Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet.
Meine Damen und Herren, ich möchte Ihnen zunächst folgendes mitteilen. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung soll die Tagesordnung ergänzt werden um die Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Gewährung von bezahltem Urlaub für die Teilnahme an förderungswürdigen staatsbürgerlichen Bildungsveranstaltungen - Drucksache V/2682 -. Ich nehme an, daß das Haus damit einverstanden ist. - Das ist der Fall; die Erweiterung der Tagesordnung ist somit beschlossen.
Wir kommen dann zur
Fragestunde
- Drucksachen V/3080, V/3054, zu V/3054. Ich rufe zunächst die Dringlichen Mündlichen Anfragen gemäß § 111 der Geschäftsordnung aus dem Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramtes auf. - Frage 1 des Herrn Abgeordneten Moersch:
Beabsichtigt die Bundesregierung eine Verkleinerung des Presse- und Informationsamtes zugunsten einer Bundeszentrale für Öffentlichkeitsarbeit?
Das Wort zur Beantwortung hat Herr Staatssekretär Diehl.
Herr Abgeordneter, die Bundesregierung beabsichtigt, das weitgehend unkoordinierte Nebeneinander der Öffentlichkeitsarbeit der Ministerien und des Presse- und Informationsamtes auszuräumen und eine Form wirksamer Zusammenarbeit zu entwickeln. Die Bundesregierung entspricht damit Beschlüssen des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages vom 8. März 1967 und vom 6. März 1968.
In der Sitzung vom 8. März 1967 - wenn ich das in Ihre Erinnerung zurückrufen darf - hatte der Abgeordnete Baier die Frage gestellt, ob das Nebeneinander der Öffentlichkeitsarbeit bei den einzelnen Ministerien und beim Presse- und Informationsamt in alle Zukunft fortbestehen solle. Herr
Dr. Emde erklärte, er habe sich immer gegen das Nebeneinander der Öffentlichkeitsarbeit der Ministerien gewehrt und er stimme dem Vorschlag zu, diese Grundsatzfrage mit der Beratung des Haushaltsentwurfs zu erörtern.
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- Dr. Emde, ja. - Das Finanzministerium und das Bundespresseamt haben dann, beginnend mit Oktober 1967 diese Vorarbeiten begonnen, indem eine Ubersicht über die Mittel bei den einzelnen Ressorts erstellt wurde. Das war der Stand der Dinge, als ich Mitte November 1967 das Amt übernahm.
Ich habe dann im Ausschuß für Wissenschaft, Kulturpolitik und Publizistik am 24. Januar 1968 länger über dieses Vorhaben referiert. Ich habe gesehen, Herr Abgeordneter Moersch, daß Sie damals verhindert waren. Ich versage es mir, auf das zurückzukommen, was ich damals gesagt habe; es ist im Protokoll nachzulesen. In der Sitzung des Haushaltsausschusses in Berlin am 6. März 1968 hat dann Staatssekretär Leicht über den Stand dieser Arbeiten berichtet. Der Abgeordnete Windelen sagte damals, das unkoordinierte Nebeneinander der Öffentlichkeitsarbeit der Ressorts halte er für unbefriedigend, während der Abgeordnete Dr. Christian Haas sagte, man müsse endlich eine einheitliche Regelung anstreben.
Ich selber habe in dieser Sitzung gesagt, nach dem derzeitigen Stand der Vorbereitungen sei nicht beabsichtigt, alle Mittel für Öffentlichkeitsarbeit zentral zu veranschlagen, vielmehr sei beabsichtigt, sie wie bisher in den Einzelplänen der Ressorts zu belassen; in zwei bis drei Monaten seien die Vorbereitungen abgeschlossen. Wir haben in der Tat diesen Dreimonatstermin einigermaßen eingehalten. Wir haben im Frühjahr dieses Jahres einige Staatssekretärsbesprechungen gehabt. Daraus ist die Vorlage an das Kabinett entstanden. Das Kabinett hat nicht entschieden, auch noch nicht beraten, wie Sie wissen, und es sollte auch der Vorlage gemäß keinen Beschluß über die endgültige Form dieser Einrichtung fassen. Ich selber habe oft den Arbeitstitel „Inter Nationes Inland" gebraucht, um die Konstruktion zu erläutern, wonach nämlich mehrere Ressorts eine Organisation mit ihren Mitteln spei9902
sen, um eine Koordinierung und Harmonisierung ihrer Arbeit in verwandten Gebieten zu erreichen.
Die Vorlage für das Kabinett sieht vor, daß die Staatssekretäre den Auftrag bekommen, eine entsprechende Form zu entwickeln, wenn der Gedanke grundsätzlich gebilligt ist. Das ist es, Herr Abgeordneter, was ich dazu zu sagen habe.
Zu einer Zusatzfrage Herr Kollege Moersch.
Herr Staatssekretär, was hindert Sie denn daran, das Bundespresse- und Informationsamt nach den moderneren Bedürfnissen, die, glaube ich, auch im Haushaltsausschuß zutreffend dargestellt worden sind, umzuorganisieren? Warum soll da eine besondere Organisation, ein Verein oder eine Bundeszentrale für Öffentlichkeitsarbeit gebildet werden?
Herr Abgeordneter, die Frage ist in der Tat sehr berechtigt. Wir haben ja zwei Ministerien, nämlich das Bundesministerium der Verteidigung und das für wirtschaftliche Zusammenarbeit, die Mittel, die in ihren Haushalten ausgebracht werden, dem Presse- und Informationsamt zur Bewirtschaftung zuweisen. Es sind Teilbeträge der Mittel, die bei ihnen im Haushalt ausgebracht sind. Dieses Verfahren hat sich eigentlich sehr bewährt.
Aber wenn Sie sich das Volumen ansehen, das bei den Ministerien für Informationszwecke insgesamt ausgebracht ist, werden Sie feststellen, daß die Relation - jetzt bezogen auf das Inland - etwa 64 Millionen DM bei den Ressorts zu 14 Millionen DM beim Presseamt beträgt. Das Haus ist heute überhaupt nicht in der Lage, mit einem solchen Volumen fertigzuwerden, ganz davon abgesehen, daß ich persönlich an optimale Betriebsgrößen glaube und unübersichtliche, große Apparate nicht für sehr funktionsfähig halte.
Das Verfahren bei Inter Nationes hat sich bewährt. Die Ressorts haben sich dabei frei gemacht von Aufgaben der Durchführung, die nicht zu den Aufgaben einer obersten Bundesbehörde gehören, indem sie sich eine Einrichtung geschaffen haben, die sie mit ihren Mitteln speisen. Wie Sie wissen, speisen das Auswärtige Amt und das Presse- und Informationsamt gemeinsam Inter Nationes. Dort werden Arbeiten durchgeführt, die die Ressorts in dieser Qualität einfach nicht machen können und wozu sie auch nicht berufen sind. Daraus ist der Gedanke entstanden, eine solche Einrichtung auch für die anderen Ressorts zu schaffen.
Ich will gern einräumen, Herr Abgeordneter, daß, wenn man die Titel der Ressorts zusammenfassen würde, einerseits natürlich die Einzelinteressen der Ressorts sehr stark in Erscheinung träten, wodurch das Vorhaben wahrscheinlich auf sehr große Widerstände stoßen würde, daß zum anderen eine solche Ballung im Presse- und Informationsamt aber auch nicht notwendig ist und vielleicht eben auch Wirkungen haben würde, die wir gerade gemeinsam vermeiden wollen.
Zu einer weiteren Zusatzfrage Herr Kollege Moersch.
Herr Staatssekretär, können Sie verstehen, daß Ihre hier mehr unter technischen Aspekten vorgetragenen Erläuterungen nicht eben an Zuverlässigkeit gewinnen, wenn etwa der Leiter Ihrer Abteilung Inland in der Kölnischen Rundschau vom 24. Juni, als er zu der Arbeit des Bundespresseamts und zu diesen Plänen befragt wurde. gesagt hat:
Wir verstehen unsere Arbeit nicht als Propaganda. Aber es ist kein Zweifel, daß eine Informationsbehörde . . . mit modernen Kommunikationsmitteln an den Endverbraucher heranzukommen suchen muß.
Herr Staatssekretär, darf ich das so verstehen, daß hier unter Umgehung der Presse eine direkte Propagandaarbeit betrieben werden soll, um Ihren Begriff Propaganda fide einmal ins Deutsche zu übertragen?
Diehl, Staatssekretär, Bundespressechef, Herr Abgeordneter, ich will gern diesen Punkt aufnehmen, möchte jedoch zuvor bemerken, um was es sich handelt. Ich kenne die Einrichtungen im Ausland ziemlich gut und habe in der Tat gefunden, daß das Central Office of Information in London, das die Engländer in ihrer Arbeitssprache „The factory" nennen, ein ganz gutes Beispiel ist.
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- Sie werden mir nachsehen, wenn ich sage, daß ich die Einrichtung sehr gut kenne.
Es handelt sich darum, daß sich in einer obersten Bundesbehörde normalerweise nicht der Schlag Menschen ansiedelt, der in der Lage ist, ein gutes Layout zu machen oder zu beurteilen, ob ein Film oder ein Text wirklich gut ist. Die Qualität der Arbeit ist zweifellos, wie ich gern zugebe, oft fragwürdig. Es kommt einfach darauf an, für das Geld, das der Deutsche Bundestag aus guten Gründen für Informationszwecke bewilligt, eine hohe Gegenleistung zu bekommen.
Nun zu Ihrer Frage! Es ist in der Tat so, daß die wichtigste Information, die eine Regierung der Öffentlichkeit gibt, die ist, die sie im Parlament gibt. In alter Zeit hat es ja überhaupt kein Informationswesen gegeben. Die Regierung sprach im Parlament. Darüber wurde berichtet, und auf diese Weise kamen ihre Auffassungen in die Öffentlichkeit. Aber es ist nicht zu leugnen, daß in der ganzen Welt die hohe Kommunikationsdichte, das Erscheinen der Massenmedien dazu geführt hat, daß die Regierung wie jede andere Organisation auch in direkten Kontakt mit den Bürgern tritt, sei es über das Fernsehen, sei es auf andere Weise. Wir werden in der Tat - das ist ein Phänomen der Gegenwart, und damit werden wir eine Weile leben müssen - beides haben: die Information über die Publizistik,
über die Medien, aber auch die direkte Ansprache etwa durch eine Übertragung aus dem Bundestag; das ist ja auch eine Konnexion mit dem politischen Endverbraucher.
Eine Zusatzfrage, Herr Kollege Dorn.
Herr Staatssekretär, welchen Bundesressorts soll diese neue, geplante Informationsbehörde unterstellt werden?
Ich glaube, es würde von der Sache her richtig sein, auch da ähnlich zu verfahren, wie bei Inter Nationes. Sie wissen, daß dort der Staatssekretär des Auswärtigen Amts und der Chef des Presse- und Informationsamts ex officio zum Verwaltungsrat gehören. Meine Vorstellung ist - aber darüber wird das Kabinett befinden bzw. der Staatssekretärsausschuß -, daß die Ressorts, die sich im Grunde auf einer freiwilligen Basis entschließen, sich dieser Einrichtung zu bedienen, auch in den Aufsichtsgremien vertreten sein werden. Daß das Presse- und Informationsamt dabei eine wichtige Rolle spielt, ist sicher.
Eine zweite Zusatzfrage, Herr Kollege Dorn.
Von Ihrem Stellvertreter, Herr Staatssekretär, ist gesagt worden, daß eine bessere technische Durchführung der Öffentlichkeitsarbeit für die Bundesregierung und die Bekanntgabe ihrer Zielsetzung in die Bevölkerung hinein erfolgen müsse. Ich frage: wird also die Bundesregierung über dieses Propagandaamt nunmehr den Weg fortsetzen, den sie nach der Diskussion über die Notstandsgesetze in der Öffentlichkeitsarbeit nachzuholen versucht hat, d. h. in die Tageszeitungen direkt mit Anzeigenwerbung hineinzugehen, um auf diesem Wege der Bevölkerung klarzumachen, was die Bundesregierung sonst, wie Sie sagen, hier im Parlament nicht vermocht hat?
Herr Abgeordneter, Sie haben vom Propagandaamt gesprochen. Erlauben Sie mir, Ihnen zu sagen, daß das eine unkorrekte Bezeichnung ist. Die Sache hat bisher keinen Namen. Der Arbeitstitel ist „Bundeszentrale für politische Öffentlichkeitsarbeit"; ob es dabei bleiben wird, kann ich noch nicht sagen.
Gemeint ist in der Tat, daß wir für die Mittel, die der Bund aus Steuergeldern zur Verfügung hat, einen qualitativ besseren Gegenwert bekommen. Es ist einfach so, daß wir in vielen Ressorts - und auch bei uns -, was die Qualität der äußeren Aufmachung, Typographie, Layout, moderne Präsentation, anlangt, einfach rückständig sind. Darüber braucht man nicht zu moralisieren. Ich sagte schon, in einer obersten Bundesbehörde finden Sie normalerweise nicht die Leute, die das können, und wir sind der Meinung, daß wir uns dazu ein Instrument schaffen sollten. Denn wir sind auch der Meinung, daß es nicht zu den Aufgaben eines Ministeriums
gehört, einen Satzspiegel zu machen, ein Layout zu
entwerfen oder einen schmissigen Film zu drehen.
Eine Zusatzfrage, Herr Kollege Ollesch.
Herr Staatssekretär, erhoffen Sie sich Ersparnisse aus der Zusammenlegung, und wie hoch werden sie in etwa sein?
Ich erhoffe mir Ersparnisse im ökonomischen Sinne des Wortes. Ich erhoffe mir - das habe ich auch dem Bundesfinanzminister gesagt, und wenn ich in der Verantwortung für diese Sache stehen sollte, glaube ich dafür garantieren zu können -, daß wir nicht mehr Geld brauchen, sondern daß wir, wenn wir diese Mittel rationell und ökonomisch einsetzen, einen besseren Effekt haben werden als bisher.
Zu einer Zusatzfrage, Herr Kollege Spitzmüller.
Herr Staatssekretär, in dem sehr offenherzigen Gespräch des Leiters Ihrer Inlandsabteilung mit der „Kölnischen Rundschau" bzw. der „Bonner Rundschau" ist der Satz gefallen:
Die Medien möchten nicht regierungstreu erscheinen, sondern mit den Wölfen heulen. Hinzu kommt, daß sich die unbestreitbaren Erfolge der Großen Koalition schlecht verkaufen lassen, während die ungelösten Fragen täglich ins Auge springen.
Steckt hinter dieser Satzstellung nicht die wirklich beabsichtigte Aufgabe dieses Amtes, daß Sie nämlich glauben, über ein solches Amt könne dem Umstand gesteuert werden, daß die Presse, der Rundfunk und das Fernsehen viel zuviel über die offenen und ungelösten Fragen berichten und zuwenig über das, was die Große Koalition getan hat? Kommt darin also nicht die Meinung zum Ausdruck, daß das über diese Zentrale etwas gesteuert werden könnte, nämlich ins umgekehrte Verhältnis gesetzt werden könnte?
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Herr Abgeordneter, darf ich zunächst an die Genesis der Sache erinnern. Der Gedanke und der Auftrag des Haushaltsausschusses ist entstanden - wenn ich die Daten richtig lese -, als Sie selbst in der Regierung waren. Zweitens dürfen Sie unterstellen, daß ich, wenn ich Ihnen hier über diesen Plan berichte, über das aussage, was beabsichtigt ist, und nicht etwa versuche, irgend jemanden zu täuschen. Drittens zeigt das, was von Herrn Küffner in diesem Interview mit dem Schweitzer Dienst gesagt und dann in der „Kölnischen Rundschau" nachgedruckt worden ist, wie liberal wir im Presse- und Informationsamt miteinander umgehen. Denn er gibt ja auch
seine Meinung über seine Vorgesetzten in der Sache ziemlich ungeschminkt kund.
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- Vielleicht lesen Sie noch einmal nach, was da gesagt worden ist.
Was nun den Ausdruck „mit den Wölfen heulen" betrifft: Es ist richtig, daß die Publizistik unter dem Eindruck steht, daß die Opposition - wie ich sagen will: zumindest zahlenmäßig - relativ schwach ist, und daß sie daraus die Notwendigkeit ableiten zu müssen glaubt, eine gewisse Rolle zu übernehmen, und daß sich - das ist ein anderes Phänomen - in der Art der unsachlichen Argumentation ein gewisser Konformismus ausdrückt. Es ist im schreibenden und im künstlerischen Milieu eine Attitüde geworden, nicht Konformist zu sein, und dem paßt man sich wiederum an. Das ist wohl mit dem gemeint. was Herr Küffner gesagt hat.
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Eine Zusatzfrage, Herr Kollege Ertl.
Herr Staatssekretär, sind Sie in der Lage, zu erklären, daß mit der beabsichtigten Gründung dieser Institution keine Anforderungen zusätzlicher Haushaltsmittel verbunden sind?
Herr Abgeordneter, man wird einer solchen Einrichtung eine gewisse Grundausstattung zubilligen müssen.
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- Nun, ich nehme eigentlich an, daß das Beispiel Inter Nationes erläutert hat, um was es geht. Sie brauchen eine gewisse Grundausstattung, die Leute brauchen ein Büro, Büroeinrichtung usw. Aber der entscheidende Punkt ist, daß sie keine frischen operativen Mittel braucht, sondern der Apparat soll von den Mitteln gespeist werden, die die Ressorts heute bereits haben, manche Häuser reichlich, andere weniger reichlich; es gibt da auch gewisse Ungerechtigkeiten auszuräumen. Insofern werden da keine zusätzlichen Mittel benötigt,
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sondern nur für die Grundausstattung, und die Personal- -
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Kollege Ertl.
Herr Staatssekretär, stimmen Sie mir zu, daß bei dem Titel „Bundeszentrale für Öffentlichkeitsarbeit" der unbefangene Leser den Eindruck bekommen könnte, es handle sich hier um eine überparteiliche, neutrale Institution der Bundesregierung, und sind Sie dann nicht der Meinung, daß es sinnvoll wäre, wenigstens auch eine Abteilung für die Öffentlichkeitsarbeit der Opposition einzurichten, wenn man schon so etwas macht, weil auch die
Opposition ein Interesse hat, daß mit den Steuergeldern nicht einseitig gewirtschaftet wird?
Herr Abgeordneter, es ist sicher richtig, daß die Regierung einen Vorteil hat, in jeder Weise, weil sie den Auftrag hat, die Politik zu gestalten und durchzuführen. Man, kann ihr nicht vorhalten, daß sie das tut. Aber Ihre Anregung ist in der Tat sehr interessant. Ich darf darauf aufmerksam machen, daß bei Inter Nationes das Parlament immer Sitz und Stimme gehabt hat.
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- Ja, gewiß, ich weiß, daß das für das Inland schwieriger ist. Ich bin aber persönlich der Auffassung, daß es Probleme gibt - und das haben die letzten Monate gezeigt -, bei denen auch dieses ganze Hohe Haus ein Interesse daran hat, daß sie ausreichend dargestellt werden und daß darüber informiert wird. Ich denke insbesondere an die großen Reformprogramme. Ich halte dieses Problem für lösbar, auch im Bereich der Innenpolitik.
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Eine Zusatzfrage, Herr Kollege Genscher.
Herr Staatssekretär, können Sie sich die Beurteilung zu eigen machen, daß das von Ihnen geplante Informationsamt im Verhältnis zu einer freien Presse die Funktion eines Gegengewichts hätte?
Nein, sicher nicht. Ich sage das nicht zum erstenmal. Ich habe das auch lange, bevor ich mein jetziges Amt ausübte, gesagt. Das trifft übrigens auch für das Ausland zu. Im Vergleich zu dem, was der Beruf, der Journalismus berichtet und aussagt über die Verhältnisse in der Bundesrepublik, in Deutschland und auch über Deutschland gegenüber dem Ausland, ist das Volumen dessen, was die Regierung im Parlament oder direkt gegenüber dem Endverbraucher äußert, minimal. Das entscheidende Instrument der Information der Öffentlichkeit sind die großen Medien und nicht das, was die Regierung tut. Aber um politisch entscheiden zu können, ist die Voraussetzung, daß man Kriterien hat, und das wiederum hat man nur, wenn man über eine Sache Bescheid weiß.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Genscher.
Herr Staatssekretär, da Sie die Funktion eines Gegengewichts zu einer freien Presse ablehnen, muß ich Sie fragen: Wie erklären Sie sich dann die Feststellung des Leiters Ihrer Inlandsabteilung, das Gegengewicht dazu - mit „dazu" ist Ihr Informationsamt gemeint - sei eine freie, gut funktionierende, wachsame Presse?
Darin sehe ich gar keinen Widerspruch. Nur, wenn ich sehe - nehmen wir die Notstandsdebatte -, daß meines Wissens nur eine einzige Zeitung den vollen Wortlaut von sich aus veröffentlicht hat und in Deutschland leider nicht die Übung besteht wie in den Vereinigten Staaten, daß eine Einrichtung oder eine Firma sich entschließt, als public service, wie sie unten in der Zeile immer sagen, einen solchen Text zu veröffentlichen, halte ich es geradezu für die Pflicht der Regierung, jeden zu informieren, indem sie als ultima ratio zur Anzeige greift.
Eine weitere Frage, Herr Kollege Spitzmüller.
Herr Staatssekretär, glauben Sie, daß das überzeugend klingt, wenn Sie gerade die Notstandsdebatte erwähnen
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und anführen, daß hier durch Anzeigen die Öffentlichkeit über die Vorgänge im Parlament habe unterrichtet werden müssen? Glauben Sie, daß das überzeugend klingt, daß man für diese Arbeit für die Aufgabe einer Anzeige ein eigenes Amt schaffen muß?
Wenn ich anderer Meinung gewesen wäre, hätte ich es nicht angeführt.
Eine Zusatzfrage des Herrn Kollegen Jung.
Herr Staatssekretär, ist es nicht so, daß die Anzeigen, die Sie soeben nannten, bisher schon aufgegeben wurden - z. B. in der Notstandsgesetzgebung -, so daß Sie deshalb dieses Amt nicht bräuchten?
Ich darf noch einmal daran erinnern, daß die Überlegungen weit bis in das Jahr 1967 zurückreichen und mit Recht in der Tat immer ein Gegenstand der Besorgnis und des Interesses im Haushaltsausschuß gewesen sind. Als ich mit diesen Beschlüssen des Haushaltsausschusses konfrontiert wurde, habe ich sie als Beschlüsse von hoher Zweckmäßigkeit erkannt, und deshalb habe ich mich auch so intensiv um die Sache gekümmert. Aber in der Tat bin ich noch jüngstens in der Frage der Notstandsgesetzgebung darauf gestoßen, wie notwendig es war, sich mit dem Innenministerium zu koordinieren, das von sich aus eine Aktion geplant hatte. Darüber gab es nur sehr schwache Kontakte, und das haben wir dann ausgeräumt.
Eine Zusatzfrage des Herrn Kollegen Schwabe.
Herr Staatssekretär, sehen Sie nicht, abgesehen von der Sachdiskussion, die hier soeben geführt worden ist, auch in einem Punkte eine, wie ich meine, besonders schwache Stelle: in der Namensgebung, die Sie vorhin als Arbeitstitel bezeichnet haben? Sie fügten an, ob es dabei bleibe, sei noch dahingestellt. Glauben Sie nicht, daß dieser Arbeitstitel eine für mein Gefühl bedenkliche Ähnlichkeit mit der Bundeszentrale für politische Bildung hat, die ihrerseits nach anderen Kriterien und nach jahrelang mit aller Energie aufgebauter weitestgehender Neutralität arbeitet, und daß man mit der Affinität eines solchen Namens doch die Arbeit der anderen Einrichtung gefährdet? Sollte man sich nicht, wenn man schon so etwas schafft, einen anderen Namen ausdenken?
Herr Abgeordneter, wir haben in dem Staatssekretärsausschuß, der dreimal getagt hat, um über diese Dinge zu sprechen, eine Reihe von Varianten geprüft, und ich habe mich auch mit Abgeordneten, die ein spezielles Interesse an dieser Frage nehmen, oft darüber ausgesprochen, auch im Ausschuß für Kulturpolitik. Ich hatte einen Augenblick sogar daran gedacht, die Bundeszentrale für Politische Bildung dafür zu nehmen und sie zu fragen: Wollt ihr nicht auch diese rein informatorische, aufklärende Arbeit. etwa über die großen Reformprogramme, übernehmen? Diesen Gedanken haben wir nach Überlegung verworfen und wir haben, weil wir meinen, daß politische Bildung und politische Entscheidung nicht voneinander zu trennen sind, geglaubt, es als eine Art Paßstück, als ein Pendant konzipieren zu sollen, und haben deshalb diesen Namen gewählt. Er ist, wie ich schon sagte, ein Arbeitstitel. Es hat ja im Grunde jetzt eine Diskussion vor „Los" gegeben. Es ist nicht im Kabinett diskutiert und dort nicht beschlossen; aber es sind schon ein paar Fehlstartleute aus den Startlöchern heraus. Ich sage nochmals, ich kann nicht mit Sicherheit sagen, ob der Name bleibt. Ich selber habe überlegt, ob wir einen Namen wählen sollten wie etwa bei Inter Nationes, der ja eine sehr glückliche Prägung war, weil er knapp umreißt, woran gedacht ist. Dazu braucht man aber einen Einfall, und der kommt nicht, wenn man ihn befiehlt.
Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Kollegen Schwabe.
Verstehen Sie die Besorgnis eines Abgeordneten, der in dieser politischen Bildungsarbeit steht und der die Zusammenarbeit der Landeszentralen mit der Bundeszentrale nur mit bewirken konnte, weil die absolute Neutralität dieser Stelle immer gewährleistet wurde, und glauben Sie nicht insbesondere, Herr Staatssekretär, daß dieser Fehlstart, wie Sie es soeben genannt haben, insofern etwas Gutes haben könnte, als man vergleichsweise bei der Beratung der Notstandsgesetze vielleicht auch schon damals bei einem solchen „Fehlstart" den Namen in Vorsorgegesetze hätte umändern können?
Ich teile Ihre Meinung vollkommen. Ich bin auch, nachdem eine Debatte eingesetzt hatte - allerdings hat die
Presse auch schon im März dieses Jahres nach der Sitzung des Haushaltsausschusses in Berlin darüber geschrieben -, eigentlich froh darüber, daß wir durch die Frage des Herrn Abgeordneten Moersch Gelegenheit gehabt haben, das hier auszusprechen. Es ist in der Tat so, daß ich selber gegen eine Ballung der Mittel in einer Hand, selbst auf dem Gebiet der Information, was eine legitime Aufgabe der Regierung ist, Bedenken habe. Das ist mein Grund gewesen, nicht von vornherein zu sagen: Weist die Mittel doch dem Presseamt zu! Ich glaube, daß eine solche Einrichtung, die von mehreren Ressorts bedient wird, ihrer Natur nach differenzierter ist und nicht in die Versuchung geraten kann, die der eine oder andere sehen könnte, nämlich nun wirklich eine Art Kampfinstrument der innenpolitischen Auseinandersetzung zu entwickeln.
Eine weitere Zusatzfrage, Freiherr von Gemmingen.
Herr Staatssekretär, haben Sie schon genaue Vorstellungen über die Öffentlichkeitsarbeit dieses Amtes, etwa darüber, in welchem Turnus Sie veröffentlichen wollen? Wollen Sie regelmäßig das ganze Jahr Veröffentlichungen herausgeben, oder haben Sie vielleicht nicht doch die Absicht, im nächsten Jahr etwas verstärkt Öffentlichkeitsarbeit zu treiben? Entspricht es tatsächlich einem Zufall, daß jetzt in diesem Augenblick dieses Amt aufgestellt und gegründet werden soll?
Nein; ich bedaure, daß ich das immer wiederholen muß: seit zwei Jahren, 1967 und 1968, ist jedesmal im Haushaltsausschuß ein Problem angesprochen worden, das seit langem schwelte. Wenn Sie sich die Drucksachen ansehen, werden Sie feststellen, daß es einen konkreten Beschluß des Haushaltsausschusses gibt, den wir auszuführen haben, und ich bin froh, daß wir sogar die Termine eingehalten haben. Der Beschluß, bei der Beratung des Haushalts 1969 diese Frage zu regeln, ist, ich sagte es schon, in Berlin am 6. 3. 1968 gefaßt worden. Das hat mit dem Termin der Wahlen aus meiner Sicht überhaupt nichts zu tun. Ich habe diesen Gedanken, wie ich schon sagte, höchst zweckmäßig gefunden. Er deckte sich mit Überlegungen, die ich von mir aus zu früherer Zeit angestellt habe.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Kollege Dr. Schulze-Vorberg.
Herr Staatssekretär, Sie stellten soeben fest, daß Sie den Gedanken, diese geplante neue Institution mit der Bundeszentrale für politische Bildung zusammenzulegen, verworfen hätten. Können wir die sachlichen Gründe erfahren, warum dieser Gedanke verworfen wurde?
Herr Abgeordneter, es waren zwei Gründe, die ich hier kurz ausbreiten darf. Es war einmal der Gedanke, daß es schwer ist, eine bestehende Einrichtung, die ihr eigenes Verfahren, ihre eigenen Techniken und Gewohnheiten entwickelt hat, nun mit einer Aufgabe vertraut zu machen, die, wie wir soeben schon gehört haben, doch wahrscheinlich von denjenigen, die die alte Aufgabe betreiben, als fremd empfunden werden könnte. Es kam hinzu, daß wir uns auch sagten: heide, die politische Bildung und die politische Öffentlichkeitsarbeit, haben natürlich eine andere Akzentsetzung. Darüber soll kein Zweifel bestehen, die Bundeszentrale für politische Öffentlichkeitsarbeit - wenn ich den Titel einmal weiter verwenden darf - soll ja in der Tat die Absichten der Reformprogramme erläutern. Ich weiß nicht, was auf uns zukommen wird: Wahlrechtsreform, Bund-Länder-Verhältnis usw. usw. Deshalb waren wir der Meinung, daß eine Verbindung der beiden Einrichtungen wahrscheinlich schwierig sein würde. Aber das Kabinett und im Anschluß wahrscheinlich auch der Staatssekretärsausschuß werden all die möglichen Formen noch einmal überprüfen. Wir haben an eine Stiftung, an einen Verein, an eine Gesellschaft des bürgerlichen Rechts gedacht. Alles das ist offengeblieben und ist praktisch eine Frage der Zweckmäßigkeit.
Eine weitere Zusatzfrage, Kollege Schulze-Vorberg.
Herr Staatssekretär, würden Sie meinen Eindruck teilen, daß die Informationsarbeit der Bundesregierung nicht an einem Mangel an Quantität leidet, sondern daß wir im Gegenteil von einer Informationsflut überschüttet werden? Ich denke z. B. an die Publikationen des Bundesministers für Wirtschaft. Die vielen Ministerien geben ihre Informationen, das Presseamt gibt Informationen; es gibt die Bundeszentrale. Sollte es womöglich Aufgabe der neuen Institution sein, die Informationsflut etwas zu dämmen, aber wirkungsvoller zu gestalten, oder wie soll das im ganzen gehen?
Herr Abgeordneter, ich persönlich bin der Meinung - es gibt da sicher in der Regierung unterschiedliche Auffassungen -, daß die Mittel, die im Bundeshaushalt insgesamt für Information zur Verfügung stehen, nicht nur gegenwärtig, sondern auch für viele weitere Jahre und für viele kommende Regierungen ausreichend sein werden.
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Sie können allerdings sehr viel ökonomischer eingesetzt werden. Ich teile Ihre Auffassung, daß es manchmal eine Broschürenflut gibt, die nicht in irgendeiner anfechtbaren Absicht produziert wird, sondern einfach deshalb entsteht, weil keine Leute da sind, die das Kriterium haben, zu entscheiden, was gut und was nicht gut ist.
Eine weitere Zusatzfrage, bitte sehr, Herr Kollege.
Herr Staatssekretär, darf ich Ihren soeben gemachten Ausführungen entnehmen, daß es darauf ankommen soll, die Veröffentlichungen einzelner Ministerien etwas einzudämmen, und haben Sie damit die Befürchtung, daß Sie dadurch mit den Ressortchefs etwas in Konflikt geraten?
Wenn man es so zugespitzt formulieren wollte, würde das sicher der Fall sein. Die Ressorts haben berechtigte eigene Interessen, nebenbei, auch von ihrer Zuständigkeit her sind sie in den sie betreffenden Fragen völlig legitim auf dem Gebiet der Informationspolitik tätig. Ich sagte schon, daß mir bei der Überprüfung dieser ganzen Mittellage aufgefallen ist, daß es Ressorts gibt, die sehr schlecht bedient worden sind, die nämlich gar nichts oder sehr wenig haben, während andere sehr viel haben. Das hat manchmal sachliche Gründe, manchmal kann man diese Gründe anfechten.
Ich glaube nicht, daß man, wenn man den Ausdruck „eindämmen" gebraucht, das trifft, was mir vorschwebt. Ich möchte, daß die Arbeit besser und zweckmäßiger ist und daß ein gewisses Nebeneinander, was - selten - auch die Form des Durcheinanders annimmt, aufhört. Es soll eine Harmonisierung und Koordinierung dieser Arbeit sein. Ich stütze mich - ich darf es noch einmal sagen - mit dieser Formulierung auf das, was im Haushaltsausschuß einheitlich gesagt worden ist. Es ist ja sicher kein Zufall, daß hier gefragt wurde, ob das Nebeneinander in der Öffentlichkeitsarbeit bei den einzelnen Ministerien und beim Presse- und Informationsamt fortbestehen soll. Dr. Emde erklärte, er habe sich immer gegen das Nebeneinander der Öffentlichkeitsarbeit der Ministerien gewehrt. Herr Windelen sagte, das unkoordinierte Nebeneinander der Öffentlichkeitsarbeit der Ressorts halte er für unbefriedigend. Das ist eine Auffassung, die quer durch alle Fraktionen geht; das war der Auftrag an uns, und es ist unsere Absicht, das abzustellen.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Kollege Rollmann.
Herr Staatssekretär, darf ich fragen, ob Sie bereit sind, sich zu diesen ganzen Fragen der Opposition in einer Aktuellen Stunde zu äußern, damit die Fragestunde wieder ihrem eigentlichen Sinn zugeführt werden kann.
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Herr Abgeordneter, die Antwort ist sicher ja. Sie sehen meine Notwendigkeit, nach dem Reglement die Fragen zu beantworten, die mir gestellt werden.
Wir kommen dann zur Beantwortung der Frage 2 des Herrn Abgeordneten Moersch:
Welche Pläne hat die Bundesregierung für eine neue Aufgabenstellung und Organisation der Bundeszentrale für politische Bildung?
Das ist ja eine andere Bundeszentrale; es gibt deren offenbar schon eine ganze Anzahl.
Das Wort zur Beantwortung hat der Herr Staatssekretär Diehl. - Wer beantwortet diese Dringliche Mündliche Anfrage?
Herr Präsident, ich habe in der Übermittlung der Frage folgenden Text: „Welche Pläne hat die Bundesregierung für eine neue Aufgabenstellung und Organisation der Bundeszentrale für Öffentlichkeitsarbeit?" Ich dachte, das seit beantwortet.
Diese Frage ist nie eingereicht worden. Ich habe die Frage eingereicht, die der Herr Präsident vorgelesen hat und die auch hier verteilt ist. Ich nehme an, daß der Herr Staatssekretär Köppler diese Frage zu beantworten hat; denn das ist natürlich eine Frage, die sehr stark die Abgrenzung tangiert, die hier bereits behandelt worden ist. Da wollten wir hören, wo Sie zwischen politischer Bildung und Propaganda unterscheiden.
Herr Kollege, ich muß Ihnen leider den Ton etwas abstellen, da derartige Bemerkungen dem Fragesteller naturgemäß nicht zustehen.
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Herr Staatssekretär Köppler, sind Sie auf die Beantwortung dieser Dringlichen Mündlichen Anfrage vorbereitet? Wenn das der Fall ist oder wenn Sie sie ex faustibus beantworten können, wäre das eine gute Lösung.
Köppler, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Herr Präsident, die Frage ist dem Bundesminister des Innern nicht zugewiesen worden, weil offenbar bei der Übermittlung dieser Fragen lediglich davon ausgegangen war, daß von der Bundeszentrale für Öffentlichkeitsarbeit die Rede sein sollte. Ich bin aber gern bereit, die Frage, die, wenn ich recht im Bilde bin, auf Strukturveränderungsplanungen in der Bundesregierung hinsichtlich der Bundeszentrale für politische Bildung zielt, ex faustibus, Herr Präsident, zu beantworten.
Dann würde ich darum bitten; wir können somit die ungeklärte Geschäftsordnungsfrage lösen.
Köppler, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Innerhalb der Bundesregierung gibt es Erwägungen, Herr Abgeordneter, nicht die Aufgabenstellung, aber die Organisation der Bundeszentrale für politische Bildung noch mehr zu effektuieren, und zwar in dem Sinne, daß dem Direktor der Bundeszentrale nach Möglichkeit ein kleiner, hochqualifizierter Beirat beigegeben werden sollte, der für die für die politische Bildung relevanten Disziplinen, die der Direktor nicht in eigener Person vertreten kann, verantwortlich zeichnet. Darüber hinaus ist vorgesehen, mit der Kommission für
Parlamentarischer Staatssekretär Köppler
politische Bildung, die seit langem beim Bundesminister des Innern tätig ist, eine gewisse personelle Verzahnung mit diesem Beirat herbeizuführen. Das sind Erwägungen und Planungen, die noch nicht zum völligen Abschluß gekommen sind.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, darf ich aus Ihrer Antwort entnehmen, daß das Vorhaben, das der frühere Staatssekretär, Professor Ernst, bei der Bundeszentrale für politische Bildung erwogen hat, nämlich aus ihr das zu machen, was Herr Kühner in dankenswerter Offenheit in seinem Interview mit dem Schweitzer Dienst angeschnitten hat, eine Art direktes Informationsinstrument zur Beeinflussung der Öffentlichkeit und nicht ein Instrument zur Vertiefung der politischen Bildung, nun endgültig begraben ist und daß keine Gefahr für die eigentliche staatspolitische Aufgabenstellung der Bundeszentrale für politische Bildung mehr besteht?
Köppler, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Diese Pläne stehen nicht mehr im Vordergrund der Erwägungen. Ich würde Ihnen aber nicht in der Beurteilung zustimmen, daß sie eine Gefahr für die ordungsgemäße Erfüllung der Aufgaben im Bereich der politischen Bildung dargestellt hätten oder darstellen.
Eine weitere Zusatzfrage.
Ist im Zusammenhang mit den Plänen für die Neuordnung des Informationswesens Ihr Ressort in der Weise beteiligt, daß die bisherigen Mittel und Informationsmöglichkeiten der Bundeszentrale für politische Bildung unbeschnitten bleiben? Ist das gesichert?
Köppler, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Der Bundesminister des Innern geht davon aus.
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Das Wort zur Geschäftsordnung hat Herr Kollege Rasner.
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Herr Präsident: Meine Damen und Herren! Wieso nicht auch während der Fragestunde? Da kann es auch Geschäftsordnungsfragen geben. Ich komme gleich darauf.
Nr. 15 der Richtlinien unserer Fragestunde lautet: Der Präsident kann weitere Zusatzfragen durch andere Mitglieder des Hauses zulassen. Sie sollen ihm vor Beginn der Fragestunde angekündigt werden.
Jetzt kommt der entscheidende Satz:
Die ordnungsgemäße Abwicklung der Fragestunde darf dadurch nicht gefährdet werden.
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Meine Herren von der FDP, Sie haben vorher schon angekündigt, daß Sie eine Aktuelle Stunde wollen. Sie haben jetzt mit zwei Fragen zwei Drittel dieser Fragestunde in Anspruch genommen. Sie wissen, daß wir über 120 Fragen haben. Sie wissen, daß die Kollegen, die nicht drankommen, auf schriftliche Antwort angewiesen sind und. Zusatzfragen unterlassen müssen. Ich finde - nachdem Sie schon die Aktuelle Stunde wollten -, es entspricht nicht den Grundsätzen der Kollegialität, durch diese Ausweitung die anderen Kollegen von ihrem Recht in der Fragestunde abzudrängen.
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Herr Kollege Genscher!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Tatsache, daß Fragen von großer Bedeutung einen wesentlichen Raum in der Fragestunde einnehmen, ist nicht ohne Beispiel. Wir haben das in der Vergangenheit erlebt, und wir tun es heute, weil der Sachgegenstand,
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Herr Kollege Rasner, diese Sachaufklärung erfordert. Es liegt an der Bundesregierung selbst, daß sie durch die sehr widersprechenden Deutungen über die Aufgabenstellung dieses beabsichtigten Amtes in der Öffentlichkeit eine starke Verwirrung hervorgerufen hat. Aus diesem Grund müssen wir zur Vorbereitung der Aktuellen Stunde eine ausreichende Information in der Fragestunde erwirken. Im übrigen, Herr Kollege, habe ich das volle Vertrauen in die objektive Amtsführung des amtierenden Präsidenten, daß er im Rahmen seiner Möglichkeiten die Durchführung der Fragestunde entsprechend den von uns gemeinsam vereinbarten Richtlinien. garantieren wird.
({1})
Meine Damen und Herren, ich brauche nicht darauf hinzuweisen, daß es meiner Auffassung entspricht, daß die ordnungsgemäße Abwicklung der Fragestunde bisher nicht gefährdet worden ist; das wäre mir sicherlich aufgefallen, Herr Kollege Rasner.
Die Frage 3 aus der Drucksache V/3080 ist vom Fragesteller zurückgezogen.
Wir kommen dann zur Beantwortung der Anfragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung. Ich rufe die Fragen 1, 2 und 3 des Abgeordneten Zebisch auf:
Wie gedenkt die Bundesregierung dem Umstand Rechnung zu tragen, daß im Bereich des Landesarbeitsamtes Nordbayern neben einer hohen Quote an Arbeitslosen eine fast ebenso hohe Quote an offenen Stellen zu verzeichnen ist?
Welche Einrichtungen stehen den arbeitslosen ungelernten und Hilfsarbeitern zu einer Schulung auf die Branchen mit offenen Stellen zur Verfügung?
Welche Maßnahmen hat die Bundesregierung getroffen, um in diesem Gebiet die berufliche Mobilität und Qualifizierung der Arbeitskräfte für die Zukunft sicherzustellen?
Vizepräsident Scheel
Die Fragen werden im Einvernehmen mit dem Fragesteller schriftlich beantwortet. Die Antwort des Staatssekretärs Kattenstroth vom 25. Juni 1968 lautet:
Im Bereich des Landesarbeitsamtes Nordbayern standen Ende Mai 1968 einer Zahl von 24 261 Arbeitslosen 32 740 offene Stellen gegenüber. Die Arbeitslosenquote betrug 1,5 % ({0}). Das sind im Vergleich zum Vormonat und zum Monat Mai 1967 weitaus günstigere Zahlen. Trotzdem bereitet es vielfach Schwierigkeiten, Angebot und Nachfrage in Einklang zu bringen. Geeignete offene Stellen sind oft für den einzelnen Arbeitsuchenden entweder räumlich nicht ohne weiteres zu erreichen, oder es fehlt die für den zu besetzenden Arbeitsplatz notwendige berufliche Eignung. Die Schwerpunkte des Kräftebedarfs liegen z. B. in den Arbeitsamtsbezirken Nürnberg, Aschaffenburg und Bayreuth, während sich die Schwerpunkte der noch vorhandenen Arbeitslosigkeit in den Arbeitsamtsbezirken Schwandorf, Weiden und Coburg befinden.
In Erkenntnis der Notwendigkeit, die berufliche und regionale Mobilität der Arbeitnehmer verstärkt zu fördern, sind im vergangenen Jahr die entsprechenden gesetzlichen Hilfen durch das Siebente Änderungsgesetz zum AVAVG sowie durch die Neufassung der von der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung erlassenen „Richtlinien für berufliche Bildungsmaßnahmen" und „Richtlinien zur Förderung der Arbeitsaufnahme" weitgehend verbessert worden. Die Verbesserungen beziehen sich auf die Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen wie auch auf die Erweiterung des förderungsfähigen Personenkreises und die Erhöhung der Leistungen. Mit dem Entwurf eines Arbeitsförderungsgesetzes, der den Ausschüssen des Deutschen Bundestages gegenwärtig zur Beratung vorliegt, soll dieses Instrumentarium noch erweitert werden.
Die Arbeitsämter vermitteln soweit wie möglich Arbeitskräfte aus Räumen mit überdurchschnittlicher Arbeitslosigkeit in die Zentren der nordbayerischen Wirtschaft zur Deckung des dortigen Kräftebedarfs. Im Bezirk des Landesarbeitsamtes Nordbayern führen die Arbeitsämter aber vor allem auch berufliche Bildungsmaßnahmen durch, deren Schulungsziele auf die gegenwärtigen und die voraussehbaren künftigen arbeitsmarktpolitischen Bedürfnisse des Bezirks ausgerichtet sind. Dabei wird auf vorhandene Schulungsstätten von Betrieben, Schulen und sonstigen öffentlich-rechtlichen Institutionen ({1}) zurückgegriffen. Bei diesem Verfahren können die Maßnahmen je nach Bedarf flexibel ausgeweitet oder auch eingeschränkt werden. Das Landesarbeitsamt rechnet damit, daß die vorhandenen Schulungskapazitäten ausreichen, in den Jahren 1968/69 notwendig werdende umfangreichere berufliche Bildungsmaßanhmen abwickeln zu können.
Die günstige Arbeitsmarktlage hat dazu geführt, daß laufende berufliche Bildungsmaßnahmen z. Z. nicht voll in Anspruch genommen sind, weil es schwierig ist, aus dem Kreis der von Arbeitslosigkeit betroffenen oder bedrohten Personen geeignete Bewerber zu gewinnen. Die Arbeitsämter sind bemüht, die Bereitschaft der von Arbeitslosigkeit betroffenen oder bedrohten Arbeitnehmer zur Teilnahme an beruflichen Bildungsmaßnahmen zu erhöhen. Dazu soll ein besonderer Beratungsdienst beitragen, der z. Z. bei den Arbeitsämtern aufgebaut wird. Diese besondere Förderungsberatung soll vor allem Abeitnehmern offenstehen, die rechtzeitig bestrebt sind, ihre berufliche Wettbewerbsfähigkeit durch Teilnahme an geeigneten beruflichen Bildungsmaßnahmen zu verbessern.
Abschließend möchte ich noch erwähnen, daß selbstverständlich die Maßnahmen zur Strukturverbesserung gerade des Zonenrandgebiets weiterlaufen.
Wir kommen zur Frage 105 des Abgeordneten Dr. Ritz:
Treffen Informationen zu ({2}), wonach die Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung und die nordrhein-westfälische Landesregierung für den Aufbau einer industriellen Geflügelhaltung 400 000 DM als verlorenen Zuschuß zahlen werden?
Das Wort zur Beantwortung hat der Herr Staatssekretär des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung.
Der Stand der Angelegenheit, nach der Sie, Herr Abgeordneter Dr. Ritz, fragen, ist wie folgt: Nach telefonischer Auskunft des Ministeriums für Wirtschaft, Mittelstand und Verkehr in Düsseldorf besteht seitens des Landes Nordrhein-Westfalen nicht mehr die Absicht, einen Zuschuß - zunächst war ein Betrag von 200 000 DM vorgesehen - für den Aufbau eines industriellen Geflügelhaltungsbetriebes zu gewähren.
Eine solche Förderung durch das Land NordrheinWestfalen wäre jedoch die Voraussetzung dafür,
daß die Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung den in Aussicht genommenen Kredit in Höhe von 200 000 DM - also übrigens keinen Zuschuß - gewährt. Die Frage eines Kredits der Bundesanstalt ist für dieses Vorhaben somit gegenstandslos geworden.
Eine Zusatzfrage, Herr Kollege Dr. Ritz.
Herr Staatssekretär, darf ich Sie - abgesehen vom Annullieren dieser Hilfe für dieses Projekt - fragen: Teilen Sie meine Auffassung, daß es nicht nur problematisch, sondern falsch ist, im Rahmen struktureller Hilfen Arbeitsplätze in gewerblichen Massentierhaltungen zu schaffen, wenn man damit gleichzeitig eine Vielzahl von selbständigen landwirtschaftlichen Betrieben gefährdet oder zumindest gefährden könnte?
Herr Abgeordneter, ich wäre dankbar, wenn Sie Fragen zur grundsätzlichen Beurteilung von Auswirkungen solcher Vorhaben auf die Landwirtschaft an den Herrn Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten stellen würden.
({0})
Damit kommen wir zur Beantwortung der Frage 106 des Herrn Abgeordneten Weigl. Die Frage lautet:
Teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß die niedrige Wahlbeteiligung bei den Sozialwahlen u. a. auf das viel zu komplizierte Wahlverfahren zurückzuführen ist?
Das Wort zur Beantwortung hat der Herr Staatssekretär des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung.
Über die Wahlbeteiligung bei den Sozialwahlen in diesem Monat liegen, wie mir der Herr Bundeswahlbeauftragte mitgeteilt hat, genaue Angaben noch nicht vor, da die Ermittlung der Wahlergebnisse bei den verschiedenen Versicherungsträgern noch nicht abgeschlossen ist. Es sollten zunächst das Endergebnis der Sozialwahlen und der Schlußbericht des Bundeswahlbeauftragten abgewartet werden, bevor zu Fragen Stellung genommen wird, für deren Beurteilung auch die Erfahrungen bei diesen letzten Sozialwahlen von Bedeutung sind.
Der Bundeswahlbeauftragte wird übrigens in seinem Bericht - wie bei den vorangegangenen Sozialwahlen - auch auf die Praktikabilität des Wahlverfahrens eingehen.
Zusatzfrage, Kollege Weigl.
Herr Staatssekretär, trifft es zu, daß die nach Presseberichten relativ niedrige Wahlbeteiligung bei den Sozialwahlen in der Tat
darauf zurückzuführen ist, daß heute kaum jemandem mehr zugemutet werden kann, die Zuleitung von Wahlunterlagen zu beantragen?
Herr Abgeordneter, das ist nicht die Auffassung des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung. Wir werden aber selbstverständlich die Erfahrungen, die wir bei dieser letzten Wahl gemacht haben, auswerten, um zu überlegen, ob Änderungen an dem Wahlverfahren vorgenommen werden müssen.
Damit sind die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung erledigt.
Wir kommen zur Beantwortung der Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung. Ich rufe zunächst die Frage 4 des Herrn Abgeordneten Dr. Enders auf:
Ist die Bundesregierung bereit, Wehrpflichtige, die sich erst nach der Einziehung zum Grundwehrdienst für einen geistlichen Beruf entscheiden, von der weiteren Ableistung des Wehrdienstes zu befreien, um sie nicht länger gegenüber denjenigen zu benachteiligen, die nach § 11 des Wehrpflichtgesetzes nicht zum Wehrdienst herangezogen werden, weil sie sich auf ein geistliches Amt vorbereiten?
Der Herr Abgeordnete ist im Saal. Das Wort zur Beantwortung hat der Herr Staatssekretär Adorno.
Adorno, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Herr Kollege, die Bundesregierung ist bereit, die von Ihnen angesprochenen wehrpflichtigen Soldaten nach § 29 Abs. 4 Nr. 1 des Wehrpflichtgesetzes vorzeitig zu entlassen, sofern sie die Immatrikulation zum Studium der Theologie nachweisen und eine Erklärung des zuständigen Landeskirchenamtes, der Bischöflichen Behörde, des Ordensoberen oder der entsprechenden Oberbehörde einer anderen Religionsgemeinschaft vorlegen, wonach sie sich auf das geistliche Amt vorbereiten. Hierbei läßt sich die Bundesregierung davon leiten, daß die Erwägungen für die Zurückstellung von Wehrpflichtigen, die sich vor ihrer Einberufung für die Vorbereitung auf ein geistliches Amt entschließen, auch für die Wehrpflichtigen zutreffen, die einen solchen Entschluß erst nach ihrer Einberufung fassen.
Eine Zusatzfrage, Herr Dr. Enders.
Herr Staatssekretär, darf ich mit dem Dank für diese Antwort fragen, ab wann die Bereitschaft der Bundesregierung gilt.
Adorno, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Diese Bereitschaft der Bundesregierung gilt ab sofort.
Ich rufe die Frage 5 des Herrn Abgeordneten Hirsch auf:
Wie viele zur Bundeswehr eingezogene, bereits dienende Wehrpflichtige haben in den Jahren 1966, 1967 und bisher 1968 einen Antrag auf Anerkennung als Wehrdienstverweigerer gestellt?
Die Frage wird von Herrn Abgeordneten Berkhan übernommen. - Das Wort zur Beantwortung hat Herr Statssekretär Adorno.
Adorno, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Ich bitte, mir zu gestatten, beide Fragen im Zusammenhang zu beantworten.
Bitte! Dann rufe ich auch die Frage 6 des Herrn Abgeordneten Hirsch auf:
Wieviel dieser Anträge sind positiv entschieden worden?
Adorno, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Herr Kollege, im Jahre 1966 haben 418, im Jahre 1967 871, im Jahre 1968 bis zum 20. Juni 1290 Soldaten ihre Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer beantragt. Die 1966 und 1967 gestellten Anträge sind entschieden, und zwar positiv 257 von den 418 bzw. 602 von den 871. Von den 1968 gestellten Anträgen wurden bislang 965 entschieden, davon positiv 554.
Eine Zusatzfrage, Herr Kollege Berkhan.
Herr Staatssekretär, sind Sie bereit, in Ihrem Haus diese absoluten Zahlen auch in vergleichbare. Prozentsätze umrechnen zu lassen, und zwar zu der Zahl derjenigen, die ihre Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer beantragt haben und die als Kriegsdienstverweigerer anerkannt worden sind, sowie zu der Stärke des gemusterten Jahrgangs und der Zahl der von dem gemusterten Jahrgang als wehrfähig anerkannten jungen Männer?
Adorno, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Ich bin gerne dazu bereit.
Zweite Zusatzfrage, Herr Berkhan.
Herr Staatssekretär, sind Sie bereit, in dieser Antwort auch die Beantwortung der in der Öffentlichkeit immer wieder aufgestellten Behauptung zusammenzufassen, daß ein rasantes Ansteigen der Zahl der Wehr- und Kriegsdienstverweigerer insbesondere nach Einberufung eingetreten ist?
Adorno, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Auch das lasse ich gern in diesem Zusammenhang prüfen.
Ich rufe die Frage 7 des Herrn Abgeordneten Rollmann auf:
Wie viele Wehrpflichtige haben in der Auseinandersetzung um die Notstandsgesetzgebung ihre Wehrpässe zurückgeschickt?
Bitte sehr, Herr Staatssekretär Adorno!
Adorno, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Herr Kollege, in meinem Hause und bei den Behörden der Bundeswehrverwaltung sind seit den jüngsten Diskussionen um die Notstandsgesetzgebung 150 Wehrpässe eingegangen, die von Wehrpflichtigen zurückgeschickt wurden.
Eine Zusatzfrage, Herr Kollege Rollmann.
Was beabsichtigt die Bundesregierung in diesem Falle mit den 150 Herren zu tun?
Adorno, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Die Rücksendung des Wehrpasses durch einige Wehrpflichtige in einer anscheinend spontanen Unmutsreaktion gab dem Bundesminister der Verteidigung bisher noch keinen Anlaß zu harten Gegenmaßnahmen. Die Wehrersatzbehörden sind aber angewiesen, zurückgesandte Wehrpässe wieder zuzustellen. Wird die Annahme solcher zurückgesandter Wehrpässe verweigert, dann werden die Wehrpflichtigen zur persönlichen Meldung bei ihren Kreiswehrersatzämtern aufgefordert, um den Wehrpaß in Empfang zu nehmen und gleichzeitig über die Rechtslage aufgeklärt zu werden. Wer dieser Aufforderung allerdings nicht Folge leistet, handelt ordnungswidrig und muß mit einer Geldbuße rechnen.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Kollege Rollmann.
Ist der Bundesregierung bekannt, wie viele Wehrpflichtige ihre Wehrpässe verbrannt oder sonst unbrauchbar gemacht haben?
Adorno, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Das ist der Bundesregierung nicht bekannt.
Ich rufe nunmehr die Frage 8 des Herrn Abgeordneten Felder auf:
Teilt die Bundesregierung die schon vor längerer Zeit in der Zeitschrift „Soldat im Volk" vertretene und inzwischen wiederholt aus Kreisen der Offiziere und Unteroffiziere vertretene Meinung, das Handbuch für „Innere Führung" werde auch im Bundesverteidigungsministerium als längst überholt angesehen und am liebsten schamhaft verschwiegen?
Bitte, Herr Kollege Adorno!
Adorno, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Herr Kollege Felder, ich würde Ihre Fragen gern im Zusammenhang beantworten.
({0})
Dann rufe ich auch die Fragen 9 und 10 des Herrn Abgeordneten Felder auf:
Ist es richtig, daß die angeblich bereits fertig in der Schuhlade des Bundesverteidigungsministeriums liegende Neuausgabe des „Handbuches für Innere Führung" der Öffentlichkeit vorenthalten wird?
Hat der „Beirat für Innere Führung" sich mit einer eventuell geplanten Neuausgabe des Handbuches befassen können?
