Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet.
Vor Eintritt in die Tagesordnung gebe ich bekannt: Der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung legt dem Deutschen Bundestag auf Grund seiner Beschlüsse vom 8. April 1959 und vom 16. Oktober 1964 jährlich eine Ubersicht über die Beschäftigung Schwerbeschädigter bei den Bundesdienststellen nach dem Stand vom 1. Oktober vor. Nach § 11 des Schwerbeschädigtengesetzes haben die Arbeitgeber den Arbeitsämtern alle zwei Jahre nach dem Stand vom 1. November Anzeigen über die Beschäftigung Schwerbeschädigter zu erstatten. Zur Vermeidung zusätzlicher Verwaltungsarbeit erbittet der Bundesarbeitsminister das Einverständnis des Deutschen Bundestages, daß er künftig die Übersicht über die Beschäftigung Schwerbeschädigter bei den Bundesdienststellen jährlich ebenfalls nach dem Stand vom 1. November vorlegt.
Ich nehme an, daß das Haus dieser Bitte zu entsprechen wünscht und mit dieser Regelung einverstanden ist. - Kein Widerspruch; es ist so beschlossen.
Die folgenden amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Bundesminister für Wirtschaft hat am 20. Juni 1968 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Weigl, Stücklen, Burgemeister, Schlager, Schlee, Rock und Genossen betr. Förderung der Wirtschaft im Zonenrandgebiet - Drucksache V/2918 - beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache V/3065 verteilt.
Der Präsident des Bundestages hat entsprechend dem Beschluß des Bundestages vom 23. Februar 1962 die nachstehenden Vorlagen überwiesen:
Achtundvierzigste Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1967 ({0}) - Drucksache V/3051 an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 2. Oktober 1968
Fünfzehnte Verordnung zur Änderung der Ausfuhrliste - Anlage AL zur Außenwirtschaftsverordnung - Drucksache V/3052 an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 2. Oktober 1968
Vor Eintritt in die Tagesordnung hat das Wort Herr Abgeordneter Rasner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Ältestenrat ist gestern' eine Vereinbarung dahin erzielt worden, daß der Schriftliche Bericht des Ernährungsausschusses über den Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/CSU - Umdruck 366 - zur Beratung des Berichts der Bundesregierung über die Lage der Landwirtschaft gemäß § 4 des Landwirtschaftsgesetzes und der Maßnahmen der Bundesregierung gemäß Landwirtschaftsgesetz und EWG-Anpassungsgesetz - Drucksache V/2540 -, der auf den Drucksachen V/2895 und zu V/2895 vorliegt, auf die Tagesordnung gesetzt werden soll, wenn der Haushaltsausschuß bis dahin seinen Bericht nach § 96 der Geschäftsordnung erstattet hat. Der Haushaltsausschuß hat in der Mittagspause getagt. Damit sind die Voraussetzungen erfüllt, entsprechend der Vereinbarung im Altestenrat diesen Punkt auf die Tagesordnung zu setzen. Er gehört in die Agrardebatte.
Ferner bitte ich, Herr Präsident - das tue ich zugleich namens der sozialdemokratischen Fraktion -, zusätzlich auf die Tagesordnung zu setzen den Schriftlichen Bericht des Ausschusses für Wissenschaft, Kulturpolitik und Publizistik über die Akademiereife, Drucksache V/2804. Der Beschluß dazu ist im Wissenschaftsausschuß und im Innenausschuß einstimmig gefaßt worden. Es ist daher nur mit einer Abstimmung ohne eine Debatte zu rechnen.
Herr Abgeordneter Rasner, wenn ich Sie recht verstanden habe, wollen Sie das nach der Agrardebatte behandelt haben?
({0})
Meine Damen und Herren, wird gegen diesen Antrag auf Aufnahme in die Tagesordnung Einspruch erhoben? - Kein Widerspruch, die Punkte sind aufgenommen, und zwar nach Punkt 14, so daß der erste mit der Agrardebatte verbunden werden kann.
Damit kommen wir zur Tagesordnung. Ich rufe den Punkt 1 auf:
Fragestunde
- Drucksachen V/3070, V/3054
Präsident D. Dr. Gerstenmaier
Ich rufe zunächst die dringlichen Anfragen des Herrn Abgeordneten Dr. Imle auf Drucksache V/3070 an den Herrn Bundesminister des Innern auf:
Welche Gründe müssen vorliegen, um Personen durch Grenzbeamte aus einem im Transitverkehr fahrenden ausländischen Omnibus heraus verhaften zu können?
Ist die Bundesregierung bereit, dem verhafteten Universitätsassistenten Dr. Burger das politische Asylrecht zu gewähren?
Wird die Bundesregierung einem eventuell von der italienischen Regierung gestellten Auslieferungsantrag Folge leisten?
Zur Beantwortung der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister des Innern.
Köppler, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Herr Präsident, zur ersten Frage: Der österreichische Staatsangehörige Dr. Norbert Burger wurde am 15. Juni 1968 am Grenzübergang Schwarzbach-Bundesstraße auf Grund eines Haftbefehls des Amtsgerichts München vom 11. März 1964 von Beamten der Bayerischen Grenzpolizei verhaftet.
Dr. Burger benutzte den österreichischen Linienpostbus, der auf der vertraglich vereinbarten Durchgangsstrecke von Melleck über Schwarzbach nach Salzburg fährt. Der Durchgangsverkehr auf dieser Strecke unterliegt nach Art. 2 des deutsch-österreichischen Abkommens über den erleichterten Durchgangsverkehr vom 14. September 1955 dem deutschen Recht. Die Beamten der Bayerischen Grenzpolizei waren deshalb nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet, Dr. Burger zu verhaften.
Zur zweiten Frage, Herr Kollege: Nach dem Rechtszustand in der Bundesrepublik Deutschland ist es nicht Sache der Regierung, einem Ausländer politisches Asylrecht einzuräumen. Der Rechtsanspruch auf Asylgewährung hängt davon ab, ob der betreffende Ausländer in seinem Heimatland von einer politischen Verfolgung bedroht ist. Ob ein Ausländer in seinem Heimatland tatsächlich einer politischen Verfolgung ausgesetzt sein würde, hat das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge in Zirndorf bei Nürnberg in eigener Zuständigkeit und in einem gesetzlich näher geregelten Verfahren unter Heranziehung aller Beweismittel zu prüfen. Die Bundesregierung kann dem Bundesamt in bezug auf den Inhalt seiner Entscheidungen keine Weisungen erteilen. Sie kann lediglich den der Weisungsbefugnis des Bundesministers des Innern unterstehenden Bundesbeauftragten für Asylangelegenheiten zur Beteiligung an dem Verfahren vor dem Bundesamt veranlassen und durch ihn ihre eigene Rechtsauffassung vortragen lassen.
Schließlich zur dritten Frage, Herr Kollege: Ein italienisches Auslieferungsersuchen ist bisher noch nicht eingegangen. Sollte ein solches Ersuchen eingehen, wird es auf Grund des deutsch-italienischen Vertrages über die Auslieferung und die sonstige Rechtshilfe in Strafsachen vom 12. Juni 1942 geprüft werden.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, nach Veröffentlichungen, die inzwischen erfolgt sind, ist die
Verhaftung wegen Geheimbündelei und wegen Sprengstoffdelikten erfolgt. Läßt sich, nachdem nun letzthin im Strafgesetzbuch die Vorschrift über Geheimbündelei gestrichen worden ist, der Haftbefehl insoweit noch aufrechterhalten, und sollen die Handlungen, soweit der Haftbefehl auf Sprengstoffdelikte gegründet worden ist, im Ausland oder in Deutschland begangen sein?
Köppler, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Zu der letzten Zusatzfrage, Herr Kollege. Bei dem Haftbefehl des Amtsgerichts München geht es um die Verfolgung von Delikten, die in der Bundesrepublik Deutschland begangen sind. Ob der Haftbefehl noch aufrechterhalten werden sollte, ist eine Frage, die in der ausschließlichen Entscheidungsbefugnis der Justizbehörden liegt. Ich möchte mich deshalb dazu nicht äußern.
Was die Aufhebung des Straftatbestandes der Geheimbündelei angeht, Herr Kollege, unterliegen Sie wahrscheinlich einem Irrtum. Zwar ist § 138 des Strafgesetzbuches aufgehoben worden; aber der Straftatbestand der Geheimbündelei ist inhaltlich, soweit es sich um Ausländer handelt, nach wie vor unter Strafe gestellt, auch durch das Achte Strafrechtsänderungsgesetz.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Ertl.
Herr Staatssekretär, können Sie ähnliche Fälle von Verhaftungen nachweisen, oder war es das erstemal, daß man in einer solche Form im Transitverkehr Personen verhaftet hat, und sind Sie nicht der Meinung, daß dadurch eine große Problematik für den Transitverkehr überhaupt entsteht, wenn in dieser Weise Verhaftungen vorgenommen werden?
Köppler, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Herr Kollege, die Vereinbarungen über den Transitverkehr und die damit verbundenen Erleichterungen, die zwischenstaatlich ausgehandelt werden, betreffen lediglich die Kontrollmaßnahmen in polizeilicher und zollrechtlicher Hinsicht. Völlig unabhängig davon haben die Organe, soweit sie insbesondere Hilfsorgane der Staatsanwaltschaft sind, natürlich auch ohne solche Kontrollen Haftbefehle zu vollstrecken, nämlich dann, wenn sich für sie ein Anlaß dazu bietet.
Keine weiteren -Zusatzfragen.
Ich rufe die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr auf. Zunächst die Frage des Herrn Abgeordneten Flämig:
Wird die Bundesregierung im Sinne der Empfehlung 507 der Beratenden Versammlung des Europarates sich in verstärktem Maße an der technischen Durchführung und der Finanzierung der Weltwetterwacht beteiligen?
Herr Abgeordneter, ich darf Ihre Frage in bejahendem Sinne beantworten. Die BundesStaatssekretär Wittrock
regierung wird sich beteiligen. Die Bundesrepublik Deutschland, die seit 1954 Mitglied der Weltorganisation für Meteorologie ist, beteiligt sich bereits heute in erheblichem Umfang an der Tätigkeit der Weltwetterwacht und wird dies weiter steigern.
Mit der sogenannten Weltwetterwacht, einem Gemeinschaftsprojekt von rund 130 Staaten, wird von der Weltorganisation für Meteorologie unter Ausnutzung moderner Technologie eine globale Verbesserung der Wetterberatung für alle Wirtschaftszweige, insbesondere eine Vervollkommnung der meteorologischen Betreuung von Seefahrt und Luftfahrt, angestrebt. Die Bundesregierung, Herr Abgeordneter, ist an dieser Aufgabenstellung sehr interessiert und beurteilt auch die von Ihnen erwähnte Empfehlung positiv.
Zusatzfrage!
Herr Staatssekretär, läßt sich heute schon absehen, wann diese Weltwetterwacht zum erstenmal wirksam werden wird?
Herr Abgeordneter, wirksam ist sie; ich meine, als Institution. Wenn Sie an die Konsequenzen aus der Empfehlung 507 denken - ich möchte dabei erwähnen, diese Empfehlung 507 befaßt sich mit dem Betreiben europäischer Wettersatelliten -, kann ich dazu nur sagen, daß im Augenblick noch keine ganz konkreten Pläne vorliegen, so daß ich nicht in der Lage bin, hier irgendwelche Zeitpunkte öder Zeiträume zu nennen.
Keine weiteren Zusatzfragen. - Frage 12 des Herrn Abgeordneten Dr. Kreutzmann:
Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, durch eine verstärkte Auslandswerbung den Fremdenverkehr im Zonenrandgebiet, besonders an der Ostsee, im Harz, in dem Gebiet zwischen Meißner und Rhön und im Bayerischen Wald, zu beleben?
Zur Beantwortung der Herr Staatssekretär des Verkehrsministeriums. Bitte sehr!
Herr Abgeordneter, die von der Bundesregierung mit der Fremdenverkehrswerbung im Ausland beauftragte Deutsche Zentrale für Fremdenverkehr hat bisher im Rahmen ihres Generalauftrages, für den gesamten Bereich der Bundesrepublik Deutschland im Ausland zu werben, auch einzelne Fremdenverkehrsgebiete und auch solche -der Zonenrandgebiete berücksichtigt. Sie wird das bei der Durchführung ihres neuen und künftigen Schwerpunktprogramms in Zusammenarbeit mit den für diese Gebiete zuständigen Verbänden auch weiterhin tun.
Zusatzfrage!
Herr Staatssekretär, sind Sie der Meinung, daß sich besonders in den nordischen Ländern gute Ansatzmöglichkeiten für eine solche Werbung ergeben, um den vielfach zu
verzeichnenden Rückgang in den Übernachtungsziffern des Zonengrenzgebietes aufzufangen?
Herr Abgeordneter, die Deutsche Zentrale für Fremdenverkehr ist eine formell autonome Institution, und ich bin sicher, daß die Zentrale und alle diejenigen, die in ihr Verantwortung tragen, den Gesichtspunkt, den Sie angeführt haben, beachten werden. Ich selbst halte das durchaus für erwägenswert, wobei ich allerdings zu bedenken bitte, daß der beschränkte Umfang der Mittel eine Konzentration der werbenden Maßnahmen erfordert, d. h. es bedarf auch im Ausland einer Marktanalyse. Nicht jedes Fremdenverkehrsgebiet ist in gleichem Maße in werbendem Sinne für jeden Teil des Auslandes attraktiv. Ganz gewiß aber kommt Ihrer Anregung.- ich darf insoweit Ihre Frage als eine Anregung ansehen, eine Anregung auch für die Zentrale - eine besondere Bedeutung zu.
Zweite Zusatzfrage!
Ist Ihnen bekannt, daß das Land Hessen mit einer solchen Sonderwerbung für den Fremdenverkehr im Zonenrandgebiet gute Erfolge erzielen konnte?
Herr Abgeordneter, das ist mir bekannt. Ich glaube, es handelt sich hierbei um eine Aktion des Landes Hessen, die auch aus der Sicht des Bundesministers für Verkehr vollste Anerkennung und - im Rahmen der gegebenen Möglichkeiten - Förderung verdient.
Frage 13 des Herrn Abgeordneten Dr. Kreutzmann:
Ist die Bundesregierung bereit, der Deutschen Zentrale für Fremdenverkehr gegebenenfalls durch Bereitstellung zusätzlicher Mittel bei der Schaffung einer Sonderwerbung für das Zonenrandgebiet zu helfen?
Diese Frage darf ich wie folgt beantworten. Die Bundesregierung hat im Rahmen ihrer mittelfristigen Finanzplanung vorgesehen, daß die der Deutschen Zentrale für Fremdenverkehr zufließenden Mittel bis 1971 jährlich um je 500 000 DM erhöht werden. Mit Hilfe dieser Mittelerhöhung muß die Deutsche Zentrale für Fremdenverkehr ihre Gesamtarbeit zu verstärken suchen und auch ihre Bemühungen intensivieren, sich der für eine Ausländerwerbung geeigneten Fremdenverkehrsgebiete in den Zonenrandgebieten im Rahmen ihrer Möglichkeiten anzunehmen. Eine Zurverfügungstellung von Sondermitteln, Herr Abgeordneter, ist allerdings in diesem Rahmen nicht möglich und erscheint in dem Rahmen, den ich dargestellt habe, auch entbehrlich.
Ich darf aber dennoch in diesem Zusammenhang darauf aufmerksam machen, daß die Zonenrandgebiete seit Jahren aus Mitteln des Bundesministers für Verkehr über den Deutschen Fremdenverkehrs9836
verband besondere Zuschüsse für die Herstellung fremdsprachiger Prospekte erhalten. Das ist auch für das Jahr 1968 vorgesehen.
Zusatzfrage!
Herr Staatssekretär, sind Sie mit mir der Meinung, daß der Fremdenverkehr gerade für das Zonenrandgebiet in seiner vielfach ungünstigen Verkehrslage eines der wirkungsvollsten Instrumente zur Strukturverbesserung darstellt und deshalb doch wohl Zusätzliches getan werden sollte?
Herr Abgeordneter, ich teile Ihre Auffassung über die Bedeutung des Fremdenverkehrs gerade auch für die strukturell schwächeren Gebiete. Wie Sie wissen, hatte ich bereits Gelegenheit, darauf hinzuweisen, daß Fremdenverkehrsförderung und wirksam werdender Fremdenverkehr geeignet sind, die Realsteuerbasis einer Gemeinde zu verstärken. Ich will das nur als ein Beispiel in Beantwortung Ihrer Frage hier anführen. Sie können also sicher sein, daß der Bundesminister für Verkehr und die Bundesregierung auch im Hinblick auf ihre Fürsorgepflicht für das Zonenrandgebiet den von Ihnen dargestellten Erwägungen volle Beachtung schenken.
Zu einer weiteren Zusatzfrage, bitte sehr!
Herr Staatssekretär, ausgehend von Ihrer Anerkennung der antizyklischen Maßnahme der hessischen Landesregierung - übrigens der einzigen Maßnahme auf Bundesebene - darf ich fragen, ob die jüngsten Ereignisse in Berlin nicht vielleicht doch Gegenstand der Überlegungen Ihres Hauses sein sollten, um im Bereich der von Ihnen geförderten Deutschen Zentrale für Fremdenverkehr für Berlin eine weitere Werbung zu ermöglichen, und zwar antizyklisch und außerhalb der mittelfristigen Finanzplanung.
Herr Abgeordneter, die Ereignisse, die Sie meinen, beschäftigen uns in den letzten Tagen kontinuierlich. Ich darf Ihnen sagen, daß sich mein Haus und auch .die übrigen in Betracht kommenden Ressorts durchaus mit den Konsequenzen der in Ost-Berlin getroffenen Maßnahmen befassen. Ich bin nicht in der Lage, jetzt darüber - hier sprechen wir im Augenblick ja von Fremdenverkehr und Fremdenverkehrsförderung - abschließende Gedanken vorzutragen. Ich bitte dafür um Verständnis.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Dr. Enders.
Herr Staatssekretär, glauben Sie, daß man, da das Zonenrandgebiet vorwiegend eine ländliche, landwirtschaftliche Struktur besitzt, diese spezielle Struktur auch für den Fremdenverkehr nutzen könnte, indem man unter dem Programm „Ferien auf dem Bauernhof" im Ausland wirbt?
Herr Abgeordneter, das ist zustimmend zu beantworten. Nur befaßte sich die Frage, die an den Bundesminister für Verkehr gerichtet war, mit der Auslandswerbung. Denn allein hier liegt die Zuständigkeit des Bundesministers für Verkehr. Das billigenswerte und begrüßenswerte Programm „Förderung von Ferien auf dem Dorfe" steht allerdings, wie ich die Dinge überschaue, in erster Linie im Mittelpunkt der Bemühungen der Inlandswerbung. Die Inlandswerbung wird von den auf Landesebene bestehenden Landesfremdenverkehrsorganisationen getragen und ist auch im Rahmen der gegebenen Möglichkeiten Bestandteil der Politik der jeweils in Betracht kommenden Landesregierungen. Aber von der Zielsetzung ist das selbstverständlich in vollem Maße - ich habe das Herrn Abgeordneten Kreutzmann in Beantwortung einer Zusatzfrage ja zum Ausdruck gebracht - ein Beitrag zur Strukturänderung, zur Strukturverbesserung und zur Steigerung auch der Realsteuerkraft in diesen Gemeinden.
Eine zweite Zusatzfrage!
Herr Staatssekretär, sehen Sie die Werbung etwa für die Bad Hersfelder Festspiele, für die Segelflieger auf der Wasserkuppe in der Röhn oder für die Barockstädte Fulda und Würzburg auch im Ausland als erfolgreich an?
Herr Abgeordneter, zunächst einmal darf ich sagen: natürlich halte ich es für erwägenswert, auch für diese bedeutsamen Veranstaltungen überall in der Welt, wo sich ein interessierter, ein aufgeschlossener Markt zeigt, auf Grund von Marktforschung und Marktanalyse zu werben. Ich kann allerdings jetzt nicht die Aufgabenstellung des Geschäftsführers der Deutschen Zentrale für Fremdenverkehr durch eine dezidierte Antwort meinerseits zu dieser speziellen Frage vorwegnehmen. Ich bin überzeugt, daß die unter anderem im Auftrag des Bundes tätig werdende Zentrale im Rahmen ihrer Verantwortung das Sachgerechte tut.
Die nächste Frage, Frage 14, des Herrn Abgeordneten Dr. Kreutzmann:
Gedenkt der Bund zusätzliche Mittel für Maßnahmen der inneren Werbung in diesen Gebieten für die nächsten Haushaltsjahre bereitzustellen?
Herr Abgeordneter Dr. Kreutzmann, wie Sie wissen, stellt der Bund jährlich beträchtliche Finanzmittel zur wirtschaftlichen Förderung der
Zonenrandgebiete und Bundesausbaugebiete zur Verfügung. Sie werden auch für gewerbliche Fremdenverkehrsbetriebe und sonstige Fremdenverkehrseinrichtungen eingesetzt. Das ist ja das, was man nach der herrschenden Terminologie unter „Innerer Werbung" zu verstehen hat, nämlich Förderung von Fremdenverkehrseinrichtungen mannigfaltiger Art zur Verbesserung der Fremdenverkehrsmöglichkeiten.
Eine Zusatzfrage.
Würden Sie die Schaffung eines verbesserten Schwerpunkt- und Prädikatisierungssystems dabei als nützlich ansehen?
Herr Abgeordneter, dieses Prädikatisierungsverfahren, also die Ausweisung einer Gemeinde als Erholungsort usw., fällt in die Zuständigkeit der Länder. Es steht mir auch nicht zu, zu sagen, welche Möglichkeiten zur Verbesserung es hier gibt, da hier die Zuständigkeit der Länder gegeben ist.
Keine Zusatzfrage.
Frage 15 der Frau Abgeordneten Holzmeister:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß die Bundesbahndirektion Saarbrücken wegen „zwangsläufiger Kostenbeteiligung" es ablehnt, dem Einbau einer Ampelanlage auf der Kreuzung der B 327/Rhein-Mosel-Straße in Emmelshausen ({0}) zuzustimmen, obwohl das Ministerium für Wirtschaft und Verkehr von Rheinland-Pfalz diese Maßnahme als notwendig erachtet?
Herr Präsident und Frau Abgeordnete, ich bitte, damit einverstanden zu sein, daß ich die beiden Fragen wegen eines inneren Sachzusammenhangs gemeinsam beantworte.
Bitte sehr. Ich rufe dann auch Frage 16 auf:
Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um -die Deutsche Bundesbahn zu einer Zustimmung zu bewegen, nachdem vor einigen Tagen wieder zwei Todesfälle zu beklagen sind und täglich der größte Teil der Schulkinder von Emmelshausen diesen Übergang benutzen muß?
Frau Abgeordnete, zwischen allen beteiligten Behörden einschließlich der Bundesbahn besteht jetzt Einvernehmen über die notwendigen Maßnahmen. Auf Grund einer Stellungnahme der zuständigen Straßenbaubehörde und des hier in Betracht kommenden Gendameriekommandos ist nicht mehr die Einrichtung einer Signalanlage, sondern statt dessen der Ausbau der Kreuzung der B 327 mit der Rhein-Mosel-Straße in Emmelshausen vorgesehen. Dabei ist beabsichtigt, Linksabbiegerspuren mit Trenninseln, und zwar mit Trenninseln zur durchgehenden Fahrbahn, anzulegen, ,die Fußgängerüberwege zu verlegen und gegebenenfalls die Kreuzungsanlage auszuleuchten. Bei dieser Maßnahme entfällt die Frage einer Kostenbeteiligung der Deutschen Bundesbahn. Das zuständige Straßenbauamt - es ist das Straßenbauamt in Bad Kreuznach - stellt auf Weisung ,des Rheinland-Pfälzischen Ministeriums für Wirtschaft und Verkehr zur Zeit den Entwurf auf, um die Baudurchführung vorzubereiten.
Eine Zusatzfrage.
Kann mir die Bundesregierung sagen, wann mit der Durchführung dieser Maßnahmen zu rechnen ist?
Frau Abgeordnete, ich kann nur sagen, daß das Straßenbauamt Bad Kreuznach sicherlich - auch gerade nach dem tragischen Ereignis, das Sie erwähnt haben - dem Auftrag des Rheinland-Pfälzischen Ministeriums für Wirtschaft und Verkehr folgt, um schnellstmöglich die Voraussetzungen für die Baudurchführung zu schaffen. Ich selbst bin leider nicht in der Lage, jetzt einen konkreten Termin zu nennen.
Eine zweite Zusatzfrage.
Ist die Bundesregierung bereit, bis zur Durchführung dieser Maßnahme eine sichere Übergangslösung zu schaffen?
Ich glaube, daß die jetzt vorgesehene Maßnahme den Vorstellungen aller Beteiligten entspricht. Ich vermag im Moment nicht zu sagen, wie eine Übergangslösung im einzelnen aussehen könnte. Ich werde aber die beteiligten Stellen darum bitten, Ihrer Frage, verehrte gnädige Frau, die gebührende Aufmerksamkeit zu widmen und die Möglichkeit einer Übergangslösung sowie gegebenenfalls die Frage, wie sie zu gestalten wäre, zu überprüfen.
Ich rufe die Fragen 17, 18 und 19 des Abgeordneten Geldner auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß die Benutzungsgebühren für die italienischen Autobahnen am 1. Juli um 15 % und 1971 sowie 1973 um jeweils weitere 5 % erhöht werden?
Beabsichtigt die Bundesregierung, auch italienische Benutzer der deutschen Autobahnen durch entsprechende Gebühren zu den Kosten für Neubau und Instandhaltung dieser Straßen heranzuziehen?
Ist damit zu rechnen, daß die Frage von Autobahngebühren innerhalb der EWG in absehbarer Zeit einheitlich geregelt wird?
Herr Abgeordneter, ich darf die Frage 17 mit Ja beantworten.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, sind Sie bereit, mir zu sagen oder notfalls später mitteilen
zu lassen, wie hoch ein italienischer Kraftfahrer in Deutschland mit Steuern, Gebühren etc. belastet ist, wenn er 100 km auf unserer Autobahn fährt?
Selbstverständlich bin ich bereit, Ihnen darüber eine Auskunft zu geben.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, haben Sie einen Überblick darüber oder können Sie mir ebenfalls später mitteilen, wie hoch etwa die Summe der Autobahnbenutzungsgebühren ist, die von Deutschen in Italien jährlich zu entrichten sind?
Ich kann die Frage, welches die Summe ist, nicht beantworten. Ich überschaue auch nicht, welcher Aufwand erforderlich ist, um eine solche Feststellung zu treffen. Ich bitte um Verständnis. Ich kann nur sagen, ich werde bemüht sein, dem Auskunftsanliegen, das Ihrer Zusatzfrage zugrunde liegt, zu entsprechen.
Nächste Frage!
Die Frage 18 darf ich mit Nein beantworten. Die Bundesregierung beabsichtigt nicht, italienische Kraftfahrer auf deutschen Autobahnen mit entsprechenden Gebühren zu belasten. Eine Gebührenerhebung, von der nur Ausländer betroffen sein würden, würde diese Ausländer gegenüber den Inländern in einer unzulässigen Weise diskriminieren. Ich bitte zu bedenken, Herr Abgeordneter, wenn im Ausland, in diesem Falle also in Italien, Gebühren erhoben werden, werden sie von allen Benutzern erhoben, sowohl von Inländern, nämlich den Italienern, wie auch von den Ausländern, also beispielsweise den Deutschen, die die Autobahn dort in Anspruch nehmen. Deshalb sieht die Bnudesregierung keine Möglichkeit, eine Autobahngebühr allein für Ausländer einzuführen.
Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Schulze-Vorberg.
Herr Staatssekretär, sehen Sie eine Möglichkeit, dieses Problem der Diskriminierung von Ausländern etwa dadurch zu lösen, daß man einen Teil der jetzt schon erhobenen Kraftfahrzeugsteuer als Autobahnbenutzungsgebühr deklariert und von den deutschen Verkehrsteilnehmern pauschal für das ganze Jahr einzieht, so daß man nur noch die Ausländer an den Grenzübergängen entsprechend zu belasten brauchte? Hier wäre keine Diskriminierung mehr gegeben.
Herr Abgeordneter, das ist eine Frage, die im Gesamtzusammenhang gesehen werden muß. Ich glaube, sie berührt das gegenwärtige System der Kraftfahrzeugsteuer. Sie wissen, daß es auf der europäischen Ebene umfangreiche Erörterungen zu dem Gesamtproblemkreis der Harmonisierung dieser Steuern gibt. Ich glaube, wir sollten dieses Problem, das durch die Frage des Herrn Abgeordneten Geldner aufgeworfen worden ist und das durch Ihre Zusatzfrage eine besonders nuancierte Betrachtung erhalten hat, in diesen Fragenkreis einbetten. Der Herr Abgeordnete. Geldner hat ja in seiner nächsten Frage danach gefragt, wie es sich auf EWG-Basis verhält. Herr Präsident, darf ich die Frage 19 gleich beantworten?
Bitte!
Ich möchte sie wie folgt beantworten. Es ist zur Zeit nicht erkennbar, daß in der Frage der Autobahngebühren innerhalb der EWG in absehbarer Zeit eine einheitliche Regelung Platz greift. Der Grund liegt vor allem darin, daß die einzelnen Staaten verschiedene Systeme der Autobahnfinanzierung anwenden.
Ich möchte noch hinzufügen, im Zusammenhang mit den Beratungen zur Lösung des Wegekostenproblems wird in Brüssel auch an der Ausarbeitung von einheitlichen Systemen für die Straßenbaufinanzierung gearbeitet. Wenn man da zu Lösungen kommt, lösen sich sicherlich auch die Probleme, die Ihren Fragen zugrunde liegen.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Geldner.
Herr Staatssekretär, zu Frage 19: Wenn man innerhalb der EWG Maße und Gewichte für Kraftfahrzeuge einheitlich festsetzt und auch die Verkehrsteuern zu harmonisieren versucht, ist es dann nicht ein frommer Selbstbetrug derjenigen Länder, die glücklicherweise keine Autobahngebühr erheben, diese zusätzliche Steuer den anderen Ländern anstandslos zu belassen?
Herr Abgeordneter, zur Zeit hat jedes Land seine besondere Form der Finanzierung von Autobahnbauten. Bei uns ist es üblich, Straßenbauten und auch Autobahnbauten aus Steuermitteln zu finanzieren. Die Italiener geben für die Autobahngesellschaft, die Träger des Unternehmens ist, keine Zuschüsse des Staates. Der Bau wird aus eigenen Mitteln finanziert. Wenn eine solche Finanzierungsmethode angewandt wird, kommt man zwangsläufig zum System der Gebührenerhebung. Das geht nicht anders. Die Lösung der Probleme, die sich aus der unterschiedlichen Praxis in den verschiedenen Ländern ergeben, liegt nur in der Vereinheitlichung des gesamten Systems. Etwas anderes ist nicht zu machen.
Herr Abgeordneter Geldner, letzte Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, würde das bedeuten, daß die Bundesregierung trotz allem nicht beabsichtigt, etwa auch im Intersse einer Gleichbehandlung des deutschen Kraftfahrzeuggewerbes eine Autobahnbenutzungsgebühr von Kraftfahrern aus den Ländern zu verlangen, die ihrerseits solche Gebühren erheben, wenn es nicht zu einer Harmonisierung innerhalb der EWG in dieser Frage kommt?
Herr Abgeordneter, ich darf erneut betonen, die Bundesregierung beabsichtigt nicht, Autobahnbenutzungsgebühren oder Straßenbenutzungsgebühren von ausländischen Kraftfahrern zu erheben. Denn wenn sie es täte, müßte sie sowohl Ausländer wie auch Inländer mit Gebühren belasten. Das hält aber die Bundesregierung politisch und auch sachlich unter den gegebenen Umständen, auch angesichts der steuerlichen Belastung für den Kraftfahrer, nicht für vertretbar.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Schulze-Vorberg.
Herr Staatssekretär, wäre die Bundesregierung bereit, zu prüfen, ob nicht sowohl im Zuge der internationalen Harmonisierung als auch, um Diskriminierungen tatsächlich auszuschalten, ein Teil der Kraftfahrzeugsteuer, die jetzt erhoben wird, als Autobahnbenutzungsgebühr erhoben wird, was sie de facto ist - das ist nicht zu bestreiten -, daß man also einen Teil davon als Autobahnbenutzungsgebühr erhebt und dem Ausländer, der unsere Autobahnen benutzt, das von Fall zu Fall auferlegt, dabei aber auch ausländischen Kraftfahrzeugen, die häufig die deutschen Autobahnen benutzen, die Möglichkeit gibt, das global abzuleisten?
Herr Abgeordneter, Ihre Frage enthielt am Anfang ein Prüfungsersuchen. Nun, einem Prüfungsersuchen kann entsprochen werden. Ich fürchte nur, daß diese Prüfung kein positives Ergebnis im Sinne des materiellen Inhalts Ihrer Frage erwarten läßt.
Ich bitte, folgendes zu bedenken. Die Kraftfahrzeugsteuer ist eine Landessteuer. Der Ertrag fließt ausschließlich den Ländern zu. Es ist schon deshalb unmöglich, einen Teil davon abzuzweigen und gewissermaßen als eine Art Beitrag zur Autobahnfinanzierung zu verwenden. Das sind unterschiedliche Töpfe. Der Autobahnbau wird aus der Mineralölsteuer finanziert - ich meine jetzt, auf der Basis des Straßenbaufinanzierungsgesetzes -, und die Kraftfahrzeugsteuer dient ganz anderen Zwecken als den Zwecken, denen die Mineralölsteuer im Rahmen ihres zweckgebundenen Anteils zu dienen bestimmt ist.
Zweite Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Schulze-Vorberg.
Herr Staatssekretär, würden Sie trotz dieser Auffassung, die Sie für die Bundesregierung vorgetragen haben und die mir - mit den verschiedenen Töpfen, wie das alles eingeteilt ist - sehr schematisch zu sein scheint, nicht einmal überprüfen wollen, ob man nicht den reichlich durchfließenden ausländischen Kraftfahrverkehr an der Finanzierung unserer Autobahnen beteiligen kann, und zwar ohne jede Diskriminierung, indem man auch von den deutschen Kraftfahrern einen Teil der Kraftfahrzeugsteuer als Autobohnbenutzungsgebühr global erhebt?
Herr Abgeordneter, soweit Sie meine Betrachtung als schematisch bezeichnen, kann ich das für meine Person und auch für meinen Minister nicht akzeptieren. Denn wir haben es hier nicht mit einer schematischen, sondern mit einer politischen Gegebenheit zu tun - einer politischen Gegebenheit, die das Verhältnis des Bundes zu den Ländern und umgekehrt berührt. Die einen haben diese Steuern, der andere hat jene Steuern, und die Kraftfahrzeugsteuer ist nun einmal eine Landessteuer.
Zum zweiten aber: Die Frage der Autobahnbenutzungsgebühren beschäftigt uns kontinuierlich. Die zahlreichen Zuschriften von Abgeordneten dieses Hauses geben immer wieder Anlaß, das Problem der Autobahnbenutzungsgebühren zu durchdenken und zu überprüfen. Insoweit haben wir es also mit einem kontinuierlichen gedanklichen Prozeß und einer kontinuierlichen Auseinandersetzung zu tun.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeodneten Ertl.
Herr Staatssekretär, stimmen Sie mir zu, daß trotz einer sicherlich unterschiedlichen Betrachtungsweise von der Steuersystematik her der deutsche Kraftwagenbenutzer, wenn er ins Ausland fährt und ausländische Autobahnen benutzt, in zweifacher Form zu Steuern herangezogen wird, nämlich erstens zur Kraftfahrzeugsteuer in Deutschland und zweitens in Form einer Autobahnsteuer im Ausland, und daß das eine einseitige Benachteiligung des deutschen Kraftfahrzeugbesitzers ist?
Herr Abgeordneter, Sie haben einen Tatbestand festgestellt, und dieser Feststellung kann ich nicht widersprechen.
Wenn Sie mir in dieser Frage zustimmen, darf ich Sie fragen: Was will die Bundesregierung tun, um diese einseitige Benachteiligung deutscher Kraftwagenbesitzer zu beseitigen? Das ist dann doch eine vornehme Pflicht der Bundesregierung.
Herr Abgeordneter, zunächst ist es nicht so, daß doppelt besteuert wird. Insofern muß ich meine Zustimmung jetzt modifizieren. Es ist vielmehr so, bei uns werden Steuern erhoben. Bei
den anderen, z. B. in Italien, werden Gebühren erhoben. In Italien werden Gebühren von jedem Kraftfahrer, von Inländern und Ausländern, erhoben, jeder Straßenbenutzer hat eine Gebühr zu zahlen, ähnlich wie Sie beispielsweise, wenn Sie nach England kommen, für die Benutzung bestimmter Bauwerke als Autofahrer eine Gebühr zu zahlen haben. Das ist der Tatbestand.
Ich habe ja vorhin vorgetragen, Herr Abgeordneter, daß im Rahmen der Brüsseler Erörterungen im Zuge der notwendigen Harmonisierung, wozu auch die Herstellung eines einheitlichen Systems der Straßenbaufinanzierung gehört, die Bundesregierung in dem Grundanliegen Ihrer Frage ein lösungsbedürftiges Problem sieht. Die Bundesregierung widmet dem also durchaus volle Aufmerksamkeit, und soweit Ihrer Zusatzfrage eine negative Bewertung der Tätigkeit der Bundesregierung zugrunde lag, - ({0})
- Ich stelle das fest. Jedenfalls besteht dazu kein Anlaß.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Kühn.
Herr Staatssekretär, ich nehme an, ich verstehe Sie richtig dahin, daß die Bundesregierung der Auffassung ist, daß eine Lösung dieses sicherlich sehr schweren und für die deutschen Autofahrer keineswegs erfreulichen Zustandes nur im Rahmen einer europäischen Regelung, die für alle gleichmäßig ist, gesucht werden kann.
Das ist richtig, Herr Abgeordneter.
Darf ich dann die zweite Frage stellen: Wird die Bundesregierung nach diesem lebhaften Frage- und Antwortspiel daraus die Ermutigung für sich sehen, bei unseren EWG-Partnern darauf zu drängen, daß möglichst bald eine entsprechende Regelung getroffen wird, damit diese Schwierigkeiten für unsere deutschen Autofahrer, die diese in der Tat einseitig belasten, ausgeräumt werden?
Eine Ermutigung ist ganz gewiß in diesem Frage- und Antwortspiel zu sehen. Für diese Ermutigung kann man nur dankbar sein. Ich möchte aber auch keinen Zweifel darüber lassen, daß sich die Bundesregierung des Problems in jedem Falle, ob mit oder ohne Frage- und Antwortspiel, in vollem Umfang und in seiner vollen Ernsthaftigkeit bewußt ist und auf eine Lösung hinzuwirken bestrebt ist.
Darüber habe ich keinen Zweifel, Herr Staatssekretär.
Danke sehr.
Ich rufe die Fragen 20 und 21 des Herrn Abgeordneten Seibert auf:
Welche Erfahrungen hat die Deutsche Bundesbahn mit der befristeten Sonderaktion für Reisende über 65 Jahre gemacht?
Beabsichtigt die Bundesregierung, die Deutsche Bundesbahn zu einem neuen Sonderangebot zu veranlassen?
Sie werden von dem Herrn Abgeordneten Faller übernommen. Bitte, Herr Staatssekretär!
Ich darf die Frage 20 wie folgt beantworten. Nach den Feststellungen der Bundesbahn ist von der Vergünstigung reger Gebrauch gemacht worden. Die finanziellen Auswirkungen lassen sich jedoch heute noch nicht abschließend beurteilen.
Keine Zusatzfragen. - Die nächste Frage, bitte!
Dann darf ich die Frage 21 wie folgt beantworten. Die Bundesbahn wird sich selbst darüber schlüssig werden, ob und wann sie ein neues Sonderangebot unterbreitet. Nach dem Gesetz sind die leitenden Organe der Bundesbahn für eine wirtschaftliche Gestaltung des Betriebes verantwortlich, und zwar selbstverantwortlich.
Im übrigen, Herr Abgeordneter, ist es 'bekannt, mit welchem Ausmaß an innerer Beteiligung und innerem Engagement der Bundesminister für Verkehr die am 30. April dieses Jahres abgeschlossene Sonderaktion ermöglicht, gefördert und in ihren Auswirkungen begrüßt hat.
Eine Zusatzfrage.
Aus Ihrer letzten Antwort darf man doch schließen, daß der Bundesminister für Verkehr auch weiterhin diese Anteilnahme zeigen wird wird und deshalb auch versuchen wird, die Bundesbahn zu veranlassen, das wieder einzuführen.
Herr Abgeordneter, ich will die Verantwortung der Bundesbahn hier in keiner Weise verdunkeln. Aber was die politische Bewertung des Urteils ides Bundesministers für Verkehr zu dieser Maßnahme oder einer entsprechenden Wiederholung anlangt, interpretieren Sie die Auffassung des Bundesministers für Verkehr zutreffend.
Ich möchte aber doch eines sagen. Er wird ständig bedrängt, einen Zeitpunkt zu nennen oder überhaupt etwas Konkretes zu sagen. Herr Abgeordneter, wenn ein Kaufmann im Dezember etwas besonders Günstiges bietet, dann plakatiert er das nicht schon im September; denn sonst beeinträchtigt er sein normales Geschäft in den folgenden Monaten. Das, was für den Kaufmann gilt, gilt auch für
die Bundesbahn; denn nach dem Gesetz ist ,die Bundesbahn zu kaufmännischem und wirtschaftlichem Verhalten verpflichtet. Auch bei dieser abgelaufenen Sonderaktion hat es sich bei aller Anerkennung der sozialpolitischen Konsequenzen im Ausgangspunkt um den Ausdruck kaufmännisch-wirtschaftlichen Handelns gehandelt.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe die Fragen 22, 23 und 24 des Herrn Abgeordneten Ramms auf:
Hat die Bundesregierung in den letzten sieben Jahren nicht die Erfahrung gemacht, daß bei den Verkehrstarifen ein Einpendeln auf der unteren Marge üblich ist?
Womit sind die Einnahmeverluste bei Bundesbahn und der Binnenschiffahrt trotz erhöhter Transportleistung zu erklären?
Ist die Meldung in der Zeitung „Der Deutsche Bundesbahnbeamte" vom 16. Juni 1968 zutreffend, wonach der Bundesverkehrsminister zum Verzicht auf die Verbotsliste für Beförderungen im Straßenverkehr bereit ist?
Sie werden von Herrn Abgeordneten Dr. Imle übernommen. Zur Beantwortung der Herr Staatssekretär.
Herr Abgeordneter, es gibt in der Tat eine Erfahrung, daß bei einer solchen Marge eine Elastizität nach unten gegeben ist. Ich darf insoweit auf die Ausführungen von Herrn Staatssekretär Dr. Arndt in der Fragestunde vom 20. Juni 1968 verweisen. Herr Dr. Arndt hatte sich ja zu Fragen oder Zusatzfragen, die Sie gestellt hatten, im gleichen Sinne geäußert.
Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Imle.
Herr Staatssekretär, welche Schlußfolgerungen gedenkt die Bundesregierung aus dieser Erkenntnis zu ziehen?
Herr Abgeordneter, es handelt sich immer um individuelle Anträge, die ,geprüft werden müssen, und zwar in dem Rahmen, den das Gesetz gibt. Es ist nicht möglich, und es würde auch nicht dem Gesetz entsprechen, hier eine einfache pauschale Erklärung über Schlußfolgerungen - abstrakte Schlußfolgerungen gewissermaßen - in dieser oder jener Richtung abzugeben.
Zweite Zusatzfrage.
Wenn ich Sie also richtig verstanden habe, Herr Staatssekretär, meinen Sie damit, daß in jedem Einzelfall ,die Frage erneut geprüft werden müßte.
Genau das meine ich, Herr Abgeordneter.
Nächste Frage!
Herr Abgeordneter, bei der Bundesbahn sind im Vergleich des Jahres 1966 zu 1961 die Verkehrsleistungen im Güterverkehr der Bundesbahn um rund 6,4 % gestiegen. Für 1967 kann ich noch keine endgültigen Ergebnisse mitteilen. Die Einnahmen waren im Jahre 1966 um rund 5,5 % höher als 1961. Die geringere Einnahmesteigerung erklärt sich u. a. aus Gründen der Marktbedingungen, der Marktentwicklung und des verschärften Wettbewerbs.
Für die Binnenschiffahrt gibt es keine Einnahmestatistik; es können daher auch keine Aussagen darüber gemacht werden, ob und in welchem Maße es trotz erhöhter Transportleistungen zu Einnahmeverlusten bei der Binnenschiffahrt gekommen ist.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, könnte diese Diskrepanz vielleicht darauf beruhen, daß die Personalausgaben bei der Deutschen Bundesbahn in höherem Umfange gestiegen sind als die Einnahmen aus der Zunahme. der Transportleistungen?
Herr Abgeordneter, Sie haben nur nach den Bruttoeinnahmen und nach der Entwicklung der Bruttoeinnahmen im Vergleich zur Entwicklung des Verkehrsaufkommens gefragt. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage nach der Entwicklung der Selbstkosten nicht.
Ich darf nur allgemein sagen: natürlich ist ein besonders lohnintensiver Betrieb auch im Hinblick auf die Selbstkosten in einer anderen Situation als ein weniger arbeitsintensiver, dafür aber mehr kapitalintensiver Betrieb. Das ist das, was ich in Beantwortung Ihrer Frage sagen möchte.
({0})
Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Schmidt ({0}).
Herr Staatssekretär, sind Sie mit mir der Auffassung, daß die mehr als schwierigen Verhältnisse bei der Binnenschifffahrt zu einem großen Teil auf die unerfreuliche Tariffrage und ihre Handhabung zurückzuführen sind?
Das ist meine Auffassung, und aus diesem Grunde hat ja die Bundesregierung auf Vorschlag des Bundesministers für Verkehr im Verkehrspolitischen Programm ganz bestimmte Vorschläge gemacht, die geeignet sein sollen - und wenn das Hohe Haus entsprechend beschließt, geeignet sind -, dem entgegenzuwirken.
Herr Staatssekretär, darf ich annehmen, daß Sie mit mir der Auffassung sind, daß hier recht bald etwas geschehen muß, um diesem Gewerbe zu helfen?
Der Auffassung bin ich.
Nächste Frage des Herrn Abgeordneten Ramms.
Herr Abgeordneter, Meldungen mit so zugespitztem Inhalt sind nicht zutreffend. Im übrigen hat Herr Bundesminister Leber immer wieder, beispielsweise in der ersten Lesung der Verkehrsgesetze im Bundestag am 13. Februar 1968, erklärt, entscheidend sei allein das Ziel des Programms. Über die Wege - ich zitiere fast wörtlich aus der Rede meines Ministers -, die zu dem anerkannten Ziel führen, könne man sich jederzeit unterhalten.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, darf ich daraus entnehmen, daß Ihr Minister eventuell eben doch bereit ist, auf diese Verbotsliste zu verzichten?
Herr Abgeordneter, so kann die Frage nicht gestellt werden; d. h., es steht mir an sich nicht zu, hier Fragen zu bewerten; ich bitte um Nachsicht. Aber so ist die Frage nicht beantwortbar. Ich kann hier nur die Äußerung meines Ministers wiederholen. Er hat immer wieder darauf hingewiesen: Wir müssen uns auf dem Gebiet - und das ist die Auffassung der Bundesregierung - ein bestimmtes Ziel setzen. Das Ziel muß unverrückbar sein. Aber hinsichtlich eines wirksamen Instrumentariums zur Erreichung des Ziels muß man miteinander sprechen können. Das war die Position des Herrn Bundesministers Leber in der ersten Lesung vom 13. Februar, und das ist seine Position stets gewesen.
Letzte Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, habe ich Sie dann richtig verstanden, daß man bei aller Beweglichkeit, die der Herr Bundesminister. hier in Aussicht gestellt hat, bei einem Nachgeben hier oder dort eben zu einem Ergebnis kommen kann, das im wesentlichen doch darauf hinausläuft?
Herr Abgeordneter, ich könnte mich nur wiederholen, wenn ich Ihre Frage erneut beantworten sollte. Ich kann nur sagen, daß für den Bundesminister für Verkehr das Ziel ein unverrückbarer Markierungspunkt ist. Das gilt auch für die Bundesregierung, denn das Programm wird ja von der Bundesregierung im ganzen getragen.
