Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet.
Meine Damen und Herren Kollegen! Die Tatsache, daß ich mich jetzt erhebe, zeigt Ihnen, daß eine besondere Mitteilung bevorsteht. Mir ist gestern gesagt worden, daß es den Gebräuchen internationaler parlamentarischer Höflichkeit entspricht, daß man einen Präsidenten, der uns besucht, stehend empfängt. Ich habe die große Ehre, Ihnen mitzuteilen, daß heute vormittag als Gast in diesem Hause der Präsident des Nationalrates der Bundesrepublik Österreich weilt, Herr Dr. Maleta, den ich auf das herzlichste begrüße.
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Außerdem ist mit ihm eine Delegation anwesend, die sich aus rein fachlichen Gründen hier in Bonn aufhält, um mit uns über Fragen des Mehrwertsteuerrechtes zu diskutieren. Ich wünsche dem Herrn Präsidenten Dr. Maleta und den übrigen Besuchern aus der Republik Osterreich einen recht guten Aufenthalt in der Bundesrepublik. Ich hoffe, daß Sie Ihren Besuch als nützlich, aber auch als angenehm empfinden werden.
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Meine Damen und Herren, vor Eintritt in die Tagesordnung hat der Herr Kollege Frehsee um das Wort gebeten. Bitte sehr, Herr Kollege Frehsee!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens der Fraktion der SPD bitte ich, die Drucksache V//2881 auf die Tagesordnung der heutigen Plenarsitzung zu setzen. Diese Drucksache, die Ihnen gleich auf die Plätze gelegt werden wird, enthält einen Antrag auf Einsetzung eines Sonderausschusses „Finanzreform". Wie Sie der gedruckten verbundenen Tagesordnung für die Plenarsitzungen dieser Woche entnehmen können, hat sich der Ältestenrat in seiner Sitzung am Montag dieser Woche über die Überweisung des Finanzreformgesetzes nicht einigen können. Es war überlegt worden, daß zuständig wären und beteiligt werden müßten der Rechtsausschuß, der Finanzausschuß, der Ausschuß für Kommunalpolitik, Raumordnung, Städtebau und Wohnungswesen und der Haushaltsausschuß gemäß § 96 der Geschäftsordnung.
Meine Fraktion ist der Meinung, daß eine Beratung dieses wichtigen Reformwerkes in vier Ausschüssen der Sache nicht dienlich wäre. Sie glaubt, daß es vielmehr der Einsetzung eines Sonderausschusses bedarf, in dem die Verfassungsrechtler, die Finanzpolitiker, die Kommunalpolitiker und die Haushaltspolitiker vertreten sein können. Dieser Sonderausschuß würde die Gewähr dafür bieten, daß das Reformwerk konzentriert und zielbewußt beraten wird und in möglichst kurzer Zeit verabschiedet werden kann.
Die Abstimmung über diesen Antrag müßte vor der Überweisung erfolgen. Deswegen, Herr Präsident, beantrage ich, daß die Drucksache V/2881 als Punkt 2 b auf die Tagesordnung gesetzt wird und daß die erste Lesung des Finanzreformgesetzes den Punkt 2 a der heutigen Tagesordnung bildet. Ich bitte, diesem Antrag der Fraktion der SPD, die Drucksache auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung zu setzen, zuzustimmen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Rasner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir wollen mal sorgfältig unterscheiden, Herr Kollege Frehsee. Sie haben hier ein Plädoyer gehalten, das eigentlich - auch nach Ihren eigenen Ausführungen - erst heute nachmittag dran wäre.
Dem Antrag, den Punkt auf die Tagesordnung zu setzen, wollen wir nicht widersprechen. Damit ist aber die materielle Entscheidung in gar keiner Weise präjudiziert. Sie haben es ja schon erwähnt, Herr Kollege Frehsee: in der Sache sind wir ganz anderer Meinung als Sie. Es ist in diesem Hause aus gutem Grund von Anbeginn an Tradition, daß alle Grundgesetzänderungen federführend im Rechtsausschuß behandelt werden. Es ist um der Rechtseinheitlichkeit willen, aus verfassungspolitischen und aus staatsrechtlichen Gründen auch zwingend notwendig, daß Grundgesetzänderungen ein für allemal, wie es bisher war, federführend im Rechtsausschuß behandelt werden.
Alles Weitere, was dazu zu sagen ist, sagen wir heute nachmittag nach der ersten Lesung der Finanzverfassungsreform und vor der Abstimmung in zweiter und dritter Lesung über eine Grundgesetzänderung. Also: Auf die Tagesordnung ja, in der Sache nein, und das Nein begründen wir noch einmal heute nachmittag.
Meine Damen und Herren, Sie haben den Antrag der SPD-Fraktion gehört. Wer diesem Antrag zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer ist gegen diesen Antrag? - Eine Stimme dagegen. Wer enthält sich der Stimme? - Zwei Stimmenthaltungen. Damit ist der Antrag der SPD-Fraktion, den Punkt auf die Tagesordnung zu setzen, angenommen.
Folgende amtliche Mitteilung wird ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Bundesminister des Innern hat am 2. Mai 1968 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Kühn ({0}), Frau Schroeder ({1}), Dr, Martin, Dr. Jungmann und Genossen betr. Hilfe für behinderte Kinder - Drucksache V/2777 - beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache V/2879 verteilt.
Wir treten nun in die Tagesordnung ein.
Zunächst zur Beantwortung von Dringlichen Mündlichen Anfragen. Mir ist soeben mündlich die Mitteilung gemacht worden, daß die Dringlichen Mündlichen Anfragen aus dein Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts heute nicht beantwortet werden sollen.
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- Die Fragesteller sind damit einverstanden. Es handelt sich um Anfragen von Fragestellern aus der CDU/CSU-Fraktion. Ich darf den Herrn Staatssekretär des Auswärtigen Amts bitten, vorzumerken, daß diese Anfragen morgen beantwortet werden sollen.
Wir kommen zu den Dringlichen Mündlichen Anfragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern. Es sind Anfragen, die nicht aus der CDU/CSU-Fraktion, sondern aus der SPD-Fraktion gestellt worden sind. Ich nehme an, daß sie heute beantwortet werden sollen. Zunächst rufe ich die Dringliche Mündliche Anfrage Nr. 4 des Abgeordneten Hirsch auf:
Hält es die Bundesregierung für vereinbar mit dem Ansehen des ersten Bundeskanzlers der Bundesrepublik Deutschland, wenn ein mit seinem Namen verbundener Preis an Personen verteilt wird, die in öffentlichen Äußerungen das Naziregime rechtfertigen bzw. dazu aufrufen, politische Oppositionsgruppen wie Ungeziefer auszurotten?
Die Frage wird von Herrn Abgeordneten Schulte übernommen. Das Wort zur Beantwortung hat der Herr Staatssekretär des Bundesministers des Innern.
Köppler, Parlamentarischer Staatssekretär des Bundesministers des Innern: Vorweg, Herr Kollege, sei bemerkt, daß die Deutschlandstiftung, die den Preis verleiht, eine Institution des privaten Rechts ist. Weder die Bundes- noch die Landesregierung haben auf die Auswahl der Preisträger für den sogenannten Adenauer-Preis irgendeinen Einfluß. Wenn es tatsächlich zutrifft, daß Äußerungen in dem vom Herrn Fragesteller zitierten Sinn gefallen sind, kann die Preisverleihung nicht als glücklich bezeichnet werden.
Wir kommen dann zur Beantwortung der Dringlichen Mündlichen Anfragen aus dem Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramts. Ich rufe die Anfrage 5 des Abgeordneten Kern auf:
Trifft es zu, daß der Bundeskanzler bei einer Wahlveranstaltung in Biberach gesagt hat, „die Randalierer beweisen nur, wie dringend eine Notstandsgesetzgebung ist"?
Das Wort zur Beantwortung hat der Herr Staatssekretär im Bundeskanzleramt.
Freiherr von und zu Guttenberg, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundeskanzler: Ich bitte den Herrn Präsidenten um Genehmigung, die beiden Fragen des Herrn Kollegen Kern zusammen beantworten zu dürfen.
Bitte. Ich rufe also auch die Frage 6 des Abgeordneten Kern auf:
Falls dies zutrifft, welche Teile der vorgesehenen Notstandsgesetzgebung hält der Bundeskanzler hierfür anwendbar?
Freiherr von und zu Guttenberg, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundeskanzler: Die Antwort lautet: Nein, der Herr Bundeskanzler hat weder in Biberach noch an einer anderen Stelle gesagt, die Randalierer bewiesen nur, wie dringend eine Notstandsgesetzgebung sei.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Kern.
Ich muß vorweg bemerken, daß ich gestern, als die Einreichungsfrist abgelaufen war, noch nicht den vollen Wortlaut der Sendung „Report" im Bayerischen Rundfunk vom 29. April 1968, 20.15 Uhr, hatte. Dort ist der Wortlaut folgendermaßen:
Keine Notstandsgesetze, warum? Je mehr ich das Geschrei dieser Art höre, desto deutlicher wird mir, wie notwendig es ist, in unserem Lande für Ordnung zu sorgen.
Darf ich meine Frage jetzt mit diesem Wortlaut wiederholen.
Freiherr von und zu Guttenberg, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundeskanzler: Dies wäre also eine dritte Frage, die Sie stellen, Herr Kollege.
Ich darf darauf antworten, daß der gesamte Text dessen, was der Herr Bundeskanzler hierzu in Biberach gesagt hat, wie folgt lautet:
Warum nicht? Je mehr Geschrei dieser Art ich höre, desto deutlicher wird mir, wie notwendig es ist, in unserem Lande für Ordnung zu sorgen. Die Notstandsgesetze, die wir vorbereitet haben, bedrohen niemandes Freiheit in diesem Land. Was würde geschehen, wenn eines Tages durch Druck von außen eine Notstandssituation in unserem Land entstände und wir ebenso hilflos - ich z. B. als Bundeskanzler - den
Parl. Staatssekretär Freiherr von und zu Guttenberg Gewalttätigkeiten gegenüberständen, wie das in der letzten Woche der Fall war? Sie wissen, daß der Bundeskanzler keine eigenen Polizeikräfte hat. Das war damals eine Entscheidung des Parlamentarischen Rates gewesen. Ich spreche nicht gegen Diskussionen und Demonstrationen. Ich spreche - ich sage das ausdrücklich gegen diejenigen, die bei Demonstrationen Gewaltakte gegen Menschen und gegen Sachen begehen. Wer in diesem Land Gewalt übt, muß wissen, daß der Staat gegen Gewalt einschreiten wird, um Recht und Ordnung wiederherzustellen.
Aus dem gesamten Zitat, Herr Kollege Kern, geht nach meiner Auffassung eindeutig hervor, daß der Herr Bundeskanzler von den Notstandsgesetzen, die jetzt vorbereitet werden, in diesem Zusammenhang sagt, daß sie dann zum Zuge kämen, wenn eines Tages durch Druck von außen eine Notstandssituation entstehen könnte. Damit macht er einen klaren Unterschied zwischen dem Geschrei, das er hier erlebt hat, einerseits und einer wirklichen Notstandssituation andererseits.
Ich glaube, daß man nur mit einer gewissen Verdrehung dessen, was wirklich gesagt wurde, unterstellen könnte - ich glaube nicht, daß Sie das tun-, daß der Herr Bundeskanzler einen Zusammenhang konstruiert habe zwischen dem, was er im Wahlkampf erlebt hat einerseits und der Notstandsgesetzgebung andererseits.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Kollege Kern.
Für welche Ordnung - jetzt im Satzzusammenhang in Beantwortung der Frage: warum keine Notstandsgesetzgebung? - will der Bundeskanzler sorgen, eine Ordnung also, die ihm wegen der Zurufe „Keine Notstandsgesetze" notwendig erscheint?
Freiherr von und zu Guttenberg, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundeskanzler: Ich habe schon geantwortet, daß es meines Erachtens unrichtig ist, einen solchen Zusammenhang zu konstruieren. Der Herr Bundeskanzler sagte am Ende dieses Zitats eindeutig: „Wer in diesem Land Gewalt übt, muß wissen, daß der Staat gegen Gewalt einschreiten wird, um Recht und Ordnung wiederherzustellen." Er hat sich im Zusammenhang mit diesen Demonstrationen keineswegs auf die Notwendigkeit von Notstandsgesetzen gegen solche Demonstrationen berufen.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Matthöfer.
Herr Staatssekretär, darf ich Sie fragen, ob ich Ihrer Antwort entnehmen darf, daß der Bundeskanzler im Zusammenhang mit der Regelung, die wir jetzt für Notstandszeiten treffen wollen, Regelungen für den sogenannten inneren Notstand für überflüssig hält.
Freiherr von und zu Guttenberg, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundeskanzler: Das können Sie aus dem, was ich gesagt habe, selbstverständlich nicht entnehmen. Dagegen habe ich gesagt, daß diese Demonstrationen, die der Herr Bundeskanzler während des Wahlkampfes erlebt hat, ihm keineswegs eingegeben haben, daß deshalb eine Notstandsgesetzgebung nötig sei.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Kollege Matthöfer.
Herr Staatssekretär, dann ist also der Herr Bundeskanzler der Meinung, daß derartige Dinge, wie wir sie zu Ostern erlebt haben, ohne weiteres mit den jetzigen Vorschriften des Grundgesetzes und der Polizeigesetze hätten gehandhabt werden können?
Freiherr von und zu Guttenberg, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundeskanzler: Der Bundeskanzler ist dieser Meinung. Ich darf hinzusetzen, daß der Herr Bundesinnenminister dies von dieser Bank aus bereits gesagt hat.
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Meine Damen und Herren, ich habe mich durch Augenschein überzeugt, daß meine Grußworte heute vormittag offenbar etwas zu früh kamen. Die Information, die ich bekommen habe, war nicht sehr exakt. Es war zwar schon eine Delegation des Nationalrats hier. Aber der Herr Präsident des Nationalrates der Bundesrepublik Österreich ist soeben erst eingetroffen.
Ich darf mir deswegen erlauben, Herr Präsident, Sie noch einmal im Namen des Bundestages auf das herzlichste in unserer Mitte zu begrüßen. Ich habe schon vorhin in der irrigen Annahme, Sie seien schon im Raum, gesagt, wie sehr wir uns freuen, durch Ihren Besuch in diesem Hause geehrt zu werden. Ich hoffe, daß Sie einen sehr guten und für Sie befriedigenden Aufenthalt in der Bundesrepublik haben und mit guten Erinnerungen wieder zurückkehren werden.
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Meine verehrten Damen und Herren, jetzt können wir in unserer Tagesordnung fortfahren. Wir kommen zur Beantwortung der Mündlichen Anfragen aus dem Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramtes. Ich rufe die Frage 1 des Herrn Abgeordneten Dr. Jahn ({1}) auf:
Ist die Bundesregierung bereit, der Weltöffentlichkeit durch entsprechende Publikationen die seit Errichtung der Demarkationslinie ({2}) und der Berliner Mauer seitens des Sowjetzonenregimes begangenen Verbrechen gegen die Menschlichkeit bekanntzugeben?
Herr Dr. Jahn ist da. - Das Wort zur Beantwortung hat Herr Staatssekretär Diehl, der Leiter des Presse- und Informationsamtes.
Herr Abgeordneter, das Presse- und Informationsamt der Bundesregierung hat die Weltöffentlichkeit lautend mit allen geeigneten Medien übrigens nicht nur über Verbrechen gegen die Menschlichkeit, die an der Mauer und generell im anderen Teil Deutschlands begangen worden sind, sondern auch über Unrechtstaten des Regimes im allgemeinen unterrichtet. Das ist auf zweierlei Weise geschehen, einmal dadurch, daß in Publikationen, Dokumentationen und in audiovisuellen Medien, die generell über Deutschland berichten, auch über diese Fragen laufend informiert worden ist, und zweitens speziell durch besondere Publikationen, auch Filme, die diese Fragen behandelt haben. So ist im vergangenen Jahr noch eine besondere Publikation mit einer großen Auflage herausgegangen, und für dieses Jahr wird auch eine übrigens in fünf Sprachen erscheinende Publikation in einer Gesamtauflage von 15 000 Exemplaren eingesetzt.
Zusatzfrage, Herr Kollege Dr. Jahn.
Herr Staatssekretär, sind Sie nicht auch der Meinung, daß uns die Konvention der Menschenrechte geradezu verpflichtet, die an Deutschen verübten Verbrechen Jahr für Jahr der Menschenrechtskommission der UNO mitzuteilen?
Soweit ich das in meiner Zuständigkeit beantworten kann, kann ich dazu sagen, daß die Referenten für Öffentlichkeitsarbeit an den deutschen Auslandsvertretungen -- und dazu gehört auch derjenige bei unserer Beobachtermission in New York - ständig bemüht sind, die Tatbestände, die hier zur Diskussion stehen, bekanntzumachen, und das nicht nur in einer laufenden generellen Arbeit, sondern auch durch die Herstellung besonderer Dokumentationen. Ich bin in der Tat auch Ihrer Meinung, daß das Jahr der Menschenrechte besonders geeignet ist, auf diese Tatbestände hinzuweisen.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Kollege Müller ({0}).
Herr Staatssekretär, können Sie Angaben darüber machen, welchen Erfolg, welches Ergebnis diese Bemühungen hatten und haben?
Herr Abgeordneter, ich glaube, daß eigentlich in jedem Teil der Welt die Tatsache der Mauer, die Tatsache der gewaltsamen Trennung mit Einrichtungen wie Todesstreifen, Minen, Hundestreifen etc. bekannt sind, nicht zuletzt dank einer koordinierten Bemühung auch unserer Alliierten in dieser Frage. Wenn es einen Tatbestand über Deutschland gibt, der in der Welt gut bekannt ist, so ist es dieser.
Wir kommen damit zur Beantwortung der Frage 2 des Herrn Abgeordneten Moersch:
Worauf stützt. der Bundeskanzler seine in der Fernsehsendung Report" am 29. April wiederholte Aussage in Biberach, ein in die Politik verirrter Professor habe gesagt, Recht und Ordnung würden in diesem Lande zu groß geschrieben?
Das Wort zur Beantwortung hat der Herr Staatssekretär, der Leiter des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung.
Freiherr von und zu Guttenberg, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundeskanzler: Herr Präsident, darf ich mir das Wort nehmen?
Ich bitte um Entschuldigung; es hat wieder einmal gewechselt. Das Wort hat der Herr Staatssekretär im Bundeskanzleramt.
Freiherr von und zu Guttenberg, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundeskanzler: Herr Kollege Moersch, es ist richtig, daß der Herr Bundeskanzler während des Wahlkampfes sogar mehrfach gesagt hat - ich zitiere , ein in die Politik verirrter Professor - und er meinte damit Herrn Professor Dahrendorf - habe gesagt, in unserem Lande würden Recht und Ordnung zu groß geschrieben. Der Herr Bundeskanzler stützte sich bei diesem Zitat auf eine Wahlannonce der CDU in einer Zeitung. Als ihm auf einer Wahlversammlung in Konstanz der genaue Wortlaut des Zitats von Professor DaHrendorf mitgeteilt wurde, hat der Herr Bundeskanzler dort sofort erklärt - ich zitiere wiederum -:
Dann haben seine
- nämlich Dahrendorfs Äußerungen tatsächlich einen anderen Sinn. Der genaue Wortlaut des diesbezüglichen Zitats Professor Dahrendorfs aus seiner Rede in Berlin vom 15. April lautet:
Recht und Ordnung, überkommenes Recht und bestehende Ordnung werden bei uns zu Lande groß geschrieben. Fortschritt und Offenheit werden klein geschrieben.
Der hier in Rede stehende Irrtum hinsichtlich des genauen Wortlauts ist jedoch meines Erachtens um so erklärlicher, als Herr Professor Dahrendorf an anderer Stelle seiner Rede in Berlin noch sehr viel weitergehende herabsetzende Urteile abgegeben hat. So verstieg er sich zu der Äußerung - ich zitiere -:
Doch wächst die Zahl derer, die sagen: Wir leben allenfalls noch nicht ganz wieder in einem solchen
- nämlich faschistischen Land.
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Und so schlecht viele der Gründe dafür sein mögen, bestätigen doch die Reaktionen der Regierenden in fataler Weise den geäußerten Verdacht.
Parl. Staatssekretär Freiherr von und zu Guttenberg
Herr Dahrendorf hat damit offen den Vorwurf einer beinahe faschistischen Handlungsweise gegen jene erhoben, die in den Tagen der Karwoche für Recht und Ordnung zu sorgen hatten.
Eine Zusatzfrage, Herr Kollege Moersch!
Herr Staatssekretär, darf ich als Ohrenzeuge dieser Rede von Herrn Dahrendorf in Berlin Ihnen die Frage stellen, ob Ihnen der Sinn dieser Äußerung nicht aufgegangen ist, die Sie soeben zitiert haben, nämlich der, daß ein großer Teil der Jungen, die protestiert haben, diese Meinung hatten, daß sich aber Herr Professor Dahrendorf in dieser Rede ausdrücklich davon distanziert hat. Wären Sie so freundlich, nicht nach dem Motto zu verfahren: „Wer halb zitiert, hat ganz gewonnen" sondern hier die ganze Rede zu verlesen, wenn Sie schon die Zitate weiter ausbauen wollen?
Freiherr von und zu Guttenberg, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundeskanzler: Es ist wohl nicht meine Aufgabe, hier die Rede eines FDP-Politikers zu verlesen. Ich darf Ihnen aber mitteilen, daß ich die gesamte Rede des Herrn Dahrendorf Wort für Wort gelesen habe und allerdings der Meinung bin, daß die ganze Tendenz der Rede des Herrn Dahrendorf dem entspricht, was ich soeben hier gesagt habe. Ich darf Ihnen noch ein anderes Zitat von Herrn Dahrendorf aus der gleichen Rede in diesem Zusammenhang vortragen. Er sagte:
Wir leben in einem Lande, in dem die Mittel der Unterdrückung des Protestes kräftig entwickelt sind, die der Veränderung des Bestehenden aber weithin fehlen.
Ich darf dazu sagen, daß mit diesem Zitat gesagt wird, daß Proteste unterdrückt worden seien. Das, was unterdrückt wurde, war Gewalt, aber nicht Protest.
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Eine weitere Zusatzfrage, Herr Kollege Genscher.
Herr Staatssekretär, können Sie dem Hohen Hause bekanntgeben, was der Bundeskanzler sagen wollte, als er die Formulierung gebrauchte, Herr Professor Dahrendorf habe sich in die Politik verirrt?
Freiherr von und zu Guttenberg, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundeskanzler: Ich glaube, Herr Kollege, daß dieses Zitat für sich spricht.
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Eine zweite Zusatzfrage,
Herr Kollege Genscher.
Könnte diese herabsetzende Formulierung damit zusammenhängen, daß Herr Professor Dahrendorf das Ansinnen des Bundeskanzlers, Herr Professor Dahrendorf möge politischer Berater des Herrn Bundeskanzlers werden, mit der Begründung abgelehnt hat, er wolle lieber für die FDP kandidieren?
Freiherr von und zu Guttenberg, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundeskanzler: Ich will mich nicht mit Ihnen, Herr Kollege in einen Wettstreit über die Motivforschung bei Herrn Dahrendorfs Entscheidungen begeben. Hier sind Sie tatsächlich in einer besseren Ausgangslage. Ich jedenfalls halte das, was der Herr Bundeskanzler gesagt hat, nicht für herabsetzend, sondern für ein zutreffendes politisches Urteil.
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Herr Kollege Moersch, leider sind Ihre Zusatzfragen erschöpft. Sie haben schon zwei Zusatzfragen gestellt. Es tut mir leid.
({0})
- Sie wissen ja, wie objektiv ich mein Amt verwalte.
Wir kommen damit zur Beantwortung der Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte. Ich rufe die Fragen 3 und 4 des Herrn Abgeordneten Dr. Jahn ({1}) auf:
Ist die Bundesregierung bereit, eine umfassend (Dokumentation über die an Millionen Deutschen bei der Vertreibung im osteuropäischen Raum verübten Verbrechen gegen die Menschlichkeit in englischer, französischer, spanischer und japanischer Sprache vorzulegen?
ist die Bundesregierung bereit, im UNO-Jahr der Menschenrechte der UNO über die au Deutschen verübten Verbrechen gegen die Menschlichkeit eine Dokumentation vorzulegen?
Die Fragen werden mit Einverständnis des Fragestellers schriftlich beantwortet werden. Die Antwort des Bundesministers von Hassel vorn 7. Mai 1968 lautet:
Die Frage einer Dokumentation der an Deutschen begangenen Vertreibungsverbrechen ist seit längerer Zeit Gegenstand von Beratungen innerhalb der Bundesregierung. Es ist anzunehmen, daß die hierbei noch offen gebliebenen grundsätzlichen Fragen in einem übersehbaren Zeitraum durch die beteiligten Ressorts geklärt werden.
Bis zu welchem Zeitpunkt die Dokumentation der Vertreibungsverbrechen gegebenenfalls fertiggestellt werden keen, ist jetzt noch nicht zu übersehen. Oh sie veröffentlicht und auch in fremde Sprachen übersetzt werden soll, wird für den Fall ihre Anfertigung sorgfältig zu prüfen sein.
Dann kommen wir zu der Frage aus dem Geschäftsbereich des Bundesschatzministers. Ich rufe die Frage 5 des Abgeordneten Dorn auf:
Wer soll nach Ansicht der Bundesregierung Träger jenes zentralen Hubschrauberlandeplatzes für den bundeshauptstädtischen Raum sein, von dein in einer Besprechung des Planungsrates beim Bundesschatzministerium am 1. September 1967 festgelegt worden ist, daß er in Bad Godesberg-Nord vorgesehen weiden soll?
Die Frage wird übernommen. Das Wort zur Beantwortung hat der Herr Staatssekretär des Bundesschatzministeriums.
Herr Abgeordneter, eine Frage nach dem Träger für einen Hubschrauberlandeplatz läßt sich erst beantworten, wenn sich unter Berücksichtigung der im Gange befindlichen Maßnahmen zur Ordnung des Verkehrs im Bonner Raum ein Bedarf zeigen sollte. Bisher ist von keiner relevanten Seite die Anlage eines Hubschrauberlandeplatzes gefordert worden. Dies schließt aber nicht aus, daß im Rahmen planerischer Überlegungen Möglichkeiten für die Zukunft offengehalten werden. Insoweit wurde der Gedanke der Schaffung eines Hubschrauberlandeplatzes in der Besprechung des Planungsrates beim Bundesschatzministerium am 1. September 1967 erörtert. Konkrete Vorstellungen bestehen bisher jedoch nicht.
Dann kommen wir zur Beantwortung der Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz. Die Frage 50 der Frau Abgeordneten Dr. Heuser wird von Herrn Abgeordneten Freiherr von Gemminegn übernommen:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß von italienischen Firmen unter Mißachtung des Patentschutzes deutsche pharmazeutische Präparate nachgeahmt und zu niedrigsten Preisen auf dem Weltmarkt verkauft werden?
Das Wort zur Beantwortung hat der Herr Staatssekretär im Bundesjustizministerium.
Der Bundesregierung ist bekannt, daß in Italien kein Patentschutz für pharmazeutische Erzeugnisse und Verfahren gewährt wird und italienische Firmen daher in der Lage sind, in Deutschland geschützte pharmazeutische Erzeugnisse und Verfahren nachzuahmen und die Produkte in Länder, in denen ebenfalls kein Patentschutz besteht, zu exportieren. Die italienischen pharmazeutischen Firmen können ihre Erzeugnisse zu billigeren Preisen anbieten, weil sie weder mit den auf diesem Gebiete hohen Forschungs- und Entwicklungskosten noch durch Lizenzgebühren belastet sind.
Herr Präsident, ich darf dann vielleicht auch gleich die nächste Frage beantworten.
Ja, bitte sehr. Dann rufe ich auf Frage 51 der Frau Abgeordneten Dr. Heuser:
Welchen Weg sieht die Bundesregierung, um unseren EWG-Partner Italien auf solche „handelspolitischen Übungen" hinzuweisen?
Die Bundesregierung hat die Regierung der italienischen Republik mehrfach auf ihre Bedenken gegen das Fehlen eines ausreichenden Patentschutzes für pharmazeutische Erzeugnisse und Verfahren in Italien hingewiesen. Den italienischen gesetzgebenden Körperschaften liegt ein Gesetzentwurf vor, der einen gewissen Schutz für Arzneimittel vorsieht. Der Entwurf ist aber bisher noch nicht verabschiedet worden.
Die Bundesregierung hat sich vor allem auch dafür eingesetzt, daß in dem noch nicht in Kraft getretenen Europarats-Übereinkommen über die Vereinheitlichung gewisser Begriffe des materiellen Rechts der Erfindungspatente vom 27. November 1963 pharmazeutische Erzeugnisse und Verfahren vom Patentschutz nicht ausgeschlossen werden. Die Mitgliedstaaten dieses Übereinkommens können sich allerdings während einer Übergangszeit von zehn Jahren nach Inkrafttreten des Übereinkommens vorbehalten, die Erteilung von Patenten für Nahrungs- und Arzneimittel als solche nicht vorzusehen. Die italienische Regierung hat einen entsprechenden Vorbehalt bereits bei der Unterzeichnung des Übereinkommens abgegeben. Ferner ist die Bundesregierung bisher mit Erfolg dafür eingetreten, daß auf Grund des Abkommens über ein europäisches Patentrecht, das von den Regierungen der Mitgliedstaaten der EWG zur Zeit vorbereitet wird, europäische Patente mit Wirkung für den gesamten EWG-Bereich - also auch für Italien - ohne Einschränkung für pharmazeutische Erzeugnisse und Verfahren erteilt werden können.
Die Bundesregierung wird die Entwicklung des Patentschutzes für pharmazeutische Erzeugnisse und Verfahren in Italien auch in Zukunft mit großer Aufmerksamkeit verfolgen.
Ich rufe die Fragen 52, 53 und 54 des Abgeordneten Bühling auf:
Was hält die Bundesregierung von der wiederholten Aufforderung radikaler Organisationen und Personen an die Soldaten der US-Streitkräfte, sie sollten Fahnenflucht begehen?
Ist es nach Ansicht der Bundesregierung strafbar, amerikanische Soldaten zur Fahnenflucht anzustiften oder Beihilfe bzw. Begünstigung hierzu zu leisten?
Sind gegebenenfalls bereits entsprechende Strafverfahren anhängig?
Die Fragen des Herrn Abgeordneten Bühling werden im Einvernehmen mit dem Fragesteller schriftlich beantwortet. Die Antwort des Bundesministers Dr. Dr. Heinemann vom 30. April 1968 lautet:
Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß die Aufforderung zum Ungehorsam und zur Fahnenflucht gegenüber Soldaten der amerikanischen Streitkräfte, die in der Bundesrepublik Deutschland stationiert sind, strafbar ist.
§ 109 c des Strafgesetzbuches droht demjenigen Gefängnis bis zu fünf Jahren an, der einen Soldaten der Bundeswehr verleitet, eigenmächtig seine Truppe oder Dienststelle zu verlassen oder ihr fernzubleiben, um sich der Verpflichtung zum Wehrdienst dauernd oder für die Zeit eines bewaffneten Einsatzes zu entziehen. Auch der Versuch einer solchen Anstiftung ist strafbar. Mit Gefängnis bis zu drei Jahren wird ferner bestraft, wer es einem Soldaten der Bundeswehr erleichtert, mit der bezeichneten Absicht eigenmächtig seine Truppe oder Dienststelle zu verlassen oder ihr fernzubleiben.
Diese Strafvorschriften gelten auch zum Schutz der in der Bundesrepublik Deutschland stationierten Truppen der nichtdeutschen Vertragsstaaten des Nordatlantikpaktes. Dies folgt aus Art. 7 Abs. 2 Nr. 3 des Vierten Strafrechtsänderungsgesetzes vom 11. Juni 1957 ({0}). Danach gilt § 109 c des Strafgesetzbuches auch für Taten gegen die Truppen eines Vertragsstaates und deren Soldaten. Hieraus ergibt sich, daß derjenige, der Soldaten der US-Streitkräfte in der Bundesrepublik Deutschland zur Fahnenflucht auffordert oder ihnen bei der Fahnenflucht Hilfe leistet, sich genauso strafbar macht, wie wenn er die Tat gegenüber Soldaten der Bundeswehr begeht. Auf die Form der Aufforderung oder auf ihren Erfolg kommt es nicht an. Der Straftatbestand ist bereits erfüllt, wenn die Aufforderung mündlich an einen einzelnen Soldaten gerichtet wird.
Nach Mitteilung der Landesjustizverwaltungen sind in mehreren Ländern einschlägige Strafverfahren anhängig. Der Oberstaatsanwalt in Mainz hat in zwei Fällen Anklage erhoben; die Angeklagten hatten ein Flugblatt in deutscher und englischer Sprache verfaßt, das sich mit dem Krieg in Vietnam beschäftigte und die Aufforderung enthielt, die Armee zu verlassen; sie hatten beabsichtigt, das Flugblatt im Rahmen einer - nicht genehmigten - Protestaktion vor Kasernen der amerikanischen Streitkräfte in Worms zu verteilen. In Stuttgart und in Ulm sind je ein Ermittlungsverfahren gegen noch unbekannte Täter anhängig, die beschuldigt werden, Flugblätter verteilt und Plakate angeVizepräsident Scheel
schlagen zu haben, in denen US-Soldaten zur Desertion aufgefordert werden. In Bayern sind nach bisherigen Feststellungen in mehreren Städten Flugblätter ähnlichen Inhalts verteilt worden, für die der SDS in Frankfurt/Main als Herausgeber verantwortlich zeichnet. Diese Ermittlungsverfahren sind nach den Vorschriften der Strafprozeßordnung und den entsprechenden Richtlinien an den Oberstaatsanwalt in Frankfurt/Main abgegeben worden. Dieser hat sieben Ermittlungsverfahren gegen noch unbekannte Täter eingeleitet, nachdem in Frankfurt/Main und in anderen Orten der Bundesrepublik Flugblätter verteilt worden sind, die vom SDS oder dem Verband der Kriegsdienstverweigerer herausgegeben worden sein sollen.
Ihre Anfrage, sehr geehrter Herr Kollege, begrüße ich deshalb, weil sie Gelegenheit gibt, vor der Öffentlichkeit klarzustellen, daß jede Aufforderung zur Fahnenflucht an die bei uns stationierten Soldaten der Nato-Verbündeten den Täter mit den Strafgesetzen in Konflikt bringt.
Wir kommen dann zur Frage 55 des Herrn Abgeordneten Meister:
Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, Schäden persönlicher und sächlicher Art, die als Folge von politischen Unruhen und Aufruhr entstehen und die nicht unter eine Versicherungshaftpflicht fallen, nach der heutigen Rechtslage auszugleichen?
Herr Präsident, ich würde gern die Fragen 55, 56 und 57 zusammen beantworten.
Dann rufe ich auch die Fragen 56 und 57 des Abgeordneten Meister auf:
Ist die Bundesregierung bereit, dem Bundestag unter Definition des Tatbestandes ,,politische Unruhe und Aufruhr" eine
Gesetzesvorlage vorzulegen, die eine Regelung der umrissenen Rechtsunsicherheit vorsieht?
Bis zu welchem Zeitpunkt kann gegebenenfalls mit einer entsprechenden Vorlage gerechnet werden?
Auf die bei inneren Unruhen verursachten Sachschäden kann möglicherweise das sogenannte Tumultschädengesetz vom 12. Mai 1920 mit den dazu ergangenen Verordnungen Anwendung finden. Diese Vorschriften sind jedoch, soweit sie fortgelten, Landesrecht. Nach den bisherigen Feststellungen steht dem Bund nach dem Grundgesetz eine Gesetzgebungskompetenz zur Regelung dieser Materie nicht zu, jedenfalls soweit die inneren Unruhen regional begrenzt bleiben. Gleiches wird man für die Personenschäden sagen müssen.
Eine Zusatzfrage Herr Abgeordneter Meister.
Herr Staatssekretär, sind Sie bereit, auf die Länderregierungen sinngemäß einzuwirken?
Zwischen den Ländern ist diese Frage früher schon einmal erörtert worden. Die Länder sind der Meinung, daß das frühere Reichstumultschädenrecht Landesrecht geworden ist.
Wir kommen dann zur Beantwortung der Fragen 58 und 59 des Herrn Abgeordneten Dr. Bechert ({0}) :
Hat die Untersuchung des Mordanschlags auf Rudi Dutschke und der Lebensumstände des Täters Hinweise darauf ergeben, daß die Tat und der Täter im Zusammenhang mit rechtsradikalen Organisationen stehen?
Was ist das Ergebnis der Ermittlungen zum Attentat auf Rudi Dutschke?
Bitte sehr, Herr Staatssekretär!
Auf die Anfrage des Bundesministers der Justiz hat der für das Strafverfahren zuständige Herr Senator für Justiz in Berlin unter anderem folgendes mitgeteilt:
1. Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft haben bis jetzt keinerlei Hinweise auf Verbindungen des Täters Bachmann zu rechtsradikalen Organisationen ergeben. Es handelt sich offenbar um einen Einzeltäter, der seinen Haß auf den Kommunismus als Motiv für die Tat angibt. Er hielt Rudi Dutschke für einen Kommunisten, der seiner Auffassung nach deshalb getötet werden sollte.
2. Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft sind noch nicht vollständig abgeschlossen. Der Täter Bachmann ist in vollem Umfang geständig. An seiner Täterschaft bestehen keine Zweifel.
Dann kommen wir zur Beantwortung der Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Verteidigung, und zwar zunächst zu Frage 108 des Herrn Abgeordneten Dorn, übernommen von Herrn Abgeordneten Moersch:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß der Kommandeur der Heimatschutztruppe des Verteidigungskommandos Düsseldorf, Oberstleutnant Zimmer-Vorhaus, in einem Zeitungsbericht die Frage bejahte, ob er die Idee zu seinem Übungsbefehl „Saalschlachten, Krawalle und Straßenkämpfe der außerparlamentarischen Opposition, die eindeutig erkennbar von Feindkräften gesteuert werden" - durch die Unruhen während des SPD-Parteitags bekommen hat?
Das Wort zur Beantwortung hat der Herr Staatssekretär im Bundesverteidigungsministerium.
von Hase, Staatssekretär des Bundesministeriums der Verteidigung: Der Vorfall ist der Bundesregierung bekannt. Der betreffende Kommandeur hat die sogenannte Ausgangslage seiner Übung auf Aktionen abgestellt, die eindeutig erkennbar von einem äußeren Gegner eingeleitet und gelenkt wurden. Die Verknüpfung dieser Ausgangslage mit aktuellen innenpolitischen Vorgängen hat jedoch zu der Mißdeutung Anlaß gegeben, als gehöre es zum Auftrag der Heimatschutztruppe, auch in innerpolitische Vorgänge einzugreifen. Das Vorkommnis ist ein Einzelfall. Den Kommandeuren der Territorialen Verteidigung ist grundsätzlich bekannt, daß die Heimatschutztruppe ausschließlich zu militärischen Schutzaufgaben im Zusammenhang mit einem drohenden oder bereits erfolgten Angriff von außen eingesetzt wird.
Eine Zusatzfrage des Kollegen Moersch.
Herr Staatssekretär, könnte dieser hier aufgetretene Irrtum etwa daher rühren, daß die Notstandsvorlage der Bundesregierung vorzeitig ausgegeben worden war, ehe sie hier in Kraft gesetzt worden ist?
von Hase, Staatssekretär des Bundesministeriums der Verteidigung: Ich glaube nicht, daß hier ein Zusammenhang besteht, sondern ich glaube, daß es eher das vielleicht aus seiner Sicht verständliche Bestreben des Kommandeurs war, seine Lage etwas
Staatssekretär von Hase
zu aktualisieren. Auf die Mißdeutungen, die dadurch entstanden sind, habe ich hingewiesen. Der betreffende Offizier ist belehrt worden.
Eine Zusatzfrage des Herrn Kollegen Matthöfer.
Herr Staatssekretär, werden Sie die Gelegenheit benutzen, über die Belehrung dieses einzelnen Offiziers hinaus allgemein in der Truppe bekanntzumachen, daß die Notstandsgesetzgebung mit dieser Art Vorfälle nichts zu tun hat?
von Hase, Staatssekretär des Bundesministeriums der Verteidigung: Das ist in der Truppe grundsätzlich bekannt, Herr Abgeordneter. Ich will aber gern diese Gelegenheit benutzen, um es besonders in der Territorialen Verteidigung noch einmal zum Gegenstand einer Unterrichtung zu machen.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Kollege Matthöfer.
Es geht insbesondere darum, auch klarzumachen, Herr Staatssekretär, daß der Kampfauftrag der Bundeswehr nach außen gerichtet ist und keineswegs in irgendeiner Weise gegen einen inneren Gegner.
von Hase, Staatssekretär des Bundesministeriums der Verteidigung: Auch das ist eindeutig festgelegt. Der Auftrag der Bundeswehr heißt: Verhinderung eines Krieges durch Abschreckung und Abwehr eines angreifenden Gegners von außen. Im Innern ist keinerlei Einsatz der Bundeswehr vorgesehen.
Eine Zusatzfrage des Kollegen Schmidt ({0}).
Herr Staatssekretär, könnte diese Äußerung damit in Zusammenhang stehen, daß seit etwa drei Wochen bei den einzelnen Einheiten der Bundeswehr kriegsstarke Bereitschaftszüge ständig bereitgehalten werden, um eventuelle Übergriffe der Studenten zu verhindern?
von Hase, Staatssekretär des Bundesministeriums der Verteidigung: Dieser von Ihnen angeführte Bereitschaftsgrad trifft nicht zu. Es ist lediglich über die Wochenenden in einigen Unterkünften eine Verstärkung der Wachen erfolgt, aber keineswegs in einer kriegsstarken Form, wie Sie 'sie eben erwähnt haben.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Kollge Schmidt ({0}).
Herr Staatssekretär, ist Ihnen nicht bekannt, daß zumindest im Bereich einer Division ein solcher Befehl erfolgt ist und bei sämtlichen Einheiten dieser Division solche Bereitschaftszüge mit Schnellfeuergewehren, Tränengas usw. bestehen?
von Hase, Staatssekretär des Bundesministeriums der Verteidigung: Es ist Angelegenheit der Kommandeure, für den Bereitschaftsstand der Truppe die entsprechenden Befehle zu gehen. Es ist aber kein genereller Befehl für die Bundeswehr in dieser Hinsicht ausgegeben worden.
Eine weitere Zusatzfrage. Bitte sehr, Herr Kollege.
Herr Staatssekretär, irre ich mich sehr in der Annahme, daß es zu den Aufgaben eines Kommandeurs gehört, auch für die Sicherung des Standorts und der ihm unterstellten Einheiten zu sorgen, und daß man ihm aus einem Versäumnis wahrscheinlich genauso heftige Vorwürfe machen würde?
von Hase, Staatssekretär des Bundesministeriums der Verteidigung: Selbstverständlich sind die Kommandeure verantwortlich für die Sicherheit und ständige Einsatzbereitschaft der ihnen unterstellten Einheiten und für die Durchführung ihres Auftrags. Sie sind auch berechtigt, auf Grund einer gesetzlichen Grundlage, des Gesetzes zur Anwendung unmittelbaren Zwanges, dann vorzugehen, wenn ihr gesetzlicher Auftrag behindert wird.
Eine weitere Frage, Kollege Moersch.
Herr Staatssekretär, stimmen Sie mir darin zu, daß auch in den Fällen, die soeben der Kollege Schmidt genannt hat, die Frage der Verhältnismäßigkeit der Mittel eine entscheidende Rolle spielen sollte?
von Hase, Staatssekretär des Bundesministeriums der Verteidigung: Da stimme ich Ihnen voll zu. Die Frage der Verhältnismäßigkeit der Mittel ist. auch in dem von mir soeben zitierten Gesetz zur Anwendung unmittelbaren Zwangs festgelegt.
Eine Zusatzfrage, Kollege Klepsch.
Herr Staatssekretär, würden Sie mir darin zustimmen, daß in dem Verhalten des betreffenden Divisionskommandeurs kein Grund zur Beanstandung vorliegt?
von Hase, Staatssekretär des Bundesministeriums der Verteidigung: Ja. Das Verhalten des Divisionskommandeurs stellt im Gegenteil den Bereitschaftsstand und die Einsatzbereitschaft her, die von der Bundeswehr auf Grund der Situation, wie ich sie geschildert habe - d. h. Abschreckung eines Gegners und Abwehr eines Angriffs von außen - , gefordert werden müssen.
Eine Zusatzfrage, Kollege Berkhan.
Herr Staatssekretär, zurückkommend auf die Frage 108: muß ich Ihrer Antwort entnehmen, daß der betreffende Offizier, Herr Oberstleutnant Zimmer-Vorhaus, für seinen eigentlichen Auftrag intellektuell unzureichend ausgebildet worden ist?
von Hase, Staatssekretär des Bundesministeriums der Verteidigung: Ich möchte den Vorwurf, der in dieser Fragestellung liegt, Herr Abgeordneter, zurückweisen. Die Unterhaltungen mit dem Oberstleutnant über dieses Thema und die Durchführung der Belehrung haben ergeben, daß diese Unterstellung nicht zutrifft.
Wir kommen damit zur Beantwortung der Frage 109 des Herrn Abgeordneten Moersch:
Welche konkreten Erwartungen kann die Stadt Ludwigsburg für ihre Stadt- und Verkehrsplanung wegen der Freigabe von Kasernen und Wohnungen hegen, nachdem sich der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesverteidigungsministerium anläßlich der Landtagswahl in der Stadt Ludwigsburg von der Dringlichkeit der Probleme überzeugt hat?
Das Wort zur Beantwortung hat der Herr Staatssekretär von Hase.
von Hase, Staatssekretär des Bundesministeriums der Verteidigung: Die Stadt Ludwigsburg kann davon ausgehen, daß die Bundeswehr auf die Inanspruchnahme der Mathilden-, der Karls- und der Reinhardkaserne nach ihrer eventuellen Freigabe durch die US-Streitkräfte verzichten wird. Wann allerdings die Freigabe dieser Kasernen durch die US-Streitkräfte, insbesondere ob sie in absehbarer Zeit erfolgen wird, ist noch nicht bekannt. Ob die US-Streitkräfte bei Aufgabe ihrer Kasernen auch die Wohnungen ganz oder zum Teil freigeben, ist ebenfalls noch nicht bekannt. Im Hinblick auf den großen Wohnraumbedarf der Bundesbediensteten im Großraum Stuttgart würden diese Wohnungen jedenfalls nicht in vollem Umfang für die Deckung des städtischen Wohnungsbedarfs zur Verfügung gestellt werden können.
Eine Zusatzfrage, Kollege Moersch.
Herr Staatssekretär, was unternimmt die Bundesregierung, um die bereits leerstehenden Wohnungen mit Bundesbediensteten belegen zu können?
von Hase, Staatssekretär des Bundesministeriums der Verteidigung: Eine Bestandsaufnahme dieser Wohnungen ist im Gange. Außerdem muß eine Renovierung dieser Wohnungen erfolgen. Die Bundeswehr ist bemüht, zügig in die leerstehenden Wohnungen Bundesbedienstete einzuweisen.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, wie erklären Sie sich, daß der Parlamentarische Staatssekretär im Verteidigungsministerium dieses Problem in der Stadt Ludwigsburg wenige Tage vor der Landtagswahl als Problem erkannt hat, obwohl es seit 21/2 Jahren im Ministerium behandelt wird?
von Hase, Staatssekretär des Bundesministeriums der Verteidigung: Er hat damit den Zustand der Aufbereitung im Ministerium nur noch einmal wirkungsvoll unterstrichen.
({0})
Wir kommen damit zur Beantwortung der Frage 110 des Herrn Abgeordneten Enders:
Wie viele Studenten erhalten Unterstützung nach den Richtlinien für die Gewährung von Studienbeihilfen an Nachwuchskräfte der Bundeswehr?
Bitte sehr, Herr Staatssekretär!
von Hase, Staatssekretär des Bundesministeriums der Verteidigung: Nach dem Stand vom 1. April 1968 erhalten 1345 Studierende Unterstützung nach den Richtlinien für die Gewährung von Studienbeihilfen an Nachwuchskräfte der Bundeswehr.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, welche Bedeutung messen Sie der Eignungsprüfung zu, die vor der Gewährung der Studienbeihilfe durchgeführt wird?
von Hase, Staatssekretär des Bundesministeriums der Verteidigung: Ich messe der Eignungsprüfung eine relativ große Bedeutung zu, Herr Abgeordneter, und zwar deshalb, weil in den Fällen, in denen das Studium nicht durchgeführt wird, meistens als Grund für die Nichtdurchführung das Nichtbestehen der Prüfungen vorliegt. Insofern ist es wichtig, vorher zu prüfen, ob der Bewerber auch die Aussicht bietet, daß er das Studium erfolgreich abschließen. kann.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Dr. Enders.
Herr Staatssekretär, da Sie der Eignungsprüfung eine hohe Bedeutung zumessen, möchte ich fragen: Ist es dann sittlich gerecht- fertigt, daß in dem Vertrag über die Gewährung der Studienbeihilfe das Risiko einseitig beim Bewerber liegt, der, wenn er versagt, den vollen Betrag zurückzahlen muß?
von Hase, Staatssekretär des Bundesministeriums der Verteidigung: Ich glaube, diese Formulierung, Herr Abgeordneter, entspricht nicht ganz der Praxis, wie ein solcher Fall behandelt wird. Es ist in der Praxis so, daß von einer Rückforderung der
Staatssekretär von Hase
Studienbeihilfe abgesehen wird, wenn mittellose Studenten aus Gründen, die sie nachweislich nicht selbst zu vertreten haben, z. B. wegen schwerer Krankheit, das Studium nicht fortsetzen können.
Eine Zusatzfrage, Herr Kollege Berkhan.
Herr Staatssekretär, kann ich aus der Bemerkung „1345 Studierende" schließen, daß die Bundesregierung ähnlich wie einige Landesregierungen Unterschiede zwischen Studenten und Studierenden macht?
von Hase, Staatssekretär des Bundesministeriums der Verteidigung: Ein solcher Unterschied außer der sprachlichen Differenzierung ist mir in der Praxis nicht bekannt, Herr Abgeordneter. Ich müßte mich aber noch einmal genau bei dem dafür zuständigen Ressort erkundigen.
({0})
Wir kommen zur Beantwortung der Frage 111:
Wie viele Studienbeihilfeempfänger gelangen wegen Abbruchs des Studiums nicht zur Einstellung in die Bundeswehr?
von Hase, Staatssekretär des Bundesministeriums der Verteidigung: 208 Studienbeihilfeempfänger gelangten bisher nicht zur Einstellung in die Bundeswehr. Demgegenüber wurden 578 Stipendiaten nach erfolgreichem Studienabschluß in die Bundeswehr eingestellt oder werden in Kürze nach Abschluß der außerhalb der Bundeswehr abzuleistenden Medizinalassistentenzeit ihren Dienst antreten.
Wir kommen zur Beantwortung der Frage 112:
Hält es die Bundesregierung für gerechtfertigt, von mittellosen Studenten den vollen Betrag der nach Frage 110 gewährten Studienbeihilfe zurückzufordern, wenn sie unverschuldet das Studium nicht fortsetzen können?
von Hase, Staatssekretär des Bundesministeriums der Verteidigung: Bei unverschuldetem Abbruch des Studiums kann, wie ich vorhin auf die Zusatzfrage schon angedeutet habe, von der Rückforderung der Studienbeihilfe abgesehen werden. In den für meinen Geschäftsbereich erlassenen Richtlinien für die Gewährung von Studienbeihilfen an Nachwuchskräfte der Bundeswehr ist zwar ein Verzicht auf die Rückforderung der Studienbeihilfe nicht ausdrücklich ausgesprochen worden. Das schließt jedoch nicht aus - ich wiederhole auch hier, was ich vorhin gesagt habe -, daß in begründeten Einzelfällen von einer Rückforderung abgesehen werden kann. Ich will mich darum bemühen, bei einer Neufassung der Bestimmungen über die Studienbeihilfe die Frage in dem genannten Sinne ausdrücklich zu klären.
Eine Zusatzfrage, Herr Kollege Dr. Enders.
Herr Staatssekretär, hielten Sie es auch deswegen für notwendig, diese Gesichtspunkte in der Neufassung zu berücksichtigen, da die Studenten weder ihre Universität frei auswählen können noch es nicht immer sicher ist, ob ein Nichtbestehen der Prüfung allein eigenes Verschulden ist?
von Hase, Staatssekretär des Bundesministeriums der Verteidigung: Ich glaube, daß diesen beiden Bedenken Rechnung getragen werden sollte. Ich muß aber darauf hinweisen, daß in der überwiegenden Zahl der Fälle, wo es nicht zu einem Abschluß des Studiums gekommen ist, das Nichtbestehen der Prüfung der Anlaß gewesen ist.
Wir kommen dann zur Beantwortung der Frage. 113 des Herrn Abgeordneten Seifriz:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß der Vorsitzende der CDU-Bürgerschaftsfraktion vor der Bremischen Bürgerschaft schwerwiegende Vorwürfe im Sinne verfassungsfeindlichen Verhaltens gegen einen Bremer Politiker aus einem als „Geheim" bezeichneten Dokument hergeleitet hat, das von einer Stelle oder einer Person der Bundeswehr angefertigt und an Kreise außerhalb der Bundeswehr weitergeleitet sein soll?
von Hase, Staatssekretär des Bundesministeriums der Verteidigung: Der Bundesregierung ist bekannt, daß eine Truppenschule in Bremen Informationen erhalten hat, die unter anderem die Sicherheit ihrer Unterkünfte betrafen. Diese Information wurde daher in einem Bericht zusammengefaßt und ordnungsgemäß innerhalb der Bundeswehr weitergemeldet. Als einziger Stelle außerhalb der Bundeswehr wurde der Bericht auch dem Landesamt für Verfassungsschutz in Bremen als der für die Sicherheit deis Landes Bremen zuständigen Behörde zugeleitet. Das mußte geschehen, da die Bundeswehr nicht außerhalb ihres Bereichs in Sicherheitsangelegenheiten tätig werden kann.
Der Bundesregierung ist nicht bekannt, ob dieser Bericht für Vorwürfe gegen einen Bremer Politiker ursächlich war.
Eine Zusatzfrage, Herr Kollege Hansing.
Herr Staatssekretär, von welchem Amt, von welcher Stelle wurde das Verfassungschutzamt in Bremen benachrichtigt?
von Hase, Staatssekretär des Bundesministeriums der Verteidigung: Von der Standortkommandantur.
Eine weitere Zusatzfrage.
An welchem Tage wurde das Verfassungsschutzamt in Bremen benachrichtigt?
1 von Hase, Staatssekretär des Bundesministeriums der Verteidigung: Nach meiner Kenntnis am 13. Februar.
Eine Zusatzfrage, Herr Kollege Müller-Hermann.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß auch andere Teilnehmer außer dem offensichtlichen Informanten bei der Bundeswehr, die an dem fraglichen Gespräch teilgenommen haben, sich mit dem Dokument, das von ihnen angefertigt worden ist, an Bürgermeister Koschnick aus schwerer Sorge um unseren Staat gewandt haben, um ihn darüber zu informieren, was an verfassungsfeindlichen Äußerungen bei dem Gespräch getan worden sein soll?
von Hase, Staatssekretär des Bundesministeriums der Verteidigung: Über die Vorgänge außerhalb des Bereiches der Bundeswehr kann ich keinerlei Aussagen machen, Herr Abgeordneter. Ich weiß nur, daß an dieser Veranstaltung, auf die die Informationen zurückgehen, insgesamt etwa 40 Persönlichkeiten teilgenommen haben. Nach aller Erfahrung muß damit gerechnet werden, daß der eine oder andere aus einem solchen Personenkreis tätig wird.
Eine Zusatzfrage, Kollege Seifriz.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß das Landesamt für Verfassungsschutz in Bremen das in Rede stehende Dokument, das Äußerungen enthalten soll, die in einem privaten Kreis gefallen sind, nicht erhalten haben will und das auch erklärt hat?
von Hase, Staatssekretär des Bundesministeriums der Verteidigung: Das ist mir nicht bekannt.
Kollege Müller-Hermann, eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen im Zusammenhang mit der Frage, die soeben Kollege Seifriz gestellt hat, bekannt, daß der Herr Bürgermeister Koschnick es für richtig gehalten hat, die Prüfung dieser Angelegenheit nicht den staatlichen Organen und den Gerichten zu überlassen, sondern sie auf Parteiebene vorzunehmen?
({0})
von Hase, Staatssekretär des Bundesministeriums der Verteidigung: Das ist mir nicht bekannt, Herr Abgeordneter. Ich wiederhole noch einmal, daß ich mich in meinen Nachforschungen und Beobachtungen auf den Bereich der Bundeswehr konzentriert habe.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Kollege Seifriz.
Herr Staatssekretär, sind Sie der Auffassung, daß die Bundeswehr es als eine ihrer vornehmsten Aufgaben betrachten sollte, den Wahrheitsgehalt von Äußerungen zu prüfen, die in einem privaten Kreis gemacht worden sind?
von Hase, Staatssekretär des Bundesministeriums der Verteidigung: Ich glaube nicht, daß es Aufgabe der Bundeswehr ist, solchen Äußerungen außerhalb ihres Bereiches nachzugehen. Gerade dafür sind andere Behörden eingerichtet. Deswegen war es vorschriftsmäßig und pflichtgemäß, daß durch die Bundeswehr das Landesamt für Verfassungsschutz unterrichtet worden ist.
({0})
Herr Kollege Berkhan!
Herr Staatssekretär, sind Sie bereit, dem Hause das als „geheim" bezeichnete Dokument offen zuzustellen?
von Hase, Staatssekretär des Bundesministeriums der Verteidigung: Ich müßte hierüber in eine Prüfung eintreten. Die Frage müßte auch mit dem Landesamt für Verfassungsschutz geklärt werden.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Kollege Berkhan.
Herr Staatssekretär, kann ich davon ausgehen, daß das Dokument in den Zeitungen im Wortlaut richtig abgedruckt wurde?
von Hase, Staatssekretär des Bundesministeriums der Verteidigung: Ich habe noch keine Zeitungen gesehen, Herr Abgeordneter, in denen der Wortlaut abgedruckt ist. Ich kann das aber gerne prüfen und vergleichen.
Eine Zusatzfrage, Herr Kollege Tallert.
Herr Staatssekretär, Sie haben soeben vom Kollegen Seifriz gehört, daß das Landesamt für Verfassungsschutz in Bremen eine entsprechende Information nicht erhalten hat. Sind Sie bereit, der Frage nachzugehen, wer von irgendeiner Stelle, von irgendeiner Abwehrstelle informiert worden ist? Wie kommt Herr Dr. Sieling in den Besitz dieses „Dokuments"?
von Hase, Staatssekretär des Bundesministeriums der Verteidigung: Ich bin lediglich bereit, dem nachzugehen, daß nach den Ausführungen des Herrn Abgeordneten das Landesamt für Verfassungsschutz jetzt offenbar behauptet, die Information durch die Standortkommandantur nicht bekommen zu haben. Alle anderen Nachforschungen und Kombinationen außerhalb des Bereiches der Bundeswehr sind nicht Aufgabe des Verteidigungsministeriums.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Kollege Tallert!
Herr Staatssekretär, haben Sie meine Frage nicht verstanden, daß ich Wert darauf lege, Sie zu fragen, ob Sie dem Verdacht nachgehen wollen, daß irgendeine Stelle in Ihrem Bereich den Herrn Dr. Sieling informiert hat?
von Hase, Staatssekretär des Bundesministeriums der Verteidigung: Ich höre diesen Verdacht zum erstenmal. Im übrigen darf ich darauf hinweisen, daß in der Angelegenheit ein Ermittlungsverfahren läuft. Vor Abschluß dieses Ermittlungsverfahrens ist es unzweckmäßig, wenn das Verteidigungsministerium in irgendeiner Form tätig wird.
({0})
Herr Kollege, Ihr Fragenkontingent zur Frage 113 ist erschöpft. Aber Sie haben ja nachher bei den Fragen 114, 115, 116 und 117 ausreichend Gelegenheit, sich wieder einzuschalten. - Jetzt hat das Wort zu einer Zusatzfrage Herr Kollege Krammig.
Herr Staatssekretär, hat sich der Kommandeur auf Grund der ihm erstatteten Meldung veranlaßt gesehen, für den militärischen Bereich irgend etwas anzuordnen?
von Hase, Staatssekretär des Bundesministeriums der Verteidigung: Jawohl, für den militärischen Bereich ist, da die Unterkunft, wie ich in meiner Beantwortung der Frage gesagt habe, gefährdet erschien, eine erhöhte Wachsamkeit angeordnet worden.
Eine weitere Zusatzfrage.
Darf ich daraus schließen, daß die Meldung immerhin so beschaffen war, daß Veranlassung dazu bestand, von dem Wahrheitsgehalt dieser Meldung auszugehen?
von Hase, Staatssekretär des Bundesministeriums der Verteidigung: Die Meldung und die Unterrichtung und die getroffenen Maßnahmen sind auf Grund des Inhaltes der Meldung angemessen gewesen. Ich darf im übrigen zur Bewertung des Gehaltes hier vielleicht zitieren, daß nach Pressemeldungen die Landesjustizpressestelle des Landes Bremen vor einer voreiligen Bagatellisierung dieses Falles gewarnt. hat.
Herr Kollege Krammig, Ihr Kontingent ist erschöpft; Sie haben zwei Zwischenfragen gestellt. Aber der Komplex bleibt ja noch eine ganze Weile hier im Gespräch.
Wir kommen zur Frage 114 des Abgeordneten Seifriz:
Falls dieser in der Frage 113 genannte Tatbestand zutrifft: wer trägt die Verantwortung dafür, daß dieses Schriftstück nach den Bekundungen nahezu aller Teilnehmer des Gesprächskreises,
vor dem die in dem erwähnten Dokument enthaltenen Behauptungen ausgesprochen worden sein sollen, offensichtlich unwahre und verleumderische Behauptungen enthält?
Herr Staatssekretär, bitte sehr!
von Hase, Staatssekretär des Bundesministeriums der Verteidigung: Den in der ersten Frage genannten Tatbestand kann ich nicht als zutreffend bezeichnen. Im übrigen überprüfen, wie ich eben schon auf die Zusatzfrage sagte, die Ermittlungsbehörden zur Zeit die Vorkommnisse. Die Bundesregierung muß sich daher einer wertenden Stellungnahme enthalten, um nicht in die laufenden Untersuchungen einzugreifen. Ich verweise aber nochmals auf die Ausführungen der Landesjustizpressestelle in Bremen.
Eine Zusatzfrage, Herr Kollege Seifriz.