Adorno, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Das Handbuch „Innere Führung" enthält das Wichtigste über Grundlagen, Aufgaben, Ziele und Wege der Inneren Führung. Die im Handbuch festgelegte Konzeption ist nach wie vor für alle Grundsatzüberlegungen über Wesen und Zielsetzung der Inneren Führung gültig. Auf Grund der auf der Schule „Innere Führung" und vor allem in der Truppe gewonnenen Erfahrungen wurden Überlegungen angestellt, das Handbuch zu überarbeiten. Es erschien jedoch sinnvoller, das Grundlagenwerk nicht zu verändern, sondern die gesammelten Erfahrungen mit Hilfe von Vorschriften, Erlassen und der Schriftenreihe der Inneren Führung an die Truppe zu vermitteln. Das Handbuch wurde daraufhin 1966 unverändert als 4. Auflage gedruckt.
Aus dieser Darlegung ergibt sich, daß Ihre zweite Frage, Herr Kollege, verneint werden muß. Die bisher angestellten Überlegungen für eine Neuausgabe des Handbuchs „Innere Führung" waren nie so weit gediehen, daß der Beirat für Innere Führung damit hätte befaßt werden können.
Eine Zusatzfrage, Herr Kollege Felder.
Herr Staatssekretär, teilen Sie also nach dem, was Sie jetzt gesagt haben, nicht die Auffassung, die aus der Bundeswehr heraus und auch in Publikationen der Bundeswehr immer wieder offenbar wird, daß in die Hand des Vorgesetzten klare Definitionen und Hinweise auf die Praxis gehören und daß dieses Handbuch nur abstrakte Formulierungen enthält, die nicht geeignet sind, die Unsicherheit über umstrittene Forderungen zu beseitigen?
Adorno, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Herr Kollege Feder, die Schule „Innere Führung" und der wissenschaftliche Forschungs- und Lehrstab haben zur Zeit den Auftrag, als weiteres Hilfsmittel für Lehre und Praxis die Herausgabe eines Kompendiums vorzubereiten, das jeden Vorgesetzten bei der Erfüllung seiner Aufgabe im täglichen Dienst unterstützen soll. In diesem Kompendium sollen auch alle Publikationen über das Gebiet der Inneren Führung zusammengefaßt werden.
Jetzt eine Zusatzfrage des Herrn Kollegen Berkhan.
Herr Staatssekretär, können Sie zusichern, daß vor Herausgabe dieses eben genann9912
ten Kompendiums der Verteidigungsausschuß Gelegenheit hat, sich mit diesem Kompendium zu beschäftigen, insbesondere weil ja in der Frage der Inneren Führung eine Frage von hohem staatspolitischem Rang angesprochen ist?
Adorno, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Ich bin gern bereit, das zu veranlassen.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Kollege Schultz.
Herr Staatssekretär, wird sich der Verteidigungsausschuß nach der nun dem Kollegen Berkhan gegebenen Zusage noch in dieser Legislaturperiode mit dem Kompendium beschäftigen müssen?
Adorno, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Herr Kollege Schultz, diese Frage kann ich nicht exakt beantworten, aber ich glaube, daß eine Möglichkeit dazu besteht.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Kollege Schultz.
Herr Staatssekretär, haben Sie eigentlich von der Truppe Beschwerden erhalten, daß das Handbuch „Innere Führung" - so, wie es augenblicklich vorliegt - den sachlichen Notwendigkeiten und dem, mit dem die Truppe umgehen muß, nicht gerecht wird? Ist in Kommandeurstagungen darüber schon einmal gesprochen worden?
Adorno, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Herr Kollege, ich habe eben darauf hingewiesen, daß wir keine Veranlassung haben, das Grundlagenwerk zu verändern, daß wir aber durch die Herausgabe eines Kompendiums bemüht sind, den neuesten Stand von Lehre und Praxis zu vermitteln.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Petersen.
Herr Staatssekretär, hat Ihr Haus die Absicht, den Beirat für Innere Führung bei der Formulierung dieses Kompendiums heranzuziehen?
Adorno, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Dem Beirat für Innere Führung ist es unbenommen, seine Mitarbeit hier einzuschalten.
Meine Damen und Herren, damit sind die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Herrn Bundesministers der Verteidigung erledigt.
({0})
- Ich wiederhole das letzte Wort: erledigt. Die Fragestunde ist hiermit beendet.
Um das Wort zur Geschäftsordnung hat Herr Abgeordneter Genscher gebeten.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Anschluß an die Fragen des Abgeordneten Moersch, die von einem allgemeinen aktuellen Interesse sind, beantrage ich mit ausreichender Unterstützung eine Aktuelle Stunde.
Das Wort hat der Herr Kollege Rasner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Kollege Genscher hat schon vorweggenommen, daß die Fraktionen der Großen Koalition der Opposition bei solchen Anliegen selbstverständlich immer hilfreich unter die Arme greifen.
({0})
Meine Damen und Herren, damit darf ich feststellen, daß eine ausreichende Unterstützung dieses Antrags wohl gegeben ist. Ich bitte um Wortmeldungen. - Das Wort hat Herr Abgeordneter Moersch.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Beantwortung der Fragen durch den Herrn Staatssekretär des Presse- und Informationsamtes war ein Stück unfreiwilliger Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung an diesem Morgen. Wir müssen sehr dankbar dafür sein, daß nun solche Pläne im Parlament dargestellt werden und nicht nur auf Nebenkanälen allmählich an die Öffentlichkeit dringen. Denn daß es diese Pläne gibt, und zwar in etwas anderer Motivierung, als sie im Haushaltsausschuß offensichtlich verstanden worden sind,
({0})
zeigt doch, daß das Informationssystem der Bundesregierung insgesamt ungenügend ist.
Es wird der Öffentlichkeit schwer begreiflich zu machen sein, daß man eine neue Institution schaffen muß, wenn, wie der Herr Staatssekretär sagt, die Informationsmittel in den einzelnen Ministerien ungerecht verteilt sind. Da gibt es eine viel einfachere Methode, das zu ändern, nämlich die, im Haushaltsvoranschlag der Bundesregierung für Gerechtigkeit zu sorgen.
({1})
Allein an diesem Beispiel sehen Sie, daß es dieser Regierung an Entscheidungskraft mangelt, was durch neue Informationsinstitutionen ausgeglichen und vor der Öffentlichkeit vertuscht werden soll.
({2})
Das ist in Wahrheit der Kern der Sache, um die es hier geht.
Wir dürfen auch für die Offenheit dankbar sein, die neuerdings im Bundespresse- und Informationsamt im internen Verkehr herrscht. Die Liberalität, die hier vom Herrn Staatssekretär in bezug auf den Leiter der Abteilung Inland, Herrn Küffner, gepriesen worden ist, ist eine Liberalität, die unseren Vorstellungen von einer verantwortlichen Regierungstätigkeit allerdings nicht entspricht. Denn ich halte das in diesem Fall für einen Mißbrauch des Wortes „Liberalität", Herr Staatssekretär;
({3})
ich halte das, was hier geschehen ist, schlichtweg für eine Ungezogenheit. Denn daß ein Untergebener seine Vorgesetzten im Presseamt kritisiert, einzelne Charakteristiken der Vorgesetzten, der früheren und der jetzigen, gibt, daß er beispielsweise sagt, die meisten Mitarbeiter in diesem Amt seien tatsächlich unfähig zu sachlicher Arbeit,
({4})
und anderes mehr, das alles können Sie hier nachlesen.
Das zeigt, daß es notwendig ist, daß wir in voller Offenheit einmal über diese Apparaturen sprechen, die hier mit einem neuen Firmenschild versehen - ({5})
- Der Herr, der dieses Interview gegeben hat, Herr Berkhan, meine ich. Wenn er in einer Behörde arbeiten muß, die so viele Mängel hat,
({6})
kann ihn niemand daran hindern, aus dieser Behörde auszuscheiden, und dann kann er seine Meinung dazu sagen. Solange er aber hier in verantwortlicher Stellung tätig ist, kann er das meiner Ansicht nach nicht. Das halte ich jedenfalls für eine schlechte Sache. Denn er ist ja nicht einmal befugt, solche Meinungen beispielsweise im Haushaltsausschuß oder im Ausschuß für Wissenschaft, Kulturpolitik und Publizistik von sich zu geben, wenn sie sich gegen seine Vorgesetzten richten sollten. Er ist weisungsgebunden, und ich meine, er ist auch in diesem Fall weisungsgebunden. Dann muß er einen anderen Weg wählen, nicht den Weg über die „Bonner Rundschau" oder die „Kölnische Rundschau". Das ist nur ein Symptom für das, worum es sich hier eigentlich handelt.
Ein Zweites ist hier, glaube ich, gar nicht zur Sprache gekommen. Wir wollen es ganz offen aussprechen, damit kein Zweifel an den Gründen unseres Mißtrauens gegenüber dem bleibt, was hier geplant ist. Der Entzug oder die Beschneidung der Mittel der „Arbeitsgemeinschaft Demokratische Kreise" hat offensichtlich bei der CDU/CSU den dringenden Wunsch hervorgerufen, eine Nachfolgeorganisation unter anderem Namen und unter besserer Firmierung einzurichten. Ich habe volles Verständnis dafür, daß es hier Mitarbeiter gibt, die man unterbringen sollte. Das ist in der Tat ein soziales Problem. Aber ob man soziale Probleme dadurch löst, daß man so tut, als wolle man Wünsche des
Haushaltsausschusses erfüllen, während man am Ende doch mehr Geld für das Ganze braucht - obwohl wir gehört haben, daß die Mittel insgesamt ausreichen - - Das halte ich für nicht zulässig, und das werden wir jedenfalls mit Entschiedenheit ablehnen müssen.
Ein weiterer Punkt unseres Mißtrauens - auch das werden Sie uns nachsehen, Herr Staatssekretär -sind die freimütigen Äußerungen aus Ihrem Amt, u. a. die Äußerungen Ihres Stellvertreters. Hier ist doch klipp und klar gesagt worden, daß man zur engagierten Kampfpresse einen Gegenpol schaffen müsse, d. h. daß man die Art der kritischen Berichterstattung in manchen deutschen Zeitungen durch eine allgemeine, direkte Information der Bevölkerung im Regierungssinne gewissermaßen neutralisieren wolle.
Nun, ich meine, das beste, was die Regierung für ihr Ansehen tun kann, ist, eine gute Politik zu treiben, klare Entscheidungen zu treffen, Entscheidungen, die man auch verständlich interpretieren kann. Die Notstandsvorlage, die hier erwähnt wurde, ist ein Musterbeispiel für Irrtümer, die aufgetreten sind. Denn daß diese Regierung nicht das Echo in der Notstandsvorlage hatte, das sie sich wünschte, war nicht ein Mangel an Information - da hat das Bundesinnenministerium sehr viel getan -, sondern es war eben der Mangel an Vertrauen, der hier herrscht, und zwar, wie ich meine, in manchen Teilen zu Recht herrscht.
Da die fünf Minuten vorbei sind, will ich es bei diesen kurzen Hinweisen bewenden lassen und will ganz deutlich sagen: wir glauben, daß man das Bundespresse- und Informationsamt in der Tat reformieren kann und muß. Dann wird sich der Herr Bundeskanzler einmal um eine bessere Koordination in der ganzen Regierung kümmern müssen. Er wird sich darum kümmern müssen, ob er die Qualität an Mitarbeitern hat, die er für seine Aufgaben braucht. Solange er uns nicht bewiesen hat, daß durch Qualitätsverbesserung nichts zu erreichen ist, werden wir jedenfalls keiner neuen Institution zur Vergrößerung der Undurchsichtigkeit in dieser Bundesregierung zustimmen.
({7})
Das Wort hat Herr Kollege Rasner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Moersch, ich hatte das Gefühl, daß Sie eben ein paar verdrängte jungdemokratische Gefühle und Gefühlchen abreagiert haben,
({0})
und dann auch noch in dem Stil, in dem Sie es gelegentlich tun, Herr Kollege Moersch.
Ein Beispiel - nehmen Sie es mir nicht übel -: Sie bezeichnen Herrn Küffner und sein Verhalten als ungezogen. Das können Sie ganz gelassen tun, weil sich Herr Küffner hier nicht wehren kann. Ich finde das nicht fair. Ich finde es viel fairer, wenn
sich der Staatssekretär, obwohl er mit dem, was Herr Küffner geschrieben hat, sicher nicht voll einverstanden ist, vor seinen Beamten stellt und dabei in jener Form die Distanz übt, die dann auch angemessen ist.
Herr Kollege Moersch, ich will gern zugeben, daß auch ich gelegentlich scharf bin. Aber auf diesem Gebiet sind Sie eigentlich derjenige mit dem größten Nachholbedarf an Lernen. Das einmal zum Anfang.
Nun, Herr Kollege Moersch, ein Zweites. Sie meinen, Sie müßten hier wie ein „Weißer Riese" auftreten, der das Propagandaministerium, das Sie an die Wand gemalt haben, herauszwingen möchte. Herr Kollege Moersch, diese Regierung hier gibt Ihnen die Gewähr, daß an so etwas wie eine Neuauflage des Propagandaministeriums unter gar keinen Umständen gedacht sein kann.
({1})
Herr Kollege Moersch, wenn Sie das für möglich halten, wenn Sie das unterstellen, dann will ich Ihnen folgendes sagen: Dann ist das Mißtrauen so groß, daß Sie unter Umständen als „Weißer Riese" Demokraten raus- und Radikale in dieses Haus reinzwingen. Davor sollten Sie sich ganz gewaltig hüten.
Dann die letzte Bemerkung. Herr Kollege Moersch, Sie reden hier über etwas völlig Unausgegorenes. Das wissen Sie. Es sind erste Ideen da. Auf Grund dieser Ideen glauben Sie etwas an die Wand malen zu müssen.
({2})
- Er hat gesagt, es seien Pläne da, über die beraten werde. Sie haben nicht die geringste konkrete tatsächliche Beratungsunterlage. Ich sage ja: Hier werden Gefühle und Gefühlchen befriedigt und nichts anderes. Dafür sollten wir uns zu schade sein.
Noch eine Sachbemerkung. Sie haben im Zusammenhang mit der Institution, von der wir sprechen, die ADK ins Spiel gebracht. Damit es deutlich ist: Es gibt zwischen den beiden Fraktionen der Großen Koalition hinsichtlich der ADK nicht die geringste Absprache, ganz unabhängig davon, daß die Bundesregierung auch nicht gehalten wäre, solche Absprachen, wenn es sie gäbe, zu honorieren. Soweit für den Augenblick.
({3})
Das Wort hat der Abgeordnete Raffert.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Nachdem wir schon einmal zum Zensurenerteilen übergegangen sind, möchte ich meinen, daß man mehr, als es der Kollege Rasner getan hat, Verständnis dafür aufbringen muß, wenn die Opposition auf einem so komplizierten Feld wie der Informationspolitik nach dem Motto „Wehret den Anfängen!" handelt. Dafür muß man Verständnis haben, das ist ganz selbstverständlich.
Aber in einem anderen Punkt stimme ich, was selten vorkommt, mit Herrn Rasner überein: ich denke, Sie schießen hier wirklich auf einen Pappkameraden, und zwar sogar auf einen, der noch gar nicht aufgestellt ist. Ich sehe eine solche Bundeszentrale für Öffentlichkeitsarbeit noch nicht. Ich kann mir nicht vorstellen, wann und wie sie wirklich etabliert werden sollte. Ich glaube auch nicht, daß Rückerinnerungen, die übrigens nicht von der Opposition vorgebracht worden sind, sondern die in dem angeklungen sind, was Sie gesagt haben, Herr Rasner, Rückerinnerungen an Pläne, wie sie zu Zeiten des verstorbenen . Staatssekretärs Lenz bestanden haben, uns in diesem Zusammenhang hilfreich sind. Ich glaube das nicht. Ich bin wirklich der Meinung, daß z. B. das Interview, das Küffner gegeben hat, zeigt, daß eine Rückkehr zu dem damaligen Stil, den wir alle bekämpft haben und bekämpfen mußten, nicht gegeben ist. Ich finde es gerade richtig und ich finde es gerade gut, daß in dieser Weise gehandelt und gesprochen wird. Da sieht man, daß sich das Klima innerhalb des Bundespresseamtes und innerhalb der Öffentlichkeitsarbeit der Regierung positiv verändert hat.
Wenn ich sage, daß ich eine solche Bundeszentrale für Öffentlichkeitsarbeit noch nicht sehe, habe ich dafür neben anderen einen ganz konkreten Grund. Ich glaube im Gegensatz zu dem, was Herr Diehl gesagt hat, nicht daran, daß sich dafür wirklich qualifizierte Leute finden würden. Es ist heute schon in unserer Parlamentsarbeit und auch bei der Regierung so: wir empfinden es oft als schmerzlich, daß qualifizierte Mitarbeiter auch in anderen Bereichen fehlen, in den Redaktionen von Zeitungen, in den Redaktionen von Fernsehanstalten. Wie schwierig wird es dann erst sein, qualifizierte Leute für eine Öffentlichkeitsarbeit der Regierung zu gewinnen, die unter einem solchen Supcon steht, wie Sie von der Opposition her ihn ganz deutlich gemacht haben.
Ich glaube auch übrigens, daß Herr Küffner recht hat, wenn er als das Hauptproblem des Bundespresseamtes „die vielen älteren, gesundheitlich schwer angeschlagenen Mitarbeiter" bezeichnet, „die - praktisch alle unkündbar - sich kaum auf andere Arbeiten umsetzen lassen". Da hat Herr Küffner recht; das entspricht auch meinen Beobachtungen. Ich glaube aber nicht, daß durch die Bildung einer neuen Zentrale gleich bessere Leute gefunden werden könnten.
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Das scheint mir nicht möglich zu sein. Wenn man also einmal solche Mitarbeiter hat, wird man sie wirklich nicht so leicht los.
Da fällt mir natürlich die ADK ein. Es wäre ganz gefährlich - ich kann mir aber auch nicht denken, daß die Bundesregierung das ernsthaft beabsichtigt --, wenn Auffangstellungen gebaut würden, in denen, wenn die ADK zu Ende sein wird, was ich mit Sicherheit erwarte, ihre Leute untergebracht werden sollten. Dann könnte man wirklich nicht erreichen, was die Regierung will, nämlich eine Verbesserung ihrer Informationsarbeit.
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Es ist nicht leicht, sie zu verbessern. Klaus von Dohnanyi hat kürzlich an ein Wort von Jean Fourastier erinnert, der gesagt hat: Die Schwierigkeiten der Information übertreffen die der Forschung bei weitem. Da hat er völlig recht. Es ist ein Feld, auf dem wir noch viel zu wenig wissen, als daß wir schon Rezepte hätten, wie man das genau organisieren kann.
Aber natürlich ist die Regierung im Recht, wenn sie darüber ernsthaft nachdenkt und Wege sucht. Dazu braucht sie nicht unbedingt eine neue Organisation. Dazu kann man die Kooperation untereinander noch wesentlich verbessern.
Manche Dinge, die getan wurden, sind übrigens nicht auf so viel Kritik gestoßen, wie man vermutet. Bei den Umfragen z. B., wie die Bundesbürger über Zeitungsbeilagen denken, haben 53 % der Befragten gesagt, es sei ganz gut, daß die Regierung das mache; nur 17% waren dagegen. Sie kann sich also auch direkt an die Bevölkerung wenden. Aber sie muß es nicht über eine neue Behörde tun.
Ein letztes Wort. Wenn schon Information schwieriger ist als Forschung, dann ist es noch schwieriger, Informationspolitik zu kontrollieren, als Forschungspolitik zu kontrollieren. Diese Erfahrung habe ich als Abgeordneter in vielfältiger Weise gemacht. Deswegen müssen wir alle darauf achten, daß auch neue Formen der Information, die die Regierung findet, so gestaltet sind, daß wir sie vom Parlament her klar und sauber kontrollieren können.
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Das Wort hat der Herr Kollege Genscher.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich befinde mich in der glücklichen Lage, Herrn Kollegen Rasner zustimmen zu können, wenn er sagt, daß diese Pläne unausgegoren sind. Ich glaube, daß hier wieder einmal von der Regierung der Versuch unternommen wird, von ihren eigenen Problemen abzulenken, indem man glaubt, durch neue Institutionen ein besseres Bild von einer schwachen Politik entfalten zu können.
Das Selbstverständnis der Erfinder dieser neuen Idee wird deutlich in dem Interview des Herrn Kiffner, das heute schon in der Fragestunde eine Rolle gespielt hat. Wenn dort gesagt wird: Das Gegengewicht dazu - nämlich das Gegengewicht zu dieser Informationsbehörde - „ist eine freie, gut funktionierende, wachsame Presse", so wird damit die Zielrichtung dieser neuen Behörde deutlich. Sie versteht sich oder soll sich verstehen als ein Instrument, das eine freie und wachsame Presse notfalls dann konterkarieren soll, wenn diese Presse nicht im Sinne der Bundesregierung urteilt, bewertet und berichtet.
Der Herr Staatssekretär hat hier von der Notwendigkeit gesprochen, unsachliche Informationen zu korrigieren. Ich glaube, der Bundestag und auch die Regierungsbank sollten nicht Ort einer solchen Beurteilung der Presse sein. Eine freie Presse, die wir in der Bundesrepublik haben - gegensätzliche Meinungen, ein ausgewogener Querschnitt durch die unterschiedlichen politischen Lager -, ist gerade der Garant dafür, daß Regierung und Opposition den Spiegel der Kritik vorgehalten bekommen.
Herr Staatssekretär, mir scheint es ein Mißverständnis der Aufgabenstellung der Presse und des Selbstverständnisses der Presse zu sein, wenn Sie hier dem Sinne nach gesagt haben, ganz offensichtlich sei die zahlenmäßige Schwäche der Opposition Anlaß für die Presse, jetzt in manchen Fällen sozusagen auf die Seite der Opposition zu treten und gegen die Regierung zu sein, obwohl das früher ganz anders war. Könnten Sie sich nicht auch vorstellen, Herr Staatssekretär, daß die Ursache weniger in der zahlenmäßigen Stärke oder Schwäche der Opposition liegt als einfach darin, daß diese Opposition eine bessere Politik vertritt als die Regierung, über deren Tätigkeit die Presse zu informieren hat?
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Meine Damen und Herren, hier geht es darum, daß neue Kosten aufgewandt werden sollen - der Herr Staatssekretär hat hier gar nicht dementieren können, daß zusätzliche Belastungen für den Haushalt entstehen, auch wenn er eine ökonomischere Auswertung dieser Gelder verspricht -, um ein zusätzliches Propagandainstrument für die Regierung zu schaffen. Genau das, Herr Staatssekretär, lehnen wir ab. Wir brauchen nicht neue Institutionen, wir brauchen nicht neue Propaganda-Millionen. Was wir brauchen, ist eine bessere Politik. Dann bekommen Sie auch in der Presse eine bessere Beurteilung.
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Das Wort hat Herr Abgeordnete Schwabe.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin der Ansicht - und ich glaube, weitgehend auch meine Freunde -, daß man einem neuen Vorgang, von dem wir heute gehört haben, daß er im Schoße des Haushaltsausschusses geboren wurde, zunächst einmal eine Portion Goodwill entgegenbringen sollte. Wenn man das tut, wird man vielleicht ein um so offeneres Ohr für kritische Betrachtungen finden, die man dann anfügt.
Ein Gesichtspunkt wäre der, daß Verständnis für das geplante Vorhaben deshalb bestehen muß, weil die Bundesregierung und wohl wir alle uns in der Tat doch oft enttäuscht sehen, wenn an einem bestimmten Tag ganz entscheidende Dinge geschehen sind, etwa im Parlament, in der Regierung oder sonst in der Politik unseres Landes, und wenn wir dann - verzeihen Sie, wenn ich diese Parallele ziehen muß - am anderen Morgen in der auflagenstärksten deutschen Zeitung in der großen Balkenüberschrift das Schicksal eines amerikanischen Filmsternchens im Vordergrund des Interesses sehen. Wer von uns würde dann nicht meinen, wir hätten vielleicht noch deutlicher, noch gründlicher das Material herausgeben sollen, auf das es ankommt?
Eine solche Funktion erfüllt unter anderem, wenn auch nicht in der aktuellen Berichterstattung, aber doch in der laufenden die Bundeszentrale für politische Bildung, etwa mit ihrer Zeitung „Das Parlament" . Sie erfüllt sie zusätzlich - wir haben das Mittel dazu geschaffen - in der Hergabe vorbereiteter Matern für einen ganz breiten Kreis von Zeitungen, die keine eigene Berichterstattung hier haben, und gibt damit das Material hin.
Diese Bundeszentrale und die mit ihr kollegial zusammenarbeitenden Landeszentralen für politische Bildung - gestatten Sie mir bei dieser Gelegenheit die Bemerkung: es wäre schön, wenn auf manchen anderen Ebenen ein solches Verständnis zwischen Bund und Ländern denkbar wäre - sind ausgerichtet auf eine neutrale, nicht apolitische, aber wirklich faire, neutrale Arbeit, die seither in der Geschichte all dieser Jahre wenig Beanstandung gefunden hat, gemessen an dem Stoff, um den es da geht.
Hier setzt meine Sorge ein. Man könnte einen Vortrag halten über das Mißgeschick bei der Wahl von Namen und von Vokabeln im politischen Gespräch. Sicherlich ist es so, daß wir uns, wie ich vorhin schon angedeutet habe, mit den Notstandsgesetzen leichter getan hätten, wenn wir sie von Anfang an anders und zutreffender bezeichnet hätten. Aber wenn nun hier ein Name gewählt werden soll, der sich in anderer Richtung bewährt hat, bei einer Institution, die wir alle mit tragen, Regierungsparteien und Opposition in allen Ländern mit tragen, nämlich die Zentralen für politische Bildung - die Landeszentralen haben sich um der Bundeszentrale willen zum Teil sogar umbenannt, um den gleichen Namen zu tragen -, dann ist meine Bitte einfach die, daß man diesen Namen dieser Institution überlassen möge.
Heute wurde im Laufe der Fragestunde auch die Information erbeten, ob und wie man diese Bundeszentrale für politische Bildung noch aktivieren und ihre gute Arbeit verstärken könnte. Ich brauche dazu nur zu wiederholen, was ich vor vier und wohl auch vor drei oder zwei Jahren von dieser Stelle wieder sagen durfte: Solange wir uns nicht darüber klar sind, daß 20 Pf pro Bürger und Jahr für diese politische Informationsstelle, für diese Bundeszentrale für politische Bildung zu wenig sind, solange wir uns nicht darum kümmern, hier etwas mehr zu tun, müßten wir dankbar sein, daß bei dieser Stelle zweierlei erfolgt ist, einmal eine optimale politische Bildungsarbeit und zum andern, daß ein Name geprägt worden ist, der so etwas wie ein gutes Markenzeichen in der Bundesrepublik ist.
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Das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. Heuser.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zur Klärung, Herr Rasner: Ich bin nicht der Weiße Riese, den Sie vorhin erwähnt haben; aber dennoch hat dieses Thema natürlich viel mit Sauberkeit zu tun. Darüber läßt sich gar nicht streiten, und in der Tat stehe ich deswegen hier oben.
Wir haben vorhin den Vorwurf zu hören bekommen, wir regten uns über Dinge auf, die nur Andeutung seien, etwas, was noch gar nicht feststehe, was auch noch gar nicht exakt geplant sei. Ich glaube, dieser Vorwurf besteht zu Unrecht, zu Unrecht nicht nur deswegen, weil wir ja hier Beweise dafür bekommen haben, daß es nicht nur eine Andeutung ist, sondern auch deswegen, weil wir ja die Reaktion nicht nur bei uns, sondern auch in der Öffentlichkeit haben spüren können, in einer Öffentlichkeit, ,die gerade bei uns mit gewisser Berechtigung eine außerordentlich große Empfindlichkeit zeigt, wenn sie auch nur die geringste Abweichung von einwandfreiem, chemisch reinem demokratischem Verhalten spürt. Ich glaube, es ist gut, daß das so ist. Ich bin der Meinung, das beste Mittel, um der Öffentlichkeit Politik deutlich zu machen, ist, gute Politik zu machen und auch hier im Parlament eine Sprache zu führen, die draußen verstanden wird. Ich meine, wir sollten uns hin und wieder befleißigen, nicht soviel in Termini technici unseres Hauses zu reden, sondern so verständlich, daß wir draußen begriffen werden.
Ein anderes! Ich glaube nicht, daß es richtig ist, gleich welche Institution zu schaffen, um politisches Wollen, etwa aufgearbeitet in einer Art Volksausgabe, herauszugeben, sondern ich glaube, es ist viel nötiger, daß wir unsere Bemühungen dahin gehend einsetzen, daß die politische Bildung bei uns noch und noch intensiviert wird. Das wird nämlich zur Folge haben, daß wir kritische Bürger heranziehen, die dann selber durchaus in der Lage sind, Zeitungen kritisch zu lesen, Falsches und Richtiges zu unterscheiden und die Äußerungen der Politiker so zu werten, wie sie kritischerweise zu werten sind.
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Das Wort hat der Kollege Dr. Schulze-Vorberg.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Hier wurde soeben festgestellt, es fehlten in den Redaktionen bei der Presse, beim Rundfunk und beim Fernsehen qualifizierte Leute. Lassen Sie es mich einmal im Positiven sagen, wir haben glücklicherweise in den Redaktionen von Zeitungen, Rundfunk und Fernsehen sehr viele qualifizierte Leute.
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- Ja, ich wollte es nur einmal ins Positive gewendet wissen. - Und ich bin ,der Meinung: auch heute noch.
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Ich wollte hier ein Wort über das Presse- und Informationsamt der Bundesregierung sagen, an dem ich ansonsten allerhand auszusetzen habe: Auch dort gibt es glücklicherweise hochqualifizierte Leute. Das gehört, glaube ich, heute einmal gesagt.
Gute Politik ist nicht durch Propaganda zu ersetzen, wurde hier festgestellt.
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- Dieses „Sehr gut!" bei den Freien Demokraten verleitet mich nun doch zu der Feststellung, daß die FDP kundgetan hat, für den nächsten Wahlkampf habe sie ihre Sorgen einem Institut der Werbewirtschaft, einer Werbeagentur anvertraut. Sie hat sich eine gute Werbeagentur ausgesucht und versucht vielleicht dadurch, ihre Politik etwas aufzubessern.
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- Herr Genscher, wahrscheinlich werden Sie dann eine andere finden. Ich hoffe, Sie finden eine möglichst gute. Aber daß man Propaganda heute auch in der Politik macht, ist schlechterdings nicht zu bestreiten, wobei ich weiß, daß das Wort Propaganda verpönt ist und daß man lieber und vorsichtiger von Information spricht. Tatsächlich sind wir, ist die Bundesrepublik - ich habe das noch vor einer Woche in der außenpolitischen Debatte sagen können - einer ganz massiven Propaganda, und, wie ich fürchte, nicht nur aus dem Osten, ausgesetzt, und es gehört einfach dazu, daß diese Bundesrepublik Deutschland durch ganz konkrete Informationen diesem Zerrbild von uns, das durchaus in der weiten Welt besteht, begegnet. Wir müssen viel mehr dagegen tun; denn wir spüren doch heute schon die Rückwirkungen im Inland auf diese Propaganda aus dem Ausland. Ich glaube also, daß wir auf diesem Gebiet viel tun müssen.
Wir haben - das ist hier ein paarmal angeklungen - Fehler gemacht. Das geht so weit, daß wir die falschen Begriffe verwendet haben, und zwar nicht nur beim Notstand. Wir sprechen jetzt z. B. von einem „Zeitungsaustausch". Wir sind, so habe ich den Eindruck, die Erfinder des einseitigen Austausches. Ein Zeitungsaustausch nur zu uns hin ist kein Austausch. Was wir wollten, das sollte ein Austausch sein. In der Fragestunde klang vorhin an und der Herr Staatssekretär hat es zugegeben, daß von einer Broschürenflut gesprochen werden muß. Ich glaube nicht daran, daß Broschüren in der Form, wie sie oft herausgegeben werden, das geeignete Mittel sind, die Politik der Bundesregierung und auch dieses Bundestages zu erklären. Ich möchte wirklich von einer Verzettelung im wahrsten Sinne des Wortes unserer Informationspolitik sprechen. Mit welcher Fülle von Material wir zugedeckt werden, erleben wir ja selber und erleben die Kollegen von Presse und Funk, die hier in Bonn tätig sind. In vielen Fällen wäre tatsächlich weniger mehr. Wir müssen Fehler unserer Informationspolitik abstellen.
Dabei stellt sich die Frage: Sollte es, muß es wirklich eine neue Behörde sein? Der Herr Kollege Schwabe hat vorhin festgestellt, wie gut die Bundeszentrale für politische Bildung draußen als Markenzeichen gilt, eine Bundeszentrale, bei der das Parlament eingeschaltet ist, damit selbstverständlich auch die Opposition. So würde auch ich meinen, daß man einen gewissen Ausbau dieser Bundeszentrale erwägen sollte, jedenfalls eine Intensivierung ihrer Tätigkeit. Heute schon halte ich es für falsch, daß wir in der Frage der Pressepolitik gleich drei federführende Ressorts haben. Wir bekommen die Unterlagen mit einem Umdruck der Bundesregierung, auf dem steht: Federführend ist das Bundesministerium des Innern, das Bundesministerium für Wirtschaft und das Presse- und Informationsamt der Bundesregierung. Ich halte das einfach für falsch. Man kann nicht drei federführende Ressorts in einer Regierung haben und glauben, damit eine geschlossene Informations- und Pressepolitik machen zu können.
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Wir brauchen eine bessere Pressepolitik.
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Das Wort hat Herr Kollege Dr. Kübler.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Mittelpunkt dieser Diskussion steht, allerdings jetzt noch unausgesprochen, der von uns erwartete informierte Bürger. Unser informierter Mitbürger ist also das Ziel dieser Diskussion. Nun stellen wir einerseits fest, daß unsere Informationen in Breite ankommen, wenn wir uns hier in diesem Parlament um die großen Fragen der Politik kümmern, wenn wir hier gemeinsam die Richtlinien der Politik bestimmen. Das kommt draußen an, und jeder, der sich informieren will, kann das. Wenn der Herr Bundeskanzler vorm Fernsehschirm die Richtlinien der Politik formuliert, kommt das in den Wohnungen an, und wenn die Pressesprecher der Bundesregierung die großen Fragen der Politik interpretieren, kommt das im Spektrum der Presse auch an. Was aber nicht ankommt und wo wir alle miteinander spüren, daß zwischen unserem Wollen hier und dem Informationsgrad unserer Mitbürger eine Diskrepanz vorhanden ist oder der Weg gestört, vielleicht sogar bewußt gestört wird, ist unsere Ausschußarbeit. Wenn im Ernährungsausschuß auf europäischer oder nationaler Ebene um eine billigere Versorgung der Bevölkerung gerungen wird, können dazwischen andere Interpretationen von Interessenverbänden sein. Wenn im Verkehrsausschuß um mehr Sicherheit für unsere Bürger gerungen wird, schieben sich dazwischen die Informationen der Interessenverbände. Wenn wir im Gesundheitsausschuß jeweils zusammen mit den entsprechenden Ministerien um eine bessere Sorge für unsere Bürger ringen, schiebt sich dazwischen eine Reklame oder die Information der Interessenverbände.
Uns muß es also heute darum gehen, nicht nur die großen Züge des politischen Geschehens wie bisher klarzumachen, sondern auch dieses Ringen um politische Entscheidungen, die der Einzelbürger an Gesundheit, an Geldbeutel, an Ernährung usw. spüren wird. Diese Aufgabe steht vor uns, und wir wollen sie gemeinsam lösen. Wir müssen sie gemeinsam lösen.
Die Frage, ob eine Zentrale der richtige Weg ist oder ob wir einen anderen Weg suchen müssen,
9918 Deutscher Bundestag - 5. Wahlperiode
müssen wir intensiv miteinander diskutieren. Falsch wäre es, einen solchen Weg vielleicht aus Existenzangst einer Partei abzulehnen. Aber wir würden diesen Weg ablehnen, wenn wir befürchten müßten, daß ein neues Amt eine Pfründe für unversorgte Leute wird. Wir müssen auch ganz deutlich Bedenken gegen eine zentralistische Lenkung, gegen eine Pressekonzentration vorbringen. Diese Assoziation ist in unserem Volke verpönt, das müssen wir auch sagen. Wir müssen diese Diskussion in einer Ausschußarbeit fortsetzen, bei der die entsprechenden Ausschüsse auf Grund der Vorlagen ein Ergebnis erarbeiten, das den heutigen Bedenken Rechnung trägt; aber über den Bedenken muß die gemeinsame Aufgabe stehen, unsere Bürger zu informieren; denn nur der informierte Bürger kann echter Staatsbürger sein.
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Das Wort hat der Kollege Mischnick.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist manches von Propaganda gesprochen worden, aber wir wissen doch alle: was nützt die beste Verpackung, wenn der Inhalt schlecht ist. Man kann sich zwar durch die Verpackung eine Zeitlang täuschen lassen, so wenn ich an die Wahlen des Frühjahrs 1967 denke; aber .als der Inhalt bekanntwurde, kam nach der Sommerpause 1967 für Teile der Koalition die Quittung. Offensichtlich will man jetzt neue Verpackungen schaffen in der falschen Hoffnung, damit besser zu fahren.
Man sagt, Pappkameraden seien aufgebaut. Ja, wenn ich die veröffentlichten Erklärungen nachlese, wundere ich mich, daß man es in dieser Regierung zuläßt, daß man solche Pappkameraden in der Öffentlichkeit aufstellt. Ist das die Aufgabe des Presse- und Informationsamtes, falsche Informationen zu geben? Ich hoffe doch, nicht; wenn es also richtige Informationen waren, sind es keine Pappkameraden, sondern Entwicklungen, die im Gange sind. Dabei muß ich mit Interesse feststellen, daß der Termin des Durchsickerns oder des Veröffentlichens der 23. Juni und die Erklärung ,des Herrn Bundeskanzlers vor der CDU/CSU-Fraktion am 25. Juni 1968, wo er sich in einer Weise gegen den Koalitionspartner wendet, wie das bisher in dieser Bundesrepublik noch nicht der Fall war, gewesen ist. Hier besteht doch offensichtlich ein Zusammenhang. Man muß .den Eindruck gewinnen, der Herr Bundeskanzler will mit einer neuen Öffentlichkeits- oder Informationszentrale die Position beziehen, die man offensichtlich im Wahlkampf zwischen den beiden Koalitionsfraktionen gegeneinander braucht. Anders ist die Rede vor .der CDU/CSU-Fraktion nicht zu verstehen.
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- Was heißt hier „Das möchten Sie gern"! Sie haben doch selbst gehört oder gelesen, was der Herr Bundeskanzler gesagt hat. Ich kann mir durchaus vorstellen, daß Sie beide sehr daran interessiert sind, nun das, was an Schlechtem, was an Mißerfolgen herausgekommen ist, sich gegenseitig zuzuschieben. Damit aber die SPD-Minister nicht zuviel in dieser Richtung tun können, soll ja, wie hier gesagt worden ist, einiges aus den Pressereferaten der einzelnen Ministerien in die neue Zentrale herausgezogen werden, damit die Zentrale selbst offensichtlich die Öffentlichkeitsarbeit entsprechend bestimmen kann. Das ist eine durchaus logische Überlegung; ,sie ist nur, nach unserer Überzeugung, demokratisch nicht vertretbar.
Wenn nun noch angeklungen ist, man solle - und Herr Kollege Ertl hat ja ,scherzhaft danach gefragt - die Opposition in dieses neue Informationsamt einschalten, dann frage ich mich, was bloß der arme Abteilungsleiter macht, der dann für die Opposition zuständig ist. Richtet er sich dann nach den Weisungen der Regierung, was über die Opposition zu berichten ist, oder darf die Opposition dann- diesem Abteilungsleiter sagen, was er zu berichten hat und wie das geschehen soll? Man sieht, Sie haben völlig recht, Herr Kollege Rasner: völlig unausgegoren.
Wie unkoordiniert das aber in dieser Regierung vor sich geht, zeigt nicht nur die vorzeitige Veröffentichung dieser Dinge - .erfreulicherweise für uns, damit man rechtzeitig dagegen angehen kann -, sondern auch die Tatsache, daß es ja noch nicht einmal möglich war, in .der Fragezuteilung so zu koordinieren, daß heute jeder der betroffenen Herren genau wußte, welche Frage er zu behandeln hat.
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Und ein letzter Punkt. Man will das Nebeneinander beseitigen, ist gesagt worden. Meine Damen und Herren, Sie werden es nicht schaffen, durch ein solches Informationsamt dieses von Ihnen selbst mehrfach sichtbar gemachte Nebeneinander in der Öffentlichkeit zu beseitigen. Es zeigt sich immer wieder, wie recht wir hatten mit der Feststellung Die ersten zwölf Monate täuschte die Zahl, danach läßt sich die Öffentlichkeit auch durch die Zahl nicht mehr täuschen. Eine große Koalition ist in ihren Entscheidungsmöglichkeiten die schwächste, die es überhaupt gibt.
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Das Wort hat Herr Kollege Schoettle.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin nicht hier heraufgekommen, um das Spiel fortzusetzen, das die Kollegen von der FDP hier bisher so nett getrieben haben. In der Debatte ist gelegentlich auch der Haushaltsausschuß als Kronzeuge für tatsächliche oder angebliche Pläne zur Schaffung einer Bundeszentrale für Öffentlichkeitsarbeit herangezogen worden. Ich möchte ausdrücklich feststellen, daß der Haushaltsausschuß bei der Beschäftigung mit dem Bundeshaushalt auch die Aktivitäten der Bundesregierung und ihrer einzelnen Ressorts unter die Lupe genommen hat und daß er dabei festgestellt hat, daß vielfach nebeneinander, aneinander vorbei, häufig auch gegeneinander in der gleichen Sache Aktivitäten entfaltet worden sind,
die uns nicht wenig Geld kosten. Der Wunsch des Haushaltsausschusses war, dieses Nebeneinander, dieses unnütze und sinnlose Geldausgeben dadurch abzubauen, daß man die Tätigkeiten in bestimmten Bereichen koordiniert.
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Dabei hat aber niemand an die Schaffung eines neuen Amtes gedacht,
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ich möchte das ausdrücklich feststellen, und niemand könnte sich bei der Verwirklichung solcher Pläne auf den Haushaltsausschuß berufen.
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Die Bundesregierung meldet sich zu Wort. Das Wort hat Herr Staatssekretär Dr. Diehl.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen, meine Herren! Es ist hier heute morgen zu mehreren Malen völlig richtig gesagt worden, daß die Grundlage einer guten Information eine gute Politik ist. Die Informationspolitik hat in der Tat keine eigenen Inhalte. Sie ist eine sehr wichtige Technik, ein Verfahren. Sie stellt in dem heutigen schwierigen Prozeß der Kommunikation in einer industrialisierten Massengesellschaft in der Tat eine sehr schwierige Aufgabe dar. Das ist auch vom Herrn Abgeordneten Raffert von der SPD gesagt worden. Aber es ist doch so, daß das Bundespresse- und Informationsamt von Anfang an sich bemüht hat, mit dem Hohen Hause in dieser Frage Kontakt zu halten. Herr
Der Haushaltsausschuß hat hinsichtlich der Formen, in denen diese Koordination erfolgen soll, keinerlei Entscheidung getroffen. Sein Beschluß war für uns der Anlaß, über Formen nachzudenken und diese Vorlage einzubringen. In der Zielsetzung sind wir uns völlig einig. Ich möchte Ihnen sagen, daß im Presse- und Informationsamt heute eine Reihe von Männern ist, die selber Journalisten gewesen sind und die den Wert der freien Presse, der kritischen Presse hoch einschätzen. Es ist eine Unterstellung, wenn hier angedeutet wird, daß, wenn Herr Küffner vom Gegengewicht spreche, darin etwa eine Abwertung oder gar eine Frontstellung gegenüber der kritischen Presse liege. Ganz im Gegenteil. Wir in diesem Hause sehen selbst mit großer Deutlichkeit und Schärfe, daß die freie Presse, die kritische Presse absolut notwendig ist und daß eine gewisse Ballung von Informationsmitteln in der Hand einer Stelle in der Regierung ihre Risiken hat. Unsere Überlegungen bei der Wahl einer bestimmten Form gehen auch dahin, diese Risiken auszuschalten.
Ich glaube, daß für die Harmonie in der gesellschaftlichen Struktur - das ist eine ganz bedeutende politische Frage; nicht nur für diese Jahre, sondern auch für die nächsten Jahrzehnte -, für ein richtiges Verhältnis des einzelnen Bürgers im Spannungsfeld zwischen Freiheit und Ordnung sein politisches Bewußtsein entscheidend ist und daß er dieses nur haben kann, daß er sich nur entscheiden kann, wenn er informiert ist.
Es geht hier gemeinsam mit dem Hohen Hause um die Frage - deswegen habe ich nicht erst seit Wochen, sondern seit Monaten, u. a. im Kulturpolitischen Ausschuß in Anwesenheit von Vertretern der FDP, versucht, mit denjenigen Abgeordneten, die in dieser Frage über besondere Erfahrungen und Kenntnisse verfügen, in einen Meinungsaustausch über diese Sache einzutreten -, wie man das Problem der Kommunikation zwischen Regierung und Parlament und der Öffentlichkeit in einer bestmöglichen Weise regeln kann.
Ich kann natürlich nicht beanstanden, daß nach dem Grundsatz verfahren wird, Demokratie sei das organisierte Mißtrauen, und daß hier eine Wachsamkeit bei der Opposition ihren Ausdruck findet. Das ist völlig legitim. Aber eines darf ich Ihnen versichern. Die Assoziationen, die Sie im Hinblick auf das Verhältnis zwischen den beiden Koalitionspartnern oder im Hinblick auf den Wahlkampf angestellt haben, sind völlig unbegründet. Es geht hier um die sachlich beste Regelung einer Frage, die für alle von gemeinsamem vitalem Interesse ist, und nicht um kleinliche Kniffe oder Kunstgriffe, um irgendeiner Partei zu schaden.
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Meine Damen und Herren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen mehr vor. Damit ist die Aktuelle Stunde beendet.
Wir kommen jetzt zu Punkt 2 unserer Tagesordnung:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes ({0}) zu dem Gesetz zur Fortführung des sozialen Wohnungsbaues ({1})
- Drucksache V/3041 - Berichterstatter: Senator Dr. Heinsen
Herr Senator Dr. Heinsen ist durch eine Verpflichtung im Bundesrat nicht in der Lage, jetzt hier zu sein. Er hatte sich zur vorgesehenen Zeit für die Behandlung dieses Punktes bereitgehalten; aber erfreulicherweise konnte er sich mit unserem Kollegen Dr. Reischl einigen. Er hat ihn gebeten, den Bericht für den Bundesrat mit zu geben. Ich darf Herrn Dr. Reischl das Wort geben.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gegen das Wohnungsbauänderungsgesetz 1968, das hier vom Hohen Hause am 8. Mai dieses Jahres beschlossen worden ist, hat der Bundesrat am 31. Mai den Vermittlungsausschuß mit zwei Vermittlungsbegehren angerufen.
In der Sitzung des Vermittlungsausschusses am 20. Juni dieses Jahres ist das Begehren zu Nr. 1 nicht mehr aufgenommen worden. Es bleibt also als sachliches Begehren nur das Begehren zu Nr. 2 zu Art. VI des Gesetzentwurfs, das in Ihrer Drucksache als Nr. 1 angegeben ist. Hiernach soll - auch nach
dem Vorschlag des Vermittlungsausschusses - der Art. VI, der eine Beteiligung des Ausgleichsfonds an dem Zinsmehraufkommen, das jetzt durch das neue Gesetz entsteht, vorsieht, gestrichen werden.
Hierzu waren für den Vermittlungsausschuß zwei Gründe maßgebend.
Erstens. Die Länder müssen dem Ausgleichsfonds gegenüber schneller tilgen, als die Bauherren dies den Ländern gegenüber tun müssen. Die Länder haben für die Tilgung infolgedessen in erheblichem Umfang schon in den ganzen vergangenen Jahren, für die ja rückwirkend jetzt eine Verzinsung eingeführt werden soll, Haushaltsmittel verwandt, also in der Praxis gerade für diesen Zweck Kredite aufgenommen und Zinsen gezahlt. Wenn jetzt die bisher zinslosen Mittel verzinst werden, so ist es nur billig, daß dieses Zinsaufkommen den Ländern zugute kommt, die ohnehin ja Zinsen haben zahlen müssen.
Der zweite Grund, der den Vermittlungsausschuß zu seinem Vorschlag bewogen hat, ist der, daß nur auf diese Weise gesichert werden kann, daß entsprechend dem Zweck des Gesetzes das Zinsmehraufkommen auch in Zukunft für die Förderung des sozialen Wohnungsbaus voll zur Verfügung steht. Ginge nämlich dieses erhöhte Zinsaufkommen an den Ausgleichsfonds, stünde es dort nur für die sogenannten Aufbaudarlehen zur Verfügung, die nur ein Ersatz für das Eigengeld sind, aber nicht für die nachstellige Förderung des sozialen Wohnungsbaus. Das aber geschieht, wenn diese Gelder den Ländern zufließen. Deshalb soll Art. VI gestrichen werden.
Die unter Nr. 2 aufgeführten Änderungen des Gesetzentwurfs .betreffen lediglich die durch die Behandlung im Vermittlungsausschuß notwendig gewordene Verschiebung des Termins des Inkrafttretens des Gesetzes und einzelner seiner Bestimmungen entsprechend der jetzigen, späteren Verabschiedung.
Ich darf Sie bitten, dem Bericht des Vermittlungsausschusses, für den dieser eine En-bloc-Abstimmung im Bundestag beschlossen hat, Ihre Zustimmung zu geben.
Meine Damen und Herren, Sie haben den Bericht von Herrn Dr. Reischl gehört. Wird zu diesem Punkt das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Wir stimmen dann über den Antrag des Ausschusses auf Drucksache V/3041 ab. Ich gehe davon aus, daß Einverständnis darüber besteht, daß wir über die vom Ausschuß gefaßten Beschlüsse gemeinsam abstimmen. - Wenn das der Fall ist, dann bitte ich diejenigen, die dem Antrag des Ausschusses zustimmen, um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei einer Gegenstimme - ist das richtig, Herr Kollege Mick? - ist der Antrag des Ausschusses angenommen.
Wir kommen damit zu Punkt 3 unserer Tagesordnung:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes
({0}) zu dem Zweiten Gesetz zur Änderung strafrechtlicher Vorschriften der Reichsabgabenordnung und anderer Gesetze ({1})
- Drucksache V/3042 Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Reischl
Bitte sehr, Herr Kollege Dr. Reischl, Sie haben das Wort zur Berichterstattung.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Zweite Gesetz zur Änderung strafrechtlicher Vorschriften der Reichsabgabenordnung und anderer Gesetze ist vom Hohen Haus am 31. Mai 1968 verabschiedet worden. Der Bundesrat hat in seiner Sitzung vom 14. Juni hiergegen den Vermittlungsausschuß angerufen und insgesamt sechs Begehren gestellt, die nur zum Teil vom Vermittlungsausschuß aufgenommen, zum Teil ergänzt worden sind, soweit es sich um Änderungen handelt, die inzwischen oder durch andere Änderungen notwendig geworden sind. Zur Begründung der Änderungen, die Sie in der Drucksache V/3042 vorfinden, darf ich ganz kurz folgendes anführen.
Die Nrn. 1 und 5, die insofern im Zusammenhang gesehen werden müssen, wollen die Höchstgeldstrafe von dem Betrag von 1 Million DM auf den Betrag von 5 Millionen DM erhöhen. Man hat hiergegen angeführt, daß das nicht nötig sei, weil ja nach § 27 c des Strafgesetzbuchs über die Höchststrafe dann hinausgegangen werden könne, wenn die Geldstrafe nicht ausreiche, um den aus der Tat gezogenen Gewinn abzuschöpfen. Durch die Neufassung der Einziehungsbestimmungen ist aber ohnehin sichergestellt, daß dieser Gewinn eingezogen und abgeschöpft werden kann. Zusätzlich soll eine je nach der Schwere der Tat gestaffelte Geldstrafe möglich werden. Hierfür reicht der Betrag von 1 Million DM nicht aus. Es könnte sonst gegebenenfalls eine solche Tat fast rentabel werden, wenn man die Zinsgewinne, die ja mehrere Jahre zurückliegen, mit einrechnet. Das wäre gesetzgeberisch wohl kaum zu verantworten.
Die Nrn. 2 und 6 bringen eine Sonderregelung der Verjährung, die in dem Beschluß des Bundestages für eine Bestimmung schon vorhanden war. An sich verjähren Steuerordnungswidrigkeiten in Zukunft wie alle Ordnungswidrigkeiten in zwei Jahren. Schon der Bundestag hatte eine Erhöhung dieser Frist auf fünf Jahre für die leichtfertige Steuerverkürzung beschlossen, weil diese leichtfertige Steuerverkürzung nämlich erst bei der Betriebsprüfung entdeckt werden kann und es ja wohl nicht angängig wäre, jetzt deswegen in Zukunft die Betriebsprüfungen noch öfter vorzunehmen, sondern weil es in diesem Fall sinnvoller ist, die Verjährungsfrist entsprechend zu verlängern.
Der gleiche gesetzgeberische Grund gilt aber nach der Überzeugung des Vermittlungsausschusses auch für die §§ 405 - die Steuergefährdung - und 406 - die Gefährdung der Abzugssteuern - und für die entsprechenden Bestimmungen des Branntweinmonopolgesetzes.
Deswegen schlägt Ihnen der Vermittlungsausschuß in den Nrn. 2 und 6 vor, die Verjährungsfrist für diese bestimmten Taten auf fünf Jahre zu erhöhen. Im übrigen bleibt es bei den zwei Jahren.
Die Nr. 3 des Vorschlags des Vermittlungsausschusses soll eine Anomalie beseitigen, die im Gesetz bestand. Auf Antrag des Beschuldigten mußte nämlich das Finanzamt die Strafsache an die Staatsanwaltschaft abgeben, und damit entstand der Sonderfall, daß der Beschuldigte hier die Ermittlungsbehörde selber bestimmen konnte. Diese Bestimmung scheint nicht notwendig zu sein. Zunächst einmal ist sie in unserem Strafverfahren einmalig; denn so etwas gibt es sonst nie. Jeder muß sich mit der Strafverfolgungsbehörde abfinden, die für den betreffenden Fall durch den Gesetzgeber beschlossen ist. Außerdem hätte die Bestimmung ohnehin keinen besonderen praktischen Wert, weil das Finanzamt in den Fällen, in denen es irgendwie Zweifel hat, ob es ganz objektiv sein könnte, das Verfahren ohnehin an die Staatsanwaltschaft abgeben kann, so daß der gleiche Effekt auch auf diese Weise erzielt werden kann. Es erschien uns also nicht sinnvoll, diese Bestimmung aufrechtzuerhalten.
In der Nr. 4 des Vermittlungsbegehrens geht es um eine Frage der Verwaltungsvereinfachung, nämlich um die Wiederherstellung der Bestimmung, nach der die Beamten des Steuerfahndungsdienstes die gleichen Ermittlungsbefugnisse haben, die den Beamten der Finanzämter zustehen. Das ist eine ganz selbstverständliche Regelung; denn sie sind ja eigentlich „am Ball", wenn man so sagen will, und sie sind in erster Linie in der Lage, Steuerhinterziehungen aufzudecken.
Die Nr. 7 des Vorschlags des Vermittlungsausschusses enthält lediglich eine redaktionelle Änderung.
Auch hier hat der Vermittlungsausschuß eine gemeinsame Abstimmung im Deutschen Bundestag beschlossen. Ich bitte, sämtliche Vermittlungsvorschläge in gemeinsamer Abstimmung anzunehmen.
({0})
Meine Kollegen, Sie Sie haben den Bericht gehört. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich lasse jetzt über den Mündlichen Bericht des Ausschusses abstimmen. Wer dem Antrag des Vermittlungsausschusses zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe, bitte! - Enthaltungen? - Dieser Antrag ist einstimmig angenommen.
Wir kommen zu Punkt 6 unserer Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines
Gesetzes zur Änderung des Durchführungsgesetzes EWG-Getreide, Reis, Schweinefleisch, Eier und Geflügelfleisch sowie des Zuckergesetzes
- Drucksache V/2907 - a) Bericht des Haushaltsausschusses ({0}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung - Drucksache V/3049 -
Berichterstatter: Abgeordneter Röhner
-b) Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ({1})
- Drucksache V/2985 Berichterstatterin: Abgeordnete Frau Griesinger
({2})
Es handelt sich um die Abstimmung über .den Entwurf .auf Drucksache V/2985, die wir gestern zurückgestellt haben. Wir müssen hier 'die Abstimmung in zweiter Lesung und anschließend die Schlußabstimmung ,durchführen. Ich mache darauf aufmerksam, daß es aus verfassungsrechtlichen Gründen notwendig ist, bei der Schlußabstimmung auszuzählen.
Ich darf zunächst die Abstimmungen in der zweiten Lesung erbitten. Wer Art. 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, der Einleitung und der Überschrift zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Diese Artikel, die Einleitung und die Überschrift sind in der zweiten Lesung einstimmig angenommen.
Wir kommen zur
dritten Beratung.
Wie gesagt, müssen wir in der Abstimmung über das Gesetz als Ganzes auszählen. Ich darf die Damen und Herren bitten, den Saal zu verlassen, und bitte diejenigen, die dem Gesetz zustimmen, durch die Ja-Tür, diejenigen, die es ablehnen, durch die Nein-Tür und diejenigen, die sich enthalten, durch die Tür für Enthaltungen den Saal wieder zu betreten. Die Damen und Herren Schriftführer bitte ich, an den Zähltüren ihre Positionen einzunehmen. - Meine verehrten Kollegen, ich weise darauf hin, daß die Abgeordneten aus Berlin sich an dieser Abstimmung nicht beteiligen.
