Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 5/16/1968

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Erwin Schoettle (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002061

Die Sitzung ist eröffnet. Die folgende amtliche Mitteilung wird ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen. Zu den in der Fragestunde der 172. Sitzung des Deutschen Bundestages am 9. Mai 1968 gestellten Fragen des Abgeordneten van Delden, Drucksache V/2868 Nrn. 77 und 78 *), ist inzwischen die schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. Arndt vom 9. Mai 1968 eingegangen. Sie lautet: Selbstverständlich führt im internationalen Warenverkehr die Ausklammerung eines bedeutenden Bereichs an potentiellen Einfuhrgütern zu einem verschärften Importdruck auf andere Wirtschaftszweige. Dies gilt besonders für die deutsche Textil- und Bekleidungsindustrie, bei der die Einfuhr ({0}) gemessen am Umsatz ({1}) im Vergleich zum Durchschnitt der deutschen Industrie einen hohen Wert hatte. In diesem Gesamtvergleich ist die Bedeutung der Einfuhr aus Osteuropa aber nicht sehr erheblich ({2}). Für die Gesamtheit der deutschen Textil- und Bekleidungsindustrie läßt sich daher ein Urteil „übergebührliche Belastung durch Osteuropa-Einfuhren" nicht rechtfertigen. Dies ist freilich nicht das Ergebnis der Marktlage, sondern einer entsprechenden Abschirmung der Textil- und Bekleidungsindustrie durch die Handelspolitik der Bundesregierung. Die Beibehaltung dieser Politik war in der Wirtschaftskrise 1966/67 notwendig. Wir beginnen mit der Fragestunde Drucksachen V/2904, zu V/2904 Wir kommen zunächst zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für das Post- und Fernmeldewesen. Ich rufe die Fragen 2, 3 und 4 des Herrn Abgeordneten Gscheidle auf: Welche Kriterien sind für die Größe und Grenzen eines Fernsprechortsnetzes - vornehmlich für großstädtische Ortsnetzbereiche - maßgebend? In welchen Fällen wurde Anträgen auf Einbeziehung von sogenannten Stadtrandgemeinden in das großstädtische Ortsnetz entsprochen? Welche Konsequenzen gedenkt die Bundesregierung in gebührenpolitischer Hinsicht und im Hinblick auf die Grüße der Ortsnetze aus der Tatsache zu ziehen, daß im Zuge von Regionalplanungen Wohngebiete außerhalb einer Großstadt entstehen ({3})? Die Fragen werden im Einverständnis mit dem Fragesteller schriftlich beantwortet. Die Antwort *) Siehe 172. Sitzung, Seite 9234 B des Staatssekretärs Dr. Pausch vom 14. Mai 1968 lautet: 1. Die für die Größe und Abgrenzung der Fernsprechortsnetze geltenden wesentlichen Grundsätze, wie sie auch in den einschlägigen Bestimmungen der derzeit geltenden Fernsprechordnung enthalten sind, sehen vor, daß a) jedes Ortsnetz einen genügend großen Bereich umfassen soll. Dieser wird als gegeben angesehen, wenn die innerhalb des 5-km-Kreises um eine Vermittlungsstelle liegenden Sprechstellen zu einem Ortsnetz zusammengefaßt werden. b) die Ortsnetzbereiche so gegeneinander abgegrenzt werden, daß Orte und Ortsteile grundsätzlich zu dem Bereich des Ortsnetzes gehören, dessen Vermittlungsstelle ihnen in der Luftlinie am nächsten liegt, c) der geschlossen bebaute Ortsteil einer Gemeinde, in dem eine Vermittlungsstelle liegt, stets zum Bereich des Ortsnetzes dieser Vermittlungsstelle gehört und d) der geschlossen bebaute Ortsteil einer Gemeinde, in dem sich eine Vermittlungsstelle befindet, nicht auf verschiedene Ortsnetzbereiche verteilt sein soll, auch wenn er sich über den 5-kin-Kreis um die Vermittlungsstelle hinaus erstreckt. Die vorstehend genannten wesentlichen Normen für die Ortsnetzgestaltung gründen sich auf notwendige technische, wirtschaftliche sowie tarifliche Gesichtspunkte und berücksichtigen zugleich im Rahmen der kommunalen Gliederung die Besiedlungsform des durch das Fernsprechnetz zu erschließenden Gebietes. Vor allem die unter c) und d) aufgeführten Grundsätze mußten zwangsläufig zu einem starken Größenunterschied zwischen den großstädtischen und den übrigen Ortznetzen führen. 2. Aus dem unter 1. Gesagten ergibt sich, daß die Teilnehmer großstädtischer Ortsnetze, z. B. Hamburg, bevorzugt sind. So können sich dort rund 480 000 Teilnehmeir zur Ortsgesprächsgebühr untereinander erreichen. Daher wurden in neuerer Zeit Anträge auf Einbeziehung von Stadtrandgemeinden in großstädtische Ortsnetze und damit die weitere Ausdehnung ihrer Ortsgebührenbereiche ausnahmslos abgelehnt. Wenn dennoch in dem einen oder anderen Großstadtortsnetz Orte, Ortsteile oder gar ganze Gemeinden anzutreffen sind, die außerhalb des eigentlichen Stadtgebietes liegen und die nach den erwähnten Grundsätzen eigentlich anderen Ortsnetzen hätten zugeordnet werden müssen, so ist dies zum Teil darauf zurückzuführen, daß in den betreffenden Großstadträumen, in denen sich schon frühzeitig Siedlungsschwerpunkte befanden, der Fernsprechdienst seinen Anfang genommen hat. Zu der Zeit, als es erst wenige, weit voneinander entfernte Vermittlungsstellen gab, mußten auch weiter entfernt liegende Sprechstellen mit diesen verbunden werden. Da, wo die ersten Sprechstellen eines Ortes oder Ortsteiles angeschlossen waren, wurden in der Regel auch die später hinzukommenden angeschlossen. 3. Die erwähnten Grundsätze haben für die Teilnehmer der großstädtischen Ortsnetze einen gebührenmäßigen Vorteil mit sich gebracht. Es ist nicht vertretbar, die Fernsprechteilnehmer in den Großstädten durch die Eingliederung von Einzugsgebieten in die großstädtischen Ortsnetze noch weiter zu bevorzugen. Ein Einzugsgebiet läßt sich im übrigen kaum klar abgrenzen, wird sich aber in der Regel auf einen sehr weiten Umkreis um die eigentliche Großstadt erstrecken. Wollte man eine Ausweitung der Großstadtortsnetze und damit der Ortsgebührenbereiche erwägen, so müßte diese also beträchtlich sein, Das aber würde dazu führen, daß an den neuen Grenzen der Großstadtortsnetze sich der Gebührensprung von der Orts- zur Ferngesprächsgebühr noch mehr vergrößern würde. Die Folge wäre zwangsläufig, daß der Ferngesprächstarif geändert werden müßte. Ein neuer Tarif wäre aber - da das gegenwärtige Tarifsystem netzgebunden ist - nicht ohne grundlegende Änderungen im technischen Aufbau des Fernsprechnetzes möglich. Große Investitionen wären hierfür erforderlich. Deshalb halte ich es nicht für ratsam, die Grundsätze derzeit zu ändern. Vizepräsident Schoettle Frage 5 des Herrn Abgeordneten Fritsch ({4}) : Trifft es zu, daß das Fernmeldezeugamt Regensburg demnächst aufgelöst werden soll? Die Antwort gibt der neue Herr Staatssekretär des Bundespostministeriums, Herr Dr. Hans Pausch. Bitte, Herr Staatssekretär!

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Herr Präsident! Herr Abgeordneter! Das Fernmeldezeugamt Regensburg soll als Folge von eingehenden Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen aufgelöst werden. Durch eine anderweitige Verteilung seiner jetzigen Aufgaben können jährlich fast 2 Millionen DM eingespart werden. Einen genauen Termin für die Auflösung kann ich Ihnen heute aber noch nicht nennen. Jedoch wird dieser nicht vor 1972 liegen. Der Bezirk des Fernmeldeamts Landshut, ein Teil des Versorgungsbereichs dieses Zeugamts, soll ab 1. Januar 1969 durch das Fernmeldezeugamt München mit versorgt werden.

Erwin Schoettle (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002061

Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Fritsch.

Walter Fritsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000601, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, wird bei den Überlegungen über die nun festliegende Auflösung des Fernmeldezeugamts berücksichtigt, daß dadurch dem ostbayerischen Raum weitere 115 Arbeitsplätze verlorengehen, ein Umstand, der besonders schwer wiegt, wenn man die Zahlen der Arbeitslosen berücksichtigt und wenn man vielleicht auch überlegt, daß es Absichten gibt, unter Umständen auch die Bundesbahndirektion Regensburg mit einer ganz erheblichen Zahl von Arbeitsplätzen aufzulösen?

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Herr Abgeordneter, selbstverständlich sind diese Überlegungen mit einbezogen. Die beteiligten Oberpostdirektionen, die diese Arbeiten mit übernehmen müssen, sind aufgefordert worden, die Überleitung vor allem ohne unzumutbare Härten für das betroffene Personal zu planen. Zum Ende Mai eines jeden Jahres wird die Oberpostdirektion Nürnberg über bereits eingeleitete und noch beabsichtigte Maßnahmen berichten und dabei besonders auf die weitere Verwendung der beim Fernmeldezeugamt Regensburg frei werdenden Kräfte eingehen.

Erwin Schoettle (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002061

Herr Fritsch!

Walter Fritsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000601, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, würden Sie zugeben, daß der mögliche Rationalisierungseffekt, der dabei bei der Bundespost entsteht, nicht aufgewogen wird durch die von mir bereits dargelegte Möglichkeit des Verlustes von Arbeitsplätzen, zumal da, wie mir bekannt ist, dieser Fernmeldebezirk der viertgrößte in der Bundesrepublik ist und es im ostbayrischen Raum noch die größte Zahl unerledigter Anträge auf Fernsprechanschlüsse gibt?

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Abgeordneter, es ist gerade die große Zahl von unerledigten Anträgen auf Anschlüsse, die uns zwingt, alles zu tun, um unter anderem auch die Versorgung mit Material zu optimieren. Seit Jahren ist daher ein Generalplan erarbeitet, der alle Möglichkeiten ausschöpft, diese Versorgung mit Nachschub zu verbessern. Ich glaube, wir überschätzen die Zahl der betroffenen Kräfte. Die Lagerplätze für Kabel und weiteres Bauzeug werden nach wie vor in Regensburg verbleiben. Es wird nur der Verwaltungskopf in den Bezirk Nürnberg verlegt, um alles besser. schneller und wirtschaftlich günstiger erledigen zu können. Es dreht sich also lediglich um den Verwaltungskopf, nicht um die gesamte eigentliche Arbeit des Zeugamtes.

Erwin Schoettle (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002061

Meine Damen und Herren, zwischendurch eine Bemerkung. Ein Blick auf die Restbestände an Fragen läßt die Vermutung zu, daß die Fragestunde möglicherweise nicht die ganze Stunde beansprucht, so daß wir früher zur Fortsetzung der Debatte von gestern kommen können. Ich bitte insbesondere auch die Fraktionsgeschäftsführer, das zu überlegen. Wir kommen nun zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Wohnungswesen und Städtebau. Die einzige Frage, die gestellt ist, kommt vom Abgeordneten Dr. Müller; es ist die Frage 6: Beabsichtigt die Bundesregierung, über den 1. Januar 1969 hinaus den Stadt- und Landkreis München als schwarzen Kreis weiterzuführen? Sie wird im Einverständnis mit ihm schriftlich beantwortet. Die Antwort liegt noch nicht vor. Sie wird nach Eingang im Sitzungsbericht abgedruckt. Ich rufe die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für wissenschaftliche Forschung auf. Der Abgeordnete Dr. Müller ({0}) stellt die Fragen 7 und 8: Wie beurteilt die Bundesregierung die Auswirkung der Weigerung Italiens auf die ESRO, an der Aufbringung der Kosten für die wissenschaftlichen Satelliten TD-1 und TD-2 teilzunehmen? Welche Kosten sind für die Bundesrepublik Deutschland durch die Vorbereitungsarbeiten für dieses Programm bereits entstanden? Bitte, Herr Bundesminister, wollen Sie antworten!

Dr. Gerhard Stoltenberg (Minister:in)

Politiker ID: 11002259

Zu dem TD-Projekt der ESRO habe ich bereits in der Fragestunde am 9. Mai 1968 Stellung genommen. Ich möchte hier wiederholen, daß sich die Bundesregierung in erster Linie darum bemüht, doch noch die Zustimmung Italiens zur Fortführung dieses Vorhabens zu erhalten. Für den Fall, daß diese Bemühungen erfolglos bleiben, werden Überlegungen angestellt, ob und wie das Projekt in anderer Weise fortgeführt werden kann. Der Rat der ESRO wird hierüber voraussichtlich in Kürze entscheiden.

Dr. Günther Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001548, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister, bis wann ist zu erwarten, daß in den Verhandlungen mit Italien eine Entscheidung fällt, und ist innerhalb der Dr. Müller ({0}) ESRO vorgesehen, daß dann alle übrigen Länder mit. Ausnahme Italiens zusammenarbeiten?

Dr. Gerhard Stoltenberg (Minister:in)

Politiker ID: 11002259

Die italienische Regierung hat erklärt, daß sie sich erst nach den Wahlen, die allerdings in wenigen Tagen stattfinden, und einer neuen Regierungsbildung verbindlich zu diesen Fragen der europäischen Weltraumpolitik äußern wird. Die anderen Mitgliedstaaten der ESRO haben sich ausnahmslos bereit erklärt, den auf sie entfallenden Betrag der Mehrkosten zu übernehmen. Ob sie aus rechtlichen und finanziellen Erwägungen auch bereit sind, einen eventuellen Mehrbetrag, der durch den Ausfall Italiens entsteht, zu tragen, muß den weiteren Verhandlungen überlassen bleiben.

Erwin Schoettle (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002061

Herr Müller!

Dr. Günther Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001548, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister, würde, wenn das nicht der Fall wäre, die Bundesrepublik den Betrag Italiens übernehmen?

Dr. Gerhard Stoltenberg (Minister:in)

Politiker ID: 11002259

Den Betrag Italiens als solchen sicher nicht; aber die Bundesregierung würde bei der Bedeutung, die sie diesem Projekt zumißt, zu prüfen haben, ob sie eventuell bereit ist, einen auf sie entfallenden Anteil entsprechend den Beitragsquoten zu übernehmen.

Erwin Schoettle (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002061

Die nächste Frage, Herr Bundesminister.

Dr. Gerhard Stoltenberg (Minister:in)

Politiker ID: 11002259

Die ESRO hat für das TD-Projekt bisher etwa 58 Millionen DM aufgewendet. Der deutsche Anteil hieran beträgt 24,31 %, d. h. 14,2 Millionen DM. Außerdem wurden deutsche Forschergruppen für die Vorbereitung von Experimenten, die mit diesen beiden Satelliten geflogen werden sollen, bisher Zuschüsse in Höhe von rund 3,7 Millionen DM bewilligt, von denen etwa 1,8 Millionen DM abgeflossen sind. Insgesamt sind der Bundesrepublik für die Vorbereitung des TD-Programms bisher also Aufwendungen in Höhe von rund 16 Millionen DM entstanden, von denen etwa 14,8 Millionen DM auf Arbeiten entfallen, die in Deutschland durchgeführt wurden.

Erwin Schoettle (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002061

Herr Dr. Müller!

Dr. Günther Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001548, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister, arbeiten die Forschergruppen zur Zeit weiter an dem Thor-Delta-Projekt, oder ist die ganze Entwicklung bis zur Entscheidung Italiens gestoppt?

Dr. Gerhard Stoltenberg (Minister:in)

Politiker ID: 11002259

Nein, soweit ich es übersehe, ist die Arbeit an den Experimenten nicht unterbrochen. Allerdings ist bei den industriellen Auftraggebern naturgemäß eine Unsicherheit entstanden, die sich hei weiterem Anhalten in einer Verzögerung der Arbeiten auswirken kann.

Erwin Schoettle (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002061

Frau Pitz-Savelsberg!

Elisabeth Pitz-Savelsberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001720, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Minister, ist die Westeuropäische Union schon mit der neuen Situation befaßt worden, und welche Initiativen hat die Bundesregierung nach dieser Richtung hin entwickelt, um die Sache einigermaßen zu halten?

Dr. Gerhard Stoltenberg (Minister:in)

Politiker ID: 11002259

Ich nehme an, daß das Parlament der WEU diese Frage in seiner nächsten Sitzungsperiode behandeln wird. Mir ist eine Stellungnahme zu der jetzt entstandenen Situation nicht bekannt. Das eigentliche Forum, in dem diese Fragen behandelt und entschieden werden müssen, ist neben der ESRO und ihren zuständigen Gremien die Europäische Weltraumkonferenz.

Elisabeth Pitz-Savelsberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001720, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Hat diese Situation auch Rückwirkungen auf die Bemühungen der Koordinierung der wissenschaftlichen Forschung in Europa auf diesem Gebiet?

Dr. Gerhard Stoltenberg (Minister:in)

Politiker ID: 11002259

Wenn wir diese Schwierigkeiten nicht in Kürze überwinden, sind ohne Zweifel negative Rückwirkungen zu erwarten.

Erwin Schoettle (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002061

Keine weiteren Fragen. Ich rufe auf die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Gesundheitswesen. Herr Abgeordneter Dr. Mommer hat sich damit einverstanden erklärt hat, daß seine Frage 9 Was kann geschehen, um die Einführung von Sonderrezepten für Betäubungsmittel enthaltende Arzneien durch den Verordnungsentwurf der Bundesregierung schnell zu bewirken? schriftlich beantwortet wird. Die Antwort des Bundesministers für Gesundheitswesen Frau Strobel vom 14. Mai 1968 lautet: Die Einführung von Sonderrezepten für Betäubungsmittel ist unter anderem in meinem Entwurf einer Verordnung zur Änderung der Verordnung über das Verschreiben Betäubungsmittel enthaltender Arzneien und ihre Abgabe in den Apotheken ({0}) vom 12. Juni 1967 vorgesehen. Dazu sind mir zahlreiche Änderungs- bzw. Ergänzungsvorschläge seitens der beteiligten Bundesressorts, der obersten Landesgesundheits- und -veterinärbehörden sowie von den interessierten Fachverbänden übersandt worden. Diese Vorschläge liegen mir erst jetzt vollständig vor und werden zur Zeit daraufhin geprüft, ob und inwieweit sie in dem Verordnungsentwurf berücksichtigt werden können. Es läßt sich aber bereits jetzt feststellen, daß auf Grund dieser Vorschläge weitere Besprechungen und eine Überarbeitung des Entwurfes erforderlich sind. Da durch die im Entwurf enthaltenen Vorschriften über die Einführung von Betäubungsmittel-Sonderrezepten in die Landesverwaltungen eingegriffen wird, bedarf der Entwurf auch der Zustimmung des Bundesrates. Eine Vorwegregelung der Sonderrezepte allein in einer Verordnung würde keine nennenswerten Zeitgewinn bedeuten, da die Mehrzahl der eingegangenen Stellungnahmen sich auf diese Frage bezieht. Auch bei möglichst schneller Bearbeitung der Novelle dürfte unter den gegebenen Umständen mit dem Inkrafttreten nicht vor Ende dieses Jahres zu rechnen sein. Vizepräsident Schoettle Nun kommen wir zur Frage Nr. 10 des Herrn Abgeordneten Geldner: Welche konkreten Konsequenzen müßten nach :Ansicht der Bundesregierung aus der am 6. Mai 1968 in Straßburg verkündeten Europäischen Wasser-Charta des Europarates in der Bundesrepublik Deutschland gezogen werden? Der Herr Abgeordnete ist anwesend. Bitte, Frau Minister! Frau Strobel: Bundesminister für Gesundheitswesen: Ziel der Europäischen Wasser-Charta ist es, in allen Bevölkerungsschichten ,ein besseres Verständnis für die heutige Lage und künftige Entwicklung der Wasserwirtschaft sowie die Notwendigkeit eines wirksamen Gewässerschutzes zu wecken. Die Bundesregierung hat bereits in der Antwort auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Kahn-Ackermann, Frau Klee und Genossen vom 11. August 1967 - Drucksache V/2068 - zum Ausdruck gebracht, daß sie die Bemühungen des Europarates uni die Reinhaltung der Gewässer begrüßt, da sie den Zielen und Maßnahmen ihres eigenen Programms des Gewässerschutzes zustatten kommen. In der Zwischenzeit ist ein „Deutsches Nationales Komitee Wasser-Charta", dem Vertreter des Bundes, der für die Wasserwirtschaft zuständigen obersten Landesbehörde sowie der Fachverbände der Wasserwirtschaft angehören, gebildet worden. Vorsitzender ist Herr Abgeordneter Werner Jacobi. Es ist Aufgabe dieses Komitees, im Sinne der Empfehlungen des Europarates in der Öffentlichkeit ein noch besseres Verständnis für die entscheidenden Aufgaben des Gewässerschutzes zu wecken. Die Durchführung der Öffentlichkeitsarbeit im Zusammenhang mit der Europäischen Wasser-Charta ist der „Vereinigung Deutscher Gewässerschutz" übertragen worden. Das Bundesministerium für Gesundheitswesen wird hierfür noch in diesem Jahr und auch in den folgenden Jahren Mittel, allerdings im Rahmen unserer Möglichkeiten, bereitstellen. Auch die für die Wasserwirtschaft zuständigen obersten Landesbehörden haben sich bereit erklärt, die Aktion Wasser-Charta, die bis einschließlich 1970 laufen soll, zu unterstützen. In einer Großaktion wird zur Zeit der deutsche Text der Wasser-Charta verbreitet.

Erwin Schoettle (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002061

Herr Geldner!

Karl Geldner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000657, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Minister, können Sie mir sagen, in welcher Form eine Zusammenarbeit mit den anderen Ländern, z. B. mit der Schweiz, besteht? Frau Strobel: Bundesminister für Gesundheitswesen: Es bestehen bereits einige multilaterale und einige bilaterale Abkommen, die sich aber auf bestimmte Gewässer beziehen, z. B. die Internationale Kommisison zum Schutz des Rheins, die Internationale Kommission zum Schutz von Mosel und Saar und die Internationale Gewässerschutzkommission für den Bodensee. Es ist klar, daß die Schweiz jeweils daran beteiligt ist, soweit die Gewässer die Schweiz berühren.

Erwin Schoettle (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002061

Herr Geldner!

Karl Geldner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000657, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Minister, kann ich auf Grund Ihrer Ausführungen darauf schließen, daß diese Charta nicht nur eine Deklamation für die Bundesregierung bleibt? Frau Strobel: Bundesminister für Gesundheitswesen: Herr Kollege Geldner, zunächst ist diese Charta gemacht, um in der Öffentlichkeit die Bereitschaft für den Gewässerschutz stärker zu wecken. Sie soll ja die Vorläuferin einer Europäischen Wasserkonvention sein. Da die Bundesrepublik großes Interesse an einer solchen Konvention hat, ist es klar, daß sie auch ihre Politik in dieser Richtung gestaltet.

Erwin Schoettle (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002061

Keine weiteren Fragen mehr. Ich rufe auf die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern, zunächst die Frage Nr. 18 des Abgeordneten Dr. Hofmann ({0}) : Ist die Bundesregierung bereit, das Wahlrecht in der Bundesrepublik Deutschland durch das Einführen des Vier-Mann-Wahlkreissystems ({1}) bis und für die nächste Bundestagswahl 1969 zu ändern? Bitte, Herr Staatssekretär Köppler! Köppler, Parlamentarischer Staatssekretär des Bundesministers des Innern: Die Bundesregierung der Großen Koalition hat sich, wie Sie, Herr Kollege, wissen, zum Ziel gesetzt, für die übernächste Bundestagswahl im Jahre 1973 ein mehrheitsbildendes Wahlrecht zu schaffen. Es soll einer Partei die Möglichkeit geben, die Regierungsverantwortung zu übernehmen. Darüber, wie dieses neue Wahlrecht aussehen soll, hat die Bundesregierung noch nicht entschieden.

Erwin Schoettle (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002061

Herr Dr. Hofmann!

Dr. Josef Hofmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000941, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, es war mir - gestatten Sie die Vorbemerkung - sicher bekannt: bis 1973. Die Frage lautete, ob nicht bis und für die nächste Bundestagswahl 1969 noch mit Entscheidungen in dieser Richtung zu rechnen ist. Köppler, Parlamentarischer Staatssekretär des Bundesministers des Innern: Das hängt wesentlich auch von der Unterstützung derartiger Pläne hier im Hohen Hause ab, Herr Abgeordneter, von der Sie wissen, daß sie zur Zeit nicht überall in allen Fraktionen gleich stark ist.

Erwin Schoettle (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002061

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Josten.

Johann Peter Josten (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001034, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, liegt dem Kabinett schon ein Entwurf vor? Köppler, Parlamentarischer Staatssekretär des Bundesministers des Innern: Zur Zeit liegt dem Kabinett kein Entwurf in dieser Angelegenheit vor.

Johann Peter Josten (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001034, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Hat denn jemand den Auftrag, eine Kabinettvorlage auszuarbeiten? Köppler, Parlamentarischer Staatssekretär des Bundesministers des Innern: Sie wissen, daß im Bundesministerium des Innern seit geraumer Zeit Vorbereitungen für Kabinettvorlagen zur Reform des Wahlrechts getroffen worden sind und daß es im Grunde von politischen Entscheidungen - ich wiederhole -, auch solchen hier im Hause, abhängt, welche Vorlage und wann eine solche Vorlage aus meinem Hause dem Kabinett vorgelegt wird.

Erwin Schoettle (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002061

Herr Maucher!

Eugen Maucher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001443, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, war es nicht die Auffassung, daß dieser Bundestag das Wahlgesetz und das Wahlrecht nicht für die nächste Wahl, sondern für die übernächste Wahl verabschieden soll, um damit zu verhindern, daß der Bundestag für sich selbst handelt? Wenn in dieser Legislaturperiode das Wahlgesetz nicht mehr verabschiedet wird, ist es auch für die übernächste Wahl, also um weitere vier Jahre, verzögert. Köppler, Parlamentarischer Staatssekretär des Bundesministers des Innern: Herr Kollege, Sie haben recht. Von dieser Absicht ist die Bundesregierung im Spätherbst 1966 ausgegangen.

Eugen Maucher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001443, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Darf ich daraus schließen, daß man sich doch bemüht, wenigstens für 1973 ein anderes Wahlrecht zu bekommen? Köppler, Parlamentarischer Staatssekretär des Bundesministers des Innern: An dieser Absicht hält die Bundesregierung fest.

Erwin Schoettle (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002061

Herr Abgeordneter Geiger!

Hans Geiger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000646, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, sind Sie bereit, bei Ihrer Überprüfung auch die Frage zu prüfen, ob mit einem Dreier-Wahlsystem nicht eine größere Ausgeglichenheit unter den Parteien erreicht werden kann? Köppler, Parlamentarischer Staatssekretär des Bundesministers des Innern: Die Bundesregierung hat bisher schon alle Vorschläge, die in der Öffentlichkeit oder aus diesem Hause zur sachlichen Frage der Reform des Wahlrechts gemacht worden sind, sorgfältig erwogen. Sie wird es selbstverständlich auch in Zukunft mit neu in die Debatte kommenden Vorschlägen dieser Art tun.

Erwin Schoettle (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002061

Herr Dr. Wuermeling!

Dr. Franz Josef Wuermeling (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002570, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, war es nicht so, daß der Herr Bundeskanzler in seiner ersten Regierungserklärung die Wahlrechtsreform für diese Wahlperiode bewußt an die Spitze seiner Ausführungen gestellt hat, weil damit entscheidende Voraussetzungen für ein Funktionieren der parlamentarischen Demokratie durch die Große Koalition geschaffen werden sollten, und ist es nun nicht heute so, daß die Große Koalition in diesem entscheidenden Punkt versagt? Köppler, Parlamentarischer Staatssekretär des Bundesministers des Innern: Herr Abgeordneter, Sie haben recht, daß die Bundesregierung ihre Absicht, bereits in dieser Legislaturperiode zu einer Entscheidung in der Wahlrechtsreform in diesem Hause zu kommen, an eine der ersten Stellen ihrer Regierungserklärung plaziert hat.

Erwin Schoettle (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002061

Herr Dr. Wuermeling!

Dr. Franz Josef Wuermeling (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002570, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Fürchten Sie nicht, Herr Staatssekretär, daß die Wahlrechtsreform im kommenden Bundestag, weil zu spät, nicht mehr zustande kommt und damit entscheidende Voraussetzungen für die Bestandserhaltung unserer parlamentarischen Demokratie zerstört werden? ({0}) Köppler, Parlamentarischer Staatssekretär des Bundesministers des Innern: Herr Kollege, ich teile durchaus Ihre Skepsis, aber ich kann nur noch einmal darauf hinweisen, daß es bei der Lösung dieser Frage nicht in erster Linie auf die Absicht und die Vorstellungen der Bundesregierung ankommt, sondern auf die Bereitschaft dieses Hauses, eine solche Regelung zu verabschieden.

Erwin Schoettle (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002061

Herr Ertl!

Josef Ertl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000493, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, darf ich aus Ihrer letzten Antwort entnehmen, daß Sie dem Kollegen Dr. Wuermeling dahin gehend nicht zustimmen, daß wegen des derzeitigen Wahlrechts die Demokratie nicht funktionsfähig ist bzw. daß ein geändertes Wahlrecht die Demokratie funktionsfähiger machen würde? Köppler, Parlamentarischer Staatssekretär des Bundesministers des Innern: Herr Kollege Ertl, ich glaube, alle, die sich mit der Frage des Wahlrechts bisher befaßt haben, sind sich in dem Punkt einig, daß es ideale Lösungen, denen keinerlei Nachteile anhaften, in diesem Bereich nicht gibt, daß es lediglich die Frage zu entscheiden gilt, welches Wahlrecht eine bessere Chance für die Weiterentwicklung der Demokratie und der parlamentarischen Demokratie bietet.

Josef Ertl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000493, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ich darf also Ihrer Antwort entnehmen, daß Sie dem zustimmen, daß das bisherige Wahlrecht absolut eine funktionsfähige Demokratie bei uns geschaffen hat? Köppler, Parlamentarischer Staatssekretär des Bundesministers des Innern: Das ist angesichts der Geschichte der letzten Jahrzehnte nicht zu leugnen.

Erwin Schoettle (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002061

Herr Schmidt ({0}) !

Hansheinrich Schmidt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002006, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, würden Sie mir zustimmen, daß immerhin die Möglichkeit besteht, daß gewisse Erfahrungen sowohl auf der Seite des Herrn Bundeskanzlers als auch auf der Seite der Fraktionen dieses Hauses dazu geführt haben könnten, daß die Prioritäten der Regierungserklärung inzwischen etwas verändert worden sind? Köppler, Parlamentarischer Staatssekretär des Bundesministers des Innern: Ich kann über die Erfahrungen des Herrn Bundeskanzlers persönlich nichts aussagen, Herr Kollege. ({0}) Aber ich glaube, daß für die Regierung, wie ich vorhin schon gesagt habe, nach wie vor die Absicht besteht, ein mehrheitsbildendes Wahlrecht an die Stelle des derzeit gültigen Wahlrechts zu setzen. ({1})

Erwin Schoettle (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002061

Ich rufe die Frage 19 des Abgeordneten Borm auf: Ist der Bundesinnenminister bereit, die Quelle des folgenden von ihm am 30. April 1968 vor dem Bundestag gebrachten Zitats: Friedliche-e Formen sind nur eine Renaissance des bestehenden Systems. Eine rasche Transformation ist die Forderung der Stunde, d. h. der etablierte Apparat muß zerschlagen und ein gewisses Ausmaß an Gewalt angewendet werden." anzugeben? Herr Staatssekretär, bitte! Köppler, Parlamentarischer Staatssekretär des Bundesministers des Innern: Das von Ihnen, Herr Abgeordneter, erwähnte Zitat ist einem Bericht entnommen, der dem Bundesamt für Verfassungsschutz übermittelt worden war.

Erwin Schoettle (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002061

Herr Borm!

Dr. h. c. William Borm (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000235, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, daß diese Meldung völlig falsch ist? Köppler, Parlamentarischer Staatssekretär des Bundesministers des Innern: Herr Abgeordneter, der sachliche Gehalt dieser Meldung, die vom Bundesminister des Innern diesem Hohen Hause am 30. April vorgetragen worden ist, ist inzwischen aus neu eingegangenen Berichten erneut bestätigt worden. ({0})

Erwin Schoettle (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002061

Herr Borm noch eine Frage!

Dr. h. c. William Borm (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000235, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Sind Sie bereit, mir schriftlich Auskunft zu geben, wenn ich Ihnen den authentischen Text vorlege? Köppler, Parlamentarischer Staatssekretär des Bundesministers des Innern: Sehr gern, Herr Kollege.

Erwin Schoettle (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002061

Ich rufe die Frage 20 des Abgeordneten Borm auf: Kann der Bundesinnenminister seine Behauptung aufrechterhalten, daß es sich bei der von ihm angesprochenen Tagung im internationalen Freundschaftsheim Bückeburg um eine „Tagung des SDS" gehandelt habe? Köppler, Parlamentarischer Staatssekretär des Bundesministers des Innern: Der erwähnte Bericht sprach ausdrücklich von einer SDS-Tagung. Erst nach der Bundestagssitzung vom 30. April hat der Bundesminister des Innern erfahren, daß der SDS nicht Veranstalter dieser Tagung war. Der Heimleiter des „Internationalen Freundschaftsheims" hat inzwischen mitgeteilt, daß in diesem Heim noch nie eine Tagung des SDS stattgefunden hat. Ich benutze gern die Gelegenheit, diese Äußerung hier wiederzugeben, um möglichen Mißverständnissen entgegenzuwirken.

Erwin Schoettle (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002061

Herr Borm!

Dr. h. c. William Borm (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000235, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Wären Sie bereit, in zukünftigen Fällen die Zuverlässigkeit der Berichte des Verfassungsschutzes nach diesen gemachten Erfahrungen zu überprüfen, bevor hier im Bundestag Meldungen wiedergegeben werden, die nicht stimmen? Köppler, Parlamentarischer Staatssekretär des Bundesministers des Innern: Herr Kollege, es hat kein Anlaß bestanden, an der Richtigkeit der dem Bundesamt für Verfassungsschutz zugegangenen Meldung zu zweifeln, nachdem sie mehrere Instanzen durchlaufen hatte.

Dr. h. c. William Borm (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000235, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Würden Sie bereit sein, Herr Staatssekretär, dem Betroffenen, der sich dadurch beschwert fühlt, dies schriftlich mitzuteilen, wenn ich Ihnen den Namen mitteile? Köppler, Parlamentarischer Staatssekretär des Bundesministers des Innern: Darf ich zurückfragen, ob es hier um den Leiter des angesprochenen Hauses geht? Dieser hat bereits eine Nachricht bekommen. Ich darf noch einmal sagen, daß ich die Gelegenheit begrüße, auch vor diesem Hohen Hause insoweit den Sachverhalt richtigzustellen.

Erwin Schoettle (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002061

Herr Moersch!

Karl Moersch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001526, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, weshalb hat der Bundesminister des Innern diese Berichtigung eines Sachverhalts nicht von sich aus vorgenommen? Warum mußte erst im Bundestag hiernach gefragt werden? Köppler, Parlamentarischer Staatssekretär des Bundesministers des Innern: Nachdem die Frage des Kollegen Borm vorlag, Herr Kollege Moersch, hätte ich es für zumindest unhöflich gehalten, diese Richtigstellung nicht als Antwort auf seine Frage abzugeben, sondern sozusagen 24 oder 48 Stunden vorher der Presse zu übergeben. ({0})

Erwin Schoettle (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002061

Herr Moersch!

Karl Moersch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001526, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, darf man aus der Qualität dieser Nachrichtenquelle, die sich als schlecht erwiesen hat, auch auf die Qualitäten anderer Nachrichtenquellen der Bundesregierung schließen?

Erwin Schoettle (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002061

Das ist eine Frage, die nicht zulässig ist. ({0}) Herr Matthöfer!

Hans Matthöfer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001439, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, Sie stimmen mit mir doch darin überein, daß für die Richtigkeit von Meldungen nicht die Tatsache des Durchlaufens von Instanzen, sondern die Übereinstimmung mit der Realität entscheidend ist? Köppler, Parlamentarischer Staatssekretär des Bundesministers des Innern: Völlig richtig! In diesem Sinne war meine Antwort auch nicht aufzufassen. Lediglich was die Frage der Sorgfaltspflicht bei ber Überprüfung solcher Meldungen angeht, ist es, glaube ich, doch von Bedeutung, wie viele öffentliche Bedienstete, wie viele Ämter und Behörden sie schon überprüft haben.

Erwin Schoettle (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002061

Bitte, Herr Krammig!

Karl Krammig (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001195, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ist es nicht so, Herr Staatssekretär, daß die Beamten und Angestellten des Landesamtes für Verfassungsschutz in Berlin dem Senat der Stadt Berlin unterstellt sind und daher eine Nachprüfung und Richtigstellung von dort aus hätte veranlaßt werden müssen? Köppler, Parlamentarischer Staatssekretär des Bundesministers des Innern: Herr Kollege, ich habe in diesem Sachzusammenhang nicht von irgendeiner Zuständigkeit des Landesamtes für Verfassungsschutz in Berlin gesprochen. Ich kann auch hier nur feststellen, daß in dieser Sache kein Zusammenhang mit Berliner Behörden besteht.

Erwin Schoettle (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002061

Keine weitere Frage? Ich rufe auf die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen. Die Frage 21 stellt der Abgeordnete Budde. Wie beurteilt die Bundesregierung die geplante Richtlinie des EWG-Ministerrat zur Umsatzsteuerharmonisierung für landwirtschaftliche Erzeugnisse, die keine Ausnahmen für Mehl, Teigwaren, Brot, Zucker, Fleischkonserven und Süßwaren vorsieht? Herr Staatssekretär Leicht, wollen Sie bitte antworten! Leicht, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Ich darf die Frage des Herrn Kollegen Budde wie folgt beantworten. In der 3. Richtlinie zur Harmonisierung der Umsatzsteuern sollen nur die Modalitäten für die Anwendung der Mehrwertsteuer auf die Umsätze von land- und forstwirtschaftlichen Erzeugnissen geregelt werden. Demgemäß enthält die in dem Entwurf der Kommission vorgesehene Liste der einem gemeinsamen ermäßigten Satz unterliegenden Güter nur land- und forstwirtschaftliche Erzeugnisse und Produktionsmittel. Mehl, Teigwaren, Brot, Zucker, Fleischkonserven und Süßwaren sind nicht landwirtschaftliche Erzeugnisse. Für diese Produkte gilt Art. 9 der 2. Richtlinie zur Harmonisierung der Umsatzsteuern, der den Mitgliedstaaten bis zur Aufhebung der Steuergrenzen die Möglichkeit der autonomen Festsetzung ermäßigter Steuersätze beläßt. Die gegenwärtige deutsche gesetzliche Regelung, daß Lebensmittel grundsätzlich ermäßigt besteuert werden, steht also mit dem Vorschlag der Kommission für eine 3. Richtlinie nicht in Widerspruch.

Erwin Schoettle (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002061

Dann rufe ich die Fragen 22 und 23 des Abgeordneten Budde auf: Ist die Bundesregierung bereit, dieser Richtlinie zuzustimmen? Wie beurteilt die Bundesregierung die Auswirkungen der Richtlinie zur Umsatzharmonisierung auf die Verbraucherpreise? Bitte, Herr Staatssekretär! Leicht, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Zur nächsten Frage des Kollegen Budde darf ich sagen, daß die Bundesregierung dem Vorschlag der Kommission für eine 3. Richtlinie zur Harmonisierung der Umsatzsteuern grundsätzlich zustimmt. Sie begrüßt es insbesondere, daß die Landwirtschaft auf der Grundlage einer Pauschalierung in die gemeinsame Mehrwertsteuer einbezogen werden soll. Einzelne Regelungen des Kommissionsvorschlages bedürfen freilich noch eingehender Untersuchungen und Verhandlungen. Hierzu gehört inbesondere die Frage, ob es wirklich schon jetzt, d. h. vor einer allgemeinen Aufhebung der Steuergrenzen, geboten ist, einen gemeinsamen ermäßigten Steuersatz für die sogenannten Listengüter festzusetzen, zumal die Mitgliedstaaten nach Art. 4 Abs. 4 des Kommissionsvorschlages nicht gezwungen sind, diesen gemeinsamen Satz ausnahmslos auch auf die Umsätze an Letztverbraucher, auf die es bei der Mehrwertsteuer entscheidend ankommt, zu erstrecken. Zu prüfen ist z. B. auch die Frage, ob das von der Kommission vorgeschlagene Pauschalierungsverfahren nicht technisch erheblich vereinfacht und zugleich sachlich erweitert werden sollte. Schließlich darf ich die dritte Frage wie folgt beantworten. Ein gemeinsamer ermäßigter Steuersatz für die landwirtschaftlichen Listengüter, der über dem ermäßigten Steuersatz unseres Umsatzsteuergesetzes liegt, brächte sicherlich die Gefahr einer gewissen Verteuerung der Lebenshaltungskosten mit sich. Auch andere Mitgliedstaaten würden vor dieses Problem gestellt werden. Daher habe ich bei der Beantwortung Ihrer zweiten Frage schon darauf hingewiesen, daß in den Verhandlungen über den Vorschlag der Kommission die Frage der Notwendigkeit eines starren gemeinsamen Satzes für die Listengüter eingehend geprüft werden muß.

Erwin Schoettle (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002061

Keine weiteren Fragen mehr? 9406 Vizepräsident Schoettle Ich darf in diesem Zusammenhang darauf aufmerksam machen, daß die Übernahme von Fragen nicht anwesender Abgeordneter vorher angekündigt werden sollte. Das kann man nicht einfach stillschweigend so um die Ecke herum machen. Aber in diesem Fall mag es hingehen. Die Frage 24 stellt der Abgeordnete Dr. Staratzke. Ist der Abgeordnete anwesend? - Das ist nicht der Fall. Die Frage wird auch nicht übernommen. Die Frage wird schriftlich beantwortet. Die Fragen 25 und 26 stellt der Abgeordnete Dr. Wuermeling: Welche Gründe hindern die Bundesregierung an der alsbaldigen Vorlage eines Gesetzentwurfs, durch den die übermäßig hohen Auswirkungen des „Splitting" bei Spitzeneinkommen zugunsten einer Erhöhung der steuerlichen Kinderfreibeträge abgebaut werden, wenn dadurch keine Minderung des Steueraufkommens eintritt? Hält die Bundesregierung es, wenn sie schon die Anpassung der seit Januar 1964 eingefrorenen Kindergeldsätze weiterhin ablehnt, nicht für unerläßlich, dann wenigstens auf der steuerlichen Ebene heute das zu tun, was ohne jede Minderung der Steuereinnahmen möglich ist, auch wenn die in Frage 25 angesprochene Regelung keine Ideallösung ist? Bitte, Herr Staatssekretär! Leicht, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Die Bundesregierung, Herr Kollege Dr. Wuermeling, wird in einer ihrer nächsten Kabinettssitzungen sich u. a. auch mit der Frage befassen, ob noch in dieser Legislaturperiode steuerliche Maßnahmen zur Verbesserung des Familienlastenausgleichs im Sinne Ihrer Vorschläge in Erwägung gezogen werden können. Mit Rücksicht hierauf möchte ich davon absehen - ich hoffe, Sie werden dafür Verständnis haben -, Ihre Fragen 25 und 26 im einzelnen zu beantworten, und darf Sie bitten, Herr Kollege, das Ergebnis der sicher sehr bald stattfindenden Kabinettssitzung über diese Frage abzuwarten.

Erwin Schoettle (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002061

Herr Dr. Wuermeling!

Dr. Franz Josef Wuermeling (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002570, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, da Ihnen sicher bekannt ist, daß die Auswirkung des Splitting, also, wenn ich so sagen darf, die „Honorierung" der Ehefrau, bei einem Einkommen von 15 000 DM 700 DM ausmacht, bei 25 000 DM Einkommen 1800 DM, bei 50 000 DM 5500 DM, daß eine Ehefrau bei 200 000 DM Einkommen mit 11 000 DM, wenn ich so sagen darf, „honoriert" wird - stimmen Sie mir dann nicht zu, daß eine Änderung dieser Regelung zur Beseitigung vielen Unrechts, das kinderreichen Familien noch geschieht, ein ganz dringendes Gebot ist? Leicht, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Herr Kollege, einer solchen Betrachtungsweise kann ich nicht zustimmen, denn sie ist zu einfach. Dann muß man das Problem gründlicher prüfen, und dann wird man zu anderen Ergebnissen kommen.

Dr. Franz Josef Wuermeling (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002570, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, ist zu dieser gründlichen Prüfung nicht bereits seit langen Monaten Gelegenheit gewesen, nachdem diese Zahlen schon monatelang in der Öffentlichkeit und noch länger innerhalb der Bundesregierung bekannt sind? Leicht, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Meine Antwort dürfte deutlich gemacht haben, daß wir diese gründliche Prüfung bereits durchgeführt haben; denn sonst könnte nicht eine Kabinettsvorlage demnächst behandelt werden.

Erwin Schoettle (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002061

Frau Pitz-Savelsberg!

Elisabeth Pitz-Savelsberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001720, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, sind Sie nicht auch der Meinung, daß die Kritik in der Sozialenquete an den Auswirkungen der an sich familienbezogenen Steuerermäßigungen, die aber effektiv nicht familienfreundlich wirken, Anlaß sein sollte, zu versuchen, dieses Problem schneller und intensiver anzugehen? Leicht, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Frau Kollegin PitzSavelsberg, ich darf wiederum auf meine Antwort verweisen. Die Fragen werden laufend geprüft. Man ist bereits zu gewissen Ergebnissen, allerdings nur in gewissen Teilbereichen der Bundesregierung, gekommen. Sie werden demnächst eingehenden Beratungen im Kabinett unterliegen.

Elisabeth Pitz-Savelsberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001720, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Darf ich vielleicht auch noch darauf hinweisen, daß der Familienbericht der Bundesregierung diese, ich möchte sagen, schiefen Wirkungen einer an sich gut gemeinten Maßnahme im einzelnen und konkret in ihren Ungerechtigkeiten darstellt. Leicht, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Ich glaube, so kann man das nicht sagen. Dann muß man in eingehende Prüfungen eintreten, die sowohl tatsächlicher als rechtlicher Natur sein müssen und die auch die Auswirkungen eventueller Änderungen auf den weiten Bereich der Wirtschaft berücksichtigen müssen.

Erwin Schoettle (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002061

Es ist eigentlich schon eine dritte Frage, Frau Kollegin. Aber bitte!

Elisabeth Pitz-Savelsberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001720, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, meinen Sie nicht, daß gerade der Familienbericht der Bundesregierung schon das Ergebnis einer intensiven Prüfung darstellt? Leicht, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Ich habe nicht gesagt, daß die Bundesregierung nicht einem verstärkten Familienlastenausgleich das Wort rede. Das ging klar aus der Regierungserklärung hervor. Es ist nur die Frage des Weges, des Wie und des Wann.

Erwin Schoettle (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002061

Herr Krammig!

Karl Krammig (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001195, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ist es nicht so, Herr Staatssekretär, daß das Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 1957 zur Ehegattenbesteuerung für die Wünsche des Herrn Kollegen Dr. Wuermeling überhaupt keinen Raum läßt? Leicht, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Herr Kollege Krammig, ich habe vorhin gesagt, daß auch rechtliche Überprüfungen notwendig sind, und ich selber habe an das, was Sie mit Ihrer Frage angesprochen, gedacht.

Erwin Schoettle (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002061

Herr Dr. Bucher!

Dr. Ewald Bucher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000288, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, können Sie, ohne dem Kabinettsbeschluß vorzugreifen, das Haus dahin beruhigen, daß die Ausdrucksweise des Herrn Kollegen Wuermeling für das Splitting „Honorierung der Ehefrau" nicht in den Sprachschatz der Bundesregierung übernommen werden wird? ({0}) Leicht, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Das kann ich. ({1})

Erwin Schoettle (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002061

Herr Moersch, haben haben Sie die Absicht etwas zu fragen? ({0}) Darf ich in diesem Zusammenhang darum bitten, daß während der Fragestunde die Damen und Herren sich nicht ans Mikrophon begeben, wenn sie nicht die Absicht haben, zu fragen, und auch darauf hinweisen, daß das Stehen im Hause gerade während der Fragestunde außerordentlich störend ist. .Jetzt Herr Moersch!

Karl Moersch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001526, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, können Sie -- da Sie angekündigt haben, daß die Bundesregierung sich alsbald entscheiden wird - schon mitteilen, in welcher Form die schwierige Interessenabwägung zwischen Ausbildungsförderung und Familienlastenausgleich bisher in der Bundesregierung vorgenommen worden ist? Leicht, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Sie werden Verständnis dafür haben, Herr Kollege Moersch, daß ich Ihnen darauf keine konkrete Antwort geben kann, bevor nicht die Beratungen über diese Fragen in der Regierung abgeschlossen sind.

Karl Moersch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001526, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Darf ich aus Ihrer Antwort den Schluß ziehen, Herr Staatssekretär, daß eben diese Grundfragen innerhalb der Regierungsressorts noch keineswegs diskutiert und entschieden ist? Leicht, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Ich habe keineswegs gesagt: nicht diskutiert, sondern aus meiner Antwort war doch deutlich ersichtlich, daß das laufend diskutiert wird, aber noch nicht die endgültige Entscheidung gefallen ist.

Erwin Schoettle (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002061

Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Wuermeling.

Dr. Franz Josef Wuermeling (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002570, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, sind Sie bereit, davon Kenntnis zu nehmen, daß meine Formulierung vorhin doch offenbar nichts anderes besagen sollte, als daß ich beanstande, daß die Steuer die Ehefrau je nach dem Einkommen so unterschiedlich honoriert? Leicht, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Ich bin dankbar, Herr Kollege Dr. Wuermeling, daß Sie selber Ihre Worte interpretieren. Ich kann allerdings nur feststellen, daß der Tatbestand, so einfach in die Welt gesetzt, nicht das wiedergibt, was diese Frage in sich birgt.

Erwin Schoettle (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002061

Eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Ott. Staatssekretär, r s;

Anton Ott (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001664, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, sind Sie mit sindmir der Meinung, daß ein Vorziehen des von Herrn Kollegen Wuermeling vorgetragenen Anliegens dazu führen könnte und würde, daß der Bund der Steuerbeamten neuerdings Anlaß hätte, sich über den Gesetzgeber wegen der Unübersichtlichkeit zu beklagen? Leicht, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Auch diese Frage spielt natürlich eine Rolle.

Erwin Schoettle (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002061

Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, zunächst zu der Frage 27 des Abgeordneten Fritsch ({0}) : Wie beurteilt die Bundesregierung die Aufforderung des Regierungspräsidenten von Niederbayern an die kleinbäuerlichen Betriebe Ostbayerns, Grenzertragsböden nicht mehr aufzuforsten, und seine Bereitschaft, Zuschüsse an solche Landwirte zu verteilen, die wenig ertragreiche Böden von Aufforstungen freihalten? Bitte, Herr Staatssekretär Neef!

Not found (Staatssekretär:in)

Die Bundesregierung hat in den ab 1. Januar 1968 geltenden Richtlinien für die Förderung forstlicher Vorhaben vorgeschrieben, daß Bundesmittel für die Aufforstung von Grenzertragsböden und Ödland dann gewährt werden sollen, wenn sie agrarstrukturell zweckmäßig und landeskulturell unbedenklich oder erwünscht sind. Diese zweite Bedingung trifft sich mit der Empfehlung des Regierungspräsidenten von Niederbayern, die offensichtlich im Interesse des Fremdenverkehrs zur Erhaltung von Waldtälern und Hochwiesen gegeben worden ist. Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß bei der Entscheidung über Beihilfeanträge für Aufforstung im Einzelfalle die Belange der Landwirtschaft, Staatsskretär Dr. Neef der Landeskultur, des Fremdenverkehrs und der übrigen Bereiche gegeneinander abgewogen werden müssen. Eine generelle Lösung dafür gibt es nach Meinung der Bundesregierung nicht.

Erwin Schoettle (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002061

Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Fritsch ({0}).

Walter Fritsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000601, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, glauben Sie nicht, daß diese Äußerungen, die in einem gewissen Gegensatz zur bisherigen Politik stehen, dazu angetan sind, Unsicherheit in den Kreisen hervorzurufen, die davon betroffen bzw. begünstigt sind?

Not found (Staatssekretär:in)

Ich glaube das nicht, Herr Abgeordneter; denn nicht nur in der Bundesregierung, sondern überall dort, wo man sich mit dem Schicksal der Landwirtschaft beschäftigt hat, ist ja immer versucht worden, mehrere Komponenten zusammenzufügen, um landwirtschaftliche Gebiete wirtschaftlich sinnvoll zu nutzen, und dazu gehört eben nicht nur die Aufforstung.

Erwin Schoettle (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002061

Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Fritsch ({0}).

Walter Fritsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000601, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, läßt es sich rechtfertigen, den Sachverhalt zu dotieren, daß man Grenzertragsböden nicht aufforstet?

Not found (Staatssekretär:in)

Das kommt darauf an, welchen volkswirtschaftlichen Nutzen man sonst aus ihnen ziehen kann. Wenn man eine Gegend zu einem blühenden Fremdenverkehrsgebiet machen kann, dann würde ich sagen, das ist auch für die dort tätige Landwirtschaft von Vorteil.

Erwin Schoettle (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002061

Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Ertl.

Josef Ertl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000493, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, darf ich Ihre letzte Antwort so verstehen, daß Sie der Auffassung sind, man könne in diesen Gebieten weitgehend den Boden für Fremdenverkehrszwecke nutzen, d. h. also nur in Form von Bauland?

Not found (Staatssekretär:in)

Nein, Herr Abgeordneter, so sollten Sie mich nicht verstehen. Ich meine, um die Lage landwirtschaftlicher Gebiete, die in Schwierigkeiten sind, zu bessern, gibt es auch die Methode, sie zu anziehenden Fremdenverkehrsgebieten zu machen. Wenn dies durch eine Förderung der Aufforstung gestört würde, so sollte man den regional zuständigen Stellen die Freiheit lassen. zwischen den verschiedenen möglichen Komponenten eine weise Mischung zu finden. Ich glaube aber nicht, daß wir von Bonn aus für diese Dinge General- oder Patentrezepte entwerfen können.

Erwin Schoettle (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002061

Ich rufe dann die Fragen 28, 29 und 30 des Abgeordneten Zebisch auf: Was ist aus den Planen der Bundesregierung geworden, Modellberatungen für Kleinbetriebe zu initiieren ({0})? Sind die Pläne der Bundesregierung, regionale Schwerpunktprogramme für ländliche Problemgebiete zu erarbeiten, vorangekommen? Wird das von der Bundesregierung angekündigte mittelfristige Agrarprogramm die besonderen Schwierigkeiten der Landwirtschaft im bayerischen Grenzland berücksichtigen?

Not found (Staatssekretär:in)

Im Jahre 1966 wurden auf Anregung der Bundesregierung in 200 landwirtschaftlichen Betrieben Baden-Württembergs, die überwiegend unter 20 ha groß sind, Optimumskalkulationen mit Hilfe der linearen Programmierung eingeleitet und von der Bundesregierung finanziell unterstützt. Das Vorhaben wurde durchgeführt von der Staatlichen Landwirtschaftsberatung und von der Universität in Hohenheim. Die Untersuchungen haben überaus wertvolle Hinweise für eine nützliche Beratung insbesondere in Kleinbetrieben gebracht. Solche Vorhaben sind auch in Nordrhein-Westfalen und in Niedersachsen eingeleitet und für Schleswig-Holstein und Bayern vorgesehen worden. Die Bundesländer haben glücklicherweise in der jüngeren Zeit der Kleinbetriebsberatung eine besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Bei dieser Form der Beratung wird über die fachlichen und betriebswirtschaftlichen Fragen hinaus ganz besonderes Gewicht gelegt auf eine in die Zukunft gerichtete Berufsberatung, gegebenenfalls Berufsumschulung.

Erwin Schoettle (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002061

Herr Zebisch!

Franz Josef Zebisch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002584, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, Sie haben zwei Länder angesprochen. Haben wir bereits auch im Lande Bayern ähnliche Umschulungs- bzw. Beratungsmaßnahmen durchgeführt?

Not found (Staatssekretär:in)

Ich glaube, ich sagte, Herr Abgeordneter, ähnliche Vorhaben sind in Nordrhein-Westfalen und in Niedersachsen schon eingeleitet und für Schleswig-Holstein und Bayern vorgesehen.

Erwin Schoettle (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002061

Die nächste Frage.

Not found (Staatssekretär:in)

Die Pläne der Bundesregierung, regionale Schwerpunktprogramme für ländliche Gebiete zu erarbeiten, sind gut vorangekommen. Mit dem Bundesland Rheinland-Pfalz sind wir im Gespräch über Gebietsabgrenzungen und über die durchzuführenden Maßnahmen, und mit einem zweiten Bundesland, nämlich Bayern, werden noch in diesem Monat einschlägige Gespräche beginnen.

Franz Josef Zebisch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002584, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Eine Zusatzfrage, Herr Präsident.

Erwin Schoettle (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002061

Eine Zusatzfrage.

Franz Josef Zebisch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002584, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, sieht die Bundesregierung die vorhandenen Einrichtungen zur Umschulung als ausreichend an, um genügend qualifizierte Arbeitskräfte für die Ansiedlung von konjunkturunempfindlichen Arbeitsplätzen oder Industrien zur Verfügung zu haben?

Not found (Staatssekretär:in)

Ganz bestimmt nicht.

Erwin Schoettle (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002061

Keine weiteren Fragen? ({0}) Ich wäre dankbar, wenn die Fragesteller dies deutlich zu erkennen gäben. Das ist auch eine Form der zweckmäßigen Abwicklung der Fragestunde. Einfach durch ein Handzeichen. Die nächste Frage, Herr Staatssekretär Dr. Neef.

Not found (Staatssekretär:in)

Wenn die Bundesregierung dem Hohen Hause einen Vorschlag für ein mittelfristiges Arbeitsprogramm auf dem Gebiet der Agrarpolitik machen wird, so werden darin auch Vorschläge für Problemgebiete enthalten sein. Diese sollen dann geeignete Möglichkeiten für eine Verbesserung der Lage der Landwirtschaft in solchen Regionen aufzeigen und damit dann auch im bayerischen Grenzland.

Erwin Schoettle (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002061

Eine Zusatzfrage, Herr Reichmann.

Martin Reichmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001801, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, darf ich fragen: Sind die von Ihnen angesagten Untersuchungen und deren Ergebnisse Unterlagen für das von Bundesminister Höcherl angekündigte Kleinbauernprogramm?