Herr Staatssekretär, halten Sie es für korrekt, der Angelegenheit seitens der Bundeswehr von Anfang an offensichtlich eine so hohe Bedeutung beizumessen, einem Dokument, das so recherchiert wurde, daß fast alle erreichbaren Teilnehmer dieses Gesprächskreises bisher schon behauptet haben, daß die Äußerungen so nicht gefallen sind, daß in jedem Falle der Sprecher sich mit diesen Äußerungen nicht identifiziert, sondern nur referiert hat, welches etwa die Auffassungen einer Vereinigung sein könnten, der er selber nicht angehört und zu der er sich selber auch nicht bekennt?
von Hase, Staatssekretär des Bundesministeriums der Verteidigung: Ich kann bei dem derzeitigen Stand des Ermittlungsverfahrens nur noch einmal zusammenfassend sagen, daß auf Grund der Information die Sorge des Truppenkommandeurs für die Sicherheit der ihm anvertrauten Unterkünfte berechtigt war und daß er vorschriftsmäßig gehandelt hat, indem er seine vorgesetzten Dienststellen unterrichtet hat und außerdem diese Information an die Stelle weitergegeben hat, deren Pflicht es ist, im zivilen Bereich für Aufklärung zu sorgen.
({0})
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Kollege Seifriz.
Herr Staatssekretär, da in dem betreffenden Dokument ein Zitat wiedergegeben ist, in dem nicht eine bestimmte Truppenunterkunft angegeben wurde, bedeutet das also, daß auf Grund einer Aussage, die in einem privaten Freundeskreis gemacht wurde, die Bundeswehr im gesamten Lande Bremen sämtliche Truppenunterkünfte verstärkt bewacht?
von Hase, Staatssekretär des Bundesministeriums der Verteidigung: Nein, das ist nicht der Fall,
Staatssekretär von Hase
sondern diese Anordnungen sind lediglich für die Unterkünfte dieser Schule gegeben worden, weil sich die Ausführungen lediglich auf diese Schulunterkünfte bezogen.
Zusatzfrage, Kollege Müller-Hermann.
Herr Staatssekretär, halten Sie es für korrekt, wenn der Fragesteller hier von „offensichtlich unwahren und verleumderischen Behauptungen" spricht, solange eine Klärung durch die Staatsanwaltschaft und auch durch einen Parlamentarischen Untersuchungsausschuß nicht abgeschlossen ist und nachdem ziemlich eindeutig festzustehen scheint, daß vielleicht der korrekte und exakte Wortlaut, aber nicht die Tendenz der in diesem Kreis gemachten Aussagen unrichtig ist?
von Hase, Staatssekretär des Bundesministeriums der Verteidigung: Herr Abgeordneter, ich möchte die von mir selbst gerade aufgestellte Regel, während eines Ermittlungsverfahrens nicht in dieses Ermittlungsverfahren durch qualifizierende Aussagen einzudringen, nicht brechen. Deswegen darf ich mich hierzu einer Stellungnahme enthalten.
Eine Zusatzfrage, Kollege Hansing.
Herr Staatssekretär, ist es dem Bundesverteidigungsministerium bekannt, daß bereits 17 Teilnehmer eidesstattlich erklärt haben, daß dieses Dokument nicht stimmt?
von Hase, Staatssekretär des Bundesministeriums der Verteidigung: Ich glaube, das ist eine zu sehr vereinfachende Darstellung, zu behaupten, daß dieses Dokument nicht stimmt. Es ist wohl kein Tonband bei der Veranstaltung gelaufen. Ich wiederhole noch einmal: der Offizier und die Bundeswehr hätten eine Unterlassung begangen, wenn sie nicht vorschriftsmäßig gemeldet hätten und wenn sie nicht Maßnahmen auf Grund dieser Informationen getroffen hätten.
({0})
Eine weitere Zusatzfrage, Kollege Hansing.
Herr Staatssekretär, ist es üblich, daß solche nicht zutreffenden Geheimberichte
({0})
dem Geschäftsführer der CDU-Fraktion übermittelt werden?
von Hase, Staatssekretär des Bundesministeriums der Verteidigung: Ich möchte die Unterstellung, die in dieser Frage liegt, eindeutig zurückweisen. Ich habe in der Beantwortung der Frage, Herr Abgeordneter, erklärt, daß dieser Bericht
außerhalb der Bundeswehr lediglich dem Landesamt für Verfassungsschutz zugeleitet worden ist. Mir ist nicht bekannt, daß der von Ihnen zitierte CDU-Politiker in Diensten des Landesamts für Verfassungsschutz steht.
Eine Zusatzfrage, Herr Kollege Haase.
Herr Staatssekretär, sind der deutschen Regierung nicht Presseverlautbarungen bekannt, wonach die Unterrichtung der CDU-Bürgerschaftsfraktion von interessierter Seite des Bremer Senats erfolgt sein soll?
von Hase, Staatssekretär des Bundesministeriums der Verteidigung: Herr Abgeordneter, ich habe diese Pressemeldungen gelesen. Ich möchte ,sie von mir aus hier nicht noch einmal zitieren. Ich beschränke mich, wie gesagt, darauf, den Vorfall im Bereich der Bundeswehr zu klären. Ich stelle für den Bereich der Bundeswehr mit großer Entschiedenheit fest, daß die Offiziere vorschriftsmäßig gehandelt haben. Für Kombinationen und weitere Vorgänge außerhalb des Bereichs der Bundeswehr trägt die Bundeswehr nicht die Verantwortung.
({0})
Eine weitere Zusatzfrage des Kollegen Krammig.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß Herr Oberstleutnant Reichelt, Mitglied der SPD-Bürgerschaftsfraktion und aus diesem Grunde zur Zeit im Ruhestand, sich veranlaßt gesehen hat, den Herrn Bürgermeister, nachdem er Kenntnis von diesem Dokument bekommen hatte, zu unterrichten?
von Hase, Staatssekretär des Bundesministeriums der Verteidigung: Herr Abgeordneter, das ist mir nicht bekannt.. Auch die Parteizugehörigkeit von Offizieren ist mir nicht bekannt.
Sie sagten vorhin, Herr Staatssekretär, daß etwa 40 Teilnehmer an dem Gespräch beteiligt gewesen seien. Es waren genau 30 Teilnehmer einschließlich des Referenten. Von diesen haben 17 eine Erklärung unterzeichnet, wonach von 14 Punkten, die angesprochen worden sind, lediglich zwei Punkte zurückgenommen worden seien. Glauben Sie, daß danach das Urteil des Herrn Kollegen Hansing gerechtfertigt ist, daß es sich um Vorwürfe handle, die im vollen Umfange zurückgenommen worden seien?
von Hase, Staatssekretär des Bundesministeriums der Verteidigung: Ich glaube, Herr Abgeordneter, daß dieser ganze Fragenkomplex durch das Ermittlungsverfahren geklärt werden muß. Es ist nicht Sache der Bundeswehr, sich hier um eine weitere Aufklärung im Bereich außerhalb der Bundeswehr zu bemühen. Für mich ist von großer Bedeu9144
Staatssekretär von Hase
tung die zusammenfassende Feststellung der für das
Ermittlungsverfahren zuständigen Justizpressestelle,
daß das Verfahren nicht bagatellisiert werden sollte.
Zu einer weiteren Zusatzfrage der Kollege Berkhan.
Herr Staatssekretär, stimmen Sie mit mir überein, daß, wenn ich aus einer Abschrift des fraglichen Dokuments unter der Tagebuchnummer 11/68 „Geheim" zitiere: „In der ,Lila Eule' haben u. a. stattgefunden ein evangelischer Jugendgottesdienst, Jugendveranstaltungen der katholischen Kirche, es haben dort bekannte Persönlichkeiten Vorträge gehalten" usw., mir einfach die Spucke wegbleibt, warum man so etwas unter „Geheim" in einem Dokument vorlegt.
von Hase, Staatssekretär des Bundesministeriums der Verteidigung: Herr Abgeordneter, ich darf mich vielleicht auf das beziehen, was im Verlaufe der Fragestunde zu Teilzitaten gesagt worden ist. Ich darf den Herren des Hohen Hauses anheimstellen, den ja offenbar in der Presse abgedruckten gesamten Bericht zu lesen. Ich glaube, dann wird jeder unterstreichen, daß der Offizier, der Meldung gemacht hat, aus berechtigter Sorge heraus gehandelt hat.
Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Kollegen Berkhan.
Herr Staatssekretär, nachdem Ihnen jetzt offenbar bekannt geworden ist, daß mir das Geheimdokument vorliegt, sind Sie nunmehr bereit, dem Hause das gesamte Dokument offen vorzulegen, oder erwarten Sie, daß das die Sozialdemokratische Partei in ihrem Pressedienst abdruckt?
von Hase, Staatssekretär des Bundesministeriums der Verteidigung: Herr Abgeordneter, es muß bei meiner Aussage bleiben, daß diese Frage innerhalb der Bundeswehr und mit dem Landesamt für Verfassungsschutz geklärt werden muß.
Zu einer Zusatzfrage Herr Kollege Dr. Müller-Hermann.
Herr Staatssekretär, wären Sie vielleicht geneigt, dem Hause einen Aufschluß darüber zu geben, worum es sich bei dem Lokal „Lila Eule" handelt,
({0})
daß dort ein superlinks gerichtetes Propagandalokal unterhalten wird?
von Hase, Staatssekretär des Bundesministeriums der Verteidigung: Es ist, glaube ich, nicht Aufgabe der Bundeswehr, hier eine ornithologische Forschung zu betreiben.
({1})
Wir kommen jetzt zur Beantwortung der Frage 115 des Abgeordneten Hansing:
Für den Fall, daß das in Frage 113 erwähnte als „Geheim" gekennzeichnete Dokument ein Papier einer Stelle oder einer Person der Bundeswehr sein sollte, frage ich, wie dieses Dokument zum Zwecke der Verwertung in einer öffentlichen Parlamentssitzung an den Vorsitzenden der CDU-Bürgerschaftstraktion gelangen konnte?
Ich darf mit Ihrer Genehmigung, Herr Präsident, in meiner Antwort die Frage 115 mit der Frage 116 verbinden.
Ich rufe dann gleichzeitig die Frage 116 des Abgeordneten Hansing auf:
Wer ist dafür verantwortlich?
von Hase, Staatssekretär des Bundesministeriums der Verteidigung: Ich darf dazu folgendes sagen: Ich wiederhole, daß der Bericht innerhalb der Bundeswehr vorschriftsmäßig weitergeleitet wurde und daß er außerhalb der Bundeswehr zuständigkeitshalber allein dem Landesamt für Verfassungsschutz übergeben wurde. Weitere Ermittlungen sind Angelegenheiten der Staatsanwaltschaft.
Eine Zusatzfrage des Herrn Kollegen Hansing.
Herr Staatssekretär, hat der MAD dem Bundesamt für Verfassungsschutz darüber Nachricht gegeben?
von Hase, Staatssekretär des Bundesministeriums der Verteidigung: Das Bundesamt für Verfassungsschutz ist nicht unterrichtet worden. Ich muß allerdings den Vorbehalt machen, Herr Abgeordneter, daß ich nicht weiß, ob das zwischenzeitlich erfolgt ist. Jedenfalls ist das Bundesamt für Verfassungsschutz nicht gleichlaufend und nicht vor dem Landesamt für Verfassungsschutz unterrichtet worden.
Herr Kollege MüllerHermann!
Herr Staatssekretär, ist es so ganz abwegig, die Vermutung zu äußern, daß das Dokument der CDU eventuell von sehr besorgten Parteifreunden des Herrn Settje zugespielt worden sein könnte?
von Hase, Staatssekretär des Bundesministeriums der Verteidigung: Herr Abgeordneter, ich enthalte mich jeder Vermutung, Spekulation oder Kombination über die Art und Weise und den Weg, auf dem dieser Bericht in den zivilen Bereich weitergegeben worden ist. Ich kann nur innerhalb des Bereichs der Bundeswehr tätig werden.
Herr Kollege Hansing!
Herr Staatssekretär, wenn die Vermutung des Kollegen Müller-Hermann stimmen sollte, wie kommen Sie dann dazu, zu erklären, daß das Landesamt für Verfassungsschutz in Bremen benachrichtigt worden ist?
von Hase, Staatssekretär des Bundesministeriums der Verteidigung: Ich wiederhole, daß das Landesamt für Verfassungsschutz in Bremen durch die Standortkommandantur Bremen durch ein Exemplar dieses Berichtes unterrichtet worden ist.- Hierüber liegt eine dienstliche Meldung vor.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Kollege Berkhan.
Herr Staatssekretär, kann ich aus der Anfrage des Herrn Kollegen Dr. Müller-Hermann, Bremen, schließen, daß die Sozialdemokratische Partei Deutschlands - Landesorganisation Bremen oder die Bundesorganisation - offiziell das Dokument zugestellt bekommen hat?
von Hase, Staatssekretär des Bundesministeriums der Verteidigung: Ich kann für den Bereich der Bundeswehr sagen, daß die einzige Stelle, die dieses Dokument außerhalb der Bundeswehr von der Bundeswehr bekommen hat, das Landesamt für Verfassungsschutz gewesen ist. Welche Vorgänge von da aus weiter erfolgt sind, ist mir nicht bekannt. Es ist auch nicht meine Aufgabe, diesen Möglichkeiten nachzugehen.
Wir kommen jetzt - Herr Staatssekretär, Sie sind gleich erlöst, so hoffe ich - zur Beantwortung der Frage 117 des Herrn Abgeordneten Hansing:
Welche Maßnahmen gedenkt der Bundesverteidigungsminister für den Fall zu ergreifen, daß in vorstehender Angelegenheit Personen oder Dienststellen der Bundeswehr zu Unrecht unterstellt wurde, ungeprüfte Behauptungen an zivile Stellen weitergeleitet zu haben?
von Hase, Staatssekretär des Bundesministeriums der Verteidigung: Ich darf darauf hinweisen, daß das Ermittlungsverfahren noch nicht abgeschlossen ist. Erst nach Vorliegen des Abschlußberichtes kann über etwa notwendig werdende Maßnahmen des Bundesministers der Verteidigung in Erfüllung der ihm für seine Bediensteten obliegenden Schutzverpflichtungen entschieden werden.
Damit Sind die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesverteidigungsministers beantwortet. Die Fragestunde ist beendet.
Wir kommen zu Punkt 2 der Tagesordnung:
a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines .... Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Grundgesetzes ({0})
- Drucksache V/2861 -
b) Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Einsetzung eines Sonderausschusses „Finanzreform"
- Drucksache V/2881 -Das Wort zur Begründung des Gesetzentwurfs zur Änderung und Ergänzung des Grundgesetzes -Finanzreformgesetz - hat der Herr Bundesminister Dr. Strauß.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Heute ist es meine Aufgabe, zu Ihnen zur Begründung eines Gesetzes zu sprechen, das zu einem der wichtigsten Vorhaben dieser Legislaturperiode gehört und darüber hinaus einen besonderen Platz in der gesamten Arbeit dieses Parlaments in seiner nun bald zwanzigjährigen Geschichte einnehmen wird. Von der Verabschiedung dieses Gesetzes in der sachgerechtest möglichen Fassung wird zu einem gewissen Teil das Schicksal unseres Staates, seine politische Stabilität, sein wirtschaftlicher Fortschritt und das Wohlergehen seiner Bürger mitbestimmt werden.
Die Bundesregierung bringt den Entwurf eines Gesetzes zur Finanzreform ein, und damit stehen Sie vor der Aufgabe, über die Neuordnung unserer Finanzverfassung zu entscheiden. Ein solches Gesetzgebungswerk darf nicht nur als Regelung finanzpolitischer oder verfahrensmäßiger Fragen gesehen werden. Die geschichtliche Erfahrung beweist, daß es bei den großen finanzverfassungsrechtlichen Auseinandersetzungen vielmehr in der Regel um Fragen der staatspolitischen Ordnung und damit um Verfassungsprobleme ersten Ranges geht. Die Finanzverfassung ist eine der tragenden Säulen des bundesstaatlichen Aufbaus. Sie bestimmt den finanziellen Bewegungsspielraum der Gebietskörperschaften und sichert die rechtlichen und materiellen Grundlagen für die Tätigkeit von Bund, Ländern und Gemeinden. Von der finanziellen Ordnung her beeinflußt sie Richtung und Möglichkeiten des politischen Handelns.
Unsere Finanzverfassung hat sich jetzt als nicht mehr ausreichend erwiesen. Der Blick des Verfassungsgebers war bei Erlaß des Grundgesetzes stark durch die Umstände der damaligen Zeit bestimmt. Der Verfassungsgeber dachte über die Ursachen des Untergangs der Weimarer Republik nach und stand noch zu unmittelbar unter dem Eindruck der gerade erst überwundenen nationalsozialistischen Diktatur und der Folgen des Krieges. Schon die Mitgestalter des Grundgesetzes hielten aber zum Teil die Vorschriften über das Finanzwesen, die in den Beratungen des Parlamentarischen Rates einer der umstrittensten Gegenstände waren, für die Entwicklung eines modernen Staatswesens für nicht vollgenügend. Sie waren aber in ihrer Entscheidung nicht frei. Die damaligen alliierten Militärregierungen nahmen, wie Ihnen allen bekannt ist, gerade auf die Gestaltung dieses Teils der Verfassung erheblichen Einfluß. Sie wurden unterstützt von diesen oder jenen politischen Kräften, die aus traditionellen Grundsätzen oder unter dem Schreck des Mißbrauchs der Zentralgewalt ihren erklärten Willen ausdrück9146
Bundesminister Dr. h. c. Strauß
ten, die Entwicklung einer starken Zentralgewalt zu verhindern und die Länder möglichst zu stärken. Daß dies kein ausschließlich sachbezogenes und in der einseitigen Zielrichtung auf die Dauer auch kein haltbares Prinzip sein kann, ist offensichtlich, offensichtlich besonders in einer Zeit, in der die allgemeine Entwicklung unverkennbar nach größeren politischen Einheiten oder zumindest nach einheitlichen Regelungen lebenswichtiger Problemgebiete drängt.
Vor allem war der Wandel, der sich in Wirtschaft, Technik und Gesellschaft in den beiden letzten Jahrzehnten vollzogen hat, 1949 hinsichtlich der Schnelligkeit der Entwicklung und der Ergebnisse noch nicht zu übersehen. So bedarf es keiner weiteren Gründe, um verständlich zu machen, warum eine neue, zeitgemäße Ordnung unserer Finanzverfassung erforderlich ist. Wer heute an Vorschriften rührt, die das Bund-Länder-Verhältnis betreffen, wird leicht mit dem Verdacht belegt, ein verkappter oder auch offener Zentralist zu sein, ein Mann, der in dem bundesstaatlichen Aufbau unseres Staates nur ein Hemmnis für die Verfolgung staatlicher Zielsetzung und der angeblich gewünschten Machtkonzentration sieht. Ich bin in der glücklichen Lage, meine Heimat von Geburt und Politik aus in Bayern zu haben
({0})
und dank des föderativen Gütesiegels dieses Landes gegen solche Verdächtigungen einigermaßen immun zu sein.
({1})
- Man weiß nie, wie es kommt, Herr Kollege Möller. - Ich habe mir auch bei allen Vorschlägen, die zur Debatte standen, immer sehr wohl überlegt, ob sie für das Verhältnis zwischen Bund und Ländern angemessen und erforderlich sind, und kann mit voller Überzeugung sagen, daß der Gesetzentwurf in keinem Punkt Regelungen enthält, die die Staatsqualität der Länder auch nur im mindesten beeinträchtigen.
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Ich möchte hier auch ein deutliches Wort sagen. Man sollte einerseits die Bedeutung der Finanzverfassungsreform in ihrer ganzen Tragweite sehen und andererseits sich hüten, sie damit abzuwerten, daß man sie als eine Art Mini-Reform oder als einen nicht ausreichenden Kompromiß der Bund-LänderVerhandlungen darstellt.
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Wir mußten bei der Vorbereitung dieses Gesetzentwurfs einerseits das Ziel der sachgerechten Lösung verfolgen, andererseits konnten wir auch an der Überlegung der politischen Durchsetzbarkeit und der Erhaltung eines guten Klimas zwischen Bund und Ländern nicht achtlos vorbeigehen. Gerade bei der Vorbereitung dieses Gesetzentwurfs hat sich gezeigt, wie viele Faktorenelemente - um nicht mehr zu sagen - bei solchen Verhandlungen berücksichtigt werden müssen.
Die Idee des Föderalismus hat es, wenn ich an die Debatten der letzten Wochen und Tage denke, heute nicht leicht. Ich bin mir sehr wohl bewußt, daß sie in weiten Kreisen der Bevölkerung wenig Unterstützung findet. Ich kenne auch das häßliche Wort, das ich nicht teile, daß sie nur noch von dem Geist der Staatskanzleien der Länder getragen werde. Aber man muß diese Tatsache sehen und gerade auch im Hinblick auf sie klar und entschlossen handeln, nicht nur diese Kammer, sondern auch die andere Kammer des Parlaments.
Wir bekennen uns zum Grundsatz des föderativen Staatsaufbaus. Ich sehe in ihm eine wesentliche Sicherung dafür, daß allen in unserem Lande Freiheit, Mitverantwortung und Mitentscheidung gewährleistet werden. Ich sehe auch, daß die Mannigfaltigkeit der schöpferischen Kräfte und Fähigkeiten unseres Landes in Kultur und Wirtschaft in einem föderalistischen Staat besser zur Entfaltung kommen als in einem zentralistisch verwalteten Einheitsstaat. In Deutschland soll man auch in Zukunft nicht sagen können: Diese oder jene Großstadt ist Deutschland,
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und wer sie gesehen hat, hat Deutschland gesehen, wer sie nicht gesehen hat, hat Deutschland überhaupt nicht kennengelernt.
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Der Föderalismus ist kein künstliches Produkt. Er ist in verschiedenen Phasen der deutschen Geschichte gewachsen. Wir haben jetzt durch unser politisches Handeln zu beweisen, daß das erneute Bekenntnis zu dieser Staatsform im Jahre 1949 nicht nur Ausdruck einer Reaktion auf die Vergangenheit, auf den Zentralismus des NS-Regimes war, sondern daß diese Staatsform nach wie vor Bestand hat und ihre Funktionsfähigkeit beweisen kann.
Unser Bundesstaat wird aber nur dann bestehen und von der Überzeugung des Volkes getragen werden - wenn ich das anfügen darf, bei allem Respekt vor der Verfassung: die Überzeugung des Volkes ist weit wichtiger als die Bestandsgarantie des Art. 79 des Grundgesetzes -,
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er wird sich nur dann behaupten, wenn er sich als fähig erweist, die staatlichen Aufgaben überzeugend, sachgerecht und rational zu lösen. Das Bekenntnis zum Föderalismus muß daher notwendig auch das Bekenntnis zu seiner Weiterentwicklung einschließen. Die dynamische Kraft des staatlichen und gesellschaftlichen Lebens darf nicht durch Festhalten an unzeitgemäß werdenden Formen zum Schaden des Ganzen gehemmt werden.
Der Ruf nach einer Finanzreform ist seit langem laut. Bund und Länder haben sich mehrfach zu ihrer Notwendigkeit bekannt und mit der Einsetzung einer unabhängigen Sachverständigenkommission im März 1964 einen ersten Schritt zur Vorbereitung der Gesetzgebungsarbeiten getan. Die Sachverständigenkommission, die unter dem Namen ihres Vorsitzenden als Troeger-Kommission bekanntgeworden ist,
Bundesminister Dr. h. c. Strauß
hat ein umfassendes, sorgfältig ausgearbeitetes Gutachten vorgelegt. Es hat sich als wertvolle Grundlage für die Arbeiten an der Reform erwiesen. Ich unterziehe mich gern der Pflicht, auch hier heute und von dieser Stelle aus den Mitgliedern der Kommission dafür herzlichen Dank zu sagen.
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Seit dem März 1964, wo die Diskussion über die Verfassungsreform nicht begann, sondern mit der Einsetzung der Kommission bereits ein weiterer Schritt unternommen wurde, liegen nunmehr beinahe 50 Monate hinter uns. Ich wende mich deshalb gegen eine hei jeder politischen Entscheidung und bei jedem politischen Reformwerk lautstark werdende Argumentation, die Dinge seien nicht genügend überlegt, sie müßten noch einmal geprüft werden, sie dürften nicht durchgepeitscht werden, man sollte jetzt nicht übereilt, überhastet in große Entscheidungen hineingehen. Ich habe noch keine politische Entscheidung in diesem Hause erlebt, bei der nicht diejenigen, die entweder dagegen waren oder keinen Mut zur politischen Entscheidung hatten, mit diesem Argument das Zustandekommen jeder Entscheidung zu verzögern oder vielleicht überhaupt zu
verhindern versucht haben.
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Ich räume gern ein, meine sehr verehrten Damen und Herren - und ich habe das auch bei anderen Gelegenheiten bei der Vertretung von Regierungsvorlagen getan -, daß das, was hier vorliegt, nicht allein das Ergebnis unserer eigenen Überlegungen und Wünsche, sondern die Zusammenfassung der Verhandlungsergebnisse auf verschiedenen Ebenen ist. Ich räume auch gern ein, daß eine Regierungsvorlage nicht der Weisheit letzter Schluß ist, zu sein braucht oder sein kann. Denn wozu hätten wir ein so hochqualifiziertes Parlament, wenn es nicht bessere Arbeit zu leisten vermöchte als die Regierung?
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Dieses Parlament und der Bundesrat haben Zeit und Möglichkeit, bessere Vorschläge zu erarbeiten oder diese Vorschläge im Sinne noch besserer Lösungen umzugestalten. Sie werden das sicherlich unter dem Blickpunkt der Sachbezogenheit tun, sie werden es auch unter dem Blickpunkt der politischen Durchsetzbarkeit tun. Bloß ein Argument kann ich nicht mehr akzeptieren: daß wir auch das, jetzt, wo wir fünf Vierteljahre vor der nächsten Bundestagswahl stehen, wieder wegen angeblich mangelnder Vorbereitung, mangelnder Reife, noch nicht sorgfältig genug geführter Diskussion abermals aufschieben sollten.
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Dieses Parlament, das Parlament als Institution
überhaupt nimmt sich zunehmend Glaubwürdigkeit,
wenn es nicht zu politischen Entscheidungen kommt.
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Man soll auch eines ganz klar erkennen. Es gibt keine politische Reform - gleichgültig, auf welchem Gebiet -, bei der der Besitzstand für alle gewahrt wird und diejenigen, die den Besitzstand noch nicht
erreicht haben, den Verbesserungsschein erhalten und der Staatsbürger möglichst noch weniger Steuern zu zahlen hat.
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Wo immer Reformen unternommen werden, müssen sie in Privilegien und Besitzstände eingreifen. Wo immer Reformen unternommen werden, muß Neuland betreten werden, das zu betreten vielleicht manche noch nicht die Entschlossenheit oder die Lust haben. Bei jeder politischen Reform ist ein Stück Entscheidungsmut, ist ein Stück Entscheidungsfähigkeit erforderlich, sonst wird es niemals zu politischen Reformen kommen. Wer politischen Reformen ausweicht, wird den Kräften, die nach der Verfassung nicht legitimiert sind, Glaubwürdigkeit und Spielraum und Handlungsmöglichkeit geben, einem nicht entscheidungsfähigen politischen Establishment Reformen mit anderen Methoden aufzuzwingen.
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Ich möchte mich aber nicht weiter bei der Vorgeschichte der Gesetzesvorlage aufhalten. Wir alle wissen, daß darüber eingehende Beratungen mit den Ländern und auch mit den kommunalen Spitzenverbänden stattgefunden haben. Diese Besprechungen waren nützlich und notwendig, und zwar auch deswegen, weil es sich um Fragen handelt, die unmittelbar die Länder betreffen, um ein Gesetzeswerk, das ohne die Zustimmung des Bundesrates nicht zum Erfolg geführt werden kann.
Es ist das erklärte Ziel der Bundesregierung - und ich möchte hoffen, auch des Deutschen Bundestages -, daß die Reform in der bestmöglichen Weise noch in dieser Legislaturperiode verwirklicht wird. Unter Reform versteht man ja im allgemeinen nicht, etwas so lange aufzuschieben, bis die mit ihr zu lösenden Mißstände unheilbar geworden sind. Ich möchte keinen Zweifel daran lassen, daß wir unsere Zusage einhalten und diese Finanzreform 'schnell und zügig in die Tat umsetzen müssen. Nach allen bisherigen Erörterungen, bei denen fast sämtliche Argumente, Modelle und Varianten durchgesprochen worden sind, sehe ich auch keinen Grund, aus dem das nicht möglich sein sollte. Oft hat der Ruf nach der Finanzreform gleichsam den Klang einer Zauberformel erhalten. Er stellte sich zuweilen dann ein, wenn man nicht mehr weiterwußte. Sicher kann auch eine Neuordnung der Finanzverfassung nicht dazu führen, daß nun alles leichter und gewissermaßen ohne Opfer geht.
Noch einem Irrtum möchte ich entgegentreten. Reform wird manchmal hoffnungsfreudig dahin ausgelegt, daß jeder, bescheiden wie er eben ist, für sich mehr erwartet, hier der Bund, dort die Länder, dann wieder die kommunalen Gebietskörperschaften und nicht zuletzt der Steuerzahler, der glaubt, die Reform würde ihm endlich Steuern ersparen. Aber die Formel haben wir noch nicht gefunden, aus einer gegebenen Größe allein durch Aufteilung mehr machen zu können.
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Bundesminister Dr. h. c. Strauß
Was diese Reform leisten kann und muß - in diesem Sinne soll aber dann aus vorhandenem Geld mehr gemacht werden als bisher -, ist eine klare und sachgemäße Aufteilung der Verantwortungen und der Einnahmequellen mit dem Ziel, daß von den vorhandenen Mitteln zum Wohle des Ganzen der bestmögliche Gebrauch gemacht werden kann. Mit der Reform soll die Finanzverfassung so weiterentwickelt werden, daß Bund, Länder und Gemeinden auch nach den Bedingungen des letzten Drittels des 20. Jahrhunderts die öffentlichen Aufgaben in zeitgemäßer Form erfüllen können.
Ein wesentlicher Schritt zu einer modernen Gestaltung unseres Finanzwesens in seiner immer stärker werdenden Wechselwirkung auf die Volkswirtschaft ist mit dem Stabilitätsgesetz und der dazu gehörenden Änderung des Art. 109 des Grundgesetzes bereits getan worden. Durch diese Änderung des Art. 109 des Grundgesetzes wurden zur Sicherung von Stabilität und Wachstum der Haushaltsautonomie der Länder, mittelbar auch der Gemeinden und bis zu einem gewissen Grade auch des Parlaments um des Gesamtwohles willen gewisse Grenzen oder Änderungen auferlegt. Schon bei dieser Anpassung der Verfassung an eine veränderte gesamtwirtschaftliche Entwicklung wurde klar, wie wichtig und für die gesamtwirtschaftliche Entwicklung unentbehrlich ein konjunkturgerechtes und koordiniertes Verhalten der öffentlichen Haushalte ist. Starre und kaum abänderbare Verfassungsregeln über die Erfüllung der öffentlichen Aufgaben und über die Zuordnung des Steueraufkommens gefährden das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht und damit sowohl die Stabilität von Beschäftigung und Geldwert wie auch die Möglichkeiten weiteren wirtschaftlichen Wachstums. Verfassungsrechtliche Entzerrung und vor allem höhere Beweglichkeit und Anpassungsfähigkeit an die sich ständig ändernden wirtschaftlichen Verhältnisse und Gegebenheiten sind ein wichtiges Ziel der Finanzreform. Die wirtschaftliche Rezession in den Jahren 1966 und 1967 hat die Mängel unserer bisherigen Finanzverfassung in diesen Punkten besonders deutlich gemacht.
Als weiterer Schritt werden ein Gesetzentwurf zur Änderung der grundgesetzlichen Bestimmungen über das Haushaltswesen und die Gesetzentwürfe zur Neuregelung des Haushaltsrechts folgen. Das Haushaltsrecht soll auf die Bedürfnisse einer modernen Volkswirtschaft abgestellt und die Fakten der Finanzwirtschaft sollen klarer und durchsichtiger gestaltet werden.
Mit diesen Gesetzen wird unser Finanzwesen ein neues Gesicht erhalten. Ich möchte meinen, daß es dann zu den modernsten der Welt gehören wird. Ich hoffe, daß es uns erleichtern wird, die im Tagesgeschehen immer mit Schwierigkeiten belastete Finanzpolitik erfolgreicher zu handhaben.
Bei der Finanzreform in dem Ihnen heute vorliegenden Gesetzentwurf, der sich ja nur mit der Änderung des Grundgesetzes befaßt und zu dem in absehbarer Zeit noch eine Reihe von Ausführungsgesetzen vorgelegt werden - und zwar so, daß sie noch in dieser Legislaturperiode verabschiedet werden können -, handelt es sich nur um Vorschläge zur Änderung des Grundgesetzes, also um die Finanzverfassung. Es hat mehrfach in der Öffentlichkeit Kritik gefunden, daß noch nicht die einzelnen geplanten Regelungen ebenfalls vorgelegt werden. Wir können diese beabsichtigten Regelungen in Form der Ausführungsgesetze erst dann vorlegen, wenn die Grundlagen für die Ausarbeitung dieser Gesetze, nämlich die zukünftige Gestaltung der einschlägigen Artikel der Verfassung, sich einigermaßen abzeichnen, weil diese Gesetze sonst nicht auf festem Boden stehen.
Es gehört auch nicht zum Wesen einer Verfassung, daß sie Einzelregelungen bringt. Gerade wenn die Verfassung eine elastischere, anpassungsfähigere Handhabung ermöglichen soll, können die Einzelheiten der künftigen Finanzreform - nicht der Verfassungsreform, sondern der Finanzreform - nicht bereits in Grundgesetzregelungen zum Ausdruck gebracht werden. Damit würden wir genau gegen den Sinn handeln, den wir auch mit dieser Finanzverfassungsreform verbinden.
Wir werden also mehrere Durchführungsgesetze erhalten. Sie betreffen wesentliche Fragen, sie regeln Einzelheiten, haben aber keinen Verfassungsrang. Welche Gesetze sind das? Es sind Gesetze zur Durchführung der Gemeinschaftsaufgaben, Gesetze zur Festlegung des Beteiligungsverhältnisses an den Gemeinschaftssteuern, Gesetze zum Länderfinanzausgleich, Gesetze zur Gemeindefinanzreform
- Regelungen für die Gewerbesteuer und zur Beteiligung der Gemeinden an der Einkommensteuer
- sowie zur Anpassung verschiedener Vorschriften des Finanzwesens - Stichwort: Finanzverwaltung
- erforderlich.
Es ist ein großes Programm, das aber bewältigt werden kann, wenn bei der Schaffung der Grundlagen, nämlich der Änderung der Verfassung, zügig vorangeschritten wird. Die Bundesregierung wird die Gesetzentwürfe einbringen, sobald die noch erforderlichen Vorarbeiten abgeschlossen sind und sich aus den Stellungnahmen des Bundestages zum Finanzreformgesetz die Richtung der Neuordnung der Finanzverfassung abzeichnet.
Ich möchte mich nun dem wesentlichen Inhalt des Finanzreformgesetzes zuwenden. Die Reform steht unter dem Gedanken, daß Verfassung und Verfassungsleben aus dem Geist eines kooperativen Föderalismus verstanden und weiter entwickelt werden müssen. Nicht mehr Mittel, nicht Besitzstände, nicht Streben nach Ausdehnung von Zuständigkeiten darf maßgebend sein, sondern allein die Suche nach einer sachgerechten Ordnung im Verhältnis zwischen Bund, Ländern und Gemeinden.
Ich komme zu einer Reihe von Einzelproblemen, erstens zu den Gemeinschaftsaufgaben. Kernbestand jeder bundesstaatlichen Ordnung ist die Abgrenzung der Aufgabenbereiche, die von eminenter staatspolitischer Bedeutung ist. Es ist weder Absicht noch Aufgabe dieses Gesetzgebungswerkes, an den Grundentscheidungen unserer Verfassung zur Aufgabenabgrenzung zu rütteln. Da sich aber - in der modernen Entwicklung mit wachsender Tendenz
- Aufgaben in Ausgaben ummünzen und diese
Bundesminister Dr. h. c. Strauß
wiederum zu der Frage führen, wer die Kosten zu tragen hat, muß eine grundlegende Finanzreform in gewissem Umfang auch auf die vorgelagerte Frage der Abgrenzung der Aufgaben zurückgreifen.
Eine trennscharfe Abgrenzung der Aufgabenbereiche von Bund und Ländern ist in dem gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Leben unserer Zeit mit seinen vielfältigen und sich vermehrenden überregionalen Verflechtungen nicht mehr auf allen Gebieten möglich. So muß diese Finanzreform eine verfassungsrechtliche Regelung für die gemeinschaftliche Erfüllung besonders gewichtiger Aufgaben durch Bund und Länder schaffen, weil das theoretische Trennprinzip, in chemischer Reinheit, schon durch die Gewalt der pragmatischen Entwicklung längst durchbrochen ist und wir eine verfassungsrechtliche Regelung brauchen, die die bisherige Praxis legalisiert und für die Zukunft Entwicklungs- und Entfaltungsmöglichkeiten schafft.
Der Gedanke der gemeinsamen Wahrnehmung von Aufgaben durch Bund und Länder ist nicht in den Köpfen von Verfassungsjuristen entstanden, sondern aus der Dynamik der tatsächlichen Notwendigkeiten. Diesem Zwang folgend nehmen Bund und Länder bereits jetzt tatsächlich eine Reihe von Aufgaben gemeinschaftlich wahr. Ich nenne nur den sozialen Wohnungsbau, die Maßnahmen der Agrarstruktur und den Neubau und Ausbau wissenschaftlicher Hochschulen.
Diese gemeinsame Erfüllung von Aufgaben hat sich in bisher mehr oder minder zweckmäßigen Formen neben der Verfassung vollzogen. Diese Entwicklung müssen wir verfassungsrechtlich in den Griff bekommen und eine Regelung treffen, die den Umfang der beiderseitigen Verantwortung klärt und eine feste konstitutionelle Grundlage schafft, von der aus eine auf gemeinsamer Willensbildung beruhende neue fruchtbare Entwicklung möglich ist.
Nach dem hier vorliegenden Vorschlag der Bundesregierung sollen zu Gemeinschaftsaufgaben erklärt werden: der Ausbau und Neubau von wissenschaftlichen Hochschulen, die regionale Wirtschaftsförderung und die Förderung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes.
Ich möchte Notwendigkeit und Bedeutung des Instituts der Gemeinschaftsaufgaben sowie den Inhalt der vorgeschlagenen Regelung am Ausbau und Neubau von wissenschaftlichen Hochschulen verdeutlichen.
Die Universitäten gehören in die Zuständigkeit der Länder. Die Einrichtung neuer Universitäten darf aber nicht allein von den Gegebenheiten und Möglichkeiten der jeweiligen Länder abhängig sein, sondern die Planung muß nach den Bedürfnissen in der ganzen Bundesrepublik ausgerichtet werden.
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Das gleiche gilt für den Ausbau bestehender Universitäten. Nur so kann diese für unsere Zukunftsentwicklung entscheidende Aufgabe mit den zur Verfügung stehenden, naturgemäß begrenzten Mitteln überhaupt gelöst werden. Kein Student fragt danach, ob es eine Universität Nordrhein-Westfalens, Niedersachsens oder Bayerns ist; entscheidend ist für ihn und für uns alle, daß genügend Universitäten mit möglichst gleichwertiger Leistungsfähigkeit, was Schwerpunktbildung für Lehre und Forschung nicht ausschließt, vorhanden und richtig über das Bundesgebiet verteilt sind.
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Es kann daher weder der Initiative noch der Finanzkraft allein des einzelnen Landes überlassen bleiben, vorhandene Hochschulen auszubauen oder neue zu schaffen. Es darf auch nicht an der finanziellen Schwäche eines Landes liegen, bei unabweisbarem Bedarf die Errichtung einer Hochschule aus finanziellen Gründen nicht vornehmen zu können, obwohl die sachliche Notwendigkeit gegeben ist. Dazu ist eine nach Schwerpunkten orientierte Gesamtplanung für das ganze Bundesgebiet und eine gemeinschaftliche Finanzierung erforderlich.
Das Institut der Gemeinschaftsaufgaben, wie es der Entwurf vorsieht, geht davon aus, daß die bestehenden Zuständigkeiten der Länder weitestgehend erhalten bleiben. Es soll keinem Zentralismus Vorschub leisten. Es soll auch jeder Aufblähung der Verwaltung - die Mischverwaltung und Doppelkontrolle - vermieden werden.
Zur Durchführung der Gemeinschaftsaufgabe, die durch ein Gesetz im einzelnen abzugrenzen ist, sollen gemeinsam von Bund und Ländern Pläne aufgestellt werden. In ihnen werden z. B. Zahl und Größe der neu zu schaffenden Hochschulen, Umfang des Ausbaues bestehender Hochschulen, Zahl der zu schaffenden Studienplätze, örtliche Verteilung, Finanzvolumen und Zeitplan des Ausbaues festzulegen sein. Die Planung der Baumaßnahme selbst und ihre Durchführung bleibt dagegen ausschließlich Sache des jeweiligen Landes. Die Finanzierung soll zu 50 v. H. vom Bund und zu 50 v. H. vom Sitzland aufgebracht werden. Dabei wird noch zu prüfen sein, ob ein Teil der Quote des Sitzlandes im Rahmen des horizontalen Finanzausgleichs ausgeglichen werden muß, damit etwa unzumutbare Belastungen einzelner Länder vermieden werden.
Das für den „Ausbau und Neubau der wissenschaftlichen Hochschulen" Gesagte gilt entsprechend für die beiden anderen Aufgabenbereiche „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" sowie „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes". Dazu nur einige ergänzende Bemerkungen: Wie Ausbau und Neubau von wissenschaftlichen Hochschulen ist die regionale Wirtschaftsstruktur nach der geltenden Verfassung Sache der Länder. Auch hier zeigt sich, daß diese Regelung nicht der politischen Wirklichkeit entspricht. In einem einheitlichen Wirtschaftsgebiet kann sich der Bund von der Verantwortung für schwächer entwickelte Gebiete nicht einfach unter Hinweis auf das Trennprinzip der Zuständigkeit frei machen; niemand wird ihm das abnehmen.
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Er kann nicht die Augen verschließen, wenn Unterschiede in der regionalen Wirtschaftsstruktur ein
Bundesminister Dr. h. c. Strauß
Gefälle in den Lebensverhältnissen zur Folge haben, daß - wie die letztvorliegenden Zahlen aus dem Jahre 1964 ergeben, deren Proporz sich sicherlich nicht geändert hat - das Bruttoinlandsprodukt je Kopf der Wirtschaftsbevölkerung in einzelnen Stadt- und Landkreisen zwischen 2800 und 18 500 DM liegt,
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und zwar bei einem Bundesdurchschnitt von rund 7100 DM. Die Verbesserung schwachstrukturierter Gebiete kann nicht dem zuständigen, in diesem Fall in der Regel finanzschwachen Land überlassen bleiben. Die Aufgabe muß vielmehr der gemeinsamen Verantwortung von Bund und Ländern zugewiesen werden. Sie verlangt einen zielstrebigen und geplanten Einsatz aller vorhandenen Kräfte. Das entspricht auch dem Sinn und dem Auftrag, dem Geist und dem Buchstaben des Grundgesetzes.
Für die Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes gilt das gleiche. Sie ist eine Aufgabe, die über einen langen Zeitraum den Einsatz von erheblichen öffentlichen Mitteln erfordert, wenn das Ziel, die Lebensverhältnisse in der Landwirtschaft zu verbessern und eine gesunde leistungsfähige Landwirtschaftsstruktur zu erstellen, erreicht werden soll. Auch hier fordern gesamtstaatliche Belange und die Notwendigkeit, beschränkte Mittel rationell und nach Schwerpunkten einzusetzen, nach wie vor eine starke Mitwirkung des Bundes und eine gemeinsame Planung.
Die Gutachterkommission für die Finanzreform hatte vorgeschlagen, von einer Enumeration der Gemeinschaftsaufgaben in der Verfassung abzusehen und statt dessen eine allgemeine Bestimmung zu schaffen, nach der Bund und Länder bei der Erfüllung staatlicher Aufgaben zusammenwirken, wenn sie für die Gesamtheit bedeutsam sind und einer langfristigen, gemeinsamen Planung bedürfen.
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Die Aufgaben im einzelnen sollten jeweils durch Gesetz mit Zustimmung des Bundesrates festgeegt werden. Ich habe keinen Zweifel, daß dieses Problem, bei dem wir uns für den anderen Weg, auch aus guten Gründen, entschieden haben, einer gründlichen Erörterung in den zuständigen Ausschüssen unterzogen werden muß.
Es ist ohne weiteres zuzugeben, daß damit eine allgemeinere Regelung geschaffen würde, die es ermöglichte, den Kreis der Gemeinschaftsaufgaben nach neu auftretenden Bedürfnissen zu erweitern. Diesem Vorteil steht aber gegenüber, daß damit die Veränderung von Zuständigkeiten im Verhältnis zwischen Bund und Ländern dem einfachen Gesetzgeber überlassen würde. Das wäre verfassungspolitisch nicht unbedenklich. Da eine solche Regelung zudem, wie in beinahe einjährigen Gesprächen festgestellt, keine Aussicht haben würde, die Zustimmung des Bundesrates zu finden, hat sich die Bundesregierung für die Enumeration d e r Aufgabenbereiche entschlossen, die für eine gemeinschaftliche Erfüllung besonders wichtig erscheinen. Sie ist der Ansicht, daß zusammen mit den ergänzenden Vorschriften damit auch im Blick auf die zukünftige Entwicklung eine befridigende Lösung erreicht werden kann.
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Außer den drei erwähnten Gemeinschaftsaufgaben gewinnt für den Bund der große Bereich der allgemeinen Forschungsförderung mehr und mehr an Bedeutung. Soweit es sich nicht um Aufgaben der sogenannten Großforschung handelt, fehlen dem Bund in diesem Bereich verfassungsrechtlich fundierte Förderungskompetenzen, obwohl er sie de facto schon lange ausübt. Auch hier stimmen die verfassungsrechtlichen Gewichte nicht mehr.
Es würde den Gegebenheiten unserer Zeit nicht entsprechen, wenn der Bund im Bereich der Forschung untätig bleiben müßte. Die Lebensgrundlagen eines Volkes in der Zukunft werden weitgehend von den Anstrengungen der Wissenschaft und Forschung in der Gegenwart beeinflußt. Wenn wir verhindern wollen, daß die Bundesrepublik in der Wissenschaft und Forschung unter das Niveau der übrigen führenden Industriestaaten zurückfällt und in der Zukunft technisch und wirtschaftlich zu einem abhängigen Staat wird, können wir es in bestimmten Schwerpunkten nicht bei einem zufälligen Nebeneinander unvollkommen koordinierter Aktivitäten belassen. Wir können auch nicht die Lösung der für die Zukunft unseres Volkes entscheidenden Fragen nur den Organisationen der Wissenschaft und ihren Größen überlassen, die im Rahmen ihrer Möglichkeiten anerkennenswerte Anstrengungen unternehmen.
Es ist wohl allgemeine Überzeugung, daß die Förderung von Wissenschaft und Forschung zu einer der bedeutendsten Aufgaben eines modernen Staates schlechthin geworden ist. Die Finanzreform muß dem Bund die seiner politischen Verantwortung entsprechenden verfassungsrechtlichen Möglichkeiten an die Hand geben, die ihm bisher fehlen. Der Bund muß in die Lage versetzt werden, gemeinsam mit den Ländern koordinierend und planend Ziele zu setzen, Schwerpunkte zu bilden und einen rationellen, wenn nötig, konzentrierten Einsatz der Mittel zu gewährleisten.
Den besonderen Bedürfnissen in diesem Bereich kann nur ein bewegliches, den vielfältigen Arten der Wissenschaftsförderung angepaßtes Instrument entsprechen. Es soll mit Art. 91 b des Grundgesetzes der Regierungsvorlage geschaffen werden. Diese Vorschrift ermöglicht es, die bisher schon auf Vereinbarungsbasis geübte gemeinsame Förderung der Deutschen Forschungsgemeinschaft und der MaxPlanck-Gesellschaft fortzusetzen. Darüber hinaus ergibt sich die Möglichkeit, an den wissenschaftlichen Hochschulen Sonderforschungsbereiche zu bilden und zu fördern, in denen bestimmte Aufgaben schwerpunktmäßig wahrgenommen werden, z. B. für die Molekularforschung oder die Meeresforschung.
Als bedeutsame Regelung ist in diesem Zusammenhang auch der Vorschlag zu Art. 104 a Abs. 3 des Grundgesetzes zu sehen. Es handelt sich dabei um zwei Fragenbereiche.
Bundesminister Dr. h. c. Strauß
Einmal geht es darum, in Fortführung der Zielsetzungen des Stabilitätsgesetzes verfassungsrechtlich klarzustellen, daß der Bund zur Abwehr von Störungen des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts den Ländern für Investitionen der Länder und Gemeinden Finanzhilfen gewähren kann. Da das Schwergewicht der Investitionen bei den Ländern und Gemeinden liegt, wäre ohne diese Möglichkeit ein weites Wirkungsfeld für eine konjunkturbeeinflußende Tätigkeit des Bundes versperrt und die Wirkungskraft der Maßnahmen von vornherein vermindert. Die Notwendigkeit dieser Regelung kann man nicht besser als mit den Erfahrungen des letzten Jahres begründen.
Darüber hinaus besteht ein dringendes praktisches Bedürfnis, daß der Bund auch unabhängig von einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts in bestimmten wichtigen Fällen Finanzhilfen für Investitionen der Länder und Gemeinden den Ländern gewähren kann. Diese Möglichkeit soll ebenfalls in Art. 104 a Abs. 3 des Grundgesetzes geschaffen werden. Die Mitwirkung der Länder ist dadurch gesichert, daß diese Maßnahmen nur auf Grund eines Gesetzes mit Zustimmung des Bundesrates oder auf Grund einer Verwaltungs vereinbarung durchgeführt werden können. Ein Anwendungsfall der Bestimmung sind die Maßnahmen zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse in den Gemeinden. Auch in anderen Bereichen, wie z. B. im Wohnungsbau, kann sich die Notwendigkeit für eine finanzielle Mitwirkung des Bundes ergeben. Die neue Bestimmung schafft eine verfassungsrechtliche Grundlage, wo bisher häufig Unsicherheiten bestanden und allgemein als notwendig erkannte finanzielle Hilfen des Bundes verfassungsrechtlichen Schwierigkeiten begegneten.
Ein anderes Thema: Ausbildungsförderung. Die Bundesregierung hatte ursprünglich erwogen, auch die Ausbildungsförderung als Gemeinschaftsaufgabe vorzuschlagen. Eine nähere Prüfung und die Beratungen mit den Ländern haben jedoch ergeben, daß das angestrebte Ziel, die sowohl sachlich als auch regional stark zersplitterten Rechtsgrundlagen für die Ausbildungsförderung zu vereinheitlichen und die Unterschiede bei den Voraussetzungen für eine staatliche Hilfe zu beseitigen, besser durch eine Erweiterung der konkurrierenden Gesetzgebung des Bundes statt durch eine Gemeinschaftsaufgabe erreicht werden kann.
Hier ein Wort zu einem Problem, das im vorliegenden Verfassungswerk nicht angesprochen ist, aber zum Gesamtkomplex der Finanzreform gehört: die Flurbereinigung. im Zusammenhang mit der Aufgaben- und Lastenabgrenzung noch einige Bemerkungen dazu. Dieser Teil der Finanzreform betrifft keine Gesetzesänderung, ist aber eine Ergänzung der gesetzlichen Regelung der Aufgabenteilung zwischen Bund und Ländern. Unter dem Stichwort „Flurbereinigung" bemühen sich Bund und Länder, in dem Bereich der staatlichen Tätigkeiten, der nicht im Grundgesetz ausdrücklich geregelt ist, zu klären, welche der über den Bundeshaushalt finanzierten Maßnahmen in den Kompetenzbereich des Bundes
fallen und welche in den Bereich der Länder gehören.
Der Maßstab für die Prüfung ist der Grundsatz, daß der Bund auch kraft Natur der Sache oder kraft Sachzusammenhangs sogenannte ungeschriebene Zuständigkeiten haben kann. Bund und Länder wollen eine Verwaltungsvereinbarung schließen, die zu einer praktikablen Konkretisierung dieser allgemeinen Begriffe führt. Die Verwaltungsvereinbarung soll dazu dienen, eine klare Trennlinie zwischen Bundes- und Landeszuständigkeiten sowohl für die bereits im Haushaltsplan des Bundes vorhandenen Ansätze als auch für künftige zu ziehen.
Diese Arbeit wird neben den parlamentarischen Beratungen fortgesetzt. Durch den Abschluß der Verwaltungsvereinbarung kann in dem Bereich der ungeschriebenen Zuständigkeiten, in dem es viel Uberschneidungen und leidigen Tagesstreit gab, eine Klärung und Befriedung erreicht werden.
Jetzt komme ich zu einem der schwierigsten Probleme. Das ist die Lastenverteilung. Alle diese Regelungen dienen der besseren Abgrenzung und Zuordnung der staatlichen Verantwortung für Bund und Länder, damit auch zugleich der Klärung der Lastenverteilung. Sie muß unter dem allgemeinen
Grundsatz stehen, daß Bund und Länder gesondert die Ausgaben tragen, die sich aus der Wahrnehmung ihrer Aufgaben ergeben. Dieser Grundsatz soll zusammen mit näheren Regelungen, die ich bei diesem Überblick nicht im einzelnen darlegen möchte, an den Anfang der Vorschriften über das Finanzwesen gestellt werden. Unübersichtliche Finanzierungsverantwortungen und unnütze Erstattungen zwischen den Gebietskörperschaften sollen damit beseitigt werden.
Ein weiterer Schwerpunkt der Reform ist die Neuverteilung der Steuereinnahmen. Die sachgerechte Aufteilung der Steuern auf Bund, Länder und Gemeinden ist ein zentrales Problem der Finanzverfassung. Ich möchte hier nur an die Erfahrungen unter der Reichsverfassung von 1871 mit dem nicht endenden Streit über Matrikularbeiträge der Länder, Franckensteinsche Klausel usw. und das Besteuerungsrecht des Reiches erinnern. Zu einem systematischen und sachgerechten Finanzausgleich zwischen Reich und Ländern ist es während der ganzen Geltungsdauer der Bismarckschen Verfassung nicht gekommen. Der Historiker mag urteilen, welchen nachteiligen Einfluß das auf die staatliche Entwicklung gehabt hat. Ich will hier nicht bei dem historischen Rückblick stehen bleiben. Auch wir kennen aus unmittelbarem Erleben die Bedeutung des vertikalen und horizontalen Finanz-Ausgleichs und denken mit gemischten Gefühlen jedes Jahr oder jedes
zweite Jahr an das Kampffeld der Auseinandersetzungen mit den Ländern über das Beteiligungsverhältnis.
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Um recht verstanden zu werden: Jedes politische Wirken muß dynamisch sein und darf sich vor notwendigen sachlichen Auseinandersetzungen nicht scheuen. Auch im Verhältnis zwischen Bund und Ländern muß es und wird es immer solche Ausein9152 Deutscher Bundestag - 5. Wahlperiode - 17i. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 8. Mai 1968
Bundesminister Dr. h. c. Strauß
andersetzungen geben. Sie sollten aber konstruktiv sein und nicht zu einem unnützen, sachliche Entscheidungen hemmenden Kräfteverschleiß und zur Kompromißtaktik führen. Dabei ist es notwendig, gerade bei der Steuerverteilung zu einem sachgerechten, dauerhaften und überschaubar gestalteten System zu gelangen. Es muß Auseinandersetzungen auf die Fälle beschränken, in denen mit Fug und Recht um die Priorität in der Erfüllung dieser oder jener Aufgabe und den dadurch bedingten Mehrbedarf bei Bund oder Ländern gestritten werden kann. Diesem Zweck dienen die vorgeschlagenen Änderungen des Art. 106 des Grundgesetzes.
Anders als in der Weimarer Verfassung sind die Steuern in unserem Grundgesetz selbst nach dem sogenannten Trennsystem jeweils voll entweder dem Bund oder den Ländern zugewiesen. Nur bei den wichtigen Steuern vom Einkommen, der Einkommen- und Körperschaftsteuer, sind Bund und Länder nach bestimmten Anteilen zugleich beteiligt. Diese Steuern dienen als bewegliches Element für den bundesstaatlichen Finanzausgleich. Hier setzt der Vorschlag der Vorlage ein. An dem Trennsystem soll im Grundsatz festgehalten werden. Eine gleichmäßigere Entwicklung der Finanzen bei Bund, Ländern und Gemeinden soll aber durch Erweiterung des Steuer verbundes auf die Umsatzsteuer - ohne Einfuhrumsatzsteuer -, die anders wächst als die Einkommen- und Körperschaftsteuer, erreicht werden. Hiermit wird die Verbundmasse auf ungefähr zwei Drittel des Gesamtsteueraufkommens erhöht und damit die Steuerentwicklung bei Bund und Ländern auf eine gemeinsame breite Basis gestellt.
Ein Anhaltspunkt in Zahlen: 1967 betrugen die Steuereinnahmen von Bund und Ländern - ohne Gemeinden - rund 99 Milliarden DM; davon würden 66,8 Milliarden DM - das sind 67,4 % - in den großen Steuerverbund eingehen.
Meine Damen und Herren, dieser Vorschlag erscheint in seiner sachlichen Folgerichtigkeit so einfach und überzeugend, dab er - wenn sich der Bund dazu entschließt, die Umsatzsteuer nicht mehr für sich allein in Anspruch zu nehmen eigentlich allgemeine Zustimmung finden sollte, nicht zuletzt deshalb, weil die Nichteinbeziehung der Umsatzsteuer von denen, die jetzt die Einbeziehung ablehnen, früher heftig getadelt worden ist.
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Die Länder haben ihn in der Tat auch zunächst begrüßt; der Bundesrat hat sich aber dann selbst gegen gewichtige Gründe, die aus seiner Mitte vorgetragen worden sind, dagegen ausgesprochen.
Ich möchte mich hier nicht mit allen Gesichtspunkten auseinandersetzen. Sie reichen von Vorteilsgesichtspunkten bis zu ideologischen oder pseudoideologischen Argumenten. Manches Argument ist vordergründig. Hier nur einige Gesichtspunkte.
Von den Ländern ist immer wieder beklagt worden, der Bund treibe Steuerpolitik auf ihre Kosten, wenn es um Senkung bei der Einkommen- und Körperschaftsteuer ging, siehe Steueränderung 1964. Der Bund denke nur an sich, wenn eine Erhöhung der
Umsatzsteuer zur Debatte stand. Warum soll es bei diesem so oft beklagten Übelstand denn bleiben? In der Tat ist es eine wesentliche Nebenwirkung des Vorschlags, daß für solche Erwägungen und Befürchtungen dann kein Raum mehr wäre. Nach Einbeziehung der Umsatzsteuer in den Steuerverbund werden die steuerpolitischen Maßnahmen bei der Einkommen-, Körperschaft- und Umsatzsteuer auf die Einnahmeentwicklung im Bund-Länderverhältnis neutralisiert.
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Der Vorwurf, der Bund segne sich und denke nicht an die anderen, hat dann keine Grundlage mehr. Und damit ist eine sachgerechte Entscheidung gegeben, und es gibt keine überzeugenden Argumente, auf die man Rücksicht nehmen müßte, um diese fällige Reform zu verhindern.
Noch eine Erwägung unter dem Gesichtspunkt der Konjunkturpolitik: Die Einkommen- und Körperschaftsteuer ist unter den Steuern in erster Linie geeignet, als Instrument der Konjunkturpolitik eingesetzt zu werden. Im Stabilitäts- und Wachstumsgesetz ist davon Abstand genommen worden, die Umsatzsteuer als Mittel der Konjunkturpolitik einzubeziehen. Das steuerpolitische Instrument ist in der Hauptsache auf die Einkommen- und Körperschaftsteuer begrenzt worden. Im Stabilitätsgesetz ist vorgesehen, wie Sie wissen, daß zur Bekämpfung von Wirtschaftsabschwächungen zugelassen werden kann, die Kosten von privaten Investitionen bis zu 7,5 % von der Einkommen- und Körperschaftsteuer abzuziehen und die Einkommen- und Körperschaftsteuer um bis zu 10 % für ein Jahr zu senken. Wollen die Länder wirklich, daß diese Kosten der Konjunkturpolitik überwiegend zu ihr en Lasten gehen, oder wollen sie, daß dieses wichtige Instrument der Konjunkturpolitik durch die Art der Steuerverteilung nicht wirksam eingesetzt werden kann? Beide Argumente und Motive möchte ich den Ländern in Kenntnis ihrer Überlegungen nicht unterstellen. Aber sie können das doch nicht ernstlich beabsichtigen. Die Länder möchten sich offensichtlich mit einem größeren Anteil an der Einkommen- und Körperschaftsteuer ein stärkeres Wachstum ihrer Einnahmen sichern. So ist aber eine Stabilisierung in der Einnahmeentwicklung nicht möglich. Außerdem fürchten die Länder - einige geben das offen zu - um ihre Zuständigkeit für die Finanzverwaltung,
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wenn der Bund gegen Abgabe eines Teiles der Umsatzsteuer mehr als die Hälfte der Einkommen-und Körperschaftsteuer erhielte.
Sicher muß bei einem großen Steuerverbund der Anteil des Bundes nach den Verhältnissen der Aufgabenzuweisung über 50 % liegen. Die Bundesregierung strebt aber - ich habe das schon wiederholt betont - auch bei dieser Lage nicht die Einführung einer Bundesfinanzverwaltung an.
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Bundesminister Dr. h. c. Strauß
Wenn ich sie in der Hand hätte, wäre es ja keine Bundesfinanzverwaltung.
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Eine nicht ernsthaft gemeinte Bemerkung!
Es ist das Ziel der Reform, die Festsetzung des Beteiligungsverhältnisses von der Einnahmeseite her zu stabilisieren und damit zu einer Befriedung im Verhältnis zwischen Bund und Ländern zu gelangen. Dagegen ist es unmöglich, etwa jede Änderung des Beteiligungsverhältnisses für die Zukunft ganz auszuschließen. In der Erfüllung öffentlicher Aufgaben werden sich zwangsläufig immer Veränderungen ergeben. Ihnen muß die Einnahmeentwicklung folgen. Um eine Überbelastung der Steuerpflichtigen zu vermeiden, muß auch eine Verlagerung von Deckungsmitteln zwischen Bund und Ländern sowohl nach der einen wie nach der anderen Richtung hin noch möglich sein.