Frage 25 des Herrn Abgeordneten Dr. Artzinger:
Sieht die Bundesregierung die Moglichkeit einer Vereinfachung des Verfahrens für Ausnahmegenehmigungen vom Verbot des Lkw-Verkehrs an Sonn- und Feiertagen, nachdem sich das Verbot in diesem Jahr erneut als schweres Hindernis für den schnellen Absatz von leicht verderblichem Frischobst und Frischgemüse erwiesen hat?
Die Bundesregierung hält eine weitere Vereinfachung des Verfahrens für die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung vom Sonntagsfahrverbot nicht für erforderlich. Sie ist vielmehr der Ansicht, daß das Verfahren sachgerecht und unkompliziert ist. Zuständig ist nur eine Behörde, nämlich die Straßenverkehrsbehörde, in deren Bezirk die Ladung aufgenommen wird. Deren Ausnahmegenehmigung ist für das ganze Inland wirksam. Diese Behörde prüft nur die Dringlichkeit des Transports sowie die Frage, ob eine Beförderung nicht durch andere Verkehrsmittel, insbesondere durch die Bundesbahn, erfolgen kann. Diese Prüfung ist innerhalb kurzer Frist möglich und geschieht auch innerhalb kurzer Frist.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß dem in meinem Lande, in Baden-Württemberg, gelegenen Obstbau - Obstsammelstellen und Obstverwertungsgenossenschaft - in diesem Sommer hohe Verluste von mehreren hunderttausend Mark entstanden sind, weil diese Genehmigungen eben nicht so pünktlich eintrafen, wie das wünschenswert wäre?
Herr Abgeordneter, mir ist dieser konkrete Einzelfall, den Sie erwähnt haben, nicht bekannt. Ich kann nur sagen: vollzogen wird die entsprechende Bestimmung der Straßenverkehrsordnung von den Ländern. Der Bundesminister für Verkehr hat sich natürlich auf Grund eines Koordinierungsverfahrens mit Iden Ländern über die Durchführung des Verfahrens verständigt. Ich darf aber unbeschadet des konkreten Sachverhalts, der Ihrer Zusatzfrage zugrunde liegt, darauf hinweisen, daß von den Beteiligten die legitimen Möglichkeiten, also die Möglichkeiten, die durchaus im Rahmen des Gesetzes liegen, sehr oft nicht hinreichend gewürdigt werden. Ich möchte das Sonntagsfahrverbot erwähnen. Es hat Gültigkeit bis um 22 Uhr. Bis zu dem Zeitpunkt, zu .dem ,die Märkte - etwa am Montag früh - geöffnet werden, steht ein Zeitraum zur Verfügung, der es erlaubt, auf der Autobahn einen Gesamtradius von etwa 400 km zu bestreichen. Es ist also gar nicht so, daß dieses Sonntagsfahrverbot allein die Ursache dafür ist, daß Obst oder andere verderbliche Güter verderben; das Gesetz ist vielmehr so gehalten, daß den Erfordernissen des Marktes und auch den Erfordernissen etwa des Landwirts, des Obstbauern, entsprochen werden kann.
Keine weiteren Zusatzfragen. - Ich rufe dann die Frage 26 des Abgeordneten Dr. Artzinger auf:
Kann insbesondere das Anhörungsverfahren bei Fahrten über den Bereich eines Bundeslandes hinaus derart vereinfacht werden, daß eine wesentliche Verkürzung der Zeit zwischen Antrag und Entscheidung erzielt würde?
Herr Abgeordneter, das Anhörungsverfahren bei Fahrten über den Bereich eines Bundeslandes hinaus ist bei der Erteilung von Einzelgenehmigungen überhaupt nicht erforderlich. Diese Regelung - Anhörungsverfahren - gilt nur für Dauergenehmigungen. Hier wird die zuständige höhere Verwaltungsbehörde des vom Transport betroffenen anderen Landes unterrichtet und um Mitteilung darüber gebeten, ob für die Beförderung innerhalb dieses anderen Landes Auflagen erforderlich oder bestimmte Straßen vorzuschreiben sind.
Es ist sicher zweckmäßig, so zu verfahren; das gilt, wie gesagt, nur für Dauergenehmigungen. Es ist auch vertretbar, weil die Entscheidung über eine Dauergenehmigung in der Regel nicht kurzfristig getroffen zu werden braucht.
Keine Zusatzfragen. - Ich rufe dann die Frage 27 des Abgeordneten Dr. Artzinger auf:
Liegt diese im Interesse der Landwirtschaft dringend erwünschte Verwaltungsvereinfachung in der Kompetenz der Bundesregierung oder was müßte der Gesetzgeber dazu tun?
Abgesehen davon, Herr Abgeordneter, daß ich das Verfahren zur Erteilung von Ausnahmegenehmigungen für sachgerecht halte und damit die Ihrer Frage zugrunde liegende negative Bewertung nicht akzeptiere, muß ich darauf hinweisen - ich habe es bereits getan -, daß die Durchführung des Verfahrens Sache der Länder ist. Auch die Richtlinien des Bundesministers für Verkehr, die ich ja bereits erwähnt habe, erlangen verbindliche Wirkung nur durch entsprechenden Erlaß der Länder.
Einer weitergehenden Gestaltung, also etwa einer weitergehenden Einschaltung des Bundes in das Verfahren, steht Art. 83 des Grundgesetzes entgegen, wonach die Durchführung von Bundesgesetzen -das gilt auch für Rechtsverordnungen - Sache der Länder ist.
Keine Zusatzfragen.
Ich rufe dann die Fragen des Herrn Abgeordneten Baltes aus dem Geschäftsbereich des Bundesschatzministers auf.
Schmücker, Bundesschatzminister: Herr Präsisident, darf ich die drei Fragen gemeinsam beantworten?
Bitte sehr. Ich rufe die Fragen 33, 34 und 35 des Abgeordneten Baltes auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung als Anteilseigner der Saarbergwerke AG die Absicht dieses Unternehmens, im Südraum Saarbrückens, der letzten Baulandreserve der Landeshauptstadt, in den Jahren 1990 bis 2000 Kohlenabbau zu betreiben?
Wäre die Bundesregierung bereit, dieser künftigen Abbauplanung entgegenzuwirken, wenn in der Nutzabwägung der unter optimistischen Bedingungen geschätzte direkte und indirekte Beschäftigungseffekt von maximal 5000 Arbeitskräften im Jahre 2000 geringer einzuschätzen ist als ein sofort zu schaffender Wachstums- und Beschäftigungseffekt für diese durch Struktur- und Beschäftigungskrise benachteiligte Region, der schnell erzielt werden könnte, falls dieses Gelände ohne Wertminderung durch geplanten Abbau in seiner einmaligen Strukturpräferenz ({0}) sofort für Industrieansiedlung nutzbar gemacht wird?
Ist die Bundesregierung bereit, diese Abbauverzichtserklärung kurzfristig zu erreichen, falls sie die Nutzeinschätzung der Frage 34 teilt, da im Rahmen der Fristen des Steinkohlenanpassungsgesetzes die regionalen Investitionspräferenzen nur bis 1970 genutzt werden können?
Schmücker, Bundesschatzminister: Das erwähnte Gelände, nach dessen Schicksal im Jahre 2000 gefragt wird, liegt im Süden Saarbrückens und ist 400 ha groß. Nach den mir gemachten Mitteilungen haben die geologischen Untersuchungen der Saarbergwerke ergeben, daß davon etwa ein Drittel für einen späteren Kohleabbau nicht geeignet ist. Das restliche Gelände enthält Vorräte an Kokskohle, die wegen Erschöpfung der übrigen Kokskohlevorräte Ende dieses Jahrhunderts angebrochen werden müssen.
Die Saarbergwerke sind der Ansicht, daß es vom unternehmerischen Standpunkt aus nicht zu verantworten wäre, heute schon einen Verzicht auf den späteren Abbau dieser Vorräte auszusprechen und damit Arbeitsplätze im Bergbau für die Zukunft aufzugeben. Obendrein, so meinen die Saarbergwerke, wäre die Deckung des Kokskohlebedarfs der saarländischen Hüttenindustrie durch die Saarbergwerke gefährdet. Ob die Verhältnisse in einigen Jahren anders zu beurteilen sind, kann ich heute naturgemäß nicht sagen.
Da aber ein Drittel der Gesamtfläche nicht für den Kohleabbau vorgesehen ist, wäre dieser Teil damit für Wohnungsbau und Industrieansiedlung uneingeschränkt verfügbar. Auch bei dem übrigen Gelände ist eine entsprechende Aufschließung durchaus möglich, wenn gewisse Baubeschränkungen beachtet werden, die - soweit mir bekannt ist - von den Behörden im Saarland festgelegt werden sollen. Auf diese Weise könnte ein angemessener und gerechter Ausgleich der verschiedenen Belange gefunden und so die unter den gegebenen Umständen bestmögliche Nutzung des Südens von Saarbrücken erreicht werden.
Aber, Herr Kollege, vielleicht steht hinter Ihrer Frage etwas mehr, als man aus dem Text lesen kann. Dann wäre ich Ihnen ,für eine Mitteilung sehr dankbar. Ich bin sehr daran interessiert, daß die strukturelle Aufschließung des Saarlandes Fortschritte macht.
Keine Zufragen.
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Gesundheitswesen.
Präsident D. Dr. Gerstenmaier
Ich rufe die Fragen 36, 37 und 38 der Frau Abgeordneten Mönikes auf:
Trifft es zu, daß bei den staatlichen Gesundheitsämtern die beamteten Ärzte die Genehmigung zu einer freien Gutachtertätigkeit baben?
Trifft es weiter zu, daß die Ärzte mit dieser Tätigkeit die Höhe ihres Nettogehaltes erreichen dürfen?
Bei Bejahung der Frage 37: Wird durch diese private Tätigkeit des Amtsarztes seine eigentliche Aufgabe nicht sehr eingeschränkt?
Zur Beantwortung der Herr Staatssekretär.
Die staatlichen Gesundheitsämter sind Einrichtungen der Länder. Die Beamten dieser Gesundheitsämter sind Landesbamte. Die Nebentätigkeit dieser Beamten richtet sich nach Landesrecht. Die von Ihnen . angeschnittenen Probleme sind daher nicht Angelegenheiten des Bundes. Im Hinblick auf den förderativen Aufbau unseres Staates erscheint es mir nicht richtig, daß der Bund sich zu Sachverhalten äußert, Frau Abgeordnete, die ausschließlich in die Zuständigkeit der Länder fallen. Überdies haben wir auch keinerlei Unterlagen, die eine sachgemäße Beantwortung Ihrer Fragen möglich machen.
Zusatzfrage.
Ich bin von der Situation ausgegangen, daß durch diese Tätigkeit einmal die Kräfte überfordert werden. Ich hätte jetzt eine Zusatzfrage. Ich weiß nicht, ob ich sie nach Ihren Ausführungen noch stellen kann.
Bitte sehr!
Werden für diese privaten Tätigkeiten auch die staatlichen Labor- und Bürokräfte in Anspruch genommen?
Wenn die Nebentätigkeit sich im Gesundheitsamt abspielt, werden im allgemeinen auch die Kräfte herangezogen. Es ist dann immer Sache des Dienstherrn, darauf zu achten, daß die damit verbundene Inanspruchnahme von Personal, Material und Einrichtungen im Rahmen der genehmigten Nebentätigkeit bleibt. Aber die Verhältnisse sind in den einzelnen Ländern sehr unterschiedlich. Im übrigen ist die Nebentätigkeit so stark zurückgegangen, daß, ich glaube, mißbräuchliche Benutzung im allgemeinen nicht unterstellt werden darf.
Keine Zusatzfrage mehr. Die Fragestunde ist zu Ende.
Ich rufe zunächst den Tagesordnungspunkt 4 auf - ich unterstelle das Einverständnis des Hauses, daß dieser Tagesordnungspunkt vorgezogen wird -:
a) Mündlicher Bericht des Petitionsausschusses ({0}) über seine Tätigkeit gemäß § 113 Abs. 1 der Geschäftsordnung
Berichterstatterin: Abgeordnete Frau Jacobi ({1})
b) Beratung der Sammelübersicht 32 des Petitionsausschusses ({2}) über Anträge von Ausschüssen des Deutschen Bundestages zu Petitionen und systematische Ubersicht über die beim Deutschen Bundestag in der Zeit vom 18. Oktober 1965 bis 31. Mai 1968 eingegangenen Petitionen
- Drucksache V/3014 Berichterstatterin zu Punkt 4 a ist Frau Abgeordnete Jacobi. Sie hat das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach der Geschäftsordnung soll der Petitionsausschuß außer der monatlichen Vorlage verabschiedungsreifer Petitionen vierteljährlich einen mündlichen Bericht über seine Arbeit geben. Die Fülle der dringenden Materien in den Plenarsitzungen machte die Regelmäßigkeit unserer Berichte unmöglich. Dies ist für die letzten zwei Jahre erst der vierte Bericht.
Trotzdem hat die Arbeit dieses Ausschusses im Hintergrund die Gesetzgebungsarbeit des Hauses beeinflußt. Die Sachkenntnis und politische Überlegung der Mitglieder des Ausschusses führte zu Überweisungen als Material an die Regierung, die Ausschüsse und Fraktionen, wodurch manche Gesetzeslücke auch in letzter Zeit geschlossen werden konnte. Wir haben insofern auch dazu beigetragen, daß das 20. Gesetz zur Änderung des Lastenausgleichsgesetzes eine der wichtigsten Novellen des Lastenausgleichs geworden ist, die an Bedeutung der 8. Novelle kaum nachsteht. Es konnten die Verlegung des Stichtags erreicht werden, die Anerkennung von Schäden, wenn etwa ein Hof in Ostpreußen in der Hand des Sohnes zurückgelassen wurde, die Eltern aber hier von der Sozialhilfe leben müssen, und die Einschränkung der Übergangsregelung bei Anerkennung der Nacherbfolge anläßlich der Vererbung von Lastenausgleichsansprüchen.
Ein wesentliches Anliegen, nämlich, in Einzelfällen über den durch die Vierte Novelle weggefallenen Verfügungsfonds beim Präsidenten des Bundesausgleichsamts helfen zu können, konnte jedoch bisher nicht erfüllt werden. Zwar greift die Sozialhilfe in der Tat in all den Fällen der Not ein, in denen die niedrige Existenzgrundlage zu einer Gefährdung der Würde des Menschen führt; doch bleibt _hierbei sozialpsychologisch das Gefühl, insbesondere für ältere Geschädigte, eine Fürsorge zu erhalten, die weder ihrem Streben und ihrem Erfolg in den Jahren des Schaffens noch dem Standard vergleichbarer Berufsschichten entspricht, die nicht geschädigt wurden. Entscheidend sollte die Zielsetzung des Lastenausgleichs sein, wie sie in der Präambel des Gesetzes zum Ausdruck kommt, soziale Gerechtigkeit zu schaffen.
Ich möchte in diesem Zusammenhang auf Verluste verweisen, auf die der Zweite Weltkrieg und seine Folgen nur mittelbar eingewirkt haben, indem z. B. die kurz bevorstehende Rückgabe von nach dem Ersten Weltkrieg enteigneten Konzessionsrechten in Afrika durch die französische Regierung wegen
Frau Jacobi ({0})
des Zweiten Weltkrieges verhindert wurde, und auf bewertungsrechtliche Fragen wie den Verlust von Pensionsanwartschaften.
Es gibt aber auch Härtefälle, die nur durch die notwendigerweise generalisierende Fassung eines Gesetzes oder einer Verordnung zu solchen werden. So beschäftigt uns zur Zeit die doppelte Anrechnung bei Rentenerhöhungen sowohl auf die Unterhaltshilfe als auch auf die Bundesbeihilfe für eine betriebliche Altersversorgung. Wir wollen weiterhin hoffen, daß bald eine allgemein befriedigende Lösung für Flüchtlinge aus der sowjetischen Besatzungszone gefunden wird, um diesen Menschen das Gefühl der Schlechterstellung gegenüber den Vertriebenen zu nehmen.
Im Bereich der Sozialversicherung ging es in mehreren Bleichgelagerten Fällen im wesentlichen darum, eine bei der Verabschiedung des Rentenversicherungs-Änderungsgesetzes vom 9. Juni 1965 offengebliebene Lücke zu schließen, um auch zugunsten von Witwen, deren Ehemann vor dem 1. April 1945 gestorben ist, eine Anrechnung von vor dem 1. Januar 1924 liegenden Versicherungszeiten zu ermöglichen. Die Bearbeitung führte auf Veranlassung des Ausschusses zu dem Entwurf eines Vierten Rentenversicherungs-Änderungsgesetzes, der jetzt vom Ausschuß für Sozialpolitik mit beraten wird.
Sehr eingehend hat sich der Petitionsausschuß auf Grund mehrerer Eingaben mit dem auch schon in der Kleinen Anfrage der Fraktion der FDP vom 19. September 1967 angesprochenen Frage befaßt, ob die Gewährung von Leistungen für Kinder, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, sich aber noch in der Ausbildung befinden, auch weiterhin davon abhängig sein soll, daß die Betroffenen ledig sind. Der Ausschuß hält angesichts der tatsächlichen Entwicklung, vor allem wegen der steigenden Zahl der Studentenehen, die unveränderte Beibehaltung der geltenden Bestimmungen insbesondere in den Fällen für unbefriedigend, in denen die Kinder von den Eltern weiter unterhalten werden müssen. Er teilt auch nicht die Auffassung der Bundesregierung, daß diese Frage noch nicht entscheidungsreif sei. Nähere Ausführungen dazu kann ich mir ersparen, weil wir die Petitionen, die auf Vorschlag des Ausschusses vom Bundestag als erwägenswerter Gesetzesvorschlag zur Kenntnis genommen worden sind, zusammen mit dem bereits von uns erarbeiteten Material auch den drei Fraktionen zur Kenntnis gebracht haben. Ich darf Ihnen allen das hier angesprochene Problem besonders ans Herz legen, damit wir vielleicht doch schon bald zu einer zeitgerechten Lösung gelangen.
Die zahlreichen Eingaben zum Familienlastenausgleich konnten dagegen bisher nicht zu einem positiven Ergebnis führen, insbesondere, soweit sie sich auf Steuerrechtsänderungen bezogen. Positiv erledigt werden konnten jedoch eine ganze Reihe von Beschwerden, die sich aus der Sammelübersicht ergeben. Herausgegriffen sei wegen ihrer allgemeinen Bedeutung diejenige der Behandlung von deutschen Angehörigen der Mitglieder ausländischer Streitkräfte, die in einem Dienstverhältnis zu den Streitkräften stehen, als unbeschränkt Steuerpflichtige entgegen der bis dahin allgemeinen Auffassung der Finanzbehörden der Länder. Gleichfalls werden nunmehr auch Angestellte und Arbeiter des öffentlichen Dienstes, die im Ausland tätig sind, nicht mehr als beschränkt steuerpflichtig angesehen, was auch für die Anwendung des Zweiten Vermögensbildungsgesetzes von Bedeutung ist.
Bei einer großen Anzahl von Eingaben werden die durch das Finanzänderungsgesetz 1967 eingeführten Belastungen und Leistungsbeschränkungen angegriffen. Das Wirken des Petitionsausschusses erstreckte sich hier vor allem darauf, den Einsendern in eingehenden Begründungen den Sinn der getroffenen Regelungen darzulegen. Dies war ebenfalls bei der Umstellung des Umsatzsteuerrechts der Fall.
Hier ist vielleicht auch der Ort, darzulegen, daß die Aufklärung in unserem Land etwas stiefmütterlich ist und nicht intensiv und vor allem wirkungsvoll genug betrieben wird. Dies gilt sowohl für die gesundheitliche Aufklärung, wie sie Herr Kollege Dr. Jungmann in seiner schriftlichen Erklärung zur Änderung des Tabaksteuergesetzes vor einem Monat hier dargelegt hat, wie auch für die Verbraucheraufklärung und die Aufklärung zur Unfallverhütung.
({1})
Soweit Beschwerden gegen das Handeln der Verwaltung bearbeitet wurden, erscheint es unzweckmäßig, Einzelheiten hier vorzutragen
Was uns immer wieder bedrückt und das Ansehen des Parlaments als Ganzes in der Offentlichkeit herabsetzt, ist die lange Dauer der Petitionsverfahren, gerechnet vom Eingang bis zur Bescheiderteilung. Anfang des Jahres 1966 habe ich hier im Plenum die Herren Minister gebeten, dafür zu sorgen, daß die von uns erbetenen Stellungnahmen schneller gegeben werden. Auf die Stellungnahmen aus den Ministerien oder dem Lastenausgleichsamt oder Bundesversicherungsamt sind wir aber angewiesen, nicht nur wegen des Grundsatzes, auch die Verwaltung zu hören, sondern weil die Petenten den Sachverhalt nicht klar und vollständig darstellen können. Oft fehlt das Verständnis für die Zusammenhänge, weil eine Aufklärung durch die unteren Behörden auch nicht erfolgt. Daneben mangelt es aber auch an der unmittelbaren Präsenz des Parlaments, verkörpert durch den Abgeordneten, so daß sich der Petent wieder einem bürokratischen Verfahren ausgesetzt fühlt.
Was in der Tat not tut, ist die Schnelligkeit und Unmittelbarkeit der Prüfung beim Petenten und bei den unteren Behörden. Das soll geändert werden. Denn daher kommt der Schrei nach dem Ombudsman, den die Presse in den letzten Jahren häufig aufgegriffen hat. Wir haben sogar schon zur Zeit Petitionen in der Richtung laufen. In diesen Petitionen wird dem Bürgerbeauftragten per se Unabhängigkeit unterstellt und eine umfassende Vollmacht bei allen Behörden und sogar Gerichten zugebilligt. Es ist wohl unnötig zu sagen, daß wir, das Parlament, die erforderliche Unabhängigkeit besit9846
Frau Jacobi ({2})
zen. Unsere Pflichten und Rechte sollten wir nicht auf eine Instanz außerhalb des Parlaments delegieren, sondern uns selbst mit der für den Ombudsman geforderten Machtfülle ausstatten.
Eine Verbesserung des Eingabenrechts ist einer Lösung durch den Ombudsman vorzuziehen; denn erstens erfahren wir durch die Eingaben die Wünsche der Bevölkerung direkt und können aus ihnen Schlüsse für die Gesetzgebung ziehen, und zweitens erfordert die parlamentarische Demokratie auch im Einzelfall die parlamentarisch wirksame Kontrolle. Das Parlament darf den direkten Kontakt zu den Hilfesuchenden nicht verlieren.
Wir wollen Ihnen, dem Bundestag, nach der Sommerpause einen Gesetzentwurf vorlegen, durch den die Arbeit des Petitionsausschusses erleichtert und verbessert werden soll. Ich hoffe, daß das auch die Länderparlamente begrüßen werden und für ihren Bereich an uns Modell nehmen können.
Der Petitionsausschuß mit seinen Mitarbeitern empfindet sich als ein großes Anwaltsbüro. Er gibt nur Empfehlungen. Er arbeitet bestimmt billiger als der Ombudsman; denn auch dieser braucht Mitarbeiter. Ich möchte bemerken, daß das Büro des Wehrbeauftragten, der eine vergleichbare Position hat, fast doppelt so viel Mitarbeiter wie das Petitionsbüro hat. Parkinsons Gesetz scheint bei Delegationen von Rechten des Parlaments auf Beauftragte besonders wirksam zu sein.
Wir sind dafür, daß das Parlament selbst das Petitionsrecht und die sich daraus ergebende Arbeit wahrnimmt. Es sollte aber bemüht sein, alle seine Mitarbeiter in den Ausschüssen ihrer Arbeit und ihrer Funktion entsprechend. zu bewerten. Die fünf Juristen im Petitionsbüro müssen qualifizierte Mitarbeiter sein. Sie müssen die Stellungnahmen der Ministerien kritisch durcharbeiten. Jeder von ihnen muß in mehreren Sachgebieten tätig werden. Dazu gehört für jeden eine längere Einarbeitungszeit, um für uns wirklich zu einem Fachmann zu werden.
Das Parlament sollte dem Petitionsbüro Aufstiegsmöglichkeiten für seine Mitarbeiter einräumen, um einen häufigen Wechsel auszuschließen.
({3})
Häufiger Wechsel würde unserer Arbeit schaden. Das Parlament braucht Mitarbeiter schlechthin, für die die Arbeit hier keine Durchgangsstation ist.
Ich bitte, wie schon einmal bei den Haushaltsberatungen die Wichtigkeit und Berechtigung dieser Gedanken nicht zu verkennen.
Zum Schluß möchte ich Sie bitten, die Sammelübersicht, die Sie unter Ihren Vorlagen finden, und den darin enthaltenen Antrag des Petitionsausschusses anzunehmen.
({4})
Ich danke der Frau Berichterstatterin und eröffne die Aussprache. - Das Wort hat Frau Abgeordnete Wessel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte zu den Ausführungen von Frau Kollegin Jacobi Stellung nehmen, die sich mit der Frage der Erweiterung der Rechte des Petitionsausschusses beschäftigen.
Die von Frau Jacobi dargelegten diesbezüglichen Wünsche kann ich nur sehr unterstützen aus den gleichen Erfahrungen, die ich als frühere Vorsitzende des Petitionsausschusses gemacht habe und die ich in meinem mündlichen Tätigkeitsbericht in der 143. Sitzung des Deutschen Bundestages am 13. Dezember 1967 im einzelnen dargelegt habe. Zu den gleichen Empfehlungen kommt ein Bericht der Konferenz der Präsidenten der deutschen Länderparlamente zum Problem des Ombudsman. Frau Jacobi sagte bereits, daß diese Frage in den letzten Monaten in der Öffentlichkeit eine erhebliche Rolle gespielt hat. Ich glaube, wir müssen uns auch einmal ernsthaft in diesem Hohen Hause fragen, wieso das möglich ist. Schon seit Jahren haben wir immer darauf hingewiesen, daß man die Tätigkeit des Petitionsausschusses in seinen tatsächlichen Funktionen in diesem Hause nicht genügend beachtet hat. Das hat sich natürlich auch im Hinblick auf die Offentlichkeit ausgewirkt. Infolgedessen ist eine Vorstellung entstanden, als wenn vom Ombudsman .aus dies alles geändert werden könnte. Darin kann ich auch Frau Jacobi durchaus unterstützen, daß das falsche Vorstellungen sind.
Die Einführung eines zivilen Parlamentsbeauftragten zur Wahrung der Rechte des Bürgers, der in den skandinavischen Ländern unter dem Namen „Ombudsman" bekannt ist, wird auch von den Landtagspräsidenten nicht befürwortet. Die Landtagspräsidenten haben sich seit einiger Zeit sehr intensiv - auch durch Besuch der skandinavischen Länder, in denen es einen Ombudsman gibt - darüber informiert, und sie kommen zu der gleichen Auffassung, die der Petitionsausschuß schon seit längerer Zeit vertreten hat, daß durch einen Ombudsman die Frage für uns nicht gelöst ist.
In einem freiheitlichen Rechtsstaat - das müssen wir uns aber auch sagen - spielt das Verhältnis Bürger/Staat eine zunehmende Rolle. Die Beurteilung, die Bundestag und Länderparlamente heute in der Offentlichkeit erfahren, müssen unter diesem Gesichtspunkt gesehen werden. Ihre Einrichtungen des Petitionsausschusses bedeuten einen Rechtsschutz des einzelnen Bürgers für seine Rechte, die er gegenüber dem Staat hat, z. B. wo andere Rechtsbehelfe nicht mehr ausreichen, wie im Ermessensbereich der Verwaltung, bei verzögerten Verwaltungsentscheidungen, bei der Frage, ob die bestehenden Gesetzesbestimmungen entsprechend angewandt worden sind, oder aus einer Reihe anderer Gründe.
Die Funktion des skandinavischen Ombudsman - das sollten wir uns klarmachen - üben die Petitionsausschüsse der deutschen Parlamente, soweit ein Vergleich bei den verschiedenen Rechtssystemen der Bundesrepublik und der skandinavischen Länder möglich ist, heute bereits aus. Aber im Vergleich zum Ombudsman sind bei uns die Prüfungsmöglichkeiten der Petitionsausschüsse sowohl im Bundestag wie auch in den Länderparlamenten weFrau Wessel
sentlich geringer. Diese seit Jahren vom Petitionsausschuß des Bundestages beklagte Feststellung wird auch jetzt - das ist sehr interessant - von den Präsidenten der Länderparlamente als das Ergebnis ihrer Untersuchungen dargelegt. Sie sagen in ihren Empfehlungen z. B.:
Dem berechtigten Begehren nach Verbesserung des Rechtsschutzes ist nicht durch die Errichtung einer neuen Behörde, sondern durch wirkungsvollere Ausgestaltung des Petitionsverfahrens zu begegnen.
Die Kernfrage ist also, wie den Parlamenten bessere Entscheidungsgrundlagen zur Verfügung gestellt werden können, damit die Petitionsausschüsse die ihnen vom Parlament übertragenen Aufgaben entsprechend erfüllen können.
Dazu bieten sich verschiedene Möglichkeiten an. Eine davon ist - das hat Frau Jacobi auch bereits gesagt - die personelle Unterstützung der Petitionsausschüsse durch die Parlamentsverwaltungen. Meine Damen und Herren, ich spreche das jetzt sehr bewußt aus, und zwar aus Erfahrungen, die ich gemacht habe: in früheren Jahren war es nicht selten so, daß dem Petitionsbüro des Bundestages die Beamten und Angestellten zugewiesen wurden, die man sonst im Hause nicht gut unterbringen konnte. Daß dadurch die Arbeit des Petitionsausschusses nicht verbessert wurde, sei nur am Rande vermerkt. Es hat jahrelanger intensiver Bemühungen bedurft, um dieses Verfahren zu beseitigen. Heute kann man mit Ehrlichkeit nur sagen, daß das Petitionsbüro gut besetzt ist.
Eine andere Möglichkeit ist eine der Wichtigkeit der Aufgabe entsprechende Besetzung der Petitionsausschüsse durch die Abgeordneten. Ich habe von der Arbeit der Fraktionen aus gesehen durchaus Verständnis dafür, daß in den Petitionsausschuß die neu in den Bundestag kommenden Abgeordneten geschickt werden, um sich hier, wie man sagt, die Sporen zu verdienen. Dazu ist die vielseitige Arbeit eines Mitglieds des Petitionsausschusses durchaus geeignet, weil sie an Hand der Petitionen von den Abgeordneten verlangt, daß sie sich mit den entsprechenden Gesetzen intensiv beschäftigen. Mir ist wiederholt von Mitgliedern dieses Hohen Hauses gesagt worden, daß man überrascht sei, zu hören, wie sorgfältig die Petitionen von den Mitgliedern des Petitionsausschusses bearbeitet werden, und daß man demgegenüber den Eindruck habe, diese Arbeit der Mitglieder des Petitionsausschusses werde nicht genügend gewürdigt. Auch deswegen mache ich diese Ausführungen.
In der Praxis sieht es häufig folgendermaßen aus. Wenn man vier Jahre im Petitionsausschuß gesessen hat, sieht man sich im allgemeinen nach einem anderen Ausschuß um, bei dem die Arbeit des mitwirkenden Abgeordneten in der Öffentlichkeit mehr in Erscheinung tritt und über dessen Tätigkeit man auch im Plenum des Bundestages sprechen kann. Sie haben von der Frau Abgeordneten Jacobi soeben gehört, daß in den zweieinhalb Jahren, die wir in der 5. Sitzungsperiode in diesem Bundestag sitzen, vier Tätigkeitsberichte gegeben worden
sind. Die Mitglieder des Petitionsausschusses kommen also nicht einmal im Laufe einer Legislaturperiode alle an die Reihe, um einen solchen Tätigkeitsbericht im Plenum des Bundestages zu erstatten. Das spielt natürlich alles mit eine Rolle. Ich habe auch volles Verständnis dafür, wenn sich Kollegen um Mitarbeit in einem anderen Ausschuß bemühen; denn die Arbeit im Petitionsausschuß ist im wahrsten Sinne des Wortes Kleinarbeit, die ihren Lohn allein in dem Bewußtsein des Abgeordneten findet, nicht nur seine Pflicht getan zu haben, sondern, soweit es möglich ist, dem einzelnen Petenten seine Hilfe zuteil werden zu lassen.
Das alles sind aber Werte, die sich nur in kleiner Münze für den Abgeordneten im Petitionsausschuß auszahlen. Es gibt bei uns im Petitionsausschuß keine Besichtigungsfahrten oder sonstige Annehmlichkeiten, die andere Ausschüsse bieten. Ich glaube, das alles muß einmal ausgesprochen werden, um die Arbeit der Kolleginnen und Kollegen in diesem Ausschuß richtig zu werten und zu bewerten. Um so dankenswerter ist es demgegenüber, daß eine nicht kleine Zahl von Mitgliedern des Petitionsausschusses ihre durch langjährige Erfahrung bereicherte Arbeit durch eine Reihe von Sitzungsperioden hindurch dem Petitionsausschuß gegeben haben und heute noch geben. Gerade ihnen müssen wir jetzt durch Verbesserung des Petitionsverfahrens die Freude an der Arbeit - und damit die Möglichkeiten für den hilfesuchenden Petenten -stärken.
Mit den einzelnen Vorschlägen, die dem Hohen Hause zur Verbesserung der Arbeit des Petitionsausschusses gemacht werden und die Frau Kollegin Jacobi schon angesprochen hat, will ich mich heute nicht näher beschäftigen; das wird demnächst an Hand von entsprechenden Anträgen zu geschehen haben. Ich habe meine Ausführungen vor allem zur Unterstützung der diesbezüglichen Bemühungen der Vorsitzenden des Petitionsausschusses, Frau Jacobi, gemacht, aber auch aus der Erkenntnis, daß alle personellen und sachlichen Verbesserungen für den Petitionsausschuß, wenn sie wirksam werden sollen, der Unterstützung aller Fraktionen des Hohen Hauses bedürfen. Die Arbeit des Petitionsausschusses kann als die Visitenkarte des Verhältnisses des Staatsbürgers zu seinem Parlament angesehen werden, und deshalb sollten alle Abgeordneten ein Interesse daran haben.
({0})
Keine weiteren Wortmeldungen. Die Aussprache ist geschlossen.
Wer dem Antrag des Ausschusses zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Antrag ist angenommen.
Ich rufe, einer Vereinbarung im Ältestenrat folgend, die Punkte 5 bis 14 auf:
5. Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Protokoll vom 15. Mai 1967
Präsident D. Dr. Gerstenmaier
zur erneuten Verlängerung des Internationalen Weizen-Übereinkommens 1962
- Drucksache V/2837 Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ({0})
- Drucksache V/2995 -Berichterstatter: Abgeordneter Hölzle ({1})
6. Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Durchführungsgesetzes EWG-Getreide, Reis, Schweinefleisch, Eier und Geflügelfleisch sowie des Zuckergesetzes
- Drucksache V/2907 -
a) Bericht des Haushaltsausschusses ({2}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung
- Drucksache V/3049 - Berichterstatter: Abgeordneter Röhner
b) Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ({3})
- Drucksache V/2985 Berichterstatterin: Abgeordnete Frau Griesinger
({4})
7. Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten 'Bauknecht, Dr. Schmidt ({5}), Bauer ({6}) und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Durchführung der gemeinsamen Marktorganisationen für Milch und Milcherzeugnisse sowie für Rindfleisch ({7})
- Drucksache V/2937 Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ({8})
- Drucksache V/2992 Berichterstatter: Abgeordneter Wächter ({9})
8. Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung futtermittelrechtlicher Vorschriften
- Drucksache V/2850 Mündlicher Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ({10})
- Drucksache V/3060 Berichterstatter: Abgeordneter Müller ({11}) ({12})
9. Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ({13}) über den Entschließungsantrag der Fraktion der FDP zur Beratung des Berichts der Bundesregierung über die Lage der Landwirtschaft gemäß § 4 des Landwirtschaftsgesetzes und Maßnahmen der Bundesregierung gemäß Landwirtschaftsgesetz und EWG-Anpassungsgesetz
- Umdruck 364, Drucksachen V/2893, zu V/2893 Berichterstatter: Abgeordneter Blume
10. Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ({14}) über den Entschließungsantrag der Fraktion der FDP zur Beratung des Berichts der Bundesregierung über die Lage der Landwirtschaft gemäß § 4 des Landwirtschaftsgesetzes und Maßnahmen der Bundesregierung gemäß Landwirtschaftsgesetz und EWG-Anpassungsgesetz
- Umdruck 365, Drucksachen V/2894, zu V/2894 -Berichterstatter: Abgeordneter Blume in Verbindung damit
Bericht des Haushaltsausschusses ({15}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung
- Drucksache V/3048 - Berichterstatter: Abgeordneter Röhner
11. Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ({16}) über den Antrag der Fraktion der FDP
betr. Getreidepreisausgleich
- Drucksachen V/1968, V/2896, zu V/2896 - Berichterstatter: Abgeordneter Blume
12. Beratung des Antrags der Fraktion der FDP betr. Wegebauprogramm für ländliche Betriebe in Höhenlagen
- Drucksache V/2813 13. Erste Beratung des von den Abgeordneten Burgemeister, Dr. Siemer, Struve, Riedel ({17}), Wieninger und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung gebührenrechtlicher Vorschriften der Schlachtviehmärkte, Schlachthäuser und Fleischgroßmärkte
-Drucksache V/2957 14. Erste Beratung des von den Abgeordneten Burgemeister, Dr. Siemer, Wieninger und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Fleischbeschaugesetzes
- Drucksache V/2958 Deutscher Bundestag - 5. Wahlperiode - 182. Sitzung. Borin, Dienstag, den 25. Juni 1968 9849
Präsident D. Dr. Gerstenmaier
Außerdem rufe ich, nachdem das Haus einen entsprechenden Antrag des Herrn Abgeordneten Rasner zur Tagesordnung angenommen hat, als Punkt 14 a auf:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ({18}) über den Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/CSU zur Beratung des Berichts der Bundesregierung über die Lage der Landwirtschaft gemäß § 4 des Landwirtschaftsgesetzes und der Maßnahmen der Bundesregierung gemäß Landwirtschaftsgesetz und EWG-Anpassungsgesetz
- Umdruck 366, Drucksachen V/2540, V/2895 Nach der Vereinbarung soll diese Agrardebatte mit einer Erklärung des Herrn Bundesernährungsministers eröffnet werden. Das Wort hat der Herr Bundesernährungsminister.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Aussprache zu den Entschließungsanträgen, die im März dieses Jahres zur Beratung des Grünen Berichts vorgelegt wurden, gibt mir die willkommene Gelegenheit, noch vor den Parlamentsferien einige Ausführungen zur agrarpolitischen Lage zu machen.
Sie wissen, daß ich am 10. Juni im Kabinett den Entwurf eines Arbeitsprogramms für die Agrarpolitik der Bundesregierung vorgelegt habe. Die Bundesregierung hat dieses umfangreiche Konzept im Finanzkabinett und bereits einen Tag später im. Gesamtkabinett beraten. In der gestrigen Sondersitzung der Bundesregierung wurde das Programm in einer Punktation verabschiedet, die ich Ihnen am Schluß meiner Ausführungen im Wortlaut bekanntgeben werde.
Das Arbeitsprogramm enthält auch eine Antwort auf viele Fragen, die in den heute zur Debatte stehenden Entschließungsanträgen gestellt wurden. Ich behalte mir aber vor, im Verlauf der Debatte zu den einzelnen Problemen noch gesondert Stellung zu beziehen.
Die zügige Behandlung dieser umfangreichen Kabinettsvorlage, die die Grundlage für ein ganzes Bündel aufeinander abgestimmter Maßnahmen und Initiativen zur Verbesserung der wirtschaftlichen und sozialen Situation weiter Kreise unserer ländlichen Bevölkerung bietet, ist der Initiative des Herrn Bundeskanzlers zu verdanken. Er hat gestern durch die Einberufung des Bundeskabinetts zu einer Sondersitzung die Beschlußfassung der Bundesregierung über dieses Programm vor der heutigen Bundestagsdebatte ermöglicht und mich dadurch in die Lage versetzt, Ihnen heute die von der gesamten Bundesregierung einmütig vertretenen Grundsätze dieses Agrarprogramms vorzutragen.
Es liegt mir daran, Sie als erste von der Beschlußfassung der Bundesregierung zu unterrichten.
Lassen Sie mich jedoch zuvor eine Antwort auf die immer wieder gestellte Frage geben, warum sich die Bundesregierung nicht schon früher zu einer geschlossenen Fassung ihrer Agrarpolitik entschließen konnte.
Ich habe mein Amt als Landwirtschaftsminister im Herbst 1965 übernommen, zu einer Zeit also, in der sich die Gemeinschaft wegen der französischen „Politik des leeren Stuhls" in Brüssel in einer schweren Krise befand. Jeder, der die damals weit vorangeschrittene Integration unserer Landwirtschaft in die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft kennt, wird mir zugeben, daß die Entwicklung eines Agrarprogramms ohne Kenntnis über den Fortgang der Integration eine Gleichung hohen Grades mit vielen Unbekannten gewesen wäre. Die Luxemburger Beschlüsse zur Lösung der Krise haben diese Zurückhaltung und Vorsicht bestätigt.
Im darauffolgenden Jahr waren es die Zeichen einer zunehmenden wirtschaftlichen Rezession in der Bundesrepublik und die Unsicherheiten der konjunkturellen Entwicklung unserer Gesamtwirtschaft, die die Programmierung einer neuen Agrarpolitik unmöglich erscheinen ließen. Auch nach der Bildung der Regierung der Großen Koalition unter Bundeskanzler Kiesinger mußten zunächst alle verfügbaren Kräfte und Energien auf die Konsolidierung unserer Wirtschaft und auf die Stabilisierung des Haushalts konzentriert werden. Die heute sichtbaren und greifbaren Erfolge dieser Politik der Wiederherstellung des wirtschaftlichen Gleichgewichts, einer aufsteigenden Konjunktur, der finanziellen Stabilität und haushaltswirtschaftlichen Ordnung machten die Konzipierung eines Agrarprogramms möglich, das auf die unabdingbare und unentbehrliche Integration der Landwirtschaft in die arbeitsteilige Gesamtwirtschaft abstellen konnte.
Das Arbeitsprogramm zur Agrarpolitik hat in den letzten Tagen, nachdem Einzelheiten bei der bekannten Bonner Durchlässigkeit in der vergangenen Woche bekanntgeworden sind, in der Offentlichkeit ein für uns gleichermaßen überraschendes wie vielfach erfreulich positives Echo gefunden. Wegen der Ihnen allen bekannten, von den verschiedenen Zeitungen gegebenen Kommentare zum Programm kann ich mich hier und heute darauf beschränken, dem Hohen Hause die Grundzüge, Ziele und Schwerpunktmaßnahmen dieses Arbeitsprogramms in gebotener Kürze vorzutragen.
Die von uns in dem Programm empfohlene und vom Kabinett im Grundsatz gebilligte Therapie zur Gesundung der deutschen Landwirtschaft fußt auf einer Diagnose, die mit wissenschaftlicher Akribie alle bekannten Erkenntnisse der neuen agrarökonomischen Forschung des In- und Auslandes ausgewertet hat und die Situation der Landwirtschaft ohne jede Beschönigung, aber auch ohne Schwarzmalerei oder konformistische Spekulationen ,auf Ereignisse des letzten Jahres dargelegt. Die Analyse kommt dabei im wesentlichen zu dem Ergebnis, daß die deutsche Landwirtschaft nach dem Kriege die Möglichkeiten des technischen Fortschritts und einer wachsenden Aufnahmefähigkeit der Märkte geschickt genutzt und ihre Nahrungsmittelproduktion um mehr als 60 % gesteigert hat. Sie erfüllte damit ein wichtiges agrarpolitisches Ziel der ersten Nachkriegsjahre, nämlich die Sicherung der Nahrungs9850
versorgung einer um mehr .als 11 Millionen Vertriebene angewachsenen Bevölkerung auf verkleinertem Lebensraum.
({0})
Gleichzeitig mit dieser beachtlichen Erhöhung der Nahrungsmittelproduktion verringerte die deutsche Landwirtschaft durch steigenden Kapitaleinsatz ihren Arbeitskräftebestand um mehr als die Hälfte. Dadurch stieg die Arbeitsproduktivität je landwirtschaftliche Arbeitskraft von 1950/51 bis 1966/67 um rund 250 %. Das ist ein eindrucksvoller Rationalisierungserfolg, der die Leistungen vieler Industriezweige weit in den Schatten stellt.
Trotz dieser beispiellosen Erfolge, die in rückschauender Betrachtung zu den glänzendsten Kapiteln der Leistungsgeschichte der deutschen Landwirtschaft gehören, blieb der Masse der landwirtschaftlichen Betriebe ein Einkommen versagt, das sich mit der Einkommensentwicklung der gewerblichen Wirtschaft messen könnte. Es kommt hinzu, daß dieser wirtschaftliche und soziale Rückstand auf Grund besserer Kommunikations- und Vergleichsmöglichkeiten von der ländlichen Bevölkerung heute ungleich stärker als soziale Diskriminierung empfunden wird und zu einem Politikum ersten Ranges geworden ist, als dies noch vor zehn oder fünfzehn Jahren der Fall gewesen war.
Dieses Nachhinken der landwirtschaftlichen Einkommen ist das agrarpolitische Zentralproblem aller hochindustrialisierten Volkswirtschaften der westlichen Welt. Seine Ursachen beruhen vor allem in folgendem: Die Nachfrage nach Nahrungsmitteln steigt langsamer als das verfügbare Einkommen der Bevölkerung.
Die zunehmende Nutzung des technischen Fortschritts wirkt angebotssteigernd und damit preisdämpfend.
Die Mobilität der Produktionsfaktoren Arbeit und Boden ist auf Grund einer Reihe sozialökonomischer und psychologischer Tatbestände unzureichend, wodurch für die Mehrzahl der Betriebe eine optimale Kombination der Produktionsfaktoren außerordentlich erschwert, wenn nicht unmöglich gemacht wird.
Diese in allen vergleichbaren Wirtschaftssystemen auftretenden Probleme haben sich für die deutsche Landwirtschaft mit dem sich schließenden EWG-Markt rasch und entscheidend verschärft. Während die Nahrungsmittelproduktion der deutschen Landwirtschaft trotz der erwähnten Zuwachsraten unter Einsatz großer Mengen eingeführter Futtermittel heute erst rund 75 % des Nahrungsmittelbedarfs der westdeutschen Bevölkerung deckt, hat die Produktion der Gemeinschaft bei allen wichtigen Erzeugnissen bereits die Grenzen der Selbstversorgung erreicht oder gar schon überschritten.
Die Situation ist um so prekärer, als die Agrarländer der Gemeinschaft noch über beachtliche Produktionsreserven verfügen. Diese Länder haben Fortschritte bei der gemeinsamen Agrarpolitik innerhalb der EWG immer wieder zum Prüfstein für ihre Zustimmung zum europäischen Einigungswerk gemacht, weil ihnen an einer möglichst raschen Öffnung des deutschen Verbrauchermarktes für Nahrungsmittel, des zweitgrößten in der Welt, für ihre Agrarüberschüsse und an einer Entlastung ihres nationalen Agrarhaushalts durch die gemeinsame Agrarfinanzierung in besonderem Maße gelegen war. Das Ergebnis ist ein ständiges Anwachsen des Marktdruckes, ein Ansteigen der finanziellen Belastung der Bundesrepublik als des größten Beitragszahlers zum EWG-Agrarfonds und ein wachsender politischer Druck auf die Agrarpreise, also eine Entwicklung, die in krassem Widerspruch steht zum Steigen der landwirtschaftlichen Betriebsmittelpreise und der landwirtschaftlichen Löhne.
({1})
Aus all diesen Gründen blicken unsere Landwirte mit Recht besorgt in die Zukunft, zumal das laufende Wirtschaftsjahr zusätzlich eine Senkung der Getreidepreise um 12 bis 15 %, die nicht voll ausgeglichen werden konnte, eine drastische Kürzung der Anpassungshilfen sowie außergewöhnliche Preiseinbrüche bei einer Reihe von Agrarprodukten gebracht hat, die aus dem Zusammentreffen eines zyklischen Überangebots mit einer konjunkturbedingten niedrigeren Nachfrage resultieren.