Not found (Staatssekretär:in)

Alle Unterlagen, die für solche Überlegungen nützlich sein können, werden natürlich zu Rate gezogen.

Erwin Schoettle (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002061

Ich rufe die Frage 31 des Herrn Abgeordnete Geldner auf: Ist die Bundesregierung auf Grund der derzeitigen wirtschaftlichen Situation in der deutschen Teichwirtschaft bereit, besonders wegen Preisverfalls bei Karpfen, die zur Zeit bestehende Regelung der Importe zu überprüfen?

Not found (Staatssekretär:in)

Die Bundesregierung weiß, daß die Lage unserer Karpfenzüchter schwierig ist. Deshalb ist auch Karpfen das einzige Produkt, das bei der Einfuhr noch nicht liberalisiert ist. Die Bundesregierung überlegt darüber hinaus, ob sie mit einer Verschiebung der für die Produktion mit Rücksicht auf unsere eigene Produktion gesetzten Einfuhrtermine helfen kann. Nur gibt es dabei eine absolute Grenze. Die Karpfen, die wir von draußen in unser Land holen, müssen eben spätestens in dem Monat in Deutschland sein, in dem das Publikum diese Karpfen ißt.

Erwin Schoettle (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002061

Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Geldner.

Karl Geldner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000657, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, soll das bedeuten, daß Sie keine Möglichkeit sehen, den Einfuhrstopp bis in die Nachweihnachtszeit zu verlegen, um damit den Bedarf und den Verbrauch deutscher Karpfen mehr zu fördern?

Not found (Staatssekretär:in)

Nein. Ich sagte, wir überlegen, ob wir ihn verschieben können. Nur wollte ich gleich sagen, es gibt eine ziemlich enge Marge dafür, denn im Dezember müssen die deutschen Verbraucher ihre Karpfen haben, um so mehr, wie Sie wissen, Herr Abgeordneter, als wir nur die Hälfte des deutschen Karpfenverbrauchs selber decken können.

Erwin Schoettle (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002061

Ich rufe auf die Fragen 32 und 33 des Abgeordneten Walter Ist der Bundesregierung bekannt, daß auf den Schlachtviehmärkten die Preiseinbrüche bei Schweinen katastrophal sind, da die Auszahlungspreise pro kg nur noch bei 1,76 DM liegen? Ist der Bundesregierung weiterhin bekannt, daß selbst bei genau auskalkulierten Mästungen die Schweinepreise für den Landwirt zwischen 12 DM und 16 DM unter den Produktionskosten liegen?

Not found (Staatssekretär:in)

Die Bundesregierung bedauert. den Verfall der Schweinepreise, die in der zweiten Woche nach Ostern einen absoluten Tiefstand erreicht hatten. Die Ursache dafür ist, wie jedermann weiß, insbesondere das hohe Angebot von Mastschweinen, das auf Grund der sehr guten Schweinepreise der Jahre 1966/1967 ausgelöst wurde. Die Bundesregierung hatte eine ganze Anzahl von Maßnahmen eingeleitet, die gewisse Erfolge schon gezeitigt haben. Seit der vergangenen Woche ist eine deutliche Preisfestigung eingetreten. Die Durchschnittspreise im Bundesgebiet sind von 2,02 DM auf 2,16 DM in dieser Woche gestiegen. Der Auszahlungspreis, den Sie, Herr Abgeordneter, nennen, bezieht sich unseren Ermittlungen nach auf den Stuttgarter Markt, Hier ist der Durchschnittspreis wirklich auf 1,89 DM gesunken. Das ergibt dann nach Abzug der Vermarktungskosten etwa den Preis, der in Ihrer Frage steht. Wir schätzen, daß das starke Angebot an Mastschweinen in einigen Monaten deutlich nachlassen wird. Nun darf ich zur zweiten Frage, die damit im Zusammenhang steht, übergehen. Der Bundesregierung ist bekannt, daß es bei einem bestimmten Erlös - ich stelle es in Ihr Ermessen, Herr Abgeordneter, ob ich ihn hier nennen soll - je Kilogramm eine kritische Grenze für den Bauern gibt, bei der er - wenn man von den Durchschnittswerten ausgeht - nur mehr seine baren Ausgaben gedeckt bekommt und nichts mehr verdient. Das Entgelt für Arbeits9410 aufwand, Kapitalverzinsung und Stallkosten wird erst bei einem ganz bestimmten Preis erzielt. Ich stelle es noch einmal in Ihr Ermessen, ob ich diese Preise hier nennen soll. Tm Durchschnitt der letzten drei Jahre wurden Preise erzielt, die über dieser kritischen Grenze lagen.

Erwin Schoettle (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002061

Eine weitere Frage, Herr Walter, bitte.

Fritz Walter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002421, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Was gedenkt die Bundesregierung z. B. auf dem Gebiet der Handelspolitik zu tun, um die Preisstürze zu vermeiden?

Not found (Staatssekretär:in)

Die Bundesregierung hat bei Einfuhren - ich erinnere an den Interzonenhandel - gestoppt, was in ihrer Macht steht. Sie hat z. B. die Bezüge von Schweinen aus dem Interzonenhandel halbiert. Die Bundesregierung ist weiter dazu übergegangen, Exporte deutscher Schweine in eine ganz erstaunliche Richtung zu fördern. ({0})

Erwin Schoettle (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002061

Die nächste Zusatzfrage stellt Herr Logemann.

Fritz Logemann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001367, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, können Sie mir folgende Frage beantworten: Warum verzögerte die Bundesregierung wochenlang auf den Schweinemärkten mögliche Interventionen, statt sofort solche Maßnahmen einzuleiten, nachdem der gemeinsame Schweinefleischgrundpreis den dafür vereinbarten Tiefstand erreicht hatte?

Not found (Staatssekretär:in)

Die Bundesregierung hat erstens nichts verzögert. Sie hat zweitens auch heute noch Zweifel, ob diese Interventionen bei Schweinen sich wirklich zum Nutzen des Produzenten auswirken. Sie wissen, was mit dem Schweinepreis unmittelbar nach Beginn der Intervention geschehen ist. Für die Intervention wurde nur die Hälfte von dem angeliefert, was ursprünglich angekündigt war.

Erwin Schoettle (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002061

Herr Logemann!

Fritz Logemann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001367, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Hält es die Bundesregierung mit der vom Ifo-Institut festgestellten Tatsache, daß sich durch den Rückgang der landwirtschaftlichen Erzeugerpreise die Schere zwischen den landwirtschaftlichen Erzeugerpreisen und den Einkaufspreisen für Betriebsmittel stark zuungunsten der Landwirtschaft öffnet, für vereinbar, wenn durch Einfuhr von 10 686 Schweinen allein in der Woche bis zum 6. Mai 1968 der Erzeugerpreis für Schweine weiter gesenkt wird?

Not found (Staatssekretär:in)

Die Schweinepreise in Deutschland sind aus den Gründen gesunken, die ich Ihnen geschildert habe, und nicht nur infolge der Einfuhren. Die Einfuhren haben wir, wie ich nur wiederholen kann, im Rahmen allen Ermessens, das die Bundesregierung hatte, während dieses Tals zurückgehalten. Schließlich haben wir uns selbst noch eine beträchtliche Menge des Schweineberges vom Hals geschafft durch das, was ich vorhin andeutete. Ich bitte um Verständnis, wenn ich zögere, betriebswirtschaftliche, kaufmännische und marktmäßige Details hier vor diesem Hause auszubreiten.

Erwin Schoettle (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002061

Herr Dr. Ritz!

Dr. Burkhard Ritz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001859, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, darf ich den ersten Teil Ihrer Antwort auf die Fragen des Kollegen Walter dahin gehend interpretieren, daß Sie die recht positiven mittel- und langfristigen Prognosen der ZMP in Bad Godesberg für realistisch halten?

Not found (Staatssekretär:in)

Ja, ich für meine Person würde das tun. Darf ich das so einschränken.

Erwin Schoettle (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002061

Herr Reichmann!

Martin Reichmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001801, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, wurde dieser Rückgang der Schweinepreise nicht durch die Senkung der Futtergetreidepreise in der EWG verursacht?

Not found (Staatssekretär:in)

Die Senkung der Futtermittelpreise in der EWG hat einen allgemeinen Einfluß auf die Produktionsausrichtung unserer Landwirtschaft und natürlich auch auf das Überangebot nicht nur auf diesem Markt gehabt. Aber die entscheidende Ursache ist doch gewesen, daß eben ganz besonders glänzende Preise für Schweine die übliche und vorherzusehende Wirkung gehabt haben und daß außerdem diesmal alles Unheil zusammengetroffen ist, nämlich daß es Schweine- und Rinderberge in ganz Europa zur gleichen Zeit gab.

Erwin Schoettle (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002061

Herr Wächter!

Gerold Wächter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002402, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Wie hoch sind nach Meinung der Bundesregierung die Gestehungskosten für den Erzeuger ab Hof?

Not found (Staatssekretär:in)

Bei einem Erlös von 2,- DM bis 2,10 DM wenn ich das schon hier sagen soll - ist jene kritische Grenze erreicht, bei der der Bauer nur noch seine Auslagen ersetzt bekommt und nichts mehr verdient. Der Durchschnittspreis in den letzten drei Jahren für Schweine der Klasse C war 2,78 DM.

Erwin Schoettle (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002061

Herr Wächter!

Gerold Wächter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002402, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, bezog sich die erste Zahlenangabe auf den Ab-Hof-Preis? Die leztere bezog sich doch zweifellos auf den Marktpreis.

Not found (Staatssekretär:in)

Ich will das nachprüfen, Herr Abgeordneter. ({0})

Erwin Schoettle (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002061

Darf ich einmal eine allgemeine Bemerkung machen. Ich glaube, es ist nicht jedermanns Sache, Temperament zu entwikkeln. Aber das Temperament bei Fragen und Antworten kann manchmal dazu führen, daß die Fragestunde zur Dämmerstunde wird, und das ist doch nicht die Absicht der Erfinder gewesen. Wir kommen jetzt zur Frage 34 des Herrn Abgeordneten Mertes: Was beabsichtigt die Bundesregierung zu tun, daß die von der EWG-Kommission ausgearbeitete „Verordnung über die gemeinsame Marktorganisation für Verarbeitungserzeugnisse aus Obst und Gemüse", die am 15. Juni 1968 in Kraft treten soll, keine unzumutbaren Preissteigerungen für den deutschen Verbraucher zur Folge haben wird?

Not found (Staatssekretär:in)

Der vorliegende Rohentwurf der EWG-Kommission über die gemeinsame Marktordnung für Obst und Gemüse reicht für eine vernünftige Beurteilung der möglichen Auswirkungen nicht aus. Deshalb hat die Bundesregierung ihre Delegation beauftragt, zunächst all die Fragen zu klären, die noch geklärt werden müssen, bevor wir diese Verordnung beurteilen können. Natürlich will die Bundesregierung unzumutbare Preissteigerungen vermeiden. Die seit dem Oktober 1967 in Kraft befindlichen Verordnungen, die sich damals auf zuckerhaltige Verarbeitungserzeugnisse bezogen, haben glücklicherweise gezeigt, daß die Befürchtung, die wir damals in gleicher Weise hatten, unbegründet war. Wir hoffen und werden uns anstrengen, daß für die neuen Marktregelungen, die nun alle Obst- und Gemüsekonserven enthalten sollen, ebenfalls möglichst wenig Preissteigerungen eintreten.

Erwin Schoettle (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002061

Herr Mertes!

Dr. h. c. Werner Mertes (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001483, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, Sie sprechen von möglichst wenig Preissteigerungen. Bedeutet das, daß sich die Befürchtungen der Verbraucher nicht erfüllen, nach denen sich bei bestimmten Konserven Preiserhöhungen nach dieser Verordnung in der Größenordnung bis zu 100 % ergeben sollen?

Not found (Staatssekretär:in)

Nein, diese Befürchtung teile ich ganz sicher nicht. Aus einem Vortrag der deutschen Konservenindustrie vorgestern ergibt sich eine völlig entgegengesetzte Befürchtung.

Erwin Schoettle (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002061

Herr Mertes!

Dr. h. c. Werner Mertes (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001483, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Wären Sie bereit, Herr Staatssekretär, uns mitzuteilen, wo nach Ihren Gesprächen die oberste Grenze der zu erwartenden Preissteigerungen liegen dürfte?

Not found (Staatssekretär:in)

Nein, ich glaube, daß man das nicht vorhersagen kann. Es gibt wohl auch nirgendwo eine Tabelle oder eine Prognose, die die Auswirkungen einer Verordnung enthielte, deren Inhalt wir noch gar nicht kennen.

Erwin Schoettle (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002061

Herr Ritz!

Dr. Burkhard Ritz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001859, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, ohne die Fragen des Herrn Kollegen Mertes persönlich werten zu wollen, möchte ich Sie fragen: Sehen Sie nicht einen gewissen Widerspruch zwischen diesen Fragen und den Vorstellungen, die die Agrarpolitiker der FDP zu diesen Komplexen in der Regel äußern?

Not found (Staatssekretär:in)

Ich kann nicht verschweigen, daß ich, als ich heute nacht diese Texte las, ähnliche Gedanken hatte. ({0})

Erwin Schoettle (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002061

Herr Fritz!

Friedrich Fritz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000603, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß die Preise für deutsche Gemüsekonserven in der letzten Zeit ganz erheblich zurückgegangen sind, daß insbesondere Erbsenkonserven etwa um 20 % billiger ab Werk abgegeben werden müssen als vor einem Jahr?

Not found (Staatssekretär:in)

Ich kann eine Behauptung wiedergeben oder eine Mitteilung, deren Richtigkeit ich in 24 Stunden nicht nachprüfen konnte. Die Vertreter der deutschen Konservenindustrie und deren Lieferanten meinen, daß für die Preise, zu denen heute zum Beispiel aus Frankreich Konserven in die Bundesrepublik kommen - ich zitiere wörtlich, ohne eigene Verantwortung , die deutsche Konservenindustrie nur Wasser in ihre Büchsen füllen könnte.

Erwin Schoettle (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002061

Herr Fritz!

Friedrich Fritz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000603, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich darf dazu nur folgendes bemerken: Ich weiß, daß die Einheit Erbsen im letzten Jahr für 98 Pfennig und jetzt für 78 Pfennig von einem ganz bestimmten Werk abgegeben werden mußte, das dabei sein Geld nicht wiederfindet.

Not found (Staatssekretär:in)

Das agrarpolitische Problem besteht darin, den Erzeugern von Gemüse in Deutschland eine einigermaßen - jedenfalls mittelfristige - Sicherheit für das zu geben, worauf sie sich eigentlich einrichten sollen. Solange eine Verordnung der Kommission in Brüssel diesem Ziel dient, auf einer verünftigen Basis eine Kalkulations- und Investitionsgrundlage zu schaffen, so lange, glaube ich, wird die Bundesregierung dies unterstützen. Das muß nicht verbunden sein mit Preiserhöhungen.

Erwin Schoettle (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002061

Wir kommen zur Frage 35 des Abgeordneten Mertes. Teilt die Bundesregierung die Auffassung der EWG-Kommission, daß der Außenschutzzoll im Zusammenhang mit der ohen erwähnten Verordnung um durchschnittlich etwa 25 % des Warenwertes bei Konserven angehoben werden muß, obwohl die Landwirtschaft in der EWG nach Berechnungen der Arbeitsgemeinschaft der Verbraucherverbände den Konsumbedarf des Gemeinsamen Marktes auf diesem Gebiet nur zu 10 % bis 25 % decken kann?

Not found (Staatssekretär:in)

Der Kommissionsentwurf enthält keinen Anhaltspunkt dafür, daß der Außenschutzzoll um durchschnittlich 25 % des Warenwertes angehoben werden muß. Der einschlägige Artikel sagt nur: Der Gemeinsame Zolltarif wird auf Einfuhren der in Art. 1 genannten Erzeugnisse angewendet. Es dreht sich um nichts anderes als um den Vollzug der Annäherungen, die schon im EWG-Vertrag, schon im Rom-Vertrag im Art. 18 vorgesehen sind. Ich habe hier eine Tabelle vorbereitet mit der- Gegenüberstellung der früheren und der künftigen Zölle; diese Tabelle kann ich Ihnen übergeben.

Erwin Schoettle (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002061

Herr Mertes!

Dr. h. c. Werner Mertes (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001483, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, wären Sie bereit, zunächst einmal auf Grund der Antwort, die Sie einem Kollegen der CDU/CSU-Fraktion gegeben haben, der die Zusammenhänge anscheinend nicht genau überblickt, zuzugestehen, daß ein grundsätzlicher Unterschied darin besteht, ob es sich z. B. um Schweinepreise handelt oder um Preise für Konservenprodukte, die nur zu einem ganz geringen Teil oder überhaupt nicht von der deutschen Landwirtschaft produziert werden?

Not found (Staatssekretär:in)

Dem kann man nur zustimmen.

Dr. h. c. Werner Mertes (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001483, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ich danke Ihnen. Darf ich dann weiter fragen, ob Sie der Meinung sind, daß es bei diesen Konservenprodukten, die also so gut wie gar nicht von der deutschen Landwirtschaft kommen, vielleicht so sein soll, daß der deutsche Verbraucher die Landwirtschaft anderer EWG-Staaten subventionieren soll, obwohl z. B. bei der deutschen Kohle etaws Ähnliches von den anderen EWG-Staaten nicht zu erwarten ist.

Not found (Staatssekretär:in)

Exakt das, was Sie jetzt sagen, Herr Abgeordneter, habe ich gestern den deutschen Importeuren von Bananen gesagt.

Erwin Schoettle (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002061

Die Fragen 36, 37 und 38 stellt der Abgeordnete Wächter: Ist der Bundesregierung bekannt, daß each der Ausschreibung von 500 t Milchpulverimport durch Israel wegen erheblich günstigerer Angebote eines anderen EWG-Landes die Bundesrepublik Deutschland nicht zum Zuge gekommen ist? Trifft es zu, daß der Zuschlag an die Niederlande erteilt wurde, weil deren Exportpreis infolge einer überholten Erstattung in Höhe von 90 Gulden je 100 kg die günstigste Offerte darstellte und daraufhin sofort eine weitere Lieferung von 500 t in Auftrag gegeben wurde? Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, uni sicherzustellen, daß Erstattungen seitens der EWG-Länder nur im Rahmen der zulässigen Grenzen erfolgen, um damit deutschen Exporteuren die gleichen Wettbewerbschancen zu geben?

Not found (Staatssekretär:in)

Darf ich die beiden ersten Fragen zusammen beantworten? Die Niederlande haben tatsächlich den Zuschlag für die Lieferung von 500 Tonnen Magermilchpulver nach Israel erhalten, und die holländische Regierung hat nach unseren Ermittlungen dafür 90 Gulden per 100 Kilogramm erstattet. Das ist mit den EWG-Vorschriften in Übereinstimmung. Ob die niederländische Wirtschaft darüber hinaus noch Verluste getragen hat, entzieht sich unserer Kenntnis. Wir wissen, daß bei dem völligen Verfall der Preise für Milchpulver auf dem Weltmarkt heute fast keine Prophezeiung mehr gemacht werden kann, zu welchem wirklichen Marktpreis Exportgeschäfte zustande kommen. Der Preis für Milchpulver ist in einem Jahr 1,30 DM - einem vernünftigen Weltmarktpreis - auf 40 Pfennig gesunken.

Erwin Schoettle (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002061

Herr Wächter!

Gerold Wächter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002402, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, darf ich aus Ihrer Antwort schließen, daß der Erstattungsbetrag von 90 Gulden von der EWG-Kommission genehmigt war, während andererseits aus allen Verlautbarungen ersichtlich ist, daß der von der EWG-Kommission genehmigte Erstattungssatz 50 Gulden betragen hat?

Not found (Staatssekretär:in)

Nein. Es wäre zulässig gewesen, 88 DM oder 90 Gulden zu erstatten.

Erwin Schoettle (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002061

Herr Wächter!

Gerold Wächter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002402, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Weshalb hat auf der anderen Seite die Bundesregierung nicht die Situation ausgenutzt, von ihrer Seite die maximal zulässige Erstattung zu gewähren, um damit deutschen Exporteuren die Möglichkeit zu geben, in das Israel-Geschäft einzusteigen?

Not found (Staatssekretär:in)

Wir hatten den deutschen Exporteuren 70 DM angeboten und gemeint, dies sei ein kluger Kompromiß zwischen der Gefahr, durch immer höhere Exporterstattungen den Weltmarktpreis dieses Produkts weiter zu ruinieren, und einer fairen Chance für unsere Exporteure. Eine Lösung, Herr Abgeordneter, liegt. nicht im gegenseitigen Überbieten mit Exportsubventionen bei ruinierten Weltmarktpreisen, sondern nur in der Vereinheitlichung dessen, was in den sechs EWG-Ländern geschieht.

Erwin Schoettle (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002061

Herr Wächter.

Gerold Wächter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002402, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Steht dieses Verhalten, Herr Staatssekretär, nicht im Widerspruch zu dem Beschluß des Bundestages auf Grund des FDP-Antrags betreffend Förderung des Exports deutscher Milcherzeugnisse und dem Entschließungsantrag der CDU aus Anlaß der Grünen Debatte? Ich darf annehmen, daß beide Anträge die volle Billigung Ihres Hauses gefunden haben.

Not found (Staatssekretär:in)

Natürlich. Aber die Deroute eines wichtigen Agrarpreises von 1,30 DM auf 40 Pf innerhalb von 12 Monaten wird doch sicher niemand als einen Vorteil für unsere Landwirtschaft betrachten.

Erwin Schoettle (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002061

Dann wollen wir zu der nächsten Frage übergehen.

Not found (Staatssekretär:in)

Eine Änderung dieser Situation ist nicht denkbar durch einen Wettlauf mit Exportsubventionen mit der Konsequenz einer weiteren Ruinierung der Preise draußen, sondern nur mit einer Vereinheitlichung innerhalb der Gemeinschaft.

Erwin Schoettle (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002061

Herr Abgeordneter Wächter.

Gerold Wächter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002402, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Wird die Bundesregierung nach dem Inkrafttreten der EWG-Milchmarktordnung dahin tendieren, daß alle Erstattungssätze aus dem gesamten EWG-Raum ohne irgendwelche zusätzlichen Zuwendungen von dritter Seite gleichgeschaltet werden?

Not found (Staatssekretär:in)

Die Bundesregierung wird alle Anstrengungen machen, daß bei uns die gleichen Chancen für den Export herrschen wie in anderen Ländern.

Erwin Schoettle (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002061

Herr Wächter.

Gerold Wächter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002402, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Welche Möglichkeiten haben beispielsweise die Produktschaften in Holland und die FORMA in Frankreich, zusätzliche Erstattungen aus eigenen Quellen zu geben?

Not found (Staatssekretär:in)

Kaufleute werden auch in Zukunft frei bleiben, sich in ihrem Verkauf so geschickt zu verhalten, wie sie das für richtig halten, Herr Abgeordneter. Ich glaube nicht, daß es eine gute Politik wäre, den deutschen Exporteuren von Agrarprodukten vorzuschreiben, sie dürften kein Risiko mehr eingehen, auch nicht in der Preisstellung, die sie aus ihrem eigenen Portefeuille für möglich halten. Die Pflege und die Schaffung von Märkten erfordern häufig kaufmännische Opfer. Ich würde mir sehr wünschen, daß die deutschen Exporteure und deren Produzenten noch mehr Unternehmungsgeist - auch ohne den Staat - haben als eine Reihe der Einrichtungen, die Sie gerade zitiert haben.

Erwin Schoettle (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002061

Damit ist die Fragestunde beendet. Wir setzen jetzt die Beratung von Punkt 3 der Tagesordnung fort: Zweite Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Ergänzung des Grundgesetzes - Drucksachen V/1879, V/2130 Schriftlicher Bericht des Rechtsausschusses ({0}) - Drucksache V/2873 ({1}) Wir haben gestern die Beratung bei der Debatte zu § 1 Nr. 6 a, Art. 80 a, unterbrochen. Das Wort hat jetzt der Herr Abgeordnete Dr. Reischl.

Prof. Dr. Gerhard Reischl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001813, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich muß jetzt, was etwas schwierig ist, nachdem die Debatte gestern in den späten Abendstunden unterbrochen worden ist, zurückblenden auf die Begründung des Antrags der FDP auf Umdruck 4551, der auf eine Streichung der Nr. 6 a des § 1 abzielt. Ich darf Sie im Namen beider Koalitionsfraktionen bitten, diesen Antrag abzulehnen. Im einzelnen möchte ich aber gleichzeitig dabei auch die ganze Konzeption des Art. 80 a - wenn auch in der gebotenen Kürze - begründen. Ich darf - das möchte ich an die Adresse der FDP sagen - hier doch wohl auch den Antrag der FDP auf Umdruck 464 **) in die Beratung einführen, der ja wohl eine Art Ersatzklausel für die von uns vorgesehene Bestimmung darstellt. Hier soll in einem Art. 115 j eine zwar abgewandelte, aber im Prinzip ähnliche Regelung eingeführt werden, und ich meine, es würde die ganze Debatte etwas erleichtern, wenn wir über das Gesamtproblem in einem Zuge sprechen. Praktisch kann bei der Aussprache über den Umdruck 464 auch nichts anderes gesagt werden als bei der Aussprache über den Art. 80 a, wie wir ihn wollen. *) Siehe 174. Sitzung, Anlage 10 **) Siehe Anlage 2 Ich darf zunächst an die Adresse des Kollegen Rutschke, der leider noch nicht da ist - ({0}) - Ist er da? - Entschuldigen Sie, Herr Kollege, ich habe Sie bloß nicht gesehen. Es freut mich um so mehr; denn wir müssen ja jetzt den Dialog über die Entfernung von 14 Stunden wieder aufnehmen, nachdem wir es beide überschlafen haben. Ich darf zunächst an die Adresse des Kollegen Rutschke sagen, daß ich eigentlich nicht ganz verstehe, warum er nur auf Streichung plädiert hat; denn die FDP schlägt ja etwas anderes vor, und es wäre doch wohl richtig gewesen, dieses andere hier mit zu bringen. Und ich darf an die Adresse meines Kollegen Rutschke noch sagen, daß er leider bei seiner Auseinandersetzung mit der Ausschußvorlage übersehen hat, daß wir ja Änderungsanträge, und zwar Änderungsanträge der Koalitionsfraktionen, zu Art. 80 a gestellt haben, die wir auch in diese Debatte einbeziehen wollen und die ich jetzt auch mitbegründen will. Ich darf in dieser Frage zunächst einmal daran erinnern, daß nach der jetzigen Rechtslage derartige Feststellungen, daß ein Gesetz zur Herstellung der erhöhten Verteidigungsbereitschaft angewendet werden muß, die Bundesregierung, also allein die Exekutive, trifft. So ist die jetzige Rechtslage. Wir haben bereits im Wehrpflichtgesetz, wir haben bereits im Bundesleistungsgesetz Bestimmungen, deren Anwendung davon abhängt, daß die Bundesregierung, also allein die Exekutive, die Notwendigkeit der Anwendung dieses Gesetzes feststellt und damit die Verantwortung für diese Anwendung und für die Ausdeutung der Lage übernimmt. Wir hatten im Regierungsentwurf eine Einschränkung dieser alleinigen Möglichkeit der Bundesregierung dadurch, daß hier der Gemeinsame Ausschuß als Zustimmungsorgan eingeschaltet werden sollte. Nachdem nach der nunmehr gebilligten neuen Konzeption der Gemeinsame Ausschuß, wie gestern abend ausgeführt, unter gar keinen Umständen neben dem Parlament tätig werden soll, bleibt also nichts anderes übrig, als das Parlament nun unmittelbar in diese Fragen einzuschalten. Hier wirft sich aber nun die schwerwiegende Frage auf, ob das praktikabel ist, ob das möglich ist. Nach dieser praktikablen Vorschrift haben wir in den Beratungen des Rechtsausschusses gesucht, und diese praktikable Vorschrift legt Ihnen der Rechtsausschuß mit dem Art. 80 a in der Fassung der Ausschußvorlage und im Hinblick auf die zu erwartende Änderung durch den Koalitionsantrag vor. Ich muß nun auf einige Vorwürfe gegen diese Regelung, die der Kollege Rutschke gestern gemacht hat, eingehen. Zunächst einmal: ich muß mich etwas wundern, warum er von einer Eskalationswirkung spricht. Wir haben im Art. 80 a Abs. 1 ein umfangreiches Instrumentarium - um diesen aus der Zeit der Debatten über die Stabilisierungsgesetze hier schon gang und gäbe gewordenen Ausdruck wieder einmal zu gebrauchen - zur Verfügung gestellt, mit dem es die Bundesregierung, die ja allein über die erforderlichen Nachrichten verfügt, selbst. in der Hand hat, ob sie im Einzelfall eine Eskalationswirkung hervorrufen will, ob sie eventuell deeskalieren oder ob sie es möglichst leise über die Bühne gehen lassen will. Alle Möglichkeiten sind darin enthalten. Wir haben einmal die Möglichkeit der Feststellung des Spannungsfalles mit Zweidrittelmehrheit. Der Begriff Spannungsfall ist nicht näher definiert. Es scheint uns auch nicht notwendig. Wir sind hier den formalen Weg gegangen, daß der Bundestag mit Zweidrittelmehrheit einen Fall feststellt, der nicht näher definiert zu werden braucht, weil ja der Bundestag selber entscheiden soll, ob er vorliegt. Der einzige Zweck dieses Spannungsfalles ist es, die Sperre, die vor gewissen Bestimmungen der einfachen Notstandsgesetze liegt, indem nämlich festgestellt werden muß, daß sie zur Herstellung der erhöhten Verteidigungsbereitschaft angewendet werden sollen, zu beseitigen. Das ist der Sinn dieses Beschlusses. Deswegen auch das Erfordernis der Zweidrittelmehrheit. Es gibt noch eine weitere Möglichkeit für die Regierung. Sie braucht ja diesen Beschluß gar nicht zu beantragen. Sie hebt damit nur die gesamten Sperren auf einmal auf. Sie hat auch die andere Möglichkeit, an Stelle einer Lösung der gesamten Sperren nur einzelne aufzuheben. Das kann sie normalerweise durch einen Beschluß, den der Bundestag mit einfacher Mehrheit faßt, herbeiführen, mit zwei Ausnahmen: Der Bundestag muß auch dann mit Zweidrittelmehrheit zustimmen - nach der Fassung des Art. 80 a Abs. 1 in der Fassung der Ausschußvorlage -, wenn Dienstverpflichtungen in Frage stehen, und zwar entweder allgemeine Dienstverpflichtungen im Spannungsfall, also nach Art. 12 a Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 5, oder das sogenannte Festhalten am Arbeitsplatz nach Art. 12 a Abs. 6. Das ist also die Regelung. Hier ist doch, weiß Gott, ein reiches Instrumentarium gegeben. Die Regierung hat es völlig in der Hand, das entsprechend anzuwenden. Ich vermag also nicht zu sehen, wieso hier eine Eskalationswirkung hervorgerufen werden muß. Das liegt völlig bei der Bundesregierung, bei ihren Anträgen, die sie beim Bundestag stellt. Die FDP schlägt in ihrem Antrag Umdruck 464, der die Einfügung eines Art. 115 j vorsieht, eine ähnliche Regelung vor, mit dem einzigen Unterschied, daß hier das Wort „Spannungsfall" nicht vorkommt, sondern daß darin steht: wenn die Bundesregierung - allerdings mit Zustimmung einer Zweidrittelmehrheit des Bundestages - generell feststellt, daß die Lage die Anwendung erfordert. Hier meine Damen und Herren, muß ich sagen, daß eine solche Regelung die Praktikabilität des Gesetzes stark beeinträchtigen würde. Wir haben uns - und das war doch der Grund für den Beschluß des Rechtsausschusses - überzeugen lassen müssen, daß man normalerweise die Anwendung eines einfachen Gesetzes, das der Bundestag mit einfacher Mehrheit beschlossen hat und das die Möglichkeit eines Han- deins der Exekutive vorsieht, kaum an eine Zweidrittelmehrheit des Bundestages binden kann, wenn nicht ganz besondere Ausnahmeumstände vorliegen. Davon habe ich mich im Rechtsausschuß überzeugen lassen. Deswegen habe ich auch der Regelung zugestimmt, daß das normalerweise mit einfacher Mehrheit geschehen muß, mit einer gewichtigen Ausnahme: Da, wo der Eingriff besonders schwer ist, nämlich der Eingriff durch die Dienstverpflichtung, durch das Umsetzen von einem Arbeitsplatz auf den anderen, was ja wohl der größtmögliche Eingriff in diesem Zusammenhang ist; in diesem einen Sonderfall wird die Zweidrittelmehrheit vorgesehen. Ich meine also, daß die Regelung, wie wir sie in der Vorlage des Ausschusses geben, praktikabel ist, und daß sie, weiß Gott, alle Sicherungen bietet, die notwendig sind, um die Rechte der Staatsbürger auch in dieser schwerwiegenden und schwierigen Phase noch geeignet zu wahren. Das Kernproblem bei all diesen Sachen ist doch das -- und das möchte ich an dieser Stelle auch einmal sagen, weil es in der öffentlichen Diskussion immer eine so große Rolle spielt : Der Bundestag befindet sich bei all diesen Beschlüssen ohnehin in einer schwierigen Lage; denn er ist - und das soll keine Mißtrauenserklärung sein - letztlich auf das angewiesen, was ihm die Regierung über die Lage vorträgt. Der Bundestag kann gar nicht von sich aus einen Geheimdienst unterhalten, kann also nicht erforschen, wie die Lage in den anderen Ländern ist. Deswegen scheint mir eine zu starke Einschaltung auch gewisse Gefahren mit sich zu bringen, nämlich die, daß der Bundestag, ohne genügend zu wissen, mehr oder minder die Verantwortung für Dinge übernimmt, die eigentlich nur die Regierung tragen kann. Wir haben das also alles sehr sorgfältig abgewogen. Es ist schwierig, hier einen goldenen Mittelweg zu gehen, aber ich glaube, wir haben diesen Mittelweg mit dieser Änderung in Art. 80 a Abs. 1 gefunden. Nun aber zu den anderen Einwänden, die Herr Kollege Dr. Rutschke gegen die Regelung, und zwar vor allem gegen den Abs. 3, erhoben hat. Hierzu darf ich zunächst einmal sagen, daß Ihnen auf Umdruck 472 *) ein Antrag der beiden Koalitionsfraktionen vorliegt, wonach die Absätze 2 und 3 umgestellt werden und der eine eine sehr wichtige Änderung einführt. Durch die Umstellung der Absätze 2 und 3 und durch die Neufassung des Abs. 3 wird nämlich nunmehr klargestellt, daß der Bundestag sogar gegenüber Beschlüssen im Rahmen der NATO-Klausel - wie ich sie einmal vereinfachend nenne; denn so wird sie in der öffentlichen Diskussion schon genannt - ein Recht zur nachträglichen Aufhebung hat. Allerdings haben die beiden Koalitionsfraktionen hierbei eine zusätzliche Erschwerung eingebaut, die sonst bei solchen Aufhebungsbeschlüssen nicht üblich ist, die aber hier im höchsten Maße angebracht erscheint. Welchen Zweck soll die Klausel an sich denn haben? Wir haben einen Bündnisvertrag abgeschlossen, an den wir alle miteinander hier gebun- *) Siehe 174. Sitzung, Anlage 9 den sind. Dieser Bündnisvertrag sieht vor, daß unter bestimmten Voraussetzungen ein internationales Gremium, nämlich der NATO-Rat, bestimmte Beschlüsse fassen kann, auf Grund deren die beteiligten Regierungen die aber wohlgemerkt zustimmen müssen; nur dann ist es für sie eine verbindliche Empfehlung, mehr ist es ohnehin nicht - gewisse Maßnahmen auslösen müssen. Nun scheint es mir doch richtig zu sein, daß es, wenn wir die Bündnisfähigkeit der Bundesrepublik nicht beeinträchtigen wollen - wir dürfen ja nicht ganz übersehen, daß dieses Bündnis doch in aller erster Linie auch unserem Schutze dient; wir sitzen nämlich leider in diesem Bündnis vorne dran -, ({1}) einfach nicht zu verantworten ist, allzu viele Sperren einzubauen. Da muß für die Regierung, die ja auch die Verantwortung für ihre Zustimmung zu dem Beschluß des NATO-Rats übernehmen muß, die Möglichkeit bestehen, diese Maßnahmen auch durchzuführen. Die Regelung, wie sie jetzt gewählt ist, daß also zwar der Bundesregierung die Möglichkeit gegeben wird, diese Maßnahmen durchzuführen, daß aber der Bundestag hinterher mit der Mehrheit seiner gesetzlichen Mitgliederzahl, also mit einer sogenannten absoluten Mehrheit, solche Maßnahmen auch wieder aufheben bzw. deren Aufhebung verlangen kann, scheint mir das Maximum dessen zu sein, was man in diesem Zusammenhang tun kann. Herr Kollege Dr. Rutschke, Sie haben dann gestern ein Wort gesagt, das ich nicht so im Raum stehen lassen möchte. Sie haben gesagt, die Verfasung sei das „kodifizierte Mißtrauen". ({2}) - Ja, Herr Kollege. Ich warne davor, im Zusammenhang mit Verfassungen immer wieder das Wort „Mißtrauen" zu gebrauchen. ({3}) Unsere ganze Debatte steht unter dem unguten Eindruck, daß man immerzu von Mißtrauen redet, und es herrscht leider überall im Lande Mißtrauen. Wir sollten da weniger von Mißtrauen reden, sondern mehr Vertrauen in das Funktionieren unserer parlamentarischen Demokratie haben. ({4}) Das ist ein sehr wichtiger Gesichtspunkt. Die schönste Verfassung nützt nämlich gar nichts, wenn sie jemand brechen will. Darüber brauchen wir uns nichts vorzumachen. Das steht doch fest, das haben wir leider schon erlebt. ({5}) Ja, dadurch, daß wir Sicherungen gegen Mißbrauch einbauen. Aber im Prinzip muß die Verfassung auf das Vertrauen gegründet sein, auf das Vertrauen derjenigen, die in diesem Staat gemeinsam Macht ausüben, jeder an seinem Platz, das Parlament hier, indem es die Gesetze gibt und die Regierung kontrolliert, und die Regierung dort, indem sie die Exe9416 kutivgewalt ausübt. Das sollten wir uns im Zusammenhang mit dieser Regelung auch vor Augen halten. Darum, so meine ich, kann man bei einer solchen Regelung nicht doppelt moppeln. Wenn wir also bei der NATO-Klausel, wie ich es jetzt einmal nennen will, schon keine vorherige Zustimmung haben, dafür aber das Kassationsrecht des Bundestages eingebaut haben, dann ist das weiß Gott genug. Man kann nur eines von beidem machen: entweder vorher zustimmen - schön, dann kann man aber nicht hinterher wieder die Aufhebung verlangen, es sei denn, die Lage hat sich grundlegend verändert -; oder man verlangt das Kassationsrecht. Ich glaube, hier sind die Rechte der Legislative und des Kontrollorgans der Regierung wirklich in genügendem Maße gewahrt. Jetzt darf ich aber noch auf eine Neuerung hinweisen, die anscheinend auch noch nicht ganz in das Bewußtsein eingedrungen ist. Inzwischen steht doch durch den gestrigen Beschluß zu Art. 12 a Abs. 5 fest, daß die Dienstverpflichtungen selbst von dieser NATO-Klausel ausgenommen sind. Es steht fest, daß die Bundesregierung selbst auf Grund eines Beschlusses und nach Maßgabe - das steht auch noch drin - des Inhalts dieses Beschlusses keine Maßnahme treffen kann, die eine Dienstverpflichtung beinhaltet, ohne die Zustimmung dieses Hauses mit Zweidrittelmehrheit. ({6}) Das ist das Maximum an Sicherung, das hier eingebaut werden konnte. Ich glaube, damit ist wirklich all dem Rechnung getragen, was man überhaupt verlangen kann, um eine wirkliche Kontrolle dieser Maßnahme zu ermöglichen und um einen Mißbrauch zu verhindern. Da darf ich doch eines sagen zu dem, was gestern in der Frage der Beschaffung einer Ermächtigung durch die Regierung, um das Parlament zu umgehen, vorgetragen worden ist. Also, meine Damen und Herren, wenn wir so anfangen, können wir es gleich aufgeben. Wenn wir unserer eigenen Regierung unterstellen, daß sie zur NATO geht und sich dort den Beschluß beschafft, dem sie dann zustimmt, um im Inland Maßnahmen ohne Zustimmung des Parlaments treffen zu können, dann wäre das ein in höchstem Maße doloses Verhalten. ({7}) Wenn das Parlament ein bißchen etwas auf sich hält, dann kann es diese Regierung sofort stürzen, und das wird es ja wohl auch tun. ({8})

Erwin Schoettle (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002061

Gestatten Sie eine Frage des Herrn Abgeordneten Dr. Rutschke?

Dr. Wolfgang Rutschke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001909, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Kollege Dr. Reischl, ist Ihnen nicht klar, daß sich die Bundesregierung bisher z. B. beim Abhören auf Rechte der alliierten Mächte berufen hat, um an sich das Verbot der Verfassung zu umgehen?

Prof. Dr. Gerhard Reischl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001813, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Aber, Herr Kollege, warum hat sie es getan? Weil sie nicht anders konnte. Denn sie war ja doch auf Grund der Vorbehaltsrechte verpflichtet, das für die Alliierten zu tun.

Dr. Wolfgang Rutschke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001909, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Darf ich eine zweite Frage stellen, Herr Kollege Reischl? Auch die Schubladengesetze sollten ja auf dem Wege der Rechte der Alliierten in Kraft gesetzt werden. Deshalb bin ich der Meinung gewesen, daß hier diese Situation durchaus möglich werden kann. Ich beschuldige nicht diese Regierung.

Prof. Dr. Gerhard Reischl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001813, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Nein, Herr Kollege, das habe ich Ihnen auch nicht unterstellt. Aber ich möchte doch eines klarstellen. .Jetzt haben Sie genau den Grund gesagt, weswegen wir hier stehen und hier jetzt debattieren. ({0}) Das möchte ich in diesem Zusammenhang und von dieser Stelle aus all denen draußen im Lande sagen, die jetzt alle zusehen. Deswegen debattieren wir hier. Das möge man bitte endlich einmal zur Kenntnis nehmen. Wir wollen doch diese Vorbehaltsrechte, auf Grund deren Schubladengesetze leider möglich waren, auf Grund deren leider das Abhören möglich war, beseitigen. ({1}) Deswegen haben wir uns doch diese unendliche Mühe gemacht. Wir alle haben es nicht mit großer Freude gemacht -- ich glaube, daß niemand in diesem Hause ist, der dieses Gesetz voll Begeisterung gemacht hat , sondern wir haben es gemacht, weil uns die Notwendigkeit dazu gezwungen hat, endlich diese Dinge in den Griff, und zwar in den eigenen Griff einer deutschen Verfassung, zu bekommen. Jetzt erst, wenn das Gesetz angenommen worden ist, haben wir dieses Instrumentarium - um diesen Ausdruck wieder zu gebrauchen - in unserer eigenen Hand, und dann haben wir die Kontrolle des Parlaments über unsere eigene Regierung. Denn nur die kann es machen. Das ist doch der Sinn der Sache. ({2}) Darum meine ich, sollten wir solche Unterstellungen gegenüber unserer eigenen demokratischen Regierung aus der Debatte herauslassen, Herr Kollege Rutschke, auch wenn man hundertmal sagt, man meine nicht diese Regierung, sondern eine spätere vielleicht irgendwann. Ich warne davor, so etwas zu sagen, denn das schürt doch draußen im Lande dieses Mißtrauen. Wenn wir selbst in diesem Hause nicht daran glauben, daß wir als Parlament die Regierung kontrollieren können, können wir nach Hause gehen; dann sind wir nämlich überflüssig. ({3})

Erwin Schoettle (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002061

Herr Dorn möchte eine Zwischenfrage stellen.

Prof. Dr. Gerhard Reischl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001813, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Bitte sehr!

Wolfram Dorn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000409, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

In Beantwortung Ihrer letzten Behauptung, Herr Kollege Reischl: Ist es nicht dann sehr problematisch, daß vor wenigen Wochen in diesem Hause der Kollege Häfele von der CDU-Fraktion ausdrücklich bestritten hat, daß es die Aufgabe des Parlaments sei, die Regierung zu kontrollieren, und gesagt hat, daß diese Aufgabe nur der Opposition zustehe? ({0})

Prof. Dr. Gerhard Reischl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001813, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Dorn, ich muß sagen, daß ich es ablehne, von hier aus Zensuren für irgendwelche meiner Kollegen zu geben. Ich habe die Äußerung nicht gehört. Ich kann also darüber auch nichts sagen. Außerdem ist der Kollege Häfele selbst hier. - Wollen Sie an mich eine Frage stellen, Herr Kollege? - Bitte sehr!

Dr. Hansjörg Häfele (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000774, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Dr. Reischl, darf ich Ihnen sagen, daß mich der Herr Kollege Dorn völlig falsch zitiert hat. ({0})

Prof. Dr. Gerhard Reischl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001813, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Also, meine Damen und Herren, ich komme mir fast vor wie einst auf der Richterbank. Da kommen zwei und wollen eine Entscheidung haben, wer recht hat. Ich bitte, das zu unterlassen, Herr Kollege Dorn. Ich halte es nicht für gut, einen anderen Kollegen aus dem Hause zu zitieren und mich dann zu fragen, was ich von seiner Äußerung halte, die ich gar nicht vor mir liegen habe. ({0}) Meine Damen und Herren, ich darf zum Abschluß noch etwas sagen, und damit dehne ich die Debatte zugleich auf den Abs. 2 des Art. 115j aus, den die FDP auf Umdruck 464 beantragt. Sie schlägt dort vor, daß ein Beschluß der Bundesregierung, durch den die beschleunigte Herstellung der Verteidigungsbereitschaft im Rahmen eines Bündnisvertrages stufenweise angeordnet wird, Rechtswirkung erst dann erhält, wenn der Bundestag zustimmt. Meine Damen und Herren, ich glaube, ich habe vorhin überzeugend dargetan, daß das nicht geht. Machen wir uns doch nichts vor. Wenn derartige Beschlüsse gefaßt werden müssen, ist einfach Eile geboten. Wir haben ja auch bei einem anderen Gesetz, dem Stabilitätsgesetz, in diesem Hause genau dasselbe gemacht, und zwar mit großen Wirkungen. Der Bundeswirtschaftsminister, der ja hier auf der Regierungsbank sitzt, hat auf Grund dieses Gesetzes erhebliche Eingriffsmöglichkeiten erhalten. Der Bundestag hat sich dort, weil er erkannt hat, daß es schnell gehen muß und nicht vorher bekanntwerden darf, auch darauf eingelassen, daß er nur nachträglich das Kassationsrecht hat. Mir scheint es völlig folgerichtig zu sein, das auch an dieser Stelle zu tun. Deswegen darf ich in diesem Zusammenhang für die Koalitionsfraktionen auch gleich bitten, den Umdruck 464 der FDP auf Einfügung eines Art. 115 j abzulehnen, weil er nicht praktikabel wäre. Lassen Sie mich damit schließen, daß ich Ihnen noch einmal klarmache, was wir jetzt beschließen müssen. Das scheint mir in meiner Aufgabe als Mitberichterstatter notwendig zu sein, nachdem ich für beide Fraktionen spreche. Der Art. 80 a Abs. 1 soll in der Fassung der Ausschußdrucksache angenommen werden, während die Absätze 2 und 3 in der Fassung angenommen werden sollen, die der Umdruck 472 vorsieht. Ich bitte weiter, damit den Antrag der FDP auf Umdruck 455 abzulehnen, was ja dadurch geschieht, daß wir die Nr. 6 a in der von mir vorgeschlagenen Fassung annehmen. Ich darf also bitten, diese wirklich praktikable, rechtsstaatliche und meines Erachtens alles Mißtrauen ausräumende Regelung anzunehmen. ({1})

Erwin Schoettle (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002061

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Genscher.

Hans Dietrich Genscher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000661, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es besteht in diesem Hause und in der unterrichteten Öffentlichkeit kein Zweifel mehr darüber, daß wir heute nicht über die Frage diskutieren, ob es in Zukunft in Deutschland ,ein Notstandsrecht geben soll, sondern daß Gegenstand unserer Diskussion ist, wie wir alliierte, aus der Besatzungszeit überkommene, durch den Deutschlandvertrag festgelegte Notstandsvollmachten ablösen können durch ein deutsches Notstandsrecht, das parlamentarisch kontrolliert ist. ({0}) In dieser Frage sind die Fraktionen dieses Hauses sich einig, und ich habe jede Gelegenheit der Diskussion über dieses Problem dazu benutzt, das an die Spitze meiner Ausführungen zu stellen, weil die falscheste Fragestellung überhaupt die war: „Sind Sie für eine Notstandsgesetzgebung?" Die Antwort kann nur lauten: ich bin für eine deutsche, eine demokratische, eine parlamentarisch kontrollierte Notstandsgesetzgebung anstelle alliierter Vollmachten. ({1}) Auf dieser Grundlage verhandeln wir heute, und auf dieser Grundlage suchen wir ein Höchstmaß an rechtsstaatlicher Vorsorge für den Fall der Not. Das ist das Ziel dieser Beratungen. Hier, Herr Kollege Dr. Reischl, reicht es nicht aus, daß Sie sagen: „Hier muß auch Vertrauen in die Diskussion eingeführt werden." Verfassungsrechtliche Regelungen werden nicht unter persönlichen Gesichtspunkten getroffen, ({2}) verfassungsrechtliche Regelungen werden nicht für oder gegen irgendjemanden getroffen, sondern die Verfassung soll sicherstellen, daß ein demokratischer Staat in jeder Weise funktionsfähig ist und daß für jede Stunde und für jede Situation der Mißbrauch exekutiver Macht ausgeschlossen wird. ({3}) Herr Kollege Dr. Reischl, Sie sind lange genug im Deutschen Bundestag, um zu wissen, daß über die Frage, was in alliierten oder verbündeten Gremien beschlossen worden ist, durchaus Zweifel entstehen können, auch wenn man beiden streitenden Parteien volle Honorigkeit und Ehrlichkeit ihrer Absichten konzediert. Ich darf Sie daran erinnern, daß wir hier im Jahre 1963 - Sie waren damals in der Opposition, wir waren Regierungspartei - eine Auseinandersetzung über die Fragen des Röhrenembargos gehabt haben. Damals spielte es für die Entscheidung des Deutschen Bundestages eine Rolle, ob im NATO-Rat eine Empfehlung gegen den künftigen Abschluß von Vereinbarungen über Röhrenlieferungen gegeben worden ist, und es spielte eine Rolle, welchen Inhalt diese Empfehlung hat, nämlich ob sie auch für laufende Verträge oder für neu abzuschließende oder noch nicht ausgeführte Verträge gilt. Wenn Sie aber das Protokoll vom 18. März 1963 nachlesen, so werden Sie feststellen, daß es damals sehr wohl auch eine Auseinandersetzung über den Inhalt dieser Empfehlung gegeben hat. ({4}) Ihre Fraktion hat damals beklagt, daß die Empfehlung nicht im Wortlaut, sondern nur sinngemäß wiedergegeben worden sei. Das ist einfach eine Erfahrung, und aus dieser Erfahrung heraus sollten wir Gesetze für die Zukunft beschließen. - Bitte schön!

Erwin Schoettle (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002061

Herr Abgeordneter Schmitt-Vockenhausen!

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002033, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Genscher, haben Sie festgestellt, daß gegenüber der Rechtsausschußvorlage ausdrücklich die Zustimmung der Bundesregierung eingefügt ist? ({0})

Hans Dietrich Genscher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000661, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Kollege Schmitt-Vockenhausen, ich werde zu dieser Frage nachher gern Stellung nehmen. Aber dieser Ihr Antrag allein löst das Problem nicht. Denn eines war damals klar und unbestritten: daß die Bundesregierung zugestimmt hatte. Das hat sie niemals bestritten, sondern das hat sie immer hier vor diesem Hohen Hause vorgetragen; und dennoch hat es darüber Auseinandersetzungen gegeben. Ich will aber gern sofort auf diesen Punkt eingehen. Sie sagen, eine Verbesserung der Vorlage des Ausschusses bestehe darin, daß jetzt die Koalitionsfraktionen beantragen, daß die Wirkungen des Art. 80 a - ich werde diese Wirkungen noch näher darlegen - nur für solche Beschlußfassungen eintreten dürfen, bei denen die Bundesregierung mitgewirkt, denen sie also zugestimmt hat. Bitte überlegen Sie auch einmal die psychologische Situation, in der sich ein deutscher Regierungsvertreter in den Gremien des Bündnisses befindet, wenn man ihm dort sagen kann: Bei Ihnen ist es ja relativ einfach, eine solche Maßnahme durchzusetzen; denn wenn Sie hier zustimmen, treten die Gesetze zunächst einmal, wenn die Regierung es will, in Kraft, und das Parlament - und hier komme ich auf Ihren zweiten Antrag -muß dann im nachhinein diese gesetzliche Wirkung wieder rückgängig machen. Diese psychologische Situation für den deutschen Regierungsvertreter wollen Sie bitte auch mit in Betracht ziehen. Ich glaube, daß doch gerade die Diskussion über das Röhrenembargo gezeigt hat, wie schwierig es ist, wenn dann innerstaatlich Bedenken gegen eine solche Zustimmung erhoben werden. Sie sagen, wir verbessern weiter, indem wir die Möglichkeit geben, daß das Parlament aufhebt. Das ist theoretisch richtig; aber vielleicht darf ich aus dem damaligen Protokoll einmal zitieren, was Vertreter der jetzigen Regierungsparteien damals zur psychologischen Situation des Parlaments gesagt haben. Der damalige Fraktionsvorsitzende der Fraktion der CDU/CSU, Herr Dr. von Brentano, hat seine Rede mit dem folgenden Satz abgeschlossen: Ich möchte nicht, daß der Eindruck entsteht, daß es ausgerechnet der Bundestag war, der als erster die Entscheidung getroffen hat, einen einstimmigen Beschluß des NATO-Rates zu ignorieren. Und für die Fraktion der SPD hat Herr Dr. Deist damals gesagt: Unabhängig davon, ob der eine oder andere Bedenken gegen eine solche Empfehlung der NATO haben mag, sind wir der Auffassung, daß Deutschland in seiner außenpolitischen Situation einer solchen Empfehlung der NATO Folge leisten sollte. Hier erkennen Sie doch, meine Damen und Herren, daß die Möglichkeit, daß das Parlament im nachhinein einen Beschluß eines Bündnisgremiums aufhebt, eben nur eine theoretische Möglichkeit ist, weil es in Situationen, in denen es zu solchen Beschlüssen kommt, schwer vorstellbar ist, daß sich nach einer vorangegangenen Zustimmung der Bundesregierung das Parlament - und ich sage das hier ohne Rücksicht darauf, ob die Oppositionsvertreter reden oder die Vertreter der Regierungsparteien - im nachhinein einen Vorwurf zuzieht, es habe hier einen einstimmigen Beschluß der NATO ignoriert. Ich erwähne das einfach, um Ihnen die psychologische Situation zu verdeutlichen, in die das Parlament kommen kann, wenn es nur im nachhinein einen solchen Beschluß aufheben kann. Deshalb spricht soviel dafür, daß die Wirkung dieser Gesetze, so, wie wir es beantragen, nur durch das Parlament ausgelöst werden kann. Auch wir wissen doch, daß es Situationen vor Eintritt des Verteidigungsfalles geben kann, in denen schon vorher vom Parlament beschlossene Gesetze auch angewendet werden müssen. Aber es ist eine Frage, ob diese Anwendung nur durch das Parlament ausgelöst werden kann oder ob das Parlament durch seine Zustimmung zu Ihren Vorstellungen eine psychologisch schwierige Situation herbeiführt, wie ich sie hier eben geschildert habe und wie wir sie z. B. aus den Erfahrungen des Röhrenembargos kennen. ({0}) Ein weiteres Bedenken, das wir hier anzumelden haben, ist die Einführung der globalen Inkraftsetzung durch den Begriff des Spannungsfalles. Meine Damen und Herren, es ist schon schlecht, wenn in einer solchen gesetzlichen Vorlage zwar der Verteidigungsfall definiert wird, nicht aber der Spannungsfall. Hier wäre gerade eine gesetzliche Definition notwendig, weil sich so große Wirkungen an die Erklärung des Spannungsfalles anschließen sollen. Aber der Herr Bundesinnenminister hat gestern auf die Vorhaltung meines Kollegen Dr. Rutschke gesagt, wenn Sie eine Erhöhung der Spannung dadurch befürchten, daß wir den Spannungsfall ausdrücklich erklären, so können Sie diese Gefahr umgehen, wenn Sie von einer anderen Alternative Gebrauch machen, die das Gesetz auch anbietet, nämlich der Einzelermächtigung, der Einzelinkraftsetzung. Genau das wollen wir. Herr Bundesinnenminister, ich kann mir überhaupt keinen Fall vorstellen, in dem jemand ernsthaft über den Spannungsfall diskutiert und in dem die Verkündung des Spannungsfalles nicht zu einer Erhöhung der Spannung in Mitteleuropa führt. ({1}) Ich kann mir diesen Fall nicht vorstellen. Deshalb sollten Sie mit uns zurückgehen auf die Notwendigkeit, daß jedes Gesetz, wenn es schon und das kann ja nur in Ausnahmefällen geschehen - vor dem Verteidigungsfall in Kraft gesetzt werden soll, einzeln in Kraft gesetzt werden muß. Es sind natürlich Situationen denkbar, in denen es ausreicht, das Gesetz A und B in Kraft zu setzen, nicht aber die anderen. Sie können es auch nicht als theoretisch bezeichnen, daß für diese Inkraftsetzung eine Zweidrittelmehrheit erforderlich ist. Wenn Sie den Verteidigungsfall mit der automatischen Inkraftsetzung dieser Gesetze nur mit Zweidrittelmehrheit verkünden wollen, dann ist es doch geradezu logisch, daß Sie ein Vorziehen in einer wesentlich weniger schwierigen Situation erst recht nur mit dieser starken Mehrheit beschließen können. Auch von hier gesehen sind die Vorschläge, die von den Koalitionsfraktionen vorgelegt werden, nicht vertretbar. Es ist aber für uns ein hauptsächliches verfassungspolitisches Bedenken, das wir gerade in bezug auf die auch von uns gewollte Ablösung der Vorbehaltsrechte erheben, daß hier ohne Beispiel, meine Damen und Herren, ohne Beispiel in allen NATO-Staaten vorgesehen wird, daß eine an sich notwendige Zustimmung des Parlaments ersetzt werden kann durch einen Beschluß von Bündnisorganen. Das ist das Besondere der von Ihnen vorgeschlagenen neuen Regelung. ({2}) Herr Bundesinnenminister, Sie haben gestern aus einer Reihe von Ländern berichtet, in der sehr globalen Formulierung: dort kann man das, dort kann man das, dort kann man das. Ich weiß nicht, was man dort kann. Aber feststeht - und wenn ich hier etwas Falsches sagen sollte, dann berichtigen Sie mich bitte unter Nennung der jeweiligen Verfassung -, daß es kein Land gibt, wo eine an sich notwendige parlamentarische Entscheidung ersetzt werden kann durch eine Entscheidung eines Bündnisgremiums. Das ist das Entscheidende. Das ist das verfassungspolitisch so Wichtige, und das ist auch das, wenn ich so sagen darf, psychologisch so Wichtige, weil wir doch auch nicht den Anschein entstehen lassen wollen, daß hier wiederum ein Sonderrecht zum Nachteil der Bundesrepublik Deutschland, eine Sonderposition zum Nachteil der Bundesrepublik Deutschland im Rahmen der NATO geschaffen wird. Das allein ist hier unser Bedenken. ({3}) - Darf ich auf einen Zwischenruf des Kollegen Dr. Barzel - er hat gefragt: was heißt wiederum? - antworten: Die bisherige, von uns allen verantwortete, von uns allen aber beklagte Sonderstellung zu unserem Nachteil sind die Vorbehaltsrechte. Bitte, wollen Sie es so verstehen. ({4}) Die wollen wir ablösen. ({5}) - Herr Dr. Barzel, ich versuche Ihnen ja gerade darzulegen, daß in keinem Land der NATO - ich formuliere noch einmal genau - eine an sich notwendige parlamentarische Mitwirkung ersetzt werden kann durch einen Beschluß der NATO. Sie kann zwar ersetzt werden durch Beschluß eines Notparlaments, durch Entscheidungen der Regierung, aber nicht durch einen Beschluß der NATO. Das ist das Entscheidende, und das ist das verfassungspolitisch Besondere, das wir einfach hier berücksichtigen müssen. Bitte schön!