Ich gebe das Ergebnis der Abstimmung bekannt. Die erforderliche Stimmenzahl für die Beschlußfähigkeit ist 249, und 249 Stimmen sind für die Zustimmung zu diesem Gesetz nötig. Abgegeben wurden insgesamt 337 Stimmen, davon 334 JaStimmen, 1 Nein-Stimme, 2 Enthaltungen. Das Gesetz ist damit mit der erforderlichen Stimmenmehrheit angenommen.
Wir kommen dann zu Punkt 16 unserer Tagesordnung:
Große Anfrage der Fraktion der SPD betr. Gesundheitspolitik
- Drucksachen V/2675, V/3008 Wird die Große Anfrage begründet? - Sie wird mündlich begründet. - Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Dr. Schmidt ({3}).
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Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn man davon absieht, daß bei den Haushaltsberatungen gesundheitspolitische Fragen angesprochen werden - und da oft unter Zeitdruck und auch nicht jedes Jahr -, und wenn man weiter davon absieht, daß bei der Beratung wichtiger gesundheitspolitischer Einzelgesetze nur wenig Raum für eine Gesamtdiskussion bleibt, so ist das heute die erste gesundheitspolitische Generaldebatte zumindest seit Bildung des Gesundheitsministeriums 1961.
({0})
Deshalb war es unserer Auffassung nach höchste Zeit, durch die vorliegende Große Anfrage zur Gesundheitspolitik diese dringend notwendige Debatte auszulösen, um vor allem der Öffentlichkeit Bedeutung und Notwendigkeiten moderner Gesundheitspolitik darzustellen. Es ist schade - gestatten Sie mir diese persönliche Bemerkung zu Anfang, und wir bedauern es sehr -, daß Frau Dr. Hubert, seit 1949 gesundheitspolitische Sprecherin in diesem Hause und Vorsitzende des Gesundheitsausschusses, heute wegen ihrer Erkrankung nicht an dieser Debatte teilnehmen kann. Wir möchten ihr von dieser Stelle aus die herzlichsten Genesungswünsche übermitteln.
({1})
Meine Damen und Herren, ich darf Sie doch bitten, Platz zu nehmen, Privatgespräche nach außerhalb des Sitzungssaales zu verlegen und dem Redner zuzuhören.
Meine Damen und Herren, Frau Minister Strobel hat dem Hohen Hause schon die Antwort nach dem neuen Verfahren erteilt. Wir sind ihr dafür dankbar. Diese Beantwortung ist nicht nur sachgerecht und gründlich erfolgt, sie wird auch der Bedeutung gerecht, die der Gesundheitspolitik heute und in der Zukunft zukommt.
Es kann von uns aus nur unterstrichen werden, daß der Mensch in der modernen Industriegesellschaft, die nicht nur von Wissenschaft und Technik, von Arbeitswelt und Umwelt neue Anforderungen an ihn stellt, auch die Probleme der Gesundheitspolitik besser beachten lernt, weil gerade eine Reihe von neuen gesundheitsgefährdenden Einflüssen besteht, die zu beseitigen sind.
Wir Sozialdemokraten haben der Gesundheitspolitik nicht erst seit Godesberg eine besondere Bedeutung beigemessen. Wir haben auf unseren Parteitagen, auf zahlreichen Fachkongressen und Arbeitnehmerkonferenzen ihre Bedeutung für den Menschen besonders herausgestellt und Wege zu weisen versucht. Frühere Mehrheiten in diesem Hause haben diese Vorstellungen nicht übernehmen wollen. Um so mehr sind wir heute befriedigt, daß die jetzige Bundesregierung sich zu vielen dieser Vorstellungen bekennt - in realistischer Beurteilung der gesundheitspolitischen Situation -, obwohl im Hinblick auf die allgemeine Finanzsituation zahlreiche Schwierigkeiten bestehen.
Hierbei zeigt sich nach meiner Auffassung ein Dilemma, in dem die Gesundheitspolitik seit Kriegsende steckt und das überwunden werden muß, wenn wir entscheidend weiterkommen wollen. Es ist allzu verständlich, daß in der Nachkriegszeit und in den ersten Jahren des Wiederaufbaus gesundheitspolitische Fragen nur zweitrangig behandelt wurden. Der Aufbau der Wirtschaft, die Schaffung von Arbeitsplätzen und Wohnungen, der allgemeine persönliche Nachholbedarf hatten Vorrang. Erst Ende der fünfziger Jahre gewann dann die Gesundheitspolitik mehr an Gewicht; 1961 bekam sie sogar ein selbständiges Ressort. Die Hoffnungen, die damals in das Gesundheitsministerium gesetzt wurden, erfüllten sich leider nicht. Damals vorhandene finanzielle Möglichkeiten wurden leider nicht so genutzt, wie es nötig und auch möglich gewesen wäre; und heute werden klare Erkenntnisse über notwendige Maßnahmen und auch vorhandener guter Wille durch mangelnde Finanzen eingeschränkt. Aus diesem Dilemma muß die Gesundheitspolitik herauskommen. Dies wird um so schneller gehen, je eher sich die Erkenntnis durchsetzt, daß Investitionen in diesem Bereich später notwendig werdende Leistungen vermindern oder gar überflüssig machen.
Wir haben mit dieser Großen Anfrage auf drei Schwerpunkte der Gesundheitspolitik hinzuweisen versucht, die vorrangig und gleichgewichtig angepackt werden müssen: die Gesundheitsvorsorge, die gesundheitsgefährdenden Umwelteinflüsse und die wirtschaftliche Sicherung unserer Krankenhäuser. Ich will jetzt nicht im einzelnen auf die Problematik dieser drei Schwerpunkte eingehen - dies wird im Verlaufe dieser Debatte geschehen müssen -; ich möchte vielmehr einige Gedanken vom Grundsätzlichen her entwickeln.
Es besteht heute kein Streit mehr um die Bedeutung der gesundheitlichen Vorsorge in allen Lebenslagen. Auch wissenschaftlich untermauerte Vorstellungen sind vorhanden, welche Wege zu beschreiten sind. Umstritten ist das „Wie" bei manchen Fragen, was sich dann allerdings nicht immer förderlich für die Sache, um die es geht, auswirkt.
Wenn es zutrifft - wie amerikanische Zukunftsanalysen angeben -, daß im Jahre 2000 der Anteil der präventiven Medizin 75% und der Anteil der kurativen Medizin nur noch 25% beträgt, dann muß man sich heute schon auf diesen Strukturwandel einstellen, wenn man nicht Gefahr laufen will, eines Tages von den Ereignissen überrollt zu werden. Wir sind uns alle einig, daß die Vorsorge nur praktikabel ist, wenn alle Beteiligten, insbesondere auch die Ärzteschaft, einen aktiven Beitrag dazu leisten. Dabei will keiner in diesem Hause die ärztliche Eigenständigkeit und das Prinzip der freien Arztwahl angetastet wissen. Das braucht eigentlich auch gar nicht mehr betont zu werden.
Um so bedauerlicher finde ich es, daß schon bei der Diskussion mancher Vorsorgenotwendigkeiten von bestimmter Seite das Gespenst der Sozialisierung der Ärzteschaft an die Wand gemalt wird, oft ohne konkret auf die Sache selbst einzugehen. Wer sich auf die Dauer so verhält, kann leicht in den Verdacht kommen, daß er die Zeichen der Zeit aus
Dr. Schmidt ({0})
egoistischen Motiven nicht erkennen will. Ich möchte deshalb hier noch einmal besonders bekräftigen, daß ohne den aktiven Beitrag der Ärzteschaft eine praktikable Gesundheitsvorsorge nicht möglich sein kann. Ich bin auch sicher, daß die Ärzteschaft diesen Beitrag - in Erkenntnis ihrer besonderen Aufgabe in unserer modernen Industriegesellschaft - leisten kann und wird.
Frau Minister Strobel hat die Wege aufgezeigt, die bald beschritten werden müssen. Aber neben der Vorsorge für Mutter und Kind, der Jugend- und Altenvorsorge sowie der Früherkennung von Krankheiten muß auch in dieser Debatte daran erinnert werden, daß der Einbau der Vorsorge als Pflichtleistung in unsere gesetzliche Krankenversicherung genauso notwendig ist wie der Ausbau der Gesundheitsvorsorge für die arbeitenden Menschen in den Betrieben, zu dem wir Sozialdemokraten mit unserem Antrag zu einem Betriebsärztegesetz den Weg gewiesen. haben.
Genauso wesentlich wie die Zusammenarbeit aller Betroffenen ist auch der Gleichklang auf der politischen Ebene. Gesundheitspolitik als Gemeinschaftsaufgabe erfordert gemeinsame Anstrengungen von Bund, Ländern und Gemeinden. Man kann die Bedenken einzelner Bundesländer gegen Kompetenzverlagerungen durchaus verstehen, insbesondere wenn diese Länder beachtliche und vorbildliche Leistungen in der Gesundheitspolitik vorweisen können. Es kommt aber darauf an, daß kein Leistungsgefälle zwischen den einzelnen Bundesländern be- steht. Das würde draußen niemand verstehen. Deshalb wird es Zeit, daß sich Bund und Länder über den gemeinsamen Weg einigen, ohne den kein Fortschritt möglich ist. Die Erfahrungen in anderen politischen Bereichen gerade der jüngsten Vergangenheit sollten eigentlich Ansporn genug sein, schnellstens zu einer Lösung zu kommen, die alle Teile zufriedenstellt.
Dies gilt auch und erst recht für die gesundheitsgefährdenden Umwelteinflüsse. Verschmutztes Flußwasser macht bekanntlich nicht an Landesgrenzen halt, und die Verursacher von verunreinigter Luft liegen nicht immer im gleichen Bundesland, das entsprechende vorbildliche Schutzgesetze hat. Deshalb sind auch hier bundeseinheitliche Maßnahmen erforderlich. Deshalb möchten wir auch Frau Strobel ermutigen, ihre Vorstellungen zum Immissionsschutz baldmöglichst zu verwirklichen und auch die ebenfalls in diesen Sachbereich fallenden notwendigen Verbesserungen im Arzneimittel- und im Lebensmittelrecht voranzutreiben.
Wir selbst sind in diesem Hause seit einiger Zeit mit dem Gesetzentwurf gegen den Fluglärm beschäftigt. Wir werden dabei vom Gesundheitsministerium voll unterstützt, was man nicht immer und unbedingt auch von anderen Ressorts sagen kann.
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Ich habe den Eindruck, ,daß man noch nicht überall
die Bedeutung dieser Probleme erkannt hat und
eigene Interessen vor die Gesundheitsbelange der
Bevölkerung, und sei es auch völlig unbeabsichtigt, zu stellen wünscht. Es wäre bedauerlich, wenn der Bundestag aus diesen Gründen nicht in der Lage wäre, einen ersten Schritt zur Eindämmung beispielsweise des Fluglärms in dieser Legislaturperiode zu tun. Es kann nur immer wieder betont werden, daß sich bei diesen gesundheitsgefährdenden Umwelteinflüssen der einzelne nicht oder nur unvollkommen schützen kann, so daß der Gesetzgeber entsprechende Schutzmaßnahmen ergreifen muß.
Was für die Umwelteinflüsse gilt, hat auch für das Krankenhauswesen seine Gültigkeit. Hier geht es darum, das unterschiedliche Leistungsgefälle zwischen einzelnen Bundesländern und zwischen Stadt und Land zu beseitigen. Unsere Kranken haben überall einen Anspruch darauf. Deshalb muß auch ein Weg gefunden werden, der die Krankenhäuser aus ihrer wirtschaftlichen Schwierigkeit heraushilft und sie auf eine gesunde Basis stellt. Es wird in dieser Debatte gerade über dieses Thema besonders gesprochen werden müssen.
Meine Damen und Herren, es zeigt sich, daß die vielfältigen Aufgaben der Gesundheitspolitik, wenn sie dem Menschen gerecht werden sollen, nur durch gemeinsame Anstrengungen aller Beteiligten sowohl von der fachlichen wie auch von der politischen Verantwortung her gelöst werden können. Die Wege hierzu sind vorgezeichnet. Mir scheint, daß es höchste Zeit wird, daß wir sie gemeinsam beschreiten. Wenn dieser gemeinsame Wille am Ende dieser heutigen Debatte steht, können wir bereits verzeichnen, daß wir einen wichtigen Schritt dieses gemeinsamen Weges getan haben werden.
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Das Wort zur Beantwortung der Großen Anfrage hat die Frau Bundesministerin. für Gesundheitswesen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die schriftliche Antwort auf die Große Anfrage liegt Ihnen in der Drucksache V/3008 vor. Ich wollte nur noch einige wenige Bemerkungen zur Einführung machen.
Man schreibt einem großen deutschen Denker das Wort zu: „Gesundheit ist nicht alles, aber ohne Gesundheit ist alles nichts." Damit hat er sicher den Nagel auf den Kopf getroffen. So kurz können wir allerdings unser gesundheitspolitisches Programm nicht zusammenfassen.
Ich möchte die Aufgaben der Gesundheitspolitik heute so verstehen, daß das, was für die Gesundheit der Menschen notwendig und medizinisch und technisch möglich ist, auch materiell, rechtlich und natürlich auch durch die Entwicklung eines Gesundheitsbewußtseins und eines gesundheitsgerechten Verhaltens bei den Menschen möglich gemacht werden muß. Der Gesundheitsvorsorge kommt dabei eine besondere Bedeutung zu. Hier ist aber auch der größte Nachholbedarf. Um die für die Gesundheit der Menschen notwendigen Maßnahmen möglich
zu machen, haben wir entsprechende Anstrengungen unternommen. So ist z. B. noch im Jahre 1967 beim Bundesgesundheitsamt in Berlin eine neue wissenschaftliche Abteilung geschaffen worden, die unter dem Arbeitstitel „Erforschung der Umweltschäden und Zivilisationskrankheiten" läuft und die erst der erste Schritt auf dem Wege war, dem diesbezüglichen Entschließungsantrag des Bundestages, ein solches Institut zu errichten, entgegenzukommen.
In erster Linie ist die Aufgabe dieser Abteilung, rationelle Verfahren zur Früherkennung von Krankheiten und zur Verhütung von Gesundheitsschäden zu entwickeln, Modelle für Gesundheitsvorsorge zu erarbeiten und die Voraussetzungen für eine breite Anwendung zu schaffen. Diese Abteilung soll uns aber auch, da wir ja in der Bundesrepublik Deutschland keine Morbiditätsstatistik haben, mehr und besseres Wissen über den Gesundheitszustand der Bevölkerung und über die Ursachen und das Entstehen der heute so gefürchteten und verbreiteten Krankheiten verschaffen. Wenn ich daran denke, daß vor kurzem ein Seminar für Gesundheitsvorsorge und Gesundheitspflege für die landwirtschaftliche Bevölkerung unter der Leitung von Herrn Kollegen Jungmann stattgefunden hat und ,daß dort erneut die Forderung erhoben wurde, mehr über den Gesundheitszustand der Landbevölkerung zu erfahren, gesichertes Wissen darüber zu haben, dann liegt hier z. B. auch eine Aufgabe für diese Abteilung.
Aber um auch im Bereich der Gesetzgebung, auch außerhalb der Sozialversicherung, tätig werden zu
können, streben wir die bekannten Grundgesetzänderungen an, die ja zur Zeit gerade dem Bundesrat vorliegen. Ich werde in diesem Zusammenhang und gerade auch im Zusammenhang mit der Auseinandersetzung darüber oft gefragt: Warum haben Sie sich diese Auseinandersetzung eigentlich aufgeladen? Sicherlich wäre es bequemer gewesen, diese Dinge nicht in Angriff zu nehmen. Ich werde deswegen oft des Zentralismus verdächtigt. Für einen Bayern ist das natürlich besonders schwer zu verkraften. Mir liegt aber daran, zu sagen: die Motive für die beantragten Grundgesetzänderungen liegen keinesfalls im Grundsätzlichen. Sie liegen vielmehr - das kam auch schon beim Kollegen Schmidt zum Ausdruck - in der Verantwortung für die Gesundheit der Menschen, die um so schwerer drückt, wenn man weiß, wo es am dringendsten nötig wäre anzupacken, und ,das aus vielen Gründen nicht kann. Ich bin der Meinung, daß nicht nur jede Chance genützt werden muß, um die Gesundheitsvorsorge voranzutreiben - sicher tun das die Länder, die Kommunen, die Ärzte und die Helfer der Ärzte -, sondern daß wir eben auch noch mehr Chancen schaffen müssen. Von vielen davon wird seit vielen Jahren geredet. Ich habe es nun auf mich genommen, darüber eine Entscheidung herbeizuführen, und ich bin froh, daß mich die Bundesregierung dabei durch den Beschluß, diese Grundgesetzänderungen als Gesetz vorzulegen, unterstützt. Natürlich kann man Gesundheit nicht durch Gesetz verordnen. Das ist eine Binsenwahrheit. Aber wir müssen alle Möglichkeiten ausschöpfen, die es für die Erhaltung und Förderung der Gesundheit gibt, alle
Möglichkeiten, die für die Früherkennung und Heilung von Krankheiten bestehen. Man muß auch sehen, daß alle Menschen in allen Ländern unserer Bundesrepublik Deutschland, in Stadt und Land, gleichermaßen Anspruch auf entsprechende Leistungen für ihre Gesundheit und bei Krankheit haben müssen.
Natürlich geschieht schon vieles. Aber es kann und muß viel mehr geschehen, um die heute so weit verbreiteten Krankheiten wie Herz- und Kreislaufschäden, Krebs, Rheuma, Diabetes und psychische Störungen - um nur diese zu nennen - einzudämmen. Alle Kräfte müssen dafür mobilisiert werden - und dazu gehört auch der Bund -, um bessere Voraussetzungen für eine wirksame Verhütung und Bekämpfung überall in der Bundesrepublik, natürlich in engster Zusammenarbeit mit den Ländern und den Ärzten, zu schaffen.
Zur Vorsorge gehört aber auch - das kommt in der Großen Anfrage sehr deutlich zum Ausdruck --der Schutz der Bevölkerung vor gesundheitlicher Gefährdung. Auch auf diesem Gebiet geschieht vieles. Aber nichts ist so gut, als daß es nicht noch verbessert werden könnte. Das Wesentliche dazu ist in der schriftlichen Antwort gesagt.
Wir haben in unserer Lebensmittelgesetzgebung einen besonders fortschrittlichen und strengen Verbraucherschutz. Wir merken das deutlich bei den Arbeiten an der Harmonisierung dieser Gesetzgebung in der EWG. Wir haben uns anzustrengen, den in der Bundesrepublik bestehenden Verbraucherschutz in der EWG zu erhalten, und das bindet nicht wenig Kräfte, gerade aus dem Gesundheitsministerium. Wir wollen jedenfalls, daß der Grundsatz, der der deutschen Gesetzgebung zugrunde liegt: Gesundheitsschutz geht vor technischen und wirtschaftlichen Interessen, auch in der EWG unter allen Umständen aufrechterhalten bleibt. Das braucht keine Behinderung für den Fortschritt zu bedeuten.
In der Arzneimittelgesetzgebung müssen wir die Lücken schließen und die ausstehenden Verordnungen erlassen, z. B. die sehr unstrittenen Verordnungen zur Freiverkäuflichkeit und zur Apothekenpflicht der Arzneimittel. Hier habe ich am praktischen Beispiel kennengelernt, welch großer Vorteil es ist, daß der Bundestag im Arzneimittelgesetz den Beirat vorgeschrieben hat, der dazu zwingt, daß alle Beteiligten an einem Tisch sich über die Argumente auseinandersetzen, so daß jeder seine Argumente im Angesicht des anderen vortragen muß und eine echte Debatte darüber entsteht. Man ist sich auch in diesem Beirat sehr nahegekommen. Trotzdem muß der Bundesgesundheitsminister zum Schluß eben doch die Verordnungen erlassen. Es ist selbstverständlich, daß auch hier die gesundheitlichen Erfordernisse ausschlaggebend sein müssen. Die ersten Entwürfe für die Verordnungen zur Rezeptpflicht liegen jetzt vor. Auch hier gibt es neuralgische Punkte, z. B. die Forderung der Ärzteschaft, einen nicht unwesentlichen Teil der Schlafmittel in die Rezeptpflicht zu nehmen. Wir haben uns entschlossen, Noludar hineinzunehmen, aber bei den anderen Mitteln auf die Rezeptpflicht zu verzichten,
Das Arzneimittelrecht wird zukünftig wesentlich von der Rechtsharmonisierung in der EWG beeinflußt werden. Hier liegen 14 bis 15 Richtlinien vor, die transponiert werden müssen. Vier davon sind fertig; die anderen noch in Bearbeitung. Man kann nicht daran vorbeigehen, daß die Grundsätze, die unserem Arzneimittelrecht zugrunde liegen und die hier in allen Phasen sowohl beim Gesetz als auch bei den verschiedenen Novellen einstimmig beschlossen worden sind, in der EWG nicht absolut anerkannt werden, da in den anderen EWG-Staaten andere Grundsätze angewandt werden. Die Tendenz geht dahin, daß die staatlichen Stellen weitergehende Verantwortung in den Grundsatzfragen übernehmen, als sie unserem Gesetz zugrunde liegt.
Ich weiß, daß wir das heute nicht ausdiskutieren können. Ich glaube allerdings, daß uns darüber eine grundsätzliche und sicher längerdauernde Diskussion bevorsteht. Aber es ist ja so, daß die wissenschaftliche Entwicklung immer wieder neue Stoffe auf den Markt bringt, die einerseits größere Möglichkeiten zur wirksamen Bekämpfung der Krankheiten schaffen, andererseits aber das therapeutische Risiko erhöhen.
Immer wieder wird an uns die drängende Frage gestellt - und ich glaube, alle Beteiligten stellen sie sich auch selber -: Ist alles geschehen, damit sich ein ähnlicher Fall wie das schreckliche Geschehen, das wir unter dem Stichwort ConterganKatastrophe kennen, nicht wiederholt? Angesichts des laufenden Prozesses ist hier Zurückhaltung geboten. Mir liegt aber doch daran, darauf hinzuweisen, daß das geltende Bundesgesetz aus dem Jahre 1961 stammt, daß es 1964 verschärft wurde und daß nach den jetzt bei der Anmeldung einer Arzneispezialität vorzulegenden Unterlagen nach menschlichem Ermessen erreicht sein sollte, daß etwaige Nebenwirkungen von neuen Stoffen während der Prüfung erkannt werden. Sind solche Nebenwirkungen therapeutisch nicht vertretbar, ist es nach dem Arzneimittelgesetz verboten, solche Mittel in den Verkehr zu bringen. Außerdem ist ja 1964 die automatische Rezeptpflicht für Stoffe, deren Wirksamkeit der medizinischen Wissenschaft nicht allgemein bekannt ist, eingeführt worden. Wir haben jetzt z. B. in der Verordnung für die Rezeptpflicht nach § 35 des Arzneimittelgesetzes fast alle diese Stoffe, die bisher einer automatischen Rezeptpflicht unterlagen, in die Rezeptpflicht übernommen.
Aber nicht nur die Gesetzgebung kann den Schutz sichern, auch die Forschung muß ständig gefördert werden. Es läuft z. B. ein Forschungsauftrag, der sich in erster Linie mit den Wirkungen und Nebenwirkungen der Arzneimittel auf die Leibesfrucht beschäftigt. Es läuft ein weiterer, der wirksame Methoden zur Prüfung der Arzneimittel schaffen soll, wirksamere, als wir sie heute haben. Es darf auf diesem Gebiet keine Selbstzufriedenheit geben. Wir haben in der schriftlichen Antwort darauf hingewiesen, daß bei der Harmonisierung die Grundsätze der Arzneimittelgesetzgebung im Lichte der Erfahrungen und im Rahmen der Vorschriften der EWG, die die neuen Richtlinien bringen, beachtet werden müssen.
Aus vielen öffentlichen Stellungnahmen und vor allen Dingen auch Protesten, die wir aus der Bevölkerung bekommen, geht hervor, daß viele Menschen besorgt sind wegen der zunehmenden Lärmbelästigung, wegen der Luftverschmutzung und der Wasserverschmutzung und daß diese Menschen ausreichenden Schutz von uns verlangen. Das ist ihr gutes Recht. Wir haben in der schriftlichen Antwort ausführlich darauf hingewiesen, hier müssen in besonderem Maße Forschung, Technik und Gesetzgebung eng aufeinander abgestimmt sein. Ich würde - ganz ehrlich - sagen, natürlich müssen wir einen entsprechenden Preis für Wohlstand, Zivilisation und technischen Fortschritt in der hochindustrialisierten Gesellschaft bezahlen. Es darf aber nicht der Preis der Gesundheit sein.
Unausweichlich sind die Kosten, die für den Schutz der Gesundheit aufgebracht werden müssen. Diese Kosten sind sehr hoch. Wir wenden dabei das Prinzip an, daß der Verursacher bezahlt. Dieses Prinzip belastet die Kommunen, es belastet die Wirtschaft, und insofern werden von dieser ganzen Gesetzgebung Wettbewerbsfragen berührt. Das ist mit ein Grund, weswegen wir einheitliche Bestimmungen für das Bundesgebiet anstreben.
Wenn in diesen und in anderen Zusammenhängen die Frage aufkommt - sie ist eigentlich selbstverständlich -: Wer soll das bezahlen?, muß man eben deutlich sehen, je weniger geschieht, desto teurer kommt es der Volkswirtschaft, dem Staat, der Kranken- und Sozialversicherung und dem einzelnen. Da geht es aber nicht um Geld allein. Am besten zeigt sich uns das bei dem positiven Ergebnis, das man 1967 in bezug auf die Müttersterblichkeit feststellen kann. Wir wissen, daß 1967 rund 100 Mütter weniger in der Schwangerschaft, bei der Entbindung oder im Wochenbett gestorben sind als 1966. Man darf also diese Dinge nicht nur auf die Kosten abschieben, man much es auch auf das menschliche Schicksal bezogen sehen. Dennoch muß man in bezug auf die Kosten sagen, sie kommen um ein Vielfaches wieder herein. Die Vorsorge kostet zwar zunächst Geld; und das ist sicher ein Hauptgrund, warum bisher noch nicht alles, was möglich ist, geschieht. Aber in Wirklichkeit spart die Vorsorge Geld. Krankheit kostet das Vielfache. Ein Beispiel! Bei der Frühbehandlung eines Gebärmutterhalskrebses kann man etwa von 300,- DM Kosten ausgehen. Wird dieser Gebärmutterhalskrebs aber nicht erkannt und nicht frühzeitig behandelt, kostet das später mindestens das Zehnfache, wenn nicht das Leben. Das letztere ist ernster. Nehmen Sie das Beispiel der großen Frühinvalidität, die wir in der Bundesrepublik haben. Wenn man zusammenrechnete, was die Behandlung, die Renten, der Ausfall an Arbeitskraft und Produktivität kosten, würde man auch hier sagen müssen, daß rechtzeitiger Gesundheitsvorsorge und rechtzeitigem Gesundheitsschutz ein eminenter Produktivitätsfaktor innewohnt.
Zu den Kosten auf dem Gebiet des Gesundheitsschutzes gibt es überschlägige Berechnungen, z. B. allein im Bereich der Kosten für Kläranlagen. Wenn für 85'0/o der Bevölkerung biologische Kläranlagen in den nächsten 15 bis 20 Jahren verwirklicht wer9926
den sollen, entstehen den Kommunen daraus allein 6 Milliarden DM Kosten und der Industrie 12 bis 15 Milliarden DM Kosten. Wenn das aber nicht geschieht, ist der Schaden sehr viel größer. Man braucht sich nur einmal sagen zu lassen, was allein die Reinigung des Bodenseewassers dadurch mehr kostet, daß die Verschmutzung noch nicht aufgehalten ist, um daraus die Trinkwasserversorgung weiter Teile der Bevölkerung von Baden-Württemberg zu sichern.
Ich will zum Schluß ein ganz kurzes Wort zur Reform der ärztlichen Ausbildung sagen; darüber steht ja auch viel in der schriftlichen Beantwortung. Daraus geht hervor, daß das Studium auf sechs Jahre verkürzt werden soll. Mir liegt daran, auszusprechen, daß in dem Gremium, das diese Studienreform im letzten Jahr vorbereitet hat, auch der Fachverband Medizin im VDS mitgearbeitet hat. Ich hoffe, daß wir Ihre Zustimmung für die Grundzüge finden können. Aber wir sind auch dankbar für zusätzliche Anregungen. Wir haben ja demnächst bei der Beratung der Bundesärzteordnung hier dazu noch zusätzlich Gelegenheit.
Zur Krankenhausversorgung möchte ich in Ergänzung der schriftlichen Antwort der Bundesregierung nur noch folgendes sagen. In den zurückliegenden Jahren sind von den Ländern und den Krankenhausträgern, insbesondere den Kommunen, erhebliche Anstrengungen gemacht worden, um die Krankenhausversorgung sicherzustellen. Der Bund ist in dieser Frage nur über das Preisrecht, durch die Pflegesatzverordnung zuständig. Aber über die geltende Pflegesatzverordnung können die Betriebskosten der Krankenhäuser nicht gedeckt werden, schon gar nicht die für die Substanzerhaltung notwendigen Investitionen. Wir haben zwar in der Bundesrepublik zahlenmäßig genügend Akutbetten, aber sie sind nicht bedarfsgerecht verteilt, und fast ein Drittel ist völlig veraltet. Auch die Ausstattung, die Einrichtungen für Diagnostik, Therapie, Chirurgie usw. entsprechen noch lange nicht überall dem heute notwendigen Standard. Über kostendeckende Pflegesätze kann der Substanzverlust nicht aufgeholt und aufgehalten werden. Das würde zu einer Erhöhung der Krankenkassenbeiträge führen. Die Bundesregierung teilt meine Auffassung, daß dies sozial nicht vertretbar ist und deshalb nicht in Frage kommt. Ich bemühe mich daher auch im Sinne dessen, was Herr Kollege Möller bezüglich der Finanzreform sagte, um eine Neuregelung der Krankenhausfinanzierung. Ich habe dieses schwierig zu lösende Problem zu keiner Zeit, seit ich Minister bin, aus dem Auge verloren. Ich bin sicher, auch Frau Schwarzhaupt weiß ein Lied davon zu singen. Es bedarf sehr zäher und in dieser Sache nicht kapitulierender Einstellung, um weiterzukommen.
Gesundheitsvorsorge und Gesundheitspflege können, das wissen wir alle, nicht angeordnet werden. Für ihren Erfolg ist eine aktive eigenverantwortliche Mitwirkung der Menschen dringend notwendig. Wir bemühen uns, allen Menschen ihre Verantwortung für ihre Gesundheit klarzumachen, auch auf die Möglichkeiten zur Pflege und zur Erhaltung der Gesundheit hinzuweisen, die Gesundheitserziehung und die gesundheitliche Aufklärung auszubauen. Hier gibt es eine sehr gute Zusammenarbeit mit vielen Kräften und Organisationen. Es kann auch auf diesem Gebiet gar nicht genug geschehen.
Meine Damen und Herren, wir haben Ihnen in der vorigen Woche - weil wir glaubten, daß die Debatte über die Gesundheitsfragen in der vorigen Woche sein würde - den Gesundheitskompaß ins Fadi gelegt, der im Zusammenhang mit der Aktion Gemeinsinn, die unter dem Motto „Nimm Partei für die Gesundheit" läuft, herausgekommen ist. Wir sind an diesem Gesundheitskompaß nicht unwesentlich beteiligt. Ich möchte zum Schluß sagen, hoffentlich haben wir Sie damit angeregt, auch etwas für Ihre eigene Gesundheit zu tun.
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Das Haus hat die Antwort der Bundesregierung entgegengenommen. Darf ich davon ausgehen, daß das Haus die Antwort diskutieren will? - Das ist der Fall. Dann treten wir in die Aussprache ein. Das Wort hat die Frau Abgeordnete Dr. Heuser.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der sozialdemokratischen Fraktion gebührt zweifellos zweifacher Dank: sicher einmal der der zuständigen Frau Bundesministerin, der hier Gelegenheit gegeben wird, Verdienste und Bemühungen ihres Hauses einmal so recht darzustellen, aber auch der des Hohen Hauses und der Öffentlichkeit, weil so Gelegenheit gegeben ist, eine Debatte zu führen, die sich auch meiner Meinung nach zum jetzigen Zeitpunkt nicht mehr darin erschöpfen kann, zu einzelnen Sachfragen Stellung zu nehmen, sondern das Bekenntnis eines jeden einzelnen zu einer gesundheitspolitischen Grundhaltung fordert.
Ich habe mit Aufmerksamkeit verfolgt, wie sehr in diesem Hause der Bereich Gesundheit zunehmend politisiert worden ist. Dieser Wandel muß sich, wie manch anderer, zu der Zeit. begeben haben, da ich gerade hier nicht zu Hause war. Wir möchten diese Politisierung als erfreulich bezeichnen, einmal weil sie der Bedeutung der Sache entspricht, aber auch insoweit, als sie eine Reaktion auf das zunehmende Interesse unserer Bevölkerung - leider offensichtlich nicht des Parlaments - für die Fragen der Gesundheit ist.
Wenn das so ist, sollte man sich aber auch fragen, woraus diese erhöhte Aufmerksamkeit entstanden ist, gerade jetzt, wo die Menschen doch gesünder sind als lange zuvor und wo sie eine erheblich größere Lebenserwartung haben. Ich glaube, daß die Menschen heute sich anders krank fühlen als früher und daß sie eine andere Meinung davon haben, wie man gesund bleibt oder wieder gesund werden kann. Sie glauben vielfach, Gesundheit sei selbstverständliches Attribut des Lebens und Krankheit nicht etwa auch Schicksal oder eigenes Verschulden, sondern vielmehr eine Art Getriebeschaden, den man an der nächsten Werkstätte wieder beheben lassen kann. Wenn sie unverFrau Dr. Heuser
sehens am eigenen Leibe erfahren, daß hier andere Gesetze gelten, bekommen sie Angst, und sie schauen sich um nach einer Sicherheit, die es gar nicht geben kann. Daraus, aus Angst und aus Unsicherheit, kommt das Interesse.
Wir alle, die wir uns damit zu beschäftigen haben, wissen das. Wenn wir das wissen und auch wissen, daß heute die Gesundheit auf andere und anscheinend auf unabwendbarere Weise bedroht wird, als das bisher gewesen ist, ist es unsere Pflicht, darüber nachzudenken, ob wir in der Gesundheitspolitik auf gewohnten Wegen weitergehen können oder ob wir neue suchen müssen, ob das Instrumentarium, das uns zur Verfügung steht, ausreicht oder auch ob das, was uns zur Verfügung steht, bisher ausreichend genützt worden ist.
Zu einem Zeitpunkt, als die Diskussion um die Ausweitung der Bundeskompetenz im Gesundheitswesen erstmals hochkam, habe ich mich in Gegenwart der damaligen Gesundheitsministerin Frau Dr. Schwarzhaupt gegen diese auch ihre Forderungen ausgesprochen. Ich habe das getan mit dem Hinweis darauf, man möge doch erst einmal die gegebenen Möglichkeiten ausnützen, ehe man zu einer Grundgesetzänderung aufrufe. Ich habe zugleich daran erinnert, daß man hierzu ja auch die Zustimmung eben der Länder benötige, denen man die Kompetenz entziehen wolle. Diese Zustimmung war damals nicht zu erwarten. Wohl .aus diesem Grunde unterblieb jeder weitere Versuch in dieser Richtung. Was aber auch unterblieb, war das ganz intensive Gespräch auf höchster Ebene mit den Ländern über eine einvernehmliche Sonderregelung etwa des Begriffs „Fürsorge" in Art. 74 oder auch nur über ,die konkreten Absichten, die man in Sachen Grundgesetzänderung verfolgen wollte. Das ist bis heute
so geblieben.
Wäre nicht seit Baden-Württemberg das Bemühen der SPD offensichtlich, ihren Anteil an der Regierungsarbeit in der Koalition deutlicher zu machen, und damit auch eine entsprechende Pressearbeit aus dem Bundesgesundheitsministerium akut geworden, so hätten die Länder wahrscheinlich bis heute nicht erfahren, was denn nun mit der geplanten und vom Kabinett gebilligten Grundgesetzänderung gemeint ist.
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Nun allerdings, meine Damen und Herren, weiß man es.
Ich muß Ihnen sagen, es ist .etwas ganz anderes, als es etwa auch die FDP in Hannover gefordert hat zu einem Zeitpunkt, als man mit den Ländern noch reden konnte, weil sie damals noch ein sehr viel schlechteres Gewissen hatten als heute. Meine Partei war bereit, bei einer Erweiterung der Bundeskompetenz in der konkurrierenden Gesetzgebung da mitzugehen, wo es der großräumige Charakter eines Volksgesundheitsproblems sinnvoll erscheinen läßt. Das gilt z. B. für die Reinhaltung der Luft, des Wassers, des Bodens und für die Lärmbekämpfung.
Wir waren auch bereit, dem Bund bei der Vorbeugung hinsichtlich gemeingefährlicher Krankheiten eine größere Kompetenz einzuräumen, in der Erkenntnis, daß Vorsorge das Gebot der Stunde ist. Und wir hofften, mit einer Rahmenkompetenz für die Krankenhausgesetzgebung auch hier zu schnelleren Ergebnissen zu kommen, freilich in der Annahme, daß als Übergang dorthin der Regierung noch eine Novellierung der Bundespflegesatzverordnung gelungen wäre.
Aber wir haben nicht versäumt, immer wieder darauf hinzuweisen, daß die Zusammenfassung und die Abstimmung der Zuständigkeiten innerhalb des Bundes und der Länder und zwischen diesen unbedingt zu verbessern seien, weil eben nur dann die notwendige gesundheitliche Fürsorge und Vorsorge wirksam werden kann.
Wie ist die Situation nun heute? Das Scheitern des damals geplanten Jugendzahnpflegegesetzes hat die Länder mobil gemacht. Darüber gibt es gar keinen Zweifel. Sie sind zum erstenmal in eine Art Idealkonkurrenz getreten. Es gibt Länder, die z. B. einen geradezu hervorragenden Stand im Krankenhausbau aufweisen können. Ich darf hier nur auf Nordrhein-Westfalen verweisen. In BadenWürttemberg und ebenfalls in Nordrhein-Westfalen zeichnen sich Vorsorgemaßnahmen ab, die in freier Vereinbarung zwischen der Ärzteschaft und den Krankenkassen entstehen, und - was gerade im Zusammenhang mit der Kompetenzfrage besonders wichtig erscheint - die Länder machen sich daran, das als Ländergesetz übernommene alte Vereinheitlichungsgesetz in gegenseitiger Absprache durch neue Gesetze zu ersetzen.
Und in dieser Situation glauben Sie die Zustimmung der Länder nun leichter erreichen zu können, überhaupt erreichen zu können! Ich unterstelle Ihnen die sorgende Ungeduld, die auch ich in Hannover hatte, die einen dazu treiben mag, am System zu rütteln, wenn sich das, was man gesundheitspolitisch für sinnvoll und notwendig hält, nur langsam und schleppend verwirklichen läßt.
Ich habe auch Sinn für politische Forderungen, die gestellt werden müssen, um ein notwendiges politisches Klima zu schaffen. Ich habe aber kein Verständnis dafür, daß man Forderungen stellt, die nicht die geringste Aussicht auf Erfolg haben - selbst in den Reihen der eigenen Partei nicht, und dazu gehören ja wohl auch die Länderminister, die hier gefragt sind - und die dennoch dazu benutzt werden, um publizistisches Kapital daraus zu schlagen.
Seit über vier Wochen erreichen uns jeden Tag Pressemeldungen, die Stücke aus der schriftlichen Beantwortung der Frau Bundesminister sind. Ich weiß recht gut, wie notwendig es ist, die Kommunikationsmittel für die Sache Gesundheit einzusetzen. Ich weiß aber auch, daß es nicht üblich ist, drei Wochen vor der Vorlage im Parlament zu dem gleichen Geschehen etwa eine Pressekonferenz zu veranstalten. Ich kann mich sogar noch daran erinnern, daß zu Zeiten, als mein Kollege Dr. Dahlgrün hier Finanzminister war und die SPD sich in der Opposition befand, sie hier einen gewaltigen Protest vom Zaune gebrochen hat, weil der Minister 48 Stunden
vor der Debatte im Plenum der Presse finanzpolitische Beschlüsse der Regierung mitgeteilt hatte übrigens im Auftrag des Kabinetts.
Meine Damen und Herren, das Wesentliche an den Grundgesetzänderungen scheint mir zu sein, daß Sie nun beginnen wollen, Krankheitspolitik zu machen. Sie verlangen eine Zuständigkeit zur Verhütung und Bekämpfung von Krankheiten beim Menschen. Sie gehen davon aus, daß dies Aufgabe der Gesundheitspolitik sei, und Sie leiten daraus eine Reihe von Maßnahmen und Einrichtungen ab, die nach Ihren Vorstellungen geeignet erscheinen, Krankheiten besser zu bekämpfen, als dies bisher geschehen ist. Sie wollen Rheuma-Zentren für die Rheumatiker, Sie wollen Zentren für die Herzkranken, für die Kreislaufkranken, für die Leberkranken und die Muskelerkrankten, die Altersleidenden und die chronisch Kranken, die psychosomatisch Gestörten und die geistig-seelisch Geschädigten. Sie kennen diesen Katalog selber besser, Sie wissen, wie weit er noch geht.
Ich frage Sie: Woher kommt dieser Ihr Glaube an die Institution? Und eine noch mehr praktische Frage: Mit welchem Personal wollen Sie bitte die Massen von Zentren, die Sie panen, betreiben? Sie sprechen von Vorsorge, und Sie meinen Institution. Darf ich Sie daran erinnern, daß es sich hier um gefährdete und erkrankte Menschen handelt, die man nicht schematisieren kann. Es ist einer nicht ausschließlich rheumatisch erkrankt, und ist er es, dann ist er es mit Sicherheit auch chronisch. In welche Gruppe, bitte, gehört er dann? Und was machen Sie mit dem Herzkranken, der sich außerdem noch den Luxus leistet, leberkrank zu sein? Muß der dann zweimal zentriert werden? Auch dieser Katalog ließe sich beliebig erweitern.
Darf ich Sie daran erinnern, daß diesem einen Menschen, mag er nun gefährdet oder auch geschädigt sein, wiederum ein einzelner Mensch gegenübertritt, der nach wie vor die Schlüsselfigur der Gesundheitspolitik ist, es sei denn, Sie wollten dies ändern, nämlich der Arzt, der in freier Praxis tätige Arzt. Sie finden so schöne Formeln dafür, wie sehr Ihnen die Freiheit des Arztes am Herzen liege. Sie versichern, daß die von Ihnen gewünschten Institutionalisierungen natürlich nicht die Stellung des freien Arztes und damit die freie Arztwahl beeinträchtigen sollten. Und dann lese ich im SPD-Pressedienst folgenden Satz, den ich mit Erlaubnis des Präsidenten zitieren darf:
Wenn bei uns etwas notwendig ist, dann ist es staatliche Gesundheitspolitik, die sich. möglichst auf einen staatlichen Gesundheitsdienst stützen sollte.
Sie werden mir nicht verübeln, wenn mich dies veranlaßt, Ihren Versicherungen skeptisch gegenüberzutreten.
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- Das ist eine Presseverlautbarung der SPD-Fraktion vom Mai dieses Jahres.
Wir alle sind mit Ihnen der Meinung, daß auf dem Gebiet der Vorsorge noch so mancher Acker zu bestellen ist.
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- Was danach kommt, ist noch viel schlimmer. - Wir sind aber nicht Ihrer Meinung, wenn Sie diese Vorsorge an staatliche Institutionen binden wollen. Vielmehr scheint uns der Erfolg jeglicher Vorsorge davon abzuhängen, daß der Wille dazu und die Kenntnis davon möglichst weit gestreut sind. Die Einsicht in die Notwendigkeit verstärkter Gesundheitsvorsorge hat sich parallel zueinander in der Gesundheitspolitik und in der Ärzteschaft entwickelt und gefestigt. Ich darf an dieser Stelle auf die vom Deutschen Ärztetag vorgelegten Untersuchungsbogen für die Vorsorgeuntersuchung bei Kindern verweisen und darf Sie daran erinnern, daß die deutsche Ärzteschaft sich gerade auf diesem Ärztetag noch einmal zur Vorsorge bereit erklärt und verpflichtet hat.
Warum gehen Sie - um bei diesem Beispiel zu bleiben - nicht den Weg - ausschließlich den Weg, Herr Schmidt -, der Ihnen vom Gesetz her bereitet ist und den wir auch bei der Schwangerenvorsorge miteinander gegangen sind? Machen Sie die besondere gesundheitliche Vorsorge für Säuglinge, Kleinkinder und Kinder zum Bestandteil ,einer sozialen Krankenversicherung, die ohnehin fast 90 % der Bevölkerung erfaßt, und erfüllen Sie dann Ihre Pflicht nach Art. 120.
Ich gehe davon aus, daß es Aufgabe des Staates ist, Möglichkeiten zur Gesundheitsvorsorge zu schaffen, nicht aber, daß er sie selbst betreibt. Oder glauben Sie, daß eine Vorsorgeleistung, die an einem Patienten von seinem ihm vertrauten Arzt erbracht wird, weniger wirksam sei als die, die in einem anonymen Zentrum betrieben wird?
Noch eines. Obwohl sich uns die Medizin zur Zeit in einem Zustand höchster Spezialisierung darstellt, zeigen sich doch deutlich neue Ansätze dazu, die notwendige Einheit in Wissenschaft und Praxis mit aller Kraft zu bewahren. Alles, was wir zum Wohl unserer Menschen tun wollen, müssen wir unter diesem Gesichtspunkt tun. Wir kommen um die Feststellung nicht herum, daß sich Menschsein in dem Zwischenbereich zwischen Biologie und Geisteswissenschaft abspielt. Hier ist die eigentliche Domäne der heutigen Lehre von der Person. Es ist die Existenz des Menschen, die heute in der Medizin zur Verhandlung ansteht.
Genausowenig, wie sich die Spezialisierung unter Aufgabe von Einheit vollziehen darf, darf die Gesundheitspolitik den engen Zusammenhang mit der Sozialpolitik und eben auch mit den gesellschaftspolitischen Vorstellungen einer modernen Bildungspolitik vernachlässigen. Wenn wir aber unter einer modernen Bildungspolitik verstehen, daß wir für die Zukunft besser gebildete, besser ausgebildete, also verantwortungsbewußtere, mündigere Bürger heranbilden müssen, muß sich dies auch in den Grundzügen einer Gesundheitspolitik widerspiegeln. Es genügt dann nicht, Gesundheitserziehung zu fordern,
die dem Menschen seine Verantwortung für eine gesunde Lebensführung nahelegt, wenn man andererseits Einrichtungen schaffen will, die ihn eben aus diesem Persönlichkeitsbezug wieder herauslösen. Das wäre ein Widerspruch in der Sache.
Lassen Sie mich nun noch zu den einzelnen Punkten der Anfrage und ihrer Beantwortung Stellung nehmen.
Auf die Fragen der Gesundheitsvorsorge bin ich im Grundsätzlichen eingegangen. Ich möchte aber nicht versäumen, an dieser Stelle noch einmal daran zu erinnern, was der Gesetzgeber bei der Schaffung der Schwangerenvorsorge gefordert hat, nämlich die weitgehende Mithilfe der Hebammen bei dieser Vorsorge. Nun hat inzwischen der gemeinsame Ausschuß der Ärzte und Krankenkassen Richtlinien zu dieser Vorsorge erarbeitet, leider ohne dabei in der von uns gewünschten Form auf die Hebammenhilfe einzugehen. Ich fordere die Bundesregierung noch einmal auf, im Rahmen ihrer Zuständigkeit - und hier hat sie eine - in Form einer Novelle zum Hebammengesetz dafür zu sorgen, daß entsprechend dem Gesetz verfahren werden kann. Das würde einerseits eine zusätzliche Bereicherung der Schwangerenvorsorge und -nachsorge bedeuten und uns andererseits von dem unsinnigen Weg der. Mindestverdienstgarantie für die Hebammen herunterbringen.
In der Beantwortung durch die Frau Ministerin haben wir vermißt, daß auf die Bedeutung des Sports als einer gesundheitsfördernden Maßnahme eingegangen worden wäre. Mein Kollege Kubitza wird hierzu Stellung nehmen.
Hinsichtlich der Frage nach dem Gesundheitsschutz - Frage 1 Buchstabe b - erkläre ich hier noch einmal unsere Bereitschaft zum Gespräch über eine Ausweitung der Zuständigkeiten nach den Maßgaben, die ich vorhin erwähnt habe. Ich möchte aber nicht unterlassen, darauf hinzuweisen, daß vermehrte Zuständigkeit natürlich auch die Konsequenz finanzieller Verpflichtungen in sich trägt.
Die Frage 1 Buchstabe c war wohl eher ein wenig deklamatorisch zu verstehen. Wissen wir doch, daß die mühevollen Vorbereitungen für ein neues Lebensmittelrecht vor dem Abschluß stehen, und wissen wir doch, daß wir uns im Gesundheitsausschuß, wenn die geplante Novellierung des § 1 des Arzneimittelgesetzes verabschiedet sein wird, aus der Erfahrung der letzten Jahre wiederum mit dem Heilmittelwerbegesetz sowie mit Fragen des Versandhandels, des Verkaufs von Heilmitteln in Automaten und anderem werden beschäftigen müssen. Davon ausgehend, daß der „Verbraucher" von Arznei- und Heilmitteln nie ein Verbraucher im üblichen Sinne sein kann, vielmehr eines besonderen Schutzes bedarf, werden wir aufmerksam prüfen müssen, ob unsere Vorstellungen aus den Jahren 1961 bis 1965 der derzeitigen Situation noch standhalten.
Lassen Sie mich eine Anmerkung zu den Überraschungen machen, die uns von seiten der EWG in dieser Sache geboten werden. Ich halte eine Vorzensur für die Arzneimittelwerbung für einen ganz schlechten Weg. Damit würde eine Kontrolle vom
Gesetzgeber an die Exekutive abgegeben, die
grundsätzlich in die Hand des Parlaments gehört.
Zur Frage 1 Buchstabe d, der Krankenhausversorgung, wird mein Kollege Spitzmüller einige Probleme aufwerfen. Ich kann dies hier also vernachlässigen.
Nun noch ein Wort zur Neuordnung des medizinischen Studiums. Die Vorstellungen der Bundesregierung hierzu wurden uns bereits in einem ersten Informationsgespräch dargelegt. Ich meine, daß wir hier alle weitgehend miteinander übereinstimmen. Sicher ist es notwendig, die medizinische Ausbildung auf eine breitere Basis zu stellen und den zukünftigen Arzt innerhalb der Studienzeit so bald wie möglich am Krankenbett mit seinem Beruf vertraut zu machen. Es wird aber auch notwendig sein, schon im Studium die Durchlässigkeit zwischen reiner Klinik und der Medizin am Patienten, so wie er uns draußen in der Praxis gegenübertritt, anzustreben. Eine solchermaßen ausgerichtete Ausbildung wäre eine Gewähr dafür, daß die Zusammenarbeit zwischen Universität, Krankenhaus und freier Praxis in wechselseitiger Befruchtung zu einer selbstverständlicheren Zusammenarbeit käme, als das bisher mancherorts der Fall und die Übung ist. Wir müssen den jungen Studierenden die Voraussetzung dafür mitgeben, daß sie später im Beruf in dieser schnellebigen und wechselvollen Zeit gute Ärzte werden.
Bei dieser grundsätzlich einhelligen Betrachtungsweise würde ich aber auch wünschen, daß wir dann nicht mehr zwei Jahre, sondern ein Jahr Medizinalassistentenzeit an die Approbation anschließen. Sonst werden wir in Zukunft die sichere Abgrenzung der Verantwortlichkeiten wiederum nicht erreichen. Vielmehr wird sie jeweils nach dem zahlenmäßigen Angebot an Medizinalassistenten variieren.
Zu dem Fragenkatalog der SPD-Fraktion, der ja im wesentlichen nach einer zu erwartenden Positivliste als Antwort ausgerichtet ist, hätten wir noch eine Erinnerung an Verpflichtungen anzubringen, die auf ihre Erledigung warten. Es sind dies noch eine Reihe von Folgeverordnungen nach dem Arzneimittelgesetz vom 18. Mai 1961, mindestens zwei nach dem Bundesseuchengesetz vom 18. Juli 1961, ein Fischhygienegesetz, ein Fleischhygienegesetz, ein Giftgesetz, eine Novelle zum Geschlechtskrankheitengesetz, eine Novelle zum Hebammengesetz und eben die Pflegesatzverordnung des Bundes.
Was mir iaber noch viel notwendiger zu sein scheint, ist, daß die Bundesgesundheitsministerin als Statthalterin der Gesundheit in dieser Bundesregierung es unternimmt, ihren Kabinettskollegen deutlich zu machen, daß gesundheitliche Belange innerhalb anderer politischer Bereiche einen höheren Rang einnehmen müssen.
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Gelingt ihr dies nicht, so werden wir weiterhin mit Dessauer zu beklagen haben, daß es zu oft nicht Technik ist, die wir uns schaffen, sondern Untechnik, der wir dann wieder hinterher mit großen An9930
strengungen begegnen müssen, um Schaden für uns alle abzuwenden.
Sie mögen mir verzeihen, daß ich meine Ausführungen nicht in der leichtverdaulichen Form eines Jedermann-Katalogs darlegen mochte.
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Ich wollte darzustellen versuchen, wie eng die Grundsatzfragen der Gesundheitspolitik mit allgemeinen gesellschaftspolitischen Vorstellungen verbunden sind und was es bedeutet, wenn man den bisherigen Weg verläßt, - unter eben solchen gesellschaftspolitischen Vorstellungen, die sich nicht mit den Grundsätzen einer fortschrittlichen liberalen Gesundheitspolitik vereinbaren lassen und die schon mancherorts in der Welt Schiffbruch erlitten haben.
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Das Wort hat Frau Abgeordnete Blohm.
Herr Päsident! Meine Damen und Herren! Auch wir begrüßen es, daß es durch die Große Anfrage der SPD-Fraktion zur Gesundheitspolitik erstmals in diesem Hause möglich ist, gesundheitspolitische Probleme ausführlich zu diskutieren. Wie Sie alle wissen, haben wir bei der Beratung des Haushalts darauf verzichtet, weil uns bereits die Große Anfrage angekündigt war.
Bevor ich aber zu einigen Problemen Stellung nehme, möchte ich doch sagen, daß ich es vermißt habe, Frau Minister Strobel, daß Sie bei Ihren Ausführungen, die Sie zu der Großen Anfrage hier gemacht haben, der Ministerin, die Ihre Vorgängerin war und die die Vorarbeiten in allen diesen Dingen, die heute uns auf dem Tisch liegen, erarbeitet .hat, nicht ein wenig Rechnung getragen haben und es ihr vielleicht doch mit einem Dankeschön quittiert haben.
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- Ja, das muß sein.
Genauso muß ich Herrn Dr. Schmidt sagen, daß der erneute, wirklich unberechtigte Vorwurf gegenüber dem früheren Ministerium, den Sie hier wieder erhoben haben, doch wohl jetzt nicht am Platze gewesen ist. Sie sowohl wie wir wissen doch alle, daß das Gesundheitsministerium im Aufbau war und daß die Mittel für dieses Ministerium, wie Sie selber ausgeführt haben, so schlecht waren, daß man allein aus dieser Lage heraus nicht in einer so großen Breite, wie wir es uns alle gewünscht haben, Gesundheitspolitik machen konnte.
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Auch heute ist das Ministerium' keineswegs so ausgestattet, wie wir es uns wünschen.
Man kann sich allerdings nicht über die Aktivität unserer neuen Gesundheitsministerin beklagen. Zweifellos hat sie jetzt durch die vorgesehene Änderung des Grundgesetzes und Erweiterung der Bundeskompetenzen dahin, auf wichtigen Gebieten des
Gesundheitswesens die für die Volksgesundheit bedeutenden Fragen zentral zu regeln, eine neue Aktivität entwickelt.
Ich kann mich allerdings nicht des Eindrucks erwehren, daß im Bundesgesundheitsministerium ein deutlicher Drang. zu einem Perfektionismus zu erkennen ist, den ich deswegen ablehnen muß, weil man es im Gesundheitswesen wie in keinem anderen Ressort unmittelbar mit den Menschen zu tun hat, und der hier fehl am Platze ist. So bedarf es, wie Frau Dr. Heuser soeben ausgeführt hat, zur Durchführung von Vorsorgemaßnahmen z. B. für Zivilisationskrankheiten, Krebs, rheumatische Erkrankungen, Herz- und Kreislaufschäden, meines Erachtens keiner Kompetenzerweiterung, schon gar nicht einer Änderung des Grundgesetzes. Doch zu diesem Problem wird Herr Dr. Jungmann im einzelnen Stellung nehmen.
Nun zu einigen konkreten Problemen der Gesundheitspolitik.