Aber auch hier soll ein wesentlicher Schritt nach vorn getan werden. Es soll nicht mehr so sein, daß Bund und Länder getrennt und gegeneinander Rechnungen ihres Bedarfs aufmachen, Rechnungen, die dann nicht vergleichbar, die auch manchmal nicht transparent und erfüllbar sind, Unterlagen also, die nur bedingt eine Sachentscheidung vorzubereiten vermögen. Vielmehr soll hier auf der Grundlage der mehrjährigen Finanzplanung Wandel geschaffen werden.
Nach dem Vorschlag sollen die Ausgaben, die für die Festsetzung des Beteiligungsverhältnisses maßgebend sind, auf der Grundlage dieser Finanzplanungen ermittelt werden. Hierbei wird dem bereits pragmatisch eingerichteten, voraussichtlich im zukünftigen Haushaltsrecht zu verankernden Finanzplanungsrat, dem außer dem Bundesminister der Finanzen und dem Bundesminister für Wirtschaft die Länderfinanzminister und vier Vertreter der kommunalen Spitzenverbände angehören, eine entscheidende Rolle zufallen.
Meine Damen und Herren, die Aufgabe ist groß, an Schwierigkeiten und Hemmnissen fehlt es wahrlich nicht. Wir müssen aber zu einer aufeinander abgestimmten Finanzplanung für alle Gebietskörperschaften und ihre Einpassung in 'den möglichen finanziellen Rahmen kommen, soll unsere Finanz- und auch Wirtschaftspolitik sachgemäß, erfolgreich und wenigstens innerhalb gewisser Grenzen prognostizierbar sein. Ich begrüße es dankbar, daß alle Seiten, Bund, Länder und Gemeinden, mit Entschiedenheit an diese Aufgabe herangehen und sich an ihrer Lösung beteiligen. Ich wünsche unserem Staatswesen, daß sie gemäß ihrer Bedeutung von allen Beteiligten, obwohl es ein mühsames Geschäft ist, unverdrossen mit einem Höchstmaß an Gesamtverantwortung und Gemeinsinn gelöst wird.
Die Steuerverteilung im Verhältnis zwischen Bund und Ländern ist aber nur die eine Seite. Die andere, für das Funktionieren des Bundesstaates und die Lebensfähigkeit seiner Glieder genauso wichtige Aufgabe betrifft die Aufteilung der Steuern im Verhältnis der Länder untereinander. Das ist kein Problem, das der Sorge der Länderfinanzminister, der Länderkabinette und der Länderparlamente allein überlassen werden kann; es ist ein Problem von hohem bundespolitischem Rang, das in seiner ganzen Bedeutung den Bund und dieses Hohe Haus angeht.
Unter der Einwirkung der Besetzung haben die Väter des Grundgesetzes sich dahin entschieden, daß jedes Land seinen Anteil am Steueraufkommen nach Maßgabe des örtlichen Aufkommens erhalten soll. Unter dem örtlichen Aufkommen versteht man die Steuereinnahmen der Finanzbehörden des Landes, die aber in steigendem Maße von Umständen außerhalb des Landesgebiets beeinflußt werden. Inzwischen ist offensichtlich geworden, daß das örtliche Aufkommen infolge der wachsenden Verflechtung und Konzentration unserer Wirtschaft immer weniger ein geeigneter Maßstab für den Anteil des einzelnen Landes am Steueraufkommen wird.
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Im Bundesrat haben nun der Ministerpräsident und der Finanzminister eines Landes, nämlich Niedersachsens, mit großem Ernst dazu Erklärungen abgegeben. Sie zielen darauf ab, daß dieser Grundsatz der Verteilung nach dem örtlichen Aufkommen ein Anachronismus sei und in unserem einheitlichen Wirtschaftsgebiet, in dem die Wirtschaft die Landesgrenzen nicht mehr einhalten kann, keine Berechtigung mehr habe. Dieses Hohe Haus wird der Frage bei seinen Beratungen nachgehen, Bund und Länder werden sich diesem Problem auch bei den parlamentarischen Beratungen, nicht nur bei den Vorgesprächen, zu stellen haben.
Die Bundesregierung hat in ihrem Gesetzentwurf keine Änderung des Grundsatzes der Verteilung nach dem örtlichen Aufkommen vorgeschlagen; das darf ich hier ausdrücklich bemerken. Ich sage es ganz offen, daß sie sich dabei auch davon hat leiten lassen, daß ihr eine solche Verfassungsänderung nach der Haltung der überwiegenden Zahl der Länder nicht durchführbar erschien. Sie ist aber der Meinung, daß auf dem durch die geltende Verfassung bereits vorgezeichneten Wege eine Verbesserung in Richtung auf eine gleichmäßigere Finanzausstattung der Länder gefunden werden muß und kann. Dieser Weg ist der horizontale Finanzausgleich. Er ist die unerläßliche Ergänzung einer Verteilung der Steuern nach dem örtlichen Aufkommen. Die gegenwärtige Form des horizontalen Finanzausgleichs mit seiner toten Zone ist jedenfalls unbefriedigend. Hier muß Wandel erfolgen auf dem einen oder auf dem anderen Wege.
Die Bundesregierung hält es deshalb für erforderlich, daß der gegenwärtige Finanzausgleich verbessert und verfeinert wird, daß die noch bestehenden Unterschiede in der Steuerkraft der Länder verschwinden, wenn nach dem Auftrag des Grundgesetzes die Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse im Bundesgebiet gewahrt und eine gleichmäßige Erfüllung der öffentlichen Aufgaben gewährleistet werden soll.
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Unsere Mitbürger nehmen es nicht mehr widerspruchslos hin, daß gleichartige öffentliche Aufgaben
Bundesminister Dr. h. c. Strauß
nur deshalb nicht gleichwertig und gleich erfolgreich erfüllt werden, weil der eine Aufgabenträger finanzschwächer ist als der andere.
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Unterschiedliche örtliche und regionale Steuerkraft allein rechtfertigen nicht mehr eine unterschiedliche Betreuung der Bevölkerung mit den Dienstleistungen der öffentlichen Hand.
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In einer modernen Industriegesellschaft wie der unseren müssen alle gleichartigen Aufgaben grundsätzlich auch gleichwertig erfüllt werden. Es geht nicht an, daß Schulen, Hochschulen und Krankenanstalten der steuerschwachen Länder weniger gut ausgestattet sind als die der steuerstärkeren Länder, wie das heute bereits gerade beim Krankenhauswesen an einigen Stellen der Bundesrepublik der Fall ist. Es geht nicht an, daß Landstraßen und Gemeindestraßen in einzelnen Teilen des Bundesgebietes schlechter ausgebaut sind als in anderen, und zwar nur deshalb, weil der Träger der Straßenbaulast steuerschwächer ist als der andere gleiche Aufgabenträger anderswo.
Um solche ungleichwertige Erfüllung gleichartiger und gleichwichtiger öffentlicher Aufgaben in Zukunft zu verringern, muß der Finanzausgleich zwischen den Ländern wesentlich verbessert werden. Dabei wird zu prüfen sein, ob eine Intensivierung nur des Steuerkraftausgleichs zwischen steuerstarken und steuerschwachen Ländern im Rahmen des horizontalen Länderfinanzausgleichs auf lange Sicht zur Erreichung dieses Zieles genügt.
Gegenwärtig liegen die Steuereinnahmen der leistungsschwachen Länder bei eigenen Steuereinnahmen in Höhe von rund 15 Milliarden DM um 3,1 Milliarden DM jährlich unter den Beträgen, die ihnen nach dem Durchschnitt des Steueraufkommens zustehen würden.
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Hierauf erhalten sie im Länderfinanzausgleich rund 1,8 Milliarden DM Ausgleichszuweisungen von den leistungsstärkeren Ländern. Sieht man von den Ergänzungszuweisungen ab, die der Bund in den letzten Jahren - zum Teil so, zum Teil so - gezahlt hat, so bleibt ein Betrag von 1,3 Milliarden DM, um den die leistungsschwächeren Länder unter dem Durchschnitt liegen. Da diesem Betrag ein gleich hoher Betrag bei den leistungsstarken Ländern über dem Durchschnitt gegenübersteht, ergibt sich somit eine Differenz von 2,6 Milliarden DM. Wenn diese Lücke auch nicht voll beseitigt werden kann, so muß sie doch erheblich verkleinert werden. Selbstverständlich kann es nicht das Ziel sein, die Steuerkraftunterschiede einzuebnen. Das wird auch von keinem Land erwartet.
Die Bundesregierung begrüßt es, daß sich auch der Bundesrat in einer Entschließung für die Verstärkung des Länderfinanzausgleichs ausgesprochen hat. Sie wird einen Gesetzentwurf dazu einbringen und hofft, daß diese Entschließung dann auch von den leistungsstarken Ländern mit ihrer Zustimmung zu höheren Ausgleichsbeträgen honoriert wird.
Die zunehmende Konzentration in der Wirtschaft und in der Lohnabrechnung führt zu Verzerrungen im regionalen Steueraufkommen und damit auch zu Verfälschungen in der Steuerkraft der einzelnen Länder. Um sie zu vermindern, ist die Bundesregierung bereit, die Wiedereinführung einer auf größere Beträge beschränkten Steuerzerlegung zu prüfen.
Meine Damen und Herren, ehe ich diesen Teil abschließe, möchte ich noch ein ganz kurzes Wort zur Steuerverwaltung sagen. Ich habe bereits gesagt und wiederhole es, daß wir nicht an die Einführung einer Bundesfinanzverwaltung denken. Die Vorschläge der Bundesregierung zur Änderung des Art. 108 des Grundgesetzes haben lediglich zum Ziel, eine verfassungsrechtlich saubere und sachgemäße Regelung für die Finanzverwaltung zu schaffen. Außerdem dürfen wir uns nicht Knüppel in den Weg legen, über die wir dann später im Zuge der technischen Entwicklung selber stolpern würden. Die fortschreitende Automatisierung in der Steuerverwaltung darf nicht durch verfassungsrechtliche Hemmnisse zum Nutzen für keinen und zum Schaden für alle behindert werden.
Ich bin der Meinung, daß man über die Vorschläge der Bundesregierung zu diesen Fragen sehr wohl sprechen und sich darüber auch verständigen kann. Man muß sich nur auf beiden Seiten frei halten von Emotionen oder Vorurteilen und muß sich ausschließlich von der Sache leiten lassen. Für mich ist es immer wieder ein erstaunliches Erlebnis, wie die Gestaltung der Finanzverwaltung zur Essenz im Glaubensbekenntnis sei es der einen, sei es der anderen Seite gemacht wird. Meine Damen und Herren, Kraft und Bestand unseres Bundesstaates hängen nicht davon ab, daß die Finanzverwaltung so und nicht anders ist, als sie zur Zeit ist. Gerade hier kann sich der kooperative Föderalismus bewähren.
Lassen Sie mich zum letzten Teil meiner Ausführungen kommen, dessen Gewicht, dessen Bedeutung und dessen kontroverseträchtige Substanz - wenn ich mich so ausdrücken darf - vielleicht stärker ist als die aller Probleme, die ich bisher angeschnitten habe: zur Gemeindefinanzreform. Neben der Neuordnung der Finanzverfassung im Verhältnis zwischen Bund und Ländern ist der Gemeindefinanzreform die Aufgabe gestellt, das Finanzsystem der Gemeinden zu verbessern. Die Gemeindefinanzreform ist ein wesentlicher Teil der Gesamtreform. Wir haben uns deshalb auch dagegen gewandt, daß sie von dem anderen abgetrennt wird, wenn das Gesteckte Ziel erreicht werden soll, nämlich die Grundlagen der finanziellen Ordnung unseres Staates für alle Gebietskörperschaften zu überprüfen und den Anforderungen der Zeit gemäß auszugestalten.
Mit der Forderung nach einer Gemeindefinanzreform werden zwei Erwartungen verknüpft: eine Verstärkung der Mittel und eine Verbesserung der Finanzstruktur der Gemeinden.
Die Forderungen, die sich auf die Verteilung von Geld richten - worauf manche jetzt das Problem der Gemeindefinanzreform reduzieren wollen -,
Bundesminister Dr. h. c. Strauß
haben stets das bekannte Generalthema, das auf jeden Fall und für jeden zum Schluß mehr herauskommen soll. Der Finanzminister soll hier gleichsam in einem magischen Viereck eine Lösung bieten, die keinen etwas kostet, aber doch zumindest einem wesentlich mehr einbringt. Der Bund sei nicht in der Lage, etwas zugunsten der Gemeinden zu tun. Dasselbe gelte auch für die Einnahmequellen der Länder. Die Gemeinden müßten finanziell besser gestellt werden. Die durch das bisherige gemeindliche Steuersystem begünstigten Gemeinden müßten eine Besitzstandsicherung erhalten, die davon benachteiligten brauchten einen Verbesserungsschein. Im übrigen dürfe der Steuerzahler auf keinen Fall höher belastet werden, sondern müsse eher noch entlastet werden. - Der Kanon verschiedener Stimmen ist ja auch heute noch aus der Lektüre der Morgenpresse zu uns gedrungen, wo man in völliger Verkennung der Bedeutung der ersten Lesung glaubt, durch magische Beschwörungen schon vor der ersten Behandlung dieses Themas im Parlament die Weichen so stellen zu können, wie sie der eigenen Interessenlage oder auch der eigenen Vorstellungswelt entsprechen. Es wird gesagt: Der Bund kann von seinem Steuerertrag natürlich auf nichts verzichten. Noch weniger sind die Länder dazu in der Lage. Der Steuerzahler darf nicht höher belastet werden. Die Gemeindefinanzmasse muß aber wesentlich verbessert werden. - Meine Damen und Herren, so kommen wir in der Lösung dieses Problems nicht weiter. Ich habe hier eine etwas vereinfachende Formel gebraucht, hinter der aber der ganze Ernst der Problematik steckt.
Die Finanzschwierigkeiten des Bundes und der Länder sind bekannt. Wir werden uns bei der Fortschreibung der Finanzplanung mit harten Problemen konfrontiert sehen. Wenn die Bundesregierung trotz dieser Lage erklärt, daß die Gemeindefinanzmasse im Rahmen der Finanzreform erhöht werden soll, so sollte das als entschiedener Schritt und als Festlegung einer Priorität anerkannt werden. Die Bundesregierung hat sich zu dieser Zusage entschlossen, um eine verstärkte Durchführung von zukunftsichernden Investitionen im Bereich der Gemeinden zu ermöglichen. Ich möchte hervorheben, daß sich auch der Bundesrat dieser grundsätzlichen Entscheidung angeschlossen hat.
Sie fragen nun - und verständlicherweise warten insbesondere die Gemeinden auf eine Erklärung hierzu -, um welchen Betrag eine Erhöhung erfolgen kann. Ich weiß, daß die Aussage hierzu konkretisiert werden muß. Ich werde auch dafür sorgen - nicht zuletzt im Rahmen der Arbeiten des Finanzplanungsrates und der weiteren Haushaltsgestaltung , daß so bald wie möglich Entscheidungen dazu getroffen werden. Das bedeutet die Umsetzung unserer Vorstellungen dazu in konkrete Vorschläge.
Die Frage nach einem angemessenen Anteil der Gemeinden am Gesamtsteueraufkommen läßt sich verantwortlich nicht isoliert, sondern nur auf Grund der Abwägung der Finanzbedürfnisse aller Gebietskörperschaften ermitteln und kann nicht unabhängig davon entschieden werden. Da die Vorarbeiten für die Fortschreibung der Finanzplanung und die Aufteilung der Steuereinnahmen noch nicht abgeschlossen sind, weil aus gutem Grunde die Länder nicht in der Lage waren, den ursprünglich für die Einreichung ihrer Unterlagen vereinbarten Termin einzuhalten, werden wir erst Anfang Juni uns im Finanzplanungsrat mit den grundsätzlichen Entscheidungen hierzu befassen können. Dieses Ergebnis muß leider abgewartet werden. Es geht hier nicht darum, nur einen Scheck auszuschreiben, sondern vor allem darum, daß dieser Scheck auch im Rahmen der bestehenden Möglichkeiten gedeckt werden kann. Eine Forderung - nach dem Städtetag: 4 Milliarden DM - läßt sich leicht aufstellen. Sie läßt sich nicht mehr ganz so leicht begründen, aber unendlich viel schwerer erfüllen. Man wird nach Lage der Dinge auch schon mit einem Teilergebnis zufrieden sein.
Eine nähere Aussage ist möglich, in welche Richtung die Erwägungen gehen. Nach dem Programm der Bundesregierung soll die Verstärkung der Gemeindefinanzmasse durch drei Maßnahmen verwirklicht werden.
Das erste ist die Förderung des Verkehrsausbaus in den Gemeinden, indem auch weiterhin die 3 Pf je Liter Mineralölsteuer den Gemeinden hauptsächlich für Zwecke des Verkehrsausbaus zur Verfügung gestellt werden. Bei den Verhandlungen über die Bildung dieser Regierung, an die ich erinnern darf, war darüber Übereinstimmung erzielt worden, daß im Vorgriff auf die Gemeindefinanzreform diese 3 Pf den Gemeinden für die genannten Zwecke zur Verfügung gestellt werden sollen. Ich wende mich deshalb heute gegen eine Argumentation, mit der gesagt wird, das sei schon geschehen, das sei schon selbstverständlich, das werde überhaupt nicht mehr als Teil der Verbesserung der gemeindlichen Finanzmasse anerkannt. Es gab damals keinen Zweifel ich glaube, es noch verbal in den Ohren zu haben - , daß die Teilnehmer Herr Kollege Hermsdorf, Herr Kollege Alex Möller und meine politischen Freunde - übereingestimmt haben, im Vorgriff auf die Gemeindefinanzreform, gewissermaßen in zeitlich vorgezogener Erfüllung eines Teiles derselben diese Maßnahmen zu treffen. Dafür erwarten wir zumindest die Einbeziehung dieser Summe, die im Jahre 1967 etwa 660 Millionen DM betragen hat und im Jahre 1972 etwa 950 Millionen DM umfassen wird, in die Gemeindefinanzreform. Dafür fehlt es noch an der erforderlichen verfassungsrechtlichen Grundlage. Die vorher erwähnte Änderung in Art. 104 a Abs. 3 Satz 3 des Grundgesetzes soll sie liefern.
Dagegen lehnt die Bundesregierung die von den Ländern geforderte verfassungsrechtliche Sonderregelung über einen Länderanteil an der Mineralölsteuer ab. Ich möchte hier vielleicht etwas ironisch sagen, daß mir die Einbeziehung der Umsatzsteuer in den Steuerverbund wesentlich systemgerechter zu sein scheint als die Einbeziehung der Mineralölsteuer neben der Einkommensteuer. Denn diese Sonderregelung würde einen Fremdkörper in der Steueraufteilung zwischen Bund und Ländern bilden und die Gefahr des Gießkannenprinzips heraufbeschwören. Es ist im übrigen ein Trugschluß, zu meinen, man könne so mehr Mittel für die Gemeinden
Bundesminister Dr. h. c. Strauß
gewinnen. Das Gesamtsteueraufkommen wird durch eine solche Maßnahme nicht verstärkt. Ein ganz kritischer Punkt!
Eine zweite Möglichkeit zur Verstärkung der Gemeindefinanzmasse sieht die Bundesregierung in voller Übereinstimmung mit dem Bundesrat in einer begrenzten Anhebung des Gesamtaufkommens aus der Grundsteuer, vor allem, wie wir denken, aus der Grundsteuer B.
Das Ergebnis der Einheitsbewertung wird zeigen, daß die bisherigen Werte erheblich hinter der tatsächlichen Entwicklung zurückgeblieben sind. Im Interesse eines ausgewogenen Gesamtsteuersystems muß geprüft werden, wieweit an dem zunächst vom Gesetzgeber in Aussicht genommenen Grundsatz der Steuerneutralität festgehalten werden kann. Selbstverständlich ist nicht daran gedacht, die zu erwartende verfassungsrechtlich zwingend erforderliche Erhöhung der Einheitswerte in proportionaler Weise in höhere Grundsteuern oder andere einschlägige Steuern umzusetzen. Vielmehr kann nur eine maßvolle Steuererhöhung in Aussicht genommen werden und nicht die z. B. auch von wissenschaftlicher Seite empfohlene Erhöhung um zweimal je 50 %.
Bei der Anhebung werden sich außerdem die unterschiedlichen Verhältnisse bei der Grundsteuer A für land- und forstwirtschaftlichen Besitz und der Grundsteuer B für sonstigen Grundbesitz auswirken. Die durchschnittliche Erhöhung der Einheitswerte wird bei der Grundsteuer A erheblich niedriger liegen als bei der Grundsteuer B. Aus diesem Grunde wird von der Bundesregierung eine Anhebung des Gesamtaufkommens aus der Grundsteuer A im Zusammenhang mit der Einführung der neuen Einheitswerte nicht angestrebt.
Das genaue Ausmaß der steuerlichen Konsequenzen, die sich aus der Neufestsetzung der Einheitswerte ergeben, kann erst im Jahre 1971 festgestellt werden, und erst vom Jahre 1972 an können die steuerlichen Konsequenzen, die Änderungen der einschlägigen Gesetze überhaupt erst wirksam werden, d. h. der Gesetzgeber des nächsten Bundestages wird sich mit der Frage im einzelnen zu befassen haben.
Ein weiteres damit im Zusammenhang stehendes Problem ist die Verlagerung von Deckungsmitteln des Bundes und der Länder an die Gemeinden. Die Verstärkung der Gemeindefinanzmasse muß vor allem durch eine Verlagerung von Deckungsmitteln aus dem staatlichen Sektor zu den Gemeinden, d. h. ohne Erhöhung der vorhandenen Steuersätze, finanziert werden. Diese Mittel, meine Damen und Herren, können nur aus den Steuermehreinnahmen entnommen werden, die bei der erstrebten gesamtwirtschaftlichen Entwicklung zu erwarten sind. Hier besteht die Schwierigkeit - ich muß es ganz deutlich sagen -, daß diesen Mehreinnahmen bei Bund und Ländern, wie bekannt, wachsende Mehrausgaben gegenüberstehen und daß die Finanzplaner aller Ebenen über diese Mehreinnahmen bereits im Rahmen ihrer mehrjährigen Überlegungen weitgehend Verfügungen getroffen oder Vorentscheidungen festgelegt haben.
Es gilt daher, bei Bund und Ländern die Finanzplanung so umzustellen, daß Mittel für die Verstärkung der Gemeindefinanzsmase frei gemacht werden, d, h. es müssen Einsparungen an den in Aussicht genommenen Leistungen in entsprechender Höhe beschlossen werden. Bund und Länder werden sich darüber zu verständigen haben, bevor die Bundesregierung dem Bundestag einen zahlmäßig begründeten Vorschlag vorlegen kann.
Der Hinweis auf den notwendigen Zusammenhang zwischen der Verstärkung der Gemeindefinanzmasse und der mehrjährigen Finanzplanung ist in der Öffentlichkeit - zum Teil jedenfalls - dahin mißverstanden worden, daß ein bestimmter Zeitpunkt für die Verbesserung der Gemeindefinanzmasse gar nicht in Aussicht genommen sei. Diese Vorstellung ist falsch. Ich möchte hier ausdrücklich feststellen, daß die Bundesregierung beabsichtigt, die Verstärkung der Gemeindefinanzmasse bereits mit dem Inkrafttreten der allgemeinen Finanzreform ab 1. Januar 1970 zu verwirklichen.
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Es wird zu prüfen sein, ob bereits im Zusammenhang mit der Festsetzung des Verhältnisses der Beteiligung an der Einkommen- und Körperschaftsteuer ab 1. Januar 1969 die Gemeindefinanzmasse verstärkt werden kann. Dabei wird es entscheidend darauf ankommen, zu welcher Verständigung man mit den Ländern gelangen kann und in welchem Umfang es möglich ist, unter Berücksichtigung der unabweisbaren Verpflichtungen von Bund und Ländern Mittel hierfür frei zu machen. Die Beratungen des Finanzplanungsrats müssen dafür in naher Zukunft die Grundlagen erbringen.
Die gesamte Problematik der Verstärkung der Gemeindefinanzmasse gehört zwar zum Thema der Gemeindefinanzreform, aber nicht zu dem Thema, das bei der Beratung des vorliegenden Gesetzentwurfs im Vordergrund steht. Gegenstand, der heute zur Diskussion steht, ist der andere Teil der Gemeindefinanzreform, nämlich die Änderung der Finanzstruktur. Dabei möchte ich betonen, daß nicht von einer Gemeindefinanzreform gesprochen werden könnte, wenn man sich, wie es zum Teil vorgeschlagen wird, auf die Zuweisung von mehr Mitteln aus den Haushalten anderer Gebietskörperschaften beschränkt und die Änderung des Gemeindefinanzsystems, über die schon seit einem Jahrzehnt gut und gern gesprochen wird, weil noch nicht ausgereift, ad calendas graecas vertagt. Ein solches Vorgehen wäre nämlich das Eingeständnis, daß man eine Reform entweder nicht will oder nicht die Courage hat, die damit verbundenen Entscheidungen zu treffen.
Der Ausgangspunkt für die Reform unter diesem Aspekt ist die Erkenntnis, daß eine starke eigenverantwortliche Selbstverwaltung der Gemeinden gemäß Art. 28 des Grundgesetzes erhalten und gefördert werden muß. Hieraus ergeben sich Anforderungen auf dem Gebiet der Finanzausstattung, die von dem gegenwärtigen Finanzsystem nicht in dem möglichen Maße erfüllt werden.
Bundesminister Dr. h. c. Strauß
Meine Damen und Herren, zur Gemeindefinanzreform gibt es bereits eine halbe Bibliothek von Vorschlägen. Es fehlt selbstverständlich nicht an Stimmen der Kritik. Die einen möchten die Gewerbesteuer zunächst überhaupt nicht anrühren, vielleicht zum Teil dieselben, die früher ihre Abschaffung oder Verminderung verlangt haben, die anderen fordern einen zügigen, radikalen Abbau der gesamten Gewerbesteuer. Die einen wollen eine Verdoppelung der Grundsteuer, die anderen wollen überhaupt keine Änderung der Grundsteuer, wieder andere treten für eine gleichmäßige Senkung dieser Steuer mit der Gewerbesteuer ein. Die einen sehen das Heil in der Beteiligung der Gemeinden an der Einkommensteuer, die anderen halten eine Beteiligung der Gemeinden an der Umsatzsteuer auf letzter Stufe, eine Art Einzelhandelsumsatzsteuer, für richtig. Die einen glauben, es sei allein zeitgemäß, die Gemeinden über Finanzzuweisungen an den gemeinschaftlichen Steuern zu beteiligen, andere fordern eine eigene Gemeindeeinkommensteuer mit eigenem Hebesatzrecht, nicht nur Hebesatzrecht für einen Teil der Einkommensteuer, sondern eine Gemeindeeinkommensteuer mit eigenem System, eigener Steuererklärung, eigener Veranlagung. Andere fordern eine eigene Gemeindepersonensteuer, zu der uns die politische Diskussion schon früher häßliche epitheta ornantia gebracht hat, „Negersteuer", „Kopfsteuer", „Hundesteuer" usw. Ich erinnere nur daran, daß diese Überlegungen zum Teil das Problem des Verwaltungsaufwands ignorieren oder nicht ausreichend berücksichtigen.
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Ich könnte aus der halben Bibliothek die Reihe der einen und der anderen noch eine Weile fortsetzen. Aber ich fürchte, dabei Ihr Interesse zu verlieren. Wir werden uns im Verlauf der Diskussion noch mit verschiedenen Vorschlägen zu befassen haben. Entnehmen Sie aber dieser kleinen Aufzählung die Mannigfaltigkeit der Vorstellungen und Wünsche, die Härte der Konfrontation der Interessen und die Notwendigkeit, einen sachgemäßen Ausgleich zu finden!
Ich bin der Meinung, daß der Vorschlag der Bundesregierung ein ausgewogenes und realisierbares System auf einer Mittellinie zwischen den Extremen der verschiedenen Forderungen der einen und der anderen Seite darstellt. Ich möchte Ihnen jetzt in wenigen Sätzen dieses Konzept darlegen.
Das gegenwärtige Steuersystem der Gemeinden leidet unter dem Übergewicht der Gewerbesteuer, die im Durchschnitt 80 % der eigenen Steuereinnahmen der Gemeinden ausmacht. Ein weiterer Mangel besteht darin, daß die Gemeinden seit der Beseitigung der Bürgersteuer nicht mehr an der Einkommensteuer ihrer Einwohner beteiligt sind. In beiden Punkten soll der Vorschlag der Bundesregierung Wandel schaffen.
Die Gewerbesteuer wird zu 77 % ihres Ertrages von einem kleinen Prozentsatz, etwa 5 %, der Steuerpflichtigen aufgebracht und führt daher zu erheblichen Steuerkraftunterschieden zwischen den Gemeinden. Die Masse der Gemeinden ist viel zu
sehr auf Finanzzuweisungen angewiesen, die eine ausreichende Entfaltung einer eigenverantwortlichen Selbstverwaltung verhindern. Dieser Zustand darf nicht hingenommen werden, weil mit der Arbeitskraft der Bürger in vielen Fällen eine durchaus angemessene örtliche Steuerkraft vorhanden ist und weil die Zahl der Bürger und die Größe ihrer Familien auch für den Umfang der öffentlichen Dienstleistungen der Gemeinden und der damit verbundenen Kosten nicht ohne Auswirkung sind.
Hinzu kommt, daß die Gemeinden durch das Gewicht der Gewerbesteuer in einem, wie wir letztes Jahr dramatisch kennengelernt haben, zu starkem Maße den Auswirkungen der Konjunkturentwicklung ausgesetzt sind. Gerade das verhindert eine langfristige Planung und die Erfüllung der vordringlichen Investitionsaufgaben in einer vernünftigen Reihenfolge.
Die Notwendigkeit einer Reform kann nicht einfach mit dem Hinweis auf die Finanzzuweisungen der Länder abgetan werden. Es geht darum, den Gemeinden, auch denen, die zufällig keine ertragstarke Industrie in ihren Mauern haben, eigene Steuereinnahmen in höherem Maße zu erschließen, als es bisher mit starken Ausschlägen gegenüber der Mittellinie und auch unten der Fall war.
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Auch bei ihnen muß wenigstens eine Mindestbasis für eine eigenverantwortliche Finanzwirtschaft geschaffen werden.
Die Bundesregierung hält darüber hinaus eine Senkung der Gewerbesteuer auch aus allgemeinen steuersystematischen und finanzpolitischen Gründen für erforderlich. Die Gewerbesteuer stellt eine Sonderbelastung des Gewerbes in der Bundesrepublik dar. Für sie gibt es in den meisten übrigen Industriestaaten keine Parallele, jedenfalls keine in dieser Höhe. Sie wird mit der fortschreitenden Harmonisierung der Wettbewerbsverhältnisse im Gemeinsamen Markt in dieser Höhe auf die Dauer ohnehin nicht aufrechterhalten werden können.
Die Bundesregierung schlägt daher vor, die Gewerbesteuer zu senken und dafür die Gemeinden am örtlichen Aufkommen aus der Einkommensteuer zu beteiligen. Das Ausmaß der Gewerbesteuersenkung -- danach werde ich so oft gefragt - kann endgültig erst festgelegt werden, wenn die zur Zeit noch laufenden statistischen Untersuchungen über die Auswirkungen auf die einzelnen Gemeinden abgeschlossen sind. Das wird demnächst der Fall sein. Das verhindert aber nicht die Entscheidung im Grundsatz. Das kann die Prozente bestimmen. Die
Senkung wird so zu bemessen sein, daß sich keine unzumutbaren Auswirkungen für einzelne Gruppen ergeben. Nach den Vorstellungen der Bundesregierung sind etwa 40 % Richtpunkt für die Senkung der Gewerbesteuer. Eine völlige Beseitigung - das ist von verschiedenen Seiten, von wirtschaftlicher und wissenschaftlicher Seite, gefordert worden - der Gewerbesteuer hält die Bundesregierung schon deshalb nicht für möglich, weil sich in dem erforderlichen Umfang kein tragbarer Ausgleich für den entstehenden Einnahmeausfall von 11 Milliarden DM
Bundesminister Dr. h. c. Strauß
finden läßt. Eine Umwälzung von 11 Milliarden DM Steuerertrag bei völliger Beseitigung der Gewerbesteuer auf einen Schlag ist eine aus sachlichen wie politischen Gründen nicht zu lösende Aufgabe. Im übrigen wäre ein solcher Schritt auch im Hinblick auf die starken Änderungen in der Finanzstruktur der einzelnen Gemeinden nicht zu vertreten. Es muß auch Wert darauf gelegt werden, daß über die Gewerbesteuer - ich sage das entgegen manchen Bedenken - ein besonderes Band zwischen Gewerbebetrieb und Gemeinde erhalten bleibt.
Die entscheidende Änderung des Gemeindefinanzsystems liegt in der Beteiligung der Gemeinden an der Einkommensteuer ihrer Einwohner. Damit steht das gemeindliche Finanzsystem auf drei Grundlagen: Beteiligung an der Einkommensteuer, die beiden Realsteuern, Gewerbe- und Grundsteuer. Auf diese Weise wird ein ausgewogenes und hinreichend stabiles System geschaffen, das weniger konjunkturempfindlich ist und das die Unterschiede von Betriebsstättengemeinde und Wohnstättengemeinde leichter auszugleichen vermag.
Die Beteiligung an der Einkommensteuer soll zunächst auf die Steuerleistungen aus dem proportionalen Sockel beschränkt werden. Um aber den Wünschen der Großstädte entgegenzukommen, ist vorgesehen, ab 1971 die Beteiligung der Gemeinden bis zu Einkommensbeträgen von 16 000 DM jährlich für Ledige und 32 000 DM für zusammen veranlagte Einkommen -- hier verstanden als zu versteuerndes Einkommen, nicht Bruttoeinkünfte zu erhöhen. Nach dieser Ausweitung werden die Gemeinden praktisch an der Aufkommensentwicklung der gesamten Lohnsteuer beteiligt sein. Die vorgeschlagenen Grenzen, nach langen Verhandlungen festgelegt, erscheinen als ein tragbarer Kompromiß zwischen der Forderung nach einer möglichst gleichmäßigen Streuung der Steuereinnahmen und der Forderung, die Gemeinden auch an dem Steuerzuwachs im Progressionsbereich zu beteiligen. Würde man die Gemeinden an dem vollen Progressionstarif oder neben der Einkommensteuer an der Körperschaftsteuer beteiligen, so würden damit neue erhebliche Steuerkraftunterschiede geschaffen, und das Ziel, das mit der Senkung der Gewerbesteuer erreicht werden soll, würde total verfehlt werden.
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Die Beteiligung der Gemeinden muß entgegen dem Vorschlag des Bundesrates durch Bundesgesetz geregelt werden; denn hier handelt es sich um eine echte Steuerbeteiligung, die regionale Differenzierungen nicht zuläßt. Der Gemeindefinanzausgleich wird dadurch nicht berührt, so daß die insoweit vorgebrachten Bedenken des Bundesrates wohl ausgeräumt werden können.
Die Bundesregierung hält in Übereinstimmung mit den Ländern Anpassungsmaßnahmen im gemeindlichen Finanzausgleich im Zusammenhang mit dem Inkrafttreten der Reform des Gemeindesteuersystems für erforderlich. Hier handelt es sich darum, Übergangsschwierigkeiten für einzelne betroffene Gemeinden durch zeitlich begrenzte Maßnahmen zu vermeiden. Außerdem werden die Bemessungsgrundlagen für die Schlüsselzuweisungen umzustellen sein, um der geänderten Struktur der Gemeindesteuereinnahmen angemessen Rechnung zu tragen. Diese Maßnahmen müssen von Bund und Ländern auf Grund ihrer Zuständigkeit für den gemeindlichen Finanzausgleich allein geregelt werden Der Anteil der Gemeinden an der Einkommensteuer ihrer Bürger wird auf Grund der Ergebnisse der Einkommens- und Lohnsteuerstatistik schlüsselmäßig festgesetzt werden. Auf diese Weise wird erreicht, daß die Arbeitgeber keinen zusätzlichen Arbeitsaufwand bei der Abführung der Lohnsteuer haben und der Verwaltungsmehraufwand bei den Finanzämtern auf ein Minimum begrenzt wird.
Die Beteiligung der Gemeinden an der Einkommensteuer wirft die Frage auf, ob den Gemeinden gemäß dem Vorschlag der Gutachterkommission und anderer Stellen das Recht eingeräumt werden soll, die Höhe ihres Anteils an der Einkommensteuer mit Auswirkungen gegenüber dem Steuerpflichtigen zu beeinflussen. Es ist die Frage nach der Einführung beweglicher Hebesätze. Selbst wenn den Gemeinden das Hebesatzrecht eingeräumt werden sollte, und zwar so schnell wie möglich, könnte für die ersten Jahre nach dem Inkrafttreten der Gemeindefinanzreform nur eine feste Beteiligung erwogen werden. Die Anpassung der Zuweisungen aus dem Gemeindefinanzausgleich an die veränderte Steuerkraft der einzelnen Gemeinden muß zunächst vollzogen sein, bevor den Gemeinden die Möglichkeit gegeben werden könnte, die Höhe der Steuerbelastung ihrer Bürger durch gemeindliche Hebesätze zu verändern. Erst wenn eine angemessene Finanzausstattung aller Gemeinden unter Zugrundelegung fester Beteiligungssätze gewährleistet ist, können die Hebesätze ihre Funktion im Rahmen einer eigenverantwortlichen Selbstverwaltung erfüllen, ohne daß die steuerschwachen Gemeinden gezwungen wären, zur Deckung ihrer notwendigen Finanzbedürfnisse von vornherein den höchstzulässigen Hebesatz anzuwenden. Da die Einführung von Hebesätzen danach frühestens ab 1972 in Betracht kommen kann, soll die Entscheidung zurückgestellt werden, damit die steuerrechtlichen und steuertechnischen Fragen, die damit verbunden sind, noch weiter geprüft und insbesondere die Fortschritte in der Automatisierung der Steuerverwaltung bei der Ausarbeitung eines Gesetzentwurfs berücksichtigt werden können.
Bei der Bedeutung, die einem Hebesatzrecht der Gemeinden für eine eigenverantwortliche Finanzwirtschaft im Gemeindebereich zukommt, hält die Bundesregierung es aber für geboten, im Zuge der gegenwärtigen Verfassungsreform die erforderlichen grundgesetzlichen Vorschriften zu schaffen, um zu einem späteren Zeitpunkt ein Hebesatzrecht durch einfaches Bundesgesetz einführen zu können, während die Einführung des Hebesatzrechtes nach unserer Auffassung nicht im einzelnen in der Verfassung geklärt werden könnte und sollte. Der vorliegende Gesetzentwurf sieht deshalb die Ermächtigung des Bundesgesetzgebers vor, aber nicht die Einzelheiten der Regelung.
Eine Senkung der Gewerbesteuer um 40 % führt zu Einbußen in den Einnahmen der Gemeinden in
Bundesminister Dr. h. c. Strauß
Höhe von etwa 5 Milliarden DM. Ein entsprechender Teil der Einkommensteuer wird dann in die Gemeindehaushalte abfließen. Ein solcher Steuerausfall ist angesichts der Finanzbedürfnisse der öffentlichen Hand nicht tragbar. Somit läßt sich die Gewerbesteuersenkung, wenn die Periode der Umlage, für die die Jahre 1971/72 vorgesehen sind, beendet ist, nur bei entsprechender Erhöhung anderer Steuern ermöglichen. In Betracht kommen wegen des Ausmaßes nur die großen allgemeinen Steuern: Umsatzsteuer oder Einkommen- und Körperschaftsteuer bzw. beide.
Ich bin gar nicht traurig darüber, daß diese Entscheidung noch aufgeschoben wird. Dieser Aufschub ist nicht ein Mangel an Entscheidungsfähigkeit oder ein Mangel an Vorausschau, sondern die Periode bis zum Jahre 1972 wird uns wertvolle Erkenntnisse über die Richtung und die wesentlichen Einzelheiten der Steuerharmonisierung innerhalb der EWG bringen. Sich heute schon festzulegen, wie der ausfallende Teil der Gewerbesteuer genau ausgeglichen werden soll, ist erstens aus der Sache heraus noch nicht notwendig. Zweitens braucht niemand besondere Befürchtungen zu haben, und drittens müssen wir, wenn Änderungen des Steuerrechts im Zusammenhang damit erforderlich sind, sie in Richtung der europäischen Steuerharmonisierung vornehmen und nicht nur als eine interne Maßnahme.
Bei dem Gewicht der Ausgleichsmaßnahmen ist die Bundesregierung der Meinung, daß die Entscheidung über die Form des Ausgleichs im Zusammenhang mit der Reform der direkten Steuern getroffen werden sollte, die in Aussicht genommen ist, aber in dieser Legislaturperiode nicht mehr vorgelegt werden kann und soll. Die Festsetzung der Entscheidung über die steuerlichen Ausgleichsmaßnahmen auf einen späteren Zeitpunkt hat zugleich den Vorteil, daß die Entwicklung des Umsatzsteueraufkommens nach dem Übergang zur Mehrwertsteuer und die weitere Entwicklung der Steuerharmonisierung in der EWG abgewartet werden können.
Die Bundesregierung schlägt vor, die Gewerbesteuersenkung im Grundsatz zu beschließen und ab 1971 in Kraft zu setzen. Die notwendige Reform des Gemeindesteuersystems soll aber nicht bis zu diesem Zeitpunkt hinausgeschoben werden. Demgemäß schlägt die Bundesregierung eine Zwischenregelung vor. Die Gemeinden sollen für 1970 und 1971 eine Umlage in Höhe von 40 % der Gewerbesteuer an Bund und Länder abführen und bereits im Jahre 1970 an der Einkommensteuer ihrer Einwohner in dem vorgesehenen Umfang beteiligt werden. Für die Gemeinden wird damit das gleiche Ergebnis erzielt, als wenn die Gewerbesteuer bereits ab 1. Januar 1970 gesenkt würde. Für die Steuerzahler ergeben sich die Konsequenzen ab 1. Januar 1972.
Ich habe damit die wesentlichen Gesichtspunkte der Konzeption der Bundesregierung dargelegt. Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich bitte Sie, uns zu glauben, daß wir alle übrigen Vorschläge eingehend geprüft haben. Wir sind aber zu dem Ergebnis gekommen, daß sie entweder nicht durchsetzbar sind, weil sich bei kaum einem politischen Reformwerk die Interessen so hart im Raume treffen wie bei diesem, die Extreme so weit voneinander entfernt sind wie bei diesem, oder daß die gemachten Vorschläge keine überzeugendere Lösung für die gesetzten Ziele bieten.
Die grundsätzliche Zustimmung des Bundesrates haben wir sehr begrüßt, obwohl Unterschiede in Einzelfragen bestehen. Wir hoffen, daß auf der Basis des vorliegenden Gesetzentwurfs auch für die Gemeindefinanzreform eine Lösung gefunden werden kann, die im Bundesrat die erforderliche Mehrheit finden wird. Auch die kommunalen Spitzenverbände haben der Grundkonzeption zugestimmt, wenn auch ihre Wünsche im einzelnen selbstverständlich weiter gehen und bei Besprechungen mit ihnen, sei es einzeln, sei es im Viererkreis, die in ihren Entschließungen des letzten Jahres erzielte Übereinstimmung über 40 % Senkung der Gewerbesteuer nicht haltbar war, weil die einen auf 30 % Senkung und die anderen auf 50 % Senkung hinausgingen. Ich möchte bei dieser Gelegenheit auf die positive Mitarbeit auch der kommunalen Spitzenverbände an den Fragen der gesamten Gemeindefinanzreform mit Anerkennung und Dank hinweisen.
Abschließend darf ich hervorheben, daß der vorliegende Gesetzentwurf noch nicht eine Entscheidung aller Einzelheiten erfordert. Er bedingt die grundsätzlichen Entscheidungen, ob die Gewerbesteuer gesenkt, ob die Gemeinden wieder an der Einkommensteuer ihrer Bürger in angemessenem Umfang beteiligt werden sollen und ob die Möglichkeit zur Einführung beweglicher Hebesätze ab 1972 geschaffen werden soll.
Die Bundesregierung wird die Gesetzentwürfe mit den weiteren Einzelheiten der Gemeindefinanzreform nach Abschluß der laufenden statistischen Erhebungen beschleunigt ausarbeiten und vorlegen. Dieses Hohe Haus kann über die Gesamtkonzeption der Bundesregierung zur Gemeindefinanzreform dann abschließend entscheiden.
Meine Damen und Herren, wir stehen mit diesem Reformwerk vor einer nicht nur in der Finanzgeschichte wesentlichen, sondern sogar vielleicht vor einer geschichtlichen Entscheidung, mit der wir die Kraft und die Anpassungsfähigkeit des föderativen Systems zu beweisen haben. Wir dürfen nicht handeln „ut aliquid fieri videatur", mit Wasser kochen, wenn doch etwas Wein verlangt wird.
Treffen wir klare, der Bedeutung der Aufgabe gemäße Entscheidungen! Beweisen wir die Funktionsfähigkeit und Glaubwürdigkeit einer föderalistisch organisierten parlamentarischen Demokratie, eines föderativ organisierten Staates. Durch Zaudern
und Zögern, durch unnötige Bedenken und Rücksichtnahmen auf welche Kreise auch immer können wir, wie wir an anderen Beispielen erlebt haben, die Herausforderung der Stunde nur versäumen, ihr aber nicht rechtzeitig und wirksam begegnen.
Diese Reform darf aber auch nicht zerstückelt und zerredet werden, wie es schon manchmal der Fall zu sein schien. Sie darf auch nicht um eines augenblicklichen Effektes willen in der einen oder anderen Weise diskreditiert werden.
Bundesminister Dr. h. c. Strauß
Bund, Länder und Gemeinden sind Träger unserer staatlichen Ordnung. Sie sind Teile des Ganzen. Sie sind dem Ganzen verpflichtet. Unsere Aufgabe ist es, eine Finanzverfassung zu schaffen, die ihnen die Grundlage bietet, die Möglichkeit verschafft, die öffentlichen Aufgaben zum Wohle der Bürger, zum Wohle der Gesamtheit auf der Grundlage einer zeitgemäßen Finanzordnung erfüllen zu können. Wenn wir das bei Abschluß unserer Arbeiten als glaubhaften und überzeugenden Beweis unserer Entscheidungen auf den Tisch legen, wird dieses Parlament in dieser Legislaturperiode eine Aufgabe gelöst haben, die für den weiteren Bestand unserer staatlichen Ordnung, für den Erfolg der Bundesrepublik im Kampf um ihre Selbstbehauptung und für den Wohlstand und das Wohlergehen der Bürger auch in der nächsten Generation von lebenswichtiger Bedeutung sein wird.
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Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Möller.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als am 11. März 1954, also vor etwas mehr als vierzehn Jahren, Bundesfinanzminister Schäffer die Beweggründe und Ziele des damals eingebrachten Finanzverfassungsgesetzes vor diesem Hohen Hause darlegte, wurde von ihm erklärt, daß es sich „um Gesetzgebungswerke von wahrhaft großer, ja vielleicht geschichtlicher Bedeutung handelt". Heute, vierzehn Jahre später - und im Verfassungsleben ist das ein kurzer Zeitraum -, legt die Bundesregierung ein seit langem gefordertes Finanzreformgesetz vor. Dieser Vorgang macht deutlich, daß Finanzverfassungen keinen Ewigkeitswert haben, sondern immer wieder auf die neuen Erfordernisse unserer Gesellschaft hin umgestaltet werden müssen.
Der Ruf nach einer Reform erhob sich schon wenige Jahre, nachdem das Finanzverfassungsgesetz 1955 verabschiedet worden war. Ursache dafür sind nicht allein Qualität und Inhalt dieses Reformwerkes gewesen. Es brachte unbestreitbare Fortschritte in der Weiterentwicklung des bundesstaatlichen Finanzausgleichssystems, wenn auch nicht in allen Punkten des Katalogs, der im Entwurf und in der Begründung des Gesetzes aufgezeichnet wurde. Einige der damals nicht verwirklichten Ansätze müssen wir heute wieder aufnehmen, in anderen Fragen sogar zurückgehen auf Vorstellungen des Parlamentarischen Rates. Herr Bundesfinanzminister Strauß hat soeben zutreffend ausgeführt, welchen Hemmnissen und Widerständen sich der Verfassungsgeber gerade im Abschnitt X des Grundgesetzes, Finanzwesen, im Jahre 1949 gegenübersah. Heute dagegen sind wir in diesen unseren Entscheidungen völlig frei.
Daß nach 1955 so rasch das Bedürfnis nach einer weiteren Reform auftrat, ging ganz wesentlich auf die sich in immer schnellerem Tempo vollziehenden Veränderungen in Gesellschaft, Wirtschaft und Wissenschaft zurück.
Wenn heute teilweise äußerst scharfe Kritik an dem jetzigen Zustand der bundesstaatlichen Finanzverfassung geübt wird, so muß man es früheren Bundesregierungen und ihren Parlamentsmehrheiten anlasten, daß sie nicht rechtzeitig auf diese Herausforderungen eingegangen sind, sie nicht mit neuen konstruktiven Lösungen beantwortet haben.
Nach den Ausführungen von Herrn Kollegen Strauß will ich nicht auf die Vorgeschichte dieser Finanzreform im einzelnen eingehen, sondern nur darauf hinweisen, daß die Finanzreform-Kommission, die in relativ kurzer Zeit ausgezeichnete Arbeit geleistet hat und der auch wir, wie die Bundesregierung, an dieser Stelle noch einmal unseren Dank auszusprechen wünschen, erst im Jahre 1964 berufen wurde, obwohl meine Fraktion schon im Dezember 1961 einen entsprechenden Antrag eingebracht hatte.
Bei der Finanzreform, über die wir uns heute in diesem Hause in erster Lesung auseinanderzusetzen haben, geht es nach Meinung der Sozialdemokraten darum,
1. eine neue, den Bedürfnissen unserer Gegenwart besser angepaßte Aufgabenverteilung zwischen Bund und Ländern zu finden, wobei wir zu neuen Formen der Zusammenarbeit von Bund und Ländern kommen werden;
2. das System der Steuerverteilung zwischen Bund und Ländern stabiler und funktionsfähiger zu gestalten sowie die Steuerkraftunterschiede zwischen armen und reichen Ländern zu vermindern;
3. - das ist nach unserer Meinung ein untrennbarer Bestandteil der Finanzreform - die Gemeindehaushalte insgesamt mit mehr Mitteln auszustatten und die kommunale Finanzstruktur so zu verbessern, daß die Gemeinden ihre Aufgaben, besondern im Bereich der Infrastrukturinvestitionen, umfassender als in der Vergangenheit erfüllen können;
4. insgesamt also die Voraussetzungen dafür zu schaffen, daß die öffentlichen Aufgaben mit den vorhandenen Mitteln besser erfüllt und die Steuereinnahmen dorthin gelenkt werden, wo sie für das allgemeine Wohl den größten Nutzen garantieren.
({0})
Der Herr Bundesfinanzminister hat davon gesprochen, daß der Ruf nach einer Finanzreform für manche den Klang einer Zauberformel erhalten habe. Unter einer solchen Formel steht die Finanzreform sicherlich nicht. Derartige unrealistische Erwartungen sind in Wirklichkeit nur geeignet, die Verabschiedung des Reformwerks zu erschweren. Aber wir können doch wohl mit Befriedigung feststellen, daß über die Zielsetzungen weitgehend Übereinstimmung herrscht, und begrüßen es ausdrücklich, daß sich auch die Länder im Endeffekt wohl hierzu noch bekennen werden. Wir betrachten diese Tatsache bei zweifellos vorhandenen Meinungsverschiedenheiten in Einzelfragen, die sich nicht zuletzt aus den jeweiligen VerantwortungsDr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller
bereichen ergeben, als eine ausreichende Grundlage für den Beginn der vor uns liegenden Beratungen, wobei sich die sozialdemokratische Bundestagsfraktion durch Vorentscheidungen in Einzelfragen nicht endgültig gebunden fühlt.
Ich muß hervorheben, daß meiner Meinung nach in der Öffentlichkeit zu Unrecht der Eindruck entstanden ist, als ob während der Vorberatungen aufgetretene Meinungsverschiedenheiten die Finanzreform überhaupt in Frage stellen könnten. Daß dieser Eindruck unzutreffend ist, werden sicher die zügigen Beratungen der Vorlagen beweisen, die wir Sozialdemokraten dann als gesichert ansehen, wenn sie in einem hierzu einzusetzenden Sonderausschuß aufgenommen werden.
({1})
Wir haben in der Vergangenheit sehr viel von Parlamentsreform gesprochen. Wenn es aber bei einem so großen Reformwerk nicht gelingen sollte, alle Kräfte dadurch zu konzentrieren, daß man sie in einem Sonderausschuß zusammenfaßt - also Mehrfacharbeit durch verschiedene Ausschüsse verhindert -, um dadurch die Beratungen zügig und sachgerecht fortzusetzen, dann bezweifle ich ernsthaft, daß wir zu wirklichen Parlamentsreformen in diesem Hohen Hause kommen werden.
({2})
Ich spreche im Hinblick auf einige Anmerkungen in der heutigen Morgenpresse auch offen aus, daß meine Freunde gestern der CDU/CSU-Bundestagsfraktion mitgeteilt haben, daß wir, da wir nun einmal an der Reihe wären, einen Sonderausschuß mit dem Vorsitzenden zu besetzen, ausdrücklich auf den Vorsitz in diesem Sonderausschuß verzichten,
({3})
weil wir nicht möchten, daß uns unterstellt wird, irgendwelche Personalien könnten bei dieser zwingenden Sachentscheidung von Bedeutung sein.
({4})
Ich wiederhole diese Erklärung und bitte die Kollegen, noch einmal zu überdenken, ob wir nicht wirklich mit einem solchen Sonderausschuß besser vorwärtskommen, auch im Hinblick auf die Tatsache, daß im September 1969 Neuwahlen stattfinden und wir spätestens bis zur Sommerpause nächsten Jahres dieses Reformwerk abgeschlossen haben müssen.
({5})
Wer will denn in diesem Hohen Hause, insbesondere nach den Diskussionen der letzten Tage, bestreiten, welche Erschwerungen in der Verabschiedung wichtiger Gesetzesvorhaben dadurch eintreten, daß zuviel mitberatende Ausschüsse vorhanden sind und der eine auf den anderen warten muß!
({6})
Mit dem vorgelegten Gesetzentwurf kommt die Bundesregierung der Regierungserklärung vom 13. Dezember 1966 nach, in der vom Herrn Bundeskanzler mit vollem Recht - wir möchten das heute noch einmal unterstreichen - festgestellt worden ist, daß die Bundesregierung die Reform der Finanzverfassung als eine der großen innenpolitischen Auf gaben betrachte und sie daher verwirklichen wolle.
({7})
Jedermann, der sich mit Politik beschäftigt, weiß, daß für die Sozialdemokratische Partei die Verabschiedung der Finanzreform bei der Entscheidung Tiber die Bildung der Großen Koalition von besonderer Bedeutung gewesen ist. Nach meiner Überzeugung würde diese Koalition einen wesentlichen Teil ihrer politischen Rechtfertigung verlieren, wenn sie nicht die Kraft aufbringen könnte, dieses Reformwerk nun auch wirklich als ein umfassendes Reformwerk zu realisieren.
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Lassen Sie mich an dieser Stelle eine Wort zur Frage des Föderalismus sagen. Darüber ist in den vergangenen Monaten viel Richtiges, aber auch vie! Falsches dargestellt und geschrieben worden. Es geht bei der Finanzreform nicht darum, die föderative Ordnung in Frage zu stellen. Mag der Föderalismus für gefestigte und traditionelle Demokraten entbehrlich sein, für uns findet er die Rechtfertigung in seiner freiheitsichernden Funktion der föderativen Gewaltenteilung. Die historische Erfahrung lehrt, daß es gut ist, wenn in unserem Staat eine Mehrzahl politischer Entscheidungsträger vorhanden ist. Das sollte auch in Zukunft so bleiben.
Föderalismus kann und darf aber nicht ein stures Festhalten am überkommenen Besitzstand bedeuten. Auch zwischen den Ländern muß es im Interesse unserer Bürger Solidarität geben. Bei der selbstverständlichen Anerkennung der Eigenstaatlichkeit der Länder die Bundesrepublik ist nach unserer Verfassung ein Bundesstaat - bleibt das Verfassungsgebot der Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse ein den Eigeninteressen übergeordneter Auftrag.
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-- Das gilt ganz allgemein. Das möchte ich nachher noch an einigen Beispielen, Herr Kollege Schulhoff, darlegen.
Die zwangsläufige Angleichung der äußeren Lebensverhältnisse durch den einheitlichen Wirtschafts- und Lebensraum des gesamten Bundesstaates stellt heute andere Anforderungen an die föderative Struktur als in einer Zeit, da der Parlamentarische Rat sich gegen den Widerstand der Besatzungsmächte um die Einheitlichkeit der Zonengebiete bemühen mußte. Die Ansprüche des einzelnen Staatsbürgers auf öffentliche Leistungen sind, unabhängig von seinem zufälligen Aufenthaltsort oder Aufenthaltsland, durch die Entwicklung unserer Gesellschaft gestiegen. Sie können in bestimmten Bereichen nur noch gemeinschaftlich von Bund und Ländern erfüllt werden. Alle Bürger haben ein Recht darauf, daß sie es mit Gebietskörperschaften gleicher Leistungsfähigkeit zu tun haben, die in der Lage sind, den Staatsbürgern eine angemessene Grundausstattung an öffentlichen Leistungen zu gewähren. Wir Sozialdemokraten sehen deshalb in der Finanzreform eine große gesellschaftspolitische Aufgabe, bei der es darum geht, jetzt endlich solide GrundDr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller
lagen für eine Entwicklung zu schaffen, die schon 1956 von unserem Münchener Parteitag mit den drei Elementen Atomenergie, Automation und elektronische Maschinen als der Beginn der zweiten industriellen Revolution bezeichnet worden ist.
Wir setzen, meine Damen und Herren, unsere Zukunft. aufs Spiel, wenn wir Wissenschaft und Forschung, Ausbildung und Begabtenförderung, Sicherung der menschlichen Arbeitskraft trotz des immer maschineller werdenden Arbeitsprozesses, weitsichtige Strukturpolitik und andere Bereiche staatlicher Aufgabenstellung nicht so ordnen, wie das angesichts bereits vorhandener und künftiger Entwicklungen notwendig ist.
Wir verstehen die Finanzreform - und sie ist
sicher auch ein Stück Weiterentwicklung unserer bundesstaatlichen Ordnung als einen Schritt zur Sicherung des Föderalismus unter diesen neuen Bedingungen, der sich Wirtschaft und Gesellschaft fügen müssen. Von diesen Erkenntnissen sollten auch die Länder ausgehen. An die Stelle des Dotationsunwesens, das sich nur deshalb so ausbreiten konnte, weil klare verfassungsrechtliche Regelungen für zwingend notwendige Formen der Aufgabenerfüllung fehlten, wollen wir nun verfassungsrechtliche Grundlagen mit eindeutigen Rechten und Pflichten setzen.
Es wäre ein schlechter Ausgangspunkt, wenn die Beteiligten, wie auch der Herr Bundesfinanzminister zu Recht angedeutet hat, ihre erste Aufgabe darin sehen würden, jeden Reformvorschlag zunächst daraufhin zu untersuchen, welchen unmittelbaren Vorteil er ihnen bringen wird. Nicht jeder einzelne kann gewinnen -- das wird keine Reform zustande bringen. Gewinnen aber kann sehr wohl die bundesstaatliche Ordnung zum Nutzen unserer Bürger, und dieses Ziel sollten wir den Beratungen voranstellen.
Eine wichtige Frage, die der Herr Bundesfinanzminister nicht berührt hat - ich habe Verständnis dafür -, will ich wenigstens am Rande erwähnen. Wir sollten uns darüber im klaren sein, daß wir bessere Voraussetzungen für eine Finanzreform hätten, wenn wir von einer Länderneugliederung, wie sie Art. 29 des Grundgesetzes vorsieht, ausgehen könnten.
({10})
Sie alle wissen, mit welch schwierigen Komplexen eine solche Neugliederung verbunden wäre. Wir können mit der Finanzreform leider nicht auf diese Gebietsreform warten. Auch würden sich nach einer Neugliederung viele der Fragen, um die es bei der Finanzreform geht, sicher erneut in ähnlicher Weise stellen.
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Ich wende mich nunmehr einigen Einzelfragen zu. Es ist seit Johannes Popitz unbestrittene finanzpolitische Erkenntnis, daß für jede Aufteilung der öffentlichen Finanzmittel auf die einzelnen Gebietskörperschaften die Verteilung der staatlichen Aufgaben das Primäre zu sein hat. Am Beginn der Reform muß deshalb eine Neuordnung der Aufgabenverteilung stehen. Unser Grundgesetz geht von einer klaren Trennung der Zuständigkeiten von
Bund und Ländern aus. Die Erfahrung - und nicht
nur die der letzten Jahre - hat gezeigt, daß die jetzige Konstruktion auf die Dauer nicht durchgehalten werden kann. Ich zitiere:
Die bisherige staatswirtschaftliche Entwicklung in der Bundesrepublik hat es mit sich gebracht, daß der Bund - vielfach angeregt durch entsprechende Gesuche einzelner Länder - sich zunehmend an der finanziellen Förderung von Aufgaben beteiligt, die der Verfassungsgeber ursprünglich dem alleinigen Verantwortungsbereich der Länder zugedacht hatte.
Dieses Zitat, meine Damen und Herren, entstammt nicht der gegenwärtigen Reformdiskussion, sondern der Begründung des Finanzverfassungsgesetzes vom 29. April 1954, Ziffer 66.
Das Finanzverfassungsgesetz aus dem .Jahre 1955 hat keine entscheidende Änderung gebracht, da es sich bei der Aufgabenneuordnung im wesentlichen, wie Sie wissen, auf die Kriegsfolgelasten beschränkte. In Gegenwart und Zukunft geht es nun um die großen Gemeinschaftsaufgaben, die in keiner Weise und aus keinem Grunde mehr vernachlässigt werden dürfen. Die Sozialdemokraten haben diese Gemeinschaftsaufgaben nicht erst seit diesen Beratungen entdeckt, sondern ihre Erfüllung ist von uns seit Jahren gefordert worden, wobei wir primär an die Lösung der Aufgaben selbst, erst in zweiter Linie an die Zuständigkeiten dachten; nicht, weil wir diesem letzten Punkt nicht genügend Gewicht zugemessen hätten, sondern weil wir in Anbetracht der Bedeutung der Gemeinschaftsaufgaben für uns alle eine verständige Regelung zwischen den Beteiligten glaubten voraussetzen zu können. Da diese Aufgaben sich aber mit zunehmender Dringlichkeit bemerkbar machten, ohne daß durch entsprechende Reformen unserer bundesstaatlichen Ordnung bessere Voraussetzungen für ihre Erfüllung geschaffen wurden, haben sich immer mehr Formen der Aufgabenerfüllung herausgebildet, die entweder auf eine Kooperation zwischen den Ländern oder auf eine Kooperation von Bund und Ländern hinauslaufen. In unserer Verfassung ist von solchen Formen nicht die Rede. Wir können sie aber nicht - jedenfalls nicht auf allen Gebieten - beseitigen, denn sie tragen einer Notwendigkeit Rechnung. Der Herr Bundesfinanzminister hat darauf hingewiesen, daß der Gedanke der gemeinsamen Wahrnehmung von Aufgaben durch Bund und Länder nicht den Köpfen von Verfassungsjuristen entstammt, sondern aus der Dynamik der tatsächlichen Erfordernisse entstanden ist. Das entspricht auch unserer Auffassung. Wir müssen diese Aufgaben daher mit einer verfassungsmäßigen Grundlage verbinden und so ordnen, daß ein optimales Ergebnis erzielt wird. Deshalb stimmen wir dem neuen verfassungsrechtlichen Institut der Gemeinschaftsaufgabe zu.