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002033, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Genscher, sind Sie sich bewußt, daß Ihre These, daß, um dem Vergleich zu entsprechen, nur Parlamentsbeschlüsse notwendig seien, insofern falsch ist, als in den NATO-Staaten weitgehend Regierungsbeschlüsse genügen, um entsprechende NATO-Beschlüsse durchzuführen, wie sich das aus den Erörterungen in den öffentlichen Sitzungen ergeben hat? ({0})

Hans Dietrich Genscher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000661, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Kollege Schmitt-Vockenhausen, Ihr Einwand wäre völlig berechtigt, wenn ich das gesagt hätte, was Sie unterstellen. Ich habe nicht gesagt, daß in alien NATO-Staaten nur Parlamentsbeschlüsse das tun können, sondern ich habe gesagt: es gibt keinen Fall, wo ein an sich nach der Verfassung notwendiger Parlamentsbeschluß durch einen Beschluß der NATO ersetzt werden kann. Das ist doch ganz klar.

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002033, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Genscher, würden Sie mir darin zustimmen, daß in solchen Fällen eben dann dort nach der Verfassung ent9420 sprechende Parlamentsbeschlüsse nicht erforderlich werden?

Hans Dietrich Genscher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000661, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Das ist von Fall zu Fall völlig verschieden, Herr Kollege. Sehen Sie, da sind gestern hier Beispiele genannt worden. Lassen Sie mich etwa aus dem englischen Recht einmal etwas vortragen, um hier der Illusion entgegenzutreten, nun könne überall sozusagen die Regierung alles tun. In dem englischen Gesetz von 1920 - das Jahr ist es, glaube ich - heißt es: Keine Bestimmung dieses Gesetzes darf jedoch so ausgelegt werden, als berechtige sie zum Erlaß von Vorschriften, durch die irgendeine Form von zwangsweisem Militärdienst oder Dienstverpflichtung für die Industrie auferlegt wird. Alle auf diese Weise erlassenen Vorschriften sind dem Parlament so schnell wie möglich vorzulegen und verlieren ihre Gültigkeit sieben Tage nach ihrer Vorlage, sofern nicht beide Häuser einen Beschluß fassen, durch den die Gültigkeit aufrechterhalten wird. Es handelt sich also um eine sehr scharfe auflösende Bedingung. Diese Vorschriften behalten nur dann ihre Gültigkeit, wenn aktiv ein Parlamentsbeschluß herbeigeführt wird. - Bitte schön!

Erwin Schoettle (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002061

Herr Abgeordneter Gscheidle! Gscheidle SPD) : Herr Abgeordneter Genscher, können Sie ein NATO-Land nennen, dessen Regierung vor der Abgabe der Stimme im NATO-Rat einen Beschluß seines Parlaments braucht?

Hans Dietrich Genscher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000661, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Kollege Gscheidle, ich vermag im Moment ein solches NATO-Land nicht zu nennen. Nach unseren Vorstellungen gilt das auch nicht für die Bundesrepublik. Es geht ja nicht um die Abgabe der Stimme, sondern es geht darum, ob diese Abgabe der Stimme automatisch an Stelle eines Parlamentsbeschlusses die Regierung ermächtigt, bestimmte von uns vorher beschlossene Gesetze anzuwenden, oder ob zu deren Anwendung noch ein Parlamentsbeschluß notwendig ist.

Kurt Gscheidle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000745, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Genscher, würden Sie aber nicht akzeptieren, daß mit der Einführung des neuen Art. 80 a Abs. 3 genau der Zustand in der Bundesrepublik hergestellt wird, den Sie als beispielhaft bei den übrigen NATO-Ländern darstellen? ({0})

Erwin Schoettle (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002061

Herr Kollege Gscheidle!

Hans Dietrich Genscher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000661, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ich möchte erst noch antworten, Herr Präsident. Der Beifall war ja nur eine Unterstützung und keine Antwort. Herr Kollege, es ist ein Unterschied, ob das Parlament gehalten ist, schon in Gang gesetzte gesetzgeberische Maßnahmen oder Verwaltungsmaßnahmen auf der Grundlage von Gesetzen wieder abzustoppen, oder ob es zu ihrer Einleitung eines Beschlusses des Parlaments bedarf. Ich glaube, dieser Unterschied ist offenkundig. Ich habe ja gerade versucht, Ihnen die psychologische Situation darzulegen, in der wir uns alle 1963 befunden haben, wir und auch Sie, obwohl wir damals in Sachen Röhrenembargo, wie Sie wissen, zusammen in diesem Hause gestimmt haben.

Erwin Schoettle (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002061

Gestatten Sie eine Frage des Herrn Kollegen Fellermaier?

Hans Dietrich Genscher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000661, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Bitte!

Ludwig Fellermaier (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000533, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Genscher, Sie hatten das englische Beispiel genannt. Meinen Sie nicht auch, daß mit dem Kassationsrecht des Parlaments genau das erzielt wird? Und würden Sie mir nicht darin zustimmen, daß die Opposition, ganz gleich, auf welcher Seite des Hauses sie sitzt, erzwingen wird, daß das Parlament einberufen wird und daß die Frage des Kassationsrechts auch nach sieben Tagen, wenn Sie wollen, wie im englischen Beispiel dann hier zur Abstimmung und Entscheidung kommt?

Hans Dietrich Genscher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000661, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Kollege, mit dem Erzwingen ist das so eine Sache. Wenn Sie z. B. unsere Möglichkeiten nach der Geschäftsordnung sehen: wir können keine Debatte und keine Sondersitzung des Parlaments erzwingen. - Es könnte sein, daß hier unsere psychologische Situation etwas leichter ist, weil es hier auch um Telefone geht, ({0}) und da bekommen wir vielleicht Unterstützung, was wir in anderen Fragen, wie etwa bei der mittelfristigen Finanzplanung -- einer vergleichsweise sehr wichtigen Regelung -, auch von Ihnen nicht bekommen haben. Nein, es geht, wenn ich das noch einmal hier klar herausarbeiten darf, einfach um die Frage: Gibt es ein anderes Land in der NATO, wo ein an sich nach innenstaatlichem Recht notwendiger Beschluß des Parlaments durch einen Beschluß der NATO ersetzt werden kann? Ich sage: nein. Wenn es doch der Fall sein sollte, bitte ich, das darzulegen. Ich glaube, daß wir auch noch ein Wort über den Begriff Bündnis in diesem Zusammenhang verlieren müssen. Denn wir reden hier zwar über die NATO-Klausel, wissen aber alle, daß diese Regelung nicht auf das gegenwärtige Bündnis beschränkt ist, auch nicht auf die gegenwärtigen Bündnispartner, sondern hier wird mit verfassungsändernder Mehrheit eine Vollmacht für jedes mögliche, künftig mit einfacher Mehrheit zu beschließende oder zu ratifizierende Bündnis erteilt. Ich bitte Sie, auch das mitzuberücksichtigen. Gehen Sie also bei einer solchen verfassungsrechtlichen Regelung nicht vom Bestehenden aus, sondern gehen Sie davon aus, was danach mit einfachen Mehrheiten, wie immer sie in diesem Hause gebildet werden mögen, beschlossen werden kann. Das ist kein Mißtrauen gegen irgend jemanden. Auch unter diesem Gesichtspunkt müssen Sie das sehen. ({1}) Das ist der Grund, weshalb unsere Bedenken gegen die Verabschiedung des Art. 80 a auch mit den von Ihnen jetzt vorgelegten Änderungsanträgen so stark sind. Wir wollen einfach nicht, daß hier ein Sonderrecht entsteht, und wir wollen nicht, daß psychologisch schwierige Situationen für das Parlament entstehen können, in denen man zwar meint, man müsse einen Beschluß jetzt aufheben, könne es aber nicht, wobei dann Zitate fallen, wie ich sie hier wiedergegeben habe. Meine Damen und Herren, das Bedeutungsvolle dieser Diskussion ist doch, daß wir in Wahrheit in diesen Tagen die zweite große Verfassungsdiskussion der Bundesrepublik Deutschland führen. Die erste ist im Parlamentarischen Rat geführt worden. Sie ist damals nicht von einem für die Gesetzgebung, für die Verfassung frei gewählten Parlament, wie es der Bundestag ist, geführt worden. Auch die Öffentlichkeit war damals nicht in diesem vollkommenen Maße vorhanden, wie sie diesmal sowohl durch Presseberichterstattung als auch durch Übertragung der Sitzungen gewährleistet ist. Auch deshalb müssen wir bei dieser zweiten großen Verfassungsdiskussion die verfassungspolitischen Gesichtspunkte so stark unterstreichen. Das sind keine Regelungen für einen bestimmten Fall, für einen Einzelfall, sondern hier geht es um die Frage, in welche Richtung die Verfassungsentwicklung geht. Aus diesem Grunde ist für uns die Aufrechterhaltung der parlamentarischen Kontrolle auch in diesem Fall so wichtig. ({2}) Meine Damen und Herren, lassen Sie mich, nachdem ich etwas zu der grundsätzlichen Bedeutung der Debatte gesagt habe, auch ein Problem erwähnen, das mir seit gestern nachgeht. Gestern sind hei der Diskussion über die namentliche Abstimmung der Vorwurf der Demagogie und der Vorwurf der Agitation erhoben worden. Beide Worte sind je einzeln von zwei Kollegen dieses Hauses, die ich persönlich besonders schätze, gebraucht worden. Deshalb haben sie mich, da ich für diese namentliche Abstimmung gestimmt habe, auch persönlich verletzt. ({3}) - Meine Damen und Herren, das darf ich doch wohl hier einmal darlegen. Ich glaube, das Parlament ist ein Ort der Aussprache, wo wir auch über die Form einer solchen Diskussion ein Wort sagen sollten. Wir haben das Institut der namentlichen Abstimmung, um in bestimmten schwerwiegenden Fragen die persönliche Verantwortung für eine Entscheidung durch Abdruck im Sitzungsprotokoll zu übernehmen. Das ist für mich geradezu eine Unterstreichung der repräsentativen Demokratie, indem man sich nämlich auf Grund der Unabhängigkeit des Abgeordneten auch dann zu einer bestimmten Entscheidung bekennt, wenn diese Entscheidung noch so starker Kritik unterworfen ist. ({4}) Wenn von bestimmten Kreisen der Versuch gemacht werden sollte, einzelne oder alle Mitglieder dieses Hauses unter Druck zu setzen, so ist sich dieses Haus darin einig, daß dieser Versuch zurückzuweisen ist. Wir sollten uns aber auch darüber einig sein, daß jeder Mann und jede Frau in diesem Deutschen Bundestag das Recht für sich in Anspruch nehmen kann, sich von niemandem unter Druck setzen zu lassen. ({5}) Wenn wir diese Diskussion polemisch führen wollten - wir haben es von Anfang an nicht getan -, dann könnten wir die fehlenden Stimmen für den Antrag auf namentliche Abstimmung, meine Damen und Herren, sofort dadurch besorgen, daß wir hier die Namen derjenigen Kollegen anderer Fraktionen nennen, die sich in gemeinsamen Diskussionen außerhalb dieses Hauses für namentliche Abstimmung ausgesprochen haben. Wir tun das nicht, aber wir glauben, wir sollten uns darüber einig sein, daß die Inanspruchnahme des Rechtes auf namentliche Abstimmung einfach eine notwendige, eine wesensgerechte Ergänzung der Bestimmungen des Grundgesetzes über die repräsentative Demokratie und über die persönliche Verantwortung des Abgeordneten ist. Dagegen gibt es eigentlich kein Argument. Meine sehr geehrten Damen und Herren von der sozialdemokratischen Fraktion, Sie haben vor kurzem in einer wesentlich weniger bedeutsamen Frage eine namentliche Abstimmung beantragt. Da ging es darum, ob wir für die Finanzreform einen Sonderausschuß einsetzen sollen oder nicht. Das ist eine Frage, über die man streiten kann. Das ist aber gewiß keine Grundsatzfrage der Verfassungspolitik. Wenn Sie da eine namentliche Abstimmung für richtig hielten, dann können Sie sie meiner Ansicht nach jetzt in Einzelfragen einfach nicht verweigern. ({6}) Wir haben in dieser Debatte diese namentliche Abstimmung nicht beantragt für jede Einzelabstimmung, sondern für Komplexe im Rahmen der Gesetzgebung, die von weittragender Bedeutung sind, etwa zur Frage der Einschränkung des Post- und Fernmeldegeheimnisses, wo wir jetzt durch Ihren Beschluß eine Rechtslage haben, nach der auch derjenige, der zu Unrecht eingeschränkt wird, dessen Telefon z. B. zu Unrecht abgehört wird, kein Rechtsmittel dagegen hat. Sie sind sich doch mit uns über die Problematik dieser Kontrollgremien, die Sie da einsetzen wollen - wie die aussehen, wissen wir noch nicht -, im klaren. Diese Kontrollgremien haben keinen Hebel, um gegen den Mißbrauch vorgehen zu können, weil die Mitteilungen, die sie bekommen, vertraulich sind und weil sie nicht einmal hier im Parlament verwertet werden können. Ich glaube, wenn es um Fragen dieser Bedeutung geht, dann sollten wir uns - das sind wir den Bürgern draußen im Land schuldig - bekennen, auch mit der namentlichen Abstimmung. Allein die Aus9422 führlichkeit unserer Aussprache, aber auch die Sachlichkeit, die ich allen Seiten des Hauses bestätigen möchte, zeigt, daß wir im Begriff sind, hier einen Schritt nach vorn zu tun. Wenn Sie uns jetzt noch folgten, z. B. für den Art. 80 a einer namentlichen Abstimmung zustimmten -, dann könnten wir zeigen, wie ernst wir diese zweite große Verfassungsdiskussion in unserem Lande nehmen. Meine Damen und Herren der anderen Fraktionen: Ich bitte Sie, lassen Sie diese Chance nicht ungenützt vorbeigehen. ({7})

Erwin Schoettle (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002061

Das Wort hat der Herr Bundesminister des Innern.

Prof. Dr. Ernst Benda (Minister:in)

Politiker ID: 11000139

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zu dem zweiten Teil der Ausführungen des Herrn Kollegen Genscher möchte ich mich in der Sache nicht äußern; das steht mir gar nicht zu von hier aus. Ich bedaure eigentlich, daß wir jetzt von der Sachdiskussion, die er im ersten Teil angesprochen hat, schon ein wenig weg sind, und ich möchte versuchen, darauf zurückzuführen. Herr Kollege Genscher, Sie haben Bezug genommen auf meine Ausführungen von gestern abend zu später Stunde, in denen ich mich bemüht habe, einige Grundfragen aufzuwerfen, die mit diesem sehr wichtigen Punkt des Art. 80 a des Entwurfs zusammenhängen. Ich bin nicht sicher, ob wir uns über diese Grundtatsachen eigentlich hinreichend verständigt haben. Ich fürchte, ich muß das eine oder andere wiederholen und noch einmal zur Diskussion stellen, weil es sonst gar nicht möglich ist, die Diskussion mit der Präzision zu führen, die um der Sache willen wohl notwendig ist. Die mangelnde Präzision, Herr Kollege Genscher beginnt bereits damit, daß Sie im ersten Teil Ihrer Ausführungen gesagt haben, wenn die NATO beschließe, träten nach Art. 80 a Abs. 3 des Entwurfs die entsprechenden Gesetze in Kraft. Genau das ist schon falsch. Vielleicht war es nur ein falscher Zungenschlag. Aber es ist doch wichtig, festzuhalten, daß Art. 80 a Abs. 3 eben nicht eine Ersetzung der Rechtsetzungsfunktion des normalen Gesetzgebers bedeutet, sondern lediglich die Frage beantwortet: Wer entscheidet, was auf Grund vom Parlament beschlossener Gesetze zu geschehen hat, wenn die tatsächlichen Verhältnisse die Anwendung dieser Gesetze erfordern? Das muß man doch ganz klar auseinanderhalten, weil auch in der Diskussion außerhalb dieses Hauses - dort zum Teil, wie ich persönlich meine, geflissentlich - versucht wird, diesen sehr wesentlichen Unterschied in der Sache zu verwischen und so zu tun, als ob es darum ginge, das Parlament auszuschalten. Nun komme ich sofort auf Ihren Kernsatz zurück; als den habe ich ihn jedenfalls empfunden. Sie haben die Frage aufgeworfen, wo es im NATO-Bereich, abgesehen von der Bundesrepublik Deutschland, eine Regelung gebe, die eine an sich notwendige Zustimmung des Parlaments zu bestimmten Maßnahmen ersetze. Auf die Frage, wie das in den anderen Ländern ist, komme ich nachher noch mit einem Beiskpiel zurück. Aber das ist der zweite Teil; gestatten Sie, daß ich das zurückstelle. -Bitte schön, Herr Genscher!

Hans Dietrich Genscher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000661, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Minister, damit wir nicht aneinander vorbeireden: nicht, wo es eine Regelung gibt, die ersetzt, sondern die Frage lautet: In welchem anderen NATO-Land kann eine an sich notwendige Zustimmung des Parlaments durch einen Beschluß irgendeines Gremiums des Bündnisses ersetzt werden? Das ist die Frage.

Prof. Dr. Ernst Benda (Minister:in)

Politiker ID: 11000139

Gut; so habe ich es, meine ich, auch zitiert. Jedenfalls steht es bei mir genau so auf dem Zettel, und ich will eben auf diesen Punkt kommen. Die Vorfrage, Herr Kollege Genscher, ist doch: Welches sind in einer parlamentarischen Demokratie die verfassungsmäßigen Befugnisse der Regierung, und welches sind die verfassungsmäßigen Befugnisse des Parlaments? Hier fängt die notwendige Auseinandersetzung an. Nur wenn man diese Frage richtig beantwortet, kann man, wie ich meine, dieses Problem überhaupt richtig beurteilen. ({0}) Ich hatte Gelegenheit, mich bereits im ersten parlamentarischen Anhörungsverfahren sehr breit zu dieser Frage zu äußern. Ich will das unter gar keinen Umständen hier alles wieder vortragen, einfach deshalb nicht, weil es zu lange dauern würde. Aber ich möchte Ihnen - Sie waren, glaube ich, dabei, Herr Kollege Genscher; jedenfalls ein Teil der Herren Ihrer Fraktion saß im Ausschuß dabei - noch einmal in Erinnerung rufen, daß ich dort gesagt habe - und ich bleibe dabei; es kann nach der verfassungsrechtlichen Lage der Bundesrepublik Deutschland, die eine parlamentarische Demokratie ist, für mein Empfinden überhaupt nicht bestritten werden -: Aufgaben dieses Parlaments, wenn ich jetzt einmal von der Rolle des Bundesrates absehe, sind die Gesetzgebung und die Kontrolle der Regierung, die Wahl des Bundeskanzlers usw., die Punkte, die im Grundgesetz ausdrücklich festgelegt sind. Das bedeutet, angewendet auf unser Problem: es ist Sache des Parlaments, der Regierung die für einen Fall eines Notstandes erforderlichen Rechtsgrundlagen zur Verfügung zu stellen, zu entscheiden, was die Regierung in einem solchen Fall tun darf und was sie nicht tun darf, und es ist an sich nach klarer Verfassungsrechtslage Sache der Regierung, auf Grund ihrer Beurteilung der Notwendigkeiten einer gegebenen Situation zu entscheiden, ob von diesen ihr vom Parlament eingeräumten Möglichkeiten Gebrauch gemacht werden soll oder nicht. Das tut sie in einem Land, das sich in einem Verteidigungsbündnis befindet wie wir, natürlich nicht isoliert. Der Sinn dieses Verteidigungsbündnisses ist, daß man sich nicht nur gemeinsam die Möglichkeiten zur Verteidigung bereitstellt, sondern daß man auch gemeinsam die Frage prüft und entscheidet, ob der Sachverhalt bestimmte Maßnahmen - wie z. B. der militärischen Mobilmachung - Bundesinnenminister Benda notwendig macht. Insoweit sollten wir uns einig sein, Herr Kollege Genscher. Es ist also, um Ihr Wort aufzugreifen, an sich Sache der Regierung, an sich ausschließlich Sache der Regierung, auf der Grundlage der vom Parlament beschlossenen Gesetze, die sich ihrerseits im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung halten müssen, nach Lage der Dinge das jeweils Notwendige zu tun. Die Bewältigung einer außenpolitischen Krise ist nicht Sache des Parlaments, sondern Sache der Regierung. Die Regierung entscheidet, wie einer solchen Krise zu begegnen ist. Es ist das volle Recht des Parlaments, von dem das Parlament auch erfreulicherweise Gebrauch macht, die Regierung seiner Kontrolle zu unterwerfen, d. h. hier zu diskutieren, ob die Maßnahmen, die die Regierung für notwendig hält, wirklich nach der Sachlage notwendig sind oder nicht. Die Regierung ist dem Parlament politisch für die Richtigkeit ihrer Entscheidung verantwortlich. Das scheint mir doch die klare Rechtslage zu sein. Ich müßte an sich, wenn ich Ihre Geduld so weit in Anspruch nehmen wollte, weit in die Geschichte der Entwicklung der Notstandsverfassung zurückgehen, sage das aber jetzt verkürzt und vereinfacht, wenn Sie damit einverstanden sind: Herr Kollege Genscher, wir haben das Problem erkannt, das darin liegt, daß in einem frühen Stadium einer Krise die Regierung auf Grund dieser ihr an sich unstreitig zustehenden Befugnisse Maßnahmen trifft, die in ihrer Auswirkung eine wirksame Kontrolle durch das Parlament faktisch problematisch machen, weil einmal eingeleitete Maßnahmen eben nicht oder nur schwer rückgängig zu machen sind. Der Ausweg, den wir damals gefunden haben, war das Instrument des Gemeinsamen Ausschusses. Das war das Kernstück etwa in dem Entwurf in der Fassung des Rechtsausschusses 1965. Ich persönlich glaube nach wie vor, daß dies eine brauchbare und gute Lösung war, aber die Entwicklung hat es mit sich gebracht - und vor dieser Situation stehen wir heute -, daß die Konzeption, die insoweit auch dem neuen Regierungsentwurf zugrunde lag, sich in den parlamentarischen Beratungen nicht oder nicht voll durchgesetzt hat und daß wir also nach anderen Möglichkeiten suchen müssen. Sie kommen also an dieser Grundfrage, an der Notwendigkeit, die Regierung in die Lage zu versetzen, auf Grund eines Gesprächs und einer Abstimmung mit den Bündnispartnern zu handeln, nicht vorbei. Was soll denn, Herr Kollege Genscher, die Regierung nach Ihrer Konzeption wirklich machen? Ich rede jetzt nicht über Abs. 1; über den besteht gar kein Streit. Ich bin der Meinung, daß es richtig wäre - und dem trägt der Entwurf des Rechtsausschusses in einer guten Weise voll Rechnung -, daß die Regierung, wenn sie auf den - wie ich glaube abenteuerlichen Gedanken kommen würde, sich allein in Abenteuer außenpolitischer, gar militärischer Art, ohne daß sie das auf Grund von Verpflichtungen aus einem Bündnisvertrag tut, einzulassen, jeder nur denkbaren Kontrolle durch das Parlament unterworfen wird. Allein die reale Lage unseres Landes, wenn wir sie realistisch betrachten, verhindert einen solchen Alleingang weitaus effektiver, als es Rechtsnormen überhaupt könnten. Hiergegen ist überhaupt nichts einzuwenden. Wenn aber die NATO, Herr Kollege Genscher, an der wir doch wohl festhalten wollen - ({1}) Ich freue mich, daß Sie dem zustimmen. ({2}) - Ich sagte: wir wollen doch wohl daran festhalten. Dann bedeutet das doch wohl, daß wir die übernommenen Verpflichtungen aus diesem Bündnisvertrag auch zu erfüllen haben. Wenn die NATO in ihren Gremien mit der Mitwirkung und der Zustimmung der Bundesregierung, die daran vollberechtigt beteiligt ist, zu der Entscheidung kommt, daß bestimmte Maßnahmen erforderlich sind, daß eine bestimmte Lage eingetreten ist, die solche Maßnahmen notwendig macht, was soll denn dann die Regierung anders machen, als einfach ihre Verpflichtung aus dem Bündnis zu erfüllen? Das ist doch dann wohl die Pflicht der Bundesregierung. Wenn das Parlament damit nicht einverstanden ist, entsteht in der Tat - wie Sie ganz richtig gesehen haben - eine schwierige Frage. Dann entsteht wahrscheinlich im Verhälnis zwischen Parlament und Regierung eine Frage, die vermutlich im Rahmen der technischen Möglichkeiten des Grundgesetzes zu einer Vertrauensfrage führt, eventuell zu einem konstruktiven Mißtrauensvotum oder ähnlichen Möglichkeiten. An sich ist es kaum denkbar, daß sich eine Regierung noch halten kann, wenn das Parlament eine so wichtige Maßnahme ausdrücklich mißbilligt, was es ja nach dem Entwurf der Koalitionsparteien tun kann und was ich auch für sinnvoll halte. An sich entsteht ja dann für die Regierung eine schwierige Lage, weil sie der NATO sagen muß: Das, was wir an sich mit euch für richtig gehalten haben, geht nicht, weil das Parlament das nicht mitmacht. Im Grunde gibt es dann für die Regierung nur eine Konsequenz, die ich angedeutet habe, die mir beinahe unausweichlich zu sein scheint. Aber gut, das muß man dann abwarten. Ich komme auf Ihren Hauptpunkt zurück, Herr Kollege Genscher. Es ist eben nicht so, daß es sich bei dem Fall der sogenannten NATO-Klausel, Art. 80 a Abs. 3, um die Ersetzung einer an sich notwendigen Zustimmung des Parlaments zu Maßnahmen der Regierung handelt. Es ist genau umgekehrt, daß es sich an sich um eine Regelung handelt, die die Regierung allein auf der Grundlage der ihr vom Parlament bewilligten Rechtsgrundlage vorzunehmen hat. Zum Schluß noch, Herr Kollege Genscher, etwas mehr zum Faktischen. Weil das wiederholt auch in der öffentlichen Diskussion aufgetaucht ist, muß ich das noch einmal wiederholen. Sie haben auf die englische Regelung abgehoben und haben das Emergency-Powers-Gesetz von 1920 zitiert. Zunächst einmal darf ich Ihnen sagen, weil auch das wieder geeignet wäre, Verwirrung in die Diskussion hineinzubringen: die Emergency-Powers-Act von 1920 betrifft überhaupt nicht den Fall des Zustandes der Bundesinnenminister Benda äußeren Gefahr oder des Verteidigungsfalles, wie wir ihn nennen wollen, sondern den Fall eines inneren Notstandes. Das ist zunächst einmal ein ganz anderes Thema. Es geht lediglich um die Frage, ob die Krone, praktisch die englische Regierung, im Falle von Versorgungschwierigkeiten, inneren Unruhen oder ähnlichen Dingen handeln kann und was sie dann zu tun hat. Ich habe in dem schon erwähnten ersten Anhörungsverfahren vor den Ausschüssen die englische Regelung für den Verteidigungsfall zitiert, die im Jahre 1940 beschlossen worden ist. Ich glaube, es ist jetzt der Zeitpunkt, das hier noch einmal vorzutragen. Ich habe damals zitiert - und ich möchte es mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten noch einmal tun -, und zwar aus den „Erinnerungen" von Winston Churchill an jenen Tag im Jahre 1940, als die deutschen Truppen auf der anderen Seite des Kanals auftauchten, über die Diskussion, die damals im englischen Parlament genau zu der Frage stattgefunden hat, über die wir heute für unseren Bereich streiten. Churchill schreibt in seinen „Erinnerungen" : Dies war die Stunde, August 1940 -da meine Kollegen es für richtig hielten, vom Parlament die außerordentlichen Vollmachten zu verlangen, für die in den letzten Tagen ein Gesetz vorbereitet worden war. Die Maßnahmen sollten der Regierung praktisch unbegrenzte Macht über Leben, Freiheit und Eigentum der Untertanen Seiner Majestät von Großbritannien verleihen. Juristisch gesprochen räumte das Parlament uns, das heißt der Regierung, absolute Gewalt ein. Das Gesetz enthielt die Befugnis, - und jetzt zitiert Churchill aus diesem Gesetz durch Königliche Verordnung Verfügungen zu erlassen, durch welche Personen, ihre Dienste und ihr Eigentum zur Verfügung Seiner Majestät gestellt werden könnten, sofern es notwendig oder ratsam erscheint zur Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit, zur Verteidigung des Königreichs, zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung oder der wirksamen Führung eines Krieges, in den Seine Majestät verwickelt sein mag, oder zur Sicherung für die Gemeinschaft wesentlicher Lieferungen und Dienste. Dieses Gesetz, meine Damen und Herren - und das zeigt genau die Problematik der von dem Kollegen der FDP vorgeschlagenen Regelungen an -, wurde, wie Churchill weiter berichtet, dem englischen Parlament nachmittags vorgelegt und in allen Lesungen am gleichen Nachmittag vom Unterhaus und vom Oberhaus einstimmig verabschiedet. Noch am Abend erhielt es die Zustimmung des Königs.

Walter Scheel (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001949

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Rutschke?

Prof. Dr. Ernst Benda (Minister:in)

Politiker ID: 11000139

Ja.

Dr. Wolfgang Rutschke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001909, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Bundesinnenminister, sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, daß eine Situation mitten im Krieg, wie es 1940 war, wohl andere Maßnahmen erfordert als eine Vorsorgemaßnahme, die man im Frieden trifft?

Prof. Dr. Ernst Benda (Minister:in)

Politiker ID: 11000139

Herr Kollege Rutschke, ich kann jetzt wirklich nicht den Text des Entwurfs für die Notstandsverfassung hier vortragen. Haben Sie noch nicht gemerkt, daß wir unentwegt seit gestern nachmittag, mindestens, als wir über die Regelung für den Spannungs- und Verteidigungsfall redeten, eben über die Frage sprechen, was wir in einer Krise zu tun haben, die innerhalb von wenigen Tagen zu einem Kriege führen kann, demgegenüber die Situation im Jahre 1940 wahrscheinlich - wenn man so sagen darf - vergleichsweise harmlos gewesen sein würde? ({0})

Walter Scheel (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001949

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten SchmittVockenhausen?

Prof. Dr. Ernst Benda (Minister:in)

Politiker ID: 11000139

Ja.

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002033, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Würden Sie mir zustimmen, wenn ich sage, daß wir diese Regelungen treffen, damit nicht einmal in einem Verteidigungsfall unter psychologischem Druck Gesetze durchgepeitscht werden können oder gar müssen? ({0})

Prof. Dr. Ernst Benda (Minister:in)

Politiker ID: 11000139

Ich bin Ihrer Meinung, Herr Kollege Schmitt-Vockenhausen. Ich habe auch hei der Stelle, als ich das zum erstenmal zitierte, gesagt, daß dieses Parlament, das ist auch meine Meinung, niemals ein Gesetz verabschieden würde, daß der Regierung materiell so weitgehende, praktisch uneingeschränkte Vollmachten übertragen würde und übertragen sollte, wie es dieses englische Gesetz von 1940 vorgesehen hat. Ich nehme an, daß wir uns darüber alle einig sein werden. Herr Kollege Genscher, um das zum Schluß noch einmal zu sagen, ich erwähnte dieses Beispiel auch deswegen, weil es die Überforderung des Parlaments in einer kritischen Situation zeigt; das habe ich auch im Anhörungsverfahren schon gesagt. Es ist nämlich die Frage, ob es wirklich bis ins letzte prüfen und entscheiden kann, was dann nach Lage der Dinge von der Regierung und der NATO für richtig gehalten werden wird. Nach meiner persönlichen Meinung würde eine solche Situation wahrscheinlich im Gegenteil zu einem faktischen Verlust jeder Kontrollmöglichkeiten durch das Parlament führen. Wie hätte sich denn das Englische Unterhaus im August 1940 anders verhalten können, als innerhalb von drei oder vier Stunden einem solchen Gesetzentwurf zuzustimmen, und wie würde sich der Deutsche Bundestag oder jedes andere Parlament anders verhalten können, wenn wir ihm zumuten, innerhalb einer wahrscheinlich extrem kurzen Zeitspanne auf Grund der Mitteilung der Bundesinnenminister Benda Bundesregierung, daß die NATO eine Reihe von Mobilisierungsmaßnahmen für notwendig hält, auf Grund der Lagedarstellung, die sich da ergibt, eine Entscheidung zu fällen? Könnte es etwas anderes tun als sagen: Wir können diese Verantwortung nicht übernehmen, das in der kurzen Zeit in den Einzelheiten zu prüfen, ihr müßt das selber entscheiden und verantworten? Das ist doch die Problematik der Kontrolle durch das Parlament in einer solchen Situation, die man sehen muß, ({0}) und zwar nicht zuletzt, Herr Kollege Genscher, im Interesse des Parlaments selbst, dem doch nicht zugemutet werden kann, so etwas zu tun, ohne daß man ihm zugleich die Möglichkeit gibt, seine Kontrollfunktion wahrzunehmen.

Walter Scheel (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001949

Herr Minister, würden Sie eine Frage des Herrn Abgeordneten Genscher beantworten?

Prof. Dr. Ernst Benda (Minister:in)

Politiker ID: 11000139

Bitte schön!

Hans Dietrich Genscher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000661, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Bundesminister, würden Sie mir - zur Klarstellung - zustimmen; daß Sie eben unter Nennung des Jahres 1940, als sich England im Krieg befand, über einen Zeitraum sprachen, in dem der Verteidigungsfall eingetreten war? Da sind wir ja in der Wirksamkeit dieser Gesetze völlig einer Meinung. Die Diskussion geht hier aber nicht um den Zeitraum nach Eintritt des Verteidigungsfalles, sondern um die Probleme, die sich vor Eintritt des Verteidigungsfalles ergeben. Deshalb passen die Zitate von Churchill aus dem Jahre 1940 überhaupt nicht. ({0})

Prof. Dr. Ernst Benda (Minister:in)

Politiker ID: 11000139

Herr Kollege Genscher, eine Gegenfrage: Glauben Sie wirklich, daß ein moderner Krieg, zumal unter unseren Verhältnissen, sich so entwickeln würde wie der Krieg im Jahre 1939 und 1940? Sind Sie nicht mit mir der Meinung, daß das, was an Vorbereitung notwendig ist, innerhalb der Zeitspanne von wahrscheinlich einigen Tagen oder vielleicht einer Woche getan werden muß, bevor es, wenn es zum Schlimmsten kommen sollte, zu Kampfhandlungen kommt?

Walter Scheel (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001949

Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage?

Hans Dietrich Genscher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000661, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Minister, glauben Sie nicht, daß diese rhetorische Frage, die Sie eben gestellt haben, schon deshalb unbegründet ist, weil ich zu Anfang meiner Ausführungen ausdrücklich noch einmal das Bekenntnis meiner Fraktion zu einer deutschen - ich betone: deutschen - demokratischparlamentarisch kontrollierten Notstandsgesetzgebung hier erklärt habe?

Prof. Dr. Ernst Benda (Minister:in)

Politiker ID: 11000139

Ich weiß nicht, wieso das eigentlich in diesem Zusammenhang eine Rolle spielt. Aber dennoch! Wenn Sie sagen, daß sei eine rhetorische Frage, und damit andeuten wollen, daß wir uns in der Sache wohl einig seien, verstehe ich, ehrlich gesagt, Ihre Haltung noch weniger.

Walter Scheel (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001949

Herr Minister, würden Sie eine Frage gestatten?

Josef Ertl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000493, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Minister, habe ich Sie richtig verstanden, daß Sie von der Annahme ausgehen, daß wir, wenn bei uns eine vergleichbare Situation wie für Großbritannien im Jahre 1940 entstehen würde, weder ein beschlußfähiges noch ein funktionsfähiges Parlament haben?

Prof. Dr. Ernst Benda (Minister:in)

Politiker ID: 11000139

Herr Kollege Ertl, genau das habe ich nicht gesagt. Ich habe genau gesagt, daß man das Parlament in die Lage versetzen soll, das, was es tun kann - was natürlich auch von seiner Möglichkeit abhängt, faktisch zusammenzutreten -, zu tun, und daß eine Regelung, wie sie der Entwurf in der Fassung des Rechtsausschusses vorsieht, wenn ich einmal die Änderungsanträge einbeziehe, für mein Empfinden eine sinnvolle Kombination der verschiedenen Möglichkeiten ist, die uns je nach Lage, die wir natürlich in allen Einzelheiten nicht voraussehen können, die Möglichkeit gibt, einigermaßen zu reagieren. Meine Damen und Herren! Ich war an sich am Ende meiner Ausführungen. Ich habe nur Gelegenheit geben wollen, diese Fragen zu stellen. Ich sage noch einmal: ich glaube, daß die Kollegen der FDP, deren Vorstellungen ja darauf hinauslaufen, den Art. 80 a Abs. 3 zu streichen, von einer falschen Grundvorstellung ausgehen, nämlich der von Herrn Kollegen Genscher irrig angenommenen Auffassung, daß an sich die Zustimmung des Parlaments in diesen Dingen unseren Verfassungsprinzipien entspreche. Ich bin im Gegenteil der Auffassung, daß an sich die Regelung der im Art. 80 a angesprochenen Fragen auf der Basis der Rechtsgrundlagen, die das Parlament liefert, eine Sache der Regierung ist und daß der Entwurf in einer durchaus sachgemäßen Weise eine parlamentarische Kontrolle, die wir gemeinsam für notwendig halten, dennoch einschaltet und ermöglicht. ({0})

Walter Scheel (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001949

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Gscheidl.

Kurt Gscheidle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000745, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Ausführungen des Herrn Abgeordneten Genscher veranlassen mich, hier einige Bemerkungen zu machen, weil, würde man seiner verfassungsrechtlichen Darstellung folgen, in der Tat auch der von den Regierungsparteien eingebrachte Änderungsantrag Bedenken auf sich ziehen müßte. Ich tue das um so lieber, Herr Genscher, mich nach Ihren Ausführungen hier zu Wort zu melden, als ich Ihnen bei dieser Gelegenheit bestätigen darf, daß ich die Art Ihrer Argumentation in dieser für uns alle schwierigen Frage schätze und für beispielhaft halte, wie allein man sich in dieser Frage im Plenum unterhalten darf, und zwar deshalb, weil wir alle inzwischen wissen, welch große Bedeutung auch in der Öffentlichkeit unsere Auseinandersetzung in der Sache hier heute hat, und weil wir mit Freude feststellen können, wieviel sachverständiger doch diejenigen sind, die auch außerhalb des Parlaments zu der Frage Stellung nehmen. Aber gerade deshalb, Herr Genscher, scheint es mir notwendig zu sein, doch auf einiges Grundsätzliche Ihrer Ausführungen einzugehen. Das ist jene verfassungsrechtliche Betrachtung hinsichtlich der Souveränitätsverlagerung aus einer Verfassung in ein internationales Bündnis hinein und über die Zuständigkeit der dortigen Organe gegenüber den Organen innerhalb unseres Landes. Ihr Bild, das Sie hier gezeichnet haben, indem Sie auch in Ihrer Antragstellung davon ausgehen, es sei notwendig, daß sozusagen eine Regierung, die in einem solchen Bündnis in einem Organ einer Beschlußfassung zustimmt, die wieder Rückwirkungen auf unser eigenes Verfassungsleben hat, in der Kontrolle bleiben muß, ist ja völlig richtig. Aber worin wir uns beide nicht ganz einig sind, Herr Genscher, ist der Punkt, wo Sie sagen: Wir brauchen in diesem Bündnis hinsichtlich der Zustimmung unserer Regierung in diesem Organ vorher eine Beschlußfassung hier.

Walter Scheel (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001949

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Genscher?

Hans Dietrich Genscher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000661, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Würden Sie bitte bereit sein, zur Kenntnis zu nehmen, daß ich nicht für die Beschlußfassung im Bündnis die vorherige parlamentarische Zustimmung verlangt habe, sondern dafür, daß vor dem Verteidigungsfall - nur darüber reden wir ja - Maßnahmen innerstaatlicher Wirkung der parlamentarischen Zustimmung bedürfen.

Kurt Gscheidle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000745, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ja, aber Herr Genscher, würden Sie mir nicht zugestehen, daß ich in Ihrem Antrag, den Sie gestellt haben, folgende Wirkung sehe? Sie votieren mit Ihrem Antrag gegen eine Konstruktion, die hier zur Abstimmung gestellt wird. Diese Konstruktion geht auf folgende Überlegung zurück: Dieses Parlament setzt in der Frage einer internationalen Bündnisverpflichtung der Regierung einen Rahmen, inwieweit sie in diesem Bündnis handeln kann. ({0}) - Ich rede nicht zu Ihrem Antrag, sondern zunächst einmal von der Konstruktion. Sie geht doch davon aus, daß man in dem Rahmen, den dieser Vertrag geschaffen hat, im internationalen Bündnis der Regierung eine Handlungsfähigkeit einräumt. Hat nun auf Grund dieses Bündnisses, im konkreten Fall eines militärischen Bündnisses, die dort bechlossene Maßnahme zum Inhalt, daß in unserem Verfassungsrecht umfassend zu dieser bei uns wirkenden Maßnahme nun auch einmal im deutschen Verfassungsrecht geregelte Fragen mit in Gang gesetzt werden, dann - jetzt beziehe ich mich auf den Änderungsantrag der Regierungsparteien - sagen die Regierungsparteien mit ihrem Änderungsantrag: Wir haben aber als Bundestag das Recht, solche Maßnahmen, wenn sie uns unangenehm, unangemessen oder vorzeitig erscheinen, aufzuheben. Jetzt kommt Ihre Konstruktion, die sagt: Wir wollen, daß für solche Maßnahmen vorher die Zustimmung vorliegt. Das bedeutet, daß Sie der Bundesregierung - unter einer Diskussion der eventuellen Auswirkung - vorab sagen möchten: Wir wollen das nicht. Jetzt kommt aber die mir interessante Frage, und deshalb habe ich mich gemeldet. Das ist die Frage: Inwieweit kann man denn überhaupt Souveränitätsrechte auslagern? Ich meine das jetzt verfassungsrechtlich, nicht verfassungspolitisch. Verfassungsrechtlich stellt sich die Situation so dar, daß Sie natürlich jederzeit, bezogen auf ein konkretes Bündnis und auf konkret benannte Organe mit dem dort geregelten Abstimmungsmodus und dergl., durchaus Souveränitätsrechte auslagern können. Was die Sache in der ersten Fassung, wie sie noch ausgedruckt worden ist, gefährlich machte, war, daß nicht das konkrete Bündnis oder das konkrete Organ benannt wurde. Es wurde vielmehr sozusagen verfassungsrechtlich eine Regelung geschaffen, die es für die Zukunft gestattet hätte, internationale Verträge unbestimmter Art in ihrer Zahl, in ihrem Ausmaß, in ihren Organzuständigkeiten zu schaffen, und daß alle Maßnahmen, die auf Grund solcher Beschlüsse rückwirkend in unsere Verfassung gewirkt hätten, nicht unserer Kontrolle als Parlament unterlegen hätten, sondern in diesem einen Punkt der parlamentarischen Kontrolle ausdrücklich entzogen worden wären. Wenn dies stehengeblieben wäre, wären meine Bedenken die gleichen wie Ihre gewesen. Aber dieser Mangel, so meine ich, wird durch diesen Änderungsantrag der Regierungsparteien in der Tat geheilt. Wenn nun durch die Änderung des Absatzes 2 die Worte „mit Zustimmung der Regierung" eingeführt werden - darauf haben Sie in zwei Sätzen Bezug genommen -, dann ist dies nicht so zu interpretieren, wie es im Verlauf der Debatte geschehen ist. Hier ist vielmehr lediglich für die Zukunft festgelegt, daß bei allen internationalen Bündnissen, die unter der Gültigkeit dieser Verfassung eingegangen werden, in jedem Fall - ganz gleich, ob sich der Abstimmungsmodus in einem zukünftigen Bündnis ändert die Zustimmung der Bundesregierung vorliegen muß. Nun aber zu einer Bemerkung, die Sie hinsichtlich der psychologischen Situation gemacht haben. Sie versuchten da, das Kassationsrecht in seiner politischen Bedeutung darzustellen. Sie haben das Röhrenembargo als Beispiel gewählt. Ich glaube, Sie werden mir sofort zustimmen, wenn ich sage, daß wir „leider" - in diesem Falle ist dieses „leider" in Anführungsstriche gesetzt, damit ich nicht falsch interpretiert werde kein anderes Beispiel haben. Sie werden auch zugeben, daß es kein voll abdeckendes Beispiel ist. Wenn man unter Bemühung seiner Phantasie einmal versucht, das fehlende Beispiel zu ersetzen, stellt sich das Problem anders dar, Herr Genscher, nämlich so, ob eine Bundesregierung sich in einer solchen Situation noch in die allgemeine politische Beurteilung innerhalb dieses LanGscheidle des eingebettet weiß. Entfernt sich die Regierung aus dieser allgemeinen Beurteilung, kommt sie in Konflikt. Aber Sie können, finde ich, das Beispiel des Röhrenembargos hier nicht übersetzen; denn Sie würden dann in eine schwierige Situation der Fachbezogenheit zu einem sehr wirtschaftspolitischen Thema kommen, die in diesen Fällen, die hier zur Erörterung stehen, nicht durchschlagt. Hier handelt es sich ja um mehr als um Fragen einer wirtschaftspolitisch richtigen Entscheidung. Hier handelt es sich um eine Entscheidung, bei der es um den Fortbestand - ich würde gar nicht den Staat an die erste Stelle setzen - des Volkes in diesem Lande geht. Da kann ich mir nicht vorstellen das muß ich wirklich sagen -, daß eine Regierung in dieser Situation sich außerhalb der allgemeinen Beurteilung derer, die sie zu vertreten hat, befindet. Deshalb hätte ich bei der Übertragung dieses Beispieles einige Bedenken. Wenn Sie dann sagen, das sei letzlich nur noch ein Feigenblatt oder so etwas wie eine Sicherung, würde ich dem auch nicht zustimmen. Denn natürlich - und davon gehen wir, die wir sehr kritisch zu einer Notstandsgesetzgebung stehen, doch aus - muß man auch die Möglichkeit unterstellen daß in einer solchen Situation eine Regierung im Amt ist, die nur noch auf Grund ihrer Staatsgewalt und der Möglichkeit, die die Staatsgewalt einer Regierung gibt, gegen eine allgemeine Stimmung regiert. In diesem Fall ist allerdings die letzte Sicherung die Hoffnung, daß wenigstens das Parlament noch in Übereinstimmung mit der allgemeinen Beurteilung handeln wird. Ich würde also diese Reduzierung auf die Bedeutung, die Sie dargestellt haben, auch für bedenklich halten. Sie haben einige Ausführungen zur namentlchen Abstimmung gemacht. Das veranlaßt mich, auch einiges dazu zu sagen. Herr Dorn hat im Verlauf der gestrigen Debatte - und heute ist es auch einmal durchgeklungen - eine Anspielung auf vorliegende Papiere von einem Teil der SPD-Fraktion gemacht, die, wenn man sie liest, in unverkennbarem Zusammenhang auch mit Überlegungen stehen, die Sie aus der Opposition anstellen. Ich habe zunächst den Eindruck, nicht bei Ihnen, Herr Genscher, aber bei Herrn Dorn - und das bedaure ich an sich bei Herrn Dorn immer -, daß er in seiner Argumentation und seiner politischen Taktik - ich meine das wirklich so, wie ich das jetzt sage, Herr Dorn - nicht mit der Ernsthaftigkeit hier Politik betreibt, ({1}) wie man es in einem solchen Punkt tun sollte. Ich möchte davor warnen, gerade dieses Thema, das gestern und heute hier behandelt wurde, als einen geeigneten Gegenstand anzusehen, mit dem man parteipolitische Taktik betreiben darf. ({2}) Herr Dorn, ich darf Ihnen eine Frage beantworten, die Sie vermutlich haben und die Sie hier nicht co deutlich gestellt haben. Das ist wohl die Frage: Verhalten sich SPD-Abgeordnete, von denen seit Jahren bekannt ist, daß sie in Opposition zur Notstandsgesetzgebung stehen, bei einer zweiten Lesung des Gesetzes so, weil von ihrer Partei offenbar mehrheitlich andere Beschlüsse gefaßt wurden, als sie sie selber vertreten? Herr Dorn, mein Verhalten hängt mit meinem Selbstverständnis in einer Demokratie zusammen. Ich habe in meiner Partei - und ich bin meiner Partei dankbar, daß sie mir die Gelegenheit gegeben hat - bis zur Fraktionssitzung vor dieser Beratung jede Möglichkeit wahrgenommen - und man hat sie mir eingeräumt -, mit Sachargumenten für meine Auffassung zu streiten. Wenn es aber in der Demokratie ein Prinzip gibt, das nicht ohne großen Schaden für uns alle verlassen werden darf, dann ist es erstens das, daß wir von dieser Stelle aus und in der Art unserer Arbeit klarmachen müssen, daß der Kompromiß in der Demokratie das Normale und nicht das Verwerfliche ist; ({3}) dann ist es auch die Notwendigkeit, - ({4}) - Ich habe Ihre Zwischenbemerkung nicht verstanden, aber ich vermute, es ist eine Zwischenbemerkung von der gekennzeichneten Qualität, die ich bedaure; das muß ich sagen. Sie werden mich nicht dazu provozieren können, mit ähnlichen Argumenten zu antworten. ({5}) - Nein, ich habe gesagt, ich vermute. ({6}) Es gibt auch bestimmte Themen, Herr Dorn, wo ich bei einem Redner die Ernsthaftigkeit spüre, auch wenn ich seine Auffassung nicht teile; und ich würde dann keine Zwischenbemerkungen machen, gleich welcher Art; ich würde sie nicht tun, und Sie werden mich nie dabei ertappen, daß ich mich dazu hinreißen lasse. ({7}) Die zweite Bemerkung, die ich dazu machen will, ist allgemein; ich will deshalb gar nicht mehr nach d e r Seite sehen, damit Sie nicht den Eindruck haben, dies seien nur Bemerkungen, die ich glaube gegenüber der FDP machen zu müssen; dafür sind in Ihren Reihen zu viele Demokraten, die in vielen Fragen in der Vergangenheit für mich beispielhaft argumentiert haben. Diese zweite Bemerkung, die ich machen will, ist die: Wer in einer Demokratie wirken will, muß akzeptieren, daß dies nur in Parteien geht. Wer sich scheut, diesen schwierigen Weg der Transmission seiner Idee über Parteien und die dort zu schaffenden Mehrheiten zu gehen, und versucht, unter Umgehung dieses schwierigen Prozesses direkt Einfluß auf die Politik nehmen zu wollen, muß wissen: ohne Mehrheiten geht es dann nur mit Gewalt; und wer dies dann mit Gewalt versucht, muß wissen, daß diese Parteien im Interesse ihrer Existenz und der Existenz dieser Demokratie sich wehren müssen. ({8}) Und wenn man das weiß, muß derjenige, der in einer Partei wirkt, wissen, daß, wenn diese Partei mehrheitlich gegen seine Meinung entschieden hat, es die demokratische Fairneß gebietet, daß er in dieser Frage nicht mehr durch Antragstellungen gegen Mehrheitsbeschlüsse seiner Fraktion argumentieren kann, wenn er die Basis für seine weitere politische Arbeit behalten will. ({9}) - Das ist meine Auffassung von Demokratie. Es wäre interessant, Ihre dazu zu hören. ({10}) - Das hat mit Fraktionszwang nichts zu tun. ({11}) - In Ihrem Zwischenruf steckt die Unterstellung, als ob die Sozialdemokratische Partei nach ihrer nächtelangen Debatte um das richtige Verhalten im Interesse des Ganzen abschließend einen Beschluß gefaßt habe, daß sozusagen jeder darauf verpflichtet wird, der Mehrheitsmeinung zuzustimmen. Ich habe Ihnen darzustellen versucht, was mein Selbstverständnis innerhalb einer Demokratie für das politische Wirken ist. Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion hat es jedem ihrer Abgeordneten freigestellt, zu jedem Antrag, der hier gestellt und behandelt wird, entsprechend seiner Auffassung zu stimmen. Das werden Sie doch bei jeder Abstimmung durch einen Blick bestätigt gefunden haben, daß es unterschiedliche Gruppierungen zur einen oder anderen Frage gibt. Herr Genscher, wenn Sie jetzt und deshalb diese Vorbemerkung - hier zum wiederholten Male seitens der FDP-Bundestagsfraktion den Antrag auf namentliche Abstimmung stellen, dann würde ich Ihnen von meinem Verständnis aus folgendes zu bedenken geben. Hier handelt es sich nicht um Gesetze von der Art, wie wir sie täglich bei diesen Plenarsitzungen verabschieden, hier handelt es sich um eine Verfassungsänderung. Für viele meiner Freunde ist die Frage, wie sie sich zuletzt zu diesem Gesetz stellen, noch offen. Viele haben sich entschieden. Aber glauben Sie nicht, daß jede Entscheidung, die hier in der zweiten Lesung getroffen wird und die deshalb nach unserer Verfassung auch bei einem verfassungsändernden Gesetz nur die einfache Mehrheit verlangt, erst in der Summierung der Einzelentscheidungen das Gesamtbild ergibt? Nun sagen Sie, in einer repräsentativen Demokratie sei gerade die namentliche Abstimmung das eigentliche Mittel, die Verantwortung, die der einzelne Abgeordnete empfindet, auch zu Protokoll zu geben. Herr Genscher, darf ich Sie bitten, darüber nachzudenken, was es heißt, wenn in vielen namentlichen Abstimmungen bei einer zweiten Lesung zu einer Verfassungsänderung nunmehr nicht nur die Betrachtung legitim ist, wer wie wo entschieden hat, sondern auch, wie viele, nämlich im Hinblick auf einfache oder Zweidrittelmehrheit. Und glauben Sie nicht, daß es auch für denjenigen, der in einer Einzelabstimmung hier zustimmt, legitim ist, in einer anderen wieder sich zu enthalten? Glauben Sie, es wäre richtig, gemessen an einer Einzelabstimmung, sozusagen bezogen auf die Schlußabstimmung, jemanden unter den Druck zu setzen: du hast ja in der zweiten Lesung in einer wichtigen Frage namentlich dagegen gestimmt, wie kommst du in der Gesamtbeurteilung der Situation dazu, in der dritten Lesung zuzustimmen? ({12}) Herr Genscher, ich achte Sie wegen Ihrer politischen Arbeit. Das veranlaßt mich, Sie ernsthaft zu bitten, das letzte Argument für sich zu bedenken. ({13})

Walter Scheel (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001949

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Busse.