Seit 1961 haben wir ein Gesetz über den Verkehr mit Arzneimitteln. Die Bundesregierung und das Parlament haben sich bei diesem Gesetz auf die wesentlichsten Rahmengrundsätze beschränkt, die Ausfüllung jedoch im einzelnen der Bundesregierung - durch den Weg von Rechtsverordnungen -überlassen. Zu den wichtigsten Rechtsverordnungen nach diesem Gesetz gehört die Verordnung über die Abgabe von Arzneimitteln außerhalb der Apotheken. Viele Arzneispezialitäten werden aus der Apotheke entlassen, wenn die Regelung Platz greift, die das Bundesgesundheitsministerium hier vorsieht. Ich weiß sehr wohl, welch hohe wirtschaftliche Bedeutung gerade eine solche Regelung für alle Beteiligten hat. Ich fürchte aber, ,daß eine zu starke Betonung ,der wirtschaftlichen Komponente die Möglichkeit in sich birgt, für die Apotheke als dem Zentrum der Arzneiversorgung unserer Bevölkerung zu einer Gefahr zu werden. Deshalb meine ich, gerade hier sollten die gesundheitspolitischen Aspekte einer solchen Rechtsverordnung den Vorrang vor wirtschaftlichen Interessen haben. Man darf auf keinen Fall etwas mit abrupter Gewalt neu ordnen wollen, was noch nicht völlig abgeklärt ist und was erhöhte gesundheitspolitische Gefahren in sich birgt.
Um gleich beim Arzneimittelwesen zu bleiben: Seit Verabschiedung des Arzneimittelgesetzes vor mehr als sechs Jahren warten wir auf ein Gesetz über den Verkehr mit Kosmetika. Hier sind, wie wir vor einiger Zeit in der Fragestunde hörten, noch wissenschaftliche Fragen zu klären, und wie wir weiter hörten, läuft diese Klärung schon seit einigen Jahren. Ich fürchte, auf diese Klärung werden wir noch lange warten müssen. Damit werden wir auch in Zukunft noch Kosmetika auf dem Markt haben, die wegen ihrer arzneilich wirkenden Bestandteile sogar der Rezeptpflicht unterliegen müßten. Ich erinnere nur an die hochwirksamen Hormone, die bei längerem Gebrauch durchaus gesundheitsschädigend sein können. Hier sollte die Bundesregierung endlich mit aller Deutlichkeit eine klare Linie aufzeigen und sagen, was sie zu tun gedenkt. Auch die Industrie hätte dann klare Richtlinien für die weitere Entwicklung.
Die neue Studienordnung für Apotheker haben wir in diesem Hohen Hause vor kurzem verabschiedet. Dieses Gesetz entspricht allen wissenschaftlichen und praktischen Erfordernissen, die an den Apotheker und den Arzneimittelfachmann gestellt werden müssen. Auch hier gebührt der früheren Ministerin Dr. Schwarzhaupt der Dank des Hohen Hauses. Sie hat, wie ich schon soeben ausführte, bei ,anderen Vorlagen, die inzwischen entweder durch das Haus verabschiedet oder im Ausschuß sind, die erforderliche Initiative und wesentliche Vorarbeit geleistet.
Das inzwischen fertiggestellte Deutsche Arzneibuch Nr. 7 sollte sobald wie möglich in Kraft gesetzt werden und damit das völlig überholte DAB 6 aus dem Jahre 1926 abgelöst werden. Soweit mir bekannt ist, tritt die Kommission zur Fertigstellung des Deutschen Arzneibuchs Nr. 7 nicht mehr zusammen. Es dürfte aber erforderlich sein, diese Kommission beizubehalten, .damit das Deutsche Arzneibuch auch fernerhin jeweils auf dem neuesten Stand der pharmazeutischen Forschung gehalten werden kann.
Weiter ist es dringend notwendig, die landesrechtlichen Vorschriften über die Abgabe von rezeptpflichtigen Arzneimitteln durch eine bundeseinheitliche Regelung abzulösen. Es gibt wirklich keinen vernünftigen. Grund dafür, daß etliche Arzneimittel in einzelnen Ländern frei verkäuflich sind, in anderen jedoch der Rezeptpflicht unterliegen. Die nunmehr dem Bundesrat zugeleitete Verordnung zu § 35 des Arzneimittelgesetzes kann doch nur als vorläufige Regelung angesehen werden, weil ihr noch wesentliche Merkmale wie z. B. die Angabe von Höchstmengen fehlen.
Seit 1959 haben wir ein Atomgesetz. Die erste und die zweite Strahlenschutzverordnung auf Grund dieses Gesetzes sind inzwischen erlassen worden. Es handelt sich um die Anwendung radioaktiver Stoffe und um die Anwendung ionisierender Strahlen. Nun wollte man auch noch Schutzvorschriften für die medizinische Anwendung von Röntgenstrahlen erlassen. Da man 'das nicht gut für den Patienten selbst tun kann - 'denn dieser muß unter Umständen in der Strahlentherapie erheblichen Dosen ausgesetzt werden -, kann man eine Röntgenstrahlenschutzverordnung immer nur .auf die Umgebung erstrecken. Wie es heißt, soll schon seit längerem zwischen Bundesgesundheitsministerium und den Ärzten eine gewisse Übereinstimmung in den wichtigsten medizinischen und berufsrechtlichen Fragen einer Röntgenstrahlenschutzverordnung bestehen. Aber die Verordnung ist immer noch nicht da.
Vor einiger Zeit haben wir hier in diesem Hause eine große Aussprache über Bildungspolitik gehabt, insbesondere über unser Hochschulwesen und die so dringend notwendige Hochschulreform. Nicht gesprochen haben wir dabei - weil nur ein Teilgebiet dieses Gesamtkomplexes - über die Reform der Ausbildung zum Arzt, z. B. über eine neue Bestallungsordnung für Ärzte als Voraussetzung dazu. Auf diese neue Bestallungsordnung warten unsere Ärzte, die medizinischen Fakultäten und die Studenten. Sicher hat es eine Reihe von Ansätzen gegeben. Jedoch haben sie die erste Diskussionsrunde meistens nicht überstanden. Ich glaube nicht, daß es immer nur an den Ärzten gelegen hat. Es gibt wohl kein anderes Studienfach als das der Medizin, wo das Universitätsstudium GO eng mit der Ausbildung zum Bei uf verbunden ist. Um so dringender erscheint es mir, daß wir nun endlich durch eine neue Bestallungsordnung die Voraussetzungen bekommen, die notwendig sind, um die Ausbildung zum Arzt den modernen Erfordernissen anzupassen.
Nachdem in den vergangenen Jahren wegen angeblichen Ärztemangels sogar von offizieller Seite im Gegensatz zur Ärzteschaft zum Medizinstudium geraten wurde, haben wir jetzt eine Überfüllung an den medizinischen Fakultäten, die den Nachwuchsbedarf an Ärzten weit übersteigt. Die Schaffung von Ausbildungsstätten an den Universitäten muß ein besonderes Anliegen der Bundesregierung sein. Sie hat deshalb schon erklärt, sich für eine Vermehrung der Ausbildungsplätze für Mediziner und Zahnmediziner 'einsetzen zu wollen, weil es nicht tragbar ist, daß nur ein geringer Teil der Bewerber zum Studium der Medizin und Zahnmedizin zugelassen werden kann. Ein Blick in die Zukunft zeigt allerdings, daß sich die Zahl der Ärzte vermehrt und sich die Zahl der Zahnmediziner leider stark verringert. Ich habe mir eben gerade sagen lassen, daß in Hamburg jetzt ein Notendurchschnitt von 1,8 beim Abitur verlangt wird, damit man überhaupt zum Zahnmedizinstudium zugelassen werden kann. Das isst für meine Begriffe untragbar, da die Zahnmediziner in so geringer Zahl vorhanden sind und so notwendig sind.
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Deshalb halte ich es für unbedingt erforderlich, daß sehr bald Maßnahmen ergriffen werden, um dieser bedenklichen Entwicklung Einhalt zu gebieten. Das Bundesgesundheitsministerium sollte seinen ganzen Einfluß dahin geltend machen, daß mehr Ausbildungsplätze auch für Zahnmediziner geschaffen werden.
Ebenso sollte die Bundesregierung Maßnahmen treffen, die es den Medizinern erspart, nach dem Staatsexamen krampfhaft nach einem Arbeitsplatz in den Krankenhäusern suchen zu müssen; denn nur so kann ihre Ausbildung, die zweijährige Medizinalassistentenzeit, ohne Zeitverlust durchgeführt werden. Im Augenblick ist es so, daß viele hundert Mediziner draußen stehen und keinen Arbeitsplatz im Krankenhaus finden können.
Zu den wichtigsten Aufgaben der Gesundheitspolitik gehört neben der kurativen Medizin die Prävention, die Vorbeugung. Dies gilt in besonderem Maße auch für die Krankheiten auf dem Gebiet der Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde. Man sollte sie nicht erst entstehen lassen, sondern ihnen frühzeitig vorbeugen. Bei der zu erwartenden Abnahme der Zahl der Zahnärzte gewinnen gerade vorbeugende Maßnahmen zusätzliche Bedeutung. Zwar sind die hiermit verbundenen Aufgaben Sache der Länder. Ich bitte jedoch die Gesundheitsministerin, dem Streben nach Vorbeugung und Verhütung in der Zahnheilkunde jede denkbare Unterstützung zuteil werden zu lassen.
Seit Februar dieses Jahres liegt dem Ministerium ein Vorschlag der Ärzte für eine neue Gebührenordnung vor. Soweit ich weiß, ist bisher nichts unternommen worden, diesen Entwurf mit den beteiligten Kreisen zu erörtern. Ich bin mir sehr wohl darüber im klaren, daß im Augenblick nicht der Zeitpunkt ist, über höhere Gebühren zu reden. Notwendig erscheint mir jedoch, ein Gebührenrecht zu schaffen - und zwar bald -, das auch in die Zukunft hinein freiberufliche Formen ärztlicher Berufsausübung ermöglicht. Dieses Gebührenrecht sollte auch einen Katalog ärztlicher Leistungen enthalten, der dem neuesten Stand der medizinischen Wissenschaft entspricht. Hier ist ein umfangreiches Arbeitsprogramm zu bewältigen, ehe überhaupt das Finanzielle an einer Gebührenordnung zur Diskussion stehen kann. Ich will mich hier nicht zum Sprecher der Ärzte machen; doch halte ich es nicht für einen guten Stil, wenn die Standesorganisation der Ärzte dem Ministerium, und zwar. auf Anregung der Bundesregierung, einen Entwurf vorlegt und seit 1 1/2 Jahren noch nicht einmal mitgeteilt bekommt, wann und wie ein solcher Entwurf Gegenstand von Beratungen sein kann.
Meine Damen und Herren, ich darf am Schluß meiner Ausführungen folgendes feststellen. Wenn ich Kritik an der Arbeit des Bundesgesundheitsministeriums an Hand einiger Beispiele übte, so sind es vor allem die gesundheitspolitischen Sorgen, die mich stärker bewegen als alle parteitaktischen Überlegungen. Dabei will ich allerdings nicht verhehlen, daß Vorstellungen des Bundesgesundheitsministeriums, wie sie in Äußerungen über die Form gemeinschaftlicher Praxisausübung bei Ärzten, über die Stellung des Krankenhauses und auch über die Funktion und die Stellung der Apotheke in bezug auf die Freiverkäuflichkeit zum Ausdruck kommen, mich doch sehr nachdenklich stimmen, da hier eine gewisse Tendenz spürbar ist. Über diese Sorgen hilft auch die noch so gut formulierte Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage der SPD-Fraktion nicht hinweg.
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Meine Damen und Herren, wir treten in die Mittagspause ein. Ich unterbreche die Sitzung bis 15 Uhr.
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Die Sitzung ist wieder eröffnet. Wir fahren in der Aussprache fort. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Bardens.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Gesundheitspolitik war in den letzten zwei Jahren im Bewußtsein der Öffentlichkeit, aber auch wohl in der Meinung eines Teiles dieses Hauses etwas in den Hintergrund verschwunden, etwas in den Schatten der großen Politik, der Außen- und Wirtschaftspolitik, getreten. Wer gesundheitspolitische Anliegen zu vertreten hatte, wurde doch immer so etwas als Außenseiter betrachtet, als jemand, der ein Randgebiet der Politik bearbeitet. Sicher, vor einiger Zeit war es ja so, daß für manche Mitglieder dieses Hauses gewissermaßen plötzlich und unerwartet die materielle Basis für die Sachpolitik geschwunden war und daß man zunächst einmal wieder versuchen mußte, die Grundlage zu erarbeiten, auf der die Alltagsvorsorge für die Bürger in unserem Staat möglich wird. Aber jetzt ist es eben an der Zeit, sich wieder um diese Dinge zu kümmern.
Wir meinen, daß die Gesundheitspolitik gewissermaßen die menschliche Infrastruktur für die Industriegesellschaft der Zukunft mit sichern soll. Es hat keinen Sinn, zu glauben, daß es ausreicht, die rein materielle Infrastruktur zu sichern. Verkehrswege und Energieversorgung allein machen uns das Überleben und das vernünftige Leben in der Zukunft nicht möglich. Wir müssen die Menschen in unserem Lande in die Lage versetzen, körperlich, geistig und seelisch die Belastungen auszuhalten, die auf sie zukommen werden. Auch noch so weitgehende Rationalisierungen in der Industrie und in der Wirtschaft werden eben die Wirtschaft und die Industrie nicht frei machen von der Notwendigkeit menschlicher Leistung. Die Menschen müssen diesen Prozeß tragen und ertragen, und wir müssen sie dazu in die Lage versetzen..
Wir haben in letzter Zeit häufig darüber gesprochen, daß wir die Gesellschaft, daß wir die Menschen in unserem Lande mobil und adaptionsfähig machen müssen für die Aufgaben und Belastungen, die auf sie zukommen. Das muß in zwei Bereichen geschehen - darüber ist heute morgen schon gesprochen worden -, im Bereich der Ausbildung und beruflichen Weiterbildung, des Bildungswesens überhaupt, aber daneben gleichwertig auch im Bereich der Gesundheitspolitik, der Gesundheitsvorsorge für diese Menschen. Wir hatten in dieser ersten größeren - ich meine das jetzt gar nicht quantitativ, wenn ich in den Saal sehe - gesundheitspolitischen Debatte in diesem Hause die Chance, unseren anderen Kollegen, den Verantwortlichen in den Ländern, und der Öffentlichkeit die Notwendigkeiten und Zusammenhänge darzustellen. Ich habe aber den Eindruck, daß diese Chance heute morgen etwas verfehlt wurde, daß im Rahmen dieser Debatte damit begonnen wurde, einen vorzeitigen Wahlkampf im Bereich der Gesundheitspolitik zu starten, und das sollte doch nicht sein. Es sind so wenige, die wirklich um das Anliegen wissen, um das es uns allen gehen sollte und das hier zunächst einmal vorgetragen werden sollte. Es ist ja eine ganze Menge, was wir gemeinsam vertreten können und was nach unserer gemeinsamen Auffassung notwendig ist.
Frau Heuser hat heute früh versucht, die Sozialdemokraten wieder in einer Art anzuschwärzen, die einfach nicht angeht. Nicht nur meine Partei ist hier angegriffen worden, ganz besonders ich persönlich fühle mich betroffen, wenn behauptet wird, die Sozialdemokraten wollten die Medizin verstaatlichen, seien daran, die Ärzte zu sozialisieren. In dieser Richtung sind doch diese Anwürfe gegangen. Ich
selbst komme aus der Praxis eines Kassenarztes. Ich habe jahrelang bis zum Beginn meiner Tätigkeit hier den Beruf eines praktischen Arztes ausgeübt. Der Grund, warum ich mich um Gesundheitspolitik zu kümmern begonnen habe, liegt in meiner Erfahrung als praktischer Arzt, liegt darin, daß ich spüren mußte, daß das Verhältnis zwischen Arzt und Patient von sehr vielen Einflüssen, die auch von außen, von der Politik, herkommen, gestört wird; aber nicht nur von der Politik her gestört wird, sondern häufig auch von Selbstverwaltungseinrichtungen im Bereich der Kassen und im Bereich des Berufsstandes. Ich selbst bin deshalb zur Gesundheitspolitik gegangen, habe mich um Gesundheitspolitik gekümmert, weil ich eben die Freiheit dieses Verhältnisses besser gewahrt sehen wollte, als sie bis dahin gewahrt ist. Deshalb habe ich mich seit über zehn Jahren intensiv darum bemüht, das gesundheitspolitische Programm meiner Partei mitzugestalten. Ich habe wesentlich dabei mithelfen dürfen.
Wenn Sie, Frau Heuser, so freundlich sein wollten, in Zukunft, wenn Sie unsere Gesundheitspolitik beurteilen wollen, zunächst einmal dieses Programm, das für uns verbindlich ist, zu lesen, dann wäre das besser, als irgendwelche obskuren Äußerungen in irgendeinem Pressedienstartikel zur Grundlage des Angriffs auf uns zu machen.
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- Das wird bei Ihnen gelegentlich genauso passieren. Das ist durchaus denkbar, und ich würde es Ihnen nicht einmal vorwerfen. Kompetent für die Interpretation unserer Gesundheitspolitik sind die Kollegen der sozialdemokratischen Fraktion hier im Hause, die diese Gesundheitspolitik gestalten.
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Frau Dr. Heuser, so manches, was Sie heute morgen gesagt haben, hat zu der Parole Keine Experimente! gepaßt, und das ist eigentlich doch für jemanden, der als liberal anerkannt sein will, etwas peinlich. Auch die Kombination - Frau Blohm hat ja später in ähnlicher Weise etwas gegen uns vorgebracht, aber mit etwas abgerundeteren, weniger harten Formulierungen - dieses Angriffs - es war so etwas Ähnliches wie flexible response gegen diejenigen, die in der Gesundheitspolitik denken und in die Zukunft hinein handeln wollen - müßte vielleicht aus ganz verschiedenen Gründen beiden Damen peinlich sein, wenn sie hernach noch einmal lesen, was da gesagt worden ist. Aber ich will jetzt nicht in den gleichen Fehler verfallen wie die Kollegen heute morgen und will versuchen, noch einiges zu Sachpunkten, die mit unserer Anfrage zusammenhängen, zu sagen.
Zunächst zum Stichwort Vorsorge nur ein paar Bemerkungen. Ich meine, daß die Gesundheitsvorsorge im wesentlichen - das ist von uns schon oft betont worden, auch in Gesprächen mit der Ärzteschaft - von der frei praktizierenden Ärzteschaft getragen werden muß. Das ist ganz selbstverständlich. Das wichtigste Instrument der Vorsorge wird in der Zukunft die vorsorgende Beratung sein, und diese kann von niemand anderem getragen werden als eben von den Hausärzten, von den Ärzten, denen die Patienten mit ihrem Vertrauen begegnen.
Daß es daneben aber auch noch Einrichtungen geben muß, die die frei praktizierende Ärzteschaft gar nicht von sich aus tragen muß, ist doch logisch. Nur ein Beispiel: Meines Erachtens gehört die Gründung dieser neuen Abteilung im Bundesgesundheitsamt eben auch mit zu dem Gesamtbereich der Vorsorge. Diese Einrichtung muß ja im Grunde eine Hilfseinrichtung für die Praxis der Vorsorge draußen sein. Ich bin außerordentlich dankbar und zufrieden, daß es gelungen ist, dieses Institut jetzt zu gründen oder wenigstens den Beginn der Gründung dieses Instituts zu machen. Ich verspreche mir von einer intensiven Arbeit dort sehr viele Erkenntnisse, die für die Vorsorge draußen, für die praktische Vorsorge, genutzt werden können.
In der letzten Woche haben wir ja hier in diesem Saal über Möglichkeiten, Berlin zu helfen, diskutiert. Ich meine, dazu gehört auch, daß man die bundeseigenen Forschungseinrichtungen in Berlin verstärkt, daß man den berechtigten Wünschen der Wissenschaftler, die z. B. im Bundesgesundheitsamt tätig sind, nach Ergänzung ihrer Einrichtungen, eventuell auch nach personeller Ausweitung, entgegenkommen sollte. Auch das wäre eine gewisse Form eines Vertrauensbeweises dieses Hauses gegenüber Berlin, und ich meine, man sollte sich darum kümmern.
Zur Vorsorge kann ich nur noch einmal betonen, daß wir überzeugt sind, daß sie überhaupt nur in enger Zusammenarbeit mit der frei praktizierenden Ärzteschaft möglich sein wird, und wir werben hier ausdrücklich um das notwendige Vertrauen, das die Grundlage dieser Zusammenarbeit sein könnte.
Nun noch einiges zur Krankenhausfinanzierung, zu dem Problem, das uns ja auch schon heute früh beschäftigt hat. Unser Krankenhauswesen im ganzen hat durch die medizinisch-wissenschaftliche Entwicklung und die medizinisch-technische Entwicklung in den letzten Jahrzehnten einen erheblichen Funktionswandel mitgemacht. Es hat immer größere Bedeutung erlangt als wesentlichstes Instrumentarium für die Therapie schwerer Erkrankungen. Von dem Siechenhaus im 19. Jahrhundert, das von den meisten als Sterbeplatz angesehen wurde, wurde es jetzt doch zu einer Einrichtung, die von den meisten unserer Mitbürger sehr positiv beurteilt wird, zu einer Einrichtung, die in ihrer heutigen Leistungsfähigkeit ausgenützt wird. Wir meinen, daß man diesem Funktionswandel des Krankenhauswesens auch bei der Gesetzgebung Rechnung tragen muß.
Wie sieht es denn in unserem Krankenhauswesen aus? Wir haben in Deutschland relativ - im Vergleich zur Einwohnerzahl - fast die gleiche Bettenzahl wie andere, ähnlich weit entwickelte Industrieländer. Trotzdem gibt es bei uns immer noch die Klage über fehlende Betten, Tiber fehlende Bettenreserve. 1964 hatten wir im Bundesgebiet 70,9 Krankenbetten auf 10 000 Einwohner. Über die Funktionstüchtigkeit dieses Systems allerdings sagt die Bet9934
tendichte allein nichts aus. Es gibt schon Beispiele in einigen Bundesländern, die das sehr deutlich machen. In Rheinland-Pfalz z. B. liegt die Bettendichte in den nördlichen Landesteilen dicht beim Bundesdurchschnitt, während im Süden des Landes die Bettendichte wesentlich geringer ist. Trotzdem ist offensichtlich die Krankenhausversorgung in beiden Landesteilen einigermaßen gleichmäßig. Das liegt wohl in der Hauptsache daran, daß es im Norden des Landes Rheinland-Pfalz verhältnismäßig viele Klein- und Kleinstkrankenhäuser gibt, während es im Süden bei der größeren Zusammenballung und bei den größeren Städten, die wir dort haben, mehr große, moderne Schwerpunktkrankenhäuser gibt, die ihrer Aufgabe besser gerecht werden können. Diese Kleinkrankenhäuser, die lange Zeit gut ihre Funktion erfüllt haben, gut den Menschen in ihrem Raum gedient haben, sind heute modernen Anforderungen oft nicht mehr gewachsen.
Für eine ausreichende Krankenhausversorgung in der Bundesrepublik wären ungefähr 80 Betten für akut Kranke und etwa 15 Betten für chronisch Kranke pro 10 000 Einwohner ausreichend. Auf das Thema „chronisch Kranke" müssen wir wahrscheinlich noch einmal kommen, Frau Dr. Heuser. Voraussetzung ist dabei allerdings eine richtige funktionelle und regionale Verteilung dieser Krankenhäuser. Außerdem haben wir im Augenblick noch einen Nachholbedarf wegen eines stark überalterten Krankenbettenbestandes von etwa 25 % der Gesamtkapazität. Diese Betten sind im Schnitt sogar mehr als 50 Jahre alt. Hier muß also nachgeholt und ergänzt werden, bevor wir auf einen vernünftigen Stand gelangt sind. Nach einer Berechnung der Deutschen Krankenhausgesellschaft wären für diesen Nachholbedarf und für die Unterhaltung der Betten heute ungefähr 1,2 Milliarden DM pro Jahr erforderlich. Bisher haben die Bundesländer als verlorene Zuschüsse pro Jahr zwischen 500 und 600 Millionen DM gezahlt. Die Betriebskostenzuschüsse der Krankenhausträger, die der Größenordnung nach grob ungefähr 80 % der laufenden Vorhaltekosten ausmachen, werden ungefähr 750 Millionen DM betragen haben. Dabei ist zu berücksichtigen, daß dieser Betrag überwiegend von den Kommunen und von ,den Gebietskörperschaften getragen wurde, soweit sie Krankenhausträger sind oder Zuschüsse an Krankenhausträger bezahlen müssen.
Die finanzielle Last ist dabei sehr ungleichmäßig verteilt. Die Mittel, die von den einzelnen Bundesländern aufgebracht werden, sind je nach Finanzkraft und gesundheitspolitischer Orientierung des jeweiligen Landes recht unterschiedlich hoch. Dadurch entsteht ein Gefälle zwischen verschiedenen Bundesländern. Die großen Städte tragen die Hauptlast der Krankenhausversorgung, häufig sogar für Nachbarstädte mit, die sich um die Belastung herummogeln, einfach deshalb, weil es keinerlei rechtliche Verpflichtung zur Vorhaltung von Krankenbetten gibt. Die Krankenhausträger in den Städten, überhaupt in den Ballungsräumen, tragen in der Regel die Belastung für ein sehr weites Umland mit, ohne daß in jedem Fall ein ausreichender Ausgleich gewährleistet wäre.
Wie das im Einzelfall aussehen kann, möchte ich an einem Beispiel aus meiner näheren Umgebung darstellen. Die Stadt Ludwigshafen hat z. B. jetzt eine neue medizinische Klinik gebaut, die der Größe und Ausstattung nach in den Bettenbedarfsplan des Landes Rheinland-Pfalz eingefügt ist. Die Klinik, die in der nächsten Woche eröffnet werden wird, hat 46 Millionen DM gekostet. Dazu hat das Land Rheinland-Pfalz bei Beginn des Baus in Ludwigshafen ungefähr 10 % Zuschuß zu den Baukosten zugesagt. Jetzt, nachdem der Bau fertig ist, kam von der Landesregierung die Mitteilung, daß leider, weil keine Mittel zur Verfügung stünden, vorerst an die Realisierung dieses Versprechens nicht gedacht werden könne. In der Nachbarstadt Mannheim - das ist ein anderes Bundesland - sind die Verhältnisse schon völlig anders. Das Land Baden-Württemberg zahlt in solchen Fällen 50 % oder mehr der Baukosten und auch 50 % der Einrichtungskosten eines solchen Hauses. Nur durch einen Kilometer sind die beiden Krankenanstalten voneinander getrennt. Das sind Unterschiede, die auf Dauer große Uneinheitlichkeit in der Krankenhausversorgung der Bevölkerung in der Bundesrepublik bewirken, die ein erhebliches Gefälle in der Versorgung und damit auch ein soziales Gefälle in der Bundesrepublik auslösen.
Ich will einzelne Beispiele über die finanzielle Belastung der Krankenhausträger aus den laufenden Kosten beiseite lassen. Ich will Ihnen nur sagen, daß im Augenblick der Zuschußbedarf zu den Nettogesamtkosten bei den meisten großen Krankenhäusern ungefähr ein Drittel dieser Kosten ausmacht. Das bedeutet für manche Gemeinde doch 5 bis 6 Millionen DM Zuschuß pro Jahr für ein Schwerpunktkrankenhaus. Das sind Belastungen, die den Krankenhausträgern aller Art auf die Dauer einfach nicht mehr zugemutet werden können.
Im Februar 1966 mußte sich der Bundestag schon einmal mit der finanziellen Situation der Krankenhäuser befassen. Damals bestand die Absicht der Bundesregierung, die Krankenhäuser über eine Änderung der Pflegesatzverordnung wirtschaftlich zu sichern. Damals waren, wenn ich es recht in Erinnerung habe, alle Bundestagsfraktionen diesem Versuch gegenüber kritisch eingestellt, ich glaube, auch die FDP-Fraktion. Die Krankenkassenverbände haben damals behauptet, daß sie durch eine solche Erhöhung der Pflegesätze - wenn sie kostendeckend würden - um etwa 1,8 Milliarden DM pro Jahr mehr belastet würden. Die Krankenhausgesellschaft hat nur einen Betrag von ungefähr 500 Millionen DM ausgerechnet. Aber ganz gleich, wie das auch sei, in beiden Fällen wäre die Mehrbelastung den Benutzern der Krankenhäuser in diesem ganzen Umfang nicht zumutbar gewesen. Wir müssen vernünftigerweise nach anderen Regelungen suchen. Alle Parteien dieses Bundestages haben in den letzten Jahren draußen betont, daß die Krankenhausversorgung der Bevölkerung eine öffentliche Aufgabe sei, allerdings ohne jeweils im einzelnen zu präzisieren, was darunter zu verstehen ist und wer diese Aufgabe finanziell tragen soll. Bei dem Versuch einer Reform der Krankenversicherung ist in einer früheren Legislaturperiode auch einmal angeboten worden, die Krankenhauspflege zu einer Pflichtleistung der
Krankenkasse zu machen, jedoch ohne gleichzeitig zu sagen, wer für die Vorhaltung der Krankenbetten finanziell verantwortlich sein soll. Beides geht, glaube ich, nicht.
Wir müssen versuchen, in einer vernünftigen Zusammenarbeit mit den Ländern dieses Problem zu regeln. Es muß sichergestellt werden, daß wir in Zukunft Krankenhäuser in ausreichender Zahl, in richtiger regionaler Verteilung, in richtiger fachlicher Gliederung und in einem regional abgestuften System zur Verfügung haben. Nur dadurch kann gesichert werden, daß die hohen Kosten, die beim Krankenhausbau und Krankenhausunterhalt entstehen, ökonomisch und sozial richtig plaziert werden. Es ist doch so, daß auch das Personal heute häufig unökonomisch, unordentlich und auch in falscher regionaler Verteilung eingesetzt wird. In Zukunft müssen wir dafür sorgen, daß dieses hochqualifizierte Personal in den Krankenhäusern ebenfalls am richtigen Ort eingesetzt ist. Es geht deshalb nicht nur darum, die Finanzierung der Krankenhäuser sicherzustellen, sondern auch darum, zu sichern, daß in vernünftiger Weise ordnend und planend in das Krankenhauswesen eingegriffen werden kann. In diesem Bereich wird es nach menschlichem Ermessen nie einen freien Markt geben, der von sich aus reguliert, wo Krankenhauskapazitäten neu wachsen sollen oder schrumpfen sollen. Gerade deshalb, weil es diese Regulierung am Markt nicht geben wird, müssen wir nach Möglichkeiten suchen, möglichst sachgerecht ordnend hier mitzuwirken.
Die schönsten gesundheitspolitischen Planungen für die Zukunft sind wertlos, wenn nicht zwei Voraussetzungen erfüllt sind: 1. Die Ärzte und ihre Mitarbeiter müssen schon von ihrer Ausbildung her in die Lage versetzt werden, im Rahmen eines modernen Systems mitzuwirken. 2. Jegliche Gesundheitspolitik muß davon ausgehen, daß sie nur in positiver Zusammenarbeit mit den Ärzten gestaltet werden kann.
Wir sind deshalb dankbar, daß bereits Vorstellungen für die künftige Ausbildung der Ärzte entwickelt worden sind. Mein Kollege Meinecke wird nachher noch auf dieses Gebiet näher eingehen. Mich drängt es nur, noch folgendes zu sagen. Es hat keinen Sinn, einfach zusätzliche Fächer in die Ausbildung einzuführen wie z. B. das Fach Sozialmedizin, ohne daß diese Fächer wirklich in den Kern der ärztlichen Ausbildung integriert werden. Ich erinnere mich mit Schaudern an das Fach „ärztliche Standes- und Berufskunde", das ich während einer Ausbildung als Pflichtfach hören mußte. Wir haben alle versucht, uns um diese Belastung möglichst bald zu drücken, und ich muß sagen, daß wir alle von diesem Fach nicht sehr profitiert haben. An die Stelle eines solchen Faches einfach etwas anderes zu setzen, wäre keine Reform der ärztlichen Ausbildung. Darauf müßte geachtet werden.
Es ist sicher vernünftig, daß daran gedacht ist, in Zukunft auch große, qualifizierte Kliniken außerhalb der Universitäten für die ärztliche Ausbildung mit heranzuziehen, sogenannte „teaching hospitals". Aber ich muß an der Stelle noch einmal im Zusammenhang mit der Krankenhausfinanzierung sagen: man muß diese Häuser dann aber auch finanziell so ausstatten, daß sie ihrer Ausbildungsaufgabe in vernünftiger Weise nachkommen können. Es hat keinen Sinn, in diesen „teaching hospitals" einen Ersatz für eine schlechte Form der Famulatur zu praktizieren. Es muß wirklich ein echter Unterricht am Krankenbett möglich werden. Dazu ist es notwendig, daß man in diesen Häusern auch einige materielle Voraussetzungen schafft.
In der Antwort der Bunderegierung auf unsere Große Anfrage steht, daß in Zukunft die beiden Medizinalassistentenjahre wegfallen sollen. Das ist wahrscheinlich in mancher Hinsicht eine große Hilfe für die jungen Mediziner. Aber man muß daran denken, daß jetzt schon Übergangslösungen für die Kollegen, für die Ärzte und jungen Mediziner gesucht werden, die ihre Ausbildung jetzt nicht abschließen können, weil es die erforderlichen Ausbildungsplätze nicht gibt. Wir haben dieses Problem jahrelang nicht mehr gehabt. Jetzt steht es unmittelbar vor uns. Auf dem Ärztetag in Wiesbaden haben zum erstenmal junge Medizinalassistenten und Kandidaten der Medizin demonstriert und diese Sorgen vorgebracht. Sie haben uns nachgewiesen, daß junge Mediziner heute tatsächlich oft zwei bis drei Jahre warten müssen, bis sie einen Ausbildungsplatz in dem Fach bekommen, das sie unbedingt absolvieren müssen, um ihre Approbation zu erlangen. Für diese jungen Leute muß man auch nach Übergangslösungen suchen, und ich meine, da sollten wir vor allem die Länder ansprechen und bitten, hier so schnell als möglich etwas zu tun, damit Abhilfe geschaffen wird.
Mein letzter Appell soll auch noch einmal in anderem Zusammenhang an die Länder gehen. Die Verfassungsänderungen, die von der Bundesregierung erstrebt werden, sind meines Erachtens und nach Meinung meiner Fraktion notwendig. Man kann möglicherweise am einen oder anderen Platz über das Ausmaß, über die Modalitäten reden. Aber ich meine, die Länder sollten sich einer vernünftigen modernen Gesundheitspolitik nicht in den Weg stellen. Es geht darum, jetzt abzugrenzen, wie die Verantwortlichkeiten in der Zukunft verteilt sein sollen. Die Länder sollten nicht schließlich dastehen und sich den Vorwurf anhören müssen, daß sie verzögert hätten, als andere versuchten, ein vernünftiges, modernes gesundheitspolitisches System aufzubauen.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Prinz zu Sayn- Wittgenstein.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst möchte ich mich der Ansicht meiner Vorredner anschließen und gleichfalls der Genugtuung darüber Ausdruck geben, daß wir in diesem Hohen Haus einmal Fragen der Gesundheitspolitik besprechen können. Ob dieses Hohe Haus allerdings diese Genugtuung teilt, wage ich, wenn ich mich hier umschaue, etwas zu bezweifeln. Deswegen, sehr verehrte Kollegin Frau Dr. Heuser,
sollten wir auch nicht nur an die Frau Minister appellieren, sich hier als Statthalter der Gesundheitspolitik im Kabinett anzusehen, sondern ich meine, auch die wenigen Gesundheitspolitiker - Herr Kollege Bardens wies darauf hin - sollten sich gleichzeitig als Statthalter dieser unserer Aufgaben
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in den Fraktionen ansehen und da einwirken.
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Genugtuung kann ich aber nicht darüber empfinden, daß Sie, Herr Dr. Bardens, hier äußern, daß manche Dinge, die hier vorgebracht worden sind, schon daran erinnern, daß ein vorzeitiger Wahlkampf begonnen hat. Ich bin vielmehr der Meinung, daß, wenn Frau Kollegin Blohm hier auch einmal den Dank für die Aufbauarbeit von Frau Minister Schwarzhaupt erwähnt, das nichts mit einem vorzeitigen Wahlkampf zu tun hat, sondern daß es zum Gebot der Fairneß und Kollegialität gehört, so etwas zum Ausdruck zu bringen.
Ebenso haben wir uns gefreut, daß Herr Kollege Schmidt in seiner Begründung der Anfrage darauf hingewiesen hat, daß wir alle heute Frau Dr. Hubert vermissen, der auch ich von diesem Platz aus die besten Genesungswünsche übermitteln möchte.
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In der Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage ist zu Recht darauf hingewiesen worden, daß in der Zukunft verstärkte Bemühungen zum Schutz der Bevölkerung vor Umweltgefahren notwendig sind. Es wird aber auch mehr denn je notwendig sein, daß noch weiteres wissenschaftliches Grundmaterial erarbeitet wird, um festzustellen, welche Schädigungen dem Menschen insbesondere durch eine eben über Gebühr in Anspruch genommene Umwelt zustoßen können. Diese Erkenntnis eigentlich war es, die meinen Kolleginnen und Kollegen Anlaß gab, bei der Lesung des vorjährigen Haushaltsplans gemeinsam mit den Kollegen der SPD-Fraktion einem Entschließungsantrag zuzustimmen, im Bundesgesundheitsamt ein Institut zur Erforschung der durch Umwelt- und Zivilisationseinflüsse hervorgerufenen Krankheiten und gesundheitlichen Schäden zu errichten. Mit dieser Zustimmung aber hatten wir die Vorstellung verbunden, daß in diesem zu gründenden Institut der Erforschung der durch die Umwelt möglichen Schädigungen der menschlichen Gesundheit die Priorität, mindestens aber der gleiche Rang, zuerkannt werden würde wie etwa anderen Forschungsaufgaben, der Entwicklung von Methoden zur Früherkennung und Verhinderung weit verbreiteter Krankheiten.
Insofern sind wir enttäuscht darüber, daß in der schriftlichen Antwort der Bundesregierung nun von der „praktischen Hauptaufgabe" gesprochen wird, die Entwicklung von Verfahren zur Verhütung von Krankheiten und Gesundheitsschäden voranzutreiben, und es als „wichtigste Aufgabe" bezeichnet wird, über die „reine Forschung hinaus" z. B. die
Entwicklung von Methoden für die Früherkennung von Krankheiten zu fördern.
Bei aller Anerkennung der Notwendigkeit solcher Arbeiten, die ja zum Teil auch in hervorragendem Maße von unseren Universitätskliniken und -instituten wie auch von anderen wissenschaftlichen Institutionen durchgeführt werden, war es eigentlich unser Wunsch, daß in dieser zu gründenden Abteilung des Bundesgesundheitsamtes, die ja einmal ein eigenes Institut werden soll, die Erforschung gesundheitsgefährdender Einflüsse der Umwelt, nämlich Lärm, verunreinigte Luft, Verkehr, verseuchte Gewässer und ihre krankmachenden Einwirkungen auf den Menschen, Schwerpunkt der Arbeit sein sollte. Denn gerade auf diesen Gebieten haben wir doch noch einen erheblichen Nachholbedarf in der Erlangung von Erkenntnissen. Wenn wir in der Zukunft und vor allem rechtzeitig weitere Maßnahmen gegen den Lärm, gegen die Verunreinigung der Luft und die Verunreinigung des Wassers beschließen wollen, so gehören zu solchen Überlegungen doch auch die entsprechenden wissenschaftlichen Grundlagen.
Wir möchten daher vorschlagen, Frau Minister, dafür zu sorgen, daß wir im Gesundheitsausschuß noch einmal Gelegenheit haben, uns mit Vertretern der Regierung über diese Frage und auch über die Rangfolge der wissenschaftlichen Arbeit bei der Erforschung von Umweltschäden und Zivilisationskrankheiten zu unterhalten. Wir stimmen mit der Bundesregierung darin überein, daß Maßnahmen zur Reinhaltung der Luft und zur Bekämpfung des Lärms Schwerpunkte moderner Gesundheitspolitik geworden sind. Hier hat aber gerade das Bundesgesundheitsministerium seit seiner Gründung schon vorbildliche Arbeit geleistet.
Ich darf in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, daß der amerikanische Innenminister in einem Bericht an den amerikanischen Präsidenten einmal gesagt hat: Wir verfolgen gegenwärtig mit großer Anteilnahme die Pionierarbeit, die man in Deutschland leistet. Das ist in bezug auf die Maßnahmen gegen Lärm und Luftverschmutzung gesagt worden, von denen er meinte, sie gehörten zu den wirksamsten in der Welt. Auch das gehört mit zu der Entstehungsgeschichte dieses Ministeriums.
Es kann aber auch nicht bezweifelt werden, daß besonders in den Ballungsgebieten sowohl durch die fortschreitende Industrialisierung und Technisierung wie durch die Zunahme des Verkehrs zusätzliche Gefahren für die Gesundheit unserer Bürger entstehen. Jährlich gehen in der Bundesrepublik Deutschland mehr als 2 Millionen t Staub und über 5 Millionen t Schwefeldioxyd sowie 6 Millionen t Kohlenmonoxyd nieder. Über dem Industriegebiet enthält 1 Liter Luft 80 000-85 000 Staubteilchen, während in den Waldgebieten die Zahl zwischen 50 und 500 liegt. An dieser Luftverschmutzung ist nicht nur die Industrie, wie so oft behauptet wird, beteiligt, sondern 23 % davon verursachen Haushaltungen durch Heizung, und 42 % sind dem Kraftwagenverkehr anzulasten.
Wenn man in diesem Zusammenhang die Prognose des Innenministeriums sieht, in der davon ausgegangen wird, daß die Zahl der Pkws und Kombiwagen von 11,2 Millionen im Jahre 1967 auf insgesamt 19,1 Millionen bis zum Jahre 1980 ansteigen wird, so wird auch deutlich, daß Maßnahmen zur Entgiftung der Kraftfahrzeugabgase zwingend notwendig werden. Daher begrüßen wir auch, daß gerade in diesen Tagen das Bundesgesundheitsministerium bekanntgeben konnte, daß zum 1. Juli 1969 eine entsprechende Verordnung zu erwarten ist, die gemeinsam mit dem Bundesverkehrsministerium erlassen wird. In Zeitungsmeldungen lesen wir weiterhin, daß eine Vergaserfirma in Deutschland ein Verfahren erfunden hat, das dem bisherigen Verfahren angeblich überlegen ist und nur noch ein Drittel der Kosten verursachen soll. Wir können also davon ausgehen, daß wir hier in nächster Zeit zu weiteren Ergebnissen kommen.
Es ist gut, daß, wie aus dem Bericht der Bundesregierung hervorgeht, Stand und Entwicklung der Luftverunreinigung laufend beobachtet und überwacht werden. Wir meinen aber, daß sie auch in geeigneter Weise von Zeit 'zu Zeit bekanntgegeben werden sollten, um immer wieder die Öffentlichkeit auf dieses Problem aufmerksam zu machen.
Es heißt, die medizinisch-biologischen Erkenntnisse über die Wirkungen der luftverunreinigenden Stoffe und des Lärms müßten vertieft werden. Die neue Abteilung des Bundesgesundheitsamts ist dazu aufgerufen, die Grundlagen gerade hierfür zu erarbeiten.
Schließlich wird in dem Bericht festgestellt, die Entwicklung technischer Mittel zur Reinhaltung der Luft unid zur Minderung des Lärms an der Quelle bedürfe der Förderung. Dabei müssen wir uns auch klar darüber sein, daß wir allein mit nationalen Förderungsmaßnahmen unid Regelungen nichts erreichen, sondern hier internationale Vereinbarungen anstreben müssen.
Es ist außer Zweifel, ,daß die bisherigen Maßnahmen auf diesem Gebiet schon Erfolg gehabt haben. Sie müssen fortgesetzt werden. Wir sind uns auch klar darüber, daß in erster Linie die Verursacher der Luftverunreinigung, die Abwässerbereiter usw. usw. zu diesen Kosten herangezogen werden müssen. Andererseits müssen auch - gewissermaßen als Initiativzündung - ientsprechende Finanzmittel bereitgestellt werden, um durch ein Kreditprogramm die doch erheblichen Belastungen, die mit dem Bau von Anlagen zur Verhütung von Luftverunreinigungen verbunden sind, zu mindern. Diese Kosten sind außer Zweifel sehr erheblich. Zu dieser Frage werde ich in einem anderen Zusammenhang noch etwas sagen. Ebenfalls müssen Bund, Länder, Gemeinden, die Industrie, aber auch die Bevölkerung auf diesem Gebiet zusammenarbeiten. Gleichfalls müssen Wissenschaft und Forschung ihren Beitrag dazu leisten.
Die Absicht der Bundesregierung, zur Luftreinhaltung und Lärmbekämpfung' ein Bundesimmissionsschutzgesetz vorzulegen, kann nur begrüßt werden. Auf die Dauer ist nicht vertretbar, wenn nur den schädlichen Auswirkungen einzelner Emissionsquellen entgegengewirkt wird.
Wenn man davon ausgeht, daß sich die Menschen keineswegs an den ständig zunehmenden Lärm gewöhnen, sondern vielmehr bei der Fülle der nachteilligen Umwelteinflüsse immer lärmempfindlicher werden, so müssen wir erkennen, daß sich uns auch in der Lärmbekämpfung durch ,entsprechende gesetzgeberische Maßnahmen eine wichtige gesrundheitspolitsche Aufgabe stellt. Bin Anfang ist mit dem Baulärmgesetz gemacht. Die „Technische Anleitung zum Schutz gegen Lärm" steht vor der Verabschiedung, und aus .der Mitte 'des Bundestages ist der Entwurf eines Gesetzes zum Schutz vor Fluglärm in 'der Umgebung von Flughäfen vorgelegt worden. Gerade zu diesem Gesetz wäre die positive Stellungnahme nicht nur des zuständigen. Ressorts, von 'der wir alle Kenntnis haben, sondern der gesamten Bundesregierung notwendig.
Wir wissen von .den Einwänden, die auf den verschiedensten Gebieten liegen. Es sind finanzielle Einwände. Wir werden in den nächsten Ausschußsitzungen versuchen, diesen Einwendungen Rechnung zu tragen. Es sind Einwände, die darauf hinauslaufen, daß wir den Fortschritt nicht hemmen dürfen. Nun, wir meinen, daß wir auch die Bevölkerung vor unzumutbarem Lärm gerade in der Umgebung von Flughäfen schützen müssen. Wenn es in einem Weltflughafen wie Orly bei Paris möglich ist, den gesamten Nachtflugverkehr einzustellen, sowohl den Start wie die Landung, dann meine ich, daß mit gutem Willen auch in Deutschland etwas mehr zu tun möglich ist, gerade auf den Flugplätzen, die in der Nähe der Großstädte liegen.
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Ein anderer Einwand ist immer wieder, daß der Mensch sich an den Lärm gewöhnen kann. Es trifft einfach nicht zu, daß der Mensch sich an den Lärm gewöhnen kann. Untersuchungen haben ergeben, daß Lärm bei Menschen Verengung der Blutgefäße, Durchblutungsstörungen der Haut, Verringerung des Herzschlagvolumens, Veränderungen des Stoffwechsels hervorruft. Diese Veränderungen treten auch beim schlafenden Menschen auf. Wir sehen also: der Lärm beeinflußt die Schlaftiefe und damit die erholsame und entspannende Wirkung des Schlafes.
Schließlich werden wir uns in nächster Zeit auch mit den Auswirkungen des Überschalluftverkehrs auseinanderzusetzen haben. Auch auf diesem Gebiet zeigen Anfragen verschiedener Kollegen immer wieder das große Interesse der Öffentlichkeit. Hier wie aber auch bei den Arbeiten zur Vermeidung der Emission an der Quelle wird man mehr und mehr zu internationaler Zusammenarbeit kommen müssen, um auf die Dauer Erfolg zu haben.
In der Antwort der Bundesregierung wird mit Recht die Reinhaltung der Gewässer als eine vordringliche Aufgabe der Gesundheitspolitik anerkannt: Abgesehen einmal davon, daß ein reines Gewässer für Sport und Erholung eine Bedeutung hat, ist es auch eine Binsenwahrheit, daß Wasser zu den wertvollsten Naturschätzen gehört und menschliches Leben ohne Wasser nicht möglich ist.
Unsere Bemühungen müssen daher vor allem dahin gehen, daß wir mit allen Mitteln einer weiteren Verschmutzung des von der Natur durchaus reichlich angebotenen Wassers entgegenarbeiten. Unsere Flüsse und Seen, aber auch selbst kleinere Wasserläufe sind inzwischen schon so verunreinigt, daß das Wasser oft nur noch nach eingehender Behandlung, nämlich Reinigung, Filterung, Entgiftung und Entseuchung, benutzt werden kann. Unverständnis und Nachlässigkeit führen zu Mißständen, die auf die Dauer nicht hingenommen werden dürfen. Wir wissen, wie schwer es ist, einmal verschmutzte und verseuchte Wasserläufe und Seen wieder in Ordnung zu bringen. Auch das Meerwasser wird ?mehr und mehr durch Abfallprodukte unseres technischen Zeitalters belastet.
Vor etwa einem Jahr hat die Bundesregierung in Aussicht gestellt, dem Bundestag zu berichten, wie die internationalen Fortschritte auf diesem Gebiet - etwa des Arbeitsausschusses „Marine Pollution" der UNESCO - gediehen sind. Wir wären dankbar, wenn die Bundesregierung in absehbarer Zeit einen solchen Bericht vorlegen könnte. Die Einbringung flüssiger und fester Abfallstoffe in das Meer, oft in Küstennähe, gefährdet Erholungsgebiete und bereitet darüber hinaus der Küstenfischerei Schwierigkeiten.
Bei den Beratungen zum Dritten Gesetz zur Änderung des Wasserhaushaltsgesetzes, in dem der Geltungsbereich dieses Gesetzes auch auf die Küstengewässer ausgedehnt wurde, hat der Gesundheitsausschuß des Bundestages die Regierung darauf hingewiesen, daß die im Gesetz vorgesehene Erweiterung nur auf eine bestimmte Zone in der Nähe der Küste einfach nicht ausreicht, um der Verunreinigung der hohen See zu begegnen und damit die Küste davor zu schützen. Wir haben die Bundesregierung aufgefordert, darauf hinzuwirken, daß durch internationale Vereinbarung auch dieser Schutz sichergestellt wird. Auch hier wären wir dankbar, wenn wir in absehbarer Zeit einen Bericht über die Bemühungen erhalten könnten.
Außer Zweifel ist es als ein erheblicher Fortschritt anzusehen, daß die Beratende Versammlung des Europarats die Europäische Wasser-Charta verkündet hat. Es ist zu hoffen, daß damit bei allen verantwortlichen Stellen, aber auch bei den einzelnen Menschen das Verständnis wächst, daß nur dann alle Anstrengungen einen Sinn haben, wenn sie gemeinsam unternommen werden.
Gerade an dem Beispiel des Rheins, der ja schon die Kloake Europas genannt wurde, können wir sehen, wie notwendig eine Zusammenarbeit, und zwar hier nicht nur der Länder der Bundesrepublik, notwendig ist. Die Zahl der Krankheitskeime pro Kubikzentimeter beträgt im Oberlauf in der Schweiz 10, bei Straßburg bereits 200 000 und bei Rotterdam 1,5 Billionen. Hinzu kommen Salze, Detergentien, Mineralstoffe und viele andere Dinge, die diesen Strom belasten.
Die Denkschrift der Länder über die Verunreinigung des Rheins und seiner wichtigsten Nebenflüsse kommt zu geradezu alarmierenden Feststellungen. Die Bemühungen der Länder müssen zwar als beträchtlich bezeichnet werden, doch reichen sie I nicht aus, um der zunehmenden Verschmutzung Herr zu werden. Es ist daher zu hoffen, daß aus solchen alarmierenden Berichten entsprechende Schlußfolgerungen gezogen werden, um in diesem Teil unserer Umwelt die Entwicklung in den Griff zu bekommen. Die Wasser-Charta sollte daher nicht nur ein Stück Papier bleiben, sondern eine Vorstufe zu einer späteren europäischen Konvention darstellen, in der sich die angeschlossenen Staaten zu einer stärkeren Beachtung gewichtiger Grundsätze des Gewässerschutzes verpflichten.
Um die weitere Entwicklung hinsichtlich der Verunreinigung der Gewässer besser beobachten zu können, wird es notwendig sein, daß die entsprechenden Erhebungen häufiger als bisher angestellt und veröffentlicht werden. Bisher sind diese Berichte 1957 und 1963 vorgelegt worden. Wir sind der Auffassung, daß diese Berichte uns in kürzeren Abständen zur Verfügung stehen müssen, denn nur dann ist die Entwicklung besser ablesbar.
Schließlich sollte die Bundesregierung einmal prüfen, ob es nicht zweckvoll sein könnte, von Zeit zu Zeit - gewissermaßen institutionell - eine Art Symposion zu veranstalten, wo Fragen des Gewässerschutzes, der Abwässerwirtschaft, der Abfallwirtschaft und ähnliche Probleme besprochen werden, um die vielfältigen, aber getrennt laufenden Bemühungen stärker zu konzentrieren, zusammenzuführen, den Erfahrungsaustausch zu fördern und gleichzeitig mit solchen Zusammenkünften auch wiederum die Öffentlichkeit auf diese Problematik aufmerksam zu machen.
Hier muß auch festgestellt werden, daß die Investitionen auf dem Gebiet der Abwässerreinigung seit 1966 zurückgegangen sind. Obwohl die Menge der in den Kläranlagen behandelten Abwässer von 1957 bis 1963 von rund 7,1 auf rund 9,9 Millionen Kubikmeter je Tag gestiegen ist und die der biologisch geklärten Abwässer von täglich 2,4 auf 4,6 Millionen Kubikmeter, ist die Menge des ungereinigten Wassers von 2,8 auf 3,5 Millionen Kubikmeter täglich gestiegen. Der Anteil des nur mechanisch und damit nicht ausreichend behandelten Abwassers ist von 4,7 auf 5,3 Millionen Kubikmeter angestiegen. Hier kommen dann noch die Abwässer der Industrie hinzu, zum Teil angewärmte Kühlwässer, die ja zusätzlich die biologischen Zusammenhänge in den Gewässern erheblich stören. Noch haben über 13 000 Gemeiden überhaupt keine Kanalisation, geschweige denn eine Kläranlage.
Ein weiteres Problem - und auch damit hat sich dieses Hohe Haus wiederholt beschäftigt - ist die Verschmutzung des Wassers durch Öl. Die statistische Weiterrechnung der Untersuchungsergebnisse von 1963 hat ergeben, daß 1964 46 000 t und 1965 51 000 t Altöl beseitigt worden sind, ohne daß ihr Verbleib feststellbar ist. Einem Bericht zufolge werden ja noch 6000 t Öl allein in den Rhein abgelassen, trotz aller Bemühungen, hier zusätzliche Vorrichtungen zu schaffen. Geradezu erschütternd ist es, wenn wir davon hören, daß ein Schiff, das den Auftrag hatte, Natronlauge in der hohen See zu
verklappen, diese gleich achtmal hintereinander in den Rhein abgelassen hat. Gegen solche eklatanten Verstöße sollte mit den schärfsten Maßnahmen vorgegangen werden.
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Entscheidend wird aber auch sein, daß Länder und Gemeinden ebenso wie die Industrie den Bau von Kläranlagen und Kanalisationen verstärkt fördern. Durch Bereitstellung verbilligter Kredite sollte der Bund auch in Zukunft einen zusätzlichen Anreiz zu solchen Baumaßnahmen geben. Wenn man bedenkt, daß bisher nur etwa 29 Millionen der Bevölkerung an Kläranlagen angeschlossen sind, daß aber das Abwasser von 11,1 Millionen Einwohnern noch völlig ungeklärt in die Gewässer geleitet wird - hinzu kommen 17,4 Millionen Einwohner, deren Abwässer überhaupt noch nicht erfaßt sind -, so sehen wir an diesen wenigen Zahlen, welcher erhebliche finanzielle Aufwand noch in der Zukunft notwendig ist, um hier nicht nur durchgreifende, sondern auch dauerhafte Erfolge zu erzielen.
Die im Jahr 1966 eingetretene Verminderung der öffentlichen Finanzhilfen darf nicht zu einer Verringerung der Investitionen im Bereich der Abwasserwirtschaft und damit zu einer erneuten Verschlechterung des Gewässerzustands führen. Wohl niemand in diesem Hohen Hause verkennt die Schwierigkeiten des Finanzministers, Ausgaben und Einnahmen in Einklang zu bringen. Die Kürzungen in dem ERP-Wirtschaftsplan seit 1967 aber lösen einen ganz empfindlichen Rückschritt aus, der nicht hingenommen werden kann. Im Jahre 1967 wurden immerhin noch 27 Millionen DM Kredite zur Verfügung gestellt und 10 Millionen DM aus dem Jahre 1968 durch Bindungsermächtigungen für die Abwasserreinigung festgelegt. In diesem Jahr sind es aber nur noch 13,5 Millionen DM Kredite, von denen 10 Millionen DM bereits durch die Bindungsermächtigung belegt sind. Für 1969 sind weitere 10 Millionen DM vorausgeplant, die aber auch schon wieder durch die Bindungsermächtigungen, die in diesem Jahr gegeben worden sind, praktisch verplant sind.
Es könnte hier 'eingewendet werden, daß in den letzten Jahren und in diesem Jahr ERP-Investitionshilfemittel zur Verfügung gestellt worden sind. Meine Damen und Herren, das 'sind vorübergehende. Maßnahmen. Außerdem ist hier zu sagen, daß sie zu 90 % für den Bau von Kanalisationen und nicht für Kläranlagen zur Verfügung gestellt wurden und damit in diesem Umfang nicht zur Reinigung der Abwässer dienen.