Die Regierungsvorlage beschränkt die Zahl der Gemeinschaftsaufgaben auf drei und sieht außerdem die gemeinsame Förderung der wissenschaftlichen Forschung von überregionaler Bedeutung vor. Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion betrachtet die gemeinsame Finanzierung und Rahmenplanung in diesen Aufgabenbereichen als einen entscheidenDr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller
den Fortschritt auf dem Wege zu einem kooperativen Föderalismus. Hier kann sich der Bund nicht der Verantwortung entziehen. Er wird bei Fehlentwicklungen in diesen Bereichen - allerdings auch in anderen - von den Bürgern auch dann verantwortlich gemacht werden, wenn er nicht die verfassungsrechtliche Kompetenz haben würde.
Wie notwendig die Mitwirkung des Bundes beim Ausbau und Neubau wissenschaftlicher Hochschulen ist - der ersten Gemeinschaftsaufgabe der Regierungsvorlage -, bedarf nach den Diskussionen der hinter uns liegenden Wochen und der gestrigen Debatte in diesem Hohen Hause keiner Begründung mehr. In der Praxis haben Bund und Länder in diesem Bereich ohnehin seit langem zusammengearbeitet. Wir sind mit der Bundesregierung der Auffassung, daß eine klare verfassungsrechtliche Regelung notwendig geworden ist. Wenn wir vom Bürger Achtung vor der Verfassung verlangen, können die staatlichen Organe auf die Dauer nicht ohne Folgen pragmatische Wege gehen, die an der Verfassung vorbeiführen.
Ob die Formulierung der Regierungsvorlage unverändert bleiben kann, muß in den Ausschußberatungen geprüft werden. Der Bundesrat hat mit Recht z. B. die Frage nach der Einbeziehung der Hochschulkliniken aufgeworfen. Auch über die Folgekosten, die für die finanzschwachen Länder eine ebenso große Belastung bedeuten wie die Investitionskosten, müssen wir noch sprechen.
Wenn ich nun zur Mitwirkung des Bundes bei der Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur komme, so kann ich darauf hinweisen, daß sich dieses Hohe Haus in den letzten Monaten wiederholt mit uns drückenden strukturpolitischen Problemen zu befassen hatte. Diese Probleme werden uns in Zukunft immer wieder beschäftigen; denn Strukturprobleme - regionale wie sektorale - sind mit einer in einem technischen Umwandlungsprozeß wachsenden Wirtschaft zwangsläufig verbunden. Strukturfragen ist nicht mit Ad-hoc-Maßnahmen beizukommen. Sie erfordern eine langfristige Planung und sind nur im Zusammenwirken der verschiedenen Gebietskörperschaften zu lösen.
Die Situation in der Bundesrepublik ist derzeit so, daß industrielle Ballungsräume mit finanzstarken Ländern, schwach entwickelte Räume mit finanzschwachen Ländern zusammenfallen. Das sind keine günstigen Voraussetzungen für ein Programm mit dem Ziel, die Wirtschaftsstrukturen in der Bundesrepublik einander anzunähern, zurückgebliebene Regionen an den Bundesdurchschnitt heranzubringen. Dieser Zirkel ist nur zu durchbrechen, wenn der Bund für die regionale Wirtschaftsförderung mitverantwortlich wird.
Hinzu kommt, daß die Regionalpolitik im EWG-Raum eine immer bedeutender werdende Rolle spielt, die leider in den bisherigen Diskussionen völlig übersehen wurde. Die EWG-Kommission hat im „Entwurf des Zweiten Programms für die mittelfristige Wirtschaftspolitik der Gemeinschaft" vom 20. März 1968 eine umfassende Regionalpolitik vorgeschlagen, die optimale Bedingungen dafür schaffen
soll, „daß alle Gebiete der Gemeinschaft am wirtschaftlichen und sozialen Fortschritt teilhaben und insbesondere der Rückstand der weniger begünstigten Gebiete verringert wird." Nicht zuletzt aus diesem Grunde ist es unerläßlich, daß der Bund auf einer verfassungsrechtlich gesicherten Grundlage an der inneren Regionalpolitik mitwirkt.
Die über den nationalen Rahmen hinausweisende Politik vollzieht sich besonders intensiv auf dem Sektor der Agrarwirtschaft. Sie ist hier schon sehr weit entwickelt. Finanzwirtschaftlich geht es in der europäischen Agrarpolitik um Größenordnungen, gegenüber denen die bei dieser Finanzreform zur Debatte stehenden Zahlen vergleichsweise bescheiden sind. Für die europäische Agrarpolitik ist der Bund verantwortlich. Schon deshalb ist es konsequent, die Verbesserung der Agrarstruktur in die Mitwirkung des Bundes auch nach innen einzubeziehen.
Wir stimmen der Regierungsvorlage darin zu, daß Bund und Länder gemeinsam für die allgemeine Forschungsförderung kompetent sein sollen. Die Wissenschaft und die sich ergebenden technischen Fortschritte werden immer mehr zur Quelle unseres Wohlstandes. Sie bedürfen deshalb intensiver Förderung und Ptlege. Das kann sinnvoll nur geschehen bei einer Abstimmung der Maßnahmen der verschiedenen öffentlichen Körperschaften. Im weltpolitischen Rahmen können wir den Stand unserer Industrie, von dem der Lebensstandard jedes einzelnen Bürgers abhängt, künftig nur sichern, wenn für Wissenschaft und Forschung mehr, aber auch gezielter als bisher investiert wird. Wir sind uns darüber klar, daß die besonderen Bedingungen im Bereich der Forschungsförderung eine von den übrigen Gemeinschaftsaufgaben etwas abweichende Regelung erfordern, nämlich so, wie sie der Regierungsentwurf vorsieht. Damit verkennen wir nicht die großen Verdienste, die sich die Organisationen der Wissenschaft in diesem Bereich in der Vergangenheit erworben haben. Sie sollen auch künftig diese Funktion behalten, allerdings sind wir aus den genannten Gründen der Meinung, daß eine stärkere unmittelbare Mitwirkung und Verantwortung des Bundes der Sache förderlich sein wird.
Wenn wir der Einführung des neuen Instituts der Gemeinschaftsaufgaben zustimmen, so gehen wir davon aus - wie auch der Herr Bundesfinanzminister betont hat -, daß bei der praktischen Durchführung Regelungen gefunden werden, die weder die Verwaltung ungebührlich komplizieren noch die parlamentarische Verantwortung beeinträchtigen. Das wird nicht zuletzt von den Ausführungsgesetzen abhängen, deren Vorlage wir so rechtzeitig erwarten, daß sie zusammen mit dem Finanzreformgesetz beraten und verabschiedet werden können.
Auch von mir aus ein Wort zur Flurbereinigung zwischen Bund und Ländern. Wir begrüßen es, daß sich Bund und Länder zu einer Verständigung über die Neuordnung in den Aufgabenbereichen, für die eine Verfassungsänderung nicht notwendig ist, bereit gefunden haben. Der Herr Bundesfinanzminister hat ausgeführt, daß diese Arbeit neben den parla9164
mentarischen Beratungen fortgesetzt wird. Wir haben allerdings das Gefühl, daß diese Bemühungen in der letzten Zeit nicht mehr mit dem erforderlichen Nachdruck weitergeführt worden sind, und bitten deshalb um diesen notwendigen Nachdruck.
Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion begrüßt, daß es der Bundesregierung gelungen ist, in der Frage der Ausbildungsförderung mit den Ländern zu der schon vor Jahren erwünschten Übereinkunft zu gelangen, auf diesem Gebiet die konkurrierende Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes zu begründen. Die vorgesehene Kompetenz des Bundes ermöglicht es, die Ausbildungsförderung einheitlich und gezielt nach den Bedürfnissen der Auszubildenden zu gestalten, wie es der Entwurf meiner Fraktion aus dem Jahre 1962 vorsah, der damals leider an verfassungsrechtlichen Bedenken gescheitert ist. Ich darf daran erinnern, daß die sozialdemokratische Bundestagsfraktion bei der Entscheidung über den Wegfall der Ausbildungszulage im Rahmen der mittelfristigen Finanzplanung die Notwendigkeit einer gezielten Ausbildungsförderung betont und die Bundesregierung aufgefordert hat, entsprechende Vorbereitungen zu treffen. Der Deutsche Bundestag ist in dieser Frage durch die Entschließung, die er am 24. November 1966 gefaßt hat, im Wort. Meine Fraktion legt Wert darauf, daß bei der Uberprüfung der mittelfristigen Finanzplanung des Bundes Mittel vorgesehen werden, die eine baldige Verwirklichung dieser Entschließung ermöglichen. Der zuständige Arbeitskreis der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion wird hierzu in Kürze einen Gesetzentwurf vorlegen.
Wir Sozialdemokraten haben wiederholt erklärt, daß im Rahmen der Finanzreform die Voraussetzungen für die wirtschaftliche Sicherung der Krankenhausversorgung geschaffen werden müssen. Wir erkennen an, daß eine Reihe von Ländern und ihre Gemeinden, aber auch karitative Einrichtungen Hervorragendes auf diesem Gebiet geleistet haben. Insgesamt betrachtet sind die Verhältnisse jedoch sehr unterschiedlich und zum Teil unbefriedigend. Nach unserer Auffassung ist die Krankenhausversorgung eine öffentliche Aufgabe. Jeder Bürger, gleich, wo er wohnt, hat einen Anspruch auf eine Mindestversorgung. Es ist ein höchst bedauerlicher Zustand, daß heute noch Heilungs- und sogar Überlebenschancen im Krankheitsfall vom zufälligen Aufenthaltsort abhängen.
({12})
Dieser Mißstand läßt sich nur ändern, wenn das Krankenhauswesen neue finanzielle Grundlagen erhält.
Die Regierungsvorlage sieht eine solche Bestimmung für das Krankenhauswesen nicht vor. Der Herr Bundesfinanzminister hat hierzu keine Ausführungen gemacht. Wie wir hören, hat das Bundeskabinett aber inzwischen außerhalb des Finanzreformgesetzes beschlossen, dem Parlament die Ausdehnung der konkurrierenden Gesetzgebung für die wirtschaftliche Sicherung der Krankenhausversorgung vorzuschlagen. Wir bitten die Bundesregierung, eine derartige Vorlage beschleunigt den gesetzgebenden Körperschaften zuzuleiten, damit sie gemeinsam mit dem Finanzreformgesetz verabschiedet werden kann.
Meine Damen und Herren, verschiedene Aufgabenbereiche, die ebenfalls einer Neuordnung bedürfen, werden im Regierungsentwurf nach unserer Auffassung nicht hinreichend berücksichtigt. Meine Fraktion geht bei der Gesamtbeurteilung der Regierungsvorlage aber davon aus, daß diese Bereiche von der im Art. 104 a Abs. 3 des Grundgesetzes vorgesehenen Finanzierungskompetenz für öffentliche Investitionen erfaßt werden. Bei diesen Aufgabenbereichen handelt es sich um den Wohnungsbau, die Städtesanierung und Dorferneuerung und gemeindliche Verkehrseinrichtungen sowie - in diesem Fall auf der Grundlage der neueinzuführenden Gesetzgebungszuständigkeit - um die wirtschaftliche Sicherung der Krankenhausversorgung, von der ich soeben gesprochen habe. Aus diesem Katalog hat der Herr Bundesfinanzminister nur die Verkehrsfinanzierung in den Gemeinden und den Wohnungsbau genannt. Meine Fraktion legt Wert darauf, daß auch die Städtesanierung und die Dorferneuerung in die Finanzierungskompetenz des Bundes nach Art. 104 a Abs. 3 des Grundgesetzes einbezogen werden.
({13})
Wenn gewährleistet werden soll, daß diese Erweiterung gesichert wird, ist noch zu klären, ob es bei der jetzigen Formulierung bleiben kann oder ob diese Bestimmung, deren Einführung wir im Grundsatz begrüßen, eine andere Fassung erhalten muß. Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion behält sich vor, zu diesem Fragenkomplex in den Ausschußberatungen Ergänzungs- oder Änderungsvorschläge zu machen.
Mit der Finanzierungskompetenz des Bundes zur Investitionsfinanzierung in Abwehr einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts ist meine Fraktion erklärlicherweise von vornherein ,einverstanden. Wir halten diese Regelung für eine notwendige und zweckmäßige Ergänzung des wirtschafts- und finanzpolitischen Instrumentariums, das uns mit dem Stabilitäts- und Wachtstumsgesetz zur Verfügung steht. Wir sollten nach den Erfahrungen der hinter uns liegenden Rezession - darauf hat auch der Herr Bundesfinanzminister bereits aufmerksam gemacht diese Bestimmung in das Grundgesetz aufnehmen. Ich darf hinzufügen, daß bei der Bekämpfung der Rezession der kooperative Föderalismus nach unserer Auffassung seine erste Bewährungsprobe bestanden hat. Diese Feststellung macht aber nicht entbehrlich, daß wir für eine solche unerläßliche Zusammenarbeit eine klare verfassungsrechtliche Grundlage sichern.
Nun zum großen Steuerverbund. Einer neuen Aufgabenverteilung zwischen Bund und Ländern muß eine Neuordnung der Steuerverteilung folgen. Das ist eine ganz besonders wichtiger Satz, den ich unterstreichen muß, weil man nicht davon ausgehen kann, daß die jetzige Finanzsituation und die
jetzige Aufteilung der Steuern erhalten bleiben
können, wenn diese Finanzreform verwirklicht wird.
({14})
Es geht dabei vor allem um die Einführung des großen Steuerverbundes. In diesem Punkt haben wir eine Entscheidung nachzuholen, zu der sich schon der Parlamentarische Rat bekannt hat. Sein Finanzausschuß hatte folgende Bestimmung in Art. 122 b des Verfassungsentwurfs vorgesehen:
Umsatzsteuer und Einkommen- und Körperschaftsteuer sind gemeinsame Einnahmen des Bundes und der Länder; die beiden zufallenden Anteile werden durch Bundesgesetz bestimmt.
({15})
Dieser Vorschlag scheiterte, wie Ihnen bekannt ist, nur am Einspruch der Hohen Kommissare. Jeder, der den großen Steuerverbund ablehnt, begibt sich in die Nähe der Beweggründe der Hohen Kommissare, Beweggründe, die ich hier im einzelnen nicht vorzutragen brauche.
({16})
Daß das Finanzverfassungsgesetz aus dem Jahre
1955 das Aufkommen der Einkommen- und Körperschaftsteuer gleichberechtigt Bund und Ländern zuwies, war immerhin ein Fortschritt. Mit der Schaffung der gemeinsamen Ertragshoheit über die Einkommen- und Körperschaftsteuer wurde die enge Verzahnung der Finanzwirtschaften von Bund und Ländern verfassungsmäßig bestätigt.
Auf diesem Weg müssen wir weitergehen. Die Erfahrungen seit 1955 haben gezeigt, daß die Einkommen- und Körperschaftsteuer allein das bundesstaatliche Finanzausgleichssystem nicht sichern kann. Die Verbundmasse muß, um den Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern zu stabilisieren, so zusammengesetzt sein, daß sich bei beiden Partnern ein gleichmäßigeres Steuerwachstum als in der Vergangenheit ergibt. Daran sollten auch die Länder interessiert sein, das um so mehr, als nach dem Stabilitäts- und Wachstumsgesetz zur Konjunkturanregung die Einkommen- und Körperschaftsteuer gesenkt und ein Abzug von der Einkommen- und Körperschaftsteuer für Investitionen gewährt werden kann, was nach dem jetzigen Verteilungsschlüssel überwiegend zu Lasten der Länder geht. Nach der Einführung des großen Steuerverbundes - an seiner Einführung läßt die 'sozialdemokratische Bundestagsfraktion nicht rütteln - werden Neufestsetzungen der Verbundanteile wegen unterschiedlicher Entwicklungen auf der Einnahmenseite wesentlich seltener werden. Ein solcher Zustand kann für die Beziehungen zwischen Bund und Ländern nur förderlich sein. Der Herr Bundesfinanzminister hat diese Frage, die für unser bundesstaatliches Klima in den letzten Jahren wirklich nicht unbedeutend gewesen ist, so wie ich ihn verstanden habe, mit der gleichen Tendenz angeschnitten.
Durch den Übergang zur Mehrwertsteuer am 1. Januar dieses Jahres sind gewisse Unsicherheiten über die künftige Entwicklung dieser Steuer ent standen. Das war aber bereits vorher bekannt. Eine solche Entwicklung war auch schon abzusehen, als Bundeskanzler und Ministerpräsidenten einen gemeinsamen Auftrag an die Finanzreformkommission erteilten.
Gewisse Bedenken der Länder gehen darauf zurück - und der Herr Bundesfinanzminister ist hierauf eingegangen -, daß sie bei der Einführung des
großen Steuerverbundes auf einen Teil der wachstumsstarken Einkommen- und Körperschaftsteuer verzichten müssen. Die Länder weisen darauf hin, daß demgegenüber das Ausgabenwachstum, so wie die Aufgaben zur Zeit verteilt sind, in den nächsten Jahren bei den Ländern und Gemeinden stärker als beim Bund sein wird. Dieser Hinweis gilt jedoch nur unter der Voraussetzung der bestehenden Aufgabenverteilung, worauf ich schon hingewiesen habe. Wenn aber, wie es die Regierungsvorlage vorsieht, die Bemessung der Anteile an den Verbundsteuern auf der Grundlage der neu zu regelnden Aufgabenverteilung und einer zwischen den Gebietskörperschaften abgestimmten mehrjährigen Finanzplanung vorgenommen wird, wird es möglich sein, auch künftige Ausgabenentwicklungen bei der Festsetzung der Anteile zu berücksichtigen und sicherzustellen, daß die Steuereinnahmen dort zur Verfügung stehen, wo die Aufgabenschwerpunkte und Ausgabenprioritäten liegen. Eine solche Regelung erfordert, daß das Verteilungssystem, um der veränderten Aufgabenstellung gerecht werden zu können, elastisch ist.
Der große Steuerverbund wird jedoch die Steuerkraftunterschiede zwischen den Ländern nicht beseitigen; das sollte hinzugefügt werden. Wie groß diese Unterschiede heute sind, hat der Herr Bundesfinanzminister ausgeführt; ich verweise auf diesen wichtigen Abschnitt seiner Rede, der in den Ausschußberatungen sicher eine besondere Rolle spielen wird. Auch künftig wird also im Interesse der finanzschwachen Länder durch den horizontalen Länderfinanzausgleich eine Korrektur erforderlich sein. Deshalb stellt sich die Frage, wie in Zukunft das Problem der unterschiedlichen Finanzausstattung der Länder gelöst werden soll. Der Bundesrat hat einer Intensivierung dieses Ausgleichs zugestimmt. Vom Land Niedersachsen ist vorgeschlagen worden, das Finanzausgleichssystem grundsätzlich zu verändern. Danach soll das Prinzip der Steuerverteilung nach dem regionalen Aufkommen aufgegeben und an dessen Stelle ein Finanzausgleichsystem gesetzt werden, das sich auf Bedarfsmerkmale gründet. Ein solches System würde eine einstufige Verteilung der Steuereinnahmen ermöglichen und damit den horizontalen Finanzausgleich völlig überflüssig machen.
Für den Vorschlag sprechen wirklich einige gewichtige Gründe.
({17})
Ich sage das, obwohl ich nicht aus Niedersachsen komme, sondern aus Baden-Württemberg, einem finanzstarken Land. Aber das darf hier nicht der Ausgangspunkt für eine Stellungnahme und die Begründung einer Stellungnahme sein. Meine Damen und Herren, es ist richtig, daß mit zunehmender
Konzentration und Automation in der Wirtschaft das regionale Steueraufkommen und zwar das aller großen Steuern - immer mehr den Charakter des Zufälligen erhält und mit der Wertschöpfung innerhalb der Länder wie mit deren Finanzbedarf nur noch unzureichend in Zusammenhang steht. Mit einer solchen Verteilung der Steuereinnahmen werden wir es nur schwer erreichen können, daß in allen Ländern halbwegs gleiche Voraussetzungen bei der Erfüllung öffentlicher Aufgaben hergestellt werden.
Ich bin mir darüber aber klar, daß einem solchen System der Verteilung nach dem Bedarf die traditionellen Vorstellungen vom Föderalismus und von der Eigenstaatlichkeit der Länder entgegenstehen. Man könnte einen solchen Standpunkt nur begründen, wenn man das in einem von Professoren für ein Ministerium erstellten wissenschaftlichen Gutachten unterbrächte. Aber der Politiker muß sich nach den Realitäten richten. Wir werden uns daher meines Erachtens damit behelfen müssen, durch eine neue Aufgabenverteilung und eine allerdings spürbare Intensivierung des Länderfinanzausgleichs den Zielen dieses Vorschlags des Landes Niedersachsen möglichst nahezukommen.
Wir bitten daher die Bundesregierung, entsprechend der Ankündigung des Herrn Bundesfinanzministers in seiner heutigen Rede alsbald einen Gesetzentwurf zur Änderung des Länderfinanzausgleichsgesetzes vorzulegen. Mit diesem Gesetz sollten die Steuerkraftunterschiede instärkerem Maße als bisher ausgeglichen und gewisse Lasten berücksichtigt werden, wie es im geltenden Länderfinanzausgleichsgesetz im Ansatz schon der Fall ist. Solange eine neue gesetzliche Regelung fehlt, können wir ohne Ergänzungszuweisungen des Bundes an finanzschwache Länder - wie das im Bundeshaushalt 1967 und verstärkt im Bundeshaushalt 1968 geschehen ist - leider nicht auskommen. Ich persönlich halte das für einen wenig erfreulichen Zustand.
Auf die Fragen der Steuergesetzgebung und der Steuerverwaltung will ich nicht eingehen. Wir sollten diese Fragen in erster Linie unter dem Gesichtspunkt sehen, welche Änderungen zweckmäßig sind, um auch in diesen Bereichen zu vernünftigen Lösungen zu kommen.
Nun, meine Damen und Herren, zu dem schwierigsten Kapitel, der Gemeindefinanzreform. Wenn ich mich jetzt diesem Komplex zuwende, so möchte ich zunächst noch einmal und mit Nachdruck hervorheben, daß für uns Sozialdemokraten die Neuordnung der kommunalen Finanzen als ein unabdingbarer Bestandteil der Finanzreform gilt. Es wird wohl kaum jemand der Feststellung widersprechen, daß die Gemeinden ihre Aufgaben, insbesondere die der Infrastruktur, seit Jahren nicht mehr in dem erwünschten Ausmaß erfüllen können. Das gilt in hohem Maße für die Städte. Bei ihnen fiel von 1961 bis 1965 der Überschuß des laufenden Haushalts - aus diesem Überschuß sollten in der Hauptsache die Investitionen finanziert werden - um 38 DM je Einwohner; das ist ein Rückgang um 32,3 v. H. Dieses Absinken der Investitionskraft in den Städten war in dem hinter uns liegenden Jahr der Rezession besonders nachteilig und gefährlich und wirkt noch fort. Wenn dieser Entwicklung nicht Einhalt geboten wird, gefährden wir den weiteren Ausbau der Infrastruktur, ohne den die wirtschaftliche Entwicklung mit ihrem drängenden Tempo nicht gesichert werden kann. Diese Einsicht gilt kurzfristig für die Konjunktur, langfristig aber auch für das stetige Wirtschaftswachstum und damit für die allgemeine Wohlstandsentwicklung.
Der bedenkliche Zustand der Kommunalfinanzen kommt auch darin zum Ausdruck, daß der Anteil der Gemeinden an den Steuereinnahmen der gesamten öffentlichen Hand laufend zurückgegangen ist, während die Anforderungen, wie bekannt, ständig und zwangsläufig wachsen. Der gemeindliche Anteil an den Gesamtsteuereinnahmen betrug 1959 noch 14,7 v. H. und wird 1968 auf 11,9 v. H. absinken.
Wir bedauern sehr, daß die Regierungsvorlage nicht klar genug erkennen läßt, zu welchem Zeitpunkt und in welcher Höhe die kommunale Finanzmasse aufgestockt werden soll. Der Herr Bundesfinanzminister hat erklärt, daß diese Aussage konkretisiert werden muß und daß er dafür sorgen wird, daß so bald als möglich weitere Entscheidungen getroffen werden. Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion hält es für unerläßlich, daß die kommunale Finanzmasse mit Inkrafttreten der Finanzreform spürbar erhöht wird; ich habe den Mut, eine Zahl zu nennen: nach dem derzeitigen Stand um mindestens 2 Milliarden DM jährlich. Ich habe beinahe den Eindruck, daß wir uns mit dieser Zahl in Übereinstimmung mit dem Herrn Bundesfinanzminister befinden; denn er hat in seiner Rede darauf aufmerksam gemacht, der Städtetag wünsche 4 Milliarden DM, und hat dann wörtlich gesagt: „Man wird nach Lage der Dinge auch schon mit einem Teilergebnis zufrieden sein können." Wenn wir 2 Milliarden DM als Mindestforderung erheben und der Städtetag 4 Milliarden DM wünscht, ist das ein Teilergebnis, auf das man sich verständigen könnte.
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- Darauf komme ich noch zu sprechen.
Dieser Betrag entspricht ungefähr dem jährlichen Verlust der Gemeinden aus dem Absinken ihres Anteils an den Steuereinnahmen der öffentlichen Hand seit dem Jahre 1959. Auf die Deckungsfrage, die Sie sicher stellen werden, gehe ich noch ein. Lassen Sie mich aber bitte daran erinnern, daß es noch vor zwei Jahren nicht für möglich gehalten wurde, den Gemeinden nennenswerte Mittel z. B. für ihre Verkehrsinvestitionen zur Verfügung zu stellen. Mittlerweile sind sie mit einem Jahresbetrag von mehr als 700 Millionen DM am Mineralölsteueraufkommen beteiligt. Der Herr Bundesfinanzminister hat vorhin dargelegt, daß sich diese Beteiligung bis 1972 auf etwa 950 Millionen DM erhöhen wird. Seit Bestehen der Großen Koalition sind den Gemeinden darüber hinaus weitere Mittel im Rahmen des Konjunkturprogramms zugeflossen. Ich nenne außerdem das ERP-Kreditprogramm dieses Jahres. Alles das, was hier geschehen ist, stellt aber - das werden Sie mir zugeben müssen Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller
keine grundsätzliche und keine ausreichende Lösung dar.
Diese Feststellungen sollten uns nicht dazu verführen - ich muß das wegen des soeben vorgetragenen Standpunktes des Herrn Bundesfinanzministers sagen -, z. B. die gesetzlich begründete und in die mittelfristige Finanzplanung eingeplante Mineralölsteuerbeteiligung jetzt noch einmal unter die Maßnahmen zu stellen, die in der Zukunft der Verstärkung der kommunalen Finanzmasse dienen. Für die Gemeinden wird es auch wenig bedeuten, wenn man auf eine in ihrem finanziellen Effekt völlig unsichere Grundsteuererhöhung verweist, die frühestens ab 1972 in Kraft treten kann. Es bleibt also nur - und ich bin Ihnen, Herr Kollege Strauß, dankbar, daß Sie hierauf mit bemerkenswerter Klarheit hingewiesen haben , daß Bund und Länder in ihren Finanzplanungen Mittel für die Verstärkung der Gemeindefinanzmasse frei machen. Ich komme darauf noch zurück. In Ihrer Rede befindet sich ein so beachtlicher Passus, daß ich ihn der Aufmerksamkeit des Hohen Hauses empfehle; er stellt sozusagen ein Grundsatzprogramm für die weitere Entwicklung dar.
Bei allem handelt es sich um Regelungen für die Jahre ab 1970. Wir müssen daher überlegen, in welcher Weise wir für das Jahr 1969 weitere Soforthilfemaßnahmen möglich machen können. Der Ansatzpunkt wird die noch im Laufe dieses Jahres erforderliche Neufestsetzung der Anteile an der Einkommen- und Körperschaftsteuer sein müssen, wobei ich von mir aus hinzufüge, daß der Bund sich nur im Jahre 1969 in einer vergleichsweise besseren Situation befindet als Länder und Gemeinden und mit einer höheren Zuwachsrate rechnen kann. Das gilt nur einmalig für 1969, und zwar wegen besonderer Einflüsse und der niedrigeren Ausgangsbasis für das Jahr 1968. Dieser Hinweis ist sehr wichtig, weil wir sonst in der Überlegung, wie wir die Finanzmasse der Gemeinden erweitern können, zu falschen Schlußfolgerungen gelangen würden.
Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion ist nicht der Auffassung - lassen Sie mich das gleich vorwegnehmen -, daß man die kommunale Finanzreform mit einer Umlage eines großen Teils der Gewerbesteuer von den Gemeinden auf den Bund und die Länder beginnen kann, wodurch der Abbau dieser Steuer vorbereitet werden soll.
Wenn man, wie es die Regierungsvorlage vorsieht und wie es der Herr Bundesfinanzminister begründet hat, die Gewerbesteuer um 40 v. H. senkt, so würde nach seinen Angaben eine Deckungslücke von 5 Milliarden DM entstehen. Rechnet man die Erhöhung der kommunalen Finanzmasse hinzu - hier will ich einmal von den Vorstellungen der kommunalen Spitzenverbände ausgehen, nämlich von der geforderten Erhöhung um 4 Milliarden DM abzüglich der Mineralölsteuerbeteiligung -, so ergibt sich eine Lücke von mehr als 8 Milliarden DM im Jahr. Diese Summe wird bis 1972 - in diesem Jahr soll nach dem Regierungsvorschlag die Gewerbesteuer gesenkt werden - noch ansteigen.
Einen solchen Betrag aufzubringen würde uns vor unlösbare Schwierigkeiten stellen.
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Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion hält es in diesem Zusammenhang für indiskutabel, solche Beträge, etwa nach dem Vorschlag der Finanzreformkommission, durch eine Erhöhung des Mehrwertsteuersatzes aufbringen zu wollen, der dann von 11 v. H. auf mindestens 15 v. H. angehoben werden müßte; ausgehend von einem Betrag, der ungefähr bei 8,5 Milliarden DM liegen wird.
Dann müssen Sie noch berücksichtigen - das hat der Herr Bundesfinanzminister erklärt -, daß die Gewerbesteuer zu 77 v. H. von einem kleinen Prozentsatz der Betriebe - er nannte dabei 5 v. H. - aufgebracht wird. Sie müssen sich diese ungeheure Verlagerung vorstellen. Ich bin bei meinen bisherigen Berechnungen immer von einem Gewerbesteueraufkommen von 11 Milliarden DM ausgegangen. 40 v. H. davon sind 4,4 Milliarden DM. Diese 4,4 Milliarden DM werden bisher zu 77 v. H. von 5 v. H. der beteiligten Betriebe getragen und würden dann auf einkommensschwache Schichten verlagert werden.
Der Herr Bundesfinanzminister hat in dem Abschnitt seiner Rede „Verlagerungen von Deckungsmitteln des Bundes und der Länder zu den Gemeinden" bemerkenswerte Ausführungen gemacht. Ich hatte nicht den Eindruck, daß sie in ihren Auswirkungen in diesem Hohen Hause schon voll gewürdigt wurden. Deswegen gestatten Sie mir daraus ein Zitat:
Hier besteht die Schwierigkeit - das muß ich mit aller Deutlichkeit sagen --, daß diesen Mehreinnahmen bei Bund und Ländern wachsende Mehrausgaben gegenüberstehen und die Mehreinnahmen daher bereits im Rahmen der mehrjährigen Finanzplanungen für anderweitige Aufgaben vorgesehen sind. Es gilt daher, bei Bund und Ländern die Finanzplanung so umzustellen, daß Mittel für die Verstärkung der Gemeindefinanzmasse frei gemacht werden, d. h.
- so hat es heute der Herr Bundesfinanzminister gesagt es müssen Einsparungen an den in Aussicht genommenen Leistungen auf dem staatlichen Sektor in entsprechender Höhe beschlossen werden.
Meine Damen und Herren, nach allem, was wir bisher durchgemacht haben, angefangen beim Haushaltssicherungsgesetz bis hin zur mittelfristigen Finanzplanung, seien Sie sich über alle hier deutlich und mit Recht deutlich ausgesprochenen Konsequenzen im klaren! Dann werden Sie wahrscheinlich auch den Standpunkt der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion eher verstehen.
({20})
- Herr Kollege, es ist ja die Frage, wie die Finanzmasse der Gemeinden angereichert werden soll. Ich
habe bisher, auch nach der Darstellung des Herrn Bundesfinanzministers, den Eindruck gehabt, daß wir uns darüber einig sind, zu einer Aufbesserung der Mittel für die Gemeinden kommen zu müssen. Wenn dazu aber noch eine so erhebliche Einschränkung einer Gemeindesteuer tritt, die für die Gemeinden einen Milliardenausfall zur Folge hat, müssen wir doch auch dieses Loch stopfen. Wenn wir zwei Milliarden geben und die Gewerbesteuer um fünf Milliarden reduzieren würden, entstünde die Lücke, von der gesprochen worden ist und die nach der Auffassung des Herrn Bundesfinanzministers zunächst einmal durch Steuereinnahmen von Bund und Ländern geschlossen werden sollte. Das ist unrealistisch. Wahrscheinlich wird Herr Finanzminister Kubel sich heute im Laufe des Tages damit noch auseinandersetzen. Man kann steuerschwachen Ländern nicht Finanzzuweisungen des Bundes geben und sich dann vorstellen, daß sie aus ihren Mitteln Löcher stopfen könnten, die auf diese Weise bei den Gemeinden entstehen.
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Eine Gewerbesteuersenkung, die mit einer ganz erheblichen Umverteilung der Steuerlast verbunden ist, kann keine Frage der Finanzreform sein. Sie muß einer Steuerreform vorbehalten bleiben, zu deren gründlicher Vorbereitung wir schon vor Monaten eine Expertenkommission beantragt haben. Wir bitten Sie nochmals um Ihre Zustimmung zu diesem Antrag. Ich darf mich dabei auf Ausführungen beziehen, die der Herr Bundesfinanzminister in einer der letzten Sitzungen in diesem Hohen Hause gemacht hat und die durchaus zustimmend zu diesem Antrag gehalten waren. Wir sehen es nicht als sinnvoll an, eine Gewerbesteuersenkung für das Jahr 1972 schon jetzt in der Verfassung zu verankern, obgleich die Bundesregierung erklärt, daß ein Augleich in dieser Legislaturperiode nicht mehr erfolgen wird, weil die Entwicklung des Aufkommens der Mehrwertsteuer, der Fortgang ihrer Harmonisierung in der EWG und eine umfassende Steuerreform abgewartet weden sollen, wie es die Regierung in Ziffer 229 der Vorlage ausgeführt und wie es im Grunde der Herr Bundesfinanzminister heute wiederholt hat.
Ich will außerdem erwähnen, daß wir Sozialdemokraten nicht die Begründung gelten lassen, der vorgeschlagene Abbau der Gewerbesteuer sei aus Gründen der Harmonisierung der Steuersysteme in der EWG geboten. Eine Reduzierung der Gewerbesteuer würde einen einseitigen Vorgriff auf die Harmonisierung der direkten Steuern in der EWG darstellen, die selbst in ihren Grundzügen noch in keiner Weise abzusehen ist. Wir sind daher der Auffassung, daß auf die Einführung einer verfassungsrechtlichen Ermächtigung für eine Umlage der Gewerbesteuer - das ist ja die Konsequenz - verzichtet werden sollte.
Dem Vorschlag einer Beteiligung der Gemeinden an der Einkommensteuer stimmt meine Fraktion grundsätzlich zu. Nach unserer Konzeption kommt dieser Beteiligung, bis im Rahmen einer großen Steuerreform und bis zu einer endgültigen Regelung im EWG-Raum über die Gewerbesteuer entschieden ist, die Funktion einer Verstärkung der kommunalen Finanzmasse zu.
Bevor der Deutsche Bundestag über die Beteiligung der Gemeinden an der Einkommensteuer Einzelentscheidungen treffen kann, ist die Vorlage - da sind wir wohl alle einig - konkreten Zahlenmaterials erforderlich. Die zur Zeit vorliegenden Vorschläge sind in ihren Wirkungen, insbesondere auf die sich daraus ergebende Steuerkraftverteilung zwischen den Gemeinden, nicht übersehbar. Die von uns angestrebte Neuordnung muß langfristig dazu führen, daß die Gemeinden nicht weniger am Steuerwachstum teilnehmen als die anderen Gebietskörperschaften. Sie muß weiter gewährleisten, daß die Gemeinden mit Zentralfunktionen die Mittel erhalten, die zur Bewältigung ihrer besonderen Aufgaben erforderlich sind. Die Frage der Einführung kommunaler Hebesätze gehört nach unserer Auffassung in den Zusammenhang der großen Steuerreform. Ich darf daran erinnern, daß Herr Kollege Strauß auf die steuerrechtlichen und steuertechnischen Probleme hingewiesen hat, die mit der Einführung von Hebesätzen verbunden sind.
Eine Gemeindefinanzreform, wie ich sie skizziert habe, stellt uns vor keine unüberwindbaren Dekkungsschwierigkeiten. Ich gehe dabei auch davon aus, daß eine zielbewußte Wirtschaftspolitik, wie sie das Stabilitäts- und Wachstumsgesetz gebietet, zu einem gleichgewichtigen wirtschaftlichen Wachstum führt und es damit der öffentlichen Hand erleichtert wird, ihre Finanzierungsprobleme zu lösen.
Wir Sozialdemokraten sehen die Deckungsfrage ferner im Zusammenhang mit der mittelfristigen Finanzplanung der öffentlichen Hand. Sie wissen, daß sich Bund und Länder im Vorgriff auf eine gesetzliche Regelung zur Bildung eines Finanzplanungsrates entschlossen haben. An diesem Finanzplanungsrat, der inzwischen seine Arbeit aufgenommen hat, sind die Gemeinden erfreulicherweise beteiligt. In diesem Greminum wird eine Abstimmung der Finanzplanungen der gesamten öffentlichen Hand vorzubereiten sein, wobei die sich aus der Finanzreform ergebende veränderte Aufgabenverteilung zu berücksichtigen ist. In einem solchen Rahmen werden neue Schwerpunkte und Prioritäten der öffentlichen Aufgaben gesetzt werden müssen. Ohne den Ergebnissen dieser Finanzplanung vorzugreifen, möchten wir keinen Zweifel daran aufkommen lassen, daß wir Sozialdemokraten dem kommunalen Investitionsbedarf eine besondere Priorität zumessen.
Im übrigen sehe ich es als eine durchaus lösbare politische Aufgabe an, im Rahmen einer wachsenden Wirtschaft bei einem Steueraufkommen von 120 Milliarden DM und mehr einen Betrag von 2 bis 4 Milliarden DM für dringliche Infrastrukturmaßnahmen bereitzustellen. Da es sich hier um die Finanzierung wachstumsfördernder Investitionen handelt, halte ich es sogar in einer Übergangszeit für vertretbar, wenn Bund und Länder in dem Maße, in dem sie in ihren Haushalten Raum für gemeindliche Investitionen schaffen, notfalls und wenn möglich den Kapitalmarkt in Anspruch nehmen - nicht, bis es nicht mehr weitergeht, wie Herr Kollege Strauß vorhin zugespitzt formulierte, sondern selbstDr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller
verständlich nur für eine Übergangszeit. Das alles setzt voraus, daß nicht durch eine voreilige Senkung der Gewerbesteuer Deckungslücken von größtem Ausmaß geschaffen werden.
Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluß. Mit dem Finanzreformgesetz geht es nicht in erster Linie um fiskalische, sondern in hohem Maße um gesellschaftspolitische Entscheidungen. Sie reichen in ihren Konsequenzen so weit, daß wir damit über die Lebensbedingungen aller Bürger unseres Bundesstaates mit entscheiden. Wir haben die Pflicht, die finanziellen Mittel, die der öffentlichen Hand von den Steuerzahlern zur Verfügung gestellt werden, so wirksam wie möglich zu verwenden, um den Anforderungen dieser Zeit gerecht werden zu können. Hier überzeugend beispielhaft zu handeln, verpflichtet uns auch unsere Lage als geteilte Nation.
Aus der Bedeutung dieser Aufgabe ergibt sich eine große Verantwortung, unter der wir alle stehen, die wir an diesen Entscheidungen mitarbeiten. Wir haben die Chance, mit diesem Werk, das in vielerlei Hinsicht seine endgültige Gestalt erst noch im Verlauf der Beratungen dieses Parlaments gewinnen muß, unter Beweis zu stellen, daß unser Gemeinwesen und die es tragenden politischen Parteien die Kraft haben, grundlegende, vorwärtsgerichtete Reformen gemeinsam zu planen und durchzusetzen. Mit solchen Entscheidungen tragen wir wirkungsvoll dazu bei, daß unsere staatliche Ordnung glaubwürdig bleibt. Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion wird alles tun, um erreichen zu helfen, daß diese Finanzreform gelingt.
({22})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Pohle.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst möchte ich namens der CDU/CSU-Fraktion auch von mir aus den Mitgliedern der Kommission für die Finanzreform herzlich danken, die, wie der Bundesfinanzminister zu Recht ausgeführt hat, unter dem Namen Troeger-Kommission einen fast legendären Ruf erhalten hat. Mein Dank gilt auch den Beamten des Bundesfinanzministeriums und der übrigen Ministerien, insbesondere den Mitgliedern des Bund-LänderAusschusses; hier erwähne ich besonders die Namen von Herrn Staatssekretär Professor Hettlage und Herrn Staatsminister Dr. Heubl. Nicht zum wenigsten gilt aber - gleich den Ausführungen des Herrn Kollegen Möller - mein Dank dem gesamten Bundeskabinett, daß es die Vorlage so rechtzeitig gebracht hat, daß das Parlament in der Lage ist, sie noch im Laufe dieser Legislaturperiode zu verabschieden.
Meine Damen und Herren, ein Blick in die Verfassungsgeschichte zeigt, daß die Finanzverfassung zu jenen Teilen bundesstaatlicher Ordnung gehört, die nie zur Ruhe kommen. Zwei geschichtliche Fakten - sie sind teilweise erwähnt -, die Frankensteinsche Klausel aus dem Jahre 1879 und die Erzbergersche Finanzreform des Jahres 1920, beleuchten, was damit gesagt sein soll. Auch ein Hinweis auf unsere Zeit genügt. Die Finanzverfassung des Grundgesetzes, über deren Unzulänglichkeit sich, wie wir soeben gehört haben, schon der Parlamentarische Rat im klaren war, begann bereits 1950, insbesondere aber durch die Schäfferschen Finanzänderungsgesetze von 1955 und 1956, ihr Gesicht zu ändern. Es ist offensichtlich, daß gerade die Finanzverfassung empfindlich auf die tatsächliche Entwicklung des Verfassungslebens reagiert, also auf das, was wir Verfassungswirklichkeit nennen.
Aber auch ein Blick in die Vergangenheit zeigt, daß sich Finanzverfassungsreformen nur unter großen Anstrengungen der gesetzgebenden Körperschaft verwirklichen ließen. In einem Bundesstaat gehört der Aufbau eines wirkungsvollen Finanzsystems nun einmal zu den schwierigsten Aufgaben, die dem Verfassungsgesetzgeber aufgegeben sind. Ihre besondere politische Problematik liegt in dem Spannungsverhältnis zwischen der Rücksichtnahme auf den Föderalismus einerseits, dem Sachzwang volkswirtschaftlicher und sozialpolitischer Zielsetzungen insgesamt andererseits. Schon Bismarck hat einmal anläßlich einer finanzpolitischen Debatte gesagt: „Ich appelliere an Ihren Patriotismus; denn ich hasse es, in Finanzsachen so große Worte zu gebrauchen. Ich appelliere einfach an Ihr Pflichtgefühl." Nun, mir scheint dieser Appell auch hier angebracht zu sein, wenn man sich die außerordentliche Bedeutung dieses Reformwerks vor Augen hält.
Mit dieser Reform soll das Finanzverfassungssystem so weiterentwickelt werden, daß die großen staatspolitischen Aufgaben heute und in Zukunft wirksam erfüllt werden können. Die großen Zukunftsaufgaben werden nur in enger Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern gelöst, die damit verbundenen Investitionen nur im Zusammenwirken zwischen Bund und Ländern aufgebracht werden können. Niemand auch in diesem Hohen Hause Hause denkt daran, die Eigenstaatlichkeit der Länder zu beeinträchtigen und den föderativen Aufbau unseres Staates zu gefährden. Hier im Föderalismus, auch im Föderalismus, so wie wir ihn im Grundgesetz haben, sind die starken Wurzeln unserer Kraft. Das ist einer der Grundpfeiler unserer staatlichen Ordnung, und sie hat sich in den letzten 20 Jahren im großen gesehen bewährt. Für die Fortbildung eines kooperativen Föderalismus muß jedoch die Finanzreform die notwendigen Voraussetzungen schaffen. Sie soll - wenn ich mich auf Grund eines Wortes, das ich gestern gehört habe, so ausdrücken darf - den Föderalismus gegen sich selbst schützen.
({0})
Die Demokratie in Deutschland wird jetzt und in den kommenden Jahren zeigen müssen, ob sie. fähig ist, diesen Staat zu regieren ({1})
Herr Kollege Möller hat mit diesem Appell geschlossen -, d. h. so kraftvoll zu führen und zu
lenken, daß das Volk von der Richtigkeit dieser Staatsform überzeugt ist und auch in seinen derzeitig widerspenstigen Teilen auf die Dauer davon überzeugt sein wird.
Ich glaube, es hat noch keine Zeit gegeben, in der Parlament und Regierung vor so schwierige Aufgaben gestellt waren wie heute. Die ungeheure, temporeiche technische, wirtschaftliche und soziale Entwicklung verändert die Welt immer wieder aufs neue. Der Generationswechsel, der sich früher vielleicht alle 30 Jahre vollzog, braucht heute eine wesentlich kürzere Zeit. Die Generationen sind näher zusammengerückt, und in der Unruhe der Jugend spüren wir die aufeinanderprallenden Generationsgegensätze. Das alles stellt uns vor schwierige Probleme, und wir haben den Nachweis zu erbringen, daß wir die geistige Beweglichkeit besitzen, sie rechtzeitig zu erkennen und die inneren menschlichen Kräfte gegenüber dem Kollektiv immer wieder neu freizulegen, daß wir die Kraft haben zur Reform, wo diese von der Sache her geboten ist.
({2})
Gerade im finanzpolitischen Bereich ist manches reformbedürftig geworden, und es wäre fatal, an überholten Formen festzuhalten und notwendige Reformen aufzuschieben.
({3})
Das Volk reagiert hierauf eben mit Unmut und Staatsverdrossenheit. Die Geschichte lehrt uns, daß die Tradition, wenn sie als überholt und unangenehm empfunden wird, nun einmal radikale Bewegungen auslöst. Auch der Föderalismus muß sich mit dieser modernen Welt arrangieren, wenn er krisenhafte Entwicklungen vermeiden will.
({4})
Freilich, meine. Damen und Herren, gerade die Finanzverfassung trägt die föderativen Züge eines Bundeststaates. Wir müssen uns darüber im klaren sein, daß die Ausgestaltung der Bestimmungen über das Finanzwesen den Kern des Föderalismus berühren. Es ist also nicht nur legitim, sondern geradezu verfassungsrechtlich geboten, alle Entscheidungen dieses Reformwerkes an Art. 79 des Grundgesetzes zu messen, der die bundesstaatliche Ordnung garantiert. Wenn heute auf diesem oder jenem Gebiet nach Bundeszuständigkeiten gerufen wird mit der Begründung, die Länder hätten eine Angelegenheit - diese Angelegenheit, jene Angelegenheit - nicht zur Zufriedenheit gelöst, so ist das weder ein verfassungsrechtliches noch 'ein verfassungspolitisches Argument für die neue Übertragung von Zuständigkeiten an den Bund. Wer den Föderalismus bejaht, darf sich das nicht ganz so einfach machen. Es wird nämlich nur allzu gern behauptet, der Föderalismus sei unwirtschaftlich. Ich persönlich halte den Zentralismus durchaus nicht für das optimale Verwaltungssystem. Wer die Praxis kennt, weiß, daß Gründe der Rationalisierung und der technischen Durchführung in vielen Beziehungen für eine Dezentralisation der öffentlichen Aufgaben sprechen. Die Bevölkerung muß auch die Möglichkeit persönlicher Kontakte zu jenen Dienststellen haben, die ihrer Eigenart entsprechen. Darüber hinaus hat jede staatliche Einrichtung eine, wenn auch nicht exakt qualifizierbare, so doch in ihrer Leistungseffizienz bestimmte optimale Größe, die eine weitgehende Dezentralisation notwendig macht. Wir wissen doch alle, daß ein Verwaltungsapparat, je größer er ist, sich um so mehr selbst verwaltet. Ein zentralistischer Staat ist nun einmal, wie wir aus geschichtlichen Erfahrungen wissen, nicht immer der beste. Das gleiche gilt übrigens für die Unternehmen der Privatindustrie. Einheitliche Richtlinien müssen überall sein, nach einheitlichen höheren Gesichtspunkten. Aber ein dezentralisiertes Unternehmen, das weitgehend Verantwortung an nachgeschaltete Gremien oder Stellen delegiert hat, ist ein mindestens ebenso gutes und tragfähiges Unternehmen wie ein sehr straff zentralisiert geführtes. Auch das lehrt uns die praktische Erfahrung.
Meine Damen und Herren, wie immer sich das Verhältnis zwischen Bund und Ländern entwickeln mag und welche Konsequenzen letztlich auch aus dem von Herrn Kollegen Möller angesprochenen Art. 29 des Grundgesetzes über die Neugliederung des Bundesgebietes gezogen werden, heute und hier steht nun das finanzielle Verhältnis des Bundes, der Länder und der Gemeinden zur Debatte.
Es ist nicht richtig, daß der Föderalismus im allgemeinen funktionsunfähig ist. Wir müssen ihn nur funktionsfähig gestalten, und das gerade ist das Ziel dieser Finanzreform. Aber eines sollten natürlich auch die Länder nicht verkennen. Der Unmut, der sich in den letzten Wochen und Monaten gegen den Föderalismus vielfach breitmacht, wird auf die Dauer gefährlich, wenn sich mangelhafte Zusammenarbeit untereinander bemerkbar macht. Die öffentliche Meinung reagiert auf regionale Unterschiede in öffentlichen Leistungen höchst unwillig. Es ist schon gesprochen worden, und ich betone es auch hier: es geht z. B. nicht an, daß Hochschulen in einem finanzstarken Land besser ausgestattet sind als Hochschulen in einem finanzschwachen Land. Hier muß sich die Ländersolidarität beweisen.
Wir haben bereits mit dem Stabilitätsgesetz die große Finanzreform eingeleitet. Dieses Gesetz stellt einen Teilbereich dieses Reformwerks dar. Nicht weniger dringlich erscheint mir eine Modernisierung der Reichshaushaltsordnung aus dem Jahre 1922. Erlauben Sie mir den trivialen Hinweis: an den Aufgaben der Staatswirtschaft hat sich ja inzwischen einiges geändert. Der Staat disponiert heute über 40 % des Sozialprodukts. Während die Privatwirtschaft das Rechnungswesen längst ihren Aufgaben und Bedürfnissen dienstbar zu machen verstand, befindet sich die Entwicklung des neuzeitlichen Rechnungswesens in den Kanzleien der öffentlichen Verwaltung noch immer im Anfangsstadium. In einer Zeit, in der der Staat die Konjunkturpolitik lenkt, muß der Haushalt so angelegt sein, daß er eine Übersicht über die volkswirtschaftlichen Wirkungen der öffentlichen Haushalte gibt. Dabei sollten wir unser besonderes Augenmerk auch auf die Finanzpublizität richten. Das demokratische Prinzip verlangt gerade in diesem Punkt die öffentliche Diskussion. Es gehört zu den vornehmsten Pflichten eines
demokratischen Rechtsstaates, das Volk zur politischen Aktivität anzuhalten. Das setzt eine verstärkte Öffentlichkeitsarbeit gerade bei der Gestaltung der öffentlichen Haushalte voraus. Wir müssen der breiten Öffentlichkeit ein wahres, vollständiges und verständliches Bild von den Problemen der öffentlichen Finanzwirtschaft vermitteln. Ich bin mir bewußt, daß die Verwirklichung dieses Grundsatzes voraussetzt, daß die Publizitätsscheu unserer Verwaltungsbürokratie überwunden wird.
Meine Damen und Herren, das Kernstück der großen Finanzreform bildet der vorliegende Gesetzentwurf. Das erste Problem besteht darin, die Kompetenzverhältnisse zwischen Bund und Ländern in bezug auf die Staatsaufgaben, die Staatseinnahmen und Staatsausgaben so zu gestalten, daß im Sinne eines kooperativen Föderalismus eine funktionsfähige öffentliche Finanzwirtschaft geleistet werden kann. Das Grundgesetz geht von der Vorstellung aus, daß alle öffentlichen Aufgaben reinlich in Bundes- und Landesaufgaben aufgeteilt werden können. In allen Bereichen staatlicher Tätigkeit spricht die Vermutung für die Länderzuständigkeit, die Zuständigkeiten des Bundes dagegen müssen ausdrücklich im Grundgesetz festgelegt sein. Für jeden ist leicht zu erkennen, daß diese Gewichtsverteilung im Laufe des Jahrzehnts oder der Jahrzehnte etwas illusorisch geworden ist. In den letzten Jahren hat sich auch gezeigt, daß die Ausgaben für große öffentliche Investitionen von überregionaler Bedeutung nur von Bund und Ländern gemeinsam geleistet werden können. Es ist nun einmal so, daß die Gesellschaft nach gleichmäßiger Befriedigung kultureller und zivilisatorischer Bedürfnisse auch in solchen Bundesländern drängt, die dem aus eigener Kraft nicht genügen können. Ich glaube auch nicht, daß man den Vertretern der gesamten Nation in diesem Hause ein richtig bemessenes Mitspracherecht bei der Erfüllung jener Aufgaben versagen kann, die nicht in erster Linie aus der Sicht eines Landes, sondern aus der Sicht des Gesamtstaates gesehen werden müssen.
Die Kooperation zwischen Bund und Ländern in diesen Bereichen erscheint mir daher auch von der Konzeption der Bundesstaates her geboten. Aber die Anzahl der Gemeinschaftsaufgaben muß im Interesse des bundesstaatlichen Prinzips so klein wie möglich gehalten werden. Ich kann es nur begrüßen, daß die Bundesregierung von ihrem ursprünglichen Programm abgewichen ist und sich mit den Ländern auf die jetzt vorgeschlagenen drei Gemeinschaftsaufgaben geeinigt hat. Die Sachverständigenkommission hatte bekanntlich vorgeschlagen, das Grundgesetz durch eine Generalklausel zu ergänzen dahin gehend, daß Bund und Länder bei der Erfüllung staatlicher Aufgaben zusammenwirken, wenn die Aufgaben für die Gesamtheit bedeutsam sind und einer gemeinsamen Planung bedürfen. Durch Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, sollte bestimmt werden, welche Aufgaben Gemeinschaftsaufgaben sind.
Bei der heutigen Dynamik des staatlichen Lebens ist nicht ausgeschlossen, daß in einigen Jahren andere Aufgaben in die Kategorie der Gemeinschaftsaufgaben hineinwachsen als die, die jetzt vorgesehen sind. Die Generalklausel hätte also den Vorteil, flexibel zu sein. Sie würde aber eine gefährliche Aushöhlung des Bundesstaatsprinzips mit sich bringen, und es bestünde die Gefahr, daß Gemeinschaftsaufgaben über das verfassungspolitisch vertretbare Maß hinaus geschaffen würden. Aber, meine Damen und Herren, die Regelung der Gemeinschaftsaufgaben darf nicht isoliert betrachtet werden, genausowenig, wie der Kollege Dr. Möller das getan hat. Wir müssen 'sie vielmehr im Zusammenhang mit den sie ergänzenden Vorschriften über die Forschung, die Ausbildungsförderung und insbesondere die Finanzierungszuständigkeit des Bundes für große Investitionen in Ländern und Gemeinden sehen.
Viele Redner - auch ich - haben bereits bei der Verabschiedung des Bundeshaushalts 1968 darauf hingewiesen, welche Bedeutung der Wissenschaft und Forschung für die Zukunft unserer Nation zukommt. Moderne Völker oder solche, die den Anspruch darauf erheben, modern zu sein, wie wir das tun - 'suchen ihre Ideale heute mehr in der Zukunft. Die Forschung erfordert infolge des hohen Standes der technischen Entwicklung einen derart hohen Kostenaufwand, daß ohne gemeinsame Planung und ohne Koordination ein rationeller Einsatz der Mittel gar nicht möglich ist. Der Bund muß daher die Zuständigkeit erhalten, mit den Ländern auf diesem weiten Felde zusammenzuwirken. Das sieht Art. 91 b des Grundgesetzes ausdrücklich vor.
Meine Damen und Herren, die Ausbildungsförderung ist eines jener Kapitel, in denen sich die Rechtszersplitterung am ehesten niedergeschlagen hat. Die Ausbildung gehört aber zu jenen Aufgaben, die für unsere Zukunft bestimmend sind. Die konkurrierende Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes scheint mir ein wirkungsvoller Weg zu sein, aus diesem Dilemma herauszukommen. Darüber besteht im Grundsatz zwischen der Bundesregierung und den Ländern erfreulicherweise keine Meinungsverschiedenheit.
Eine der bedeutendsten Regelungen des Reformwerkes stellt der neue Art. 104 a, insbesondere Abs. 3, des Grundgesetzes dar. Unter den wirtschaftspolitischen Zielsetzungen eines modernen Industrie- und Sozialstaates nimmt die Finanzpolitik als konjunkturpolitisches Instrument einen immer höheren Rang ein. Schon im Rahmen des Stabilitäts- und Wachstumsgesetzes haben wir Art. 109 geändert. Unser Ziel war es, die Finanz- und Kreditpolitik aller öffentlichen Haushalte in der grollen Linie aufeinander und untereinander abzustimmen. Hier dürfen wir nicht auf halbem Wege stehenbleiben. Soweit die Länder aus eigener Kraft große Investitionen z. B. im Falle einer Konjunkturflaute nicht durchführen können, muß der Bund für Finanzhilfe eine Finanzierungszuständigkeit erhalten. Das sieht der Gesetzentwurf in Art. 104 a des Grundgesetzes vor. Ich begrüße es, daß mit den Ländern in dieser Frage Einigung erzielt worden ist. Darüber hinaus bestimmt der neue Artikel, daß der Bund zur Abwehr von erheblichen Störungen der regionalen Wirtschaftsentwicklung Investitionen besonderer Art für Länder und Gemeinden finanzieren kann. Damit ist z. B. gewährleistet, daß Maßnah9172
men zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse in den Gemeinden getroffen werden können.
Meine Damen und Herren, rückt man diese Bestimmungen über Forschung, Ausbildungsförderung und Finanzierungszuständigkeit des Bundes in das Gesamtbild mit den Gemeinschaftsaufgaben, so haben wir durchaus, wie ich meine, ein bewegliches System, das der Dynamik unseres staatlichen Lebens gerecht wird. In der Öffentlichkeit ist der Eindruck entstanden, es sei von der Reform nicht so furchtbar viel übriggeblieben, weil sechs der ursprünglich im Finanzprogramm der Bundesregierung vorgesehenen Gemeinschaftsaufgaben gestrichen worden sind. Ich halte die hier gefundene Lösung nicht nur für besser, weil sie das bundesstaatliche Prinzip sichert, sondern ich halte sie auch für beweglicher als die starre Aufzählung einer langen Reihe von Gemeinschaftsaufgaben. Selbst mit der Generalklausel könnten die Auseinandersetzungen über die Schaffung vieler weiterer Gemeinschaftsaufgaben nicht aus dem Wege geräumt werden, weil der Bundesrat einem solchen Gesetz jeweils zustimmen müßte.
Wir erwarten auch, daß die Bundesregierung und die Länder auf dem Gebiet der Flurbereinigung bald eine Einigung erzielen. Ich schließe mich hier dem Appell unseres Kollegen Möller an. Die Sachverständigenkommission hat auf Grund sorgfältiger Untersuchungen klargestellt, daß der Bund weitgehend ohne rechtliche und sachliche Rechtfertigung in die Zuständigkeiten der Länder eingedrungen ist. In einer Reihe von Positionen des Bundeshaushalts sind rund 400 Millionen DM dafür ausgewiesen. Eine dauerhafte Ordnung der Finanzverhältnisse zwischen Bund und Ländern setzt aber eine klare Abgrenzung der Aufgaben voraus. Nur so kann die Durchführung unabweisbarer öffentlicher Aufgaben gesichert werden.
Wohl die schwierigste Frage der Finanzverfassungsreform ist das Problem der Steuerverteilung zwischen Bund und Ländern. Seit Inkrafttreten des Grundgesetzes ist dieser Teil der Verfassung immer wieder Gegenstand recht zermürbender Auseinandersetzungen gewesen und führt immer wieder zu einer gewissen Verstimmung zwischen Bund und Ländern. Ich hielte es deshalb für verfehlt, wollten wir diesen Teil aus der Reform ausklammern. Wer nur das Angenehme herausgreift, für den bleibt zum Schluß ein Torso übrig.