Hermann Busse (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000316, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren Kollegen! Sowohl der Beitrag, den vorhin der Herr Innenminister zu diesem so wichtigen Punkt, darüber besteht Einmütigkeit, gehalten hat, insbesondere aber auch das, was der Kollege Herr Gscheidle hier vorhin vorgetragen hat, veranlaßt mich noch einmal zu einigen Bemerkungen. Durch die Beiträge, die mit der Rede unseres Kollegen Genscher eingeleitet wurden, ist, glaube ich, die Problematik, über die es hier zu entscheiden gilt, in voller Breite aufgezeigt, so daß ich nicht noch einmal ab ovo anzufangen brauche. Aber ich möchte doch noch einmal versuchen, klarzustellen, wie ich die Dinge, die jetzt zur Entscheidung stehen, auf dem Hintergrund der Entwicklung der letzten Jahre, in denen ich bei der Beratung der Notstandsgesetzgebung laufend mitbeteiligt war, gesehen habe. Der Herr Bundesminister des Innern hat vollkommen recht, wenn er sagt: Nach der bestehenden Rechtslage ist die Bundesregierung nur in der Lage, Maßnahmen zu ergreifen, die durch Gesetze beschlossen sind, die dieser Bundestag verabschiedet hat, und nach Maßgabe der Möglichkeiten, die in diesen Gesetzen vorgesehen sind. Er hat recht, wenn er sagt, daß nach den bestehenden Gesetzen die Regierung allein die Feststellungsmöglichkeit habe, ob die Voraussetzungen vorliegen, die gewisse Maßnahmen erfordern, um die Verteidigungsbereitschaft zu erhöhen und ähnliches. Er hat recht, wenn er ausgeführt hat, daß nach der bestehenden Rechtslage auch im Rahmen des NATO-Bündnisses die Bundesregierung in der Lage sei, dort zuzustimmen oder nein zu sagen zu bestimmten Beschlüssen, die dort gefaßt werden sollen, ja zu sagen auch dann, wenn diese in der NATO gefaßten Beschlüsse Rückwirkungen auf die innenpolitische Lage haben. Das alles ist die bestehende Rechtslage, und diese bestehende Rechtslage war im vorigen Bundestag und ist in diesem Bundestag der Anlaß gewesen, hier zu überlegen, ob diese Rechtslage bestehenbleiben sollte. Das Ergebnis dieser Überlegungen war im vorigen Bundestag, daß diese alleinige Kompetenz der Bundesregierung nicht Busse ({0}) mehr bestehen sollte, Bali für die innerpolitischen sowohl wie für die außenpolitischen Kompetenzen, die die Bundesregierung jetzt hat, Regulative und Kontrollen eingeführt werden sollten. Dem trug die Vorlage des Rechtsausschusses im vorigen Bundestag Rechnung, dem trug auch selbst die Vorlage der Bundesregierung in dieser Legislaturperiode Rechnung, und mit dem gleichen Anliegen ist der Rechtsausschuß an die Arbeit herangegangen. Das Ergebnis dieser Überlegungen in dem einen Punkt ist das, was jetzt - ich spreche jetzt nicht von Einzelheiten, sondern von dem Prinzip in Abs. 1 des Art. 80 a steht, nämlich daß diese Maßnahmen, die ich soeben angedeutet habe, mit innerpolitischer Wirkung, künftig nur noch mit Zustimmung des Parlaments eingeleitet werden dürften, wobei wir uns darüber klar waren, daß das, was unter diesen Katalog zu bringen wäre, noch einzelner Beschlüsse bedürfte. Selbst die Bundesregierung hatte in ihrem Entwurf vorgesehen, daß auch auf NATO-Ebene, bevor dort Beschlüsse gefaßt werden sollten, wenigstens ein Gremium dieses Parlaments, das Notparlament, der Gemeinsame Ausschuß oder wer auch immer - das Wer ist hier nicht so wichtig, sondern das Was -- angehört werden sollte, damit man seine Meinung erfahren könnte, damit die Regierung das in den Rahmen ihrer Überlegungen mit einbeziehen sollte. Das alles war doch Grundlage dessen, was bisher in der Diskussion stand. In Art. 80 a Abs. 1 ist ein Teil dessen, was in der Diskussion stand, heute auch noch mit aufgefangen, wenn auch in einer Form, die uns nicht genügend ist. Aber es steht wenigstens noch drin. Alle diese Vorsorgemaßnahmen, die in Art. 80 a Abs. 1 drin sind, sollen dann gegenstandslos sein, wenn auf Grund eines NATO-Beschlusses die Regierung nun diese Maßnahmen als Folgewirkungen des NATO-Beschlusses ausführen soll. Da wird praktisch außer Kraft gesetzt, was Abs. 1 festlegt. Das sagt sogar der nackte Wortlaut der Bestimmung, wie er hier zunächst einmal vorgelegen hat: Abs. 1 gilt nicht, wenn im Rahmen eines Nato- oder Bündnisbeschlusses derartige Folgewirkungen eintreten sollen. Wenn das geblieben wäre, was in der Vorlage des Rechtsausschusses drinstand, wäre dieser Komplex der Kontrolle des Parlaments und auch - Herr Rutschke, ich glaube, wir werden uns sehr schnell darüber verständigen - der Verantwortung des Parlaments entzogen; denn die Kontrolle bedingt die Verantwortung mit. Das ist etwas, dem wir nicht zustimmen können. Ich glaube, aus dieser Darstellung ist noch klarer geworden, was unser Anliegen in dieser Sache ist. Ein Zweites, was in zahlreichen Diskussionen immer wieder auftaucht: Hinweise insbesondere auf englische Verhältnisse. Ich vermag es langsam, aber sicher nicht mehr zu ertragen, daß wir immer wieder versuchen, dies und jenes, was in England gewachsen, durchaus legitim und in Ordnung ist, auf unsere Verhältnisse zu übertragen. ({1}) Bei uns ist in der geschichtlichen Entwicklung und in der Gegenwart nun mal in Wirklichkeit einiges anders, als es in England liegt. Wir sollten deshalb solche Bezüge mit aller Vorsicht herstellen. Darüber hinaus ist es aber auch nicht so gewesen, daß in England das Parlament einfach gesagt hat: „Liebe Regierung, Du hast jetzt plein pouvoir", sondern das Parlament hat sich wohl weiter betätigt und die Ausübung dieser plein pouvoir laufend überwacht. Auch das muß in diesem Zusammenhang erwähnt werden. Der Änderungsantrag, den die SPD jetzt vorgelegt hat, trägt in einem gewissen Umfang unseren Bedenken in diesen Punkten Rechnung. Denn er sieht jedenfalls vor, daß Maßnahmen nach Abs. 1 und 2 - hier ist mir Abs. 2 ,wesentlich, der die Folgewirkungen eines Bündnisbeschlusses betrifft - aufgehoben werden sollen, wenn der Bundestag es mit der Mehrheit seiner Mitglieder verlangt. Die psychologische Situation, die sich vor einem solchen Beschluß ergibt, ist heute bereits so eingehend dargestellt worden, daß ich das nicht zu wiederholen brauche. Jeder, der 1963 die Röhrenembargo-Angelegenheit miterlebt hat, wird sich das noch genau vorstellen können. Aber ein Punkt veranlaßt mich, mit großem Mißtrauen einer Regelung gegenüberzustehen, die nur eine Kassationsmöglichkeit vorsieht. Ein Punkt ist bisher noch nicht angesprochen worden. Ich gebe ohne weiteres zu: omnia similia claudicant, man kann nicht eine Situation mit der anderen vergleichen. Was demnächst mal auf uns zukommt, wissen wir heute noch nicht und können darüber schlecht ein Urteil fällen. Aber was damals gewesen ist, wissen wir. Da hat sich auch wieder so etwas ereignet im Zuge der damaligen Dinge -, was mich persönlich tief getroffen hat. Es war nämlich so, daß die größte Fraktion des Bundestages auszog und dadurch einen Beschluß über die Kassation unmöglich machte. Auch das muß man für die Zukunft mindestens beachten: daß eine Partei, deren demokratische Legitimation außer Diskussion steht, aus dem Zwang der Verhältnisse, dem sie sich unterworfen sah, zu einem so anomalen Mittel griff, wie sie es damals getan hat. ({2}) Ich will das hier nicht tadeln, sondern nur als eine Möglichkeit hinstellen, die immer vorhanden ist. Wenn Sie das berücksichtigen, wird doppelt evident, daß nicht die Kassationsmöglichkeit das Korrekturmittel ist, das wir brauchen, sondern daß die vorherige, wie wir wollen, Zustimmung, wie andere wollten: die Anhörung des Parlaments oder seiner Gremien das notwendige Mittel ist, das hier eingebaut werden mull. - Ich glaube, daß damit das gesagt worden ist, was zur Klarstellung noch einmal hervorgehoben werden mußte. Da mein Vorredner, Herr Gscheidle, auch einige persönliche Dinge angesprochen hat, möchte ich hierzu auch noch - nur einige - Bemerkungen machen. Herr Gescheidle, ich habe Respekt - ich glaube, darüber brauchen wir nicht zu sprechen - vor Ihrer Ansicht. Man kann sie vertreten, insbesondere wenn Sie sagen: Ich stehe in der Gemeinschaft der sozialdemokratischen Fraktion; dort kann ich meine Ansichten vertreten; aber wenn die Mehrheit Busse ({3}) anderer Auffassung ist, so erfordert es eben die Demokratie, daß ich mich unter Umständen bescheide und auch manche Vorstellung zurückstelle, die ich jetzt einfach nicht durchsetzen kann, wenn nicht Unordnung entstehen soll.

Walter Scheel (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001949

Erlauben Sie eine Zwischenfrage, Herr Abgeordneter?

Hermann Busse (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000316, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Bitte sehr!

Hans Matthöfer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001439, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Busse, finden Sie es nicht auch merkwürdig, daß uns Herr Dorn auffordert, hier Anträge vorzulegen, die mit den Stimmen der FDP-Vertreter im Rechtsausschuß abgelehnt wurden? ({0})

Hermann Busse (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000316, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Nein, Herr Matthöfer. - Ich weiß jetzt, was Sie meinen. Ich mußte erst einen Augenblick überlegen, was Sie meinten. Ich glaube, da haben Sie Herrn Dorn zumindest falsch verstanden. Er hat Sie nicht aufgefordert, Anträge zu stellen, sondern er hat seiner Verwunderung darüber Ausdruck gegeben, daß Sie keine Anträge stellen. Ich glaube, das ist ein kleiner Unterschied. ({0}) Wir wollen doch hier etwas exakter sein. Denn selbstverständlich fordern wir Sie nicht auf, Anträge zu einer Sache zu stellen, der wir selbst nicht zustimmen. Ich glaube, darüber brauchen wir nicht lange zu diskutieren. Lassen Sie mich aber, da wir gerade bei Herrn Dorn sind, folgendes sagen. Sehen Sie, Herr Gscheidle, gerade bei Ihrer ruhigen und überlegten Auffassung sollten wir uns doch darüber einig sein, daß der Modus, wie man in der Politik agiert, das Temperament des einzelnen, seine Art, sich zu geben, seine Art zu reden, Gott sei Dank hier sehr unterschiedlich sind. Wir haben manchen Kollegen gehört, bei dem wir hinterher gesagt haben: Hätte er lieber nicht gesprochen, er hätte sich einen größeren Dienst erwiesen. Ich brauche nicht sehr weit zurückzugreifen. Wenn Sie diesen Maßstab mit einiger Großzügigkeit an diese Grundeinstellung, die wir jedem Kollegen gegenüber haben sollten, anlegten, könnten Sie niemals zu der Kritik kommen, daß hier von Herrn Dorn Ansichten vorgetragen worden seien, die nicht im Interesse und in der Erfüllung der Pflicht dessen lägen, was uns allen hier obliegt, dann könnten Sie nicht sagen, das sei in rein parteipolitischen Interesse und nicht geschehen, um der Aufgabe zu dienen, wie er es für richtig hält. Diese Aufgabe, nämlich das Wohl des Gesamten im Auge zu behalten, müssen wir alle erfüllen. ({1}) Eine derartige Unterstellung - Herr Gscheidle, ich bitte Sie nun umgekehrt, sich das noch einmal in aller Ruhe zu überlegen -, hier wolle jemand nicht mehr dem Gesamtinteresse, sondern nur noch dem Interesse seiner Partei dienen, ist wirklich einer der schwersten Vorwürfe, die Sie überhaupt gegen einen Abgeordneten erheben können. ({2}) - Ich haben Ihren Zwischenruf leider nicht verstanden. „FDP" ist das einzige, was ich verstanden habe. Aber lassen wir es; es wird wenig Sinn haben, das noch einmal zu erörtern. Ich möchte noch einen zweiten Punkt anschneiden, bei dem ich Ihnen nicht zu folgen vermag. Die namentliche Abstimmung ist ein geschäftsordnungsmäßiges Mittel, das einer Demokratie durchaus gemäß ist. Natürlich kann auch ein gemäßes Mittel mißbraucht werden; darüber brauchen wir uns auch nicht lange zu streiten. Aber ehe man die Behauptung aufstellt, es werde mißbraucht, sollte man doch noch einmal ruhig überlegen, ob der Vorwurf wirklich in dieser Form berechtigt ist. Eines möchte ich freilich klar sagen: ich glaube, bei uns in der Fraktion ist keiner, der nicht mit Ihnen darin einig wäre, daß erst nach Abschluß der gesamten Beratungen, erst wenn das Ergebnis dieser Beratungen in vollem Umfange vorliegt, die Entscheidung darüber fallen kann, wie wir uns zu diesem Gesamtgesetzentwurf stellen. Das schließt aber nicht aus, daß vorher eine Stellungnahme des einzelnen zu Einzelfragen durchaus möglich ist und eine Entscheidung über die Frage, wie der einzelne Abgeordnete zu den Einzelfragen steht, durchaus herbeigeführt werden kann, ohne daß dadurch seine Abstimmung zum Ganzen präjudiziert werden müßte. Das, Herr Gscheidle, wäre ein Schluß, den nur ein Böswilliger ziehen könnte. Ich jedenfalls gehe davon aus, daß diese Böswilligkeit nicht von vornherein unterstellt werden kann, sondern daß jeder Verständnis dafür haben muß, daß ich z. B. zwar das, was jetzt zu Art. 10 beschlossen worden ist, ablehnen, trotzdem aber zu dem ganzen Komplex hinterher durchaus ja sagen kann und das, was zu Art. 10 beschlossen worden ist, mit in Kauf nehmen kann. Ich weiß nicht, warum das nicht möglich sein soll. Ich glaube also, daß Sie auch hier bei ruhigem Nachdenken noch zu anderen Ergebnissen kommen.

Walter Scheel (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001949

Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Herr Kollege Busse? ({0})

Joachim Raffert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001765, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege, ist Ihnen nicht klar und sehen Sie das nicht deutlich genug, daß ein solches sauberes Auseinanderdividieren der Abstimmungen erst in den Einzelfällen und nachher in der Gesamtheit uns hier zwar möglich ist - bei einiger Mühe -, daß aber bei der Öffentlichkeit, die diese Vorgänge verfolgt, das nicht erwartet werden kann, ganz besonders deswegen, weil diese Frage im ganzen zu sehr emotionalisiert worden ist?

Hermann Busse (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000316, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Kollege, wir erleben es in einer Fülle von Abstimmungen hier im Hause, daß man in Einzelfragen anders abstimmt als nachher bei der Abstimmung über das gesamte Gesetz. Busse ({0}) Wir wollen diese Überlegungen nicht vertiefen. Sie sind ganz einfach nicht schlüssig, daran kommen wir nicht vorbei. Nun noch zu der folgenden Frage, obgleich es wirklich rein theoretisch ist und vom Thema weit abweicht. Wir haben uns in der FDP-Fraktion auch einmal in einer Situation befunden, bei der wir durchaus geteilter Meinung waren; wir haben uns nach heftigen Auseinandersetzungen nicht zusammenraufen können. Wir hätten damals auch sagen können, daß sich nun die unterlegene Minderheit der Mehrheit fügen solle. Wir haben diese Stellung nicht eingenommen. Bei den Sicherstellungsgesetzen, einem Gesetzespaket, dessen Gewichtigkeit wohl kaum verkannt werden kann, haben wir durchaus verschieden abgestimmt, und jeder hat Achtung vor der Meinung und der Stimmabgabe des anderen gehabt.

Walter Scheel (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001949

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Kollegen Matthöfer? ({0})

Hans Matthöfer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001439, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Busse, ist Ihnen entgangen, daß es sich bei den Ausführungen des Herrn Kollegen Gscheidle keineswegs darum gehandelt hat, daß eine Minderheit sich der Mehrheit fügt, sondern daß es darum geht, im Plenum keine Anträge zu stellen, die reinen Agitationscharakter deshalb haben, weil man von vornherein weiß, daß sie abgelehnt werden, insbesondere auch deshalb, weil die FDP nicht zustimmt?

Hermann Busse (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000316, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Kollege Matthöfer, ich weiß nicht, was Sie mit Ihrem eingefügten Wort „Anträge, die reinen Agitationscharakter haben" sagen wollen. Ich nehme nicht an, daß das, was in den Überlegungen eines Teiles Ihrer Freunde gestanden hat, agitatorischen Charakter hatte. ({0}) Ich unterstelle Ihnen, daß Sie damit eine Verbesserung des jetzt vorliegenden Gesetzes herbeiführen wollten. Unterstellen Sie bitte anderen nicht andere Motive, wenn das mit Ihrer Frage gemeint sein sollte. ({1}) Gerade aus dieser letzten Überlegung darf ich sagen: Operieren wir doch nicht damit - und das liegt durchaus im Rahmen dessen, was Herr Gscheidle gesagt hat -, daß wir dem einen dieses, dem anderen jenes Motiv unterstellen, daß Sie Herrn Dorn Fragen unterstellen, die er nie ausgesprochen hat! Das sind Dinge, die in der Sache nicht weiterführen. Nehmen Sie uns ab, daß uns das, was hier jetzt zur Erörterung steht, genauso am Herzen liegt wie Ihnen, die Sie in der Großen Koalition zusammengeschlossen sind, ja daß wir - und das betone ich immer und immer wieder - in Hunderten von Veranstaltungen versucht haben, selbst gegen krasseste und schärfste Opposition das, was wir hier machen wollen, im Prinzip zu verteidigen, und daß wir dazu doch in einem Umfang angetreten sind, wie das keine andere Fraktion des Bundestages getan hat. Unterstellen Sie uns doch nicht, daß wir hier Agitationsanträge stellen und nachher mit Abstimmungsresultaten Agitation treiben wollen! Nein, wir wollen wissen, wie sich der einzelne zu unseren Anträgen besonders gewichtiger Art stellt, und dem sollten Sie sich nicht verschließen. ({2})

Walter Scheel (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001949

Das Wort hat Herr Kollege Dr. Arndt.

Not found (Mitglied des Bundestages)

, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst einige kurze Erwiderungen auf die letzten Bemerkungen des Herrn Kollegen Busse. Herr Kollege Busse, mein Freund Gscheidle hat sein persönliches Bekenntnis abgelegt, wie er sich eine faire Mitarbeit in einer politischen Partei denkt. ({0}) Daraus dürfen Sie nun nicht irgendwelche Erweiterungen der Art herleiten, als ob in meiner Fraktion Regeln aufgestellt würden, die den einen oder anderen zwingen. Wenn Sie aufmerksam gewesen wären, hätten Sie sehen können, daß bei fast allen wesentlichen Abstimmungen bei diesen Gesetzen in meiner Fraktion drei verschiedene Auffassungen vertreten sind, Zustimmung, Enthaltung und Ablehnung. Nun kommt eine etwas schwierige Bemerkung wegen des Herrn Kollegen D o r n. Herr Kollege Busse, ich gehöre jetzt, glaube ich, insgesamt 19 Jahre dem Bundestag an und bin in früheren Zeiten bestimmt manchem erheblich auf die Nerven gefallen. Ich habe auch erdulden müssen, daß andere mir auf die Nerven fielen. Mehr will ich dazu nicht sagen. Ich glaube, im Falle des Herrn Kollegen Dorn war es so, daß es auch für einen altgewohnten Parlamentarier schwierig war, die Ruhe zu bewahren. ({1}) Dann noch eins: namentliche Abstimmung. Herr Genscher hat heute morgen, glaube ich, die namentliche Abstimmung und ihre Bedeutung hervorragend charakterisiert. Das bedeutet doch, daß die Entscheidung über namentliche Abstimmung eine politische Entscheidung ist, und dann können Sie sich auf die Zusage, daß wir Ihnen für Verfahrensfragen unsere Stimmen leihen, nicht berufen, um uns zu einer politischen Entscheidung zu zwingen, die wir nicht wollen. Die Hauptfrage haben Sie nämlich nicht behandelt: Wer entscheidet darüber, daß namentlich abgestimmt wird? Da bin ich der Meinung, das entscheidet jeder selbst. Nun nur noch einige juristische Worte zu der immerhin bedeutsamen Vorschrift, die als „NATO-Klausel" figuriert; ob das ein glückliches Wort ist, will ich offenlassen. Malerei, sagt man, sei die Kunst des Weglassens. Das weiß ich nicht. Aber jedenfalls weiß ich, daß Auslegung des Verfassungsrechts die Kunst der Vollständigkeit ist. Hier ist es so - Herr Kollege Busse, bei Ihnen weniger, bei Herrn Kolle9432 Dr. Arndt ({2}) gen Genscher sehr stark - , daß Sie immer in der Weise argumentieren, daß Sie nie das Ganze nehmen. Sie greifen sich einen Teil da heraus, und dann stimmt die Geschichte natürlich nicht mehr. Sie müssen aber bei der Auslegung von Verfassungsrecht die Gesamtheit der Vorschriften und außerdem ihre politische Intention in Betracht ziehen. Das letzte habe ich in beider Ausführungen ganz vermißt.

Walter Scheel (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001949

Herr Kollege Arndt, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Mende?

Not found (Mitglied des Bundestages)

, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ja, im Augenblick noch. Ich möchte dann nachher meinen Gedankengang systematisch zu Ende führen und stehe am Schluß wieder zu Fragen zur Verfügung. Herr Kollege Mende, bitte schön!

Dr. Erich Mende (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001467, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Kollege Arndt, Sie erinnern sich der Auseinandersetzungen im Geschäftsordnungsausschuß. Darf ich Sie daher fragen: Hat nicht seinerzeit Ihr und unser aller sehr verehrter ehemaliger Reichstagspräsident Paul Löbe deswegen im Jahre 1950 entschieden für die Einführung der namentlichen Abstimmung plädiert, um jeweils einer Minderheit, also der Opposition, die Möglichkeit einzuräumen, die Mehrheit auch im Protokoll verantwortlich für alle Zukunft festgehalten zu wissen, um damit mögliche Entscheidungen aus der Anonymität in das Licht geschichtlicher Verantwortlichkeiten zu rücken? Nach dem großartigen Verhalten der sozialdemokratischen Fraktion im Reichstag zu Weimar im Rahmen der Diskussion und Entscheidung über das Ermächtigungsgesetz sollte gerade die Sozialdemokratische Partei und frühere Opposition an einem heutigen Festhalten der Verantwortlichkeiten durch namentliche Abstimmung interessiert sein. ({0})

Not found (Mitglied des Bundestages)

, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Mende, ich weiß nicht, auf welche Verhandlungen im Geschäftsordnungsausschuß Sie sich beziehen. Ich bin in grauer Vorzeit da einmal tätig gewesen. Aber ich habe kaum noch eine Erinnerung daran. Ich weiß nicht, ob Sie nicht etwas anderes meinen. Herr Kollege Löbe, unser verehrter Alterspräsident, hat sich seinerzeit sehr stark dafür eingesetzt, die geheimen Abstimmungen zu beseitigen. Wir haben doch jetzt nur noch geheime Wahlen. Aber die geheimen Abstimmungen, die man uns anfangs aufgezwungen hatte - und ich fürchte, mit Ihren Stimmen hatte man uns die geheimen Abstimmungen aufgezwungen -, hat Paul Löbe an erster Stelle damals abgeschafft. Ich sehe noch vor mir, wie Paul Löbe und Michael Horlacher aufeinander zueilten und sich die Hände schüttelten, als es endlich gelungen war, die geheime Abstimmung zu beseitigen: denn die ist in der Tat hier unverantwortlich. ({0}) - Ich kann mich nicht mehr erinnern. Da wir schon im Wirtschaftsrat namentliche Abstimmungen gehabt haben, würde ich meinen, wir hätten sie auch hier im Hause von vornherein gehabt. Aber eins, Herr Kollege Mende: wir stehen hier bei einem solchen Gesetz im unmittelbaren Licht der geschichtlichen Verantwortung, ob wir nun namentlich abstimmen oder nicht, und die Geschäftsordnung bestimmt ja mit gutem Grunde, daß eine so wesentliche politische Entscheidung wie die namentliche Abstimmung nur von - rund gesagt - einem Zehntel der Mitglieder verlangt werden darf. Auch das sollte man doch respektieren. Ich komme noch einmal zu meinen juristischen Ausführungen. Man kann nicht unterstellen, wie das der Kollege Genscher getan hat, als werde hier ein sonst erforderlicher Beschluß des Parlaments durch einen NATO-Beschluß ersetzt. Das ist in doppelter Hinsicht irrig. Andernfalls würde auch ich Bedenken tragen, dieser Vorschrift zuzustimmen. Es ist aber in doppelter Hinsicht irrig. Die Befugnis geht auf die Bundesregierung über, d. h. die Beschlußfassung. Das ist doch der entscheidende Kern. Die anderen Mächte beschließen doch nichts über uns, die stimmen doch nur für sich selber zu. Es geschieht doch hier nichts im Namen der NATO, sondern die Bundesregierung bekommt Befugnisse. ({1}) Es tritt also das ein, was der Herr Bundesinnenminister mit Recht als den verfassungspolitischen Normalzustand bezeichnet hat. Das Zweite ist: man kann das Kassationsrecht doch nicht weglassen, und zwar aus folgendem Grunde. Das Kassationsrecht hat mindestens zwei Vorauswirkungen. Die eine ist die, daß keine vernünftige Bundesregierung von ihrer Befugnis Gebrauch machen wird, daß sie mit Zustimmung der anderen NATO-Mächte gewisse Befugnisse in Anspruch nehmen kann, ohne mit den parlamentarischen Kräften Fühlung zu nehmen. Das kann ganz locker sein, das können die Fraktionsvorsitzenden sein, das können die Parteivorsitzenden sein, das können hier anwesende Abgeordnete sein. Sie dürfen im Verfassungsrecht nie verkennen, was es für eine politische Intention hat. ({2}) Denn wenn im Grundgesetz steht, daß der Bundestag befugt ist, einen Bundeskanzler zu stürzen, so ist die Intention nicht etwa wie beim Fußball, daß wir in jeder Sitzung einen Bundeskanzler stürzen in dem Glauben, damit parlamentarische Erfolge zu erzielen. ({3}) Die politische Intention ist die, daß der Bundeskanzler nicht stürzen soll, eben weil es ihm die Vorauswirkung des Mißtrauensvotums geraten sein läßt, sich immer seine Mehrheit zu suchen und mit den parlamentarischen Kräften Kontakt zu halten. Alle diese Bestimmungen über Mißtrauensvoten sind also im Grunde dazu da, mit politischen Mitteln Kanzlerstürze zu verhindern. So ist es auch hier. Wenn jetzt im Gesetz steht, daß der Bundestag in der Lage ist, zu verlangen, daß die Maßnahmen wieder aufgehoben werden, so hat Dr. Arndt ({4}) das die politische Intention und Wirkung, daß keine Bundesregierung vernünftigerweise handeln wird - wenn sie es den Umständen nach überhaupt noch kann -, ohne sich zuvor zu vergewissern, daß das mit den parlamentarischen Kräften übereinstimmt. Das ist das eine. Das andere: Wenn jetzt in der Verfassung steht, daß der Bundestag verlangen kann: Die Maßnahmen werden aufgehoben, so hat auch das eine Vorauswirkung. Es zwingt nämlich die Bundesregierung bei jedem derartigen einstimmigen NATO-Beschluß, bei dem Alarmstufen ausgelöst werden, zu vermerken, daß nach der Verfassung der Bundesrepublik der Bundestag das kassieren kann. Auch das ist eine Vorauswirkung. Wenn Sie das sehen, bleibt die Sachherrschaft immer beim Bundestag, und zwar nicht nur zuletzt, sondern mit durch die Vorauswirkungen von Anfang an, und es wird kein Beschluß, den er zu fassen hätte, ersetzt; denn dann könnte er ja keinen mehr fassen. Das letzte, das stärkste Wort behält der Bundestag. ({5}) Und arbeiten Sie doch, meine Damen und Herren von der FDP, nicht mit Psychologismen! Der psychologische Druck kommt einfach dadurch, daß alle anderen NATO-Mächte es wollen und wir dann vor der Frage stehen, ob wir es auch wollen und die Einstimmigkeit herstellen oder nicht. Das ist die psychologische Situation. Aber die Kassation ist psychologisch nicht schwieriger als die Zustimmung von vornherein. Im Gegenteil, die Zustimmung von vornherein kann unter Umständen sehr viel schwieriger sein. Aber das sind außerdem nicht faßbare Dinge. Worauf es ankommt: der Druck kommt davon, daß alle übrigen Partner es wünschen und wir uns zu überlegen haben, ob wir es auch wünschen. Wenn Sie es aber im ganzen sehen, was der Einbau der Kassationsklausel politisch und verfassungsrechtlich bewirkt, sehen die Dinge ganz anders aus, als sie von Ihnen dargestellt werden. ({6})

Walter Scheel (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001949

Das Wort hat der Abgeordnete Mischnick.

Wolfgang Mischnick (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001512, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich zunächst ein paar Bemerkungen zu dem letzten machen, was Herr Kollege Dr. Arndt gesagt hat. Sie haben darauf hingewiesen, Herr Kollege Dr. Arndt, daß das, was durch den NATO-Beschluß geschehen soll, der Bundesregierung nur Rechte geben soll, die sie an sich auch hätte. Aber in diesem speziellen Fall bedeutet es ja gerade, daß die Bundesregierung ein Recht bekommt, was nach unseren anderen Bestimmungen eben sonst nur durch Zweidrittelmehrheit möglich wäre. Insofern ist doch ein erheblicher Unterschied zum sonstigen Recht der Bundesregierung. Das muß festgestellt bleiben. Und zweitens: Sie sprachen davon, durch das Kassationsrecht des Bundestages sei es doch möglich, Regierungsentscheidungen wieder rückgängig zu machen. Bei uns herrscht die Sorge, daß gerade in der Zeit zwischen dem Beschluß der Bundesregierung und dem Zeitpunkt, an dem eine Kassation möglich ist, manches geschehen ist, was eben durch einen Aufhebungsbeschluß vielleicht nicht mehr ungeschehen gemacht werden kann. Deshalb vorher der Beschluß des Bundestages und nicht nachher Aufhebung! Das ist der Auffassungsunterschied, der zwischen uns nach wie vor leider besteht. Meine Damen und Herren, nun aber noch ein paar Bemerkungen zu dem anderen Teil der Ausführungen der Kollegen Dr. Arndt und Gscheidle, die beide - in unterschiedlicher Form, das ist nun einmal Temperamentsache - gesagt haben, daß sie sich nämlich insbesondere gegen unseren Kollegen Dorn wenden. Jeder Versuch, einen Keil zwischen den Hauptsprecher unserer Fraktion in diesen Fragen und der Fraktion treiben zu wollen, wird scheitern. ({0}) Es ist nun einmal bei jedem einzelnen unterschiedlich, wie er das eine oder andere hier vorträgt. Aber es ist doch unleugbar, daß in der Diskussion der letzten Monate und sogar Jahre Meinungen zu bestimmten Punkten in der Öffentlichkeit vorgetragen worden sind, die dann hier nicht ihren Niederschlag z. B. in Anträgen gefunden haben. Ich habe Verständnis dafür, daß sich vielleicht der eine oder andere Kollege in der Zwischenzeit überzeugt hat, daß seine ursprüngliche Meinung nicht richtig war. Wenn das zum Ausdruck gebracht wird - gar keine Bedenken! Daß Sie sich aber mit dieser Intensität gegen die Möglichkeit einer namentlichen Abstimmung auch in der zweiten Lesung wehren, muß doch den Eindruck erwecken, daß es hier darum geht, auf keinen Fall im einzelnen festgehalten zu wissen, welche Meinung der einzelne Kollege hat. Und das bedaure ich. Denn wenn ich überzeugt bin, daß der Art. 80 a so beschlossen werden soll, wie es die Ausschußvorlage vorsieht, dann kann ich dazu nicht nur ja sagen, indem ich die Hand hebe, sondern auch ja sagen, indem mein mein Name zu dieser Frage im Protokoll steht. ({1}) Es ist doch durch die Verweigerung der namentlichen Abstimmung deutlich gemacht, daß man zögern würde, wenn es namentlich festgehalten würde, gleichermaßen zu entscheiden. Genau das ist für uns unverständlich. Mit Recht hat Herr Kollege Dr. Arndt darauf hingewiesen, daß natürlich jeder einzelne entscheidet, ob eine namentliche Abstimmung stattfindet oder nicht, indem er es notfalls unterstützt. Völlig richtig! Aber es war gerade eine ganze Reihe Kollegen, die uns, bevor diese Beratung hier begann, immer wieder aufgefordert haben, wir sollten ruhig namentliche Abstimmung beantragen, sie würden uns unterstützen. Aber durch den Fraktionsbeschluß, wie er uns bekannt9434 geworden ist, sind die Kollegen daran gehindert worden, uns zu unterstützen. Das bedauern wir. ({2}) - Wenn Sie sagen, das sei gelogen, Herr Kollege, dann würde ich einen anderen Tatbestand gern mit Befriedigung zur Kenntnis nehmen. Ich bedauere nur, daß gestern, als diese Frage hier gestellt wurde, dieser Behauptung nicht sofort widersprochen wurde. Ich habe gestern ausdrücklich gesagt: Wenn es zutrifft, daß das so ist, dann bedauere ich das. ({3}) Ein letzter Punkt! Meine Damen und Herren, der Hinweis, die endgültige Entscheidung könne man erst fällen, wenn das Gesamtwerk vorliege, ist richtig. Darf ich das so verstehen, daß Sie auf jeden Fall bei der Endabstimmung eine namentliche Abstimmung für richtig halten? Das wäre wenigstens ein kleiner Schritt vorwärts gegenüber der gestrigen Situation. Wenn Sie aber wiederum der Meinung wären, auch da sei in der zweiten Lesung eine namentliche Abstimmung nicht das richtige, kann ich nur sagen, die gesamte Argumentation war nicht stichhaltig, sie sollte Sie nur davor bewahren, hier im einzelnen zu jedem Punkt zu bekennen, wie Sie wirklich stehen. ({4})

Walter Scheel (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001949

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Moersch.

Karl Moersch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001526, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Vom Herrn Kollegen Gscheidle ist eine Frage aufgeworfen worden, die so prinzipiell ist, daß ich glaube, ihm in einem Punkt widersprechen zu müssen. Herr Gscheidle, Sie haben über Kompromisse gesprochen und dabei Kompromisse allgemeiner Art mit Kompromissen in Verfassungsfragen gleichgesetzt. Das halte ich für unzulässig, und ich möchte Ihnen das begründen. Mein Kollege Genscher hat Ihnen heute morgen schon gesagt, daß wir in Wahrheit hier nicht irgendeine Gesetzesberatung haben oder eine Grundgesetzänderung von der Art vornehmen, wie sie früher vollzogen wurde - mit Ausnahme der Wehrgesetzgebung -, sondern daß es sich hier um die erste große öffentliche Verfassungsdiskussion in diesem Hause handelt, weil im Parlamentarischen Rat diese Verfassungsdiskussion nicht von direkt gewählten Parlamentariern geführt worden ist und weil die Mittel der öffentlichen Unterrichtung damals unzureichend gewesen sind. Herr Gscheidle, sehen Sie: Da ist die Frage des Kompromisses und damit auch der namentlichen Abstimmung, d. h. des persönlichen Bekenntnisses zu ganz bestimmten Verfassungsfragen, anders als in der üblichen Verfahrensweise zu stellen. Im Parlamentarischen Rat hat es den Vorgang, der hier eben praktiziert wird, nicht gegeben. Dort ist in wesentlichen Fragen quer durch die Reihen entschieden worden, in der FöderalismusFrage, in der Frage des Schulartikels und in anderem. Da ging es quer durch die Fraktionen, und mit Recht, und dennoch ist am Ende ein einheitliches Votum der einzelnen Fraktionen herausgekommen. Das heißt also, daß Sie offensichtlich einer Verwechslung zum Opfer gefallen sind, wenn Sie glauben, hier handele es sich wie in einer üblichen zweiten Lesung um Einzelfragen eines Gesamtgesetzes. In Wahrheit handelt es sich um durchaus verschiedenartige Artikel einer Verfassung mit verschiedenartiger Wertung, die man nicht nachher unter dem Aspekt des Gesamten zusammenfassen kann. Hier ist, ganz im Gegenteil, das Entscheidende für mich nicht die Schlußabstimmung über die gesamte Vorlage, sondern das Bekenntnis im Einzelfall, das heißt die Gewissensentscheidung zu den Fragen von fundamentaler Bedeutung, z. B. bei dem Artikel, der jetzt zur Abstimmung steht. Die fundamentale Bedeutung ist hier doch die, daß nun konkret entschieden werden muß, ob in einer außergewöhnlichen Lage das Parlament der Regierung vorgeordnet bleibt oder ob das Parlament der Regierung nachgeordnet wird. Deshalb können Sie mich nicht mit dem Argument überzeugen, daß man sich dabei entsprechend dem Auftrag der Parteien, den ich durchaus teile, eben nach langer Diskussion mit dem Kompromiß in einer Frage dieser Art einverstanden erklären mußte. Da ist ein wesentlicher Unterschied zu allem, was vorher gewesen war. Worin besteht denn hier das Wesen des Kompromisses? Sie können doch nicht über eine solche Frage - so wenig wie über die Todesstrafe, die sicherlich einen noch höheren Rang hat - im Grunde genommen unter sich Mehrheitsbeschlüsse fassen, die dann die Minderheit binden. Ich würde dies auch für meine Kollegen in Anspruch nehmen. Ich kann das sagen, weil wir in der letzten Legislaturperiode in der FDP-Fraktion mit 16 Kollegen anders entschieden hatten als die Mehrheit der Fraktion und dieses Minderheitenvotum auf Ihren Antrag hin ({0}) - das betone ich - in diesem Hause in namentlicher Abstimmung deutlich gemacht haben; auch in einer Detailfrage, aber in einer Detailfrage von Verfassungsrang. Wenn Sie uns das damals also konzediert haben und wenn das damals richtig war, dann kann es heute nicht deshalb falsch sein, weil Sie in einer Regierung sitzen und hier selbstverständlich taktische Rücksichten zu nehmen haben. Dann müssen Sie eben auch Ihren Koalitionspartner davon überzeugen können, daß man gerade in diesen Einzelfragen bei namentlicher Abstimmung frei handeln kann und daß man gerade in diesen Einzelfragen, die aber entscheidende Fragen, Grundsatzfragen sind, die Stimme frei zu geben hat, und daß man auch die Frage der namentlichen Abstimmung in völlig freier Gewissensentscheidung zu prüfen hat. ({1}) Das ist von Ihnen, Herr Gscheidle, meiner Ansicht nach verkannt worden. Deshalb ist die Beweisfrage genau umgekehrt, als Sie sie - und zwar in durchaus überzeugender Weise - meiner Ansicht nach darzustellen versuchten. Ich möchte Ihnen das entgegenhalten, damit auch in Ihrer Fraktion kein Mißverständnis entsteht. Denn daß Sie es heute so schwer haben und zu solchen Entscheidungen greifen mußten, wie Sie es getan haben, das haben Sie sich selbst zuzuschreiben. Auch das sollten Sie dabei überlegen. Woher kommt es denn, daß in diesem Volk die Frage etwa einer nicht einheitlichen Abstimmung über bestimmte Sachprobleme und die Frage des Kompromisses so schwer deutlich zu machen ist? Woher kommt es, daß in diesem Volk das Unterscheidungsvermögen für Verfassungs- und Grundsatzfragen gegenüber taktischen und praktischen Tagesfragen nicht so entwickelt ist, wie wir es möchten? Herr Gscheidle, kommt es denn nicht daher - ich weiß, das trifft Sie nicht persönlich -, daß in Ihrer Partei- und Fraktionsführung in den vergangenen Jahren, als wir von der FDP in der Koalition und Sie in der Opposition waren, Ihre publizistischen und auch Ihre agitatorischen Mittel in einer verallgemeinernden Weise gegen jede Form von Kompromiß in Szene gesetzt worden sind ({2}) und daß Sie heute offensichtlich diese Frage in der Öffentlichkeit nicht mehr unbefangen diskutieren können? Daß Sie heute in dieser Frage befangen sind, haben Sie sich selbst zuzuschreiben, nicht uns von der FDP. Wir haben in diesem Hause den Versuch gemacht, aus dieser Befangenheit herauszukommen. Wir hätten gewünscht, daß auch Sie aus dieser Befangenheit wieder herausfinden, weil es weder Ihnen noch der deutschen Demokratie dient. So bitte ich Sie, es zu verstehen, wenn wir namentliche Abstimmung zu solchen Artikeln verlangen. ({3})

Walter Scheel (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001949

Meine Damen und Herren, es liegen keine Wortmeldungen mehr vor. Wir kommen zunächst zur Abstimmung über den Antrag der CDU/CSU, SPD auf Umdruck 472 *). Wer diesem Antrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt gegen diesen Antrag? - Wer enthält sich der Stimme? - Bei einigen Stimmenthaltungen ist der Antrag gegen die Stimmen der Fraktion der FDP angenommen. Damit kommen wir zur Abstimmung über Nr. 6 a, womit gleichzeitig der Antrag der FDP auf Streichung dieser Bestimmung erledigt wird. Wenn ich Herrn Moersch richtig verstanden habe, hat er in seiner letzten Bemerkung eine namentliche Abstimmung beantragt. Oder war das nicht der Fall? ({0}) - Also, die Bemerkung bezog sich nicht hierauf, sondern auf die Anträge von gestern. Wir stimmen also über Nr. 6 a normal ab. Wer für Nr. 6 a mit der Maßgabe der Änderung durch den eben angenommenen Antrag ist, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer ist gegen Nr. 6 a? - Wer enthält sich der Stimme? - Bei zahlreichen Gegenstimmen und bei Stimmenthaltungen ist Nr. 6 a angenommen. Gleichzeitig ist damit der Antrag der Fraktion der FDP Umdruck 455 **) erledigt. *) Siehe 174. Sitzung, Anlage 9 **) Siehe 174. Sitzung, Anlage 10 Wir kommen zur Beratung der Nr. 6 b. Dazu liegen Änderungsanträge der FDP auf Umdruck 456*) und der CDU/CSU-SPD auf Umdruck 470 **) vor. Wird dazu das Wort gewünscht? - Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dorn.

Wolfram Dorn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000409, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Fraktion der Freien Demokratischen Partei beantragt, zwei Streichungen in dem vorliegenden Ausschußbericht vorzunehmen. Erstens sollen nach unserer Meinung die Worte „und im Spannungsfall", die nach den Koalitionsspitzengesprächen in die Ausschußformulierung neu hineingekommen sind und in der Regierungsvorlage nicht vorhanden waren, wieder herausgebracht werden. Wir sind der Meinung, daß es keinen Zweck hat, hier einen neuen Rechtsbegriff „Spannungsfall" zu schaffen, den man auch nicht gleichzeitig definiert, so daß im Endergebnis die verschiedensten Vorstellungen darüber bestehen, was eigentlich ein Spannungsfall sei. Meine Damen und Herren, mit der Einführung des Begriffes „Spannungsfall" beabsichtigen Sie anscheinend nicht, konkrete Maßnahmen zu regeln, denn konkrete Vorstellungen sind bisher nicht entwickelt worden. Wir sind der Meinung, daß Sie vielleicht einem formalen Denksystem zum Opfer gefallen sind, wenn Sie diese Frage als Folge der militärischen Maßnahmen im Bündnis - nur so können wir es uns überhaupt erklären - in diese Verfassungsänderung hineinbringen wollen. Spannungsfall ist also der Zustand, in dem der Verteidigungsfall nicht unmittelbar droht. So könnte man es eigentlich bezeichnen. Eine andere Erklärung ist uns hier kaum verständlich geworden. Es gibt natürlich Äußerungen von Mitgliedern dieses Hauses über das, was sie sich unter „Spannungsfall" vorstellen. Ich bin der Meinung, Herr Kollege Gscheidle, daß man sich über diese Fragen von allen Seiten des Hauses sehr ernsthaft unterhalten muß, ohne daß man hier glaubt, den einen oder den anderen mit diesen Äußerungen irgendwie persönlich abwerten zu können. Ich erinnere mich an die Debatte, die wir vor kurzem im Innenausschuß dieses Hauses hatten, als wir über die Frage der Sicherstellungsgesetze beriet-en. Der Kollege Schlager hat als Berichterstatter in seiner Begründung zur Beratung und Verabschiedung des Ernährungssicherstellungsgesetzes u. a. ausgeführt, es könnte sein, daß wir im Spannungsfall Lebensmittelkarten einführen müßten. Nun hat er sich als Berichterstatter sicher in einem ganz besonderen Ausmaß um die Dinge zu kümmern, und er hat sich auch gekümmert. Er ist wohl nach dem Gesprächen mit den Vertretern des Ernährungsministerium zu der Auffassung gekommen, daß im Spannungsfall Lebensmittelkarten ausgegeben werden könnten oder sollten oder müßten. Das ist also auch eine Möglichkeit, wie man den Spannungsfall zu werten hat. Der Vertreter des Ernährungsministeriums hat auf meine Frage, was er denn *) Siehe Anlage 3 **) Siehe Anlage 4 unter Spannungsfall verstehe, wörtlich erklärt: „Wir können uns unter Spannungsfall nichts Genaues vorstellen, aber man könnte an die Kuba-Krise denken." Damit komme ich zu einer Äußerung des Fraktionsvorsitzenden der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion, Helmut Schmidt, der mit dem Kollegen Even und mir zu Beginn des vergangenen Jahres am DGB-Kongreß über Notstand in der Beethovenhalle hier in Bonn teilgenommen hat. Auf die Frage aus dem Kreise der Gewerkschaftler, was wir drei Abgeordneten denn unter Spannungsfall verstünden, haben wir zwei sehr klare Aussagen vorliegen. Der Kollege Even hat, wie das Protokoll dieser Veranstaltung ausweist, erklärt, er könne sich unter Spannungsfall die Gefährdung der Ölversorgung aus dem Nahen Osten vorstellen. Meine Damen und Herren, ich überlasse es jedem von Ihnen, sich selber ein Urteil darüber zu bilden, ob das eigentlich das ist, was man sich unter „Spannungsfall" vorstellen kann.

Walter Scheel (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001949

Gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Dr. Even, Herr Abgeordneter?

Wolfram Dorn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000409, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Bitte schön!

Dr. Bert Even (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000501, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Dorn, ist Ihnen nicht erinnerlich, daß ich dies als einen Fall einer wirtschaftlichen Versorgungskrise bezeichnet habe, in deren Verlauf die Anwendung des Wirtschaftssicherstellungsgesetzes zur vorsorglichen Rationierung von Benzin möglich sein würde?

Wolfram Dorn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000409, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Auch das haben Sie gesagt, wie das Protokoll ausweist, Herr Even. ({0}) - Ja natürlich! Aber, Herr Kollege Even, was hat sich denn - wir haben die Krise der Ölversorgung aus dem Nahen Osten doch gerade hinter uns im Herbst des vergangenen Jahres im Endergebnis abgespielt? Die Ölpreise sind um einige Pfennige je Liter gestiegen. So bedauerlich das ist - das kann aber doch nicht bedeuten, daß man irgendwelche Maßnahmen ergreifen müßte, etwa Rationierungsmaßnahmen, wie Sie es vorgetragen haben, und gleichzeitig den Spannungsfall erklären müßte.

Walter Scheel (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001949

Gestatten Sie eine weitere Frage von Herrn Dr. Even, Herr Kollege?

Wolfram Dorn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000409, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Bitte!

Dr. Bert Even (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000501, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Darf ich noch einmal klarstellen, daß ich nicht vom Spannungsfall im Sinne der heutigen Terminologie gesprochen, sondern darauf hingewiesen haben, daß wirtschaftliche Versorgungskrisen, z. B. im Zusammenhang mit einer Nahostkrise, denkbar seien, in denen gewisse Vorsorgemaßnahmen getroffen werden müßten, und daß ich dabei konkret auf die Bestimmungen in der damaligen Fassung des verabschiedeten Wirtschaftssicherstellungsgesetzes über Maßnahmen hei Versorgungskrisen hingewiesen habe. Darf ich Sie daran erinnern, daß dies vor der Nahostkrise gewesen ist und ein Teil der damaligen Delegierten ein Gelächter angestimmt hat, offenbar weil sie sich nicht vorstellen konnten, daß im Nahen Osten überhaupt jemals etwas passieren könnte, ({0}) und daß wir nur deshalb gut aus dieser Nahostkrise herausgekommen sind, weil dieser Krieg Gott sei Dank in acht Tagen beendet war, und können Sie uns sagen, was hier passiert wäre, wenn dieser Krieg Monate gedauert hätte und vielleicht heute noch andauerte?

Wolfram Dorn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000409, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Sehr verehrter Herr Kollege Even, ich bin gern bereit, Ihnen zu bestätigen, daß Sie das nicht unter den heutigen Vorstellungen - ({0}) - Aber hören Sie doch bitte zu, Herr Kollege, bis ich das Problem abgehandelt habe. Haben Sie denn dabei nicht so viel Geduld, kann ich nur fragen. - Was Sie unter den heutigen Bestimmungen oder Vorstellungen des Spannungsfalles verstehen, konnten Sie doch damals nicht vortragen. Herr Kollege Even, Sie werden auch zugestehen müssen, daß eine Definition des Begriffs „Spannungsfall" auch bis zu dieser Stunde in diesem Gesetz weder von der Regierung noch von den Regierungsparteien vorgenommen worden ist. Deswegen können Sie das nicht vergleichen. - Ich lasse jetzt keine Zwischenfrage dazu mehr zu, sondern werde jetzt die Frage des Spannungsfalles zu Ende führen. ({1}) - Herr Dr. Lenz, Sie können nachher jederzeit das Wort ergreifen und sich dazu äußern. Ich meine also, die Frage, ob in einer solchen Situation ein Spannungsfeld gegeben ist oder nicht, ist eine Frage, die man ganz klar in der Verfassung und nicht im Bericht klarstellen muß. Das ist das erste. Und das zweite, Herr Kollege Even: Sie können doch nicht bestreiten, daß Sie das Wort „Spannungsfall" vorausgeschickt haben, daß Sie auf die Frage, was Sie sich unter „Spannungsfall" vorstellen können, in Ihrer Antwort auch das Wort „Spannungsfall" gebraucht haben. ({2}) Das ist eine Aussage zum Begriff „Spannungsfall", die wir für äußerst problematisch halten, weil die Eskalationen, die sich daraus ergeben können, gerade in dieser Lage für unser Volk so außerordentlich bedrohlich sind, daß man sich wahrlich zurückhalten sollte, einen solchen unbestimmbaren Rechtsbegriff in unsere Verfassung hineinzunehmen. ({3}) Nun ein Wort zu dem, was Helmut Schmidt damals vorgetragen hat. Er hat gesagt, für ihn sei das völlig klar, „Spannungsfall" sei analog der Kuba-Krise vorstellbar, und die Kuba-Krise sei ja wahrlich ernst genug gewesen, um hier für uns den Spannungsfall feststellen zu können. So weist es das Protokoll aus, und da die Bundesregierung nach der Auskunft im Innenausschuß anscheinend auch ihren Beamten eine ähnliche Überlegung anheimgegeben hat, lassen Sie mich einmal fragen: Was war denn während der Kuba-Krise? Gestern ist von dieser Stelle eindeutig erklärt worden, daß die NATO nicht eine Alarmstufe ausgelöst hatte. Aber Abgeordnete dieses Hauses sind der Meinung, daß in einem solchen Fall der Spannungsfall gegeben sei und daß dann Maßnahmen ergriffen werden müßten; denn sonst nützt es doch gar nichts, eine solche Erklärung abzugeben. Und in der Kuba-Krise, so bedrohlich sie für Kuba und vielleicht auch in bestimmten Bereichen für die Vereinigten Staaten von Amerika und die Sowjetunion war, hat sich ja auch in der Bundesrepublik einiges abgespielt. Konrad Adenauer hat an dieser Stelle von einem großen Landesverrat gegen Bezahlung gesprochen - und im Endergebnis kam es nicht einmal zur Anklageerhebung, geschweige denn zur Verurteilung derjenigen, die von ihm schon verurteilt wurden, bevor der Prozeß überhaupt stattfand. In der Kuba-Krise zog die FDP-Bundestagsfraktion ihre Minister zurück, weil das der einzige Ausweg war, den damaligen Minister Strauß aus dem Kabinett herauszubekommen, da er nicht bereit war, zurückzutreten. In der Kuba-Krise wurde Conrad Ahlers, damals noch ein liberaler Artikelschreiber beim „Spiegel", in Spanien verhaftet. In der Kuba-Krise hielt mein Freund Wolfgang Döring seine leider letzte Rede in diesem Parlament. Das war aus unserer Sicht die Kuba-Krise, und eine solche Situation hätte niemals Veranlassung dazu sein dürfen, bei uns den Spannungsfall auszurufen. Denn, meine sehr verehrten Damen und Herren, was wäre beim Ausrufen des Spannungsfalles in dieser Situation aus uns hier geworden? Welche Eskalation hätte in der Bundesrepublik spürbar werden können? Welche Situation - so frage ich Sie ernsthaft, die Sie jetzt in der Koalition dafür eintreten, den Spannungsfall in unsere Verfassung zu bringen - wäre dann in Berlin eingetreten? Ich meine also, es ist notwendig, daß man hier eindeutig klar macht, daß dieser Begriff Spannungsfall, Spannungszustand, in unsere Verfassung keinen Eingang finden darf. Und nun lassen Sie mich auch das andere sagen, was mit dem Abs. 4 in der Ausschußformulierung zu tun hat, den wir auch streichen wollen; es geht um den Einsatz der Bundeswehr im Innern mit der Waffe. Gerade über diese Frage hat es in der deutschen Öffentlichkeit viele heftige Auseinandersetzungen gegeben. Es gibt in der SPD- und CDU-Fraktion einige Kollegen, die an Podiumsdiskussionen gerade über diese Frage teilgenommen haben. Ich denke an unsere Podiumsdiskussion mit Frau Jacobi in Berlin, Herr Kollege Porzner, wo Sie in aller Deutlichkeit gesagt haben: „Ich werde niemals einem Einsatz der Bundeswehr im Innern meine Zustimmung geben können." Ich habe damals bei der Podiumsdiskussion in Berlin gesagt: Ich hoffe, daß Sie sich mit dieser Auffassung in Ihrer Fraktion durchsetzen können. Bitte schön, Herr Kollege Porzner!

Walter Scheel (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001949

Eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Porzner.

Konrad Porzner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001739, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Dorn, Sie stimmen mir doch zu, daß ich damals meine Meinung ausdrückte? Sie haben hier den Eindruck erweckt, als ob ich für meine Fraktion gesprochen hätte. ({0})

Wolfram Dorn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000409, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Nein, nein. Dann bitte ich, das klarstellen zu können. Ich haben den Kollegen Porzner persönlich gemeint, und ich habe, das wird der Kollege Porzner bestätigen, in dieser Podiumsdiskussion seine Haltung in dieser Frage ausdrücklich gegenüber den anderen, die ihn angegriffen haben, bestätigt. Ich sage das hier, damit das eindeutig ist. Aus meinem Nachsatz hätten Sie eigentlich auch erkennen können - als ich sagte, ich hoffte, daß Sie dann diese Meinung in Ihrer Fraktion durchsetzen können -, daß der Kollege Porzner persönlich angesprochen war. Die Frage des Einsatzes der Bundeswehr im Innern ist von so entscheidender Bedeutung, daß wir nicht in der Lage sind, der vorgesehenen Regelung unsere Zustimmung zu geben. Es geht auch nicht darum, wie das in der Diskussion vielfach vorgetragen worden ist, daß Helmut Schmidt seine Kompetenzen in Hamburg quasi hatte überschreiten müssen, als er die Bundeswehr einsetzte. Keiner in diesem Haus hat ihm für seine mutige Haltung damals in Hamburg auch nur den geringsten Vorwurf gemacht. Aber es geht eben darum, daß die Frage des Einsatzes der Bundeswehr in Katastrophenfällen zur Hilfe, ohne Waffe, etwas völlig anderes ist als der Einsatz der Bundeswehr mit der Waffe gegen Menschen unseres eigenen Volkes, um die es sich dann ja handeln muß. ({0}) - Natürlich geht es darum. Das steht ja alles da drin. Aber wir sind der Meinung, daß die bestehenden Gesetze in der Bundesrepublik - und diese Meinung wird von einer ganzen Reihe von Innensenatoren und Innenministern der Länder in der Bundesrepublik geteilt; ich würde Ihnen empfehlen, auch einmal die Bundesratsdrucksache dazu durchzulesen - voll ausreichen, um mit den Problemen, die hier angesprochen werden, fertig zu werden. Das ist die Problematik. Wir sind dieser Meinung, wie auch eine Reihe von Innenministern und Innensenatoren dieser Meinung ist. Wir wissen, daß Sie etwas anderes beschließen werden. Das ist Ihre Meinung. Wir wollten an dieser Stelle nur noch einmal deutlich machen, welche Auffassung wir zu diesen Problemen haben und warum wir diesen Änderungsantrag gestellt haben, weil wir den anderen Möglichkeiten, die sich anbahnen, entschiedenen Widerstand entgegensetzen wollten. Lassen Sie mich zum letzten Problem kommen. Als während des Hearings einer der Professoren auftrat und sagte, er sei der Meinung, daß in einer solchen Situation nicht nur Gewehre und Maschinengewehre, sondern auch schwere Waffen eingesetzt werden müßten - Panzer und Kanonen wurden genannt -, um die inneren Unruhen so schnell wie möglich zu beenden, habe ich ihm die Frage gestellt, ob er denn darin nicht die große Gefahr sehe, daß dann bei uns eine Eskalation eintritt, die im Endergebnis zu dem führt, was wir am 17. Juni 1953 in Berlin erlebt haben. Der Herr Professor hat erklärt: jawohl, er sehe diese Gefahr, aber er sei der Meinung, je härtere Waffen eingesetzt würden, desto schneller sei die Ruhe wiederhergestellt. Ich bestreite gar nicht, daß es auch Rechtslehrer in unserer Bundesrepublik gibt, die diesen Grundsatz vertreten. Aber das sind Rechtstheorien, die von uns nicht geteilt werden. Denn wir sind der Meinung, daß die Wahl der Mittel, der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit des Einsatzes der Mittel ({1}) immer noch das primäre Anliegen bei diesen Dingen ist. ({2})

Walter Scheel (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001949

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Even?

Wolfram Dorn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000409, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Bitte schön!