Ähnliche Zahlen könnte ich auch für ,die Luftreinhaltung nennen. Ich möchte es mir versagen; sonst denkt vielleicht dieser oder jener Zuhörer, hier begänne nun eine Haushaltsdebatte. Aber die Summe der beantragten Kredite liegt für 1968 bereits bei 44 Millionen DM und für 1969 schon bei 23 Millionen DM. Dabei haben sich die Antragsteller und die Länder bereits der starken Schrumpfung dieser Mittel angepaßt. Wenn auch der ERP-Kreditanteil nicht mehr, wie in früheren Jahren üblich, ein Drittel der Bausumme, sondern nur noch ein
Fünftel der Bausumme beträgt, so muß die zwangsläufige Ablehnung der Kreditgewährung für rund 70 von den Ländern als dringlich bezeichnete Kläranlagen .eine Verzögerung für den Bau bereits in Angriff genommener Kläranlagen bedeuten. Allein bei fünf Bundesländern ist für den Zeitraum von 1968 bis 1972 für Kläranlagen, die im Bau oder geplant sind, ein Bedarf an ERP-Kreditmitteln in Höhe von 325 Millionen DM angemeldet. Wenn die Bundesregierung ab kommendem Haushaltsjahr nicht die für den Bau von Kläranlagen und zur Luftreinhaltung bestimmten Kreditmittel aufstockt, kommt eis ,außer Zweifel zu erheblichen Verzögerungen mit allen Konsequenzen für die Gewässer und für die Luft, von denen ich bereits gesprochen habe. Hinzu kommt, daß später .größere Kasten aufgewendet wenden müssen, um verseuchte Gewässer zu sanieren und für die Wasserversorgung aufzubereiten.
Schließlich ist auch zu bedenken, idaß der Bau von Kläranlagen - das gilt noch verstärkt für Maßnahmen zur Luftreinhaltung - geeignet ist, die Anziehungskraft ,der Ballungsgebiete als Lebens- und Wirtschaftsraum zu .erhalten. Insofern ist neben diem gesundheitspolitischen Aspekt solcher Maßnahmen auch der enge Zusammenhang mit .der Strukturförderung tin diesen Gebieten zu beachten. Wir möchten idaher die Bundesregierung auffordern, die Ansätze für den Bau von Abwässeranlagen und für Maßnahmen ,der Luftreinhaltung im Hinblick auf die
gesundheitspolitischen Konsequenzen den Notwendigkeiten anzupassen. Gerade die finanziellen Leistungen aufdiesem Gebiet werden doch außer Zweifel zur Beurteilung der Berechtigung des Anspruchs auf Änderung des Grundgesetzes aus gesundheitspolitischen Gründen mit herangezogen werden.
Ich unterstütze ausdrücklich die Bemühungen der Bundesregierung, durch die im Bericht der Bundesregierung vorgesehene Änderung bzw. Ergänzung des Art. 74 Nr. 19 des Grundgesetzes durch den Passus 19 b dem Bund ¡die konkurrierende Gesetzgebung auch für .den Bereich der Reinhaltung von Wasser und Luft sowie für die Lärmbekämpfung zu übertragen. Ich möchte aber gleich schon darauf hinweisen, daß nicht alle meiner Freunde diese meine Ansicht teilen. Mein Kollege Dr. Dittrich wird nachher wahrscheinlich einen abweichenden Standpunkt zu dieser Frage vortragen.
Er wird wahrscheinlich auch mit Recht darauf hinweisen, daß die Bundesregierung in der Vergangenheit nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft hat, die sie bisher schon gehabt hat. Einen Punkt habe ich bereits erwähnt: den Bereich der finanziellen Hilfen, um die Bauarbeiten vorwärtszubringen. Ein anderes Beispiel: Der Bundestag hat im Jahre 1964 eine Ergänzung zum Wasserhaushaltsgesetz angenommen, das sogenannte Pipeline-Gesetz. Darin wurde die Bundesregierung ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates zum Schutz der Gewässer bestimmte technische Anforderungen an die Errichtung und an den Betrieb von Pipelines festzusetzen. Bisher hat die Bundesregierung von dieser Verordnungsermächtigung noch keinen Gebrauch gemacht. Soweit ich informiert bin, sind bisher noch nicht einmal Vorarbeiten für den Erlaß
einer Verordnung geleistet worden. Ich meine, daß man auch solche Möglichkeiten zunächst einmal ausnutzen sollte, um dann den Ländern darzutun, für wie notwendig und wichtig man Aufgaben und Maßnahmen auf diesem Gebiet hält.
Ein anderes Beispiel zu diesem Thema: Die Ablehnung der Novelle zum Wasserhaushaltsgesetz für den Bereich der Reinhaltung der oberirdischen Gewässer - einer Forderung, der sich das gesamte Hohe Haus angeschlossen hat. Hier ist es wirklich zu bedauern, daß dieses Gesetz am Widerspruch des Bundesrates gescheitert ist. Ein bekannter Journalist hat einmal gesagt: Wenn die Flüsse durch die Länder fließen, dann ist eben anscheinend Wasserschmutz auch Länderschmutz.
Entscheidend ist doch, daß für die Schaffung einheitlicher Lebensbedingungen für alle Bürger der Bundesrepublik wie auch für die Ausschaltung wettbewerbsverzerrender Zustände die Grundgesetzänderung bzw. -ergänzung ein entscheidender Schritt sein könnte. Zugleich aber müßten auch die Bemühungen um internationale Regelungen verstärkt werden. Entscheidend wird jedoch sein, unabhängig davon, ob es zu einer Einigung zwischen Bund und Ländern kommt, daß Bund, Länder und Kommunen alles daransetzen, um die Schädigungen unserer Umwelt, die in Teilbereichen zu größter Sorge Anlaß geben, zu vermindern und auf die Dauer zu beseitigen. Zugleich ist aber jeder Staatsbürger zu entsprechendem Handeln und Verhalten aufgerufen, nämlich Verunreinigungen von Luft und Wasser und unnötigen Lärm zu vermeiden. Auch hier stellt sich dem Gesundheitsministerium noch eine wesentliche Aufgabe, nämlich durch entsprechende Aufklärungs- und Informationsarbeit darauf hinzuweisen, daß es nicht nur Sache des Staates - des Bundes, der Länder und der Kommunen - sein kann, Schädigungen auf diesem Gebiet zu vermeiden, sondern daß gleichzeitig auch die Bevölkerung sehr wohl die Möglichkeit hat, einen nützlichen Beitrag zu diesen Aufgaben zu leisten.
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Wir haben soeben eine Jungfernrede gehört. Ich gratuliere dem Kollegen.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Kubitza.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte einiges zu der Antwort der Bundesregierung auf die Frage 1 a der Großen Anfrage der SPD-Fraktion sagen und den Antrag der Fraktion der Freien Demokraten auf Umdruck 497 *) begründen.
Enthaltsamkeit in vielfacher Hinsicht gehört zwar auch zu den Mitteln präventiver und rehabilitativer Medizin. In einem Bericht jedoch, der Auskunft über gesundheitspolitische Vorsorgemaßnahmen geben soll und den Sport und die Sportmedizin mit keinem
*) Siehe Anlage 2 Worte erwähnt, ist diese Ignoranz kaum zu entschuldigen.
Die Unterlassungssünde ist aber irgendwie charakteristisch. Sie unterstreicht einen Satz, der in einem Memorandum über die Sportmedizin steht. Er lautet: „Der Aufgabenbereich und die Zielsetzung der Sportmedizin sind noch weiten Bereichen unseres Volkes, den Hochschulen und den Regierungen des Bundes und der Länder, zum Teil auch noch weiten Kreisen der Ärzteschaft unbekannt."
Die vorbeugende gesundheitliche Wirkung des Sports ist unbestritten. Eine moderne Gesundheitspolitik muß die vorbeugenden Maßnahmen akzentuieren. Hier bietet sich der Sport mit seinen vielfältigen Möglichkeiten als ein solches vorbeugendes Mittel an.
Sehr verehrte Frau Ministerin, ich kann nicht annehmen, daß diese Unterlassung deswegen geschehen ist, weil der Sport nicht zu Ihrem Ressort gehört. Wenn in Ihrer Antwort zwar der Krebs, die Zuckerkrankheit und psychische Störungen aufgeführt werden, Sie aber die Herz- und Kreislaufkrankheiten, die ja in der Todesfallursachenstatistik mit nahezu 50 % an der Spitze stehen, nicht angeführt haben, so ist das für mich unverständlich. Allerdings führen Sie den Sport einmal an, nämlich an der Stelle, an der Sie von Modelleinrichtungen für Hirn- und Sportverletzte sprechen.
Ich hätte es auch begrüßt, wenn Sie bei der Antwort auf die Frage „Welche Vorstellungen hat die Bundesregierung zur Reform des Medizinstudiums?" neben der Sozialmedizin und der Arbeitsmedizin auch der Sportmedizin denselben Rang eingeräumt hätten.
Die bisherigen Maßnahmen des Bundes und der Länder bezüglich der Zivilisationserkrankungen, bei denen der Bewegungsmangel eine wesentliche Rolle spielt, sind bezüglich der Prävention und der Rehabilitation höchst unzureichend. Wenn das so ist, kommt den Leibesübungen, dem Sport, eine besondere Bedeutung in der präventiven, aber auch der rehabilitativen Medizin zu. Die Aktivierung des kranken Menschen durch die Leibesübungen wirkt sich darüber hinaus allgemein stimulierend auf die Gesamtpersönlichkeit aus, wie es gerade die Erfahrungen im Versehrtensport beweisen.
Gerade die deutsche Sportmedizin hat einen gewichtigen Beitrag zur Prävention der Coronarerkrankungen, von Herzinfarkten und vegetativen Herz- und Kreislaufstörungen geleistet. Es ist heute eine wissenschaftlich fundierte Tatsache, daß eine regelmäßige körperliche Bewegung mit Erfolg in Prophylaxe, Therapie und Rehabilitation der Zivilisationskrankheiten, insbesondere bei bestimmten Herz- und Kreislauferkrankungen, eingesetzt werden kann. Gerade die bei Spitzensportlern gewonnenen medizinischen Erkenntnisse sind wichtige Grundlagen für die Kreislaufforschung überhaupt, vergleichbar den Auto- und Motorradrennen, die wichtige Erkenntnisse für den Autoserienbau bringen. Ohne die Mitwirkung der Sportmedizin ist moderner Leistungssport heute nicht mehr denkbar und vor allen Dingen nicht mehr zu verantworten.
Am Rande darf ich sagen, daß wir es begrüßen, daß neuerdings in der Grundausbildung der Bundeswehr die Sportausbildung aus sportärztlicher Sicht erfolgt und hierdurch körperliche Überlastungen, weil ungewohnt, vermieden werden.
Meine Damen und Herren, die deutsche Sportmedizin hat früher als andere Länder diese Zusammenhänge erforscht. Die unzureichende institutionelle und finanzielle Lage der deutschen Sportmedizin droht jedoch, die führende Rolle in Frage zu stellen. Wie sieht die Wirklichkeit aus? Sportmedizinische Universitätsinstitute bestehen zur Zeit nur in Freiburg und Münster, Abteilungen für Sportmedizin an den Instituten für Leibeserziehung der Universitäten Hamburg und Berlin. An den zahlreichen deutschen Hochschulen haben zur Zeit nur die Sporthochschule in Köln und die Technische Hochschule in Aachen Institutionen für Sportmedizin. An der Hochschule für Leibesübungen in Mainz sind Einrichtungen für sportmedizinische Zwecke im Aufbau. Selbst diese wenigen Institute sind jedoch personell und materiell unzulänglich ausgestattet, und dann das Wichtigste: ordentliche Lehrstühle für Sportmedizin gibt es an den deutschen Universitäten und Hochschulen überhaupt nicht. Dadurch, daß die Sportmedizin nicht institutionell an unseren Universitäten und Hochschulen verankert ist, gibt es auch keine Möglichkeit, daß sich die Medizinstudenten mit ihren Forschungsergebnissen auseinandersetzen und an ihnen teilhaben können.
Meine Damen und Herren, zu Punkt 2 unseres Antrages verweise ich auf die Empfehlung der Arbeitsgemeinschaft der deutschen Hochschulsportärzte zu den Vorlesungen über Biologie der Leibeserziehung und der Sportmedizin an den Instituten für Leibeserziehung.
Völlig neu entwickelt werden muß aber bei uns in der Bundesrepublik die Befunddokumentation für die Sport- und Leistungsmedizin. Die Befunde, die bei sportärztlichen Untersuchungen erhoben werden, sollten systematisch erfaßt, an einer zentralen Stelle gesammelt - man kann hierbei an die Bundeszentrale für Sport denken - und mittels einer Datenverarbeitungsmaschine für die jeweiligen Zwecke aufbereitet werden. Eine solche Dokumentation ist nützlich für den Arzt, für den Gesundheitspolitiker, für den Soziologen; darüber hinaus könnte sie z. B. richtungweisend für die quantitative und qualitative Gestaltung des Schulsports, des Hochschulsports, überhaupt sämtlicher Tätigkeiten in diesem Bereiche werden.
Punkt 4 unseres Antrags steht in enger Beziehung zu Punkt 1. Hätten wir genügend Institute und ordentliche Lehrstühle für Sportmedizin an allen Universitäten, so hätten wir auch genügend darin ausgebildete Ärzte, und dies wäre die Voraussetzung dafür, sportärztliche Reihenuntersuchungen oder überhaupt sportärztliche Untersuchungen intensiver durchführen zu können. Notwendig ist deshalb innerhalb der gesamten Ärzteschaft eine stärkere Hinwendung zu den Erkenntnissen der Sportmedizin und eine Intensivierung dieses Bereichs auch bei den Gesundheitsämtern.
Ich darf Sie bitten, unserem Antrag auf Umdruck 497 zuzustimmen.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Schmidt ({0}).
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben hier im Verlauf der Debatte eine Reihe von wichtigen, sachbezogenen, mit Zahlen untermauerten Beiträgen zu Einzelfragen erlebt. Ich glaube, das ist auf der einen Seite sehr notwendig. Wir sollten uns aber überlegen, ob wir nicht, wenn wir uns zu sehr in Einzelheiten verlieren, in die Gefahr kommen, uns darin zu verfangen, praktisch die Ausschußsitzung hier ins Plenum zu verlagern, anstatt uns hier mit den Schwerpunkten der Gesundheitspolitik zu befassen, wie ich .das eingangs vorgeschlagen hatte.
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Wir dürfen uns dann nämlich nicht wundern, daß das Plenum, wie es mehrere meiner Vorredner sagten, hier so leer ist. Dann laufen wir nämlich tatsächlich Gefahr, daß ,es nicht zur Darstellung eines gemeinsamen gesundheitspolitischen Wollens kommt. Wir sollten uns deshalb im weiteren Verlauf der Debatte nach meiner Auffassung auf die Schwerpunkte der Gesundheitspolitik beschränken.
Deshalb, Herr Kollege Kubitza, ist der Antrag der FDP, der hier zu unserer Großen Anfrage vorgelegt worden ist, auch etwas außerhalb der Thematik; denn zunächst ist ja der Inhalt Ihres Antrags nicht mit idem Gegenstand der Großen Anfrage in direkten Zusammenhang zu bringen, wenn ich auch nicht die Beziehungsmöglichkeiten leugnen kann. Dann sind hier eine ganze Reihe problematischer Darstellungen vorhanden. Auf der einen Seite ist die Länderzuständigkeit zu einzelnen Punkten Ihres Antrags gegeben; im Bereich des Bundes ist nicht das Gesundheitsministerium für den Sport in dem von Ihnen angesprochenen Sinne zuständig. Es soll aber nun hier nicht der Eindruck erweckt werden, als sei die FDP hier in diesem Haus die einzige sportfreudige Fraktion. Das trifft sicher nicht zu. Ich selbst komme aus einem Wahlkreis, der sehr sportfreudig ist, angefangen von Spitzenmannschaften, wie die jetzt in die Bundesliga aufgestiegenen Offenbacher Kickers,
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bis zu ,einem regen Vereinsleben und zu einem vorbildlichen Jedermann-Sportprogramm für Leute, die nicht in Vereinen sind und die in einem höheren Lebensalter stehen. Darauf sind wir zu Hause ganz besonders stolz.
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Ich schlage deshalb vor, daß wir diesen Antrag der FDP gründlich in den zuständigen Ausschüssen diskutieren, und stelle deshalb auch im Namen der Koalition den entsprechenden Antrag.
An welchen Ausschuß, Herr Abgeordneter?
Es ist sehr schwierig, Herr Präsident, hier die Zuständigkeit festzustellen. Ich glaube, daß der Gesundheitsausschuß auf jeden Fall mitberatend sein sollte.
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Gesundheit, Familie und Jugend. Ich muß es nur wissen. Wir müssen nachher präzis abstimmen, welche Ausschüsse.
Nur noch einige wenige Worte zu dem Problem der Umweltgefahren. Unser Kollege Prinz zu Sayn-Wittgenstein hat hier in einer sehr fleißig ausgearbeiteten Jungfernrede markante Daten und Entwicklungen genannt. Ich glaube, dafür sollten wir ihm dankbar sein.
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Aber mangelnde Erkenntnis auf seiten der Wissenschaft nach dem heutigen Stand darf uns in diesem Problemkreis nicht hindern, die Maßnahmen, die unumstritten sind, so schnell, wie es geht, durchzuführen. Das muß ein ganz ernsthaft zu behandelndes Prinzip unseres weiteren Verfahrens in diesem Bereich sein. Das gilt beispielsweise für die Frage der Wasserverunreinigung, wo wir einheitliche Kompetenzen brauchen, um die unterschiedlichen Gesetze und Möglichkeiten bei den Ländern zu beseitigen. Ich habe heute früh ja schon gesagt: Was nützt die beste Vorsorge eines Landes in diesem Bereich, wenn aus einem anderen Land - auch hier kann ich aus meinen eigenen Erfahrungen in meinem Bereich sprechen - kein sauberes Wasser kommt?
Beim Fluglärm sind die Probleme noch drastischer. Um die großen Flughäfen der Bundesrepublik leben Millionen von Menschen. Man muß einmal längere Zeit dort gelebt haben, um überhaupt die berechtigten Klagen und Sorgen dieser Menschen verstehen zu können. Da hilft es auch nicht, daß immer wieder von anderer Seite auf die wirtschaftliche Bedeutung der Flughäfen hingewiesen wird. Es muß hier von dieser Tribüne deutlich gesagt werden, daß die gesundheitlichen Interessen der Bevölkerung zumindest genauso schwergewichtig, wenn nicht noch schwergewichtiger als die wirtschaftlichen Interessen sind.
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Was am Beispiel einzelner Flughäfen bisher möglich war, müssen wir auf die ganze Bundesrepublik übertragen können. Ich will das Beispiel des RheinMain- Flughafens nicht näher ausführen; es ist allgemein bekannt. Wir brauchen ein allgemein praktikables Gesetz gegen den Fluglärm. Man hat manchmal den Eindruck, daß man, statt die Bemühungen aus diesem Hause, .die einzelne Abgeordnete und der Gesundheitsausschuß des Bundestages entwickelt haben, zu begrüßen, eher versucht, diesen Gesetzentwurf durch eine gewisse Abwehrhaltung hinauszuzögern, wenn nicht gar zu verhindern.
Ich bin hier sicher in Übereinstimmung mit allen Kollegen aus dem Gesundheitsausschuß und aus der Gesundheitspolitik, daß wir uns ein solches Verhalten auf die Dauer nicht gefallen lassen können.
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Da ist es doch schon beispielgebend, wenn man etwa aus Amerika hört, daß der Präsident durch einen seiner persönlichen Sekretäre eine Institution ins Leben gerufen hat, die sich speziell mit Fragen des Fluglärms befaßt und in der alle - ich betone: alle -- wichtigen Organisationen und Ministerien vertreten sind. Um einmal das Bild deutlich zu machen, wie gewichtig man dort die Sache nimmt, möchte ich Ihnen nur einmal sagen, wer in dieser großen Liste der Beteiligten vertreten ist: das Verkehrsministerium, die Luftfahrtorganisation, das Büro für Wissenschaft und Technologie, das Verteidigungsministerium, das Innenministerium, das Wohnungsbauministerium, das Handelsministerium, das Gesundheitsministerium, die Weltraumforschung und die Aeronautische Zivilorganisation.
Nur - und das sollte uns auch Beispiel sein - durch die Beteiligung aller Betroffenen, nur durch eine echte Kooperation, nur wenn alle zusammen- und nicht gegeneinander arbeiten, werden wir in der Fluglärmbekämpfung weiterkommen.
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Das sollte bei allen Überlegungen immer mit das entscheidende Merkmal sein. Bei den gesundheitsgefährdenden Umwelteinflüssen kann der einzelne sich nicht oder nur unvollkommen wehren. Deshalb muß die Gemeinschaft, muß auch der Staat entsprechende Maßnahmen zu seinem Schutz ergreifen.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Josten.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Minister Strobel hat heute morgen mit Recht gesagt: Gesundheit kann man nicht durch Gesetz verordnen. Nun muß ich unserem Kollegen Dr. Schmidt, der vorhin meinte, das Sportthema passe nicht ganz hierher, sagen: Der Schwerpunkt der Gesundheitspolitik ist doch auch in Verbindung mit dem zu sehen, was unser Kollege Kubitza sagte. Ich denke jetzt nicht an das, was Sie vorhin bezüglich des Fußballsports ausführten, sondern ich meine, ein Zusammenhang ist insgesamt gegeben. Die Anfrage, die Ihre Fraktion zur Gesundheitspolitik gestellt hat, wäre sicher noch besser beantwortet gewesen, wenn die Regierung auch etwas zu diesem Thema gesagt hätte. Das ist von Frau Minister Strobel bis jetzt nicht geschehen.
Zu den Grundzügen einer Gesundheitspolitik gehört die Sportförderung. Das soll man sehen, das soll man auch heute hierbei ausführen.
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- Sicher, die Zuständigkeitsfrage wurde heute auch schon angeschnitten. - Was die Kompetenzfragen angeht, sind Bund, Länder und Gemeinden einer Auffassung: Der Sport soll eine Gemeinschaftsaufgabe sein. Hierzu hat ja auch der Bundestag schon einmal Stellung bezogen. In den Ausführungen von Frau Minister Strobel zu der Anfrage der Fraktion der SPD, die schriftlich vorliegen, wird gerade bezüglich der Gesundheitsvorsorge wörtlich gesagt:
Die Gesundheitsvorsorge zielt auf die Erhaltung der vollen Gesundheit möglichst aller Bürger unseres Staates. Sie setzt vor allem bei Krankheiten an, deren Früherkennung möglich ist und deren frühzeitige Behandlung einen Gewinn an erfüllten Lebensjahren erwarten läßt.
Es wurde heute mit Recht betont, daß man auf seiten des Ministeriums einen guten Schritt weiter sei. Im Herbst des letzten Jahres ist beim Bundesgesundheitsamt eine wissenschaftliche Abteilung zur Erforschung von Umweltschäden und Zivilisationskrankheiten entstanden. Das können wir nur alle begrüßen.
Lassen Sie mich in Ergänzung der Ausführungen von Herrn Kubitza noch einige Ausführungen gerade im Hinblick auf ein Memorandum über Sportmedizin machen. Ich darf mich hier auf die Ausführungen berufen, die vom Deutschen Sportärztebund herausgegeben wurden und die ja auch ein Teil der Freunde des Sports unseres Hauses erhalten hat. Der Aufgabenbereich und die Zielsetzung der Sportmedizin ist in weiten Bereichen unseres Volkes - das wissen wir -, in den Hochschulen und auch - sagen wir es ruhig - teilweise bei den Regierungen des Bundes und der Länder und auch in den Kreisen der Ärzteschaft noch unbekannt. Wir können das nur bedauern. Wir können nur hoffen, daß diese Situation sich weiter verbessert. Denn das, was in der Bundesrepublik bisher auf dem sportmedizinischen Sektor in Forschung, Lehre und Praxis geleistet wurde, genügt nicht. Insofern kann ich nur sagen, daß der Antrag, der von seiten der FDP hier vorliegt und der an den Ausschuß für Familie und Jugend zur Federführung überwiesen werden soll, in diesem Rahmen näher besprochen werden muß. Selbstverständlich soll er an den Ausschuß für Gesundheitswesen zur Mitberatung überwiesen werden.
Was bisher auf dem Gebiet der Sportmedizin erreicht wurde, ist sehr stark von privater Seite und auf private Initiative einzelner besonders interessierter Ärzte, Wissenschaftler usw. erreicht worden. Das gilt auch für die sportärztliche Betreuung Jugendlicher und Erwachsener sowie für den Breitensport.
Herr Kubitza hat insofern recht, als die Sportmedizin an Universitäten und Hochschulen auch unzureichend ist. Was er hier gesagt hat, ist richtig, und es ist erfreulich, daß er es gesagt hat. Er nannte u. a. auch den neuen Weg, der in Mainz beschritten wurde. Das alles kann nur ein Anfang sein. Hier ist ein neuer Weg notwendig. Wichtig ist jedenfalls, daß bei unserer Gesundheitspolitik die Bedeutung des Leistungssports, des Breitensports und auch des Schulsports richtig erkannt wird und daß auch wir von Bundesregierung und Bundestag diesen Sport wie bisher unterstützen. Das haben wir in den ganzen Jahren, in denen es um den Goldenen Plan und die Erfüllung der Verpflichtungen im Rahmen des Goldenen Plans ging, auch schon getan.
Herr Dr. Jungmann hat mich gebeten, es kurz zu machen. Ich will daher auf die einzelnen Positionen jetzt nicht eingehen. Das wird eine Aufgabe sein, die wir nachher im Ausschuß haben. Dort soll dann auch zum Jugend-, Schul- und zum Alterssport sowie - das ist für unser Volk heute entscheidend - zum Breitensport gesprochen werden.
Ich darf zusammenfassen, daß der Deutsche Sportärtzebund einige wichtige Maßnahmen wünschte, die man auch heute im Hinblick auf unsere Gesundheitspolitik vielleicht in den Vordergrund stellen sollte. Hier geht es um Einrichtung von Institutionen für Sportmedizin an allen Universitäten - zumindest so weit wie möglich - und an Hochschulen, verbunden mit ordentlichen Lehrstühlen für Sportmedizin; es geht weiter um Einführung obligatorischer Vorlesungen und Praktika im Fach Sportmedizin für Medizinstudenten; es geht um Verbesserung der Ausbildung der Leibeserzieher, der biologisch-medizinischen Grundlagen in der Leibeserziehung und der Gesundheitserziehung sowie weiterhin um Ausbildung aller Schulärzte zu Sportärzten. Es geht darüber hinaus um eine Forderung, die von seiten des Deutschen Sportärztebundes erhoben wird: um eine Intensivierung sportärztlicher Dokumentation.
Vergessen wir nicht: Sport gehört zu den heiteren Seiten des Lebens. Wir sollten uns dafür mehr Zeit nehmen; das ist ein gutes Stück unserer Gesundheitspolitik. Ich darf bei dieser Gelegenheit auch auf eine Aussprache hier im Hause und auf einen Schriftlichen Bericht des Innenausschusses verweisen, der am 14. Februar dieses Jahres vom Parlament verabschiedet wurde. In diesem Bericht, der damals von unserem Kollegen Dr. Wörner vorgelegt wurde, hat dieser darauf hingewiesen, daß bei der Diskussion im Ausschuß, in der es um die Sportförderung ging, alle Vertreter der drei Fraktionen Übereinstimmung darin erzielten, daß unbeschadet der gegenwärtigen Verfassungslage die Sportförderung eine gemeinsame Aufgabe von Bund, Ländern und Gemeinden sei und auch bleiben müsse. Bei dem Antrag des Ausschusses - um nur zwei Dinge herauszustreichen - wurde z. B. u. a. darauf hingewiesen und die Bundesregierung aufgefordert, mit den Bundesländern auf der Grundlage des Goldenen Planes bei Sportstättenbauprogrammen das Ziel einer möglichst gleichmäßigen Verteilung von Sportstätten über das Bundesgebiet anzustreben.
Weitere Punkte waren hier vom Parlament besprochen und verabschiedet worden; es wäre jedenfalls ein großer Fortschritt, wenn die Bundesregierung durch Zusammenarbeit zunächst der einzelnen Ministerien und darüber hinaus mit den einzelnen Ländern ein Stück weiterkommen würde -- zum Wohle unseres ganzen Volkes.
Lassen Sie mich zum Schluß kommen und auf folgende Vorlage hinweisen: Im November 1967 hat die Deutsche Olympische Gesellschaft ein zweites Memorandum zum Goldenen Plan für Gesundheit, Spiel
und Erholung vorgelegt; dabei ging es auch um die Vorschläge zur Verwirklichung des Goldenen Planes in der zweiten Phase, das ist also die Laufzeit von 1968 bis 1975. Das Präsidium der Deutschen Olympischen Gesellschaft richtet an die verantwortlichen und beteiligten Stellen die Bitte, dem Goldenen Plan auch in der zweiten Phase seiner Laufzeit die notwendige Unterstützung zuteil werden zu lassen. Ich glaube, ich kann hier für die Fraktion der CDU/CSU sowie für die Fraktion der SPD sicher sagen, daß wir daran interessiert sind, daß der Goldene Plan, auch im Hinblick auf die Gesundheitspolitik für unser Volk, wie bisher verwirklicht wird.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Dittrich.
Herr Präsident! Meine verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich zum Ausgangspunkt unserer Diskussion zurückkehren und zur Großen Anfrage der SPD-Fraktion hinsichtlich der Gesundheitspolitik sprechen. Es haben sicher inzwischen Fachleute auf den einzelnen Gebieten das Wort ergriffen; ich möchte aber den Versuch unternehmen, zwei Themen aus der Größen Anfrage zu behandeln: das ist einmal die bedeutsamste Frage der Grundgesetzänderung, und das sind zweitens die Fragen des Arzneimittelrechts.
Ich bin heute während der Mittagspause von jungen Menschen, die dort oben auf der Tribüne waren, gefragt worden: Um was geht es denn eigentlich bei dieser Debatte? Ich habe ihnen zur Antwort gegeben: Es geht um die Gesundheit unserer Menschen innerhalb unseres Bundesgebietes. Diese Antwort war sicher richtig, aber das hätte noch nicht genügt. Die zweite Frage, die sie mir stellten, war: Ja, wer ist denn für die Gesundheit verantwortlich? Ich mußte ihnen sagen: Für die Gesundheit ist jeder Mensch selbst verantwortlich.
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Nur dort, wo er sich nicht selber helfen kann, dort, wo er die Hilfe der Gemeinschaft benötigt, soll die Gemeinschaft eingreifen. Dafür gibt es den Ausdruck Subsidiaritätsprinzip; jeder muß zunächst für seine Gesundheit selbst Sorge tragen. Nun fragten sie weiter: Ja, was ist mit der Grundgesetzänderung? Ich gab ihnen zur Antwort: Man will nun den Ländern einen Teil der gesundheitsrechtlichen Kompetenz nehmen und ihn dem Bund geben oder zumindest eine konkurrierende Gesetzgebung schaffen. Darüber wollten sie dann schon mehr wissen, was es damit auf sich hat.
Fest steht, daß das Bundeskabinett am 13. März 1968 einen Gesetzentwurf zur Änderung des Grundgesetzes beschlossen hat. Das hat die Frau Gesundheitsminister ausgeführt. Der Bund soll also jetzt eine erweiterte Kompetenz in der konkurrierenden Gesetzgebung auf dem Gebiet des Gesundheitswesens, des Wasserhaushalts, der Luftreinhaltung und der Lärmbekämpfung erhalten. Darüber hinaus soll die konkurrierende Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes für die wirtschaftliche Sicherung der
Krankenhausversorgung in Art. 74 Nr. 19 des Grundgesetzes eingeführt werden.
Das ist es, was die Bundesregierung anstrebt, was in der Antwort auf die Große Anfrage von der Frau Bundesgesundheitsminister ausgeführt worden ist und womit sich im gegenwärtigen Zeitpunkt der Bundesrat beschäftigt. Es ist bereits -- ich glaube, von Frau Dr. Heuser - die Frage gestellt worden, ob der Zeitpunkt, zu dem der Entwurf einer solchen Grundgesetzänderung eingebracht wird, richtig ist. Man kann daran in der Tat erhebliche Zweifel haben, vor allem auch deshalb, weil diese Frage mit der mittelfristigen Finanzplanung eng zusammenhängt. Denn letztlich geht es doch darum, für die Gesundheitsvorsorge, für die Rehabilitation, bei der die Menschheit große Fortschritte gemacht hat, Geldmittel zur Verfügung zu stellen.
Der Bundesrat - das werde ich wohl nicht eigens hervorheben müssen - hat zum Leidwesen der Frau Minister Strobel gegen diese Grundgesetzänderung die äußersten Bedenken. Der Sinn meiner Abhandlungen zu diesem Gebiet ist es, als Sprecher der CSU innerhalb der CDU/CSU-Fraktion hier zu erklären, daß die CSU-Landesgruppe die Grundgesetzänderung so, wie sie vom Kabinett am 13. März 1968 beschlossen worden ist, ablehnt. Ich möchte das begründen.
Meine Damen und Herren, ich darf zunächst einmal zum Ausdruck bringen, daß die Intensivierung der Gesundheitsvorsorge, die Gewährleistung der bestmöglichen Behandlung im Krankheitsfall sowie die Verbesserung des Gesundheitsschutzes für unsere Bevölkerung allgemein als bedeutendste Aufgaben der künftigen Gesundheitspolitik angesehen werden müssen. In der Begründung des Gesetzentwurfs klingt der Vorwurf an, die bisherige Verteilung der Zuständigkeiten sei schuld daran, daß notwendige Gesetzgebungsmaßnahmen der Gesundheitsvorsorge und des Gesundheitsschutzes der Bevölkerung unterbleiben mußten. Dieser Vorwurf scheint mir jedoch unberechtigt zu sein. Mit einer bloßen Verlagerung der Gesetzgebungszuständigkeit auf den Bund ist den berechtigten gesundheitspolitischen Anliegen meiner Ansicht nach nicht gedient. Regelungsbedürftig ist die finanzielle Frage, nämlich, wer die Kosten für diese Behandlung von Krankheiten, für die Bekämpfung von Krankheiten zu tragen hat. Dies ist nach unserer Ansicht eine Frage des Sozialversicherungs- und des Sozialhilferechts.
Wir hörten heute und wissen, daß nahezu 90 % der Bevölkerung sozialkrankenversichert sind und daß der übrige Teil unserer Bevölkerung weitgehend durch private Krankenkassen abgesichert ist. Sowohl die Vorsorge als auch die Heilung, die Linderung und die Rehabilitation sind nach den Regeln der ärztlichen Kunst zu betrachten. Entsprechend sind die Kosten von den Sozialversicherungsträgern, den sozialen Krankenkassen, oder dem einzelnen, der sich womöglich durch eine private Krankenkasse abgesichert hat, zu tragen. Das ist die Frage, um die es- im gegenwärtigen Zeitpunkt geht.
Vorsorgeuntersuchungen kann sich heute ohne weiteres jeder unterziehen. Es bedarf dazu keines
Gesetzes. Es wäre mit unserer Verfassungsordnung andererseits gar nicht vereinbar, etwa gesetzliche Verpflichtungen zur allgemeinen Vorsorgeuntersuchung zu schaffen. Übrig bleibt auch hier die Frage nach dem Kostenträger. Dabei kann festgestellt werden, daß es zweckmäßig und ratsam ist, möglichst früh einzugreifen, möglichst viel Vorsorge zu treffen, weil dadurch - das hat die Frau Bundesminister ausgeführt - natürlich erhebliche Mehrkosten
erspart würden.
Zielvorstellungen, die wir über die Zuständigkeit für das Sozialversicherungs- und Sozialhilferecht haben, sind es, die auf allen gesundheitspolitischen Tagungen gleich, welcher Partei dieses Hauses, immer im Vordergrund stehen. Man sollte auch die Einbeziehung der Vorsorge in die sozialen Krankenkassen nicht überschätzen; denn die ambulanten ärztlichen Leistungen machen schon bisher nur etwa ein Fünftel der Gesamtaufwendungen der Krankenversicherungsträger aus, so daß bei einer Vorsorgeuntersuchung die Kosten sicher nicht ins Unermeßliche steigen werden.
Der Umstand, daß die Sorge für die Gesundheit unserer Bevölkerung eine öffentliche Aufgabe ist, ändert nichts daran, daß es nicht Aufgabe des Staates, sondern die ureigenste Aufgabe der in der Sozialversicherung zusammengeschlossenen Versicherungsgemeinschaften ist, nicht nur im Krankheitsfall zu helfen, sondern auch für die Maßnahmen einzustehen, die geeignet sind, Krankheiten vorzubeugen. Auch die Sozialversicherungs- und Sozialhilfeträger werden in Erfüllung öffentlicher Aufgaben tätig. Sie sind geradezu dazu geschaffen worden, diese öffentlichen Aufgaben an Stelle des Staates zu erledigen.
Frau Dr. Heuser hat - meine Damen und Herren, wir sind entre nous, wir können in aller Ruhe über diese Fragen sprechen - heute einen Gedanken aufgeworfen, der besagt, daß in früherer Zeit in diesem Hause und insbesondere in den Reihen derer, die sich der Gesundheitspolitik zuwenden, eine harmonische Zusammenarbeit gewesen ist. Das kann ich als einer, der schon lange auf diesem Gebiet mitzuarbeiten versucht, bestätigen. Das Spannungsfeld im gegenwärtigen Zeitpunkt ist wohl jenes, daß diese Ausweitung der Kompetenz des Bundes kommen soll, was neue Spannungsfelder schafft, weil draußen der Verdacht besteht und auch ausgesprochen wird - ich sage nicht, daß es so ist -, daß wir von der Selbstvorsorge des einzelnen über den frei praktizierenden Arzt zu einem Staatsgesundheitsdienst kommen könnten. Ich sage nicht, daß das meine Ansicht ist. Ich sage aber, daß der Verdacht dort draußen offen ausgesprochen wird. Wenn Sie sich an die Ausführungen auf dem 71. Deutschen Ärztetag in Wiesbaden im Jahre 1968 erinnern, klingt Ihnen das sicher noch in den Ohren.
Der Deutsche Ärztetag in Wiesbaden vor wenigen Wochen hat auch zur Frage der Gesetzgebungskompetenz für den Bund auf dem Gebiet des Gesundheitswesens Stellung genommen. Er hat ausgeführt - ich bitte, zu gestatten, daß ich zitiere, Herr Präsident -:
Der Deutsche Ärztetag hält eine solche Grundgesetzänderung nicht für notwendig. Der Bund hat die alleinige Gesetzgebungszuständigkeit für den gesamten Bereich der Sozialversicherung. Damit hat er sowohl das Recht als auch alle Möglichkeiten, gesetzliche Maßnahmen zur Verhütung und Bekämpfung von Krankheiten für zur Zeit mehr als 87 % der Bevölkerung zu veranlassen. Diese Möglichkeiten wurden bislang nur unzureichend genutzt, obwohl Vorschläge dazu wiederholt auch von den Deutschen Ärztetagen gemacht wurden. Es erscheint daher unnötig, dem Bund neue Zuständigkeiten für die Gesundheitsgesetzgebung zuordnen zu wollen. Dadurch würden auch die Möglichkeiten der Länder, eigene gesundheitspolitische Initiativen zu entwickeln, beeinträchtigt.
Meine Damen und Herren, glauben Sie nicht, daß ich hier allein aus meinem bayerischen föderalistischen Herzen zu dieser Frage spreche, sondern ich habe mir auch als Jurist viele Gedanken über diese Kompetenzverlagerung gemacht. Ich kann nicht einsehen - das gilt vor allem für unsere Beratungen, die wir demnächst über die Grundgesetzänderungen haben -, daß diese Kompetenzverlegung oder Kompetenzverlagerung von den Ländern auf den Bund uns ein Jota weiterbringt in der Frage der Gesundheitsvorsorge, der Rehabilitation, d. h. der Wiederherstellung der Gesundheit. Ich kann mir das nicht vorstellen und halte deshalb eine solche Grundgesetzänderung auf diesem Gebiet, aber auch auf den Gebieten des Wasserhaushalts, der Luftreinhaltung und der Lärmbekämpfung, der wirtschaftlichen Sicherung der Krankenversorgung nicht für notwendig.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Herr Abgeordneter? - Bitte sehr!
Herr Kollege, darf ich Sie in diesem Zusammenhang - als praktisches Beispiel - an das Schicksal des Jugendzahnpflegegesetzes erinnern und an das, was inzwischen daraus geworden ist?
Meinen Sie jetzt die Tatsache, Herr Kollege Dr. Stammberger, daß das Jugendzahnpflegegesetz nicht die Zustimmung des Bundesrates gefunden hat?
Gescheitert ist! Gescheitert an der mangelnden Zuständigkeit, obwohl wir einstimmig zugestimmt haben.
Das ist durchaus möglich. Aber es ist vielleicht gar kein Unglück, daß dem so ist. Denn die Länder waren gar nicht beglückt von einem solchen Unternehmen, weil die Länder der Ansicht sind: Wir machen in der Jugendzahnpflege so viel, wie überhaupt möglich ist; mehr kann der Bund nicht machen.
Darf ich daraus entnehmen, daß nichts möglich ist, weil die Länder fast alle nichts getan haben?
Das bestreite ich, Herr Stammberger.
Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage?
Bitte!
Herr Kollege, ich möchte Sie in diesem Zusammenhang fragen, auf welche Weise Sie sich die Beseitigung des bestehenden Leistungsgefälles zwischen einzelnen Bundesländern vorstellen.
Das bestehende Leistungsgefälle werden Sie mindestens im Rahmen dieser Änderung des Grundgesetzes auch nicht beseitigen können.
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Das halte ich nicht für möglich. Es geht vielmehr immer um die Finanzen der einzelnen Länder selbst, denen diese Aufgaben wieder übertragen werden müssen. Der Bund führt ja diese Gesetze nicht aus, sondern die Länder müssen sie ausführen. Das Gefälle ist also auch in dem anderen Fall vorhanden, ganz abgesehen davon, daß ja im Länderfinanzausgleich Möglichkeiten geschaffen werden können und geschaffen werden.
Lassen Sie mich einen Satz über die vorgesehene Grundgesetzänderung zur wirtschaftlichen Sicherung der Krankenhausversorgung sagen; mir scheint das von Bedeutung zu sein. Woher kommt denn die wirtschaftliche Misere unserer Krankenhäuser allgemein? Doch offensichtlich daher, daß die Pflegesätze, die gegenwärtig bestehen, nicht kostendeckend sind, d. h. daß sie zu niedrig sind. Es wäre Sache des Bundesgesundheitsministeriums, hier einmal nach dem Rechten zu 'sehen, und soweit das dann noch nicht ausreicht - bei vernünftigen, tragbaren Pflegesätzen der Krankenhäuser -, müßte man daran denken, ob nicht der Bund in seiner Gesamtheit eine finanzielle Nachhilfe geben müßte.
Damit habe ich einige Argumente angeführt, die meine Freunde von der Christlich-Sozialen Union - natürlich zusammen mit der Bayerischen Staatsregierung, mit der wir enge Verbindung halten - veranlassen werden, dieser Grundgesetzänderung unsere Zustimmung nicht zu geben. Ich sage ganz offen, ich bewundere den Mut der Frau Bundesminister Strobel, gegenwärtig diese Grundgesetzänderung zu betreiben, weil ich der Ansicht bin, daß sie damit in diesem Zeitpunkt mit allergrößter Wahrscheinlichkeit keinen Erfolg hat.
Lassen Sie mich, weil die Frau Bundesminister das Arzneimittelrecht besonders angesprochen hat, als einer, der seit langem schon auf diesem Gebiet arbeitet und sich auch auf der Ebene der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft damit beschäftigt, einige Worte zu den Ausführungen in der Antwort auf die Große Anfrage der SPD, die diesen Punkt betreffen, sagen. Es heißt in der Antwort der Frau Bundesminister Strobel:
Besonders werden sich die EWG-Richtlinien auf das deutsche Arzneimittelrecht auswirken. Schon jetzt ist erkennbar, daß sich in der EWG die Vorstellungen des deutschen Gesetzgebers über die Eigenverantwortlichkeit des Arzneimittelherstellers für sein Erzeugnis nicht durchsetzen werden.
Frau Minister Strobel, am kommenden Montag wird sich das Europäische Parlament in Straßburg mit dieser dritten Richtlinie, der sogenannten Anerkennungsrichtlinie, beschäftigen. Ausgerechnet ein Niederländer ist es gewesen, der die Anregung vorgebracht hat, man sollte es bei der Gesetzgebung in den Ländern, die die Verantwortlichkeit des Herstellers vorsieht, belassen; es sollte genügen, lediglich die Unterlagen der Kommission zuzuschicken und dann eine gegenseitige Anerkennung herbeizuführen. Ich weiß, daß bis dorthin im Rat noch ein weiter Weg gegangen werden muß. Aber was ich von unseren Vertretern in diesem Gremium verlange und wünsche, ist, daß sie versuchen, die Anerkennung des von uns als richtig anerkannten Standpunktes, wonach die Verantwortlichkeit beim Hersteller liegt, bei den anderen durchzusetzen, auch wenn sich Widerstände ergeben. Ich weiß, daß die Vertreter des Bundesgesundheitsministeriums bei der Europäischen Gemeinschaft alles tun werden, um unseren Standpunkt richtig zu vertreten. Ich möchte diesen Herren von hier aus einmal meinen herzlichen Dank zum Ausdruck bringen.
Frau Minister Strobel, Sie haben auch die Frage der Neuabgrenzung zwischen apothekenpflichtigen und frei verkäuflichen Arzneimitteln, die in Ihrer Verantwortung liegt, angesprochen, weil die Frage ja wohl auch darauf abzielte. Ich muß Ihnen gestehen, daß das eine schwierige Aufgabe ist und daß es einer großen Kraft bedarf, um eine gerechte Scheidung zwischen der Apotheke und den übrigen Verkaufsstellen zustande zu bringen. Dieses Parlament hat es sich bei der Schaffung des Arzneimittelgesetzes vielleicht allzu leicht gemacht, als es dem Ministerium ein Verordnungsrecht gab, mit dem dieses nur sehr schwer fertig werden kann. Aber, Frau Minister, so wie in der Landwirtschaft der junge Bauer wissen will, wohin der Weg geht, ist es auch hier bei den Betroffenen hinsichtlich der Arzneimittelabgabe. Sie wollen endlich einmal wissen, woran sie sind; sie wollen wissen, was für sie bestimmt ist und was für die anderen. Ich würde deshalb bitten, daß wir diesen gordischen Knoten recht bald durchschlagen. Das würde innerhalb Ihrer Kompetenz sein, und dazu würde es einer Ausweitung Ihrer Kompetenz zu Lasten der Länder, die, wie ich betone, von uns nicht gebilligt werden wird, nicht bedürfen.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Meinecke.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dais Beispiel .des Jugendzahnpflegegesetzes war in einer Debatte über die Änderung des Grundgesetzes ein absolut schlechtes! Denn ich kann mich noch sehr gut an das Hohngelächter der deutschen Zahnärzteschaft ,erinnern, als damals die gute, allgemein verbindliche Regelung, die dieser Bundestag vorhatte, von den Ländern torpediert wurde. Die kariösen Zähne wurden dann gewissermaßen subsidiär gezogen und werden heute noch subsidiär gezogen. Nach wie vor seht fest, daß 80 % aller schulpflichtigen Kinder an kariösen Zähnen leiden und daß die Vorsorgeuntersuchungen, die dem abhelfen könnten, durch dieses Versagen der Länder in einem gewissen Länderegoismus verhindert wurden.
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- Ich kenne die Zahlen von Bayern nicht. Aber ich bin bereit, sie mir durchzulesen, wenn Sie mir eines Tages einmal geben werden.
Eis gibt ,sehr viele verfassungsrechtliche Veröffentlichungen der letzten Zeit gerade über eventuell notwendige Grundgesetzänderungen, z. B. eine unter dem Titel „Das antiquierte Grundgesetz". Übereinstimmend wird von diesen Kommentatoren dargelegt, daß sich gerade auf dem Gebiet des Gesundheitswesens wie auf dem Gebiet des Bildungswesens !seine Unzulänglichkeit zeigt. Die Tatsache, daß Tatbestände und Entwicklungstendenzen die Situation des. Jahres 1949 überholt haben, sollte dazu führen, ,daß man heute ,dieses Grundgesetz sine ira et studio dahin gehend betrachtet, wo vernünftige Änderungen durchgeführt werden sollten. Darüber zu reden, ist auch eigentlich der Sinn und der Zweck dieser heutigen Debatte. Es ist durchaus legitim, daß die kontroversen Meinungen hier quer durch das Haus gehen. Ich meine nicht einmal, daß .das landsmannschaftlich begründet ist.
Ich persönlich bin der Meinung, ,daß man den Art. 74 Nr. 19 vielleicht ein klein wenig anders formulieren könnte. Es ist natürlich nicht gemeint, daß die Bundesregierung ermächtigt werden soll, Maßnahmen zur Bekämpfung von solchen Krankheiten zu ergreifen, .die „normaler" Art sind. Es kommt darauf an, daß Maßnahmen zur Verhütung und Bekämpfung von Krankheiten gemeint sind, ,die für große Gruppen der Bevölkerung von Bedeutung sind. Die Epidemiologie der Krankheiten, die für .große Gruppen von Bedeutung sind, hat sich in den letzten zwanzig, dreißig Jahren geändert. Die Infektionskrankheiten ,der damaligen Zeit spielen heute nicht mehr jene Rolle. Ganz andere Krankheiten treten in den Vordergrund. Von vielen dieser wichtigen und bedeutenden Leiden weiß man nicht in jedem Fall genau die Ursache. Das war ,der Sinn des Vorschlags, dieses Ministerium zu ermächtigen, auf Grund von Untersuchungen zu Möglichkeiten einer vernünftigen Vorsorge zu kommen.
Es ist doch nur e i n Prinzip unserer Gesundheitspolitik, Herr Kollege Dittrich, die Selbstvorsorge über den praktischen Arzt zu fördern und nur dann subsidiär einzugreifen, wenn es nötig sein sollte. Wir wissen doch gar nicht, ob die Selbstvorsorge
des einzelnen Menschen, die Erkenntnis dazu, die Verpflichtung dazu und die Untersuchungsmethoden deis praktischen Arztes das Ergebnis erzielen werden, welches wir für die Gesamtbevölkerung in den nächsten Jahrzehnten wünschen, weil wir weder über die' Kausalität solcher Volks- und Zivilisationskrankheiten, noch über ihre Verteilung noch über vernünftige und auch kostenintensive Maßnahmen der Bekämpfung etwas wissen.
Darum wollten wir gern, daß das Bundesgesundheitsamt und' das Ministerium epidemiologische Untersuchungen anregen, um einmal herauszufinden: Was ist denn nun eigentlich so eine Vorsorgeuntersuchung? Welches sind vernünftige Maßnahmen für größere Gruppen der Bevölkerung in Abhängigkeit von 'den jeweiligen Daten, Geschlecht, Alter, Beruf und .sonstigen Beanspruchungen sowie erblichen Belastungen, und in welchen Fällen ist es mit einer Beratung auf gar keinen Fall zu machen? Da werden möglicherweise Apparaturen und technische Hilfsmittel notwendig werden, so daß man am Anfang nicht unbedingt von einer nur „ärztlichen" Vorsorgeuntersuchung sprechen muß. Das wäre dann möglicherweise der nächste Schritt. So etwas muß man einmal ;in diesm Hause diskutieren können, ohne daß man sofort auf die Aggression bestimmter Berufs- und Standesgruppen stößt, die meinen, das sei ausschließlich ihre Sache.
Wir halten nach wie vor die Verantwortung des Staates und damit der Gemeinschaft für die Vorsorge und damit für die Erhaltung der Gesundheit der Gesamtbevölkerung für gegeben. Dabei meine ich allerdings einen Staat, der wir alle gemeinsam sind, den wir gemeinsam kontrollieren und den wir gemeinsam bilden. Das heißt, ich meine mit diesem Staat eine moderne Gesellschaft, die sich dieser Verantwortung bewußt ist, und nicht irgendeine Institution, die hier den Menschen seiner Individualität berauben, ihn gewissermaßen in einen Mechanismus moderner Massenapparaturen hineinzwängen und ihn seiner Eigeninitiative entleeren will. Das verstehe ich auch unter solchen Untersuchungen, und ich meine, das sei nützlich.
In dem Zusammenhang dürfte man doch wohl zugeben müssen, daß das Ausmaß, gewissermaßen die methodisch vernünftig durchgeführte Vorsorgeuntersuchung noch nicht entwickelt wurde und daß heute noch keiner weiß, welche Kosten diese Untersuchungen verursachen und in welchem Ausmaß die sozialen Krankenversicherungen durch solche Untersuchungen belastet werden. Ehe man aber den nächsten Schritt tut und dies den Krankenkassen anlastet, müßte man, meine ich, über die Kosten und über die zusätzlichen Belastungen einiges wissen.
Ich spreche mich persönlich auch für die beiden anderen vorgeschlagenen Grundgesetzänderungen des Art. 74 in den Ziffern 19 a und 19 b aus. Ich meine, daß das ja nicht unbedingt den Zwang für die Bundesregierung bedeutet, nun gesetzgeberisch die Länder in Einzelmaßnahmen zu bremsen; aber es verpflichtet, es zwingt zum gemeinsamen Gespräch mit den Ländern, es zwingt und verpflichtet zu vernünftig abgestimmten, dem Inhalt nach einigermaßen gleichgeregelten gesetzlichen Lösungen in
den Ländern und es ermöglicht, im Notfall auch einmal gesetzgeberisch sehr rasch tätig zu werden, wenn die Entwicklung dies notwendig erscheinen lassen sollte.
In der Begründung des Deutschen Ärztetages zur Ablehnung der Grundgesetzänderungen, Herr Kollege Dittrich, heißt es:
Der Deutsche Ärztetag ist der Ansicht, daß das Gesundheitswesen insbesondere im Bereich der Bekämpfung von Krankheiten durch eine sinnvolle Aufteilung der Kompetenzen von Bund und Ländern, so wie sie derzeit im Grundgesetz geregelt ist, nachhaltiger gefördert wird, als das bei einer noch stärkeren Verlagerung der Zuständigkeiten auf den Bund durch die geplante Änderung des Grundgesetzes der Fall sein würde.
Ich meine, von einer stärkeren Verlagerung oder überhaupt einer Verlagerung der Zuständigkeiten auf den Bund kann doch im Augenblick gar keine Rede sein.
Es wurde heute morgen hier angezweifelt, ob es vernünftig sei, daß das Bundesgesundheitsministerium und damit die Regierung gewisse Modelleinrichtungen, gewisse Modellkliniken, gewisse Modellzentren zur Behandlung bestimmter Krankheitsgruppen fördern sollte oder nicht. Nun, diese Dinge werden in den Haushaltsplänen des Ministeriums seit Jahren gefördert. Es geht um bestimmte Krankengruppen. Dazu gehören natürlich „Leberkranke", gehören Herzkranke, aber auch Psychopathen und Süchtige sowie Gelähmte. Es war doch die Ärzteschaft selbst, die früher immer nach solchen Zentren, nach solchen Kliniken überregionaler Struktur gerufen hat, um einmal festzustellen, wie solche Kliniken arbeiten sollten und wie sie effektiv wirksam werden könnten, um bestimmte Menschengruppen nicht nur zu behandeln, sondern am Ende einer solchen Behandlung auch wieder in die soziale Gemeinschaft und die Familie einzugliedern. Wenn man diese Untersuchungen weiterhin machen will, dann, meine ich, ist hier letzten Endes auch eine gewisse Übertragung der Verantwortung durch eine Grundgesetzänderung notwendig.
Meine Damen und Herren, ich möchte noch einige wenige Worte zur Frage ,der Reform des Medizinstudiums sagen. Wir sind persönlich dankbar für die Antwort, die die Bundesregierung gegeben hat. Wir bitten die Regierung, auch diesem Sachverständigengremium unseren Dank zu übermitteln für eine außerordentlich intensive Beratung in den letzten zwei Jahren in zehn bis zwölf Sitzungen, wobei man in den wesentlichen Fragen zur Übereinstimmung gekommen ist. Wir begrüßen auch, daß diese Übereinstimmung so weit reicht, daß im Prinzip - und nur im Prinzip kann das ja der Wissenschaftsrat erwarten - die grundlegenden Gedankengänge und Vorschläge des Wissenschaftsrats berücksichtigt werden sollen.
Nach wie vor bleiben einige Dinge strittig und müssen überlegt werden: Strittig bleibt, ob Studiengänge mit differenzierten Ausbildungszielen in Anbetracht der modernen Entwicklung vernünftig und notwendig sind, und strittig bleibt, wie man das Problem der Promotion und des Doktortitels künftig regeln soll. Wenngleich wir hier nicht gezwungen sind, das bei der Kontrolle der Bundesregierung - wenn diese Rechtsverordnungen erlassen werden - und bei der Änderung der Bundesärzteordnung zu entscheiden, so stimme ich doch mit meinem Kollegen Dichgans darin überein, daß wir uns hierzu politisch äußern sollten.