Das Grundgesetz geht in Art. 106 von dem Trennsystem aus. Die Steuern werden nicht nach dem Bedarf, sondern nach steuersystematischen Gesichtspunkten verteilt. An diesem System sollten wir festhalten. Daneben kennt das Grundgesetz bekanntlich den Steuerverbund, der sich auf die Einkommen- und Körperschaftsteuer beschränkt. Wir müssen uns die Frage stellen, ob nicht zutreffend ist, was der Entwurf sagt - und ich spreche mich ebenfalls, auch namens meiner Fraktion, dafür aus -, daß nämlich die Verbundmasse um die Umsatzsteuer erweitert werden sollte. In den letzten zehn Jahren ist die Einkommen- und Körperschaftsteuer mit Ausnahme der hinter uns liegenden Rezession überproportional gestiegen. Das hat dazu
geführt, daß die Länder, die mit dem höheren Satz an dem Verbund beteiligt sind, von dem Steuersegen am meisten profitieren. Umgekehrt waren sie gerade in der Rezession die Leidtragenden, da die Umsatzsteuer bekanntlich weniger konjunkturempfindlich ist. Ein Steuerverbund wird um so besser funktionieren und um so stabiler sein, je mehr Ausgleichselemente und Ausgleichsmomente er in sich trägt. Dieses Ziel läßt sich durch die Einbeziehung der Umsatzsteuer erreichen. Von der Sache her läßt sich also gegen den großen Steuerverbund nichts einwenden. Es mögen vielleicht jene auf die Barrikaden gehen, die einen besseren Besitzstand zu verteidigen haben; aber auch sie sollten, wie die Rezession gezeigt hat, sehen, daß sich diese bessere Position über Nacht in eine schlechtere verwandeln kann.
Sollten die Länder um ihre Finanzverwaltung besorgt sein, so kann ich nur das bestätigen, was der Herr Bundesfinanzminister gesagt hat: an die Einführung einer Bundesfinanzverwaltung ist - trotz mancher Wünsche, die in Zurufen hier zutage traten - nicht gedacht.
Sicherlich werden wir zu prüfen haben, ob nicht auch die Einfuhrumsatzsteuer in den Verbund einbezogen werden sollte. Auch muß sorgfältig erörtert werden, ob die Umsatzsteuer nach dem örtlichen Aufkommen oder nach dem Bedarf verteilt werden soll. Auch meine Fraktion hat mit großer Aufmerksamkeit und großem Interesse die ernsten Darlegungen der Vertreter von Niedersachsen im Bundesrat vernommen und sie erörtert. Mit diesen Fragen werden wir uns bei den Beratungen in den Ausschüssen zu beschäftigen haben.
Die Länder begründen ihre ablehnende Auffassung zum Steuerverbund auch damit, daß ihre Ausgaben wachsen werden. Dabei gehen sie eben davon aus, daß das Aufkommen aus der Einkommen- und Körperschaftsteuer steigen wird. Dieser Automatismus versagt aber dann, wenn die Konjunktur nicht die Steigerungsrate mit sich bringt, die wir unseren Zielvorstellungen zugrunde gelegt haben. Jeder kennt die Fragwürdigkeit von Prognosen, und es wäre doch ein zu großer Optimismus, wenn wir heute schon sagen wollten, wir seien vor jeder Konjunkturflaute absolut abgesichert.
Was das Beteiligungsverhältnis an den Verbundsteuern anbelangt, so soll dies durch Bundesgesetz mit Zustimmung des Bundesrates auf Grund der Finanzplanung festgelegt werden. Wir sind gegen eine zeitliche Fixierung, gegen eine Sperrfrist, weil sie eine Erstarrung bedeuten würde, die sich auf die politische Änderung von Prioritäten nachteilig auswirken würde. Sie erscheint uns auch wegen des größeren Steuerverbundes und der mittelfristigen Finanzplanung nicht notwendig.
Nun noch ein Wort zur Gemeindefinanzreform. Die Gemeinden und Landkreise sind die Hauptträger der Sozialinvestitionen. Mit ihren Infrastrukturmaßnahmen leisten sie einen bedeutsamen Beitrag zum Aufbau und Ausbau unserer Volkswirtschaft und zur Sicherung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung. Finanzreform und Gemeindefinanzreform sind
daher untrennbar miteinander verbunden. Ich bedauere deshalb alle Vorschläge, die auf ein Hinausschieben der Gemeindefinanzreform hinauslaufen.
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Bundesregierung und Bundesrat haben neben der Verbesserung der Finanzstruktur der Gemeinden eine Stärkung der Gemeindefinanzmasse vorgeschlagen. Der Herr Bundesfinanzminister hat darüber gesprochen, ebenso der Herr Kollege Möller. Es gibt auch für meine Fraktion keinen Zweifel, daß wir den Gemeinden einen angemessenen Mehrbetrag für die vordringlichen kommunalen Investitionen zur Verfügung stellen müssen. Das hat auch die Bundesregierung erklärt, und ich glaube, sie ist sich darin auch mit dem Bundesrat einig. Wir werden selbstverständlich diese Dinge nicht beschließen, ohne daß wir mit den kommunalen Spitzenverbänden Hearings in den zuständigen Ausschüssen veranstaltet haben. Wir nehmen gern zur Kenntnis, daß die kommunalen Spitzenverbände hier zu jeder Mitarbeit und jeder Mitgestaltung mit dem Parlament bereit sind und sich nicht darauf beschränken werden, Protesttelegramme zu schicken. Über das Ausmaß der Gemeindeanteile werden wir freilich erst zusammen mit der Neuverteilung der Gesamteinnahmen entscheiden können.
Das weitere Ziel der Gemeindefinanzreform ist die Verbesserung der Gemeindefinanzstruktur. Das ist ein Punkt, in dem ich mich etwas von dem Herrn Kollegen Möller unterscheide. Ich kann hier das Podium nicht verlassen, ohne wenigstens das Stichwort „Gewerbesteuer" zu nennen. Die Gewerbesteuer ist heute das Rückgrat des Gemeindesteuersystems. Das erkenne ich ohne weiteres an. Sie bringt rund 80 % des Gemeindesteueraufkommens. Auch wer zum Maßstab seines Urteils nicht nur die Last macht, die die Gewerbesteuer gerade für ihn bringt, kann hei objektiver Betrachtung doch nur zu dem Ergebnis kommen, daß die Gewerbesteuer eine schlechte Steuer ist. Ihre Fragwürdigkeit zeigt sich schon daran, daß rund 5 % aller Gewerbesteuerpflichtigen - Sie haben das soeben in ganz anderem Sinne vorgetragen - 77 % der gesamten Gewerbesteuer aufbringen. Daraus folgere ich, daß von einer angemessenen Verteilung der Steuerlast innerhalb der Gemeinden keine Rede sein kann.
Darüber hinaus führt diese Steuer zu starken Steuerkraftunterschieden von Gemeinde zu Gemeinde. Die große Zahl der kleineren Gemeinden, denen trotz hoher Hebesätze nennenswerte Gewerbesteuereinnahmen fehlen, kann deshalb ihre Aufgaben nur ungenügend erfüllen. Ich halte diesen Zustand mit den Grundsätzen eines modernen Sozialstaates nicht für vereinbar, eines Sozialstaates, der nach möglichst großer Gleichmäßigkeit der Leistungen des Staates an seine Bürger verlangt.
Auf die steuersystematischen Bedenken will ich dabei nicht eingehen. Es gibt keine sachlichen Argumente für die Gewerbesteuer außer dem Finanzbedarf der Gemeinden. Dieser muß umgeschichtet werden. Es fragt sich nur, wie. Es gibt jedenfalls kein sachliches Argument, das für die Beibehaltung oder
gegen einen teilweisen Abbau der Steuer spricht. Auch das Argument, durch ihre Aufhebung würden nur die Gewerbebetriebe, insbesondere die größeren, entlastet, ist nicht sehr stichhaltig. Die Gewerbesteuer ist ebenso wie die anderen Steuern, insbesondere die Mehrwertsteuer, eine Kostensteuer, und sie wird ebenso - wie die Mehrwertsteuer unmittelbar - mittelbar auf den Verbraucher abgewälzt. Es handelt sich also nur um eine Zahllast der Betriebe. In der volkswirtschaftlichen Wirkung unterscheidet sie sich kaum von den anderen Steuern.
Große Bedenken hege ich persönlich dagegen, zum Ausgleich für die weggefallene Gewerbesteuer eine Gemeindeeinkommensteuer mit variablen Hebesätzen einzuführen. Einmal würde diese Steuer eine nicht mehr zu bewältigende Mehrarbeit bei den Betrieben mit sich bringen, die ohnehin für den Staat durch den Lohnsteuerabzug ganz wertvolle Beihilfe leisten. Außerdem müßte die Steuer dem Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit entsprechen. Ob das bei dem Eindringen in die Progressivzone gegeben ist, müssen wir sine ira et studio in den Ausschüssen prüfen.
Ein Wort noch zur Grundsteuer und zu den Mehreinnahmen aus der Erhöhung der Mineralölsteuer um 3 Pf. Was die Grundsteuer anlangt, so bin ich der Ansicht, daß diese Frage von der Neufestsetzung der Einheitswerte nicht zu trennen ist. Erst dann wird man sich über eine maßvolle Anhebung der Grundsteuer unterhalten können.
Was die Mehreinnahmen aus der Erhöhung der Mineralölsteuer um 3 Pf anlangt, so stellt der Bund diese Einnahmen den Gemeinden zur Förderung des Verkehrsausbaus auch weiterhin zur Verfügung. Dabei bin ich mit Ihnen der Ansicht, daß hier eine Hineinrechnung nicht am Platze ist.
Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluß. Im Prinzip stimmt die CDU/CSU-Fraktion der Vorlage der Bundesregierung voll zu, vorbehaltlich der sachverständigen und sachlichen Prüfung in den Ausschüssen und auch der sachlichen Kritik im Einzelfall. Ich weiß, daß wir in den Hauptfragen mit der Bundesregierung einig sind und daß wir insoweit abweichenden Vorstellungen des Bundesrats nicht zu folgen gewillt sind mit Ausnahme jener Punkte, Herr Minister Kubel, die ich vorhin erwähnt habe und die zu jenen gehören, die einer sachlichen Kritik und Verbesserung bedürftig sind.
Wer die Notwendigkeit der Finanzreform bejaht, muß nach Maßgabe der finanziellen Mittel, Möglichkeiten und Verfügbarkeiten auch praktische Gegenvorschläge zu machen wissen, wenn er an diesem Reformwerk etwas Grundlegendes ändern will; denn, meine Damen und Herren, diese Finanzreform muß eine grundlegende Reform sein, eine Reform, die eine Neuordnung für die Zukunft bedeutet. An ein solches Reformwerk kann nur mit Optimismus, nicht mit blindem Geist und nicht mit Pessimismus, vielmehr nur mit der sachlichen Sonde und der Absicht, etwas Gutes zu schaffen, herangegangen werden. Wir sind entschlossen - diese Beruhigung kann ich dem Bundeskabinett geben -, auch bei
der intensiven Beratung in den Ausschüssen dieses Reformwerk nicht zerreden zu lassen.
Auch an der Zähigkeit, meine Damen und Herren, mit der wir an der Evolution von Reformen, die ersonnen und wirklich erarbeitet werden wollen -das trifft gerade für diese Reform zu -, ohne Bestehendes und Gewordenes kurzerhand und grundlos einzureißen, werden wir von der Geschichte gemessen werden. Das gilt auch für die Finanzreform.
Nun ein letztes Wort, Herr Kollege Möller. Ein Punkt, in dem wir uns leider nicht einig sind - ich muß ihn hier vortragen, weil Sie ihn angesprochen haben -, ist der des Sonderausschusses. Wir haben in unserer Fraktion die Frage des Sonderausschusses sehr gewissenhaft geprüft und erörtert. Ich habe - und das möchte ich ausdrücklich anerkennen - von Ihnen heute vernommen, daß es bei der Führung dieses Sonderausschusses an Prestigefragen nicht scheitern soll. Ich danke Ihnen für diese Erklärung.
Wenn wir uns dennoch mit diesem Sonderausschuß nicht befreunden können, so deshalb, weil wir meinen, daß wir die Würdigung dieses großen Gesetzgebungswerks nicht der Federführung jener beiden Ausschüsse entziehen sollten, die gemäß der Tradition dieses Hauses und ihrer fachlichen Besetzung geradezu berufen sind, diese schwierige Materie am ehesten und schnellsten einer nutzbringenden Entscheidung zuzuführen. Das sind der Rechtsausschuß, ohne den Grundgesetzänderungen ohnehin nicht beschlossen werden können, und der Finanzausschuß, dessen Mitglieder in ihrer Mehrzahl seit Jahr und Tag mit dem finanziellen Verhältnis zwischen Bund, Ländern und Gemeinden befaßt sind. Die anderen interessierten Ausschüsse können und sollen sich selbstverständlich gutachtlich zu dem Gesetzgebungswerk äußern.
Wir fürchten, daß ein Sonderausschuß das Verfahren nicht vereinfachen, sondern erschweren würde; denn auch die regulären Ausschüsse, denen ja wertvolle Kräfte durch die Zuteilung zum Sonderausschuß entzogen werden, gewissermaßen Schlüsselausschüsse - der Rechtsausschuß, der Kommunalpolitische Ausschuß, der Wirtschaftsausschuß, der Finanzausschuß -, müssen inzwischen weiterarbeiten. Deren Arbeit würde durch Abgabe von Kräften an den Sonderausschuß so blockiert, daß wir uns nicht vorstellen können, daß von der Einsetzung eines Sonderausschusses eine wesentliche Beschleunigung zu erwarten ist. Das darf ich Ihnen hier als Meinung meiner Fraktion mitteilen.
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Meine Damen und Herren, nach einer Vereinbarung im Ältestenrat unterbreche ich die Sitzung bis 15 Uhr. Als erster Redner nach der Mittagspause hat der Herr Abgeordnete Emde das Wort.
Die Sitzung ist unterbrochen.
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Die Sitzung ist wieder eröffnet.
Wir setzen die Debatte zum Punkt 2 der Tagesordnung, Finanzreformgesetz, fort. Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Emde.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Drucksache V/2861, die heute diesem Hause vorliegt, ist ohne Zweifel ein bedeutsames Dokument in der Arbeit dieses Parlaments in dieser Legislaturperiode. Die Frage der Finanzreform, die in dieser Drucksache behandelt wird, ist ein Problem, das seit vielen Jahren nicht nur die Parlamentarier, sondern die deutsche Wirtschaft und die Verwaltungsebenen aller Teile unseres Bundesgebietes immer wieder beschäftigt hat. Die Tatsache, daß wir nunmehr zur parlamentarischen Beratung und wohl hoffentlich in einiger Zukunft tatsächlich zu Entscheidungen kommen, kann ein Stück Fortschritt in der Organisation unseres Staatsgebildes sein.
Inhalt und Gestaltung der Regierungsvorlage geben ein deutliches und übersichtliches Bild über unsere heutige Finanzverfassung und zeigen eine Fülle von Überlegungen, Gedanken, auch Alternativen und mögliche Lösungen auf. Insgesamt aber erscheint uns das, was in dieser Drucksache dargelegt ist -
Herr Abgeordneter, es wird eine Zwischenfrage gewünscht.
Herr Kollege, nachdem sich der Bundesfinanzminister mit dringlichen Gründen bei Ihnen entschuldigt hat, wissen Sie wohl, durch wen er sich heute hier vertreten lassen wollte?
Herr Kollege Genscher, mir ist mitgeteilt worden, daß er durch Staatssekretär Hettlage vertreten wird. Staatssekretär Leicht befindet sich noch in einer anderen Sitzung. - Aber ich glaube, es fehlt nicht nur das Finanzministerium.
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- Ich bin gern bereit fortzufahren. Die Herren der Regierung, die sich für das interessieren, was die Opposition sagt, werden die Möglichkeit haben, das im Protokoll nachzulesen, und wir werden in den Ausschüssen unsere Meinung in jeder Weise so klar und deutlich vortragen, daß die Debatte zwischen allen Beteiligten stattfinden kann. Ich glaube, es wäre ungeschickt, wenn wir in dieser Situation, in der wir uns sowieso schon in Zeitnot befinden, abwarteten, bis der Akt der Höflichkeit von der Regierung erfüllt ist.
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Ich sehe gerade, daß der Herr Staatssekretär im Anmarsch ist. Trotzdem, glaube ich, ist Ihre Klage nicht ganz unberechtigt.
Vizepräsident Schoettle
Die Tatsache, daß die Regierungsbank so schlecht besetzt ist, ist betrüblich.
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Übrigens muß ich hinzufügen, daß auch das Haus nicht gut besetzt ist. Das ist nicht weniger betrüblich.
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Herr Abgeordneter, fahren Sie fort.
Meine Damen und Herren, wenn wir uns aber über die reine Form der Darstellung hinaus den Inhalt dieser Regierungsvorlage zuwenden, gewinnen wir den Eindruck, daß das Problem nach unserer Vorstellung nicht ausreichend tief und konsequent genug erörtert worden ist. Wenn es nach uns ginge - ich werde das im Verlauf meiner Darstellung an verschiedenen Punkten ausführen -, würde das, was als Finanzreform im Lauf der nächsten Monate oder Jahre verabschiedet werden soll, weiter gehen und konsequenter sein als das, was die Regierung vorschlägt.
Der Bundesfinanzminister hat heute morgen in seinen Darstellungen davon gesprochen, daß man den Mut zu Entscheidungen haben müsse, daß es unmöglich sei, eine Finanzreform durchzuführen, die alle Besitzstände wahrt, denen, die nicht genug haben, Neues dazugibt und obendrein den Steuerzahler entlastet. Auch wir sind dieser Meinung. Wir meinen aber, daß darüber hinaus der Mut gefunden werden sollte, weitergehende Entscheidungen zu fällen, als sie in diesem Teilwerk der Finanzreform dargelegt sind.
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Wir brauchen heute nicht eine Zwischen- oder Übergangslösung. Das, worum wir seit Jahren kämpfen - wenn ich „wir" sage, dann meine ich nicht nur die Opposition, sondern alle Kräfte in diesem Hause, die in der Finanzverfassung vorwärtskommen wollen -, ist eine große Reform, und meine Aufgabe als Redner der Oppostion ist es heute, über das zu sprechen, was wir uns als eine größere Finanzreform vorstellen.
Ich glaube, die Aufgabenstellung ist so, wie sie in der Vorlage der Regierung dargelegt ist, im Prinzip richtig erfaßt. Die Regierung spricht davon, daß wir uns in einem ständigen Wandel der politischen, wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse befinden. Die Regierung hat in ihrer Vorlage nicht das Wort „technische" Verhältnisse erwähnt. Ich glaube aber, daß das nur eine - leicht verzeihbare - Unterlassung ist; denn Herr Strauß hat ja heute auch von dem Wandel technischer Verhältnisse gesprochen.
Uns erscheint aber ein Passus in der Vorlage der Regierung besonders bedeutsam, und zwar das, was unter der laufenden Nummer 3 dargestellt ist, nämlich die Feststellung, daß durch nachdrückliche Einwirkung der Besatzungsmächte in die deutsche Verfassungsentscheidung die finanzielle und die finanzpolitische Stellung des Bundes geschwächt wurde.
Es ist noch nie so klar und so deutlich in Deutschland und hier in diesem Hause ausgedrückt worden, einen wie starken Einfluß die Besatzungsmächte 1948/49 auf die deutsche Gesetzgebung genommen haben, um eine Schwäche unseres zentralen Staates herbeizuführen und zum Dauerzustand zu machen. Es ist bedauerlich, daß sie damals bei einem Teil deutscher Politiker Unterstützung gefunden haben.
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Das hier von seiten der Regierung erwähnt zu sehen und von Finanzminister Strauß persönlich vorgetragen bekommen zu haben, ist sehr wertvoll. Wir meinten, noch einmal ganz besonders auf diesen Tatbestand hinweisen zu sollen.
In der historischen Darstellung der vorbereitenden Maßnahmen für die Finanzreform sind keine Namen genannt. Nachdem Kollege Möller verständlicherweise hier die Leistungen der SPD im Rahmen der Stellung von Anträgen zur Finanzreform herausgestellt hat, möchte ich nicht verfehlen, darauf hinzuweisen, daß der erste im Amt befindliche Finanzminister, der sich aktiv dieser Aufgabe zugewandt hat, der damalige Finanzminister Heinz Starke von der FDP war, der von dieser Stelle aus die Einsetzung einer Kommission zur Vorbereitung einer Finanzreform angekündigt hat, und daß der zweite von uns in dieser Republik gestellte Finanzminister, unser Parteifreund Rolf Dahlgrün, in seiner Amtsperiode die Kommission vorbereitet und eingesetzt hat, daß also in der Zeit, in der die FDP die Finanzminister stellte, die ersten praktischen Arbeiten zur Vorbereitung und Einleitung der Finanzreform erfolgt sind.
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Die Problematik, die sich in diesem Gesetzeswerk niederschlägt, möchte ich in drei Punkte zusammenfassen. Ich möchte einen vierten dazusetzen, der in der Regierungsvorlage nicht enthalten ist, der für uns aber ganz wesentlich ist und den wir mit in die Debatte der nächsten Monate einführen möchten. In der Vorlage ist einmal das Problem der Gemeinschaftsaufgaben behandelt, zweitens der Komplex des Verhältnisses Bund und Länder und drittens die Frage der Gemeindefinanzreform. Nicht enthalten in der Fülle von Vorstellungen, Anregungen und Absichten zu Gesetzesänderungen ist die Frage einer möglichen Steuervereinfachung. Wir gehen davon aus, daß die Finanzreform dazu benutzt werden sollte, unsere heutige Finanzverfassung dahin gehend zu überprüfen, ob wir nicht die Möglichkeit haben, an der einen oder anderen Stelle durch unsere neuen Maßnahmen zugleich verwaltungsvereinfachend zu wirken. Ich halte es sowohl für die Neuverteilung von Steuern als auch für die Neugliederung des Verhältnisses zwischen Bund und Ländern für sehr wertvoll, daß wir jetzt die einmalige Chance ausnutzen, auch vereinfachte Maßnahmen in unsere Finanzverfassung hineinzubringen.
Frage 1: Problem der Gemeinschaftsaufgaben. Die Regierung hat festgelegt, daß der Aus- und Neubau von Universitäten, daß die Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur sowie die Verbesserung
der Agrarstruktur und des Küstenschutzes in den Komplex der sogenannten Gemeinschaftsaufgaben hineingefügt werden. Ich erinnere mich noch sehr genau an die Jahre, in denen Kollege Möller erstmalig für die SPD hier in diesem Hause den Begriff der Gemeinschaftaufgaben vorgetragen hat. Wir haben in diesem Komplex nichts Besonderes gesehen, weil wir davon ausgegangen sind, daß große Dinge in einem Volk immer gemeinsam gelöst werden müßten. Es ist aber insbesondere das Verdienst des Kollegen Möller, daß er diese Aufgabe mit einem Schlagwort versehen hat, nämlich mit dem Begriff der Gemeinschaftsaufgaben.
Wir haben jedoch im Laufe der Diskussion der letzten Jahre erlebt, daß sich der Komplex der Gemeinschaftsaufgaben in seinem Umfang und in seiner Betrachtung erheblich gewandelt hat. Ursprünglich ist die SPD von Vorstellungen ausgegangen, die zur gemeinschaftlichen Lösung der Fragen nicht nur Probleme des Bundes und der Länder, sondern auch der Gemeinden einbeziehen wollten. Die Bundesregierung hat in ihrem Vorschlag, den sie dem Bundesrat zugeleitet hat, neun Punkte möglicher Gemeinschaftsaufgaben dargestellt, die SPD immerhin noch sechs. Insgesamt sind hier nur drei Aufgaben übriggeblieben. Können wir nun mit diesem Ergebnis insgesamt zufrieden sein? Ist die Koalition oder ist jeder, der hier den Begriff der Gemeinschaftsaufgabe vorträgt, mit dem zufrieden, was geschieht? Empfindet man das als Kompromiß, der ausreicht, oder soll das Instrument der Gemeinschaftsaufgaben für die Zukunft ausgedehnt werden? Ich möchte mich nicht zu den sicherlich sehr interessanten und tiefschürfenden Untersuchungen über die staatsrechtlichen Beziehungen zwischen Bund und Ländern, die gerade von Ihnen, Herr Kollege Möller, heute morgen hier vorgetragen worden sind, äußern, Ich möchte mich hier einfach einmal ein wenig mehr auf die Praktikabilität, auf die Durchführbarkeit dieser Dinge versteifen.
Ist es nicht - das ist meine Frage, die ich nachher selbst beantworten werde besser, mit klaren Zuständigkeitsabgrenzungen zwischen den verschiedenen Ebenen unserer Staatsorganisation zu arbeiten, als in irgendeiner Weise Gemeinschaftshandlungen vorzusehen? Klare Arbeitsabgrenzungen bedeuten ja nicht die finanzielle Ausschaltung einer höheren Etage zugunsten einer niederen. Ich gehe - und wenn ich sage „ich", dann spreche ich hier in voller Übereinstammung mit meiner Fraktion - davon aus, daß grundsätzlich die Kompetenzaufteilung verwaltungsvereinfachender ist als eine Mischverwaltung oder als Zwischenkonstruktionen, wie hier sie in unserem heutigen Staatsrecht finden.
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Um wieviel einfacher wäre nicht unsere Situation gegenüber den deutschen Hochschulen, gegenüber den deutschen Studenten, wenn wir eine klare Kompetenzzuteilung kultureller oder ausbildungs- oder wissenschaftsmäßiger Dinge beim Bund hätten! Alle regionalen Probleme der Länder, wie z. B. das Standortproblem, könnten mitbehandelt werden. Es ist immer einfacher, wenn die Verhältnisse klar gegliedert sind.
Unser Bestreben in den Beratungen der Zukunft wird dahin gehen, möglichst klare Abgrenzungen zwischen den verschiedenen Ebenen unserer Staatsorganisation herbeizuführen, eine Entflechtung der Aufgaben zu erleichtern, eine Flurbereinigung zu unterstützen. Herr Kollege Möller, wir stimmen mit Ihnen in der Auffassung überein, daß dann Finanzhilfen für gemeinsame Probleme von oben nach unten gegeben werden müssen, daß uns aber das Instrument der Kompetenzaufteilung wahrscheinlich weiter hilft als der einfach aus unserer Verfassungsnot heraus erzwungene Begriff der Gemeinschaftsaufgaben, die wir alle nicht gern in dieser Vorlage sehen.
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Ich möchte aber hier noch ein weiteres Wort zum Problem der Verwaltungsvereinfachung sagen. Am Ende wird die neue Finanzverfassung nur bei einer Verwaltungsvereinfachung durchsetzbar sein. Wenn wir heute davon sprechen, daß wir eine Gemeindefinanzreform herbeiführen wollen, dann werden all die Probleme zwischen steuerstarken und steuerschwachen Gemeinden, die heute morgen erörtert wurden, um so geringer werden, je weiter wir auch im Zuge der gemeindlichen Finanzreform gekommen sind, wie sie z. B. im Lande Nordrhein-Westfalen von der Koalition SPD/FDP durchgeführt wird; Zusammenfassung größerer Gemeindekomplexe mit Einwohnerstärken nicht unter 8000 bis 9000 Einwohnern. Die Probleme des Gewerbesteuerausgleichs, der Standorte von Industrien, künftiger Industrieansiedlungen entfallen um so mehr, je größer die Verwaltungskraft und die Leistungsfähigkeit einer Gemeinde ist. Wir sollten uns deshalb in den künftigen Beratungen immer wieder überlegen, ob nicht durch unsere Maßnahmen Möglichkeiten der Verwaltungsvereinfachung gefördert werden können, ohne daß wir hier verwaltungsrechtliche oder staatsrechtliche Schwierigkeiten schaffen.
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Das zweite große Problem, das in der Vorlage der Regierung behandelt wird, ist die Frage des Steuerverbunds. Hier muß ich allerdings eine sehr kritische Frage an die Regierung richten: Wie weit hat sie die Problematik des Steuerverbunds durchgedacht? Soll das, was hier geschieht und was sich sehr wahrscheinlich auf der Ebene von Kompromissen zwischen allen möglichen Beteiligten - Bund und Ländern, Parteien, Interessenten, Fachleuten - als Steuerverbund zwischen Einkommen-, Lohn-, Körperschaft- und Umsatzsteuer ergibt und was ja relativ zufällig ist, das Ende der Partie sein, oder ist am Ende nicht an die Ausdehnung des Steuerverbunds in weitere Bereiche hinein gedacht?
Ich will einmal die Frage, die wir uns in der modernen industriellen Massengesellschaft in der Zukunft stellen werden, ganz präzise stellen: Ist es nicht besser, einen kompletten Steuerverbund zwischen Bund, Ländern und Gemeinden herbeizuführen
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und aus diesem großen Steuerverbund dann die Verteilung der Finanzmasse vorzunehmen? Ist das, was
die Regierung hier vorschlägt, ein Schritt auf dem
Wege zu einem solchen großen Steuerverbund, oder glaubt die Regierung, hier an dieser Stelle stehenbleiben zu müssen und erst einmal die nächsten fünf oder zehn Jahre abwarten zu sollen? Das sind die Fragen, Herr Staatssekretär, die heute gar nicht beantwortet werden können und nicht beantwortet werden sollen, die aber mit ein Stück der Gesprächsüberlegungen in den Ausschüssen in den nächsten Monaten sein werden. Wir müssen heute schon gewisse Vorstellungen haben, wie wir unseren Staat für die nächsten zehn oder fünfzehn Jahre organisieren wollen,
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Wenn wir aber zu der Vorstellung kommen könnten, daß ein größerer Steuerverbund im Rahmen all der Überlegungen, die gerade Sie, Herr Kollege Möller, angestellt haben und bei denen ich Ihnen voll zustimme, günstiger wäre, dann ergibt sich die Frage, ob es sinnvoll ist, jetzt den Komplex der Mineralölsteuer und der Kraftfahrzeugsteuer mit in den Bereich der Überlegungen hineinzuziehen. Es entsteht immer wieder so der Eindruck, als ob das, was jetzt gesagt wird, vom Bund der Steuerbeamten oder vom Bund der Steuerzahler ausginge. Aber ich möchte insbesondere die Kollegen von der CDU daran erinnern, daß vor einigen Jahren der von uns allseits sehr hoch geschätzte Kollege Vogel, der nun in wenigen Wochen wieder als Staatssekretär unter uns sein wird, diesen Vorschlag schon einmal gemacht hat. Der Vorschlag wurde damals von den Ländern abgelehnt. Ich habe Verständnis dafür, daß die Länder ihn ablehnten. Die Länder haben gesagt: Dann verlieren wir die Kraftfahrzeugsteuer. Damals war es nur die Überlegung, Kraftfahrzeugsteuer und Mineralölsteuer zusammenzufassen. Heute aber, bei dem Instrument des großen Steuerverbunds, brauchte für die Länder diese Angst nicht mehr zu bestehen. Das Problem könnte also in aller Ruhe und Sachlichkeit diskutiert werden.
Es gibt Nachteile und Vorteile aus einem solchen Vorschlag. Ich will einmal die Vorteile aufführen. Es wäre einfacher für die Verwaltungen; es wäre einfacher für alle Betroffenen. Man braucht sich nicht jedes Jahr mit seiner Kraftfahrzeugsteuer herumzuschlagen. Ich persönlich habe in den letzten drei Jahren zweimal verpaßt sie zu zahlen, und habe ziemlichen Arger mit meinem Finanzamt gehabt.
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- Nicht, weil ich steuerunwillig bin, sondern einfach deshalb, weil meine Buchhaltung nicht geklappt hat.
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Es würde wahrscheinlich für die Betroffenen gerechter sein; denn wer mehr fährt, zahlt mehr, wenn die Kraftfahrzeugsteuer in die Mineralölsteuer eingebaut ist, und wer weniger fährt, zahlt weniger. Es würden alle Ausländer über eine erhöhte Mineralölsteuer zu den steigenden Kosten des deutschen Straßenbaus herangezogen werden. Ich führe einige Nachteile auf. Als ich das in unserer Fraktion vortrug, haben mir kritische Geister gesagt: Als erste werden sich die Verkehrsverbände melden; denn sie wünschen ja, daß möglichst viele Leute nach Deutschland reisen, und niedrige Mineralölpreise sind ein Argument, Reisen in Deutschland zu veranstalten.
Ein anderes Argument hat auch Herr Minister Strauß erwähnt: Den Kriegsopfern wird nach dem Kriegsopferrecht die Kraftfahrzeugsteuer erlassen. Hier sehe ich allerdings die Möglichkeit, im Rahmen der Kriegsopferversorgung jedem, der sich ein Kraftfahrzeug anschafft, den Gegenwert für die erlassene Steuer durch Zahlung zu ersetzen. Das wäre also überspringbar.
Aber wenn die Zahlen, die der Bund der Deutschen Steuerbeamten nennt - 3500 einzusparende Planstellen und 50 Millionen DM Verwaltungsaufwand -, stimmen, sollten wir im Laufe der künftigen Beratungen allen Ernstes dieses Problem überdenken. Ich darf für meine Fraktion ankündigen, daß wir in den Ausschußberatungen entsprechende Anträge stellen werden.
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Wir gehen dabei davon aus, daß jede Vereinfachung des Steuerrechts eine gewisse Vergröberung zur Folge hat, daß aber der Versuch der absoluten und totalen Gerechtigkeit zu diesem irrsinnig komplizierten Apparat führt, den wir alle immer wieder beklagen, wenn wir die Größe und die Aufgeblasenheit unserer Staatsverwaltung ansehen. Wir können eben nicht den Kuchen morgens und nachmittags essen. Wir müssen uns für eine einfache und etwas gröbere Steuerverfassung oder für eine sehr gerechte, dann aber kompliziertere entscheiden. Nur müssen wir wissen, was wir wollen.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich jetzt in erster Linie zu dem Problem der Gemeindefinanzreform sprechen. Ich glaube, den sehr wertvollen Ausführungen, die heute morgen gemacht worden sind, ist im grundsätzlichen nichts hinzuzufügen. Worin sich unsere Fraktion von anderen Meinungen unterscheidet, haben wir ja bis jetzt schon dargestellt. Es wäre eine Überforderung aller Kollegen, wenn ich noch einmal betonen wollte, wie bedeutsam dies und jenes ist. So formvollendet, wie es der Finanzminister und Kollege Möller können, kann ich es sowieso nicht. Ich schließe mich insofern ihren Ausführungen an. Das ist nicht spöttisch, das ist ehrlich gemeint.
Lassen Sie mich aber zur Frage der Gemeindefinanzen sehr viel kritischer sprechen, als irgend jemand heute morgen in diesem Hause geredet hat. Die Problematik der Gemeindefinanzen liegt darin begründet, daß die Gemeinden zuwenig Geld aus zu schlechten Steuerarten bekommen. Dabei ist völlig uninteressant, ob es 3 oder 3,5 oder 4 Milliarden DM sind, um die sich die Gemeinden im Rückstand befinden; man kann die Zahl heute nicht genau nennen. Das Troeger-Gutachten, von dem wir als Betrachtungspunkt ausgehen können, hat im Jahre 1966 gesagt, daß der Rückstand in der Finanzausstattung der Gemeinden im Jahre 1964/65 2 Milliarden DM betrug. Er wird inzwischen gewachsen sein,
vermindert um die Beträge, die wir über die Mineralölsteuer den Gemeinden zuführen. Die Gemeinden haben einen Darlehensstand von 27 Milliarden DM, und - das ist besonders bedrückend - ihr Anteil an der Steuerzuwachsrate ist rückläufig. Ihr Steueranteil ist in den letzten 10, 20 Jahren sowieso ständig gesunken. Aus dem Bundesfinanzministerium wurden für 1967 in Vergleich zu 1966 folgende Zahlen mitgeteilt. Die Steuerzuwachsrate der Gemeinden betrug 0,2 %, die der Länder 3,8%, die des Bundes 1,3 %. Das mag in anderen Jahren unterschiedlich sein. Fest steht aber, daß die Steuerzuwachsquote der Gemeinden erheblich niedriger ist als die des Bundes und der Länder.
Das ist auch in der Vorlage der Bundesregierung unter der laufenden Nr. 215 eindeutig gesagt. In der Beurteilung der Situation, die zu den Überlegungen führt, gibt es keine Meinungsunterschiede. Unter Nr. 215 ist von der unzureichenden Ausstattung die Rede. Unter dieser Nr. 215 wird aber auch ein Zweites dargelegt: Die Unausgewogenheit der Finanzausstattung der Gemeinden infolge der starken Abhängigkeit von der Gewerbesteuer, die zu völlig unterschiedlichen Einnahmechancen bei großen und kleinen Städten und Dörfern führt, wird zufällig durch das Glück begünstigt, Standort einer großen und ertragreichen Industrie zu sein. Wer dieses Glück hat, ist ein reicher Mann; wer daneben wohnt, ist ein armer Mann. Das sind Unterschiede, die auch durch höchste Leistungsfähigkeit der einen oder anderen Verwaltung oder durch die Leistungsfähigkeit örtlicher Industrien nicht ausgeglichen werden können. Von diesen Tatbeständen geht die Bundesregierung aus, wenn sie Überlegungen zur Gemeindefinanzreform anstellt.
Aber was schlägt die Bundesregierung vor? Sie sagt erstens, der Mineralölsteuerpfennig soll weiter erhoben werden. Sie sagt zweitens, die Grundsteuer soll vom Jahre 1970 oder 1971 an maßvoll erhöht werden. Ich möchte zu dieser Grundsteuererhöhung etwas sagen. Als wir die neuen Einheitswerte festlegten, ist hier in diesem Hause beschlossen worden - das steht im Gesetz -, daß die neuen Einheitswerte jeweils insgesamt annähernd die gleichen Ergebnisse in der Steuerzahlung zur Folge haben sollen. Das heißt, als wir den Einheitswerten zustimmten, wollten wir damit auch nicht eine maßvolle Erhöhung der Grundsteuer herbeiführen. Nunmehr wird das Instrument einer neuen Steuererhöhung mit in die Debatte eingeführt. Wir müssen uns völlig klar darüber sein, was die Bundesregierung hier will, daß es im Gegensatz zu dem steht, was vor einigen Jahren beschlossen worden ist. Nun, wir haben manchen Beschluß der Vergangenheit über Bord geworfen, weil sich die Verhältnisse verändert haben. Aber was wir vor zwei Jahren beschlossen haben, sollte jedermann klar sein, wenn er hier heute neue Vorschläge macht.
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Es wird drittens - wenn ich das einmal raffe und in übersichtlichen Worten darzustellen versuche von der Regierung vorgeschlagen, ab 1970 die Gemeinden in einen Steuerverbund mit dem Bund und den Ländern zu führen durch eine Beteiligung an der Einkommen-, Lohn- und Körperschaftsteuer und dafür 40 % der Gesamtgewerbesteuer bei den Gemeinden abzuschöpfen und in den großen Steuerverbund mit einzuführen. Das ist Vorschlag Nummer eins. Sie würden dann beteiligt werden am proportionalen Sockel der Einkommen-, Lohn- und Körperschaftsteuer, und ab 1972 würden dann 40 % der Gewerbesteuer den Gemeinden gestrichen. Es würde also zu einer Gewerbesteuersenkung kommen. Dafür würden die Gemeinden beteiligt werden am progressiven Steuertarif des Komplexes Einkommen-, Lohn- und Körperschaftsteuer.
({12})
Wir halten das nicht für ausreichend, und ich werde auch gleich begründen, warum es im ganzen und im Detail nicht ausreicht. Lassen Sie mich erst einmal grundsätzlich dazu sagen: es ist viel zuwenig, denn außer der Grundsteuererhöhung, die vom Jahre 1970 an kommen soll, ist ja nichts vorgesehen, was die Gemeinden an Mehrsteuereinnahmen haben werden. Was unter der Nr. 228 in der Regierungsvorlage geschrieben ist, ist ja auch nur eine vage Erklärung, aus der die Gemeinden nichts Besonderes ableiten können. Hier heißt es: Die Gemeinden sollen mehr bekommen. Dies ist jedoch nur dadurch möglich, daß die bei weiterem Wirtschaftswachstum zu erwartenden Steuermehreinnahmen auch zur Deckung eines erhöhten gemeindlichen Investitionsbedarfs verwendet werden. Das ist eine Absichtserklärung, die nichts bedeutet, mit der kein Kämmerer etwas anfangen kann, mit der keine langfristig planende Gemeindepolitik, insbesondere in den Großstädten, Entscheidungen für die nächsten zehn Jahre fällen kann. Es muß dazu im Laufe der Monate mehr gesagt werden, von mir aus: Ihr kriegt nichts oder ihr kriegt soundsoviel mehr. Aber in den Großstädten, in den Ballungsräumen braucht man gewisse feste Positionen, wenn man das tun will, was man immer wieder auch von der kommunalen Ebene verlangt: klare Planung für die nächsten zehn Jahre.
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Herr Staatssekretär Hettlage, ich wende mich besonders an Sie, weil gerade aus Ihrer Feder ein großer Teil dieser Arbeit stammt. Es ist zu spät, was den Gemeinden gegeben wird; denn die Finanznot besteht schon heute. Sie besteht schon seit gestern. Absichtserklärungen und geringe Zuwachsmöglichkeiten im Rahmen der Grundsteuer ab 1970 sind kein Äquivalent für die aufgelaufenen Lasten der Vergangenheit und für das, was ständig an Last. heute vor den deutschen Gemeinden steht.
Ich will aber hier nicht einfach kritisieren. Ich will das einmal dagegenstellen, was sich an Möglichkeiten aus meiner und aus der Betrachtungsweise der Fraktion der Freien Demokraten ergibt. Wir gehen davon aus, daß schon ab 1969 Zwischenlösungen und Hilfslösungen einsetzen sollten, die sofort zugunsten der Gemeinden wirksam werden. Wir stimmen der Fortsetzung der Zahlung des MineralölDr. Emde
pfennigs in Höhe von 3 Pf an die gemeindliche Finanzmasse zu, und wir stimmen auch hier überein mit dem, was Finanzminister Strauß ausgeführt hat. Diese Summe von 700 oder 800 Millionen, die über den Mineralölsteuerpfennig kommt, ist mit ein Stück vorgezogener Verbesserung der Finanzausstattung der Gemeinden. Das ist nicht zusätzlich gemeint. Ich erinnere mich noch an die Gespräche, die damals zwischen SPD und Freien Demokraten im Jahre 1966 liefen. Wir waren uns auch darüber einig, wenn man jetzt den Gemeinden schon etwas geben würde, gleich in welcher Weise, müsse es später auf die Große Finanzreform angerechnet werden. In dieser Absicht sind also Regierung und Opposition in dem Parlament in einem Boot.
Das reicht aber nicht aus. Wir haben von der Seite der Länder im Laufe der letzten Wochen sehr interessante Vorschläge gehört. Ich bitte doch, diese Vorschläge hier in der Zukunft in aller Nüchternheit zu diskutieren. Die Länder haben vorgeschlagen, den Bundesanteil an der Verbundsmasse, der ja sowieso zum 1. Januar 1969 neu ausgehandelt werden muß, auf 35 Punkte festzusetzen und den Länderanteil auf 65 Punkte zu erhöhen, und sie haben dazu, wenn mich nicht alles täuscht, sehr präzise folgendes ausgeführt. Ich gehe einmal davon aus, daß ein Punkt aus der Verbundsmasse rund 500 Millionen DM sind. Die Länder wären bereit, 500 Millionen direkt an die Gemeinden weiterzuleiten und die übrigen 500 Millionen in ihre Haushalte einzuführen, womit die Steuerverbundsmasse zwischen Ländern und Gemeinden um diese 500 Millionen erhöht würde. Aus dieser Steuerverbundsmasse fließen den Gemeinden zwischen 20 und 24 %, unterschiedlich nach den Ländern, zu. Durch einen solchen Vorschlag würde tatsächlich erreicht werden, daß die Finanzausstattung der Gemeinden im Jahre 1969 um rund 600 bis 700 Millionen zusätzlich erhöht werden könnte; eine Sofortmaßnahme, die in Übereinstimmung mit den Ländern und mit den Spitzenverbänden der Gemeinden getroffen werden könnte und die weitgehende Zustimmung im ganzen Lande finden würde.
Nun wird jedermann fragen: Wie sieht das mit der Deckung aus? Sind wir in der Lage, den Bundeshaushalt 1969 auszugleichen, wenn wir von vornherein auf Bundesebene sagen: Wir verzichten auf zwei Punkte, also wir verzichten auf 900 Millionen bis 1 Milliarde Einnahmen in unserem Haushalt? Wir von der FDP haben bei der Beratung des Haushalts 1968 in diesem Hause eine Reihe von Einsparungsvorschlägen gemacht. Wir haben diese damals angeboten, um die Anleiheermächtigung herabzudrücken. Es waren Einsparungsvorschläge, die sich ungefähr in der Höhe von 750 Millionen bewegten. Wir werden diese Einsparungsanträge, die sich sehr stark in den Sektor der militärischen und zivilen Verteidigung hinein erstreckten, erneut im Jahre 1969 einbringen; denn nichts von den Einsparungsmöglichkeiten, die wir aufgezeigt haben, ist im Laufe dieses Jahres ausgenützt worden, so daß wir im Rahmen unseres haushaltstechnischen Denkens sagen könnten: Wenn der Bund auf 2 Punkte verzichtet, ist die Fraktion der Freien
Demokratische Partei in der Lage, Deckungsvorschläge etwa in Höhe des dann entfallenden Steuer- und Einnahmeanteils aufzubringen. Wir haben hier also aus unserer Sicht ein abgerundetes Tableau vorgelegt. Wir haben nicht nur gesagt, alle sollen mehr haben, sondern wir gehen auch davon aus, daß dieses Mehr für andere von einer Seite kommt; Deckungsvorschläge in der Form, in der ich sie eben hier entwickelt habe.
Über diese Sofortmaßnahmen hinaus aber müssen wir in der Lage sein, langfristige Entscheidungen für die Gemeindefinanzreform, wenn auch nicht heute hier zu beschließen oder definitiv geistig festzulegen, aber doch im Laufe der nächsten Monate so abzustecken, daß ein jeder weiß, wohin die Fahrt geht. Ich gehe davon aus, daß es notwendig ist, die Gemeinden an einer großen Steuer zu beteiligen. Dabei ist es in der ersten Runde der Überlegungen ziemlich gleichgültig, an welcher Steuer wir sie beteiligen, ob an der Einkommen-, Lohn- und Körperschaftsteuer, ob an der Umsatzsteuer oder an einer Steuerverbundmasse. Für mich ist das Entscheidende, daß die Gemeinden in der modernen industriellen Massengesellschaft in den nächsten Jahrzehnten nicht in der Lage sein werden, sich durch eigene Gemeindesteuern zu finanzieren, sondern daß sie an einer großen Verbundmasse beteiligt sein müssen, sei es, daß sie an einer Detailsteuer, sei es, daß sie an der Gesamtverbundmasse beteiligt werden.
Ein Zweites muß gesagt werden, und das ist für uns Grundlage. Das, was wir morgen oder übermorgen beschließen, muß verwaltungstechnisch durchführbar sein.
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Es hat keinen Zweck, sich hier in Wunschbilder hineinzudenken und eine Finanzverfassung zu erträumen, die nachher, wenn sie an Ort und Stelle, an der Verwaltungsfront unseres Landes, in Bund, Ländern und Gemeinden ausgeführt werden soll, einfach nicht mehr praktikabel ist. Meine Damen und Herren, man muß einmal in einer Verwaltung sitzen und sehen, wie schwierig die Zerlegung der Gewerbesteuer ist; man muß einmal sehen, was dort an Papier über die Schreibtische flattert!
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Wenn wir das noch weiter komplizieren, wenn wir jetzt 40 % abführen, wenn wir uns hier und dort beteiligen - ich denke auch an die Möglichkeit eigener Hebesätze, die Sie ja selbst hinsichtlich der Durchführbarkeit, auch der technischen Durchführbarkeit sehr kritisch betrachten-, dann hilft da auch kein Computer. Sie können im Lande nicht mit Computern arbeiten. Sie müssen davon ausgehen, welche Verwaltungskraft dem Durchschnitt der deutschen Gemeinden zur Verfügung steht. Davon müssen wir ausgehen, wenn wir eine bevölkerungsnahe, verständliche Verwaltung in unserem Lande schaffen wollen.
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Wir werden also hier sicherlich die Frage diskutieren: Wird es möglich sein, die Gemeinden an der
Gruppe der Steuern, die Sie da genannt haben, zu beteiligen, oder sollen wir sie an dem großen Steuerverbund beteiligen? Unser Vorschlag wird sich sehr stark darauf richten, die Gemeinden an der Gesamtverbundmasse zu beteiligen, die Bund und Ländern zur Verfügung steht. Ich bin mir dabei völlig darüber im klaren, daß eine solche Beteiligung erhebliche technische Schwierigkeiten mit sich bringt, nämlich dann, wenn es nachher um die Frage geht: Wie wollen wir das verteilen? Diskussionen in jeder Partei und in jeder Fraktion haben ergeben, daß die Antwort von den örtlichen Erfahrungen abhängt, die der Abgeordnete macht. Von den Verhältnissen seines Wahlkreises sieht er die Situation jeweils anders. Wer aus der Stadt Leverkusen kommt, betrachtet das ganz anders als derjenige, der aus Ostwestfalen-Lippe kommt.
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- Oder der Steuerzahler. Einer wird aus seiner Sicht heraus sagen: Ah, es ist viel besser, die Gemeinden am örtlichen Aufkommen zu beteiligen. Der andere wird sagen: Es ist viel besser, das nach Kopfbeträgen zu verteilen. Wir werden also in den nächsten Monaten und in den nächsten Jahren eine langwährende Debatte über die Methoden der Verteilung haben, und ich bitte die Regierung, bei dem Material, das sie in den nächsten Monaten den Ausschüssen zur Verfügung stellen wird, doch einmal alle Möglichkeiten durchzuspielen und die Alternativen gegeneinanderzustellen, damit das Parlament dann leichter eine Entscheidung treffen kann, als wenn wir unter uns erst einmal die Interessengegensätze ausgleichen müssen, um auf jenen nüchternen Boden zu gelangen, auf dem allein wir Entscheidungen fällen können.
Herr Kollege Möller, Sie haben heute vormittag sehr ausführlich zu der Frage des Abbaus oder des Ersatzes der Gewerbesteuer durch andere Steuern gesprochen. Wir von der Freien Demokratischen Partei gehen davon aus, daß die Gewerbesteuer überholt ist und daß sie verschwinden soll. Wenn wir sagen, daß sie überholt ist und verschwinden soll, so meinen wir nicht die ganze Gewerbesteuer, sondern wir stellen das einmal als politische Richtung für unsere Denkschemen zur Diskussion. Aber wir kennen genauso wie Sie die Schwierigkeiten. Die Gemeinden müssen mit einer Quote von rund 2 Milliarden DM besser ausgestattet werden. Wenn wir diese 40 %-Lösung der Regierung nehmen und die 5 Milliarden DM hinzuzählen, sind wir schon bei 71/2 Milliarden DM. Ich halte das auch für außerordentlich schwierig; es wäre aber für die deutsche Wirtschaft sehr nützlich. In Brüssel ist nämlich die Harmonisierung der großen Steuern, auch der Umsatzsteuer, festgelegt. Wir wissen, daß die Harmonisierung nicht bei unserer Quote von 11 % enden, sondern erheblich höher liegen wird. Ein Ausgleich dadurch, daß wir die Gewerbesteuer in dem Moment senken, in dem wir die Umsatzsteuer erhöhen müssen, ist in sich logisch; daß dieser Ausgleich außerordentlich schwierige - auch soziologische - Probleme mit sich bringt, erkennen wir voll an. Ich glaube, Sie werden mir dann also zugestehen, daß
unsere politische Absicht, die Gewerbesteuer abzubauen, bei all den Schwierigkeiten, die ich jetzt mit aufgezählt habe, durchaus vertretbar ist, wenn man davon ausgeht, daß das nicht wie mit einem Wunderstab geschehen kann, sondern daß eine Fülle komplizierter Entscheidungen und Handlungen durchgeführt werden müssen, um zu diesem für uns aber klar gesetzten Ziel eines Tages zu kommen.
Meine Damen und Herren, wir bitten die Regierung um weiteres Material, wenn wir uns in den nächsten Monaten in den Ausschüssen unterhalten, nicht nur über die Frage der gerechten Verteilung, der Methode der Verteilung, ob nach Kopf-Betrag oder nach örtlichem Steueraufkommen. Wir bitten die Regierung auch um Material, wie sie sich die Entwicklung im Rahmen der EWG vorstellt. Wir bitten außerdem um Vergleichsmaterial mit französischen Erfahrungen, was das Verhältnis der französischen Mehrwertsteuer oder der französischen Umsatzsteuer mit unserem Steuersystem betrifft. Die Franzosen haben ja keine Gewerbesteuer. Ihre Außenhandelssituation ist erheblich günstiger als unsere. Auch heute, nach der Erhöhung auf 11 %, liegen wir mit unseren Rückvergütungschancen immer noch unter denen der Franzosen. Ich glaube, wenn den Ausschüssen solches Material vorgelegt würde, würde das die Urteilsfindung erheblich erleichtern.
Wir sollten uns auch, wenn wir die Dinge. in den Ausschüssen vornehmen, mit den Spitzenorganisationen an einen Tisch setzen. Wir sollten eine Befragung der interessierten Kreise durchführen. Wir sollten es nicht dabei belassen, daß die Regierung schon mit den Verbänden gesprochen hat. Wir sollten eine möglichst große Zahl von Verbänden oder von Fachbereichen hier in unsere Ausschußarbeit mit einbeziehen, damit ein möglichst großer Teil der Bevölkerung das trägt, was wir in diesem Hause politisch als Neukonstruktion unserer innerstaatlichen Ordnung für die Zukunft wollen.
An diesem Punkt, Herr Kollege Möller von der SPD, ist es für uns relativ unbedeutend, ob das nun ausschußmäßig in dieser oder jener Form verläuft. Wir haben uns in der Fraktion darüber unterhalten, ob man das im Rahmen eines Sonderausschusses oder der bestehenden Ausschüsse machen soll. Wir glauben, daß die Methode der Behandlung, um so schneller ist, je mehr wir uns bestehender Ausschüsse bedienen, denn wenn wir einen Sonderausschuß nehmen, würde das sicherlich zu ständigen Querverhandlungen mit den bestehenden Ausschüssen führen. Wir entscheiden uns also in dieser Phase der Überlegungen grundsätzlich für die Benutzung der bestehenden Ausschüsse und sehen im Moment keine Notwendigkeit, einen Sonderausschuß mit den Arbeiten zu betrauen.
Meine Damen und Herren, aus dem, was ich hier vorgetragen habe, ersehen Sie von der Regierung und von der Koalition, daß wir gewissen Teilen der Vorarbeit vollinhaltlich zustimmen, daß wir gewisse Teile für nicht richtig, für veränderbar, zum Teil für falsch halten, daß wir uns aber ganz entscheidend von der Regierung unterscheiden in der VorstelDr. Emde
lung, welche Bedeutung dieses Reformwerk hat. Für uns ist das nicht die Große Finanzverfassungsreform, für uns ist das nur eine Minimallösung, die hier gewonnen wird, um die nächsten zwei oder drei Jahre zu überwinden.
Lassen Sie mich doch noch einmal kurz zusammenfassen, was tatsächlich - tatsächlich! - geregelt wird. Es wird nichts anderes getan, als definiert, was Gemeinschaftsaufgaben sind. Das ist kein großes Reformwerk. Der Steuerverbund wird vergrößert. Auch das ist nichts Bedeutsames an Reformwerk. Es ist geplant, ab 1970 die Grundsteuer zu erhöhen. Das hätten wir auch ohne Große Finanzverfassungsreform machen können. Und die Absichten, die zum Umbau der Gewerbesteuer vorgetragen sind, reichen nach unserer Überzeugung nicht aus, um diesem Werk den Begriff der Großen Finanzverfassungsreform zu geben.
Wir wünschten, daß im Laufe der nächsten Monate durch die Arbeit des Parlaments wirklich etwas von der Größe in das Verfassungswerk und in das Gesetzgebungswerk hineinkäme, die in der heutigen Zeit erforderlich ist, wenn wir die Zukunft der nächsten 10 oder 20 Jahre unseres Volkes richtig gestalten wollen.
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Das Wort hat der Herr Finanzminister des Landes Niedersachsen, Herr Kubel.
Kubel, Minister des Landes Niedersachsen: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich spreche hier nicht in meiner Funktion als Vorsitzender des Finanzausschusses des Bundesrats, um die Meinung der Mehrheit des Bundesrates zu vertreten. Ich habe mich davon entbinden lassen, um um so freier das vertreten zu können, was Niedersachsen für richtig hält.
({0})
Ich bin dem Bundesrat in diesem Punkte dankbar, daß er mich von dieser Pflicht entbunden hat. Über die Vorstellungen, die im niedersächsischen Kabinett gestern noch einmal abgestimmt worden sind, darf ich hier eine Erklärung abgeben. Zuvor möchte ich sagen, daß es für uns alle eine Genugtuung darstellt, wenn wir heute feststellen, daß sowohl der Herr Bundesfinanzminister als auch die Sprecher der beiden großen Fraktionen unsere Vorstellungen immerhin für so beachtenswert halten, daß sie sie in die künftigen Diskussionen mit einbeziehen werden. Das macht es mir um so leichter, mich auf
einige wenige Punkte von grundsätzlicher Bedeutung zu beschränken.
In unserer staatlichen und gesellschaftlichen Ordnung sind Spannungen zutage getreten, die nach Auffassung der niedersächsischen Landesregierung von allen Politikern einen überzeugenden Beitrag zur Neugestaltung überkommener reformbedürftiger Rechts- und Verfassungsformen erfordern. Die Größe der Aufgabe, die uns mit der lange überfälligen Finanzreform gestellt ist, verbietet unvollkommene Ausbesserungsarbeit. Wir stehen an einer Wegkreuzung, an der sich entscheiden wird, ob wir den Sprung vom bisherigen, überholten und in der Öffentlichkeit immer weniger überzeugungskräftigen separativen Föderalismus zu einer bundesstaatlichen Ordnung schaffen werden, die den heutigen staatlichen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Gegebenheiten entspricht, oder ob letzten Endes der Versuch einer solchen Neuordnung scheitert, weil eine Verfassungsreform nicht mit dem Rechenstift und nicht mit wortreicher Verbrämung eines bloßen Besitzstandsdenkens vorgenommen werden kann.
Niedersachsen hat beim ersten Durchgang der Gesetzesvorlage im Bundesrat Vorschläge unterbreitet, die sich als umfassendes Konzept für eine fortschrittliche bundesstaatliche Finanzverfassung darstellen. Diese Vorschläge fanden im Bundesrat nicht die erforderliche Mehrheit. Ich darf nun Sie, meine Damen und Herren, als das direkt gewählte Parlament der Bundesrepublik namens der niedersächsischen Landesregierung bitten, gleichwohl die im Bundesrat vorgelegten Anträge Niedersachsens in Ihre Beratungen einzubeziehen. Im einzelnen geht es dabei um folgendes:
Erstens. Wir meinen, daß nicht nur der Ausbau und der Neubau, sondern auch die Unterhaltung wisenschaftlicher Hochschulen angesichts ihrer Bedeutung für unser gesamtes Volk in gemeinsame Planungs- und Finanzierungsverantwortung gelegt werden muß. Wir machen uns mit diesem Vorschlag eine Forderung zu eigen, die in hochschulpolitischen Erörterungen bereits seit längerem erhoben wird und die angesichts der Ereignisse in den letzten Wochen und Monaten zusätzliches Gewicht gewonnen hat. Mit der Annahme unseres Vorschlags lassen sich auch die schwierigen finanziellen Hochschulprobleme kleiner Länder, für die man heute noch umständliche Lösungen über Länderabsprachen sucht, zwanglos regeln. Uns ist klar, meine Damen und Herren, daß damit der Bundesregierung das Recht eingeräumt werden muß, bei der Gestaltung der Hochschulpolitik rahmenrechtlich mitzuwirken. Niedersachsen hält das auch von der Sache her, wie ich ausdrücklich betonen will, für richtig, also der Hochschulpolitik selbst wegen.
Jetzt darf ich hinzufügen, meine Damen und Herren: Nachdem ich gestern auf der Autobahn am Autoradio Ihrer Debatte habe folgen können, möchte ich eigentlich meinen, daß die Annahme eines solchen Antrags einem I-Tüpfelchen entsprechen würde, das Sie setzen sollten.
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Zweitens. Wir wollen ferner die bundesstaatliche Zusammenarbeit von der Hypothek eines fortschrittsfeindlichen Besitzstandsdenekns befreit sehen, die bisher die finanzpolitischen Auseinandersetzungen zwischen Bund und Ländern und der Länder untereinander belastet. Hier muß ich einiges wiederholen, was für Sie wichtig ist, weil es die Meinung immerhin eines Teiles des Bundesrates ist. Im Zeitalter der arbeitsteiligen, weiträumig verflochtenen und zu immer größerer Konzentration drängenden Wirtschaft und der Herausbildung entsprechender
Landesminister Kubel
sozialer Umweltbedingungen hat unsere Bevölkerung einfach kein Verständnis dafür, daß aus den wirtschaftlich unwirksamen Ländergrenzen Besitzstandsansprüche auf das örtliche Steueraufkommen hergeleitet werden. Diesen Ansprüchen fehlt jede innere Rechtfertigung.
Weil ich von jener Bank komme und mich Bescheidenheit auszeichnen soll, bin ich so dankbar, daß wenigstens e i n Sprecher auch die Notwendigkeit der Beachtung des Art. 29 unseres Grundgesetzes hier betont hat. Ich will nicht sagen, daß damit die Probleme, die heute anstehen, gelöst werden können; das wissen wir. Wer aber überhaupt auf örtlichem Steueraufkommen als Grundlage der Finanzkraft der Länder verharren will, muß nun wirklich geneigt sein, die Ländergrenzen bald zu überprüfen.
Wenn Sie ein Beispiel haben wollen, dann nehmen Sie es als Scherz. Stellen Sie sich bitte einmal vor, meine Damen und Herren, jemand käme auf die Idee, aus dem Land Hessen die Stadt Frankfurt mit ihrem Industrieraum herauszulösen und zum Land zu machen. Wer diese Idee für absurd hält, den erinnere ich daran, daß eine solche Absurdität im norddeutschen Raum leider besteht.
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Das Steueraufkommen ist der öffentliche Anteil am wirtschaftlichen Leistungserfolg, der in der wirtschaftlichen Leistung des gesamten Volkes seinen Ursprung hat. Wir meinen deshalb, daß die großen Steuern, in denen sich in erster Linie die gesamtwirtschaftliche Leistung ausdrückt, als gemeinsame Steuern in einem großen Steuerverbund zusammenzufassen sind und daß das Aufkommen aus diesen Verbundsteuern unabhängig vom örtlichen Aufkommen als gemeinsame Masse allen am Verbund beteiligten Gebietskörperschaften zur gesamten Hand zuzuordnen ist. Hier füge ich hinzu: Ich habe durchaus große Sympathie für die Idee, daß es bei der Herstellung einer solchen Gesamthandmasse auf die Dauer keineswegs nur bei den eben genannten Steuerarten zu bleiben braucht, obwohl ich der Entwicklung unserer elektronischen Datenverarbeitung viel zutraue und zudem meine, daß aus dieser Technik heraus nicht alle Politik bestimmt werden darf.
