkte Disziplin bei den Ausgaben zu erreichen, dann befürchte ich allerdings, daß sich die Entwicklung, die entscheidenden politischen Grundentscheidungen auf andere Gremien zu verlagern, fortsetzen wird. Wir haben heute schon die Situation, daß die mittelfristige Finanzplanung ohne die entscheidende Mitwirkung des Parlaments aufgestellt wird und daß bei allen einzelnen, auch größeren Maßnahmen immer wieder gesagt wird: In der mittelfristigen Finanzplanung nicht vorgesehen usw. usw. Wir haben das jetzt soeben bei dem neuen Vorschlag des Bundeslandwirtschaftsministers erlebt, wo die Schranke der mittelfristigen Finanzplanung ebenfalls sofort sichtbar wird, ohne daß das Parlament frühzeitig einen Einfluß auf solche Schranken und solche Schwerpunktbildungen haben konnte.
Meiner Meinung nach könnte sich das Parlament selbst auch dadurch einen großen Dienst erweisen, daß es im letzten Jahr seiner Legislaturperiode keine neuen ausgabewirksamen Vorlagen mehr einbringt, um der Behauptung, man volle den Wähler durch Wahlgeschenke bestechen, von vornherein den Boden zu entziehen.
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Die einzelnen Abgeordneten des Parlaments hätten daraus auch den Vorteil, daß sie bei irgendwelchen Verbandstagungen darauf hinweisen könnten, daß dieses Parlament beschlossen hat: Vor den nächsten Bundestagswahlen keine neuen Ausgaben mehr! Damit wäre dann dieses Spiel endlich zu Ende, daß gesagt wird: Aber der Kollege hat sich hier zustimmend geäußert, oder: Diese Fraktion hat schon eine Zusage gegeben. Wir hoffen, daß wir, wenn das gelingt, ähnliche Situationen wie 1965 vermeiden können.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich darf für die Fraktion der CDU/CSU erklären, daß wir
diese Vorlage begrüßen, daß wir alle die Hoffnung haben, daß wir dieses Gesetz und die Verfassungsänderung im Gesetzgebungsgang sehr schnell verabschieden können, so daß wir noch rechtzeitig vor dem Ende der Legislaturperiode die Verfassungsänderungen beschlossen, das Haushaltsgrundsätzegesetz verabschiedet und eine neue Bundeshaushaltsordnung erreicht haben werden.
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Keine weiteren Wortmeldungen. Die Aussprache ist geschlossen.
Meine Damen und Herren, ich frage, ob Bedenken gegen die in der vorgelegten Tagesordnung aufgeführten Überweisungen an die Ausschüsse erhoben werden. Das ist nicht der Fall. Damit sind der Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes an den Rechtsausschuß als federführenden Ausschuß sowie zur Mitberatung an den Haushaltsausschuß, den Finanzausschuß, den Innenausschuß, den Ausschuß für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung, der Entwurf des Haushaltsgrundsätzegesetzes an den Haushaltsausschuß als federführenden Ausschuß sowie zur Mitberatung an den Finanzausschuß, den Innenausschuß, den Ausschuß für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung, den Ausschuß für das Bundesvermögen und der Entwurf einer Bundeshaushaltsordnung an den Haushaltsausschuß als federführenden Ausschuß sowie zur Mitberatung an den Finanzausschuß, den Innenausschuß, den Ausschuß für das Bundesvermögen und den Ausschuß für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung überwiesen.
Ich rufe Punkt 15 auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über eine Milchstatistik
Drucksache V/2864 -
a) Bericht des Haushaltsausschusses ({0}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung
- Drucksache V/3102
Berichterstatter: Abgeordneter Dr. von Nordenskjöld
b) Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ({1})
- Drucksache V/3047 -Berichterstatter: Abgeordneter Krug ({2})
Ich frage den Herrn Berichterstatter, ob er das Wort zu nehmen wünscht. - Der Herr Berichterstatter verzichtet.
Ichrufe die §§ 1,-2,-3,-4,-5,--6,-7,--Einleitung und Überschrift auf. Wird dazu das Wort gewünscht? - Keine Wortmeldungen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - In zweiter Lesung angenommen.
Dritte Beratung.
Allgemeine Aussprache. - Wird das Wort gewünscht? - Das Wort wird nicht gewünscht. Wer diesem Gesetzenwurf in dritter Lesung zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Gegenprobe. - Enthaltungen? - Auch in dritter Lesung einstimmig angenommen.
Damit, meine Damen und Herren, sind wir für heute am Ende unserer Plenarsitzung und am Beginn der Parlamentsferien.
Ehe ich das Plenum schließe, teile ich mit, daß ich den Ältestenrat unverzüglich nach Schluß des Plenums zu einer Sitzung zusammenzutreten bitte.
Ich wünsche dem Haus einen angenehmen, vor allem erholsamen Sommerurlaub. Daß er nicht drei Monate dauert, weiß jeder. Ich sage es aber hier, um Mißdeutungen auszuschließen, denen wir von allen Seiten unablässig ausgesetzt sind. Auf der anderen Seite, meine verehrten Kolleginnen und Kollegen, bitte ich doch auch im Bewußtsein zu halten, daß es im Interesse dieses Staates nicht wünschenswert ist, den Bundestagswahlkampf 1969 in den Parlamentsferien 1968 zu eröffnen.
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Das hat nach meiner Überzeugung keinen Sinn. Was wir für das letzte Jahr brauchen, ist ein kräftiges Haus, ein Haus, in dem es weniger gesundheitlich schwer gefährdete Kollegen gibt. Deshalb, meine Damen und Herren, denken Sie daran: Diese Ferien sind dazu da, daß Sie sich erholen. An den Wahlkreis zu denken, ist erlaubt, für den Wahlkreis zu arbeiten, ist auch erlaubt. Aber wir brauchen Sie mit frischer Kraft im Herbst dieses Jahres wieder.
Den Beginn der nächsten Plenarsitzung kann ich erst nach der Sommerpause bekanntgeben, weil der Ältestenrat darüber erst in seiner Sitzung in der Berlin-Woche Beschluß fassen kann.
Ich wünsche Ihnen erholsame Ferien.
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Die Sitzung ist geschlossen.