Wenn ich mich dazu politisch äußern darf: Ich meine, daß Studiengänge mit differenziertem Ausbildungsziel, soweit es sich um Dozenten und Lehrpersonen an den Hochschulen handelt, unumgänglich sind und ,die Entwicklung schon selbst dazu führen wird. Wir sollten das nicht bremsen, sondern der Entwicklung überlassen. Ich sehe keine Zersplitterung der Einheitlichkeit des ärztlichen Berufsstandes durch solche speziellen Ausbildungswege mit einem bestimmten Ausbildungsziel und einer bestimmten Qualifikation. Ich sehe keine Beeinträchtigung eines einheitlichen Berufsbildes darin, daß solche akademischen Grade an -den Universitäten selbst später verliehen werden.
Die Frage der Promotion ist nicht ganz unwichtig. Ich meine, man sollte einen Mittelweg finden zwischen den Vorschlägen des Wissenschaftsrats und den berechtigten Wünschen der Ärzteschaft, doch einen Doktortitel und eine Qualifikation hierzu zu verlangen. Man müßte sich überlegen, in welchen Zeitabschnitt des Studiums eine solche Arbeit einzubauen wäre. Dann hätte der Examenskandidat die Möglichkeit, eine solche Doktorarbeit zu erstellen. Man müßte sich überlegen, wie groß der Zeitaufwand dafür zu veranschlagen wäre und welche Ansprüche daran zu stellen wären.
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Was ist neu an der Antwort der Bundesregierung auf die Frage zur Reform des Medizinstudiums? Für mich ist neu das Bekenntnis dazu, daß die Sozialmedizin und auch die Arbeitsmedizin besonders wichtige Grundlagen der ärztlichen Tätigkeiten sind - ich meine, daß sie in den kommenden Jahrzehnten noch sehr viel größere Bedeutung erreichen werden - und bei der Ausbildung des jungen Arztes mehr berücksichtigt werden sollen als bisher. Insofern halte ich die hier heute etwas zwangsweise hergestellte Parallelität zur Ausbildung der Ärzte auch in der Sportmedizin nicht ganz für gegeben. Es ist eben doch etwas anderes, ob eine Individualmedizin mit dem Schwerpunkt auf Individualbehandlung und Individualkausalität unterrichtet wird, ob .es - wie der Wissenschaftsrat betont - im wesentlichen darauf ankommt, daß der junge Studierende sich mit den Problemen der klinischen Medizin zu beschäftigen habe, oder aber ob für kommende Jahrzehnte - und für diese bilden wir die Ärzte heute aus - die Fragen der Relation zwischen Einzelwesen und Gemeinschaft und Gesellschaft, die Fragen des körperlich Krankseins oder des körperlich Gesundseins in Abhängigkeit auch von geistigen oder psychischen Fehlhaltungen oder auch besonders positiven Einstellungen, die Fragen der Relation zwischen Gesellschaft und dem einzelnen Menschen überhaupt - auch als KrankheitsDr. Meinecke
faktor der Beruf oder vielleicht sogar unserer gesamten Lebensweise - mehr als bisher in den Mittelpunkt sowohl kausaler als auch therapeutischer Betrachtung gestellt werden sollten! Das ist letzten Endes das, was wir uns unter sozialer Medizin vorstellen. Das steht denn auch mit den Vorschlägen des Wissenschaftsrats nicht in Widerspruch, weil es sich hier nicht um einen Nebenfall oder um einen Einzelfall handelt, sondern um ein Prinzip der gesamtmedizinischen Betrachtung.
Anläßlich der Protesaktionen der deutschen Studentenschaften haben wir eine interessante Erfahrung gemacht. Ich bin mit Ihnen wahrscheinlich einer Meinung, wenn ich sage: ich lehne eine Politisierung der Wissenschaft ab. In einigen Fakultäten und Disziplinen schien es so, als ob besonders radikale oder linksgerichtete oder sich für fortschrittlich haltende Gruppen der Studentenschaft für solch eine Politisierung der Wissenschaften plädierten. Das war aber nur ein vorübergehendes Stadium. Aus dieser vorübergehenden Politisierung ist doch bald herausgekommen, zumindest für den Bereich, über den wir heute diskutieren: klarzumachen, daß Wissenschaft in jedem Fall eine Seite hat, die politik-, gesellschafts- und gemeinschaftsbezogen ist. Das veranlaßte den VDS damals, anläßlich des Jubiläums des Wissenschaftsrats zu betonen, daß gerade die Behandlung der Forderungen der Gesellschaft an die Individualmedizin, aile ökologischen Fragen, die Sozialmedizin und die Arbeitsmedizin, in einem weitaus größeren Maße als bisher gefördert werden sollten. Ich meine, dies-er Beitrag des Protestes der deutschen Studentenschaften sollte von uns heute positiv bewertet werden.
Was steht denn hinter dem Ausbildungsziel der Ärzte, hinter einer Studienreform und letzten Endes hinter der Kardinalfrage der ausreichenden Versorgung unserer Bevölkerung durch Ärzte? Wir geben zu, daß ohne diese Ärzte, ohne gute und modern ausgebildete Ärzte keine moderne Gesundheitspolitik, aber auch keine Vorsorge, auch keine moderne Individualtherapie betrieben werden kann. Ich glaube, es steht dahinter - und ich wäre dankbar, wenn das Ministerium dazu nachher noch einige Worte sagen könnte - das bedeutsame Problem: Haben wir nun eigentlich zuviel Ärzte? Haben wir zuwenig Ärzte? Sollen wir restriktive Maßnahmen ergreifen oder nicht? Wie stellt sich dieses Problem heute?
Es sind hier bittere Vorwürfe gefallen, -daß gerade zu einem Zeitpunkt, als die deutsche Ärzteschaft vor der Ergreifung des Medizinstudiums gewarnt habe, staatliche Stellen dazu animiert hätten. Nun, meine Damen und Herren, -das ist unwahr. Es hat niemand animiert, es hat nur jemand gewarnt, von der Ergreifung eines Studiums, eines Berufs abzuraten, ohne daß man in der Lage gewesen wäre, klare Zahlen darzulegen über den künftigen Bedarf an Ärzten, an im Gesundheitswesen tätigen Menschen, und über die Ausbildungskapazitäten auf der anderen Seite sowie über -das Ausmaß, auf das diese Ausbildungskapazitäten heraufzuschrauben oder eventuell nicht heraufzuschrauben sind. Das lesen Sie doch im Bericht der Bundesregierung über den Stand der Bildungsplanung, daß solche Zahlen in Wirklichkeit eben leider nicht vorliegen.
Wir haben Zahlen, und wir wissen, daß wir heute mit der Flut von Jungakademikern nicht so richtig fertig werden. Wir erleben jetzt die Flut junger Ärzte, die aus den Jahren 1961 und 1962 stammen, als sich der Anteil der Medizinstudenten an der Gesamtzahl der Studieren-den plötzlich von 8,4 auf 12,6 % erhöht hat. Bis 1966 ist dieser Anteil wieder auf 7,9 % heruntergegangen, so daß es ja gar nicht heraus ist, ob dieser Ausstoß aus den Universitäten in den kommenden Jahren noch bleibt. In der gleichen Zeit hat sich übrigens der Anteil der Studierenden für Mathematik und Naturwissenschaften von 16 % auf 24 % erhöht. Dièse Entwicklung wird auch weitergehen.
Es gibt also Trends, es gibt beliebte Berufe, und es gibt dann wieder die Neigung, andere Berufe zu ergreifen. Wir wollten damals nicht gerne, daß man etwas tut, ohne diesen Bedarf an Akademikern zu kennen, wobei dann natürlich einzubeziehen wären Fragen der internationalen Erwartungen anderer Länder an uns, Fragen des Engagements der Bundesrepublik in anderen Ländern, vielleicht auch mit menschlichen Hilfs- und Arbeitskräften, Fragen des Bedarfs an Ärzten, die allgemein „gesellschaftsbezogen", z. B. im öffentlichen Gesundheitsdienst, aber auch bei der Bundeswehr, zu beschäftigen sind. Diese Zahlen lagen nicht vor. Wir hörten nur immer wieder von einer Mangellage. Die-se Mangellage wollten wir aber nicht sich verschärfen lassen. Darum haben wir damals gesagt, man sollte nicht einseitig - nur aus standespolitischen Gründen - vor der Ergreifung eines Studiums warnen, ehe man es mit Zahlen belegen kann. Nun liegen ja jetzt Zahlen vor, und man kann dankbar sag-en, daß sich das Gesundheitsministerium um die Frage des künftigen Akademikerbedarfs bemüht. Hier geht es speziell um die Ärzteschaft, aber das kann .ein sehr vernünftiger Modellfall für solche Betrachtungen werden, die wir auf allen Gebieten anstellen müssen. Ich wäre dankbar, wenn das Ministerium der deutschen Öffentlichkeit bald über -die Gutachten, die in seinem Auftrage erstellt worden sind, eine Information gibt, damit man auf -dem Gebiet der Bildungsplanung die entsprechen-den Konsequenzen ziehen kann.
Die Frage, ob es zuviel oder zuwenig Ärzte gibt, klärt sich ja sehr rasch an unseren Grenzen. Natürbin ich der Meinung, daß die Länder jetzt sehr rasch und sehr flexibel den Medizinalassistenten Plätze in ihren Ausbildungsstätten gewähren sollten und daß sie sehr rasch flexibel in der Anrechnung der verschiedenen Disziplinen verfahren sollten. Hamburg hat da ein Beispiel gegeben; wir haben das Problem in meiner Vaterstadt nicht mehr. Schauen wir aber über die Grenzen unseres Landes, so stellen wir fest, daß wir - das wird durch eine Feststellung der Weltgesundheitsorganisation bestätigt - in der gesamten Welt viel zuwenig Ärzte haben. Ich weiß nicht, wie in den nächsten 10 oder 20 Jahren unser Arrangement aussehen wird, aber es könnte sein, daß man jungen Ärzten stärker als bisher sagen wird, sie sollten in ihre Zukunftsbetrachtungen auch
einmal einbeziehen, daß ein mehrjähriger Dienst in deutschen Hospitälern im Ausland oder auch bei fremden Nationen als deutscher Arzt mit dem Erfahrungsgut, das sie an unseren Universitäten gesammelt haben, nützlich sein könnte.
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Man sollte den jungen Ärzten aber auch sagen, daß sie es sich auch bei ihrem Berufsbild gefallen lassen müssen, daß das Schwergewicht in der ärztlichen Arbeit von der individuellen Behandlung verschoben wird zu Vorsorgeuntersuchungen, d. h. zu Untersuchungen an Menschen, die eben noch nicht krank sind, daß so etwas vielleicht wesentlich langweiliger und uninteressanter sein kann, aber doch auch eine hohe Verpflichtung gegenüber der Gemeinschaft und der Gesllschaft bedeutet. Man sollte betonen, daß allgemein-soziale Aspekte in Zukunft bedeutsamer werden, als sie es bisher waren, und man sollte sagen, daß sich damit die Felder und die Gebiete ärztlicher Betätigung in den kommenden Jahrzehnten verlagern werden. Man sollte auch sagen, daß derjenige, der einen freien Beruf erwählt, natürlich auch ein gewisses Risiko tragen muß.
Ich möchte zum Schluß noch sehr weniges sagen über die Frage der Umweltschäden und nicht speziell noch einmal auf Luft, Wasser und Lärm eingehen. Ich möchte nur ganz gern andeuten, daß wir, wenn wir die Aufwendungen des Gesundheitsministeriums für das gesamte Gebiet der Ressortforschung betrachten, hier heute dankenswerterweise feststellen können, daß sich in den Jahren 1965 bis 1968 dieser Betrag fast verdoppelt hat und daß die Aufwendungen in anderen Ressorts hier in einer anderen Weise gestiegen sind, nämlich nicht in dem gleichen Ausmaß. Das ist eine durchaus vernünftige und moderne Entwicklung, und wer einen Blick über die Grenzen wirft, wird feststellen, daß es in allen Kulturnationen im Augenblick so aussieht. Wir haben anläßlich einer Informationsreise sehr exakt den Berater des Präsidenten der Vereinigten Staaten, Mr. Horning - Herr Dr. Schmidt hat ja vorhin diese Institution angeführt -, gefragt: Wie hat sich denn nun eigentlich in einem solchen Land, das gewohnt ist, zukunftsbezogen auch in der Forschung zu denken, das Schwergewicht in der Forschung und die Aufwendung der Mittel hierfür in den letzten zehn Jahren verändert? Da kann man feststellen, daß eindeutig betont wird: Immer mehr rücken die Probleme der Forschung in den Vordergrund und werden auch die entsprechenden Mittel dafür bewilligt, die sich mit dem Menschen in seiner Umwelt, mit Auswirkungen der Umwelt, der Technik, der Zivilisation auf den Menschen, mit der Reaktion des Menschen und damit beschäftigen, wie man hier eine schadhafte und krankhafte Entwicklung vermeiden kann. Ich bin kein Futurologe. Aber es gibt da Sitzungen, internationale Tagungen - ich erinnere an den Bericht über die Ciba-Foundation im Jahre 1962 in London -, die übereinstimmend ein sehr deutliches Bild der Entwicklung der nächsten 10 oder 20 Jahre abzeichnen. Das geht von persönlichkeitsverändernden Drogen, das geht über die Beeinflussung der Intelligenz durch Drogen, das geht von automatischen und elektronischen Prothesen in einem Ausmaß, wie wir es uns nicht träumen lassen, aus. Da kommen viele Dinge auf uns zu, deren Gefährdung wir heute nicht ahnen können und hinsichtlich deren wir auch nicht über vernünftige Daten verfügen. Von daher muß ich auch sagen, daß das Verharren bei einer subsidiären Betrachtungsweise dieser Entwicklung nicht Rechnung trägt. Ich würde mir ein Ministerium wünschen, das zur gegebenen Zeit, wenn solche Schäden einmal auftreten, auch die Möglichkeiten hätte, sehr rasch gesetzgeberisch aktiv zu werden. Ich würde mir ein Ministerium wünschen, das hier gewissermaßen den Finger am Puls der Zeitgeschichte hat bei einer Entwicklung, die immer rascher und rasanter und gewissermaßen aus einer Eigengesetzlichkeit der Technik selbst verläuft. Die Amerikaner haben das erkannt, und im allgemeinen vollziehen wir wenige Jahre später die dort beobachtete Entwicklung nach.
Frau Minister, wir leben in einer sehr männlichen Welt, und es wird gesagt und mit Recht wohl behauptet, daß diese sehr männliche Welt keine sehr humane Welt sei! Sie arbeiten in einem sehr männlichen Kabinett, Frau Minister, -- und ich möchte Ihnen viel Erfolg wünschen.
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Das Wort hat der Abgeordnete Spitzmüller.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Zunächst ein Wort zu Ihnen, Herr Dr. Schmidt ({0}). Ich glaube, wir Freie Demokraten waren schon richtig beraten, und das, was Herr Kubitza vorgetragen hat, steht in unmittelbarem Zusammenhang mit Ihrer großen Anfrage. Denn wenn Sie fragen, welche gesundheitspolitischen Maßnahmen hält die Bundesregierung für vordringlich, um Gesundheitsvorsorge für alle auf einen den Erkenntnissen der Wissenschaft usw. entsprechenden Stand zu bringen, dann hat nicht nur die Arbeitsmedizin dahinzugehören, sondern dann gehört als Farbtupfer - wenn ich an die Debatte von gestern abend erinnern darf-auch die Sportmedizin hinein, daß auch ihr eine besondere Aufmerksamkeit gewidmet wird. Darum geht es uns, daß dieser fehlende Farbtupfer auch noch in die Debatte eingeführt wurde.
Herr Kollege Dr. Bardens hat es freundlicherweise unternommen, über die schwierige Situation der deutschen Krankenhäuser hier bereits tiefschürfende Ausführungen zu machen und das mit Zahlen zu belegen. Herr Dr. Dittrich ist ebenfalls sehr eingehend in diese Fragen eingestiegen. Ich glaube, daß ich mich deshalb kurz fassen kann.
Wer nun die Seiten 11 und 12 dieser Antwort durchliest, dem wird, wenn er schon länger als Abgeordneter hier im Hause tätig ist, eines deutlich: Die Krankenhausversorgung ist bei uns nicht gut geregelt. Die finanzielle Situation der Krankenhäuser verlangt Änderungen, verlangt Abhilfe. Nun hat die Regierung eine Grundgesetzänderung vorgeschlagen, aber gleichzeitig muß die Bundesregierung zugeben, daß sie noch nicht weiß, ob diese
Grundgesetzänderung auch so aussehen wird, daß sich daraus finanzielle Konsequenzen für den Bund ergeben. Das sind dann wieder Fragen, die mit der Finanzreform im Zusammenhang stehen.
Es bleibt also für uns die Frage: Was geschieht auf dem Wege der Krankenhausversorgung und der finanziellen Verbesserung der Lage der Krankenanstalten? Nach dem geltenden Recht haben wir nur die Möglichkeit, den Krankenhäusern über das Preisrecht zu helfen. Nun hat dieser Deutsche Bundestag im März 1966 über diese Frage debattiert, und es lagen zwei Anträge vor, einer von der SPD und ein etwas abgemilderter oder, wenn Sie so sagen wollen, nicht so weitgehender der damaligen Koalitionsfraktionen CDU/CSU und FDP. Verabschiedet wurde dann am 1. Juli 1966 eine Fassung des Wirtschaftsausschusses, die eigentlich, so wie ich es übersehe, dem Ministerium die Hände bindet, überhaupt etwas auf dem Wege des Preisrechts zu tun, bevor der vom Bundestag angeforderte Bericht vorliegt.
Wir haben also keinerlei Veranlassung, dem Ministerium hier irgendwelche Vorwürfe hinsichtlich der schwierigen Finanzlage der Krankenanstalten zu machen. Wir haben klug und weise, wie wir gelegentlich sind, dem Ministerium einen Auftrag erteilt, aber wir waren nicht so klug und weise,, überblicken zu können, daß es bis zur Erfüllung dieses Auftrages zwei- oder zweieinhalb Jahre dauern würde und wir uns und dem Ministerium damit selbst mit den Möglichkeiten, die uns gesetzlich gegeben sind, den Weg versperren.
Es ergibt sich für uns als Freie Demokraten aber nun die sorgenvolle Betrachtung: Das geltende Recht können wir, wenn wir nicht über unseren eigenen Schatten vom Juli 1966 springen wollen, gar nicht anwenden, über das Preisrecht noch einmal irgendwie ein bißchen regulierend einzugreifen. Wir wissen nicht, wann wir das neue Recht bekommen. Selbst wenn wir es bekommen, wird es sicherlich eine geraume Zeit von Monaten - hoffentlich nicht zweieinhalb Jahre wie die Befragungsaktion - dauern, bis es angelaufen ist. In dieser Zeit kann also auch nichts geschehen. Wenn finanzielle Verpflichtungen des Bundes im Rahmen der Änderung der Finanzverfassung damit verbunden sind, wird bis 1972 auch nichts geschehen können, weil in der mittelfristigen Finanzplanung nichts vorgesehen ist.
Es stellt sich deshalb, Frau Ministerin, die Frage, wie bei dieser Zwickmühle, in die wir uns eigentlich ein bißchen durch eigenes Verschulden hineinbewegt haben, den Krankenhäusern in den nächsten drei oder vier Jahren geholfen werden kann. Ich sehe die Gefahr, daß hier tatsächlich unter Umständen in den nächsten zwei, drei, vier Jahren nichts geschieht. Ob über das Preisrecht oder über die Grundgesetzänderung etwas geschehen soll, ist eine offene Frage, denn offensichtlich, Frau Ministerin, haben Sie nicht den Wunsch oder den Willen, falls die Grundgesetzänderung fällt oder falls der Bericht, den der Bundestag angefordert hat, im Dezember hier vorliegt, dann über das Preisrecht, was möglich wäre, noch etwas zu regulieren. Wir wären sehr dankbar, wenn Sie sich zu dieser verzwickten Fragestellung, wie - nach Ihrer Meinung - in den nächsten drei, vier Jahren hier überhaupt etwas geschehen kann, auslassen würden. Was Sie zu der Frage der Krankenhausversorgung auf Seite 11 sagen konnten, konnte sich natürlich nur mehr oder weniger in allgemeinen Feststellungen erschöpfen. Ich fürchte, daß genauere, detaillierte Zahlen Ihnen auch nicht vorliegen oder nicht in ausreichendem Maße vorliegen und Sie sich erhoffen, daß durch die Auswertung der Fragebogenaktion hier einiges deutlicher werden wird.
Sie haben einige Fragen angesprochen, aber es drängen sich neue, zusätzliche Fragen auf. Wir hätten die Bitte an Sie, Frau Gesundheitsministerin, uns vielleicht einmal im Ausschuß über die regionale Verteilung der als überaltert bezeichneten Krankenhäuser unter Berücksichtigung der Bettenzahl etwas Näheres mitzuteilen. Vielleicht gibt es da sogar Hinweise auf Gründe für die Konzentration überalterter Krankenhäuser in bestimmten Regionen. Es wäre sicherlich interessant, das auch einmal amtlich zu bekommen, unter Umständen auch mit den Hinweisen, aus welchen historischen oder sonstigen Gründen sich die Verhältnisse so entwickelt haben. Wir hätten die Bitte, uns detailliertere Hinweise über die Regionen zu geben, in denen die Bettenkapazität nicht dem Bedarf des Einzugsgebietes entspricht.
Sehr verehrte Frau Ministerin, daran möchte ich noch folgendes anschließen. Es ist eigentlich ein Widerspruch in sich, daß Sie in der Vorlage festlegen, daß die Krankenhäuser, die älter als 40 Jahre sind, nämlich vor 1920 gebaut worden sind, als überaltert bezeichnet werden. In der Pflegesatzverordnung werden aber keineswegs Abschreibungssätze anerkannt, die davon ausgehen, daß Krankenhäuser nach 40 Jahren überaltert sind. Auf diesen Widerspruch möchte ich in dem Zusammenhang in aller Freundlichkeit hingewiesen haben.
Wir stellen die Frage: Auf welchem Wege beabsichtigt die Bundesregierung das, wie Sie es nennen gesundheitspolitisch nicht zu vertretende Gefälle in der Krankenhausversorgung zu beseitigen? Herr Kollege Dr. Bardens hat hier ein instruktives Beispiel dafür gegeben, welche Wirkungen auftreten können, wenn man dieses Gefälle beseitigen will. Sie haben gesagt: Ludwigshafen baut mit 10% Zuschuß von Landesmitteln, der ohnehin noch ein bißchen in den Sternen steht; Mannheim hat mit 50 % Zuschuß gebaut, der schon ausgezahlt ist oder mindestens teilweise schon fließt. Wenn Sie das Gefälle beseitigen wollen, fragen wir Sie: Wie wollen Sie es beseitigen, etwa so, daß Bundesländer wie Baden-Württemberg oder Nordrhein-Westfalen, die sich bisher angestrengt haben, sicherlich aufgeschreckt auch durch die Haltung des Bundestages in den verschiedensten Debatten, dafür bestraft werden, daß sie rechtzeitig aufgewacht sind, und daß die anderen das nachgeholt bekommen? Oder wie? Hier sind die Probleme zwar aufgezeigt. Aber die Wege, wie sie sinnvoll und gerecht gelöst werden können, werden nicht ganz leicht aufzuzeigen sein.
Welche realen Möglichkeiten sehen Sie, Frau Ministerin, Fehlinvestitionen zu vermeiden, wenn Sie die Auffassung vertreten, daß der vollkostendeckende Pflegesatz eine Gefahr bedeuten würde?
Haben Sie irgendwelche Fakten, auf Grund deren Sie zu dem Ergebnis kommen können, daß die Gefahr von Fehlinvestitionen bei einem vollkostendeckenden Pflegesatz größer ist als bei allen anderen denkbaren Lösungen? Das ist eine Frage, die ebenfalls beantwortet werden sollte.
Wir fragen auch: Welche Untersuchungen und Vorstellungen sind überhaupt vorhanden, um, wie Sie es nennen, die notwendige langfristige, ordnende und koordinierende Planung der Länder bedarfsgerecht durchzuführen?
Eine Fülle von Fragen, die sich anschließen würden, will ich zurückstellen. Wir werden sie im Ausschuß vorbringen. Aber noch ein Wort zur Verweildauer. Wie soll die Verweildauer eigentlich verkürzt werden? Welche anderweitigen Versorgungsmöglichkeiten sieht die Bundesregierung gerade im Hinblick auf alte oder alleinstehende Menschen, die zwar nicht mehr unbedingt krankenhauspflegebedürftig sind, aber die doch einer Pflege und Versorgung durch andere bedürfen?
Herr Dr. Bardens hat hier sogar die Forderung erhoben, die Lenkung oder Koordinierung des Personalbedarfs ins Auge zu fassen. Herr Kollege Bardens, wir sind uns einig, daß versucht werden soll, sicherzustellen, daß in den besten Institutionen auch die bestausgebildeten Leute sind. Sie haben das Wort „Lenkung" nicht gebraucht. Aber die Gefahr ist immer groß, daß aus der Koordinierung gleich eine Bedarfslenkung entsteht. Wir sind uns einig, daß hier vieles noch zu tun ist. Aber wir geben der Hoffnung Ausdruck - das möchten wir klarstellen -, daß das Wort „Koordinierung" nicht anders auszulegen ist, wenn Sie es verwenden. Wir wollen versuchen, durch Koordinierung Hilfestellung zu geben, zu besseren Lösungen zu kommen, denken aber keineswegs an eine Planung oder Lenkung in schon einmal dagewesenem Sinne.
Zum Schluß darf ich zur Lage der Krankenhäuser vielleicht eines feststellen: die deutschen Krankenhäuser leben von der Hand in den Mund. Wenn nicht bald Abhilfe geschaffen wird, dann ist die Folge die, daß wir in unseren Krankenhäusern mit dem Leistungsstand unter das Niveau eines modernen Industriestaates absinken. Die jetzige Lage, die durch die Bundespflegesatzverordnung und die zusätzliche Situation, die der Bundestag geschaffen hat, markiert ist, führt dazu, daß den . Krankenhausträgern, vor allem den frei-gemeinnützigen und den privaten Krankenhausträgern, wie bei einer Strangulation langsam, aber sicher die Luft ausgeht. Aber auch den neuen modernen Krankenhäusern, die allen Anforderungen der medizinischen Erkenntnisse und Erfordernisse entsprechen, die also kostenintensiv eingerichtet worden sind, geht früher oder später die Luft aus, wenn nicht in den nächsten Monaten hier etwas geschieht, wenn durch diesen Bundestag nicht noch im Sinne einer Stützung der Krankenhäuser in ihrer Finanzlage etwas unternommen wird.
Und noch eine letzte Frage muß ich anschließen, Frau Ministerin: Sie sprechen bei den Finanzierungsfragen von den kommunalen und von den freigemeinnützigen Krankenhäusern, und Sie erwähnen die Privatkrankenanstalten nicht; diese sind ausgeklammert. Was soll mit ihnen werden? Sind sie nur versehentlich nicht genannt, weil es eine dritte kleine Säule ist, die nur 8% der Betten stellt, oder ist gedacht, daß sie abgeschafft werden und zum Aussterben verurteilt sind? Es wäre gut, wenn Sie auch dazu noch eine Antwort geben könnten.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Ministerin, Sie haben angekündigt, daß das Kabinett eine Grundgesetzänderung wünscht. Wie schwer es sein wird, im Bundesrat eine Mehrheit zu finden, ist schon ausgeführt worden. Unsere Zustimmung zu einer solchen Änderung können Sie aber erst dann erhalten, wenn wir klar und deutlich erkennen können, was Sie mit den neuen Zuständigkeiten tatsächlich anfangen wollen, welche Entwicklung im Krankenhauswesen, in der Gesundheitspolitik Sie mit so veränderten Zuständigkeiten dann tatsächlich einleiten. Das ist aus der Beantwortung der Großen Anfrage für uns noch nicht so deutlich geworden, daß wir uns heute schon in irgendeiner Richtung bindend festlegen können.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Jungmann.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Schmidt hat eingangs dieser unerwartet langen Diskussion gesagt, daß sie seiner Meinung nach dringend nötig sei und daß sie schon längst einmal hätte geführt werden müssen. Nun, Sie sehen, daß hier auch ein gewisser Nachholbedarf zu erfüllen war, und- für manchen Kollegen mag es ein wenig langweilig sein, nun diesen Überlegungen im einzelnen folgen und manche Wiederholungen über sich ergehen lassen zu müssen.
Aber es ist in der Tat so, daß dies .die erste gesundheitspolitische Aussprache im Deutschen Bundestag ist, die nun durch die Große Anfrage der SPD ausgelöst worden ist. Wir begrüßen das und sind deshalb nicht nur in der Lage, sondern auch gezwungen, unsere Auffassungen hier vorzutragen.
Herr Kollege Schmidt hat dann später gesagt, daß es ihm nicht richtig erscheine, daß hier Einzelfälle oder Detailprobleme behandelt werden sollten, aber wohl alle Redner haben solche Detailfragen angesprochen. Das Ganze besteht eben aus Einzelheiten, und wenn man vernünftig argumentieren will, kann man sich ja nicht nur in allgemeinen Thesen ergehen, dann muß man schon etwas Konkretes zur Sache sagen.
Ich hoffe nun, daß es mir jetzt am Ende dieser langen Debatte möglich ist, noch etwas Konkretes beizutragen, und daß ich mir nicht auch den Vorwurf zuziehen werde, daß ich mich in allgemeinen Überlegungen ergangen hätte. Aber die Große Anfrage hat ja den Sinn, hier einmal die Grundlagen und die Grundpositionen der Gesundheitspolitik des Bundes zu erörtern und festzustellen, wo sie liegen, ob sie gegeben sind und in welchem Umfang sie gegeben sind.
Hier ist schon .an ,den ersten Gesundheitsminister, Frau Dr. Schwarzhaupt, erinnert worden. Ich möchte das auch noch einmal im Namen meiner Fraktion in voller Anerkennung ihrer Arbeit tun. Ich glaube, es ist auch angebracht, hier noch einmal an die Gründe zu erinnern, die ,den damaligen Bundeskanzler Adenauer veranlaßt haben, das Bundesgesundheitsministerium gegen viele Widerstände ins Leben zu rufen. Ihm als Realpolitiker war klargeworden, .daß eine Reihe von .drängenden Problemen für unser Leben, z. B. das Lebensmittelrecht, aber auch das Wasserrecht - von der Reinhaltung der Luft, vom „blauen Himmel", war auch .damals in politischen Kreisen ja schon sehr viel die Rede -, nur dann zu lösen sind, wenn man das Interesse der Bevölkerung an Fragen der Gesundheit als Motor einspannt und dafür sorgt, daß hier die Akzente richtig gesetzt werden. Der „blaue Himmel" wird ja nicht nur zum Spaß gefordert, reine Luft und reines Wasser sind notwendig, damit die Menschen in dieser idurch Technik und Zivilisation veränderten Welt Lebensbedingungen finden, die sie nicht krank machen.
Die Initiatoren des Gesundheitsministeriums hatten, als es gegründet wurde, eine Absicht 'sicher nicht, nämlich eine Gesundheitsfürsorge von der Wiege bis zur Bahre ins Leben zu rufen; unid das ist auch oft genug zum Ausdruck gekommen.
Hinter den Einzelheiten steht .die Frage einer Änderung des Grundgesetzes, mit der wir uns jetzt auseinandersetzen müssen. In diesem Zusammenhang muß man sich ein .der Tat .die Fragestellen: Wo liegen denn eigentlich die Aufgaben des Gesundheitsministeriums, noch allgemeiner ausgedrückt: wo liegen die Aufgaben der Gesundheitspolitik des Staates? Eine weitere Frage dabei ist, wie diese Aufgaben dann im einzelnen zwischen Bund, Ländern, Gemeinden und anderen Instanzen zu verteilen sind.
Ich möchte gleich im voraus zum Ausdruck bringen, ,daß die Gesundheitsvorsorge meiner Meinung nach in der Tat der eigentliche Inhalt ,der Gesundheitspolitik ist. Gesundheitsvonsorge ist aber ein Begriff, der mit Inhalt gefüllt werden muß. Unserer Auffassung nach gehört zur allgemeinen Gesundheitsvorsorge all das, was der moderne Staat Sinne der Daseinsvonsorge für seine Bürger tun muß. Nicht dazu gehört aber .der persönliche, immer größer wendende individuelle Bereich, der die Gesundheit des .einzelnen Menschen, seiner Familie, ,seines, engsten Lebenskreises, betrifft. Dazwischen gibt esselbstverständlich Übergänge, .die jeder denkende Mensch sieht. Das muß man, glaube ich, auseinanderhalten, wenn man nicht in .die Irre geraten
will.
Es ist auch klar, daß die großen Seuchen, die in der Vergangenheit, jahrhundertelang, das Schicksal der Menschheit bestimmt haben, heute glücklicherweise beseitigt sind und daß andere gesundheitspolitische Probleme in den Vordergrund getreten sind. Das sind die, die durch die Zivilisation, durch die Umwelt, in der wir leben, hervorgerufen worden sind.
Ich glaube aber, daß es auch nötig ist, bei dieser Gelegenheit gleich einen anderen Irrtum auszuräumen, einen Irrtum, in den man leicht verfällt: daß es ein Erfolg der Gesundheitspolitik vergangener Zeiten gewesen sei, daß die Seuchen ausgerottet worden sind. Es ist aber doch wohl so, daß die Ursache dafür in den Erfolgen der Medizin zu sehen ist, wobei der Staat allenfalls beigetragen hat, was er dazu beitragen konnte. Da die gesundheitspolitischen Aufgaben des Staats in den vergangenen Jahrzehnten aber noch nicht so wie heute gestellt waren, muß man sagen, daß es in der Tat überwiegend die Leistung der modernen Medizin gewesen ist, die zu der Ausrottung von Seuchen geführt hat.
Dieser Gesichtspunkt ist wichtig, weil wir deshalb auch jetzt nicht glauben sollten, alles dem Staat anvertrauen und vom Staat erwarten zu müssen, wenn wir mit den anderen Gefahren unseres Lebens heute und morgen fertig werden wollen.
Es gibt noch ein anderes gesundheitspolitisches Problem, das im Vordergrund des öffentlichen Interesses steht - das hat auch diese Debatte ergeben -: das ist das Krankenhauswesen.
Immer dann, wenn irgendwo in Deutschland etwas nicht funktioniert, und immer, wenn sich da und dort Beanstandungen ergeben oder Schwierigkeiten auftreten, ruft man nach dem „großen Bruder", nach dem Bund, der diese Dinge, sei es finanziell oder durch seine planende oder ordnende Hand, in Ordnung bringen soll. Das ist beliebt, das kommt an. Aber es ist doch sehr oft eigentlich nur das Feigenblatt für eigene Unzulänglichkeit; denn was soll der Bund denn anderes tun, als finanzieren, planen oder regeln.
Hier habe ich, nachdem ich ursprünglich auch einmal anderer Meinung gewesen bin, je länger, desto mehr eingesehen, daß die Länder nicht mit Unrecht sagen, daß das ihre Aufgabe ist, und zwar nicht im Sinne von Kompetenzen und Verwaltungsabgrenzungen, sondern einfach von der Aufgabe her, in ihrem Bereich die Lebensbedingungen der Menschen zu verbessern oder so gut wie möglich zu gestalten.
Auch die Kommunen spielen dabei eine große Rolle, und auch das ist in erster Linie eine Frage der Finanzierung. Die Planungsaufgaben sind von den Ländern schon weitgehend gelöst worden. Daß es gewisse Koordinationsprobleme an den Ländergrenzen gibt, ist eine sekundäre Frage. Aber daß der Bund nun über die Finanzierung auch die Planung in die Hand nehmen soll, das gefällt den Ländern nicht - ich glaube, man kann das verstehen -, und sie sind deshalb der Meinung, daß das eine unzweckmäßige und aus ihrer Sicht nicht wünschenswerte Entwicklung ist.
Ich sage ausdrücklich, daß hier die Diskussion noch nicht abgeschlossen ist. Aber es dreht sich ja letzten Endes darum, wie man z. B. bei 'der vor uns stehenden großen Finanzreform die Aufgaben verteilt und daß mit den Aufgaben natürlich auch die Mittel so zugeteilt werden sollen, daß die Aufgaben erfüllt werden können. Dabei könnte man natürlich sagen: .es ist unberechtigt, den Ländern zu miß9954
trauen und anzunehmen, daß sie das Geld, das ihnen dann sozusagen für bestimmte Aufgaben, z. B. für die Krankenhäuser, zugewiesen wäre, für andere Zwecke verbrauchen würden, wie umgekehrt auch der Vorwurf unberechtigt wäre, daß der Bund diese Dinge lieber von sich aus regeln und den Ländern die Verantwortung dafür wegnehmen wolle.
Das klingt für den Staatsbürger vielleicht nicht sehr überzeugend. Sie sind vielfach der Meinung, daß alles gut geregelt ist, wenn es möglichst einheitlich und möchlichst zentral geregelt ist. Je länger man im politischen Leben steht, desto mehr lernt man, daß diese Meinung nicht den Tatsachen entspricht.
Nun könnte hier der Eindruck entstanden sein, daß unser Krankenhauswesen doch sehr verbesserungswürdig sei. Ich will Ihnen hier nicht neue Zahlen auftischen, zumal die Zahlen, die hier genannt worden sind, alle richtig sind. Aber es wurde schon gesagt, daß Zahlen allein noch nichts darüber aussagen, wie die Krankenhausversorgung in diesem oder jenem Lande tatsächlich ist, ob sie gut ist, ob sie ausreichend ist, ob sie schlecht ist.
Ich möchte deshalb feststellen, daß sich unser deutsches Krankenhauswesen verglichen mit ausländischen Krankenhauswesen nicht nur sehen lassen kann, sondern daß unsere Krankenhäuser im internationalen Vergleich sogar einen guten Platz einnehmen.
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Natürlich gibt es auch alte Krankenhäuser, natürlich gibt es Nachholbedarf. Wer wollte das bestreiten? Natürlich gibt es Finanzierungsschwierigkeiten! Das ist unvermeidlich. Aber es bleibt doch die Tatsache, daß unsere Krankenhäuser im ganzen gesehen gut sind, und wir sollten in unserer Bevölkerung nicht immer wieder den Eindruck erwecken, als ob es anders wäre, als ob es mit unseren Krankenhäusern schlecht bestellt wäre.
Vorhin hat mir ein Kollege zutreffend gesagt, daß es in Deutschland Kliniken gibt, die jeden Vergleich zwischen Wladiwostok und San Franzisko aushalten. Wir haben ganz hervorragende psychiatrische Krankenhäuser, besser müßte man wohl sagen, Kliniken. Und wir haben ganz erstklassige gefäß- und herzchirurgische Kliniken. Wenn wir uns bei dem internationalen Wettbewerb der Herzverpflanzungen noch nicht beteiligt haben, so bedeutet das nicht, daß wir auf diesem Gebiet rückständig seien. Ich kann Ihnen im Gegenteil nach bestem Wissen und Gewissen versichern, daß wir die internationale Spitzengruppe auch hier wieder erreicht haben.
Ich will noch ein anderes Stichwort aufgreifen, das Stichwort von dem gesundheitlichen Gefälle. Ich glaube, daß es vor allem unberechtigt ist, hier von einem Gefälle zwischen armen und reichen Ländern zu sprechen, obwohl das ja nahe läge. Die Erfahrung zeigt, daß bei aller Knappheit der Mittel überall in Deutschland die Länder und Gemeinden und die freien gemeinnützigen Träger nach dem Kriege außerordentlich viel geleistet haben, um das deutsche Krankenhauswesen auf einen international anerkannt guten Stand zu bringen. Das sage ich nicht, um damit zum Ausdruck zu bringen, nun brauchten wir nichts mehr zu tun. Ich glaube aber, daß das nach dieser Diskussion an dieser Stelle gesagt werden muß.
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Ich meine, daß die ständig notwendige Verbesserung des Krankenhauswesens auf verschiedenen Wegen erreicht werden kann und daß eine Grundgesetzänderung sicherlich nicht der einzige Weg ist, der sich da anbietet. Ich möchte nur an das Stichwort vom „kooperativen Föderalismus" erinnern, zu dem wir alle miteinander allerdings noch einiges beitragen könnten.
Von meinen Vorrednern ist schon mehrfach darauf hingewiesen worden, daß die Beantwortung der Großen Anfrage der SPD nicht eigentlich die Antwort der Bundesregierung, sondern mehr die Antwort des Bundesgesundheitsministeriums darstellt und daß sich dabei der Gedanke einschleicht, inwieweit hierbei doch auch gewisse parteipolitische Überlegungen eine Rolle spielen. Ich sage das ganz offen, nicht als Angriff, nicht als Kritik, lediglich als Feststellung. Ich bin nicht der Meinung, daß es in einer politischen Diskussion verfehlt wäre, wenn verschiedene Auffassungen und Zielsetzungen einander gegenübergestellt werden. Ich meine, daß man in einer freien Aussprache auch abweichende Meinungen vortragen kann, ohne daß sich daraus feindselige Kontroversen ergeben.
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Ich weiß mich mit meinem Kollegen im Gesundheitsausschuß - aus allen Fraktionen - darin einig, daß die gesundheitspolitische Diskussion aus dem bloßen Behandeln von Sachfragen und Detailfragen herausgeführt werden sollte und daß wir uns auch mit grundsätzlichen Fragen auseinandersetzen müssen.
Die Frage der Gesundheitsvorsorge ist vom Bundesgesundheitsminister im Namen der Bundesregierung als eine Frage der Verhütung und Bekämpfung von Krankheiten aufgefaßt und interpretiert worden. Es ist schon kritisiert worden, daß die Bundesregierung in ihrer Antwort eigentlich nur das vorgetragen hat, was zum Ressort des Bundesgesundheitsministeriums gehört, einem Ressort, das sich jetzt um größere Kompetenzen bemüht, das mit seinen heutigen Kompetenzen nicht zufrieden ist, verständlicherweise, wie ich ausdrücklich sagen möchte. Viele andere Fragen, die die Bundesregierung insgesamt angehen und die Bevölkerung insgesamt interessieren, sind dabei weitgehend außer acht gelassen worden. Ich meine die Fragen der gesetzlichen Krankenversicherung, die Fragen des Wohnungsbaus, die Fragen des Sports - die hier schon stark angeschnitten worden sind -, die Fragen der arbeitsmedizinischen Betreuung. Sie alle sind allenfalls am Rande erwähnt worden, aber sie spielen bei der Beantwortung einer Anfrage über die Gesundheitspolitik der Bundesregierung doch alle miteinander eine große Rolle. Man muß diese Dinge doch im ganzen sehen und darf sie nicht nur unter dem Blickwinkel der Kompetenz eines Ressorts sehen und behandeln.
Ich habe den Eindruck, daß bei der Beantwortung der Anfrage und bei den Wünschen nach Grundgesetzänderung etwas zu sehr der Gedanke Pate gestanden hat, daß der Staat viel mehr Verantwortung für sich in Anspruch nehmen will, und das auch auf Gebieten, auf denen er nach unserer Meinung keine übernehmen sollte, und sei es nur, daß der Schwerpunkt der staatlichen Mitverantwortung sehr viel stärker als bisher auf den Bereich der individuellen und persönlichen Verantwortung, in diesem Falle auf die individuelle und persönliche Gesundheitsvorsorge verlagert werden soll.
Frau Minister Strobel und die Kollegen von der SPD haben immer wieder - ich bin überzeugt: aus ehrlicher Überzeugung - vorgetragen, daß sie gar nicht daran dächten, einer Staatsmedizin oder einer Sozialisierung, sei es der Medizin, sei es der Ärzteschaft, das Wort zu reden, während auf der anderen Seite diese Befürchtungen immer wieder geäußert worden sind. Ich möchte ganz offen zum Ausdruck bringen, daß auch ich solche Sorgen habe.
Der Begriff der Gesundheitsvorsorge ist hier nicht mit der nötigen Klarheit umschrieben worden. Die allgemeine Gesundheitsvorsorge, die eine Aufgabe der Gesundheitpolitik des Staates ist, ist zurückgetreten gegenüber den vordergründigen Wunschvorstellungen in Richtung auf die Verhütung und Bekämpfung von Krankheiten. Ich glaube, daß dieser Gedankengang in seiner Zielrichtung nicht richtig ist. Frau Minister Strobel hatte sich ja schon seit langem zu diesen Themen geäußert. Wir kritisieren das gar nicht. Wir freuen uns, daß dadurch die gesundheitspolitische Debatte in einer bisher nicht dagewesenen Weise in Gang gekommen und lebendig geworden ist, daß Meinungen gegen Meinungen gestellt worden sind. Frau Strobel hat an vielen Stellen gesagt, daß die vorbeugende Medizin die Medizin der Zukunft sei. Das stimmt zweifellos. Die Entwicklung geht nicht nur in Richtung auf eine ständige Verbesserung von Diagnostik und Therapie, sie geht mindestens ebensosehr in Richtung auf eine Verbesserung der Früherkennung und Verhütung von Krankheiten. Die Frage ist nur, ob es sich hierbei um eine Aufgabe des Staates handelt oder ob diese Ziele auch dann erreicht werden können, wenn sich der Staat ihrer nicht annimmt. Ich bin der Meinung, daß es weder nötig noch richtig ist, wenn der Staat sich hier zum Motor, zum Führer, zum Verantwortlichen machen will. Ich bin vielmehr der Auffassung, daß diese Aufgabe wie seit eh und je so auch in Zukunft von der Medizin in Wissenschaft und Praxis gelöst werden muß.
Ich weiß, daß es in der öffentlichen Diskussion unausgesprochen oder offen ausgesprochen - die Presse leidet ja nicht an Hemmungen und spricht diese Frage ganz deutlich aus - um die Frage geht, ob die Ärzte aus irgendwelchen egoistischen Standesinteressen oder ähnlichen verfehlten Vorstellungen gegen eine solche Entwicklung seien. Ich. fühle mich als Artz berechtigt und verpflichtet, hier ganz unzweideutig zu sagen, daß die Aufgaben des Arztes von niemandem abgenommen werden können. Ich bin der Ansicht, daß der Staat seine Aufgabe darin sehen sollte, den Arzt in der Erfüllung seiner Aufgaben so weit wie möglich zu unterstützen. Ich kann mir denken, daß Frau Minister Strobel nachher sagen wird, genau das sei ihre Absicht, sie wolle dem Arzt ja nur die nötigen Mittel und Instrumente dazu in die Hand geben. Warum soll das aber mit einem Institut geschehen, das sich erst alle Grundlagen erarbeiten muß? Ich bin überzeugt und glaube es sicher zu wissen, daß sich die wissenschaftliche Medizin nicht in Deutschland allein, sondern in der ganzen Welt ständig um diese Fragen. bemüht und daß wir hier nicht ein mehr oder weniger politisches, amtliches Institut brauchen, mit dem obendrein eine Entwicklung eingeleitet werden soll, von der man nicht weiß, in welche Richtung sie gehen wird.
Frau Minister Strobel hat vor wenigen Tagen laut Pressemeldungen - ich hoffe, daß sie richtig waren: besser gesagt, ich hoffe daß sie nicht richtig waren - gesagt, es würden Greuelmärchen verbreitet, wenn behautet werde. daß sie eine Staatsmedizin ansteuern würde. Ich habe Ihnen. verehrte Frau Minister. schon lange vor dieser Debatte gesagt und darf es hier wiederholen, daß es ja nicht darauf ankommt. was Sie wollen oder was wir wollen, sondern darauf, wie die Schienen in die Zukunft gelegt werden. welche Ziele gesteckt werden, welche Bahnen eingeschlagen werden. Von einem bestimmten Punkt an nimmt die Entwicklung bekanntlich doch dann ihren eigenen Tauf, und wir können sie dann nicht mehr beeinflussen.
Ich will Sie nicht mehr lange mit dem aufhalten, was zu dem Thema der Gesundheitsvorsorge noch im einzelnen zu sagen wäre. Nur soviel: Prinz Savn Wittgrenstein hat schon zum Ausdruck gebracht, daß wir enttäuscht sind über das, was in dem Institut zur Frforschung der Umwelt- und Zivillisationsgefahren jetzt geplant wird. Wir hatten uns etwas anderes vorgestellt. als wir unsere Unterschrift darunter setzten. Wir hoffen. daß es noch gelingen wird, die Meinungen darüber zur Übereinstimmung zu bringen.
Zu der Frage der gesundheitspolitischen Kompetenz kann ich mich ganz kurz fassen. Die ,.Krankheitskompetenz" ist das, was wir nicht wünschen und was wir auch für einen Denkfehler halten. Wir sind der Meinung, daß die Bekämpfung von Krankheiten nicht die Aufgabe des Staates ist, obwohl das vielleicht mancher denken mag, weil er glaubt, das cringe ohne den Staat gar nicht. Wir glauben, daß das die Aufgabe des Staates Schutz und Förderung der Gesundheit ist. Genau das ist die Konzeption, mit der das Gesundheitsministerium vor sieben Jahren ins Leben gerufen worden ist. Das ist auch heute noch unsere Auffassung. Eine unbegrenzte, unklare Kompetenz für die Bekämpfung und Verhütung von Krankheiten erscheint uns dagegen außerordentlich bedenklich. Ich glaube, daß wir unsere Zustimmnng dazu nicht geben können.
Wir haben inzwischen auch erfahren, daß unsere Auffassung nicht etwa einseitig, sei es parteipolitisch, sei es sonstwie gefärbt ist. Auch im Bundesrat hat sich diese Meinung jedenfalls in einem so erheblichen Maße durchgesetzt, daß mit der notwen9956
digen Mehrheit für die Annahme einer so formulierten Grundgesetzänderung bisher nicht zu rechnen sein dürfte.
Die wirtschaftliche Sicherstellung der Krankenhäuser ist ein Problem, über das sich alle Beteiligten tatsächlich noch einmal auseinandersetzen müssen, um zu sehen, wie man diese Frage am besten regeln kann.
Ich bin allerdings mit Prinz zu Sayn-Wittgenstein der Meinung, daß eine Kompetenz des Bundes für die Reinhaltung der Gewässer, die Reinhaltung der Luft, die Bekämpfung des Lärms und, man könnte sagen: auch der anderen Umweltgefahren, die auf den Menschen zukommen - ich denke nur an die Radioaktivität, die zufällig schon im Grundgesetz verankert ist; ich sage „zufällig", weil das der Grundgesetzgeber damals in dieser Form wohl noch gar nicht hat übersehen können -, berechtigt wäre, weil diese Probleme nicht an den Landesgrenzen halt machen. Denken Sie nur an den Lärm, denken Sie an den Fluglärm! Hier stehen wir vor dem Problem internationaler Lösungen. Ich glaube, daß wir uns da von Zuständigkeitsfragen innerhalb Deutschlands freimachen müssen.
Damit Sie .mir nicht den Vorwurf machen können, daß ich hier unterschiedlich argumentiere, einmal für und einmal gegen die Bundeskompetenz spreche, möchte ich sagen, daß es ganz auf den Gegenstand ankommt, um den es sich handelt. Es gibt Fragen, bei denen sich eine allgemeine Kompetenz anbietet, und andere, bei denen von ihr keine Vorteile, sondern eher Nachteile zu erwarten sind.
Es ist mit Recht schon darauf hingewiesen worden, daß das nicht nur eine Frage des Föderalismus ist. Das ist nicht zuletzt auch ein großes wirtschaftliches Problem, weil mit diesen Aufgaben sehr große Kosten verbunden sind, die sich wettbewerbsverzerrend in der gewerblichen Wirtschaft auswirken können. Auch die Wirtschaft hat ein großes Interesse daran, daß sie nicht an der einen Stelle Deutschlands stärker belastet wird als an einer anderen.
Über alle diese Fragen werden wir in einer zweiten gesundheitspolitischen Runde anläßlich der Beratung der Grundgesetzänderung reden müssen. Der Vorschlag der Bundesregierung zur Änderung des Grundgesetzes ist uns schon bekannt, er liegt aber noch nicht auf unserem Tisch. Erst dann, wenn er auf dem Tisch liegt, können wir uns endgültig und. abschließend mit diesen Dingen auseinandersetzen.
Ich möchte abschließend noch zu zwei Dingen einige Worte sagen. Einmal zu den Fragen der Ausbildung der künftigen Ärzte. Sie wissen, daß es eine große Aufregung hervorgerufen hat, daß die Medizinalassistenten, die sich ja noch in ihrer Ausbildung befinden, nicht die notwendigen Ausbildungsplätze finden können. Ich möchte hier einen Gedanken äußern, den ich schon mit vielen Kollegen aller Fraktionen besprochen habe und der meines Erachtens durchaus erörternswert ist. Das ist die Frage, ob wir eigentlich bei den zwei Medizinalassistentenjahren, die erst 1953 eingeführt worden sind, bleiben müssen oder ob wir nicht jetzt schon diese Zeit heruntersetzen können.
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- Ja, Herr Kollege Dichgans, wenn man heute jemand fragt, warum das zweite praktische Ausbildungsjahr 1953 eingeführt worden ist, nachdem es das vorher nie gegeben hat, bekommt man keine klaren Auskünfte. Selbst in der Literatur wird nur historisch feststellend beschrieben, warum man damals von der Pflichtassistentenzeit zu der Medizinalissistentenzeit übergegangen ist. Auf einen Teil dieser zwei Jahre könnte man, glaube ich, verzichten, und das um so mehr, als die Medizinalassistenten aller Erfahrung nach heute in allen Krankenhäusern Planstellen einnehmen und mindestens im zweiten Jahr voll bezahlt werden. Eigentlich muß ich sagen, daß sie bisher voll bezahlt worden sind; denn wenn demnächst mehr und mehr junge Mediziner kommen, werden die Krankenhäuser diese Notwendigkeit nicht mehr sehen und diese jungen Mediziner nur noch als Medizinalassistenten bezahlen, aber nach wie vor wie Assistenten einsetzen. Ich glaube, das wäre keine gute Entwicklung.
Ein zweites: Da keiner meiner Vorredner auf die mit dem sogenannten Contergan- Prozeß zusammenhängenden gesundheitspolitischen Fragen eingegangen ist, darf ich mir erlauben, auch dazu noch mit einigen Worten Stellung zu nehmen.
Im Zusammenhang mit diesem Prozeß ist in letzter Zeit besonders in der Presse die Frage gestellt worden, ob der Staat - in diesem Falle der Gesetzgeber - nicht verpflichtet wäre, zum Schutze der Gesundheit seiner Bürger die Kontrolle und mit der Kontrolle auch die volle Verantwortung für die Unschädlichkeit von Arzneimitteln zu übernehmen.
Dazu ist zunächst einmal festzustellen, daß das Contergan schon vor dem Arzneimittelgesetz von 1961 seine enorme Verbreitung gefunden hatte und daß mit der Novelle zum Arzneimittelgesetz von 1964 der Gesetzgeber die Bestimmungen über die Arzneimittelprüfung und die Verantwortlichkeit des Herstellers wesentlich verschärft hat. Wir werden das Ergebnis des 'laufenden Prozesses abwarten müssen. Wir können aber heute und hier schon feststellen, daß die Übernahme der Kontrolle durch den Staat keine Lösung der alten Probleme, dafür aber neue Probleme bringen würde. Die Entwicklung neuer Arzneimittel ist nun einmal zwangsläufig auch mit neuen und mehr und weniger unübersehbaren Risiken verbunden. Diese Risiken so klein wie möglich zu halten, ist die gemeinsame Aufgabe von Legislative und Exekutive.
Ich darf hier der Meinung Ausdruck geben, daß sich das deutsche Arzneimittelgesetz bewährt hat. Das einzige, was unserer Meinung und unserer Erfahrung nach nicht klappt, das ist die ordnungsmäßige, vorschriftsmäßige Registrierung der Arzneimittel, ,die ja auch eine gewisse Prüfung in sich schließt. In dem Bericht der Bundesregierung habe ich darüber nichts gefunden. Ich glaube, deshalb die Hoffnung ausdrücken zu dürfen, .daß es dem Bundesministerium für Gesundheitswesen bald gelingen wird, diesem Mißstand ein Ende zu machen,
Damit mag es für heute genug sein. Meine Damen und Herren, ich sehe an Ihrer Aufmerksamkeit und an Ihrer Zahl, daß es doch nicht langweiliger ist als bei Agrardebatten, Sozialdebatten oder auch bei Kulturdebatten, bei denen das Haus manchmal noch schlechter besetzt ist. Wir müssen .eben gemeinsam unsere Lasten tragen.
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- Ja, man soll einmal mit den guten Beispielen anfangen. Wir werden ja in Zukunft öfter Gelegenheit haben, hier über solche Fragen zu sprechen, und ich glaube, daß die Diskussionen dann auch kürzer sein werden.
Am Ende meiner Ausführungen darf ich zugleich im Namen meiner politischen Freunde Frau Minister Strobel ,aufrichtig dafür danken, daß sie in die Gesundheitspolitik sehr viel Leben und sehr viele Kontroversen hineingebracht hat. Ich bin der Meinung, daß das gut und richtig ist; denn es handelt sich hier nicht um irgendeine Wohltätigkeitsveranstaltung, sondern um die Gesundheitspolitik von heute und morgen. Es ist des Streits der Edlen und des Schweißes der Edlen - den wir heute hier auch infolge der Wärme vergießen müssen - wohl wert, diese Mühe auf sich genommen zu haben.
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Das Wort hat die Bundesministerin für das Gesundheitswesen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich muß natürlich um Nachsicht bitten, daß ich jetzt noch das Wort ergreife. Aber angesichts der Tatsache, das soviel Kritik ausgesprochen und auch Fragen gestellt wurden, kann ich nicht darauf verzichten.