Dr. Bert Even (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000501, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Dorn, ist Ihnen nicht deutlich geworden, wie geschmacklos der Hinweis auf den 17. Juni 1953 in diesem Zusammenhang ist, ({0}) indem Sie übersehen und nicht dargestellt haben, daß es sich am 17. Juni 1953 um eine unbewaffnete Demonstration und Erhebung der dortigen Arbeiterschaft gehandelt hat, die nichts zu tun hat mit dem vorgesehenen Art. 87 a Abs. 4, in dem allein von organisierten und militärisch bewaffneten Aufständischen die Rede ist? ({1})

Wolfram Dorn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000409, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Kollege Even, wenn Sie nicht nur sofort urteilen und, wie leider oft bei Ihnen - auch das lassen Sie mich hier sagen, nachdem ich in dieser Debatte so oft hart kritisiert worden bin -, verurteilen würden, dann wäre Ihnen auch aufgegangen, daß ich ein Gespräch mit einem Professor während des Hearings geschildert habe, der den Einsatz harter Mittel, militärischer Mittel für die Beseitigung der inneren Unruhen verlangte. Diese Anhörung erfolgte zu einem Text, Herr Kollege Even - und darin liegt nämlich die Infamie, die Sie betreiben -, ({0}) zu einem Text, - ({1}) zu einem Text, -

Walter Scheel (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001949

Herr Kollege, den Ausdruck „Infamie" muß ich rügen. ({0})

Wolfram Dorn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000409, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

- - zu einem Text, der nicht mit dem Text übereinstimmt, den Sie jetzt durch Koalitionsentscheidungen dem Parlament vorgelegt haben. Sie können also - ({0}) - Ich weiß, Sie können gut schreien, das haben Sie vorigen Freitag hier bewiesen, Herr Kollege Even. - Aber Sie können doch nicht den jetzigen Text, der zur Abstimmung steht - Herr Haase, setzen Sie sich ruhig, ich lasse keine Zwischenfrage mehr zu -, ({1}) Sie können doch nicht den jetzigen Text als Grundlage für die Beurteilung der Schilderung eines Gesprächs nehmen, das während des Hearings stattgefunden hat, bei der ein anderer Text vorlag. Mir kam es nur darauf an, klarzumachen, welche Vorstellungen auch während der Hearings zur Frage der inneren Unruhen vorgetragen worden sind, Vorstellungen, die damals auf Grund der Regierungsvorlage dort diskutiert worden sind. Sie können doch nicht übersehen haben, Herr Kollege Even, daß ich mich mit aller Entschiedenheit gegen die Möglichkeit gewandt habe, unter solchen Umständen derartige Kampfmethoden im Innern einsetzen zu können. ({2}) - Herr Kollege Even, ich unterstelle Ihnen nur das, was Sie wollen. Aber genau das unterstelle ich Ihnen auch. ({3}) - Wenn Sie nicht dauernd schreien würden, wäre ich mit dem Thema längst zu Ende. Auch das gehört zu einem Parlament, daß man einem anderen einmal über einen längeren Zeitraum zuhört, der in der Sache eine völlig andere Meinung hat, ({4}) ohne daß man hier dauernd eine solche Unruhe produziert. ({5}) Auch das gehört zum Parlamentarismus. ({6}) Meine Damen und Herren von den Koalitionsfraktionen, lassen Sie mich noch einmal anfangen. Ich weiß, daß das, was Sie jetzt vorlegen, eine Verbesserung gegenüber der Regierungsvorlage ist. Ich weiß auch, daß die sozialdemokratischen Kollegen mit Ihnen sehr darum ringen mußten, Ihnen dieses Zugeständnis abzugewinnen. Einige Kollegen der SPD haben mir gestern abend geschildert, welcher Einsatz notwendig gewesen ist, um Ihnen dieses Zugeständnis abzuringen. Ich freue mich, daß die Kollegen der SPD wenigstens in diesem Teilbereich einen Teilerfolg errungen haben. Aber, meine Damen und Herren, hier kann doch unmöglich von Ihnen bestritten werden, daß Sie, auch wenn die Möglichkeiten, bestimmte Maßnahmen zu ergreifen, beschränkter sind als in der Regierungsvorlage, den Einsatz der Streitkräfte im Innern durch das, was Sie jetzt beschließen wollen, möglich machen. Das kann im Endergebnis niemand von Ihnen bestreiten, und das ist es, was wir außerordentlich bedauern. ({7})

Walter Scheel (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001949

Das Wort hat Herr Kollege Haase ({0}).

Detlef Haase (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000763, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit dem Umdruck 470 haben die Koalitionsfraktionen einen Änderungsantrag zu Nr. 6 b bzw. zu Art. 87 a Abs. 4 der Vorlage des Rechtsausschusses vorgelegt. Er betrifft mit Sicherheit einen der wichtigsten, aber auch einen der umstrittensten Punkte im Gesamtpaket der Notstandsgesetzgebung. Ich selbst gehöre zu denen, die es außerordentlich schwer hatten, sich überhaupt mit dem Problem der Möglichkeit des Einsatzes von Streitkräften zu beschäftigen. Ich sage das vorweg, damit für die Meinung, die ich hier vorzutragen gedenke, gegenseitiges Verständnis gefunden werden kann. Mit der Begründung dieses Antrags ist mir gleichzeitig die Gelegenheit gegeben, eine Stellungnahme zum Änderungsantrag der FDP-Fraktion abzugeben; denn unser Änderungsantrag hat, weil es um den Einsatz von Streitkräften im Fall eines inneren Notstands geht, die Zustimmung zu einer harten und schweren Entscheidung zum Inhalt. Nun, um was geht es hier? Der Ausschußvorschlag sah vor, daß die Streitkräfte schlechthin ohne eine besondere Voraussetzung zur Abwehr einer drohenden Gefahr für den Bestand oder die freiheitlich-demokratische Grundordnung des Bundes oder eines Landes eingesetzt werden konnten. Der Ausschußvorschlag sah vor, daß die Streitkräfte zur Unterstützung der Polizei beim Schutze von zivilen Objekten und zur Bekämpfung von Gruppen militärisch bewaffneter Aufständischer eingesetzt werden konnten. Damit war für den zweiten Fall der institutionelle Einsatz der Bundeswehr vorgesehen, weil im zweiten Fall kein Unterstützungsverhältnis zur Polizei vorhanden war. Mit diesen Vorstellungen konnte sich die sozialdemokratische Bundestagsfraktion nicht einverstanden erklären. Sie hat durch einen Änderungsvorschlag den Versuch gemacht, eine Einigung mit dem Partner herbeizuführen. Sie hat den Versuch gemacht, den Einsatz von Streitkräften der Bundeswehr zu modifizieren, ihn in seiner Möglichkeit noch weiter einzuengen, ihn nur für den alleräußersten Fall vorzusehen. Das Ergebnis liegt Ihnen, mit dem Antrag auf Umdruck 470 vor. Nach diesem Text ist es nur möglich, nicht die Streitkräfte schlechthin, sondern Streitkräfte, d. h. Teile der Bundeswehr, einzusetzen, und zwar nur im Rahmen des noch zu beratenden und noch zu beschließenden Art. 91 Abs. 2. Ein Einsatz ist nur im Rahmen dieser Vorschrift möglich. Aber die Vorschrift sieht vor, daß bei einer stufenweise notwendigen Verstärkung des Einsatzes zunächst die Polizeikräfte, soweit sie im Rahmen der Länderzuständigkeiten nicht mehr erfolgversprechend eingesetzt werden können, durch Einheiten des Bundesgrenzschutzes ergänzt werden. Da das in Art. 91 Abs. 2 vorgesehen ist, waren wir der Meinung, und das hat seinen Niederschlag gefunden, daß eine Unterstützung der Polizei und des Bundesgrenzschutzes durch Streitkräfte erfolgen kann, das heißt also, erst nachdem diese beiden Möglichkeiten in der Vorphase eines hoffentlich für immer vermeidbaren Einsatzes ausreichend oder erschöpfend in Anspruch genommen worden sind. Der vorgeschlagene Text sieht weiterhin vor, daß ein Einsatz von Streitkräften nur im Unterstützungsverhältnis zur Polizei und zum Bundesgrenzschutz erfolgen darf, sowohl beim Schutze von zivilen Objekten als auch bei der Bekämpfung organisierter und Herr Kollege Dorn! militärisch bewaffneter Aufständischer. Ich glaube, es ist wichtig, das hier in dieser Deutlichkeit einmal herauszustellen. Das heißt, daß es unmöglich ist, die Bundeswehr oder Einheiten der Bundeswehr in einem äußersten Notfall institutionell einzusetzen. Nun geht es darum, meine Damen und Herren, für diesen Vorschlag der Koalitionsfraktionen die Zustimmung des Bundestages zu finden. Ich habe dargestellt, daß der Ausgangspunkt dieses Vorschlags eine lange und sehr ernste Beratung in der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion gewesen ist und daß die Vorstellungen der sozialdemokratischen Fraktion vom Partner akzeptiert wurden. Bis auf einen Punkt das sei auch hier in der Öffentlichkeit des Bundestages gesagt -: Wir hatten noch vorgeschlagen, für einen Einsatz von Bundeswehreinheiten im äußersten Notfall einen Beschluß des Bundestages vorzusehen. Schon in der Fraktion gab es dagegen erhebliche Bedenken, weil ein solches Verfahren sicherlich nicht in allen möglichen Fällen praktiziert werden kann. Um den Einsatz zum Schutze der freiheitlichen Demokratie in allen möglichen Fällen zu ermöglichen, haben wir uns mit dem Verzicht auf diese Vorschrift einverstanden erklärt unter Bezugnahme auf den letzten Satz, nach welchem der Einsatz von Streitkräften einzustellen Haase ({0}) ist, wenn der Bundestag oder der Bundesrat es verlangen. Auch hierin sollten wir eine zusätzliche Sicherung gegen einen möglichen Mißbrauch sehen. Es ist nicht die Übereinstimmung des Bundestages und des Bundesrates erforderlich. Jedes der beiden parlamentarischen Verfassungsorgane ist in der Lage, durch eigenen Beschluß eine Entscheidung der Bundesregierung in allerkürzester Frist zu korrigieren. Ich möchte die Bundesregierung sehen, ganz gleich, wie sie politisch zusammengesetzt ist - es könnten ja auch mal wieder Freie Demokraten daran beteiligt sein , die sich nicht, wenn sie eine so harte Entscheidung trifft, vorher auf breiter Basis parlamentarisch absichert, um sich nicht der Gefahr auszusetzen, eine außerordentlich schwerwiegende Maßnahme einzuleiten, die vom Parlament, vom Bundestag oder vom Bundesrat, am nächsten Tage wieder für nicht Rechtens erklärt wird. Darf ich einige abschließende Bemerkungen machen, meine Damen und Herren. Die Entscheidung über den so zu ändernden Art. 87 a Abs. 4 fällt vielen meiner Freunde und auch mir nicht leicht. Wir halten aber eine Regelung zur Abwendung drohender Gefahr und zur Sicherung des Bestandes der freiheitlich-demokratischen Grundordnung in jedem Falle und in jeder Phase für notwendig. Auf der Grundlage dieser Überzeugung sind wir bereit, unter Anwendung aller Möglichkeiten zur Absicherung gegen Mißbrauch, im äußersten Falle, also im Falle eines organisierten und militärisch bewaffneten Aufstands, auch Einheiten der Bundeswehr den Polizeikräften und dem Bundesgrenzschutz unterstützend beizugeben. Der Einsatz von Streitkräften ist aber nicht nur im parlamentarischen Raum, sondern auch von sehr vielen Gruppen und von Einzelgliedern unserer Gesellschaft kritisiert und hart und leidenschaftlich diskutiert worden. Ich meine aber, wir sollten uns dazu durchringen, endlich aufzuhören, uns gegenseitig zu verteufeln. Diejenigen, die mit sachlichen Argumenten auf der Grundlage persönlicher Überzeugung in vielen Fällen gegen jede Art von Notstandsgesetzgebung, in diesem speziellen Fall gegen die Möglichkeit des Einsatzes von Streitkräften, operiert und taktiert haben, sind genauso wenig Zerstörer an den Fundamenten unserer freiheitlichen Demokratie wie diejenigen, die in der Folge der Verhandlungen diesem Vorschlag ihre Zustimmung geben werden. Ich selbst bin lange Jahre Mitglied und Funktionär einer der größten deutschen Gewerkschaften. Die Gewerkschaften und andere gesellschaftliche oder gesellschaftspolitische Verbände haben hervorragenden Anteil am Aufbau und am Ausbau unserer freiheitlich-parlamentarischen Demokratie. Sie haben darüber hinaus für ihre Mitglieder und über den Kreis der Mitglieder hinaus für die gesamte Gesellschaft unseres Staates beachtliche und hervorragende Erfolge erzielt, Erfolge, auf die wir alle stolz sein sollten, Erfolge, die auf der Grundlage der freiheitlich-demokratischen Grundordnung erzielt worden sind. Unsere Freunde und Kollegen in den Gewerkschaften mögen erkennen und zubilligen - es gilt nicht für alle -, daß diejenigen Vertreter in diesem Hohen Hause, die dem Vorschlag für die Fassung des Art. 87 a Abs. 4 zustimmen, damit einen Beitrag zur Sicherung und Erhaltung dieser freiheitlichdemokratischen Grundordnung auch im äußersten Notfalle leisten wollen ({1}) und damit für die Möglichkeit der Fortsetzung der erfolgreichen Arbeit unserer Gewerkschaften. ({2}) Ich wünschte, wir fänden für diese Argumentation etwas mehr Verständnis, Verständnis für den Ernst, mit dem wir uns diesem Problem hingegeben haben, Verständnis für die langwierigen Bemühungen, die in dieser Phase der Beratungen zu diesem Stand geführt haben. Was hier beschlossen werden soll, ist keine verfassungsrechtliche Schutzmöglichkeit gegen die Gewerkschaften, sondern ein verfassungsrechtlicher Schutz für die Gewerkschaften und alle Bereiche unserer modernen Gesellschaft. ({3}) Lassen Sie mich abschließend eins sagen: Es ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit damit zu rechnen, daß dieser Teil der Notstandsverfassung und die Notstandsverfassung insgesamt mit der erforderlichen Mehrheit des Deutschen Bundestages auf der Grundlage der Beratungen der zweiten Lesung verabschiedet wird. Ich meine, es ist schon jetzt an der Zeit und notwendig zu sagen, daß wir alle - und damit meine ich nicht nur die Parlamentarier, die Politiker -, die einen trotz, die anderen wegen der Notstandsgesetzgebung, unsere Demokratie und unser demokratisches Staatsbewußtsein und das demokratische Staatsbewußtsein aller unserer Mitbürger so zu stärken und zu festigen haben, daß eine Anwendung dieses Gesetzes niemals zu erfolgen braucht. ({4})

Walter Scheel (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001949

Das Wort hat der Herr Bundesinnenminister.

Prof. Dr. Ernst Benda (Minister:in)

Politiker ID: 11000139

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte nur eine kurze Bemerkung machen, die ich aber wegen der Möglichkeit von Mißverständnissen an dieser Stelle für erforderlich halte. Herr Kollege Haase, ich glaube, daß wir uns an sich in der Sache einig sind. Ich habe auch Ihren Bemerkungen nichts hinzuzufügen. Im Gegenteil, ich stimme Ihnen zu. In einem Punkte haben Sie auf die Klausel des Umdrucks 470 Bezug genommen, daß der Einsatz der Streitkräfte dann möglich ist, wenn die Polizeikräfte sowie der Bundesgrenzschutz nicht ausreichen. Hier muß man sagen - und nur diese Klarstellung möchte ich vornehmen -, das kann natürlich nicht bedeuten - und das haben Sie sicher auch nicht sagen wollen -, daß die Polizei oder der Bundesgrenzschutz in die Lage gebracht werden sollen, sozusagen erstmal versuchen Bundesinnenminister Benda zu müssen, ob ihre Möglichkeiten ausreichen, und daß dann, wenn sich nach der Lage ergibt, daß ihre Möglichkeiten nicht ausreichen, die Bundeswehr eingesetzt werden kann. Es ist vielmehr eine Vorherschau vorzunehmen. Man kann diese Sache natürlich nicht auf dem Rücken der betroffenen Beamten der Polizei oder des Bundesgrenzschutzes austragen und ihnen also zumuten, in eine Situation zu kommen, in der bei einer vernünftigen Vorausschau der Gefahr und der dagegen bestehenden Möglichkeiten jeder vernünftige Mensch sagen wird, die Polizei kann das nicht machen. Das ist natürlich ein ganz wichtiger Punkt, gerade im Interesse der von einer solchen Situation möglicherweise betroffenen Polizeibeamten, denen das einfach nicht zuzumuten ist. Mir kommt es sehr darauf an, diesen Punkt klarzustellen. Ich nehme an, daß wir uns in der Sache darüber auch einig werden. ({0})

Walter Scheel (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001949

Meine Damen und Herren! Der Herr Vorsitzende des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung hat mich gebeten, Ihnen mitzuteilen, daß die für heute nachmittag angesetzte Sitzung seines Ausschusses, die um 14.30 Uhr beginnen sollte, ausfallen muß. Wir treten jetzt in eine Mittagpause bis 15 Uhr ein. Die Sitzung ist unterbrochen. ({0})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Die Sitzung ist wieder eröffnet. Wir fahren in der Aussprache fort. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Even.

Dr. Bert Even (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000501, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich zunächst einige Darlegungen zu den Ausführungen des Herrn Kollegen Dorn machen, die er heute mittag vorgebracht hat, und dann über das Problem des Einsatzes der Bundeswehr zur Abwehr von schweren Gefahren für die freiheitliche demokratische Grundordnung sprechen. Zuerst einige Klarstellungen, Herr Kollege Dorn, die ich durch Zwischenfragen bereits einzuleiten versucht habe. Sie haben von der Forumsdiskussion des Deutschen Gewerschaftsbundes zur Notstandsgesetzgebung gesprochen, die am 31. Januar 1967 in der Beethovenhalle in Bonn stattgefunden hat. Damals war in. der Tat in einer Phase der Forumsdiskussion von Spannungszeiten die Rede, in denen in der Bundesrepublik infolge einer internationalen Spannung Wirtschaftskrisen hätten eintreten können. Als Beispiel ist damals von mir gewählt worden - übrigens unterstützt vom Herrn Kollegen Helmut Schmidt -, daß im Rahmen einer möglichen Nahostkrise wirtschaftliche Auswirkungen in Deutschland eintreten könnten, insbesondere auf dem Erdöl- und dem Benzinsektor. Herr Kollege Dorn, ich lege Wert auf die Feststellung, daß diese Diskussion um eventuelle Spannungszeiten nichts mit dem nunmehr neu eingeführten verfassungsrechtlichen Begriff des Spannungsfalls zu tun hat. ({0}) Das sind zwei völlig verschiedene Begriffe. Der neue verfassungsrechtliche Begriff des Spannungsfalls ist zweifellos weit enger zu fassen als das, worüber wir uns damals unterhalten haben. Von Ihnen wird sicherlich auch nicht bestritten, daß nach allgemeinem Sprachgebrauch im vergangenen Jahr während der Nahostkrise eine Phase der internationalen Spannung gewesen ist.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dorn?

Wolfram Dorn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000409, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Kollege Even, ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie mir den Unterschied klarmachen würden. Was Sie damals darunter verstanden haben, ist klargeworden. Aber wenn Sie mir klarmachen würden, was Sie jetzt unter diesem Rechtsbegriff „Spannungsfall", den Sie nun einfügen wollen, konkret verstehen, wäre ich Ihnen wirklich dankbar.

Dr. Bert Even (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000501, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr gern, Herr Kollege Dorn. Zunächst einmal ist jetzt in Art. 80 a Abs. 1 festgelegt, daß dieser Spannungsfall förmlich festgestellt werden muß, und zwar vom Parlament mit Zweidrittelmehrheit. ({0}) Das ist der entscheidende Punkt. Nun zu dem Begriff, Herr Kollege Dorn. Eine genaue erschöpfende Aufzählung aller möglichen Spannungsfälle in der Verfassung ist weder möglich noch erforderlich. Wichtig ist, daß die Entscheidung darüber, ob ein Spannungsfall gegeben ist oder nicht, bewußt in die Entscheidungsgewalt des Parlaments gerückt wird. Wir behalten uns in der Verfassung ausdrücklich vor, mit einer Zweidrittelmehrheit darüber zu befinden, ob in einer bestimmten kritischen Situation ein Spannungsfall gegeben ist oder nicht. Mit anderen Worten, wir selber sind der Auffassung, daß das vom Volk gewählte Parlament in einer solchen kritischen Situation selber Herr der Lagebeurteilung sein soll. ({1}) Ein weiterer Punkt: das Problem des Einsatzes der Bundeswehr zur Abwehr einer drohenden Gefahr für den Bestand oder die freiheitliche demokratische Grundordnung des Bundes oder eines Landes als letztes Mittel, die Demokratie zu retten. Ich glaube, wenn man die Neufassung, vor allem in dem Abänderungsantrag der Koalitionsparteien, liest - den müssen wir ja zugrunde legen -, wird man ernsthafte Bedenken gegen die jetzt Befunde Lösung nicht mehr vorbringen können. Zunächst einmal ist festgelegt, daß die strengen Voraussetzungen des Art. 91 Abs. 2 gegeben sein müssen. ({2}) Ich zitiere diesen Absatz; er lautet folgendermaßen: Ist das Land nicht selbst zur Bekämpfung der Gefahr bereit oder in der Lage, oder erstreckt sich die Gefahr auf das Gebiet mehr als eines Landes, so kann die Bundesregierung die Polizei in diesem Lande und die Polizeikräfte anderer Länder ihren Weisungen unterstellen, Einheiten des Bundesgrenzschutzes einsetzen sowie den für die Bekämpfung der Gefahr zuständigen Landesbehörden Weisungen entsprechend Art. 85 Abs. 3 erteilen. Maßnahmen nach Satz 1 sind jederzeit auf Verlangen des Bundesrates, im übrigen unverzüglich nach der Beseitigung der Gefahr aufzuheben. Die Voraussetzungen dieses Art. 91 Abs. 2 sind also zunächst einmal jetzt auch Bestandteil des Art. 87 a geworden. Es muß zweitens der Fall gegeben sein, daß die Polizeikräfte nicht ausreichen, mit der Bedrohung, der Gefahr im Innern für unsere freiheitliche Grundordnung fertigzuwerden. Es muß drittens feststehen, daß auch der Bundesgrenzschutz nicht stark genug ist, um mit der Störung der inneren Ordnung fertigzuwerden. Viertens muß hinzukommen, daß organisierte und militärisch bewaffnete Aufständische vorhanden sind, in Aktion sind und die beiden eben genannten Polizeikräfte, also die Polizeien der Länder wie auch der Bundesgrenzschutz, nicht ausreichen. Es ist fünftens Erfordernis, daß dann der Einsatz der Bundeswehr zur Unterstützung der Polizei und des Bundesgrenzschutzes erfolgt, und ich habe die Darlegungen des Herrn Bundesinnenministers Benda kurz vor Mittag so verstanden, daß bei einwandfrei überlegener militärischer Bewaffnung der Aufständischen nicht erst die Polizei sinnlos ins Feuer geschickt werden muß, bevor die Bundeswehr eingesetzt werden darf. ({3}) Ich glaube, das ist gerade im Interesse der Polizeibeamten ein dringendes Erfordernis. Sechstens muß der Einsatz der Bundeswehr in diesem eng begrenzten Rahmen zur Abwehr einer drohenden Gefahr für die freiheitliche Grundordnung geschehen. Dieser Obersatz ist allgemeingültig, und daher kann überhaupt keine Rede davon sein, es sei beabsichtigt, in bestimmten Fällen die Bundeswehr gegen die Bevölkerung einzusetzen. Meine Damen und Herren, das ist eine üble Unterstellung. Das Gegenteil ist richtig, nämlich die Bundeswehr soll in diesen letzten Fällen, gerade umgekehrt, zum Schutz der Freiheitsrechte der Bevölkerung eingesetzt werden. ({4}) Ich frage, meine sehr verehrten Damen und Herren - wenn man von einem anderen Blickwinkel ausgeht -: was soll denn eigentlich sonst geschehen? Das heißt: soll denn, wenn Polizei und Bundesgrenzschutz nicht ausreichen, um die Freiheit zu schützen, die Demokratie vor organisierten und militärisch bewaffneten Aufständischen kapitulieren und der Bundeswehr befohlen werden, tatenlos dem Untergang der Demokratie zuzusehen? Das ist doch die ernste und entscheidende Frage, um die es allein geht. Wem es wirklich ernst ist mit der Verteidigung der Demokratie auch im Innern, der muß auch für diesen äußersten Fall vorsorgen. Im übrigen können wir diesen äußersten Fall auch dadurch praktisch zu einer reinen Theorie machen, daß wir bald darangehen, den Bundesgrenzschutz so stark zu machen, daß er immer auch mit solchen Fällen fertigwerden könnte. Wir sind bereit dazu, dies sowohl personell als auch sachlich zu tun. ({5}) Lassen Sie mich zum Schluß noch eines sagen. Es gibt in der ganzen Welt nicht ein einziges Land, das seinen Streitkräften verbietet, in solchen äußersten Fällen die Freiheit und den Frieden gegen Feinde im Innern zu schützen. ({6})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Das Wort hat Herr Senator Ruhnau, Freie und Hanestadt Hamburg.

Not found (Gast)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Vertreter des Bundesrates hat aufmerksam Ihre Beratungen verfolgt. Ich könnte jetzt die Ausführungen des Herrn Abgeordneten Even im wesentlichen unterstreichen; dies ist auch meine Meinung. Aber ich glaube, diese Frage, die hier mit einer Bemerkung kurz vor der Mittagspause etwas vergröbert worden ist, verlangt doch, daß man sich nicht nur auf den Vorredner bezieht. ({0}) Ich möchte deshalb als jemand, der in einem Lande für das verantwortlich ist, was wir als die Aufrechterhaltung der verfassungsmäßigen Ordnung bezeichnen, dem Hause die Auffassung des Bundesrates darstellen. Erstens. Die Länder sind nach der heutigen Verfassungskonstruktion und die Länder bleiben, auch wenn die Änderungen, die dem Hause vorliegen, beschlossen werden, für die Abwehr einer für die freiheitliche demokratischen Grundordnung drohenden Gefahr verantwortlich. Dafür haben die Länder nach der heutigen Konstruktion ihre eigenen Polizeien. Da niemand so viel Polizeibeamte unterhalten kann, um jeder Gefahr begegnen zu können, ist schon heute vorgesehen, daß die Nachbarn sich gegenseitig helfen müssen; das heißt, die Länder können auf die Polizeien ihrer Nachbarn zurückgreifen. Es soll nun vorgesehen werden, daß auch der Bund den Bundesgrenzschutz zur Verfügung stellt, von dem die Länder hoffen, daß er bald auf jene Stärke gebracht wird, die wirklich notwendig und erforderlich ist und eine wirkliche Hilfe darstellt. Dies ist die erste Stufe; in dieser sind die Länder verantwortlich. In dem Augenblick, in dem ein Land nicht in der Lage oder bereit ist, damit fertigzuwerden, beginnt nach der Verfassung die Bundeskompetenz. Das heißt, erst in diesem AugenSenator Ruhnau blick, nachdem also der ernsthafte Versuch unternommen worden ist und Sie dürfen alle davon ausgehen, daß die Länder sich ihrer Verantwortung bewußt sind und jederzeit nicht nur den Versuch, sondern auch alle Anstrengungen unternehmen werden, um Anfängen zu begegnen -, erst wenn sich herausstellt, daß dies nicht mehr möglich ist, soll eine Bundeskompetenz beginnen. Das heißt, dann unterstellt sich der Bund alle eingesetzten Polizeien und den Bundesgrenzschutz. Diese also sind dann alle schon im Einsatz. Der Bundesrat ist gestern und heute hier zitiert worden. Es hat in den letzten Wochen und Monaten viele Advokaten des Föderalismus gegeben, verschiedener Art von Föderalismus, und auch heute ist vom Bundesrat und von einigen Innenministern gesagt worden, sie seien der Meinung, mit den bestehenden gesetzlichen Regelungen lasse sich das alles machen. Ich möchte dazu für den Bundesrat folgendes feststellen. Der Bundesrat hat zu der Regierungsvorlage des Art. 91, die ja viel weitergehend war als das, was heute in Art. 87 a Abs. 4 enthalten ist, nur einen einzigen Änderungsantrag gestellt, und dieser Änderungsantrag ging dahin, daß der Bundesrat darauf verzichtet, vor dem Einsatz der Streitkräfte gefragt zu werden. Das war der einzige Änderungsantrag, den der Bundesrat gestellt hat. Ein weiterer Antrag ist vom Bundesrat nicht gestellt worden. Auch bei der Diskussion im Bundesrat hat weder jemand einen Antrag zu Art. 91 gestellt, noch hat jemand zu Art. 91 das Wort ergriffen, soweit mir erinnerlich ist. ({1}) Ich weiß nicht, was andere dann draußen gesagt haben; aber im Bundesrat und durch den Bundesrat ist anderes nicht verlangt worden. Und niemand hat im Bundesrat und für den Bundesrat bisher behauptet, daß er in der Lage sei, mit den vorhandenen Möglichkeiten und Mitteln allem, was denkbar wäre, zu begegnen. Der Bundesrat hat sich immer auf den Standpunkt gestellt, wenn die Lage in diesem Lande es erfordert, daß die freiheitliche demokratische Grundordnung verteidigt werden müsse, könne man nicht in die Verfassung indirekt oder direkt schreiben: Dies wollen wir tun bis zum letzten Polizisten, und die Armee bleibt in der Kaserne und wartet ab, wer gewinnt. ({2}) Und das vierte, was ich bemerken wollte: In der Frage, wie der Art. 87 a Abs. 4 wohl für einen Innenminister zu verstehen ist, kann es ja bei dein heutigen sehr konkreten Text wohl nicht viele Auslegungskünste geben. Dieser Art. 87 a Abs. 4 ist ja auch ein Teil der Verfassung, die einen Befehl für jene darstellt, die Vorbereitungen zu treffen haben. Was ergibt sich daraus? Daraus ergibt sich, daß der Einsatz von Streitkräften überhaupt erst in Frage kommen kann, wenn die Länder für sich allein mit ihren Kräften mit einer Situation nicht mehr fertigwerden. Das bedeutet also im Gegensatz zur Regierungsvorlage des Art. 91 ein weiteres Hinausschieben ,eines möglichen Einsatzes von Streitkräften. Zweitens, erst dann, wenn klar ist, daß man mit den vorhanden und eingesetzten Kräften, d. h. der Polizeien aller Länder und des Bundesgrenzschutzes, nicht mehr in der Lage ist, mit einer Situation fertigzuwerden, soll die Armee, Teile der Armee, eingesetzt werden, und sie soll - und für diese Präzisierung ist der Bundesrat sehr dankbar - zur Unterstützung der Polizeikräfte eingesetzt werden. Das bedeutet - das sollte man ganz klar sagen -, daß dann auch ein solcher Einsatz unter dem Polizeigrundsatz der Verhältnismäßigkeit der Mittel erfolgt. ({3}) Ich jedenfalls lese nichts anderes heraus, und ich glaube, niemand kann etwas anderes herauslesen. Es kann nicht unsere Absicht sein, auch beim Einsatz des letzten Mittels im Innern diesen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit der Mittel zu vergessen oder auszuschalten. Jeder, der die Verantwortung trägt, in einer solchen Stunde darüber zu entscheiden, wird sich natürlich darüber klar sein müssen, daß der Einsatz von Armeeinheiten im Innern so lange hinausgeschoben werden muß, wie es nur irgendwie möglich erscheint, weil natürlich jeder von uns weiß, daß ein solcher Einsatz die innenpolitischen Spannungen auf unerträgliche Weise erhöhen und eskalieren kann. Deswegen, glaube ich, kann man dieser Fassung des Art. 87 a -- jedenfalls würde ich das als Länderinnenminister so sehen -zustimmen. Diese meine Meinung finde ich auch bestätigt in zwei anderen Teilen dieses Art. 87 a Abs. 4, nämlich in den beiden Stufen, die dort vorgesehen sind. Ich sehe das so an, daß zunächst einmal, wenn überhaupt Streitkräfte zum Einsatz kommen sollen, sie eingesetzt werden sollten zur Unterstützung der Polizei beim Objektschutz. Das bedeutet, hiermit wird unterstrichen, daß die Armee nach Möglichkeit in einer zurückhaltenden Position zu bleiben hat. Sie soll zum Objektschutz eingesetzt werden, um Polizei und Bundesgrenzschutz für anderes freizumachen. Wenn tatsächlich militärisch organisierte und bewaffnete Aufständische auftreten, dann, meine ich, muß ein demokratischer Staat in der Tat auch in die Lage versetzt werden, die Mittel zu seiner Verteidigung einzusetzen, die er hat und die verfügbar sind. Ich glaube, was hier formuliert ist - so kann man es vom Standpunkt der Länder sagen, die ja mit einer weitergehenden Fassung schon einmal einverstanden waren -, ist das, was notwendig ist und was möglich ist. ({4})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Schmidt ({0}).

Helmut Schmidt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002007, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Dorn hat sich heute mittag zweimal mit Äußerungen oder mit Handlungen beschäftigt, die auf mein Konto gehen. Wenn das nicht so gewesen wäre, würde ich mich jetzt nicht zum Wort melden. Ich bin nicht gerade einer der größten Verfassungsfachleute meiner Fraktion. Aber ich mag es nicht gern auf sich beruhen Schmidt ({0}) lassen, wenn der Kollege Dorn innerhalb von drei Wochen zum zweitenmal in verfälschender Weise andere Kollegen zitiert. ({1}) Da ich aber aus diesem Grunde schon hier heraufgehen mußte, erlauben Sie mir, zu dem Artikel, der im Augenblick zur Debatte steht, auch noch ein paar andere Bemerkungen zu machen. Auch bei diesen anderen Bemerkungen knüpfte ich an eine Debattebemerkung des Kollegen Dorn an. Herr Dorn hat ausweislich des unkorrigierten Protokolls heute mittag folgendes gesagt: Es gehe nicht darum, wie das vielfach in der Diskussion vorgetragen worden sei, daß Helmut Schmidt seine Kompetenzen in Hamburg quasi habe überschreiten müssen, wenn er die Bundeswehr eingesetzt habe. Keiner in diesem Hause habe ihm daraus einen Vorwurf gemacht, aber es gehe eben so jetzt der Kollege Dorn - darum, daß die Frage des Einsatzes der Bundeswehr in Katastrophenfällen zur Hilfe, ohne Waffe, etwas völlig anderes sei als der Einsatz der Bundeswehr mit der Waffe gegenüber Menschen. ({2}) Das ist ganz zweifellos richtig, Herr Dorn. Nur, wenn Sie bei Ihrer Argumentation auf die norddeutsche Flutkatastrophe abheben, müssen Sie die Erfahrungen, die wir damals gemacht haben, voll zur Kenntnis nehmen. Ich habe gar keinen Zweifel, daß es selbstverständlich im Rahmen des geltenden Grundgesetzes und im Rahmen des Art. 143 voll und ganz gerechtfertigt war, Bundeswehreinheiten zu alarmieren und isie auf dem Wege der Amtshilfe, wenn ich es einmal so sagen darf, für vielerlei Rettungs- und Versorgungsaufgaben einzusetzen. Das geschah ja durch Zehntausende von deutschen Soldaten, übrigens auch amerikanischen, dänischen, englischen und anderen Soldaten. Das ist hier nicht der Punkt, wegen dessen überhaupt diese norddeutsche Flutkatastrophe und der Einsatz von Soldaten in der Katastrophe verfassungspolitisch interessant wäre, wiewohl er menschlich bedeutsam ist. Aber verfassungspolitisch ist ein ganz anderer Aspekt der damaligen Ereignisse interessant, nämlich der, daß nach einer Reihe von Stunden die Polizeikräfte völlig erschöpft waren - ein Fünftel des hamburgischen Staatsgebietes stand unter Wasser; das sage ich nur, damit Sie sich noch einmal vergegenwärtigen können, was für ein Ausmaß jene Katastrophe hatte -, daß sie physisch und psychisch ausgeschöpft waren. Auf der anderen Seite lebten in vier Fünfteln des Staatsgebietes Bürger, die von dieser schweren Krise in ihrem Leben keineswegs unmittelbar bedroht waren. Sie waren nur beeinträchtigt dadurch, daß ihre Telefone nicht mehr funktionierten, weil die Kabelschächte abgesoffen waren, oder daß der Strom nicht mehr lief, und andere Unbequemlichkeiten. Und unter diesen in den anderen vier Fünfteln des Staatgebietes lebenden Bürgern waren leider Gottes auch einige, die meinten, das sei doch ein interessantes Schauspiel, und die es für angebracht hielten mit ihrem eigenen Pkw dort hinzufahren, wo andere Menschen mit dem Wasser und mit der Kälte buchstäblich um ihr Leben rangen. So kamen Neugierige in großer Zahl, die mit privaten Pkws die einzige Versorgungsstraße blockierten, die wir zur Versorgung jener Menschen wieder hatten, die auf der Elbinsel Harburg-Wilhelmsburg vom Wasser völlig eingeschlossen waren. Nun war es so, daß die Polizei nicht mehr über die Kräfte verfügte, um dort rücksichtslos mit Hunderten von Fahrzeugen Neugieriger aufzuräumen. Damals allerdings gaben wir jedenfalls im Bewußtsein der Grundgesetzwidrigkeit Weisungen, von denen ich sprechen will; wie Sie das jetzt nachträglich beurteilen, ist eine ganz andere Frage. Wir waren damals durchaus in dem Bewußtsein, gegen den Art. 143 zu. verstoßen, als wir das Folgende anordneten: Wir räumten erstens mehreren Kompanien der Bundeswehr ausdrücklich polizeiliche Befugnisse ein und kündigten zweitens, nachdem im Fernsehen durch den Senat - in diesem Fall durch mich - den Bürgern von Hamburg erklärt worden war, daß es unerträglich sei, wenn Neugierige zu Hunderten mit ihren Wagen die Straße blockierten, an, daß wir, wenn das nicht sofort aufhöre, allerdings diese Pkws mit Gewalt durch die Ordnungskräfte wie man in Hamburg bei uns zu sagen pflegt, in den Bach stürzen lassen würden. Wir haben diese Weisung an die Kompanien der Bundeswehr gegeben. Ich war damals in dem Bewußtsein, daß das ein Verstoß gegen das Grundgesetz war. Wie dem auch immer sei, das einzige, was verfassungspolitisch in bezug auf die Bundeswehr aus der Flutkatastrophe überhaupt zu lernen wäre und was für den Einsatz der Bundeswehr überhaupt zu lernen wäre, ist dies: daß es z. B. schon bei einer Naturkatastrophe, wo es keinen Gegner gibt, notwendig werden kann, hart an der Grenze des Grundgesetzes mit der Bundeswehr zu operieren. - Sie haben liebenswürdigerweise gesagt, Herr Dorn, daß Sie das anerkennten, was wir damals gemacht haben; ich bin Ihnen dafür dankbar. Aber denken Sie bitte weiter und stellen Sie sich eine Lage vor, in der es sich nicht um Wasser und nicht um Kälte handelt. Ich kann mir aus meiner Erfahrung - einer selbst erlebten Erfahrung - als Vorgänger des jetzigen Hamburger Innensenators Ruhnau, der soeben hier sprach, durchaus vorstellen, daß - wie damals schon in jener Flutsituation - Verhältnisse eintreten können, in denen allein mit der Polizei das, was für das Volk zur Bewahrung seiner Existenz und seiner Sicherheit notwendig ist, nicht mehr geleistet werden kann. ({3}) Nun haben die Vertreter der FDP in dem gleichen Zusammenhang gelobt, daß in diesem Bereich des Art. 87 a Abs. 4 die Kollegen der SPD einen Teilerfolg errungen hätten. Ich muß Ihnen sagen, ich halte das, was wir jetzt mit dem Änderungsantrag, den die Kollegen von der CDU/CSU und die Kollegen von der SPD gemeinsam einbringen, in das Grundgesetz hineinschreiben wollen, für einen großen Erfolg. Hier wird - das ist ja vorhin von Herrn Ruhnau, dessen Darstellung ich völlig zustimme, liebenswürdigerweise noch einmal aus der Sicht Schmidt ({4}) des Bundesrates klargestellt worden - eben nicht schlechthin eine Blankovollmacht gegeben, sondern es werden eine Reihe von Voraussetzungen in das Grundgesetz hineingeschrieben. Die erste ist, daß der Tatbestand des Art. 91 Abs. 2 gegeben sein muß. Das heißt, die ganze Sache kommt nur in Betracht, wenn ein Land nicht mehr in der Lage ist, die Situation mit eigenen Kräften zu meistern. Die zweite Voraussetzung, die außerdem erfüllt sein muß, ist, daß die Polizeikräfte insgesamt nicht ausreichen; die dritte Voraussetzung, daß auch die Kräfte des Bundesgrenzschutzes nicht ausreichen. Viertens soll das alles trotzdem nicht entscheidend sein, es sei denn, es handelte sich um einen organisierten Aufstand, der außerdem - fünftens - mit militärischen Mitteln geführt wird. Dann allerdings, in diesem äußersten Fall allerdings, ({5}) muß man auch auf die Soldaten zurückgreifen dürfen. Herr Even hat schon mit Recht gesagt: Es gibt keine Verfassung in der ganzen Welt, weder im Westen noch erst recht im Osten, die darauf verzichten kann. Ich halte das für eine sehr sorgfältige und vorsichtige Verfassungsgebung, die im übrigen in Übereinstimmung mit den Beschlüssen steht, die meine Partei in Saarbrücken, später in Dortmund und auf anderen Parteitagen gefaßt und durch Fritz Erler von diesem Pult aus heute vor drei Jahren hat vortragen lassen. Nun komme ich zu dem Punkt in der Rede des Herrn Dorn, weswegen ich überhaupt das Wort genommen habe. Ich darf Sie zitieren, Herr Dorn. Im unkorrigierten Protokoll von heute mittag lese ich ich zitiere -: Helmut Schmidt hat gesagt, für ihn sei das völlig klar; Spannungsfall sei analog der KubaKrise vorstellbar, und die Kuba-Krise sei ja wahrlich ernst genug gewesen, um hier für uns den Spannungsfall feststellen zu können. Anschließend folgt bei Ihnen der Satz: „So weist es das Protokoll aus." - Sie haben Pech gehabt. Meine Assistenten haben zwar eine Stunde benötigt, haben aber dann doch in den Papieren das Protokoll in meinem Büro gefunden, Herr Dorn; es liegt mir vor. In diesem Protokoll lautet die Passage, die Sie hier verfälschen, völlig anders. ({6}) Es handelt sich um ein Protokoll, das weder Sie noch ich gemacht haben, sondern das der Deutsche Gewerkschaftsbund herausgegeben hat, das Protokoll einer großen Diskussionsveranstaltung in der Beethovenhalle hier in Bonn, wo Sie, der Kollege Even und ich gemeinsam mit gewerkschaftlichen Vertrauensleuten, hervorragenden gewerkschaftlichen Funktionären, über Probleme des Schutzes der Demokratie und des Schutzes der Bürger auch und gerade in Notzeiten auf einem Forum miteinander debattiert haben. Da ist von der Kuba-Krise die Rede gewesen, und die Passage aus meinem Munde, auf die Sie sich nur beziehen können, lautet in dem Wortprotokoll, das der Deutsche Gewerkschaftsbund herausgegeben hat, folgendermaßen: Hier ist vorhin, als mein Kollege Even von Suez sprach oder von Kuba - er hätte auch von Vietnam reden können -, bei einigen der Zuhörer, wie ich den Eindruck hatte, das Gefühl entstanden, als ob dies Dinge wären, die für unsere innerdeutsche Situation ohne Belang wären. Soweit ich. - Dann kommen Zwischenrufe, die sich auf die „Spiegel"-Krise beziehen. Meine Rede fährt fort: Das Wesentliche, was man erkennen muß, ist, das solche Vorgänge in der Welt wie Vietnam oder Kuba oder Suez, ohne daß die deutsche Regierung, wie gut oder wie schlecht sie auch immer ist, wieviel oder wie wenig wir ihr auch immer vertrauen, ohne daß die deutsche Regierung irgendeinen Schuld- oder Verursachungsanteil hat, daß solche Dinge uns hier in Deutschland in Krisen verschiedener Art bringen können. Kein Wort davon, daß die Kuba-Krise hätte Anlaß sein müssen, den Spannungsfall auszurufen! ({7}) Ich kann es noch weiter vorlesen und weiter belegen; damals wurde argumentiert gegenüber einem gewerkschaftlichen Redner, der die Auffassung vertreten hatte, die Gesetzgebung, über die wir hier heute und gestern miteinander ringen, sei geeignet, das deutsche Volk in Gefahr zu bringen. Demgegenüber machte der Redner, den Sie zitiert haben und der jetzt wieder vor Ihnen steht, den Versuch, darzutun, daß selbst die friedlichste deutsche Regierung nicht verhindern kann, daß Ergebnisse draußen in der Welt uns in Gefahr bringen können, die möglicherweise - ({8}) - Ja, lieber Freund, das, was ich sage, ist hoffentlich unbestritten. Ich bestreite ja auch nur Ihre Zitierweise, Herr Dorn. ({9}) Ich will es damit genug sein lassen, wenn Ihnen klargeworden ist, worauf es mir ankommt. Sie haben sich beim letzten Mal vor drei Wochen, als Sie mich falsch zitierten und als wir Ihnen die Irrtümer durch Vorlesen der Protokolle nachweisen konnten, als wir Ihnen die falsche Zitierweise nachweisen konnten, auf die in honorigem und ruhigem "Ton von Herrn Kollegen Barzel an Sie gerichtete Aufforderung, sich zu entschuldigen, nicht geäußert. Ich habe mehrere Tage darauf -- nicht im Plenum des Deutschen Bundestages und nicht vor dem Deutschen Fernsehen - von Ihnen einen Entschuldigungsbrief bekommen. Ich honoriere das, Herr Dorn. ({10}) Ich honoriere, daß Sie den Brief geschrieben haben. Es wäre nur gut, wenn jemand, dem ein Irrtum Schmidt ({11}) - ich drücke mich ganz vorsichtig aus - hier in der Debatte nachgewiesen wird, sich auch hier unmittelbar in der Debatte selber zu dem Irrtum bekennen würde. ({12})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. Diemer-Nicolaus.

Dr. Emmy Diemer-Nicolaus (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000387, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Schmidt, ich war eigentlich etwas überrascht, daß Sie jetzt Herrn Dorn in dieser Weise angegriffen haben. ({0}) - Ich warte, bis es ruhig ist, dann spreche ich weiter. Was mich dabei besonders gestört hat, Herr Kollege Schmidt, war Ihre Ausdrucksweise, indem Sie gleich am Anfang ausdrücklich erklärten, Herr Horn haben Sie in verfälschender Weise zitiert. ({1}) Ich darf vielleicht auf folgendes aufmerksam machen: Das ist ein sehr harter Vorwurf in dieser Frage -({2}) Herr Kollege Schmidt, Sie wissen aus den Beratungen gerade in der letzten Legislaturperiode doch sehr genau, wie sehr immer die Frage der Kuba-Krise bei der Regelung der Notstandsgesetze mit zu Rate gezogen wurde. Auch das, was Sie nachher aus dem Protokoll vorgelesen haben -({3}) - ich selbst war nicht bei dieser Veranstaltung -, ergab aber doch, daß auch dort nicht nur von Kuba, sondern auch noch von Vietnam und Suez die Rede war als Beispielen dafür, wie Krisen im Ausland gegebenenfalls Auswirkungen auch für Deutschland haben könnten und die Gefahr besteht, daß Deutschland hineingezogen wird. So hat also das, was Herr Dorn gesagt hat, doch sinngemäß mit dem übereingestimmt, worüber gesprochen wurde. ({4}) Wenn das so ist, Herr Kollege Schmidt, daß nur nicht genau wörtlich zitiert wird, sondern sinngemäß, dann darf man nicht von einer Verfälschung sprechen. Wenn Sie gesagt hätten: „Haben Sie sich nicht geirrt?", dann hätte ich Verständnis dafür gehabt. Das entspräche auch dem parlamentarischen Brauch. ({5}) Ich möchte aber jetzt diese Frage nicht weiter vertiefen. ({6}) Herr Kollege Schmidt?

Helmut Schmidt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002007, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Kollegin, können Sie mir darin zustimmen, daß das aus Ihrem Mund eben gefallene Wort „Irrtum" die harmloseste Bezeichnung ist, die man finden kann, wenn jemand, dem ein gedrucktes Protokoll vorliegt - er sagt ja, das Protokoll weise dies aus -, folgenden Satz spricht: Schmidt habe gesagt, die Kuba-Krise sei ja wahrlich ernst genug gewesen, um hier für uns den Spannungsfall feststellen zu können, während im Gegenteil kein Wort davon wahr ist? ({0})

Dr. Emmy Diemer-Nicolaus (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000387, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Kollege Schmidt, ich will jetzt kein juristisches Streitgespräch anfangen, ({0}) um zu sagen, was dann auch an Subjektivem vorhanden sein muß, nämlich die böse Absicht, etwas bewußt Falsches zu zitieren. Eine derartige Absicht hat Kollege Dorn unter keinen Umständen gehabt. Aber, meine Damen und Herren, ich glaube, wir wollen diese Dinge jetzt doch nicht noch weiter vertiefen. ({1}) Ich möchte jetzt zu dem eigentlichen Problem, um das es hier geht, zurückkommen. Ich möchte auch nicht noch einmal auf die Ausführungen zurückkommen, Herr Kollege Schmidt, die Sie eben zum Katastrophenfall und zum Einsatz der Bundeswehr gemacht haben. Uns Freien Demokraten geht es darum, zu klären, wann denn gegebenenfalls nach Ihren Vorstellungen die Bundeswehr zur Bekämpfung von Aufständischen hier in Deutschland eingesetzt werden kann. Ich habe aufmerksam zugehört, auch jetzt noch einmal nach der Pause, was von Herrn Senator Ruhnau gesagt wurde und was von Ihnen wiederholt wurde, Herr Kollege Schmidt. Vor allen Dingen habe ich das mit den Äußerungen verglichen, die der Herr Innenminister gerade vor der Mittagspause gemacht hat. Da kann ich mich nun einfach nicht des Eindrucks erwehren, daß, obwohl die Koalitionsparteien glauben, sich geeinigt zu haben, sie sich tatsächlich nicht darüber geeinigt haben, wann und in welcher Weise gegebenenfalls ein derartiger Einsatz der Bundeswehr bei inneren Unruhen erfolgen soll. Bei dem, was der Herr Innenminister gesagt hat, kam doch klar zum Ausdruck, daß er von einem ganz anderen Zeitpunkt ausgeht, zu dem die Bundeswehr zum Einsatz bereitsteht und gegebenenfalls eingesetzt wird, als sowohl in den Ausführungen von Herrn Kollege Haase heute morgen wie auch in denen von Herrn Senator Ruhnau jetzt und von Ihnen, Herr Kollege Schmidt, zum Ausdruck kam. ({2}) Ich möchte auch auf folgendes hinweisen. Ich erinnere mich noch sehr genau, daß in dem Hearing, als es um diese so wichtige Frage ging, von einem der Sachverständigen - ich habe das Protokoll nicht da und kann Ihnen jetzt nicht mehr genau sagen, wer es war auf einen ganz gravierenden Unterschied hingewiesen wurde, um die Bedenken gegen den Einsatz der Bundeswehr bei inneren Unruhen zu unterstreichen. Er sagte: Die Ausbildung von Polizei und Bundesgrenzschutz ist eine vollkommen andere als von ihrem Ziel her die Ausbildung der Bundeswehr. Der Auftrag der Bundeswehr ist die äußere Verteidigung, die Vernichtung des Gegners. Der Auftrag der Polizei oder des Bundesgrenzschutzes dagegen ist nicht Vernichtung, sondern die Wiederherstellung der Ruhe und Ordnung und Sicherheit. Herr Senator Ruhnau hat mit Recht auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit der Mittel hingewiesen: es darf eben nur das geringstmögliche Mittel eingesetzt werden.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Schmidt ({0})?

Dr. Emmy Diemer-Nicolaus (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000387, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ja, Herr Kollege Schmidt

Helmut Schmidt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002007, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Kollegin, würden Sie mir darin zustimmen, daß es wünschenswert wäre, wenn Sie Ihre Formulierung berichtigten, daß „der Auftrag der Bundeswehr die Vernichtung des Gegners" sei?

Dr. Emmy Diemer-Nicolaus (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000387, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ich verstehe unter Vernichtung - - Sie haben recht, es könnte mißverstanden werden. ({0}) Sie wissen schon, was ich meine: daß hier der Gegner eben nicht mehr zum Kampfe in der Lage ist, ob das nun durch Gefangennahme oder durch welche Mittel immer erfolgt. ({1}) Bei dem Einsatz von Polizei und Grenzschutz geht es auch bei einem derartigen Falle darum, nach Möglichkeit Menschenleben zu schonen, nach Möglichkeit Eigentum der anderen Bürger zu schonen. ({2}) Ich darf auch noch auf etwas anderes hinweisen. Polizei und Bundesgrenzschutz - -

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Kollegen Schmidt ({0})?

Dr. Otto Schmidt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002015, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Kollegin, halten Sie das Auftreten von militärisch organisierten bewaffneten Verbänden nach Ihrer eigenen Definition für einen Polizeitatbestand?

Dr. Emmy Diemer-Nicolaus (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000387, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Kollege Schmidt., es sind aber Deutsche! ({0}) Vielleicht verstehen Sie das, was ich insofern meine, wenn ich noch auf folgendes hinweise. Wer zur Polizei geht, geht freiwillig dorthin. Das gleiche gilt für den Bundesgrenzschutz. Bei der Bundeswehr haben wir aber eine Wehrpflicht. ({1}) - Herr Kollege Petersen, lassen Sie mich doch jetzt bitte einmal den Gedanken zu Ende führen. Bei der Bundeswehr haben wir die Wehrpflicht. Der große Unterschied zu einer äußeren Verteidigung besteht hier eben darin, daß der Wehrpflichtige, der Eingezogene, hier in der Bundesrepublik mit der Waffe in der Hand gegen Deutsche kämpfen soll. ({2})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Detlef Haase (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000763, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Kollegin, sind Sie wirklich der Meinung, daß so, wie Sie es jetzt darstellen, dann unter Umständen auch Polizeikräfte, wenn sie gegen bewaffnete Aufständische eingesetzt werden, entwaffnet werden müssen? ({0})

Dr. Emmy Diemer-Nicolaus (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000387, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Nein! Herr Kollege, ich habe ganz klar gesagt: wer zur Polizei geht, geht freiwillig und weiß, daß dies gegebenenfalls mit in seinen Aufgabenbereich fällt. ({0}) - Herr Petersen, ja; aber dann möchte ich bitten, daß ich meine wenigen Ausführungen zu Ende führen kann.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Herr Kollege Petersen!

Peter Petersen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001699, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Kollegin, wollen Sie damit, daß Sie darauf abheben, daß es sich um Deutsche handelt, andeuten, daß der Wert eines menschlichen Lebens unterschiedlich ist, je nach dem Paß, den einer in der Tasche hat? ({0})

Dr. Emmy Diemer-Nicolaus (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000387, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Nein! - Herr Kollege Petersen, jetzt darf ich Sie - das haben Sie natürlich nicht mehr miterlebt - einmal an folgendes erinnern. Es ist ja schon früher zu Eheschließungen zwischen Deutschen und Ausländern bzw. Ausländerinnen gekommen. Ich weiß, daß es im ersten Krieg folgendermaßen war: ein mit einer Ausländerin verheirateter Deutscher wurde nicht an einer Front eingesetzt, an der er im Heimatland seiner Frau kämpfen mußte. Damit wollte man derartige Konfliktsituationen vermeiden. ({0}) - Nein, im Augenblick möchte ich keine Fragen mehr beantworten. ({1}) Wir sind der Meinung, daß in erster Linie - insofern stimme ich mit Ihnen überein - Polizei und Bundesgrenzschutz die Mittel in einem stärkeren Umfang, als das bisher der Fall ist, zur Verfügung gestellt werden sollen, damit sie in einem derartigen Falle mit ihren Mitteln in der Lage sind, auch mit einem solchen Zustande, der für uns eine ganz schwere Sachlage bringen würde, fertig zu werden. ({2})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Hübner.

Klaus Hübner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000974, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach dem, was Frau Kollegin Dr. Diemer-Nicolaus gesagt hat, läßt sich vorzüglich an den Gedanken anknüpfen: wie sollte eine solche Polizei aussehen, der man Aufgaben aufladen wollte, die sie einfach gar nicht erfüllen kann, wenn sie Polizei bleiben will? ({0}) Aber dazu komme ich gleich noch. Ich wollte vorweg noch einen Gedanken aufnehmen, der in der Diskussion entstanden ist, nachdem ich mich zu Wort gemeldet hatte. Herr Dorn, Sie haben mehrfach drängend gefragt, was sich der einzelne unter dem Begriff „Spannungsfall" vorstellen könne. Ich darf daran erinnern - ich glaube, auch Sie sind fast die ganze Zeit bei den öffentlichen Anhörungen dabei gewesen -, daß, wie soeben Herr Dr. Even schon sagte, der Kern des neuen Verfassungsbegriffes „Spannungsfall" der ist, daß die Entscheidung darüber beim Parlament mit hoher qualifizierter Mehrheit liegt. Bei den öffentlichen Anhörungen habe ich dazu den Schweizer Professor Weber, nach dessen Schilderung, wie schwierig so etwas zu erkennen sei, gefragt, ob folgende Formel - jetzt allerdings sinngemäß - richtig sei: daß mit der wachsenden Schwierigkeit, solche Kriterien für Gefährdungen feststellen zu können, auch die Höhe der politisch verantwortlichen Instanz steigen müsse, die hierüber zu entscheiden habe. Diese Frage hat Herr Professor Weber mit ja beantwortet. Damit ist der Kreis geschlossen. Das heißt ganz genau: wenn diese Kriterien eben so schwierig sind, daß sie sich nicht dem vorausschauenden Denken ohne weiteres öffnen, dann muß die politische Instanz, die das in ihre Verantwortung nimmt, sehr hoch sein. Das ist für uns dann dieses Parlament, das mit Zweidrittelmehrheit entscheidet. So also nur kann man diese Frage beantworten. ({1}) Aber nun zu dein Thema Einsatz der Streitkräfte. Auch das möchte ich ganz kurz machen. Nach diesem Art. 87 a gibt es doch nun ganz genau fünf Möglichkeiten für den Einsatz von Streitkräften im Innern. Diese fünf Möglichkeiten addieren sich nicht etwa, sondern sie bilden in dieser Zahl einen abschließenden Katalog. Der erste Fall ist der weitestgehende. Er ist heute schon des öfteren besprochen worden. Es handelt sich hier um die Frage, wie man organisierten und militärisch bewaffneten Aufständischen begegnet. Das kann eben nur durch die Streitkräfte geschehen, soweit nur sie allein in der Lage sind, einem solchen Angriff mit den Mitteln zu begegnen, die adäquat sind. Der zweite Fall ist verhältnismäßig unproblematisch. Er betrifft die Frage, ob für Militärkolonnen eine eigene Verkehrsregelung gegeben werden soll. Der dritte Komplex betrifft den allerdings schwierigen Schutz von zivilen Objekten. Er gliedert sich noch einmal in drei verschiedene Möglichkeiten. Die erste Möglichkeit ist, daß Zivilobjekte miltärisch - wenn ich das so vereinfachend sagen darf -, im Zuge des militärischen Auftrages, geschützt werden können. Der zweite Fall ist, daß im Zustand der inneren Gefahr, also bei der Abwehr einer Bedrohung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung, zivile Objekte durch Streitkräfte - zur Unterstützung der Polizei - geschützt werden können. Insoweit ergibt sich zunächst auch nicht das Problem einer Überschneidung oder einer Verfälschung der Grenzen zwischen militärischem und polizeilichem Auftrag. Nun kommt der letzte Fall: daß solche zivilen Objekte durch Streitkräfte auch gegen zivile Störer, aber im Verteidigungsfalle, geschützt werden sollen. Hier war nach den Fassungen, die bis zuletzt vorgelegen hatten, die Möglichkeit vorhanden - ich sage das ganz vorsichtig , daß man einen falschen Schluß daraus hätte ziehen können, daß es nur hieß, die Polizeikräfte sollten dabei unterstützt werden. Daraus hätte man den Rückschluß ziehen können, daß durch eine solche Vermengung eines Auftrages zwischen Streitkräften und Polizei die Polizei auch in die militärische Abwehr eines militärischen Angriffs hätte verstrickt werden können. Das war zu befürchten. Nun haben Sie in Ihrem Antrag auf Umdruck 456 gefordert, daß aus dem Abs. 3 des Art. 87 a der Satz gestrichen wird, der in der vorletzten Fassung diesen Rückschluß tatsächlich ermöglicht hätte. Nur ist dieser Satz jetzt nach sehr viel Beratung, die man dazu gehabt hat, geändert worden, nämlich insoweit, als man sagt, daß auch bei dieser Art von Schutz ziviler Objekte nur polizeiliche Maßnahmen unterstützt werden können. Damit ist endgültig klar, daß es keine Vermengung geben kann zwischen der Art, wie Polizei Objekte schützt, mit polizeilichen Mitteln, und der Art, wie Streitkräfte so etwas zu unternehmen haben. Diese Klärung ist also endgültig und abriegelnd gegen solche schwimmenden Grenzen. Aber nun lassen Sie mich die Antwort geben, die ich vorhin angekündigt habe! Überlegen Sie doch bitte einmal, was wir alle hier in mehreren Diskussionen haben prüfen müssen, nämlich die sehr schwierige Frage: Wie konnte es dazu kommen, daß in den vergangenen Monaten die Polizei immer dann Unsicherheit in ihrem Verhalten zeigte, wenn die hin und her schwingende Grenze zwischen Demonstration und Provokation sichtbar wurde? Die Antwort kann ich Ihnen ganz einfach geben: Diese Unsicherheit ist das Resultat einer Ausbildung, die auf so etwas nicht zugeschnitten war, sondern mehr darauf, Abwehrhandlungen in militärähnlicher Art vollbringen zu können. Wenn ich daraus den Schluß auf das ziehe, was heute zur Beratung vorliegt, muß ich doch erkennen und sagen: Wenn man genau unterscheiden will zwischen dem zivilen Auftrag der Polizei, die nicht militärisch handeln kann, und den Aufgaben der Streitkräfte, die nicht, wie es der Polizei entspricht, zivil handeln können, dann wird mit jeder Stunde falscher polizeilicher Ausbildung in militärähnliche Bereiche hinein auch die Chance verloren, der Polizei die Möglichkeit zu geben, zivilen Demonstrationen zur Aufrechterhaltung von Sicherheit und Ordnung so zu begegnen, wie wir es uns in unserem Staat von einer zivilen Polizei versprechen. ({2})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Rutschke.