Der Analyse der ökonomischen und sozialen Situation folgt eine verbindliche Formulierung der Ziele unserer Agrarpolitik, und dabei gilt es, einen vernünftigen Kompromiß zu finden zwischen den Forderungen der Landwirte nach möglichst hohem Einkommen und einem angemessenen Sozialstatus, dem berechtigten Wunsch der Verbraucher nach einer preisgünstigen Versorgung mit Nahrungsmitteln sowie der volkswirtschaftlichen Notwendigkeit der Aufrechterhaltung eines angemessenen Außenhandels als Voraussetzung für ein gesundes Wirtschaftswachstum und damit als entscheidende Rückwirkung auf die Absatzmöglichkeiten der Landwirtschaft.
Zur Verwirklichung dieser Ziele sieht die Bundesregierung folgende Schwerpunktmaßnahmen vor:
a) Zur Preispolitik. Die vor allem unter einkommenspolitischen Gesichtspunkten getroffenen Preisbeschlüsse der Gemeinschaft waren bei einigen wichtigen Erzeugnissen nicht in der Lage, ein Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage herzustellen. Insbesondere bei Zucker und Milch sind strukturelle Überschüsse entstanden, die nur mit steigenden finanziellen Aufwendungen auf den Märkten innerhalb und außerhalb der Gemeinschaft untergebracht werden können. Obwohl der politische Druck in Richtung auf eine Senkung dieser Preise ständig wächst, wird die Bundesregierung bei den bevorstehenden Brüsseler Verhandlungen mit Rücksicht auf die wirtschaftliche Situation der Landwirtschaft mit Nachdruck für die Beibehaltung der derzeitigen Preisverhältnisse bei Milch und Zucker eintreten.
({2})
Andererseits muß klar ausgesprochen werden, daß bei den Waren mit strukturellen Überschüssen die Grenzen der Preispolitik eindeutig erreicht sind. Zur Eindämmung der wachsenden Kosten der Finanzierung dieser Überschüsse, die allein mehr als die Hälfte des gesamten Agrarfondsvolumens bean-
spruchten, ist die preispolitische Abstinenz bei Überschußproduktion eine sowohl altrar- wie auch finanzpolitische Notwendigkeit. Eine Anhebung dieser Preise bei diesen Waren ist erst dann wieder möglich, wenn die steigende Nachfrage in das Angebotsvolumen hineingewachsen ist.
Darüber hinaus müssen bei diesen Produkten Maßnahmen getroffen werden, die von der Erzeugung her Angebot und Nachfrage unter Berücksichtigung des Außenhandels und der leider sehr beschränkten Möglichkeiten der Entlastung über Nahrungsmittelhilfen in ein besseres Gleichgewicht bringen. Bei allen übrigen Agrarprodukten werden wir in Brüssel Preisanhebungen zur Kostenanpassung in dem Maße befürworten, wie die Entwicklung der Nachfrage und des Außenhandels es zuläßt.
b) Zur Marktpolitik. Auf dem gemeinsamen europäischen Markt mit seiner zunehmenden Sättigung des Bedarfs ist nicht mehr das Produzieren, sondern das Verkaufen landwirtschaftlicher Erzeugnisse das Problem Nr. 1. Hierbei gerät die deutsche Landwirtschaft zunehmend in einen harten Wettbewerb mit ihren EWG-Partnern, die als traditionelle Agrarexportländer zum Teil bereits seit langem über schlagkräftige Absatzorganisationen verfügen. Die Entwicklung einer offensiven Marktstrategie ist deshalb ein Gebot der Selbsterhaltung unserer Landwirtschaft. Die Bundesregierung wird hier durch die Bereitstellung von Mitteln und durch ein Bündel koordinierter marktpolitischer Maßnahmen einem modernen Marketing auch in der deutschen Landwirtschaft zum Durchbruch verhelfen. Daneben werden verstärkt die bewährten Maßnahmen zur Verbesserung der Marktstruktur fortgesetzt.
In diesem Zusammenhang hat mich das Bundeskabinett - unserem Vorschlag entsprechend - ermächtigt, mit den Ländern und Spitzenorganisationen der Land- und Ernährungswirtschaft sowie des Außenhandels Verhandlungen über die Errichtung einer land-, forst- und ernährungswirtschaftlichen Vermarktungsförderungsgesellschaft auf privatrechtlicher, also beweglicher Basis zu führen.
Kernstück des Agrarprogramms ist schon in Hinblick auf die uns verbliebenen Kompetenzen die Strukturpolitik, eine Strukturpolitik freilich, die sich nicht in sektoralen, d. h. agrarstrukturpolitischen Initiativen allein erschöpft, sondern den Durchbruch zu einer regionalen Gesamtentwicklung ländlicher Gebiete wagt. Voraussetzung zur Lösung der Agrarfragen ist angesichts der bei uns herrschenden Betriebsgrößenstruktur, vor allem in Problemgebieten, die Synchronisierung energie-, verkehrs-, bildungs- und wirtschaftspolitischer Maßnahmen im Rahmen umfassender Regionalprogramme, in die sich dann die klassischen Maßnahmen zur Verbesserung der Agrar- und Betriebsstruktur wie Flurbereinigung, wasserwirtschaftliche Maßnahmen, Investitionshilfen usw. harmonisch einzufügen haben. Mit Hilfe derartiger Programme, die wir zur Zeit in einigen enger begrenzten Regionen, in Rheinland-Pfalz, in Bayern und - wie wir planen - im Küstengebiet, testen, hoffen wir, den teilweise oder ganz aus der Landwirtschaft ausscheidenden Menschen in ihren Wohngebieten berufliche Alternativen und vielseitige Möglichkeiten für eine landwirtschaftliche Erwerbs-, Berufs- und Einkommenskombination zu bieten. Derartige Kombinationen sind bei der in Mitteleuropa vorherrschenden Agrar- und Betriebsstruktur voraussichtlich für die nahe, aber auch für die weitere Zukunft das geeignete Mittel, um sowohl die Sozial- und Einkommenslage der ländlichen Bevölkerung nachhaltig zu verbessern als auch die erwünschte Mobilität von Arbeitskräften und Boden für die Herausbildung gesunder Vollbauernbetriebe im Familienbesitz zu aktivieren.
Dieser strukturelle Entwicklungsprozeß wird durch strukturfördernde Sozialmaßnahmen wie Ausbildungs- und Umschulungsbeihilfen für Landwirte, Zuschüsse zum Aufbau einer außer- oder nebenlandwirtschaftlichen Existenz und vorzeitige Rentenzahlungen oder Prämie an ältere Landwirte, die ihren Betrieb freiwillig aufgeben möchten, wirksam unterstützt werden.
Eine derartige Infrastrukturpolitik auf dem Lande ist mit agrarpolitischen Mitteln allein weder einzuleiten noch zu verwirklichen. Sie ist einerseits in einem höheren Maße von einer prosperierenden Wirtschaft abhängig, als allgemein angenommen wird. Andererseits aber setzt sie eine vertrauensvolle Kooperation aller beteiligten Bundes- wie Länderressorts voraus.
Wie vordringlich die Bundesregierung ihre regionalpolitischen Initiativen in den ländlichen Gebieten einschätzt, zeigt die gestern beschlossene Bildung eines eigenen Kabinettsausschusses für dieses agrarpolitische Arbeitsprogramm, dem der Bundeskanzler vorsitzen wird und der die Aufgabe hat, bei der wirtschaftlichen Erschließung ländlicher Räume eine enge Zusammenarbeit der beteiligten Ressorts herzustellen.
Neben diesen bedeutsamen neuen Initiativen im Strukturbereich werden die bisher bewährten Maßnahmen der Investitions-, Struktur- und Sozialpolitik sowohl auf dem Gebiet der Altersversorgung, der Regelung der Krankenversorgung und der Unfallversicherung im Agrarbereich - wenn auch mit gewissen Akzentverschiebungen, die das Agrarprogramm geboten erscheinen läßt - fortgesetzt werden.
Die agrarprogrammatischen Vorstellungen der Bundesregierung wären unvollkommen, würden sie nicht die Forst- und die Fischwirtschaft einbeziehen. Es ist bekannt, daß diese beiden Bereiche schon seit geraumer Zeit mit erheblichen wirtschaftlichen Schwierigkeiten zu kämpfen haben.
In der Forstwirtschaft hat sich seit mehr als einem Jahrzehnt das Verhältnis von Ertrag und Aufwand ständig verschlechtert. Konkurrenzprodukte haben in lohnenden Bereichen ständig an Bedeutung zugenommen. Infolge einer recht hohen Arbeitsintensität schlagen die ständigen Steigerungen der Kosten menschlicher Arbeitskraft stark zu Buche. Diese Lage ist besonders durch die Windbruchkatastrophen des Jahres 1967 verdeutlicht worden. Hinzu kommt, daß sich die Forstwirtschaft
mit ihrer extrem langen Produktionsperiode noch langsamer als die Landwirtschaft an ,die Erfordernisse ,des Marktes anzupassen vermag. Auch die erheblichen Strukturmängel des Waldbesitzes mit Besitzzersplitterung und unzureichender Erschließung trägt zur defizitären Lage bei. Eine gesunde Forstwirtschaft liegt jedoch nicht nur im Interesse der Waldbeisitzer, sondern infolge der Schutz- und Sozialfunktionen des Waldes - ich denke hier an Klima, Wasserhaushalt, Gesunderhaltung von Boden und Luft - im Interesse der Gesundheit und des Erholungsbedürfnisses der gesamten Bevölkerung.
Aus diesen Gründen ist es notwendig, Maßnahmen zu ergreifen, die die Produktivität und Rentabilität der Forstwirtschaft wieder verbessern, den Holzverbrauch steigern und den Wald gesund erhalten. Daher wird die Kooperation von Waldbesitzern ebenso gefördert werden, wie die Bundesregierung Hilfe zur Steigerung des Absatzes und der Erschließung neuer Verwendungsgebiete gewähren will. Gerade die Sturmschäden mit ihren außerordentlichen Nutzungen haben die Aufmerksamkeit darauf gelenkt, daß es notwendig ist, außerordentliche Holznutzungen infolge höherer Gewalt auszugleichen.
Schließlich sollen durch ein allgemeines Waldgesetz Rahmenvorschriften für die Erhaltung, für die Bewirtschaftung, die Pflege und den Schutz des Waldes geschaffen sowie Bestimmungen über die Öffnung des Waldes für die Bevölkerung mit dem notwendigen Ausgleich privater und öffentlicher Belange und Interessen gefunden werden.
Die deutsche Fischwirtschaft befindet sich infolge tiefgreifender Veränderungen sowohl der Fangbedingungen als auch der Absatzstruktur und der Verbrauchsgewohnheiten in einem strukturellen Umstellungs- und Anpassungsprozeß. Dabei muß Klarheit darüber herrschen, daß wir nach wie vor auf ausreichende Importe auch in der Zukunft angewiesen bleiben. Die Bundesregierung wird daher die bisherigen Abwrackhilfen ebenso fortsetzen wie die Neubau- und Modernisierungsdarlehen. Die Hilfen für Neubauprogramme werden vor allem von der kleinen Hochseefischerei und der Küstenfischerei benutzt werden können. Die Bundesregierung wird auch hier wie auf allen anderen Gebieten den Trend zur Selbsthilfe durch Zusammenschlüsse der fischwirtschaftlichen Unternehmen in jeder Form, insbesondere in der der Erzeugergemeinschaften, fördern.
Eine staatliche Aufgabe, die von der Fischerei selbst nicht in ausreichendem Maße erfüllt werden kann, die für sie jedoch von entscheidender Bedeutung ist, ist das Auffinden unbekannter Fischvorkommen. Auch hier wird die Bundesregierung noch aktiver werden.
Eine entscheidende Voraussetzung für die Sanierung der Fischwirtschaft ist eine Koordinierung der vier Küstenländer. Ein erstes Gespräch hat bereits stattgefunden.
Gestatten Sie mir zum Abschluß noch einige Bemerkungen, denen ich für die Beurteilung unseres Programms eine gewisse Bedeutung zumesse.
Unser agrarpolitisches Arbeitsprogramm und die aus ihm sich ergebenden Maßnahmen beschränken sich nicht nur auf eine landwirtschaftliche Betriebsgruppe, z. B. die Vollerwerbsbetriebe. Wir sind vielmehr der Überzeugung, daß eine verantwortungsvolle Politik alle Bereiche des ländlichen Lebens erfassen muß,
({3})
wenn die Landbevölkerung wirtschaftlich, sozial und kulturell in die arbeitsteilige, dynamisch sich weiter entwickelnde moderne industrielle Gesellschaft unserer Zeit integriert werden soll. Das Agrarprogramm will vor allem den Inhabern landwirtschaftlicher Betriebe mit unzureichender Existenzgrundlage - und diese Betriebe nehmen heute noch rund 80 % der landwirtschaftlichen Nutzfläche des Bundesgebietes ein; dasselbe gilt für die EWG mit Ausnahme vielleicht von Frankreich - neue und vielseitige Möglichkeiten und berufliche Alternativen eröffnen. Gerade für diese Betriebsgruppen gibt es die verschiedensten Formen der überbetrieblichen Kooperation, die die Betriebsinhaber von dem Joch ausschließlicher Arbeit im landwirtschaftlichen Kleinbetrieb entlasten und Zeit für eine berufliche Tätigkeit neben oder außerhalb der Landwirtschaft oder für die verschiedensten Funktionen, die es heute im ländlichen Raum, vor allem im Dienstleistungsbereich gibt, freisetzen.
Die heute erst in den Anfängen erkennbaren Ansätze in dieser Richtung eröffnen einen Ausblick auf zukunftsträchtige und krisensichere Berufs- und Einkommenskombinationen, die in besonders fortschrittlichen Ländern der westlichen Welt bereits zu einem festen Bestandteil der ländlichen Gesellschaft gehören und auch in der Bundesrepublik in weiten Gebieten die Lösung des Agrarproblems ohne Zerstörung der politisch erwünschten breiten Vermögensstreuung erwarten lassen.
Mit allem Nachdruck muß die Behauptung zurückgewiesen werden, die zu vernehmen war, daß diese Konzeption Hunderttausende von Kleinbetrieben zum Aufhören und zum Einstellen bringen will. Genau das Gegenteil ist der Fall. Zum einen wird nach unserer Lebens- und Wirtschaftsordnung niemand in der Gestaltung seines beruflichen Lebens einem Zwang ausgesetzt. Das ganze Programm ist vielmehr darauf abgestellt, den Betrieben, die aus den verschiedensten Gründen nicht über eine ausreichende Ertragskraft verfügen, um ein nachhaltiges Familieneinkommen allein aus der Landwirtschaft zu erzielen - dieselben Verhältnisse finden wir im gewerblichen Sektor -, zusätzliche Möglichkeiten zu eröffnen, unter Beibehaltung ihrer Landbewirtschaftung ein kombiniertes Einkommen zu erzielen.
({4})
Das Arbeitsprogramm enthält keinerlei Patentlösungen. Es ist das Ergebnis einer kritischen Bewertung und Auswertung aller verfügbaren und erreichbaren Untersuchungen und Überlegungen, nicht zuletzt der in diesem Hohen Hause eingebrachten Gesetzentwürfe, Entschließungen und Ihrer Beiträge zu Agrardebatten. Vielleicht beruht die überraschende Tatsache, daß das Programm in seinen
Grundzügen sowohl von liberalen als auch von berufsständischen Kommentatoren relativ wohlwollend beurteilt wurde, wesentlich auf dieser umfassenden Material- und Gedankenauswertung.
Wir haben ganz bewußt auf den Versuch einer Quantifizierung unserer agrarpolitischen Zielvorstellungen verzichtet, weil wir der Meinung sind, daß wir in einer freiheitlichen Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung mit weltweiter Außenhandelsverflechtung weder die sich im dynamischen Wirtschaftsablauf ständig ändernden Datenkonstellationen exakt vorausberechnen können noch das lückenlose wirtschaftspolitische Instrumentarium zu einer Wirtschaftslenkung nach vorgezeichnetem Drehbuch besitzen.
Nachdem die Bundesregierung geschlossen hinter den Grundsätzen dieser Arbeit steht und auch in der Offentlichkeit das Programm eine durchaus positive Wertung erfahren hat, darf ich nun das Hohe Haus sehr herzlich einladen, die sich aus dem Programm ergebenden Richtlinien, Gesetzentwürfe und Initiativen, die wir Ihnen so schnell wie möglich zur Entscheidung zuleiten werden, mit der bekannten Gründlichkeit zu prüfen und uns Ihre aktive Mitarbeit und Unterstützung bei der Kodifizierung unserer Vorhaben nicht zu versagen. Ich bin zu jeder Diskussion zu jeder Zeit bereit, weil von der raschen Realisierung der im Programm enthaltenen Grundsätze angesichts der wachsenden und berechtigten Sorgen unserer Landbevölkerung alles abhängt.
Die Bundesregierung hat die unter schwierigsten Bedingungen und in besonders feierlicher Form zugesagten Leistungen aus dem EWG-Anpassungsgesetz angesichts der drückenden Finanznot der vergangenen Jahre zunächst zurückstellen und dann durch das Finanzänderungsgesetz aufheben müssen. Es handelt sich dabei um einen Eingriff anläßlich der integrationspolitisch, also europapolitisch bedingten Herabsetzung der Getreidepreise durch den Beschluß im Jahre 1964. Die Bundesregierung wird deshalb mit Zustimmung des Hohen Hauses die in § 2 der ursprünglichen Fassung des EWG-Anpassungsgesetzes zugesagten Leistungen für die deutsche Landwirtschaft alsbald zu erfüllen trachten.
Dieser Bericht, meine Damen und Herren, wäre nicht vollständig, wenn er nicht zu der finanziellen Seite Stellung nähme. Ich verrate kein Geheimnis, wenn ich Ihnen sage, daß bei den Kabinettsberatungen die finanzielle Komponente einen breiten Raum eingenommen hat. Es war die einmütige Auffassung des Kabinetts, daß durch dieses Arbeitsprogramm keine Erwartungen begründet werden dürfen, die sich im Rahmen der nach wie vor sehr beengten finanziellen Möglichkeiten nicht erfüllen lassen und die dann zu neuen, sicher noch schwereren Enttäuschungen führen müßten. Die Lösungen, die gefunden werden und die sich in den einzelnen Haushalten und den Ansätzen der mehrjährigen Finanzplanung niederschlagen müssen, sind vorsichtig und deshalb realistisch. Es ist möglich, mit der Verwirklichung dieses Programms zu beginnen.
Ich darf Ihnen nunmehr den Kabinettsbeschluß vom 24. Juni in seinen Einzelheiten mitteilen:
1. Die Grundzüge des Agrarprogramms für die Agrarpolitik der Bundesregierung werden gebilligt. Zeitpunkt und Umfang der Durchführung werden nach Maßgabe der mehrjährigen Finanzplanung bestimmt.
({5})
2. Die Bundesregierung wird den gesetzgebenden Körperschaften Vorschläge für die Umgestaltung der künftigen Agrarhaushalte machen, deren Ziel es ist, die in § 2 des EWG-Anpassungsgesetzes zugesagten und bestimmten Leistungen für die deutsche Landwirtschaft zu erfüllen.
3. Die Bundesregierung verpflichtet ihre Vertreter im Ministerrat der Europäischen Gemeinschaften, bei den kommenden Verhandlungen zur Regelung der EWG-Agrarfinanzierung nur einem Beschluß zuzustimmen, der den Beitragsschlüssel der Bundesrepublik verbessert und der die Überschüsse erzeugenden Mitgliedstaaten stärker als bisher zur Finanzierung der gemeinsamen Agrarpolitik heranzieht.
({6})
4. Der Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten wird beauftragt, mit den Ländern und Spitzenorganisationen der Land-, Forst- und Ernährungswirtschaft sowie des Außenhandels Verhandlungen über die Errichtung einer land-, forst5. und ernährungswirtschaftlichen Vermarktungsförderungsgesellschaft zu führen.
6. Unter dem Vorsitz des Herrn Bundeskanzlers wird ein Kabinettsausschuß für dieses Agrarprogramm gebildet, dem folgende Bundesminister angehören: der Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, die Bundesminister für Wirtschaft, für Verkehr, des Innern, für Arbeit und Sozialordnung, für Wohnungswesen und Städtebau, der Finanzen und der Bundesschatzminister.
7. Der Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten wird beauftragt, dem Kabinett den Entwurf einer Novelle des Grundstücksverkehrsgesetzes vorzulegen mit dem Ziel, auch Nichtlandwirten den Erwerb von landwirtschaftlich genutzten Flächen zu erleichtern.
8. Der Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten wird beauftragt, im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte und dem Bundesminister der Finanzen dem Kabinett den Entwurf gesetzlicher Regelungen vorzulegen, die die Verwendung des bei der Deutschen Siedlungs- und Landesrentenbank bestehenden Zweckvermögens auch für die Maßnahmen zur Verbesserung der Agrarstruktur ermöglichen.
8. Der Bundesminister für Wohnungswesen und Städtebau wird beauftragt, in die vorgesehene Novelle zum Bundesbaugesetz Regelungen aufzunehmen, die die Bebauung in Außenbereichen ländlicher Räume erleichtern.
9. Der Bundesminister der Finanzen wird beauftragt, die steuerlichen Voraussetzungen dafür zu schaffen, daß neue kooperative landwirtschaftliche Unternehmensformen wie landwirtschaftliche Betriebe behandelt werden. Entsprechendes gilt für Zu9854
sammenschlüsse forst- und fischereiwirtschaftlicher Betriebe.
10. Der Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten wird beauftragt, dem Kabinett die zur Förderung der Forst- und Holzwirtschaft notwendigen Gesetzentwürfe vorzulegen, und zwar ein Gesetz über die Bildung forstwirtschaftlicher Erzeugergemeinschaften, ein Gesetz über die gesetzlichen Handelsklassen bei Rohholz, ein Gesetz zum Ausgleich außerordentlicher Holznutzungen infolge höherer Gewalt und ein Gesetz über die Erhaltung und Förderung des Waldes.
In Wirklichkeit, meine sehr verehrten Damen und Herren, steht hinter diesem mannigfaltigen vordergründigen Phänomen - um ein Wort des Altmeisters der Agrarpolitik Professor Niehaus zu gebrauchen - ein Ausschnitt aus dem von menschlichem Gefühl und menschlichem Geist gesteuerten Kulturprozeß, der ständig neue Überzeugungen, neue Dinge und neue technische Erfahrungen bringt. Der Grad der Spannungen wird besonders groß - so Niehaus -, wenn der starke Druck dieser bewegenden Kräfte auf eine besondere Trägheit der Strukturen stößt. Das erleben wir heute, wo die in einer langen Geschichte geformte privatwirtschaftliche Grundeigentumsstruktur, in der wir einen besonderen Wert erblicken, dem mächtigen Impuls der technischen Revolution und der städtischen Zivilisation ausgesetzt ist. Im Rahmen dieser städtischen Zivilisation sind es besonders die utilitaristischen egalitären Wünsche, die zum Leitbild der modernen Massengesellschaft geworden sind und die die Auffassungen von sozialer Gerechtigkeit bestimmen.
Die Mitarbeit zum Ausgleich dieser Spannungen auf diesem Feld ist das eigentliche Anliegen dieses Entwurfs; eine Einladung an Sie alle, an den möglichen Lösungen mitzuarbeiten!
({7})
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Bauknecht.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte zunächst einmal den vielleicht möglichen Eindruck verwischen, als ob es sich bei der Erklärung des Herrn Bundesernährungsministers nun wirklich um ein neues, um ein völlig neues Agrarprogramm handle. Ich habe vielmehr den Eindruck, daß es sich um eine konsequente Fortentwicklung unserer bisherigen Agrarpolitik handelt, ausgerichtet auf die neuen Gegebenheiten der Entwicklung der Technik, die die logische Folge sind und die immer wieder zu neuen Maßnahmen drängen. Das möchte ich einmal festgestellt haben, weil sonst vielleicht der Eindruck entsteht, daß man mit diesem neuen Agrarprogramm die Rettung der Landwirtschaft vollzogen habe. Das soll aber, meine Damen und Herren, in keiner Weise die Tatsache abschwächen, daß sich die Bundesregierung aufgerafft und dieses neue Programm vorgelegt hat. Im Gegenteil. Wir begrüßen diese Tatsache. Aber maßgebend dabei ist natürlich auch, sehr verehrter Herr Bundesernährungsminister, welche Möglichkeit Ihr Kollege hat, der im Augenblick zu Ihrer Rechten sitzt; denn das wird weitgehend entscheidend dafür sein, ob die Vorlagen, die .die Bundesregierung machen wird und die unabänderlich notwendig sind, auch mit Leben erfüllt werden können.
Zunächst möchte ich sagen, daß Sie, Herr Bundesernährungsminister, immerhin Ihre Zusage wahrgemacht haben. Sie haben am 13. März bei der Grünen Debatte hier im Hause erklärt, Sie seien willens, ein umfassendes Agrarprogramm vorzulegen. Zweitens haben Sie damals erklärt, Ihr Haus sei willens, das Unrecht, das der Landwirtschaft dadurch angetan wurde, daß man ihr diese Kürzungen im EWG-Anpassungsgesetz die ganzen Jahre zumuten wollte, wiedergutzumachen. Wenn sich die Dinge so fortsetzen, daß sich Ihre Willenserklärungen und Ihre Zusagen erfüllen, haben wir einige Hoffnung, daß wir die Dinge eines schönen Tages wieder ins rechte Lot bringen.
Meine Damen und Herren, ich will jetzt keinen Überblick über die Lage der Landwirtschaft geben. Ich habe das am 13. März getan. Ich darf nur feststellen, daß sich in diesen paar Monaten keinerlei Anzeichen dafür bemerkbar gemacht haben, daß sich die Lage zu bessern beginnt. Damals mußten wir feststellen, daß das Einkommen ,aus der Tätigkeit in der Landwirtschaft gegenüber dem Einkommen aus der gewerblichen Tätigkeit relativ zurückgeblieben ist, was bisher nicht geändert werden konnte. Nun ja, dazwischen lag eine kurze Zeitspanne. Wir sehen aber, daß sich die Einkommensverhältnisse in anderen Wirtschaftsgruppen, gefördert durch den Herrn Bundeswirtschaftsminister, zu bessern beginnen durch neue Erhöhungen der Löhne und Gehälter, während die Landwirtschaft absolut auf ihrem Tiefstand zu verharren gezwungen ist. Unsere große Befürchtung ist, daß sich der Einkommensabstand gegenüber den jetzigen Verhältnissen durch diese Entwicklung noch vergrößern wird. Das ist es, was uns große Sorgen macht. Damit geraten alle jene Zehntausende von Betrieben, die bisher noch ein leidlich wünschenswertes oder einigermaßen adäquates Einkommen aus der Bewirtschaftung ihrer Betriebe erzielen konnten, in neue große Schwierigkeiten. Ich sage, Zehntausende von Betrieben kommen neu in große Schwierigkeiten.
Meine Damen und Herren, die leidige Sache ist eben, daß es für die größte Anzahl dieser Betriebe keine Alternative gibt. Das heißt mit anderen Worten, sie haben wenig oder keine Möglichkeit, sich durch Zuerwerb das zu beschaffen, was sie eigentlich haben müßten, um einigermaßen mit den anderen gleichzuziehen, weil es dort keine Industrie gibt, weil keine Zuerwerbsmöglichkeiten vorhanden sind und weil sie auch nicht in den Nebenerwerb gehen können, es sei denn, sie reisen jeden Tag Dutzende von Kilometern.
Meine Damen und Herren, mir scheint es, wenn man hier eine Wendung vollziehen will, notwendig zu sein, daß man zu ähnlichen Entscheidungen bereit ist, wie wir sie beispielsweise im Berlinhilfegesetz treffen, wo wr aus nationalen Gründen die Freiheit
West-Berlins erhalten wollen und bereit sind, sehr großzügig hohe Abschreibungen für diejenigen Unternehmen zuzulassen, die dort Investitionen durchführen. Sie kennen alle die Zahlen, in den ersten drei Jahren 75 %. Wenn es ein Anliegen der deutschen Volkswirtschaft ist, daß ländliche Gebiete nicht entvölkert werden, wird man wohl oder übel zu ähnlichen Anreizen schreiten müssen. Sonst geht eben keine Industrie in diese entlegenen und armen Höhengebiete.
Ein Weiteres. Die Lage der Landwirtschaft wurde - das ist unbestritten - durch den Eintritt der Bundesrepublik in die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft wesentlich verschärft. Das ist Ihnen alles geläufig; es ist müßig, darüber viel zu reden. Aber, meine Damen und Herren, die Marktsitutation, die jetzt eingetreten ist, scheint sich überhaupt nicht zu bessern. Dadurch, daß man durch die Rationalisierung der einzelnen Betriebe auszuweichen versucht und billiger produzieren will, produziert man eben immer noch mehr Erzeugnisse der verschiedensten Art, und dadurch wird die Überschußsituation immer schwieriger. Das muß festgestellt werden.
Das rührt aber auch daher, daß die Agrarwirtschaft bereit war, den ersten Schritt zur Realisierung der EWG zu tun, lange vor dem Zeitpunkt, den der Römische Vertrag vorgesehen hatte. Warum hat man das getan? Das hat man getan auf Drängen der französischen Landwirtschaft und der deutschen Industrie; denn diese beiden sind die ersten, die großen Nutzen aus der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft ziehen. Ich wage zu behaupten, es ist denkbar, daß die EWG, wenn es nicht gelungen wäre, den Agrarmarkt vorzeitig zu realisieren, geplatzt wäre und wir einen hohen politischen Schaden in Europa in der Frage der Integration Europas hätten hinnehmen müssen. Hier hat die deutsche Landwirtschaft vorab große Opfer gebracht, die man auch in künftigen Entscheidungen honorieren müßte.
({0})
Meine Damen und Herren, die vorzeitige Senkung des Getreidepreises wurde durch das Versprechen des EWG-Anpassungsgesetzes herbeigeführt. Ich muß noch einmal sagen, Herr Bundesernährungsminister, es ist dringend notwendig, daß Sie ab dem Jahre 1969 diese uns vorenthaltenen 260 Millionen DM vier Jahre lang in den Haushalt einstellen und daß Sie mit diesen 260 Millionen DM gerade jene Positionen wieder auffüllen, die durch die Streichung dieses Betrages ausgehöhlt worden sind. Ich denke hier in allererster Linie an das sozialpolitische Gebiet, an die Unfallversicherung, wo bislang Kürzungen vorgesehen waren, und an die Altershilfe. Das deckt sich auch mit unseren Auffassungen, die wir in dem Entschließungsantrag der CDU/CSU niedergelegt haben, der Ihnen vorliegt.
Es ist eine Sache der Bundesregierung, daß sie sich diese Dinge nicht allzu teuer von den anderen Ländern abkaufen läßt. Ich höre mit Befriedigung, daß die Bundesregierung bemüht ist, ihren Prozentsatz, den sie nach Brüssel zu zahlen hat, zu senken, aber nur dann, Herr Bundesernährungs- und Herr Bundesfinanzminister, wenn dadurch unserer heimisehen Landwirtschaft nicht etwa Schaden entsteht. Sie haben sonst im Grund völlig recht: diejenigen Länder, die diese Überschüsse herbeigeführt haben, sollen dafür sorgen, daß ihre Uberschußbewältigung mit eigenen Mitteln finanziert wird. Es ist ein völliges Unding, wenn in erster Linie die Bundesrepublk für die Uberschußsituation der anderen verantwortlich gemacht wird.
Es ist aber so, wenn man diese Überschußsituation bewältigen will, halte ich es für das untauglichste Mittel, wenn man etwa den Versuch macht, wie es teilweise auch von Wissenschaftlern vorgeschlagen wurde, die Preise einfach zu senken. Was würde dabei entstehen? Die Betroffenen würden versuchen, das, was sie am einzelnen Stück verlieren, eben über eine höhere Produktionsmenge wieder hereinzubekommen. Das würde eine Zeitlang andauern, dann käme es unweigerlich zu totalen Preiszusammenbrüchen und damit zu Existenzverlusten dieser Betriebe. Ich warne vor solchen Vorhaben.
Meine Damen und Herren, in den vergangenen Jahren wurden mit hohen öffentlichen Mitteln viele Investitionen für die tierische Veredelungsproduktion gemacht. Das Geld steckt heute drin. Genauso kann man bei der Verbeserung der Agrarstruktur die Mittel, die da hineingesteckt wurden, nicht verlorengehen lassen und die Leute, die sich in Schulden gestürzt haben, weil sie eben das gemacht haben, was man Ihnen anempfohlen hatte, nicht einfach ihrem Schicksal überlassen. Ich möchte bei dieser Gelegenheit aber auch noch darauf hinweisen, daß man, wenn diese Investitionen in einer Richtung erfolgt sind, die Produktion nicht wieder von heute auf morgen umstellen kann. Man kann nicht Ställe hinstellen und Verhältnisse schaffen, wo man heute Schweine, morgen Hühner und übermorgen Kuhmilch erzeugt. Das geht nicht. Da diese Tatsachen da sind, müssen wir ihnen auch Rechnung tragen.
Meine Damen und Herren, eine andere Frage: Wie kommt man von den strukturellen Überschüssen auf die Dauer weg? Ich glaube, hierzu sind sicherlich eine Reihe von Maßnahmen notwendig. Ich will auf den Milchsektor jetzt nicht eingehen, weil einige meiner Kollegen zu diesen und auch noch zu anderen Fragen Stellung nehmen wollen. Aber ich wollte nur sagen, Herr Bundesernährungsminister, wir haben hier ein gutes Beispiel, wie man solchen strukturellen Überschüssen begegnen könnte, nämlich durch die Regelung, die bei der Zuckermarktordnung getroffen wurde. Man muß sich sicher auf die Dauer etwas Ähnliches bei der Milch einfallen lassen, indem man eine bestimmte Preisgarantie für bestimmte Produktionsmengen gibt, und wer mehr produzieren will, muß sich zusammen mit den öffentlichen Mitteln an dieser Vermarktung beteiligen. Den gleichen Schritt haben beispielsweise die Schweiz und auch Norwegen bereits getan.
Weniger gefährlich erscheint mir die Beseitigung der Weichweizenüberschüsse. Hier hat die Bundesregierung das Mittel, wenn sie darauf hinwirkt, daß die Kommission bzw. der Ministerrat beschließt, daß die Futtergetreidepreise, also die Preise für
Mais und Gerste, möglichst eng, möglichst nahe an den Weichweizenpreis herangezogen werden. Dann werden die Bauern dazu animiert - vor allen Dingen in Frankreich -, nicht Weichweizenüberschüsse zu erzeugen, sondern die fehlenden Futtergetreidemengen.
Eine andere Frage ist es, inwieweit es möglich ist, überhaupt den Preis des Weichweizens wieder anzuheben. Meines Erachtens ist das durchaus möglich, ohne daß der Verbraucher einen Schaden erleidet. Denn wir haben festgestellt, daß durch die Herabsetzung der Brotgetreidepreise sich verhältnismäßig wenig oder gar nichts bei den Getreideerzeugnissen getan hat, etwa eine Preisherabsetzung. Im Gegenteil, manche sind gestiegen. Man sollte also das, glaube ich, verkraften können. Daher, Herr Bundesernährungsminister, haben wir in unserer Entschließung niedergelegt, daß die Bundesregierung ersucht wird, bei den nächsten Preisverhandlungen für Getreide, wo Getreidepreise für das Jahr 1969 festgestellt werden, alles zu tun, daß das frühere deutsche Preisniveau wieder erreicht wird.
Lassen Sie mich noch zu einem Problem ganz kurz Stellung nehmen. Sie kennen alle die Schwierigkeiten der tierischen Veredlungsproduktion, wo neuerdings sehr viele auch im gewerblichen Sektor sich mit der Produktion von Schweinen und Hühnern befassen. Sie wissen, daß dieses Haus von uns einen Gesetzentwurf erhalten hat, dem der Ernährungsausschuß zugestimmt hatte, der aus rechtlichen Gründen beim Rechtsausschuß schlummert, weil er angeblich verfassungswidrig ist. Hier haben wir den Wunsch, die Bitte und die Forderung an die Bundesregierung, daß sie in dieser Frage einer Schaffung einer Präferenz für die bäuerliche Veredlung nun in Brüssel initiativ wird. Herr Bundesernährungsminister, ich habe mit einiger Befriedigung folgendes feststellen können. Sie haben mir vor wenigen Tagen einen Brief zugeleitet, worin Sie mir Ihre Bemühungen in Brüssel eingehend dargestellt haben und worin Sie mir berichten konnten, daß Sie nach langen Bemühungen, nach langen Diskussionen es so weit gebracht haben, daß die anderen Partnerländer wenigstens Verständnis für das deutsche Anliegen haben und daß alle auf unsere Linie einzuschwenken bereit sind, mit Ausnahme von Belgien, das noch zögert. Wenn dem so ist, müßte es auch möglich sein, daß die hartgesottene Kommission sich bekehrt. Das ist eine ganz wichtige Sache zur Erhaltung der bäuerlichen Veredlungsproduktion.
Zur Agrarstruktur will ich nicht Stellung nehmen; dazu wird noch einer meiner Kollegen sprechen. Aber zu der Frage, die Sie jetzt in Ihrem neuen Programm der Kooperation angeschnitten haben, kann ich nur sagen, daß man dem, der es machen will oder der es machen zu können glaubt, nicht widersprechen soll; .das sollen die Leute auf eigene Faust tun. Wir müssen hier vorsichtig sein, damit nicht eines schönen Tages Entwicklungen entstehen, die zur Vorstufe von Kolchosen führen. Wir wissen, daß diese Leute das vielleicht nicht von vornherein beabsichtigen. Ich habe kürzlich einmal eine solche französische Kooperation studiert. Da ist mir aufgefallen, daß dort bestimmt ist: Wer einmal seinen Grund und Boden eingebracht hat, kann ihn niemals wieder zurückerhalten; er kann höchstens mit Geld abgelöst werden. Also in dieser Sache vorsichtig.
Hinsichtlich einer Auflockerung des Grundstücksverkehrsgesetzes möchte ich sagen, daß hier die Verhältnisse unterschiedlicher Natur sind. Ich könnte mir nicht denken, daß Sie etwas Gutes täten, wenn Sie das in meinem Heimatland BadenWürttemberg verlangten. Wir wissen ganz bestimmt, daß, wenn hier eine Auflockerung erfolgt, kein Landwirt mehr Grund und Boden zur Aufstockung erwerben kann, sondern daß alles in die Hände von Leuten gerät, die über große finanzielle Mittel verfügen. Ich möchte also vor dieser Sache warnen.
({1})
Zur Frage der Agrarstrukturverbesserung darf ich darauf hinweisen - ich glaube, mein Kollege Bewerunge wird noch eingehend darüber berichten -, daß der von so vielen verkannte, manchmal als einseitiger Initiator von höheren Preisen hingestellte Deutsche Bauernverband vor wenigen Tagen Leitlinien zur Verbesserung der Agrarstruktur vorgelegt hat. Ich glaube, Herr Bundesernährungsminister, Sie können über diese Vorschläge nur froh sein und sie durchaus bejahen, denn sie decken sich praktisch mit ihren Auffassungen. Ich möchte aber vor der irrigen Auffassung warnen, daß die Agrarfragen auf dem Wege über eine bessere Gestaltung der Agrarstruktur allein zu lösen wären. Neue Untersuchungen in den beiden nördlichen Bundesländern Schleswig-Holstein und Niedersachsen haben ergeben, daß dort die Verschuldung wesentlich höher ist als in anderen Bundesländern, obwohl die Agrarstruktur in diesen beiden Ländern unverhältnismäßig günstiger ist. Man hat festgestellt, daß in Niedersachsen mehr als die Hälfte der Betriebe mit 50 und mehr ha jedes Jahr einen Vermögensschwund hinnehmen müssen. Damit ist klar erwiesen, daß die Frage der Betriebsgröße nicht allein entscheidend für die Verbesserung der Verhältnisse in der Landwirtschaft sein kann.
Lassen Sie mich noch eine zweite Bemerkung dazu machen. Mein Ernährungsausschuß hat vor wenigen Tagen den Gesetzentwurf, den unsere Kollegen von der SPD-Fraktion eingebracht haben, nach langer und gründlicher Beratung in zweiter Lesung verabschiedet. Wir begrüßen die Bildung von Erzeugergemeinschaften. Aber Erscheinungen auf dem Markt, die wir dauernd beobachten müssen, beweisen, daß die Bildung von Erzeugergemeinschaften und Zusammenfassungen, von Vermarktungseinrichtungen zum Zustandebringen eines Angebots einheitlicher Qualitätsware eben nicht allein imstande ist, das Mengenproblem zu lösen. Dafür zwei schlagende Beweise! Einmal waren die Vermarktungseinrichtungen für Äpfel im Herbst vergangenen Jahres nicht imstande, Preiszusammenbrüche zu verhindern, obwohl es sich hier nur um beste Ware gehandelt hat. Zum anderen werden mir die Herren von der Pfalz bestätigen, daß es gerade in diesen Tagen trotz des einheitlichen, standardisierten Angebots und trotz des Vorhandenseins von Erzeugergemeinschaften nicht möglich
war, die Preise für Frühkartoffeln einigermaßen zu halten; sie sind total zusammengebrochen. Hier haben Sie also den schlagenden Beweis dafür, daß solche Einrichtungen nur eines der Mittel sind, um den Markt zu verbessern, aber nicht das ausschließliche. Man muß also die Menge in den Griff bekommen. Die Möglichkeiten hierfür habe ich angedeutet.
Herr Bundesernährungsminister, ich begrüße es, daß Sie auch die Holzwirtschaft und die Fischwirtschaft mit einbezogen haben. Wer die Verhältnisse auf diesen beiden Gebieten kennt, der muß ja dazu sagen, daß sie mit in das Programm aufgenommen worden sind.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich jetzt mit der Bemerkung schließen, daß es sich bei dem Strukturwandel der Landwirtschaft um etwas Ähnliches handelt wie bei dem Strukturwandel bei der Kohle. Herr Bundesfinanzminister, Sie haben heute vormittag in meiner Fraktion verkündet, daß Sie für das Jahr 1967 mit 248 Millionen DM, für das Jahr 1968 mit 400 Millionen DM, für die folgenden zwei Jahre mit jährlich 600 Millionen DM und für das dritte Jahr darauf mit 800 Millionen DM mehr Ausgaben bei der Kohleanpassung rechnen müssen, als Sie vorher eingeplant hatten. Ich bitte daher, einmal eine Parallele zu ziehen und, wenn es heute für die Landwirtschaft genauso drückend ist, zu einer besseren Struktur zu kommen, das zu bedenken und nicht etwa einseitige Entscheidungen zu treffen. Diese Tatsachen zu negieren, käme dem Aufladen einer Schuld gleich, die im Hinblick auf die fernere Entwicklung unseres Vaterlandes nie mehr wiedergutgemacht werden könnte.
({2})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Schmidt ({0}).
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bundesminister Höcherl hat soeben das mittelfristige Agrarprogramm der Bundesregierung dem Deutschen Bundestag vorgelegt, nachdem erst in den gestrigen Abendstunden in der Kabinettsitzung Übereinstimmung in den Grundzügen erzielt worden ist. Nun heißt es in der soeben gehörten, von der Bundesregierung modifizierten Fassung, daß ein Kabinettsausschuß unter Vorsitz des Herrn Bundeskanzlers gebildet wird, der ein Agrarprogramm ausarbeiten soll. Ich ziehe daraus die Schlußfolgerung, daß das vom Bundesernährungsminister vorgelegte Programm eben nur ein erster Entwurf ist und daß er zwar in den Grundzügen gebilligt ist, daß aber seine endgültige Fassung und Formgebung nach Beratungen in einem besonderen Kabinett erfolgt. Das finde ich gut; denn ein solches Programm sollte in aller Ruhe und Gründlichkeit erarbeitet werden.
({0})
Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion hat in den letzten Jahrein wiederholt eine neue konzeptionelle Fassung der deutschen Agrarpolitik gefordert. In der letzten Agrardebatte am 13. März dieses Jahres habe ich einen agrarpolitischen Aktionskatalog auf mittelfristige Sicht gefordert. Ich habe damals konkrete Anregungen gegeben mit der Einschränkung, daß dieses Bündel von Maßnahmen zwar nicht die Situation der Landwirtschaft mit einem Schlag verbessern könne, daß aber die entscheidenden Probleme der Agrarpolitik jetzt endlich angepackt werden müßten. Ich nannte dabei unter anderem folgende Punkte: schnellste Verabschiedung des von der SPD im Frühjahr 1967 eingebrachten Marktstrukturgesetzes; sofortige intensive Beratung des neuen Gesetzentwurfs zur Verbesserung der Agrarstruktur, der das vorzeitige Ausscheiden aus der landwirtschaftlichen Produktion gezielt fördern soll; Durchforstung aller bisherigen agrarpolitischen Förderungsmaßnahmen, vor allem hinsichtlich ihrer Effektivität; Haushaltsneugestaltung, um die Agrar- und Marktstrukturtitel mittelfristig festlegen zu können. Alle EWG-bedingten Zahlungen, die eine ordentliche Haushaltsführung im Agrarbereich einfach nicht mehr zuließen, müßten in einem gesonderten EWG-Haushalt zusammengefaßt werden.
Bundesminister Höcherl griff damals die harte Kritik an der agrarpolitischen Lethargie der Bundesregierung auf. Er kündete am gleichen Abend ein mittelfristiges Agrarprogramm an. Besonders dem Herrn Bundeskanzler gebührt das Verdienst, daß er diese Ankündigung seines Agrarministers immer wieder in den Vordergrund rückte, so daß in angemessener Zeit dieses Programm erstellt werden mußte. Wie gesagt, das Bundeskabinett hat in seiner gestrigen Sitzung diesen Programmentwurf in seinen Grundzügen gebilligt. - Soweit die Geschichte dieses Programms.
Bevor ich jedoch zu einer sachlichen Beurteilung dieses Entwurfs komme, muß ich etwas zu den Methoden sagen, mit denen dieser Entwurf noch vor jeder Kabinettsentscheidung und jeder Auseinandersetzung im Kabinett in die Offentlichkeit gelangt ist.
({1})
- Meine Herren von der FDP, beruhigen Sie sich. Es geht doch um die Sache, es geht darum, eine Grundlage für eine neue, eine rationale Agrarpolitik zu erarbeiten. Die Sache in parteipolitische Polemik kommen zu lassen und damit in Mißkredit zu bringen und zu gefährden, ist leichtfertig, ist nach meiner Auffassung verantwortungslos. Mögen persönliche Rivalitäten dahinterstehen, mögen auch Startlöcher für den Wahlkampf des nächsten Jahres für nötig gehalten werden, mag auch ein Bewältigen der agrarpolitischen Vergangenheit erforderlich sein, - die Sache darf in keinem Falle gefährdet werden.
({2})
In dieser neuen Bundesregierung der Großen Koalition ist ein ganz wesentlicher Fortschritt dadurch erreicht worden, daß im vorigen Jahr im Zuge der Sanierung der öffentlichen Finanzen die mittelfristige Finanzplanung durchgesetzt wurde. Das bedeutet zwar, daß diese Finanzplanung ständig überprüft, fortgeschrieben und verändert werden
Dr. Schmidt ({3})
kann, bedeutet aber auch, daß die finanziellen Ressortforderungen zuallererst im Kabinettsausschuß für mittelfristige Finanzplanung vorgetragen und dort abgestimmt werden müßten. Was ist statt dessen geschehen? Im politisch-taktischen, vielleicht sogar im demagogischen Balanceakt wurden Zeitungsmeldungen wie „Höcherl setzt das EWG-Anpassungsgesetz wieder durch" lanciert. So waren die Meldungen. Auch das alles hat der Sache nicht gedient. Ich weiß wirklich nicht, meine Damen und Herren, welches die Beweggründe für diese nach meiner Ansicht doch in den ersten Tagen verfehlte Informationspolitik im großen ganzen und im einzelnen gewesen sind. Jedenfalls, wenn hier versucht werden sollte, das Kabinett oder die Fraktionen des Bundestages oder die Verbände unter Druck zu setzen, so muß ich das für mich und meine Parteifreunde mit aller Schärfe ablehnen.