Praktisch bedeutet das zunächst: Die Umsatzsteuer einschließlich der Einfuhrumsatzsteuer gehört in den Steuerverbund. Von der sogenannten Radizierbarkeit, deren Fehlen nach Ansicht der Ländermehrheit die Umsatzsteuer für den Verbund untauglich machen soll, halten wir nichts. Wir sind davon überzeugt, daß in der modernen Wirtschaft die Radizierbarkeit nicht nur der Umsatzsteuer, sondern auch der Einkommen- und Körperschaftsteuer eine Fiktion ist, die keinem anderen Ziel dient als dem der ungerechtfertigten Zementierung finanzieller Besitzstände.
Das anachronistische Prinzip des Art. 107 Abs. 1 des Grundgesetzes, nach dem die Ländersteuern und der Länderanteil an den gemeinsamen Steuern grundsätzlich nach dem örtlichen Aufkommen zu verteilen sind, sollte entfallen. Bei der vertikalen Steuerverteilung ist man sich längst darüber einig,
daß sich die Anteile der Beteiligten nach dem Bedarf und seiner Rangfolge bestimmen müssen. Es ist einfach nicht einzusehen, warum man diesen richtigen Grundsatz nicht auch im Verhältnis der Länder untereinander gelten lassen will.
Statt dessen mutet man den aufkommenschwachen Ländern immer noch zu, weiter hinter der Steuerkraft und damit hinter den Leistungsmöglichkeiten der steuerstarken Länder herzuhinken. Der heutige Länderfinanzausgleich, der ein gewisses Korrektiv für die abwegige Verteilung nach dem örtlichen Aufkommen sein soll, ändert daran nicht viel. Er verdient seinen Namen eigentlich nicht. Er führt nur zu einer begrenzten Steuerkraftangleichung, läßt aber in einem breiten Bereich unterhalb der durchschnittlichen Steuerkraft überhaupt keinen Ausgleich zu. Er ist also systematisch so angelegt, daß er dauernd große Steuerkraftunterschiede zwischen aufkommenstarken und aufkommenschwachen Ländern aufrechterhält. Es liegt auf der Hand, daß bei einer solchen nun schon jahrzehntelang andauernden Praxis die Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse, die das Grundgesetz fordert, Schaden nehmen muß.
Leider hat sich die Bundesregierung - offenbar in der Erwartung massiver Widerstände von interessierter Länderseite - nicht dazu entschließen können, eine durchgreifende Neuordnung des Finanzausgleichs in ihr Finanzreformprogramm und ihre Gesetzesvorlage aufzunehmen. Die in Aussicht gestellte Intensivierung des Länderfinanzausgleichs kann die niedersächsische Landesregierung nur als Notbehelf ansehen, der das eigentliche Problem nicht löst. Dennoch steht es mir wohl gut an, mich bei dem Herrn Bundesfinanzminister für die sehr eindrucksvolle Darstellung der Notwendigkeit zu bedanken, den horizontalen Finanzausgleich - wenngleich Notbehelf - nun wenigstens zu intensivieren.
Mit unseren Anträgen im Bundesrat sollte die verfassungsrechtliche Grundlage für eine Bedarfs- und prioritätsgerechte Finanzausgleichsgesetzgebung geschaffen werden. Unsere Vorschläge, bestehend aus einem Hauptantrag und mehreren Hilfsanträgen, sind in der Bundesratsdrucksache 138/7/68 abgedruckt. Die niedersächsische Landesregierung wäre Ihnen dankbar, wenn Sie diesen Vorschlägen Ihre Aufmerksamkeit schenken würden.
Nach unserem Hauptvorschlag soll durch einen neu in Art. 106 des Grundgesetzes einzufügenden Absatz bestimmt werden, daß der Länderanteil an den Gemeinschaftsteuern durch zustimmungsbedürftiges Bundesgesetz so zu verteilen ist, daß die Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse im Bundesgebiet gewahrt und die gleichmäßige Erfüllung der öffentlichen Aufgaben sichergestellt werden. Art. 107 würde durch diese Regelung überflüssig und wäre zu streichen. In der beantragten Ergänzung zu Art. 106 des Grundgesetzes sind die Grundsätze genannt, die für den künftigen bundesstaatlichen Finanzausgleich bestimmend sein sollen. Die Forderung nach einheitlichen Lebensverhältnissen finden Sie bereits im geltenden Art. 106 Abs. 4 des Grundgesetzes als Maßstab für die Verteilung der gemeinLandesminister Kubel
samen Steuern zwischen Bund und Ländergesamtheit.
Selbstverständlich läßt sich dieser Verfassungsauftrag nur dann erfüllen, wenn er auch für die Steuerverteilung auf die einzelnen Länder gilt. Einheitliche Lebensverhältnisse können aber nur dann gewährleistet werden, wenn die öffentlichen Aufgaben auf allen Ebenen der bundesstaatlichen Ordnung und in allen Teilen der Bundesrepublik gleichmäßig erfüllt werden. Deshalb ist es wichtig, auch diese Notwendigkeit als ein Kriterium der Steuerverteilung verfassungsmäßig zu verankern. Beide Kriterien besagen, daß die Verteilung durch den Bedarf bestimmt wird. Wie ich bereits erwähnte, ist für den vertikalen Finanzausgleich heute unbestritten, daß der Bedarf des Bundes einerseits, der Ländergesamtheit andererseits für die Festsetzung des Beteiligungsverhältnisses an den gemeinsamen Steuern maßgebend sein muß. Die Forderung ist in den zahlreichen Länderberatungen über die Finanzreform nachdrücklich von allen Ländern erhoben worden. Die Bundesregierung hat der Forderung Rechnung getragen, indem sie in Art. 106 ihrer Vorlage vorsieht, daß bei der Revision des Beteiligungsverhältnisses die in der Finanzplanung vorgesehenen Ausgaben zu berücksichtigen sind. Die gleichen Grundsätze müssen auch im Verhältnis der Länder untereinander gelten. Unser Antrag zieht die Konsequenzen aus dieser Erkenntnis, indem er für die gesamte Verteilung der gemeinsamen Steuern Bedarfs- und Rangordnungsgesichtspunkte entscheidend sein läßt. Angesichts dieser einheitlichen Verteilungsprinzipien für den gesamten bundesstaatlichen Finanzausgleich erübrigt sich eine Aufspaltung des Verteilungsverfahrens in einen vertikalen und einen horizontalen Finanzausgleich.
({3})
Meine Damen und Herren, ich bitte um Ruhe. Nehmen Sie bitte Platz und stellen Sie die Unterhaltungen ein.
Kubel, Minister des Landes Niedersachsen: Wer jemals das Pech gehabt hat, an solchen Diskussionen über die Verteilung nach dem heutigen Prinzip teilzunehmen, sollte schon deshalb unseren Vorschlag prüfen, weil er - ich wiederhole - die bisher übliche Methode gänzlich überflüssig macht. Die Gesamthandmasse kann nach unserem Vorschlag in einem einstufigen Vollzug bedarfs- und prioritätsgerecht durch differenzierte Quoten auf den Bund und die einzelnen Länder verteilt werden.
Der besondere staatspolitische Wert einer solchen Regelung liegt darin, daß durch die gesamthänderische Zuordnung der Aufkommensmasse und mit der gemeinsam abgestimmten Verteilung die bundesstaatliche Gesamtverantwortung aller Glieder des Bundesstaates unterstrichen wird. Kein Glied, weder der Bund noch ein Land, kann sich dieser Gesamtverantwortung entziehen und seinen Besitzstand wahren, ohne auf die berechtigten Belange der anderen und ihre Erfüllbarkeit Rücksicht zu
nehmen. Die mit unserem Antrag angebotene Neuordnung fordert ein hohes Maß von Gesamtverantwortung und Gemeinsinn. Aber ohne das kann ein bundesstaatlich strukturiertes Gemeinwesen nach unserer Überzeugung überhaupt nicht funktionieren.
Wir halten also unseren Hauptvorschlag, den ich Ihnen soeben erläutert habe, - man kann es nachher im Protokoll nachlesen - für die optimale Regelung des bundesstaatlichen Finanzausgleichs. Da wir aber, Herr Dr. Möller, durchaus Realpolitiker sind, haben wir auch Hilfsvorschläge vorgelegt, die ich jetzt kurz skizzieren darf. Vergessen Sie aber nicht, daß das schon angebotene Kompromisse sind.
Unser erster Hilfsvorschlag, ebenfalls in der Bundesratsdrucksache abgedruckt, bringt demgegenüber eine Regelung, die bedeutende Vorteile unseres Hauptantrages mit einer teilweisen Beibehaltung des bisherigen Verteilungssystems nach dem örtlichen Aufkommen verbindet. Diese Lösung ermöglicht die Einbeziehung der Umsatzsteuer in den Verbund. Hier soll zwar nach wie vor das Einkommen- und Körperschaftsteueraufkommen nach dem örtlichen Aufkommen verteilt werden; jedoch soll an die Stelle des Länderfinanzausgleichs eine vertikale Verteilung des Länderanteils an der Umsatzsteuer nach differenzierten Quoten treten, die sowohl den Bedarf der beteiligten Gebietskörperschaften als auch die bei der Einkommen- und Körperschaftsteuerverteilung verbliebenen Steuerkraftunterschiede berücksichtigen soll. Ein ähnliches Verfahren ist bereits in der Weimarer Republik angewandt worden, ohne daß dadurch die Eigenständigkeit der Länder in Frage gestellt worden wäre. Dieser Vorschlag setzt also voraus, daß die Umsatzsteuer in den Verbund mit einbezogen wird.
Der zweite in der Bundesratsdrucksache enthaltene Hilfsvorschlag entspricht dem Vorschlag der Troeger-Kommission. Danach soll - gegen unsere bessere Überzeugung - grundsätzlich bei der Verteilung der gemeinsamen Steuer nach dem örtlichen Aufkommen verblieben werden. Aber es soll wenigstens die Möglichkeit eröffnet werden, einen Teil des gemeinsamen Aufkommens nach anderen Maßstäben zu verteilen. Dieser anders zu verteilende Teil des Aufkommens kann die Umsatzsteuer oder ein Teil der Umsatzsteuer, etwa die Einfuhrumsatzsteuer, sein. Es kann allerdings auch ein Teil der Einkommen- oder Körperschaftsteuer sein. Insofern setzt diese Lösung zwar nicht den großen Verbund voraus; sie räumt aber andererseits Bedenken aus, die von mehreren Ländern und vom Finanzausschuß des Bundesrates gegen den großen Verbund und von der Bundesregierung gegen die Einbeziehung der Einfuhrumsatzsteuer in den großen Verbund erhoben werden.
Niedersachsen würde in der Annahme dieses Vorschlages der Troeger-Kommission nur einen bescheidenen Kompromiß sehen. Er dürfte in diesem Zusammenhang das Mindestmaß dessen sein, was man von einer Finanzreform erwarten muß. Ich kann mir nicht denken, daß eine Absage auch an diese wirklich bescheidene Verbesserung der Verfassungsbestimmungen für den bundesstaatlichen Finanzausgleich in der politisch interessierten
Landesminister Kubel
Öffentlichkeit anders verstanden werden könnte als so, daß sie eine Absage an die Finanzreform in einem ihrer ureigensten Anliegen überhaupt sei.
Der dritte von uns vorgetragene Hilfsvorschlag ist im Finanzausschuß des Bundesrats sogar angenommen worden. Er hat aber dann im Plenum nicht die erforderliche Mehrheit bekommen. Ich will nicht versäumen, auch auf diesen Vorschlag hinzuweisen - Sie finden ihn in den Bundesratsdrucksachen -, obwohl er eigentlich kaum noch als eine Verbesserung gewertet werden kann, die den Anspruch erheben kann, als Finanzreform bezeichnet zu werden. Er bedeutet, daß wir Art. 107 Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes wie folgt fassen möchten:
Durch Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, ist zwischen leistungsstarken und leistungsschwachen Ländern durch einen finanziellen Ausgleich sicherzustellen, daß die Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse im Bundesgebiet gewahrt und die gleichmäßige Erfüllung der öffentlichen Aufgaben sichergestellt werden; hierbei sind die Finanzkraft und der Finanzbedarf der Gemeinden ({0}) zu berücksichtigen.
Die Annahme dieses Antrags würde grundsätzlich nichts am geltenden System des bundesstaatlichen Finanzausgleichs ändern, sondern nur den Intensitätsgrad, den wir für den Länderfinanzausgleich fordern müssen, im Grundgesetz näher präzisieren. Eine starke Intensivierung des Länderfinanzausgleichs ist für die Erhaltung der politischen Wirkungsmöglichkeiten der finanzschwachen Länder eine zwingende Mindestvoraussetzung.
Namens der niedersächsischen Landesregierung darf ich abschließend darauf hinweisen, daß wir uns in den Ausschüssen dieses Hohen Hauses dem gemeinsamen Gespräch über alle Fragen der Finanzreform stellen werden. Ich hoffe, daß es uns auf diese Weise gelingt, fruchtbar in gemeinsamer Verantwortung dafür zu wirken, daß am Ende der Bemühungen um die Neuordnung einer wahrhaft bundesstaatlichen Finanzverfassung eine Reform steht, die diesen Namen auch wirklich verdient.
Verehrter Herr Dr. Möller, ich gebe mich keinen Illusionen hin. Ich hörte Sie sagen, daß der Politiker auf die Realitäten Rücksicht zu nehmen hat. Ich kenne Sie gut genug, um zu wissen, daß ich Sie damit nicht in die große Reihe der Opportunisten einzureihen brauche. Aber ich denke, einige in diesem Hause kennen auch mich gut genug, um mich nicht als irgendeinen weltfremden Schwärmer zu betrachten. Nachdem Herr Dr. Pohle vorhin gesagt hat, daß der Generationenabstand immer geringer wird, könnte ich mich mit dem sicheren Wissen trösten, daß unsere Vorschläge schon in der nächsten Generation durchgesetzt werden.
({1})
Meine Damen und Herren, wir unterbrechen hier die Debatte über die Finanzreform. Vereinbarungsgemäß rufe ich jetzt Punkt 34 a) und b) der Tagesordnung auf:
a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines ... Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes ({0})
- Drucksache V/1449 Schriftlicher Bericht des Rechtsausschusses ({1})
- Drucksache V/2376 -Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Süsterhenn ({2})
b) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe des Bundes
- Drucksache V/1450 Schriftlicher Bericht des Rechtsausschusses ({3})
- Drucksache V/2377 -Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Süsterhenn
({4})
Der Herr Berichterstatter wünscht das Wort zu einer mündlichen Ergänzung seines Schriftlichen Berichts.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es handelt sich hier um eine der zahlreichen Änderungen des Grundgesetzes, das heute vor 19 Jahren vom Parlamentarischen Rat verabschiedet worden ist. Diesmal betrifft die Änderung den Art. 95. Sie sehen aus dieser Vorlage zur Änderung des Grundgesetzes, daß man Erfahrungen, die inzwischen gesammelt worden sind, auch entsprechend berücksichtigt. Bei der Wiedererrichtung und dem Ausbau des Rechtsstaates waren alle Parteien im Parlamentarischen Rate von einem sehr starken Rechtsempfinden getragen und bestrebt, nach Möglichkeit ein Rechtssystem auszubauen, das jedermann seine Grundrechte und Freiheiten sichert. Man war aber auch der Überzeugung, daß es gerade für den Rechtsstaat notwendig sei, daß die Rechtseinheit gewahrt werde. Dieser Rechtseinheit sollte Art. 95 dienen, der vorsah, daß über die sogenannten oberen Bundesgerichte als höchstes Gericht ein Oberstes Bundesgericht gestellt werden sollte. Für dieses Oberste Bundesgericht war vorgesehen, daß es divergierende Rechtsprechungen der oberen Bundesgerichte abstimmen und hinsichtlich derartiger Divergenzen letzten Endes entscheiden sollte.
Er hat sich aber in der nunmehr neunzehnjährigen Praxis herausgestellt, daß das Bedürfnis zur Lösung divergierender oder gegensätzlicher Meinungen zwischen den oberen Bundesgerichten nicht so groß ist, wie das der Parlamentarische Rat damals angenommen hat. Insgesamt gibt es nur 29 praktische Fälle, in denen obere Bundesgerichte voneinander abweichende Entscheidungen getroffen haben. Diese Fälle sind auch nicht alle von einer entscheidenden
Bedeutung gewesen und inzwischen meistens gelöst worden. Deshalb soll durch diese Grundgesetzänderung die vom Parlamentarischen Rat gefundene und geforderte Lösung eines eigenen Obersten Bundesgerichts nicht durchgeführt werden. Das Grundgesetz soll dahin geändert werden, daß an Stelle eines selbständigen Obersten Bundesgerichtes ein Gemeinsamer Senat der oberen Bundesgerichte gebildet wird, der im Falle divergierender Rechtsprechungen die Einheitlichkeit der Rechtsprechung wahren soll. Das ist der Kern der Grundgesetzänderung; die übrigen Grundgesetzänderungen haben nur redaktionellen Charakter, insbesondere insoweit, als die jetzigen oberen Bundesgerichte wie der Bundesgerichtshof, das Bundesverwaltungsgericht, das Bundessozialgericht und das Bundesarbeitsgericht nunmehr ihrem effektiven Status entsprechend oberste Bundesgerichte werden und diese Bezeichnung auch tragen sollen.
Damit verbunden ist das Gesetz zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe des Bundes. Das ist praktisch das Ausführungsgesetz zu der eben von mir erwähnten Grundgesetzänderung des Art. 95. In diesem Gesetz werden im wesentlichen die Formalitäten, die Verfahren, die Zusammensetzung des Gemeinsamen Senates, die Vorlagebeschlüsse und die entsprechenden Regelungen behandelt. Bei diesen Regelungen war der oberste Grundsatz, daß in diesem Gemeinsamen Senat alle betroffenen, aber auch die nicht betroffenen obersten Bundesgerichte vertreten sein sollten, und zwar nicht nur durch ihre Präsidenten, sondern mindestens durch zwei Richter, nämlich den Präsidenten des betroffenen oder vorlegenden Senats und einen weiteren Richter aus diesem Senat, also durch Richter, die mit der jeweiligen Materie vertraut sind.
Ich glaube, daß diese Regelung, die der Rechtsausschuß einstimmig beschlossen hat, eine praktikable Regelung ist und dem Sinn des Grundgesetzes sowie dem Gesichtspunkt der Wahrung der Rechtseinheit in ausreichendem Maße gerecht wird.
({0})
Wir treten nun in die zweite Beratung des Entwurfs eines ... Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes ein.
Das Wort hat der Abgeordnete Bühling.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Für die Fraktion der SPD möchte ich zu den obersten Bundesgerichten und ihrem Gemeinsamen Senat nur noch drei kurze. grundsätzliche Bemerkungen machen. Ich kann mich darauf beschränken, weil Herr Kollege Professor Süsterhenn die Entstehungsgeschichte des Gesetzes und seinen allgemeinen Sinn schriftlich und mündlich schon zutreffend erläutert hat.
Erstens: Der Gemeinsame Senat wird am Sitz des Bundesgerichtshofes errichtet. Es besteht die Gefahr, daß hieraus eine Tendenz herausgelesen wird, die vielleicht dazu führt, daß man daraus ein Primat konstruieren will. Es soll aber der Entstehung einer
Ideologie oder einer Pseudoideologie von vornherein vorgebeugt werden. Deshalb möchte ich nochmals ganz klar feststellen, daß lediglich praktische Gründe für den Sitz in Karlsruhe sprachen. Einer dieser praktischen Gründe ist z. B. der Sitz der Bibliothek des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe. Es sollte auf keinen Fall ein Vorrang des Bundesgerichtshofes begründet werden. Irgendwelche rechtspolitischen Schlüsse, die daraus gezogen werden könnten, wären falsch.
Zweitens. Während des Gesetzgebungsverfahrens hat der DGB großen Wert darauf gelegt, daß die Eigenart der Arbeits- und der Sozialgerichtsbarkeit nicht gefährdet wird. Ich möchte deshalb hervorheben, daß nach den vorgelegten Gesetzentwürfen in der Fassung der Ausschüsse weder eine Beeinträchtigung noch eine Gefährdung der Eigenart der Arbeits- und Sozialgerichtsbarkeit zu befürchten ist. Das ist meines Erachtens völlig ausgeschlossen.
Das dritte ist das, wovon schon Professor Süsterhenn bei der kritischen Betrachtung in seinem Schriftlichen Bericht gesprochen hat, wonach dieser Gemeinsame Senat als „Präsidentenklub" bezeichnet worden ist. In dieser Kritik steckt sehr viel Wahres. Man könnte vielleicht annehmen, hier sollten zum Teil überholte hierarchische Strukturen in der Richterschaft, die cien alten hierarchischen Strukturen der Beamtenschaft entlehnt worden sind, konserviert werden. Das ist aber nicht der Fall. Wir wollten einer übertriebenen Hierarchie in der Richterschaft auf keinen Fall das Wort reden. Wir waren lediglich der Meinung, daß die Frage einer Reduzierung dieses übertriebenen hierarchischen Aufbaus innerhalb der Justiz umfassend geprüft werden muß. Die vorliegenden Gesetze umfassen praktisch nur einen kleinen Ausschnitt aus der Tätigkeit der deutschen Gerichtsbarkeit.
Es war nach unserer Meinung hier nicht der Ort, das Verhältnis der Richter zueinander neu zu regeln. Aber - und deswegen erwähne ich es - diese Aufgabe bleibt dem Gesetzgeber gestellt. Ich wollte bei dieser Gelegenheit daran erinnert haben. Ich bitte Sie deshalb, auch namens der SPD-Fraktion, den vorgelegten Entwürfen zuzustimmen.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Busse.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren Kollegen! Namens der Fraktion der FDP kann ich erklären, daß wir den im Rechtsausschuß einstimmig verabschiedeten Gesetzen auch hier unsere Zustimmung geben. Ich kann mir nach dem eingehenden Bericht des Herrn Berichterstatters Einzelausführungen ersparen. Dem, was in der ersten Lesung von uns hier als vielleicht korrekturbedürftig angemeldet worden ist, ist in den vorliegenden Entwürfen Rechnung getragen, so daß dem Ziel, die Einheitlichkeit der Rechtsprechung und die Auslegung des deutschen Rechtes im Rahmen der Gerichtsbarkeit zu sichern, in vollem Umfang entsprochen ist.
Busse ({0})
Hinweisen möchte ich auch hier auf das, was ich bereits in der ersten Lesung vorgetragen habe. Wir bedauern, daß unsere damals vorgetragene Anregung nicht aufgegriffen worden ist, diese Verfassungsänderung zu einer weiteren Verfassungsänderung auszubauen, die dahin führt, daß wir eine Vereinheitlichung der gesamten Rechtsprechung unter einem Justizministerium herbeiführen. Aber wie gesagt, das ist eine Aufgabe, die uns in der Zukunft noch beschäftigen wird.
Daran, daß die Lösung bisher noch nicht erfolgt ist, kann und soll die Regelung, die in den vorliegenden Gesetzentwürfen vorgesehen ist, nicht scheitern. Wir werden daher zustimmen.
({1})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir kommen nun zur Beschlußfassung in der zweiten Beratung. Ich rufe auf den Art. 1, - den Art. 2, - Einleitung und Überschrift, wobei darauf hinzuweisen ist, daß es sich um ein Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes handelt. - Wer den aufgerufenen Artikeln sowie Einleitung und Überschrift zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Danke. Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das Gesetz ist in der zweiten Beratung einstimmig angenommen.
Wir treten in die
dritte Beratung
ein. Wird in der allgemeinen Aussprache das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann kommen wir zur Abstimmung. Nach Art. 79 des Grundgesetzes bedarf ein Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes der Zustimmung von zwei Dritteln der Mitglieder des Bundestags und zwei Dritteln der Stimmen des Bundesrats. Nach § 49 Abs. 2 der Geschäftsordnung hat der Präsident, wenn für einen Beschluß die Zustimmung einer bestimmten Mitgliederzahl erforderlich ist, festzustellen, daß die Zustimmung der erforderlichen Mehrheit vorliegt. Dies geschieht durch Auszählung. Wir haben also auszuzählen. Ich muß zu meinem Bedauern hinzufügen, daß die Berliner Abgeordneten bei dieser Abstimmung nicht stimmberechtigt sind. Ich gebe das vorläufige Ergebnis der Auszählung bekannt. Es sind abgegeben worden 362 Stimmen, keine Nein-Stimmen, keine Enthaltungen. Mit Ja haben gestimmt alle an der Abstimmung Beteiligten, also 362 Abgeordnete. Damit ist das Gesetz mit der notwendigen verfassungsändernden Mehrheit in dritter Beratung angenommen.
Ich eröffne die Aussprache zu Punkt 34 b der Tagesordnung. - Das Wort wird nicht gewünscht. Ich rufe §§ 1 bis 24, Einleitung und Überschrift auf. - Wer den aufgerufenen Paragraphen zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Danke! Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das Gesetz ist in zweiter Beratung einstimmig angenommen.
Wir kommen zur
dritten Beratung.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort wird nicht gewünscht. Die Aussprache ist geschlossen. Wir stimmen ab. Wer dem Gesetz in dritter Beratung zustimmen will, den bitte ich, sich zu erheben. - Danke. - Die Gegenprobe bitte! - Enthaltungen? - Das Gesetz ist auch in dritter Beratung einstimmig angenommen.
Wir kehren nun zurück zur Aussprache über das
Finanzreformgesetz.
Das Wort hat der Herr Finanzsenator der Freien und Hansestadt Hamburg, Herr Heinsen.
Darf ich zunächst richtigstellen: Ich bin nicht Finanzsenator, sondern Bevollmächtigter der Freien und Hansestadt Hamburg.
Ich entschuldige mich in aller Form.
Zweitens spreche ich hier nicht als Vertreter einer Landesregierung, auch nicht des Senats der Freien und Hansestadt Hamburg, die es nach der Auffassung meines hochverehrten Freundes Kubel offenbar nicht geben darf,
({0})
sondern ich spreche hier als Beauftragter des Bundesrates, und zwar nur deshalb, weil ein Mitglied des Bundesrates, eben mein Freund Kubel, hier die Meinung der niedersächsischen Landesregierung vertreten hat, die von derjenigen des Bundesrates in seiner ganz überwiegenden Mehrheit abweicht.
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Ich möchte mich auf wenige Punkte beschränken, nur um klarzumachen, wie die ganz überwiegende Mehrheit des Bundesrates zu diesen Dingen steht. Es handelt sich auch nicht - dieser Eindruck könnte entstehen - um einen Gegensatz zwischen steuerstarken und steuerschwachen Ländern, sondern die entscheidenden Beschlüsse sind mit der Mehrheit von 10 : 1 bzw. unter Einbeziehung von Berlin mit 40 : 5 Stimmen gefaßt worden.
Erstens. Niedersachsen schlägt vor, wie unter dem Weimarer System alle wesentlichen Steuern des Bundes und der Länder in einen einheitlichen Topf zu werfen und daraus je nach dem Bedarf der einzelnen Länder diesen Ländern ohne Rücksicht auf das örtliche Aufkommen Zuweisungen zu gewähren. Die übrigen Länder - auch die steuerschwachen Länder - haben gegen dieses System erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken. Der Unterschied zu den Verhältnissen in der Weimarer Zeit besteht eben darin, daß wir heute eine grundgesetzliche Garantie des föderativen, des bundesstaatlichen Systems haben und daß in Art. 79 Abs. 3 des Grundgesetzes ein verfassungsfestes Minimum garantiert ist. Wenn ich auch dem Herrn Bundesfinanzminister darin zustimme, daß die Zustimmung des Volkes wichtiger ist als Verfasungsgarantien, so bleibt doch die Feststellung, daß kein Parlament Regelungen beschlieSenator Dr. Heinsen
ßen kann, die gegen Art. 79 Abs. 3 des Grundgesetzes verstoßen. Auch der Herr Bundesfinanzminister hat heute morgen ausdrücklich erklärt, daß Regelungen, die an den Staatscharakter und die Staatsqualität der Länder rühren, von ihm und von der Bundesregierung nicht gewünscht werden. Wenn man aber den Ländern eigene Steuereinnahmen, eigene Steuerquellen nimmt, wenn man nicht mehr auf das Steueraufkommen in dem jeweiligen Lande grundsätzlich abstellt - so unvollkommen diese Verteilungsmethode auch sein mag -, dann macht man die Länder gewissermaßen zu Provinzen mit einer gewissen Selbstverwaltung, die gewisse sehr geringe Gesetzgebungsbefugnisse und gewisse Verwaltungsbefugnisse haben. Auch dort breitet sich die Bundesverwaltung oder die Bundesauftragsverwaltung zwangsläufig stärker aus. Aber man stellt die Länder eine Stufe niedriger als die Gemeinden. Die Gemeinden sollen nach dem Willen der Bundesregierung eigene Steuern mit eigener Hebesatzbefugnis bekommen. Den Ländern will man das bei ihrem wesentlichsten Steueraufkommen nehmen, wenn man diesem niedersächsischen Vorschlag folgt. Man stellt also - sage ich - die Länder auf eine Selbstverwaltungstufe noch unterhalb der Gemeinden. Das ist der Grund, weshalb die Länder diesen Vorschlag ablehnen.
Nun sagte ich eben schon: Das jetzige System führt - darüber sind sich alle Länder, auch die steuerstarken, einig - zu Unvollkommenheiten, zu einem krassen Mißverhältnis zwischen den steuerstarken und den steuerschwachen Ländern. Dieses Mißverhältnis muß beseitigt werden, d. h. der horizontale Finanzausgleich als das Instrument, das wir in unserem Grundgesetz entwickelt haben, um aus der Solidargemeinschaft der Länder heraus den notleidenden Ländern zu helfen, muß intensiviert werden.
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- Richtig, es ist nicht genügend geschehen; ich will jetzt nicht in der Vergangenheit rühren. Aber wir sind jetzt bereit, es zu tun, Herr Kollege Niederalt. Wir sind der Auffassung - auch die steuerschwachen Länder -, daß es dem Wesen des bundesstaatlichen Aufbaus besser entspricht, wenn die Solidargemeinschaft der Länder hilft, als wenn die Länder wie in Weimar alle zusammen Kostgänger des Bundes werden, der - ob er will oder nicht - in die Situation kommen kann, ein Land gegen ein anderes auszuspielen. Die Mehrheit des Bundesrates ist auch der Meinung, daß sich die Konstruktion des horizontalen Finanzausgleichs als Steuerkauraftsgleich bewährt hat. Das sagt nichts über das Maß aus, aber über das Prinzip. Einen Bedarfsausgleich, wie Niedersachsen es will, haben wir bis zum Jahre 1955 gehabt.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich darf auf die Begründung der Regierungsvorlage zu dem damaligen Finanzverfassungsgesetz 1955 verweisen. Da steht sehr deutlich drin, warum man damals dieses Bedarfssystem abgeschafft hat. Da heißt es
- ich darf hier mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten zitieren -:
Das Bestreben, allen Ausgleichsbedürfnissen zu entsprechen und möglichst gerechte Ausgleichsergebnisse zu erzielen,
- wenn ich einschalten darf, das heißt, auf die einzelnen Bedarfselemente abzustellen -führt zu einer übermäßigen Komplizierung und Erschwerung des Verfahrens und damit zu einem Aufwand, der in keinem Verhältnis zu dem auch dann noch zweifelhaften Ergebnis steht.
Etwas später heißt es:
Für die Methode des Finanzausgleichs ergibt sich hieraus das Erfordernis, die Ausgleichstatbestände auf wenige finanzwirtschaftlich bedeutsame und repräsentative Faktoren zu beschränken. Damit wird das Verfahren auch materiell stärker objektiviert, weil bei der absoluten und relativen Gewichtung der einzelnen Ausgleichsfaktoren eine gewisse Willkür kaum ganz auszuschalten ist und die ausgleichstechnische Wirkung dieser Faktoren durch übermäßige Häufung vielfach kompensiert oder verfälscht wird. So leidet auch die gegenwärtige Finanzausgleichsregelung
- also bis 1955 unter dem Bestreben, allzu vielen Bedarfstatbeständen Geltung zu verschaffen.
Das heißt mit anderen Worten, es ist zu kompliziert, und die einzelnen Bedürfnisse heben sich zum großen Teil gegeneinander auf, so daß der Aufwand sich nicht lohnt. Diese Gründe gelten nach Meinung der Mehrheit des Bundesrates auch noch heute. Ich darf sie noch durch ein Beispiel ergänzen: Eine Kommission, die von den Ministerpräsidenten der Länder aufgefordert worden ist, das Problem des Hochschullastenausgleichs zu untersuchen, hat festgestellt, daß bei jedem der in Betracht kommenden Schlüssel das Ergebnis immer das ist, daß ausgerechnet die heute steuerschwachen Länder Zahlungen an die steuerstarken Länder leisten müssen, weil nämlich die steuerstarken Länder diejenigen sind, die auch - nach allen möglichen Kriterien - die höchsten Hochschullasten im Verhältnis pro Einwohner, im Verhältnis zur Finanzkraft, im Verhältnis pro Student aus dem Lande tragen. Das nur als ein Beispiel, um zu zeigen, wohin solche Rechnungen führen.
Die Mehrheit des Bundesrates - also alle Länder außer Niedersachsen - ist aber zu einer Intensivierung des Finanzausgleichs bereit, allerdings nicht, wie auch der Herr Bundesfinanzminister heute gesagt hat, zu einer 100%igen Nivellierung. Ich brauche dazu nichts weiter zu sagen.
Mein dritter Punkt betrifft den großen Steuerverbund. Ich muß hier sagen, so einfach, wie der Herr Bundesfinanzminister und einige der Sprecher die Problematik heute dargestellt haben, ist sie leider nicht. Die Auffassungen, die für den großen Steuerverbund sprechen und die sehr gewichtig sind, sind
Senator Dr. Heinsen
heute hier eingehend vorgetragen worden; ich brauche sie nicht zu wiederholen. Ich möchte sagen, daß die Auffassung der Länder in dieser Frage sehr viel differenzierter ist. Es gibt hier keine Schwarzweißauffassungen. Aber auf ein Argument muß ich eingehen, weil es heute morgen kurz und, wie ich meine, in falscher Blickrichtung angesprochen worden ist. Ein Hauptziel des großen Steuerverbundes ist erklärtermaßen die Stabilisierung des Anteilsverhältnisses zwischen Bund und Ländern durch eine große Verbundmasse von etwa zwei Dritteln des Aufkommens, von der dem Bund dann etwa 60 % zustehen, um damit den ständigen Anteilsstreit, den häßlichen Streit zwischen Bund und Ländern zu vermeiden. Ich muß sagen: Schön wär's, wenn wir das erreichen könnten. Aber ein Steuerverbund auf diese Weise führt dazu, daß der Bund auch an den einzelnen Steuern, also z. B. an der Einkommen- und Körperschaftsteuer, mit 60 %, also überwiegend, beteiligt ist.
Aber alle Sachverständigen und auch das Bundesfinanzministerium sind sich heute darüber einig, daß in Zukunft die Ausgaben der Länder und der Gemeinden, die mit zu den Ländern gehören und die dabei mit berücksichtigt werden müssen, unverhältnismäßig stärker anwachsen als die Ausgaben des Bundes. Das gilt - entgegen dem, was Herr Dr. Möller heute morgen sagte - nicht nur für die bestehende Aufgabenverteilung, sondern auch in Zukunft. Ich darf daran erinnern, daß die großen gesellschaftspolitischen Aufgaben, insbesondere auf dem Gebiete der Bildung und der Infrastruktur, in erster Linie den Ländern und Gemeinden obliegen. Auch wenn wir jetzt Gemeinschaftsaufgaben schaffen, so sind diese, z. B. auf dem Gebiete der wirtschaftlichen Infrastruktur, nur ergänzend zum Ausgleich gedacht für das, was die Länder und die Gemeinden nicht von sich aus tun. Außerdem tragen die Folgekosten aus diesen Investitionen ganz allein die Länder und die Gemeinden, und zwar nicht nur für die reinen Länder- oder Gemeindeinvestitionen, sondern auch für die Gemeinschaftsinvestitionen aus den Gemeinschaftsaufgaben.
Ich darf vor allem an den Sektor der Personalkosten erinnern. Wenn wir ein wirtschaftliches Wachstum wollen, bedingt das ein Wachsen der Personalausgaben, und diese Personalausgaben fallen in ihrem Schwerpunkt, in der Masse, bei den Ländern und Gemeinden an. Diese und eine Reihe weiterer Faktoren, die ich jetzt nicht nennen will, bewirken, daß auch in Zukunft das Gros des Aufgaben- und des Ausgabenwachstums bei Ländern und Gemeinden liegt. Herr Dr. Möller hat das für den Bereich der Gemeinden übrigens auch ausdrücklich anerkannt.
Wenn aber nun die Ausgaben stärker bei Ländern und Gemeinden wachsen, wäre es an sich nur vernünftig, daß auch die Beteiligung der Länder und Gemeinden an den Wachstumssteuern - und das sind nun einmal die Einkommen- und Körperschaftsteuern - entsprechend stärker ist. Zwar ist heute morgen hier eingewandt worden: Das Wachstum ist ja nicht garantiert, es kann auch einmal eine Rezession geben. Selbstverständlich. Wir haben es erlebt.
Aber die Politik dieser Bundesregierung und wahrscheinlich auch die Politik aller zukünftigen Bundesregierungen, die jetzt das Instrument des Stabilitätsgesetzes in der Hand haben oder haben werden, wird darauf gerichtet sein, ein stetiges Wachstum zu erhalten.
Wir können also in Zukunft mehr als bisher davon ausgehen, daß es bei diesem Wachstum, wenn auch vielleicht mit Schwankungen, bleibt. Das ist jedenfalls der Regeltatbestand, den wir unseren Überlegungen zugrunde legen müssen. Dieses Argument steht meiner Argumentation und der Argumentation der Mehrheit der Länder nicht entgegen. Wenn wir das aber nicht machen, wenn wir dem stärkeren Ausgabenwachstum bei Ländern und Gemeinden nicht eine stärkere Beteiligung an den Wachstumssteuern entsprechen lassen, führt genau dieser Tatbestand zu einem jährlichen Streit zwischen Bund und Ländern, weil die Länder jedes Jahr zum Bund kommen müssen und um eine Anpassung des Länderanteils für sich und ihre Gemeinden an die wachsenden Ausgaben bitten müssen. Daran ändert auch keine mittelfristige Finanzplanung etwas. Jedes Jahr, wenn fortgeschrieben und angepaßt wird, wird sich dieses Spiel wiederholen. Die Meinung der Mehrheit des Bundesrates ist daher, daß das Stabilisierungselement, die Vermeidung des Streits zwischen Bund und Ländern, gerade durch eine solche Regelung nicht gefördert, sondern im Gegenteil verhindert wird.
Diesem Bedenken stehen andere Argumente -ich habe es zugegeben -, insbesondere die heute morgen erwähnten Argumente aus der Konjunkturpolitik, entgegen. Man wird sehr sorgsam abwägen müssen, man wird möglicherweise Zwischenlösungen finden, Kompromißlösungen, die allen Gesichtspunkten Rechnung tragen. Ich möchte hier aber ganz klar und deutlich machen, daß sich die Länder hier nicht von irgendeinem sturen und engstirnigen „Föderasmus" - wie mein Freund Helmut Schmidt sagen würde - leiten lassen, sondern daß hier sehr ernste Gesichtspunkte dahinterstehen, die auch im Interesse der Entschärfung des Verhältnisses zwischen Bund und Ländern liegen.
Einen solchen Kompromiß zu finden wird im übrigen wahrscheinlich leichter sein, wenn die Entwicklung des Aufkommens der neuen Umsatzsteuer, der Mehrwertsteuer, zu übersehen ist. Meine sehr geehrten Damen und Herren, es ist so sehr schwierig, über diese Fragen zu sprechen, nachdem wir gerade erst die Mehrwertsteuer eingeführt haben, die ganz erhebliche, auch regionale Verschiebungen mit sich gebracht hat. Die Auswirkungen sind uns allen noch nicht klar. Ehe wir dort nicht klar sehen, wird es schwer sein, hier Lösungen zu finden. Das ist ein weiterer Grund für das Zögern des Bundesrates. Wenn wir andererseits diese Klarheit haben, wird es wahrscheinlich auch möglich sein, einen systemgerechten Ausgleich für die Ungerechtigkeiten zu entwickeln, die in der Benachteiligung vor allem der Agrarländer, d. h. auch der steuerschwachen Länder, infolge des halben Steuersatzes insbesondere bei landwirtschaftlichen Produkten liegen, wenn das örtliche Aufkommen zugrunde gelegt
Senator Dr. Heinsen
wird. Das ganze Problem der Radizierbarkeit wird also, wie ich meine, systemgerecht zu lösen sein. Aber Voraussetzung ist erst einmal, daß wir sehen, wie die regionale Streuung jetzt ist.
Ich fasse zusammen: Dieses Hohe Haus wird aufgefordert sein, hier nach vernünftigen Lösungen zu suchen. Ich darf schon hier sagen, die Vertreter des Bundesrates werden dabei mithelfen.
Noch ganz kurz ein letzter Punkt. Verschiedene der Herren Vorredner und auch der Herr Bundesfinanzminister haben darauf hingewiesen, daß die Flurbereinigung ein wesentlicher Teil der Reform ist. Ich möchte hinzufügen, sie war sogar der Anlaß und der Anstoß für die ganze Debatte um die Finanzreform. Die Verhandlungen über die Verwaltungsvereinbarung ruhen leider seit etwa acht Monaten. Der Bundesrat ist der Auffassung, daß das dringend geändert werden muß. Die Verhandlungen müssen wiederaufgenommen werden. Wir haben wiederholt an das Bundesfinanzministerium appelliert; ich tue es von dieser Stelle aus jetzt noch einmal. Ich habe schon als Berichterstatter im Bundesrat gesagt, der Bundesrat kann dem ganzen Gesetzgebungswerk im Endergebnis nur zustimmen, wenn die Verwaltungsvereinbarung über die Flurbereinigung auf dem Tisch liegt.
Es ist leider auch nicht so, daß dort alles schon klar ist. Da gibt es viele Details, in denen bekanntlich der Teufel steckt. Das Ziel ist eine klare Scheidung der Aufgabenbereiche zwischen Bund und Ländern, und zwar je nachdem, wer - Bund oder Länder - besser geeignet ist, diese Aufgaben zu erfüllen. Ich muß hier sagen, daß die bisherigen Vorstellungen der Bundesregierung nach Meinung der Länder noch zu sehr die Tendenz zu Überschneidungen haben und den klaren Willen zu einer reinlichen Scheidung vermissen lassen. Wenn sich der Bund hier zu einer klareren Konzeption im Sinne einer echten Flurbereinigung durchringen könnte, würde das nicht nur die Verabschiedung dieser Verwaltungsvereinbarung, sondern die Verabschiedung des gesamten Werkes erheblich erleichtern. Manche Probleme würden sich dann ganz anders ansehen und viel leichter lösen lassen. Darauf wollte ich hier hinweisen.
Zum Schluß, meine sehr geehrten Damen und Herren, darf ich hier nur noch folgendes sagen. Die Länder haben, entgegen dem, was manchmal in der Presse stand, an diesem Gesetzgebungswerk von Anfang an sehr intensiv und sehr konstruktiv mitgewirkt; das geschah nicht nur in den vorangegangenen Bund-Länder-Verhandlungen, sondern auch im Bundesrat. Sie werden das auch durch Beauftragte. die extra dafür gewählt worden sind, in den Ausschußberatungen dieses Hohen Hauses tun. Manche Formulierung in dem, was Ihnen hier als Regierungsentwurf vorliegt, geht auf Vorschläge der Länder zurück. Die Länder haben niemals nein gesagt. Sie sind bereit, hier mitzuwirken.
Ich darf hier mit Genehmigung des Herrn Präsidenten einiges aus der Erklärung zitieren, die Herr Ministerpräsident Kühn als Vertreter aller Länder und für alle Länder bei der Beratung am 5. April
1968 im Bundesrat abgegeben hat; er hat dort gesagt:
Den Ländern wird oft nachgesagt, sie verträten nur ihre regionalen Interessen. Sicherlich tun sie das auch, das ist eine ihrer legitimen Aufgaben.
In der Verantwortung der Länder liegt - das wird oft übersehen - das Schwergewicht der inneren Staatsverwaltung. Ihnen ist besonders die Verteidigung des Föderalismus als eines fundamentalen Prinzips staatlicher Ordnung anvertraut. Jedoch immer dann, wenn sich ergab, daß eine Aufgabe besser zentral als dezentral zu lösen war, haben sich die Länder den politischen und wirtschaftlichen Notwendigkeiten nicht verschlossen. Sie werden sich auch im Interesse der Finanzreform von der gleichen Haltung leiten lassen... .
Es kann nicht Aufgabe der Finanzreform sein, nur die Machtverhältnisse zu verschieben, wenn sich daraus keine Verbesserung für das allgemeine Wohl ergibt. Was der Entwurf des Finanzreformgesetzes erreichen soll, muß eine Reform sein. Die Länder werden es an einer positiven Mitwirkung in Richtung auf dieses Ziel hin nicht fehlen lassen.
({3})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Müthling.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Anschluß an die Grundsatzausführungen des Herrn Kollegen Dr. Möller von heute morgen möchte ich jetzt einige Hinweise zu dem eigentlichen Zentralproblem der Gemeindefinanzreform geben, zur Gewerbesteuer. Zuvor eine einzige Zahl zu dem sogenannten Übergewicht der Gewerbesteuer, mit dem draußen der ganze Streit geführt wird. 80 % Gewerbesteuer-Übergewicht im Gemeindehaushalt, das ist die Schlagzeile. Demgegenüber entfallen nach den letzten amtlichen Zahlen von 1965 von den laufenden Einnahmen auf die Gemeindesteuern 41,2 %. Für die drei Gewerbesteuerarten beträgt der entsprechende Satz 32,3 %. Das zur Richtigstellung.
({0})
- Ich sage das mit Rücksicht auf Zeitungsnachrichten von heute morgen.
Im Mittelpunkt der Gemeindefinanzreform soll eine simple Umschichtung stehen. Die für eine Reform erforderliche Finanzmasse sollen im wesentlichen die Gemeinden selbst aufbringen. Die Nivellierung der Steuerkraftunterschiede soll durch eine große Austauschaktion bewirkt werden, nämlich durch einen Austausch von Gewerbesteuer der Betriebsgemeinden gegen Einkommensteueranteile der Wohnsitzgemeinden. Es geht also ganz einfach um die Verlagerung von Steuerkraft von einem kommunalen Bereich in den anderen. Auf diese Weise
werden die zentralen Orte schwerwiegend betroffen.
In der Regierungsvorlage bleiben dazu drei wichtige Tatsachen unberücksichtigt. Das sage ich trotz der Vertrauensvorschüsse, die heute morgen so freigebig nach allen Seiten hier ausgeschüttet wurden.
Die vorgesehene Nivellierung - das ist eine der Tatsachen, von denen ich eben sprach - läßt die bestehenden Bedarfsunterschiede unberücksichtigt, läßt den effektiven Bedarf unberücksichtigt, wobei Wünsche kein Bedarf sind, Diese Nivellierung läßt die soziale Verpflichtungsbilanz dieser Gemeinden unberücksichtigt, die die Bevölkerung der betroffenen Gemeinden, die Betriebe und die Arbeitsplätze ernstlich belastet. Man kann, glaube ich, zusammenfassen: kommunale Nöte sind jedermanns Nöte. Aber auch nicht ein Anflug dieser Beeinträchtigung noch der eigentlichen Grundlagen eines modernen Industriestaates steht hiervon in Antrag und Begründung der Gesetzesvorlage. Gerade an dieser Stelle zeigt sich bei der Gesetzesvorlage, wie schwer es in einer Demokratie Gesetzeswerke haben, denen die Unterstützung der breiten Öffentlichkeit fehlt.
({1})
Das zweite Argument gegen die Vorlage in dieser Hinsicht ist folgendes. Die so betroffenen zentralen Orte müssen trotz ihres höheren Gewerbesteueraufkommens im Durchschnitt ihre Steuerzahler, ihre Steuerbürger möchte ich sagen, wesentlich stärker heranziehen, als es die nachfolgenden Gemeinden nötig haben. Dieser Beweis ist, statistisch unbestritten, geführt.
Schließlich ist drittens unberücksichtigt geblieben, daß die neu belasteten Bevölkerungsschichten dann auch noch für eine sehr viel stärkere Verschuldung eintreten müssen. Geht es bis zur zweiten und dritten Lesung um spezielle Lösungen, so wird meine Fraktion möglicherweise hier spezielle Vorschläge für eine Entschuldungsaktion machen. In schwierigen Fällen könnten sich dadurch neue Aktionen für unmittelbare Investitionsimpulse ergeben.
Es mag darauf spekuliert werden, daß mit der Aufteilung der Gewerbesteuerumlage auf Stadt und Land ein Keil zwischen die verschiedenen Gemeindegrößen getrieben wird. Ich glaube nicht, auch nicht nach der heutigen Morgenpresse, daß eine solche Kalkulation à la Viehmarkt aufgehen wird. Die Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände, nämlich die Zusammenfassung des Städtetages, des Städtebundes, des Landkreistages und des Gemeindetages, hat der Bundesregierung frühzeitig in Geschlossenheit erklärt - ich darf zitieren, Herr Präsident; ich zitiere nach der Denkschrift vom 7. März 1968 -, „daß eine Gewerbesteuerumlage die Probleme weder beim Staat noch bei den Gemeinden löst".
Die Länder lassen zur Zeit die Auswirkungen der Regierungsvorlage überprüfen. Als erster Land - das darf ich zur Ergänzung der Ausführungen des Herrn Bundesfinanzministers von heute morgen sagen - hat vor einigen Tagen Baden-Württemberg die Ergebnisse vorgelegt. Es bestätigt tendenziell die bisherigen Schätzungen über die absolut stärkere Schädigung der wirtschaftsintensiven Gebiete. Die neue Feststellung ist aber leider nicht repräsentativ genug, weil Baden-Württemberg den höchsten Gewerbesteuerausgleich hat, der nach der Vorlage ja künftig wegfallen soll.
Übrigens ist gerade an dieser Stelle der Regierungsvorlage die Frage zu stellen, wie es denn hier bei der Abfassung der Vorlage der Verfassungsminister gehalten hat. Es gibt doch den Art. 28 des Grundgesetzes zur Verhütung der finanziellen Aushöhlung ganzer Gemeindegruppen, und die Gemeinden haben doch die in der Verfassung verankerte Realsteuergarantie. Demgegenüber soll nun die Gewerbesteuerumlage gegen Finanzzuweisungen ausgehandelt werden. Offensichtlich hat der Verfassungsminister hier mitgezeichnet, und offensichtlich hat er sich nicht mit dem Argument durchgesetzt, daß nach Rechtslehre und Judikatur, von den Motiven des Gesetzgebers ganz zu schweigen, hier allein der Grundsatz gelten kann: Steuer gegen Steuer.
In der fachlich orientierten Öffentlichkeit ist weitgehend anerkannt, was objektiv für die Gewerbesteuer spricht. Das gilt auch für große Teile der Unternehmerschaft, für das Gewerbe des Mittelstandes und für die Dienstleistungsberufe. Selbst in den von uns Mitgliedern des Finanzausschusses mit dem Deutschen Industrie- und Handelstag und den in ihm vertretenen Organisationen geführten Aussprachen spiegelte sich ständig das Wort exponierter Wirtschaftler wider: Wer sorgt für uns, wenn Rathaus und Gewerbesteuer nicht mehr zusammengehören? Auch diese Kreise haben Angst davor, daß die Wirtschaft zum Nachteil der Gemeinden eines Tages nur noch den Steuergläubiger wechseln soll. Die Gemeinden finden dort auch viele Bundesgenossen, wenn es darum geht, daß die Gewerbesteuerreform nur zusammen mit der gesamten Steuerreform durchgeführt werden darf.
Aber auch in der Regierungsvorlage unterzieht man sich nicht der Mühe einer objektiven Bilanz. Ich habe vorhin bei der Gewerbesteuerumlage ja auf drei kritische Punkte verwiesen. Ich kann dazu nicht das ganze Register aufziehen, aber ein Beispiel aus dem so wichtigen Erfordernis der Steuerharmonisierung muß ich doch nennen. Da vergleicht man in der Vorlage die unmittelbare, hohe Gewerbesteuerbelastung in der EWG und verschweigt, daß im Sinne der Wettbewerbsfrage ja in Wirklichkeit die gesamte Belastung maßgebend ist, die sich erst aus der Addition der Belastung der Gemeinden durch die Gewerbesteuer und ihrer Belastung durch die direkten Steuern des Staates ergibt.
Da muß nun erst ein Mann des Deutschen Städtetages, Dr. Weinberger, kommen, um sozusagen in letzter Minute, nämlich vorgestern, am 6. Mai, der deutschen Offentlichkeit zu erklären: Das stimmt ja alles gar nicht! Mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten darf ich aus dieser Sonderveröffentlichung des Deutschen Städtetages vom Montag zitieren:
Am besten beweist dies ein Vergleich zwischen der Bundesrepublik, die eine gewichtige Gewerbesteuer besitzt, und Holland, das gar keine Gewerbesteuer hat. In Holland beträgt das AufDr. Müthling
kommen an Einkommen- und Vermögensteuer 56,2 % und das gesamte Steueraufkommen in der Bundesrepublik einschließlich der Gewerbesteuer nur 54 %.
So steht es also mit der Berichterstattung an den Bundestag. Vielleicht darf so etwas einem Interessenverband unterlaufen, vielleicht auch einem der zahlreichen Steuer- und Finanzinstitute, aber ganz bestimmt nicht dem Bundesfinanzministerium.
In allen industriewirtschaftlichen Anträgen auf Abbau der Gewerbesteuer findet sich als ein Hauptargument der Verstoß dieser Abgabe gegen die Steuerharmonisierung in der EWG. Auch in der Regierungsvorlage steht das, Textstelle 220. Demgegenüber unterstützt meine Fraktion die unermüdlichen kommunalen Richtigstellungen, daß die Gewerbesteuer wie die Grundsteuer als direkte Steuer nicht unter den Steuerharmonisierungsauftrag der EWG-Kommission fällt. Für die direkten Steuern schreibt der EWG-Vertrag nur vor, daß diese den allgemeinen Vorschriften über die Angleichung der Rechtsvorschriften zu unterstellen sind. Die EWG hat in dieser Hinsicht keine Schritte zur Beseitigung der Gewerbesteuer eingeleitet.
Entfällt schon danach rein steuersystematisch die Einbeziehung der Gewerbesteuer in die Steuerharmonisierung, so wird auch die immer wieder vorgebrachte Behauptung über die unterschiedlichen Steuerbelastungen im EWG-Raum unrichtig. Von den sechs Mitgliedstaaten haben fünf eine Gewerbesteuer in irgendeiner Form. Da die Beharrlichkeit der Gegenbehauptung sich besonders auf Frankreich bezieht, bedarf es zur Kommunalverteidigung des des Hinweises, daß die Gewerbesteuerbelastung in Frankreich und bei uns im wesentlichen übereinstimmt.
({2}) - Ich komme darauf.
Wenn sich nun sogar die Regierungsvorlage auf jene brüchige Seite der Antragsteller schlägt, so muß sich der Autor dieser Behauptung sogar von seinem eigenen Herrn Minister belehren lassen - ich zitiere abermals mit der freundlichen Erlaubnis des Herrn Präsidenten -, der in der Antwort auf eine Kleine Anfrage der Fraktion der CDU/CSU unter dem 12. Dezember 1967 - Drucksache V/2386 - folgendes ausführte:
Die direkte Steuerlast der Unternehmen schließt in der Bundesrepublik die Gewerbesteuer und die Vermögensteuer ein. Solche oder ähnliche Steuern bestehen auch in anderen EWG-Staaten. So hat Frankreich außer der ohnehin höheren Körperschaftsteuer eine Gewerbesteuer, deren Einnahmen 1965 10,8 % des Steueraufkommens ausmachten, während sie in der Bundesrepublik 9,8 % betrugen.
Diese Zahlen gelten im wesentlichen auch jetzt noch, nachdem geklärt ist, daß die Lohnsummensteuer in Frankreich breiter angelegt ist als bei uns.
({3})
- Ja, das verändert den Prozentsatz etwas.
({4})
- Nein.
Das Programm enthält, wie heute morgen insbesondere von Herrn Kollegen Dr. Möller näher erläutert, keine Angaben über das Ausmaß der Verstärkung der Gemeindefinanzmasse. Selbst eine Umstellung der Einkommensteuerbeteiligung auf eine echte Gemeindeeinkommensteuer, also mit Hebesätzen, wird frühestens nach 1972 für möglich erklärt. Aber die Entscheidung bleibt auch dafür völlig offen. Alles ist vage.
Seit 1958 wird die Finanzreform bundesseitig in Aussicht gestellt. Jedes Jahr gab es neue Versprechungen, jedes Jahr neu genährte Hoffnungen. Und nun wird in diesem Jahr eine neue Hoffnung aufgepflanzt: der Blankowechsel, der in diesem Jahr gegeben und 1969 und in den kommenden Jahren eingelöst werden soll. Aber, nach diesem Programm ist alles ohne Sicherheit, alles unverbindlich und alles von soundso vielen Voraussetzungen abhängig, und keiner weiß, in welcher Richtung; und selbst darin lebt noch ein Stück Utopie.
Bei den nun anstehenden Beratungen - und damit lassen Sie mich bitte schließen - sind nicht nur die Finanzleute, die Sozialexperten und die Kommunalpolitiker beteiligt; nein, ich meine, auch die Wirtschaftspolitiker des Bundestages müßten dazugehören, ist doch diese weitgehend eingetretene Krise der Kommunalfinanzen in Wirklichkeit ein strukturelles Problem, gehört dieses kommunale Strukturproblem doch in Wirklichkeit neben die bekannten großen Strukturschwierigkeiten gestellt, neben die absterbenden Branchen, neben die Zonenrandgebiete, neben die Landwirtschaft und neben den Bergbau.
Sieht man die Sorgen des Bundestages so, als Teil dieser großen Strukturprobleme unserer Zeit, dann beginnt die ganze Geschichte allerdings mit einem tollen Handikap. Denn in der mittelfristigen Finanzplanung steht nichts, da steht kein Pfennig, obgleich die Gemeindefinanzreform schon damals bei der ersten Verplanung eine echte Verpflichtung war. Möge der Bundestag dies ändern!
({5})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Stecker.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Über Aufgaben und Ziele und über die Bedeutung der Finanzreform scheint man sich in unserem Lande weitgehend einig zu sein. Das gilt jedenfalls, soweit es sich um die allgemeine Deklamation handelt. Aber das wird anders, wenn man das als notwendig Erkannte für den eigenen Bereich vollziehen soll. Jedenfalls habe ich diesen Eindruck, wenn ich die Diskussion unter den Ländern und zum Teil unter den kommunalen Spitzenverbänden höre.
9192 Deutscher Bundestag --- 5. Wahlperiode Dr. Stecker
Das ängstliche Pochen auf die Staatsqualität unserer Länder ist meines Erachtens nicht geeignet, den Föderalismus zu popularisieren. Wenn ich das staatsrechtlich überprüft habe, habe ich besonders den Gedanken der Hilfskonstruktion eines Staates ohne Souveränität nie ganz ernst nehmen können, zumal da diese Hilfskonstruktion nach meiner Überzeugung eine Contradictio in adiecto ist.
Was sollen eigentlich unsere armen Länder sagen, die heute schon weitgehend vom Ausgleich leben, wenn man die Einnahmenhoheit als ein wesentliches Merkmal der Staatsqualität ansieht? Was man gerade bei der Verteilung der letzten Ergänzungszuweisungen erlebt hat, was die armen Länder sich da haben gefallen lassen müssen, war alles andere als staatswürdig. In unserem Volke ist ein lebendiges Gefühl dafür, daß das, was unter der stolzen Fahne des Föderalismus einhergeht, vielfach schlicht eine Verteidigung von Besitzständen ist, außerdem der Grabenkampf der Länderbürokratie gegen die Bundesbürokratie. Wenn wir unser Volk zu einem Staatsbewußtsein bringen wollen, sollten wir möglichst bald Ordnung in die Dinge bringen. Und noch eins: Niemand in diesem Lande will mehr Steuern zahlen oder geringere öffentliche Leistungen entgegennehmen, nur weil dieser oder jener Steuerverbund irgendeiner Ideologie eines falsch verstandenen Föderalismus oder einer falsch verstandenen oder romantisierten Selbstverwaltung nicht entspricht.
Ich bin deswegen der Meinung, daß das, was Herr Finanzminister Kubel für das Land Niedersachsen vorgetragen hat, ein sehr beachtenswerter Beitrag und eine Fortentwicklung dessen ist, was uns die Bundesregierung hier vorgelegt hat. Dieses ist in den Verhandlungen mit den Ländern zu einer gewissen Minimierung gekommen, zu einer Minderung dessen, was sicher auch der Bundesfinanzminister gewollt hat. Insofern befinden wir uns nur auf dem Wege der Wiederherstellung dessen, was die Bundesregierung ursprünglich wollte.
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Zunächst möchte ich auf die Gemeinschaftsaufgaben eingehen und zu überlegen geben, ob wir nicht doch zu einer Generalklausel zurückkommen sollten. Denn eine Generalklausel entspricht meinem Verständnis von dem Rang einer Verfassung mehr als die Aufzählung ganz bestimmter Aufgaben, die heute sehr aktuell sein können, von denen aber keineswegs feststeht, daß sie das auch noch in einigen Jahren sein werden. Wir werden sehr viel mehr andere Entwicklungen haben, dynamische Entwicklungen, denen wir uns durch ein einfaches Bundesgesetz mit Zustimmung des Bundesrates anpassen können. Die Generalklausel könnte absolut so stipuliert werden, daß sie den Interessen der Länder nachkommt. Es könnte gesagt werden, daß die Zusammenarbeit notwendig ist zur Abwehr der Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts, zur Förderung der Einheitlichkeit der Lebensverhätnisse oder zur Finanzierung dringend notwendiger gemeinschaftlicher Einrichtungen.
Ich sage das nicht, um einer schrankenlosen Ausweitung etwa der Gemeinschaftsaufgaben das Wort zu reden, sondern ich bin der Meinung, daß die begrenzte Zahl an sich richtig ist. Ich würde allerdings auch die Unterhaltung der Universitäten, der wissenschaftlichen Hochschulen mit einbeziehen. Ich weiß, daß eine Reihe von schwachen Ländern - dazu gehört sicherlich auch das Land Niedersachsen. dazu gehört heute schon das Saarland - nicht in der Lage ist, die Unterhaltung durchzuführen. Es nützt gar nichts, daß wir den Bau finanzieren, ohne die Unterhaltung sicherzustellen. Die tragikomische Gründungsgeschichte einer Universität Bremen ist hier ein Beispiel.