Dr. Wolfgang Rutschke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001909, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Schmidt, Sie hatten die Kollegin Frau Dr. DiemerNicolaus gefragt, ob sie weiterhin aufrechterhalten wolle, daß die Bundeswehr die Aufgabe habe, den Gegner zu vernichten. Diese Frage scheint mir eindeutig zu sein; denn wenn ich eine Armee mit Raketen, Explosivgeschossen, Artillerie und Bombengeschwadern ausrüste, kann ich nicht auf den Einzelfall Rücksicht nehmen, sondern ich setze diese Mittel ein, um den Gegner, der uns angreift, zu vernichten. Das ist die Aufgabe der Bundeswehr. Dagegen hat die Polizei eine andere Aufgabe: Sie soll mit den ihr gemäßen Mitteln irgendwelchem Widerstand begegnen und Ruhe und Ordnung wiederherstellen. Deshalb wird auch die Polizei nicht mit derartigen Explosivgeschossen ausgerüstet, sondern zunächst einmal mit Schlagstöcken und dann über die Pistole im allgemeinen höchstens bis zur automatischen Waffe. Das läßt ganz eindeutig erkennen, daß die Aufgabe der Bundeswehr eine völlig andere ist ais die, die der Polizei obliegt. Nun, meine Damen und Herren, der Verfassungsgesetzgeber hat seinerzeit mit gutem Grund die Polizeigewalt den Ländern übergeben, weil er bewußt keine Exekutive des Bundes auf dem Gebiet der Polizei haben wollte; man hatte aus den Erfahrungen der Vergangenheit gelernt. Hitler war es nämlich, der die Polizei zentralisierte, um dann alles andere, was folgte, überhaupt erst durchsetzen zu können. Das wollte der Bundesgesetzgeber vermeiden. Deshalb hat er die Polizei den Ländern und nicht dem Bund überlassen, wenn wir von der Ausnahme des Bundesgrenzschutzes absehen, der so organisiert werden mußte, wenn er wirksam sein sollte, aber der eben auch ganz bestimmte ihm zugewiesene Aufgaben, die sehr stark abgegrenzt sind, übertragen bekommen hat. Wenn wir uns dagegen wehren, daß die Bundeswehr im inneren Notstand eingesetzt wird, so wollten wir auch keine Bundesexekutive schaffen, die die mit der bewaffneten Macht eingreifen kann: Wir sind der Überzeugung, daß das Mittel, das wir im Augenblick haben, die gesamte Polizei, völlig ausreichend ist, um etwaigen Aufständen zu begegnen, wenn sie überhaupt in der Form geschehen, wenn sie überhaupt jemals eintreten sollten, wie Sie glauben es uns hier erzählen zu sollen. Deshalb ist der Einsatz der Bundeswehr von der Sache her nicht gerechtfertigt. Der Verfassungsgeber, der Parlamentarische Rat, ist bewußt davon ausgegangen, auch in dieser Form keine Bundesmacht im Innern entstehen zu lassen. Deshalb halten wir uns daran und bitten, unseren Vorschlägen zu folgen. ({0})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Könen ({0}).

Willy Könen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001156, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Bundesinnenminister Benda hat als letzter Sprecher vor der Mittagpause, wie er sagte, um kein Mißverständnis aufkommen zu lassen, in einer kurzen Bemerkung - die, Herr Minister, vielleicht zu kurz war - etwas darüber gesagt, wie er sich den Einsatz der Bundeswehr unter bestimmter Voraussetzung vorstellt. Herr Minister, Sie hätten nach der Mittagspause merken müssen, daß die Ausführungen des Herrn Dr. Even und des Herrn Senators Ruhnau .eigentlich Veranlassung sein müßten, daß Sie als Verfassungsminister - denn Sie sind ja mit dem, was Sie hier sagen, deshalb ein so wichtiger Mann, weil Sie außerdem der Verfassungsminister sind - etwas erläuternd zu dem sagen, was Sie vor der Mittagspause ausgeführt haben. Nachdem Sie gesprochen haben, wird bei mir das Mißverständnis nämlich wahrscheinlich noch größer. Ich möchte Sie wirklich herzlich bitten, hier ans Pult zu kommen. Sie hätten es schon längst tun müssen.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Wollen Sie gleich antworten, Herr Bundesminister? - Das Wort hat der Herr Bundesminister des Innern.

Prof. Dr. Ernst Benda (Minister:in)

Politiker ID: 11000139

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Könen, nach dem, was hier von dem Kollegen Dr. Even und von Herrn Senator Ruhnau gesagt worden ist - was ich für völlig zutreffend halte -, ({0}) glaubte ich keinen Anlaß zu sehen, mich hier wiederholen zu sollen. Aber wenn Sie danach fragen, Bundesinnenminister Benda bin ich sehr gern bereit, zu bestätigen, daß das Problem genauso ist, wie es insbesondere der Kollege Dr. Even hier dargestellt hat. Nichts anderes habe ich übrigens gesagt. Aber ich will es gern wiederholen. Es mag ja sein - ({1}) - Das hat gar nichts mit der Mittagspause zu tun, Herr Kollege Könen. Aber wir wollen es doch noch einmal klären. Wir wollen versuchen, die Dinge so klar zu machen, daß ein Mißverständnis nicht mehr bestehen kann. Die Frage ist ja in der Tat wichtig. Ich hatte vorhin darauf hingewiesen, daß die Klausel in Art. 87 a Abs. 4 in der Fassung des Umdrucks - die Nummer weiß ich nicht, ich habe ihn jetzt nicht vor mir, aber Sie wissen, um welchen Antrag es sich handelt - nicht so verstanden werden kann, daß man in einer Situation, in der organisierte und militärisch bewaffnete Aufständische vorhanden sind und man etwas dagegen tun muß, zunächst einmal der Polizei zumutet, dann damit fertig zu werden, wenn von vornherein klar sein muß - unter Anwendung des von Herrn Senator Ruhnau mit vollem Recht erwähnten Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit der Mittel -, daß der Einsatz der Polizei oder des Bundesgrenzschutzes gegen diese organisierten und militärisch bewaffneten Aufständischen sinnlos wäre, weil er nicht zu einem Erfolg führen könnte. Herr Kollege Könen, wir werden uns wohl darüber einig sein, daß es in dieser Situation nicht die Aufgabe sein kann, im buchstäblichen Sinne auf dem Rücken der dann betroffenen Polizeibeamten zu demonstrieren, daß sie nicht in der Lage sind, damit fertig zu werden. Ich benutze gern die Gelegenheit, um noch Frau Kollegin Diemer-Nicolaus zu sagen, daß dies mit der Frage des Zeitpunktes, wie sie sich ausdrückt, gar nichts zu tun hat. Sie hat mir vorgeworfen, ich ginge von einem anderen Zeitpunkt aus. Wenn ich das auch akustisch richtig verstanden habe, in der Sache habe ich es dennoch nicht verstanden. In der Tat ist diese Klausel - und ich sehe keine Meinungsdivergenz zwischen dem, was Herr Dr. Even, Herr Senator Ruhnau und ich gesagt haben - eine Konkretisierung des ungeschriebenen, aber bestehenden Verfassungsgrundsatzes der Verhältnismäßigkeit der Mittel. Er liefert, auch in der juristischen Technik - wenn Sie so wollen -, das Instrument um eine solche Frage, wenn sie konkret auftauchen sollte, zu klären und zu entscheiden.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Könen? - Bitte!

Willy Könen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001156, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Natürlich, Herr Minister, so, wie Sie es darstellen, ist es richtig. Aber ich habe folgende Frage: Wenn dem so ist, daß wegen der Bewaffnung der Aufständischen der bewaffnete Einsatz gegen die Aufständischen sinnlos ist und das die Bundeswehr im Kampf macht, bleibt dann aber die Gesamtmaßnahme eine Polizeimaßnahme, in der die Bundeswehr unterstützende Funktion ausübt?

Prof. Dr. Ernst Benda (Minister:in)

Politiker ID: 11000139

Sicher, das ist ein besonderer Tatbestand, dessen Voraussetzungen, wie ich glaube, jetzt sehr scharf umschrieben sind, ausgehend von der Fassung des Umdrucks. Natürlich ist dies nur ein besonderer Tatbestand eines allgemein unter polizeilichen Gesichtspunkten zu betrachtenden Komplexes. Ich bin Ihnen dankbar, herr Kollege Könen, daß Sie mir durch Ihre freundliche Aufforderung Gelegenheit gegeben haben, das noch einmal zu sagen. Wie gesagt ich sehe keine Meinungsverschiedenheiten, keinen Anlaß zu Mißverständnissen. Sollte das der Fall gewesen sein, dann wäre ich froh, wenn das Mißverständnis jetzt beseitigt wäre. ({0})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Stammberger!

Dr. Wolfgang Stammberger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002215, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe mir in der Mittagspause weniger den Kopf über die Ausführungen von Herrn Minister Benda zerbrochen, sondern ich habe in der „Neuen Ruhr-Zeitung" einen interessanten Artikel gelesen, an den ich denken mußte, als eben Herr Dr. Rutschke hier sprach. In dem Artikel steht nämlich, die Protestbewegung gegen die Notstandsgesetze sei allmählich dabei, sich mit radikaler Romantik selbst ad absurdum zu führen. ({0}) Sehr geehrter Herr Kollege, daran habe ich denken müssen, als ich mir Ihre Vorstellungen anhörte, die Sie über den Einsatz der Polizei gegen organisierte und militärisch bewaffnete Aufstände haben. Herr Kollege Even hat vorhin sehr exakt dargelegt, wie hier gewissermaßen eine Eskalation stattfinden kann, vor allem auch eine juristische Eskalation, was vor allen Dingen der Artikel 87 Abs. 4 nach unserem Änderungsantrag auf Umdruck 470 darstellen soll. Herr Senator Ruhnau hat aus der polizeilichen Praxis dargelegt, wie die Dinge dann ablaufen, was uns hoffentlich erspart bleibt. Nun wissen wir eben, wenn man an den extremen Fall organisierter, militärisch bewaffneter Aufständischer denkt, meine Damen und Herren - so lautet es expressis verbis dann im Gesetz -, daß einmal eine Schwelle erreicht werden kann, wo die Polizei ganz einfach überfordert ist. ({1}) Man kann natürlich diesen Zeitpunkt hinausziehen. Das würde aber bedeuten, daß wir die Polizei stärker machen müssen, daß wir sie ganz anders ausrüsten müssen, nämlich ebenfalls militärisch, und daß wir sie entsprechend ausbilden müssen. ({2}) Meine Damen und Herren, das wollen wir doch alle nicht. Als wir gestern über das Widerstandsrecht in Art. 20 diskutierten, hat Herr Kollege Bucher gesagt, daß es eines solchen Widerstandsrechtes - und, meine Damen und Herren, auch hier handelt es sich letzten Endes um ein Widerstandsrecht - in einer demokratischen Verfassung eigentlich gar nicht bedürfe, denn zu jeder demokratischen Verfassung gehöre ein solches Widerstandsrecht ungeschrieben. Herr Kollege Bucher, davor möchte ich warnen. Herr Kollege Dr. Arndt hat mir heute früh aus der Seele gesprochen, als er gesagt hat, daß gerade das Verfassungsrecht die Kunst der Vollständigkeit ist. Wir sollten gerade hier, um nicht mit einem übergesetzlichen Notstand manipulieren zu müssen, ganz klar festlegen, wo als ultima ratio - aber auch nur dann - Bundeswehr zur Unterstützung der Polizei eingesetzt werden kann. ({3}) Ich glaube, daß der Änderungsantrag, der das, was wir bisher im Rechtsausschuß bereits festgelegt hatten, nicht ändert, sondern nur noch besser herauskristalisiert, alle Gefahr eines Mißbrauchs ausschaltet, aber auch deutlich macht, was unter Umständen eben sein muß, wenn es anders nicht mehr geht. ({4})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Keine weiteren Wortmeldungen. Abstimmung über den Änderungsantrag der Abgeordneten Dorn Busse ({0}), Frau Dr. Diemer-Nicolaus und der Fraktion der FDP auf Umdruck 456*). Wer diesem Änderungantrag der Fraktion der FDP zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Dieser Änderungsantrag ist abgelehnt. Nun, meine Damen und Herren, bitte ich Sie, sich die anderen Änderungsanträge in folgender Reihenfolge vorzunehmen: Umdruck 457 **), dann Umdruck 467 **) und dann erst Umdruck 470 ****) ; denn bevor über den Umdruck 470, der zu Nr. 6 b gehört, abgestimmt werden kann, muß, weil dieser Änderungsantrag den Art. 91 Abs. 2 betrifft, die Nr. 7 aufgerufen und über die beiden Änderungsanträge Umdruck 457 das ist der weitergehende, deshalb stimmen wir über den zuerst ab - und Umdruck 467 zu Art. 91 Abs. 2 abgestimmt werden. ({1}) - Nein, Herr Kollege Schmitt-Vockenhausen, ich muß jetzt erst fragen, ob zur Begründung des Änderungsantrages Umdruck 457 das Wort gewünscht wird. - Herr Abgeordneter Dorn zur Begründung des Änderungsantrages der Fraktion der FDP auf Umdruck 457; er ist unzweifelhaft der weitergehende.

Wolfram Dorn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000409, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Meiner Fraktion kommt es bei ihrem Änderungsantrag darauf an, daß die verfassungsrechtliche Situation des föderativen Staatsaufbaues in der Bundesrepublik hier nicht durch die Vorstellungen der Koalitionsfraktionen beseitigt wird. In Art. 91 Abs. 2, in dem bestimmt wird, *) Siehe Anlage 3 **) Siehe Anlage 5 ***) Siehe Anlage 6; ****) Siehe Anlage 4 welche Maßnahmen die Bundesregierung treffen kann, wenn ein Land nicht selbst zur Bekämpfung der Gefahr bereit oder in der Lage ist, soll nach unserem Antrage der Satz, der auch in dem Änderungsantrag, den der Herr Kollege Schmitt-Vockenhausen nachher begründen wird, enthalten ist „oder erstreckt sich die Gefahr auf das Gebiet mehr als eines Landes", gestrichen werden und zwar deswegen, weil, wenn das stehenbliebe, die sofortige Aktion der Bundesregierung begänne, selbst wenn sich eine Notsituation nur in zwei Ländern der Bundesrepublik Deutschland ereignete. Nehmen wir ein konkretes Beispiel: In Bremen und im Saargebiet - man könnte das auch mit anderen Ländern alternativ vortragen, meinetwegen in Rheinland-Pfalz und in Hamburg - treten Notstände ein, und in einem dieser Länder wird die Landesregierung mit den aufgetretenen Notständen nicht allein fertig. Dann sollte nach unserer Auffassung die Möglichkeit bestehen, daß dieses Land die Nachbarschaftshilfe des nächsten Landes mit in Anspruch nimmt; aber dann sollte nicht automatisch, wie es hier die Koalitionsfraktionen vorschlagen, sofort der Bund mit der Bundeskompetenz eingreifen und Praktisch die föderative Rechtsstruktur unseres Staates heseitigen. Wir meinen also, daß die Erhaltung der gegenwärtigen Rechtslage im Hinblick auf die primäre Zuständigkeit der Länder in der Behandlung dessen, was hier geregelt werden soll, auf jeden Fall wichtiger ist als die Entscheidung, die im Rechts- und im Innenausschuß gegen unsere Auffassung getroffen worden ist. (Beifall bei der FDP. - Abg. Rasner: Wo ist die Entschuldigung geblieben?"

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Nun im Zusammenhang damit Umdruck 467 ! Zur Begründung Herr Abgeordneter Schmitt-Vockenhausen.

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002033, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In den heutigen Debatten über den Art. 87 a Abs. 4 und in Zusammenhang damit über den Art. 91 ist deutlich geworden, daß die Stufenfolge entscheidend ist. Es ist tatsächlich so, daß hier in einem sehr frühen Stadium die Zuständigkeit der Bundesregierung gegeben wäre. Die Koalitionsparteien haben dabei auf Umdruck 467 einen Antrag eingebracht, der an dem Grundsatz, der in der jetzt geltenden Fassung festgelegt ist, nichts ändert. Ich will auf die Ausführungen des Kollegen Dorn im einzelnen nicht eingehen. Ich glaube aber, Herr Kollege Dorn, daß die Fassung, die die Koalitionsparteien vorgelegt haben, besser ist als das, was die FDP-Fraktion beantragt hat, weil der Antrag auch in einer anderen Frage die Struktur dieser Bestimmung stärker berücksichtigt. Ich bitte um Zustimmung. ({0})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Das Wort hat der Senator der Freien Hansestadt Hamburg, Herr Ruhnau. ({0})

Not found (Gast)

Ja, „und"! Es ist mit der hanseatischen Tradition in Bonn eben etwas schlecht bestellt. ({0}) Der Bundesrat begrüßt diesen Änderungsantrag. Ich möchte dies hier nur deswegen ausführen, weil sicherlich bei überregionalen Ereignissen, wie beim Art. 35 vorgesehen, nach einheitlichen Richtlinien verfahren werden muß. Der Bundesrat und die Länder akzeptieren, daß dann nicht jeder seinen eigenen Kohl kocht. Sie sind erfreut, daß der Föderalismus in diesem Hause so viele gute Verfechter findet. ({1}) Außerdem begrüßt es der Bundesrat, daß nicht nur an diesem Punkt eine Änderung eingetreten ist, sondern eine weitere Einschränkung erfolgt ist, daß hier einheitliche Richtlinien nur dann gegeben werden können, wenn dies zu einer wirksamen Bekämpfung der Lage notwendig ist. Ich wollte dies hier nur bemerken, um auch seitens des Bundesrates einmal klarzustellen, daß wir hier nicht am Buchstabenföderalismus kleben, sondern durchaus immer zu einer vernünftigen und notwendigen Kooperation bereit sind. ({2})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Keine weiteren Wortmeldungen. Wir stimmen über den Änderungsantrag der Fraktion der FDP auf Umdruck 457 *) ab. Wer ihm zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! -Enthaltungen? - Dieser. Änderungsantrag auf Umdruck 457 ist abgelehnt. Wir stimmen ab über den Änderungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU, SPD auf Umdruck 467 **). Wer ihm zuzustimmen wünscht, der gebe ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Dieser Änderungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU, SPD ist angenommen. Meine Damen und Herren, ich lasse über die Nr. 7 der Vorlage, über Art. 91, abstimmen. Wer diesem Art. 91 in der so geänderten Fassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Nr. 7, Art. 91, ist angenommen. Ich kehre zu der Nr. 6 b zurück und rufe den Änderungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU, SPD auf Umdruck 470 ***) auf. Wird zur Begründung das Wort gewünscht? Keine Wortmeldungen. Ich lasse abstimmen. Wer diesem Änderungsantrag Umdruck 470 der Fraktionen der CDU/CSU, SPD zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist angenommen. Wer der Nr. 6 b, Art. 87 a, in der so geänderten Fassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um *) Siehe Anlage 5 **) Siehe Anlage 6 ***) Siehe Anlage 4 ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Nr. 6 b ist in der so geänderten Fassung angenommen. Wir kommen zu Nr. 9. Ich rufe auf den Änderungsantrag zu Art. 115 a, Umdruck 458 s), und frage, ob die FDP als antragstellende Fraktion das Wort wünscht. - Das Wort zur Begründung hat Herr Abgeordneter Busse.

Hermann Busse (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000316, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren Kollegen! Ich darf zunächst einige formelle Änderungen ankündigen, die sich daraus ergeben haben, daß wir eine Reihe von Fragen durch die bisher erfolgten Abstimmungen in diesem unserem Antrag noch anschneiden mußten. ({0}) Natürlich wußten wir es, Herr Rasner, aber wir konnten uns ja nicht darauf einstellen. Das sind all die Fragen, die mit der Zusammensetzung, der Funktion, den Aufgaben des Gemeinsamen Ausschusses zusammenhängen. Unser Antrag auf Umdruck 458 geht jetzt - und ich bitte, den Antrag so aufzunehmen - nur dahin, daß der Vorlage des Rechtsausschusses in Art. 115 a Abs. 4, das ist also Nr. 9 der Ausschußdrucksache, ein Satz hinzugefügt wird, der lautet: „Ein Beschluß nach Abs. i und 2 ist binnen einer Woche nachzuholen", daß sodann ein Abs. 5 eingefügt wird, der dem entspricht, was in unserer Vorlage in Ziffer 5 enthalten ist: „Die Feststellung des Verteidigungsfalles wird unwirksam, wenn sie nicht nach vier Wochen erneuert wird. Das gleiche gilt nach Ablauf von vier Wochen nach Stellung eines Antrags auf erneute Beschlußfassung über den Verteidigungsfall durch mindestens 15 Abgeordnete." Das sind die einzigen Fragen, die jetzt noch zur Entscheidung stehen. Ich glaube, daß das nach diesen Ausführungen wohl klargeworden ist. Zur Begründung glaube ich mich auf wenige Sätze beschränken zu können. Der Eintritt des Verteidigungsfalles ist, wenn man von der Ausschußdrucksache ausgeht, nach übereinstimmender Meinung unter zwei Umständen möglich. Einmal ist Voraussetzung, daß faktisch ein Angriff erfolgt. Dieser hat die Konsequenz, daß der Verteidigungsfall als eingetreten gilt. Es besteht Übereinstimmung darüber, daß es im Interesse der Rechtsklarheit gut und notwendig ist, daß diese Tatsache aber auch festgehalten und verkündet wird, damit jedermann weiß: jetzt sind die Dinge da. Es kann sich aber häufig die Situation ergeben, daß selbst in diesem Fall das, was auf dem Papier so eindeutig aussieht, tatsächlich eine außerordentlich zweifelhafte Situation ist: Ist es bereits ein bewaffneter Angriff mit Waffengewalt auf das Bundesgebiet, oder sind es Grenzgeplänkel, die irgendwie hier oder da einmal auftreten können, und was ist überhaupt in dem Ganzen enthalten? Daher meinen wir, daß, wenn auch zunächst festgestellt ist, daß das Bundesgebiet mit Waffengewalt angegriffen wird, dieser Zustand ständig einer Kontrolle unterliegen muß, ob das, *) Siehe Anlage 7 Busse ({1}) was man zunächst angenommen hat, auch effektiv erfolgt ist. Daher der erste Antrag, daß ein Beschluß in diesem Fall binnen einer Woche, in der dann die notwendige Klarheit in jedem Falle erreicht ist, nachgeholt werden soll. Unser zweites Anliegen geht darüber hinaus. Es betrifft den Fall, daß der Verteidigungsfall durch einen Beschluß dieses Hohen Hauses festgestellt wird, aber ein Angriff selbst noch nicht vorliegt, sondern als unmittelbar bevorstehend, als unmittelbar drohend angenommen worden ist. In diesem Fall muß sich in relativ kurzer Zeit entscheiden, ob der unmittelbar drohende Angriff tatsächlich ausgeführt wird - dann sind klare Verhältnisse da - oder ob er unterbleibt. In dem letzten Fall kann, wenn einmal der Beschluß gefaßt worden ist, gesagt werden, daß der Angriff immer noch unmittelbar droht. Wenn die Dinge aber so liegen, soll nicht ad infinitum oder auf eine unübersehbare Zeit hinaus der Zustand der Unsicherheit bestehenbleiben, sondern dann soll nach einer gewissen Frist - wir haben eine Frist von vier Wochen vorgesehen - eine erneute Feststellung erfolgen, oder der einmal gefaßte Beschluß wird hinfällig und gegenstandslos. Bei den gesamten Beratungen, die wir über dieses schwierige Gesetzgebungswerk gehabt haben, haben wir Freien Demokraten und ich als ihr Sprecher im Rechtsausschuß im wesentlichen eine Grundtendenz vertreten: wir wollten den Eintritt des Verteidigungsfalles und damit das Abweichen von der Normalverfassung mit all den Möglichkeiten an möglichst schwierige Vorbedingungen knüpfen, umgekehrt aber das Zurückkehren in die Normalverfassungslage so leicht wie möglich ausgestalten. Die hier vorgeschlagenen Bestimmungen sollen diesen Zwecken dienen. ({2})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Einen Augenblick, Herr Abgeordneter, habe ich Sie recht verstanden, daß auf Ihrem Änderungsantrag Umdruck 458 die Ziffer 2 gestrichen wird, in Ziffer 3 nur der letzte Satz bleibt: Ein Beschluß nach Absatz 1 ist binnen einer Woche nachzuholen. ({0}) Ziffer 4 ist wieder gestrichen, Ziffer 5 bleibt, die Ziffern 6 und 7 sind gestrichen? ({1}) Wer wünscht dazu das Wort? - Herr Abgeordneter Dr. Lenz als Berichterstatter? - Als Berichterstatter hat der Herr Abgeordnete Dr. Lenz das Wort.

Prof. Dr. Carl Otto Lenz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001322, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Meine Damen und Herren! Wir haben im Ausschuß über diese Fragen, wie Herr Kollege Busse hier soeben mit Recht ausgeführt hat, ausführlich gesprochen und haben uns dagegen entschieden, ein automatisches Außerkrafttreten eines Spannungs- oder Verteidigungsfalles in unsere Vorschläge aufzunehmen. Der Grund war: wir glauben nicht, daß die Bewältigung einer solchen Situation in irgendeiner Weise dadurch erleichtert wird, daß in einer noch nicht geklärten Situation automatisch und ohne Rücksicht auf die politischen Verhältnisse hier eine Debatte darüber geführt werden muß, ob ein Grenzzwischenfall ein Krieg ist oder ob ein Angriff unmittelbar droht oder nicht. Wir glauben, daß diese Frage im Einzelfall entschieden werden muß und nicht automatisch geregelt werden kann. Wir sind der Auffassung, daß die Vorschrift des Artikel 1151, den wir Ihnen vorgeschlagen haben und der dem Bundestag jederzeit das Recht gibt, den Verteidigungsfall für beendet zu erklären, die sachgerechte Lösung dieses Problems beinhaltet. Ich möchte Sie deshalb bitten, den Antrag auf Umdruck 458 abzulehnen.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Keine weiteren Wortmeldungen. Abstimmung über den so geänderten, über den redigierten Änderungsantrag der Fraktion der FDP auf Umdruck 458 *). Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Dieser Änderungsantrag ist abgelehnt. Abstimmung über die Nr. 9, Artikel 115 a. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Artikel 115 a ist in der Fassung des Ausschusses angenommen. Ich rufe Artikel 115 c auf. Hierzu liegt ein Änderungsantrag der Fraktion der FDP auf Umdruck 460 Si vor. - Wünschen Sie das Wort? - Herr Abgeordneter Busse, bitte sehr, zur Begründung!

Hermann Busse (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000316, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen, meine Herren Kollegen! Eine Reihe von Gesetzen werden häufig erst Wochen oder Monate, nachdem sie von diesem Hause rechtskräftig beschlossen und verkündet sind, in Kraft gesetzt. Das ist deshalb der Fall, weil solche Gesetze Änderungen gegenüber der bestehenden Rechtslage herbeiführen können, auf die sich viele in der Bundesrepublik einstellen und für die sie Vorbereitungen treffen müssen. Sie müssen sie kennenlernen, die Behörden müssen sich mit den neuen Gesetzen befassen, um sie, wenn sie in Kraft treten, möglichst reibungslos durchführen zu können. In keinem dieser Gesetze habe ich bisher eine Klausel des Inhalts gelesen, wie wir sie in Artikel 115 d Abs. 4 der Ausschußvorlage vorfinden, in dem nämlich ausdrücklich gesagt wird, daß die Gesetze, bevor sie endgültig in Kraft treten, Anwendung nur zur Vorbereitung ihres Vollzuges finden. In dem Bericht ist ausdrücklich hervorgehoben, daß diese Bestimmung nur verwaltungsinterne Bedeutung haben sollte. Wenn das aber der Fall ist - ich habe keinen Zweifel, daß das beabsichtigt ist -, kann dieser Passus gestrichen werden. Wenn wir nämlich ein Gesetz beschließen, das zwar nicht so- *) Siehe Anlage 7 **) Siehe Anlage 8 Busse ({0}) fort, aber demnächst einmal und dann sehr plötzlich in Kraft treten soll, ist es eine Selbstverständlichkeit, daß sich eine Verwaltung, ohne eine Rechtsverletzung zu begehen, auf die Anwendung dieses Gesetzes vorbereiten kann,' ja, vorbereiten muß. Das ist so selbstverständlich, daß wir das nicht mehr in eine Verfassung hineinzuschreiben brauchen. Schon deshalb bedarf es der Streichung. Es kommt aber ein Weiteres hinzu, und das ist mir wesentlicher. In den nächsten drei, vier oder meinetwegen fünf Jahren wird mancher, der sich mit dieser etwas dunklen Bestimmung befassen wird, auf den Bericht zurückgreifen und fragen: Ja, was haben denn nun eigentlich die klugen Leute damals damit gewollt? Er wird es dann feststellen. Meine Damen und Herren, nach zehn Jahren guckt niemand mehr in den Bericht des Ausschusses hinein, und dann wird man sich nur an den Text halten, wie er vorliegt. Tut man das aber, gerät man effektiv in die allerärgsten Schwierigkeiten; denn darin steht nichts davon, daß die Bestimmung, nach der das Gesetz schon vor seinem Vollzug angewendet werden kann, nur verwaltungsinterne Bedeutung habe, sondern jeder, der es will, kann sie dahingehend auslegen, daß Maßnahmen, die erst auf Grund der später in Kraft tretenden Gesetze ergriffen werden können, schon vorher geprobt werden können. Das ist das, was der unbefangene Leser aus dieser Bestimmung herausliest. Das wollen Sie nicht, das wollen wir nicht, und daher muß diese Bestimmung gestrichen werden. ({1})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Wird dazu das Wort gewünscht? ({0}) - Als Berichterstatter? - Das Wort als Berichterstatter hat Herr Abgeordneter Lenz.

Prof. Dr. Carl Otto Lenz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001322, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Meine Damen und Herren, ich möchte Sie bitten, den Änderungsantrag der Fraktion der FDP abzulehnen. Die Bestimmung des Art. 115 c Abs. 4, die wir hier aufgenommen haben, übernimmt eine Regelung des Regierungsentwurfes. Auch der Bundesrat hat ihr zugestimmt. Wir sind der Auffassung, daß es bei einigen dieser Gesetze Vorbereitungsmaßnahmen rein organisatorischer und verwaltungsmäßiger Art geben muß, damit ihre Anwendung im Verteidigungs- bzw. im Spannungsfall gesichert ist. Wir glauben, (fall hierfür eine Rahmenvorschrift geschaffen werden muß. Ich möchte Sie deshalb bitten, so zu verfahren, wie der Ausschuß vorgeschlagen hat.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Einen Augenblick, Herr Berichterstatter! Gestatten Sie eine Zwischenfrage? - Herr Abgeordneter Dr. Rutschke!

Dr. Wolfgang Rutschke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001909, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Kollege Lenz, würden Sie so liebenswürdig sein, uns ein Beispiel zu geben, was man eigentlich damit meint. Es ist doch unverstandlich, ein Gesetz in Kraft zu setzen, nur um die verwaltungsmäßigen Vorbereitungen durchführen zu können. Das versteht doch kein Mensch.

Prof. Dr. Carl Otto Lenz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001322, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich werde versuchen, Ihnen ein Beispiel zu bilden. Für die Fälle der Mobilmachung kann es notwendig sein, Kraftfahrzeuge zu beschlagnahmen, und es scheint mir erforderlich zu sein, daß sich die Verwaltung schon vorher, bevor eine solche Beschlagnahme durchgeführt wird, einen Überblick über den Bestand an Kraftfahrzeugen verschafft, ({0}) denselben karteimäßig festhält und auf diese Weise vorbereitet. Damit habe ich, glaube ich, Ihre Frage beantwortet, auch wenn Sie damit nicht zufrieden sein sollten, Herr Rutschke.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Ich lasse abstimmen über den Änderungsantrag der Fraktion der FDP auf Umdruck 460. Wer zuzustimmen wünscht, gehe bitte ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Dieser Änderungsantrag ist abgelehnt. Ich lasse abstimmen über die beiden Art. 115 b und 115 c in der ungeänderten Fassung des Ausschusses, so wie es hier steht. Wer Art. 115 b und 115 c zuzustimmen wünscht, gebe bitte ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das sind etwas mehr Neinstimmen und einige Enthaltungen, aber diese Art. 115 b und 115 c sind mit Mehrheit angenommen. Das Wort zur Geschäftsordnung gebe ich Herrn Abgeordneten Dr. Bucher.

Dr. Ewald Bucher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000288, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Darren und Herren! Nur eine kleine Stilfrage. Herr Kollege Lenz hat, als er sich die beiden letzten Male zum Wort meldete, auf ausdrückliches Befragen erklärt, er spreche als Berichterstatter. Er hat dabei aber jedes Mal gegen einen Änderungsantrag der FDP-Fraktion Stellung genommen und vorgeschlagen, diesen Antrag abzulehnen. Ich meine, daß das nicht Aufgabe des Berichterstatters ist. Der Berichterstatter hat zu berichten, was im Ausschuß beschlossen worden ist, aber keine Stellungnahme abzugeben. ({0})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Meine Damen und Herren! Diese Sache ist natürlich des Nachdenkens wert. Ich gebe zu, daß der Berichterstatter damit die Grenze betritt, an der man streiten kann. Aber, Herr Kollege Dr. Bucher, ich appelliere jetzt an Sie, den erfahrenen Juristen: Wenn Sie sich die Vorlage, die wir hier vor uns haben, einmal ansehen, finden Sie auf Seite 2t) eine Stelle, die sonst meist nicht das besondere Interesse des Hauses findet. Dort steht: „Antrag des Ausschusses", und da heißt es: ,.Der Ausschuß beantragt, den Gesetzentwurf in der aus der nachstehenden Zusammenstellung ersichtlichen Fassung anzunehmen". Und unter diesem Antrag des Ausschusses steht auch Herr Dr. Lenz als Berichterstatter. Ich halte es desDeutscher Bundestag - 5. Wahlperiode Präsident D. Dr. Gerstenmaier halb für erlaubt - und wir kommen damit nur der internationalen Übung, in der das Berichterstatterwesen meist einen etwas breiteren Platz hat als bei uns in diesem Haus, etwas näher -, daß der Berichterstatter als solcher votiert, soweit er dabei auf der Linie der amtlichen Äußerung des Ausschusses bleibt. Das hat der Herr Berichterstatter in diesen Fällen getan. ({0}) Aber vielleicht unterhalten wir uns darüber noch einmal. - Wollen Sie dazu noch einmal das Wort zur Geschäftsordnung? ({1}) - Nur langsam! Dieses Intermezzo ist interessant, genug, auf das wollen wir jetzt ruhig noch einmal eingehen. Das Wort zur Geschäftsordnung hat Herr Abgeordneter Dr. Bucher.

Dr. Ewald Bucher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000288, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Sicher, Herr Präsident, ist der Berichterstatter insoweit autorisiert, als der Ausschuß beschlossen hat. Aber der Berichterstatter und der Ausschuß konnten ja nicht voraussehen, welche Änderungsanträge kommen. Darüber hat der Ausschuß nicht beschlossen.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Aber der Berichterstatter kann natürlich beurteilen, ob ein solcher Änderungsantrag noch auf der Linie der Generalbeschlüsse des Ausschusses liegt, davon abweicht oder gar diese Linie aufhebt. Das Wort zur Geschäftsordnung hat nun - als was, als Berichterstatter? ({0}) Herr Abgeordneter Dr. Lenz.

Prof. Dr. Carl Otto Lenz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001322, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Bucher hat vielleicht recht. Ich hätte sagen sollen: „den Antrag des Ausschusses annehmen". Wir haben aber - und das habe ich auch, glaube ich, deutlich gemacht - diese Frage im Rechtsausschuß beraten, und ich habe mich auf die schriftliche Begründung bezogen.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Meine Damen und Herren, jetzt geht es weiter. Jetzt kommt Art. 115 d. Hierzu liegen Änderungsanträge nicht vor. Wird das Wort dazu gewünscht? - Das Wort wird nicht gewünscht. Wer diesem Art. 115 d zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. -Gegenprobe! - Enthaltungen? - Art. 115d ist angenommen. Dann kommt Art. 115 e. Hier liegt ein Streichungsantrag auf Umdruck 461 *) vor, Änderungsantrag der *) Siehe Anlage 9 Fraktion der FDP. Wird das Wort zur Begründung gewünscht? ({0}) - Erledigt, über diesen Antrag braucht also nicht abgestimmt zu werden. - Ich frage, ob zu Art. 115 e das Wort gewünscht wird. - Keine Wortmeldung. Abstimmung über Art. 115 e in der Ausschußfassung. Wer zuzustimmen wünscht, gebe bitte ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Art. 115 e ist angenommen. Art. 115 f. Wie verhält es sich damit? - Zur Begründung des Änderungsantrags der Fraktion der FDP **) Herr Abgeordneter Dorn.

Wolfram Dorn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000409, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es geht hier um eine Entscheidung, die schon in der vorigen Legislaturperiode heftig umstritten war, und zwar um die Frage des Eingriffs in die Landesrechte und der Beauftragung einzelner Personen in einzelnen Ländern durch die Bundesregierung über die Landesregierung hinweg. Wir sind der Meinung, daß hier eine äußerst problematische Regelung vorgesehen ist. Der Text lautet zunächst: Die Bundesregierung kann außer der Bundesverwaltung auch den Landesregierungen Weisungen erteilen. Insofern wären wir bereit, dem zu folgen, und das beantragen wir mit unserem Änderungsantrag. Aber dann geht es weiter: „und, wenn sie es für dringlich erachtet, den Landesbehörden Weisungen erteilen". Das heißt, daß die Bundesregierung direkte Weisungsbefugnis einzelnen Landesbehörden gegenüber bekommen soll. Wir halten das für ein äußerst problematisches Verfahren, Die Bundesregierung sollte den Landesregierungen Weisungen erteilen können, und die Landesregierungen sollten ihrerseits das Weisungsrecht, das sie gegenüber ihren eigenen Behörden haben, ausüben. Das ist das erste. Das zweite ist eigentlich noch viel problematischer. Da heißt es weiter in der Ausschußvorlage: „und diese Befugnis" also den Landesbehörden Weisungen zu erteilen - „auf von ihr zu bestimmende Mitglieder der Landesregierungen übertragen". Ohne jetzt einen Vergleich mit der Zeit des NS-Staates zu ziehen, ist von allen Kollegen in der Diskussion immer wieder die Frage des sogenannten Reichsleiterprinzips angesprochen worden. Wir meinen, daß die verfassungspolitische Vorstellung, die dahinter steht, den Koalitionsfraktionen Anlaß zum Nachdenken sein sollte. Die Weisungsbefugnis, die der Bundesregierung hier gegeben werden soll, geht über alle verfassungspolitischen Vorstellungen, die über alle verfassungspolitischen Vorstellungen, die bisher von den Koalitionsfraktionen, insbesondere von den sozialdemokratischen Bundestagskollegen, vorgetragen worden sind, weit hinaus. Sie ist genau das Gegenteil dessen, was Sie selbst bisher immer vorgetragen haben. Ich will jetzt nicht vorlesen, was Sie uns hierzu noch vor wenigen Tagen schriftlich übergeben haben. **) Siehe Anlage 10 Ich meine also, meine Damen und Herren, dieser Antrag ist von der Sache her auf Grund der Verfassungssituation, die wir in unserem Lande haben, begründet. ({0})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Wird dazu das Wort gewünscht? - Keine Wortmeldung. Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der FDP Umdruck 462. Wer zuzustimmen wünscht, gebe bitte ein Handzeichen. Gegen- probe! - Enthaltungen? Dieser Änderungsantrag 462 ist abgelehnt. Abstimmung über den Art. 115 f in der Fassung des Ausschusses. Wer zuzustimmen wünscht, gebe bitte ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? Art. 115 f ist in der Fassung des Ausschusses angenommen. Zu Art. 115 g liegen keine Änderungsanträge vor. Wird das Wort gewünscht? - Keine Wortmeldungen. Wer diesem Art. 115 g in der Fassung des Ausschusses zuzustimmen wünscht, gebe bitte ein Handzeichen. - Gegenprobe! Enthaltungen? Dieser Art. 115 g ist angenommen. Art. 115 h. Hierzu liegt der Umdruck 463 *), Änderungsantrag der Fraktion der FDP, vor. Ich frage, ob das Wort zur Begründung gewünscht wird? Herr Abgeordneter Busse!

Hermann Busse (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000316, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren Kollegen! Der Ihnen nunmehr vorliegende Antrag greift ein Problem auf, das wir im Grundsatz bereits erörtert haben, als wir über die Zusammensetzung und den Abstimmungsmodus bei dem Gemeinsamen Ausschuß, von uns Notparlament genannt, sprachen. Ich habe in diesem Zusammenhang als Sprecher meiner Fraktion vorgetragen, daß wir an gewissen Grundprinzipien, die die Verfassung nun einmal hat und die im Verteidigungsfall nicht geändert zu werden brauchen, weil eine Notwendigkeit dafür nicht besteht, nach Möglichkeit festhalten sollten. Daher haben wir, obgleich wir keine inkarnierten Föderalisten sind, beantragt, mit Rücksicht auf die jetzt bestehende Verfassung grundsätzlich die Trennung von Bundestag und Bundesrat auch in den Gemeinsamen Ausschuß hineinzutransferieren. Zu unserer Überraschung hat sich der Bundestag, der sonst die föderalistischen Prinzpien so stark hervorhebt, nicht zu einer solchen Änderung entschließen können. In diesem Antrag nun ist das Gegenstück von dem zu finden, was wir früher beantragt haben. Hier beantragen wir für gewisse Aufgaben, nämlich für die Neuwahl eines ausgefallenen Bundeskanzlers und auch für das konstruktive Mißtrauensvotum, daß in diesen Fällen nur die Mitglieder des Bundestages im Gemeinsamen Ausschuß diese Funktionen wahrnehmen sollten; denn bei der Wahl des Bundeskanzlers, ganz gleich, ob aus dem einen oder dem anderen Grunde, handelt es sich um eine echte und ureigenste Aufgabe nur des Bundestages, bei der *) Siehe Anlage 11 der Bundesrat in keiner Weise beteiligt ist, und das alles aus wohlüberlegten Gründen. Es ist um so mehr notwendig, diese Teilung bei dieser einen besonderen Aufgabe durchzuführen, als ja bei der Konzeption, die Sie jetzt bei den Abstimmungen des Gemeinsamen Ausschusses zugrunde gelegt haben, völlig abweichende Mehrheiten im Vergleich zu denen des Bundestages bestehen können und mit höchster Wahrscheinlichkeit sogar entstehen werden. Sie können also, wenn Sie auch hier Ihren Modus durchsetzen wollen, die meines Erachtens unnatürliche Situation herbeiführen, daß Sie einen Bundeskanzler mit der Mehrheit wählen, die im Gemeinsamen Ausschuß auf Grund seiner Zusammensetzung besteht, die aber nicht der Mehrheit des Normalparlaments entspricht. Das würde bedeuten, daß entweder die Mehrheit des Normalparlaments diesen Bundeskanzler hinnehmen müßte oder daß das wäre eigentlich noch unglücklicher - durch ein neues konstruktives Mißtrauensvotum dieser Bundeskanzler, sobald man zur Normallage zurückkehrt, gestürzt werden müßte, wenn er nicht freiwillig zurücktritt. Alles das vermeidet man, wenn man die Wahl des Bundeskanzlers in dem einen oder anderen Fall so durchführt, wie sie jetzt im Grundgesetz geregelt ist, daß der Bundestag oder, wenn er nicht funktions- und handlungsfähig ist, der an seine Stelle tretende Ausschuß mit den Mitgliedern des Bundestages diese Wahl vornimmt. Das ist unser Anliegen. Ich darf darauf hinweisen, daß in der vorigen Legislaturperiode auch die Vorlage des Rechtsausschusses in dieser Form an das Haus gegangen ist. Diese Regelung war auch damals vorgesehen, und es besteht daher keine Notwendigkeit, das jetzt zu ändern. ({0})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Lenz.

Prof. Dr. Carl Otto Lenz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001322, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben uns über die Frage der Konstruktion des Gemeinsamen Ausschusses und über die Fragen des Bund-Länder-Verhältnisses im Ausschuß eingehend unterhalten und haben dabei folgende Linie eingehalten. Wir haben in allen Fällen, wo wir auf Grund der vorherigen Beratungen die Stellungnahme des Bundesrates zur Regierungsvorlage kannten, uns der. Auffassung des Bundesrates zur Regierungsvorlage angeschlossen, weil wir der Auffassung waren, Herr Kollege Busse, daß der Bundesrat das von der Verfassung eingesetzte Organ zur Wahrung der föderalistischen Struktur ist und daß es einen etwas merkwürdigen Eindruck macht, wenn wir päpstlicher als der Papst sind. Zu der Frage der Wahl des Bundeskanzlers hat es eine sehr eingehende und sehr interessante Diskussion gegeben. Wir haben damals einvernehmlich, glaube ich, folgendes festgestellt: Der Gemeinsame Ausschuß - oder das Notparlament, wie Sie es nennen - ist eine Konstruktion aus Bundestag I und Bundesrat. Man kann nun versuchen, sozusagen Dr. Lenz ({0}) Bundestag und Bundesrat in verkleinerter Form im normalen Rahmen weiter funktionieren zu lassen. Wir haben uns dazu entschlossen, das nicht zu tun, weil wir nicht wollten, daß gewisse verfassungsmäßige Komplikationen des normalen Funktionierens - ich denke an zustimmungsbedürftige und nicht zustimmungsbedürftige Gesetze - hier das Funktionieren des Gemeinsamen Ausschusses erschweren. In der Vorlage der FDP war die Trennung der Bänke nicht radikal durchgeführt, sondern es war vorgesehen, daß bei fehlender Übereinstimmung von Bundestags- und Bundesratsbank eine qualifizierte Mehrheit des Notparlaments entscheiden könnte. Die Regierungsvorlage und damit die Ausschußvorlage - und dafür haben sich die Koalitionsfraktionen entschlossen - haben das Prinzip der einheitlichen Wahrnehmung der Rechte des Bundestages und Bundesrates konsequent durchgeführt, auch hier im Falle der Wahl des Bundeskanzlers. Wir haben nur in einem Punkte eine Änderung gegenüber der Regierungsvorlage vorgenommen, indem wir die Mehrheit von der absoluten auf die Zweidrittelmehrheit erhöht haben. Dadurch ist sichergestellt, daß bei 22 Angehörigen des Bundestages und 11 Angehörigen des Bundesrates jedenfalls auch eine große Mehrheit der Bundestagsabgeordneten hier mitstimmen muß. Ich möchte Sie deshalb bitten, der Ausschußvorlage zuzustimmen.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Es liegen keine weiteren Wortmeldungen mehr vor. Wir stimmenn über den Änderungsantrag der Fraktion der FDP auf Umdruck 463 ab. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag auf Umdruck 463 ist abgelehnt. Wir stimmen über den Art 115 h in der Fassung des Ausschusses ab. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Art. 115h ist angenommen. Art. 115 i! Kein Änderungsantrag. Wird das Wort dazu gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Wir stimmen über den Art. 115 i in der Ausschußfassung ab. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Art. 115 i ist angenommen. Art. 115 j! Es liegt ein Änderungsantrag der FDP auf Einfügung eines Art. 115 j vor'). Wird dazu das Wort gewünscht? ({0}) - Ist das erledigt, stimmt das? ({1}) - Dieser Antrag ist also erledigt. Artikel 115 k. Keine Änderungsanträge. Wird das Wort dazu gewünscht? - Das Wort wird nicht gewünscht. Abstimmung über den Art. 115 k in der Fassung des Ausschusses. Wer zuzustimmen wünscht, gebe bitte ein Handzeichen. - Gegen- *) Siehe Anlage 12 probe! - Enthaltungen? - Art. 115 k ist in der Fassung des Ausschusses angenommen. Artikel 1151. Hier liegt ein Änderungsantrag der Fraktion der FDP vor, Umdruck 465 *). Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Herr Abgeordneter Busse!

Hermann Busse (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000316, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen. Meine Herren Kollegen! Auch hier kann ich mich nach den Erörterungen, die wir schon vorher gepflogen haben, verhältnismäßig kurz fassen. Ich habe soeben bereits ausgeführt, daß es unser Anliegen bei dem gesamten Gesetzentwurf gewesen ist, daß das Heraustreten aus der Normalverfassung und das Hinübertreten in die Ausnahmeverfassung im Verteidigungsfall mit allen Kautelen, die nur eben möglich sind, ausgestattet werden müßte, weil dieser Schritt für unser gesamtes Verfassungsleben von entscheidender Bedeutung ist. Ich habe weiter ausgeführt, daß umgekehrt die Rückkehr zur Normalverfassung nach unseren Vorstellungen und Wünschen so klar und einfach insbesondere das letzte wie möglich gemacht werden sollte. Nun scheint es mir eine Selbstverständlichkeit zu sein, daß das, was man an den Anfang setzt, seine Entsprechung am Ende des Aufnahmezustandes, der im Verteidigungsfall besteht, finden müßte. Am Anfang haben wir gesagt, daß der Verteidigungsfall als eingetreten gilt, wenn ein Angriff faktisch vorliegt. Es ist logisch, daß ebenso, wie ein automatisches Eintreten des Verteidigungsfalles von uns vorgesehen ist, ein automatisches Außerkrafttreten dieses Verteidigungsfalles vorgesehen werden muß, wenn der Angriff nicht mehr besteht. Man hat mir entgegengehalten, das sei eine durchaus problematische Sache. Denn wer wolle das nun wirklich feststellen? Ich kann nur sagen, es ist nicht problematischer als die Frage, ob ein Angriff vorliegt. Ebenso kann es problematisch sein, ob ein Angriff nicht mehr vorliegt. Das eine ist nicht problematischer als das andere. Wenn wir am Anfang sagen, wenn ein Angriff vorliegt, tritt der Verteidigungsfall ein, können wir am Ende sagen: wenn er nicht mehr vorliegt, ist er beendet. Dann wird keine Regierung, wie auch immer sie geartet sein mag, wird kein Parlament, wie auch immer es geartet sein mag, den Standpunkt einnehmen können, es bestehe immer noch der Ausnahmezustand, obgleich faktisch seine Voraussetzungen nicht mehr vorliegen, sondern jeder Bundesbürger ist dann in der Lage, sich gegen Maßnahmen zu wenden, die auf Grund eines angeblich noch bestehenden Verteidigungsfalles durchgeführt werden müßten. Dieses rechtsstaatliche Anliegen sollte nicht unterschätzt werden. Im Ausschuß haben wir, das muß ich zu diesem Punkt sagen, darüber gesprochen, aber aus der Abneigung gegen automatisches Außerkrafttreten hat man geglaubt, auch dieses Problem erfassen zu können, und es deshalb abgelehnt. So einfach liegen hier die Dinge nicht. Ich verkenne nicht, daß es vertretbar erscheint, zu *) Siehe Anlage 13 Busse ({0}) sagen: Wenn auf Grund eines Beschlusses der Verteidigungsfall festgestellt ist, soll er auch nicht einfach durch Zeitablauf oder ähnliche Dinge außer Kraft treten. Darüber kann man verschiedener Meinung sein. Man sollte aber nicht verschiedener Meinung darüber sein, daß der Verteidigungsfall nicht mehr vertretbar ist, wenn kein Angriff mehr vorliegt. Dem können Sie aber nur gerecht werden, wenn Sie unserem Antrag zustimmen. Ich bitte deshalb um Annahme dieses Antrages. ({1})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Lenz.

Prof. Dr. Carl Otto Lenz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001322, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir glauben, im Rechtsausschuß mit der Ihnen vorliegenden Vorlage eine bessere Lösung gefunden zu haben, indem wir bei Vorliegen der Voraussetzungen des Endes des Verteidigungsfalls, d. h. wenn die Kampfhandlungen aufgehört haben, die Organe der Bundesrepublik verpflichten, den Verteidigungsfall für beendet zu erklären. Damit ist jede Klarheit geschaffen, wann was ist. Wir glauben, daß diese Regelung aus Gründen der Rechtsklarheit der soeben geschilderten vorzuziehen ist. Ich möchte Sie bitten, auch in diesem Fall bei der Ausschußvorlage zu bleiben.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Keine weiteren Wortmeldungen. Wir stimmen über den Änderungsantrag Umdruck 465 der Fraktion der FDP ab. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag Umdruck 465 ist abgelehnt. Wir stimmen über Art. 1151 in der Fassung des Ausschusses ab. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Art. 1151 ist in der Fassung des Ausschusses angenommen. Auf Umdruck 466 S) liegt der Änderungsantrag der FDP auf Einfügung eines Art. 115 m vor. Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das Wort zur Begründung hat der Herr Abgeordnete Dr. Bucher.

Dr. Ewald Bucher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000288, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit diesem letzten Änderungsantrag schlagen wir Ihnen eine Generalklausel vor, die man eigentlich unter ein Motto stellen könnte, das bei den Koalitionsparteien Anklang finden sollte: Sicher ist sicher. Wir möchten gewährleistet haben, daß von allen Befugnissen und Ermächtigungen, die in diesem Gesetz enthalten sind, nur Gebrauch gemacht werden darf, „wenn und soweit dies zur Abwehr der unmittelbar drohenden Gefahr erforderlich ist". Diese Bestimmung hat einen Vorläufer. Tm 4. Deutschen Bundestag war nämlich zunächst in *) Siehe Anlage 14 der Regierungsvorlage Drucksache IV/891 ein Art. 115 k enthalten, der in seinem wesentlichen Teil lautete: Besteht in einem Land ein Zustand ... - der inneren Gefahr -so kann ... der Landtag für die Dauer dieses Zustandes, soweit dies zur Bekämpfung der Gefahr erforderlich ist, ... Notgesetze ... erlassen ... Diese Klausel: „soweit dies zur Bekämpfung der Gefahr erforderlich ist" fehlte in der Ausschußvorlage Drucksache IV /3494. Sie fehlte mit der ausdrücklichen Begründung, daß man eine Generalklausel, Art. 115 c, eingesetzt habe, die damals lautete: Von den Befugnissen nach den Artikeln 115 d bis 115 i darf nur Gebrauch gemacht werden, soweit dies zur Abwehr der Gefahr erforderlich ist. Also hat man das Bedürfnis einer solchen Generalklausel im Ausschuß damals durchaus gesehen. Wir meinen, daß es auch heute noch besteht. Was ich dazu vortrage, ist kein vollständiger Überblick. Es sind nur ein paar Beispiele, z. B. der soeben von uns kritisierte Art. 115 c Abs. 4, wonach Bundesgesetze zur Vorbereitung ihres Vollzugs schon vor Eintritt des Verteidigungsfalls angewandt werden. Hier steht überhaupt keine Einschränkung solcher Art drin. Dann haben wir Art. 115 f. Da steht die Klausel: „soweit es die Verhältnisse erfordern". Nun, das ist eine ziemlich unbestimmte Klausel. Die Verhältnisse sind einmal so und sie sind auch einmal nicht so. Es wäre also entschieden vorzuziehen, eine klarere Klausel, eine wie die von uns vorgeschlagene zu haben. Ebenso steht auch in Art. 115 c Abs. 2 wieder die Klausel, nach der auf die „Verhältnisse" abgestellt wird. In Art. 115 i ist zwar eine Einschränkung enthalten, aber sie lautet wieder anders. Es heißt: ... erfordert die Lage unabweisbar ein sofortiges selbständiges Handeln ... Demgegenüber wäre doch sicher vorzuziehen, wenn wir eine allgemeine Richtlinie hätten, die im Gesetz klar festlegt, wann von Befugnissen oder Ermächtigungen Gebrauch gemacht werden darf, abgesehen davon, daß ich meine, daß das auch eher dem Art. 80 des Grundgesetzes entspricht. ({0})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Wortmeldungen? - Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Lenz.