Doch nun zur sachlichen Auseinandersetzung mit diesem Agrarprogrammentwurf! Ich muß zunächst feststellen, daß ich für meine Fraktion lediglich eine Erklärung abgeben kann, daß aber die Auseinandersetzung mit dem Programm im einzelnen, mit seinen Auswirkungen und mit seiner endgültigen Ausgestaltung die agrarpolitische Diskussion der nächsten Monate beherrschen wird, ja beherrschen muß.
Ich habe bereits eingangs gesagt, daß meine Freunde und ich in diesem Programmentwurf eine ganze Reihe alter Bekannter wiederfinden. Wir treffen unser Marktstrukturgesetz als Voraussetzung für eine Verbesserung der Vermarktung über Erzeugergemeinschaften an, wir treffen auch unser erstes Agrarstrukturgesetz in dem Rahmen des Kapitels Strukturpolitik wieder an. Nun, das eine Gesetz, das Marktstrukturgesetz, ist - das hat der Kollege Bauknecht soeben ausgeführt - nach einer langen, langen Wartezeit und nach qualvollen Beratungen in der letzten Woche in der zweiten Lesung zum Abschluß gebracht worden. Ich hoffe, daß wir es Anfang Herbst im Bundestag verabschieden können. Im Herbst werden wir aber noch die anderen Vorlagen beraten müssen und, meine Koalitionspartner und meine Herren von der FDP, das in Eile. Eile ist in der Tat geboten.
Dann werden wir uns auch mit dem Vorschlag im Höcherl-Entwurf auseinanderzusetzen haben, eine land- und ernährungswirtschaftliche Vermarktungsförderungsgesellschaft zu gründen. Diese Gesellschaft soll holländische und französische Einrichtungen bei uns ersetzen. Ich möchte von vornherein sagen, Herr Bundesminister, daß wir über die Form derartiger Einrichtungen und auch über deren Aufgaben uns noch eingehend - ich betone: eingehend - unterhalten müssen; denn das, was in Ihrem ersten Entwurf über diese Gesellschaft steht, kann uns nicht beruhigen und stellt auch die Aufgaben und die Zielsetzung nicht klar.
Was die anderen Forderungen betrifft, z. B. den Haushalt zu durchforsten, Prioritäten zu setzen, die einzelnen Aufgabenbereiche finanziell in mittelfristiger Sicht festzulegen, ferner die zukünftige Gestaltung der Investitionshilfen, der Aussiedlung, die besondere Bedeutung der Regionalpolitik usw.
usf., so sind das doch alles von uns und von meinen Freunden in diesem Bundestag immer wieder erhobene Forderungen. Man könnte fast scheu werden vor soviel Umarmung. Dann muß einfach die kritische Frage aufkommen, welche Absichten sonst noch mit diesem Programm verbunden sind. Wenn ich einerseits die Verbindung zu dem sehe, was bisher von uns gefordert worden ist, muß ich andererseits auch ,den Vergleich ziehen zu .dem, was die Fraktion der CDU/CSU in den letzten agrarpolitischen Beiträgen geliefert hat. Ich darf noch einmal an das Berliner Papier vom 5. März dieses Jahres erinnern, so beschlossen in Gegenwart des Bundeskanzlers und verschiedener Minister. Soeben haben wir vernommen, daß der Entschließungsantrag Umdruck 366, auch behandelt in der Drucksache V/2895, heute hier zur Entscheidung gestellt werden soll. Ich sage Ihnen, dazu werden wir gesondert Stellung nehmen. Die in dem besagten Papier bezeichnete Politik mußte scheitern. Sie erhält mit dem soeben vorgelegten Programmentwurf, so scheint es mir, in vielen Teilen den Todesstoß.. Ich habe Verständnis dafür, ,daß .der Kollege Bauknecht sich aus den früheren Jahren nicht herauslösen kann; aber daß das notwendig ist, das hat der Bundesminister Höcherl heute noch einmal klar und deutlich betont. „Es wurde nichts versprochen, was Sie nicht glaubten halten zu können. Aber es wurde doch viel guter Wille und Entgegenkommen gezeigt." Meine Damen und Herren, dieses Zitat entnehme ich aus .der Rede von Präsident Rehwinkel auf der Mitgliederversammlung des Deutschen Bauernverbandes am 17. Juni dieses Jahres, abgedruckt in der „Deutschen Bauernkorrespondenz", über ,das Gespräch des Deutschen Bauernverbandes mit der Fraktion der SPD. Sehen Sie, hier werden eben die gravierenden Unterschiede zwischen den Parteien und Fraktionen sichtbar.
Nun, ich sagte schon: wir haben viel Schönes und Gutes gelesen und gehört. Aber das Ganze ist doch nur dann zu realisieren, wenn die entsprechenden Mittel bereitgestellt werden. Ich erinnere mich an die stürmischen Beratungen des Ernährungsausschusses über den besagten Entschließungsantrag Umdruck 366. Da haben wir zwei Minister anhören müssen, und beide haben sagen müssen, daß das eben nur im Rahmen der mittelfristigen Finanzplanung im Einzelplan 10 zu verkraften sei. Wenn ich das ursprüngliche Finanzpapier dieses Programmentwurfs noch in Erinnerung habe, so waren dort ungefähr Mehrausgaben von über 4 Milliarden DM in den nächsten vier Jahren vorgesehen. Das Kabinett hat ,das Gott sei Dank gestern schon auf das richtige Maß zurückgeführt, und auch der Bundesernährungsminister - das muß ich ausdrücklich betonen und begrüßen - hat erklärt, daß das ganze Programm überhaupt nur im Rahmen der mittelfristigen Finanzplanung behandelt werden kann. Ich brauche daher nicht den Bundesfinanzminister aufzufordern, das hier und heute noch einmal zu erklären; das hat sein Kollege bereits getan. Aber, meine Damen und Herren, um Ihnen das ganz deutlich zu sagen: wir wissen auch, daß die Mittel sehr, sehr begrenzt sind, ,d. h. daß wir ,aus diesem Bündel von Vorschlägen natürlich die heraussuchen müssen, die
Dr. Schmidt ({4})
entweder wenig Geld kosten oder die am vordringlichsten sind. Wir müssen also Prioritäten setzen. Meine Fraktion hat in zwei Gesetzentwürfen bereits angedeutet, welche Maßnahmen wir in den Vordergrund gestellt wissen wollen.
Genauso euphorisch, Herr Bundesminister, wie die ersten Äußerungen zur finanzwirtschaftlichen Seite des Programms waren, so euphorisch sieht auch nach unserer Auffassung die Sicht im Hinblick auf die Änderung des Beitragsschlüssels für Brüssel aus. So wünschenswert es wäre, diesen Schlüssel zugunsten der Bundesrepublik zu ändern, so unrealistisch sind diese Forderung und dieser Programmpunkt.
({5})
Wir stehen im Herbst und im nächsten Jahr vor allen Dingen in den Beratungen über eine neue EWG-Agrarfinanzierung. Wir müssen größtes Gewicht darauf legen, daß die Bundesregierung dabei mit ganz präzisen Vorstellungen in die Verhandlungen geht und die Verhandlungen mit größter Klugheit führt, damit wir dabei für uns auch den größten Nutzen ziehen.
Im sozialen Teil des Programms haben wir, Herr Bundesminister, einen sachlichen Gegensatz. Sosehr wir die Erhöhung des Altershilfegeldes von 150 DM auf 175 DM begrüßen, soweit Mittel dafür vorhanden sind, sosehr wir die Beibehaltung der Zuschüsse für die Unfallversicherung begrüßen, muß ich Ihnen sagen, daß für uns die Einführung der Krankenversicherungspflicht nicht annehmbar ist. Wir stehen auf dem Standpunkt, daß allein die Einführung der Pflichtkrankenversicherung die richtige Lösung ist. Notfalls werden wir im Herbst dazu eine Initiative ergreifen.
Meine Damen und Herren, ich komme schon zum Schluß. Wir stellen fest, daß um dieses Programm bisher sehr viel Aufwand getrieben worden ist. Wir haben neue Erfahrungen gesammelt. Die Lage der Landwirtschaft scheint uns zu ernst zu sein, als daß man mit leichtfertigen Posaunenstößen unerfüllbare Hoffnungen neu erwecken sollte. Der erste Entwurf, den wir vor einigen Tagen gesehen haben, mußte in dieser Form im ersten Ritt steckenbleiben. Es scheint uns ein unglücklicher Husarenritt gewesen zu sein. Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion fordert daher die Bundesregierung auf, in Abstimmung mit allen Ressorts für eine ordnungsgemäße und schnelle Verabschiedung des Entwurfs zu sorgen, damit der Offentlichkeit und der Landwirtschaft der Wille der Regierung der Großen Koalition zu zielgerechter und gemeinsamer Agrarpolitik verdeutlicht wird.
({6})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Ertl.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte mich zunächst beim Herrn Minister bedanken, ,daß er auf meine Bitte hin - allerdings als ich schon beinahe drohen mußte, eine Presseerklärung abzugeben - mir ein Exemplar seines Entwurfs vorgelegt hat. Wir hätten es begrüßt, wenn alle Kollegen des Ernährungsausschusses rechtzeitig über die Planungen informiert worden wären. Aber wir sehen ja auch, daß der kreißende Berg nur ein Mäuschen geboren hat; denn das Kabinett hat ja vielmodifiziert, und das, was wir heute hörten, ist ja schon eine große Variante in Minusform zu der ursprünglichen Konzeption. Das sei vorweg gesagt. Nachdem ich mir die beiden Beiträge der Koalitionspartner dieser Regierung angehört habe, bin ich auf die Beratungen im Ausschuß sehr gespannt. Die werden ja sehr interessant werden. Da wird es in der Agrarpolitik sicherlich viele wechselnde Mehrheiten geben, denn offensichtlich ist die Koalition in dieser Frage nicht einer Meinung. Das soll gar kein Vorwurf sein; es ist eine Selbstverständlichkeit und darf ruhig so sein. Es soll ja auch im Kabinett so gewesen sein, wenn man all das glauben darf, was man in den letzten Tagen so gehört hat und lesen konnte.
({0})
- Frau Kalinke möchte offensichtlich in die Diskussion mit eingreifen. Ich freue mich darauf. Wir werden dann über die Krankenversicherungspflicht mit Ihnen diskutieren. Aber das sei nur so vorweg bemerkt.
Für mich war sehr interessant der KoalitionsLeberhaken von Schmidt ({1}) im jetzigen Zeitpunkt. Der war deutlich vernehmbar, und ich nehme an, daß er beim Bundesernährungsminister auch punktweise zu spüren sein wird. Es gibt hier offensichtlich über den Weg dieser Agrarpolitik doch schon ganz, ganz große Differenzen in der Koalition. Der Kollege Bauknecht hat nun noch den Versuch gemacht, das als alte Agrarpolitik zu erklären, allerdings mit einem zusätzlichen Punkt, nämlich plus Preispolitik. Dieser Punkt ist allerdings in der Regierungserklärung nicht drin, Herr Kollege Bauknecht, und ich bin nun neugierig, wie Sie diese Frage - ({2})
- Na, wir werden uns ja darüber unterhalten, Herr Kollege Bauer. Sie brauchen sich gar nicht so aufzuregen. Auch ich habe hier bei meinen Unterlagen Ihren Entschließungsantrag, und ich weiß doch sehr genau, wie ,der Kollege Schmidt ({3})
- ich muß ihn dafür sehr loben - in weiser Vorausschau sagte: Dieser Entschließungsantrag ist ein beispielhaftes CDU-Wahlkampfpapier für Baden-Württemberg.
({4})
Das war es, und mehr war es noch nie. Der Zweck ist aber nicht erreicht worden, denn trotzdem hat es mit der absoluten Mehrheit nicht geklappt, weil man nämlich langsam gemerkt hat, daß man mit dieser Art und mit dieser Methode auf die Dauer an der Nase herumgeführt wird. Das hier ist das einzige, was aus dem Entschließungsantrag noch übriggeblieben ist, denn er hat sicherlich nicht in die Überlegungen .des Kabinetts und auch noch nicht einmal in die Überlegungen des Ministers Eingang gefunden.
Es stellte sich alles - das darf ich hier noch einmal sagen - das heraus, was Schmidt ({5}) soeben kritisch bemerkt hat - das muß ich unterstreichen -, daß nämlich sowohl der Finanzminister als auch der Ernährungsminister gesagt hat: Für die Vorhaben dieses Antrages gibt es kein Geld, das ist gar nicht da. Das muß ich allerdings sagen, meine Herren von der größten Fraktion dieses Hauses, das können Sie auf die Dauer nicht machen, wenn Sie draußen nicht die Glaubwürdigkeit des Parlaments in einen permanenten Zweifel ziehen wollen.
({6})
- Ich bin gar nicht nervös. Ich wollte Ihnen das nur einmal ins Stammbuch schreiben, meine sehr verehrten Herren, weil das auch ein Stückchen parlamentarischer Verhaltensweise darstellt. Ich kann nur sagen, wenn wir uns das zu der Zeit, wo wir noch im Kabinett beteiligt waren und den Finanzminister gestellt haben, erlaubt hätten, was wäre da alles mit uns passiert!
({7})
- Gott sei Dank. Wir sind sogar wieder im Aufstieg, wie Sie feststellen, Herr Kollege Möller, in einem ganz beachtlichen Aufstieg, was Ihnen offensichtlich Sorge bereitet. Aber dafür können wir nichts.
Aber diese Erklärung hier hat ja eine eigene Feder. Ich würde sagen, man merkt den Wechsel des Ghostwriters im Bundesernährungsministerium. Und nicht umsonst ist der neue Staatssekretär ins Wirtschaftsministerium gekommen. Dessen Feder ist offensichtlich hier in den Schriftzügen sehr kräftig zu sehen. Das ist sicherlich eine sehr konsequente Feder. Was dabei allerdings von der bisherigen Agrarpolitik übrigbleibt, ist sehr zweifelhaft. Das sollte man auch offen sagen.
Und weil wir schon dabei sind, noch einmal zu der bisherigen Agrarpolitik! Ich habe den Bericht des Haushaltsausschusses vor mir. Dort steht folgendes
Die für die Haushaltsjahre von 1969 an für den Bundeshaushalt eintretenden Mehrbelastungen aus dem CDU-Antrag sind bisher in der mittelfristigen Finanzplanung nicht berücksichtigt.
Ich frage Sie, meine sehr verehrten Kollegen: Werden Sie dafür sorgen, daß das in der mittelfristigen Finanzplanung berücksichtigt wird?
({8})
- Dann werden wir Sie beim Wort nehmen, Herr Kollege Bauknecht; wir werden sehen, was Sie davon erfüllen können.
({9})
- Wir werden uns zu gegebener Zeit darüber unterhalten.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Herr Abgeordneter Ertl?
Bitte sehr!
Herr Kollege Ertl, Sie haben soeben den Beschluß des Haushaltsausschusses zitiert. Wären Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, daß diese Vorlage vom Haushaltsausschuß lediglich nach § 96 der Geschäftsordnung zu behandeln war? Das heißt, der Haushaltsausschuß hatte lediglich festzustellen, inwieweit im Haushaltsjahr 1968 Mittel wirksam werden bzw. inwieweit sie im Rahmen der mittelfristigen Finanzplanung für die kommenden Jahre zu berücksichtigen sind. Sind Sie ferner bereit, zur Kenntnis zu nehmen, daß der diesbezügliche Beschluß des Haushaltsausschusses dem vollkommen Rechnung trägt, also auch für die Zukunft keine Möglichkeiten versperrt?
({0})
Ich werde beide Fragen zusammen beantworten.
Noch eine Zwischenfrage.
Herr Kollege Ertl, ist Ihnen bekannt, daß die CDU-Fraktion im Haushaltsausschuß nicht bereit war, die Gelder für den eigenen Antrag bereitzustellen?
Mir persönlich ist das sehr wohl bekannt. Deshalb erübrigt sich eine Antwort auf die Frage. des Kollegen Röhner. Die Mitglieder des Haushaltsausschusses sind sich selber darüber im klaren, daß sie mit diesem Antrag im Rahmen der mittelfristigen Finanzplanung nichts anfangen können.
Gestatten Sie noch eine Zwischenfrage von Herrn Röhner?
Würden Sie zur Kenntnis nehmen, Herr Kollege Ertl, daß es bei der Behandlung dieser Vorlage nach § 96 der Geschäftsordnung nicht darum ging, Mittel bereitzustellen, sondern darüber zu befinden, ob für die Vorhaben im Haushalt 1968 Mittel gebraucht werden und ob diese vorhanden sind, außerdem ob sie 1969 gebraucht werden und ob sie dafür bereits eingeplant sind? Sind Sie mit mir der Meinung, daß das eine Sache ist, die jeder Parlamentarier selbstverständlich wissen sollte?
Das weiß ich, Herr Kollege Röhner. Ich bedanke mich für Ihre letzte Erläuterung; denn damit haben Sie bestätigt, daß Sie, die CDU- und CSU-Abgeordneten, heute mit einen Beschluß darüber gefaßt haben, daß im Rahmen der mittelfristigen Finanzplanung für diesen Antragszweck
im Jahre 1969 keine neuen Mittel zur Verfügung gestellt werden?
({0})
- Herr Präsident Bauknecht, wir freuen uns sehr; Sie werden bei uns immer Unterstützung finden, wenn Sie Gutes tun. An uns soll es nicht liegen!
({1})
Aber wir werden dafür sorgen, daß Ihre Versprechungen nicht nur Versprechungen bleiben, oder wir werden sie als Versprechungen ohne klare Absicht der Öffentlichkeit bekanntgeben.
({2})
- Ja, aus gemachter Erfahrung und aus Antworten. Hier sitzt Herr Staatssekretär Leicht. Er hat im Ernährungsausschuß wiederholt gesagt: Wir haben kein Geld!
({3})
Aus Erfahrungen wird man klug. Wir lassen uns gern überraschen, und wir sind neugierig auf die Fortschreibung der mittelfristigen Finanzplanung. Zur gegebenen Zeit sprechen wir darüber.
({4})
- Ja, der Wahlkampfzweck ist nicht ganz erfüllt.
Die Agrarpolitik war bisher auf drei Säulen aufgebaut: auf dem Landwirtschaftsgesetz, auf den EWG-Marktordnungen und auf dem Vollzug der Römischen Verträge, wobei heute noch einmal festgestellt werden darf, daß nach Art. 40 der Römischen Verträge durchaus verschiedene Wege hätten beschritten werden können: gemeinsame Wettbewerbsregeln, koordinierte nationale Marktordnungen, europäische Marktordnungen.
Man hat sich damals immer wieder zum Weg der gemeinsamen europäischen Marktordnungen entschlossen. Heute muß man die Bilanz ziehen - wie es der Herr Bundesminister mit Recht getan hat -, daß dabei eben die Berücksichtigung der Überschußprobleme unserer Partnerländer im Vordergrund steht. Das brachte die Schwierigkeiten.
Lange Zeit wurde diese Vorleistung unsererseits damit begründet, daß dem eine gesamtpolitische Entwicklung folge: Ich erinnere an das Wort „Europäischer Frühling". Nun, wir wissen, wie die Entwicklung gelaufen ist. Glauben Sie nicht, daß wir die europäische Zusammenarbeit nicht wünschen. Wir wollen sie! Wir wollen die europäische Zusammenarbeit über das geteilte Europa von heute hinaus in der Hoffnung, eines Tages sogar den Osten Europas mit einbeziehen zu können. Aber unsere Auffassung von Europa besteht fundamental darin, daß wir ein Europa gleicher Chancen, gleicher Pflichten, gleicher Vorteile und gleicher Lasten wollen und nicht einseitige Lasten und einseitige Vorteile. Das ist unser politischer Weg seit Anbeginn dieser EWG-Agrarpolitik gewesen, und wir werden in dieser Frage so fortfahren.
In der Tat muß gefragt werden: Können wir den bisherigen Weg, so wie er bisher war, fortsetzen, oder ist es nicht an der Zeit, einmal gründlich Bilanz zu ziehen und zu fragen: wo sind die Vorteile, wie sind die Lasten, wie verteilt sich das? Das ist eine Frage, die wir heute ernsthaft zu prüfen haben. Sie steht in Einklang mit der Frage: besteht überhaupt noch eine Hoffnung, daß die Kräfte im übrigen Bereich mobilisiert werden, damit endlich die Wettbewerbsverzerrungen ausgeräumt werden? Das ist ein Komplex, nach dem vorab gefragt werden muß, bevor wir überhaupt zu einem neuen Agrarprogramm kommen können.
Dazu darf ich hier ergänzend sagen: Wir unterstützen die Regierung, wenn sie in der Agrarpolitik langfristige Maßnahmen durchführen will. Wir Freien Demokraten haben diese langfristige Agrarpolitik seit Jahren gefordert, beantragt und konzipiert. Ich erinnere an das Investitionshilfegesetz der Freien Demokraten aus dem Jahre 1958. Vor mir liegt der Antrag der Fraktion der Freien Demokraten betreffend ein EWG-Anpassungsgesetz in der Drucksache 3245 aus dem 4. Bundestag. Hier haben wir unsere langfristige Konzeption festgelegt. Ich zitiere nur den Abs. 2 des § 4:
Der Verbesserung der Agrarstruktur soll im Rahmen von Fünfjahresplänen in Übereinstimmung mit Leitplanungen für die Raumordnung durchgeführt werden.
Wir haben weiter darauf hingewiesen, daß zur Verbesserung der Agrarstruktur eine langfristige Gestaltung dieser Planung und der Maßnahmen gehört sowie ein mittelfristiges Betriebsstruktur- und Investitionshilfeprogramm und daß das durch ein ebenso mittelfristiges Marktstrukturprogramm ergänzt werden muß. Wir hätten es begrüßt, wenn wir damals eine mehrheitliche Unterstützung für diese Vorschläge gehabt hätten. Dann wären die Diskussionen über viele der jetzigen Vorschläge gar nicht mehr notwendig, sondern wir wären schon mitten im Vollzug dieser Agrarpolitik. Wir haben auch weiterhin beigetragen durch unsere Anträge für eine Absatzförderungsgesellschaft. Ich nehme an, daß dieser unser Gesetzentwurf wie der Vorschlag, den der Herr Minister für die Absatzförderung gemacht hat, mit zur Diskussion gestellt und gleichzeitig mit beraten wird. Wir haben darin grundlegende Wege für eine Verbesserung der Marktposition der deutschen Landwirtschaft aufgezeigt, und zwar in einem finanziellen Rahmen, der für die Landwirtschaft tragbar ist und der vielleicht sogar für den Bund besser tragbar ist.
Wir werden hören, wie es mit der Finanzierung ausschaut. Ich darf hier gleich einmal sagen, dieses ganze Programm ist eine agrarpolitische Seifenblase, wenn nicht zusätzliches Geld zur Verfügung gestellt wird.
({5})
Es scheinen erhebliche Zweifel zu bestehen, ob das zusätzliche Geld da ist. Ich frage: wie wird es mit den viermal 260 Millionen DM? Wird es hier auch so gemacht wie mit der Investitionshilfe, daß man die Mittel zuerst im ordentlichen Haushalt streicht und sie dann woanders wieder einsetzt? Wenn dem
so wäre, wäre das keine schöne Art, die Dinge darzustellen. Wir erwarten hier zusätzliche Mittel. Wir erwarten hier die Erfüllung des EWG-Anpassungsgesetzes.
({6})
Wir Freien Demokraten haben einen Vorschlag mit dem Absatzförderungsgesetz gemacht. Wir haben einen Vorschlag mit dem Investitionshilfegesetz gemacht. Wir haben von uns aus erhebliche Beiträge geliefert, um einen konstruktiven Weg aufzuzeigen.
Lassen Sie mich nun noch eine Bemerkung machen. Vor mir sprach der Kollege Bauknecht. Er ist ja auch Vizepräsident des Deutschen Bauernverbandes. Der Herr Minister konnte mit gutem Recht darauf hinweisen - ich erinnere nur an die „Bild"-Zeitung von heute -: Der Herr Präsident Rehwinkel hat zugestimmt. Das ist sehr erfreulich. Aber wieso kommt dann die Entschließung des Bauernverbandes vom 12. Juni 1968 in meine Hand, in der es beispielsweise heißt:
... für eine der veränderten Preis-Kosten- Situation gerecht werdende Erhöhung der landwirtschaftlichen Erzeugerpreise ausgesprochen. Die Mitgliederversammlung fordert nachdrücklich von der Bundesregierung, alles zu unternehmen, um in den bevorstehenden Preisverhandlungen des EWG-Ministerrates die notwendigen Erhöhungen der Erzeugerpreise für landwirtschaftliche Produkte durchzusetzen.
Das verstehe ich nun wirklich nicht mehr; denn davon steht im Programm der Regierung kein Wort. Der Herr Minister kann sich hier dazu äußern, ob er z. B. beabsichtigt, die Preisziele zu verfolgen, die Herr Kollege Bauknecht hier genannt hat, den alten Getreidepreis wiederherzustellen. Ich frage ihn, ob er diesmal die Revisionsklausel beansprucht. Denn die ist doch nicht umsonst in das Brüsseler Protokoll von 1964 hineingekommen.
({7})
Das muß ich Ihnen hier einmal in aller Deutlichkeit sagen. Denn man muß sich ja wirklich wundern, wenn man so liest, was draußen veröffentlicht wind. Vor kurzem hat der Bauernverband eine Veröffentlichung gemacht über die Gesprächsrunde mit den Parteien, und ich habe gelesen, auch die SPD habe anerkannt, daß der Milchpreis keineswegs gesenkt werden darf, daß die Getreidepreissenkung schlecht und zwecklos war. Und nun frage ich: Weiß das auch schon der Minister Schiller? Weiß das auch schon der Finanzminister Strauß? Denn sie - so habe ich es gelesen, und sie können sich ja hier äußern, wie sie zu dem Problem Preispolitik stehen - sollen dem Vernehmen nach erklärt haben, eine Preispolitik sei nicht möglich. Sie ist auch deshalb nicht möglich, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen der Regierungsparteien, weil Sie ja den Preis zum einzigen Regulierungsinstrument der EWG-Marktordnung gemacht haben und sich nun eben in eine Überschußsituation begeben haben, die primär von der Überschußproduktion der Partnerländer plus den Verpflichtungen gegenüber den Drittländern plus Verpflichtungen aus dem Osthandel und dergl. herrührt. Nun sagen Sie, daß
man das über den Preis regulieren könne, und Sie
meinen, damit würde man von Haus aus die deutsche Agrarproduktion so zum Schrumpfen bringen,
daß die Luft am deutschen Markt wieder so groß
wird, daß unsere Partner sorgenlos bei uns absetzen können. Ob die Rechnung aufgeht, ist fraglich.
({8})
- Das sage nicht ich, sondern - ({9})
- Oh, ich will Ihnen noch viel mehr sagen, Herr Siemer. Ich habe gelesen - der Herr Finanzminister Strauß soll sich hier heute dazu äußern! -, daß er bei der Eröffnung der IKOFA sinngemäß ungefähr folgendes gesagt hat: Wir waren uns bei ,der Gründung der EWG klar, daß die Franzosen das Agrargeschäft machen, weil wir dort ein Industriegeschäft erwarten. Ähnliches hat auch der Herr Minister Höcherl gesagt. Und da ist etwas dran. Aber wie ist es in der Gesamtkonzeption? Schauen Sie sich doch, Kollege Siemer, das Statistische Jahrbuch einmal an! Wir haben einen Außenhandel seit dem Jahre 1966 in der EWG von 328 oder 350 Millionen DM, bei den EFTA-Staaten von über 2,8 Milliarden DM. .Da ergibt sich dann natürlich dieser Gesamtkomplex. Und das wollen Sie alles über die Preise steuern? Da werden Sie sehen, wo Sie hinkommen.
({10})
- Das ist die zwangsläufige Folge Ihrer Politik. Haben Sie das noch nicht einmal kapiert? Dann muß ich Ihnen einmal die ganzen Folgen auseinandersetzen. Wenn Sie sich selber noch nicht einmal damit befaßt haben, tut es mir leid. Ich halte Ihnen gerne einmal eine Lektion über die außenhandelspolitischen Verpflichtungen, die sich zwangsläufig ergeben und die ein großer Bestandteil der Rede des Ernährungsministers waren. Sie sind ihm offensichtlich gar nicht gefolgt. Sie haben gar nicht aufgepaßt, was er Ihnen hier gesagt hat. - Ich teile das zwar; aber hier muß man überlegen, wie sich da eines Tages eine vernünftige Koordinierung hineinbringen läßt. Die Präferenzen, die außenhandelspolitischen Verpflichtungen zu Drittländern und zum Ostblock sind doch das Problem. Wenn Sie das allein über die Preise machen, geht das zu Lasten der deutschen Landwirtschaft - ({11})
Ich kann mich nur auf das berufen, was in dem ursprünglichen und - ich muß idas natürlich auch sagen - inzwischen modifizierten Konzept der Regierung steht, worin es heißt: Für Preiserhöhungen ist kein Raum. Soll 'das heißen, daß in Zukunft eine Agrarpolitik ohne Preispolitik oder nur eine Preissenkungspolitik gemacht wird?
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Ja, bitte!
Herr Kollege Ertl, ich bin jetzt ein bißchen durcheinander. War es nicht so, daß damals, als die Preissenkung beschlossen wurde, die Minister Dahlgrün, Mende und Scheel im Amt waren?
Das unbestritten, Kollege Marquardt; aber wenn Sie mich schon in dieser Frage herauslocken, will ich Ihnen einmal folgendes sagen. Das können Sie in einem Protokoll der FDP-Fraktion einmal nachsehen. Man muß ja immer Vergangenheitsbewältigung in Deutschland machen; denn die Deutschen werden immer Vergangenheitsbewältigung machen. Jetzt werde ich Ihnen ein Stück Koalitionsvergangenheitsbewältigung machen. Wegen dieser Frage war der damalige Bundeskanzler Erhard bei unserer Fraktion; Sie können es im Fraktions-Protokoll der FDP nachlesen.
({0})
- Doch, ich stelle es Ihnen gern zur Verfügung, damit Ihre Allgemeinbildung besser wird.
({1})
- Ich tue gern etwas für Sie. - Wir haben damals Herrn
Herr Bundeskanzler, sind Sie der Auffassung, daß man den deutschen Getreidepreis aus Kostengründen und aus allgemeinen Preisgründen senken kann? Darauf hat er gesagt: Nein; er sei sogar der Meinung, der Getreidepreis sei eher an der unteren Grenze als an der oberen Grenze. Daraufhin haben wir gesagt: Herr Bundeskanzler, wie stellen Sie sich denn den Ausgleich vor? Und dann kam eine wunderschöne Formel; ich muß sagen, damit hat mich der damalige Bundeskanzler Erhard großartig überzeugt. Er hat uns gesagt: Wenn das so ist, kann sogar ich selbst weich werden, obwohl ich nur sehr ungern weich werde; das wissen meine Kollegen in der Fraktion. Er sagte, er nehme als Schlüssel für die Revisionsklausel die normale Kaufkraftverlustrate der Währung an; die liege zwischen 2 und 2,5 %. Der Beginn der EWG-Getreidemarktordnung war 1962, die Senkung der Preise 1965, und der Multiplikator war 5. Das ergibt eine Revision um 10 bis 12 %.
Herr Kollege Ertl, da sind noch andere Kollegen, die ihre Allgemeinbildung durch Fragen an Sie aufbessern wollen.
({0}) Herr Bewerunge, bitte!
Herr Präsident, das muß ich doch erst zu Ende erklären; es tut mir furchtbar leid.
Bitte, das steht in Ihrem Belieben.
Auf Grund dieser Situation ist die Revisionsklausel - nicht zuletzt auf Drängen der Freien Demokraten - überhaupt in das Brüsseler Protokoll aufgenommen worden. Daß sie nicht angewandt worden ist, können Sie der Oppositionspartei nicht in die Schuhe schieben.
Daß muß die Regierung verantworten, die jetzt im Geschäft ist.
({0})
Jetzt Herr Bewerunge zu einer Zwischenfrage.
Herr Kollege Ertl, haben Sie nicht gerade bei den Ausführungen von Herrn Bundesminister Höcherl gehört, daß sich bei Milch und bei Zuckerrüben Überschußprobleme ergeben, so daß es schwierig sein wird, Preiserhöhungen durchzuführen? Sind Sie nicht der Meinung, daß es falsch ist, wenn Sie, der Sie die Zusammenhänge draußen gut kennen, so tun, als ob es hier Chancen gäbe? Ist das nicht zum Teil Unwahrheit, die man dann hier von sich gibt?
({0})
-Ertl ({1}) : Herr Kollege Bewerunge, Sie werden in wenigen Tagen wiederum beweisen können, wie es die CDU mit der Landwirtschaft meint. Sie werden nämlich einen Antrag van uns, von der FDP-Fraktion, vorgelegt bekommen, den Trinkmilchfettgehalt zu erhöhen und gleichzeitig den Trinkmilchpreis anzuheben. Das ist ein nützlicher Beitrag zur Lösung des Milchproblems. Wenn Sie mitmachen, werden wir ein Stückchen vorwärts in Richtung auf bessere Erzeugerpreise kommen.
({2})
Noch eine Frage von Herrn Bewerunge.
Herr Kollege Ertl, ist Ihnen nicht bekannt, daß dies schon längst der Wunsch und ein Antrag der CDU-Fraktion gewesen ist?
Herr Kollege Bewerunge, mir ist zur Zeit kein Antrag der CDU bekannt. Ich freue mich aber, aus Ihrer Frage jetzt entnehmen zu können, daß Sie gewillt sind, unseren Antrag, der heute von der Fraktion beschlossen worden ist und der Ihnen in den nächsten Tagen als Drucksache vorliegen wird, zu unterstützen. Ich bin sogar bereit, mit Ihnen gemeinsame Sache zu machen, auch als Oppositionspartei. Sehen Sie, so wollen wir Ihrer Regierung helfen, wenn es um die berechtigten Belange der Landwirtschaft geht.
({0})
Nach den Außenhandelsproblemen nun noch ein Wort in diesem Zusammenhang zur grundsätzlichen Stellung der Landwirtschaft in unserer Volkswirtschaft. Wir haben einen sicherlich sehr fachkundigen, auch agrarpolitisch sehr fachkundigen Wirtschaftsminister. In den Rahmen seiner konzertierten Aktion stellt er Einkommens- und Lohndaten. Wir begrüßen das. Wir fragen: Welche Einkommens-und Lohndaten stellt dieser Wirtschaftsminister für die Landwirtschaft, für die Zukunft der Landwirtschaft, in diesen Rahmen? Oder ist die Landwirt9864
Schaft aus der allgemeinen Einkommens und Lohnentwicklung ausgeklammert? Denn wir haben zur Kenntnis genommen, daß man im allgemeinen im Rahmen der konzertierten Aktion eine Verbesserung der Einkommensentwicklung für die übrige Bevölkerung von 4 bis 5, vielleicht sogar 5 bis 6 % erwartet. Wir begrüßen das. Wir wünschen eine starke Kaufkraft für die übrige Bevölkerung. Ich meine, die Einkommensentwicklung in der Landwirtschaft müßte aber auch gleichartig mitziehen können. Das wäre doch ein Akt der sozialen Symmetrie. Darüber hinaus müßten sich ChristlichSoziale oder Sozialdemokraten ganz besonders auch um die Landfrau bemühen, auch dieser Kanzler, der das doch sehr gerne tut, auch durch sein Erlebnis auf dem Lande. Wir freuen uns darüber, daß sich der Kanzler der Agrarpolitik besonders zugewandt hat. Ich meine jedenfalls, daß diese Frage geklärt werden muß.
Ich möchte auch noch ein Wort zur Wettbewerbsverzerrung sagen. Ich habe heute ein Fernschreiben aus dem Milchsektor bekommen. Herr Kollege Bauer wird dazu etwas sagen, wie ich annehme. Wie schaut es denn hier mit der Wettbewerbsgleichheit aus? Ist es nicht so, daß wir in Deutschland ständig Milchprodukte aus Frankreich beziehen, die aus Tbc-verseuchten Stallungen kommen? Wo sind hier die gleichen Hygienebestimmungen? Hat die Bundesregierung hier bei der Butterverordnung nicht schon wieder neue Konzessionen gemacht in dem Sinne, daß nationales Recht auch von dem Partner anerkannt wird, d. h. wenn es dort unsere Hygienebestimmungen nicht gibt, wir qualitativ schlechtere, ja, sogar hygienisch fragwürdige Ware beziehen? Wo liegt hier die Gleichheit? Das ist auch eine Frage, die im Rahmen einer gemeinsamen Agrarpolitik doch von Bedeutung ist, die auch für ein Agrarprogramm auf der nationalen Ebene entscheidend ist.
Nun lassen Sie mich ein Wort zu den Zielen der Agrarpolitik sagen. Ich finde, sie sind nützlich und günstig, Herr Minister. Nur stellen sie natürlich auch nicht das Ei des Kolumbus dar. Wer ein hohes Einkommen für die Landwirtschaft, preisgünstige Versorgung für die Bevölkerung, Aufrechterhaltung der handelspolitischen Erfordernisse und die bisherige Praxis der EWG haben will, muß ein Ei des Kolumbus erfinden. Wir begrüßen es, wenn Sie es finden. Sie werden unsere Unterstützung haben. Ich bezweifle das aber.
Jetzt etwas zur Entwicklung der Betriebsstruktur. Hier gibt es ja ganz neue Töne. Es wird von dem rationellen Betrieb gesprochen, der der Familie noch Möglichkeiten gibt. Das Wort „Familienbetrieb" ist aus der Mode geraten. Das gehört offensichtlich zum agrarpolitischen reaktionären Wortschatz. Nun, hier wird von Betriebsformen gesprochen. Ich frage Sie - Sie dürfen mir nicht böse sein, wenn ich hier mehrere Fragen aufwerfe -: Wie sehen Sie die Betriebsform? Sehen Sie sie nur von der Größe? Oder sehen Sie sie von der Betriebsorganisation her? Oder sehen Sie sie von der Fähigkeit der Betriebsleiter her? Ich meine, das Ganze bildet eine Einheit. Es gibt hier keine optimale Betriebsform, beispielsweise nach der Größe; die gibt es gar nicht. Das muß man hier doch einmal klar sagen.
Damit komme ich zu jenen Gebieten, die herausgenommen werden sollen. Diese Absicht schafft neue Unruhe. Heute hat es geheißen: 100 000 Betriebe müssen ausscheiden.
({1})
- Ich darf das feststellen. Ich meine, das ist eine Unterstellung, Herr Kollege Reinhard. Ich kann Ihnen nur sagen, mit all dem, was Sie in der Vergangenheit über den Staatssekretär Hüttebräuker behauptet haben, haben Sie viel mehr Unruhe verursacht. Und der ist noch ein Waisenknabe gegenüber dem Konzept, was hier ist. Das muß ich hier sagen, obwohl wir ihm weiß Gott nicht zu Dank verpflichtet sind. Dessen Vorstellungen zu den anderen sind noch Mini-Vorstellungen,
({2})
wenn ich mich des modernen Sprachgebrauchs bedienen darf.
Nun, welche Gebiete sollen herausgenommen werden? Ich meine, Herr Minister, hier hätten Sie. Ihre Ghostwriter zunächst ein klein wenig durch Europa schicken sollen.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Ehnes?
Herr Kollege, hat Herr Staatssekretär Hüttebräuker Ihren geistigen Unterricht nicht aufgenommen?
Unsere Diskussionen waren immer spannungsreich und fruchtbar.
({0})
Nun, Herr Minister, Sie hätten Ihre programmatischen Ghostwriter ein klein wenig durch Europa schicken müssen - das können Sie beispielsweise im Lexikon nachlesen, Frau Kalinke; es ist nützlich -, nach Schottland, nach Italien, nach Südtirol, nach Österreich, in die Schweiz. Dann hätten Sie kennenlernen müssen, daß es mit der Parklandschaft so einfach eben nicht geht. Wenn Sie dort die Erholungslandschaft sichern wollen, die notwendig ist, damit der geplagte Städter von heute Urlaub und Ruhe findet, müssen Sie zunächst eine funktionsfähige bäuerliche Landwirtschaft sichern.
({1})
Das ist die Frage, vor der Sie stehen. Sie ist ganz diametral entgegengesetzt zu den modernen Ökonomen, die meinen, man müsse mit dem Lineal Raumordnungs- und Infrastrukturpolitik machen. Hier müssen Sie reinen Tisch machen.
({2})
Ich bin gern bereit, im Ausschuß in einen sachlichen Dialog einzutreten. Aber, meine Damen und Herren, wer glaubt, mit Parklandschaften, womöglich mit Parklandschaften für Bären heute die Agrarprobleme auf dem Lande zu lösen, dem möchte ich sagen, daß ihm Erholungsurlaub in einer freien geordneten Landschaft dringend anzuraten ist, damit
er aus der verstaubten Stube zu klaren Gedanken kommt.
({3})
Nun ein Letztes; es kommen einige Kollegen von mir noch nach. Ich habe von der Absatzförderung schon gesprochen. Wir werden diese Frage auch ernsthaft prüfen müssen. Ich teile hier die Auffassung des Kollegen Schmidt ({4}). Hier wollen wir mal wissen, welche organisatorische Form vorgestellt ist. Die Länder sollen sich beteiligen. Werden die Länder überhaupt mitmachen? Das ist eine Frage auch des föderativen Verhältnisses; ich muß nachher auch noch ein Wort zur Bildungspolitik sagen, weil ja auch diese Frage angeschnitten ist. Aber wir wollen auf die Dauer auch die Wettbewerbsverhältnisse zwischen Genossenschaft und Landhandel nicht einseitig verändern lassen. Wir sind auch der Meinung, daß man nicht unbedingt alles in einen Einheitstopf packen muß. Ich muß ein klein wenig auch für den Kollegen Bauer, für seine Privatmolkerei tun. Er tut sich ja hart hier. Er wird fast erdrückt in seiner Existenz. Ich will den armen Mann ja am Leben erhalten.
({5})
Wir haben bereits nützliche Einrichtungen, Agrarexport, GaL für Absatzwerbung. Soll das alles plötzlich wieder aufgelöst werden? Ich meine, man muß der Privatinitiative so viel überlassen wie nur gerade möglich und die Staatsinitiative nur auf das Unterstützende, auf die Mithilfe richten.
Ein weiterer Punkt! In Ihrer Vorstellung heißt es, daß sich der Bund nach einer Anlaufzeit zurückzieht. Wie hoch sind dann die Beiträge, die die Landwirtschaft zu tragen hat? Auch das muß doch die Landwirtschaft wissen, damit sie sich von der Kostenseite her einrichten kann. Denn die Preise werden eingefroren, und die Kosten werden nicht eingefroren. Das stimmt doch nicht.
Nun noch ein Wort zur Umschulung. Auch das ist eine Angelegenheit, die sicherlich vom Grundsätzlichen her zu unterstützen ist, und sie wird hier unsere Unterstützung finden. Aber ich frage Sie: haben Sie bereits genaue Angaben darüber, wieviele mögliche freie Arbeitsplätze Sie haben? Sind das Facharbeiterarbeitsplätze? Wo sind die? Sie haben gesagt, daß mit wissenschaftlicher Genauigkeit die Vorausschau erarbeitet wurde. Haben Sie eine Untersuchung, wie viele Arbeitsplätze in der Zukunft als Dauer- und Facharbeiterarbeitsplätze frei werden? Oder sollen die ausscheidenden Bauern Fremdarbeiterersatz bei der Müllabfuhr machen? Das ist eine Frage, die sehr ernsthaft diskutiert werden muß.
({6})
Und wo sollen die hingehen? Haben Sie überhaupt die Mittel, um dieses Programm durchzuziehen? Schaffen Sie in deren Wohnnähe die zusätzlichen Arbeitsplätze? Wie bekommen Sie hier die Zustimmung der Länder? Ich könnte ein ganzes Bukett hier noch auftun.
Aber noch ein sehr wichtiger Gesichtspunkt, wenn es darum geht, den Menschen in der Landwirtschaft nicht weiter sozial zu deklassieren und ihm zu sagen: „Deine Endphase ist der Hilfsarbeiter". Wir wollen ihn als gleichwertige Arbeitskraft erhalten.
({7})
Damit noch ein Wort zur Bildungspolitik! Ich finde es nützlich, was darin steht. Ich möchte beinahe sagen: das ist die Empfehlung des Landwirtschaftsministers in Bonn an den Kultusminister Huber in München. Wir wären natürlich viel weiter, Herr Minister: wenn wir beispielsweise in der Gemeinschaftsschule in Bayern schon viel früher angefangen hätten, wäre das Landschulproblem in Bayern heute schon in einem viel weiteren Stadium.
({8})
- Na ja, in Baden-Württemberg ist es genauso. Wir wissen ja, wer bei den ganzen konfessionellen Schulproblemen, bei der konfessionellen Lehrerbildung gebremst hat. Das sind ja alles Probleme für das Land. Da hätte man mit mehr Fortschrittswillen längst bessere Lösungen schaffen können. Da haben Sie gebremst, meine Herren von der CDU; da standen Sie in den letzten Jahren ständig im Bremserhäuschen der Länderpolitik.
({9})
Das ist eine Frage, die selbstverständlich ist.
Den Bauern wird der Rat gegeben, gegebenenfalls ihre Höfe zu verkaufen. In die Beratung wird nun auch die Immobilienberatung aufgenommen. Hier darf ich als früherer Berater Ihnen einen Rat geben: lassen Sie das die Berater lieber auf privatwirtschaftlicher Ebene machen, dann verdienen sie wenigstens mehr. Bei 7 % Provision in der Immobilienberatung kann man am Tegernsee mit dem Verkaufen von Bauernhöfen sehr viel verdienen.
Aber, Herr Minister, ich gehöre zu denen, die jahrelang für eine richtige Anwendung des § 35 des Bundesbaugesetzes kämpfen, nämlich im Hinblick auf die nachgeborenen Bauernsöhne und Alienen. Aber wenn Sie das Tor öffnen wollen, daß jeder, der Geld hat, in Zukunft nach Belieben Grundstücke kaufen kann, um diese Grundstücke dann an die übrige Bevölkerung abzugeben, so schaffen Sie viel Unruhe.
({10})
Dann werden Sie erleben, daß die Erholungssuchenden sagen: Ich will mich nicht dauernd durch Drahtzäune aussperren lassen, sondern über Naturwiesen wandern und nicht an Hecken vorbeiziehen!
Wir begrüßen Ihre Vorschläge zur Forschung. Wir begrüßen, daß Sie in Ihr Programm die Fischereiwirtschaft und die Holzwirtschaft aufnehmen. Zur Holzwirtschaft darf ich sagen: auch hier helfen Sie am besten, wenn Sie zur Verbesserung der Preise beitragen.
Zusammenfassend: Wir sind für eine langfristige Agrarpolitik, auch für Prioritäten wie Struktur- und Marktpolitik, Investitionspolitik und ergänzende soziale Maßnahmen. Wir sind weiter dafür, daß die Bildungspolitik als ein wesentlicher Bestandteil
einer fortschrittlichen Agrarförderungspolitik betrachtet wird. Aber unser Ziel ist - und hier unterscheiden wir uns - die Erhaltung einer großen Zahl lebensfähiger Betriebe. In diesem Programm sehen wir zu sehr den Geist der Liquidierung. Sie waren sehr böse, Herr Minister, als ich Ihnen sagte: ich warne Sie davor. Ich muß Ihnen leider sagen, ich befürchte, daß ich mit meinen Warnungen beinahe recht habe. Mein sehnlichster Wunsch wäre, daß ich mich in diesem Punkt täusche, weil es mir viel zu wichtig und zu ernst ist - da teile ich die Meinung des Kollegen Schmidt -, daß unsere Landwirtschaft erhalten bleibt.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Bitte!
Herr Kollege Ertl, ich versuche, aus Ihren Ausführungen Ihr Konzept zu erraten oder zu erahnen. Liege ich richtig, wenn ich davon ausgehe, daß ihr Agrarkonzept darin besteht, daß Sie sich die Lösung des Agrarproblems ausschließlich unter dem Motto vorstellen: die Preise hoch, die Grenzen dicht geschlossen?
({0})
Herr Stark, ich merke, daß Sie mir offensichtlich nicht zugehört haben, und wer mir nicht zuhört, ist an sich auch nicht einer Antwort meinerseits würdig.