Herr Kollege Jungmann, ich fand es besonders interessant, daß Sie den Ehrgeiz hatten, zurückzukehren zu dem, womit Frau Heuser angefangen hatte, nämlich den Schwarzen Mann der Staatsmedizin an die Wand zu malen. Das erinnert mich ein bißchen an eine Glosse, die, wenn ich mich nicht irre, vorige Woche im „Handelsblatt" gestanden hat. Ich habe es jetzt leider nicht da und kann sie deshalb nicht zitieren, sondern nur wiedergeben. In dieser Glosse wurde die Frage gestellt, wie es eigentlich kommt, daß bestimmte Kreise - selbstverständlich waren nicht Sie damit gemeint -, die früher für die Grundgesetzänderungen waren, es plötzlich jetzt nicht mehr sind. Und dann hieß es so nett: Das komme dem Schreiber so vor, wie wenn in einer Gastwirtschaft ein Gast ein Omelett bestellt, und zwar bei der Lisa, dieses Omelett wird ihm später von der Kathi serviert, und von der will er es nicht mehr.
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So stand es im „Handelsblatt", und man hat heute den Eindruck, ein bißchen was Wahres ist da schon dran.
Bei Frau Heuser hatte ich den Eindruck, daß sie sich einen Popanz aufgebaut hat, um dagegen argumentieren zu können. Wenn Sie den Eindruck erwecken, daß wir staatliche Massenkurzentren schaffen wollen, muß ich sagen, ich kenne Sie so gut und weiß, wie urteilsfähig Sie sind, so daß ich nicht annehmen kann, daß Sie das aus der schriftlichen Antwort herausgelesen haben. Es kann Ihnen doch nicht entgangen sein, daß es heißt: Schaffung von überregionalen Behandlungszentren, denen Modellcharakter zugesprochen wird, Schaffung dieser Modellzentren als Beispiel für gleichartige Einrichtungen im gesamten Bundesgebiet. Ich kann im Ernst nicht annehmen, Frau Dr. Heuser, daß Sie mit der ablehnenden Haltung dazu etwa aussprechen wollen, daß Sie den Spezialkliniken eine Absage erteilen.
Im übrigen muß ich sagen, das ist nun wirklich eine Maßnahme, die seit langem im Haushalt des Bundesgesundheitsministeriums steht, und es ist noch nie ein Antrag gestellt worden, diese Mittel zu kürzen. Wir wären alle froh gewesen, wenn wir dafür mehr Mittel gehabt hätten. Als Modelleinrichtungen, die der Prävention und der Rehabilitation dienen, sind z. B. finanziert worden - zum Teil noch unter Frau Schwarzhaupt - eine MS-Klinik, eine Stoffwechselklinik, eine Modellklinik für behinderte Kinder, eine geriatrische Klinik - sie wird zur Zeit in Leverkusen entwickelt -, eine Neuroseklinik, alles als Modellkliniken. Man kann doch im Ernst nicht behaupten, daß es solche Kliniken nicht nur als Modellcharakter, sondern überhaupt im gesamten Bundesgebiet geben sollte und daß man dafür Beispiele liefern muß. Wir haben hier eine gute Sache fortentwickelt.
Soweit es die Abteilung im BGA betrifft, möchte ich sagen: da handelt es sich ebenfalls nur um Modelle: Modelle für Früherkennungsaktionen, Entwicklung von Verfahren, um auf diese Art und Weise breite Hilfe möglich zu machen, wenn rationelle Verfahren entwickelt sind. Es gibt auf bestimmten Gebieten rationelle Verfahren für die Früherkennung. Denken Sie an den Diabetes-Teststreifen. Daß es der Rationalisierung und Verbilligung der Gesundheitsvorsorge nützen würde, wenn wir auch auf anderen Gebieten solche Verfahren entwickeln könnten, kann doch wohl niemand bestreiten.
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- Entschuldigung, das soll ja nicht staatlich durchgeführt werden, sondern das soll in dieser Forschungsabteilung entwickelt werden.
Ich muß noch einmal betonen: für mich ist nicht die Frage entscheidend, wer die Vorsorge durchführt. Das ist für mich keine Weltanschauungsfrage, sondern eine Frage der Zweckmäßigkeit. Und ich meine, daß das auch für dieses Haus gilt. Wir haben hier zwei Beispiele für Vorsorgeuntersuchungen bis jetzt durch Gesetz beschlossen, die Vorsorgeuntersuchungen für Schwangere, die von der gesetzlichen Krankenversicherung bezahlt werden, und die Vorsorgeuntersuchungen im Bereich des Jugendarbeitsschutzes, die von den Ländern bezahlt werden. Beide werden von den niedergelassenen Ärzten durchgeführt. Es gibt also durchaus Beweglichkeit.
Die Honorierung ist unterschiedlich; das ist aber das einzige. Wir haben immer überall gesagt, daß Vorsorgeberatung, feinere Diagnostik, eine Aufgabe der niedergelassenen oder auch wo nötig der Krankenhausärzte sein muß. Man kann das auch wieder am Beispiel der gelaufenen oder im Laufe befindlichen Vorsorgeuntersuchungen deutlich machen. Während die Diabetes-Filter-Untersuchung eben nicht von den Ärzten, sondern durch die Abgabe von Teststreifen durchgeführt wurde, werden die Vorsorgeuntersuchungen auf Krebs heute fast allein im Bereich der freien Praxis durchgeführt, weil das eben zwei ganz unterschiedliche Arten der Vorsorgeuntersuchung sind. Man muß doch davon ausgehen, was bei der jeweiligen Aufgabe am zweckmäßigsten ist.
Es ist doch auch kein Zweifel, daß es notwendig ist, die Laborkapazitäten zu erweitern, daß es nötig ist, mehr zytologische Assistentinnen heranzubilden, daß es nötig ist, im Bereich der Weiterbildung der Ärzte das Entsprechende zu tun. Ich freue mich, daß die berufsständischen Organisationen der Ärzte in diesem Bereich tätig werden. Es könnte aber auch nichts schaden, wenn zusätzliche Einrichtungen geschaffen werden. Es gibt ja auch da und dort sowohl die eine wie die andere Lösung. Wenn ich an die Röntgenreihenuntersuchung gegen Tbc in Bayern denke, dann ist das z. B. eine allgemeine, staatlich durchgeführte Vorsorge-Untersuchung.
Daß ich heute hier nicht das zur Begründung der Grundgesetzänderungen gesagt habe, was alles gesagt werden muß, hängt damit zusammen, daß wir die Vorlage heute hier ja nicht einbringen. Insofern möchte ich - auch wegen der vorgeschrittenen Zeit - nun nicht im einzelnen auf das eingehen, was Herr Dittrich in erster Linie gesagt hat. Ich möchte hier allerdings ganz deutlich sagen, sein gesellschaftspolitisches Konzept, von dem er selbst sagt, daß es auf dem Subsidiaritätsprinzip beruhe, kann ich für die Gesundheitspolitik nicht akzeptieren.
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Herr Dr. Dittrich, ich möchte das genauso klar sogen, wie Sie Ihre Konzeption zum Ausdruck gebracht haben.
Im Zusammenhang mit den Verdächtigungen will ich no ch darauf hinweisen, dieses Subsidiaritätsprinzip wird i a auch in den Ländern nicht praktiziert. Denken Sie ,an die Leistungen der meisten Länder z. B. auf dem Gebiet der Gesundheitshilfe für das Kind. Der Verdacht, daß hinter der Grundgesetzänderung der Gedanke .der 'Einführung eines staatlichen Gesundheitsdienstes steht, dier ia auch bei Herrn Dittrich immer wieder durchklang, erscheint mir einfach absurd. Die gleichen Zuständigkeiten, die .auf den Bund übertragen werden sollen. liegen doch heute bei den Ländern. Sie sprechen sich dafür ,aus, daß sie bei den Ländern bleiben. Das ist Ihre Meinung, und Sie haben das Recht, das hier zu ,sagen. Aber in keinem der Länder, auch plicht in den sozialdemokratisch regierten - das möchte ich ganz deutlich sagen -, sind Bestrebungen dieser Art sichtbar geworden, wie Sie sie dem Bund unterstellen, falls die Zuständigkeit übertragen wird.
Warum sollten plötzlich diese Absichten wirksam werden, wenn der Bund die entsprechenden Kompetenzen übertragen bekommt? Das leuchtet mir nicht ein.
So schlecht ist im übrigen die Gesellschaft, in der wir uns mit dem Antrag auf Änderung des Grundgesetzes befinden, auch nicht. Ich habe hier z. B. einen Brief 'des Bundes der deutschen Medizinalbeamten. Darin steht: „Die Ärzte und Zahnärzte im öffentlichen Gesundheitsdienst sehen mit Besorgnis eine Auseinanderentwicklung in den einzelnen Bundesländern auf .dem Gebiet des Gesunidheitsrwesens, insbesondere auf idem Gebiet der Gesundheitshilfe. Sie haltendaher eine Ausweitung der Zuständigkeit .des Bundes zur Gesetzgebung auf dem Gebiet des Gesundheitswesens für notwendig." Ich zitiere das nur, weil z. B. bei Herrn Dittrlich die Meinung durchklang, der Zeitpunkt ,sei schlecht gewählt. Nun also, wenn man gegen eine Sache ist, dann kann man eigentlich nie einen Zeitpunkt günstig finden. Insofern war das mehr eine Ausschmückung Ihrer Rede, würde ich annehmen.
Ich will noch auf einige Bemerkungen eingehen, die von Frau Blohm gemacht worden sind, weil sie ja einen Vorwurf beinhalteten in bezug auf bisher nicht vorgelegte Verordnungen. Ich darf dazu zunächst einmal sagen, die Rechtsverordnung über das Deutsche Arzneimittelbuch liegt im Bundesrat. Die Rechtsverordnung nach § 35 liegt im Bundesrat. Die Apothekerbetriebsordnung liegt im Bundesrat. Man kann annehmen, daß 'sie morgen im Gesundheitsausschuß des Bundesrates und in der nächsten Woche in der Vollsitzung des Bundesrates verabschiedet wenden.
Es ist hier wiederholt zum Ausdruck gekommen, warum die Vorlage zu §§ 30, 32 solange hat auf sich warten lassen. Man kann sich als Minister schlecht selbst - na, ich würde sagen - benoten. Aber ich erlaube mir, immerhin darauf aufmerksam zu machen, daß, bevor ich das Ministerium übernommen hatte, schon einige solche Verordnungsentwürfe existiert haben, die von den beteiligten Kreisen nicht akzeptiert wurden. Aus diesem Grunde hat man immer wieder geändert und verständlicherweise immer wieder versucht, zu Entwürfen zu kommen, auf die man sich einigen kann. Der Beirat ist einberufen worden, kurz nachdem ich das Ministerium übernommen hatte, weil ich der Meinung war, es hat keinen Sinn, länger in dieser Weise den Versuch zu machen, sich über eine Vorlage zu einigen. Die Einigung geschieht bestenfalls im Beirat, und im Beirat haben sich die Standpunkte dann ja auch erheblich angenähert. Allerdings möchte ich doch sagen dürfen, daß eben ein Verordnungsentwurf des Jahres 1968, wenn er eine Verordnung aus dem Jahre 1901 ablösen soll, nicht mehr dem damaligen Gehalt entsprechen kann. Die Verordnung aus dem Jahre 1901 beruhte auf der Darreichungsform, die jetzige Verordnung muß auf der Beurteilung der Stoffe beruhen, und es muß von der Wirksamkeit der Stoffe abhängig sein, ob sie frei verkäuflich sein können oder nicht. Dabei müssen wir die technologische Entwicklung beachten. Wenn z. B. der Bundestag selbst im Arzneimittelgesetz Pflanzen und
Pflanzenteile auch gemischt, auch als Destillate freigegeben hat, dann, muß ich sagen, sehe ich wirklich nicht ein, wieso man nicht Trockenextrakte, die auf derselben Basis beruhen, oder Sprühtees, die auf derselben Basis beruhen, weil sie der heutigen Darreichungsform entsprechen, nicht auch freigeben soll. Das hat sich ja Gott sei Dank im Beirat auch durchgesetzt. Man muß dafür eine Positivliste machen. Das ändert unsere ursprüngliche Negativliste. Das ist eine gute Entwicklung, ich habe sie begrüßt.
Herr Dittrich, im Zusammenhang mit dem Arzneimittelrecht der EWG: Ich teile zwar in allem Ihre Hoffnung, daß es doch noch gelingt, daß die deutschen Grundsätze angewendet werden können. Aber wir sind halt leider in der Situation, daß die erste Richtlinie eine andere Konzeption hat und daß diese Richtlinie vom damaligen Ministerrat, in dem die damalige Bundesregierung saß, einstimmig verabschiedet worden ist, und daß uns natürlich von der EWG immer wieder gesagt wird: In dem Moment, wo die dritte Richtlinie kommt und die Anerkennung der in den einzelnen Ländern vorgenommenen Registrierungen erscheint, wird diese Richtlinie ihre Gültigkeit bekommen. Davon muß ich vorläufig ausgehen.
Zur Gebührenordnung, Frau Blohm, muß ich, um der Legendenbildung entgegenzutreten, sagen: wir haben im Anschluß an den Erhalt der Vorschläge der Bundesärztekammer Besprechungen mit den beteiligten Bundesressorts zunächst einmal über die Grundsatzfragen durchgeführt. Es ging ja auch aus Erklärungen in der Öffentlichkeit hervor, daß das geschehen ist. Wir haben Vorgespräche mit den interessierten Partnern wiederholt geführt. Die Vertretung des Berufsstandes der Ärzte hat uns jetzt ihre Sachverständigen benannt, und vor wenigen Tagen ist die gemeinsame Stellungnahme der Sozialleistungsträger eingegangen. Alle diese Vorarbeiten waren doch unbedingt nötig. Damit sind wir doch in die Beratungen eingetreten. Da kann man doch nicht sagen, daß wir das absolut versäumt haben.
Ich will auf Einzelheiten jetzt verzichten, weil es sonst zu lange dauert. Ich will nur noch darauf hinweisen, daß wir nach reiflicher Überprüfung zu der Auffassung gekommen sind, daß wir kein eigenes Kosmetikagesetz machen sollten. Die Kosmetika sollten vielmehr in das Gesetz für die Lebensmittelrechtsreform aufgenommen werden; dann kann auch für die Kosmetika das Recht in Verordnungen jeweils beweglicher gestaltet werden.
Ich habe sicher ein Versäumnis begangen, daß ich mich nicht zur zurückliegenden Arbeit des Ministeriums und meiner Vorgängerin lobend geäußert habe. Das mag eine Unterlassungssünde sein. Ich weiß, meine Damen und Herren, welch großes Maß an Arbeit in diesem Ministerium allen abverlangt wird. Angesichts des chronischen Personalmangels dieses Ministeriums führt das manchmal zu Belastungen, die hart an der Grenze der physischen Möglichkeiten der Damen und Herren Mitarbeiter des Hauses liegen. Ich habe aber schon wiederholt bei Mündlichen Anfragen hier im Hause und an anderen wichtigen Stellen außerhalb des Hauses - wenn ich mich recht erinnere, Frau Schwarzhaupt einbezogen - dies immer wieder gesagt.
Zur Bildungsplanung im Bereich der Medizin erlauben Sie mir zu sagen, daß das Bundesministerium für Gesundheitswesen sich wiederholt wegen der brennenden Probleme, z. B. der notwendigen Vermehrung der Zahl der Ausbildungsplätze an den Universitäten, zuletzt vor einem Jahr, an die Ständige Konferenz der Kultusminister gewandt hat und das Problem vor allem auch zur dringlichen Erörterung in der Konferenz der Gesundheitsminister gebracht hat. An den Beratungen über die Empfehlungen des Wissenschaftsrates für den Ausbau der Universitäten und medizinischen Akademien hinsichtlich des zukünftigen Ärztebedarfs war das Ministerium immer beteiligt.
Das Gutachten des Wissenschaftsrates sagt für die Zeit bis etwa 1980/90 einen jährlichen Nachwuchsbedarf von 3540 Ärzten der Allgemeinmedizin und 1290 Zahnärzten voraus. Das erfordert nach dem Gutachten des Wissenschaftsrates 4500 Studienplätze für Allgemeinmedizin und 1900 für Zahnmedizin.
Das Bundesgesundheitsministerium hatte schon vor längerer Zeit Herrn Professor Koller einen Auftrag gegeben; er sollte ebenfalls den Ärzte- und Zahnärztebedarf für die Zukunft ermitteln. Das Ergebnis liegt uns jetzt vor. Herr Professor Koller kommt zu denselben Zahlen; er sagt nämlich auch, daß 3000 bis 4000 Examensabsolventen für die Zeit bis etwa 1980 notwendig sind. Zu der Differenz zwischen dem, was auf dem Deutschen Ärztetag gesagt worden ist, und diesen beiden wissenschaftlichen Aussagen will ich mich heute hier nicht äußern. Aber es erscheint mir allerdings auch notwendig, daß man, wenn man von 4500 Studienanfängern ausgehen muß, auch so viel Ausbildungsplätze schaffen muß. Niemand kann leugnen, daß hier ohne Zweifel eine Diskrepanz vorhanden ist.
Zur Abteilung „Erforschung von Umweltschäden upd Zivilisationskrankheiten" im BGA hat Herr Kollege von Wittgenstein spezielle Ausführungen gemacht. Ich war ein bißchen erstaunt, daß er meinte, daß diese Abteilung die Erforschung der Umweltschäden im Bereich Wasser, Boden, Luft, Lärm treiben soll. Dazu ist ja das Institut für Wasser-, Boden- und Lufthygiene da, und es betreibt diese Forschung auch. Ich hatte sogar ein bißchen den Eindruck, daß man in diesem Institut Sorge hat, daß ihm zugunsten dieser neuen Abteilung Aufgaben entzogen werden. Das habe ich nicht vor. Aber nun muß ich doch sagen: wir waren ja alle zusammen im BGA und haben uns von dem Leiter dieser Abteilung vortragen lassen, was in Arbeit und was beabsichtigt ist. Die Diskussion, die sich im Gesundheitsausschuß des Bundestages anschließen muß, hat noch nicht stattgefunden. Dort hatte ich allerdings nicht den Eindruck, daß man gegenüber dem, was an beabsichtigten Maßnahmen vorgetragen wurde, solche Vorbehalte hatte, wie ich es heute hier höre.
Den Kollegen, die sich zum Sport geäußert haben, möchte ich nur sagen, ich unterschätze gewiß nicht die Bedeutung des Sports für die Gesundheit. Ich
begrüße im übrigen auch den Antrag, den die FDP vorgelegt hat. Es stimmt nicht, daß ich die Herz-und Kreislauferkrankungen nicht erwähnt habe; sie stehen darin. Aber ich möchte doch sagen dürfen, meine Damen und Herren, am 1. Dezember 1967 hat hier im Haus eine große Sportdebatte stattgefunden, und am 8. Mai 1968 ist die Vorlage des Schriftlichen Berichts auf diese Sportdebatte hin hier auf der Tagesordnung gewesen. Man kann also doch nicht sagen, daß der Sport in diesem Hause zu kurz gekommen sei. Wir wollten uns ja heute auf die in der Großen Anfrage angesprochenen Fragen beschränken und die Debatte nicht wesentlich darüber hinaus ausweiten.
Zu dem Vorwurf, daß ich eine Pressekonferenz gehalten habe, bevor die Große Anfrage beantwortet war: Liebe Frau Heuser, im allgemeinen wird, wenn die Bundesregierung ein so wichtiges Gesetz verabschiedet wie die Grundgesetzänderung, anschließend in einer Pressekonferenz darüber gesprochen. An dem Tag konnte ich nicht. Am Mittwoch danach war hier die Große Anfrage auf der Tagesordnung, und am Freitag danach war die Grundgesetzänderung in der Pressekonferenz angekündigt. Ich mußte annehmen, daß das nach der Großen Anfrage war. Aber ich finde, anders ließ sich das nicht mehr machen.
Darf ich noch ein Wort zum Stil sagen. Für diejenigen, die es nicht wissen, muß ich hier sagen: Ich habe in zwei wichtigen Fällen vor der Konzipierung eines Gesetzes bzw. einer Verordnung mit den Kollegen aus dem Gesundheitsausschuß außerhalb der Tagesordnung Gespräche geführt. Das eine war wegen der Studienreform, .das andere war wegen des Gesetzes für die medizinisch-technischen Laborassistenten. Ich bin gerne bereit, weiter diese Gespräche zu führen. Ich erwarte dann aber auch ein bißchen Loyalität. Ich müßte jetzt ausführen, warum wir das Gesetz über die medizinisch-technischen Assistenten so lange nicht vorgelegt haben. In dieser Sitzung in Berlin waren wir gebeten worden, Verschiedenes zu prüfen, auch verfassungsrechtlich zu prüfen. Wir haben das getan. Dadurch hat sich das Gesetz verzögert. Nun erleben wir, daß aus der Mitte des Bundestages plötzlich ein Initiativgesetz vorgelegt wird, das unserem Referentenentwurf nicht ganz fern ist. Ich sage das ganz bewußt; denn das führt natürlich zu der Überlegung, ob solche Vorgespräche diesen Sinn haben sollen.
({3})
Es ist auch ein Irrtum, anzunehmen, Frau Heuser, daß wegen der Grundgesetzänderung keine Vorgespräche geführt worden sind. Sie sagten: auf hoher Ebene.
({4})
- Vielleicht habe ich Sie 'dann mißverstanden. Ich
wollte gerade das mit den Ländern bemerken. Kurz
nachdem ich Bundesminister für Gesundheitswesen geworden war, bin ich im Ausschuß für Gesundheitswesen des Bundesrates gewesen und habe dort meine Konzeption vorgetragen. Dort hat man mich gebeten, das in der Gesundheitsministerkonferenz noch konkreter zu tun. Ich habe das auch in der Gesundheitsministerkonferenz in Berlin getan. Dort habe ich schon erfahren, welche Bedenken gegen einige Änderungen bestehen und welche Erwartungen andere Länder daran knüpfen. Das Gespräch ist also geführt worden. Aber bevor ich über die Absichten der Bundesregierung sprechen kann, muß ich einen Beschluß der Bundesregierung haben. Insofern konnte man da nicht anders vorgehen.
Die Fragen von Kollegen Spitzmüller zur Krankenhausfinanzierung sind umfangreich. Ich weiß, er mußte weggehen. Ich würde vorschlagen, daß wir uns darüber sehr gründlich im Ausschuß unterhalten. Ich muß aber doch darauf aufmerksam machen, daß man, wenn man immer nur darauf wartet, bis die Krankenhausenquete vorliegt, und nicht vorher eine Konzeption entwickelt, eines Tages vor der Situation steht, daß man keine hat; und in diese Situation möchte ich unter keinen Umständen kommen. Es war notwendig, jetzt eine Konzeption zu entwickeln. Über diese Konzeption kann man ja - vor allen Dingen auch bei den Fragen der Grundgesetzänderungen - noch im einzelnen sprechen.
In einer Sache möchte ich ganz deutlich heute schon folgendes sagen - das steht im übrigen auch in der Antwort, und ich habe es in der Einführung heute früh gesagt -: weder ich noch die Bundesregierung haben die Absicht - ich könnte genauso gut sagen: sind bereit -, jetzt kostendeckende Pflegesätze zu schaffen: Das führt zu einer Erhöhung der Krankenkassenbeiträge; das führt dazu, daß wir den Arbeitnehmern neue soziale Lasten zumuten müssen. Wir haben das meiner Meinung nach bei der mittelfristigen Finanzplanung zur Genüge getan.
({5})
Ich bin nicht bereit, einen Vorschlag zu machen, der zu neuen Lasten führt.
({6})
- Herr Kollege Dittrich, Sie haben vorgeschlagen, die Krankenkassen zu subventionieren, wenn es nicht anders zu lösen ist. Das schiene mir der schlechteste Weg zu sein.
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- Ich habe soeben bereits gesagt, daß ich bereit bin, einen detaillierten Vorschlag zu machen, wenn die Beschlüsse im Kabinett gefaßt sind, wenn die Krankenhausenquete vorliegt; wenn wir bezüglich der Grundgesetzänderung - das liegt ja im Augenblick im Bundesrat - klareres Licht haben.
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- Es gibt verschiedene Richtungen, in die hier gegangen werden kann, Herr Dr. Dittrich. Das hängt davon ab, wie die Zuständigkeiten verteilt sind; das hängt davon ab, welche Mittel zur Verfügung stehen. Es gibt auf keinen Fall den Weg über die kostendeckenden Pflegesätze! Wir werden über diese Sache noch öfter sprechen. Wir können unmöglich heute den ganzen Plan der Krankenhausfinanzierung vorlegen, solange wir noch nicht wissen, wie die Grundgesetzänderung lauten wird, solange wir noch nicht wissen, wie sich die Dinge in der Finanzreform entwickeln.
Ich bin immer bereit und auch hier gerne, wohlgemeinte Ratschläge anzunehmen, wenn sie der Sache dienen. Ich muß allerdings sagen, daß ich, Herr Dr. Jungmann, natürlich auch die Veröffentlichungen lese, die die Kollegen machen; sie interessieren mich. Und ich habe mir vorhin wieder einen Artikel von Ihnen herausgeholt, in dem es zur Krankenhausfinanzierung heißt - ich zitiere -:
Damit ist zugleich auch die gesundheitspolitische und gesetzgeberische Seite des Problems angesprochen. Wir brauchen, um diese Aufgabe lösen zu können, die dafür nötigen gesetzlichen Grundlagen. Das Krankenhauswesen gehört ebenso zu den Gemeinschaftsaufgaben wie das Schul- oder Hochschulwesen. Das muß bei der Neugestaltung des Grundgesetzes berücksichtigt werden.
Diese Auffassung hatte ich mit Ihnen gemein. Die Länder sind nicht bereit gewesen, das Krankenhauswesen zur Gemeinschaftsaufgabe zu machen. Ich muß einen anderen Weg suchen, und der andere Weg, für die Unterdeckung bei den Krankenhäusern etwas zu tun, liegt eben bei der konkurrierenden Gesetzgebung. So einfach ist es nicht, ohne jede Kompetenz einfach Geld zu verteilen.
Abschließend noch, Herr Jungmann: Bei der Unterstellung von Motiven wäre ich sehr vorsichtig. Ich habe zwar nicht verstanden, wieso Sie sagten, Sie hoffen, daß ich das mit den Greuelmärchen nicht gesagt habe. Ich habe es gesagt, und wenn ich mir heute anhöre, was Sie alle für Angst haben, daß dadurch Staatsmedizin heraufbeschworen wird, kann ich nur wieder sagen, das sind Greuelmärchen, denn das stimmt nicht,
({9}) und das steht nirgends geschrieben.
Im übrigen ist die Antwort nun einmal abhängig von den Fragen. Zum zweiten muß ich sagen, nach der Geschäftsordnung der Bundesregierung werden natürlich die Ressorts, an die Fragen gerichtet sind, beteiligt, wenn es Fragen sind, die mehrere Ressorts betreffen. Sie waren beteiligt, die Antwort ist mit diesen Ressorts abgestimmt, und sie ist von, der Bundesregierung beschlossen. Glauben Sie nur ja nicht, das sie nicht auch in den anderen Ministerien gelesen worden ist, bevor sie von der Bundesregierung beschlossen wurde.
Gesundheitspolitik ist Gesellschaftspolitik. Ich bin auch dieser Meinung. Sie gehört in den Rahmen eines gesellschaftspolitischen Programms. Ich bin auch dieser Meinung. Aber das hier ist eben ein Beitrag - ein Beitrag! - zu einem gesellschaftspolitischen Gesamtkonzept. Ich nehme an, Sie, meine Damen und Herren, sind der Meinung, daß auch das, was Sie gesagt haben, ein Beitrag zu Ihrem gesellschaftspolitischen Gesamtkonzept ist, und zwar spezialisiert auf das Gesundheitswesen. Dann ist das nämlich nicht nur für uns hier aufschlußreich, sondern, glaube ich, für alle Bürger in der Bundesrepublik.
({10})
Das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. Heuser.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bedauere sehr, daß ich Ihre Zeit noch einmal in Anspruch nehmen muß.
({0})
- Sie werden aber ritterlich genug sein, mir zuzubilligen, daß ich mich wehre, wenn es schon in einem Parlament, in dem es die Gleichberechtigung gibt, Mode ist, daß sich die Damen, wenn sie angegriffen werden, auch selbst wehren müssen. Sie werden verstehen, daß ich dieses Recht für mich in Anspruch nehme.
({1})
Wenn Sie meine Fraktionskollegen, insbesondere die sehr temperamentvollen und hitzigen unter ihnen, fragen, werden sie Ihnen bestätigen, daß ich sie in den Fraktionssitzungen des öfteren mahne und ihnen sage
({2})
-: Meine lieben Freunde, ich glaube, es ist außerordentlich wichtig, daß man sich äußerster Seriosität befleißigt, wenn man in der Opposition ist,
({3})
und daß man versucht, sich nie dazu hinreißen zu lassen, etwas zu sagen, was man vielleicht hinterher nicht aufrechterhalten kann. Sie, meine Damen und Herren von der SPD, werden das bei mir nicht erleben, und Sie werden auch bei mir nicht erleben, daß ich das tue, was Sie mir heute vorgeworfen haben, nämlich daß ich polemisch werde.
Ich darf in diesem Zusammenhang Ihnen, Herr Dr. Bardens, folgendes sagen. Ich bedauere es, daß Sie hier gesagt haben, Sie hätten eine Übereinstimmung in den Ausführungen von Frau Blohm und mir feststellen müssen, die Sie für peinlich hielten. Ich bedauere es, daß Sie so etwas gesagt haben. Sie sind böse darüber gewesen, daß ich hier einen SPD- Pressedienst zitiert habe, und haben gesagt, dies sei eine obskure Quelle. Nun, ich überlasse es Ihnen, wie Sie Ihre Pressedienste bezeichnen wollen. Sie haben gesagt, wenn ich mich verläßlich erkundigen wolle, wo denn die eigentlichen Motive und wo die Grundsätze für die Gesundheitspolitik, über die wir heute zu befinden haben, zu suchen seien, so seien
diese in der Gesundheitspolitik der SPD selbst zu suchen sowie darin, wie diese Politik durch die Vertreter Ihrer Fraktion vertreten werde.
Meine Damen und Herren, ich war nun eigentlich zu Beginn dieser Debatte der Meinung, wir sprächen hier über das Gesundheitsprogramm einer Koalitionsregierung. Wenn Sie nun sagen, das sei ausschließlich das der SPD - die Debatte zeigt ja, daß die Dinge offensichtlich in Ihrer Koalitionsregierung nicht in großer Einigkeit ablaufen -, so ist das wiederum nicht meine Sache, sondern die Ihre. Sie werden es mir als Oppositionssprecherin doch wohl zubilligen, das zu sagen und deutlich zu machen.
Sie haben mir Polemik vorgeworfen, als ich meinte, der Erfolg einer Vorsorge sei nicht von der Masse der Institutionen abhängig, die dafür errichtet werden. Sie haben gesagt, was ich ausgeführt habe, sei überhaupt nur Polemik gewesen, als ich Bedenken dagegen äußerte, Vorsorge vom individuellen Tun in Institutionen hineinzuverlagern.
({4})
Ich glaube, daß es eine Reihe von Möglichkeiten dafür gibt, diese Ihre Absicht wiederum bestätigt zu sehen, wenn ich höre, was Herr Dr. Meinecke dazu gesagt hat. Er hat erklärt, daß sich die Betonung ärztlichen Handels von der individuellen Behandlung zur allgemeinen Vorsorge neige. Damit macht auch er wieder deutlich, daß offensichtlich Vorsorge nicht als individuelle Leistung gesehen werden soll. Ich bin mit Ihnen der Meinung, daß mancher Heilberuf eine Verschiebung seiner Inhalte erfahren hat. Ich weiß genau wie Sie, daß das mit erheblichen Schmerzen vor sich geht und noch vor sich gehen wird. Aber ich bin auch der Meinung, daß wir das, was gegeben ist, unterstützen und nicht ständig die Arbeit durch neue Einrichtungen belasten sollten. Glauben Sie mir doch einmal, daß ich es genau so ehrlich meine wie Sie!
({5})
Die Frau Bundesgesundheitsministerin hat gesagt, ich hätte offensichtlich etwas gegen Modelleinrichtungen und ich hätte sie falsch verstanden. Nun, es hat eine Reihe von Sprechern gegeben, die nicht in meiner Fraktion sind und die offensichtlich auch nur falsch verstehen. Aber ich habe nichts gegen Modelleinrichtungen, Frau Ministerin, gar nichts. Ich bin immer dabei gewesen, wenn es darum ging, den Titel, den Sie in Ihrem Haushalt zur Finanzierung von Modelleinrichtungen bereits haben, zu erweitern. Fragen Sie meine Kollegen in der Fraktion, ob ich nicht bei Haushaltsberatungen genau dies vertreten habe! Herr Dr. Meinecke hat gesagt: Wir haben dies schon und wir haben aus diesem Titel des Bundesgesundheitsministeriums bereits Modelleinrichtungen finanziert. Ich frage: Warum soll das nicht weiter geschehen? Dazu brauche ich, glauben wir, keine Kompetenzänderung.
Noch eines, Herr Dr. Meinecke, da Sie so auf die Manipulation mit dem Menschen abgehoben haben, die uns bevorsteht. Ich bin mit Ihnen völlig einig, wenn das etwas ist, was wir mit großer Aufmerksamkeit zu sehen haben und dem wir mit großer Aufmerksamkeit entgegenwirken müssen. Aber die beste Alternative, die Sie einer solchen Manipulation des Menschen entgegensetzen können, ist meiner Ansicht nach der verantwortungsbewußte und der für sich selbst handelnde und denkende Mensch und nicht irgendeine Institution.
({6})
Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit ist die Debatte geschlossen.
Wir haben noch über den Antrag der Fraktion der FDP Umdruck 497 zu beschließen. Es wird vorgeschlagen, diesen Antrag dem Ausschuß für Gesundheitswesen - federführend - und dem Ausschuß für Familien- und Jugendfragen zur Mitberatung zu überweisen.
({0})
- So genau habe ich es mir nicht aufgeschrieben. Ich zitiere hier nur, was mir mein Vorgänger hinterlassen hat. Also wenn ,es umgekehrt sein soll, dann Ausschuß für Familien- und Jugendfragen federführend und Ausschuß für Gesundheitswesen mitberatend. - Frau Dr. Heuser!
Zur Geschäftsordnung! Meine Damen und Herren, ich glaube, das ist vorhin nicht ganz klargeworden. Es war ein Vertreter der SPD-Fraktion, Herr Dr. Schmidt, der dazu befragt wurde. Ich bin doch der Meinung, daß diese Sache dem Gesundheitsausschuß als dem federführenden Ausschuß 2u überweisen sei. Darüber müßten wir uns doch eigentlich einig sein. Ich stelle jedenfalls den Antrag.
Wie ist es nun? Hier ist offenbar eine Meinungsverschiedenheit. Sie schlagen vor: zur Federführung an den Gesundheitsausschuß. Wir müssen abstimmen. Wer dem Vorschlag zustimmt, daß der Ausschuß für Gesundheitswesen federführend sein soll, den bitte ich um ein Handzeichen. -- Danke. Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das erste war die Mehrheit; damit ist 'der Ausschuß für Gesundheitsfragen federführend und der Ausschuß für Familien- und Jugendfragen mitberatend.
Meine Damen und Herren, wir fahren in der Tagesordnung fort. Ich bin gebeten worden, jetzt den Punkt 33 vorzuziehen:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Auswärtigen Ausschusses ({0}) über den Antrag der Fraktion der SPD betr. Beschleunigung der Erteilung von Sichtvermerken
- Drucksachen V/2163, V/2915 -Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Marx ({1})
Ich sehe den Berichterstatter nicht, er wünscht offenbar nicht das Wort.
Wird das Wort sonst gewünscht? - Herr Abgeordneter Dr. Mommer!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es geht in diesem Antrag darum, das Verfahren bei der Erteilung von Sichtvermerken für Staatsangehörige unserer östlichen Nachbarstaaten zu beschleunigen und von überflüssigen bürokratischen Erschwernissen zu befreien. Inzwischen ist das politisch ein wenig überholt. Der Sprecher meiner Fraktion in der außenpolitischen Debatte der vorigen Woche, Herr Dr. Eppler, hat hier die Forderung der SPD-Fraktion vorgetragen, man möge da, wo es zweiseitig nicht geht, auf den Sichtvermerkzwang verzichten und dieselbe Methode anwenden, die wir Anfang der 50er Jahre im Westen mit großem Erfolg angewandt haben: wir haben einseitig auf diesen Zwang verzichtet, kamen dadurch in eine moralisch und materiell vorteilhafte Position und erreichten so viel schneller die Gegenseitigkeit, als das sonst möglich gewesen wäre.
Nun war hier ein besonderer Anlaß. Am 11. Juni hat uns Herr Ulbricht die Paß-, Visum- und Gebührenschikanen im Verkehr in unserem eigenen Lande beschert. Hier wird mit Mitteln des vorigen Jahrhunderts - nein, falsch, nicht des vorigen Jahrhunderts, denn bis 1914 konnte man durch die ganze Welt reisen, wenn man Geld hatte, sogar ohne Paß, und nur der Zar und die Chinesen verlangten einen Paß -, hier wird mit Mitteln, die mit dem ersten Weltkrieg in die Sitten der Völker eingezogen sind, im Innerdeutschen Verkehr von Deutschen, die nach Deutschland reisen, ein Paß, ein Visum und werden Gebühren verlangt.
Gegen diese üble Schikane schiene es meiner Fraktion eine gute Methode zu sein, jetzt eine Kontrastwirkung dadurch zu erzielen, daß wir im Verkehr mit den Staatsangehörigen der östlichen Nachbarn einseitig auf den Visumzwang verzichten, natürlich in der Absicht, womöglich die Gegenseitigkeit zu erreichen und, was nicht unerheblich ist, auch die Gebühren für die Erteilung der Visen abzuschaffen, die beträchtlich zu Buche schlagen, wenn nicht z. B. sehr reiche Touristen dort ihren Urlaub verbringen wollen. Wir sollten also mit dieser Maßnahme, wenn ich .so sagen darf, den Herrn Ulbricht tüchtig beschämen.
Im Verkehr mit Jugoslawien wird jetzt durch eine Abmachung, die jünigst beim Besuch des Außenministers dort getroffen wurde, der Visumzwang auf Gegenseitigkeit abgeschafft. Wir sollten uns auch nicht länger dadurch beschämen lassen, daß bei unseren Nachbarstaaten die Visumerteilung unbürokratischer und formloser vor sich geht als bei uns selber. Jugoslawien hat im vorigen Jahr einseitig zu unseren Gunsten bei Touristen auf den Visumzwang verzichtet. Andere osteuropäische Länder haben die Visen an der Grenze formlos erteilt. Es ist also nicht gut, daß wir ida im Rückstand sind. Die Maßnahmen, die Herr Ulbricht getroffen hat, sollten Anlaß sein, jetzt wieder die Rolle zu spielen, die wir in den 50er Jahren gespielt haben. Wir sind die Vorkämpfer der Befreiung des Personenverkehrs von den Fesseln gewesen, die seit 1914 diesem Verkehr auferlegt wurden. Wir sollten das auch hier tun.
Wir möchten deswegen am liebsten zu diesem Antrag einen Änderungsantrag stellen, der .den Antrag, der auf Verkürzung des Verfahrens abstellt, dahin ändert, .daß ein Verzicht auf ,das ganze Verfahren beschlossen wird.
' ({0})
- Ich freue mich, da Ihren Beifall zu bekommen. Aber ich fürchte, wenn wir ,das machten, fühlte sich der eine oder andere doch überrumpelt, und ich halte nichts von Überrumpelungsmethoden hier im Plenum. Wir sollten das noch einmal durchdenken und dann schnell beschließen.
Wenn wir diese Maßnahme als Kontrastmaßnahme zu den Schikanen Ulbrichts in dier Weltöffentlichkeit sichtbar machen wollen, müssen wir schnell zum Ziele kommen. Und schnell zum Ziele kommen wir nicht über dein Bundestag; denn hier muß die Durchführungsverordnung zum Ausländergesetz entsprechend geändert werden. Die Initiative dazu sollte von der Bundesregierung ausgehen. Meine Fraktion bemüht sich, den Herrn Bundesaußenminister zu bewegen, daß er im Kabinett entsprechende Schritte tut. Vielleicht sind 'die Herren vom Koalitionspartner, die hier Beifall spenden, so freundlich, ihrerseits den Herrn Bundesinnenminister zu bitten. Bei ihm ist das etwas schwieriger, weil er unter sich .die Beamten hat, die immer meinen, sie könnten mit solchen Methoden die Spione fangen. - die Spione, die falsche Pässe haben, die viel besser sind als die echten. Wenn Sie also bei Ihrem bzw. unserem Kollegen Innenminister im gleichen Sinne tätig werden könnten,
({1}) so würde ich das begrüßen.
Im übrigen stimmen wir dem Antrag natürlich zu.
({2})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Marx ({0}).
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich spreche in diesem Augenblick nicht als Berichterstatter, sondern für meine Fraktion. Ich verweise zur Sache auf den Bericht, der Ihnen auf Drucksache V/2915 vorliegt.
Es ist unsere Absicht - und ich bin Ihnen dankbar, Herr Kollege Mommer, daß Sie die Dinge eben noch einmal von Ihrer Seite her dargestellt haben -, dafür zu sorgen, daß die Visa, solange sie auf Grund der geltenden gesetzlichen Bestimmungen noch notwendig sind, rasch erteilt werden, daß unsererseits weniger bürokratisch vorgegangen wird. Vor allen Dingen bei denjenigen, die als Touristen in unser Land kommen wollen, sollte der Versuch gemacht werden - wie wir das in unserem Antrag geschrieben haben -, Visa bis auf die Dauer von drei Monaten sehr schnell zu erteilen.
Wir haben immer wieder darauf hingewiesen - und der Kollege Hofmann, der hier vorne sitzt, hat ja vor sechs Wochen eine entsprechende Anfrage eingebracht -, welche Schwierigkeiten und Miß9964
Dr. Marx ({0})
helligkeiten sich bei der Erteilung von Visen ergeben. Jeder von uns, der die Möglichkeit hatte, in dem einen oder anderen osteuropäischen Land mit den dortigen Leuten zu sprechen, ist auf dieses Thema angesprochen worden. Man muß natürlich sagen, daß die oft aufgestellte Behauptung,. es dauere vier bis sechs Wochen, bis ein solches Visum erteilt werde, ihren Grund nicht etwa darin hat, daß bei uns sehr schleppend und bürokratisch gearbeitet würde, sondern es liegt weitgehend daran, daß die Anträge oft sehr lange bei den Schutzmächten und auch bei den heimatlichen Behörden der Antragsteller liegen. Wir nehmen mit Freude zur Kenntnis das ist auch im Außenpolitischen Ausschuß durch den Vertreter des Innenministeriums dargelegt worden -, daß es jetzt rascher geht.
Aber es gibt noch eine ganze Reihe weiterer Gravamina. Ich möchte nur ein einziges nennen: Für die Tschechoslowakei z. B. besteht die Notwendigkeit, daß Fahrer von Lkws, die etwa im Stückgutverkehr in die Bundesrepublik fahren - nach Bremen, nach Hamburg -, sechs Wochen vor der Fahrt ihr Visum beantragen. Meiner Auffassung nach kann jemandem, der etwa frische Erdbeeren oder ähnliches fährt, schlechterdings nicht zugemutet werden, sechs Wochen vor der Fahrt den genauen Tag und den Bestimmungsort zu kennen, um einen entsprechenden Antrag zu stellen. Was entsteht durch so etwas? Ich habe vorhin gesagt, es entstehen Mißhelligkeiten. Es entstehen aber noch ganz andere Dinge, nämlich, z. B., daß jeder dieser Fahrer - ich habe mich selbst davon überzeugt - zwei oder drei Pässe in der Tasche hat, weil er dann je nach den einzelnen Zeiten, für die die Visa eingetragen sind, rangieren kann. Wir fordern also unseren Partner, wir fordern uns selbst auf, Methoden zu erfinden, um die von uns gemachten Bestimmungen zu umgehen.
Unser Wunsch, Herr Kollege Mommer, ist - das ist von einer Reihe unserer Redner, auch von unserem Fraktionsvorsitzenden in der Debatte zur Außenpolitik ausgedrückt worden -, daß wir die Freizügigkeit in ganz Europa erreichen. Wir schließen damit ausdrücklich - und dies ist ein betontes Zeichen unserer Auffassung von der Politik, die wir gegenüber den osteuropäischen Staaten führen - dies mit ein.
Wir sind es auch nicht, die die Grenzen ursprünglich geschlossen haben.
Sie haben darauf hingewiesen: Seit 1950 wird von hier aus immer wieder versucht, jene unheilvolle Entwicklung, die das Ergebnis des Hasses ist, der den ersten Weltkrieg herbeigeführt hat, in Europa Stück um Stück wieder abzubauen.
Wir sind auch nicht der Auffassung wie etwa Herr Ulbricht mit seinen Maßnahmen, daß man die Souveränität eines Landes oder die eigene Staatlichkeit durch Zettel oder durch Stempel und durch zögernde Behandlung manifestieren könnte. Wir sollten selbstbewußt und konsequent sein und diesen Kurs fortsetzen.
Wir unsererseits möchten sehr gern die Bundesregierung bitten und auffordern, zu prüfen, was wir in unserem Antrag gesagt haben. Gleich nach Ende der Sommerferien des Parlaments sollte dann hier noch einmal darüber gesprochen werden, um zu sehen, welche Möglichkeiten wir finden, überall dort, wo es möglich ist, den Visumzwang aufzuheben. Wir legen natürlich einen bestimmten Wert darauf, daß dies dann schon auf Gegenseitigkeit geschieht. Wo es auf der anderen Seite noch nicht möglich ist - ich sage in Klammern: wir haben im vergangenen Jahr mit Zustimmung und Freude zur Kenntnis genommen, daß etwa die Bulgaren darauf verzichtet haben, Visa in einen Paß einzustempeln -, wo man noch nicht bereit ist, hoffe ich, daß man dann dieser von uns weiter in Gang gesetzten Entwicklung folgen wird. Ich denke, daß dies unsere politische Auffassung ist.
Im übrigen stimme ich natürlich ebenfalls dem Antrag zu.
({1})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Hofmann ({0}).
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Weil Sie, Herr Kollege Mommer, hier eine Berner-kung gemacht haben, Sie freuten sich, daß auch der Koalitionspartner jetzt die Zustimmung geben wolle, möchte ich noch einen Satz ergänzend zu dem sagen, was Herr Kollege Dr. Marx ausgeführt hat. Er hat dankenswerterweise darauf hingewiesen, daß wir schon vor einigen Wochen die Initiative hinsichtlich der Tschechoslowakei ergriffen hatten. Die Bundesregierung hat darauf sehr positiv geantwortet.
Aber das ist nicht der Grund, weshalb ich hier spreche. Ich glaube, wenn schon nicht das Visum insgesamt abgeschafft werden kann, sollten wir wenigstens für Touristen, die gern zu uns kommen wollen, insbesondere auch aus der Tschechoslowakei, versuchen, die Visen billiger zu machen.
({0})
- Einverstanden, Herr Mommer. Ich sage ja: wenn es gar nicht anders geht. Ich bin dafür, daß es ganz aufgehoben wird. Aber wenn es gar nicht anders geht, sollten wir sie wenigstens so billig machen, daß sie keine Hemmungen mehr haben, zu uns zu reisen.
Das Wort wird nicht weiter gewünscht. Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses. Ich mache allerdings darauf aufmerksam, daß die Nr. 2 von der Bundesregierung wohl kaum zu befolgen sein wird. Denn da heißt es: „zu prüfen und bis zur parlamentarischen Sommerpause zu berichten ...", die bekanntlich am Ende dieser Woche beginnt.
({0})
- Bis nach der Sommerpause; ich nehme das als
eine Interpretation der Absichten des Ausschusses.
Vizepräsident Schoettle
Wir stimmen ab. Wer dem Antrag zustimmt, den bitte ich um ein Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Antrag ist einstimmig angenommen.
Wir kommen nun zu den Punkten 17 a, b, c und d. Ich rufe zunächst Punkt 17 a auf:
Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Berlinhilfegesetzes
- Drucksache V/3019 -
aa) Bericht des Haushaltsausschusses
({1}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung
- Drucksache V/3067 -
bb) Schriftlicher Bericht des Finanzausschusses ({2})
- Drucksache V/ 3064 - ({3})
Ich frage den Berichterstatter des Haushaltsausschusses, Herrn Abgeordneten Windelen, ob er das Wort wünscht. - Der Herr Berichterstatter verzichtet.
Wünscht der Berichterstatter des Finanzausschusses, Herr Abgeordneter Porzner, das Wort? - Auch das ist nicht der Fall.
Wir treten dann in die zweite Beratung ein. Ich rufe auf Art. 1, - 2, - 3, - 4, - 5, - Einleitung und Überschrift. - Wer den aufgerufenen Artikeln zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen.
- Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das ist einstimmig angenommen.
Wir kommen dann zur
dritten Beratung.
Ich eröffne die Aussprache. - Das Wort wird nicht gewünscht. Die Aussprache ist geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung über das Gesetz im ganzen. Wer dem Gesetz zustimmen will, den bitte ich, sich zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das Gesetz ist einstimmig beschlossen.
({4})
- Mit einer Gegenstimme! Herr Abgeordneter Dr. Hofmann wünscht eine Erklärung zu seiner Abstimmung abzugeben.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sie werden fragen: Wie kann man gegen das Berlinhilfegesetz stimmen? Für Berlin sind wir alle! Ich möchte mit dieser negativen Abstimmung feststellen, daß ich die Visagebühren, die Kosten, die uns das SED-Regime beschert hat, nicht einfach aus der Staatskasse bezahlt haben möchte. Ich halte das für politisch falsch. Ich bin der Meinung, daß ein so bedeutendes Politikum für unsere Nation hätte Veranlassung sein müssen, ein Notopfer oder eine Sonderabgabe einzuführen, damit das ganze Volk mit dieser Frage konfrontiert wird. Denn was machen wir, wenn demnächst diese Visagebühren erhöht, verdoppelt oder verdreifacht werden? Dann werden wir vor dieser selben Frage stehen. Es wäre besser, wir hätten das gleich am Anfang getan.
({0})
Das Wort hat nun Herr Senator Spangenberg für das Land Berlin.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bevölkerung und der Senat von Berlin sagen in diesem Hohen Hause ihren Dank: den drei Fraktionen für ihren politischen Entschluß, das Berlinhilfegesetz als Initiativgesetz einzubringen, um damit eine schnelle und praktische Hilfsmaßnahme zum Auffangen der Schikanen aus Ostberlin einzuleiten; den beteiligten Ausschüssen dafür, daß sie in einer beispielhaften Zügigkeit ihre Sachkenntnis in die politische Perspektive eingeordnet haben - darf ich hier, Herr Abgeordneter Dr. Hofmann, zu Ihrer persönlichen Erklärung sagen, daß die Visagebühren nicht im Berlinhilfegesetz stehen -; drittens der Bundesregierung dafür, daß sie in diesen Stunden der Bewährung trotz der angespannten allgemeinen Haushaltslage zu den von ihr als richtig anerkannten Förderungsmaßnahmen für Berlin in einem besonderen Maße gestanden hat.
Diese Übereinstimmung in der großen Linie zwischen- Fraktionen, Ausschüsssen und Bundesregierung hat zu einer politischen Demonstration geführt, die uns alle beeindruckt. Es wurde gemeinsam, schnell, sachgemäß und zukunftweisend auf eine Herausforderung Ostberlins geantwortet. Für den Fortbestand des Vertrauens unserer Mitbürger in die Bundesrepublik und in die Lebensfähikgeit des Landes Berlin ist damit ein deutliches Zeichen gesetzt worden. Die Berliner werden sich gerade in dieser Zeit dankbar der politischen, rechtlichen und wirtschaftlichen Verbundenheit mit dem übrigen Bundesgebiet bewußt bleiben. Sie sind überzeugt, daß ihre Stadt, so wie es der Herr Bundeskanzler formulierte, gestärkt aus allem hervorgehen wird.
({0})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Hofmann ({0}) :
Meine Damen und Herren, gestatten Sie noch eine Erklärung. Herr Senator, selbstverständlich ist mir bekannt, daß diese 110 Millionen DM nicht im Berlinhilfegesetz stehen; aber da diese 110 Millionen DM nicht beraten, sondern außerplanmäßig bereitgestellt werden, obwohl sie, wenn auch nicht vorhersehbar, aber doch nicht unabweisbar gewesen wären, bestand für mich nur die Möglichkeit, bei diesem Berlinhilfegesetz meinen Protest zum Ausdruck zu bringen und die Bundesregierung darauf hinzuweisen, daß ich es gern anders gesehen und eine Sonderabgabe oder ein Notopfer für richtiger gehalten hätte.
Der Punkt 17 a ist damit erledigt.
Ich rufe Punkt 17 b auf:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Wirtschaft und Mittelstandsfragen ({0}) über den Antrag der Abgeordneten Burgemeister, Gewandt, Illerhaus, Lampersbach, Müller ({1}) und Genossen
betr. Lage und Erwartungen der Berliner Wirtschaft
- Drucksachen V/2970, V/3063 - Berichterstatter ist der Abgeordnete Regling. - Der Herr Berichterstatter verzichtet auf das Wort.
Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses. Wer ihm zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Antrag des Ausschusses ist einstimmig angenommen.
Ich rufe Punkt 17 c auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundergierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Wirtschaftsplans des ERP-Sondervermögens für das Rechnungsjahr 1968 ({2})
- Drucksache V/2625 Schriftlicher Bericht des Ausschusses für das Bundesvermögen ({3})
. - Drucksachen V/2761, zu V/2761 - ({4})
Berichterstatter sind die Abgeordneten Lange und Dr. Frerichs. Wünschen die Herren Berichterstatter das Wort? - Herr Dr. Frerichs!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Hinblick auf den Schriftlichen Bericht des Ausschusses für das Bundesvermögen über den ERP-Wirtschaftsplan 1968 möchte ich Ihre besondere Aufmerksamkeit auf die Förderungsmaßnahmen lenken, die auch in diesem Jahr angesetzt worden sind, um die Berliner Wirtschaft zu erweitern, wettbewerbsfähig zu erhalten und krisenfest zu machen.
Bei den Bundesmaßnahmen für Berlin verdient hervorgehoben zu werden, daß mit dem ERP- Wirtschaftsplan seit 1949 für Berlin ein Betrag von 7,6 Milliarden DM zur Verfügung gestellt worden ist. 1968 beläuft sich der Betrag insgesamt auf 366,36 Millionen DM für die Berlinhilfe, wobei zwei Schwerpunkte im Vordergrund des Interesses stehen: 1. die Förderung der Berliner Wirtschaft durch Gewährung von Investitions- und Betriebsmittelkrediten, 2. die Maßnahmen zur Förderung des Absatzes von Berliner Erzeugnissen.
Die Investitionen in Berlin wurden von 1949 bis 1967 mit 3,7 Milliarden DM bereitgestellt. Auch in diesem Jahr werden 182 Millionen DM zur Verfügung stehen. Diese Investitionsfinanzierung hat ganz wesentlich dazu beigetragen, die fast vollständig zerstörte gewerbliche Wirtschaft Berlins wieder aufzubauen, die Arbeitslosigkeit zu beseitigen und die Berliner Raten des wirtschaftlichen Wachstums denen des Bundesgebiets anzugleichen und die Einkommensunterschiede zwischen Berlin und dem Bundesgebiet auszugleichen.
Aus diesem Grunde schlägt Ihnen der Ausschuß vor, die Investitionsmaßnahmen zur Förderung der Berliner Wirtschaft auch in den Rechnungsjahren 1969 und 1970 fortzuführen und Bindungsermächtigungen bis zur Höhe von 70 Millionen DM einzugehen für solche Projekte, die im laufenden Rechnungsjahr zwar in Angriff genommen werden können, für die aber erst 1969 und 1970 Mittel zur Verfügung stehen. Mit diesem Beschluß wird klar und eindeutig zum Ausdruck gebracht, daß der Deutsche Bundestag auch 1969 und 1970 Mittel zur Rationalisierung und Erweiterung der Berliner Produktion und zur Sicherung von Arbeitsplätzen in der geteilten Stadt zur Verfügung stellen wird.
Auch die Gewährung zinsgünstiger Kredite zur Finanzierung von Aufträgen an Berliner Unternehmen hat maßgeblich dazu beigetragen, die Berliner gewerbliche Wirtschaft mit Aufträgen zu versorgen und ihre Kapazitäten auszulasten. Bis 1967 haben die Auftragsfinanzierungskredite die Zwei- MilliardenGrenze überschritten. Auch in diesem Jahr ist eine Erhöhung des Ansatzes für die Auftragsfinanzierung vorgesehen, um der Berliner Industrie verstärkt die Möglichkeit zu geben, ihren Auftragseingang zu vergrößern.
Um ganz sicher zu gehen, schlagen wir Ihnen vor, die Deckungsfähigkeit zwischen der Investitionsfinanzierung und der Auftragsfinanzierung herzustellen.