Wie ist das vor sich gegangen? Das Land Bremen hat gesagt: Entsprechend dem allgemein anerkannten Bedürfnis müssen wir eine Universität gründen; wir können es aber nicht, weil wir die Unterhaltung nicht durchführen können. Dann hat die Bundesregierung gesagt: Wir sind bereit, euch dabei behilflich zu sein, vorausgesetzt, daß ihr unter den Ländern sicherstellt, daß wir nicht vor das Bundesverfassungsgericht gezerrt werden, wenn wir dieses tun. Darauf hat ein Teil der anderen Länder gesagt: Mitnichten, wir werden euch nach Karlsruhe bringen, wenn ihr das tut, denn ihr dürft das als Bund nicht. Daraufhin die Frage: Ja, seid ihr denn bereit, dem Lande Bremen bei der Finanzierung der Universität behilflich zu sein? Darauf die Antwort: Nein, wir haben genug mit unseren eigenen zu tun. So scheitert ein Projekt, und nach der Diskussion, die wir hier in diesem Hause gestern gehabt haben, meine Damen und Herren, machen wir uns doch mit solcher Praxis lächerlich.
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Ein weiterer Punkt ist die Frage der Steuerverteilung. Es ist hier genug von dem Trennsystem gesprochen worden. Es hat sich in Wahrheit nicht bewährt, auch wenn Herr Senator Heinsen meinte, daß gerade das bisherige System besser sei und ein größerer Steuerverbund neuen Streit hervorrufen werde. Wo steht denn eigentlich geschrieben, daß der Aufgabenzuwachs proportional zu dem Steuerzuwachs verläuft? Selbst wenn wir den Ländern die Steuern gäben, die heute Zuwachssteuern sind, so steht erstens nicht fest, daß diese es bleiben, und zweitens steht nicht fest, daß sie sich proportional oder entsprechend der verschiedenen Aufgabenteilung entwickeln. Ich beziehe mich nur auf die oft sehr zufällig geschnittenen Landesgrenzen. Man denke auch hier wieder einmal an Bremen. Ich erwähne das nur, weil es so einleuchtend ist. Bremen verdankt ja schließlich seine Existenz ausschließlich der Tatsache, daß die US-Army in dem englisch besetzten Gebiet einen eigenen Nachschubhafen haben wollte, und dafür wurde Bremen ausgewählt.
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Ich weiß nicht, ob das eine historisch besonders ehrenvolle Geschichte ist.
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- Ah so! Sehen Sie, das war wenigstens noch eine sehr schöne und ehrenvolle historische Reminiszenz. Aber das andere war es sicher nicht.
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Herr Kubel hat hier das Beispiel Frankfurt gewählt, das man aus Hessen ausklammern könnte. Ich finde es viel einleuchtender, ein anderes Beispiel zu wählen und die Lage zu schildern - in dieser Lage sind wir in Norddeutschland doch -, in der etwa Bayern sein würde, wenn es München und Nürnberg aus seinem Staatsverband ausschiede. Ich glaube, das beleuchtet eigentlich noch mehr, wie unmöglich es ist das örtliche Steueraufkommen für die Finanzierung der Aufgaben maßgeblich sein zu lassen, vor denen unsere Länder heute stehen. Dem Grundsatz, daß alle gleichmäßig ihre Aufgaben erfüllen müssen, werden wir nur gerecht, wenn wir möglichst viele Steuern, also auch die Umsatzsteuer, die Einfuhrumsatzsteuer und meines Erachtens auch die Mineralöl- und die Kfz-Steuer in den großen Steuerverbund einbeziehen und aus dieser Verbundmasse die Deckungsbedürfnisse des Bundes, der Länder und der Gemeinden gleichmäßig befriedigen, und zwar so gleichmäßig, daß ein billiger Ausgleich erzielt, eine Überbelastung der Steuerpflichtigen vermieden und die Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse im Bundesgebiet gewährleistet wird. Die Einzelaufteilung wäre durch Bundesgesetz mit Zustimmung des Bundesrates festzulegen und in die mittelfristige Finanzplanung einzubetten.
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Ich bin mir bewußt, daß dieser Vorschlag einigen Widerstand hervorrufen wird. Das hat ja auch Herr Minister Kubel gesagt. Aber ich habe auch den Eindruck, daß das keineswegs so unmöglich ist, wenn wir uns die Dinge wirklich einmal ganz nüchtern überlegen. Wenn ich daran denke, welche großen Gruppen in unserem Hause früher schon von diesem großen Steuerverbund gesprochen haben, Herr Kollege Möller, glaube ich, daß wir dafür sogar eine Mehrheit finden können. Allerdings ist es so, daß die Intensität des Föderalismus oft zwischen den einzelnen Parteien, Gruppen und Persönlichkeiten stark wechselt. Aber ich glaube wirklich, wir bekommen sogar eine Mehrheit für meinen Vorschlag.
Ich möchte noch ein Argument widerlegen, das auch Herr Senator Heinsen erwähnt hat, nämlich daß der große Steuerverbund dazu führen müsse, daß die Länder in jedem Jahr beim Bund antreten müßten und daß gerade das erst die großen Auseinandersetzungen geben würde. Wenn das richtig ist, müßten ohne diesen Verbund jedes Jahr die armen Länder bei den reichen Ländern antreten. Ich weiß nicht, ob die Alimentation durch die reichen Länder ehrenvoller ist als die Verteilung durch den Bund. Jedenfalls wird durch meinen Vorschlag nur sichergestellt, daß einmal verteilt werden muß und dieses schreckliche System aufhört, daß wir zunächst völlig willkürlich die Steuern erheben und dann durch ein unübersichtliches System von Finanzausgleich, von Zerlegung, von Sonderzuweisungen und Ergänzungszuweisungen versuchen, das einigermaßen wieder auszugleichen, wobei wir dem einzelnen Land oder der einzelnen Stadt das Gefühl vermitteln, sie habe großzügig etwas herzugeben, was andere Leute genausogut mitverdient haben wie die Bürger dieses Landes auch.
Ich möchte noch kurz auf einzelne Einwendungen eingehen, die man vorgebracht hat. Zunächst der Einwand: die Staatsqualität sei gefährdet. Dazu ist zu sagen, daß heute schon der Bund die Gesetzgebungsbefugnis sozusagen über alle Ländersteuern hat. Das heißt, wenn Staatsqualität, dann liegt diese doch sicher mehr in der Gesetzgebungsbefugnis als bei den Adressaten, die der Bundesgesetzgeber der einzelnen Steuer gibt.
Ich sagte bereits, daß die Einnahmehoheit heute schon bei den schwachen Ländern, also etwa Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Rheinland-Pfalz und Saar, gar nicht vorhanden ist. Die Länder leben heute schon im wesentlichen von Zuweisungen und würden dann also keine Staatsqualität haben. Ich glaube, mit diesen Differenzierungen wären sie nicht einverstanden.
Ich darf noch hinzufügen, daß nach meiner Meinung die gesamthänderische Zusammenfassung aller Steuermittel - und die haben wir hier, weil über die Verteilung der Bundestag und der Bundesrat gesamthänderisch bestimmen - dem Prinzip des deutschen Föderalismus, der stärker auf Kooperation eingestellt ist - übrigens genauso wie der ist, das örtliche Steueraufkommen für die Finanzietiable Trennung der einzelnen Aufgaben, und der deutsch-rechtlichen Vorstellung einer gesamthänderischen Verfügung über eine Finanz- und Vermögensmasse in besonderem Maße entspricht. In Wahrheit geht es hier nicht um die heiligsten Güter des Föderalismus, sondern um die Wahrung von Besitzständen. Es geht auch noch das ist schon angesprochen worden - um die Sorge, daß etwa der Bund eine Bundesfinanzverwaltung einführen könnte. Nun, eine einheitliche strengere Aufsicht über die Art der Steuererhebung halte auch ich für dringend notwendig. Wer die unterschiedliche Behandlung gleicher Unternehmungen im deutschen Lande kennt, kann hier berechtigte Sorgen haben und wird sich fragen, ob das auf die Dauer so hingenommen werden kann.
Gegenüber meinem Vorschlag ist dann noch gesagt worden, es wäre nicht vertretbar, daß der Bund verfassungsrechtliche Direktbeziehungen zu den Gemeinden unterhielte. Ich habe in dem Bericht, den Herr Senator Heinsen abgegeben hat, gelassen, daß man das mit Verwunderung festgestellt habe. Nun, ich kann nur sagen, darüber kann sich doch nur derjenige wundern, der nicht weiß, wiesehr heute schon der Bundesgesetzgeber und die Bundesverwaltung tagtäglich in die Belange der Gemeinden eingreifen. Schließlich ist ja wohl auch die Gesetzgebungskompetenz über die Gemeindesteuern eine unmittelbare Beziehung des Bundes zu den Gemeinden. Also ich würde mich hier nicht so schrecklich zieren, wenn das beim Verbund auch äußerlich zum Ausdruck kommt.
Bei den kommunalen Spitzenverbänden hält man grundsätzlich daran fest, daß man, wenn die Ge9194
werbesteuer abgebaut werden sollte, dafür eine eigene Steuer aus dem örtlichen Aufkommen als Ersatz haben müßte, und zwar möglichst auch eine Steuer, die im Hebesatz manipuliert werden könnte! Zunächst zu der Gewerbesteuer, Herr Kollege Müthling. Ich bin der Meinung, daß wir sehr ernsthaft die Frage prüfen müssen, ob die Gewerbesteuer erhalten werden kann. Bei den Ausführungen des Herrn Kollegen Möller hatte ich das Gefühl, daß dabei die Vorstellung mitschwebte, das Erheben von Gewerbesteuer sei sozial, weil nur einige wenige große Betriebe diese Steuer zahlten, während das Erheben der Einkommen-, Lohn- und Umsatzsteuer ein wenig unsozial sei, weil es sehr viele betreffe. Ich halte diese Differenzierung für falsch, und zwar deswegen, weil natürlich auch die Gewerbesteuer nicht von einigen wenigen, von etwa 5 % bezahlt wird, sondern über die Preise sich auch beim Portemonnaie des kleinen Mannes auswirkt. Darüber soll man sich doch keiner Täuschung hingeben. Ich halte es in einer Demokratie mit allgemeinem gleichem Wahlrecht für angemessener, wenn der einzelne weiß, was er bezahlt, und nicht etwas über einen Dritten zu bezahlen hat. Insofern meine ich, daß die Anhebung der Einkommensteuer oder der Umsatzsteuer mindestens genauso sozial ist wie die der Gewerbesteuer. Wenn ich bedenke, daß wir dadurch innerhalb der EWG in eine sehr schlechte Konkurrenzlage zum Ausland kommen - und das tun wir bei dem heutigen Verhältnis von Kostensteuern und Verbrauchsteuern ganz sicherlich -, so muß ich sagen: ich halte das für sozial sehr viel bedenklicher, weil das die in den deutschen Unternehmungen arbeitenden Menschen, auch die Arbeiter, betrifft. Also hier ist eine soziale Argumentation gar nicht am Platze. Für einen Demokraten ist es natürlich etwas schwieriger, eine Vielzahl von Steuerzahlern sichtbar zu belasten, anstatt das über ein paar Großbetriebe zu erledigen. Aber ich halte das nicht für besonders mutig und auch nicht für besonders demokratisch.
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Deswegen meine ich, wir sollten uns damit nicht ohne weiteres abfinden.
Von einem der kommunalen Spitzenverbände wird der Standpunkt vertreten, eine wesensmäßige Voraussetzung für die Selbstverwaltung sei eine manipulierbare Steuer nach dem örtlichen Aufkommen. Dazu kann ich nur sagen, dann haben heute schon viele unserer Gemeinden keine echte Selbstverwaltung nach sogenanntem deutschem Muster.
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Denn sie leben praktisch vom Ausgleich. Nun kann man doch nicht die Selbstverwaltung so praktizieren, daß man einem Teil eine vollkommene Hoheit über die Einkommensverhältnisse verschafft, die anderen auf den Ausgleich verweist und sagt: Dann haben wir aber doch hier noch eine Selbstverwaltung nach deutschem Muster. Meine Damen und Herren, in der kommunalen Selbstverwaltung halte ich es überhaupt immer für bedenklich, mit Prozentsätzen und Durchschnittssätzen zu arbeiten. Denn
was nützt es mir als Stadt Wilhelmshaven - meinetwegen -, wenn der Durchschnitt der Großstädte gut mit Gewerbesteuer ausgestattet ist, ich aber an einer ganz unteren Grenze liege. Das ist so ähnlich, als wenn der Herr Schulze ein Hähnchen hat, und der Herr Müller hat keines, und man rechnet ihm dann vor, daß im Durchschnitt jeder ein halbes Hähnchen hat. Dann ist der Herr Müller doch sehr schlecht bedient, finde ich.
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Diese Rechnung ist bei den kommunalen Gebilden genauso; denn sie leben ja davon, daß sie selber so ausgestattet sind, daß sie die Selbstverwaltung ausüben können.
Meine Damen und Herren, auch wenn wir nur die Einkommensteuer den Gemeinden zuteilen, schafft diese noch außerordentliche Steuerkraftunterschiede. Wenn wir gar, wie das hier in Aussicht gestellt ist, in der Verfassung vorsehen, daß wir die Kommunen an der Einkommensteuer für versteuerte Einkommen von bis zu 32 000 DM beteiligen, ist es für die Gemeinden außerordentlich interessant, Menschen mit gutem Einkommen in ihren Mauern wohnen zu haben. Das heißt, die reinen Arbeitergemeinden im Stadtumland werden sehr viel schlechter dastehen als die Gemeinden mit den sogenannten besseren Vierteln. Ich weiß nicht, ob das unserer heutigen Zeit entspricht. Ich würde mich jedenfalls mit aller Kraft einer solchen Sache widersetzen.
Meine Damen und Herren, überlegen Sie auch einmal folgendes. Wir haben 6 Millionen Einkommensbezieher, die heute keine Einkommensteuer bezahlen. Wo bleiben denn die Gemeinden, in denen diese Personen wohnen? Ich glaube, daß der Gedanke einfach anachronistisch ist, in der heutigen Zeit noch eine Gemeindeeinkommensteuer neu statuieren zu wollen.
Nun sagt man, der Bürger würde durch die Gemeindeeinkommensteuer besser an seine Gemeinde gebunden, und es würde bei ihm ein sogenanntes aktives Steuerbewußtsein entstehen.
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Wer das sagt, überlegt doch nicht, daß 80 % unserer Steuern heute im Lohnabzugsverfahren, nämlich bei den Arbeitnehmern, erhoben werden. Dieses sogenannte aktive Steuerbewußtsein des einzelnen Steuerpflichtigen besteht doch nur darin, daß er ständig feststellt, daß die Differenz zwischen Brutto- und Nettoeinkommen immer größer wird, und daß er sich permanent darüber ärgert. Wohin diese Differenz im einzelnen geht, weiß er doch heute schon gar nicht, und das weiß er in Zukunft doch noch weniger.
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Nein, meine Damen und Herren, das genaue Gegenteil ist der Fall. Es tritt nämlich der Effekt ein, den die Amerikaner das „something for nothing game" nennen. Das bedeutet, daß ich, wenn ich an meine Gemeinde über meinen Lohnzettel irgend etwas gezahlt habe, glaube, ich könnte permanent fordern, weil mich das ja nichts kostet. Das ist das „something for nothing game". Das ist der
Deutscher Bundestag -- 5. Wahlperiode Dr. Stecker
Effekt, der erzielt wird. Es entsteht nicht etwa der verantwortungsbewußte Bürger, der sich in einem aktiven Steuerbewußtsein seiner Gemeinde verbunden fühlt.
Wie ist das nun mit der angeblich erhöhten Verantwortung des Gemeindepolitikers, der seine Bürger mit erhöhten Steuern zu belasten hat? Die Praxis ist doch so, daß der Marschtritt und die Ausstattung der Investitionen in den Gemeinden bestimmt werden von den wohlhabenden Gemeinden. Und die schwachen Gemeinden hängen mit dem Steuersatz ständig an der oberen Grenze, damit sie überhaupt mit hängender Zunge in etwa hinter den anderen Gemeinden nachkommen. Erhöhtes Verantwortungsbewußtsein der Kommunalpolitiker?
Ich kann nur sagen: Arme Teufel sind das, die hier dauernd ihre Bürger bis an den Rand belasten müssen, um überhaupt nur in etwa nachzukommen.
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Meines Erachtens scheidet der Gedanke einer manipulierbaren eigenen Steuer auch einfach schon wegen der Komplizierung und Verteuerung der Steuererhebung aus. Niemand in unserem Lande wird uns einen solchen Anachronismus, der heute wieder Steuergrenzen zwischen 25 000 Gemeinden schafft, abnehmen; ich glaube, im Zeichen einer Harmonisierung auf europäischer Ebene sollten wir den Gedanken möglichst schnell in der Versenkung verschwinden lassen. Die einzige vernünftige, zeitgemäße und zukunftsträchtige Art der Ausstattung der Gemeinden ist die der globalen Beteiligung an dem großen Steuerverbund. Sie gewährt echte Selbstverwaltung für alle Gemeinden und vereinfacht das Steuersystem. Sie gewährleistet die Anpassung der gemeindlichen Finanzmasse an die steigenden Lasten der Zukunftsinvestitionen. Und den Gemeinde- und Stadträten bleibt ein weites Feld der Betätigung bei der Bestimmung der Reihenfolge der Investitionen, also bei der Ausgabenseite.
Meine Damen und Herren, wer mir sagt, daß unsere Gemeindeväter und Stadtväter heute keinen Tätigkeitsbereich haben, dem kann ich nur sagen: Noch nie in der deutschen Geschichte hat eine Generation von Kommunalpolitikern so bedeutende Aufgaben zu lösen gehabt wie die unsere, die solche Aufgaben ja auch schon gelöst hat, indem sie ungeheure Investitionen beschlossen hat. Wann sind denn einmal Beschlüsse in dieser Größenordnung gefaßt worden, wann sind denn schon einmal Städte nach ganz modernen Gesichtspunkten aufgebaut worden, wie wir sie früher gar nicht kannten? Man soll sich hier doch nicht selbst in eine Ideologie hineinverrennen, die absolut am Rande liegt und sicherlich nichts für die Zukunft enthält.
Nun noch einiges zur Klarstellung: Ich rede nicht Zweckzuweisungen an Länder und Gemeinden das Wort - damit hier kein Irrtum entsteht -, sondern ich will einen stabilen und breiten Steuerverbund und eine darauf beruhende Finanzausstattung nach dem Bedarf. Los von dem Finanzausgleich nach Fürsorgerichtsätzen!
Es ist nicht, wie das immer wieder erwähnt worden ist - Herr Müthling, auch Ihnen muß ich das sagen - beabsichtigt, generell eine Umschichtung
der jetzigen Finanzausstattung von den Großstädten und zentralen Orten zu den Kleinstädten und Landgemeinden hin vorzunehmen. Im übrigen empfehle ich dem Landgemeindetag und dem Landkreistag, das einmal im Protokoll des Bundesrates nachzulesen, wenn sie sich in ihrer Solidarität so besonders angesprochen fühlen.
Es kommt auf einen bedarfsgerechten Schlüssel an. Es ist auch keineswegs so, daß die zentralen Orte gerade das erhöhte Gewerbesteueraufkommen haben. Was mich immer besonders erregt, ist nicht die steuerliche Ausstattung der Großstädte wie Düsseldorf oder auch Leverkusen und ähnliche, die hohe Gewerbesteueraufkommen haben, sondern das sind die Fälle, in denen einzelne Vorstadtgemeinden mit 200, 300 Einwohnern durch einen einzigen Betrieb ein völlig sinnloses Steueraufkommen haben, das darauf beruht, daß sich heute ein moderner Betrieb möglichst am Rande einer Stadt entwickelt und dann in der Gemeinde seine Steuern bezahlt. Das ist das, was von unserer Bevölkerung auf die Dauer auch nicht mehr hingenommen und nicht mehr ertragen wird. Deshalb, meine ich, sollten wir doch hier nicht einen falschen Zungenschlag hineinbringen.
Ich bin zwar in einer Landkommune, in einem Landkreis tätig gewesen. Aber ich glaube, Sie werden mir zugeben, daß man, wenn man das Land mit wachen Augen sieht, auch um die zentrale Austauschfunktion einer Großstadt weiß. Die Großstädte sind in einer modernen Industriegesellschaft die Umschlagplätze für die geistigen und materiellen Güter. Wer das leugnen wollte, sieht die Dinge nicht, und jeder, der vom Lande kommt, ist daran interessiert, daß diese Umschlagsfunktion erhalten bleibt. Diese Umschlagsfunktion besteht darin, daß die Landgemeinden ständig Menschen an die Großstadt abgeben, die dort ein erhebliches Sozialprodukt erarbeiten, die verdienen, die ihre Familie gründen. Aber es muß auch ein echter Umschlag sein. Es muß auch wieder etwas zurückkommen. Es darf nicht so sein, wie der Städtetag das in seiner letzten Schrift dargestellt hat, indem er ausrechnete, welcher Anteil am Sozialprodukt in den Städten verdient wird und dann in einem Riesenausgleich, den man offenbar für ungerecht hält, auch wieder in das flache Land hineingeht. Meine Damen und Herren, davon, daß dieser Umschlag funktioniert, leben auch unsere Großstädte.
Zum Schluß noch folgendes Problem: Wir müssen Übergänge schaffen, und wir müssen unseren Gemeinden und auch den Ländern klarmachen, daß wir nicht etwa von heute auf morgen in ein neues System hineinspringen wollen. Jeder, der die Dinge aus der Praxis kennt, weiß, daß sich die Investitionsintensität und die Aufgabenstellung in einer Gemeinde natürlich auch nach dem Aufkommen richten. Es ist ja nicht so, wie die Theoretiker sagen, daß man nur so viel Steuern erheben soll, wie man zur Erfüllung der dringenden Bedürfnisse braucht, sondern es ist auch in etwa so, daß man das auf die Hörner nimmt, was einem das Steueraufkommen gestattet. Das ist, glaube ich, auch gut so. Natürlich nimmt sich die eine Gemeinde diese Leistung und die andere Gemeinde jene Leistung besonders vor.
Das ist ja der Vorteil der Selbstverwaltung, daß wir uns diese Initiative erlauben können, daß eine Selbstverwaltung ohne die schreckliche Angst vor dem Präzedenzfall mutig an neue Sachen herangehen kann. Das ist doch das, was die Selbstverwaltung deutscher Prägung auszeichnet. Das erkenne ich an, und das wissen wir alle.
Nun müssen wir natürlich den Gemeinden die Sorge nehmen, daß wir von heute auf morgen einfach hier irgendwo nivellieren und sagen: Jetzt bekommt ihr weniger Geld. Das würde nämlich zur Folge haben, daß man die Aufgaben, die man sich berechtigterweise auf die Hörner genommen hat, gar nicht durchhalten kann. Das kann man nicht machen, sondern man muß es in einem vernünftigen Ausgleich anpassen.
Wenn wir das tun, meine Damen und Herren, und wenn wir im übrigen in der von mir vorgeschlagenen Weise verfahren, können wir aus dieser Vorlage der Bundesregierung eine Finanzreform machen, die wirklich den Namen verdient und die für die nächsten Jahrzehnte das Leben in unserem Lande fruchtbar gestalten kann.
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Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Haas.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn man zu der Gesetzesvorlage Stellung nimmt, wird man sich in erster Linie fragen müssen, ob sie dem Rechnung trägt, was sie auch nach den Worten des Herrn Bundesfinanzministers vor allem bringen soll, nämlich eine notwendige und wesentliche Verbesserung der heutigen Finanzstruktur. Unter diesem Gesichtspunkt möchte ich diese Vorlage zunächst betrachten.
Da, glaube ich, wird man schon vom Grundsätzlichen her sagen müssen: diese Finanzreform ist so, wie sie vorgelegt ist, zunächst ja nur eine Finanzreform in Teilen. Sie ist eine Kleinreform. Sie regelt nur das Verhältnis Bund / Länder und nicht das Verhältnis Länder / Gemeinden bzw. Bund / Gemeinden. Das Ziel, die Gemeinden im Rahmen dieser Reform finanzpolitisch zu verselbständigen, ist gar nicht angesprochen. Gegen den Gesetzentwurf sind erhebliche Bedenken verfassungsrechtlicher und auch verfassungspolitischer Art zu erheben.
Meine Damen und Herren, dieses Gesetz ist seinem Inhalt nach ganz wesentlich ein Blankettgesetz. Der Herr Kollege Müthling - er ist es wohl gewesen hat bereits ausgeführt, daß die Gemeinden hier einen Blankoscheck unterschreiben. Der Herr Kollege geht aber nicht weit genug. Er müßte auch den Gedanken angefügt haben, ob ein Gesetz, das nun mit verfassungsändernder Mehrheit angenommen werden soll, die Dinge aber bewußt weitgehend im unklaren läßt, ein solches Blankettgesetz, wie ich es nannte, überhaupt verfassungsgemäß ist.
Im Gesetz steht, daß für die beiden Übergangsjahre 1970 und 1971 ein bestimmter, aber nicht benannter Prozentsatz des Gewerbesteueraufkommens von den Gemeinden im Wege der Umlage an Bund und Länder abgeführt werden soll. Dafür erhalten die Gemeinden zum Ausgleich einen Anteil an der Einkommensteuer, dessen Höhe aber ebenfalls nicht benannt wird. Ab 1. Januar 1972 soll dann der große Abbau der Gewerbesteuer kommen. Das Finanzministerium nennt nur in der Begründung den Satz von 40 % für diesen Abbau. Die Länder sind, wie wir wissen, der Meinung, daß das zu hoch sei; sie sprechen von 30 %. Der Anteil, der aus dem großen Steuerverbund ab 1. Januar 1972 an die Gemeinden gegeben werden soll, ist ebenfalls nicht bekannt; er muß noch ausgehandelt werden. Ich muß doch fragen, ob diejenigen, die von den Hunden gebissen werden, die Schwächsten nämlich - das sind die Gemeinden -, deren finanzielle Ausstattung am dürftigsten ist, sich mit einer Regelung abfinden können, die gerade das für sie Entscheidende nicht nennt, nämlich die hier in Frage stehenden Prozentsätze.
Herr Hettlage, Sie haben die Leimruten sehr gut ausgelegt. Sie machen eine Finanzreform in Etappen. Sie wollen jetzt mit diesem Gesetz die verfassungsändernde Mehrheit zusammenbekommen, und nachher können die Gemeinden sehen, wohin sie kommen. Sie können sich nicht damit salvieren, daß Sie sagen: Es geht nicht ohne Zustimmung der Länder, und die Gemeinden sind auch im Bundesrat vertreten. Aber doch höchstens mittelbar! Die Zustimmung der Länder braucht, wenn dieses Gesetz angenommen ist, nur noch mit einfacher Mehrheit zu erfolgen; man braucht dann keine verfassungsändernde Mehrheit mehr. Genauso ist es dann in diesem Hause. Die Bundesgesetze, die in reicher Fülle folgen werden, um die angekündigte Gemeindefinanzreform durchzuführen, werden in diesem Hause mit einfacher Mehrheit verabschiedet werden. Das ist eine wahnsinnige Erleichterung des gesetzgebenden Verfahrens bei einer sehr schwierigen Materie, deren Regelung doch „aus einem Guß" hier vorgelegt werden müßte. Jedermann in diesem Hause, jedermann im Bundesrat und jeder verantwortliche Mann in einer Gemeinde hat einen Anspruch darauf, den Gesamtplan zu kennen, wenn dieses Gesetz verabschiedet wird, damit er nicht etwa durch eine Reihe von Bundesgesetzen, die auf Abstottern vorgelegt werden, überrascht wird. In diesem Verfahren liegen also schon von der Verfassung her ganz grundsätzliche Bedenken.
Ein zweiter Gesichtspunkt für die Frage, ob diese Finanzreform die dringend notwendige Verbesserung der Finanzstruktur bringt, ist die Einfügung der Gemeinschaftsaufgaben. Wir kennen die bisher ziemlich leidvolle Geschichte dieser Gemeinschaftsaufgaben, die unter dem Gesichtspunkt des kooperativen Föderalismus empfohlen werden. Ein herrliches Wort! Ursprünglich wurde neun Tatbestände als Gemeinschaftsaufgaben bezeichnet. Ganze drei sind übriggeblieben.
Betrachten wir diese drei, so ist zu dem ersten Komplex, nämlich dem Ausbau und Neubau von wissenschaftlichen Hochschulen, zu sagen, daß er unseres Erachtens genauso wie die AusbildungsförDr. Haas
derung besser in die konkurrierende Gesetzgebung des Bundes gehören würde. Bei der Ausbildungsförderung ist ganz bestimmt ein Tätigwerden des Bundesgesetzgebers notwendig. In einer Reihe von Ländern ist die Regelung der Ausbildungsförderung durch die Landesgesetzgebung schon erfolgt. Das ist aber so unterschiedlich geschehen, daß eine Vereinheitlichung unbedingt erforderlich ist, die nur durch ein Bundesgesetz vorgenommen werden kann. Diese Vereinheitlichung ist in Art. 72 Abs. 2 des Grundgesetzes auch vorgesehen. Durch die Gesetzgebung eines Landes konnte diese Materie bisher gerade nicht wirksam geregelt werden. Hinsichtlich der Ausbildungsförderung muß also der Bundesgesetzgeber tätig werden.
Nach den Vorstellungen der FDP - da kann ich an die Aussprache von gestern anknüpfen - sollte der Bundesgesetzgeber allerdings auch noch für andere Dinge tätig werden. Das ist gerade auch der Ausbau und der Neubau von wissenschaftlichen Hochschulen. Nach unserer Meinung sollte man es ferner nicht nur bewenden lassen bei der Förderung der wissenschaftlichen Forschung, die bisher schon zur konkurrierenden Kompetenz des Bundes gehörte. Hinzu treten sollten auch die Organisation der wissenschaftlichen Forschung und überhaupt die Organisation des Hochschulwesens als Materien der konkurrierenden Gesetzgebung. Auch die Bildungsplanung sollte wenigstens in die Rahmengesetzgebungskompetenz des Bundes hinübergegeben werden.
Wir möchten den dringenden Appell an dieses Haus und auch an Ihr Haus, meine Herren Staatssekretäre der Finanzen, richten, doch diesen Gedankengängen nachzugehen. Schaffen Sie doch Klarheiten mit diesem Gesetz und schaffen Sie nicht Unklarheiten!
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Was heißt es denn, wenn Sie sagen: „kooperativer Föderalismus" ? Ich darf Ihnen dazu noch einmal eine grundsätzliche Meinung sagen, ich spreche hier auch ein wenig aus der Praxis: „kooperativer Föderalismus" ist ein herrliches Plakat. Das ist ein Plakat so wie „Ordnung, Ruhe, Sauberkeit" oder „Keine Experimente" oder etwas Ähnliches. Aber wir wissen doch genau, was hinter solchen Plakaten steckt.
Der Föderalismus hat dort, wo er tätig werden mußte und wo er wirklich den Beweis einer Kooperationsfähigkeit und -willigkeit hätte erbringen sollen - das müssen wir leider sagen -, bisher weitgehend versagt. Er hat sogar Negativatteste auf diesem Gebiet geliefert. Denken Sie an das Verhalten der Länder bzw. der Kultusministerkonferenz der Länder in der Frage des Schulanfangs oder etwa des Zweiten Fernsehens! Das waren doch jahrelange Trauerspiele!
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Ich verstehe nicht, wie Sie unter diesem historischen Aspekt hier sagen können: Ich glaube an den kooperativen Föderalismus, ich habe doch, weil die Länder gegen diese Neuner-Enumeration so erbitterten. Widerstand geleistet haben, die Enumeration auf
drei Gemeinschaftsaufgaben beschränkt und da werde ich schon weiterkommen.
Meine Damen und Herren, bisher sprach jedenfalls die Historie dafür, daß die Länder, wenn sie zu einem kooperativen Handeln aufgerufen waren, erst bei Windstärke 9 angefangen haben, tätig zu werden. Wenn man dann Glück hatte, wenn sich nämlich der Sturm bis auf Windstärke 11 gesteigert hat, sind die Länder vielleicht tatsächlich einmal zu einer kooperativen Regelung gekommen. Aber das war doch leider die Ausnahme.
Wenn ich gefordert habe, gewisse Kompetenzen, wie vorhin erwähnt, zum Bund hinüberzugeben, vor allem in die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz, dann heißt das doch nicht, daß der Bund tätig werden m u ß. Es heißt nur, daß er tätig werden kann, daß also ein Druck dahintersteht. Wenn die Länder dann gleichwohl nicht tätig werden, kann der Bund tätig werden unter den drei Voraussetzungen, die in Art. 72 Abs. 2 des Grundgesetzes geregelt sind. Denn es steht doch wenigstens ein Druck dahinter. Wir können doch so große Dinge wie Ausbau und Neubau von wissenschaftlichen Hochschulen - denken wir etwa an das kleine Land Bremen - nicht nur mit Kooperation machen. Das müßte so geschehen, daß der Bund in einem Gesetzgebungswerk sagt: Ich errichte eine Hochschule, eine Universität oder was auch immer im Land Bremen. Schaffen Sie also auch hier klare Fronten!
Auf der anderen Seite hat diese große Zahl der geplanten Gemeinschaftsaufgaben gezeigt, daß das bisherige System, das in der finanzpolitischen Kooperation zwischen Bund und Ländern praeter legem bestanden hat, nämlich das berüchtigte Dotationssystem, in vielen Fällen tatsächlich notwendig war. Man muß dabei nur fragen, ob der Bund mit den von ihm ausgelobten Dotationen die richtigen Präferenzen gesetzt hat. Aber dieses ganze System kann eben doch nicht entbehrt werden. Das heißt, diese Gemeinschaftsaufgaben kommen jetzt neu hinzu und bringen neue Unruhe und können nicht das Dotationssystem ersetzen. Natürlich besteht bei jeder einzelnen Maßnahme, die im Rahmen dieser so klein gewordenen Enumeration durchgeführt wird, immer die Gefahr, daß es eben doch zu einer Mischverwaltung kommt, die grundsätzlich unangenehm ist und die der Bundesrat in gar keiner Weise will. Ich kann auch aus persönlicher Erfahrung sagen, daß man dem Bundesrat hier durchaus recht geben muß. Am besten streicht man also die paar verbliebenen Gemeinschaftsaufgaben aus dem Gesetz ganz heraus.
Wenn wir nun dieses Gesetzgebungswerk unter dem Gesichtspunkt sehen, ob ein Trennsystem mit einer möglichst scharfen Abgrenzung der Zuständigkeiten zwischen Bund und Ländern eingeführt wird, was ja wünschenswert wäre, aber nicht ganz eingeführt werden kann, wie ich zugebe - das Dotationssystem behalten wir ja doch bei -, dann bin ich aber auch der Meinung, man sollte und man müßte den Steuerverbund, der nun durch das Hinzukommen der Umsatzsteuer vergrößert werden soll, nicht vergrößern, nicht nur, weil sehr vieles an dem richtig gewesen ist, was soeben Herr Senator Heinsen von Hamburg ausgeführt hat, daß nämlich die Länder
einen Anspruch haben, an dem Wachstum des Steueraufkommens aus Einkommen-, Lohn- und Körperschaftsteuer beteiligt zu sein, sondern auch aus Gründen der Praktikabilität. Meine Damen und Herren, verkennen Sie doch nicht, daß das Beteiligungsverhältnis, das wir nun im bisherigen oder im vergrößerten Steuerverbund zwischen Bund und Ländern festsetzen müssen, doch nicht ein endgültiges, sondern daß es ein variables ist. Es heißt doch ausdrücklich: „Die Anteile an den Gemeinschaftsteuern sind neu festzusetzen, wenn sich das Verhältnis zwischen Einnahmen und Ausgaben des Bundes und der Länder wesentlich verändert." Sie werden doch zugeben müssen, daß der Blick in die Zukunft, der uns die Frage beantworten läßt, ob eine wesentliche Änderung vorliegt, doch um so schwerer wird, je größer dieser Steuerverbund ist und je mehr er noch dazu mit sehr unterschiedlichen Steuerarten ausgestattet ist, die sich tendenziell vielleicht sogar zu einer Gegenläufigkeit entwickeln. Ich bin also in der Tat der Meinung, die Beibehaltung des bisherigen kleinen Steuerverbunds schafft größere Klarheit, und auf sie kommt es in erster Linie an. Lassen Sie die Umsatzsteuer draußen! Es ist schon merkwürdig, daß sich der Herr Bundesfinanzminister in Offerten bezüglich der Hereinnahme dieser größten Bundessteuer so überbietet. Ich glaube, die Länder haben schon den richtigen Riecher, wenn sie hier grundsätzliche Bedenken haben. Hier haben also die Länder wohl recht.
Tun Sie aber bitte vor allem eines, wenn Sie schon in den Jahren 1970/71 und in der Folge Anteile hinüber- und herübergeben: befreien Sie die Gemeinden von der Möglichkeit - von einer Sache, die ihnen zum Odium gereichen wird -, von sich aus variable Steuersätze für diese Anteile festzusetzen. Das führt zu unmöglichen Ergebnissen, wenn meinetwegen in der Großstadt A und in der nebenan liegenden Großstadt B wesentlich differente Steuersätze festgesetzt werden. Das ist finanzpolitisch nicht zu verantworten, das ist ein unmögliches System; hiervor möchte ich unbedingt warnen.
Dann die Frage des Abbaus der Gewerbesteuer! Ich glaube, wir sind uns einig, daß sie unabhängig von der EWG zu betrachten ist. Auch ich bin der Meinung, daß der Abbau kein klares Gebot durch die EWG ist. Der Kollege Müthling oder auch der Kollege Stecker haben darauf hingewiesen, welche Regelung in Holland besteht. Soviel ich weiß, ist in Belgien und Italien geplant, deren Mehrwertsteuer nur bis zur Großhandelsebene herab zu effektuieren. Die Gewerbesteuer, die wir heute haben, macht - wie schon gesagt wurde - 80 % des gesamten gemeindlichen Steueraufkommens aus. Das ist eine unerhörte Ziffer und bedeutet eine sehr große Abhängigkeit der Gemeinden von dieser einen Steuer. Diese Steuer ist zumindest in dieser Höhe unmöglich. Sie sollte auch wegen der Notwendigkeit der Entlastung der Wirtschaft so schnell wie möglich abgebaut werden. Es handelt sich hier ja um das Äquivalent, das die Gemeinden erhalten. Hier kann man verschiedener Auffassung sein. Man kann sagen, die Gemeinden bekommen einen Ausgleich durch die Zuteilung eines Anteils aus dem Steuerverbund, der sich nach ihrer Kopfzahl bemißt.
Ich halte dieses System für falsch. Ich bin der Meinung, daß die Steuerstärke - wie es ja auch im Gesetze steht - maßgeblich sein sollte, und zwar aus dem Grundsatz der Gerechtigkeit. Diese Gemeinden werden - ganz egal, ob ihnen 30, 40 oder 50 % der heutigen Gewerbesteuer weggenommen werden - in jedem Falle eine sehr starke Einbuße erleiden. Ich möchte nicht, daß diese Gemeinden in Zukunft die ausgesprochenen Bittgänger werden müssen. Diese Gemeinden sollen wenigstens ein kleines Äquivalent für das erhalten, was ihnen weggenommen wird, und zwar dadurch, daß ihnen ein Anteil aus dem Steuerverbund aus dem örtlichen Aufkommen zugeteilt wird. Was örtliches Aufkommen ist, ist ja im Gesetz geregelt, dagegen ist nichts zu sagen. Wenn man davon absieht, daß Sie den Steuerverbund erweitern wollen, hat sich ja an und für sich bei der Verteilung der Steuerquellen zwischen Bund und Ländern kaum etwas geändert. Wir sind der Meinung, daß nunmehr eine Vereinfachung möglich wäre, indem wir nämlich auf die Kraftfahrzeugsteuer verzichten könnten. Dafür müßte natürlich die Benzinsteuer nicht unerheblich erhöht werden, damit hier ein Ausgleich geschaffen wird. Auch mit der Kraftfahrzeugsteuer ist ja sehr viel Finanzbürokratie verbunden. Hier könnte man also - wie mein Kollege Emde ausgeführt hat - zu einer nicht unerheblichen Vereinfachung kommen.
Nun noch eine weitere Sache, die angesprochen werden muß, die Frage des horizontalen Finanzausgleichs. Auch nach meiner Meinung muß, gerade wenn wir die die Gemeinden für das, was sie an Gewerbesteuer verlieren, aus dem örtlichen Steuerverbunds-Aufkommen entschädigen, dieser horizontale Finanzausgleich in einem ganz besonders starken Maße intensiviert werden. Das ist ja auch die Grundlage dieses ganzen Ausgleichssystems. Ich war schon ziemlich unglücklich, daß wir in den letzten Jahren dadurch von diesem Grundsatz abgekommen sind, daß wir immer noch zusätzlich Bundeszuschüsse gegeben haben, weil sich eben die Ergiebigkeit dieses horizontalen Ausgleichs nicht so steigern ließ, wie es wünschenswert und richtig gewesen wäre. Wenn er aber nicht so gesteigert werden kann, werden wir gleichwohl auf Bundeszuschüsse nicht ganz verzichten können. Das ist ja auch im Gesetz vorgesehen. Wir werden uns aber darüber Gedanken machen müssen, welche Möglichkeiten auf diesem Gebiete doch noch bestehen.
Nun noch folgender Gedankengang. Wir wissen ganz genau, daß ein uralter Streit in der Finanzpolitik dahin geht, ob wir mit zwei Finanzmassen operieren sollen, wie das auch jetzt in diesem Gesetz und wohl nicht nur für eine Übergangszeit bis 1970 bis 1971, sondern überhaupt vorgesehen ist, nämlich a) Bund und b) Länder plus Gemeinden, oder mit drei. Wir wissen, daß die Gemeinden das letzte wollen und dies mindestens so lange und mit Recht wollen, als sie nicht die entsprechenden Äquivalente für das erhalten, was ihnen hier mit der Gewerbesteuer weggenommen wird. Darf ich auch hier sagen, daß unsere Gedanken hier noch nicht vollkommen abgeklärt ,sind. Wir wollen uns diese Frage innerhalb der Fraktion noch sehr genau überlegen. Ich selbst möchte meinen, daß dann die bisDr. Haas
herige Zweiteilung der Finanzmassen, d. h. das Verlagern der Differenzen in die innerstaatlichen Finanzausgleiche beim Ausgleich zwischen Gemeinden und Ländern beibehalten werden kann, wenn Gewähr dafür geboten ist, daß die Gemeinden großzügig behandelt werden und wenn weiterhin Gewähr dafür geboten ist, daß diese Flurbereinigung auf staatspolitischem Gebiet in der Föderation durchgeführt wird.
Sie wissen, daß meine Fraktion einen Antrag bezüglich einer Region, die im mittleren Deutschland gelegen ist, gestellt hat. Wir haben mit einer Vorlage die Zusammenlegung der Länder Hessen, Rheinland-Pfalz und des Saarlandes verlangt. Es wäre, glaube ich, sehr richtig, darüber nachzudenken, ob sich nicht eine ähnliche Vorlage auch im Norden unseres Landes, nämlich bezüglich der Länder Niedersachsen, Schleswig-Holstein und der beiden Hansestädte, vertreten ließe. Dann hätten wir nur noch großräumige Länder, die in sich selbst sehr viel Finanzausgleich durchführen könnten. Dann würde sich auch die ganze Frage des horizontalen Ausgleichs außerordentlich vereinfachen.
Ich bin der Meinung, daß das geschehen sollte und daß es möglichst während der Zeit der Beratung dieser Vorlage geschehen sollte. Sie werden versuchen, diese Beratungen möglichst zügig durchzuführen; denn Sie wollen ia wenigstens eine der Reformen, die Sie sich vorgenommen haben, noch in dieser Periode zu einem leidlichen Abschluß bringen. Sie werden also „auf Teufel komm raus" und bei weiterem Offenlassen der Prozentsätze, die wesentlich zu dieser Regelung gehören, jetzt in den Ausschüssen des Bundestages darauf dringen, daß diese Reform zu einem Ende kommt. Hoffentlich kommt sie zu einem guten Ende. Zu einem guten Ende wird sie aber nur kommen können, wenn Sie die Gesichtspunkte, die ich Ihnen jetzt sehr kursorisch vorgetragen habe, bei Ihren weiteren Beratungen berücksichtigen.
({2})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Schmitt-Vockenhausen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Heute stand naturgemäß die Finanzreform im Vordergrund. Es ist leider noch verfrüht, die Fragen der Gemeindefinanzreform hier so intensiv zu erörtern, wie das die Sache erfordert. Vor allem die deutschen Gemeinden warten nach 19 Jahren mit großer Spannung auf diese Finanzreform, die ja ein Stück der Gesamtreform, die hier behandelt wird, ist. Diese Gemeindefinanzreform ist nicht ganz einfach. Das hat die heutige Debatte deutlich gemacht. Es wird sicher großer Anstrengungen bedürfen, um wirklich zufriedenstellende Regelungen zu erreichen, wobei ich mir darüber klar bin, daß zufriedenstellend immer ein relativer Begriff ist.
Meine Damen und Herren, der Inhalt der Gemeindefinanzreform wird erst im Laufe der weiteren Beratungen erarbeitet werden können. Es fehlen noch zu viele der notwendigen Materialien. Heute
gibt es nur einen ganz wichtigen Grundsatz, daß nämlich die Gemeindefinanzreform im Zug nicht gegebenenfalls abgehängt werden darf, sondern daß sie ein Stück der Gesamtreform werden muß.
Mit der Finanzreform ist auch die Frage der Verwaltungs- und Gebietsreform angesprochen, die ja auch von der Troeger-Kommission in ihre Vorschläge ,einbezogen worden ist. Im Zusammenhang mit der Großen Anfrage der Koalitionsfraktionen, die voraussichtlich noch im Mai behandelt werden wird, haben wir die Möglichkeit, uns mit den damit verbundenen Problemen hier zu beschäftigen. Wir sind uns klar, daß finanziell gesunde Gemeinden auch eine bestimmte Verwaltungskraft haben müssen. Die deutschen Gemeinden haben dazu eigene Vorschläge unterbreitet. Es wäre gut, wenn diese Vorschläge stärkere Beachtung fänden, nicht zuletzt auch, weil hier der Bürger Mitverantwortung tragen kann.
Wenn auch die Vorschläge für die dringend notwendige Aufstockung der kommunalen Finanzmasse noch nicht konkretisiert werden konnten und wir uns hier in einer Übergangsphase befinden, sollte doch heute schon gesagt werden, daß die Vorschläge der Bundesregierung natürlich nicht eine bestimmte Gruppe von Kommunen bevorzugen oder benachteiligen dürfen, sondern daß sie eine Gesamtlösung schaffen müssen. Der Bund kann das kommunale Steuersystem nur nach den Grundsätzen einer allgemein ausgeglichenen Grundausstattung der Gemeinden ordnen. Die auf den verschiedenen Strukturgründen beruhenden besonderen Bedürfnisse können in einem bundeseinheitlichen System nicht bis ins letzte berücksichtigt werden. Das ist auch aus den heutigen Ausführungen klargeworden. Jedes System muß und wird daher immer ergänzungsbedürftig sein. Selbst bei den allgemeinen Finanzzuweisungen der Länder ist es nicht möglich, die besonderen Bedürfnisse von Gemeinden mit wiederum höchst unterschiedlichen zentralen Aufgaben in einem Schema zu erfassen. Das wissen wir alle aus unserer kommunalen Praxis.
Ein Grundsatz sollte allerdings in unsere Finanzordnung nicht Eingang finden, nämlich der Grundsatz, den Finanz- und Investitionsbedarf gewissermaßen vom „Bruttoinlandsprodukt" abzuleiten. Sonst werden immer mehr „Schlafgemeinden" entstehen. Denken wir daran, daß beispielsweise im Jahre 1964 über 3,6 Millionen Wirtschaftsbürger täglich in die Städte hineinströmten. Die große Masse der Gemeinden würde damit sehr benachteiligt werden. Die öffentlichen Leistungen müssen aber auch für die Menschen auf dem Lande mitfinanziert werden, ganz abgesehen von der Ausstattung der Erholungsgebiete und der regionalen Angleichung der Lebensverhältnisse, wichtige Punkte in der Gesamtbetrachtung der Finanzreform.
Ein besonders bedeutsamer Punkt ist die Unterstützung der Gemeinden durch Mittel aus der Mineralölsteuer. Hier sind die Gemeinden - das lag in der Natur der Sofortmaßnahmen, die im vergangenen Jahr begonnen haben - noch nicht so behandelt worden, wie sie es in ihrer Gesamtstruktur verdienen. Die Gemeinden haben rund drei Viertel des
Straßennetzes zu unterhalten und müßten hier mit knapp der Hälfte der Verkehrsabgaben rechnen. Hier werden weitere Verbesserungen, wie sie heute ja auch angestrebt werden - das ist deutlich geworden -, dankbar begrüßt werden.
Lassen Sie mich noch eine kurze Anmerkung über die Bedeutung der Gemeinden machen. Sie waren stets mehr als nur Wohn- und Schlaforte, mehr als nur Arbeitsplatz für die landwirtschaftliche Bevölkerung und wenige Gewerbebetriebe. Sie sind auch Mittelpunkte des Gemeinschaftslebens, und in den Kommunen hat sich ein Selbstverständnis in der Verbundenheit des Bürgers mit seiner Gemeinde, eine Form der Demokratie entwickelt, die wir nicht mehr missen möchten.
Nach 1945 haben die Gemeinden sehr lange auf diese Finanzreform und die Neuordnung der Verhältnisse gewartet. Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich hoffe und wünsche, daß es uns gelingt, durch die Gemeindefinanzreform eine vernünftige und befriedigende Regelung zu erreichen, die den Bedürfnissen der fast 24 000 deutschen Gemeinden gerecht wird.
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Das Wort hat der Abgeordnete Krammig.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wie weit der Bogen gespannt sein kann, wenn es darum geht, über Fragen der Finanzreform zu sprechen, dafür lieferte der letzte Beitrag des verehrten Herrn Kollegen SchmittVockenhausen ein beredtes Zeugnis, zumal wenn ich daran denke, was Herr Kollege Dr. Müthling ausgeführt hat.
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Ich stelle das nicht deshalb an den Anfang meiner Ausführungen, weil ich aufzeigen möchte, daß verschiedene Meinungen vorhanden sind, sondern ich sage es, weil auch der originelle Beitrag meines Freundes Dr. Stecker keineswegs in toto mit der Meinung unserer Fraktion abgestimmt war. Sie sehen, es geht quer durch alle Fraktionen. Ich kann sogar Herrn Dr. Haas zitieren, der von einem ganz kleinen Steuerverbund sprach, während der Steuerverbund, der in der Regierungsvorlage angeboten worden ist, Herrn Emde gar nicht groß genug war. Also wir haben noch die Möglichkeit, in den Ausschüssen das alles zu korrigieren.
Und nun darf ich an die Spitze meiner kurzen Ausführungen, die ich noch machen möchte, stellen, daß ich mich über Herrn Finanzminister Kubel sehr freue. Ich erinnere mich dankbar seiner Rolle, die er bei dem Versuch, 1955 eine Finanzverfassungsreform zustande zu bringen, gespielt hat. Damals schon war er der stärkste Bundesgenosse unseres Finanzministers Schaeffer, und wenn überhaupt aus der Sache etwas geworden war, auch von seiten der Länder, dann ist es wohl ihm mit zu verdanken. Herr Minister, ich hoffe, daß wir nicht zwei Durchgänge im Vermittlungsausschuß benötigen, um dieses Werk zu vollenden; sonst würde ich allerdings für die Verabschiedung noch in dieser Legislaturperiode schwarz sehen.
Wenn ich mir vergegenwärtige, was alles notwendig ist, um zu einer wenigstens einigermaßen gerechten Verteilung der Finanzmasse zwischen Bund und Ländern zu kommen - Trennsystem, Verbundsystem, Zerlegung, horizontaler Ausgleich, Investitionszuschüsse und schließlich auch noch Ergänzungszuweisungen des Bundes -, dann neigt mein Herz dazu zu sagen: Legt doch alles zusammen und verteilt es nach dem Bedarf der einzelnen Gebietskörperschaften. Aber da Politik immer noch die Kunst des Möglichen ist, muß der Verstand mitsprechen. Man muß sich also fragen: Sind denn solche Wünsche, wie sie zum Teil hier angesprochen worden sind, in der politischen Realität überhaupt durchsetzbar? Und da scheint mir das, was die Bundesregierung vorgeschlagen hat, das Mindeste von dem zu sein, was geschehen müßte. Ob es nun das ist, was überhaupt geschehen kann, müssen die Beratungen in den Ausschüssen erweisen. Ich hoffe, daß es uns gelingt, dieses Mindeste, das die Bundesregierung in wesentlichen Punkten in Übereinstimmung mit dem Bundesrat vorschlägt, noch verbessert aus den Ausschüssen herauskommt.
Was ich nicht ganz verstanden habe, war, was Herr Senator - und damit mein Herr Kollege - Heinsen aus Hamburg gesagt hat. Er hat davon gesprochen, daß die Länder eine Stufe tiefer stünden als die Gemeinden. Ich muß sagen, ich würde als Senator der Freien Hansestadt Bremen eine solche Unterbewertung meines Staatswesens hier vor diesem Hohen Hause nicht aussprechen, sondern ich würde davon ausgehen, daß man das, was wir in den wenigen vergangenen Wochen, die hinter uns liegen, hier demonstriert haben, weiter fortsetzen sollte, nämlich den Beginn des kooperativen Föderalismus. Ich muß Ihnen offen sagen, ich habe mich darüber gefreut, daß in den letzten Debatten dieses Hauses eine so rege Beteiligung der Herren Länderminister zu verzeichnen war.
({1})
Der Bundestag wird damit wirklich zu dem Forum, wo die Aussprache stattzufinden hat, auch von seiten der Länder mit der Bundesregierung und mit uns. Und dieser Sache hat Herr Senator Heinsen keinen besonders guten Dienst erwiesen. Aber der Herr Senator ist ein kluger Mann und hat zum Schluß ein versöhnliches Wort gesprochen, indem er sagte, vernünftigen Lösungen würde der Bundesrat sich nicht nur nicht widersetzen, sondern er würde Wesentliches dazu beitragen.
Und nun Herr Minister Kubel! Sie sind Vorsitzender des Finanzausschusses des Bundesrates. Darf ich die herzliche Bitte an Sie richten, sooft es Ihre Zeit erlaubt, an den Beratungen in den Ausschüssen dieses Hauses teilzunehmen, weil sich aus der Erfahrung von 1955 mit Ihrem damaligen Herrn Kollegen Finanzsenator Nolting-Hauff gezeigt hat, daß die ständige Anwesenheit eines politischen Repräsentanten von der Länderseite nicht eines Verwaltungsbeamten - sehr befruchtend wirken kann.
Von Herrn Senator Heinsen - damit möchte ich dieses Kapitel abschließen ist, indem er Herrn Ministerpräsidenten Kühn zitierte, auch betont worden, daß es Sache der Länder sei, um das Prinzip des Föderalismus besorgt zu bleiben. Meine Damen und Herren, das ist nicht nur im gleichen, sondern wahrscheinlich sogar in einem höheren Ausmaß Sache des Bundes. Die Länder sollten nicht meinen, sie seien allein die Sachwalter des Föderalismus, sondern das ist ein Zusammenspiel von Bund und Ländern auf diesem Gebiet.
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- Es ist nicht Sache des Bundes, um das Prinzip
des Föderalismus besorgt zu bleiben, es ist Sache der Länder, wurde gesagt. Das ist nicht nur Sache der Länder, sondern auch des Bundes. Vielleicht hat der Herr Bundesratsvertreter uns nicht ansprechen wollen. Wollen wir uns dahin verständigen, Herr Müthling? - Gut, in Ordnung!
Nun darf ich noch ganz kurz auf folgendes eingehen. Im Vordergrund der Erörterungen über die Gemeindefinanzreform stand nach meinem Dafürhalten an diesem Tage mehr die Frage der quantitativen Verbesserung der Gemeindefinanzmasse Darüber ist eigentlich die Frage nach der qualitativen Verbesserung etwas zu kurz gekommen. Ich meine, man sollte diese Frage nicht unberücksichtigt lassen. Es dreht sich bei dem Verzicht auf einen Teil der Gewerbesteuer, der den Gemeinden zugemutet werden soll, nicht nur darum, Quantität wegzunehmen, sondern darum, diese voll zu ersetzen und eine bessere Qualität an ihre Stelle treten zu lassen. Das scheint ein entscheidender Punkt zu sein, wenn man davon spricht, daß ein Gewerbesteueranteil durch einen Anteil am örtlichen Aufkommen der Einkommensteuer ersetzt werden soll. Daran sollte festgehalten werden, zumal da dies übereinstimmende Meinung der kommunalen Spitzenverbände ist.
Herr Kollege Müthling, Sie haben einen so ausgezeichneten Kommentar über das Gewerbesteuerrecht geschrieben, daß ich eigentlich etwas erschrokken war, aus Ihrem Munde zu hören, daß Sie das, was man in Frankreich als Gewerbesteuer bezeichnet, mit unserer Gewerbesteuer in einen Topf geworfen haben. Sie zitierten aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage meiner Fraktion die Stelle, in der diese meines Erachtens falsche Behauptung aufgestellt wurde. Die Bundesregierung hat in der Zwischenzeit ihre Meinung berichtigt. Es ist falsch, die Gewerbesteuer in Frankreich, die zwar den Namen trägt, mit der Gewerbesteuer hier zu vergleichen, weil die Erhebungstatbestände ganz andere sind als bei uns.
({3}) - Sie haben einen Abschlag gemacht; also Sie halten nicht mehr daran fest.
({4}) - Gut, dann sind wir uns einig.
Ich darf ferner noch auf folgendes hinweisen. Herr Kollege Möller hat heute morgen davon gesprochen, daß der Anteil der Gemeinden am Steueraufkommen von 1959 - ich weiß jetzt nicht mehr genau die Zahl, ich glaube, es waren 16 v. H. - auf 12 v. H. 1967 oder 1968, wahrscheinlich im Soll 1968, abgefallen sei. Ich habe mir über Mittag - es ist immer gut, wenn man als letzter drankommt, dann kann man noch mal nachsehen - schnell ausgerechnet, ob das stimmt, und habe festgestellt, daß es im Soll 1968 12 % sind. Nun sagen Sie bitte nicht, ich begänne spitz zu rechnen. 0,6 % Differenz machen immerhin 720 Millionen DM aus. Aber was nicht zur Sprache gekommen ist und was hier herausgestellt werden muß, auch um den Ländern Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, ist, daß die Länder in den letzten Jahren fortlaufend ihre Finanzzuweisungen an die Gemeinden wesentlich erhöht haben. Ich habe vermißt, daß in dieser Diskussion davon gesprochen wurde, daß den Gemeinden ein Anteil am Länderanteil aus der Einkommen- und Körperschaftsteuer auf Grund von in den Ländern zu erlassenden Gesetzen verfassungskräftig zugewiesen ist. Dieser Anteil ist Gemeindesteueranteil und darf also bei der Berechnung des Gemeindesteueraufkommens nicht vernachlässigt werden. Das ist korrekt; das sollten wir auch in diese Diskussion einführen und nicht unter den Tisch fallen lassen.
Herr Kollege Dr. Müthling, Sie sind offenbar einem Irrtum unterlegen, als Sie darauf hinwiesen, daß bei den Gemeindeeinnahmen die Gewerbesteuer keine 80 % ausmache. Das hat auch niemand behauptet. In der Regierungsvorlage steht, daß die Gewerbesteuer unter den eigenen Steuereinnahmen der Gemeinden mit etwa 80 % figuriere, nichts anderes, und die Zahl aus dem Soll 1968 beweist das fast auf das Komma: es sind 79 v. H.
Nun ist heute - und damit möchte ich meine Ausführungen zu Ende bringen - auch über den Ausgleich gesprochen worden, den wir aus der Welt schaffen müßten, wenn die Gewerbesteuer im Zuge der Harmonisierung der Steuersysteme innerhalb der EWG ganz von der Bildfläche verschwinden müßte. Es ist davon gesprochen worden, daß eine Verlagerung auf die Aufwandsteuer ausgeschlossen sei. Ich glaube, Frau Kollegin Kurlbaum-Beyer, ich zitiere Sie richtig, wenn ich sage, daß Sie in Ihrer Begrüßungsansprache vor dem Kongreß der Bundeskammer der Steuerbevollmächtigten am vergangenen Montag erklärt haben: 11 % Mehrwertsteuersatz - Ultima ratio für meine Fraktion.
({5})
- Nun, ich will jetzt das Problem als solches nicht untersuchen, aber ich möchte zwei Zahlen in den Raum stellen, über die man nachdenken müßte. In der Bundesrepublik Deutschland betrug 1965 der Anteil des Steueraufkommens aus den Ertrag- und Vermögensteuern 55,3 %; der Rest entfiel auf die Aufwandsteuer. In Frankreich, einem unserer Hauptkonkurrenten, betrug das Aufkommen aus den Ertrag- und Vermögensteuern 42,6 %. Die Differenz beträgt also ungefähr 12 Punkte. Jedem, der sich überlegt, daß bei der Harmonisierung die Aufwand9202
steuern einander angeglichen werden sollen, dagegen die Römischen Verträge im Hinblick auf die Steuern auf Ertrag und Vermögen sehr dürftige Aussagen enthalten, geht doch ein, daß entweder die Belastungen einander angepaßt werden müßten oder bei uns das Belastungsverhältnis verschoben werden müßte. Wenn wir die Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft erhalten wollen, werden wir im nationalen Steuersystem einfach Konsequenzen ziehen müssen. Tun wir das nicht, werden wir sehr schnell erleben, daß unser sozialer Rechtsstaat sich im Krebsgang bewegt.
Herr Abgeordneter Krammig, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Abgeordneten Kurlbaum-Beyer? - Bitte!
Herr Kollege Krammig, darf ich Ihren Ausführungen entnehmen, daß Sie die Absicht haben, sich ausschließlich nach Frankreich zu richten?
Nein, Frau Kollegin.
Das geht aber aus Ihren Ausführungen hervor.
Ich wollte uns nicht länger damit aufhalten, könnte aber natürlich auch Italien zitieren; da ist das Verhältnis noch krasser.
({0})
- Die Sowjetunion gehört aber nicht zur Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft - noch nicht, Herr Dr. Schmidt, vielleicht auch einmal.