({0})
Ich habe sehr klar meine Vorstellungen dargelegt. Aber weil Sie gefragt haben, will ich es Ihnen noch einmal sagen: Ich bin der Meinung, daß es für das Verhältnis von Preispolitik und Agrarstrukturpolitik nur ein Sowohl-Als-auch gibt, nicht ein EntwederOder. In diesem Programm sehe ich leider zu sehr den Geist des Entweder-Oder. Um diese Frage geht es vom Grundsätzlichen her. Ich bin der Meinung, daß selbstverständlich eine Lösung allein über die Preispolitik nicht möglich ist. Ich will es mir ersparen, auf diese Dinge noch einmal näher einzugehen. Jedenfalls haben Sie den Versuch gemacht, mich ganz einseitig zu interpretieren, und dazu lasse ich mich allerdings nicht verführen. Die Vorstellungen der Freien Demokraten zur Agrarpolitik sind in den Drucksachen des Bundestages niedergelegt. Die Agrarpolitik der Bundesregierung wird zu einem beschleunigten Schrumpfungsprozeß führen, und ob das im Ganzen sozial und politisch zu verantworten ist, darüber werden wir uns zu gegebener Zeit in aller Schärfe zu unterhalten haben.
({1})
Das Wort hat der Herr Bundesminister der Finanzen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Tatsache, daß sich der Bundestag heute mit agrarpolitischen Problemen und naturgemäß im
Zusammenhang damit auch mit der Frage ihrer Finanzierung befaßt, ist ein Ergebnis der Termingestaltung dieses Hohen Hauses, das seine eigenen Gesetze hat. Andererseits muß ich um Verständnis dafür bitten, daß die minutiöse und quantifizierte Ausarbeitung eines immerhin so weitreichenden Programms - auf der Regierungsebene sorgfältig geprüft, mit den Möglichkeiten der mittelfristigen Finanzplanung abgestimmt, mit den Interessen anderer Ressorts in Einklang gebracht-erst in Form konkreter und auch durchführbarer Vorschläge dargeboten werden kann. Deshalb hat die Bundesregierung gestern in ihrem Kabinettsbeschluß einstimmig formuliert, daß die Grundsätze dieses Programms gebilligt werden. Die Bundesregierung war unbeschadet einzelner Meinungsverschiedenheiten in diesem oder jenem Teil des Programms einstimmig der Meinung, daß die Richtung, in die Kollege Höcherl nunmehr die Agrarpolitik des Bundes lenken will, richtig ist. Sie hat auch in ihrem Beschluß hinzugefügt, daß der Zeitpunkt der Durchführung der jeweiligen Maßnahmen und der Umfang der vorzunehmenden Maßnahmen nach Maßgabe der mittelfristigen Finanzplanung bestimmt werden.
Als vorhin Kollege Höcherl den gleichen Gedanken in fast gleicher Formulierung ausdrückte, war von seiten der Opposition ein nicht zu überhörendes Gelächter zu vernehmen. Ich argumentiere jetzt einmal mit dem argumentum e contrario: Welchen Ernst könnte ein Landwirtschaftsminister beanspruchen, der ein Programm vorlegt, von dem er sagt: Es wird keinerlei Rücksicht auf die Möglichkeiten der mittelfristigen Finanzplanung genommen, sondern dieses Programm wird in die Welt gesetzt und dann schon irgendwie durchgeführt? Ich muß dem Kollegen Höcherl dafür danken, daß er sowohl bei den Kabinettsberatungen wie bei den vorhergehenden Unterhaltungen im Rahmen des sogenannten Finanzkabinetts wie auch nachher bei der gestrigen Kabinettsberatung die Notwendigkeit einer Einordnung dieses Programms in die Prioritäten der finanziellen Gesamtgestaltung der nächsten vier Jahre anerkannt und dafür guten Willen und Bereitschaft zur Zusammenarbeit gezeigt hat.
({0})
- Herr Kollege Alex Möller, das ist eine faszinierende Idee.
({1})
Dann würde ich mich noch auf Agrarpolitik verlegen und da unten sitzen.
Ohne vom Thema abweichen zu wollen, darf ich in diesem Zusammenhang auch sagen, daß es heute eine Reihe wesentlicher, wichtiger Probleme gibt, deren Lösung technisch möglich ist, für deren Bewältigung aber erhebliche finanzielle Mittel, je nach diesem oder jenem Modell in unterschiedlicher Höhe, notwendig sind. Ich darf hier nur ein Stichwort erwähnen, das zur Zeit auch durch die Fraktionen ,dieses Hohen Hauses geht, eine Aufgabenstellung, der wir uns in den nächsten Jahren in noch stärkerem Maße - je nach dem Ausgang der Verhandlungen zur Finanzreform - werden widBundesminister Dr. h. c. Strauß
men müssen, nämlich das Stichwort Ausbildungsförderung. Es ließe sich ein großartiges Programm der Ausbildungsförderung sowohl nach bildungspolitischen wie nach sozialpolitischen Gesichtspunkten erarbeiten, wenn man keine Rücksicht auf die finanzielle Durchführungsmöglichkeit zu nehmen brauchte.
Das gilt für jedes Programm, ob Verkehrsprogramm, ob Ausbildungsförderung, ob Raumordnung, ob Wissenschaftsprogramm oder Forschungsprogramm. Man kann für alles hervorragende Konzepte und Programme vorlegen. Aber diese Vorlage ist doch nur dann ernsthaft, wenn man auch nach Zeitpunkt der Durchführung und Umfang der geplanten Maßnahmen eine finanzielle Gesamtschau damit verbindet.
({2})
Das möchte ich sehr ernst betonen, weil ich auch in den letzten Wochen fast täglich, zumindest wöchentlich mehrmals mit dem Kollegien Höcherl und meine Mitarbeiter mit seinen Mitarbeitern ernsthaft gerungen haben. Es müssen zunächst einmal die Grundzüge der agrarpolitischen Programmierung für die Zukunft festgelegt werden. In dieser Aussprache muß nach meiner Überzeugung - der ich mich nicht als Experten dieses Sondergebiets betrachte - ein Votum und eine Meinungsbildung dieses Parlaments erkennbar werden, ob man mit der Richtung übereinstimmt, in der hier vorgegangen wird.
({3})
Ich hielte es z. B. wirklich nicht für notwendig - und ich nehme auch an, Herr Kollege Ertl, Sie haben das gar nicht .ernsthaft gemeint -, daß man heute über die Gesamtkosten, ihre Aufteilung und ihre Lastenverteilung bei der Errichtung einer Vermarktungsförderungsgesellschaft schon einen genauen Finanzplan vorlegt. Das hieße doch wirklich das Pferd vom Schwange her aufzäumen. Was bei dieser Debatte geklärt oder vorgeklärt werden muß, ist die Frage: Soll der Versuch unternommen werden, eine solche Vermarktungsgesellschaft zu errichten? Wenn man diesem Versuch grundsätzlich zustimmt, dann muß der Kollege Höcherl eine Legitimation haben - die er vom Kabinett bekommen hat und die vom Parlament bestärkt werden soll -, mit den Ländern und den einschlägigen Wirtschaftsverbänden über die Errichtung einer solchen Gesellschaft zu verhandeln.
({4})
Erst dann, wenn im Rahmen solcher Verhandlungen der Umfang des Aufgabengebietes und der Ablauf der einzelnen Aufgaben feststehen, kann man eine grobe Finanzplanung machen, und erst dann kann man Vorschläge machen, wie die Kosten auf Bund und Länder aufgeteilt werden sollen. Wir haben ja in dem Entwurf zur Finanzverfassungsreform vorgesehen, daß gewisse Aufgaben der Agrarpolitik, so auch Agrarstruktur und Vermarktungseinrichtungen, Gemeinschaftsaufgaben werden sollen - eine der drei Gemeinschaftsaufgaben neben der regionalen Wirtschaftsförderung und dem Neubau und Ausbau wissenschaftlicher Hochschulen. Man wird deshalb
diese Verhandlungen, die allerdings wegen der Schwierigkeit der Materie und der Fülle der zu lösenden komplizierten Probleme ruhig bald begonnen werden sollen, gar nicht eher abschließen können, als bis zwischen Bund und Ländern Klarheit über die Schaffung der Institution der Gemeinschaftsaufgaben, Zahl und Art der Gemeinschaftsaufgaben und Umrisse der Gesetze, die dann zur Durchführung dieser Gemeinschaftsaufgaben jeweils noch zu verabschieden sind, in Verhandlungen erzielt worden ist. Die Verhandlungen laufen noch Monate in diesem Hause, dann werden sie im Bundesrat geführt, dann werden wir uns möglicherweise, wenn es nicht zu verhindern ist, im Vermittlungsausschuß wiedersehen. Aber die Zeit, die jetzt dafür noch vor uns steht, sollte z. B. vom Kollegen Höcherl ausgenutzt werden, Verhandlungen mit den Ländern und den einschlägigen Wirtschaftsverbänden zu führen, damit nicht erst dann, wenn die grundsätzliche Zustimmung zu dieser Ergänzung unseres Grundgesetzes durch Zweidrittelmehrheit der beiden Häuser erzielt ist, sozusagen vom Punkt Null an mit den Überlegungen angefangen wird, sondern damit dann bereits praktikable Verhandlungsergebnisse vorliegen. Aber heute schon verlangen, daß bei der Erörterung eines Grundsatzprogramms Detailkosten und ihre Verteilung auf den Bund und die elf Länder gleichzeitig vorgelegt werden, heißt doch, das Oppositionskontingent im Sinne eines Übersolls ein bißchen zu sehr strapazieren, Herr Kollege Ertl, ({5})
sosehr ich vielleicht mit manchem übereinstimme, was Sie hier gesagt haben.
Es ist natürlich richtig, wenn gesagt wird, jedes Programm kästet Geld. Aber es geht nicht nur um die, ich möchte beinahe sagen: stupide und bornierte Forderung: Mehr Geld für alles! Denn das ist doch, ich möchte sagen: der Slogan unserer Zeit geworden: je nach Interessenrichtung, je nach Herkunft, je nach Zielsetzung - mehr Geld für alles! Da aber grundsätzlich alles gleiche Priorität beansprucht, muß also gleichzeitig mehr Geld für alles gegeben werden. Nein, die Frage, die sich gerade bei den Einzelplänen 10 und 60 stellt, ist sehr ernst zu prüfen, wie nämlich mit den immerhin erheblichen vom Steuerzahler zur Verfügung gestellten Mitteln die größte Effizienz erreicht werden kann.
({6})
In dem neuen Haushaltsrecht, das am Freitag in diesem Hause einzuführen meine ehrenvolle Aufgabe sein wird, wird ausdrücklich vorgesehen, daß für alle größeren finanzwirksamen Programme, es mögen Verkehrsprogramme, militärische Beschaffungsprogramme, Infrastrukturprogramme oder auch landwirtschaftliche Programme sein, eine Kosten-Nutzen-Analyse, die berühmte cost-benifit-Analyse, aufgestellt werden muß und in Verbindung damit eine Programmkostenrechnung. Das ist ein sehr umfangreiches Unternehmen, das auch eine gewisse Umstellung der juristischen Denkmentalitäten gewisser Apparaturen erfordert, ist aber eine Notwendigkeit, um die wir nicht mehr herumkommen, wenn wir zu einer durchsichtigen
und rationalen Finanzplanung über einen Zeitraum von fünf Jahren hinweg kommen wollen. Wir sind auf dem Wege dazu. Wir haben es aber noch längst nicht erreicht, und auch das, was Kollege Höcherl heute hier vorgetragen hat, was ich persönlich im Grundsatz als richtig empfinde, was auch weitgehend die Billigung der Fraktionen dieses Hauses findet, auch das muß dann nach den Grundsätzen des neuen Haushaltsrechts behandelt werden und kann im eigenen Interesse der Aufgabe nicht anders behandelt werden als andere große Verbrauchsträger der Staatsfinanzen ebenfalls. Denn es wird sich bei diesem Haushaltsplan zeigen, daß die Erfüllung einer Zusage, die Kollege Höcherl heute gemacht hat, möglich ist, nämlich die Ziele, deren Förderung in § 2 des EWG-Anpassungsgesetzes einzeln angesprochen worden sind, trotz der im Finanzänderungsgesetz beschlossenen Kürzungen zu erreichen, wenn durch Umgestaltung dieses Haushaltsplans mit einer sorgfältigen Prüfung nach NutzenKosten-Gesichtspunkten Schwerpunkte gesetzt werden und nicht nur ein Nebeneinander von zum Teil gleichartigen, zum Teil aber auch in Konkurrenz zueinander liegenden Maßnahmen.
({7})
Man kommt doch - ich versuche, die Dinge erstens ohne Aufregung und zweitens mit innerem Engagement für die Sache, aber natürlich nicht mit Ausschließlichkeitsanspruch für diese Sache zu vertreten - um eine Schlußfolgerung oder um eine Erleuchtung nicht herum, nämlich daß alle Preissubventionen Erhaltungssubventionen und alle Struktursubventionen Anpassungssubventionen sind, und das Nebeneinander von Erhaltungssubventionen und Anpassungssubventionen schafft Konfliktfälle, Zielkonflikte. Darüber gibt es gar keinen Zweifel. Ich bin trotzdem der Meinung, Herr Kollege Ertl, daß das doch über eine Reihe von Jahren hinaus muß fortgesetzt werden können, wenn man der Landwirtschaft - - Bitte sehr!
Herr Ertl stellt eine Zwischenfrage.
Herr Minister, würden Sie mir zustimmen, wenn ich sage, daß, wenn jetzt die Milchprämie wegfällt - was ja nun beschlossen ist -, für die deutsche Landwirtschaft keine Preissubventionen mehr zur Verfügung stehen?
Das kann man in dieser Form so global und ohne nähere Prüfung der EWG-Beschlüsse und der auf die nationalen Haushalte entfallenden finanziellen Konsequenzen der EWG-Agrarmarktordnungen nicht einfach sagen. Ich habe etwas gegen einen Stil, daß man weitreichende Aussagen, an die man dann noch jahrelang erinnert wird, im Zuge eines solchen taktischen Geplänkels hier auf einmal produzieren soll.
({0})
Wir sind hier ja nicht in einer Wahlversammlung,
Herr Kollege Ertl, sondern in einer sachlichen Erörterung der Möglichkeiten und der Notwendigkeiten und ihrer Realisierung.
({1})
Herr Minister, gestatten Sie noch eine Zwischenfrage von Herrn Ertl? - Bitte!
Herr Minister, ich nehme nicht an, daß Sie unterstellen, daß ich eine Frage aus wahlkampftaktischen Gründen stelle. Aber ich frage Sie noch einmal: sind Sie dann bereit, mir vielleicht schriftlich Ihre Vorstellungen über Preissubventionen im Zusammenhang mit den jetzigen EWG-Maßnahmen mitzuteilen? Ich bin zufrieden, wenn Sie mir das nach geraumer Zeit schriftlich vorlegen, weil es mir sehr ernst darum ist, diese Frage zu prüfen.
Ich empfehle Ihnen ein Verfahren, das bisher noch kein Mitglied dieses Hohen Hauses erfolglos angewandt hat, nämlich mir einen präzisen Brief zu schreiben. Ich pflege dann innerhalb einer angemessenen Frist so präzise zu antworten, wie es die Klärung des sachlichen Problems und auch die Person des Schreibers ermöglichen.
({0})
Ich habe mit großem Nachdruck die Notwendigkeiten der Kosten- und Nutzenuntersuchungen betont. Wir sind zwar vorerst aus dem Gröbsten heraus dank der Vorschläge, die die Regierung gemacht hat und die vom Parlament weitgehend unterstützt worden sind. Ich muß aber vor der allgemein wieder ausbrechenden Euphorie warnen, daß die für uns planungs- und programmgemäß eigentlich gar nicht schneller und stärker, aber programmgemäß wieder angekurbelte Wirtschaft und angelaufene Konjunktur nunmehr, abgesehen von der Kostenseite in der Privatwirtschaft, wieder eine Finanzierungsmöglichkeit für sämtliche Wünsche auf allen Gebieten automatisch mit sich bringen würden.
({1})
Wir können es uns nach den bitteren Erfahrungen der letzten Jahre einfach nicht mehr erlauben, daß man sagt: Jetzt machen wir ein Gesetz; was es kostet, stellen wir anschließend fest, und wenn wir das festgestellt haben, werden schon irgendwie das wirtschaftliche Wachstum und die damit verbundenen Steuereinnahmen die Finanzierung ermöglichen.
Erstens können wir nicht damit rechnen, daß die Konjunktur Jahr für Jahr in stürmischen Sprüngen nach oben geht und demgemäß auch noch die Steuereinnahmen überproportional steigen. Zum zweiten haben wir uns auch vorgenommen - siehe Stabilitätsgesetz - für die in Konjunkturzeiten aufgenommenen Mehrkredite einen bestimmten Tilgungsplan vorzusehen, ja, im Idealfall sogar eine Konjunkturausgleichsrücklage, wie sie im Gesetz ausdrücklich erwähnt ist, einzuplanen. Denn wenn wir in Zeiten der aufwärtsgehenden Konjunktur immer wieder
nach dem Staatskredit als einer zusätzlichen Finanzierungsmöglichkeit schielen, die dann weder Steuererhöhungen erfordert noch lästige Ausgabenkürzungen mit sich bringt, dann muß ich eines in aller Deutlichkeit betonen: wir brauchen einen Verschuldungsspielraum für den hoffentlich lange nicht mehr kommenden Zeitpunkt, wo eine neuerliche Depressionserscheinung in der Gesamtwirtschaft eintritt, die vielleicht von außen her importiert werden kann, an der wir von innen her gar nicht unbedingt schuldig zu sein brauchen, - um eine künstliche Verstärkung der Binnennachfrage durch Aufnahme neuer Kredite zum Zwecke der Verstärkung der öffentlichen Auftragstätigkeit und damit Kompensation des Ausfalls privatwirtschaftlicher Nachfrage zu ermöglichen. Wenn wir aber unseren Kreditspielraum jedes Jahr schon bis zur letzten Mark erschöpfen, wenn wir nicht an Tilgung oder Ausgleichsrücklage denken, werden eines Tages diejenigen, die in der nächsten oder übernächsten Legislaturperiode mit diesem Problem konfrontiert sind, uns mit Recht anklagen, daß wir aus Fehlern der Vergangenheit nichts gelernt haben, daß wir jeden Pfennig Spielraum schon wieder ausgenutzt haben
({2})
und ihnen nicht mehr die Möglichkeit gegeben haben, einer sich neu abzeichnenden Rezession, die wir ja möglichst verhindern wollen, deren Ausschlag wir so gering wie möglich halten wollen, gerade weil wir auch den Boom nach oben dämpfen, durch den Einsatz eines neuen konjunkturkonformen finanzpolitischen Instrumentariums entgegenwirken zu können.
Das ist doch das Problem, vor dem wir auch heute stehen. Ich bin allergisch, wenn ich höre, daß jetzt wieder für alles Geld zur Verfügung stehe. Nein, wir müssen mit dem Spielraum von Mitteln, über den man reden kann, der vielleicht nach oben oder unten etwas, aber nicht beliebig und unbegrenzt gestaltet oder manipuliert werden kann, die Prioritäten setzen. Ich halte gar nichts von der Entscheidungsfreudigkeit einer Regierung oder von der politischen Courage eines Parlaments, das deshalb, weil es nicht wagt, z. B. der Landwirtschaft die angemessene Position zu geben, weil es nicht wagt, echte Prioritäten zu setzen, die richtige Finanzierung eines Programms darin sieht, daß sämtliche Programme, Wünsche und Notwendigkeiten gleichzeitig nebeneinander in perfektioniertem Umfange finanziert werden. Das führt uns wieder in den finanziellen Schlendrian hinein, und das führt uns wieder zu einer Deroutierung der öffentlichen Finanzen, die wir hoffentlich endgültig überwunden haben.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es wird in den nächsten Jahren ein bescheidenes Maß an Verfügungsbeträgen, wie sie sich auf der jetzigen wirtschaftlichen Zielprojektion, aus der damit verbundenen Einnahmeschätzung ergeben, bestehen. Diese Verfügungsbeträge liegen vom Jahre 1970 an in einer Größenordnung von rund 1,x Milliarden bis hinauf zu rund 3 Milliarden DM. Ich bitte um Verständnis, daß ich bewußt noch keine Zahlen nenne, bevor die Modellrechnung, die wir angestellt haben,
die mit. dem Wirtschaftsministerium abgestimmt ist, vom Finanzkabinett bestätigt und vom Gesamtkabinett endgültig beschlossen ist. Dieser Tag wird ja dann zur Weiterleitung an das Parlament führen. Innerhalb dieser Verfügungsbeträge muß überlegt werden, welche neuen Maßnahmen in Angriff genommen werden können. Da gibt es einige Wünsche - ich habe ein Stichwort schon genannt, das ist die Ausbildungsförderung -, da gibt es die Frage der Verbesserung des Familienlastenausgleichs, da gibt es die Frage der Anpassung der Kriegsopferversorgung, da gibt es die Frage der Inangriffnahme neuer wissenschaftlicher und technischer Forschungs- und Entwicklungsprogramme, zum Teil von großem Umfang, da gibt es auch die Frage der Bereinigung der Strukturprobleme, nicht nur an der Saar, sondern im ganzen Zonenrandgebiet. Aber ich möchte als meine Überzeugung sagen und nicht etwa als Phrase oder als Kompliment an die Adresse der Landwirtschaft, daß das Beispiel der Hilfe für die Kohle als einer notleidend gewordenen Struktur nicht ein einmaliger Fall für sich sein kann - es kann aber auch nicht ein Fall ganz strenger Berufung sein -, sondern das Beispiel der Kohle ist ein Fall, und die Frage Landwirtschaft, vor allen Dingen in den letzten Jahren, ein anderer. Wenn man die Entwicklung der Landwirtschaft, die Zahl ihrer Betriebe, die Zahl der Selbständigen, die Zahl der in den Betrieben beschäftigten Mitarbeiter, die Zahl der landwirtschaftlichen Arbeitskräfte sieht, so hat doch im Laufe der letzten Jahre ein Prozeß stattgefunden, Herr Kollege Ertl, der Ihnen ja im einzelnen sehr gut bekannt ist, wahrscheinlich besser als mir.
Wenn man der Landwirtschaft vor Jahren gesagt hätte, wie die Zahlen im Jahre 1967 aussehen würden, dann hätte wahrscheinlich eine große Panikstimmung eingesetzt. Ich bin der Auffassung, man sollte endlich auch aufhören, dem Landwirt immer seinen eigenen Untergang an die Wand zu malen.
({3})
Das stimmt ja gar nicht. Ich bin auch nicht der Meinung, daß man hier so quantifizieren kann, daß eine bestimmte Betriebsgröße eine absolut sichere Existenzgarantie ist. Ich meine sicher nicht Sie, Herr Kollege Bauknecht, aber so wird manchmal getan, als ob ein mittleres Bauerntum rettungslos zum Untergang verurteilt sei. Das ist doch gar nicht wahr. Wir haben doch heute auch den höchsten Grad der Verschuldung - gleichgültig, welchen Bemessungsmaßstab man nimmt - bei sehr hohen Betriebsgrößen mit einem hohen Einsatz von fremden Arbeitskräften, weil dort die starke Steigerung der Personalkosten von den erzielten Erträgen einfach nicht mehr eingeholt werden kann. Ich glaube durchaus, daß, wenn ein Teil dieses Programms, der wahrscheinlich gewisse Steuerverzichte - nicht in dramatischer Höhe - verlangen wird, durchgeführt wird, nämlich eine steuerliche Begünstigung der Kooperation - was ein Punkt des Kabinettsbeschlusses ist -, hier bei geeigneter geistiger Einstellung der Betriebsinhaber, bei geeigneter Fähigkeit der Betriebsinhaber zur Zusammenarbeit,
für die mittlere bäuerliche Existenz eine absolut gesunde Lebensgrundlage wieder erworben werden kann.
Nur sind wir jetzt bei dem Abbau der Zahl der bäuerlichen Existenzen sowie auch beim Abbau der Kumpelzahlen in den Bergwerken an den harten Kern gekommen, wo die Sache sowohl in der Materie schwierig ist als auch nach der politischen Seite hin mit größter Vorsicht und auch mit der Bereitschaft zu Entgegenkommen oder zu Hilfen verbunden werden muß.
({4})
Es wird möglich sein, dem Agrarhaushalt für das nächste Jahr insgesamt zunächst einmal 100 Millionen DM mehr aus den erzielten Abschöpfungsmitteln zur Verfügung zu stellen. Das ist vom Kollegen Höcherl in Rechnung gestellt. Es wird weiter möglich sein, durch das starke Vermögen bei der Landessiedlungs- und -rentenbank einen Betrag von mindestens 100 Millionen DM - Herr Kollege Höcherl ist der Meinung, es sei vielleicht sogar etwas mehr - ebenfalls zur Verfügung zu stellen. Das kann nur für Strukturmaßnahmen geschehen, nicht für EWG-Agrarmarktausgaben. Und es ist weiterhin möglich, aus den Verfügungssummen, die für nächstes Jahr zur Verfügung stehen, allerdings - ich sage das, damit Sie sehen, wie eng hier die Dinge im Raume liegen - mit Bescheidung auf anderen Seiten, darüber hinaus noch einen Betrag von 175 Millionen DM, den ich als Finanzminister für notwendig erachte, um das Wort „Durchführung der Maßnahmen nach Zeitpunkt und Umfang im Rahmen einer mittelfristigen Finanzplanung" zu ermöglichen, zu mobilisieren, wobei ich gern bereit bin, die gegenseitige Deckungsfähigkeit zwischen 1002 und 1003 zu unterstützen, um die volle Ausschöpfung der Mittel zu gewährleisten.
({5})
Ich bin also bereit, einen gewissen, eben genannten Mehrbetrag auch zur Verfügung zu stellen, aber alle Haushaltsansätze dieses Haushalts müssen nach den strengen Gesetzen von Nutzen und Kosten und der größten Sparsamkeit untersucht werden. Da ist auch noch einiges drin und wenn es nur jeweils ein paarmal hunderttausend Mark sind, die noch aus einer Ara stammen, wo man mit der Mark doch nicht so sorgfältig umgegangen ist. Ich möchte mich aber jetzt hier nicht auf Einzelheiten festlegen. Hier handelt es sich mehr um Verwaltungskosten - so darf ich sagen -, nicht um Zuwendungen in irgendeiner Form etwa an die Landwirtschaft. Wenn diese Mittel - ich sage das, damit Sie sehen, wie eng sich die Dinge im Raum stoßen - gewährt werden sollen, ist folgendes notwendig: Dann ist es notwendig, daß ein Betrag von etwa 115 Millionen DM in einer Reihe von Einzelplänen zusammen gekürzt wird, was möglich ist. Ich habe dafür konkrete Vorschläge für die nächste Sitzung des Finanzkabinetts.
Eine Zwischenfrage von Herrn Logemann.
Herr Minister, darf ich fragen, ob die vorgesehenen Zahlungsverpflichtungen aus dem EWG-Anpassungsgesetz, die Sie ja jetzt wieder übernehmen wollen, zusätzlich zu den von Ihnen eben genannten Mitteln gegeben werden.
Diese Mittel zur Erfüllung der in § 2 des EWG-Anpassungsgesetzes genannten Ziele müssen durch Umgestaltung des Haushalts gewonnen werden, damit für .das andere Agrarstrukturprogramm zur Verfügung stehende Mittel dann für dieses verwendet werden können. Die Beschaffung dieser zusätzlichen Mittel ist möglich, wenn - ich muß .das noch einmal, ich glaube, zum drittenmal, sagen, damit man sieht, wie eng und hart sich die Dinge im Raum stoßen - in einer Reihe von Einzelplänen etwa über 100 Millionen DM gekürzt werden, was durchaus möglich ist. Es ist möglich, wenn bei einigen Haushalten die im Rahmen der beiden Konjunkturhaushalte aus konjunkturellen Gründen - nicht aus Sachgründen - zur Vorfinanzierung gewisser Projekte im Sinne einer rascheren Wirtschaftsbelebung zur Verfügung gestellten Mittel, und zwar aus Krediten, die der Bund aufgenommen hat, auf den Plafonds dieser Haushalte im Jahre 1969 angerechnet werden. Das betrifft drei Haushaltspläne.
Unter diesen Voraussetzungen ist es möglich, die Mittel zur Verfügung zu stellen. Die Regierung wird Vorschläge dazu machen. Die letzte Entscheidung, meine Damen und Herren, liegt ja bei Ihnen, nicht bei .der Regierung. Die Regierung braucht nur die Courage des Vorschlags zu haben. Die Courage der Gestaltung liegt nach den Gesetzen der parlamentarischen Demokratie nicht bei einsamen Entschlüssen, sondern sie liegt bei denen, die entweder den Vorschlag der Regierung befolgen oder ihn durch bessere Vorschläge ersetzen.
Erlauben Sie mir, noch ein Schlußwort zu sagen. Ich gehe davon aus, daß niemand in diesem Hohen Haus für eine vorausschaubare Zeit, für die nächsten Jahre - verbindlich können wir das nur für die Zeit bis zum Ende dieser Legislaturperiode sagen - etwa auf den Gedanken kommt, Steuererhöhungen vorzuschlagen, um damit Mehrausgaben finanzieren zu können. Ich glaube, daran denkt niemand. Man denkt unter Umständen - was nach meiner Überzeugung aber auch erst im Zuge der großen Steuerreform erfolgen kann - an einen inneren Umbau in der Steuerbelastung, an einen Umbau, der den Grundsätzen der sozialpolitischen Gerechtigkeit, der individuellen Belastungsfähigkeit vielleicht besser entspricht als manche Regelung des heutigen Steuerrechts. Ich kann mir aber kaum jemanden vorstellen, der allgemein eine Erhöhung der Steuerbelastungsquote in der Bundesrepublik heute zu vertreten für richtig halten würde, da die sozialpolitische Belastungsquote durch die Erhöhung der Beiträge ohnehin größer wird, da die gesamte öffentliche Lastenquote ohnehin ansteigt, aus Gründen, die Ihnen genausogut bekannt sind wie mir. Hinzu kommt, daß unsere Konjunktur immerhin noch empfindlich reagiert; sie ist zwar wesentlich gekräftigter als noch vor einigen Monaten, aber die Wirtschaft reagiert auch nur auf die Möglichkeit
künftiger Steuererhöhungen sehr allergisch, und zwar mit einer Zurückhaltung, deren finanzielle Folgen uns dann wahrscheinlich mehr kosten, als der Gewinn aus irgendwelchen Steuererhöhungsplänen einzuschätzen wäre.
Wenn also das Mittel ,der Steuererhöhung ausscheidet, stellt sich die Frage der Ausgabenkürzung. Hier, meine Damen und Herren, haben wir letztes Jahr den Rahmen des Möglichen ausgeschritten; ich sage nicht: den Rahmen des sachlichen Möglichen, sondern: den Rahmen des politisch Durchsetzbaren. Herr Kollege Bauknecht hat mich an eine Äußerung erinnert, die ich heute morgen in der Fraktionssitzung der CDU/CSU getan habe. Die Zahlen, die er genannt hat, sind beinahe richtig. Ich habe auch gar keinen Grund, diese Zahlen zu verschweigen. Wir haben seinerzeit bei dem Programm zur mittelfristigen Finanzplanung und den damit verbundenen Ausführungsgesetzen, bei der Knappschaftsversicherung die Aufhebung der Defizithaftung vorgeschlagen, weil wir der Meinung waren, daß die Wanderungsgewinne der allgemeinen Rentenversicherung stärker sind als die 300 Millionen DM, die als Wanderungsgewinn abzuführen sind. Das Parlament hat - ich stelle das nur fest und enthalte mich jeder Wertung - die von der Regierung vorgeschlagene Aufhebung der Defizithaftung nicht angenommen, und zwar u. a. auch mit der Begründung, daß die nach Defizithaftung in Frage stehenden Summen ja in der mittelfristigen Finanzplanung enthalten seien, also dieses leidige Mittel der Aufhebung der Defizithaftung nicht angewandt zu werden bräuchte.
Man hat aber an den einschlägigen Stellen - das sage ich nicht selbstgerecht, auch wir haben uns manchmal schon getäuscht, auch hinsichtlich der Entwicklung von Steuereinnahmen oder Ausgabengestaltung - die Entwicklung im Kohlenbereich doch etwas zu optimistisch beurteilt. Die Zechenstillegung ist schneller vor sich gegangen als erwartet. Die Folge war, daß die Defizithaftung erhalten blieb und die Zahlen falsch waren. Das hat sich folgendermaßen ausgewirkt: für 1967 kraft gesetzlicher Verpflichtung 280 Millionen DM mehr, für 1968 420 Millionen DM mehr, für 1969 575 Millionen DM mehr, für 1970 575 Millionen DM mehr, für 1971 575 Millionen DM mehr, für 1972 810 Millionen DM mehr. Das ist etwas, was außerhalb des Rahmens der mittelfristigen Finanzplanung aus rechtlich zwingenden Gründen beschafft werden muß. Aber fragen Sie mich bitte nicht, wie. Doch, Sie können mich ruhig fragen; ich sage es nämlich noch in den letzten Sätzen.
Nun liegt die Schwierigkeit natürlich darin - es hat gar keinen Sinn, diese Dinge nicht offen anzusprechen -: Wenn in einem lebenswichtigen Zweig unserer Wirtschaft, der sich in einer Umstellungskrise, in einem Anpassungsprozeß befindet, mehr Geld verlangt wird und wenn man da erklärt, wir haben das Geld nicht, wie soll man diese Aussage verständlich machen, wenn man auf einem anderen Gebiet, wo die rechtliche Verpflichtung geschaffen und nicht aufgehoben worden ist, in der Lage sein
muß, 3,3 Milliarden DM im Laufe von sechs Jahren mehr zu beschaffen?
({0})
Das ist doch, gleichgültig welcher politischen Fraktion wir angehören, die Argumentation, der wir draußen begegnen. Im Ruhrgebiet vielleicht, in Bochum und in Bottrop, wird man dafür lauten Beifall bekommen. Anderswo, wo man dem Revier entfernter ist, denken die Leute schon ganz anders. Da zieht man schon die Nase hoch, weil wir die Heizölsteuer verlängert haben, um die Mittel für die Kohleanpassung zu gewinnen.
Es ist nicht etwa so, daß wir ein karitativer Verein von Gemeinnützigkeitsfanatikern oder von Gegenseitigkeitswohltätern wären. So ist es nicht. Bei den Ländern werden ganz massive regionale Wirtschaftsinteressen vertreten. Auch in den Wahlkreisen ist das so. In ein und derselben Partei kommen jeweils auf Grund der verschiedenen regionalen oder auch sonstigen Konstellation ganz verschiedene Meinungen zustande. Das ist nicht irgendeine parteipolitische Aussage, sondern das hängt mit der unabänderlichen, zum Teil von Gott dem Menschen verliehenen Charaktergestaltung zusammen, die man durch keinen Umerziehungsprozeß nachhaltig verändern, höchstens etwas abflachen kann.
({1})
- Ja, mehr erwarten wir auch als CDU/CSU-Politiker nicht.
Wie konnten diese zwangsläufigen Mehrausgaben bewältigt werden? Doch nur damit, meine Damen und Herren, daß ich - entschuldigen Sie, wenn ich das Wort hier einmal ausspreche - mit der Kreditmehraufnahme für das Jahr 1969 in der ersten Fassung der Finanzplanung sehr zurückhaltend war und daß ich von der angebotenen Möglichkeit, für das Jahr 1969 eine Nettokreditmehraufnahme von etwa 3 Milliarden DM vorzusehen - in der Fassung der mittelfristigen Finanzplanung des letzten Jahres -, keinen Gebrauch gemacht und mich mit 1,2 Milliarden DM Nettokreditaufnahme beschränkt habe mit dem Ergebnis, daß bei der Vorlage des Haushaltsplans - und zwar unter Einzebiehung schon der Dinge, die ich heute genannt habe und die sehr bescheiden sind - trotzdem eine Nettokreditmehraufnahme von rund 3,4 Milliarden DM erforderlich ist. Für mich ist die lehrreiche oder bittere Schlußfolgerung: Wenn man a conto zukünftiger Haushaltsjahre die theoretisch möglichen Kreditoder Verschuldungsspielräume schon von vornherein mit Ausgabendispositionen ausfüllt, wird man in die größten sachlichen und politischen Schwierigkeiten kommen, weil immer wieder neue und unerwartete Mehrausgaben auftauchen und weil diese dann, da der noch zur Verfügung stehende Spielraum bereits ausgenutzt ist, aufgestockt und durch weitere Kreditfinanzierung bewältigt werden müssen.
Wir können über eines froh sein, alle, die wir hier in diesem Hause sind: nicht, daß wir über den Berg sind - das habe ich nicht gesagt -; aber wir haben den größten oder den schwierigeren Teil der
Wanderung hinter uns gebracht. Aber wenn man heute die Schwäche eines großen Teils der europäischen Welt, der ganzen westlichen Welt ansieht, die Schwierigkeiten der amerikanischen Zahlungsbilanz, in der Hauptsache hervorgerufen durch den Vietnam-Krieg, mit schwierigen Konsequenzen für unsere gesamte NATO-Konstellation - Bündnispolitik, Verhältnis zu Amerika, Devisenausgleich -, dann den bekannten schwierigen Umstellungsprozeß der Weltmacht Großbritannien auf einen relativ kleineren europäischen Staat, das furchtbare Schicksal, Träger einer Weltreservewährung zu sein, ohne daß noch der Körper für den großen Anzug paßt
- der Körper ist viel kleiner geworden, aber der große Anzug der Weltreservewährung muß getragen werden -, wenn man sieht, daß wie der Blitz aus heiterem Himmel - aus Gründen, die man ahnen kann - auf einmal eine scheinbar hierarchisch gefestigte Sozialstruktur beinahe in Flammen und Rauch aufgeht wie in einem Nachbarland und daß die Dinge noch mühsam gebändigt werden können, wenn man sieht, wie hier heute unsere Währungsreserven in unserem eigenen Interesse
- das verstehen nur manche Leute nicht - zum Teil eingespannt werden, weil die Schwäche unseres Nachbarn unsere eigene Schwäche ist und wir, wenn wir morgen Schwächeerscheinungen haben, hoffen, daß sie uns auch helfen, so wie wir ihnen heute helfen müssen, dann soll man doch um Gottes Himmels willen alles tun, damit der Zustand, den wir erreicht haben - daß zur Zeit die D-Mark die stabilste Währung sämtlicher Industrieländer der Welt ist -, noch möglichst lange und, so Gott will, für immer erhalten bleibt.
({2})
Das Wort hat der Abgeordnete Bauer ({0}).
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich will den Versuch unternehmen, unsere Debatte nunmehr wieder in den engeren Bereich unserer Agrarprobleme zurückzuführen, will aber gleichzeitig ein Wort des Dankes dafür sagen, daß durch das Eingreifen und die gute Besetzung der Regierungsbank durch Wirtschaftsministerium,. Landwirtschaftsministerium, Finanzministerium - rechts außen sitzt sogar der Gesamtdeutsche Minister - diese Debatte heute immerhin an Gewicht gewonnen hat. Dafür bedanke ich mich bei den beiden Teilnehmern hier oben rechts von mir auf der Regierungsbank. Ich glaube, ich kann mich in den 15 Jahren meiner Abgeordnetentätigkeit nicht daran erinnern, daß wir außer dem Eingreifen der allerengsten zuständigen Ressortminister - meistens saß der Landwirtschaftsminister allein auf dieser Bank - sehr oft ein Eingreifen des Finanzministers bei einer solchen Debatte hatten. Ich freue mich sehr darüber. Auch hier scheint sich ein neuer Stil anzubahnen, über den wir Agrar- und Wirtschaftspolitiker uns nur freuen können.
Herr Kollege Schmidt, mich trifft ja immer das Los, daß ich nach Ihnen und meistens auch nach
meinem Kollegen Ertl sprechen muß, und es ist dann unvermeidbar, dazu einige Sätze zu sagen. Ich will versuchen, das, soweit das einem Bayern überhaupt möglich ist, bei einem herabgekühlten Temperament zu tun.
({0})
Sie haben am Anfang gesagt und bezweifelt, daß das, was der Bundeslandwirtschaftsminister heute hier als das Arbeitsprogramm für die Agrarpolitik dieser jetzigen Bundesregierung angesprochen hat, eigentlich erst ausgearbeitet werden muß. Nun, in der Zwischenzeit, glaube ich, ist das klargestellt. Ich nehme an, Sie haben es nachgelesen. Es heißt dort ja ausdrücklich, daß ein eigener Kabinettsausschuß für das Agrarpolitische Arbeitsprogramm eingesetzt wurde. So lautet die Formulierung. Die Einsetzung eines Kabinettsausschusses für das Programm kann doch nur bedeuten, daß das von Herrn Höcherl vorgelegte Programm sozusagen das Arbeitspapier für diesen Kabinettsausschuß ist. Damit, glaube ich, sollten wir diese Geschichte aus der Welt schaffen.
Sie haben dann gewisse Gemeinsamkeiten mit dem Kollegen Ertl gehabt. Einmal haben Sie erklärt, in dem Entschließungsantrag der CDU/CSU hätten Sie so alte Bekannte wiedergetroffen.
({1})
Andererseits haben sowohl Sie wie der Kollege Ertl immer wieder versucht, sich von diesem Papier zu distanzieren. Ich weiß nicht mehr, wer von Ihnen beiden es war, aber einer war es, der meinte, dieses Papier führe uns direkt den Berg hinunter, und der Kollege Ertl meinte, das sei eines der üblichen Wahlkampfstilpapiere, wie wir es specialiter in Berlin für Baden-Württemberg ausgearbeitet hätten. Herr Kollege Ertl, ich hatte nicht vor, in meinen Ausführungen zu diesem Entschließungsantrag etwas zu sagen. Nachdem Sie nun aber freundlicherweise versucht haben, ihn so ein bißchen negativ abzustempeln, einseitig abzustempeln, erlauben Sie mir doch, daß ich dazu ein paar Bemerkungen mache.
Die Entschließung auf Drucksache V/2895 dieses „Wahlkampfpapiers" haben Sie, wenn ich mich recht erinnere, im Ernährungsausschuß des Bundestages gemeinsam mit uns beschlossen. Wenn das Ihre Kollegen von der FDP in Baden-Württemberg wüßten, daß Sie hier gemeiname Wahlkampfgeschütze im Ernährungsausschuß gezimmert haben, würden Sie sich wahrscheinlich so schnell nicht wieder in Baden-Württemberg sehen lassen können.
({2})
Herr Kollege Bauer, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Ihrem Herrn Kollegen Ertl?
Bitte sehr, von meinem Kollegen Ertl immer.
Herr Kollege Bauer, Ihnen ist offensichtlich entgangen, daß ich gesagt habe, daß ich mich an die Zustimmung gebunden fühle, während die Bundesregierung - die von Ihnen getragene BunErtl
desregierung, darf ich noch hinzufügen - offensichtlich von Ihrem Entschließungsantrag nicht mehr Kenntnis nehmen will.
Herr Kollege Ertl, ich bin gerade dabei. Sehen Sie, Sie sind einmal wieder vorschnell gewesen. Darum ein etwas mehr unterkühltes Temperament! Dann tun wir uns leichter in der Verständigung.
({0}) Es heißt in dem Entschließungsantrag:
Die Bundesregierung wird ersucht,
1. im Rahmen der im Ministerrat in Brüssel anstehenden Verhandlungen darauf hinzuwirken, daß
... der Milcherzeugerrichtpreis von 41,2 Pf frei Molkerei erhalten bleibt
Sie kennen das Papier von Brüssel. Es ist so beschlossen; es ist in der Zwischenzeit erledigt. Es ist beschlossen, daß
eine Milchmarktordnung entsteht, die entweder die bewährten nationalen Regelungen übernimmt oder an deren Stelle in der Zielsetzung gleichwirksame Einrichtungen vorsieht ...
Sie wissen, Herr Kollege Ertl, das ist nicht erfüllt. Diese ganze Geschichte ist in Brüssel verschoben worden, aber nicht durch die Schuld unserer Vertretung, sondern dadurch, daß von den sechs Partnern, die am Tisch saßen, wie Sie wissen, drei praktisch handlungsunfähig waren. Denken Sie an den französischen, an den belgischen und an den italienischen Minister zu dieser Zeit. Wir bedauern zutiefst - ich werde noch darauf zu sprechen kommen -, daß es darüber zu keiner Entscheidung gekommen ist. Aber welcher Widerspruch hier zwischen dem Agrarprogramm und unserer Entschließung bestehen soll, weiß ich nicht.
Mit der Trinkmilchqualität, haben Sie gesagt, würden Sie uns in schreckliche Verlegenheit bringen. - Sehr verehrter Herr Ertl, Sie haben vorhin das harte Wort von der „Bildungslücke" gebraucht. Das wende ich auf Sie nicht an, sondern mache hier eine feine Unterscheidung: Wissenslücken sind bei Ihnen bestimmt auch vorhanden. Denn in genau derselben Entschließung, die Sie mit beschlossen haben, steht drin, was Sie gesagt haben, nämlich Sie würden uns demnächst mit einem FDP-Antrag überraschen, einem Antrag auf Auffettung der Trinkmilch auf 3,5 %.
Wir fordern in dieser Entschließung die Bundesregierung auf, das zu tun, und ich kann die Herren auf der Regierungsbank nur ermuntern: Frisch ans Werk, meine Herren! Denn wir brauchen nicht darauf zu warten, was in Europa geschieht. In der Zwischenzeit haben sich nämlich einige unserer EWG-Partner in Teillösungen bereits ein Stück vorwärtsbewegt. Ich erinnere an die Belgier, ich erinnere an die Holländer, und ich meine, was die fertiggebracht haben, müßte bei uns in der Bundesrepublik auch möglich sein.
Herr Bauer, Herr Ertl hat das Bedürfnis, noch eine Frage zu stellen.
Herr Kollege Bauer, stimmen Sie mir zu, daß die Bundesregierung, nachdem wir gemeinsam den Entschließungsantrag beschlossen hatten, bis heute nichts unternommen hat und daß es deshalb eine sehr nützliche Eigenschaft der Opposition ist, wenn sie von sich aus durch einen Parlamentsantrag, nicht einen Entschließungsantrag, die Initiative ergreift?
Ich habe gar keine Bedenken dagegen, Herr Kollege Ertl. Mir ist nur um folgendes zu tun. Sie wollten heute hier einige Kollegen etwas fortbilden. Deshalb wollte ich Sie daran erinnern, daß auch bei Ihnen manchmal Wissenslücken vorhanden sind.
({0})
Nur in diesem Zusammenhang habe ich das angesprochen.
Herr Kollege Ertl, hier sind wir, glaube ich, parallel zu dem, was die Regierung will. Denn die Bundesregierung hat im Augenblick - das wissen Sie auch - keine Möglichkeit für eine Gemeinschaftslösung. Das ist auch das Bedauerliche der Entscheidungen vom 28. Mai. Das ganze Überschußproblem ist doch eigentlich ungelöst auf den Herbst verschoben. Ich glaube, niemand bedauert das mehr als unser Ressortminister. Denn er hatte ganz bestimmte Vorstellungen mit nach Brüssel genommen. Wenn seine Partner im Augenblick noch nicht dazu bereit waren, so bedauere ich das sehr. Darum, meine ich aber, sollten wir national das tun, was möglich ist. Dazu gehört auch die Auffettung der Trinkmilch, dazu gehört auch, daß bei der Finanzierung des EWG-Milchmarktes eine gerechte Lastenverteilung sichergestellt wird. Was steht in dem Arbeitspapier dieses Landwirtschaftsministers? Er sagt, man solle endlich nach dem Verursachungsprinzip fragen, nämlich danach, wo die Überschüsse entstehen. Dort sollte man die Mitgliedsländer künftig stärker bei der Finanzierung der gemeinsamen Agrarpolitik heranziehen, als das bisher geschehen ist. Genau in diese Richtung zielt auch das Arbeitspapier für die Agrarpolitik, also Herabsetzung einmal möglicherweise unseres Beitrags. Wenn das nicht möglich ist, gibt es eine sehr schöne Altlast an Überschüssen. Dann kann man sich wenigstens bei der Finanzierung und der Beseitigung dieser Altlast auf das Veranlassungs- und Verursachungsprinzip besinnen, also auch etwas, was ganz im Sinne der Ziffer 1 a) dd) der Entschließung ist.