Die Berliner Wirtschaft kann ohne einen ausreichenden und qualifizierten Stamm von Facharbeitskräften nicht leben. Aus diesem Grunde sind eine ganze Reihe von Maßnahmen vorgesehen, um einen ständigen Zufluß von Facharbeitskräften, vor allen Dingen von jüngeren Arbeitskräften, in diese Stadt zu ermöglichen. Im Rahmen der Maßnahmen zur Gewinnung solcher Facharbeitskräfte für Berlin sind auch im ERP-Fonds Mittel vorgesehen, z. B. zum Bau von Appartementwohnungen, aber auch Maßnahmen zur Beschäftigung von älteren Angestellten in dieser Stadt.
Wir waren uns dessen bewußt, .daß diese skizzierten Maßnahmen nur im Zusammenhang gesehen werden können mit den vielfältigen Hilfsfunktionen, die wir hier soeben im Berlinhilfegesetz unbefristet verabschiedet haben. Der Ausschuß war sich ebenfalls in der Auffassung einig, daß noch viel mehr getan werden muß, um die Arbeitsaufnahme in Berlin noch attraktiver zu machen, sei es über eine großzügige Wohnungsbeschaffung zu erschwinglichen Mieten oder andere zusätzliche Arbeitnehmerpräferenzen einschließlich des Kindergeldes, um eine möglichst hohe Zahl qualifizierter Arbeitskräfte auf Dauer in Berlin zu halten. Das Schicksal Berlins hängt neben interessanten Investitionsmöglichkeiten
und einer sehr zinsgünstigen Auftragsfinanzierung vor allen Dingen von der Lösung des Arbeitskräfteproblems ab. Aus diesem Grunde ist der Ausschuß für das Bundesvermögen .der Auffassung, daß 1969 im ERP-Wirtschaftsplan Mittel für weitere Maßnahmen, die zu diesem Erfolg führen können, angesetzt werden sollten, notfalls, Herr Bundesschatzminister, unter Ausklammerung der im Augenblick im ERP-Plan für den Bundeshaushalt übernommenen Aufgaben mit einer Größenordnung von 90 Millionen DM.
Meine Damen und Herren, jetzt gilt es, durch neue Ideen und neue Initiativen viele zukunftssichere Arbeitsplätze auf Dauer in Berlin zu schaffen. Dies gilt im abgewandelten Sinne auch für Maßnahmen zur Förderung der Forschung und wirtschaftlich bedeutender kultureller Einrichtungen, für die der ERP-Wirtschaftsplan 1968 wiederum 2,8 Millionen DM zur Verfügung hat. Gerade im Hinblick auf die Bedeutung einer wirtschaftsnahen Forschung und zur Wahrung ,der Stellung Berlins als eines der deutschen Forschungszentren sollten nach Ansicht des Ausschusses diese Zuschüsse verstärkt werden, und zwar in dem Sinne einer wirtschaftsnahen Forschung, die insbesondere die Aufgabe haben soll, die Lücke zwischen der reinen Grundlagenforschung einerseits und der zweckbestimmten, aber eng auf die werkseigenen Belange ausgerichteten Industrieforschung andererseits zu schließen. Hierbei sollen die Ergebnisse auch kleinen und mittleren Unternehmen zugute kommen, die aus eigenen Kräften nicht über eigene Forschungsabteilungen verfügen. Im Rahmen der finanziellen Mittel für die Berliner Wirtschaft wird dabei besonderes Augenmerk auf die Tatsache gelegt, daß in Zukunft noch mehr als bisher darauf geachtet werden muß, stagnierende Industrie- und Wirtschaftszweige durch entwicklungsfähige Betriebe oder Unternehmen zu ergänzen und zu ersetzen. Auf gar keinen Fall darf der technische und technologische Fortschritt an den Berliner Unternehmen vorübergehen, sondern Berlin müßte im Rahmen seiner Forschungsaufgaben mit an der Spitze dieser Entwicklung stehen.
Lassen Sie mich abschließend zu dieser ersten Bemerkung noch hinzufügen, daß in dem ERP- Berlinprogramm noch eine ganze Reihe anderer kleinerer Maßnahmen vorgesehen sind, wie z. B. die Förderung der Produktivität und des Erfahrungsaustausches, die aus Zeitgründen hier nur angedeutet werden können. Der federführende Ausschuß hat den Wunsch zum Ausdruck gebracht, daß die Bundesregierung den Entwurf des ERP-Wirtschaftsplangesetzes 1969 so rechtzeitig vorlegen möge, Herr Bundesschatzminister, daß insbesondere auch die für Berlin beabsichtigten Maßnahmen ohne überstürzte Hast durchdacht und diskutiert werden können.
Es wäre falsch, anzunehmen, daß der ERP-Wirtschaftsplan 1968 nur aus Förderungsmaßnahmen für Berlin besteht, sondern wie in den Vorjahren gliedert er sich in weitere Förderungshilfen zugunsten der Binnenwirtschaft und auch der Entwicklungshilfe. Ich darf Sie aus Zeitgründen aber bitten, hierbei den Ihnen vorliegenden Schriftlichen Bericht einzusehen.
Lediglich einen kurzen Hinweis erlauben Sie mir noch.
In diesem Rechnungsjahr 1968 werden erstmalig kleinen und mittleren Presseunternehmen Kredite in Höhe von 20 Millionen DM zur Verfügung gestellt. Sie erinnern sich sicherlich noch an die sehr lebhaften, ja heftigen Debatten in diesem Hohen Hause und an die Zusicherung der Bundesregierung, Gelder hierfür bereitzustellen. Der Ausschuß beschäftigte sich sehr eingehend mit diesem Ansatz und forderte die Bundesregierung auf, bis zur Verabschiedung des Gesetzes am heutigen Tage die Richtlinien für die Vergabe von Mitteln an die Presseunternehmen vorzubereiten. Ebenso war der Ausschuß der Ansicht, daß über das Ergebnis des Einsatzes dieser ERP-Kredithilfen bei Vorlage des ERP- Wirtschaftsplanes 1969 ausführlich Bericht erstattet werden soll.
Bei den Beratungen kam zum Ausdruck, daß diese Kredithilfe die Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit der kleinen und mittleren Presseunternehmen fördern soll und im Rahmen des Gesamtkomplexes Presseunternehmen nur als Teil der beabsichtigten Maßnahmen angesehen werden sollte. Es bleibt aber festzuhalten - und damit komme ich zum Schluß -, daß mit der heutigen Verabschiedung des ERP-Wirtschaftsplangesetzes und seiner baldigen Verkündung nunmehr erstmalig zinsgünstige Kredite in Höhe von 20 Millionen DM für Investitionen der kleinen und mittleren Presseunternehmen zur Verfügung stehen.
Damit darf ich den kurz gefaßten Bericht beschließen und Sie bitten, den Gesetzentwurf in der vorliegenden Form anzunehmen.
({0})
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. In der Aussprache wird das Wort nicht gewünscht. Wir kommen zur Abstimmung in zweiter Beratung. Ich rufe Art. 1 bis 8, Einleitung und Überschrift auf. Wer zuzustimmen wünscht, gebe das Handzeichen. - Danke. Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen.
Ich rufe auf zur
dritten Beratung.
Dass Wort wird nicht gewünscht. Wer dem Gesetzentwurf im Ganzen zuzustimmen wünscht, möge sich erheben. - Danke. Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist einstimmig angenommen.
Wir kommen dann zum Punkt 17 d:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des ERP-Investitionshilfegesetzes
- Drucksache V/2626 -Schriftlicher Bericht des Ausschusses für das Bundesvermögen
({0})
- Drucksache V/2762 9968
Abgeordneter Lange, Abgeordneter Dr. Frerichs
({0})
Ich frage, ob die Berichterstatter das Wort wünschen. - Die Berichterstatter wünschen das Wort nicht. Ich frage, ob das Wort in der allgemeinen Aussprache gewünscht wird. - Dass ist nicht der Fall.
Dann kommen wir zur Abstimmung in zweiter Beratung. Wer den Art. 1 bis 4, Einleitung 'und Überschrift zuzustimmen wünscht, gebe das Handzeichen. - Danke. Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen.
Wir kommen zur
dritten Beratung.
Wird das Wort gewünscht? - Herr Brenck hat das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen 'und Herren! Ich möchte zu dem Änderungsgesetz zum ERP- Investitionshilfegesetz eine Anmerkung machen und darauf hinweisen, daß sich im Laufe der Zeit gegen den Verteilerschlüssel von Programmen dieser Art für Fördergebiete allein nach ,der Bevölkerungszahl Bedenken ergeben haben, weil die Gefahr besteht, daß der wirtschaftliche Rückstand des Zonenrandgebietes damit bestehenbleiben würde, denn die strukturellen Mängel diesen Gebieten sind eine der wesentlichen Ursachen der geringen Bevölkerungsdichte. Den Umfang der Förderungsmaßnahmen auf diese besondere Bevölkerungsdichte abzustellen, würde praktisch bedeuten, daß von einem 'ständig gleichbleibenden wirtschaftlichen Rückstand ausgegangen wird. Dagegen entspräche eine gewisse Mitberücksichtigung der Fläche neben der Bevölkerungszahl mehr den gegebenen Notwendigkeiten, denn es ist ja einleuchtend, daß beispielsweise für Maßnahmen des Straßenverkehrs oder der Wasserversorgung in ,einem großen Raum mit größeren Entfernungen auch mehr Mittel für die Strukturverbesserung eingesetzt werden müssen.
In den Bergbaugebieten werden beispielsweise dichtbevölkerte Städte mit ihrer vollen Bevölkerungszahl in die Förderung einbezogen. In diesen Gebieten ist ein erheblicher Teil der Bevölkerung wirtschaftlich nicht von der Kohle abhängig und in Wachstumsindustrien beschäftigt, so daß der Anteil solcher Gebiete nicht ganz ausgewogen bemessen ist.
Ich meine, die Problematik wird um so deutlicher, wenn man daran denkt, daß z. B. im ostbayerischen Grenzland, im Zonenrandgebiet vor einiger Zeit noch Arbeitslosenquoten bis zu 42 % festgestellt werden mußten. Es geht um einen möglichst gerechten Schlüssel, der vielleicht nicht ganz einfach ist. Ich möchte deshalb die Bundesregierung bitten, diese Umstände zu prüfen und nötigenfalls mit den übrigen an der Beratung und Entscheidung über solche Programme Beteiligten abzustimmen.
({0})
Das Wort wird nicht mehr gewünscht. Wir kommen dann zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz im Ganzen zuzustimmen wünscht, möge sich erheben. - Danke. Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das Gesetz ist einstimmig angenommen.
Ich rufe dann Punkt 18 der Tagesordnung auf:
a) Erste Beratung ,des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über Straffreiheit
- Drucksache V/3028 -
b) Erste Beratung des von der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über Straffreiheit
Drucksache V/3030 Das Wort in der allgemeinen Aussprache wird nicht gewünscht. Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, beide Vorlagen an den Sonderausschuß für die Strafrechtsreform zu überweisen. - Das Haus ist damit einverstanden.
Dann kommen wir zu den Zusatzpunkten der Tagesordnung, und zwar zunächst zu Punkt 56:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Wissenschaft, Kulturpolitik und Publizistik ({0}) über den Antrag der Abgeordneten Dr. Martin, Dr. Schober, Frau Geisendörfer, Dr. Hudak, Gottesleben, Dr. Hammans, Frau Dr. Wex, Dr. Huys und der Fraktion der CDU/CSU betr. AkademieReife
- Drucksachen V/2804, V/3077 Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Martin
Ich frage, ob der Herr Berichterstatter das Wort wünscht.
({1})
- Der Herr Berichterstatter wünscht nicht das Wort.
Ich eröffne die Aussprache. Herr Moersch wünscht das Wort. Sie haben das Wort, Herr Moersch.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich verweise zu diesem Antrag auf die Ausführungen, die ich namens der FDP-Fraktion am 7. Mai in diesem Hohen Hause gemacht habe, und muß feststellen, daß hier durch die Bestätigung dieses Antrags und vor allem durch die Bestätigung des Schriftlichen Berichtes der falsche Eindruck entstehen könnte, als ob dieses Hohe Haus - und vor allem meine Fraktion - damit einer Bildungskonzeption zustimmen wollte, die jedenfalls in früheren Debatten von der Mehrheit dieses Hauses nicht geteilt worden ist. Ich darf das hier wohl auch für die sozialdemokratischen Kollegen sagen, wenn ich ihre Beiträge noch in richtiger Erinnerung habe.
Wir von der FDP sind der Meinung, daß der Weg zu einem gespaltenen Abitur nicht dazu führen kann, daß wir Akademien in Form von Fachhochschulen in den gesamten Hochschulbereich einbeziehen. Insofern unterscheidet sich unsere Bildungskonzeption
sicherlich von der, die hier in dem Bericht des Berichterstatters Dr. Martin niedergelegt ist.
Wir verweisen weiterhin darauf, daß es sicherlich nicht sinnvoll sein kann, eine solche Entscheidung hier zu treffen, die zwar nicht definitiv ist, die aber doch eine Willenskundgebung dieses Hohen Hauses wäre. Dies kann jedenfalls so lange nicht sinnvoll sein, bis die Vorlage des Bildungsrates über ein gesamtes Bildungskonzept beraten worden ist. Ich halte es mit meinen Kollegen nicht für ratsam, Teilbereiche, so dringend sie sein mögen aus Gründen der EWG - das anerkennen wir gern -, vorweg dem Willen nach schon zu bestätigen, wenn wir nicht den Gesamtüberblick haben. Wir haben in der Bildungspolitik in der Vergangenheit zuviel an Symptomen kuriert, zu viele Einzelmaßnahmen beschlossen, als daß wir uns erlauben könnten, uns selbst hier in einer für mich jedenfalls bedenklichen Weise festzulegen.
Ich bitte deshalb das Hohe Haus, den Bericht und den Antrag zurückzuweisen und eine Entscheidung erst dann zu treffen, eine Empfehlung erst dann an die Regierung zu geben, wenn wir Gelegenheit gehabt haben, auf Grund der Vorlage des Bildungsrates sachkundig zu urteilen.
Ich frage, ob das Wort weiter gewünscht wird. - Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Martin.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich melde mich nur zu Wort, um einige Mißverständnisse zurückzuweisen und um auch einiges für den Vorsitzenden des Ausschusses zu sagen, der selber heute nicht hier sein kann.
Herr Moersch ist in einer schwierigen Situation. Die FDP war, soweit ich weiß, in der Ausschußsitzung nicht vertreten. Der Beschluß ist in der Tat einstimmig. Daß die FDP nicht vertreten war, ist ein technisches Problem und kein Problem der Bildungskonzeption, Herr Moersch. Das müssen Sie selber vertreten. Sie waren nicht da, sonst hätten Sie Widerspruch eingelegt.
Im übrigen stimmt es nicht, Herr Moersch, daß hier etwas vorweggenommen wird. Wer die Geschichte der Bildungsdiskussion kennt, weiß, daß die Errichtung von Fachhochschulen und ihr Verhältnis zu den Universitäten bereits im ersten Bericht des Wissenschaftsrates steht und daß die Frage der Akademiereife im Zusammenhang mit den Fachhochschulen zur Entlastung des Bildungswesens von Nord bis Süd und von rechts bis links in der Diskussion ist.
Wir nehmen auch insofern nichts vorweg, Herr Moersch - wenn Sie genau lesen -, als wir die Bundesregierung bitten, zu prüfen, ob die Länder überhaupt bereit und in der Lage sind, eine Akademiereife einzuführen und sich dafür zu verwenden, Fachhochschulen einzurichten. Wir fordern die Bundesregierung auf, wenn diese Prämisse gilt, sie dadurch zu komplettieren, daß sie untersucht, ob von dieser Basis aus Berufsbilder entwickelt werden können, damit das Ganze einen Sinn hat. Es gibt ja immer zwei Dinge: Ausbildung und den dazu gehörigen Beruf. Wenn Sie es so betrachten, Herr Moersch, wird überhaupt nichts vorweggenommen. Wenn wir den Bericht haben, so haben wir das Material, um zu prüfen, ob es Sinn hat, die Akademiereife einzuführen und Fachhochschulen zu errichten. Wir wissen dann, ob Staat, Wirtschaft und Gesellschaft bereit und in der Lage sind, die entsprechenden Laufbahnen zu entwickeln. Selbst wenn Sie dagegen wären, müßten Sie das eigentlich bejahen, weil Sie auf diese Weise das Material bekommen, um das Problem zu klären.
Ich würde also, um es kurz zu machen, das Hohe Haus bitten, den Antrag von Herrn Moersch zurückzuweisen und dem einstimmigen Beschluß des Ausschusses zu folgen.
Das Wort hat Herr Moersch.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bedauere sehr, daß ich in dieser Ausschußsitzung wegen einer anderweitigen Verpflichtung im 1. Untersuchungsausschuß nicht anwesend sein konnte. Ich habe mir über die Beratungen berichten lassen, und ich hatte den Eindruck, daß die Kollegen - das mußten sie ja wohl - ohne Kenntnis des dann folgenden Schriftlichen Berichts die Sache passieren ließen. Es ist mein Fehler, daß ich das nicht verhindern konnte, das will ich gern zugestehen.
({0})
- Entschuldigen Sie, maßgebend ist die Meinung, die hier präjudiziert werden soll. Diese Meinung deckt sich, soweit ich das sehe, bisher nicht mit der Meinung der Mehrheit dieses Hauses.
Herr Dr. Martin, der Bildungsrat hat uns zugesagt, diesen Gesamtüberblick zu geben. Wie Sie wissen, darf die Bundesregierung kraft Amtes gar keinen bildungspolitischen Sachverstand in wesentlichen Gebieten haben. Daher wird sie diese Unterlagen von den Ländern bekommen müssen, so daß eine Doppelarbeit entstünde. Sie müßten ja auch warten, bis der Bildungsrat den Überblick vorgelegt hat. Sie sollten das wenigstens tun. Da wir die Zusage vom Bildungsrat haben, sehe ich nicht ein, warum dieser zweite Weg gegangen werden soll.
Was Sie eben gesagt haben, bestärkt mich in dem Verdacht, daß Sie in dem Bericht sehr detaillierte Vorstellungen niedergelegt haben, denen hier im Plenum wiederholt widersprochen worden ist, nämlich die Vorstellung von einem Bildungswesen, das jedenfalls nicht unserer Konzeption entspricht. Nun bindet sicherlich nicht der Bericht, sondern es bindet im wesentlichen der Antrag. Aber ich bin in solchen Fragen für absolute Offenheit und Klarheit, und ich will nicht haben, daß wir Argumente für eine Bildungskonzeption liefern, die am Ende nicht die unsere sein kann.
Ich kann mich heute nicht - jedenfalls nicht in dieser präzisen Weise - auf die Behebung von
Schwierigkeiten festlegen, wie Sie es in Ihrem Bericht getan haben. Dafür müssen Sie Verständnis haben. Und ich meine, es ist auch gut, daß auf diese ungewöhnliche Weise eine Sache offen besprochen werden muß, die sonst vielleicht im Ausschuß geblieben wäre.
Es ändert nichts an der gegenseitigen Hochachtung, wenn ich sage, daß ich glaube, daß Sie, Herr Dr. Martin, mit Ihren Vorstellungen genauso in einer Sackgasse enden werden, wie das früher in anderen Fällen gewesen ist. Ich habe das, wie gesagt, am 7. Mai hier dargelegt, und ich möchte das Hohe Haus nicht mit einer Erörterung zur Sache aufhalten. Ich glaube aber, daß das Verfahren, das hier gewählt worden ist - und das muß ich doch sagen, Herr Kollege Dr. Martin -, schon deswegen nicht von besonderer Logik ist, weil ja gerade in dieser Woche in Nordrhein-Westfalen, in Düsseldorf, auf Wunsch Ihrer Freunde und auch auf Wunsch von uns und der SPD eine Beratung abgesetzt worden ist, die auch präjudiziert hätte.
Es ist ganz ohne Zweifel so, daß wir im Ingenieurschulwesen in eine Situation gedrängt wurden, in der schon quer durch die Fronten gegensätzliche Entscheidungen getroffen worden sind. Dieser Ihr Antrag, der hier zum Antrag des ganzen Hauses gemacht werden soll, widerspricht jedenfalls inhaltlich dem, was die CDU-Fraktion in Düsseldorf vorgelegt hat; er entspricht allerdings zunächst dem, was die Regierung in Nordrhein-Westfalen in groben Zügen vorgelegt hat. Aber genau das war es ja, was weder die SPD noch wir hier eigentlich haben wollten. Um das Bild nicht weiter zu verwirren, würde ich dem Bundestag empfehlen, von der Dringlichkeit dieser Vorlage abzusehen und einmal abzuwarten. Das ist dann keine Entscheidung für das Gegenteil, Herr Dr. Martin, sondern es ist ein weises Verhalten in einer sehr schwierigen Situation.
({1})
Eine Frage, Herr Kollege Moersch: Sie wünschen Rücküberweisung an den Ausschuß?
Ich wünsche Rücküberweisung, und zwar um abzuwarten, bis die Vorschläge des Bildungsrates da sind, damit wir einen Gesamtüberblick haben und keine Detailentscheidungen präjudizieren.
Das Wort hat Frau Geisendörfer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, wir wollen jetzt in dieser Stunde keine Debatte über den Inhalt und die Konzeption der Akademiereife entfesseln. Deswegen möchte ich hier nur noch einmal ausdrücklich bestätigen: Dieser Antrag und dieser Bericht präjudizieren weder eine Lösung noch bedeuten sie die Konzeption einer bestimmten Lösung. Auch ich bin der Meinung: seit der Stellung unseres
Antrages ist so viel debattiert worden, sind so viele neue Vorschläge gemacht, so viele neue Überlegungen angestellt worden, daß wir in einer gemeinsamen Beratung mit den Ländern noch einmal darüber sprechen wollen. Ich halte es aber für gut und für richtig, wenn wir bis zum Oktober eine Zusammenfassung haben, wie sie dieser Antrag fordert, damit wir dann auf Grund des Berichtes über den neuesten Stand der Verhandlungen in den Ländern und mit den Ländern unsere Anträge, unsere Überlegungen hier im Bundestag weiter fortsetzen können.
Ich möchte deswegen den Antrag meines Kollegen Martin unterstützen, daß wir den Antrag des Ausschusses, wie er hier festliegt, annehmen.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Moersch?
Frau Kollegin Geisendörfer, halten Sie Ihre Meinung aufrecht, daß das gar nichts präjudiziere - ich nehme das sehr ernst -, wenn in dem Schriftlichen Bericht gesagt wird: Bei der Beratung ist der Wissenschaftsausschuß von folgenden Überlegungen ausgegangen ... - und dann kommen exakte Überlegungen, die jedenfalls bisher nicht die einheitliche Meinung in diesem Hause waren. Besteht da nicht die Gefahr, daß die Beamten, die sich damit beschäftigen müssen, den Eindruck haben könnten, dem Herrn Kollegen Dr. Martin sei hier eine Meinungsänderung gelungen? Das ist jedenfalls nicht das, was ich wünschte; darum geht es eigentlich.
Herr Kollege, wir stimmen hier über den Antrag des Ausschusses und nicht über den Bericht ab. Der Antrag des Ausschusses lautet: „Die Bundesregierung wird ersucht, zu prüfen ..." Darüber stimmen wir ab, und das bitte ich zu bejahen und anzunehmen.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Freyh.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Fraktion betrachtet diesen Antrag, ebenso wie schon einige Vorredner der Koalitionsfraktion, nicht als eine Präjudizierung in der Sache. Das möchte ich am Anfang ganz deutlich unterstreichen.
Ich bin der Auffassung, daß der Zwang zur Einheitlichkeit in diesen Fragen und die Dringlichkeit einer Lösung dieses Haus veranlassen sollten, sich die entsprechenden Unterlagen bis zum Ende der Sommerpause, also bis zum Beginn der Möglichkeit neuer Beratungen, zu beschaffen, und zwar - durch diesen Antrag - mit Hilfe der Bundesregierung.
Ich möchte dazu aber ergänzend noch folgendes sagen. Der Zwang zur Einheitlichkeit ist ja gerade durch das, was Sie Herr Moersch, hier angedeutet haben, unterstrichen worden, dadurch nämlich, daß in Düsseldorf ein Initiativantrag zurückgenommen
Deutscher Bundestag - 5. Wahlperiode -.
worden ist. Der Hintergrund dieses Zurücknehmens ist der Wunsch, eine einheitliche Lösung und keine unterschiedlichen Länderlösungen zu finden.
Die meiner Partei zugehörigen Kultusminister und Ministerpräsidenten haben in der vergangenen Woche beschlossen, in der Ministerpräsidentenkonferenz am 5. Juli einen Antrag zu stellen, damit eine einheitliche Lösung mit Hilfe der Ministerpräsidentenkonferenz über die Kultusministerkonferenz erarbeitet wird, und zwar so schnell wie möglich. Bis zu diesem Zeitpunkt - auch das scheint mir in dem Zusammenhang noch von einiger Bedeutung zu sein - sollen keinerlei Länderregelungen initiativ angestrebt, geschweige denn abgeschlossen werden, um in dieser Frage, von der ich bereits am Anfang gesagt habe, daß sie dringend gelöst werden muß, nun auch wirklich zu einer einheitlichen Lösung zu gelangen.
Aus diesem Grunde möchten wir den Vorschlag unterstützen, daß der Antrag in dieser Form heute abend weitergegeben wird.
Wünschen Sie, Herr Abgeordneter Dr. Martin, noch das Wort?
({0})
- Dann kommen wir zur Abstimmung.
Wird der Antrag auf Rücküberweisung aufrechterhalten? - Dann müssen wir zuerst darüber abstimmen. Wer für die Rücküberweisung an den Ausschuß ist, gebe ,das Zeichen. - Gegenprobe! - Danke! Dieser Antrag ist abgelehnt.
Wir kommen dann in der Sache zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses, nicht über den Bericht, auf Umdruck V/3077. - Wer dem Antrag des Ausschusses zuzustimmen wünscht, gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei einigen Enthaltungen ist der Antrag angenommen.
Ich muß noch mitteilen, daß Herr Abgeordneter Dr. Dichgans eine Erklärung nach § 59 der Geschäftsordnung zu Protokoll gibt. *) Das ist eine Erklärung zur Abstimmung.
({1})
- Ich bin Herrn Dr. Dichgans dankbar dafür, daß er von dieser Möglichkeit der Geschäftsordnung Gebrauch macht. Es ist nicht nötig, mitzuteilen, was darin steht. Zur Verkürzung der Verhandlungen kann jeder Abgeordnete zur Abstimmung, wenn es nicht um eine namentliche Abstimmung geht, seine Meinung zu Protokoll geben. Das ist hier korrekt und dankenswerterweise geschehen.
Wir kommen dann zu dem weiteren Zusatzpunkt unserer Tagesordnung:
Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Gewährung von bezahltem Urlaub für die Teilnahme an förderungswürdigen staatsbürgerlichen Bildungsveranstaltungen
- Drucksache V/2682 - *) Siehe Anlage 4
Es ist vereinbart, daß auf eine Begründung und Aussprache verzichtet wird und die Vorlage dem Ausschuß für Wissenschaft, Kulturpolitik und Publizistik - federführend -, dem Ausschuß für Arbeit, dem Innenausschuß, dem Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen - mitberatend -, ferner dem Haushaltsausschuß gemäß § 96 der Geschäftsordnung überwiesen wird. - Das Haus ist mit dieser Behandlung einverstanden.
Ich komme dann zu der numerischen Folge in unserer Tagesordnung zurück. Punkt 19 - Änderung des Grundgesetzes, Haushaltsgrundsätzegesetz - ist bis Freitag zurückgestellt.
Ich rufe Punkt 20 auf:
Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über den Finanzausgleich unter den Ländern vom Rechnungsjahr 1965 an ({2})
- Drucksache V/2784 -
e) Bericht des Haushaltsausschusses ({3}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung
- Drucksache V/3024 -
Berichterstatter: Abgeordneter Windelen
b) Schriftlicher Bericht des Finanzausschusses ({4})
- Drucksachen V/2984, zu V/2984 Berichterstatter: Abgeordneter Zoglmann ({5})
Das Wort in der allgemeinen Aussprache wird nicht gewünscht.
Wir kommen zur Abstimmung in zweiter Beratung. Ich rufe Art. 1 bis 3 sowie Einleitung und Überschrift auf. Wer zuzustimmen wünscht, gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen.
Ich rufe zur
dritten Beratung
auf. - Das Wort wird nicht gewünscht.
Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetzentwurf im ganzen zuzustimmen wünscht, möge sich erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das Gesetz ist einstimmig angenommen.
Ich rufe Punkt 21 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Internationalen Kaffee-Übereinkommen 1968
- Drucksache V/2906 -
a) Schriftlicher Bericht des Haushaltsausschusses ({6}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung
- Drucksache V/3066 - Berichterstatter: Abgeordneter Westphal
Vizepräsident Dr. Mommer
b) Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Mittelstandsfragen ({7})
- Drucksache V/3035 Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Elbrächter
({8})
Das Wort in der Aussprache wird nicht gewünscht.
Wir kommen zur Abstimmung in der zweiten Beratung. Ich rufe Art. 1 bis 4 sowie Einleitung und Überschrift auf. Wer zuzustimmen wünscht, gebe das Zeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das Gesetz ist in zweiter Beratung einstimmig angenommen.
Ich rufe zur
dritten Beratung
auf. - Das Wort wird nicht gewünscht.
Wer dem Gesetzentwurf im ganzen zustimmen will, möge sich erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das Gesetz ist einstimmig angenommen.
Ich rufe Punkt 22 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 10. Juli 1967 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Thailand zur Vermeidung der Doppelbesteuerung bei den Steuern vom Einkommen und vom Vermögen
- Drucksache V/2629 -Schriftlicher Bericht des Finanzausschusses ({9})
- Drucksache V/3058 Berichterstatter: Abgeordneter Schulhoff ({10})
Das Wort in der Aussprache wird nicht gewünscht.
Wir kommen zur Abstimmung in zweiter Beratung. Ich rufe Art. 1 bis 4 sowie Einleitung und Überschrift auf. Wer zuzustimmen wünscht, gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen.
Ich rufe zur
dritten Beratung
auf. - Keine Wortmeldungen.
Wer dem Gesetzentwurf im ganzen zustimmen will, möge sich erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Ich stelle einstimmige Annahme fest.
Ich rufe Punkt 23 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Krankenpflegegesetzes
- Drucksache V/1896 - Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Gesundheitswesen ({11})
- Drucksache V/2974 Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Schmidt ({12})
({13}) Das Wort wird nicht gewünscht.
Wir kommen zur Abstimmung in zweiter Beratung. Wer Art. 1 bis 3 sowie Einleitung und Überschrift zuzustimmen wünscht, gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen.
Ich rufe zur
dritten Beratung
auf. - Das Wort wird nicht gewünscht.
Wer dem Gesetzentwurf im ganzen zustimmen will, möge sich erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das Gesetz ist einstimmig angenommen.
Es muß noch über Punkt 2 des Antrags des Ausschusses Beschluß gefaßt werden: Der Bundestag wolle beschließen, die zu diesem Gesetz eingegangenen Petitionen durch die Annahme des Gesetzes für erledigt zu erklären. - Das Haus ist damit einverstanden.
Ich rufe Punkt 24 auf:
Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Dr. Jungmann, Frau Dr. Hubert, Frau Blohm, Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein, Dr. Hammans, Dr. Schmidt ({14}), Lange, Dr. Meinecke und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Arzneimittelgesetzes
- Drucksache V/2572 Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Gesundheitswesen ({15})
- Drucksache V/2996 Berichterstatterin: Abgeordnete Frau Dr. Heuser
({16}) Das Wort wird nicht gewünscht.
Wir kommen zur Abstimmung in der zweiten Beratung. Wer den Art. 1 bis 3, Einleitung und Überschrift zustimmen will, gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen.
In der
dritten Beratung
wird das Wort nicht gewünscht. Wer dem Gesetz im ganzen zustimmen will, möge sich erheben. - Danke. Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das Gesetz ist einstimmig angenommen.
Vizepräsident Dr. Mommer
Ich rufe Punkt 25 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Fünften Gesetzes zur Änderung des Wehrpflichtgesetzes
- Drucksache V/1724 -
a) Bericht des Haushaltsausschusses ({17}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung
- Drucksache V/3068 -
Berichterstatter: Abgeordneter Windelen
b) Schriftlicher Bericht des Verteidigungsausschusses ({18})
- Drucksache V/3001 Berichterstatter: Abgeordneter Josten ({19})
Das Wort wird nicht gewünscht. Wir kommen zur Abstimmung in zweiter Beratung. Wer den Art. I bis III, Einleitung und Überschrift zustimmen will, gebe das Handzeichen. - Danke. Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen.
In der
dritten Beratung
wird das Wort nicht gewünscht. Wer dem Gesetz im ganzen zustimmen will, möge sich erheben. - Danke für diese große Mühe, die ich Ihnen immer wieder auferlegen muß. - Das Gesetz ist einstimmig angenommen.
Ich rufe Punkt 26 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Elften Gesetzes zur Änderung des Zollgesetzes
- Drucksache V/2979 Eine Aussprache wird nicht gewünscht. Überweisungsvorschlag: Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen - federführend -, Finanzausschuß zur Mitberatung. - Das Haus ist damit einverstanden.
Punkt 27 der Tagesordnung:
Erste Beratung des von der Bundesregierung ,eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über .das Verfahren bei der Erteilung von Zollkontingentscheinen
- Drucksache V/298'0 -Überweisungsvorschlag: Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen. - Das Haus ist damit einverstanden.
Punkt 28 der Tagesordnung:
Erste Beratung des von der Bundesregierung
eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur
Überleitung gebührenrechtlicher Vorschriften
- Drucksache V/2981 Das Wort wird nicht gewünscht. Überweisungsvorschlag: Innenausschuß - federführend -, Rechtsausschuß zur Mitberatung. - Das Haus ist damit einverstanden.
Punkt 29:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung ,des Gesetzes vom 12. Juni 1965 zu dem Übereinkommen vom 20. März 1958 über die Annahme einheitlicher Bedingungen für die Genehmigung der Ausrüstungsgegenstände und Teile von Kraftfahrzeugen und über die gegenseitige Anerkennung der Genehmigung
- Drucksache V/2993 Eine Aussprache wird nicht gewünscht. Überweisungsvorchlag: an den Verkehrsausschuß. - Das Haus ist damit einverstanden.
Punkt 30 der Tagesordnung:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Ermittlung des Gewinns aus Land- und Forstwirtschaft nach Durchschnittsätzen ({20})
- Drucksache V/3007 -Auf Aussprache wird verzichtet. Überweisungsvorschlag: Finanzausischuß - federführend -, Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zur Mitberatung. - Das Haus isst damit einverstanden.
Punkt 31 der Tagesordnung:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 11. April 1967 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Belgien zur Vermeidung der Doppelbesteuerungen und zur Regelung verschiedener anderer Fragen auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen einschließlich der Gewerbesteuer und der Grundsteuern
- Drucksache V/3006 Keine Wortmeldungen. Überweisungsvorschlag: Finanzausschuß. - Das Haus ist damit einverstanden.
Punkt 32 der Tagesordnung:
Erste Beratung des von den Abgeordneten Dr. Schmidt ({21}), Bading, Mertes und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über Maßnahmen zur Sicherung der Altölbeseitigung
- Drucksache V/3075 Keine Aussprache. Überweisungsvorschlag: Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen. - Das Haus ist damit einverstanden.
Punkt 33 ist vorgezogen worden und erledigt.
Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ({0}) und über den von der Bundesregierung vorgelegten 6. Bericht über die Auswirkungen der EWG-Marktorganisationen auf dem Agrargebiet für die Zeit vom 1. Juli 1966 bis 30. Juni 1967
- Drucksachen V/2277, V/2952 - Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Reinhard
Das Wort wird nicht gewünscht. Wer dem Ausschußantrag zustimmen will, gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Antrag ist einstimmig angenommen.
Punkt 35 der Tagesordnung:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung ({1}) - Immunitätsangelegenheiten betr. Genehmigung zur Durchführung eines Strafverfahrens gegen den Abgeordneten Lücke gemäß Schreiben des Rechtsanwalts Horst Fischer-Rohn, München 13, vom Februar 1968 ({2})
- Drucksache V/2975 Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Müller-Emmert
Auf Berichterstattung wird verzichtet. - Das Wort wird nicht gewünscht. Wer dem Ausschußantrag zustimmen will, gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen.
Punkt 36 der Tagesordnung:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Auswärtigen Ausschusses ({3}) über den Antrag der Fraktion der SPD betr. militärische Ausrüstungs- und Ausbildungshilfe
- Drucksachen V/535, V/2976 Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Kliesing ({4})
Das Wort wird nicht gewünscht. Wer dem Antrag des Ausschusses zustimmen will, gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen.
Punkt 37 der Tagesordnung:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Haushaltsausschusses ({5}) über den von der Fraktion der FDP eingebrachten Entschließungsantrag zur dritten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1968
hier: Einzelplan 26 - Geschäftsbereich des Bundesministers für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte
Umdruck 421, Drucksache V/3046 -Berichterstatter: Abgeordneter Baier
Werden Erklärungen abgegeben? - Das ist nicht der Fall. Wer dem Antrag des Ausschusses zustimmen will, gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Antrag des Ausschusses ist gegen einige Stimmen angenommen.
Punkt 38 der Tagesordnung:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Haushaltsausschusses ({6}) über den von der Fraktion der FDP eingebrachten Entschließungsantrag zur dritten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1968
hier: Einzelplan 26 - Geschäftsbereich des Bundesministers für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte
- Umdruck 420, Drucksache V/3050 Berichterstatter: Abgeordneter Baier
Das Wort wird nicht gewünscht. Wer dem Antrag des Ausschusses zustimmen will, gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Antrag des Ausschusses ist gegen einige Stimmen angenommen.
Punkt 39 der Tagesordnung:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für das Bundesvermögen ({7}) über den Antrag des Bundesschatzministers
betr. Zustimmung des Deutschen Bundestages nach § 47 Abs. 4 der Reichshaushaltsordnung ({8}) zur Erhöhung des Grundkapitals der Vereinigte Industrie-Unternehmungen AG und Überlassung der jungen Aktien an die Kreditanstalt für Wiederaufbau
- Drucksachen V/2805, V/3055 - Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Burgbacher
Das Wort wird nicht gewünscht. Wer dem Antrag des Ausschusses zustimmen will, gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Antrag ist einstimmig angenommen.
Punkt 40 der Tagesordnung:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Haushaltsausschusses ({9}) über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Burgemeister, Franke ({10}), Graaff und Genossen zur dritten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1968
hier: Einzelplan 12 - Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr
- Umdruck 416, Drucksache V/3062 -Berichterstatter: Abgeordneter Haehser
Wird das Wort gewünscht? - Das Wort hat Herr Abgeordneter Burgemeister.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte jetzt noch einmal einen letzten Versuch unternehmen, Sie doch
noch für den Antrag zu erwärmen, der seinerzeit von mir eingebracht worden ist. Ich habe den Eindruck, daß der Haushaltsausschuß, der diesen Antrag federführend zu bearbeiten hatte, die Dinge ein wenig zu sehr aus der finanziellen Situation gesehen und dabei die Argumente nicht genügend gewürdigt hat,
({0})
die hier in der Haushaltsdebatte von mir zur Rechtfertigung dieses Antrags vorgetragen worden sind. Wenn es in der Begründung des ablehnenden Standpunkts des Haushaltsausschusses heißt, daß keine neuen Argumente vorgebracht worden seien, die eine Änderung des ursprünglichen Beschlusses rechtfertigen, muß ich sagen: Dann sind die Argumente, die hier während der Verkehrsdebatte vorgebracht worden sind, im Haushaltsausschuß leider nicht genügend gewürdigt worden.
Ich persönlich bin der Meinung, daß man, wenn man diese Argumente gewürdigt hätte, sicher nicht zu der Auffassung kommen könnte, daß der Berlin-Verkehr durch diesen ablehnenden Standpunkt des Haushaltsausschusses nicht benachteiligt werde.
({1})
Hannover ist ein Flugplatz, der nicht regionale Bedeutung hat, sondern ein Flugplatz, der eine gesamtdeutsche Aufgabe zu erfüllen hat. Er ist der Flugplatz, der im Augenblick bei den Verkehrsbehinderungen, die wir haben, und bei denen, die eventuell noch zu erwarten sind, eine ganz besondere Rolle. spielt. Da meine ich - und das meinen auch viele Kollegen aus dem Hause -, daß aus dieser besonderen Situation auch eine Mitbeteiligung des Bundes an den Maßnahmen, die zum Ausbau dieses Flugplatzes notwendig sind, gerechtfertigt wäre.
Ich muß also dem Ausschußbeschluß lebhaft widersprechen und möchte Sie, meine hier noch anwesenden Damen und Herren, bitten, gegen diesen Antrag des Ausschusses zu stimmen und sich damit für die Mitbeteiligung des Bundes an den weiteren Ausgaben für Hannover-Langenhagen einzusetzen.
Das Wort hat der Herr Berichterstatter.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte für den Haushaltsausschuß, für den ich den Bericht erstattet habe, feststellen, daß selbstverständlich alle Argumente, die jemals in dieser Frage vorgebracht worden sind, gewürdigt worden sind. Es ist nicht so, als ob sich der Haushaltsausschuß erstmalig mit dieser Angelegenheit beschäftigt hätte. Vielmehr ist allein während meiner Zugehörigkeit zum Bundestag - das sind jetzt drei Jahre - von mir viermal die Notwendigkeit gesehen worden, zu diesem Problem Stellung zu nehmen.
Das zuletzt vorgebrachte Argument der Notwendigkeit der Beibehaltung der Bundesbeteiligung am Flughafen Hannover-Langenhagen wegen der Störungen des Berlin-Verkehrs muß ich wie folgt behandeln. Im Winterfahrplan starteten von Hannover 9 Maschinen und landeten 8 Maschinen von bzw. nach Berlin. Diese Zahl der Maschinen ist jetzt um jeweils eine zurückgegangen. Die Auslastung dieser Maschinen ist längst nicht gegeben. Es besteht gar kein Zweifel, daß ohne jede Schwierigkeit die Berlin anfliegenden Fluggesellschaften halbstündlich von Hannover starten und auch dort landen könnten. Es besteht somit gar kein Zweifel, daß eine Störung des Berlin-Verkehrs nicht eintritt. Der Flugplatz Hannover-Langenhagen hat eine erhebliche Kapazität zur Ausweitung des Berlin-Verkehrs. Das muß hier festgestellt werden.
Im übrigen, meine Damen und Herren, darf ich noch darauf hinweisen, daß der Fachausschuß, der Verkehrsausschuß, genau wie der Haushaltsausschuß bis zuletzt gebeten hat, die Bundesbeteiligung am Flughafen Hannover-Langenhagen aufzuheben, so wie er das in zwei Fällen bereits getan hat, nämlich in Nürnberg und in Stuttgart. Der Bund verzichtet mit der Aufgabe der Beteiligung auf die von ihm eingebrachten Vermögenswerte, das sind 17,6 Millionen DM.
Ein letztes: Der Flugplatz Hannover-Langenhagen ist - und das beweist, welche Bedeutung der Bund dem Ausbau immer beigemessen hat - der erste und einzige Flughafen des Bundesgebiets, der mit einem Allwetterfluggerät ausgerüstet ist. Auch dies möchte ich noch gesagt haben.
Ich darf vielleicht noch hinzufügen: Der Haushaltsausschuß hat bei der Beratung dieses Punktes keinen Zweifel daran gelassen, daß er für den Fall, daß trotz allem noch irgendwelche Maßnahmen erforderlich sein sollten, die sich aus einer Entwicklung, die wir nicht erwarten, geschweige denn erhoffen, ergeben könnten, zur Stelle sein wird.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Kalinke.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Ich will in dieser Stunde nicht die Reihe der Diskussionsbeiträge verlängern, sondern nur wegen der ganz sichtbaren Diskrepanz um dieses so wichtige Problem darum bitten, daß der Antrag an den Haushaltsausschuß zurückverwiesen wird, damit Gelegenheit gegeben ist, auch die Probleme, die mit einer notfalls erforderlich werdenden Einrichtung einer Luftbrücke, auch die Probleme, die mit der Entwicklung von morgen zusammenhängen, noch einmal zu prüfen und sachlich zu diskutieren. Ich glaube, meine Herren und Damen, daß sollten Sie einsehen und angesichts der veränderten Situation, mit der wir rechnen müssen, auch billigen.
Ich bitte um Ihr Einverständnis zur Rückverweisung. Wir müßten sonst gegen den Antrag stimmen, was ich sehr bedauern würde.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Ravens.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte mich gegen den Antrag der Kollegin Kalinke aussprechen. Ihr Argument, Frau Kalinke, erweckt den Eindruck, als ob wir das Für und Wider nicht genügend erwogen hätten. Das ist falsch. Der Antrag ist außerordentlich sachlich behandelt worden. Wir haben alle die Argumente, die auch Herr Burgemeister hier noch einmal vorgetragen hat, sehr wohl bei der Beratung berücksichtigt. Es ist auch nicht stichhaltig, wenn Sie jetzt argumentieren, daß es wegen der gegenwärtigen BerlinSituation notwendig sei, eine besondere Situation für Hannover anzunehmen.
Alle die Gründe, die unser Kollege Haehser hier vorgetragen hat, machen deutlich, daß wir uns den Luxus, Regionalhäfen seitens des Bundes zu fördern, überhaupt nicht leisten können.
Ich will Ihnen noch ein anderes Argument sagen, Frau Kalinke. Wir haben uns in nächster Zeit mit der Einbeziehung der regionalen Flughäfen in die Flugsicherung auseinanderzusetzen. Da müssen wir schon kraft Gesetzes die gesamten Kosten dafür übernehmen, und Sie werden sich wundern, was das für uns ausmacht, das ist schon gar nicht zu verkraften. Wenn wir bei einigen Flughäfen Initialzündung gegeben haben, dann können wir das doch jetzt nicht ausbauen,. indem wir ständig darin bleiben. Das ist völlig unmöglich.
Ich bitte darum, daß wir dabei bleiben, den Antrag des Haushaltsausschusses so, wie er vorliegt, anzunehmen.
Das Wort wird nicht mehr gewünscht.
Wenn ich recht verstanden habe, hat Frau Kollegin Kalinke einen Antrag auf Rücküberweisung gestellt. Darüber wird zuerst abgestimmt. Wer die Rücküberweisung wünscht, gebe das Handzeichen. -Gegenprobe! -({0})
- Nein, kein Hammelsprung! Ich bitte, die Abstimmung durch Erheben von den Sitzen zu wiederholen. Wer den Antrag zurückverweisen will, möge sich erheben. - Gegenprobe! - Ich darf bitten, noch einen Augenblick stehen zu bleiben; wir prüfen noch einmal. - Der Rücküberweisungsantrag ist abgelehnt. Sie sehen, das geht auch ohne Hammelsprung.
Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses. Wer dem Antrag des Ausschusses zuzustimmen wünscht, -den bitte ich um das Handzeichen. - Danke. Gegenprobe! - Der Sitzungsvorstand ist sich einig; das erste war die Mehrheit; der Antrag ist angenommen.
({1})
- Eine Enthaltung; das stelle ich gern für das Protokoll fest.
Ich rufe den Punkt 41 der Tagesordnung auf:
Beratung des Mündlichen Berichts des Innenausschusses ({2}) über den Bericht
des Bundesministers des Innern betr. Internationale Polizeikonvention
- Drucksachen V/2433, V/3039 -Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Kempfler
Wird das Wort gewünscht? - Ein mündlicher Bericht des Herrn Berichterstatters. Herr Dr. Kempfler, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meinen Vorsatz, nur einen ganz kurzen mündlichen Bericht zu erstatten, bekräftige ich durch die Tatsache, daß ich mir keinerlei schriftliche Unterlagen mit auf das Rednerpult genommen habe.
Alle Jahre wieder kommt der Tagesordnungspunkt : Internationale Polizeikonvention. Man könnte daraus schließen, daß es sich hier lediglich um eine Routineangelegenheit handelt und daß wir ein fröhliches Treten am Ort exerzieren. Wie so oft trügt auch hier der Schein. Wenn Sie einen Blick in den Bericht der Bundesregierung werfen, können Sie feststellen, daß tatsächlich gerade im letzten .Jahr einiges geschehen ist, um die einstimmige Ansicht des Hauses, daß eine solche Konvention herbeigeführt werden sollte, zu verwirklichen. Am erfreulichsten scheint mir die Tatsache zu sein, daß sich auch die Beratende Versammlung des Europarates dieses Gegenstand-es angenommen hat und daß auf Grund einer Initiative unserer österreichischen Kollegen nunmehr die Sache in diesem Gremium schon relativ weit vorgeschritten ist. Ich möchte nicht versäumen - und deswegen habe ich in dieser späten Stunde noch das Wort ergriffen -, unseren österreichischen Kollegen zu danken und die Delegierten der anderen europäischen Nation aufzufordern, sich diesem Schritt anzuschließen. Tatsache ist nämlich, daß auch über den Bericht der Bundesregierung hinaus die Dinge schon in Fluß gekommen sind. Der Berichterstatter, Herr Kranzlmayr aus Österreich, hat bereits ein Votum erwirkt, und es wird ein Sachverständiger des Roten Kreuzes vor der Juristischen Kommission vernommen, also durchaus parallel zu unseren Schritten.
So kommen wir also wohl vorwärts, wenn auch nicht im 100-km -Tempo. Aber wer langsam geht, kommt letztlich auch zum Ziel. Ich bitte Sie deshalb, dem Vorschlag des Innenausschusses zuzustimmen.
({0})
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Das Wort wird nicht gewünscht.
Wer dem Antrag des Ausschusses zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Danke. Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen.
Ich rufe Punkt 42 der Tagesordnung auf:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Wissenschaft, Kulturpolitik und
Publizistik ({0}) über den Bericht
Vizepräsident Dr. Mommer
der Bundesregierung über Internationale Organisationen
- Drucksachen V/1635, V/3029 - Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Martin
Das Wort zu diesem Bericht wird nicht gewünscht. Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Bericht des Ausschusses zustimmen will, gebe das Handzeichen. - Danke. Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen.
Punkt 43:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für das Bundesvermögen ({1}) über den Bericht des Bundesschatzministers
betr. Ergebnisse der Entbehrlichkeitsprüfung und der Veräußerung von Bundesgelände zu Zwecken des Wohnungsbaues und der Eigentumsbildung
- Drucksachen V/2604, V/3059 - Berichterstatter: Abgeordneter Strohmayr
Das Wort wird nicht gewünscht. Wer dem Antrag des Ausschusses zustimmen will, gebe das Handzeichen. - Danke. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen.
Punkt 44 der Tagesordnung:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Sozialpolitik ({2}) über den Bericht der Bundesregierung über den Stand der Unfallverhütung und das Unfallgeschehen in der Bundesrepublik ({3})
- Drucksachen V/1470, V/3031 - Berichterstatter: Abgeordneter Lampersbach
Das Wort wird nicht gewünscht. Wer dem Antrag des Ausschusses zustimmen will, gebe bitte das Handzeichen. - Danke! Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen.
Punkt 45 der Tagesordnung:
Beratung des Mündlichen Berichts des Innenausschusses ({4}) über den Bericht des Bundesministers des Innern
betr. Rechtsstellung und Ausbildung der deutschen Beamten für internationale Aufgaben
--- Drucksachen V/2854, 3061 - Berichterstatter: Abgeordneter Brück ({5}) Das Wort hat Herr Abgeordneter Brück.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Haben Sie bitte Verständnis dafür, daß ich einige Ausführungen zu der Drucksache V/3061 mache. Das Innenministerium hat mit der Drucksache V/2854 eine genaue Darstellung der Rechtsstellung und Ausbildung der deutschen Beamten für internationale Aufgaben vorgelegt. Wir haben diesen Bericht sehr eingehend diskutiert. Wenn Ihnen nun der Innenausschuß in den Punkten A und B Vorschläge macht, dann deshalb, weil es notwendig ist, daß wir im internationalen Bereich mit unseren Beamten konkurrenzfähig bleiben.
Der Innenausschuß empfiehlt daher dem Hohen Hause, die Bundesregierung zu ersuchen, in sieben Punkten bestimmte Maßnahmen zu treffen. Über die getroffenen Maßnahmen soll dann die Bundesregierung bis zum 31. Dezember 1968 berichten.
Ich wäre Ihnen für den gesamten Innenausschuß dankbar, wenn Sie der Vorlage Ihre Zustimmung gäben.
Keine Wortmeldungen mehr. Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Antrag des Ausschuses zustimmen will, gebe das Handzeichen. - Danke. Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen.
Punkt 46 der Tagesordnung:
Beratung des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft und Mittelstandsfragen ({0}) über die von ,der Bundesregierung erlassene Dreiundvierzigste Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1967 ({1})
- Drucksachen V/2956, V/3037 -Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Serres
Das Haus braucht von dieser Vorlage nur Kenntnis zu nehmen. Das ist hiermit geschehen.
Das gleiche gilt für Tagesordnungspunkt 47:
Beratung des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft und Mittelstandsfragen ({2}) über die von der Bundesregierung erlassene Vierunddreißigste Verordnung zur Änderung der Einfuhrliste - Anlage zum Außenwirtschaftsgesetz -- Drucksachen V/2834, V/3038 - Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Serres
Das Haus hat von dieser Vorlage Kenntnis genommen.
Tagesordnungspunkt 48:
Beratung der Übersicht 21 des Rechtsausschusses ({3}) über die dem Deutschen Bundestag zugeleiteten Streitsachen vor dem Bundesverfassungsgericht
- Drucksache V/3045 Wer dem Antrag des Ausschusses zustimmen will, gebe das Handzeichen. - Danke! Gegenprobe! - Enthaltrungen? - Einstimmig angenommen.
Punkt 49 der Tagesordnung:
Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP betr. Mitgliederzahl des Finanzausschusses
- Drucksache V/3057 9978
Vizepräsident Dr. Mommer
Keine Wortmeldung. Wer dem Antrag der drei Fraktionen zustimmen will, gebe das Handzeichen. - Danke. Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen.
Punkt 50 der Tagesordnung:
Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD betr. Verwaltungsrat der Lastenausgleichsbank
- Drucksache V/2999 Keine Wortmeldung. Wer dem Antrag zustimmen will, gebe das Handzeichen. - Danke. Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen.
Punkt 51 der Tagesordnung:
Beratung des Antrags des Bundesministers der Finanzen betr. Bundeshaushaltsrechnung für das Rechnungsjahr 1966
hier: Nachträgliche Genehmigung der über- und außerplanmäßigen Ausgaben
- Drucksache V/2925 Der Ältestenrat schlägt Überweisung an den Haushaltsausschuß vor. - Das Haus ist damit einverstanden.
Punkt 52 der Tagesordnung:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ({4}) über die von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschläge der Kommission der Europäischen Gemeinschaften für
eine Verordnung des Rats über die Finanzierung der Schweinezählung in den Mitgliedstaaten
eine Verordnung des Rats zur Festlegung der Grundregeln für die Interventionen auf dem Markt für Butter und Rahm
eine Verordnung des Rats zur Festsetzung der Kriterien für die Ermittlung des Weltmarktpreises für Erdnüsse, Kopra, Palmnüsse und Palmkerne sowie Palmöl
- Drucksachen V/2574, V/2691, V/2810, V/2997 -Berichterstatter: Abgeordneter Horstmeier
Wer dem Antrag des Ausschusses zustimmen will, gebe das Zeichen. - Danke. Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen.
Punkt 53:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ({5}) über den von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der Kommission der Europäischen Gemeinschaften für
a) eine Verordnung des Rats zur Bestimmung von Erzeugnisgruppen und von besonderen Vorschriften für die Errechnung von Abschöpfungen auf dem Sektor Milch und Milcherzeugnisse,
b) eine Verordnung des Rats über die Grundregeln für die Gewährung von Erstattungen bei der Ausfuhr von Milch und Milcherzeugnissen und über die Kriterien für
die Festsetzung des Erstattungsbetrages
Drucksachen V/2653, V/2998 Berichterstatter: Abgeordneter Horstmeier
Wer dem Antrag zustimmen will, gebe das Zeichen. - Danke. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen.
Punkt 54:
Beratung des Mündlichen Berichts des Innenausschusses ({6}) über den von der Bundesregierung vorgelegten Vorschlag der Kommission der Europäischen Gemeinschaften für eine
Verordnung des Rats zur Änderung der Regelung der Bezüge und der sozialen Sicherheit der Atomanlagenbediensteten der Gemeinsamen Kernforschungsstelle, die in den Niederlanden dienstlich verwendet werden ({7})
Verordnung des Rats zur Änderung der Regelung der Bezüge und der sozialen Sicherheit der Atomanlagenbediensteten der Gemeinsamen Kernforschungsstelle, die in den Niederlanden dienstlich verwendet werden ({8})
- Drucksachen V/2812, V/3027 -Berichterstatter: Schmitt-Vockenhausen
Wer dem Antrag des Ausschusses zustimmen will, gebe das Zeichen. - Danke. Gegenprobe! -Enthaltungen? - Einstimmig angenommen.
Punkt 55 der Tagesordnung:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Wirtschaft und Mittelstandsfragen ({9}) über den von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der Kommission der Europäischen Gemeinschaften für eine Verordnung des Rates über das gemeinschaftliche Versandverfahren
- Drucksachen V/2852, V/3056 Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Giulini
Wer dem Antrag des Ausschusses zustimmen will, gebe das Handzeichen. - Danke. Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen.
Die Zusatzpunkte haben wir schon erledigt. Dann sind wir, die wir hier bis zum Schluß ausgeharrt haben, am Ende der Tagesordnung. Ich danke für dieses Ausharren.
Ich berufe die nächste Sitzung auf Freitag, den 28. Juni 1968, 9 Uhr, ein.
Die Sitzung ist geschlossen.