Prof. Dr. Carl Otto Lenz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001322, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist überhaupt sehr interessant, Herr Kollege Bucher, einmal in Gesetzgebungsgeschichte des 4. Deutschen Bundestages zurückzugehen. Außer den zitierten Beispielen ließe sich noch eine ganze Reihe anderer Beispiele Dr. Lenz ({0}) finden, die man heute hätte zitieren können. Wir haben das nicht getan. Zur Sache möchte ich eines sagen: Wir würden die Einfügung dieses Artikels für falsch halten, Herr Kollege Bucher, und zwar deshalb, weil nach unserer Auffassung der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ein durchgehender Grundsatz in der Verfassung ist, der im Frieden wie im Spannungs- und im Verteidigungsfall gilt. Die Einfügung nur unter dem Titel „Verteidigungsfall" würde nach unserer Auffassung sogar zu Fehlinterpretationen bezüglich der Geltung dieses Grundsatzes in der übrigen Zeit führen können. Wir sind also der Auffassung, daß es sehr viel besser ist, wenn wir es bei dem ungeschriebenen und der Verfassung innewohnenden Grundsatz der Verhältnismäßigkeit belassen und ihn nicht für einen Teilbereich der Verfassung aufführen. Ich möchte Sie deshalb auch hier bitten, bei der Ausschußfassung zu bleiben.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Keine weiteren Wortmeldungen. - Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der FDP auf Umdruck 466. Das ist der letzte Änderungsantrag. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe. - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist abgelehnt. Ich rufe auf die Nr. 10. Keine Änderungsanträge. Wird das Wort gewünscht? Das ist nicht der Fall. Dann lasse ich jetzt abstimmen über Nr. 10, Einleitung und Überschrift. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! Enthaltungen? - Nr. 10 sowie Einleitung und Überschrift sind angenommen. ({0}) - § 2 fehlt auch noch! Wer dem § 2 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! Enthaltungen? - Auch dieser § 2 ist unverändert angenommen. Damit, meine Damen und Herren, ist die zweite Lesung beendet. Ehe ich sie aber für beendet erkläre, gebe ich das Wort zu diesem Tagesordnungspunkt dem Herrn Abgeordneten Dr. Barzel.

Dr. Rainer Barzel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000102, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Rang des Problems, über das wir hier zwei Tage vor dem deutschen Volk und im Deutschen Bundestag debattiert haben, und die verfassungspolitische Bedeutung dieser Entscheidung rechtfertigen, auch im Hinblick auf den besonderen Charakter dieser zweiten Lesung und die alliierten Vorbehaltsrechte, einige knappe Schlußbemerkungen. Erstens: Einige Bürger fragen uns, was sich nun nach dieser Entscheidung in zweiter Lesung ändern wird. Was wird, so fragen sie, aus unseren Rechten, welche Rechte des Bürgers, welche Rechte des Parlaments und welche Rechte der Bundesregierung werden von nun an anders? Die Antwort ist eindeutig, sie lautet: Die Rechte des Bürgers, die Rechte (les Parlaments und die Rechte der Bundesregierung bleiben morgen unverändert, so wie sie jetzt sind. ({0}) Das ist die Lage. Ändern wird sich nur und das erst nach der dritten Lesung - zweierlei: Einmal werden wir Deutschen von dann an auch insoweit Herr im eigenen Hause sein. Wir werden, falls es in unserer Geschichte - und es liegt wesentlich an der Politik, die hier betrieben wird, ob es dazu kommt, und wir werden das Unsere dazu tun, daß es nie dazu kommt - jemals zu einer Stunde der Not kommen sollte, nun selbst, nämlich hier in Bonn, und zwar demokratisch legitimiert, entscheiden, was dann sein soll, und nicht in Washington, London und Paris anfragen müssen. Wir werden dies dann selbst tun können. Zum anderen ändert sich: Dann weiß jeder deutsche Bürger - und ich nehme hier etwas auf, was der Bundesminister der Justiz hier vor kurzem gesagt hat -, weiß jeder im Lande, hier und draußen, weiß aber auch dieses Parlament und weiß die eigene Regierung, was sie in der Stunde der Not darf und was sie nicht darf. Dies wird durch diese Gesetzgebung anders. Dies wird anders durch diese Gesetzgebung. Es gilt dann in der Stunde der Not allein das, was dieses Haus in freier Entscheidung verpflichtend festgelegt hat. Damit bleibt auch in der Stunde der Not, falls sie je eintreten sollte, etwa durch eine Katastrophe, der Rechtsstaat erhalten. Nur dies beides wird anders. Das war das erste, was man, glaube ich, festhalten muß. Das zweite ist ein Wort an uns hier, wenn ich das so sagen darf. Wir haben Sie werden es erlauben, daß wir von unserer Fraktion das sagen - nach vielen Anläufen, vor allen Dingen nach dreien, wenn man an die Entwürfe der Bundesregierung denkt, in zweiter Lesung eine Notstandsverfassung bekommen. Dies war, was die Entwürfe der Bundesregierung betrifft, der dritte Anlauf. Zweimal haben wir von der Union mit den Freien Demokraten zusammen in der Bundesregierung Entwürfe zur Diskussion vorgelegt. Dieser Ihr Anteil an dieser mehr als zehnjährigen Debatte soll nicht vergessen werden. ({1}) Wir haben nun einen dritten Anlauf gemacht. Wir haben eine Diskussion auf Grund einer Vorlage der Regierung der Union mit den Sozialdemokraten gehabt. Es ist nun kein Geheimnis mehr, es ist eine Tatsache, daß in der zweiten Lesung das nun entschieden worden ist. Dieser dritte Anlauf hat uns mindestens bis hierher gebracht, und ich bin zuversichtlich, er wird uns über die Hürde auch der dritten Lesung noch bringen. ({2}) Somit hat sich diese Große Koalition als fähig erwiesen, große Fragen demokratisch zu lösen. Ich meine, wir sollten auch dies noch hinzufügen: wir haben, ich gestehe dies für unsere Fraktion und auch für mich persönlich, in dieser Diskussion von zehn Jahren alle dazugelernt. Ich meine, hier ist geradezu ein Musterfall einer parlamentarischen Diskussion. Ich glaube, wir alle sind erfahrener geworden in der Notwendigkeit und in der Kunst der Kompromisse, und zum anderen haben wir vielleicht eine neue Erfahrung gewonnen: daß Demokratie nur geht bei der Bereitschaft von jedem, in ein Gespräch zu gehen, und der Bereitschaft, klüger aus dem Gespräch herauszukommen, als man hineingegangen ist. ({3}) Deshalb halte ich gar nichts davon, jetzt frühere Positionen hier zu zitieren. Mich interessiert das, was jetzt hier ist und wie weit wir jetzt gekommen sind. Und das wird die politische Landschaft verändern! Dies wird nun nicht mehr zwischen uns stehen, wenn wir im nächsten Jahr um die Mehrheit der Wähler ringen. Das ist ein ganzes Stück, würde ich sagen, besserer Luft. Wir müssen uns schon andere Themen suchen, um uns auseinanderzusetzen. Das finde ich sehr gut für unser Land, und insofern finde ich, daß es ein wichtiger Tag ist, den wir hier heute gehabt haben. Meine Damen und Herren, wer die zehnjährige Geschichte dieser Diskussion kennt und fair ist, der sollte in dieser Minute an einen Mann denken - ich tue dies, und ich werde es auch offen aussprechen -, ohne dessen intellektuelles und politisches Engagement gerade in dieser Sache und in dem Zusammenhang, in den sie gehört, wir wahrscheinlich diese Stunde nicht erlebt hätten. Ich meine Fritz Erler. Das wollte ich in dieser Stunde sagen, und ich meine, es steht uns allen wohl an, das zu sagen. ({4}) Lassen Sie mich nur einen Satz aus seiner Rede zitieren, die wir - damals kontrovers - hatten, weil wir noch nicht in allen Punkten einig waren. Er hat damals etwas Wichtiges gesagt. Er hat gesagt - ich zitiere mit Genehmigung des Herrn Präsidenten -: Übereinstimmung besteht vor allem darüber, - und ich hoffe, auch hier besteht Übereinstimmung daß die Bundesrepublik Deutschland fähig sein muß, im Rahmen des Bündnisses die ihr im Falle der Not obliegenden Aufgaben schnell und wirksam wahrzunehmen, und daß infolgedessen unser Verfahren so organisiert sein muß, daß die erforderlichen Entschlüsse schnell getroffen werden können. Das haben wir nun geschafft, und das war, glaube ich, gut. Diese Debatte hat noch etwas gezeigt, das ich ebenfalls gern festhalten möchte. Sie hat gezeigt, daß der Deutsche Bundestag für Anregungen offen ist. Ich meine, was mit den Hearings war, war exemplarisch auch für andere Fragen. Nun soll aber keiner sagen, hier sei nicht offen diskutiert worden. Er sollte mindestens erst nachlesen, was in den Hearings gesagt worden ist. Ich stelle damit fest, und ich tue das ganz bewußt in dieser Frage: dieser Deutsche Bundestag ist also beeinflußbar, auch von außen. Beeinflußbar wodurch? Durch Argumente! ({5}) Dieser Bundestag und das haben auch diese Tage gezeigt - ist aber nicht beeinflußbar durch Druck, Drohung oder Erpressung. ({6}) Ich weiß, meine Damen und Herren, eine wie starke Pression auf einzelnen Kollegen liegt, - und sie haben nicht nachgegeben, sie haben sich nicht nach ihrer Bequemlichkeit, sondern nach den objektiven Interessen unseres Landes orientiert. Auch das gibt es, und auch das ist eine Demonstration - um einmal in dieser Sprache zu reden -, eine Demonstration durch parlamentarische Arbeit für etwas, hier dafür, daß die Gewissenfreiheit des Abgeordneten eines der höchsten Güter der Demokratie und einer der stärksten Säulen der Humanität ist. ({7}) Ich möchte deshalb in diesem Zusammenhang - und ich tue dies mit einer konstruktiven Hoffnung und mit einer gewissen Genugtuung - hier doch auch eine Nuance hineinbringen, weil wir, und das sind wir schuldig zu sagen, in unserer Fraktion etwas böse und erregt z. B. über einen Brief aus Hessen waren. Ich will ihn jetzt nicht zitieren; aber ich will zitieren - und das gibt es eben auch in unserem Lande, und das ist eine gute Sache -, was in dem Zusammenhang der Bundesvorstand des Deutschen Gewerkschaftsbundes öffentlich gesagt hat. Er hat uns telegrafiert: Wir haben Kenntnis erhalten von einem Schreiben des DGB-Landesbezirks Hessen an die Bundestagsabgeordneten im dortigen Bereich. In diesem Schreiben wird betont, daß die Gewerkschaften in Hessen künftig den Bundestagsabgeordneten, die die Notstandsgesetze befürworten, nicht mehr ihre Unterstützung geben werden. Wir machen darauf aufmerksam, daß dieses Schreiben nicht im Einvernehmen mit dem DGB-Bundesvorstand erfolgt ist. ({8}) und die darin zum Ausdruck gebrachte Tendenz nicht die Billigung des DGB-Bundesvorstandes findet. ({9}) Wir wissen natürlich, daß viele Gewerkschaftler hier Sorgen haben - wir hatten sie auch -, daß auch manche Gewerkschaft als Gewerkschaft noch dagegensteht, obwohl ja nun die neuen Texte da sind, die die Möglichkeit geben, eine neue Position zu beziehen. Aber wir wollen auch hier klarmachen, daß in dieser Auseinandersetzung nicht jedermann jedes Mittel billigt. Das ist eine wichtige Feststellung. ({10}) Auch das gehört dazu, wenn wir hier für uns Gewissensfreiheit in Anspruch nehmen. Auch andere in unserem Lande tun das, und das wollen wir festhalten. Ich möchte aber in diesem Zusammenhang noch etwas anderes betonen. Wenn die Meldungen, die wir von der Deutschen Presseagentur heute während der Sitzung erhalten, stimmen, dann ist heute in Frankfurt erneut versucht worden, den Lehrbetrieb an der dortigen Universität lahmzulegen, und diejenigen, die das betreiben, nennen das dann „Streik" und sich selbst „Streikposten". Da muß nun doch jedermann sehen, daß das der Widersinn dessen ist, was ein Streik ist. Ein Streik kommt zustande durch mehrheitliche demokratische Entscheidung der Beteiligten, aber nicht durch Verfügung von oben herab. ({11}) Denen, die glauben, von oben herab, ohne ein politisches Mandat und ohne Befragung der Beteiligten einfach die Universität verbarrikadieren zu können, ({12}) sei gesagt: das ist keine demokratische Methode, das ist kein demokratisches Mittel, das ist auch kein gewerkschaftliches Mittel, sondern das ist ein Mittel von Leuten, die uns zeihen, schlechte Demokraten zu sein, in Wirklichkeit aber in ihrem Bereich Diktatur und Terror versuchen. ({13}) An dieser Stelle hätte ich gern den Beifall des Abgeordneten Dorn gehabt. ({14}) Ich habe eine Hoffnung gehabt; sie ist enttäuscht worden. Der dritte Punkt: Ich will darauf verzichten, noch einmal darzutun, was wirklich in den Vorlagen steht. Ich hoffe, das werden die Mitbürger nun durch Lektüre selber machen. Aber ich will an einem noch einmal festhalten. Wir haben nun die Chance, wenn diese Gesetzgebung in dritter Lesung - und es kommen nun die Gespräche mit den Alliierten, zu denen ich gleich etwas sagen möchte - wirklich in Kraft treten wird, daß dann an die Stelle alliierter Vormacht deutsche Selbstbestimmung tritt und daß an die Stelle eines ungewissen, unkontrollierten - und zwar auch parlamentarisch und gerichtlich unkontrollierten - Zustandes ein deutsches Recht tritt, daß Offenheit an die Stelle von Geheimniskrämerei tritt und daß parlamentarische Entscheidungen an Stelle bürokratischer Vollmachten am Grünen Tisch stehen. Das bringt uns durch diese Gesetzgebung eben doch einen Zuwachs an Rechtssicherheit, an Rechtsklarheit und damit auch an demokratischer Ordnung. Das muß man wohl zur Sache festhalten. Das Vierte ist ein Frage; ich weiß nicht, ob ich sie an Herrn Mischnick oder an Herrn Dorn richte, ich würde sie lieber nur an Herrn Dorn richten. Herr Dorn, ich will nicht auf etwas zurückkommen, wie ich das vor kurzem nach einer Intervention meines Kollegen Schmidt getan habe. Das tue ich nun nicht mehr; ich hatte damals damit keinen Erfolg. Aber ich möchte ein anderes, Sie, Ihre Freunde und uns alle fragen in der Hoffnung, eine Antwort zu erhalten, die uns die Zusammenarbeit nach diesem Tage erleichtert. Sie haben sich am Samstag bei der Demonstration zum Reden gemeldet, ich bestreite dieses Recht gar nicht. Ich darf mit Genehmigung des Herrn Präsidenten aus dieser Rede, die hier schon eine Rolle gespielt hat, ein paar Sätze zitieren, Herr Dorn. Und da ich vorher angekündigt hatte, ich würde diese Frage stellen, haben Sie vielleicht den Text da und können vergleichen und feststellen, daß ich hier korrekt zitiere. Ihre Rede begann: In dieser Stunde ist es notwendig zu sagen, daß die parlamentarische Opposition mit den Kräften der außerparlamentarischen Opposition kooperieren muß .. . Dann geht es weiter, und es kommt kurz vor dem Schluß - -({15}) - Eine Sekunde, ich will auf das, was jetzt kommt; da kommt die Frage, meine Damen und Herren. Es ist im gemeinsamen Interesse. Dadurch kann eine verfassungspolitische Situation eintreten, die zwangsläufig nicht nur einen Teil der Abgeordneten, sondern auch der Menschen in diesem Staate in einen Widerstand zu dieser so einseitig geänderten Verfassung bringt, ({16}) und troztdem wird dieser Widerstand dann im Sinne der ursprünglichen Verfassunggeber sein. ({17}) Sehen Sie, Herr Dorn, das so für sich gesagt, kann man so und so interpretieren. Aber vor dem Hintergrund so vieler anderer Briefe und Stellungnahmen hierzu bitte ich Sie um ein klärendes Wort. Ich meine, Sie haben mit allen Mitteln, und das ist Ihr Recht, in diesem Parlament diese Gesetzgebung, so wie wir sie betreiben, im wesentlichen bekämpft. Das ist Ihr Recht. Ich glaube, ebensowenig bestreiten Sie uns unser Recht, als Mehrheit in einer rechtsstaatlichen Weise eine Gesetzgebung zu machen, und anerkennen, daß das, was hier beschlossen worden ist, verfassungskonform ist und von jedermann in diesem Land respektiert werden muß. Das, meine Damen und Herren, sollte völlig klar sein, weil dies auch eine Linie zieht zwischen parlamentarischer Opposition und der anderen, und das wäre ganz gut, dies hier zu klären. Sie spüren, glaube ich, jetzt, Herr Dorn, und meine Herren von der FDP-Fraktion, daß ich dies nicht sage, um am Schluß Streit zu haben, sondern um einen Schnitt zu ziehen gegenüber anderen, die ganz etwas anderes meinen, wenn sie diese Frage behandeln. Das Fünfte, was ich sagen will, ist kurz gesagt. Das ist ein Wort an die Alliierten. Ich hoffe, daß niemand übersieht an diesen zwei Tagen, daß hier bei allen Einzelabstimmungen, soweit ich es habe verfolgen können, Zweidrittelmehrheiten waren, und daß das Zweidrittelmehrheiten des frei ge9462 wählten deutschen Parlaments waren. Deshalb ist aus unserer Sicht von den Alliierten nun lediglich eine formelle Feststellung zu treffen, ({18}) nachdem wir, wie es uns nach der Rechtslage zukommt, materiell entschieden haben. Art. 5 Abs. 2 des Deutschlands-Vertrages spricht davon, daß die Vorbehaltsrechte - ich zitiere -: erlöschen, sobald die zuständigen deutschen Behörden entsprechende Vollmachten durch die deutsche Gesetzgebung erhalten haben und dadurch instand gesetzt sind, wirksame Maßnahmen zum Schutz der Sicherheit dieser Streitkräfte - gemeint sind die alliierten zu treffen einschließlich der Fähigkeit, einer ernstlichen Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zu begegnen. So weit aus diesem Artikel. Diese Gesetzgebung ist nun in zweiter Lesung verabschiedet. Es bedarf deshalb wohl nur noch der formalen Bestätigung, natürlich unter der Voraussetzung, daß die dritte Lesung verfassungskonform zustande kommt. Ich möchte noch einen sechsten Punkt behandeln. Unsere Mitbürger sehen kritisch auf unsere Arbeit. Ich verstehe, daß diese so wichtige Gesetzgebung einer besonderen Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit unterliegt. Das ist gut so. Jede Änderung der Verfassung ist ein Vorgang, der besondere Sorgfalt im Parlament und besondere Aufmerksamkeit der Bürger verlangt. Dazu gehört aber nun bei den anderen auch, daß sie sich genau informieren. Mit Phrasen und Schlagworten ist hier nichts zu machen. Ich denke und hoffe, es wird etwas ausstrahlen von dieser Debatte auch an Sachlichkeit und hinsichtlich der Möglichkeit des Austausches und der Diskussion unterschiedlicher Auffassungen. Eines finde ich tröstlich. Selbst in den Fällen, in denen Pressionen versucht werden, in denen man sagt: „Wir werden dich nicht wieder wählen", ist es eigentlich tröstlich, denn das heißt doch, daß selbst die, die so kritisieren, erwarten, daß eine parlamentarische Demokratie mit freien Wahlen, freier Parteientscheidung usw. im vollen Sinne erhalten bleibt. Das stimmt mit den Überschriften und Schlagworten nicht vollkommen überein. ({19}) Wer nun kritisieren will, von dem erwarten wir nicht, daß er jeden Punkt und jedes Komma kennt, aber er sollte schon, weil es um uns alle geht, sich den Text vornehmen und die Argumente auf sich wirken lassen, die hier pro und kontra gesagt worden sind. Man sollte das lesen, bevor man kritisiert oder gar pauschal kritisiert; denn so global ist das alles nicht zu sehen. Vielleicht darf ich für draußen und für uns noch folgendes sagen. Warum eigentlich haben wir diese Anstrengungen gemacht? Warum haben wir diese unendliche Bemühung entwickelt? Ich gestehe, daß viele von uns sich jetzt auch ziemlich strapaziert fühlen nach dieser mühsamen und langen Arbeit. Warum haben wir das eigentlich gemacht? Doch nicht für uns hier. Wir haben es gemacht - ganz schlicht - für unser Volk. Wir haben es gemacht für unsere Politik, deren Sinn es doch bleibt, durch Vorsorge und Abschreckung Krieg und Not zu verhindern. Deshalb haben wir uns die Mühe gemacht. ({20}) Die Stunde der Not und damit die Wirksamkeit dieser Gesetzgebung werden gar nicht eintreten, wenn wir hier eine richtige Politik machen, wenn uns Naturkatastrophen nicht beschieden werden. Dann werden diese Gesetze niemals gebraucht werden. Das ist das, was wir wollen. Dazu möchten wir durch eine richtige Politik beitragen. ({21}) Aber wir leben hier nicht irgendwo im Schlaraffenland oder auf einer Südseeinsel oder, weiß ich wo, im Wolkenkuckucksheim. Wir leben hier im gespaltenen Deutschland. Wir leben nicht in der Welt, wie wir sie uns wünschen, sondern in der Welt, in der es Gefahr gibt und in der es Spannung gibt und in der deshalb der Verantwortliche auch Vorsorge treffen muß - sonst wäre er nicht verantwortlich, sondern unverantwortlich - und in der der Verantwortliche auch das scheinbar Unpopuläre für uns alle miteinander tun muß. Es könnte ja doch eben etwas passieren. Es wird um so weniger passieren, je glaubhafter hier Vorkehrungen getroffen sind. Deshalb möchte ich ganz am Schluß eben noch einen Akzent setzen, der in dieser Debatte aus begreiflichen Gründen keine so große Rolle gespielt hat, der aber doch mindestens an den Schluß dieser Debatte gehört. Wir alle wissen, daß der Sinn von Bündnissen und auch von militärischen Anstrengungen sich gewandelt hat. Es gilt nicht mehr im Krieg zu siegen, sondern es gilt den Krieg durch Bereitschaft, Vorsorge, Vorkehrung und Abschreckung zu verhindern. Beides wirkt nur, wenn es glaubhaft ist. Wann ist Abschreckung glaubhaft? Abschreckung ist glaubhaft, wenn die Vorkehrungen ausreichend sind und der Wille einer Nation zu ihrer Selbstbehauptung dahintersteht. Dann ist sie glaubhaft, meine Damen und Herren. Dieses Glaubhaftermachen, indem die Angelegenheiten der Deutschen in deutsche Hand kommen, ist ein Beitrag dieser Tage. Man sollte nicht vergessen, daß das alles auch unter dem Sicherheitspakt zu sehen ist. Als letztes schließlich: Es geht hier nicht um Sicherheit für diesen Staat. Wer ist das denn? Es geht vielmehr um die Menschen in diesem Staat. In deren Dienst stehen wir. Es geht auch darum, daß für den Fall einer Spannung oder gar für einen Verteidigungsfall nicht etwa der Stärkere oder Reichere noch versorgt wird, sondern daß auch der kleine Mann zu seinen Rechten kommt, und die haben wir hier nun aufgeschrieben. ({22}) So glauben wir, daß wir mit vielfältigen Kompromissen eine Gesetzgebung erreicht haben, die ihren Zweck erfüllt, den Sinn dieser Gesetzgebung am Schluß der zweiten Lesung aus unserer Sicht noch einmal darzutun, war der Zweck dieser Intervention. Ich möchte all denen danken, die uns in mühsamer Kleinarbeit, sei es da, sei es dort, so weit gebracht haben. Aber es ist ein vorläufiger Dank; denn noch sind wir nicht durch die dritte Lesung. ({23})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Hirsch.

Martin Hirsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000909, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Vor einer Konferenz von Mitarbeitern und Mandatsträgern der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands hat ihr Vorsitzender, Willy Brandt, am 13. November 1967 erklärt: Es bleibt bei dem, was wir gesagt haben, als wir noch in der Opposition waren. Die Notstandgesetze werden entweder Gesetze zur Sicherung der Demokratie und des Staatsbürgers sein, oder es wird sie nicht geben. Wir stehen im Wort, und wir stehen dazu. Wir stehen auch zu dem Wort, mit dem der damalige SPD-Bundestagsabgeordnete Carlo Schmid schon am 30. Juni 1955 im Hessischen Rundfunk in sieben Punkten zusammengefaßt hat, welche unabdingbaren Voraussetzungen ein für die Sozialdemokraten akzeptables Notstandsrecht erfüllen müsse: 1. Der Notstand sollte nur durch den Bundestag ausgerufen werden können. 2. Keineswegs sollte die Regierung oder der Bundespräsident das Notverordnungsrecht erhalten. 3. Die Militärgewalt muß auf jeder Verwaltungsstufe der Zivilgewalt unterstellt bleiben, sie darf nur ausführen und nicht anordnen. 4. Das Parlament muß bis in die Einzelheiten hinein die Kontrolle aller angeordneten Notstandsmaßnahmen behalten und das Recht haben, sie durch Beschluß jederzeit aufzuheben. 5. Es muß durch ein Gesetz im einzelnen bestimmt werden, was in Fällen des Notstandes an Einzelmaßnahmen angeordnet werden darf. Was in dem Gesetz nicht aufgeführt wird, darf auch nicht getan werden. 6. Von der Verhängung des Notstandes darf nicht Gebrauch gemacht werden, um Streiks, die von den Gewerkschaften ordnungsgemäß ausgerufen worden sind, abzuwürgen oder zu beschränken. 7. Falls höhere Gewalt den Bundestag hindern sollte, sich zu versammeln, sollte der Bundesrat mit zeitlicher Befristung Verordnungen erlassen können. Das war 1955. Wir stehen aber auch zu dem Wort, das der damalige SPD-Bundestagsabgeordnete Fritz Schäfer für unsere Fraktion in der ersten und zum Glück letzten Lesung des ersten Regierungsentwurfs für eine Notstandsverfassung am 28. September 1960 gesagt hat: Kommen wir zu der Feststellung, daß es Situationen gibt, denen nicht ernsthaft und nicht schnell genug begegnet werden kann, dann müssen wir, unserem Prinzip der geschriebenen Verfassung und dem rechtsstaatlichen Prinzip gemäß, auch den Mut haben, die entsprechenden Konsequenzen zu ziehen, . .. Wenn man an die Neufassung einer Verfassungsbestimmung herangeht, hat der Verfassungsgesetzgeber selbstverständlich nicht nur die Pflicht, zu prüfen, was für Vollmachten gegeben werden müssen, sondern er hat auch die Pflicht, zu prüfen, was für Mißbrauch damit getrieben werden kann... Es geht hier um die Verteidigung des demokratischen Staates, es geht um die Verteidigung der demokratischen Grundordnung. Da sind wir der Auffassung, daß man nicht in Erwägung ziehen darf, Mittel zu wählen, die mit der Verfassung nicht im Einklang stehen. Man kann die Verfassung und die Freiheit nicht dadurch verteidigen, daß man die Freiheit unterjocht. Man kann sie nicht dadurch verteidigen, daß man Mittel wählt, die mit der Verfassung nicht vereinbar sind. Wir meinen also, daß die Regelung, wenn wir zu der Feststellung kommen, daß eine solche notwendig ist, innerhalb des Rahmens gesucht werden muß, den unser Grundgesetz uns als rechtsstaatliche Grundordnung gesetzt hat. So Fritz Schäfer 1960. Fünf Parteitage und eine Bundeskonferenz der SPD, von Hannover 1960 bis Nürnberg 1968, haben diese Grundkonzeption bestätigt, präzisiert und weiterentwickelt. Erlauben Sie mir, die sieben Punkte des Kölner Parteitages zu zitieren, die für uns immer die wichtigste Grundlage aller Überlegungen gewesen sind: 1. Es ist eindeutig klarzumachen, in welchen Fällen und unter welchen Umständen von einem Notstand gesprochen werden muß, der nur mit außerordentlichen Mitteln gemeistert werden kann. Dabei ist zwischen innerem Notstand, drohendem Verteidigungsfall ({0}) und äußerem Notstand zu unterscheiden. 2. Es ist zu gewährleisten, daß in solchen Situationen nicht eine an der Macht befindliche Gruppe oder Partei die Mittel der Exekutive zur Unterdrückung der anderen ausnutzen kann. 3. Es ist zu sichern, daß Notstandsbefugnisse ausschließlich zur Meisterung des Notstandes und nicht zur Drosselung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung, vor allem nicht der Freiheit der Presse, des Rundfunks, des Fernsehens und der freien Meinungsäußerung, eingesetzt werden können. 4. Es ist auszuschließen, daß eine Einschränkung oder Drosselung der demokratischen Grundrechte im gewerkschaftlichen oder betrieb9464 lichen Bereich unter dem Vorwand des Notstandes praktiziert werden kann. 5. Es ist Vorkehrung zu treffen, daß weder die Befugnisse der Länder noch die der gewählten Volksvertretung unter Berufung auf einen Notstand erstickt werden können. 6. Die Funktionsfähigkeit ides Bundesverfassungsgerichtes muß gewährleistet sein. Jede Maßnahme muß vor das Bundesverfassungsgericht gebracht werden können. 7. Die Verantwortlichkeit des Parlaments ist in jeder Lage zu erhalten. Die Notstandsregelung darf keine Möglichkeit des Ausweichens des Parlaments aus seiner Verantwortung schaffen. Meine Damen und Herren, wir stehen zu den Bedenken und Wünschen, die ich selbst als Sprecher meiner Fraktion vor einem Jahr bei der ersten Lesung des jetzigen Regierungsentwurfs vor diesem Hohen Hause anmelden durfte. Wir haben damals Änderung der Vorschrift verlangt, die eine Wahl der Bundestagsmitglieder des Gemeinsamen Ausschusses mit Zweidrittelmehrheit vorsah. Wir haben die in Art. 115 e des Regierungsentwurfs vorgeschlagene Möglichkeit einer Selbstentmachtung des Parlaments durch Delegation seiner Rechte an den Gemeinsamen Ausschuß kategorisch abgelehnt. Wir wollten verhindern, daß sich der Gemeinsame Ausschuß als Nebenparlament neben dem noch arbeitsfähigen Parlament etabliere. Wir haben Verbesserungen des Entwurfs zu Art. 12, insbesondere eine Präzisierung und Einengung der Voraussetzungen gefordert, unter denen Dienstverpflichtungen möglich sein sollen. Mit der Forderung nach ausdrücklicher Festlegung des arbeitsrechtlichen Charakters der durch Verpflichtung begründeten Dienstverhältnisse haben wir eine weitere Sicherung der Arbeitnehmerrechte auch in Notzeiten angestrebt. Wir stehen dazu, und ich frage in aller Offenheit und Klarheit - ich bin bereit, mich für eine Fehlbehauptung steinigen zu lassen, meine Damen und Herren -: ({1}) Gibt es einen einzigen dieser zahlreichen Beschlüsse, denen die jetzt vorliegende Fassung des Notstandsentwurfs nicht Rechnung trägt? Wer wirft den ersten Stein? ({2}) Meine Damen und Herren, es geht mir nicht darum, Verdienstmedaillen zu verleihen. Mir kommt es darauf an, den in jahrelangen Anfeindungen und von vielen Seiten gegen die SPD erhobenen Vorwurf der rechtsstaatlichen und demokratischen Unzuverlässigkeit zu widerlegen. Es ist den Sozialdemokraten gelungen, in einer entscheidenden Frage der Staatsentwicklung des deutschen Volkes ihre von allem Anfang an unveränderte Konzeption so überzeugend zu formulieren und politisch wirksam vorzutragen, daß sie aus einer dreizehnjährigen, mit aller Heftigkeit unter Beteiligung der breitesten Öffentlichkeit geführten Diskussion völlig unverletzt, voll bestätigt als offizielle Ausschußvorlage und jetzt als Beschluß in zweiter Lesung hervorgegangen ist. Wer schließlich das anschaut, was jetzt die zuständigen Ausschüsse dieses Parlaments als die verantwortlichen Träger dieser Debatte aus der letzten Regierungsvorlage gemacht haben, der kann über die von Professoren des Staatsrechts aufgestellte Behauptung, der Bundestag habe sich zum Knecht ministerieller Formulierungshilfen degradieren lassen, eigentlich nur noch lachen. Vielmehr trägt die jetzt verabschiedete Ausschußvorlage zu dem Nachweis bei, daß sich dieses Parlament auch und gerade unter dem Zeichen der Großen Koalition nicht zur akklamierenden Schutztruppe der Regierung abwerten läßt. Was wir heute in zweiter Lesung beschlossen haben, ist autonomes Werk dieses Parlaments, meine Damen und Herren, ({3}) in dem sich die Fraktionen der SPD mit Hilfe der CDU/CSU-Fraktion gegen die Notstandskonzeption der Regierung und der Bürokratie durchgesetzt hat. Hier zeigt sich: Die heute vorliegenden Beratungsergebnisse sind völlig unbelastet vom Mehrheitsdruck zustande gekommen. Sie sind das Produkt langwieriger sachlicher Erörterungen und Abwägungen, bei denen nicht Zahlenmehrheiten, sondern allein die Überzeugungskraft der Argumente den Ausschlag gegeben hat. ({4}) Was das für die faire Diskussionsbereitschaft der CDU/CSU und ihr loyales Einstehen für die Grundsätze unseres freiheitlich-demokratischen Rechtsstaates bedeutet, kann nur der voll würdigen und muß jeder uneingeschränkt anerkennen, der sich den Wandel der Vorstellungen in der CDU/CSU von dem ersten Regierungsentwurf des Jahres 1960 bis zu der heutigen, auch von der CDU/CSU getragenen Ausschußvorlage vor Augen führt. ({5}) - Meine Damen und Herren von der FDP, Sie haben, glaube ich, keinen Grund, da zu lachen. ({6}) Die CDU hat sich jedenfalls überzeugen lassen. Aber Sie haben haben heute das abgelehnt, was Sie einmal angebetet haben. Aber reden wir nicht mehr davon. ({7}) Der sogenannte Schröder-Entwurf baute auf dem zwar gewiß äußerst praktikablen, aber für die Grundsätze von Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit ebenso äußerst bedenklichen Grundsatz auf: Notstand ist die Stunde der Exekutive. Über einen gewiß ebenso schmerzlichen wie schweren Umdenkungsprozeß hat sich die CDU/CSU bis heute zu dem Ausgangsprinzip der jetzigen Vorlage durchgerungen, ausgesprochen von dem Bundesinnenminister, Mitglied der CDU/CSU: Notstand ist die Stunde des frei gewählten Parlaments und des freien, mündigen Staatsbürgers, ist die Stunde der Bewährung für die freiheitliche und rechtsstaatliche Demokratie. Was das für eine Partei bedeutet, kann nur der richtig anerkennen, der sich klarmacht, daß die wissenschaftlichen Wortführer der totalen Notstandsopposition für den Bereich des äußeren Notstands noch heute auf der Stelle stehen, an der die CDU/ CSU vor acht Jahren ihren langen Marsch bis zu der heutigen Konzeption angetreten hat, ({8}) die wir aber von allem Anfang an vertreten haben. In den öffentlichen Hearings des vergangenen Herbstes hat Professor Kogon, einer der engagiertesten Notstandsgegner, erklärt - ich darf zitieren ---: „Die Regierung hat ad hoc in einer konkreten, elementaren Notsituation zu handeln, wie es ihr richtig und vernünftig erscheint." Sein Kollege Ridder äußerte sich inhaltlich genauso, als er auf die Frage, ob man nicht ein zu großes Risiko eingehe, wenn Notstandsregelungen erst im Kriegsfall getroffen würden, antwortete: „Genau dieses Risiko . . . würde ich eingehen, weil die andere Gefahr eine sehr viel größere ist im Hinblick auf die Wahrscheinlichkeit." ({9}) So Herr Ridder. Mit anderen Worten, diese beiden engagierten Notstandsgegner sind der Meinung, ein ad hoc gemachter Art. 48 la Weimarer Republik sei die richtige Lösung. Meine Damen und Herren, wer will hier die Notstandsdiktatur schaffen? Ich sage hier in aller Offenheit: Ich habe tiefen Respekt vor einer Fraktion, die trotz allen Prestigeballasts, der daran auch für sie hängt, ihre früheren Irrtümer einzugestehen und an einer besseren Lösung mitzuwirken bereit ist. Aber mir fehlt jedes Verständnis für Leute, die uns der Freiheitsdemontage bezichtigen und selbst nach dem Kriegsdiktator rufen. Weil wir Sozialdemokraten das, was Sie, Herr Dorn, 1965 für die FDP erklärt haben, nämlich „ein hervorragendes Ergebnis, ausgewogen in allen Notwendigkeiten und in Anerkennung aller sachlich durchgeführten Diskussion, ein Ergebnis, das eigentlich Wirklichkeit werden sollte", abgelehnt haben, haben Sie heute von der FDP erneut die Möglichkeit bekommen, Ihrem eigenen Appell zur Notstandsverfassung aus dem Jahre 1965 zu folgen, wahrlich für ein besseres, durch unser beharrliches Festbleiben zustande gekommenes Gesetzeswerk. ({10}) -- Allerdings beharrlich. Wären Sie so beharrlich gewesen, meine Damen und Herren von der FDP, und hätten Sie heute nicht nur Anträge gestellt, von denen Sie gewußt haben, daß sie abgelehnt werden mußten, weil sie schlechter waren als die Regierungsvorlage, ({11}) dann hätte das auch dem Ansehen Ihrer Partei besser angestanden. ({12}) Nun, ich darf Herrn Dorn noch einmal zitieren und brauche von dem, was er damals, 1965, gesagt hat, nur einen einzigen Buchstaben zu ändern: „In dieser Gesetzesvorlage" - so Herr Dorn 1965 - „ist die freiheitliche Verfassung auch für die Stunde der Not garantiert, die Rechtsstaatlichkeit auch für die Krisenzeit gesichert. Meine Damen und Herren von der . . ." - und jetzt kommt die Buchstabenänderung: „FDP" -, es gibt keinen Grund, das Ja zu verweigern, wenn man die Demokratie auch in der Notzeit sichern will." Wenn Sie das akzeptiert haben, was 1965 auf dem Tisch lag, gibt es wahrlich keine vernünftige Begründung für eine liberale Fraktion, das abzulehnen, was heute zur Beratung steht. ({13}) Die Analyse der Beratungsergebnisse in den Ausschüssen vor dem Hintergrund der im Kern seit 13 Jahren unveränderten Forderungen der SPD wäre unvollständig, wenn die öffentliche Debatte, die dieses Gesetzgebungsprojekt seit fast der gleichen Zeit begleitet hat, nicht einbezogen würde. Meine - natürlich sehr bescheidenen - parlamentshistorischen Kenntnisse mögen mich trügen, aber ich glaube, kein Gesetzeswerk in der Geschichte des deutschen Parlamentarismus hat eine Diskussion von solcher Dauer, Intensität und öffentlicher Breite erlebt wie dieser Komplex der Notstandsgesetze. Das gilt für die Beratungen innerhalb des Parlaments genauso wie für die außerhalb dieses Hauses. Der Terminkalender wohl der meisten Abgeordneten dieses Hohen Hauses kann ein Lied davon singen, daß wir in Tausenden von Versammlungen im ganzen Lande Rede und Antwort gestanden haben. Allein im Rahmen der parlamentarischen Beratungen des letzten Regierungsentwurfs, also ungeachtet der Beratungen in den vorigen Legislaturperioden, haben neben den 26 diesem Komplex gewidmeten Beratungen des Rechts- und des Innenausschusses seit Mai 1967, also im letzten Jahre, 15 Arbeitskreis- und 6 Fraktionssitzungen mit den dazu gehörigen, oft nächtelangen Vorstandssitzungen in meiner Partei stattgefunden. Vor dem Beginn der Ausschußberatungen hat meine Fraktion eine zweitägige Klausurtagung abgehalten, um eine detaillierte Verhandlungslinie zu formulieren. In meinem Büro steht ein überquellender Aktenordner, der nichts anderes enthält als Entschließungen zahlloser regionaler Parteitage der SPD zum Thema Notstand. Faßt man das alles zusammen und rechnet es in Beratungsstunden um, stellt sich heraus, daß allein bei den Beratungen der Sozialdemokraten mindestens zwei volle ganze Jahre, will sagen: 24 mal 365 mal 2 volle Stunden konzentriert und engagiert über alle Einzelheiten der Notstandsproblematik diskutiert worden ist. ({14}) Und da kommen nun die Demagogen und behaupten, wir wollten diese Vorlage durchpeitschen. Ich kann nicht beurteilen, wie das in den anderen Fraktionen zugegangen ist, wieweit sich z. B. Herr Dorn zu Recht gepeitscht fühlen mag, ({15}) aber für meine Fraktion kann ich in aller Ehrlichkeit feststellen, daß bis zu dieser Minute kein einziges Problem, kein einziges Argument aufgetaucht ist, das wir nicht spätestens während der Hearings im vergangenen Herbst aufgegriffen und eingehend geprüft und verarbeitet hätten. Wir werden also heute einen Entwurf durch die zweite Lesung „gepeitscht" haben, von dem wir wie bisher von keinem anderen Gesetz feststellen können, ihn an diesen beiden Tagen im Plenum noch einmal bis in die letzten Verästelungen seiner vorhersehbaren Konsequenzen, seiner denkbaren Varianten durchleuchtet zu haben. Da kommt dann - man staunt allmählich ehrlich über den Einfallsreichtum der Kritiker - das Argument, mit Hilfe des höchst zweifelhaften Instruments der Formulierungshilfe habe es die Ministerialbürokratie meisterhaft verstanden, die an sich schon verdächtig geringe innerparlamentarische Opposition mit ihren Alternativvorschlägen mundtot zu machen. Gestehen wir es offen ein: dieses Haus trägt mit Schuld daran, daß solcher Unsinn ernsthaft behauptet wird und Anklang findet. Wir haben es nämlich zugelassen, daß unsere Ausschußarbeit völlig abgeschirmt von der Öffentlichkeit stattfindet. Ich weiß zwar nicht, wie das in den anderen Ausschüssen heute aussieht. Aber jeder Zuhörer einer x-beliebigen Sitzung unseres Rechtsausschusses etwa würde sich die Flausen von der Autorität ministerialer Formulierungshilfen in kürzester Zeit aus dem Kopf pusten. Ich kann nur hoffen, daß die Ausschüsse sich bald entschließen, ihre Türen dem allgemeinen Zugang zu öffnen, wie ich das seit langem gefordert habe, nachdem ich es mit gutem Erfolg in den Jahren meiner parlamentarischen Tätigkeit in Bayern erlebt habe. Dort tagen nämlich auch die Ausschüsse öffentlich. ({16}) Ich hoffe im übrigen, daß die Kommentatoren, die sich demnächst mit der Entstehungsgeschichte dieses Gesetzes befassen werden, dabei auch nicht versäumen, darzustellen, wie bis ins letzte zerpflückt und zerzaust die angeblich so durchschlagend wirkenden Formulierungshilfen der Bürokratie aus den Ausschußberatungen und letzten Endes aus diesem Hohen Hause selbst herausgekommen sind. Noch deutlicher ist die Rechtslage. Die Bundesregierung ist Teil dessen, was man gemeinhin als Bundesgesetzgeber bezeichnet. Es ist ihr grundgesetzlich verbrieftes Recht, an den Gesetzgebungsberatungen des Parlaments und seiner Ausschüsse nicht nur schweigend teilzunehmen. Also hat sie wie jedes parlamentarische Ausschußmitglied auch das Recht, Änderungsvorschläge zu vorliegenden Gesetzentwürfen vorzubringen. Sie ist nur insofern schlechter gestellt als die Ausschußmitglieder, als sie nicht selbst mit abstimmen darf. Umgekehrt hat es sich zu einem nobile officium der Regierung entwickelt, daß sie mit dem großen Potential ihres Ministerialapparates den Ausschüssen beispringt, wenn es darum geht, aus den Beratungen sich ergehende Gesetzgebungskonzeptionen in gesetzestechnisch brauchbare Formulierungen zu gießen. Im Grunde ist ja alles das, was seit dem mißglückten Schröder-Entwurf von 1960 an neuen Vorschlägen aus der Regierung gekommen ist, nichts anderes als eine Rekordfülle von Formulierungshilfen für die sich wandelnden Regelungsvorstellungen des parlamentarischen Gesetzgebers, eine zum Teil in Form von offiziellen Neuentwürfen vorgelegte Anpassung an die Entwicklung der ohne Rücksicht auf Legislaturperioden fortlaufenden öffentlichen Debatten zu diesem Problem. Aber es geht nicht um Superlative, es geht um die Erkenntnis, daß diese öffentliche Debatte selbst einen wichtigen politischen Teil dessen bewirkt hat, was ihr Gegenstand rechtlich schaffen sollte. Angriffe auf den Bestand oder die Grundordnung eines seiner Verfassung nach freiheitlichen und demokratischen Landes, mögen sie von außen oder aus dem Innern kommen, können mit Gesetzen und aus ihnen legitimierter Staatsmacht allein nicht wirksam abgewehrt werden. Wehr und Waffen können Freiheit und Demokratie nicht wirksam stützen, wenn diese Grundsätze nicht als selbstverständliche Lebenshaltung tief im politischen Bewußtsein des ganzen Volkes verankert sind. Bei aller Kritik an dem, was an Entgleisungen und Fehlentwicklungen im Laufe dieser öffentlichen Debatte vorgekommen ist, darf doch ihr grundlegendes Verdienst nicht verkleinert werden. Diese öffentliche Debatte hat wesentlich dazu beigetragen, meine ich, die Verankerung von Freiheit und Demokratie im politischen Bewußtsein unseres Volkes zu verstärken. Am Gegenstand der Notstandsgesetzgebung ist ein allgemeiner Lernprozeß in Gang gesetzt worden, der neben manchen Ungereimtheiten und deutlichen Fehlern doch schon erste positive Ergebnisse bewirkt hat, die hier und heute festzuhalten mir notwendig erscheint. Die überstürzte und vielen sachfremden Einflüssen ausgesetzte Staatsneubildung nach dem zweiten Weltkrieg ebenso wie die betont unpolitische Politik dessen, was man hypertroph und falsch „westdeutsches Wirtschaftswunder" genannt hat, haben ein volles Jahrzehnt lang das Bewußtsein unseres Volkes hinter den großen Chancen und gewichtigen Aufgaben nachhinken lassen, die seine Verfassung ihm gesetzt hatte. Erst eigentlich die Debatte um die Notstandsgesetze hat einen Wandel geschaffen, hat einen Wandlungsprozeß eingeleitet - schmerzhaft für uns, unbequem für uns -, aber immerhin einen Wandlungsprozeß, der für eine demokratische Entwicklung in diesem Lande unabdingbar erscheinen muß. Die zahllosen öffentlichen Versammlungen zum Thema Notstand brachten für tausende Bürger die allererste Begegnung mit dem Inhalt unserer Verfassung, zwangen sie zu der an sich simplen Erkenntnis, daß politische Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit kein Zustand sind, der durch Anordnung des Verfassungsgebers ent- und besteht, sondern Aufgaben, die der ständigen wachsamen Bemühung jedes einzelnen bedürfen. Die gefährliche unpolitische Parole „Wir sind doch eine rechtsstaatliche Demokratie!" hat durch die Notstandsdebatte viele Anhänger verloren, aber zum Nutzen des Inhalts dieser rechtsstaatlichen Demokratie. Mehr noch! Es ist das nicht zu leugnende Verdienst der parlamentarischen, aber auch der außerparlamentarischen Teilnehmer dieses am Gegenstand der Notstandsgesetze entzündeten gegenseitigen Lernprozesses, uns alle zu neuen Überlegungen und Versuchen über Formen und Methoden demokratischer Meinungs- und Willensbildung gezwungen zu haben. Gestehen wir offen ein: Dieses Parlament samt seiner Regierung und den Parteien ist nicht unschuldig daran, daß politische Willensbildung zu einem Scheinprivileg derer geworden war, die man seit langem schon „die da in Bonn" nannte oder heute im. Neuesthochdeutsch „Establishment" nennt. Die öffentliche Diskussion um die Notstandsgesetze hat im Zusammenwirken mit der öffentlich gewordenen Erkenntnis verschiedener Bevölkerungsgruppen über partielle und allgemeine materielle Notlagen - ich nenne den Bildungsnotstand nur als Beispiel - wesentlich dazu beigetragen, dieses Scheinprivileg zu brechen. Die von den Sozialdemokraten durchgesetzten öffentlichen Hearings über die Notstandsgesetze sind wiederum nur ein Schlaglicht auf diesen Vorgang, von dem ich ehrlich hoffe, daß er eine lange währende Entwicklung und nicht nur ein einmaliges Ereignis darstellt. Demokratische politische Willensbildung wird, wenn diese Entwicklung ihr Ziel erreicht, eine ständige öffentliche Diskussion aller Bürger und ihrer gesellschaftlichen und staatlichen Organe sein, aus denen das Parlament nur insofern herausragt, als es letztlich die „entscheidenden" Folgerungen und Beschlüsse aus solcher allgemeinen Meinungsbildung zu ziehen hat. Bis wir dieses Ziel erreicht haben, meine Damen und Herren, werden wir aber noch viel lernen und üben müssen, alle Beteiligten. Wir Parlamentarier müssen uns daran gewöhnen, daß dieses Volk nicht mehr bereit ist, seinen Repräsentanten vier Jahre unbedingt gültige Blankoschecks auszustellen: es will informiert und beteiligt werden bei der politischen Beratung. Und die Diskussionsteilnehmer außerhalb des Parlaments werden sich daran gewöhnen müssen, daß politische Willensbildung die Einhaltung grundlegender Spielregeln und die Beachtung methodischer Grundbedingungen voraussetzt, wenn aus solcher Debatte ebenso repräsentativ wie sachlich sinnvolle Entscheidungen erwach- sen sollen. Wer das ideelle Engagement gutwilliger Bürger mit dem Prestigevorschuß seiner parlamentarisch-akademischen, kirchlichen oder gewerkschaftlichen Positionen demagogisch verführt, leistet der freiheitlichen Demokratie, für die er anzutreten vorgibt, einen schlechten Dienst. Wir alle müssen berücksichtigen, daß faire demokratische Meinungsbildung, je weiter der Diskussionskreis ist, um so stärkere Konzentration auf konkrete Sachfragen erfordert, wenn aus solcher öffentlicher Beratung statt diffuser Stimmung präzise Willensakte erwachsen sollen. Es hat viele gegeben, die eine methodische Grundbedingung praktischer politischer Diskussion nicht erkannt oder nicht berücksichtigt haben. Sie haben bis zum letzten und bis heute eine mit allen Mitteln vorgetragene Totalopposition betrieben, anstatt die einzelnen Motive dieser ihrer Kritik in den realistischen Versuch umzumünzen, die Beratung der je betroffenen Regelungsvorschläge in ihrem Sinne optimal zu beeinflussen. Wir Sozialdemokraten wissen schließlich, wovon wir sprechen, ({17}) wenn von den Erfolgsbedingungen politischer Opposition die Rede ist. ({18}) Ich kann nur hoffen, daß die Matadoren der Notstandsopposition bei ihrer Manöverkritik zu der gleichen Erkenntnis kommen. Wenn nämlich der Dampfer abgelegt ist, wird es sinnlos, über den Nutzen einer Seereise zu hadern, dann muß man dabei sein, um wenigstens die Richtung der Fahrt noch beeinflussen zu können. Und es meine doch niemand, er vergebe sich etwas, wenn er begrenzte Ziele in Richtung auf sein Fernziel erstrebt, das er nicht voll erreichen kann. Ich jedenfalls vermag keinen logischen, geschweige denn einen charakterlichen Widerspruch darin zu sehen, wenn sich jemand unter Wahrung seiner grundsätzlichen Oppositionshaltung darauf konzentriert, wenigstens Teilziele zu erreichen, nachdem er erkannt hat, daß ein totaler Erfolg nicht möglich ist. Also Dank an alle konstruktiven Kritiker! Ich hätte mich gefreut, meine Damen und Herren von der FDP, diesen Dank diesmal auch Ihnen aussprechen zu können. Leider macht mir Ihre Haltung zu dieser Gesetzgebung das nicht möglich. Wir aber, die wir für die Vorbereitung unserer Fraktions- und Ausschußberatungen verantwortlich waren, wissen, was wir Männern verdanken, die wie - ich nenne nur einen Namen Jürgen Seifert oder wie meine Fraktionskollegen Matthöfer und Gscheidle, die ich auch nur beispielhaft nennen will, in ebenso leidenschaftlichen wie ersthaften Reden heute wie in unserer Fraktion und in den Ausschüssen sowie schriftlich in ihren Papieren ihre kritische Meinung zum Ausdruck gebracht haben. Sie haben konstruktiv zu dem beigetragen, was wir jetzt alle endgültig aus Überlegungen zu Beschlüssen gewandelt haben. Sie haben sich mit ihrem Wirken verdient gemacht, inhaltlich um den Schutz der rechtsstaatlichen Demokratie und zugleich um die Ausbildung demokratischer Methoden parlamentarischer und außerparlamentarischer Opposition. Sie stehen als beste, aber keineswegs einzige Beispiele für die Irrigkeit der Behauptung des Kuratoriums „Notstand der Demokratie", alle sachlichen Argumente seien bei den parlamentarischen Beratungen einfach vom Tisch gewischt worden. Wenn dieses Beispiel der konstruktiven Mitarbeit Schule macht, dann kann die Entwicklung einer außerparlamentarischen demokratischen Opposition sogar ein echter Fortschritt in unserer aller Lernprozeß zur demokratischen Willensbildung werden. Wie notwendig eine solche Entwicklung allgemeiner politischer Mündigkeit aber ist, zeigt gerade das uns heute vorliegende Ergebnis zehnjähriger Beratung. Wir haben erkennen müssen, daß es zwar möglich ist, für den Schutz des Staates und seiner Verfassungsordnung ein paar rechtliche Mittel zu schaffen, daß es zwar möglich ist, dem Mißbrauch staatlicher Macht ein paar rechtliche Schranken zu setzen, daß aber - meine Damen und Herren, es ist schon mehrfach gesagt worden - Gesetze nur 'so gut oder so schlecht wie diejenigen sind, die sie anwenden. Diesen Satz, den Heinrich Böll am vergangenen Samstag bei der Bonner Kundgebung gesagt hat, muß man konkretisieren und ergänzen: Der Schutz der rechtsstaatlichen Demokratie braucht rechtliche Grundlagen, aber noch nötiger sind dafür das informierte politische Bewußtsein aller Bürger und ihr ständiger Wille, Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit gegen jeden Mißbrauch zu sichern. ({19}) In diesem Sinne hat die jahrelange öffentliche Diskussion um die Notstandsgesetze trotz aller Schatten und Fehler zur allgemeinen politischen Bewußtwerdung und damit zum Schutze der Demokratie auch in Notzeiten beigetragen. ({20}) Lassen Sie mich zum Schluß kommen. Ich habe persönlich volles Verständnis für junge Leute, wie die, die gestern abend hier ihrer gewiß ehrlichen Meinung so empörten Ausdruck gegeben haben. Wer nämlich solchen Flugblättern glaubt oder den Berichten etwa aus der DDR oder den DDR-Gazetten, muß ja in diesem Gesetzeswerk zum Schutz des Volkes und seiner Verfassung in Notzeiten, das wir gestern und heute hier behandelt haben, ein wahres Teufelswerk sehen. Aber wer sich in politischen Dingen eine sachliche Meinung bilden will, der sollte sich informieren, und informieren kann man sich nicht an Hand von Flugblättern, sondern an Hand von Gesetzestexten und dem, was es an sonstigen Unterlagen gibt. Ich glaube, unsere Notstandskritiker haben zuviel Flugblätter und zuwenig sachliche Unterlagen gelesen ({21}) und haben sich trotz der Hearings zuwenig mit der Materie befaßt. Meine Damen und Herren, eines ist doch klar. Die öffentlichen Hearings der Bundestagsausschüsse sind vom Fernsehen und Hörfunk, wie auch diese Debatte, in Millionen Wohnungen in ganz Deutschland gesehen und gehört worden. Wer diese vielfältige Informationsquellen wirklich benutzt hat, weiß, welch infame Lügen dieses Flugblatt hier verbreitet. Wenn das Gesetz, das wir gestern und heute hier beraten haben, verabschiedet ist, wird sichergestellt sein, daß niemand morgen in einer Diktatur lebt, dann wird gewährleistet sein, daß nicht, und zwar nicht einmal in Kriegen und Kriegszeiten, Streiks zerschlagen werden können und den gewerkschaftlichen Rechten der Boden entzogen werden kann, dann ist verfassungskräftig gesichert, daß Dienstverpflichtungen nur nach vorheriger qualifizierter Mehrheitszustimmung des Bundestages möglich sein werden, daß die Beschlagnahme von Autos nur möglich sein wird, wenn der Bundestag mit Zweidrittelmehrheit die Bundesregierung dazu ermächtigt hat oder sie sich auf einen einstimmigen NATO-Ratsbeschluß berufen kann. Damit aber nicht genug! Dieses Gesetz grenzt nicht nur die Bedingungen und Modalitäten ganz erheblich ein, unter denen nach dem Grundgesetz staatliche Eingriffe in Notsituationen möglich sein sollen, es schafft darüber hinaus in zwei hoch bedeutsamen allgemeinen verfassungspolitischen Streitfragen echten demokratischen Fortschritt. Mit der Ergänzung der Verfassungsvorschrift über die Koalitionsfreiheit wird ja in Wirklichkeit das Streikrecht nicht nur gegen Eingriffe im Notstand geschützt. Durch die Formulierung der jetzigen Ergänzung des Art. 9 Abs. 3 wird vielmehr der bei den Arbeitsgerichten herrschenden Meinung der Boden entzogen, Streiks seien eigentlich rechtswidrige Gewaltakte und nur unter bestimmten Voraussetzungen erlaubt. Jetzt ist verfassungsrechtlich klargestellt, daß der Streik ein legitimes Kampfmittel der Arbeitskoalitionen ist, wobei ich ausdrücklich an die Erklärung der Bundesregierung erinnere, die für sie Herr Staatssekretär Professor Ehmke in der fünften öffentlichen Informationssitzung zur Notstandsvorlage am 14. Dezember 1967 abgegeben hat. Herr Ehmke hat damals gesagt: „Von der Verfassung her sieht für uns die Lage so aus, daß die Bundesregierung im Gegensatz zur herrschenden Lehre und wohl auch zur herrschenden Rechtsprechung, der Meinung ist, daß das Streikrecht schon jetzt in Art. 9 garantiert ist." Der zweite Fortschritt, unabhängig von der Notzeit, besteht in der ausdrücklichen Verankerung des allgemeinen Widerstandsrechts in der Verfassung. Damit ist für die Bundesrepublik der Streit um die Anerkennung dieses urdemokratischen Rechtes positiv entschieden, dieser Streit, der in Europa seit Jahrhunderten geführt worden ist und den auch das Bundesverfassungsgericht bislang nicht hat beenden wollen. Was sollen wir eigentlich noch tun, meine Damen und Herren, um den wirklichen und einzigen Zweck dieses Gesetzes, nämlich den Schutz von Freiheit, Recht und Demokratie gegen jeden Mißbrauchversuch und gegen jeden Angriff in tatsächlichen und angeblichen Notlagen zu beweisen?! „Die Große Koalition will uns weismachen, ihre Notstandspläne seien demokratisch. ,Demokratische' Notstandsgesetze gibt es ebensowenig wie eine ,demokratische' Guillotine", behauptet dieses Flugblatt. Das ist nicht nur absurd, meine Damen und Herren, das ist vor dem Hintergrund dieses Gesetzes eine völlig unsinnige Verkehrung der Fronten: Wir wollen mit diesem Gesetz endgültig sichern, was wir nach Bildung der Großen Koalition mit der Vernichtung der Schubladentexte schon eingeleitet haben. Wir wollen verhindern, daß jemals eine Bundesregierung unter Berufung auf alliierte Vorbehaltsrechte oder übergesetzlichen Notstand sich zum Diktator aufschwingen kann. Das wird uns als „gepeitschter Eilmarsch in die Notstandsdiktatur" angelastet. Dieselben Leute, die das behaupten und mit ihrem Kampf gegen dieses Gesetz, wie sie sagen, die Demokratie sichern wollen, würden das genaue Gegenteil bewirken. Wenn dieses Gesetz nicht geltendes Recht wird, dann bleiben die alliierten Vorbehaltsrechte bestehen, dann quellen die Notstandsschubladen bald wieder über von Geheimtexten, dann kann kein Deutscher mehr eine Bundesregierung daran hindern, als Staatskommissar der Alliierten unumschränkte Gewalt an sich zu ziehen. Dann aber - wenn dieses Gesetz nicht verabschiedet wird - darf sich wirklich niemand „wundern, wenn er morgen in einer Diktatur lebt", darf niemand „jammern, wenn er zur Rüstungsarbeit dienstverpflichtet wird", ({22}) darf niemand „erstaunt sein, wenn sein Auto beschlagnahmt wird", darf niemand „überrascht sein, wenn er zur Luftschutzübung eingezogen wird", darf niemand „klagen, wenn Streiks zerschlagen und den gewerkschaftlichen Rechten der Boden entzogen wird". All das steht in diesem Flugblatt! Dieses Gesetz, mit dem wir uns gestern und heute befaßt haben, dient, wie alle Gesetze, dem Schutz der Schwachen; ich erinnere an das, was der Bundesjustizminister Heinemann am vergangenen Freitag an dieser Stelle dazu gesagt hat. Wer jetzt aufpaßt, meine Damen und Herren - und dazu sind wir Abgeordnete in diesen Bundestag gewählt -, der muß der vorliegenden Grundgesetzänderung zustimmen, diesem Gesetz zum Schutz des Schwachen, zum Schutz der Freiheit, des Rechts und der Demokratie, diesem Gesetz, das letzten Endes aber auch dienen wird dem Schutz des Friedens und seiner Sicherung. ({23})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort hat der Abgeordnete Dorn.