Bei der Erstellung der Marktordnung für Rindfleisch soll ein Orientierungspreis von 2,80 DM pro kg angestrebt werden. Seien Sie überzeugt, Herr Kollege Ertl, im Endeffekt werden wir bei 2,80 DM landen müssen. Bei 2,72 DM haben wir einen weiteren Schritt getan. Warum müssen wir dort landen? Weil es ganz unmöglich ist, allein - ich sage noch einmal: allein - durch irgendwelche Maßnahmen mit dem Überschußproblem fertig zu werden, wenn es uns
Bauer ({1})
nicht gelingt, die Relation zwischen den einzelnen Produktionen in geeigneter Weise wiederherzustellen. Dazu gehört ein entsprechend guter Rinderorientierungspreis, dazu gehört nach meiner Auffassung auch eine Verbesserung des Getreidepreises; denn ich vertrete nach wie vor die Auffassung, daß uns ein europäischer Weizen- oder auch Getreideüberschuß ganz allgemein nicht so viel Schwierigkeiten machen würde, wie es im Bereich der Veredelungsprodukte - so zeigt es sich heute - der Fall ist.
({2})
Meine Damen und Herren, außerdem könnte man hier sehr gut auch von den Großen in der Welt draußen lernen, die uns immer wieder gezeigt haben, daß Bodenprodukte in der Notzeit sich sehr rasch zu Brot, in der Notzeit sich sehr rasch zu Veredelungsprodukten und in der Notzeit sich sehr schnell auch als politisches Mittel großartig einsetzen lassen.
Darum habe ich keine Sorge etwa vor allzu großen Getreideüberschüssen, etwa von seiten der Franzosen. Im Gegenteil, ich würde eine Politik betreiben, die die Franzosen dort, wo sie die entsprechenden Böden haben, geradezu dazu ermuntert, auch wenn es dann Überschüsse gibt, Herr Landwirtschaftsminister und Herr Finanzminister. Es ist wesentlich billiger und wesentlich einfacher, Getreide zu lagern, und es ist in diesem Bereich ebenso schnell möglich, diese Bestände loszuwerden. Da braucht noch lange nicht vom Atlantik etwa bis zu unserer Ostgrenze ein großer Witterungseinbruch zu erfolgen, um eine solche Ernte erheblich zu verringern. Da genügen viel einfachere, kleinere und bescheidenere Ereignisse in der Weltpolitik draußen, und man ist diese Überbestände sehr, sehr schnell los. Man braucht keine kostspieligen Kühleinrichtungen, es gibt kaum Sorge um die Qualitätsabwertung und vieles andere mehr.
Gestatten Sie Herrn Kollegen Ertl noch eine Zwischenfrage?
Herr Kollege Bauer, ich würde diese Frage nicht stellen, wenn es nicht um Wissenslücken ginge. Aber nachdem Sie sich mit Ihrer Entschließung gerade so stark für die Identität mit der Bundesregierung gemacht haben, darf ich Sie darauf aufmerksam machen, daß in dem Manuskript, das mir zu Händen gekommen ist, steht: Mithin ist eine Verbesserung der landwirtschaftlichen Einkommenslage, der Preispolitik bei diesen Produkten - das sind Überschußprodukte - in absehbarer Zeit nicht möglich. - Da sehe ich den Dissens.
Genauso steht es drin, Herr Ertl. Ich bin der Meinung, daß es zunächst so Geltung haben wird. Das ist der ganz normale ökonomische Ausfluß der derzeitigen Situation.
Sie hätten nun allerdings wieder vollständig zitieren müssen. Herr Kollege Ertl, ich wollte Ihnen das sowieso noch sagen: Während Ihrer Ausführungen haben Sie ein paarmal gesagt, daß in dem Papier überhaupt nichts über das Preisproblem stehe. Ich empfehle Ihnen wirklich, einmal die Seiten 12 bis 22 nachzulesen. Über genau 11 Seiten gehen die Ausführungen des Bundesministers in diesem Arbeitspapier zu den Preisfragen. Hier wieder nur einen Teil zu zitieren, Kollege Ertl, ist leider nicht sehr solide.
Gestatten Sie noch eine Zwischenfrage?
Herr Präsident, die letzte!
Herr Kollege Bauer, ist Ihnen in Erinnerung, daß wir im Herbst letzten Jahres in einem Entschließungsantrag dieselben Preisvorstellungen gefordert haben, die Sie in Ihrem Entschließungsantrag zur Grünen Debatte in Umdruck 366 gefordert haben? Und darf ich deswegen jetzt an Sie die Frage richten: Weswegen haben Sie im Herbst letzten Jahres diesen unseren Entschließungsantrag abgelehnt?
Herr Kollege Wächter, jetzt muß ich mich so ähnlich verhalten wie der Herr Bundesfinanzminister. Sie fragen mich über einen Umdruck 366 vom vergangenen Herbst. Bitte, schicken Sie ihn mir in einem Brief, sauber formuliert, zu, und ich werde Ihnen sauber formuliert die Antwort geben, warum ich mich damals so und nicht anders verhalten habe.
Dazu bin ich gern bereit.
Das ist, glaube ich, der beste Weg.
Dann zum Schutz der bäuerlichen Veredelungswirtschaft. Sie wissen, daß unsere Bundesregierung unverändert die Absicht hat, diese Frage auf der europäischen Ebene zu lösen. Ich kann hier auch nur wieder die Regierungsbank ermuntern, und ich kann hier auch die europäischen Landwirtschaftsminister ermuntern. Hier ist ein sehr weiter Bereich für Aktivitäten. Mir gefällt manches nicht, was der Herr Mansholt an Aktivitäten entwickelt. Hier wäre ein Gebiet, wo er sich betätigen könnte, sich einmal zu überlegen, wie man zum Schutz der bäuerlichen Veredelungswirtschaft auf EWG-Ebene in der Tat gesetzgeberisch etwas tun könnte.
In Ziff. 2 Buchstabe a heißt es:
in Regionen, wo landwirtschaftliche Arbeitskräfte im Rahmen der Strukturänderung frei werden, zusätzliche notwendige Verdienstmöglichkeiten im außerlandwirtschaftlichen Bereich geschaffen werden.
Der Löwenanteil des Programms und des Arbeitspapiers des Agrarministers befaßt sich mit diesen Fragen!
Buchstabe b: „bei der Fortentwicklung der Steuergesetzgebung ..." - Wie oft hat sich Herr Strauß
Bauer ({0})
zu dieser Frage geäußert, wie er sich - etwa im Bereich der Grundsteuer - die Auswirkungen vorstellt! Auch hier, glaube ich, ist sogar schon eine Antwort auf die, wenn Sie so wollen, von uns seinerzeit geäußerte Sorge im Steuerbereich da.
({1})
Ziff. 3 Buchstabe a: „eine Novelle zum Gesetz über eine Altershilfe für Landwirte vorzulegen ..." Wenn ich mich recht erinnere, ist dieser Vorschlag in dem Papier enthalten. Am Schluß kommt dann die mit dem Gesetzentwurf der SPD übereinstimmende Formulierung, nämlich die 100 DM für ausscheidende Betriebe zusätzlich zu geben. Der Unterschied besteht lediglich darin, daß die SPD ein Gesetz wünschte und daß wir es durch Richtlinien regeln wollten. Das steht auch wieder in dem Papier des Herrn Höcherl.
Jetzt frage ich Sie wirklich, Herr Kollege Ertl und auch Kollege Dr. Schmidt, wo eigentlich der Unterschied zwischen der Entschließung meiner Fraktion und dem jetzt hier vorliegenden Papier der Bundesregierung ist. Selbstverständlich geht dieses Arbeitspapier weit über diese Entschließung hinaus, über das, was wir damals in Berlin als Fraktion konzipiert und später hier im Hohen Hause bei der Agrardebatte eingebracht haben.
Ich muß der FDP immer wieder ein bißchen draufhelfen und ihr Erinnerungsvermögen auffrischen. Da höre ich immer die polemischen Bemerkungen über die Preispolitik der Vergangenheit. Herr Kollege Ertl, Sie waren noch gar nicht im Bundestag, da bin ich schon Mitglied des Außenhandelsausschusses dieses Hauses gewesen. In diesem Außenhandelsausschuß sind damals die Weichen für die heutige Handelspolitik gestellt worden. Ich empfehle Ihnen, einmal nachzulesen - das wäre für Sie sehr lesenswert -, wie sich die Mitglieder, die Ihre Fraktion in diesen Ausschuß geschickt hat, bei diesen handelspolitischen Entscheidungen verhalten haben. Im besten Falle müßten Sie schweigen oder hier heraufkommen, rot werden und sagen: Ja, damals haben wir in der Tat eine ganz andere Politik betrieben, als ich sie heute als Ertl hier verkündigen will.
({2})
- Bitte, lesen Sie es nach. Sie können es auch schriftlich haben. Dazu gibt ,es bereits die Protokolle; ich brauche gar keinen Brief zu schreiben. - Außerdem, Herr Wächter, Sie sind einer von den Alten, Sie wissen es noch, Sie haben es in natura erlebt und haben sich selber oft genug über Ihre eigene Fraktion und ihre Verhaltensweise hier geärgert.
Es tut mir furchtbar leid, ,daß ich die Debatte mit dieser Beantwortung belasten mußte. Aber ich durfte keinen Zweifel darüber aufkommen lassen, wie sehr doch eigentlich dieser Entschließungsantrag der CDU/CSU mit dem Arbeitspapier verzahnt ist, das gestern vom Kabinett im Grundsatz gebilligt worden ist. Ich muß Ihnen sagen, ich bin sehr froh, daß wir diesen Beschluß von gestern haben. Das sage ich jedem, der Zweifel darin setzt, daß wir hier einen weiteren entscheidenden Schritt - ,das
sage ich an ,die Opposition genauso wie an die Koalitionsparteien -, einen gemeinsamen Schritt für alle diejenigen unternommen haben, die es mit dem Berufsstand der Landwirtschaft wirklich ehrlich meinen. Manchmal weiß ich es nicht ganz genau, wer hier ein bißchen polemisiert und wer sich hier nur so hinstellt und so tut als ob. Aber alle ,die, die es mit der Landwirtschaft wirklich gut meinen, sollten sich eigentlich über dieses Ringen im Kabinett in den letzten acht bis zehn Tagen aufrichtig freuen, vor allem auch aus folgendem Grunde. Das Papier war noch gar nicht eingesegnet, da gab es schon die ersten, fast möchte ich sagen, bösartigen Aussagen zu diesem Arbeitsprogramm. Ich bin froh, daß der Herr Bundesminister diesen Dingen entgegengetreten ist. Da lese ich: „100 000 Bauern sollen aufgeben oder umsatteln", „500 000 Bauern zuviel", „Einspruch Schillers", „Schiller bremst Höcherl". So ging es doch zunächst in den ersten Tagen los. Ich bin also sehr froh, daß wenigstens insoweit jetzt Klarheit über diesen Kabinettsbeschluß von gestern herrscht.
Aber da gerade die Frage der Agrarstruktur in der öffentlichen Diskussion viel Unruhe ausgelöst hat und, wie ich meine, auch die Hauptursache für die Existenzangst von Hunderttausenden von klein-und mittelbäuerlichen Familien war - das sage ich Ihnen als jemand, der aus einem Lande kommt, das besondere Schwierigkeiten mit einer sehr, sehr breit gestreuten klein- und mittelbäuerlichen Agrarstruktur hat, und der sich mit diesen Fragen immer wieder auseinandersetzen muß -, ist es beruhigend, zu wissen, daß die Führung des Berufsstandes, nämlich der Deutsche Bauernverband, gerade in diesen Tagen in seinen, wie ich meine, ausgezeichneten Leitsätzen zur Strukturpolitik Feststellungen getroffen hat, die Sie wiederum fast wörtlich im Programm dieser Regierung finden können.
({3})
Es ist für mich eine große Beruhigung, wenn ich da lese - mit Genehmigung des Herrn Präsidenten zitiere ich einen kurzen Absatz daraus :
Ziel der Sturkturpolitik muß es sein, den Betriebsleitern, ihren Familienangehörigen und den Landarbeitern eine sichere Existenz im ländlichen Raum zu ermöglichen.
Und jetzt kommt es:
Es ist nicht entscheidend, ob diese Existenz in landwirtschaftlichen Voll-, Zu- oder Nebenerwerbsbetrieben oder auch außerhalb der Landwirtschaft gefunden wird. Diesem Ziel müssen nicht nur die Agrarpolitik, sondern auch Maßnahmen der Wirtschafts-, der Regional- und der Gesellschaftspolitik dienen.
Meine Damen und Herren, ich möchte mich fast fragen, wer hier eigentlich von wem abgeschrieben hat. Ich bin der Meinung, es sind beiderseits selbständige Erkenntnisse, die hier reif geworden sind. Ich sage ganz offen: allmählich reif geworden sind; denn das, was sowohl aus Außerungen des Deutschen Bauernverbandes als auch aus manchen Stimmen in der Regierung - aller Regierungen - in
Bauer ({4})
der Vergangenheit herauszuhören war, mußte manchmal doch berechtigte Zweifel aufkommen lassen, ob es wirklich so ist, wie wir und meine Freunde meinen, nämlich daß das Agrarproblem im Ganzen kein Betriebsgrößenproblem ist.
Diese Erkenntnis wird also offensichtlich zusehends zum gemeinsamen Gedankengut all derer, die Verantwortung in der Politik und vor allen Dingen in der Agrarpolitik tragen. Sie deckt sich übrigens in der Zwischenzeit auch mit wissenschaftlichen Erkenntnissen und findet - wenn man von den eingangs erwähnten Entstellungen in einzelnen Presseorganen absieht - auch in den öffentlichen Organen Rundfunk und Fernsehen Zustimmung und Verständnis. Auch wenn mich mein Kollege Ehnes jetzt ganz böse ansieht, möchte ich sagen: ich betrachte es auch als einen gewissen Fortschritt, daß wir ausnahmsweise einmal von unserem Freund Dr. Geiersberger eine freundschaftliche Zensur in dieser Frage bekommen haben. Ich weiß nicht, ob sie vordergründig oder hintergründig ist. Lieber Freund Ehnes, warten wir mal acht Tage zu, dann wissen wir mehr.
Trotzdem möchte ich, um keinen Zweifel aufkommen zu lassen, ein paar Klarstellungen treffen. Ich sagte schon, für uns ist das Agrarproblem kein Betriebsgrößenproblem. Wir wissen, daß neben der bekannten Disparität der Landwirtschaft zur übrigen Wirtschaft, die ja 25 bis 30 % beträgt, die Einkommensungleichheit innerhalb dieses Wirtschaftszweigs wesentlich größer ist. Nach dem Grünen Bericht 1967 - jeder von Ihnen kennt diese Zahlen, aber wir sind hier ja in der Offentlichkeit, und manchmal habe ich den Eindruck, daß das gar nicht oft genug gesagt werden kann - betragen die Einkommensunterschiede innerhalb dieses Berufszweiges zwischen 45 und 140 %. Diese Zahlen des Grünen Berichts zeigen den ganzen Umfang der Unterschiedlichkeit der Betriebsergebnisse. Aus einer anderen Untersuchung der letzten Zeit geht hervor, daß, wenn man die geringeren Leistungen etwa des letzten Viertels der landwirtschaftlichen Betriebe außer Ansatz läßt, die Disparität für die verbleibenden drei Viertel gegenüber der übrigen Wirtschaft praktisch auf Null sinkt. Meine Damen und Herren, auch das ist eine Erkenntnis, die uns bei unseren Maßnahmen für die Zukunft besonders interessieren muß.
Diese Einkommensunterschiede innerhalb der Landwirtschaft sind nicht in erster Linie ein Betriebsgrößenproblem, sondern sie sind ein Resultat mehrerer Faktoren, insbesondere unterschiedlicher unternehmerischer Leistungen des Betriebsinhabers und vor allen Dingen des Standorts und der natürlichen Produktionsbedingungen. Wir sollten uns deshalb keine allzu großen Sorgen machen, wenn wir nun erleben, daß die Zahl der Neben- und Zuerwerbsbetriebe in unserer Landwirtschaft weiter wächst. Diese Betriebsformen sind heute schon, wie ich meine, in der erdrückenden Mehrzahl. Wenn es uns gelingt, fortschreitend sinnvolle außerlandwirtschaftliche Arbeitsmöglichkeiten zu schaffen, wird diese Entwicklung weiter fortschreiten.
Sehr oft wird anstelle dieser unserer Politik das totale Ausscheiden solcher Betriebe gefordert, da sie angeblich die Agrarmarktpolitik unmöglich machen, da sie zur Überschußbildung beitragen. Herr Landwirtschaftsminister, ich meine mich erinnern zu können, das früher auch schon mal aus Ihrem Hause gehört zu haben. Ich teile diese Sorge nicht. Ich bin vielmehr der Meinung, daß an Vollerwerbsbetriebe abwandernde Flächen sicherlich nicht minder intensiv genutzt werden; denn dieser Betrieb ist in der Tat auf eine intensive Bewirtschaftung angewiesen. Ich glaube, daß beim kleinen und mittleren oder beim Zu- und Nebenerwerbsbetrieb steigendes außerlandwirtschaftliches Einkommen eher zur extensiven Bewirtschaftung auf diesen Flächen führt, wenn die Inhaber in diesen Bereichen bleiben.
Meine Damen und Herren, mir erscheint es vielmehr dringend notwendig, angesichts von nur noch rund 400- bis 450 000 Betrieben über 10 ha die Ziele und Leitbilder unserer Strukturpolitik so klar herauszustellen, daß sich die Mehrzahl der landwirtschaftlichen Betriebe - und das sind die unter 10 ha - nicht diskriminiert fühlen, sondern eindeutig wissen, daß unsere Politik ihnen die Freiheit der Entscheidung über die Wahl der Betriebsform und das Verbleiben in ihrem Beruf beläßt.
Von daher leitet sich unsere Forderung ab - und das sage ich wieder sehr deutlich hier nach rechts -, den Fächer der Förderungsmaßnahmen so weit zu spannen, daß Voll-, Zu- und Nebenerwerbsbetriebe spüren, daß es zwischen ihnen keine unterschiedlichen Wertungen in unserer Agrarpolitik gibt.
Gerade aber für den klein- und mittelbäuerlichen Bereich ist es sehr bedauerlich, daß ihr Einkommensrückgrat, Herr Bundesminister, nämlich der Erzeugermilchpreis, bei den Beschlüssen vom 28. Mai in Brüssel nur so unvollständig geregelt wurde und der ganze Fragenkomplex der europäischen Milchüberschüsse vertagt werden mußte, wie ich bereits ausführen durfte. Zwischen dem Termin vom Mai und dem Herbst - vielleicht wird es sogar Winter - liegt ein halbes Jahr oder vielleicht sogar noch etwas mehr, in dem viel zerbrechen könnte, Herr Bundesminister. Wir wissen im Augenblick nur, daß der Förderungszuschlag fortfallen soll, daß die Beseitigung von Stützung und Ausgleich eintreten wird und daß es zur Absicherung im Bereich der Milch nur bei den sogenannten Sorgenprodukten, wie ich sie nennen möchte, nämlich nur bei der Butter und beim Magermilchpulver, gekommen ist. Sämtliche übrigen Milchprodukte werden - wie schon einmal 1953 die Käsereiwirtschaft - ohne binnenwirtschaftliche Schutzmaßnahmen in die Liberalisierung des EWG-Wirtschaftsraums entlassen. Auf diese Gefahr möchte ich nachdrücklich hinweisen. Denn, Herr Bundesminister, alles, was hier in den nächsten Monaten kaputtgeht, erhöht den Butterberg„ verstärkt den Eiweißberg und macht die Aufgabe, vor der Sie dann im Herbst und im Winter stehen, schier unlösbar.
Deshalb, meine Damen und Herren, ein zweites. Wenn hier nicht noch etwas geschieht, dann fürchte ich, daß sich der Erzeugermilchpreis recht unterBauer ({5})
schiedlich auswirken kann. Da sich die Grünlandgebiete in Nord und Süd unseres Vaterlandes meist mit überwiegend Werkmilch-Verwertung decken, trifft diese Unsicherheit ganz besonders diese Gebiete. Ich bitte deshalb die Bundesregierung dringend darum, darauf zu achten, daß durch diese Entwicklung nicht Dauerschäden entstehen, die sich in den von der Natur benachteiligten Gebieten ganz besonders unangenehm bemerkbar machen müssen und genau das Gegenteil von dem bewirken würden, was Sie, Herr Bundesminister, und das Kabinett sich in Ihrem Programm haben angelegen sein lassen, nämlich endlich festzustellen, daß möglicherweise diese Gebiete in der Vergangenheit zu wenig gefördert wurden und daß noch mehr für sie getan werden muß. Passiert aber hier vom Milchpreis etwas Entscheidendes, dann haben Sie und der Herr Bundesfinanzminister gar nicht soviel Geld, um das ausgleichen zu können.
({6})
Da der Ministerrat der EWG für die Bewältigung der Überschußprobleme keine Entscheidungen getroffen hat, scheint es mir dringend notwendig zu sein, mögliche nationale Politik in diesem Bereich in der Zwischenzeit zu betreiben. Dazu gehört, Herr Kollege Ertl, die Verbesserung der Trinkmilchqualität. Dazu würde z. B. eine Überlegung gehören, ob es nicht doch zweckmäßig ist, wieder ein obligatorisches kostenloses Milchfrühstück als humanitäre, werbende und soziale Maßnahme einzuführen. Das, was heute in der Bundesrepublik gemacht wird, könnte vielleicht morgen in Europa kommen, und ich weiß nicht, ob es nicht für den Finanzminister wesentlich billiger käme, das Fett hier unmittelbar, wenn ich so sagen darf, vom Erzeuger zum Verbraucher zu bringen, statt es vorher aufs Interventionskarussell zu legen und dann so lange zu warten, bis die Qualitäten schlechter geworden sind und Einlagerungskosten entstanden sind. Es ist eine Frage der Durchrechnung; aber ich glaube, daß der Nutzeffekt insgesamt bei einer solchen Politik größer wäre, als wenn man den anderen, bisherigen Weg weitergeht.
Dazu gehört, Herr Minister, die Fortsetzung der übrigen humanitären Maßnahmen, zu der ich auch die Bundesregierung ermuntern möchte. Dazu gehört auch die Prüfung der Verwendungsmöglichkeit von Milchfett in Futtermitteln an Stelle von Pflanzenfetten. Niemand kann uns im Augenblick hindern, das zu tun. Ich glaube, hier hätten wir eine Möglichkeit, einen Schritt voranzugehen; ähnlich, wie es die Holländer mit dem Trinkmilch-Fettgehalt getan haben, könnten wir zur Ermunterung unserer eigenen Erzeuger möglicherweise in dieser Richtung einen Schritt tun.
Ich bedaure sehr, daß die linke Seite unseres Hauses so schlecht besetzt ist; denn ich möchte jetzt etwas anderes noch einmal ansprechen, nämlich die Frage der Margarineabgabe. Ich vermag einfach die Haltung des Kabinetts in dieser Frage nicht zu begreifen. Sollte es noch eine Fraktion in diesem Hause geben, die meint, sich vor den Margarine-konzern stellen zu müssen, weil er möglicherweise Schaden leidet, wenn er 120 Millionen DM Steuern
in der Bundesrepublik aufbringt, bei einem Margarinepreis, der beinahe so hoch ist, daß es, auch wenn man wesentlich mehr als 11 oder 18 Pfennige, ja, ich bin der Meinung, auch wenn man 50 und 60 Pfennige verlangen würde, möglich sein müßte, dies im Preis ohne Schaden für den Verbraucher auf-. zulangen?!
({7})
Ich möchte doch wissen, ob es nun Mode und neuer Stil geworden ist, daß sich ausgerechnet unser Koalitionspartner, die SPD, vor solche „notleidenden" Konzerne stellt. Nein, er meint, er müsse sich vor die Verbraucherschaft stellen. Hier haben Sie aber den falschen Schutzschild aufgebaut.
Ich freue mich sehr, daß Herr Staatssekretär von Dohnanyi noch da ist. Denn ich habe mir sagen lassen, daß Ihr Minister, Herr Dohnanyi, mit zu den geschworenen Gegnern einer solchen Margarineabgabe gehört. Ich weiß, daß Ihr Minister und auch Sie in wirtschaftlichen Überlegungen mir turmhoch überlegen sind; aber in dieser Frage lassen Sie sich bitte auch von mir einen Rat geben. Ich bitte Sie, schlafen Sie noch einmal in Ruhe darüber. Ich glaube, Sie täten gut daran, vor der Öffentlichkeit und auch vor dem Berufsstand, über den wir heute reden, und Sie könnten bestens auch vor der Verbraucherschaft bestehen. Denn wenn wir auch hier einen ganz bescheidenen Beitrag dazu leisten könnten, einen weitaus größeren Teil unserer Bevölkerung in den Genuß des hervorragenden Nahrungsmittels Butter zu bringen - der Herr Landwirtschaftsminister ist ja bereit, es sogar zu etwas günstigeren Bedingungen zu tun -, dann, so meine ich, sollten Sie, Herr Staatssekretär, und Ihr Minister sich beinahe nicht
überbieten lassen, schleunigst dafür zu sorgen, einmal Beschlossenes, was offensichtlich falsch ist, rasch wieder richtigzustellen.
({8})
Untersuchung der Möglichkeit der Besteuerung von Zukaufsfuttermitteln: Ich sage hier gleich etwas an die Adresse der Landwirtschaft. Die Verteuerung der Zukaufsfuttermittel ist ein höchst umstrittenes Problem innerhalb dieses Berufsstandes. Es ist in Wirklichkeit indirekt, wenn Sie so wollen, ein Zugeständnis im Milcherzeugerpreis. Denn wenn ich von daher etwas tue, könnte ich genausogut sagen, hier erfolgt indirekt ein Druck auf den Erzeuger; ich sage: indirekt. Aber, Herr Kollege Wächter, ich bin der Meinung, daß hier geprüft werden sollte, ob es wirklich notwendig und richtig ist, daß wir bei uns in der Bundesrepublik allzu stark das holländische System der Veredlungsproduktion nachahmen,
({9})
indem wir anfangen, auch unsere Kühe an den La Plata zu bringen, sie dort zu füttern, anschließend hier in Europa zu melken und dann zu sagen: liebe Finanzminister, seid so freundlich und besorgt uns die Beseitigung dieser Überschüsse. Ich meine, eine solche Agrarpolitik wirkt unglaubwürdig, wenn man nicht mindestens den Mut hat, darüber einmal miteinander zu reden. Herr Minister, ich bin gern bereit, ein solches Gespräch auch mit Ihnen und mit dem Berufsstand zu führen. Ich bin überzeugt, daß es
Bauer ({10})
unterschiedliche Meinungen gibt. Aber ich glaube, bei sachlicher gegenseitiger Argumentation müßten wir auch einen Schritt weiterkommen.
({11})
Warum sage ich das alles? Ich sage es ganz einfach deshalb, weil ich kein solcher Illusionist bin, zu glauben, daß es schlicht und einfach aus der Kasse des Steuerzahlers und ohne einige grundlegende Änderungen, ohne zusätzliche Finanzierungsquellen - einerseits und andererseits - auf die Dauer möglich ist, für die Finanzierung dieser Milchpolitik zu sorgen. Ich meine, daß wir andere Möglichkeiten, die sich hier anbieten - zwei oder drei davon habe ich angesprochen -, ebenfalls ausschöpfen sollten, wenn wir mit unseren übrigen Forderungen glaubwürdig bleiben wollen.
Nur zu diesen beiden Problemen, zur Strukturpolitik und zu der Frage, was über die fünf, sechs, sieben und acht Monate hinweg mit unserer Milchwirtschaft wird, wollte ich Stellung nehmen. Lassen Sie mich für heute schließen. Ich bin der Meinung, daß die heutige agrarpolitische Debatte ein guter Tag für die deutsche Landwirtschaft, für die deutsche Ernährungswirtschaft und auch für dieses Hohe Haus in all seinen Teilen werden könnte, wenn wir nur alle miteinander das, was heute hier gesprochen und beschlossen wird, in der kommenden Zeit nicht vergessen, und dazu möchte ich Sie jetzt schon ermuntern.
({12})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Rehs.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich werde keine langen Ausführungen machen. Aber ich muß in zwei Punkten gegen den agrarpolitischen Programmentwurf nachhaltig Einspruch anmelden. Namens der in diesen beiden Punkten besonders betroffenen Menschen, der heimatvertriebenen und geflüchteten Bauern, fühle ich mich dazu verpflichtet.
Es sind dies erstens die Bemerkungen in dem Bericht über den Stand der bäuerlichen Eingliederung und Siedlung, und es sind zweitens die Absichten, die hinsichtlich der künftigen Verwendung des Sondervermögens des Bundes bei der Deutschen Siedlungs- und Rentenbank, des sogenannten Zweckvermögens, geäußert worden sind.
Zu Punkt 1. Der Herr Ernährungsminister meint, daß die bäuerliche Eingliederung und Siedlung im wesentlichen als abgeschlossen betrachtet werden könne und daß seit Beginn der Eingliederung 25 Jahre vergangen seien. Beides ist unzutreffend.
Zum zweiten darf ich nur darauf hinweisen, daß das Flüchtlingssiedlungsgesetz und das Soforthilfegesetz im Herbst 1949 überhaupt erst beschlossen wurden, so daß Auswirkungen erst ab 1. Januar 1950 eintreten konnten. Es sind also bestenfalls 18 Jahre seit der ersten öffentlichen Förderung aus Soforthilfe- bzw. Bundeshaushaltsmitteln. Wenn ich aber die in dem Bericht angegebene Zahl von 25 Jahren so auffassen darf, daß dieser Zeitraum zur Durchführung dieser Maßnahmen für erforderlich gehalten wird, dann würden also in jedem Falle nach dieser Auffassung diese Maßnahmen noch mindestens sieben Jahre hindurch weiter fortzusetzen sein. Das wäre allerdings eine Auffassung, der ich durchaus zustimmen könnte.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir alle, soweit wir uns mit diesen Dingen beschäftigt haben, wissen, daß die früheren Vorstellungen und Ziele der Bundesregierung und des Bundestages auf diesem sehr schwierigen Gebiet keinesfalls erreicht worden sind. Der von der Bundesregierung - ich nehme jetzt nur diesen zweiten, den letzten Fünfjahresplan - zur Eingliederung vertriebener und geflüchteter Landwirte für die Jahre 1964 bis 1968 beschlossene Fünfjahresplan hat ebenfalls nicht den erhofften Erfolg gebracht, weil eben die erforderlichen finanziellen Mittel seitens des Bundes nicht zur Verfügung gestellt worden sind. Das ist in keinem der zurückliegenden Jahre in ausreichendem Maße geschehen, und deshalb sind eben die früheren Vorstellungen und Ziele niemals erreicht worden. Statt der jetzt in diesem letzten Zeitraum geplanten 40 000 Voll- und Nebenerwerbsstellen sind insgesamt nur etwa 28 000 Stellen, und zwar vornehmlich Nebenerwerbsstellen, geschaffen worden. Das hat zur Folge, daß noch rund 70 000 Bewerber - nun, ich weiß, es wird von manchen Stellen nur eine Zahl von 40 000 bis 50 000 angenommen; man versucht, die Zahl zurückzudrehen, um eben die Dringlichkeit der Fortführung damit schwächer zu machen - auf die Berücksichtigung ihrer Anträge warten, und zwar seit vielen Jahren. Unter diesen vertriebenen und geflüchteten Landwirten, die heute vielfach als Hilfsarbeiter und in anderen untergeordneten Berufen tätig sind, breitet sich naturgemäß eine politisch besorgniserregende, aber auch menschlich verständliche Verbitterung aus.
Zum zweiten Punkt möchte ich darauf hinweisen, daß sich das Zweckvermögen, von dem ich sprach, das von der Deutschen Siedlungs- und Landesrentenbank im Auftrage der Bundesregierung verwaltet wird, zu 66 bis 75 % aus Krediten zusammensetzt, die an Vertriebene und Flüchtlinge gewährt worden sind und deren Tilgungsleistungen als sogenannte Rückflüsse - es sind zur Zeit etwa 100 bis 120 Millionen DM jährlich - in Ergänzung der Haushaltsmittel für Siedlungszwecke zur Finanzierung des jeweiligen Siedlungsprogramms eingesetzt werden.
Es galt bisher als unbestrittener Grundsatz, daß die Mittel dieser Rückflüsse für die gleichen Maßnahmen wieder eingesetzt werden, für die sie ursprünglich gewährt wurden, d. h. für die Neusiedlung wie auch zur Finanzierung des Ankaufs und der Pacht bestehender Betriebe.
Herr Bundesernährungsminister, ich darf auf die Endschließung Bezug nehmen, die in diesen Tagen der Bundestagsausschuß für Heimatvertriebene einstimmig gefaßt hat und die ich mir erlaubt habe, Ihnen ebenso wie den zuständigen anderen Herren Ministern in einem besonderen Schreiben zugehen zu lassen. In dieser Entschließung ist in Erinnerung
gebracht worden - und das möchte ich auch an dieser Stelle tun -, daß vor gar nicht langer Zeit in dem Schriftlichen Bericht des Wirtschaftsausschusses über den Entwurf eines Gesetzes über die Zusammenlegung der Deutschen Landesrentenbank und der Deutschen Siedlungsbank - es handelte sich damals um die Drucksache IV/3496 - festgestellt worden ist, daß mindestens drei Viertel der Rückflüsse des Zweckvermögens den Vertriebenen und Sowjetzonenflüchtlingen zur Eingliederung in die Landwirtschaft zugute kommen müssen. Dieser Bericht ist damals durch einen Plenarbeschluß des Deutschen Bundestages bestätigt worden; in gleicher Hinsicht sind zusätzliche Zusicherungen von seiten der Bundesregierung erfolgt.
Meine Damen und Herren! Wenn die Absichten durchgeführt würden, wie sie uns hier aus dem Bericht, aus diesem Arbeitspapier, wie es Kollege Bauer ({0}) genannt hat, entgegenscheinen, würde in der Tat die bäuerliche Siedlung völlig zum Erliegen kommen. Ich darf darauf verweisen, ¡daß die wenigen Mittel, die bisher über das Jahr 1969 hinaus vorgesehen sind - 30 Millionen usw. -, ja nicht einmal ausreichen, um die Nebenkosten und die Zinsen zu decken. Das heißt also: dies Kapitel wird totgelegt.
Ich halte das für unverantwortlich. Hier handelt es sich um gegebene Zusicherungen. Hier handelt es sich um gegebenes und erworbenes Vertrauen. Hier handelt es sich um lange Geduld, die auf Grund dieses Vertrauens von den Betroffenen gezeigt worden ist. Ich möchte sehr eindringlich davor warnen, dieses Vertrauen nicht zu erfüllen.
Ich bitte aus diesen Gründen - deshalb habe ich heute überhaupt das Wort genommen - schon jetzt das Hohe Haus, sich dem Ernst dieses menschlichen und politischen Problems nicht zu verschließen und ihm bei den weiteren Beratungen zu beiden Punkten Rechnung zu tragen.
Das Wort hat Herr Kollege Logemann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin der Auffassung, wir sollten uns heute hier bemühen, anläßlich der Vorlage eines mittelfristigen Agrarprogramms nun wirklich die Punkte, die jetzt agrarpolitisch kommen sollen oder kommen könnten, konkret anzusprechen. Ich finde, wir kommen nicht weiter, wenn wir an einer so ernsten Situation wie der, in der sich heute die deutsche Landwirtschaft befindet, um diese Dinge herumreden. Ich bin insofern dem Herrn Bundesfinanzminister dankbar, daß er hier mit brutaler Offenheit, so möchte ich sagen, einige finanzielle Punkte dargestellt hat. Ich teile seine Auffassung nicht, aber ich möchte hier dazu nur sagen, daß diese Offenheit doch vorhanden war und daß ich sie begrüße.
Nun zunächst einige Anmerkungen zu Ihren Ausführungen, Herr Bundesfinanzminister. Sie haben davon ,gesprochen, es sei notwendig, ein so weitreichendes Programm doch sehr sorgfältig zu prüfen. Dazu sagen wir auch von der Opposition her durchaus ja. Ich möchte gleich hinzufügen, Herr Finanzminister: Es ist nicht unsere Schuld, nicht die Schuld der Opposition, wenn nun der Öffentlichkeit ohne gründliche Beratungen im Kabinett schon ein Programm bekannt wurde, das heute den Auffassungen des Kabinetts nicht mehr entspricht. Wir können nichts dafür, wenn ein unvollständiges Programm veröffentlicht worden ist. Wir bedauern es außerordentlich, .daß nach den ersten großzügigen Ankündigungen das Mammutprogramm, das uns zuerst nur auf Umwegen zugänglich war - ich gehörte nicht zu den glücklichen Abgeordneten, die es direkt bekamen, aber sich habe es mir darin beschafft -, nun doch, Herr Landwirtschaftsminister, zu einem Miniprogramm zusammengeschmolzen ist.
Die Situation in der Landwirtschaft erfordert in der Tat außerordentliche Maßnahmen. Ich muß ganz offen sagen: ich habe es begrüßt, daß jetzt von seiten der großen Koalition nach anderhalb Jahren agrarpolitischen Dauerschlafs endlich etwas eingebracht wurde. Dafür bin ich an sich sehr dankbar. Was ist aber nun geblieben?
Herr Finanzminister, bitte gestatten Sie uns, daß wir auch Ihr Programm, das Programm, das jetzt vorgelegt worden ist, am Finanzvolumen messen. Und hier sind wir allerdings der Auffassung, daß die jetzt noch vorhandenen zusätzlichen Mittel, die gegeben werden sollen, es kaum gestatten werden, ohne vorherige Kürzung zusätzlicher Maßnahmen nun neue Maßnahmen zu finanzieren. Das ist einfach kaum noch drin.
Und ein Zweites möchte ich hier ansprechen. Hier ist von meinem Vorredner schon gesagt worden: Es geht um die Glaubwürdigkeit der Agrarpolitik der Bundesregierung. Zur Glaubwürdigkeit der Agrarpolitik der Bundesregierung sollte jetzt auch eine Aussage in der Form gehören, daß das EWG-Anpassungsgesetz entsprechend seinem Urtext nicht erfüllt wird.
({0})
Es wird einfach nicht erfüllt, sondern diese Mittel, die man jetzt geben will, sollen ja durch Kürzung anderer Etatmittel aufgebracht werden. Ich finde, das ist Augenwischerei und eine Täuschung für die Betroffenen. Deshalb möchte ich ganz deutlich sagen: Mit so etwas wird die Glaubwürdigkeit der Agrarpolitik erschüttert.
({1})
Nun noch einige Anmerkungen, Herr Minister Höcherl, zu Ihrem Agrarprogramm; ich hätte sie nicht gemacht, wenn nicht diese rigorosen Kürzungen in der Zwischenzeit eben durch den Bundesfinanzminister bekanntgeworden wären. Eine deutsche Zeitung schrieb vor einigen Tagen, das mittelfristige Agrarprogramm der Bundesregierung müsse nun endlich zu einer langfristigen Agrarpolitik aus einem Guß führen. Mit „einem Guß" war wahrscheinlich die nun endlich fällige Einbettung der Landwirtschaft in den Bereich der allgemeinen Wirtschaftspolitik gemeint. Ich darf dazu sagen, daß
Sie mit Ihrem Programm diesem Ziel in keiner Weise näherkommen.
Ich darf dazu auf zwei völlig unterschiedliche Aussagen, einmal die des Wirtschaftsministers, und zum anderen die des Landwirtschaftsministers, hinweisen. Wirtschaftsminister Professor Schiller hat wiederholt erklärt, daß er mit jährlichen Einkommensteigerungen und Lohnerhöhungen von 4 bis 5 % rechnet. Er hat immer wieder dazu aufgefordert, diese Lohnerhöhungen in Anspruch zu nehmen. Wenn ich eine Inflationsrate von etwa 1 bis 2 % noch dazurechne, müßten ja auch die Bauern jährliche Einkommenserhöhungen in Höhe von etwa 5 bis 6 % erwarten können.
Nun die Aussage des Landwirtschaftsministers. Hier, Herr Minister, ist bezüglich der Preispolitik für mich keineswegs alles so klar, wie es mein Herr Vorredner zum Ausdruck gebracht hat. Ich habe in der Tat Ihr Programm sehr sorgfältig gelesen und habe gefunden, daß Sie der Meinung sind - und so ist es schriftlich festgehalten -, daß die Erzeugerpreise für wichtigste landwirtschaftliche Erzeugnisse wie Weizen, Milch und Zuckerrüben nach Ihrer Auffassung einfrieren müßten. Sie sind ferner der Meinung, daß bei den übrigen Erzeugerpreisen eine EWG-Preisanhebung nur möglich ist, wenn Verbrauch und handelspolitische Erfordernisse es gestatten.
({2})
Meine Damen und Herren! Auch das ist für mich ein Nein zu einer weiteren Preispolitik. Nun, bitte, wenn man auf der einen Seite sagt, man wolle die landwirtschaftlichen Erzeugerpreise einfrieren lassen, und wir als Landwirte auf der anderen Seite wissen, daß, durch die Wirtschaftspolitik bedingt, diese Einkommens- und Lohnsteigerungen zu erwarten sind, dann bedeutet doch das Festhalten der landwirtschaftlichen Erzeugerpreise in einem solchen Augenblick, daß die Bauern gezwungen sein werden, in Zukunft bei steigenden Kosten und eingefrorenen Preisen zu produzieren.
Damit, Herr Minister, komme ich zu der Meinung, daß in der Tat mit Ihrem Programm nicht eine Beseitigung der Disparität erfolgt, sondern vielmehr mittelfristig deren Zementierung. Gerade das lehnen wir mit Entschiedenheit ab. Herr Minister, wer Preise einfrieren will, muß doch vorher auch die Kosten in den Griff bekommen, muß doch vorher Kosten einfrieren, wenn man überhaupt noch zu einer Verbesserung der Einkommenssituation kommen will.
Ich möchte gerade hier bei diesem Punkt noch einmal auf unsere Kernforderung hinweisen, auf kostenorientierte landwirtschaftliche Erzeugerpreise, auf die wir nicht verzichten werden. Was ich besonders bedauere, ist die Tatsache, daß mit solchen Festlegungen in einem Programm die Bundesregierung doch auch für die Partnerländer in der EWG Schrittmacher für niedrigere Erzeugerpreise ist. Wir hätten in der Tat doch auch die Hoffnung haben können, daß z. B. auch von Frankreich her durch die Lohnerhöhungen gewisse Veränderungen der Agrarpreisanhebung mitgekommen wären, die wir als Unterstützung bekommen hätten.
Damit verbauen Sie doch von vornherein EWG-Initiativen den Weg. Das bedauere ich außerordentlich. Ich bin nicht der Meinung, Herr Minister, daß Sie mit den Mitteln, die Sie jetzt noch zur Verfügung haben, in etwa in der Lage sind, die entstehenden Mehrkosten für die Landwirtschaft bei eingefrorenen Preisen in Zukunft auszugleichen.
Nun eine Anmerkung zu Ihrer Aussage, es müßte doch endlich zu einer Beendigung der kostspieligen Überschußproduktion kommen. Ich bin mit Ihnen völlig einig, verweise aber darauf, daß Sie kürzlich einmal zur Milch-Fett-Bilanz erklärt haben: Die Überschüsse der anderen sind ein EWG-Problem, das wir eingekauft haben, um die Zollunion zu ermöglichen. Das ist Ihre Aussage zu diesem einen Problem des Butterbergs, von der EWG her gesehen.
Wir dürfen auf keinen Fall zulassen, daß, wenn man schon die Überschüsse der anderen einkauft, um damit eine Zollunion zu verwirklichen, durch diese Überschüsse und ihre Beseitigung der deutsche Ernährungsetat irgendwie belastet wird und daß die Bauern gezwungen werden, diese Belastung praktisch in irgendeiner Form durch Kürzung von Etatmitteln mit zu übernehmen.
Ich sage ja zu diesem Ziel der Anpassung der Erzeugung an den Marktbedarf. Ich behaupte gleichzeitig: Auch diesem Ziel kommen Sie nicht näher, vor allem deshalb nicht, weil Sie jetzt die Landwirtschaft durch das Festhalten der Preise bei steigenden Kosten in eine Kostenklemme bringen, die sie zwingen wird, in der Zukunft nicht weniger, sondern mehr zu produzieren. Auch das müssen wir in dieser Situation sehen.
Es ist völlig natürlich, daß die Agrarstrukturmaßnahmen, die wir in Einzelteilen bejahen, wie schon der Kollege Ertl gesagt hat, letzten Endes auch dazu führen werden, daß nicht weniger, sondern noch mehr erzeugt wird. Sie wollen ja, Herr Minister, die bessere Betriebsführung prämiieren, Sie wollen eine bessere Schulausbildung prämiieren. Auch das unterstützen wir. Aber auch das führt letzten Endes zur Mehrproduktion. Deshalb lösen Sie mit Ihren Forderungen dieses Problem der Überproduktion in keiner Weise.
Nun noch eine Anmerkung zu einem anderen Punkt, den ich aber nur sehr kurz behandeln will. Herr Minister, ich habe Ihren Ausführungen im Programm entnommen, daß Sie eine verstärkte Förderung der Abwanderung aus der Landwirtschaft anstreben. Die FDP ist der Meinung, man kann die Abwanderungsquote nicht einfach festlegen und zementieren. Die Abwanderung wird weitergehen. Ich möchte aber ausdrücklich anmerken - das sollte nicht vergessen werden -, daß die deutsche Landwirtschaft die höchste Abwanderungsquote von allen Partnerländern in der EWG hat.
In einem Gedanken folge ich Ihnen jedoch nicht. Sie meinen, mit der verstärkten Abwanderung von Menschen aus der Landwirtschaft könne für die dann noch in .der landwirtschaftlichen Tätigkeit verbleibenden Menschen ein höheres Einkommen erreicht werden. Da bin ich anderer Auffassung. Den Beweis dafür könnten z. B. die Vorgänge in den
Vereinigten Staaten liefern. Dort ist es durchaus nicht so, daß man bei weniger Menschen zu einer besseren Einkommenssituation gegenüber anderen Wirtschaftsbereichen gekommen ist.
Eine andere Forderung, die sehr bedenklich ist, hat Herr Kollege Ertl schon zurückgewiesen, die Forderung nämlich, daß eine Abgrenzung einzelner Problemkreise, wie Sie es genannt haben, in der rentablen Landwirtschaft künftig nicht mehr möglich sein solle. Meine Damen und Herren, „Problemkreis" ist ein Wort, das wir zurückweisen sollten. Vor allem sollten wir ,es .ablehnen, wiederum Schrittmacher für die Stillegung von landwirtschaftlichen Kapazitäten zu sein, während in anderen Ländern, wie wir wissen - ich erinnere etwa an Holland oder Belgien -, geradezu eine Erzeugungsschlacht stattfindet. Herr Minister, wenn wir hier stillzulegen versuchen und diese Stillegungen nicht von der EWG her geschehen, ist zu erwarten, daß dann andere sofort verstärkt in die Produktion einsteigen. Sie würden dann also dem Ziel .der Anpassung der Erzeugung an den Marktbedarf in keiner Weise nähergekommen sein.
Zum Abschluß darf ich nur noch feststellen, daß das jetzt vorliegende Agrarprogramm mit den neuesten Kürzungen, die wir heute nachmittag gehört haben, nach unserer Auffassung nicht geeignet ist, die Situation der Landwirtschaft mittelfristig zu verbessern.
({3})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Klinker.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben eine lange Debatte geführt, und wir stehen am Vorabend des gemeinsamen Agrarmarktes, der bekanntlich durch politische Beschlüsse herbeigeführt worden ist. Die Mehrheit dieses Hohen Hauses hat diesem Beschluß zugestimmt. In Anbetracht der Ingangsetzung dieses Marktes halte ich es für durchaus richtig, daß die Bundesregierung, Herr Minister Höcherl, ein solches Programm hier vorgelegt hat. Das Landvolk - das wissen Sie alle - ist in großer Sorge um die Existenz. Die Vertrauenskrise gegenüber Regierung und Parlament muß von uns allen sehr ernst genommen werden. Letztlich wird hier die Politik auch für diesen Wirtschaftszweig gemacht, der sich Landwirtschaft nennt, der eine volkswirtschaftlich wichtige Aufgabe auch im Industriestaat hat, auch im Industriestaat Europa.
Ich glaube, daß der Leistungswille dieser deutschen Landwirtschaft immer wieder dokumentiert wurde und daß letzten Endes auch das, was Sie, Herr Minister Höcherl, in Ihrem mittelfristigen Programm sagen, diesem Leistungswillen Rechnung trägt. Diese Landwirtschaft weiß natürlich ganz genau, daß letztlich alle Eigenleistung nichts wert ist, wenn nicht die Politik die notwendige Hilfestellung gibt. Ich glaube, daß die deutsche Landwirtschaft dadurch, daß sie technisch investiert hat, daß sie technisch rationalisiert hat, leistungsfähig genug ist, um auch den Wettbewerb im europäischen Markt bestreiten zu können. Die Politik muß so ausgeführt werden, wie sie konzipiert wurde, so daß es gelingen kann - insofern sehe ich auch dieses mittelfristige Agrarprogramm als eine gute Diskussionsgrundlage für die weitere Arbeit gerade im Ministerrat in Brüssel an -, eine echte deutsche Initiative zu entfalten, die dazu führt, daß die Neugliederung der europäischen Landwirtschaft in dem industriestaatlichen System so real - möchte ich einmal sagen - als möglich geschieht.
Wir wissen, daß der Kabinettsausschuß, den Sie vorschlagen, vor einer großen Verantwortung steht. Es darf hier auch gesagt werden, daß wir alle hoffen, daß die Minister ihre Arbeit so koordinieren, daß etwas Vernünftiges und etwas Vertretbares dabei herauskommt. Die Agrarpolitik ist wieder einmal Vorreiter, jetzt auf der EWG-Ebene. Sie war es nach dem Kriege auf der nationalen Ebene. Sie hat es ermöglicht, daß in Deutschland der Wirtschaftsaufschwung in dieser Weise vor sich gegangen ist, wie wir es feststellen können. Sie wird es nach meiner Auffassung auch ermöglichen, daß sich die europäische Gesamtwirtschaft in Europa im Sinne dessen entwickeln wird, was der Vertrag von Rom vorhat. Deswegen ist es meines Erachtens von untergeordneter Bedeutung, wenn wir hier jetzt von vornherein Kritik an den Einzelheiten dieses Initiativvorschlages üben. Er soll ja erst dadurch mit Leben erfüllt werden, daß dieses Ministerkollegium jedenfalls auf der nationalen Seite konstruktiv wirkt und eine vernünftige allgemeine Wirtschaftspolitik aufbaut.
Die Agrarpolitik ist nun am 1. Juli so weit vollendet, oder sic wird in Gang gesetzt; aber die Handels-, die Verkehrs-, die Steuer-, die Währungspolitik hinken hinterher. Die Handelspolitik ist zwar formell auch zum 1. Juli beschlossen; aber Sie wissen alle, was es heißt, wenn die Fragen der Verkehrs- und Steuerpolitik nicht harmonisiert werden. Ich appelliere ganz besonders an den Wirtschaftsminister, daß er sich dieser Tatsache bei allen Verhandlungen bewußt ist; denn eine gemeinsame Agrarpolitik kann meines Erachtens auch nur dann funktionieren, wenn Handels-, Verkehrs-, Steuer- und Währungspolitik so schnell wie möglich so koordiniert werden, daß ein vernünftiges Ganzes dabei herauskommt. Wenn man es politisch so gewollt hat, daß nun mit der Landwirtschaftspolitik für die europäische Einigung der Anfang gemacht wurde, muß man diese Leistung der Landwirtschaft auch politisch honorieren, Herr Minister, dann kann man nicht sagen: Weil das alles nicht so schnell gegangen ist, haben wir jetzt nicht genügend Geld. Ich bin der Meinung, wenn man einen Haushalt - das kann ich auch als Wirtschaftler sagen - richtig bewirtschaftet, hat man für die Schwerpunkte, die politisch notwendig sind, auch das Geld. Dann muß man eben diesen Haushalt so durchforsten, daß das Geld vorhanden ist.
Es gibt zwei akute politische Probleme in der Bundesrepublik; das ist die Ausbildung der Jugend und das ist die Agrarpolitik. Dafür muß eben im Rahmen einer so leistungskräftigen Volkswirtschaft das nötige Geld bereitgestellt werden kön9882
nen. Ich glaube auch, daß das der Sinn der ganzen Diskussion heute gewesen ist, daß durch die Initiative der Regierung der Großen Koalition, wie ich hier feststellen muß, doch die Diskussion über die Notwendigkeit einer gesunden Landwirtschaft und einer gesunden europäischen Volkswirtschaft neuen Auftrieb bekommen hat.
Wir sollten alle zusammen, meine sehr verehrten Damen und Herren, der Regierung in ihrer schweren Verantwortung helfen; denn sie hat Gerechtigkeit gegenüber jedermann, auch gegenüber wirtschaftlichen Minderheiten zu üben. Wir sollten unsere Verantwortung nicht zu leicht nehmen, wir, das Hohe Haus, und immer nur die Regierung für das verantwortlich machen, was geschieht. Auch wir verfügen über das Haushaltsrecht, damit haben wir Politik zu machen. Insofern möchte ich es mir ersparen, hier auf die Einzelheiten der Diskussionsbeiträge einzugehen.
Ich möchte zum Schluß nur sagen: Herr Minister, Sie haben ins Schwarze getroffen. Die Diskussionsbeiträge von links und rechts haben es mir gezeigt.
({0})
Das Wort hat Herr Kollege Ehnes.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Logemann, Sie haben von einem agrarpolitischen Dauerschlaf einerseits und von einem unvollständigen Programm andererseits gesprochen. Dazu möchte ich folgendes sagen. Zunächst wird es in diesem Hause kein vollständiges Programm geben, weil wir alle gemeinsam nicht in der Lage sind, dieses Programm vollständig in bezug auf alle Wünsche zu gestalten. Deswegen sollte man dieses Programm nun nicht vorweg verurteilen, sondern sollte gemeinsam über alle Fraktionen hinweg dieser Regierung und vor allem diesem Minister Hilfestellung gewähren, damit aus diesem Programm das entwickelt wird, was unsere Landwirtschaft draußen braucht.
Sie haben weiterhin erklärt, die Disparität werde damit nicht beseitigt werden.
({0})
Ich möchte dazu sagen: ob die Disparität beseitigt worden ist oder nicht, wird erst festgestellt werden können, wenn das Programm Gestalt angenommen hat und wenn das Parlament, dieser Deutsche Bundestag, bereit war, eine entsprechende Hilfestellung bei der Durchsetzung der Ziele in den Ausschüssen zu gewähren. Deswegen glaube ich, daß es sehr darauf ankommen wird, ob wir in der Öffentlichkeit bereit sind, der landwirtschaftlichen Bevölkerung mit diesem Programm durch echtes Wollen und in der Durchsetzung der Maßnahmen, die hier notwendig sind, einen Dienst zu erweisen.
Damit komme ich zu dem Problem der Preispolitik an und für sich; denn das, was der Herr Finanzminister Strauß hier dargestellt hat, sollte uns gemeinsam in diesem Hohen Haus veranlassen,
in jedem Bereich die marktpolitische, preispolitische Situation besser auszunutzen, als es je der Fall war. Der Kollege Ertl und der Kollege Logemann haben hier manchmal Zweifel anklingen lassen, die mit Sicherheit, was die CDU/CSU betrifft, nicht angebracht sind und die mein Kollege Bauer in aller Deutlichkeit richtiggestellt hat.
Ich möchte aber vom süddeutschen Bereich her im besonderen noch auf das hinweisen, was in der Vergangenheit in Brüssel wenig Berücksichtigung gefunden hat, nämlich das Problem der Getreidepreise, der Weichweizenpreise und, damit verbunden, der Qualitätsbraugerstenpreise, die für den süddeutschen Bereich nicht nur von ausschlaggebender, sondern gleichzeitig von einer eminenten Bedeutung sind, wenn man weiß, daß man dort in einer jahrzehntelangen Arbeit, in zwei Jahrzehnten, einen Qualitätsbegriff entwickelt hat, der in Europa beispielgebend nicht geboten werden kann, einen Qualitätsbegriff, an dem die gesamte Volkswirtschaft im Konsum des deutschen und des europäischen Bieres echten Anteil hat.
Ich glaube, wir haben allen Anlaß, in der heutigen Debatte darauf hinzuweisen, daß etwa 6441/4 dieses Rohstoffes in Europa von der deutschen Landwirtschaft gestellt worden sind. Wir haben allen Anlaß, diesem Rohstoff das Absatzgebiet zu erhalten und diese hohen Qualitäten, die hier erzeugt werden, nicht dem Schweinemagen zuzuführen. Was sich auf dem Gebiet der Veredelung abspielt, wissen wir alle sehr gut. Wir glauben, daß dieses Urprodukt, diese bayerische und deutsche Braugerste, deswegen nicht der Veredelung gegeben werden sollte, sondern sie sollte dem Zwecke der Biererzeugung in der Bundesrepublik und in Europa zugeführt werden.
In Zahlen ausgedrückt würde es bedeuten, daß 100 000 t Braugerste, die nicht zu Brauzwecken verwendet werden, etwa weitere 300 000 Schweine an den Markt bringen könnten. Es würde weiterhin bedeuten, daß für die Bereiche, die sich auf dieses Produkt ausgerichtet haben, ein Umstellungsprozeß notwendig wäre, der dem betroffenen Kreis finanziell sehr hart zu stehen käme, im gesamten gesehen aber all jene Bereiche mit trifft, die heute stark in der Veredelungsproduktion stehen.
Ich glaube, deswegen ist es notwendig, auch in der heutigen Debatte darauf hinzuweisen, daß bei der Anhebung der Getreidepreise, vor allem bei Weichweizen, der Braugerstepreis als Qualitätspreis an den Weichweizen angegliedert sein muß und daß, wenn es nicht über die einzelnen Anhebungen möglich ist, in der Europäischen Gemeinschaft eben gemeinsam die Prämie wieder auf die Tagesordnung kommen muß, um in einer gemeinsamen Möglichkeit eines europäischen Qualitätsbraugerstepreises auch .diesen Bereich entsprechend abzusichern.
Wir werden Gelegenheit haben, zu diesem Programm in den Ausschüssen unsere Stellungnahme abzugeben. Meine politischen Freunde werden dort mit mir in dieser Hinsicht tätig werden.
({1})
Das Wort hat der Abgeordnete Giulini.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In später Stunde ein letztes Wort von seiten eines Abgeordneten, der nicht bei der Landwirtschaft zu tun hat. Ich glaube, in einer solchen Debatte wie hier sollten nicht nur Landwirte über Landwirtschaft vor Landwirten, sondern auch einmal Abgeordnete aus anderen Berufs- und Wirtschaftszweigen sprechen.
({0})
In eigener Sache ist man nämlich immer ein schlechter Anwalt. Ich möchte nur über drei Punkte kurz sprechen. Es wird nur einige Minuten dauern.
Meine Damen und Herren, heute ist mit Recht gesagt worden, daß die Landwirtschaft ein Teil der Wirtschaft ist. Es ist doch eine alte Geschichte, daß vor Tausenden von Jahren die Wirtschaft meist nur die Landwirtschaft, die Jägerei und die Fischerei waren und daß bei uns durch die Industrialisierung sich die Sache etwas verschoben hat. Das heißt aber nicht, daß die Wirtschaft jetzt nicht die Landwirtschaft in der jetzigen Situation - im wahrsten Sinne des Wortes - unterhaken sollte.
Wir erkennen doch eines an, meine Damen und Herren. Wenn ich als Industrieller, als Landwirt oder überhaupt als Betriebswirt etwas habe und es selbst herstellen kann, dann - hol's der Teufel! - kann man das gerade auch immer billig zukaufen. Habe ich etwas nicht oder muß ich es mit Umständen auswärts besorgen, kostet es viel Geld. Ich behaupte, daß die Tatsache, daß ich etwas habe und dadurch die Möglichkeit besteht, es billig zuzukaufen, in der Mischung, im Mischpreis billiger ist, als alles zuzukaufen. Das kann man auf die Landwirtschaft anwenden, das kann man auf die Kohle anwenden, das kann man auf die Verkehrsindustrie anwenden. Wir in der Industrie sollten wissen: wenn wir die Landwirtschaft verrecken ließen, müßten wir ganz übel zukaufen. Wir haben eine leistungsfähige Landwirtschaft. Wenn bei uns auf einen Landwirt zwanzig Ernährte kommen, ist das doch eine ganz stolze Zahl. Ich meine, daß der Mischpreis, den wir jetzt zu zahlen haben, auch in der EWG, günstiger ist, als wenn wir alles von draußen kaufen.
Zweiter Gedanke! In der EWG wird im Augenblick ein Großversuch exerziert, das ist die Landwirtschaft. Es läuft der Großversuch, ob man im Rahmen von sechs Ländern auch später auf dieselbe Methode die ganze EWG wirtschaftlich arbeiten lassen kann. Wir sollten uns darüber im klaren sein - ich sage das aus vielen blutigen Erfahrungen -, daß die ersten Kosten die billigsten sind, daß die ersten Schwierigkeiten die einfachsten sind. Wir sollten die Wirtschaft auffordern, nicht zu sagen: „Die Landwirtschaft muß, die Landwirtschaft muß", - nein, wir müssen jetzt mithelfen, daß die ersten Schäden, möchte ich einmal sagen, die ersten fehlgegangenen Wege so klein wie möglich gehalten werden. Denn später, wenn die ganze Wirtschaft auf die EWG umgestellt werden soll, ist es
wesentlich teurer, wenn man einen Fehler macht.
Dritter Gedanke! Ich behaupte, daß man Geld immer nicht eben durch Geist ersetzen kann. Der Herr Finanzminister hat es heute schon mit Recht gesagt. Ich meine, es könnte einem ja auch noch einiges Neues einfallen. Mir ist heute der Gedanke gekommen - als die Herren über Neben- und Zuerwerbsbetriebe sprachen -, ob man nicht sogar Bundesmittel, wie man sie in die private Industrie gibt, daran binden sollte, daß man diese Neben-und Zuerwerbsbetriebe mit einbaut. Ich habe in meiner eigenen Firma seit Jahren die Sache mit den Fliegergeschichten, die ja noch aus einer schlechten Zeit stammten, auch bei Neuanlagen gemacht, daß in der Umgebung eben die Landwirte das Gefühl haben: Ich habe den Rücken an der Wand, ich kann mir immer mein Brot verdienen, ich kann aber auch noch etwas dazu- oder nebenerwerben.
({1})
Ich meine, diesem Gedanken ist noch mehr Rechnung zu tragen, strukturell auf jeden Fall.
Ich will Schluß machen. Ich möchte nochmals sagen, es muß doch möglich sein, daß gutes deutsches Brot, daß guter pfälzischer oder Mosel- oder sonst ein deutscher Wein, daß ein guter deutscher Apfel mindestens genau denselben guten Ruf in der Welt hat wie französischer Camenbert oder italienischer Chianti.
({2})
Ich möchte die deutsche Wirtschaft aufrufen: haken wir die Landwirtschaft in der jetzigen Situation unter!
({3})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Peters.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe den Eindruck, daß wir am Ende der Debatte stehen. Es sind hier Vorschußlorbeeren für ein Programm gegeben worden, das wir nicht genau kennen, das nur in allgemeiner Planung dargelegt worden ist. Es besteht aus zwei Teilen, aus dem innenpolitischen Teil und der EWG-Agrarpolitik.
Wir haben hier dargelegt, daß wir für manche sozialpolitische Maßnahme sind, die in der Planung vorgesehen ist. Wir sind ebenfalls für die Fortführung und für die Intensivierung von Strukturmaßnahmen, haben aber größte Bedenken, wenn Problemgebiete herausgegriffen werden, in denen im Grunde nicht mehr Landwirtschaft betrieben werden soll. Wir sind der Meinung, daß in der Bildungspolitik das Mögliche getan werden soll. Wir sind auch der Meinung, daß im Bereich der Marktstruktur vieles zu machen ist. Aber entscheidend werden die Einzelberatungen sein, entscheidend wird für uns sein, was im Endeffekt bei diesen Beratungen herauskommt, was in Wirklichkeit 9884
Peters ({0})
was heute noch nicht zu übersehen ist - diese Koalition und diese Regierung wollen.
Kritischer stehen wir dem Problem der zukünftigen EWG-Agrarpolitik gegenüber, die die Bundesregierung betreiben will. Hier sehen wir den großen Gegensatz zwischen dem Entschließungsantrag der CDU, der vor einigen Monaten vorgelegt worden ist, und den Planungen, die vom Bundesminister vorgelegt worden sind. Die CDU-Fraktion hat genau gesagt, daß sie bei den Verhandlungen 1968 für die Preisgestaltung 1969 eine Anhebung der Getreidepreise mindestens auf das frühere deutsche Preisniveau anstrebe. Wir haben hier vor einigen Monaten eine Debatte gehabt, in der ich gesagt habe, es müßte eigentlich durch Sonderverhandlungen erreicht werden, daß schon für die Ernte 1968 Verbesserungen wirksam werden. Damals ist mir von Herrn Bauknecht der Zwischenruf gemacht worden: Das wollen wir ja auch! Und nun ist man noch einen Schritt weiter zurückgegangen und sagt: Im Bereich von Getreide, von Milch und von Zucker wird in absehbarer Zeit preislich nichts zu machen sein.
({1})
Jetzt sagt man: Wir sind schon froh, wenn die Preise gehalten werden und nicht sinken! Die Preise werden eingefroren, Herr Dr. Siemer.
({2})
So steht es im Programm, und hier ist der große Widerspruch.
Wir sind der Meinung, daß im EWG-Bereich von der Bundesregierung zwei Dinge schnellstens betrieben werden müssen, nämlich erstens die Anhebung des EWG-Preisniveaus -vorausgehend mit den Getreidepreisen, aber dann im ganzen Niveau-, zweitens eine Harmonisierung im Kostenbereich, also bei den Steuern, im Verkehr und in der Sozialpolitik. Wenn wir nicht in absehbarer Zeit die Harmonisierung der Umsatzsteuer, also der Mehrwertsteuer erreichen, und zwar in bezug auf das System und auf den Steuersatz, haben wir im grenzüberschreitenden Verkehr innerhalb der EWG eine laufende Benachteiligung von 5 % nicht nur bei landwirtschaftlichen sondern auch bei industriellen Waren. Wenn im Verkehr nicht harmonisiert wird und nicht unterbunden wird, daß- in Zeiten, wo in anderen Ländern Überschüsse vorhanden sind, die betreffenden Waren frachtfrei Grenze gefahren werden, haben wir auch hier eine gewaltige Wettbewerbsverzerrung. Wenn Sie diese beiden Faktoren zusammennehmen, kommen Sie schon auf eine Preisbenachteiligung von ungefähr 7 bis 8 %.
Meine Damen und Herren, wenn Sie eine aggressive Strukturpolitik der deutschen Landwirtschaft verbessern wollen, werden Sie nicht umhin können, zu erkennen, daß bei den agrarstrukturell verbesserten Betrieben beachtliche Belastungen im Kapitaldienst entstehen, sebst wenn Sie den Zinssatz bis auf 1 % verbilligen, und diese umstrukturierte Landwirtschaft wird nur existent sein können, wenn die Preispolitik mit der Strukturpolitik einhergegangen ist.
({3})
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten.
Herr Präsident! Meinesehr verehrten Damen und Herren! Ich bitte mir zu gestatten, daß ich in aller Kürze und in einer gewissen Auswahl auf die Diskussionsbeiträge ,eingehe.
Herr Kollege Bauknecht, Sie haben als erstes die Frage angeschnitten, ob das eine Absage an die bisherige Politik oder eine Fortführung, eine Fortschreibung sein soll. Sie haben vollkommen recht: wir stehen alle auf ,den Schultern der Vergangenheit. Niemand kann und niemand darf die Vergangenheit verleugnen. Es gibt auch niemals einen Zeitpunkt, der es uns ,gestatten würde, die Probleme von übermorgen heute zu lösen. Wir haben die Probleme von heute und morgen zu lösen. 1948 und 1949 gab es eine ganz andere Problematik, auf die wir uns einstellen mußten, und das war die. erste Phase, durch die ,die deutsche Landwirtschaft geschritten ist, die Intensivierungsphase. Dann folgte, noch war die erste Phase nicht abgeschlossen, sehr bald und ganz überraschend eine zweite, nämlich der Ersatz all ,der Arbeitskräfte, die einen anderen Beruf gesucht haben. Das war und ist vielleicht mit die schwierigste Aufgabe, weil viele Anstrengungen und Leistungen aus dieser Zeit heute noch nachwirken. Es wäre ganz falsch, der Landwirtschaft nun vorzuwerfen, sie habe zuviel mechanisiert. Ihr bliebdamals gar keine andere Wahl, es gab noch nicht die Möglichkeiten von heute; weder die Industrie noch sie selbst waren vorbereitet. Wir lebten alle in ganz anderen Koordinaten. Wenn wir uns selber ehrlich Rechenschaft ablegen, was wir damals gedacht haben, jeder für seinen Bereich, dann wird niemand für sich in Anspruch nehmen dürfen, er habe schon so weise vorausgesehen und so viel Prophetengabe besessen, daß er das Heute, das Morgen oder gar, wie man es immer wieder bis zum Überdruß hören kann, das Jahr 2000 anvisiert hätte.
Es wäre auch ungerecht all den Menschen gegenüber, die an der Formulierung und der Definition der Agrarpolitik dieser sehr, sehr schwierigen Jahre beteiligt waren. Heute sind es andere Schwierigkeiten, Schwierigkeiten auf der Basis eines höheren Lebensstandards. Das menschliche Herz macht es uns nicht leichter, aus einem Wohlstand heraus zu operieren. Ich habe den Eindruck, daß es damals von ,der inneren Disziplin und von der Moral her einfacher war, zu operieren und zuarbeiten, daß es beute schwieriger geworden ist; eine bittere Erfahrung, die gerade wir in unserem Bereich uns einmal gründlich überlegen sollten.
Wenn mich an den stürmischen Erlebnissen der Gegenwart in vielen Bereichen etwas befriedigt, dann, ,daß uns einige Ereignisse gezeigt haben, daß am Materiellen, am Wohlbefinden, am Wohlstand Gott sei Dank nicht alles gelegen ist, sondern daß es höhere Werte gibt. Dazu mußte vielleicht dieser Abschnitt durchlaufen werden.
Ich kann also zusammenfassend auf Ihre Frage sagen, daß es der Versuch einer Fortschreibung, einer Modernisierung ist, verbunden mit ,dem Dank für die Leistungen, die vorausgegangen sind und die es ermöglicht haben, weitere Schritte zu machen. Wir waren in der Grünen Front, wenn ich das einmal so sagen darf, und in der Grünen Debatte in einem weiteren Maße einig, als ,das in anderen Bereichen .der Fall war. Warum wir all das jetzt im Rückblick auf die Vergangenheit nicht mehr wahrhaben wollen, das will mir nicht einleuchten..
({0})
Nun, Herr Kollege Bauknecht hat das bekannte und sehr schwierige Problem angesprochen: Wie reagieren die landwirtschaftlichen Erzeuger auf eine Preisveränderung? Das hat bei all den Preisfestsetzungen eine große Rolle gespielt. Man darf nicht übersehen, daß hier nicht allein der Markt den Preis bildet, sondern daß die Politik - nicht nur bei uns, in allen vergleichbaren Landwirtschaften - diesen Preis mit bestimmt, aus vielen Erwägungen heraus, und daß natürlich Elemente einer Preisbildung durch Angebot und Nachfrage und Kostenelemente, die sowohl durch Angebot und Nachfrage wie auch durch andere Eingriffe bestimmt werden, dazukommen.
Der politische Eingriff legt der Politik auch eine höhere Verantwortung auf, wenn sie manipuliert und wenn sie sagt: Ich setze den Preis so fest, und jetzt verändere ich ihn, nicht aus landwirtschaftlichen Gesichtspunkten, sondern aus allgemeinen oder höheren politischen Gesichtspunkten. Damit beginnt eine Verantwortung, und damit beginnt eine Aufgabe, der sich niemand entziehen kann. Wer eingreift, wer manipuliert und wer entscheidet, muß eine Verantwortung tragen. Dieser Verantwortung können wir uns nicht entziehen.
Das ist auch der moralische Grund dafür, daß wir bei dem EWG-Anpassungsgesetz nicht dieselben Grundsätze gelten lassen können, die bei den allgemeinen Haushaltssicherungsgesetzen gelten.
({1})
Hier ist eine Art Enteignung - man kann und muß es so bezeichnen - aus höheren Gründen, die wir bejaht haben und die geradezu vertragsmäßig vereinbart worden sind, vor sich gegangen. Dieser Enteignungsvorgang muß in irgendeiner Form ausgeglichen werden, schon wegen des Vertrauenskapitals, das wir gemeinsam zu tragen haben.
Ich bin sehr dankbar für den Hinweis eines Diskussionsredners: Hier gibt es nicht allein eine Verantwortung der Regierung, sondern eine gemeinsame Verantwortung. Wir schlagen vor, wir stellen den Vorschlag zur Auswahl, Sie entscheiden, Sie bewilligen die Mittel, und damit entscheiden Sie letzten Endes - das ist der Sinn unserer politischen Lebensordnung -, wie die Dinge gehen sollen und wohin der Weg führen soll.
Sie haben recht, Herr Kollege Bauknecht, daß die Preissenkung, vor allem wenn sie nur ein gewisses bescheidenes Ausmaß hat, auf der einen Seite belästigt, aber auf der anderen Seite gar nicht in der Lage ist, das Steuerungselement zu bilden, um eine
andere Produktion nach sich zu ziehen. Wir haben es immer wieder erlebt und erleben es auch jetzt, z. B. bei Weizen: die Vermehrung der Anbaufläche bei gesenktem Preis - ein typisches inverses Verhalten, weil ja der einzelne Landwirt nicht volkswirtschaftliche Erwägungen in seinem Betrieb benutzen kann. Er muß sich in erster Linie betriebswirtschaftlich richtig verhalten, muß das Äußerste an Organisation und an Produktion sowohl dem Volumen wie der Qualität nach aufbringen, und wenn sich das millionenfach wiederholt, ist das ein volkswirtschaftlicher Vorgang, der uns ernste Sorge bereitet. Das ist eines der großen Dauerprobleme moderner Landwirtschaftspolitik.
Einige Worte zu dem, was Sie, Herr Kollege Bauknecht, zur Veredelungswirtschaft ausgeführt haben. Ich glaube, der Rat, daß man zur Veredelung aufgerufen hat, war nicht ganz falsch. Wenn wir heute einen Umsatz in der Landwirtschaft von 29 bis 30 Milliarden DM im Vergleich zu 20 Milliarden DM vor wenigen Jahren haben, dann ist das nichts anderes als ein Ergebnis davon, daß das höhere Volumen und vor allem das höhere Volumen auf dem Veredelungssektor in die Einkommenssphäre der Landwirtschaft eingespielt werden konnte. Es wäre ja gar nicht möglich gewesen, das rein preismäßig zu vollziehen, das Volumen mußte dazukommen, und diese beiden Rechnungen waren nicht schlecht.
Sie machen uns heute Sorgen und Schwierigkeiten auf einigen besonders heißen Gebieten, und zwar bei der flächenunabhängigen Veredelung, die uns ja gerade auf dem Eier- und' Geflügelsektor und auf dem Sektor der Schweineproduktion Einbußen gebracht hat. Aber wir wissen alle ganz genau - ich habe es kürzlich in diesem Hause gesagt -, wie rasch und wie schnell allein im letzten Jahr die Eierproduktion aufgestockt worden ist, und zwar nicht nur, wie immer behauptet wird, im gewerblichen Sektor, sondern ein ganz großer Teil wird nach Unterlagen, die ich habe, auch von einer sehr kräftigen Landwirtschaft mitgenommen, weil es einmal sehr interessant war und noch kein Weg gefunden worden ist, um die Menge in den Griff zu bekommen. Das ist das entscheidende Element. Die Erzeugergemeinschaften und die Vereinigungen werden einmal den Weg dazu weisen. Es muß einen Weg geben, und wir werden ihn bereiten helfen. Wir können ihn nicht erzwingen, weil Zwang kein Mittel unserer Wirtschaftspolitik ist; aber wir werden Angebote machen, die auf diesen Weg führen. Das ist ein großes Problem unserer Agrarpolitik innerhalb der EWG.
Wenn Sie heute meine Einführungsanmerkungen ganz genau gehört haben, werden Sie bei Weichweizen ein Vakuum festgestellt haben. In dem Agrarprogramm ist die Frage des Überschußproblems auch bei Weizen ganz klar dargestellt. Aber ich teile die Meinung der Diskussionsteilnehmer, und ich habe das auch schon wiederholt ausgesprochen, daß hier die Überschußverwertung bei weitem nicht so kompliziert ist wegen der Stapelfähigkeit, wegen der Marktfähigkeit dieser Produkte und wegen der relativ beschränkten Ausgaben, weil ja auf dem Rückweg, dem Futtergetreide, wieder Geld herein9886
kommt, so daß sich hier die Bilanz günstiger gestaltet. Ich vermag aber eines nicht ganz zu glauben: ich vermag nicht ganz zu glauben, daß eine weitere verstärkte Produktion von Weizen zwangsläufig dazu führt, daß wir auf anderen heißen Sektoren entlastet werden. Unsere Landwirte überraschen uns immer wieder, und zwar dadurch, daß sie sowohl das eine wie das andere machen. Diese Tüchtigkeit der Landwirte hat uns auch nicht zuletzt in nicht geringe Verlegenheiten gebracht. Das ist meine Erfahrung. Es ist keine Erfahrung, die gegen die Landwirte spricht, sondern eine Erfahrung, die für ihre Tüchtigkeit spricht, die uns aber eine Masse von Sorgen aufbürdet, mit denen wir gelegentlich große Schwierigkeiten haben.
Haben Sie keine Sorge, Herr Kollege Bauknecht, daß wir im Grundstücksverkehrsgesetz nun all diesen Leuten, die auf die schönsten Plätze und auf die besten Fleckchen aus sind, Tür und Tor öffnen. Das wird alles nicht passieren. Aber denken Sie an die Engherzigkeit, die von Land zu Land herrscht, und auch an die Unmöglichkeit interessanter Sanierungsvorgänge. Da spreche ich einige an, die relativ. leicht und zu besserer Zeit ihren Eigenkapitalanteil im Vergleich zu dem anderen, zu der dritten Abteilung des Grundbuchs, etwas günstiger hätten gestalten können. Das soll auch nicht ganz unterbunden werden. Wenn der benachbarte Landwirt vielleicht nicht in dem Maße kaufen kann, sollte man dem einen oder anderen, wenn er schon einen solche Sanierungsaktion, die wir gar nicht durchführen können, auf seine Kosten machen will, nicht gerade immer ganz kleinlich im Wege stehen, sondern hier ist die gute Mitte und ein mittleres Maß der richtige Weg. Dafür gibt es Möglichkeiten. Ich selber war einmal bei dem Grundstücksverkehrsgesetz als Vorsitzender einer Kommission tätig, und ich bin nicht zuletzt auch unschuldig an dieser Engherzigkeit, die sich dort niedergeschlagen hat. Aber das waren auch ganz andere Gesichtspunkte, und man darf und soll es sagen: man hat vor zehn Jahren anders gedacht. Es wäre keine gute Zensur, wenn ich nach zehn Jahren ganz und gar nichts dazugelernt hätte. Das war ja schon immer das große Prinzip eines sehr großen Mannes, der hier in diesem Hause ein Beispiel gesetzt hat.
Nun, ich sehe den Herrn Kollegen Schmidt nicht. - Ach, der sitzt so weit zurück. Dieses Maß von Bescheidenheit, Herr Kollege Schmidt, hat Sie bei Ihrer Rede nicht ausgezeichnet.
({2})
Kommen Sie doch bitte vor.
({3})
Herr Kollege Schmidt, ich will Ihnen folgendes sagen. Ich weiß, daß es Ihnen Ihre Gemütslage außerordentlich schwermacht, längere Zeit gutmütig und wohlwollend zu sein.
({4})
Sie sind eine kritische Natur, und das ehrt Sie. Sie haben nämlich, wenn mich nicht alles täuscht, in den Agrarpolitischen Mitteilungen der .sozialdemokratischen Bundestagsfraktion vom 21. Juni über dieses
Agrarprogramm eigentlich eine recht wohlwollende Erklärung abgegeben: „Jetzt ist Minister Höcherl soweit. Es ist ein ganzes Stück guter Arbeit geleistet worden. Besonders der erste analytische Teil ..." und so geht es weiter. Ich traute meinen Augen nicht, als ich das las. Heute habe ich wieder den wirklichen Schmidt bei seiner Rede getroffen: kritisch, nicht zufriedenzustellen. Ich trage ihm das nicht nach.
({5})
Nun muß ich aber doch einige Bemerkungen machen. Sie haben sich - mit Recht - über die sogenannte Öffentlichkeitsarbeit, über taktische Versuche und all diese Dinge aufgehalten. Herr Kollege Schmidt, ich muß Ihnen folgendes sagen: Unsere Geschäftsordnung verpflichtet mich, bei einer Kabinettvorlage ein großes Volumen von Exemplaren auszuliefern, und damit ist bei der bekannten Bonner Durchlässigkeit absolut sichergestellt, daß viele von denen, denen es nicht zugestellt worden ist, es auch gelesen haben. Nicht von ungefähr ist es auf diese Weise in die Öffenlichkeit geraten. Aber es scheint mir so zu sein, daß das nicht zum erstenmal der Fall war. Ich habe den Eindruck, es hätte sich schon einige Male ereignet. Sie vermuten, Herr Kollege Schmidt, wir hätten das hinausgespielt. Das ist nicht richtig. Es sind viele andere Meldungen und viele andere Mitteilungen gekommen. Ich weiß schon, wie das geht. Lassen Sie mich einen einzigen Fall nennen: Schon am Abend des Versendungstages hat es einer nach einer knappen Stunde in der Hand gehabt, der es ganz bestimmt nicht von unserem Hause hatte. Er war sehr korrekt und sehr verschwiegen. Aber ich weiß: er hatte es in der Hand.
({6})
Er hätte also die Möglichkeit, das einer breiten Öffentlichkeit mitzuteilen.
({7})
- Wir sind doch keine Denunzianten!
({8})
Eine solche Mitteilung ist nur dann ehrenhaft, wenn sie anonym erfolgt und anonym bleibt,
({9})
und das ist der Fall gewesen.
Nun, Herr Kollege Schmidt, ich sage das deswegen, weil Sie auch sonst noch irren. Der Ausschuß, der eingesetzt wird, hat gar nicht die Aufgabe, die Sie bei ihm vermuten. Sie haben vermutet, es sei ein Kuratel und eine Vormundschaft des Bundeskanzlers eingesetzt worden. Bei uns in der Geschäftsordnung ist es so, daß der Bundeskanzler allen Ausschüssen vorsitzt, also auch diesem Ausschuß. Ich bin sehr froh, daß er sich auch gerade dieser Aufgabe annehmen will. Er war es - und ich darf es hier ausdrücklich wiederholen -, der es möglich gemacht hat, daß dieses Programm noch für diese Debatte vorgelegt wurde - das war sein Wunsch -, dieses Programm, das eigentlich einige Wochen später herBundesminister Höcherl
auskommen sollte, weil wir Ressortberatungen noch vorschalten wollten. Das war der Grund, und deswegen wurde das Finanzkabinett einberufen und auf seinen Wunsch eine Sonderkabinettsitzung angeordnet.
Ich bin dankbar für dieses Interesse an der Agrarpolitik. Es gibt hier gar keine Kuratelstellung, sondern es ist etwas ganz anderes, Herr Kollege Schmidt, der Finanzminister hat es gesagt, daß wir ja eine Gemeinschaftsaufgabe zwischen Bund und Ländern in agrarstrukturellen Fragen haben. Gelegentlich gibt es dort ein Vakuum, weil die Länder ihre Dotationsaufgaben nicht zu erfüllen vermögen, nach ihrer unterschiedlichen Finanzkraft, nach dem unterschiedlichen Durchsetzungsvermögen des einen oder anderen. Aber das soll ja anders werden, das soll durch eine Gemeinschaftsaufgabe eine Rechtsverpflichtung werden. Dem muß, weil die Länder ja ebenfalls mit einem Gremium kommen werden, von der Bundesseite ein Gremium gegenübergestellt werden.
Ich könnte mir vorstellen - und ich glaube, das ist mit ein Sinn dieses Ausschusses -, daß dieses Gremium, dieser Ausschuß unter dem Vorsitz des Bundeskanzlers der Counterpart ist zu dem Gremium, das die Länder stellen werden.
Nun haben Sie erklärt, Sie hätten alte Bekannte getroffen. Herr Kollege Schmidt, ich sage Ihnen folgendes: Ich halte ganz und gar nichts von einem falschen Autorenehrgeiz. Ich würde mir nicht anmaßen, zu sagen, ich hätte nun alle diese Dinge ab ovo vollständig neu erfunden, ich bin wie Michelangelo an einen Marmorblock herangegangen und habe eine ganz große Figur daraus gemeißelt. Es gibt nicht sehr viel Neues unter der Sonne. Die Entscheidung, die wir zu treffen haben, ist, eine Auswahl zu treffen aus den vorhandenen Ideen und vorhandenen Erkenntnissen, an denen Wissenschaft, Praxis und Politik einen redlichen Anteil haben. Das ist der Sinn dieser Aufgabe. Dieses Programm wird sich, wie jedes andere Programm auch, genauso wie der Leber-Plan, genauso wie der Kohle-Plan, in einzelnen Gesetzesvorlagen niederschlagen, in Richtlinien ausdrücken, in gemeinsamen Gesetzesvorlagen und den Gesetzesvorlagen, die von anderen Häusern dargestellt werden müssen. Das ist der Weg, und die Debatte soll auch niemals abreißen.
Wie sehr Sie unterrichtet sind, Herr Kollege Schmidt, zeigt, daß Sie auch das Finanzpapier, das weniger Verbreitung gefunden hat, genau beherrschen, bis hinein in die letzten Zahlen.
Aber über eine Geschichte war ich wirklich überrascht. Wir haben in diesem Blatt, in diesem Programm, eine Frage von höchster Bedeutung angesprochen, eine Frage nämlich, wie unsere zukünftige EWG-Finanzierungspolitik aussehen soll. Das ist mit Bewußtsein und mit Vorbedacht angesprochen worden. Warum? Einmal steht 1969 das ersatzlose Auslaufen der bisherigen finanziellen Ordnung vor uns. Wir müssen unsere Standpunkte also definieren, wir müssen darüber ins reine kommen, wie wir weiter taktieren müssen. Darüber hinaus gibt es noch in diesem Herbst im Rahmen der Milchmarktordnung
vor allem auf Verlangen von Italien bei der Marke von 2,5 Milliarden einen Punkt, der zur Überprüfung der finanziellen Ordnung führen soll. Es gibt ernsthafte Anliegen der einzelnen Länder, die sagen; Wieso kommt es, daß das eine oder das andere Produkt durch Interventionen usw. vollkommen abgesichert ist, während andere Produkte mit kümmerlichen Richtpreisen und kümmerlichen Grundpreisen frei in der Luft schweben?, Probleme, die uns jeden Tag vom Partner auf den Tisch gelegt werden.
Zum erstenmal hat es sich bei der Milchmarktordnung ereignet, daß Frankreich eine sonst kommunitäre Ausgabe, nämlich diese 11 Pf, in eigener Rechnung bezahlt und nicht kommunitär verlangt. Und drei Länder mit Butterüberschüssen haben sich verpflichtet, Vorräte im Werte von 680 Millionen DM ab 1. April auf ihre Kosten mit einem Schlüssel von 48 % bei Frankreich, 42 % bei Deutschland und 8 % bei Holland auszugleichen, ein Vorgang, der zeigt, daß neben kommunitären Entscheidungen auch ganz andere Gesichtspunkte eine Rolle spielen.
Die bisherige finanzielle Ordnung hat uns dazu verholfen, daß wir diesen Integrationsprozeß früher durchführen konnten. Jetzt beginnt ein neues Kapitel, und das wird neu geschrieben und nach anderen Gesichtspunkten. Vielleicht ist auch unsere taktische Situation besser, wenn wir schon einen so hohen Integrationsgrad haben und die anderen wissen, was der deutsche Markt bedeutet und wie sehr er nützen kann. Vielleicht ist dann unsere Position etwas stärker, als sie noch im Jahre 1964 war. Das könnte sein. Aber ich verstehe einfach Ihre Äußerung nicht, wenn Sie sich hier hinstellen und sagen: das ist unrealistisch. Wissen Sie, ich glaube nicht, daß Sie das so gemeint haben. In diesen Fragen geht es darum, daß wir äußerste Solidarität auf diesem Feld bewahren. Gegner und Andersdenkende gibt es genug, und wenn wir uns ihrer erwehren wollen, haben wir alle Hände voll zu tun.
Nun zu dem, was Sie zu den Sozialfragen, zur Krankenversicherung, gesagt haben. Herr Kollege Schmidt, ich habe Sie so verstanden, daß Sie damit einverstanden sind - das ist ein altes Anliegen, und das gehört zu diesem Sozialpaket, zum Agrar-Sozialpaket -, daß auf dem Gebiete des Krankenversicherungsschutzes etwas geschieht. Nur das steht darin. Auf welche technischen Formen wir uns einigen werden, ob wir die Reichsversicherungsordnung öffnen werden, was wir für die Rentner tun, das alles sind Fragen, die entschieden werden müssen. Federführend ist, wie Sie wissen, der Arbeitsminister. Aber im Grundsatz, glaube ich, stimmen Sie uns zu.
Und Husarenritt? Na ja, Herr Kollege Schmidt, 60 Seiten im Husarenritt zu erstellen, ist nicht ganz so einfach; dafür ist eigentlich der Umfang zu groß, um hier dieses schöne Bild zu gebrauchen.
Herr Kollege Ertl, einige Bemerkungen zu Ihnen. Die Erpressung, die Sie versucht haben, daß Sie eine Presseerklärung abgeben, weil Sie das Exemplar noch nicht hatten, hatte, wie Sie genau wissen, scherzhaften Charakter und hat nur einen bescheiden tiefen Eindruck auf mich gemacht. Ihre Führung
hat ja bereits das Exemplar gehabt, und die hat nicht erklärt, es wäre ein Mäuschen geboren worden. Ein sehr kompetenter Mann aus Ihren Reihen hat, offenbar nach der diagonalen Lektüre, festgestellt, das könnte sogar ein FDP-Mann geschrieben haben, ein kompetenter natürlich.
({10})
Wir kommen immer zum gleichen Ergebnis.
({11})
- Das ist halt das gespaltene Denken. Hier ist der Agrarflügel, dort der liberale Flügel; da schicken wir heute den Agrarflügel vor, und dann kann es keine Dissonanz geben. Und das andere erfolgt in den eigenen vier Wänden.
Die Preispolitik sei verfehlt: Meine Damen und Herren, ein offenes Wort zu diesem Thema, das von vielen Seiten angesprochen worden ist. Glauben Sie tatsächlich, daß es vertretbar wäre, bei klassischen strukturellen Überschußprodukten, die wir auf einen hohen Preis gesetzt haben - wir haben die Milch auf 39 Pf gesetzt, wir haben den Zuckerpreis für europäische Verhältnisse weiß Gott nach oben gezogen -, angesichts der Überschußsituation eine Position zu beziehen, etwa der Art: zum Ausgleich der Überschüsse erhöhen wir die Preise? Meine Damen und Herren, ich glaube nicht, daß das eine gute Politik wäre. Ich würde ebenfalls sehr gern auch hier eine offensive, nach vorn gerichtete Preispolitik treiben. Aber ich glaube, der Landwirtschaft tut man einen Dienst, wenn man die heftigen Angriffe von In- und Ausland, die auf Preissenkung in diesen Bereichen gehen, durch die entschlossene Feststellung abwehrt: Wir führen den Preis zunächst so lange ein, bis Angebot und Nachfrage in ein besseres Verhältnis kommen. - Bitte schön!
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Herr Minister, sind Sie nicht der Auffassung, daß, auch wenn Sie die Preise festhalten, die Kosten dabei steigen? Sind Sie nicht der Meinung, daß selbst dann, wenn Sie die Erzeugerpreise senkten, das Überschußproblem vorhanden wäre?
Herr Kollege Logemann, wenn Sie das genau gelesen haben - Sie haben das behauptet; ich kann nicht verlangen, daß Sie das bis zum letzten lesen -: da steht genau drin, daß das sogar bei steigenden Kosten, auf einige Zeit hin gesehen, eine Einkommensminderung darstellt, aber eine bessere, als wenn wir den Forderungen nachgäben, die von Angebot und Nachfrage und von der Nichtabsetzbarkeit her kommen. Ich habe mich eigentlich gewundert, Herr Kollege Logemann: bei Ihrer kräftigen Kritik haben Sie nicht ein einziges Wort zu Absatzfragen, zu Verkaufsfragen gesagt.
Meine Damen und Herren, produzieren können wir schon.
({0})
- Er hat es nicht gesagt. Ich kann doch auch nichts dafür. Er hat es unterlassen.
({1})
- Herr Kollege Ertl, ich muß auf etwas zurückgreifen: Sie haben eine kleine Geschichtsklitterung versucht. Sie haben etwas unterschlagen, was die Ausfüllung der EWG-Politik betrifft. Sie haben mit Recht dargelegt, daß der Vertrag gewisse Methoden offenlegt und offenhält und daß die Methode der gemeinsamen Agrarpolitik mit gemeinsamen Preisen gewählt wurde. Ich darf Sie daran erinnern, wo das beschlossen worden ist. Der Ausführungsbeschluß zu dieser Methode ist in Stresa gefaßt worden. Ich habe den Eindruck - vielleicht täusche ich mich -, als seien Sie damals in der Regierung gewesen.
({2})
- 1958 waren Sie nicht in der Regierung?
({3})
- Pech gehabt? Herr Kollege Ertl, ich will Ihnen Gerechtigkeit widerfahren lassen. Wenn ich mich getäuscht haben sollte, gebe ich das zu, und darin unterscheiden wir uns.
({4})
Herr Kollege Ertl, ich gebe Ihnen recht, daß die Frage gestellt werden kann, jetzt nachträglich - wenn man vom Rathaus kommt, ist man immer klüger -, ob es richtig war, so zu entscheiden. 1958 war die Überschußproduktion noch gar nicht vorhanden. Seitdem sind zehn Jahre ins Land gegangen, mit unerhörten Produktionsleistungen, die wir nicht verachten und nicht verdammen sollten, sondern mit denen wir uns auseinandersetzen müssen, und zwar in einer konstruktiven Form. Heute müssen wir sagen: Das Preissteuerungselement versagt trotz aller anderen Instrumente bei klassischen Überschußprodukten, und deshalb müssen wir uns etwas Besseres einfallen lassen.
Herr Bundesminister, ich sehe, daß Sie eine Zwischenfrage des Herrn Kollegen Ertl zulassen wollen.
Ich wüßte nicht, was ich lieber täte!
Herr Minister, würden Sie zur Kenntnis nehmen, und sind Sie gewillt, das nachzulesen, daß ich bei meiner Jungfernrede in diesem Hohen Hause, im Jahre 1962, als die erste Agrarmarktordnung verabschiedet wurde, gesagt habe: Wir begeben uns auf neue Wege, und wir müssen uns nach gewisser Zeit sehr genau überlegen, ob diese Methode - nur über den Preis - die richtige ist. Ich habe darauf schon früher hingewiesen. Das gibt mir, glaube ich, auch das Recht, heute erst recht eine Überprüfung zu fordern.
Herr Kollege Ertl, ich bitte zu entschuldigen, daß ich Ihre Jungfernrede nicht mehr so ganz frisch im Gedächtnis habe; aber ich erinnere mich noch: Es war eine sehr lustige und gemütvolle Rede.
({0})
Daß Sie damals schon der prophetische Sinn in dieser kräftigen Form begleitet hat - darum kann ich Sie nur beneiden. Mir ist dieses Prophetengabe nicht gegeben.
({1})
Nein; ich muß mich mit den bescheidenen geistigen Verhältnissen zufriedengeben, die eben von der Opposition aus gesehen der Regierung zugestanden werden. Mehr ist nicht zu machen.