Wolfram Dorn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000409, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nachdem wir zwei Tage lang in diesem Hause darum gerungen haben, wie eine Notstandsverfassung aussehen soll, ist es gut, am Schluß einer solchen Einzeldiskussion auch noch einmal die verfassungspolitischen Argumente zusammenzufassen. Ich möchte daher auf das eingehen, was der Kollege Barzel vorhin an Fragestellung an mich gerichtet hat, wobei ich es allerdings sehr bedauere, Herr Kollege Barzel, daß das erste Zitat, das Sie gebracht haben, nun wirklich völlig sinnentstellend ist. Ich möchte es so vorlesen, wie Sie es vorgetragen haben, und ich möchte dann gleich fortfahren, wie es weitergeht. Sie haben meine Rede vom Sonnabend hier im Hofgarten zitiert: In dieser Stunde ist es notwendig zu sagen, daß die parlamentarische Opposition mit den Kräften der außerparlamentarischen Opposition kooperieren muß. Und so weiter. Darf ich Ihnen den Satz ganz vorlesen: In dieser Stunde ist es notwendig zu sagen, daß die parlamentarische Opposition mit den Kräften der außerparlamentarischen Opposition kooperieren muß, die mit uns gemeinsam den freiheitlichen Rechtsstaat und die ihn garantierende Verfassung verteidigen wollen. Das ist das Wortzitat. ({0}) - Nein, ich verlange keine Entschuldigung, meine Freunde. ({1}) Nun der andere Absatz, Herr Kollege Barzel. Ich glaube, auch bei diesem Absatz ist Ihnen eines völlig entgangen. Dieser Absatz ist wörtlich identisch mit meinen Ausführungen, die ich von dieser Stelle im Deutschen Bundestag, und zwar in der 166. Sitzung am 3. April 1968 bei der Beratung des Innenhaushalts, vorgetragen habe. Der Herr Kollege Even von Ihrer Fraktion hat anschließend geantwortet; auf die von Ihnen kritisierte Fassung ist er gar nicht eingegangen. ({2}) - Entschuldigen Sie, wenn das so sehr zur Beunruhigung bei Ihnen beigetragen hat, dann möchte ich das klären. ({3}) - Entschuldigen Sie, Herr Kollege; wenn ich das, was ich an dieser Stelle, in diesem freigewählten Parlament vortrage, auch außerhalb vortrage, können Sie doch nicht sagen, daß das irgendeine kritischere Situation sei, als wenn ich es hier sage. ({4}) Ich stehe zu dem, was ich hier sage, und genauso zu dem, was ich draußen gesagt habe. ({5}) Lassen Sie mich gleich das Nächste anfügen, Herr Kollege Barzel. - Es ging mir nur um die Klärung. ({6}) - Um welche Frage? ({7}) - Entschuldigen Sie, lassen Sie mich der Reihe nach vorgehen. - Ich habe das zweite Zitat, das Herr Dr. Barzel vorgetragen hat, mit folgenden Sätzen abgeschlossen: Wir alle sollten daher zu den Bewahrern des Rechts und der Verfassung in unserem Lande gehören. Freiheit kann man nur erkämpfen, wenn man sie nicht besitzt. Wenn man sie aber besitzt, muß man sie mit heißem Herzen und mit kühlem Verstand davor bewahren, daß sie erneut eingeschränkt wird, denn Freiheit und Recht sind unteilbar. ({8}) Ich meine, Herr Kollege Barzel, deutlicher kann man sich zu der Verfassung dieses Staates, die von uns allen akzeptiert wird, nicht bekennen, als ich es auch an dieser Stelle getan habe. Ich habe weder zum Aufruhr aufgerufen - -({9}) - Nein, aber ich will sagen, ich habe in dieser Veranstaltung im Hofgarten genau das vorgetragen, was ich in diesem Hause gesagt habe, und insofern hat der Herr Bundesinnenminister sogar recht, wenn er sagt, das war nicht neu. Nun eine andere Passage Ihrer Rede, Herr Dr. Barzel! ({10}) Sie haben gesagt: Wir sind jetzt Herr im eigenen Hause, die alliierten Vorbehaltsrechte werden abgelöst werden, wenn die Alliierten ihre Zustimmung geben. Ich meine, eines ist doch auch sicher, nicht alle alliierten Vorbehaltsrechte werden durch die gesetzliche Regelung, die Sie jetzt hier vornehmen wollen, abgelöst, - damit auch das in dieser Stunde klar ist. Dann haben Sie, an unsere Adresse gerichtet, sinngemäß gesagt: Zweimal haben wir, die CDU, mit der FDP Entwürfe zur Notstandsgesetzgebung vorgelegt; auch daran soll in dieser Stunde erinnert werden. Herr Kollege Barzel, auch hier unterliegen Sie einem Irrtum. Der Schröder-Entwurf ist von Ihnen zu einer Zeit vorgelegt worden, als wir nicht in der Regierung waren, und dieser Entwurf hier ist auch zu einem Zeitpunkt vorgelegt worden, als wir nicht in der Regierung waren. Wenn man also die Dinge darstellt, muß man sich auch auf das beschränken, was Tatsache ist. Daß wir, mit Ihnen in der Regierung sitzend - 1963 war es, glaube ich - den Höcherl-Entwurf hier vorgelegt haben, darüber gibt es keinen Zweifel. Ich möchte auf die umfangreiche Rede des Kollegen Hirsch jetzt nicht eingehen. Sie erscheint uns auch vom Umfang her - Herr Kollege Hirsch ist leider nicht mehr da - aus der Situation, in der Sie sind, verständlich. Das sage ich hier sehr offen. Aber, meine Damen und Herren, heute ist hier mehrfach darüber gesprochen worden, wie es mit der Diskussion um die Notstandsgesetzgebung in unserem Volke aussieht, ob Demagogen am Werke sind und ob das Sachargument überzeugen kann. Vielleicht sollten wir auf jemanden hören, der zu Beginn dieser Auseinandersetzung etwas ausgeführt hat, was noch nicht ein Jahr alt ist, einen Minister dieser Regierung, Herr Kollege Barzel, der auch Ihrer Fraktion angehört. Er hat zur Einleitung eines Aufsatzes in dem Buch „Vorbereitung auf den Notstand", erschienen in der Fischer-Bücherei - und ich bitte den Herrn Präsidenten um Genehmigung, zwei kurze Absätze daraus zitieren zu dürfen -, folgendes erklärt: Wenn das Stichwort Notstand fällt, gerät seit Jahren fast jede politische Diskussion in Gefahr, steckenzubleiben in Behauptungen und Gegenbehauptungen. Wechselseitige Anschuldigungen blockieren den Weg zur Verständigung, Vorurteile versperren die Sicht. Die Hauptverantwortung für die Entsachlichung der Diskussion fällt meines Erachtens auf den seinerzeitigen Bundesminister des Innern, Dr. Gerhard Schröder. Er hat es 1960 versäumt, die heiklen Notwendigkeiten, die mit dem Begriff Notstand verbunden sind, freimütig öffentlich zur Diskussion zu stellen. Er strebte nach den umfassendsten Vollmachten für die Exekutive. Offenbar hat er im Jahr vor der Bundestagswahl gemeint, mit Notstand könnten die Geister so voneinander geschieden werden, daß die CDU als die Staatspartei und die SPD als die Partei gegen den Staat abgestempelt würden. Dies war ein Denken, das zur Kehrseite der Adenauer-Zeit gehörte. Die CDU verwechselte sich mit dem Staat. Dieses Zitat, im Juli des vergangenen Jahres geschrieben, stammt von dem gesamtdeutschen Minister dieser Regierung, Herrn Herbert Wehner. Ich meine also, man muß einmal den Auseinandersetzungen - ({11}) - Ich habe gesagt: dieser Regierung, der Sie angehören, Herr Barzel. ({12}) - Herr Barzel, wenn ich mich versprochen haben sollte und ihn als CDU-Minister bezeichnet habe, bitte ich um Entschuldigung. Aber ich glaubte gesagt zu haben, er gehörte dieser Regierung an, der auch Sie angehören.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Herr Dorn, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Barzel?

Wolfram Dorn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000409, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Bitte schön, Herr Präsident!

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Herr Abgeordneter Dr. Barzel!

Dr. Rainer Barzel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000102, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Dorn, darf ich die Hoffnung haben, daß Sie im Laufe Ihrer Ausführungen noch auf die Frage zurückkommen werden, die ich Ihnen vorher gestellt habe?

Wolfram Dorn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000409, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Würden Sie die Frage bitte wiederholen, Herr Kollege Barzel?

Dr. Rainer Barzel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000102, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Dorn, ich habe in den Mittagsstunden Ihre Fraktionsführung wissen lassen - und in meiner Rede darauf Bezug genommen, daß ich die Frage hätte - nur deshalb habe ich die Passage wegen des Widerstandes aus Ihrer Samstagrede vorgelesen -, ob Sie nun zugeben würden, daß hier ein GesetzgebungsverfahDr. Barzel ren rechtsstaatlicher- und fairerweise beendet ist und daß nach diesem Beschluß, wie immer der eine oder andere am Schluß hier stimmt, dagegen ein Widerstand von draußen wohl nicht in Frage kommen kann, kurzum, daß auch die Minderheit das Recht der Mehrheit respektiert. Das war meine Frage. Ich bemühe mich eben, den Text zu bekommen; es geht nicht so schnell in diesem Hause. Würden Sie die Güte haben, darauf zu antworten? Sie haben mir vorhin nämlich zugewinkt und gesagt, Sie würden antworten. Ich würde es gern von dieser Stelle hören.

Wolfram Dorn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000409, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ja. Darüber gibt es keine Meinungsverschiedenheiten zwischen uns, daß wir als Befürworter einer parlamentarischen Demokratie eine parlamentarische Mehrheitsentscheidung in diesem Hause respektieren, auch dann, wenn sie uns gar nicht gefällt. Das nehmen Sie bitte zur Kenntnis. ({0}) Ich bitte aber jetzt um Verständnis dafür - Sie sind nicht unterbrochen worden, Herr Kollege Hirsch ist nicht unterbrochen worden -, daß ich meine Schlußbemerkungen zu dieser Lesung mache. ({1}) -- Aber sehr verehrter Herr Kollege Könen, ich meine, das in meine Antwort hineinzugeheimnissen, das ist schon ein ganz besonderen Akrobatenstück. ({2}) - Ach, Herr Kollege Schmidt, ich habe manchmal den Eindruck - ({3}) - Herr Kollege Schmidt, ich habe manchmal den Eindruck, als ob Sie Ihren bundesweit bekannten Beinamen Ihrer besonders vornehmen Zurückhaltung im Parlament wegen verdient hätten. ({4}) Meine Freunde und ich haben die Öffentlichkeitsarbeit der vorigen Bundesregierung hier an dieser Stelle sehr scharf kritisiert. Wir bedauern auch, daß die Öffentlichkeitsarbeit dieser Bundesregierung erhebliche Mängel aufzuweisen hat. Ich gebe zu, Herr Bundesminister, daß die Plakate, die seit einigen Tagen - seit der vergangenen Woche genau - auch hier in Bonn hängen und die dazu auffordern, sich zu informieren, bisher nicht dazu führen konnten, daß die Bevölkerung sich informiert hat, weil nämlich die Entscheidung erst heute gefallen ist. ({5}) Ich nehme an, daß wahrscheinlich, so wie die Dinge jetzt vor sich gehen werden, manche Diskussionen über die Notstandsgesetzgebung nicht mehr den Charakter einer Auseinandersetzung haben werden, wie das in den vergangenen Monaten der Fall war. Wir haben oft - bei mancher Podiumsdiskussion - Kollegen der beiden Fraktionen vermißt, wenn es darum ging, Öffentlichkeitsarbeit zu betreiben. Wir sind mit einer geringeren Zahl von Kollegen zwischen Kiel und München und zwischen Berlin und Saarbrücken von Veranstaltung zu Veranstaltung gefahren. ({6}) Wir haben an den Hochschulen manche harte Auseinandersetzung geführt, wo viele von Ihnen nicht mehr angetreten sind. ({7}) - Aber sehr verehrter Herr Kollege Lenz, fragen Sie doch mal, wie viele meiner Fraktionskollegen bei Veranstaltungen allein in der Diskussion gestanden sind, wo die Abgeordneten anderer Fraktionen fehlten. ({8}) - Darf ich Ihnen ein Beispiel aus der vergangenen Woche sagen? ({9}) - Es ist mir wirklich unverständlich, muß ich Ihnen gestehen, das man diese Frage hier nicht ausdiskutieren kann. - In der vergangenen Woche Dienstag fand an der Kölner Universität eine Diskussion statt, zu der nach Auskunft des Asta alle drei Fraktionen und das Innenministerium eingeladen waren. Von der CDU- und SPD-Fraktion war kein Teilnehmer anwesend. ({10}) - Nein, das war kein Love-in, Herr Haase, sondern das war eine ernsthafte Diskussion, die von morgens 10 bis 13 Uhr und von 15 bis 19 Uhr stattfand. - Vielleicht wären Sie gekommen, wenn es ein Love-in gewesen wäre, das mag sein. ({11}) Zehn Minuten vor Beginn dieser Veranstaltung wurde vom Asta-Sprecher mitgeteilt, das Bundesinnenministerium habe gerade angerufen, daß es auch die Zusage zurückziehen müsse, hier mit zu diskutieren. ({12}) - Ja, ich betrachte das als ausgesprochen schlecht, Herr Kollege. Denn es ist nach meiner Auffassung immer noch besser, zu diskutieren und die geistige Auseinandersetzung ({13}) auch mit denen zu führen, die auf dem Boden des Marxismus oder des Herrn Marcuse stehen. Denn in diesem Hause steht auf diesem Boden keiner, wir Liberalen zuallerletzt. ({14}) Am vergangenen Freitagabend fand in der Bonner Universität ebenfalls eine Diskussion statt, zu der die Fraktionen eingeladen waren. Ein Vertreter der SPD- oder ein Vertreter der CDU-Fraktion war nicht da. Für die SPD war ein Assistent eines Arbeitskreises, Herr Glückert, da. Für die CDU war ein Vertreter des RCDS da. ({15}) - Herr Kollege Schlager, die Frage ist nicht, ob man sich beschimpfen lassen muß und dann nicht kommen will, wenn man sich beschimpfen lassen muß. ({16}) - Ich bitte um Entschuldigung; dann habe ich Sie verwechselt. - Ah, der Herr Kollege Althammer war es. Ich will Ihnen keinen Vorwurf machen, den Sie nicht verdient haben, Herr Schlager. ({17}) Meine Damen und Herren, heute ist noch einmal die Frage aufgeworfen worden, warum ich im Bonner Hofgarten aufgetreten bin. ({18}) - Nein, Herr Rasner, auch das stimmt nicht; nicht unter roten Fahnen. Daß die Demonstranten rote Fahnen mit sich geführt haben, habe ich nicht bestritten. Aber Sie glauben doch wohl nicht - ich meine, das habe ich doch eigentlich gestern hier deutlich genug vorgetragen -, daß ich die rote Fahne als ein Symbol freiheitlicher Grundordnung ansehe. Wer aber dieses Auftreten kritisiert, sollte sich auch darüber im klaren sein, daß ein großer Teil der Redner, die bei dieser Veranstaltung aufgetreten sind, vom Deutschen Bundestag als Spezialisten zu den Hearings eingeladen worden ist. Das gilt sowohl für Herrn Ridder wie für Herrn Seifert wie für Herrn Abendroth, die während dieser Veranstaltung oder an den Sammelplätzen vorher diskutiert haben. ({19}) - Na ja, ich weiß, Sie wissen das alles viel besser als die Professoren, die immerhin auch von Ihrer Fraktion hier als Sachverständige akzeptiert worden sind. Ich meine, das muß man doch hier sagen können. Damit identifiziert man sich doch nicht mit dem, was an Argumenten von denen vorgetragen wird. Ich glaube - auch das müssen Sie zugeben -, daß gerade mein Kollege Busse, meine Kollegin Emmy Diemer-Nicolaus und ich uns in einer Fülle von Veranstaltungen sehr hart mit den Argumenten der antiparlamentarischen Kreise auseinandergesetzt haben. Man solte, wenn man ein gemeinsames Auftreten bei einer solchen Veranstaltung mit diesen Rednern kritisiert, wissen, daß auch Kollegen der CDU/CSU-Fraktion und auch Kollegen der SPD-Fraktion bei Podiumsveranstaltungen des Gewerkschaftsbundes oder anderer Organisationen - Volkshochschulen usw. - mit den gleichen Personen zu einer Diskussion auf dem Podium zusammengetroffen sind. Kein Mensch von uns wäre auf die Idee gekommen, ihnen zu unterstellen, daß sie damit die Thesen dieser Herren vertreten. Das muß doch auseinanderhalten können. ({20}) Nun ist hier am Freitag gesagt worden, diejenigen, die am Sonnabend hierhergekommen sind, hätten nur eine mangelnde Kenntnis der Gesetzesvorhaben gehabt. Wenn man aber einmal einen Querschnitt der Bevölkerung nähme, würde sich herausstellen, daß diejenigen, die hier am Sonnabend demonstriert haben, weitaus besser informiert waren ({21}) - wenn auch zum Teil sehr einseitig; da gebe ich Ihnen recht, Herr Schlager -, als viele andere in unserer Bevölkerung bisher informiert sind. Die Frage wird also lauten: Wie werden wir mit denen, die jegliche Notstandsgesetzgebung ablehnen, in der geistigen Auseinandersetzung fertig? Die Anwendung von Gewalt als Mittel der Politik - das ist hier von meinen Freunden mehrfach betont worden - ist ein Mittel, das abgelehnt werden muß, und es ist ein untaugliches Mittel. Meine Damen und Herren, lassen Sie mich auch noch folgendes sagen. Es ist auch ein untaugliches Mittel, Drohungen gegen Abgeordnete auszusprechen, ganz gleich, welcher Fraktion sie angehören, und ganz gleich, welche Entscheidung sie in dieser Sachfrage in diesem Hause treffen. Auch das ist untauglich. Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, wir sollten uns auch davor hüten, alle diejenigen, die eine Verfassungsänderung für eine Notstandsgesetzgebung ablehnen, in den Topf der Kommunisten oder Anarcho-Kommunisten zu werfen. ({22}) - Auf den Zwischenruf möchte ich nicht eingehen. Ich selbst, meine Damen und Herren, gehöre zu dem Kreis, der sich in der evangelischen Kirche seit vielen Jahren intensiv um diese Dinge gekümmert hat, und ich kann nur sagen, daß ich sowohl in dem Gremium meiner örtlichen evangelischen Kirche, im Presbyterium, wie auch in der Synode meines Kirchenkreises in dieser Frage viele Diskussionen geführt habe, in denen Argumente auch auf der Ebene vorgetragen wurden, die der evangelische Theologe Prof. Kreck hier in Bonn mit verwendet hat. Das Problem, daß die Fraktionen in der Sache nicht immer die gleiche Meinung gehabt haben, ist gestern und heute mehrfach angesprochen worden, und Sprecher der beiden Fraktionen der Koalition haben ja mehrfach Zitate aus meinen Ausführungen aus dem Jahre 1965 hier vorgetragen, zum Teil mit sehr abwertenden Bemerkungen. Ich nehme das hin, so, wie Sie es gesagt haben. Ich nehme aber auch die Erklärung hin, die Herr Barzel vorhin abgegeben hat, daß damit nun Schluß sein soll. Herr Barzel - d'accord! Ich meine nur, daß auch das von mir gestern hier deutlich gemacht worden wäre. Aber nach dem, was ich heute morgen in einigen Zeitungen gesehen habe, scheint das bei einigen Journalisten noch nicht durchgeschlagen zu haben, und deswegen möchte ich das mit wenigen Worten noch einmal vortragen. Die Freie Demokratische Partei war bis zum Jahre 1966 -- bis wir im Innenministerium durch Herrn Innenminister Lücke im Rahmen der Zwölferkommission Einblick in den materiellen Inhalt der Gesetze bekamen, die in diesem Verteidigungsbuch lagen - der Meinung, die ich im Jahre 1965 in zweiter und dritter Lesung hier vorgetragen habe. Nachdem wir hier bestimmte Kenntnisse erlangt haben - mein leider verstorbener Kollege Thomas Dehler, der Kollege Hermann Busse und ich -, hat sich bei uns eine ziemliche Skepsis breitgemacht. Meine Damen und Herren, ich sage das jetzt nicht an die Adresse in diesem Hause, sondern ich sage das an die Adresse mancher Journalisten: Nach dem Auszug aus dem Eifelbunker, nach der FallexÜbung, ist an Hand aller Äußerungen mündlicher und schriftlicher Art der Freien Demokratischen Partei und ihrer Bundestagsfraktion eindeutig nachweisbar, daß bei uns eine Fülle von Bedenken sichtbar geworden ist, nachdem wir dort und auf Grund der Beratungsgrundlage des Benda-Berichtes diese Fallex-Übung mitgemacht haben. Ich gebe zu, daß sich seitdem in der Beurteilung und in der verfassungspolitischen Ansicht dessen, was sich dann in der Notstandsdiskussion weiter ereignet hat, diese Fraktion ständig neu überlegt hat, ob die Haltung von 1965 uneingeschränkt beibehalten werden kann oder nicht. Wir sind zu einem Ergebnis gekommen, und dieses Ergebnis, meine Damen und Herren, haben wir Ihnen in den vergangenen Jahren im Rahmen unseres Alternativgesetzentwurfs vorgelegt als unsere Auffassung von einer verfassungskonformen Gesetzgebung, die sich auf den Verteidigungsfall konzentriert und die viele Möglichkeiten, die Sie jetzt beschließen wollen, ablehnt. Wir konnten nicht so verfahren wie die sozialdemokratische Bundestagsfraktion im Jahre 1965. Meine Damen und Herren, Sie hatten damals die Sperrminorität. Sie brauchten, sich auf Ihre Parteitagsbeschlüsse berufend, in diesem Hause nur nein zu sagen, und damit war die Entscheidung in diesem Hause gefallen. Daß Sie diese Entscheidung so getroffen haben, meine sehr verehrten Damen und Herren von der SPD-Fraktion, habe ich in dieser Legislaturperiode bereits zweimal von dieser Stelle anerkennend bemerkt. Man sollte dann doch auch bereit sein, das, was wir allen anderen Kollegen und den beiden übrigen Fraktionen in diesem Hause zugestehen, daß seit 1965 neue Argumente, neue Überlegungen in dieser Frage sichtbar geworden sind und durch die ständige Diskussion auch neue Gesichtspunkte aufgetaucht sind, auch der Fraktion der Freien Demokraten zugestehen. Ich glaube, wenn wir so weit sind - und Herr Kollege Barzel hat es dankenswerterweise vorhin schon für sich oder seine Fraktion erklärt -, dann sind wir in der Frage der parteipolitischen Auseinandersetzung auch schon einen grollen Schritt weiter. Lassen Sie mich zum Schluß kommen. ({23}) Wir können unsere Zustimmung zur dieser heute von Ihnen so beschlossenen Vorlage nicht geben. Wir können sie deswegen nicht geben, meine sehr verehrten Damen und Herren, weil viele Vorstellungen, sowohl verfassungsrechtlicher, als auch verfassungspolitischer Art, die wir haben und die wir in unsere Änderungsanträge eingebaut hatten, von Ihnen nicht akzeptiert worden sind. Sie haben jeden einzelnen unserer Anträge abgelehnt. Wir bedauern das sehr. Aber wir nehmen es als Demokraten in diesem Parlament als parlamentarische Entscheidung zur Kenntnis. Wir sehen im Augenblick keine Möglichkeit einer weiteren parlamentarischen Diskussion über dieses Problem. Wir sehen mit großem Interesse der Erklärung der Alliierten entgegen, inwieweit und in welchem Umfang sie bereit sind, ihre Vorbehaltsrechte abzulösen. Aber ich glaube, meine sehr verehrten Damen und Herren, an dieser Stelle könnte man auch ein Wort zu der Arbeit sagen, die die parlamentarische Opposition au dieser Steile in diesem Hause in dieser Sache geleistet hat. Diese parlamentarische Opposition - auch darüber sollte es keinen Zweifel in dem gesamten Hause geben - hat alles, was in ihren Kräften stand, parlamentarisch vorgetragen und ihre parlamentarische Kontrollfunktion und ihre parlamentarische Aufgabe als Opposition wahrgenommen. ({24})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort hat der Herr Bundesminister des Innern.

Prof. Dr. Ernst Benda (Minister:in)

Politiker ID: 11000139

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vorab ein sehr kurzes Wort an den Herrn Kollegen Dorn. Die Ausführungen, die Sie gemacht haben, würden natürlich Anlaß geben, zu einer ganzen Reihe von Punkten hier Stellung zu nehmen. ({0}) Ich glaube, daß es in dieser Stunde und in der Position, in der ich mich als möglicherweise - ich kann das nicht mit Sicherheit sagen, aber möglicherweise - letzter Redner in dieser Debatte in der zweiten Lesung jetzt befinde, sinnvoll ist, sich nicht noch einmal in Einzelheiten zu verlieren, sondern zu versuchen, das zu sagen, was ich aus meiner Sicht für das wesentliche Ergebnis dieser Debatte halte. Nur ein Punkt, in dem dem Kollegen Dorn wieder einmal - es ist ja nicht das erste Mal in diesen Tagen etwas unterlaufen ist. Sie haben behauptet, das Bundesinnenministerium habe eine an sich gegebene Zusage zu einer Veranstaltung in Köln zehn Minuten vor Beginn der Veranstaltung abgesagt. Der Beamte, der das Telefongespräch mit dem zuständigen Herrn beim Asta der Universität Köln geführt hat -- er befindet sich hinten auf der RegierungsBundesminister Benda bank -, die Absage sei nicht zehn Minuten vor der Veranstaltung, sondern mehrere Tage vor der Veranstaltung gegeben worden, und zwar deswegen, ({1}) weil der für die Teilnahme vorgesehene Beamte sich auf einer dienstlichen Auslandsreise befunden habe. ({2})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dorn?

Prof. Dr. Ernst Benda (Minister:in)

Politiker ID: 11000139

Einen Augenblick, Herr Kollege Dorn, ich bin ja zunächst gefragt worden. Darf ich sagen: Ich bleibe dabei, daß ich mich nicht auf Einzeldiskussionen einlassen will. Ich will Ihnen - damit Sie nicht sagen können, ich hätte Ihnen nicht die Möglichkeit zu einer Erwiderung gegeben - die Möglichkeit gerne gegeben, eine Frage zu stellen, ({0}) darf dann aber sagen, daß ich mich im übrigen den Punkten, die ich vorhabe, hier auszusprechen, zuwenden möchte. - Bitte sehr, Herr Abgeordneter Dorn!

Wolfram Dorn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000409, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Bundesinnenminister, sind Sie bereit, das unkorrigierte Protokoll von mir einzusehen, um dann festzustellen, daß ich gesagt habe: ,,... wie der Asta-Sprecher dem Plenum dort mitgeteilt hat"? ({0})

Prof. Dr. Ernst Benda (Minister:in)

Politiker ID: 11000139

Herr Kollege Dorn, die Frage war für mein Empfinden nicht notwendig, denn ich hatte vor, zu sagen, daß möglicherweise der Irrtum nicht bei Ihnen, sondern bei dem betreffenden Herrn, der Sie informiert hat, liegt. Ich halte das auch gar nicht für so interessant, das weiter zu untersuchen. Der Sachverhalt ist jedenfalls so, wie er vorgetragen wurde, falsch. Meine Damen und Herren, ich möchte nun wirklich versuchen, mich den wesentlicheren Dingen zuzuwenden. Ich tue das, wenn Sie dieses persönliche Wort gestatten, in einer doppelten Eigenschaft. Ich spreche hier natürlich als der für die Verfassungsfragen und damit auch für die Fragen der Notstandsverfassung zuständige Bundesminister; ich spreche zugleich als jemand, der persönlich immerhin von seinen bisher elf Parlamentsjahren acht Jahre im wesentlichen mit der Beschäftigung mit dieser Materie zugebracht hat. Ich weiß nicht, ob es unangemessen ist, aber ich möchte doch ganz gerne sagen: Für jemand wie mich bereitet es ein Gefühl der Genugtuung, nicht nur eine solche Arbeit vor ihrem Ziel, sondern auch die Aussicht zu haben, mich in Zukunft in der Arbeit, die ich habe, anderen Dingen zuwenden zu können. ({0}) Glücklicherweise gibt es selbst in einem vergleichsweise spröden Haus wie dem Bundesinnenministerium doch eine Reihe von Materien, die von gleicher oder größerer Wichtigkeit sind, aber zusätzlich eben den Vorteil haben, daß sie wesentlich angenehmer sind. Ich habe mich in einer der Parlamentsdebatten, ich glaube, der ersten, nachdem ich in dieses Amt berufen wurde, mit einer Meldung im Pressedienst der Freien Demokratischen Partei - ich will das gar nicht polemisch wiederholen - auseinandergesetzt, die die Vermutung geäußert hatte, ich würde Notstand als Hobby betreiben. Das ist eine merkwürdige Vorstellung von der Beschäftigung mit einer solchen Materie. Ich freue mich darauf, anderen Dingen meine gesteigerte Aufmerksamkeit in Zukunft zuwenden zu können. ({1}) Das gilt, Herr Kollege Hirsch und Herr Reischl, für die vielen, zu denen ich jetzt von mir aus auch ein Wort sagen wollte, wiewohl mir das auch nicht unbedingt zukommt. Darf ich das als Kollege sagen. Ich glaube, eine Reihe von Kollegen in diesem Hause haben doch ein Wort des Dankes verdient; das gilt für den oder die Berichterstatter, die Kollegen Dr. Lenz und Dr. Reischl, ({2}) das gilt für die Herren Vorsitzenden und Mitglieder des Rechtsausschusses und des Innenausschusses, das gilt - darf ich dus, Herr Kollege Hirsch, sagen, wiewohl mir das am schwersten fällt; aber nachdem Sie das Thema angeschnitten haben, möchte ich es sagen - auch für die Beamten der verschiedenen Ressorts, die mit sehr großem Fleiß und sehr großer Loyalität ihre Fachkunde, die sie haben, in den Dienst des Parlaments gestellt haben. Ich benutze die Gelegenheit, um das zu sagen, weil das ja auch politisch eine Rolle spielt: Wir haben den guten Brauch, daß die Beamten und die Ressorts der Bundesregierung dem Parlament - nicht der Fraktion oder einer Fraktion, sondern dem Parlament uneingeschränkt zur Verfügung stehen, um durch Formulierungshilfen oder in anderer Weise ihre Sachkunde zur Verfügung zu stellen. Was die Notstandsverfassung anlangt, so ist zu sagen, daß während meiner Amtszeit - und ich glaube, Herr Kollege Lücke kann das für seine Amtszeit auch bestätigen - alles, was das Innenministerium an Formulierungen vorgelegt hat, von der Spitze des Hauses unter politischen Gesichtspunkten geprüft und entschieden worden ist. Das ist also gerade keine Einflußnahme - wie man immer etwas abwertend sagt, ohne daß das sicher bei Ihnen, Herr Kollege Hirsch, so gemeint war - der Ministerialbürokratie, sondern die fachmännische Hilfe von Beamten, die eine hervorragende Arbeit leisten, die gewohnt sind, dann gelegentlich zu hören, sie seien die Bürokratie. Ich sage meinen Herren immer: das wird mit der Ministerialzulage abgegolten, das müssen Sie ertragen., ({3}) Aber ich glaube, Sache dessen, der die politische Verantwortung trägt, ist es dann, eine solche GeleBundesminister Benda genheit zu benutzen, um einmal zu sagen, daß hier wohl auch ein Wort der Anerkennung am Platze ist. ({4}) Ich muß mich mit ganz wenigen Worten einem aktuellen Vorgang zuwenden. Herr Stoph, der einen Brief des Herrn Bundeskanzlers, der eine ganze Reihe von Monaten drüben vorliegt, noch nicht beantwortet hat, hat es für richtig gehalten, in einem Fernschreiben an den Bundeskanzler, das vor wenigen Tagen bei uns eingegangen ist, sich zu den Fragen der Notstandsverfassung zu äußern und die Behauptung aufzustellen, die sogenannte Notstandsverfassung wolle die Bundesregierung in nächster Zeit durch den Bundestag verabschieden lassen Worte sind ja manchmal verräterisch -, „ohne Mandat des Volkes hat die Bundesregierung hinter verschlossenen Türen einen schwerwiegenden gesetzgeberischen Akt vorbereitet, den sie nunmher gegen den eindeutigen Willen der Mehrheit der westdeutschen Bevölkerung in Kraft zu setzen sucht". Meine Damen und Herren, das braucht gar nicht kommentiert zu werden; ich will es einfach hier einmal wiedergeben und Ihnen dann - wenn Sie ein oder zwei kurze Zitate gestalten - aus der neuen Verfassung vorlesen, die man sich dort drüben gegeben hat, in der es im Art. 23 heißt: Jeder Bürger ist zum Dienst und 7t1 Leistungen für die Verteidigung der Deutschen Demokratischen Republik entsprechend den Gesetzen verpflichtet. Im Art. 52 heißt es: Die Volkskammer beschließt über den Verteidigungszustand der Deutschen Demokratischen Republik. Im Dringlichkeitsfall ist der Staatsrat -also soweit man überhaupt Vergleiche ziehen kann, doch wohl die Regierung, die Exekutive berechtigt, den Verteidigungszustand zu beschließen. Der Vorsitzende des Staatsrates verkündet, und die Verfassungsmäßigkeit - das gilt über den Notstand hinaus - wird geprüft und entschieden durch den Staatsrat. Dann gibt es jenes alte Verteidigungsgesetz vorn Jahre 1961, in dem es heißt, daß der Staatsrat im Falle der Gefahr den Verteidigungszustand erklärt. Die Folge ist, daß der Staatsrat der Republik in Wahrnehmung seiner Rechte aus dem Art. 106 - das war noch die vorige Verfassung - für die Dauer des Verteidigungszustandes die Rechte der Bürger und die Rechtspflege in Übereinstimmung mit den Erfordernissen der Verteidigung der Republik abweichend von der Verfassung regeln kann. So einfach geht es, meine Damen und Herren, und das sollte man wohl bei dieser Gelegenheit gegenüberstellen, weil es Bedeutung für unsere Diskussion hat. Der verstorbene Vizepräsident des Bundesverfassungsgerichts, Herr Katz, hat vor vielen Jahren am Beginn dieser Notstandsdiskussion einmal darauf hingewiesen, daß die Regelung des Notstandes überhaupt nur ein Problem des Rechtsstaates sei ein scheinbar paradoxes und dennoch wahres Wort -, daß der Rechtsstaat sich unter anderem daran zeigt, daß über einen Ausnahmezustand, über eine Regelung eines Notstandes diskutiert werden muß. Der Unrechtsstaat lebt ja im permanenten Ausnahmezustand. Er braucht an sich keine Sonderregelung für einen solchen Fall. ({5}) Ich meine, daß das zu diesem Kapitel zu sagen vielleicht genügt. Herr Kollege Hirsch und auch Herr Kollege Barzel haben an den langen Weg erinnert, den die Fragen der Notstandsverfassung gebraucht haben. Auch dies möchte ich nicht wiederholen. Es könnte sein, Herr Kollege Hirsch, daß die Kollegen der CDU für die ich hier nicht zu sprechen habe - manches anders kommentieren würden, als Sie es getan haben. ({6}) Ich nehme an, es wird noch eine Gelegenheit geben, sich damit zu beschäftigen. Das ist nicht meine Aufgabe. Ich würde überhaupt sagen, daß es, zumal in dieser Stunde, richtig wäre, die Frage, wer nun gesiegt habe, von mir aus zwar zu stellen, aber nicht zu meinen, das dies nun die entscheidende Frage sein könne. Es kommt mir gar nicht darauf an. Im übrigen haben Sie in der Sache nicht unrecht, Herr Kollege Hirsch, wenn Sie sagen, daß das nun verabschiedungsreife Werk eigentlich kein Werk der Regierung, sondern ein autonomes Werk des Parlaments sei. Damit haben Sie recht. Dies gilt erstens prinzipiell für jede Gesetzgebung, selbst für den relativ seltenen Fall, daß das Parlament einen Gesetzentwurf der Bundesregierung unverändert beschließt. Das bedeutet ja keine unkritische Übernahme von Gedanken, zumal etwa der Bürokratie- um das Wort nochmals aufzugreifen -, sondern bedeutet, daß man nach kritischer und eingehender Prüfung der Vorschläge sagt: Das ist ein sachgemäßer Vorschlag. Das gilt also allgemein. Erst recht gilt es dann für ein Werk, bei dem man in der Tat sagen muß, daß es durch die Beratungen des Rechts- und des Innenausschusses in vielfältiger Weise in sehr wichtigen Punkten gegenüber dem Regierungsentwurf umgestaltet worden ist. Das festzustellen, ist eine Selbstverständlichkeit. Ich werde gleich mit wenigen Worten versuchen, eine Beurteilung aus meiner Sicht vorzunehmen. Es ist zunächst einmal keine Frage, wer gesiegt hat, sondern die Frage ist nur dahin gehend zu stellen, ob das Ergebnis das den Umständen entsprechende, unter politischen und unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten optimale Ergebnis ist. Zu dieser Frage sollte ich, glaube ich, aus der Sicht der Bundesregierung ein kurzes Wort sagen. Es ist nicht der ursprüngliche Entwurf der Bundesregierung, was herausgekommen ist. Es hat wich9476 tige Veränderungen gegeben. Ich höre in der Diskussion, auch außerhalb dieses Hauses, zu gleicher Zeit eigentlich zwei Vorwürfe oder zwei Fragen an die Regierung, die ich zu beantworten versuchen will. Die einen sagen, diesem Gesetzgebungswerk seien nunmehr sämtliche Zähne gezogen worden, und damit wollen sie wohl sagen, es sei unter dem Gesichtspunkt der praktischen Erfordernisse nicht mehr brauchbar. Und die anderen sagen, daß dieses Gesetzgebungswerk die rechtsstaatlichen Erfordernisse hier und da noch nicht ausreichend durchgesetzt habe. Ich würde zu beidem, zu der gegensätzlichen Argumentation sagen: Dieser Gesetzentwurf stellt, wenn er in dieser Fassung in zweiter und dritter Lesung verabschiedet wird, eine wohl abgewogene, den Erfordernissen der Praxis Rechnung tragende Regelung für den Notstandsfall dar und zugleich eine Regelung, von der ich glaube, daß sie rechtsstaatlicher kaum vorstellbar ist. ({7}) Ich habe im Verlaufe der Gespräche, auch zwischen den Fraktionen, als es ,schwierig war, weiterzukommen, bei einem Punkt gesagt, daß ich nicht bereit sein würde, meiner eigenen Überzeugung entgegen und ich habe mich mit dieser Materie, wie ich erwähnte, doch eine Reihe von Jahren zusammen mit vielen anderen Kollegen beschäftigt -, meiner eigenen politischen und juristischen Überzeugung widersprechend von diesem Platz aus zu sagen, daß das Ergebnis befriedigend und brauchbar ist, weil ich das für verantwortungslos halten würde. Und niemand von uns würde seiner Verantwortung entsprechend handeln, wenn er einem solchen Werk zustimmte, das entweder unter praktischen Gesichtspunkten nicht brauchbar oder unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten nicht zu verantworten wäre. Ich sage also für meine Person, und glaube das auch für die Bundesregierung sagen zu können: Diese Verantwortung oder Mitverantwortung zu übernehmen bin ich gern bereit. Ich füge als persönliche Bemerkung hinzu: Es ist nicht die ideale Notstandsverfassung schlechthin. Ich habe von den Professoren in dem Anhörungsverfahren zum Teil treffliche Entwürfe - es gilt nicht für alle - der idealen Notstandsverfassung gehört. Vor der wissenschaftlichen Leistung, die dahintersteckt, habe ich einen hohen Respekt, muß aber darauf hinweisen, daß es eine Sache ist, sozusagen am Reißbrett die ideale Notstandsverfassung - das gleiche gilt für jedes andere Gesetzgebungswerk - zu entwerfen, und etwas anderes ist, hier auf dem rauhen Feld der Politik das in die Wirklichkeit umzusetzen. Dann kommen wir in das Feld dessen, was Herr Kollege Gscheidle heute vormittag völlig zutreffend gesagt hat. Das ist ja keine Schwäche, daß man Kompromisse schließt, abgesehen davon, daß man in der Sache in der Tat hinzulernen und daß sie dann besser werden kann, als es der erste oder zweite Entwurf waren. Darum haben wir uns in Sachen Notstand wahrlich eine Menge Zeit gelassen, um zu dem Versuch der Verbesserung zu gelangen. Abgesehen davon ist eine Regelung, die schließlich die Chance hat, eine breite Zustimmung zu finden -- nicht nur im Parlament, wo sie es aus verfassungsmäßigen Gründen ohnehin muß, sondern auch draußen in der Bevölkerung -, unter Umständen besser als eine Regelung, die unter dem Gesichtspunkt des Perfektionismus -nicht im technischen, sondern im sachlichen Sinne - vielleicht vollkommener wäre, die dann aber eben nicht von einer breiten Vertrauensgrundlage getragen werden kann. Ich gebe zu - um das zu diesem Teil noch zu sagen: und das sollten wir auch bei unserer Arbeit draußen alle miteinander beachten , daß die Regelung, wie sie jetzt vorliegt, recht kompliziert ist. Das wissen wir alle, insbesondere diejenigen Kollegen, die nicht in der unmittelbaren Arbeit in den beteiligten Ausschüssen Gelegenheit hatten, sich bis in die feinsten Verästelungen der Materie zu vertiefen. Die Kollegen, die das aus der Sicht des in anderen Ausschüssen tätigen Parlamentariers verfolgt haben, werden selber wissen, daß es natürlich nicht ganz einfach ist, jeden Gedankengang im einzelnen nachzuvollziehen und mit zu durchdenken. Das ist, wie ich sagen würde, eine gewisse Schwäche in der Sprache des Gesetzes. Sie sollte uns zu der Überlegung veranlassen, in unserer politischen Arbeit - jeder für sich und auch in der Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung - den Versuch zu unternehmen, das, was in der juristischen Sprache manchmal schwer verständlich ist, in die verständlichere Sprache zu bringen, ohne natürlich den Sachgehalt zu verfälschen. Ich habe sehr oft den Verdacht, daß ein Teil der Kritik draußen einfach darauf beruht, daß eben nicht jedermann die Fähigkeit hat, juristische Texte zu lesen, - was ihm ja nicht vorgeworfen werden kann, weil nicht jeder darauf studiert hat , was aber diejenigen, die in der Lage sind, das vernünftig zu erklären und zu interpretieren, zu verstärkten Bemühungen veranlassen sollte. Ich komme jetzt zu meinem vorletzten und gleich auch zu dem letzten Punkt und darf vielleicht noch ein Wort zu der außerparlamentarischen Kritik sagen. Auch in dem Zusammenhang hier vielleicht noch ein Wort an Sie, Herr Kollege Dorn. Ich fühle mich mit angesprochen, wenn Sie sagen, man sollte doch die außerparlamentarische Opposition, etwa die, die im Hofgarten gewesen sind, nicht mit den, wie Sie es gesagt haben, Anarcho-Kommunisten in einen Topf werfen. Damit haben Sie völlig recht. Ich glaube nicht, wiewohl das gelegentlich in dem einen oder anderen Kommentar so angeklungen ist, daß ich einen solchen Vorwurf, falls ich mich angesprochen fühlen sollte, verdient habe. Nur sage ich - und das wiederhole ich jetzt ganz gern -: Derjenige, der eine solche Sache macht, muß dabei beachten, wer sich mit an ihn heranschleicht, wer also mit profitieren will, ohne daß derjenige, dem das passiert, es will. Aber das muß man eben mit berücksichtigen, daß man unter Umständen Bundesgenossen kriegt, auf die man gar keinen Wert legt. ({8}) Ich meine, es wäre angemessen, das einfach einmal zu sagen und darauf hinzuweisen. Ich brauche Ihnen ja die Transparente nicht vorzulesen, die im Hofgarten gezeigt worden sind. Ich mache Herrn Dorn gar keinen Vorwurf wegen dieser Transparente. Ich werfe die Frage auf, die hier bei uns in der Diskussion doch eine Rolle gespielt hat, wie man reagieren soll. In so einer Sache die Frage aufzuwerfen, ist ja vielleicht genügend. In dem Zusammenhang ein Wort zu der Sprache mancher Kritiker, bei denen wohl deutlich wird, daß ein Teil der Kritik ganz irrational ist und gar nichts mit der Sache zu tun hat. Ich entsinne mich bei der Gelegenheit an ein Gespräch, das ein Kreis von Politikern der CDU mit politisch engagierten Schriftstellern vor einer ganzen Reihe von Jahren geführt hat. An diesem Gespräch nahm auch Heinrich Böll teil. Bei diesem Gespräch sagte Heinrich Böll -ich glaube, er hatte recht, und wir haben den Vorwurf, den er damals manchem von uns machte, wohl verdient -, man erkenne den Politiker und die Qualität dessen, was er politisch wolle, auch an seiner Sprache; eine unklare oder, wie er, glaube ich, sagte, eine verluderte Sprache berechtige zu der Annahme, daß mit dem, was sie politisch aussagen soll, auch etwas nicht in Ordnung sei. Ich bitte sehr darum, daß Menschen wie Heinrich Böll im Lichte dieser Aussage einmal den Inhalt z. B. mancher der erwähnten Spruchbänder überprüfen. ({9}) Vielleicht würden diese Leute dann selber das Gefühl haben, daß sie für ein Unternehmen eingespannt werden, das unter diesem Kriterium eigentlich nicht ihr Unternehmen sein kann. Ich sagte, daß die Sprache der Kritiker zu einem guten Teil ganz irrational sei. Ich meine nicht, daß es bei diesem letzten Punkt, den ich behandeln will, meine Aufgabe sein soll, mich darüber zu erregen oder nun die Kritiker zu kritisieren. Ich möchte nur anregen, daß wir in diesen letzten Minuten der Debatte einmal überlegen, was wir für Kosequenzen daraus zu ziehen haben. Ich nehme diese zu einem guten Teil ganz irrationale Kritik ernst, weil sie ein tiefgreifendes Unbehagen an diesem Staat und seinen Institutionen verrät. Das hat, wie wir wissen, historische Ursachen, und es zeigt auch, daß es uns in den letzten Jahren wohl nicht hinreichend gelungen ist, ein ausreichendes Verhältnis vieler Menschen zu unserem Staat, nicht nur der jungen Menschen, herbeizuführen. Daß es kein Symbol dieses Staates gibt, das aussagekräftig ist, ist ja nur ein Beispiel für viele Dinge, über die wahrscheinlich weitaus mehr nachgedacht werden muß, als das bisher geschehen ist. Vielfach wird das verkannt, und das ist auch eine Frage an uns. Ich greife etwas auf, was einer der Kollegen der FDP gestern gesagt hat - ich glaube, Herr Rutschke war es -, nämlich die Frage des Mißtrauens gegenüber dem Staat und seiner Regierung, also die alte Frage des Mißtrauens und Vertrauens im Verhältnis zwischen Staat und Bürgern in einer Demokratie. Man sollte darüber vielleicht noch mehr sagen, aber die Zeit wird zu knapp sein, und deshalb sage ich es mit wenigen Worten: Ich teile die Auffassung derjenigen, die auch außerhalb des Parlaments sagen: Was wollt ihr denn; in einer Demokratie ist es angemessen, den staatlichen Institutionen mit einer guten Portion Mißtrauen und Kritik gegenüberzustehen! Das ist völlig richtig. Eine parlamentarische Demokratie kann diese Kritik und auch das Mißtrauen nicht nur ertragen, sondern sie braucht sie auch, und ein ganz erheblicher Teil unserer Arbeit an der Notstandsverfassung ist eben der praktischen Bewältigung genau dieses Punktes gewidmet worden. ({10}) - Wachsamkeit ist besser als Mißtrauen! Aber, Herr Kollege Schmitt-Vockenhausen, ich wollte antithetisch darauf aufmerksam machen, was einer der Professoren im Verlauf der Hearings gesagt hat und was hier dem Sinne nach wiederholt werden sollte, weil das nämlich dazugehört. Einer der älteren Professoren, der die Weimarer Zeit sehr bewußt miterlebt hatte, erinnerte an das notwendige Element des Mißtrauens, über das ich gesprochen habe, und sagte zugleich, wer dieses Mißtrauen habe, müsse zugleich wissen, daß es Demokratie nicht ohne Vertrauen geben könne. Das ist kein Vertrauen in Personen. Man kann natürlich den Mehrheitsparteien, dem Regierungschef, den Mitgliedern der Regierung oder wem immer Mißtrauen entgegenbringen. Das ist das gute Recht eines jeden, zu sagen, auf die Person gemünzt: Den kann ich nicht unterstützen in dem, was er politisch will, ich habe Bedenken. Aber es muß eine Basis von Vertrauen im Verhältnis zwischen Staat und Bürger geben. Wenn es sie nicht gibt, ist Demokratie nicht möglich. Diese Konsequenz, daß die Demokratie kaputtgeht - nicht die Regierung, nicht die Regierungsparteien, die Demokratie selbst! -, wenn dieses Vertrauen nicht da ist, muß man sehen. Meine Damen und Herren, ich sage dies jetzt, ich hoffe, nicht im Ton der Belehrung, sondern ich sage es, weil wir angesprochen sind. Es ist natürlich nicht damit getan, daß wir uns hier hinstellen und Vertrauen fordern oder erbitten; es ist nicht damit getan, daß wir die Notstandsverfassung jetzt hoffentlich abschließen und sagen: „Das Kapitel ist erledigt", sondern wir müssen die weitere Frage stellen. Wenn die Notstandsverfassung bei einem Teil der Bevölkerung, bei den jungen Menschen symptomatisch ergeben hat, daß es zu wenig Vertrauen in diesem Staat und seine Institutionen gibt, dann ist damit an uns die Aufforderung gerichtet, bei aller Genugtuung, die ich persönlich empfinde und die wir alle empfinden können, wenn wir dieses schwierige Werk bewältigt haben, das nicht zu stolz und nicht zu selbstgerecht zu tun, sondern zu wissen - das gilt nicht nur für den Notstand, sondern für alle Fragen, die wir zu bewältigen haben -, daß wir dieses Vertrauen ständig neu suchen müssen. Das ist eine Aufgabe, die uns in der Vergangenheit gestellt war und die wir in der Zukunft immer neu versuchen müssen zu erfüllen. Dies scheint mir über die Materie hinaus die bleibende Erkenntnis, mit der diese Debatte vielleicht abgeschlossen werden sollte. ({11})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Wortmeldungen liegen nicht mehr vor; ich schließe die zweite Beratung der Notstandsverfassung. Ich rufe Punkt 4 der Tagesordnung auf: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Achten Gesetzes zur Änderung des Tabaksteuergesetzes - Drucksache V/2832 - a) Bericht des Haushaltsausschusses ({0}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung - Drucksache V/2901 -Berichterstatter: Abgeordneter Windelen b) Schriftlicher Bericht des Finanzausschusses ({1}) - Drucksachen V/2891, zu V/2891 Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Koch ({2}) Ich danke den Berichterstattern, für ihren Schriftlichen Bericht und rufe in zweiter Beratung auf: Art. 1, - 2, - 3, - 4, - 5, - Einleitung und Überschrift. Das Wort wird nicht gewünscht. Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Es ist so beschlossen. Wir kommen zur dritten Beratung. Das Wort wird nicht begehrt. Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetzentwurf als ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Keine Gegenstimmen. - Enthaltungen? - Keine Enthaltung. Einstimmig angenommen. Meine Damen und Herren, es ist interfraktionell vereinbart, daß die Punkte 5 und 6 der Tagesordnung morgen behandelt werden. Ich rufe dann Punkt 7 der Tagesordnung auf: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Bundesrechtsanwaltsordnung und der Patentanwaltsordnung - Drucksache V/2848 Auf Begründung und Aussprache wird verzichtet. Ich schlage Ihnen Überweisung an den Rechtsausschuß vor. - Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen. Ich rufe Punkt 8 der Tagesordnung auf: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Entlastung des Bundesgerichtshofes in Zivilsachen - Drucksache V/2849 Auf Begründung und Aussprache wird verzichtet. Ich schlage Ihnen Überweisung an den Rechtsausschuß vor. - Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen. Ich rufe Punkt 9 der Tagesordnung auf: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Internationalen Kaffee-Übereinkommen 1968 - Drucksache V/2906 Auf Begründung und Aussprache wird verzichtet. Ich schlage Ihnen vor, den Entwurf dem Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen sowie dem Haushaltsausschuß gemäß § 96 der Geschäftsordnung zu überweisen. - Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen. Ich rufe Punkt 10 der Tagesordnung auf: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Häftlingshilfegesetzes ({3}) - Drucksache V/2877 Auf Begründung und Aussprache wird verzichtet. Ich schlage Ihnen vor, den Gesetzentwurf an den Ausschuß für Kriegs- und Verfolgungsschäden - federführend - sowie zur Mitberatung an den Ausschuß für gesamtdeutsche und Berliner Fragen und an den Innenausschuß, außerdem an den Haushaltsausschuß gemäß § 96 der Geschäftsordnung zu überweisen. - Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen. Es ist interfraktionell vereinbart, daß die Punkte 11, 12, 13, 14, 15 und 16 der Tagesordnung abgesetzt werden. -- Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen. Ich rufe Punkt 17 der Tagesordnung auf: Beratung des Schriftlichen Berichts des Finanzausschusses ({4}) über die von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschläge der Kommission der EWG für eine Richtlinie des Rats zur Harmonisierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über 1. die zollamtliche Überwachung der Waren, die in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbracht werden, 2. die vorübergehende Verwahrung dieses Zollguts eine Richtlinie des Rats zur Harmonisierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über das Zollagerverfahren eine Richtlinie des Rats zur Harmonisierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über den Zahlungsaufschub für Zölle, Abgaben gleicher Wirkung und Abschöpfungen - Drucksachen V/2375, V/2897 -Berichterstatter: Abgeordneter Dr. SchmidtBurgk Vizepräsident Dr. Jaeger Ich danke dem Berichterstatter für seinen Schriftlichen Bericht. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Wer dem Antrag des Ausschusses zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! Keine Gegenstimmen. - Enthaltungen? - Keine Enthaltungen. Der Antrag ist einstimmig angenommen. Ich rufe Punkt 18 der Tagesordnung auf: Beratung des Schriftlichen Berichts des Finanzausschusses ({5}) über den von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der Kommission der EWG für eine Verordnung des Rats über den Zollwert der Waren - Drucksachen V/2374, V/2898 -Berichterstatter: Abgeordneter Dr. SchmidtBurgk Ich danke dem Berichterstatter für seinen Schriftlichen Bericht. Der Ausschuß schlägt vor, den Vorschlag der Kommission zur Kenntnis zu nehmen. - Ich stelle fest, daß das Haus Kenntnis genommen hat. Ich rufe Punkt 19 der Tagesordnung auf: Beratung des Schriftlichen Berichts des Auswärtigen Ausschusses ({6}) über den von den Abgeordneten Dr. Martin, Dr. Huys, Dichgans, Frau Geisendörfer und Genossen eingebrachten Antrag betr. Rückführung deutscher Wissenschaftler - Drucksachen V/2179 ({7}), V/2892 - Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Eppler Ich danke dem Berichterstatter für seinen Schriftlichen Bericht. Das Wort wird nicht gewünscht. Wer dem Antrag des Ausschusses zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Keine Gegenstimmen. - Enthaltungen? - Keine Enthaltungen. Der Antrag ist einstimmig angenommen. Ich rufe Punkt 20 der Tagesordnung auf: Beratung des Antrags des Bundesministers der Finanzen betr. Veräußerung der ehemaligen Flakkaserne in Duisburg-Meiderich an die Stadt Duisburg - Drucksache V/2874 Auf Begründung und Aussprache wird verzichtet. Ich schlage Ihnen vor, den Antrag dem Ausschuß für das Bundesvermögen zu überweisen. - Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Freitag, den 17. Mai 1968, 9 Uhr, ein. Die Sitzung ist geschlossen.