Ich gebe Ihnen recht: Was den Trinkmilchfettgehalt und seine nationale Lösung betrifft, liegt ein ernstes Problem vor. Ich sage Ihnen ganz offen: Mir wäre es aus vielen Gründen lieber, wenn wir diese Lösung jetzt gemeinschaftlich sofort treffen könnten. Ich darf Ihnen sagen, daß ich in meinem Hause angeordnet habe, daß wir schon für die nächste Sitzung in Luxemburg am Donnerstag, Freitag und Samstag alle Probleme aus der Trinkmilchmarktordnung, die erst im Herbst kommen wird und erst mit Verzögerung in Kraft treten soll, vorziehen. Ich habe heute, ohne daß ich jetzt die Einzelheiten mitteilen kann, von einem sehr kompetenten Mann erfahren, daß wir das eine schon ohne Rücksicht auf andere und auf die Ergebnisse innerhalb der EWG im nationalen Bereich probieren sollten. Die Weisung, sofort eine Vorlage zu machen, ist bereits an den zuständigen Abteilungsleiter hinausgegangen. Sie sehen, vielleicht ist es sogar ein Ergebnis Ihres Diskussionsbeitrages. Dann hätten Sie sich um die Milchpolitik verdient gemacht.
({2})
Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Hammans?
Ja, bitte sehr!
Herr Minister, wenn die Abrechnung der Milch nach Fettgehalten so große Schwierigkeiten mit sich bringt, sehen Sie eine Möglichkeit, sie nach Eiweißgehalten abzurechnen?
Das ist schon oft überlegt worden. Aber ich glaube nicht, daß ein Weg dahin führt. Eines ist jedoch an Ihrer Bemerkung richtig: Die Frage der Eiweißverwertung ist bei weitem nicht genug beachtet worden, und es sollten nicht alle Augen auf den Fettgehalt starren und glauben, hier sei das Heil der ganzen Milchpolitik. Da haben Sie recht.
Herr Kollege Ertl, Sie haben mich tief enttäuscht, aber in einer anderen Frage. Sie haben Leitlinien für die Einkommensentwicklung der Landwirtschaft verlangt. Wenn etwas nicht liberal ist, dann ist diese Forderung unliberal. Ich möchte Sie zu Ihrer eigenen Ehrenrettung, damit Sie vor Ihren Kameraden bestehen können, nicht mehr mit dieser Frage belästigen.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Herr Minister, ich muß Sie leider nochmals fragen: Offensichtlich ist Ihnen entgangen, daß auch Ihre Kollegen aus der CDU/CSU-Fraktion diesen Punkt des Entschließungsantrags angenommen haben, und offensichtlich unterstellen Sie Ihrem Ministerkollegen Schiller, daß er eine illiberale Politik betreibt.
Der Kollege Schiller betreibt eine sehr erfolgreiche Konjunkturpolitik, wodurch uns die Möglichkeit gegeben wird, einiges auf dem Agrarsektor, was die Nachfrage betrifft, in Ordnung zu bringen. Dafür stehe ich ein, genauso wie die Landwirtschaftspolitik eine gemeinsame Politik der Bundesregierung ist, jeweils mit Schwerpunkt bei dem einzelnen Ressort. Ich stehe nicht an, die Verdienste in ,der Agrarpolitik, die ich zusammen mit Ihnen habe, auch mit anderen, mit dem Koalitionspartner, zu teilen, nehme aber umgekehrt auch dort Verdienste in Anspruch. Das scheint mir dem Kollegialsystem und dem guten Geist einer funktionierenden Allianz zu entsprechen. Sie hat nicht immer so funktioniert wie jetzt.
({0}) - Ich habe es Ihnen ja schon gesagt.
Was die Absatzgesellschaft betrifft, so wird darüber natürlich noch sehr viel zu reden sein, Herr Kollege Schmidt. Ich glaube, Kollege Strauß hat das Richtige gesagt. Wir sollten jetzt die Möglichkeit haben, ein solches Instrument zu gründen. Ich könnte mir auch einen Kern vorstellen. Ich bin nämlich kein Freund theoretischer Gründungen, mit denen man künstliche Gebilde zu schaffen versucht. Wir haben ein Instrument, das sich in gewissen Aufgaben, für die es vorgesehen ist, bereits sehr erfolgreich bewährt hat, den Agrarexport. Für meine Begriffe müßte das der Kern der Gesellschaft sein, die wir gründen wollen.
({1})
Ich glaube, damit könnten auch Sie sich bei allem Vorbehalt einverstanden erklären.
Herr Kollege Ertl, Ihren beliebten konjunkturpolitischen Auseinandersetzungen, die Sie von Bayern in den Bundestag hineinziehen, möchte ich nicht folgen.
Ich darf ganz kurz noch einige Ergänzungen zu dem bringen, was der Kollege Strauß gesagt hat, und zwar was die Frage der Kreditfinanzierung betrifft. Die Kreditfrage bemißt sich danach
- ich glaube, das ist entscheidend -, ob der Kredit aus dem Schoß der Bundesnotenbank kommt oder ob er .aus Ersparnissen kommt und anderen Zwekken zugeführt wird. Dann ist der Vergleich der Zwecke, ihr Nutzeffekt, entscheidend.
Was nun die Frage der Betriebsgröße betrifft, d. h. die Frage, ob man nach Betriebsgrößen klassifizieren kann, so erkläre ich hier ein für allemal und zum allerletzten Mal, daß das überhaupt nicht möglich ist. Ich werde auf diese Frage niemals mehr eine Antwort geben, weil es sinnlos ist, fortgesetzt mit Begriffsakrobatik Dinge zu wiederholen, die, genau wie beim Familienbetrieb, nur deswegen immer wieder als Definition verlangt werden, um Scholastik zu treiben, um Häretiker festzustellen, die dann während des Wahlkampfes auf dem Scheiterhaufen des Irrtums verbrannt werden sollen. Das ist doch der Grund, nicht der Wissensdurst, sondern der Versuch, kleine Fallstricke zu legen.
Herr Kollege Ertl, wir wissen beide, was ein Familienbetrieb ist. Es gibt eine klassische Definition, die im Landwirtschaftsgesetz steht, meine Damen unid Herren. Dort heißt es: Die Betriebe sind mit allen Mitteln der Wirtschaftspolitik usw. an eine Parität heranzuführen, die ein nachhaltiges Einkommen moderner Art für eine Familie erbringt.
Das ist der Ausgangspunkt, und das Einkommen ist der Anknüpfungspunkt, ganz gleich, wie der Betrieb organisiert ist. Selbst die Familie ist ja ein beweglicher Teil in einem solchen System. Heute ist sie eine Vollfamilie. mit den Eltern unid heranwachsenden Kindern; morgen ist sie eine Familie von frischverheirateten jungen Leuten, unid praktisch bleibt ein Elternteil da. So wandelt sich das. Das sind alles veränderliche Größen.
Ausgangspunkt ist, daß es sich um einen Betrieb handeln muß, der einer Familie bei entsprechender Führung ein modernes Einkommen .gewährt.
Zwei Elemente müssen gesehen werden, die, Herr Kollege Ertl, die agrarstrukturelle Gesellschaft in ihrer letzten Ausarbeitung überzeugend formuliert hat, die Einkommenserwartung auf der einen Seite - auch sie ist ganz unterschiedlich; der eine gibt sich mit dem und der andere mit jenem, je nach seinen Fähigkeiten zufrieden - unid die Arbeitskraft auf der anderen Seite. Beide müssen in einem Gleichgewicht stehen, unid ,sie können nur in einem labilen, dynamischen Gleichgewicht sein. Das ist der Familienbetrieb, um Ihnen Idas ein für allemal und zum letztenmal zu sagen.
Was die Klassifizierung betrifft, so bekommen Sie noch eine offizielle Antwort. Die CDU hat eine Anfrage eingereicht, .die sich darauf bezieht, wie die Bundesregierung zu den Gedankengängen von Herrn Mansholt steht. Um ganz sicher zu gehen unid auch um ,die notwendige Rücksicht auf Herrn Mansholt zu nehmen, habe ich ihn gebeten, mir seine Auffassung mitzuteilen. Das ist vor wenigen Tagen geschehen. Daraufhin werden Sie eine offizielle Antwort der Regierung bekommen. Vielleicht ist es möglich, diesen Begriiffisstreit, der an mittelalterliche Erscheinungen anknüpft, .diesen Begriffsstreit, zu diem wir Deutschen so sehr neigen, zu beenden.
Herr Kollege Bauer, zu Ihren Fragen vor allem eines : ich muß Ihnen in dem recht geben, was Sie zu den Sorgenprodukten im Milchbereich gesagt haben. Es erfüllt mich auch mit tiefer Sorge, daß wir bisher bei diesen Vorentscheidungen - es .sind noch nicht endgültige - zwei Produkte herausgegriffen haben.
Bei dem Wirrwarr und bei den Meinungsverschiedenheiten über den Inhalt der gefaßten Beschlüsse hat kein Mensch ein Wort für diese beiden Ansatzpunkte gefunden, wo eigentlich der Kummer und wo eigentlich die Schwierigkeiten liegen.
In der Zwischenzeit hat ja eine Kommission getagt - eine Kommission des Deutschen Bauernverbandes -, auch bestehend aus Mitgliedern unseres Hauses. Main hat nachgerechnet, unid man hat festgestellt, .daß also ganz und .gar keine Positionen preisgegeben worden sind. Man hat festgestellt, daß man das fast unwahrscheinliche Kunststück versucht hat, bei ganz unterschiedlichen Wettbewerbsverhältnissen vor allem in der Steuerfrage in etwa gleichzuziehen.
Gestatten Sie eine Frage des Kollegen Bauer?
Herr Bundesminister, darf ich in diesem Zusammenhang die Frage stellen: Halten Sie die Nachrichten, die von einer ganz bestimmten Presse über .die Frage der Festsetzung der Interventionspreise im Anfang kolportiert worden sind, für eine vorsätzliche oder böswillige Falschmeldung?
Wenn Sie mich auf eine Erklärung der Presse ansprechen, dann spreche ich nie von Böswilligkeit, sondern von einem Irrtum.
({0})
Was nun die Frage Auf- und Abstockung betrifft, so ist es vollkommen richtig: der Intensitätsgrad wird wahrscheinlich in vielen Fällen sogar wachsen. Trotzdem bin ich der Auffassung, daß wir diese Politik nur zweigleisig betreiben können. Dort, wo ein vernünftiger Grundstücksbedarf besteht, sollten wir ihn nach unseren Möglichkeiten unterstützen. Dort, wo die Neigung besteht, auf kleineren Betrieben diese Flächen zu bewirtschaften, vor allem noch mit einem Ergänzungseinkommen, dort herrschen Verhältnisse - wir haben sie in BadenWürttemberg -, die von vielen Gesichtspunkten her gesehen stabiler überhaupt nicht gedacht werden können.
Was das kostenlose Milchfrühstück betrifft, so wäre ich sofort einverstanden. Wir haben bittere Erfahrungen gemacht, weil die Dinge im Rahmen der Wohlstandsentwicklung einfach immer mehr fallengelassen wurden. Die drei Ebenen - Gemeinden, Länder und Bund - haben am Schluß bloß mehr den Bund als den wirklichen Partner und dann einige recht unzuverlässige Gesellschaftsmitglieder gehabt, so daß diese Sache deswegen eingestellt
werden mußte. Wir arbeiten - auch die Kommission hat solche Vorschläge gemacht - an einer Neuauflage.
Was die humanitären Maßnahmen betrifft, muß ich Ihnen offen sagen: Es bliebe einfach unverständlich, wenn es auch hierfür nicht agrarpolitische Lösungen gäbe. Es bliebe unverständlich, wenn wir nicht wenigstens für Kinder, für ältere Menschen und für arbeitsfähige Menschen in Ergänzung ihres Lohnes dieselbe Kraft aufbrächten, die Amerika aufzubringen weiß, das auf dem Ernährungshilfesektor große Leistungen vollbringt. Ich glaube, die EWG muß hier zu mehr verpflichtet werden. Ich rede nicht von uns, sondern sage: Die EWG muß hier zu mehr verpflichtet werden. Es täte uns allen sehr gut, wenn wir dieses Konto der Karitas auffüllen helfen würden und gleichzeitig auch noch solche Zwecke mit erfüllen könnten.
Meine Damen und Herren, nun zur Margarinesteuer, zur Margarineabgabe, zu dem nächtlichen Telefongespräch. - Es handelt sich dabei nur um eine Fiskalmaßnahme; n u r in Anführungszeichen gesetzt. Sie wissen, daß ein entsprechender Beschluß gefaßt worden ist, daß er europäisches Gesetz ist. Niemand ist davon abgehalten - es ist aber niemand aufgefordert; damit das ja nicht falsch verstanden wird -, seine Schlüsse daraus zu ziehen. Ich habe meine Schlüsse daraus gezogen in der Kabinettsdisziplin, in der wir zu leben pflegen. Aber zu glauben, hierin könnte ein Steuerungselement enthalten sein, ein Steuerungselement, das eine Verbrauchsänderung herbeiführen könnte, das geht bei diesen Maßstäben nicht.
Ich bin aber, was die Futtermittelseite betrifft, der Meinung: Hier müssen wir die Natur wiederherstellen; wir müssen das Element dessen, was im Stall für die Fütterung verbraucht wurde, wenn auch auf Umwegen wiederherstellen. Dafür gibt es Vorschläge, Beimischung vielleicht oder irgend etwas anderes. Jedenfalls müssen wir uns, glaube ich, hier von einem Teil der Produktion freimachen, und zwar auf eine gesunde, vernünftige Weise, so wie das immer der Fall war.
Herr Kollege Rehs hat sein Anliegen bezüglich der Siedlungspolitik in einer sehr noblen Form vertreten. Meine Damen und Herren, hier wurde über Jahre hinweg ein großes Werk vollendet. Sehr, sehr vielen Menschen, Hunderttausenden, kann man sagen, wurde das schwere Schicksal der Vertreibung erleichtert. Ich glaube, es gibt niemanden, der nicht mit tiefem Respekt auf diese Leistungen und die großen Beträge sieht, die hier eingesetzt worden sind.
Nun ist es aber nicht richtig, daß auch das aufhören solle, abrupt aufhören solle. Wir haben vielmehr vor ganz kurzer Zeit die Richtlinien im Einvernehmen mit dem Ministerium für Vertriebene und dem Finanzministerium fortgeschrieben. Wir haben sie etwas knapper gefaßt, um den eigentlichen Zweck noch besser zu erfüllen und nicht Ausuferungen in Kauf nehmen zu müssen. Dazu sind wir nicht in der Lage. Dieses Vermögen ist auch nicht nur dem Siedlungszweck gewidmet. Es ist auch agrarstrukturellen Zwecken gewidmet. Ich glaube, es heißt in dem entsprechenden Satz des Kabinettsbeschlusses: auch; nicht ausschließlich, sondern auch, d. h. sowohl als auch nach diesen Richtlinien. Ich glaube, Herr Kollege Rehs wird zufrieden sein, wenn er die Maßnahmen in der Praxis erlebt. Es werden hohe Beträge zusammen mit den Ländern sowohl in diesem Jahr als auch in den kommenden Jahren für diesen Zweck eingesetzt werden. Wir sollten aber nicht etwas „Siedlung" nennen, was einen anderen Inhalt hat. Ich bin dafür auch hier eine ganz klare Sprache. zu sprechen. „Eigentumsförderung", das ist der richtige Begriff. So muß das genannt werden. Dann, glaube ich, werden sich die Geister auch richtig orientieren können.
Herr Kollege Logemann, bei dem „agrarpolitischen Dauerschlaf" waren Sie aber sehr lange mit im Bett;
({1})
ganze Jahre hindurch. - Ich sage Ihnen aber ein ernstes Wort. Ich halte es angesichts der nicht ganz geringen Leistungen, die im Agraretat vom Steuerzahler zur Verfügung gestellt werden, nicht für gut, ihm jeden Tag vorzurechnen, daß das nichts sei, daß das zu wenig sei. - Natürlich ist es so, und ich gebe Herrn Rehwinkel vollkommen recht, wenn er meint, daß ein ganz großer Teil dieser Ausgaben vielen anderen Zwecken mit oder oft sogar ausschließlich diene.
Ich werde so, wie es in Ihren Entschließungen verlangt wird, verfahren. Bloß kann nicht alles vorgestern gemacht sein: Agrarprogramm, Haushaltsvorbereitung, mehrjährige Finanzplanung, Ihre Anfragen beantworten und gleichzeitig auch schon diese Ausarbeitung. Etwas Geduld und Nachsicht für uns Sünder!
Dabei ist es uns nicht möglich, mit den Fragen der Opposition im Wettbewerb womöglich hundert Meter vorauszukommen, ohne Vorgabe.
({2})
Herr Kollege, wir werden eine Ausarbeitung machen, die jeden Vorgang nach seiner ganzen Inzidenz berücksichtigt. Das wird nicht nur eine Inzidenz sein, sondern viele Leistungen dienen vielen Zwecken. Es werden die einkommenswirksame Seite, die landwirtschaftliche Seite, die landeskulturelle Seite usw. genau herausgearbeitet, weil ich selber daran interessiert bin, hier endlich einmal eine Sprachregelung zu schaffen, damit alle Beteiligten wissen, daß man es keineswegs darauf abgesehen hat, hier große Zahlen einzuführen und Ruhm und Lorbeeren zu holen. Hier geht es um ganz und gar nichts anderes als darum, auch für den Steuerzahler eine gewisse Anerkennung aufzubringen.
Sie haben von der Erzeugungsschlacht gesprochen. Ich will Ihnen etwas sagen: Die größte Erzeugungsschlacht, die es überhaupt jemals in der Agrargeschichte gegeben hat, ist in der Nachkriegszeit geschlagen worden. Das war die größte Erzeugungsschlacht in einer freiheitlichen Ordnung. Wir haben andere gehabt, die bei weitem nicht so wirksam waren. Diese Erzeugungsschlacht müssen wir jetzt
volkswirtschaftlich und finanzpolitisch in Ordnung bringen.
Es wurde die Forderung gestellt, Wettbewerbsverhältnisse gleichzuziehen. Meine Damen und Herren, wenn Sie sechs Länder mit eigener Geschichte, eigener Sprache, eigener Entwicklung, mit völlig unterschiedlichen Verhältnissen, mit einem Gefälle nehmen - vergleichen Sie z. B. die Verwaltungsverhältnisse in irgendeinem südlichen Lande mit den holländischen halte ich es für einen Kinderglauben, anzunehmen, daß es möglich wäre, von heute auf morgen entscheidende Schritte bei der Gleichziehung der Sozialpolitik, Steuerpolitik, Wirtschaftspolitik, Frachtenpolitik zu ziehen. Nehmen Sie bei der Frachtenpolitik die Eisenbahnprobleme, unser eigenes! Dann sehen Sie, was hier für ein abendfüllendes Thema angesprochen ist.
Natürlich arbeiten wir daran. Wir haben schon einen gewissen Erfolg bei der Mehrwertsteuer. Aber Sie sehen, selbst da macht es Schwierigkeiten. Ich bin gespannt, ob es im Jahre 1970 noch die gemeinsame Mehrwertsteuer geben kann, ob alle Länder in der Lage sind, die verwaltungsmäßigen Voraussetzungen, die nicht geringer Natur sind, dafür zu erbringen.
Herr Bundesminister, würden Sie eine Zwischenfrage von Herrn Logemann erlauben?
Herr Minister, sind Sie mit mir der Auffassung, daß, wenn wir uns bemühen würden, im Sinne Ihres Programms landwirtschaftliche Erzeugungskapazitäten stillzulegen, dann nicht im gleichen Augenblick andere Partnerländer eben im Sinne einer Erzeugungsschlacht für die EWG dann verstärkt wieder landwirtschaftliche Erzeugnisse produzieren würden?
Ich bin nicht Ihrer Auffassung. Warum soll ich immer Ihrer Auffassung sein? Ich bin es nicht. Ich habe auch gar nicht gesagt, daß etwas stillgelegt werden soll, sondern ich habe gesagt, daß man sich anpassen und verändern muß und daß wir Lösungen finden müssen, wie wir sie z. B. bei Zucker gefunden haben. Das ist als vorbildlich hingestellt worden. Das ist nur bei Milch nicht ganz so einfach, und bei Weichweizen ist das praktisch überhaupt nicht möglich.
In dieser Ausarbeitung ist es des langen und breiten ausgeführt. Wir bemühen uns ja. Das Zukkerproblem haben wir in dieser Form gelöst. Das ist ein Modell, das wir geschaffen haben und das wir selber wieder abschreiben dürfen, ohne irgendwie Autorenrechte zu berühren.
Zu einer weiteren Zwischenfrage Herr Logemann.
Herr Minister, bedeutet Ihre Aussage, in Ihrem Programm Problemkreise zu schaffen - also in Kreisen, in denen die landwirtschaftliche Produktion nach Ihrer Auffassung nicht mehr rentabel sein soll -, nicht die Aufgabe von Erzeugungskapazität?
Nein. Herr Kollege Logemann, wenn wir uns Gedanken darüber machen, was wir für die Menschen, die sich in sehr schwieriger Lage befinden, auf schlechten Böden, in Kammlagen, abseits vom Standort, tun - die haben es vielleicht am nötigsten -, dann müßten wir, wenn wir rein wirtschaftlich denken würden, geradezu dankbar sein, daß sie nicht bis zum letzten operieren. Sonst wären sie schon davongelaufen. Die haben doch andere Werte und andere Gedanken.
Deswegen haben wir uns überlegt, was wir ihnen zusätzlich geben können, damit sie dort bleiben. Sie haben es vielleicht genau gelesen. Darin steht etwas, was vielleicht neu ist in dieser Debatte, daß wir sogar an Bewirtschaftungszuschüsse denken, weil wir diese Landschaftsteile und Regionen nicht ganz entblößen wollen. Ich verstehe nicht, wie da jemand sich hinstellen und sagen kann, da sei ein Bauernlegen, ein Stillegen oder so etwas geplant. Gerade das Umgekehrte ist geplant.
({0})
Herr Kollege Klinker, ich darf Ihnen sehr herzlich für Ihre Ausführungen danken. Sie haben das Wort der gemeinsamen Verantwortung zwischen Regierung und Parlament hier eingeführt und damit etwas sehr Entscheidendes und Wichtiges zu dieser Debatte beigetragen. Sie sagen, es ist eine gute Diskussionsgrundlage. Ich bin einverstanden damit. Es soll nicht mehr sein als eine Diskussionsgrundlage. Eine Diskussionsgrundlage ist jeder Gesetzentwurf, ist jede Vorlage, die in dieses Haus kommt. Sie diskutieren darüber, und Sie entscheiden darüber. Ich könnte das Wort von Wildermuth zitieren, der einmal gesagt hat: „Von meiner Vorlage ist nur die Überschrift übriggeblieben." Selbst das könnte passieren. Ich bin selber jahrelang Parlamentarier genau wie Sie, und ich würde mich selbst mit einem solchen Schicksal abfinden, wenn das für Sie der Anstoß gewesen wäre, noch bessere Gedanken darauf zu setzen; sie würden nur meinen Beifall finden.
({1})
Ich bin sehr dankbar, daß der Finanzminister auch den Nebel wegen der finanziellen Seite hier durch ganz klare Aussagen beseitigt hat. 400 Millionen Mark oder 375 Millionen Mark, so wie er sich ausgedrückt hat, insgesamt jetzt für das Jahr 1969 mehr, das ist vielleicht kein überwältigendes Ergebnis, das ist aber ein Mehr und ist etwas Positives und ist mehr als das, was in der bisherigen Planung vorgesehen war. So ganz ohne Erfolg war es noch nicht. Auch der Vorschlag des Finanzministers ist eine Diskussionsgrundlage für Sie. Ich will sehen, wie Sie sich hier bei dieser Diskussion bewähren.
({2}) Ich bin sehr gespannt.
Herr Kollege Ehnes, zur Braugerste ein kurzes Wort! Ich habe Ihnen gesagt, wie ich mir die LöBundesminister Höcherl
sung vorstelle. Wir müssen meines Erachtens den Gerstenpreis insgesamt anheben. Einen eigenen Interventionspreis für Braugerste zu finden, ist für uns gar nicht so einfach, weil die französische Braugerste in ihrer Wettbewerbssituation eine ganz neue Lage geschaffen hat.
Herr Kollege Peters, daß Sie nicht zufrieden sind, kann ich verstehen, das nehme ich hin, und ich ertrage es, wie ich hoffe, mit Würde und mit Geduld. Aber es ist ja auch das Spiel, das wir betreiben, nicht so, daß wir immer und immer uns bemühen müßten, die Zufriedenheit der Opposition zu erwerben. Ich bin schon zufrieden, wenn Sie sagen: Drei bis Vier, und wenn Sie versprechen und das halten, was Sie gesagt haben: mitzuarbeiten. Ich warte auf die Gedankenblitze, die Sie in diesen Teppich einweben werden; vielleicht wird er bunter und schöner.
({3})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Schmidt ({0}).
Meine Damen und Herren! Ich bitte um Verständnis, daß ich noch einmal das Wort ergreife; es ist zwar in den zwanzig Jahren bisher nicht üblich gewesen, noch nach dem Minister zu sprechen -, aber ich habe Veranlassung, doch noch einiges anzumerken.
Herr Minister, Ihr Auftritt ist immer ein Genuß. Sie haben heute nachmittag 40 Minuten und jetzt fast 52 Minuten gebraucht, und Sie haben sich meinen Ausführungen 12 Minuten gewidmet; ich habe nur 8 Minuten gesprochen.
({0})
Das ist immerhin ein Erfolg.
Sie haben in freundlicher Weise, wie es zwischen uns üblich ist, meinen Bemerkungen, ich will nicht sagen, widersprochen, aber Sie haben sie in vielen Teilen doch richtigzustellen versucht. Sie wissen, daß ich das alles mit viel Spaß mache und auch viel Spaß vertrage. Aber, Herr Minister, durch vieles Reden wird die Wahrheit nicht wahrer, und das Unwahre wird nicht zur Wahrheit.
({1})
Sie glaubten das zurückweisen zu müssen, was ich über die Informationspolitik in einem bestimmten Zeitpunkt hier angemerkt habe. Herr Minister, das Dementi ist schwach. Wir können es auf die Probe ankommen lassen. Ich will das nicht weiter vertiefen. Ich fand das in diesem Zeitpunkt nicht gut. Ich bin ja auch ein bißchen informiert worden. Ich bedanke mich dafür. Aber ich habe das für mich behalten. Als ich das alles so in den Zeitungen las, war ich doch ein wenig bestürzt und habe nur gedacht: Na, ob das man gut geht. Und es ist nicht gut gegangen.
({2})
Auf das, was Sie gesagt haben, komme ich noch.
Eine zweite Bemerkung, Herr Bundesminister! Ich habe gar nicht behauptet, daß der Ausschuß oder daß der besondere Kabinettsausschuß unter dem Bundeskanzler Sie unter Kuratel stellt. Ich habe ausdrücklich diese Geschichte begrüßt. Freuen Sie sich, daß Sie unter dem Herrn Bundeskanzler unmittelbar arbeiten können.
Eine weitere Bemerkung! Ich finde, das Thema Förderungsgesellschaft ist ein ernstes Thema. Ich weise die Sache gar nicht zurück. Ich habe nur gesagt: über Form und Inhalt muß natürlich ausführlich geredet werden.
Ich finde es außerordentlich gut, daß Minister Strauß hier gesprochen hat. Ich bin überzeugt, er hat nicht umsonst hier das Wort ergriffen, sondern er hat es zu einem bestimmten Zweck getan, und wer genau zugehört hat, weiß auch, an wen seine Bemerkungen gerichtet waren. Das traf alle, ganz egal, ob sie oben oder unten in diesem Saal sitzen.
Nun noch eine Bemerkung zu Ihnen, Kollege . Bauer ({3}). Sie haben gesagt: Das ist ein guter Tag. Es wird sich noch herausstellen, ob diese Debatte einen guten Tag markiert. Wir haben zur Verlängerung nicht beigetragen. Wenn ich .die große Zahl der Redner aus Ihren Reihen sehe, muß ich doch sagen, Sie tun sich sehr schwer mit dem neuen Programm unserer gemeinsamen Bundesregierung.
({4}) Diese Folgerung konnte man daraus ziehen.
Nun eine Bemerkung zu dem Bericht auf Drucksache V/2895 zu dem Entschließungsantrag auf Umdruck 366. Sie bestehen auf einer Abstimmung. Es tut mir leid, daß meinen internen Bemühungen, diesen Antrag an den Ausschuß zurückzuverweisen, kein Erfolg beschieden ist. Nur deswegen gehe ich hier herauf. Wir haben uns bereits im Ausschuß ganz klar und eindeutig gegen die meisten Punkte dieser Vorlage gewandt, und wir bleiben dabei. In einigen Punkten können wir zustimmen, aber in vielen Kernpunkten sind wir anderer Auffassung. Das ist nicht unser Stil. Wir glauben hier in Übereinstimmung mit dem Regierungsprogramm handeln zu müssen, und da finden wir hier Widersprüche. Das ganze Kapitel Milchpolitik unter der Ziffer 1 Buchstabe a wäre doch im Grunde genommen völlig neu zu formulieren, wenn wir den Tatbeständen, die inzwischen auch in Brüssel geschaffen worden sind, Rechnung tragen wollten. Herr Kollege Bauer ({5}), was kann man sich denn für den Richtpreis von 41,2 Pf kaufen?
({6})
Sie wissen doch selber, daß man diese Beschlüsse von Brüssel, na ja, zwar hinnehmen, aber um Gottes Willen nicht verteidigen kann. Das wäre doch das letzte.
({7})
Dr. Schmidt ({8})
- Es hilft doch nichts! Ich will Ihnen sagen, warum wir es ablehnen.
({9})
In Ziffer 1 Buchstabe c bringen Sie die Erwartung zum Ausdruck, daß bei der Neufestsetzung des europäischen Getreidepreises für das Getreidepreisjahr 1969/1970 mindestens das frühere Preisniveau wiederhergestellt wird. Es gelang uns im Ausschuß nicht einmal, die Streichung des Wortes ,,mindestens" zu erreichen. Und nun darf ich Ihnen aus dem Höcherl-Papier, Seite 22, folgende Passage vorlesen:
Die Aufrechterhaltung der derzeitigen gemeinschaftlichen Preise für Erzeugnisse mit strukturellen Überschüssen erscheint die politisch am ehesten realisierbare Regelung. Bei allen übrigen Produkten können in den kommenden Jahren unter Berücksichtigung des Außenhandels Preisanhebungen erfolgen, wenn die Entwicklung der Nachfrage es zuläßt ...
Das ist eine Meinung, die wir teilen, und wir würden uns durch einen Beschluß, wie Sie ihn jetzt herbeiführen wollen, in Widerspruch dazu setzen. Das wollen wir nicht.
({10})
Ein anderer Punkt, den ich kritisch anmerken möchte, betrifft die Ziffer 3 Buchstabe a, die die Forderung enthält, das Altersgeld für Landwirte auf 200 DM anzuheben. Das kostet, wie wir im Ausschuß gehört haben, 254 Millionen DM. Heute haben wir gehört, welcher Gesamtrahmen unsnoch nicht fest, aber eventuell - zur Verfügung steht. Dieser Betrag würde durch eine solche Anhebung des Altersgeldes ganz aufgebraucht werden, und ich glaube, wir haben dringlichere Aufgaben als die Anhebung des Altersgeldes auf 200 DM.
Was den letzten Punkt angeht: Sie werden ja nicht erwarten können, meine Damen und Herren, daß wir unsere eigene Gesetzesvorlage desavouieren, indem wir der Ziffer 3 Buchstabe b zustimmen. Wir haben den Gesetzentwurf eingebracht und wir bestehen darauf. Wir halten ihn für sicherer.
Aus diesem Grunde werden wir den Antrag des Ausschusses auf Drucksache V/2895 ablehnen.
Meine Damen und Herren, damit ist die Rednerliste erledigt. Wir kommen jetzt zu der Abstimmungsprozedur.
Wir beginnen. mit der Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zu dem Protokoll vom 15. Mai 1967 - Internationales Weizenübereinkommen, Punkt 5 der Tagesordnung - in zweiter Lesung. Es liegen keine Änderungsanträge vor. Wer mit dein Art. 1, - 2, - 3, - der Einleitung und der Überschrift des Gesetzes einverstanden ist, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe bitte! -Enthaltungen? - In zweiter Lesung. einstimmig angenommen.
Wir kommen zur
dritten Beratung.
Wird das Wort zur dritten Beratung gewünscht? -
Das ist nicht der Fall. Damit kommen wir zur Schlußabstimmung über das Gesetz. Wer dem Gesetz als ganzem zustimmt, den bitte ich, sich vom Platz zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das Gesetz ist einstimmig angenommen.
Wir kommen zu Punkt 6 der Tagesordnung Änderung des Durchführungsgesetzes EWG Getreide, Reis usw. Ich bin darüber unterrichtet worden - ich glaube, die Fraktionen wissen das bereits -, daß wir zur Abstimmung bei Punkt 6 ein Quorum benötigen. Ich schlage daher vor, daß wir die Abstimmung - allerdings ohne Wiedereröffnung der Debatte - auf morgen vormittag nach Punkt 3 vertagen. - Wenn das Haus damit einverstanden ist, ist so beschlossen.
Wir kommen zu Punkt 7 der Tagesordnung - Durchführungsgesetz EWG Milch und Milcherzeugnisse sowie Rindfleisch -, zunächst zur zweiten Lesung, Drucksache V/2992. Zu diesem Gesetzentwurf liegen Änderungsanträge vor. Wer den §§ 1,-2,-3,-4,-5,-6,-8,-9,10, - 11, - 12 und 13 zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. Gegenprobe! - Enthaltungen? -Bis dahin einstimmig angenommen.
Zu § 14 liegt ein Änderungsantrag auf Umdruck 503 *) vor. Wird der Antrag begründet?
({0})
- Herr Kollege Bauknecht zur Begründung des Antrags.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Diese Änderungsanträge sind nur aus rechtssystematischen Gründen notwendig. Ich bitte, ihnen zuzustimmen.
Meine Damen und Herren, Sie haben die Begründung gehört. Wer dem Änderungsantrag Umdruck 503 Nr. 1, den § 14 betreffend, zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist einstimmig angenommen.
Wer dem § 14 in der geänderten Form zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - § 14 ist angenommen.
Jetzt kommen wir zur Abstimmung über die §§ 15, - 16, - 17 und 18. - Wer den §§ 15, bis 18 zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Diese Paragraphen sind damit angenommen.
Zu § 19 liegt ein Änderungsantrag vor. Wer diesem Antrag zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist angenommen.
Wer dem § 19 in der geänderten Form zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Ge-
*) Siehe Anlage 2
Vizepräsident Scheel
genprobe! - Enthaltungen? - § 19 ist einstimmig angenommen.
Wer den §§ 20, -- 21, - 21 a, - 21 b, - 21 c, - 21 d, - 21 e, - 21 f, - 21 g, - 21h und 22 zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen.
Zu § 23 liegt ein Änderungsantrag vor. Wer dem Änderungsantrag zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist angenommen.
Wer dem § 23 in der geänderten Form zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - § 23 ist in der geänderten Fassung angenommen.
Wer der Einleitung und Überschrift zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einleitung und Überschrift sind einstimmig angenommen.
Ich eröffne die
dritte Beratung.
Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Wer dem Gesetz im ganzen in der so geänderten Form zustimmt, den bitte ich, sich zu erheben. - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das Gesetz ist einstimmig angenommen.
Wir kommen zu Punkt 8 der Tagesordnung, dem Entwurf eines Gesetzes zur Änderung futtermittelrechtlicher Vorschriften.
Wer den Artikeln 1, - 2, - 3, - 4, - 5, -
7, - 8, Einleitung und Überschrift zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? -- Die Artikel sowie Einleitung und Überschrift sind einstimmig angenommen.
Wir kommen zur
dritten Beratung.
Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Wer dem Gesetz als ganzem in dritter Beratung zustimmt, den bitte ich, sich zu erheben. - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das Gesetz ist einstimmig angenommen.
Wir kommen zu Punkt 9 der Tagesordnung, dem Entschließungsantrag der Fraktion der FDP zur Beratung des Berichts der Bundesregierung über die Lage der Landwirtschaft usw.
Hierzu liegen Änderungsanträge vor. Wird zum Änderungsantrag auf Umdruck 504 *) das Wort gewünscht? - Zur Begründung des Änderungsantrags hat das Wort Herr Kollege Wächter.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es tut mir außerordentlich leid, daß ich Sie zu dieser späten Stunde noch mit diesem Änderungsantrag der Fraktion der FDP behelligen muß, nachdem uns die Debatte über den
*) Siehe Anlage 3
Höcherl-Plan, oder sagen wir besser: den HöcherlEntwurf, die ja im wesentlichen von den Bayern bestritten wurde, annähernd fünf Stunden beschäftigt hat. Ich will Ihnen ganz kurz sagen, weswegen wir diesen Änderungsantrag gestellt haben. Sie wollen bitte den Umdruck 504 zur Hand nehmen.
Unter Ziffer 1 haben wir für die Nummer 2 folgende Fassung vorgeschlagen:
die im EWG-Vertrag vereinbarten Präferenzen durch Einflußnahme auf die Verwendung der Mittel des Garantiefonds sicherzustellen und dadurch zugleich Agrareinfuhren in die EWG über den Marktbedarf hinaus zu verhindern;
In dem Entwurf bzw. in dem Antrag des Ausschusses steht lediglich: „zu prüfen". Wir sind der Meinung, daß diese Formulierung nicht weitgehend genug ist. Ich darf als Beispiel an das bewußte China-Geschäft mit der Hereinnahme von 300 000 Schweinen und der Ausfuhr von französischem Weizen nach Rotchina erinnern. Wir sind der Meinung, daß solche Geschäfte verhindert werden müssen, und vertreten den Standpunkt, daß auf der Basis einer echten Partnerschaft solche Geschäfte nicht durchzuführen sind.
Unter Ziffer 2 schlagen wir vor, folgende Nr. 3 einzufügen:
Maßnahmen vorzuschlagen, die die Veredelung in bäuerlichen Familienbetrieben fördern und eine Einengung ihrer Produktionschancen durch industrielle Massentierhaltungen verhindern;
Diesen Punkt haben wir deshalb noch einmal in unseren Antrag aufgenommen, weil - das geht aus dem Schriftlichen Bericht des Kollegen Blume hervor - die Bundesregierung bis zum 30. Juni 1968 hierüber berichten sollte. Wir bedauern außerordentlich, daß dieser Bericht nicht vorliegt, und bitten Sie recht höflich, diesem unserem Vorschlag zu folgen.
Drittens beantragen wir, eine Nr. 4 anzufügen, die sich mit dem Fragenkomplex der Familienbetriebe befaßt, der auch heute hier des öfteren angesprochen worden ist, insbesondere auch von dem Kollegen Bauer ({0}). Wir meinen, daß es unbedingt erforderlich ist, hier noch einmal mit aller Deutlichkeit auf dieses Problem hinzuweisen. In diesem Sinne bitten wir Sie recht herzlich, unseren Änderungsantrag anzunehmen. Bei uns ist von einzelnen gesagt worden: Wahrscheinlich werden wir, weil wir nun einmal Oppositionspartei sind, erleben, daß unser Änderungsantrag seitens der Regierungsparteien abgelehnt wird. Ich habe von mir aus gesagt, wenn die besseren Argumente bei der Opposition sind, wird man sich diesen besseren Argumenten nicht verschließen. Ich bitte Sie nochmals recht herzlich, unseren Änderungsantrag anzunehmen.
({1})
Meine Damen und Herren, Sie haben die Begründung gehört. Wir kommen zur Abstimmung über den Änderungsantrag Umdruck 504, wenn das Wort nicht weiter gewünscht wird. - Das ist offensichtlich der Fall. Wer dem Änderungsantrag Umdruck 504 zuzustimmen
Vizepräsident Scheel
wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Gegenstimmen waren die Mehrheit; damit ist der Änderungsantrag Umdruck 504 abgelehnt.
Meine Damen und Herren, wir kommen dann zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses in Drucksache V/2893. Wer diesem Antrag des Ausschusses zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei einigen Enthaltungen ist der Antrag angenommen.
Ich rufe Punkt 10 der Tagesordnung auf:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ({0}) über den Entschließungsantrag der Fraktion der FDP zur Beratung des Berichts der Bundesregierung über die Lage der Landwirtschaft gemäß § 4 des Landwirtschaftsgesetzes und Maßnahmen der Bundsregierung gemäß Landwirtschaftsgesetz und EWG-Anpassungsgesetz
- Umdruck 365, Drucksachen V/2894, zu V/2894 Berichterstatter: Abgeordneter Blume in Verbindung damit
Bericht des Haushaltsausschusses ({1}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung
- Drucksache V/3048 -Berichterstatter: Abgeordneter Röhner
Wird dazu das Wort vom Berichterstatter gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Wir kommen zur Abstimmung über den Schriftlichen Bericht des Ausschusses auf Drucksache V/2894. Wer dem Bericht zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Bericht ist einstimmig angenommen.
Wir kommen zu Punkt 11 der Tagesordnung:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ({2}) über den Antrag der Fraktion der FDP betr. Getreidepreisausgleich
- Drucksachen V/1968, V/2896, zu V/2896 -Berichterstatter: Abgeordneter Blume
Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Wer dem Bericht des Ausschusses zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Bericht ist einstimmig angenommen.
Punkt 12 der Tagesordnung:
Beratung des Antrags der Fraktion der FDP betr. Wegebauprogramm für ländliche Betriebe in Höhenlagen
- Drucksache V/2813 Dazu liegt ein Überweisungsvorschlag des Ältestenrates vor. Wird der Antrag der Fraktion
der FDP begründet? - Zur Begründung hat das Wort der Herr Kollege Ertl.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben uns heute den ganzen Tag über langfristige Agrarpolitik unterhalten, und die Opposition ist aufgefordert worden, Tupfer zum farbigen Teppich des Ministers beizutragen. Hier ist einer unserer Tupfer. Wir hoffen, daß der Herr Minister erfolgreich mit den Ländern verhandeln wird. Ich weiß z. B. aus einer Erhebung des Landes Bayern, daß allein dort beispielsweise mit einem Finanzvolumen von 60 Millionen DM noch 500 km Wege gebaut werden müssen, um dieses Gebiet vollauf zu erschließen und rationelle Betriebsformen zu schaffen. Wir hoffen, daß der Herr Minister hier erfolgreich arbeitet. Das ist also einer der vielen Beiträge der Opposition.
({0})
Meine Damen und Herren, Sie haben die Begründung gehört. - Isst das Ihr Ernst, Herr Kollege? - Bitte, dann haben Sie das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte zum Wirtschaftswegebau in Höhenlagen ein paar Worte sagen. Ich würde es sehr begrüßen, wenn im Zuge von Rahmenplänen oder Regionalprogrammen, die wohl ohnehin vorgesehen sind, der Wirtschaftswegebau in Höhenlagen noch verstärkt werden könnte. Ohne Zweifel ist bisher durch den Bund und durch die Länder auf diesem Gebiet schon sehr viel geschehen. Trotz dieser beachtlichen Bauleistungen warten noch viele Bauern in wenig erschlossenen Gebieten, daß auch ihre Wege in absehbarer Zeit ausgebaut werden. Es ist schon so, daß für eine bessere Bewirtschaftung von solchen landwirtschaftlichen Betrieben der Wirtschaftswegebau eine der wichtigsten Voraussetzungen ist. Die Verhältnisse sind eben durch die Höhenlage sowie durch die Hanglage, bei der man mit Neigungen über 20 % rechnen muß und keine Maschine verwenden kann, und durch das extreme Klima sehr erschwert. Daraus ergibt sich die kurze Vegetationszeit - und das muß man auch einmal sagen - mit vielen Niederschlägen und niedrigen Jahresmitteltemperaturen und natürlich auch einer langen Schneelage. Erschwerend sind die hohe Zahl der Frosttage, die kärglichen Böden, rauhe Winde, Waldschatten sowie die Verkehrsentlegenheit.
Nachteile für die gesamte Wirtschafts- und Lebensführung erwachsen gegenüber Betrieben in der Ebene durch die Geländegestaltung, durch die Bodenverhältnisse und durch die Marktlage. Trotz der Hilfen von Bund und Ländern und trotz aller Anstrengungen dieser Betriebe bleibt die Bewirtschaftung besonders schwierig. Die Wirtschaftswege ergeben natürlich insbesondere auch eine bessere Ablieferung der Milch und werden oft auch das Vermieten eines Zimmers ermöglichen, so daß sich insgesamt erträglichere Einnahmen und Verhältnisse ergeben würden. Bei der Ungunst der ErzeugungsDr. Brenck
bedingungen und der Wegeverhältnisse würde ein verstärkter Wirtschaftswegebau zur Sanierung dieser Betriebe in Höhenlagen sicher ganz erheblich beitragen, ganz zu schweigen von der großen landeskulturellen Bedeutung, die die Almen für ein ganzes Gebiet haben.
({0})
Ich danke Ihnen.
Meine Damen und Herren, wir kommen damit zur Abstimmung über den Überweisungsvorschlag des Ältestenrates. Der Überweisungsvorschlag liegt Ihnen vor. Wer dem Überweisungsvorschlag zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Damit ist dem Vorschlag auf Überweisung an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten sowie an den Haushaltsausschuß gemäß § 96 der Geschäftsordnung zugestimmt.
Meine Damen und Herren, ich darf nachtragen, daß zu Punkt 8 der Tagesordnung ein Mündlicher Bericht des Abgeordneten Müller ({0}) zu Protokoll gegeben worden ist.
Wir kommen damit zu Punkt 13 der Tagesordnung:
Erste Beratung des von den Abgeordneten Burgemeister, Dr. Siemer, Struve, Riedel ({1}), Wieninger und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gsetzes zur Änderung gebührenrechtlicher Vorschriften der Schlachtviehmärkte, Schlachthäuser und Fleischgroßmärkte
- Drucksache V/2957 Wird zu diesem Antrag das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Es liegt Ihnen der Überweisungsvorschlag des Ältestenrates auf Überweisung an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten - federführend - und den Ausschuß für Kommunalpolitik, Raumordnung, Städtebau und Wohnungswesen vor. Wer dem Vorschlag zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Es ist gemäß dem Vorschlag des Ältestenrates beschlossen.
Dann kommen wir zu Punkt 14 der Tagesordnung:
Erste Beratung des von den Abgeordneten Burgemeister, Dr. Siemer, Wieninger und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Fleichbeschaugesetzes
- Drucksache V/2958 Der Punkt ist ergänzt worden um einen Punkt 14 a, den wir jetzt mit behandeln wollen:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ({2}) über den Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/CSU zur Beratung des Berichts der Bundesregierung über die Lage .der Landwirtschaft gemäß § 4 des Landwirtschaftsgesetzes und der Maßnahmen der Bundesregierung gemäß Landwirtschaftsgesetz und EWG-Anpassungsgesetz gesetz
- Umdruck 366, Drucksachen V/2540, V/2895 Meine Damen und Herren, für den Antrag der Abgeordneten Burgemeister und Genossen liegt der Vorschlag des Ältestenrates vor, den Gesetzentwurf an den Ausschuß für Gesundheitswesen - federführend - und an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zur Mitberatung zu überweisen. Wer diesem Vorschlag folgen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Es ist so beschlossen.
Jetzt haben wir abzustimmen über den Antrag des Ausschusses auf Drucksache V/2895. Wird das Wort gewünscht? - Das ist der Fall. Das Wort hat der Abgeordnete Peters.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir werden diesem Antrag zustimmen, allerdings mit Bedenken. Wir sehen für diesen Antrag noch keine Finanzierungsmöglichkeit. Wir stimmen zu in der Erwartung, daß die Bundesregierung für diesen Antrag der CDU/ CSU die Mittel bereitstellt.
({0})
Meine Damen und Herren, dieses war eine kurze Bemerkung.
Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses. Wer dem Ausschußantrag zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei Gegenstimmen ist der Antrag angenommen.
Meine Damen und Herren, damit ist die Abstimmung über die Anträge, die mit der Agrardiskussion zusammenhängen, beendet. Ich berufe diel nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Mittwoch, den 26. Juni, 9 Uhr, ein.
Die Sitzung ist geschlossen.