({1})
- Die Belastung spielt auch eine Rolle. Ich wollte nur anregen, darüber auch in dieser Hinsicht nachzudenken, und ich könnte mir vorstellen, Frau Kurlbaum-Beyer, daß wir uns, wenn wir aus irgendwelchen Gründen zu einer Anhebung der Mehrwertsteuer - die natürlich sachlich begründet sein müßte - kämen oder kommen müßten, Gedanken darüber machen: Kann man nicht Güter des täglichen Bedarfs, sagen wir einmal, von der Mehrwertsteuer befreien oder mit so ermäßigten Sätzen belegen, daß der kleine Mann, der darauf angewiesen ist, diese Güter zu konsumieren, nicht übermäßig durch die Aufwandsteuer getroffen wird? Das sind alles Dinge, die man in den Raum stellen kann, über die man nachdenken muß.
Meine Damen und Herren, ich möchte mein Wort wahrmachen, Sie nicht länger in Anspruch zu nehmen. Ich erlaube mir nur noch zu den Ausführungen des Herrn Kollegen Dr. Haas zwei Bemerkungen.
Erstens. Als Mitglied der Opposition wäre ich genauso mißtrauisch wie Sie hinsichtlich der - wie Sie sagten Blankovollmacht für die Bundesregierung in diesem Gesetzentwurf. Als Mitglied der Koalition vertraue ich darauf, daß die Bundesregierung die richtigen Konsequenzen zieht, daß wir als
Koalitionsfreunde hier im Hause auch die entsprechenden Gesetze beschließen und niemanden bei der Verabschiedung dieser Finanzreformgesetze über den Löffel balbieren.
Zweitens. Herr Kollege Haas, Sie hatten dann noch vom kooperativen Föderalismus gesprochen und das große Wort gelassen ausgesprochen, er habe versagt. Nun, ich darf sagen: Spät kommt ihr, aber ihr kommt. Ich erinnere mich an Ihre Staatsministertätigkeit. Da hatte der Schulanfang und die Frage des Fernsehens zur Debatte gestanden. Da fragen Sie sich bitte einmal selbst, wie Sie sich verhalten haben. Das wollte ich doch noch gern hinsichtlich Ihrer kritischen Bemerkungen zum kooperativen Föderalismus hier anschließen.
Zum Schluß. Ein Problem ist noch nicht angesprochen worden, und zwar das folgende. Wir machen uns Gedanken darüber, wie wir die Gemeindefinanzmasse quantitativ verbessern können. Das ist sicher notwendig und wird von niemandem im Hause bestritten. Muß man dann nicht die Frage stellen: Ist es unbedingt notwendig, daß aus dem Bestand Bund-Länder mehr zugunsten der Gemeinden ausgegliedert wird? Wäre es unbedingt notwendig, wenn das erstere nicht geht, an eine Steuererhöhung zu denken? Nein, sage ich, es gibt eine dritte Möglichkeit: Wenn wir davon ausgehen, daß das nominale Wachstum in unserer Wirtschaft im nächsten Jahr bei 6 bis 7 % liegen sollte - das ist die Zielprojektion der Bundesregierung -, wissen wir genau, daß das Steuerwachstum bei etwa 7 bis 8 % liegen dürfte. Auf die Basis des Jahres 1968 im Sollansatz bezogen, heißt das, daß wir bei einem Gesamtsteueraufkommen in Bund, Ländern und Gemeinden von 120 Milliarden DM in diesem Jahre beim niedrigsten Prozentsatz - wenn die Zielprojektion zutreffen sollte - 1969 allein 8,4 Milliarden DM mehr Steuereinnahmen haben werden - ohne jede Änderung der Steuergesetze. Sollte es sich aber bewahrheiten, das die Basis dieses Jahres von 4 % um weitere zwei Punkte auf 6 % steigt, ist die Ausgangsbasis für die Steuerberechnung im kommenden Jahr ganz anders. Dann erhalten wir nicht 8,4 Milliarden DM, sondern wahrscheinlich 11 Milliarden DM und noch etwas darüber mehr an Steuern. Dann müßte doch genügend Finanzmasse da sein, um auch ohne irgendeine Steuerrechtsänderung für die Gemeinden mehr abzugliedern, damit sie ihre Bedürfnisse stärker befrieden können als im Augenblick.
({2})
Das Wort hat der Abgeordnete Frehsee.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nicht zu Punkt 2 a der Tagesordnung, sondern zu Punkt 2 b, also zu dem Antrag der Fraktion der SPD auf Einsetzung eines Sonderausschusses zur Beratung dieses Finanzreformgesetzes. In der Geschäftsordnungsdebatte von heute morgen hat Herr Kollege Rasner angekündigt, er werde diesem Antrag der SPD für seine Fraktion widersprechen, in erster Linie mit dem Argument, daß es in diesem
Hohen Hause Brauch sei, alle Grundgesetzänderungen dem Rechtsausschuß - federführend - zu überweisen.
Nun ist es zwar richtig, daß in den letzten Legislaturperioden alle Gesetzentwürfe, die Grundgesetzänderungen enthielten und der vorliegende Gesetzentwurf enthält neun Grundgesetzänderungen-, dem Rechtsausschuß - federführend - überwiesen worden sind. Es ist aber nicht etwa so, daß Grundgesetzänderungen dem Rechtsausschuß als federführendem Ausschuß überwiesen werden müßte n. Das für Verfassungsänderungen einzuhaltende Verfahren ist in Art. 79 des Grundgesetzes abschließend geregelt. Dort steht nichts davon, daß dem Rechtsausschuß alle Verfassungsänderungen zur Federführung zu überweisen seien. Es kann sich um ein Prinzip handeln, so zu verfahren, aber man kann aus Prinzipien auch Dogmen machen.
Wir halten es für zweifelhaft, im Zusammenhang mit diesem Finanzreformgesetz ein Dogma der prinzipiellen Überweisung von Grundgesetzänderungen an den Rechtsausschuß als federführenden Ausschuß einzuführen. In der zweiten Legislaturperiode gab es zwei bezeichnende Ausnahmen von dieser Übung des Bundestages, dem Rechtsausschuß Verfassungsänderungen federführend zu überweisen: Das Finanzverfassungsgesetz vom 23. Dezember 1955 - das Finanzverfassungsgesetz von 1955! - und das Gesetz zur Änderung und Ergänzung des Art. 106 des Grundgesetzes vom 24. Dezember 1956, dieses Gesetz, das ja doch die Änderung des bundesstaatlichen Finanzausgleichs mit der Einführung der Ergänzungsabgabe zum Inhalt hatte. Diese beiden Gesetze sind, sehr verehrter Herr Kollege Rasner, dem Finanzausschuß als federführenden Ausschuß überwiesen worden. Das hatte auch seinen guten Grund. Das hatte genau den gleichen guten Grund, aus dem die Fraktion der SPD auch die Überweisung dieses Finanzreformgesetzes an einen Sonderausschuß beantragt.
Das Finanzverfassungsrecht ist nun einmal eine sehr spezielle Materie, die mir von Finanzfachleuten in vollem Umfang beurteilt werden kann, wie wir das heute hei dieser ersten Lesung auch wieder gesehen haben und wie das heute ganz deutlich geworden ist. Diese Materie kann nur von finanzpolitischen Fachleuten in vollem Umfang beurteilt werden. Da diese Fragen im Grundgesetz geregelt sind und nun geändert werden sollen, handelt es sich gewiß um verfassungsrechtliche Fragen. Aber die juristische Problematik, für die in erster Linie der Rechtsausschuß zuständig ist, tritt in diesem Falle hinter der Finanzproblematik zurück. Herr Bundesminister Strauß hat das heute in seiner Rede mit Recht betont; er hat das genauso gesagt, wie wir es zur Begründung unseres Antrags auf Einsetzung eines Sonderausschusses sagen. Wenn der Entwurf dieses Finanzreformgesetzes dem Rechtsausschuß überwiesen würde, bedeutete das, daß der Rechtsausschuß gewissermaßen als Notar des Finanzausschusses und der übrigen mitbeteiligten oder mitzubeteiligenden Ausschüsse fungieren würde. Der Rechtsausschuß müßte Stück für Stück das übernehmen, was ihm die anderen Ausschüsse vorlegen. Es
ist wirklich kein sachlicher Grund ersichtlich, aus dem der Rechtsausschuß für diese Vorlage federführend sein sollte.
Dazu kommt, daß der Rechtsausschuß sehr überlastet ist. Ich habe hier eine Liste der Gesetzesvorlagen, die der Rechtsausschuß zu bearbeiten hat: Änderung der Strafprozeßordnung, Änderung der Gewerbeordnung, Gesetz über die Wahl der Vertreter der Bundesrepublik zu den europäischen Versammlungen, Änderung und Ergänzung des Einführungsgesetzes zum BGB. Es sind 28 Vorlagen, für die der Rechtsausschuß federführend ist und die im Rechtsausschuß noch vorliegen. Für eine ganze Anzahl von Vorlagen ist der Rechtsausschuß mitberatend. Der Rechtsausschuß ist überlastet. Ich erinnere an die großen Brocken des Unehelichenrechts, des Abzahlungsgesetzes, der Änderung des Gesetzes über den unlauteren Wettbewerb und andere. Demnächst kommen das Rechtspflegergesetz, das Kastrationsgesetz und andere wichtige rechtspolitische Vorlagen.
Die Beratungen zum Stabilitätsgesetz haben gezeigt, daß bei bestimmten großen Projekten, die in die Zuständigkeit mehrerer Ausschüsse fallen, wie es bei diesem Finanzreformgesetz der Fall sein würde, die Einsetzung eines Sonderausschusses zweckmäßig ist. Wir sollten uns in dieser Frage nicht von Dogmen und Prinzipien leiten lassen. Auch damals, beim Stabilitätsgesetz, wurde der Antrag der SPD auf Einsetzung eines Sonderausschusses abgelehnt. Die Folge war, daß sich die Beratung über den Entwurf dieses Gesetzes sehr lange hinzog, nämlich von Mitte September 1966 bis Mitte Mai 1967. Das war keineswegs nur eine Folge der Regierungsumbildung von Ende 1966. Vielmehr erwiesen sich die Beratung der verschiedenen Teilaspekte des Entwurfs in mehreren Ausschüssen und vor allem die Koordinierung der Ausschußarbeit als schwierig und zeitraubend. Wir sind der Meinung, daß erst die Einsetzung eines eigenen Arbeitskreises in der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion das ein wenig ausgebügelt hat, was durch die Beteiligung so vieler Ausschüsse an Zeitverlust eingetreten ist.
Meine Damen und Herren, im Interesse der notwendigen Konzentration und Koordinierung, vor allem aber auch aus zeitlichen Erwägungen - wie ich es schon heute früh sagte - beantragen wir also die Einsetzung eines Sonderausschusses.
Namens der Fraktion der SPD beantrage ich zu Ziffer i des Antrags Drucksache V/2881 namentliche Abstimmung. Über Ziffer 2 des Antrags namentlich abzustimmen, ist nach § 58 der Geschäftsordnung nicht möglich.
({0})
Das Wort hat der Abgeordnete Rasner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin froh, feststellen zu können, daß die Frage, an welchen Ausschuß ein Gesetzentwurf überwiesen werden soll, sicherlich keine
Weltanschauungsfrage ist und sicherlich keine Gewissensentscheidung bedingt, sondern allein eine Zweckmäßigkeitsfrage ist. Und unter Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten wollen wir die Sache nun einmal betrachten.
In diesem Hause -- das ist das erste, was ich dazu sagen möchte - ist jede Verfassungsänderung aus guten Gründen seit eh und jeh an den Rechtsausschuß als federführenden Ausschuß überwiesen worden, meine Damen und Herren. Wenn es einmal eine Ausnahme gegeben hat, Herr Kollege Frehsee, war es eine schlechte Ausnahme. Ein Ausschuß dieses Hauses muß um der Wahrung der Verfassungseinheitlichkeit willen, also aus sehr grundsätzlichen, verfassungspolitischen und verfassungsrechtlichen Überlegungen die Änderungen am Grundgesetz federführend in der Hand haben. Das war auch in all den langen Jahren bisher im Grunde nicht bestritten.
Zweitens, Herr Kollege Frehsee, einmal etwas ganz Zweckmäßiges, ganz Praktisches; wir wollen an die Dinge ja praktisch herangehen. Wenn wir aus den vier Ausschüssen, die zu beteiligen sind, jeweils drei oder vier Vertreter in diesen Ausschuß schikken, fehlen sie im Rechtsausschuß, im Finanzausschuß, im Haushaltsausschuß. Der Präsident - das wissen wir - wird auch einem Sonderausschuß nicht die Genehmigung geben, während des Plenums zu tagen. Dann wird entweder der Sonderausschuß, oder es werden die vier Hauptausschüsse für viele Monate Not leiden. Herr Kollege Frehsee, das kann - schon aus praktischen Erwägungen - niemand wollen. Das sollten wir nicht machen.
Und drittens! Bei einer so schwierigen Sache ist es gut, wenn ein Satz von mindestens 20 % der Abgeordneten dieses Hauses schon an den Ausschußberatungen beteiligt ist. Im Plenum ist dann das Ergebnis der Beratungen wesentlich leichter durchzusetzen, als wenn nur 5 % des Hauses an der Beratung dieser schwierigen Materie beteiligt sind. Ich kann gut verstehen, wenn z. B. die Kollegen aus dem Kommunalpolitischen Ausschuß angesichts der Bedeutung dieser Materie für die Gemeinden an der Vorberatung, an der Ausschußberatung dieser Materie beteiligt sein wollen.
Aus diesem Grunde bitte ich, den Antrag der SPD auf Bildung des Sonderausschusses und damit auch auf Überweisung an den Sonderausschuß - das kann man vielleicht in einem Atemzug machen - abzulehnen. Herr Kollege Frehsee, Ihr Antrag, dafür eine namentliche Abstimmung herbeizuführen, wird dieses Haus in erfreulichem Umfange füllen; nichts dagegen.
({0})
Meine Damen und Herren, wird weiter das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Ich darf nun zuerst einmal zur rechtlichen Frage kommen. Die namentliche Abstimmung ist nach § 58 ausgeschlossen über die Stärke eines Ausschusses. Deshalb ist wohl der Antrag auf namentliche Abstimmung auch nur zu Ziffer 1 gestellt. Die namentliche Abstimmung ist weiter ausgeschlossen bei der Überweisung an einen Ausschuß. Deshalb, Herr Kollege Rasner, können die beiden Dinge nicht miteinander verbunden werden. In namentlicher Abstimmung kann daher nur über den Antrag auf Einsetzung eines ,Sonderausschusses entschieden werden. Wird dieser Antrag auf namentliche Abstimmung ausreichend unterstützt? Ich bitte um das Zeichen. - Das sind mehr als 50 Mitglieder des Hauses.
Damit kommen wir zur namentlichen Abstimmung über Ziffer 1 des Antrags der Fraktion der SPD - Drucksache V/2881 - betreffend Einsetzung eines Sonderausschusses „Finanzreform".
({0})
Meine Damen und Herren, ich gebe das vorläufige Ergebnis der Abstimmung bekannt. Abgegebene Stimmen insgesamt 341, dazu 15 Berliner Abgeordnete. Mit Ja haben 152 und 12 Berliner Abgeordnete gestimmt, mit Nein 189 und 3 Berliner Abgeordnete. Damit ist der Antrag abgelehnt.
Endgültiges Ergebnis:
Abgegebene Stimmen 336 und 14 Berliner Abgeordnete. Ja: 152 und 11 Berliner Abgeordnete
Nein: 184 und 3 Berliner Abgeordnete
Enthalten: keine
Nein
CDU/CSU
Dr. Abelein Dr. Aigner Dr. Althammer
Balkenhol
Bauer ({0}) Bauknecht
Prinz von Bayern
Dr. Becher ({1}) Becker
Berberich Berendsen Dr. Besold Biechele
Blank
Blöcker
Frau Blohm Brand
Frau Brauksiepe Bremer
Dr. Brenck Brese
Brück ({2}) Bühler
Burger
Dr. Conring Dr. Czaja Damm
Deringer Diebäcker Dr. Eckhardt Ehnes
Dr. Elbrächter
Frau Enseling
Erhard ({3}) Ernesti
Erpenbeck Dr. Even Exner
Falke
Franke ({4})
Dr. Franz Franzen
Dr. Freiwald Dr. Frerichs
Frieler
Fritz ({5})
Frau Geisendörfer Geisenhofer
Dr. Giulini Dr. Gleissner
Glüsing ({6})
Dr. Götz
Gottesleben Frau Griesinger
Dr. h. c. Güde Haase ({7}) Dr. Häfele Härzschel
Häussler
Hahn ({8})
Hanz ({9})
Dr. Hauser ({10})
Dr. Hellige Dr. Hesberg Hörnemann ({11})
Dr. Hofmann ({12})
Frau Holzmeister
Horstmeier Dr. Hudak Frau Jacobi ({13})
Dr. Jahn ({14}) Josten
Dr. Jungmann Frau Kalinke Kiep
Frau Klee
Klein
Dr. Klepsch Klinker
Knobloch
Köppler
Krug
Kühn ({15}) Lampersbach
Leicht
Lemmrich
Dr. Lenz ({16})
Lenz ({17}) Majonica
Maucher
Meis
Meister Memmel
Mick
Missbach
Frau Mönikes
Müser
Dr. von Nordenskjöld Orgaß
Petersen
Dr. Prassler
Dr. Preiß
Rainer Rasner Dr. Reinhard
Richarts
Dr. Ritgen
Dr. Ritz Rock
Röhner Rösing Rollmann
Rommerskirchen
Ruf
Schlee
Dr. Schmid-Burgk
Dr. Schmidt ({18}) Schmitt ({19})
Frau Schroeder ({20}) Schröder ({21})
Dr. Schulze-Vorberg
Fran Dr. Schwarzhaupt Dr. Schwörer
Dr. Sinn
Springorum
Dr. Stark ({22})
Dr. Steinmetz
Stiller
Frau Stommel
Stooß Storm Struve Stücklen
Teriete Varelmann
Wagner
Weigl Wendelborn
Frau Dr. Wex
Wieninger
Dr. Wilhelmi
Windelen
Dr. Wörner
Frau Dr. Wolf
Baron von Wrangel Wullenhaupt
Ziegler
Dr. Zimmermann
Zink
Berliner Abgeordnete
Dr. Gradl. Müller ({23})
FDP
Dr. Achenbach
Busse ({24})
Frau Dr. Diemer-Nicolaus Dorn
Ertl
Geldner
Graaff Dr. Haas
Dr. Imle
Jung Freiherr von
Kühlmann-Stumm Mank
Dr. h. c. Menne ({25}) Mertes
Dr. Miessner
Mischnick
Opitz
Peters ({26})
Porsch Ramms Reichmann
Saam
Schmidt ({27})
Schultz ({28}) Wurbs
Berliner Abgeordnete Borm
Ja
SPD
Adams
Ahrens ({29})
Dr. Apel
Auge
Bauerle Barche Dr. Bardens
Dr. Bayerl
Dr. Bechert ({30}) Bergmann
Berlin Beuster Biermann
Blume Böhm Börner Brünen Büttner Buschtort
Collet Corterier
Eckerland
Frau Eilers
Dr. Eppler
Faller Felder Fellermaier
Feuring Folger Franke ({31})
Frehsee Frau Freyh
Fritsch ({32})
Fritz ({33})
Gerlach Gertzen Glombig
flange ({34})
Haase ({35}) Hansing
Hauck Hauffe Hellenbrock
Herberts
Hermsdorf
Herold Hirsch Höhmann
({36}) Hölzle
Hörauf
Hörmann ({37}) Hofmann ({38})
Hubner Iven
Jacobi ({39})
Jahn ({40})
Jaschke Jürgensen
Junghans Kaffka
Killat
Frau Kleinert
Dr. Koch
Könen ({41})
Koenen ({42}) Kohlberger
Dr. Kreutzmann Kriedemann
Frau Dr. Krips
Dr. Kübler
Kurlbaum
Frau Kurlbaum-Beyer Lange
Langebeck
Lantenschlager
Leber
Lemp
Lemper Lenders Liedtke Löbbert Dr. Lohmar
Lotze
Maibaum Marquardt
Marx ({43})
Matthes Matthöfer
Frau Meermann
Dr. Meinecke
Metzger
Dr. h. c. Dr.-Ing E. h. Möller Dr. Mommer
Müller ({44})
Dr. Müller ({45}) Müller ({46})
Dr. Müller-Emmert
Nellen
Neumann ({47})
Peiter
Peters ({48})
Porzner Raffert Dr. Rau Ravens Regling
Rehs
Dr. Reischl
Reitz
Frau Renger
Riegel ({49}) Rohde
Roß
Frau Rudoll
Sänger Saxowski
Frau Schanzenbach Frau Schimschok Schmidt ({50}) Dr. Schmidt ({51}) Schmidt ({52}) Schmidt ({53}) Schmitt-Vockenhausen Schoettle
Schonhofen
Schulte Seidel Seifriz Seither Frau Seppi
Spillecke
Stephan Strohmayr
Dr. Temblé
Tönjes Vit
Wehner Welke Welslau Wendt Frau Wessel
Westphal
Wiefel Wilhelm
Wolf
Zebisch
Berliner Abgeordnete
Dr. Arndt ({54}) Bartsch
Frau Berger-Heise Bühling
Frau Krappe Liehr
Mattick
Dr. Schellenberg
Dr. Schiller Dr. Seume Wellmann
Wir brauchen daher nicht über den zweiten Absatz des Antrages der Fraktion der SPD abzustimmen.
Dann müssen wir jetzt über den Überweisungsantrag abstimmen, den, wenn ich es richtig gehört habe, Herr Kollege Rasner schon vorgetragen hat, also über den Antrag, die Vorlage an den Rechtsausschuß - federführend und an den Finanzausschuß, den Ausschuß für Kommunalpolitik, Raumordnung, Städtebau und Wohnungswesen sowie den Haushaltsausschuß gemäß § 96 der Geschätfsordnung zur Mitberatung zu überweisen. Wer für diesen Überweisungsantrag ist, den bitte ich um das Zeichen. - Wer ist gegen diesen Überweisungsantrag? - Wer enthält sich der Stimme? - Bei Gegenstimmen und bei Enthaltungen mit Mehrheit angenommen.
Meine Damen und Herren, wir kommen jetzt zu Punkt 3 der Tagesordnung:
Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur AndeVizepräsident Scheel
rung des Gesetzes über den Finanzausgleich unter den Ländern vom Rechnungsjahr 1965 an ({55})
- Drucksache V/2784 -Wird das Wort zur Aussprache gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Es ist vorgeschlagen, den Gesetzentwurf dem Finanzausschuß - federführend - und dem Haushaltsausschuß - mitberatend und gemäß § 96 der Geschäftsordnung - zu überweisen. Wer für diesen Uberweisungsvorschlag ist, den bitte ich um das Zeichen. - Wer ist dagegen? -Wer enthält sich der Stimme? - Es ist so beschlossen.
Wir kommen zu Punkt 4 der Tagesordnung:
Beratung der Sammelübersicht 30 des Petitionsausschusses ({56}) über Anträge von Ausschüssen des Deutschen Bundestages zu Petitionen und systematische Ubersicht über die beim Deutschen Bundestag in der Zeit vom 18. Oktober 1965 bis 31. März 1968 eingegangenen Petitionen
- Drucksache V/2835 Wird zu diesem Punkt der Tagesordnung das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Wir kommen zur Beschlußfassung. Wer den Anträgen des Ausschusses zustimmt, den bitte ich um das Zeichen. - Wer ist dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Einstimmig angenommen.
Wir kommen zu Punkt 5 der Tagesordnung:
Erste Beratung des von den Abgeordneten Dr. Schmidt ({57}), Bading, Mertes und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes
- Drucksache V/2425 Wird das Wort gewünscht? - Herr Kollege Hirsch!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Erlauben Sie mir ein paar kurze Worte zur Begründung dieses Antrags. Wir sollten uns alle darüber einig sein, daß das Institut des Untersuchungsausschusses eine der wirksamsten Waffen eines jeden Parlaments zu sein hat, wenn es wirklich seiner Kontrollpflicht und seinem Kontrollrecht gegenüber der Regierung nachkommen will. Wenn dieses Institut bei uns in Deutschland - und das gilt nicht nur für die Bundesrepublik, sondern auch für die Weimarer Republik und die einzelnen Länder - nicht immer so funktioniert hat, wie das hätte sein sollen, so liegt es nicht an dem Institut, sondern daran, daß es uns bisher nicht gelungen ist, den Untersuchungsausschüssen die Waffen und die Regeln zu geben, die sie brauchen, um wirksam arbeiten zu können.
Schon in der Weimarer Republik hat es viele Untersuchungsausschüsse gegeben, die ohne Erfolg gearbeitet haben und in Skandalausschüsse ausgeartet sind. Dasselbe haben wir hier bei uns in den Ländern und im Bund erlebt; Ausnahmen anderer Art bestätigen die Regel. Es ist so, daß sich schon damals in der Weimarer Republik die wissenschaftliche Literatur dieses Problems angenommen hat. Aber damals haben die Parlamentarier keine Kenntnis von dem genommen, was die Wissenschaft geschrieben hat, und die Wissenschaftler haben umgekehrt mit sehr viel Scheuklappen theoretische Abhandlungen geschrieben, ohne sich in der Praxis überzeugt zu haben, wie es in einem Untersuchungsausschuß wirklich zugeht. Man ist völlig auseinandergelaufen, und es gab keinen Nutzeffekt.
1949, als wir das Grundgesetz geschaffen haben, hat man die Untersuchungsausschüsse wiederum als ein wirksames Institut betrachtet und im Grundgesetz und in den Länderverfassungen verankert. Man hat es aber in den Ländern und im Bund bis zum heutigen Tage nicht fertiggebracht, das Recht der Untersuchungsausschüsse im einzelnen zu regeln und, wie gesagt, den Untersuchungsausschüssen das Handwerkszeug zu geben, das sie brauchen, um richtig arbeiten zu können. Das ist anders geworden. Erfreulicherweise ist es auch in den letzten Jahren hinsichtlich des Auseinanderklaffens zwischen wissenschaftlichen Arbeiten und der Praxis anders geworden. Es gibt seit geraumer Zeit Untersuchungen der deutschen Landtagspräsidenten über das Problem, wahrscheinlich ausgelöst durch den schrecklichen Spielbank-Untersuchungsausschuß des Bayerischen Landtages, dessen leidgeprüfter Vorsitzender ich einmal war.
Es gibt darüber hinaus aber fundamentale und richtungweisende Feststellungen eines zu diesem Thema anberaumten Deutschen Juristentages, nämlich des Juristentages in Karlsruhe. Dieser Juristentag hat mit der Aufstellung mehr oder weniger strittiger Thesen geendet, die inzwischen Gemeingut aller derjenigen geworden sind, die sich mit dem Problem befassen. Der erfreulichste Fortschritt in der letzten Zeit war aber, daß die Interparlamentarische Arbeitsgemeinschaft eine Kommission eingesetzt hat, die sich zur Aufgabe gestellt hat, das Problem nun endgültig so zu lösen, daß die Untersuchungsausschüsse wirksam werden. Diese Kommission der Interparlamentarischen Arbeitsgemeinschaft, die unter der ganz ausgezeichneten Leitung unseres Kollegen Benda, jetzt Bundesinnenminister, gearbeitet hat, hat es endlich geschafft - und das ist das Neue in der Geschichte der Untersuchungsausschüsse und ihres Rechtes -, einen Katalog von sehr präzisen Thesen zu erarbeiten, die genau die neuralgischen Punkte bezeichnen. Die Kommission hat sich vorgenommen, aus der Entwicklung dieser Thesen dann die entsprechenden gesetzgeberischen oder geschäftsordnungsmäßigen Konsequenzen zu ziehen. Ich glaube, wir alle schulden dem Kollegen Benda und den Mitgliedern der Kommission - da ich ihr als arbeitendes Mitglied bisher nicht angehört habe, kann ich das sagen, ohne die Sünde des Eigenlobs begehen zu müssen -, großen Dank, daß sie mit sehr intensiver Arbeit an das Problem herangegangen sind und tatsächlich zum erstenmal wirklich Lösungsmöglichkeiten gefunden haben.
({0})
So sehr ich es begrüße, daß Herr Benda jetzt Minister geworden ist, vom Standpunkt des Rechtes der Untersuchungsausschüsse ist es zu bedauern, denn damit fällt er für diese Aufgabe in Zukunft leider fort, es sei denn - was ich hoffe, da diese Rechtsgebiete ja mit dem Arbeitsgebiet des InnenHirsch
ministeriums zusammenhängen -, daß er als Minister uns mit seinem Stab hilft, nunmehr das Werk, das er als Parlamentarier begonnen hat, auch zu vollenden. Ich bin sicher, daß er das tun wird. Leider ist er nicht da. Aber es wird ihm ja wohl gesagt werden. Und sein Staatssekretär, der mir zugewinkt hat, wird auch auf unserer Seite stehen, um dieses Werk zu vollenden.
Nun, meine sehr verehrten Damen und Herren, der Ihnen vorliegende Antrag stellt den ersten Schritt der Parlamentarisierung der Arbeit dieser Kommission dar. All die Gesetze oder geschäftsordnungsmäßigen Maßnahmen, die von der Kommission vorgesehen sind, sind zum Teil nicht gangbar, wenn man nicht zunächst einmal dafür sorgt, daß gewisse Sperren, die das Grundgesetz gegenüber einer sinnvollen Arbeit der Untersuchungsausschüsse zur Zeit noch enthält für Ländergesetze gilt ähnliches -, beseitigt werden.
Es gibt einige in diesem Hause, die, als dieser Antrag vorgelegt wurde, gemeint haben, das sei ein Ad-hoc-Antrag, der sich gegen gewisse Vorgänge richte, die sich jetzt im Hispano-Suiza-Ausschuß abgespielt hätten. Um Mißverständnissen zu begegnen, möchte ich ausdrücklich darauf hinweisen, daß das nicht stimmt. Es war reiner Zufall, daß dieser Antrag kam, als sich bei der Arbeit eines Untersuchungsausschusses wiederum gezeigt hatte, daß gewisse Mängel, die schon bei vielen früheren Untersuchungsausschüssen aufgetreten waren, sofort wieder im Rampenlicht der Öffentlichkeit standen und die Arbeitsweise und das Ansehen dieses Ausschusses beeinträchtigt haben.
Das gilt insbesondere für das Problem, das in der Ziffer 1 des Art. 1 des Ihnen vorliegenden Gesetzentwurfs angeschnitten ist. Wenn dort steht „Die Vorschrift des Absatzes 2 gilt nicht für die Sitzungen der Untersuchungsausschüsse", so bedeutet das, vom Juristischen ins Deutsche umgesetzt, daß nach heutigem Recht die Untersuchungsausschüsse in der Verfassung wie andere Ausschüsse auch behandelt werden, mit der Folge, daß die Bundesregierung das Recht für sich in Anspruch nimmt, auch an den internen Beratungssitzungen der Untersuchungsausschüsse teilzunehmen, wie sie mit Recht für sich dieses Recht bei den Beratungen normaler Ausschüsse in Anspruch nimmt.
Nun hat leider - und insofern ist die Sache aktuell geworden; und ich sage ausdrücklich leider - die amtierende Bundesregierung von diesem Recht, das sie nach dem Grundgesetz hat, auch in der Form Gebrauch gemacht, daß sie tatsächlich in die Beratungssitzungen des Hispano-Suiza-Ausschusses Mitglieder der Beamtenhierarchie entsandt hat; zuletzt nur einen bestimmten Beamten. Das war das einzige Zugeständnis, das die Bundesregierung gemacht hat. Nun will ich in keiner Weise behaupten, daß der betreffende Herr seine Aufgabe dort unkorrekt durchgeführt habe. Aber, in der Öffentlichkeit muß es als eine Mogelei aufgefaßt werden - ganz egal, wie man die Dinge sonst betrachtet -, daß das Gremium, das beauftragt ist, zu untersuchen, ob in der Regierung irgend etwas falsch oder gar inkorrekt oder sogar korrupt geschehen ist, auch in seinen internen Beratungssitzungen unter der Kontrolle eines Beauftragten der Regierung steht, der pflichtgemäß jedes Wort, das dort gesprochen wird, selbstverständlich an seinen Minister weitergeben muß.
Es dürfte für jeden denkenden Menschen klar sein, daß dieser Zustand unmöglich ist und daß die Regierung nicht das Recht haben darf, an den Beratungssitzungen eines Untersuchungsausschusses teilzunehmen. Das wäre genauso, wie wenn, etwas kraß ausgedrückt, der Angeklagte in einem Strafverfahren das Recht hätte, an der Beratung des Gerichts teilzunehmen. Die Bundesregierung, ob nun zu Recht angeklagt oder nicht, ist in solchen Untersuchungen quasi in der Rolle eines Angeklagten, und der Angeklagte kann sich an der Prozeßführung nicht in der Form beteiligen, daß er an den Beratungen teilnimmt. Dieser Antrag will das richtigstellen.
Ergänzend möchte ich noch sagen, daß einzelne deutsche Länder das längst getan haben, z. B. Niedersachsen. Vor Jahren ist dort im Wege einer Verfassungsänderung klargestellt worden: Das Recht der Regierung zur Teilnahme an Ausschußsitzungen gilt nicht für Untersuchungsausschüsse. Genau das ist die Ziffer i des Antrags.
Die Ziffer 2 behandelt ein weiteres wichtiges Problem, das in der derzeit laufenden Untersuchung zum Glück bisher nicht aktuell geworden ist: das Problem der Aktenvorlegung und der Aussagegenehmigung für Staatsbedienstete. Es gibt Untersuchungsausschüsse in den Ländern, aber früher gab es sie auch einmal im Bund - ich will hier gar keine anführen --, die ihrer Aufgabe praktisch nicht nachkommen konnten, weil die jeweilige Regierung - da will ich keiner Partei einen Vorwurf machen; gesündigt haben wir alle, je nachdem wer gerade in der Regierung war dann, als es darum ging, daß ein bestimmter Beamter aussagen sollte, dessen Aussage unter Umständen entscheidend war, dem Betreffenden die Aussagegenehmigung nicht erteilt hat. Damit war die Untersuchung selbstverständlich am Ende, und man konnte die Wahrheit nicht mehr feststellen.
Ich halte es für einen unerträglichen Zustand, daß der „Angeklagte" es damit wiederum in der Hand hat, zu verhindern, daß Zeugen vernommen werden, die gebraucht werden, um die Wahrheit zu ermitteln. Dieser Antrag hat daher den Sinn - ich glaube, den guten Sinn -, daß der Untersuchungsausschuß die Möglichkeit hat, in bestimmten Fällen - es sei denn, daß Gründe der Staatssicherheit entgegenstehen - zu erzwingen, daß ein Beamter aussagt und daß Akten herausgegeben werden.
Daß es zwischen der jeweiligen 'Regierung und dem Ausschuß oft Streit darüber gibt, ob wirklich Gründe des Staatswohls entgegenstehen, kann ich mir gut vorstellen. Normalerweise geht es aber nicht um das Staatswohl, wenn das behauptet wird, sondern um das Regierungswohl, was etwas ganz anderes ist. Das Staatswohl, wie ich es auffasse, besteht normalerweise - Ausnahmen bestätigen
die Regel - darin, daß die Wahrheit ermittelt werden kann, wenn man etwas weiter sieht! Wenn es also zwischen dem Ausschuß und der Regierung Streit gibt, soll notfalls das Verfassungsgericht entscheiden, ob diese Einwendungen der Regierung berechtigt sind, was im Ausnahmefall einmal sein kann.
Ob es nun genügt, wie in dem Antrag angeführt, sich auf Gründe der Staatssicherheit zu beziehen, und ob es noch andere berechtigte Gründe geben könnte, bei denen eine solche Ausnahme vorgesehen werden könnte, muß in der Ausschußberatung geklärt werden. Ich könnte mir vorstellen, daß dazu unter Umständen auch Gründe der militärischen Sicherheit gehören. Aber das muß im Ausschuß besprochen werden.
Die Ziffer 2 b des Antrags löst gleichfalls ein drittes wichtiges Problem, das bei vielen Untersuchungsausschüssen immer wieder zutage getreten ist. In den deutschen Länderverfassungen und auch im Grundgesetz haben wir die Regelung, daß eine qualifizierte Minderheit die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses erzwingen kann. Wir haben es aber mehrfach erlebt, daß diese Minderheit innerhalb des Ausschusses, wenn sie Beweisanträge gestellt hatte, von der Mehrheit überstimmt worden ist. Mit anderen Worten, das Einsetzungsrecht, das sie hatte, wurde dadurch illusorisch gemacht, daß die Mehrheit ihr die Möglichkeit nahm, die Beweise, die man für nötig hielt, tatsächlich erhoben zu bekommen. Wenn man der Minderheit das Recht zur Einsetzung des Ausschusses gibt und konsequent ist, muß man ihr auch Rechte innerhalb der Ausschußarbeit geben. Sonst hat dieses Einsetzungsrecht nur eine Schaubedeutung ohne praktischen Nutzeffekt.
Aus diesem Grunde sieht der Antrag vor, daß die qualifizierte Minderheit, nämlich ein Viertel, notfalls, wenn es zwischen der Regierung und dem Ausschuß Streit gibt, den Antrag an das Verfassungsgericht erzwingen kann. Auch das muß im einzelnen überlegt werden. Man könnte auch daran denken, daß unter Umständen nicht ein Viertel der Mitglieder des Bundestages, sondern sogar ein Viertel des Ausschusses das Antragsrecht bekommen könnte. Aber das sind Einzelheiten, mit denen ich Sie hier nicht behelligen wollte. Ich finde, es geht hier einfach um den Grundsatz, der einmal so oder so entschieden werden muß.
({1})
- Ich sagte ja, über Einzelheiten wird man reden müssen. Ich glaube, man wird sich dem nicht entziehen können: Wenn man der Minderheit das Einsetzungsrecht gibt, dann muß man ihr auch innerhalb des Ausschusses entsprechende Rechte geben. Denn sonst wird alles illusorisch. Aber darüber können wir ja noch reden.
Der zur Debatte stehende Antrag entspricht, das möchte ich ausdrücklich sagen, den Beschlüssen des Deutschen Juristentages in Karlsruhe, eines insofern sehr unabhängigen Gremiums, das nicht irgendwelcher einseitiger parteipolitischer Rücksichten bezichtigt werden kann. Der Antrag entspricht außerdem einem einstimmigen Beschluß der IPA-Kommission. Der Antrag entspricht im wesentlichen auch dem Stand der wissenschaftlichen Lehre und Forschung auf diesem Gebiet in der Bundesrepublik und in anderen Ländern.
Meine Damen und Herren, zum Schluß möchte ich an Sie alle appellieren, was an sich in dem Falle vielleicht gar nicht nötig ist, aber man kann es nie wissen. Es soll niemand meinen, weil er heute in der Regierung sitzt, von welcher Partei auch immer, man müsse vorsichtig sein gegenüber Untersuchungsausschüssen. Denn wer heute in der Regierung ist, kann irgendwann auch einmal in der Opposition sein.
({2})
- Herr Kollege, wir verstehen uns da gut, nicht
wahr? Wer also meint, weil er jetzt in der Regierung ist, muß er die Rechte der Untersuchungsausschüsse beschneiden, weil sie gefährlich sein könnten, der könnte das bitter bereuen an dem Tage, wo er auf der Oppositionsbank sitzt.
({3})
Dieses Problem gehört wirklich zu denen, die man ohne parteipolitische Augenblicksituationsbeobachtung so entscheiden sollte, wie die Entscheidung objektiv nötig ist. Wer das verkennt und aus der Augenblickssituation an diesem Recht der Untersuchungsausschüsse manipuliert, der wird das eines Tages, ich sage es noch einmal ausdrücklich, unter Umständen bitter zu bereuen haben, weil er dann mit seinem berechtigten Anliegen auf Schranken stößt, die er sich unter Umständen früher einmal selbst gesetzt hat.
Ich wäre also sehr dankbar, meine Damen und Herren, wenn Sie der Überweisung dieses Antrags an die zuständigen Ausschüsse zustimmen würden. Ich wäre darüber hinaus dankbar, wenn es möglich wäre, diesen Antrag, der sehr lange aus Gründen, über die ich hier nichts Näheres sagen möchte, im Bundestagsvorstand gelegen hat, bis er hier auf die Tagesordnung gekommen ist - er stammt vom 22. Dezember, und heute haben wir schon bald Mitte Mai -, ich wäre dankbar, wenn diese Verzögerung, die unnötig war, durch zügige Arbeit der Ausschüsse aufgeholt werden könnte, so daß wir vielleicht den Antrag noch vor den Ferien verabschieden können. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
({4})
Meine Damen und Herren, Sie haben die Begründung gehört. Wird das Wort zur Aussprache gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Sie kennen den Überweisungsvorschlag des Ältestenrats, der ausgedruckt ist. Wer diesem Überweisungsvorschlag zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Damit ist dieser Gesetzentwurf deni
Rechtsausschuß - federführend - und dem Ausschuß für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung überwiesen.
Vizepräsident Scheel
Wir kommen zu Punkt 6 der Tagesordnung:
Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Fünften Gesetzes zur Änderung des Wehrpflichtgesetzes
- Drucksache V/2528
Wird das Wort zur Begründung gewünscht? -Das ist nicht der Fall. Der Überweisungsvorschlag des Ältestenrates liegt Ihnen gedruckt vor. Wer diesem Überweisungsvorschlag zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Es ist so beschlossen. Damit ist der Entwurf dem Innenausschuß - federführend und dem Verteidigungsausschuß überwiesen.
Punkt 7 der Tagesordnung:
Erste Beratung des von dem Abgeordneten Dr. Eckhardt und der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gewerbesteuergesetzes
- Drucksache V/2732 Wird das Wort zur Begründung gewünscht? -Das ist nicht der Fall. Der Überweisungsvorschlag liegt Ihnen vor. Wer dem Vorschlag zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. Gegenprobe! Enthaltungen? - Es ist so beschlossen. Damit ist der Entwurf dem Finanzausschuß überwiesen.
Punkt 8 der Tagesordnung:
Erste Beratung des von dem Abgeordneten Dr. Eckhardt und der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes
- Drucksache V/2773 Das Wort zur Begründung wird nicht gewünscht. Der Überweisungsvorschlag des Ältestenrats liegt Ihnen vor. Wer ihm zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Es ist so beschlossen. Damit ist der Entwurf dem Finanzausschuß federführend sowie dem Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen und dem Haushaltsausschuß gemäß § 96 der Geschäftsordnung überwiesen.
Punkt 9 der Tagesordnung:
Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD, FDP eingebrachten Entwurfs eines Sechzehnten Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes
- Drucksache V/2677 - Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Rechtsausschuß ({0})
Innenausschuß
Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das
Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Schulte.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich will hier keine lange Geschichte dieses Antrags nachzeichnen, obwohl das sehr reizvoll wäre. Aber lassen Sie mich doch ein Wort zur Tagesordnung sagen.
Auf der Tagesordnung stehen heute drei Grundgesetzänderungen, und man könnte den Eindruck haben, wir wären dabei, unsere Verfassung zu durchlöchern. Aber das sei ausdrücklich hier vermerkt: In allen drei Fällen geht es um eine Verstärkung der demokratischer Rechte, so auch bei dem Antrag, zu dem ich nur ein paar Worte sagen möchte, nämlich zum Entwurf eines 16. Gesetzes zur Änderung unseres Grundgesetzes, mit dem wir die Verfassungsbeschwerde, dieses bedeutsame Rechtsinstitut, in der Verfassung verankern möchten.
Der Antrag ist gestellt von den Fraktionen der SPD und der FDP. Aber, ich glaube, auch die Kollegen der CDU/CSU sind sich darüber im klaren, daß es sinnvoll ist, diese Maßnahmen nunmehr vorzunehmen.
Zunächst - bereits in Herrenchiemsee hat man sich über diese Frage unterhalten - war es überhaupt zweifelhaft, ob dieses Rechtsinstitut der Verfassungsbeschwerde wirksam sein und bedeutsam werden könnte, weil doch immer wieder im Laufe der jungen Geschichte unseres Staates darauf hingewiesen worden ist, daß wir eine ausgebaute Verwaltungsgerichtsbarkeit und außerdem die Rechtsschutzgarantie im Grundgesetz verankert haben. Heute können wir konstatieren, daß niemand mehr dieses Institut der Verfassungsbeschwerde anzweifelt. Wir halten es für rechtspolitisch außerordentlich erwünscht, daß das auch dadurch deutlich zum Ausdruck kommt, daß wir die Verfassungsbeschwerde mit in das Grundgesetz aufnehmen.
Ich habe die Hoffnung, daß die Beratungen im Ausschuß einmütig, schnell und zügig vonstatten gehen werden; denn gerade zu diesem Zeitpunkt ist es, glaube ich, rechtspolitisch sehr bedeutungsvoll und auch erwünscht, klarzumachen, daß hier ein wichtiges Recht des Bürgers in die Verfassung aufgenommen und damit so fest, wie wir es überhaupt können, verankert wird.
({0})
Meine Damen und Herren, Sie haben die Begründung gehört. Wird das Wort zur Aussprache gewünscht? - Herr Busse, bitte!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nur wenige Worte der Ergänzung zur Begründung dieses Gesetzes.
Das Erfreuliche daran ist: Im Rahmen eines Gesetzgebungsverfahrens im Rechtsausschuß, das in der Öffentlichkeit häufig unter dem Gesichtspunkt steht, daß es zu einer Reduzierung von Rechten der Staatsbürger führen sollte, ist dieser Antrag geboren worden. Schon in der vorigen Legislaturperiode war seitens der SPD - ich glaube, Herr Kollege Jahn war es damals, der es hier vortrug - angeregt worden, daß diese Verankerung der Verfassungsbeschwerde im Grundgesetz erfolgen sollte. Ich habe damals für die FDP erklärt, daß wir einem solchen Antrag sofort zustimmen würden.
Busse ({0})
Wir haben dann im Rahmen der Beratungen der Notstandsgesetzgebung versucht, diesem Anliegen in Formulierungen Rechnung zu tragen, die dem Rechtsausschuß nicht genügten. Vielmehr sagte er: Wir wollen das nicht irgendwie versteckt machen, sondern es gleich klar und deutlich in die Verfassung hineinschreiben, damit da die notwendigen Kautelen gegeben sind. - Es war einmütige Ansicht des Rechtsausschusses, daß wir so verfahren sollten.
Nunmehr hat auch das Bundesverfassungsgericht, das die Last der Verfassungsbeschwerden - und es ist manchmal keine ganz leichte Last - zu tragen hat, einstimmig erklärt, daß es diese Änderung unseres Grundgesetzes für zweckmäßig und sachdienlich halte, wenn auch gewisse Formulierungsfragen noch zur Erörterung stehen. Ich glaube, daß nach alledem die Dinge jetzt schnell über die Bühne gebracht werden können, um so mehr, als es bei all denen, die uns immer den Vorwurf machen, wir alle seien daran, die Rechte des Staatsbürgers durch unsere Notstandsgesetzgebung zu beschneiden, einen guten Eindruck machen muß, daß wir die Verfassungsbeschwerde, also das Recht des Bürgers, die Einhaltung der Individualrechte unserer Verfassung auf verfassungsrechtlichem Wege nachzuprüfen, möglichst bald grundgesetzlich verankern. Es wäre gut, wenn wir es so schnell machen könnten, daß es zusammen mit der Notstandsverfassung verabschiedet werden könnte.
({1})
Wird sonst noch das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, den Gesetzentwurf an den Rechtsausschuß - federführend - und an den Innenausschuß zu überweisen. Ist das Haus damit einverstanden? - Das ist der Fall; es ist so beschlossen.
Ich rufe jetzt die Punkte 10 bis 15 der Tagesordnung auf:
10. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines zweiten Gesetzes zur Änderung des Teesteuergesetzes
- Drucksache V/2778 11. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 18. Mai 1967 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Ruanda über die Förderung von Kapitalanlagen
- Drucksache V/2779 12. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Steuerberatungsgesetzes
- Drucksache V/2780 -13. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Mineralölsteuergesetzes 1964
- Drucksache V/2781 13. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Kaffeesteuergesetzes
- Drucksache V/2782 14. Erste Beratung des von der Bundesregierung
eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu
dem Internationalen Fernmeldevertrag vom
12. November 1965
- Drucksache V/2783 -Es handelt sich um die erste Beratung von Gesetzentwürfen. Wird das Wort zu diesen Punkten gewünscht? -- Das ist nicht der Fall.
Der Ältestenrat schlägt vor, den Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Teesteuergesetzes an den Finanzausschuß zu überweisen. Der Vorschlag des Ältestenrats zu Punkt 11 muß geändert werden. Die Vorlage Drucksache V/2779 soll an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen - federführend - und an den Auswärtigen Ausschuß - mitberatend - überwiesen werden. Nach den weiteren Vorschlägen des Ältestenrats sollen überwiesen werden: der Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Steuerberatungsgesetzes an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen - federführend - und an den Finanzausschuß, der Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Mineralölsteuergesetzes 1964 an den Finanzausschuß, der Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Kaffeesteuergesetzes an den Finanzausschuß und an den Haushaltsausschuß gemäß § 96 der Geschäftsordnung, schließlich der Gesetzentwurf Drucksache V/2783 an den Postausschuß.
Wer ist für diese Überweisungsvorschläge? - Gegenprobe! - Damit sind die Vorlagen nach den Vorschlägen des Ältestenrats mit der Änderung des Überweisungsvorschlags zu Punkt 11 an die genannten Ausschüsse überwiesen.
Wir kommen jetzt zu Punkt 16 der Tagesordnung:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Bundesministergesetzes
- Drucksache V/2790 -Zur Begründung hat das Wort der Herr Parlamentarische Staatssekretär Köppler.
Köppler, Parlamentarischer Staatssekretär des Bundesministers des Innern: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst muß ich das Hohe Haus um Nachsicht dafür bitten, daß ausgerechnet diese Vorlage hier nicht vom zuständigen Mitglied der Bundesregierung begründet wird. Der Bundesminister des Innern bedauert das außerordentlich.
Ich will mich ganz kurz fassen. Das geltende Bundesministergesetz ist im Jahre 1953 erlassen worden. Es lehnt sich in seiner Struktur und im Aufbau an das Reichsministergesetz aus dem Jahre 1930 an, das damals erstmals die Rechtsverhältnisse der Reichsminister aus dem eigentlichen Beamtenrecht herauslöste. Trotzdem kann das Bundesministergesetz in seiner derzeit gültigen Fassung in einer
Parlamentarischer Staatssekretär Köppler
Reihe von Bestimmungen seine beamtenrechtliche Herkunft nicht verleugnen. Eine enge Verknüpfung des Ministerrechts mit dem Beamtenrecht mag in einer Zeit berechtigt gewesen sein, in der die Minister zum großen Teil aus dem öffentlichen Dienst kamen. Der Werdegang des Ministers hat sich aber grundlegend gewandelt. Minister, die über den Dienst in der Verwaltung in ihr Amt gelangen, sind heute die Ausnahme. In der Regel hat der Minister in unserer parlamentarichsen Demokratie den Werdegang des Politikers; er führt über die Bewährung im Parlament in das Amt.
Diesem „Berufsbild", wenn man diesen Ausdruck gebrauchen darf, entspricht das geltende Bundesministergesetz in einer Reihe von Punkten nicht mehr. Seine Anpassung an die veränderten Verhältnisse ist daher notwendig.
Sie wissen, daß schon in der dritten und in der vierten Legislaturperiode eine Novellierung des Ministergesetzes versucht wurde, daß aber die Gesetzentwürfe jeweils wegen des Endes der Wahlperiode vom Bundestag nicht mehr verabschiedet werden konnten.
Das Kernstück der beabsichtigten Neuregelung sind die versorgungsrechtlichen Bestimmungen des Gesetzes. Hier soll die aus der früheren Rechtsentwicklung übernommene Sonderstellung der Minister mit vorausgegangener Tätigkeit im öffentlichen Dienst zugunsten der Gleichbehandlung aller Minister aufgegeben werden, weil das Ministeramt ein politisches Amt ist. Die bisher für Minister ohne Vordienstzeit im öffentlichen Dienst sehr strengen Voraussetzungen für den Anspruch auf Ruhegehalt sollen daher erleichtert werden.
Meine Damen und Herren, ich will auf die Einzelheiten der vorgeschlagenen Novellierung hier nicht eingehen. Bei der Behandlung des Gesetzentwurfs in den Ausschüssen wird dazu ausführlich Gelegenheit sein.
Lassen Sie mich nur abschließend feststellen: Die im Gesetzentwurf vorgesehene Erleichterung der Voraussetzungen für den Anspruch auf Ruhegehalt soll in erster Linie nicht die Amtsinhaber persönlich begünstigen, sondern ire Interesse des Gemeinwohls die Unabhängigkeit ihrer Amtsführung stärken. Ein Minister, der nicht darauf bedacht sein muß, sich für den Fall des Ausscheidens aus dem Amt die Rückkehr in seinen früheren, möglicherweise nicht unabhängigen Beruf offenzuhalten, wird auch in seinen politischen Entscheidungen freier sein.
Ich möchte schließlich noch darauf hinweisen, daß die Ministergesetze der meisten Bundesländer günstigere Versorgungsregelungen als das geltende Bundesministergesetz enthalten und auch insofern eine Angleichung der Bundesregelung an die in vielen Ländern schon bestehende gesetzliche Regelung erwünscht ist.
Meine Damen und Herren, wir haben die Begründung gehört. Wird das Wort zur Aussprache gewünscht? - Das ist der Fall. Das Wort zur Aussprache hat der Kollege Professor Süsterhenn.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens der CDU/CSU-Fraktion brauche ich der Begründung, die der Herr Staatssekretär im Innenministerium gegeben hat, nur noch recht wenig hinzuzufügen.
Wir sind der Auffassung, daß eine tatsächliche Notwendigkeit besteht, eine Änderung des Ministergesetzes vorzunehmen, nicht nur aus den allgemeinen politischen Gesichtspunkten heraus, die eben von Herrn Staatssekretär Köppler entwickelt worden sind, sondern auch unter dem Gesichtspunkt der sozialen Gerechtigkeit. Die Diskretion verbietet es mir, hier etwa Einzelfälle vor dem Hohen Hause auszubreiten, in denen wirklich ernsthafte soziale Härten vorliegen und ehemalige Bundesminister, die recht lange Minister gewesen sind, wegen Nichterreichung einer bestimmten Altersgrenze in recht unangenehme Situationen gekommen sind. Eine derartige Bestimmung, wie sie das bisherige Bundesministergesetz enthält, ist in den meisten Landesministergesetzen nicht zu finden. Man kann vielleicht auf den Gedanken kommen, daß das jetzt noch in Kraft befindliche Bundesministergesetz, das aus dem Jahre 1953 stammt, von einem damals relativ sehr hohen Altersdurchschnitt der Bundesminister ausgegangen ist. Inzwischen ist auf diesem Gebiet eine erhebliche Verjüngung eingetreten und noch im Gange. Ich glaube, man müßte dieser Veränderung, die durch den Generationenwandel herbeigeführt wird, Rechnung tragen. Es sind eine Reihe von Einzelheiten in dem Gesetz, die noch einer näheren Prüfung bedürfen. Das mag in dem Ausschuß geschehen. Der Grundidee dieses Gesetzes stimmt meine Fraktion zu.
Wird weiter das Wort gewünscht? - Herr Kollege Schmitt-Vockenhausen!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Staatssekretär, ich hätte gewünscht, daß das nicht die erste Vorlage gewesen wäre, die Sie hier zu begründen hätten. Aber ich habe Verständnis für die schwierige Situation, in der sich Ihr Haus in dieser Stunde befindet.
Die erste Beratung des Regierungsentwurfs eines Änderungsgesetzes zum Bundesministergesetz ist nicht die Gelegenheit zu einer eingehenden Aussprache über die Einzelbestimmungen, inwieweit die Vorlage den in den fünfzehn Jahren seit dem Erlaß des Bundesministergesetzes eingetretenen Veränderungen entspricht oder auch gegebenenfalls darüber hinausgeht. Auf den eigentlich entscheidenden Mangel des geltenden Rechts, Herr Staatssekretär, haben Sie aber und hat auch der Herr Kollege Süsterhenn hier mit Recht hingewiesen. Es ist einfach die Tatsache, daß man das Ministeramt 1930 als eine Art Endstation für Beamte angesehen hat, und daraus ergeben sich dann eine ganze Fülle von Bestimmungen, die sich im einzelnen sehr nachteilig auswirken. Ich darf Sie nur daran erinnern, daß der Minister, der das 55. Lebensjahr noch nicht erreicht hatte, keinen Versorgungsanspruch hat, auch wenn er mehrere Legislaturperioden tätig war.
Ich glaube, die Gleichbehandlung der Frauen und Männer, die aus der unmittelbaren Parlamentariertätigkeit heraus Minister geworden sind, mit denjenigen, die eine beamtenmäßige Laufbahn aufzuweisen haben, ist dringend notwendig.
Ausgangspunkt bei der Beratung für alle Änderungen ist für uns die politische Stellung des Ministers als Mitglied der Bundesregierung, und natürlich - diesem Wunsch wird durch die Überweisung an den Vorstand des Bundestages Rechnung getragen - muß in den Gesamtkomplex der Überlegungen auch die inzwischen eingetretene Änderung der Versorgung der Parlamentarier mit einbezogen werden.
Lassen Sie mich eine weitere Bemerkung machen. Es gibt eine Frage, die bisher noch keine Regelung gefunden hat und die wir bei dieser Gelegenheit gern noch einmal erörtern würden: Das sind die Grundsätze, die für die Annahme von Geschenken durch Mitglieder der Bundesregierung zu gelten haben. Wir haben uns schon früher um eine Abgrenzung bemüht. Vielleicht ist es bei dieser Novelle möglich, hier eine klare und sachgerechte Regelung zu finden.
Wir werden in diesem Sinne die Beratungen unterstützen und hoffen, daß wir zu einer befriedigenden Regelung kommen.
({0})
Wird das Wort noch gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Beratung. Der Überweisungsvorschlag des Ältestenrats liegt Ihnen vor. Ist das Haus mit dem Überweisungsvorschlag einverstanden? - Das ist der Fall. Es ist so beschlossen. Damit ist der Entwurf an den Innenausschuß - federführend - sowie an den Vorstand den Deutschen Bundestages und gemäß § 96 der Geschäftsordnung an den Haushaltsausschuß überwiesen.
Ich rufe jetzt auf die Punkte 17 bis 25:
17. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Achten Gesetzes zur Änderung des Tabaksteuergesetzes
- Drucksache V/2832 18. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Protokoll vom 15. Mai 1967 zur erneuten Verlängerung des Internationalen WeizenÜbereinkommens 1962
- Drucksache V/2837 19. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 7. September 1967 zwischen Belgien, der Bundesrepublik Deutschland, Frankreich, Italien, Luxemburg und den Niederlanden über gegenseitige Unterstützung ihrer Zollverwaltungen und zu dem Protokoll über den Beitritt Griechenlands zu diesem Übereinkommen
- Drucksache V/2838 20. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung beamtenrechtlicher Vorschriften
- Drucksache V/2845 21. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung futtermittelrechtlicher Vorschriften
- Drucksache V/2850 22. Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung der Verordnung über die steuerliche Begünstigung von Wasserkraftwerken
- Drucksache V/2858 23. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 8. März 1967 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Mexikanischen Staaten über den Luftverkehr
- Drucksache V/2863 24. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über eine Milchstatistik
- Drucksache V/2864 25. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Textilkennzeichnungsgesetzes
- Drucksache V/2865 Auch hier handelt es sich um erste Beratungen von Gesetzentwürfen. Wird das Wort zu diesen Punkten gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Die Überweisungsvorschläge des Ältestenrates ersehen Sie aus der Tagesordnung. Ist das Haus mit den Vorschlägen einverstanden? - Das scheint der Fall zu sein. Es ist so beschlossen.
Damit sind überwiesen die Entwürfe zu Punkt 17 an den Finanzausschuß und den Haushaltsausschuß gemäß § 96 GO, zu Punkt 18 an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, zu Punkt 19 an den Finanzausschuß - federführend - und den Auswärtigen Ausschuß, zu Punkt 20 an den Innenausschuß, zu Punkt 21 an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten - federführend -und den Ausschuß für Gesundheitswesen, zu Punkt 22 an den Finanzausschuß - federführend - und den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen, zu Punkt 23 an den Verkehrsausschuß, zu Punkt 24 an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten - federführend -, den Innenausschuß und den Haushaltsausschuß gemäß § 96 GO, zu Punkt 25 an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen.
Dann kommen wir zu Punkt 26 der Tagesordnung:
Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Burgbacher, Dr. Jahn ({0}), Burgemeister und Genossen
Deutscher Bundestag -- 5. Wahlperiode Vizepräsident Scheel
betr. Forschungsauftrag zur Herstellung von Kraftstoffen aus Kohle
- Drucksache V/2806 Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Der Überweisungsvorschlag des Ältestenrates liegt Ihnen vor. Wer der Überweisung dieses Antrags in dem Sinne zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Es ist im Sinne des Vorschlags des Ältestenrates beschlossen. Damit ist der Antrag an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen - federführend - sowie den Haushaltsausschuß - mitberatend und gemäß § 96 GO - überwiesen.
Wir kommen zu Punkt 27:
Beratung des Zweiten Schriftlichen Berichts des Verkehrsausschusses ({1})
über den Antrag der Abgeordneten Dr. Hammans, Dr. Klepsch, Dr. Vogel ({2}), Winkelheide und Genossen und der Fraktion der CDU/CSU
betr. Altersgrenze für Schülerfahrkarten bei der Deutschen Bundesbahn
über den Antrag des Abgeordneten Börner und der Fraktion der SPD
betr. Tariferhöhungen und Einführung einer Altersgrenze für Schülerfahrkarten bei der Deutschen Bundesbahn
über den Antrag der Abgeordneten Dr. Hammans, Dr. Klepsch, Dr. Vogel ({3}), Winkelheide, Dr. Ritz und Genossen
betr. Altersgrenze für Schülerfahrkarten bei der Deutschen Bundesbahn
Drucksachen V/546, V/563, V/1240, V/2368 -Berichterstatter: Abgeordneter Müser
in Verbindung damit
Bericht des Haushaltsausschusses ({4}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung
-- Drucksache V/2482 Berichterstatter: Abgeordneter Haehser
Abgeordneter Rawe
Wir haben Beschluß zu fassen über den Antrag des Ausschusses, der Ihnen auf Drucksache V/2368 vorliegt. Wer diesem Antrag des Ausschusses zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! Enthaltungen? - Der Antrag des Ausschusses ist somit angenommen.
Wir kommen jetzt zu Punkt 28:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ({5}) über die von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschläge der Kommission der Europäischen Gemeinschaften für
eine Verordnung des Rats über allgemeine
Bestimmungen zu den Gemeinschaftsprogrammen für die Maßnahmen des Europäischen
Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft, Abteilung Ausrichtung
eine Verordnung des Rats über die Aufstellung eines Gemeinschaftsprogrammes für die Flurneuordnung
eine Verordnung des Rats über die Aufstellung eines Gemeinschaftsprogrammes für die Bewässerung
eine Verordnung des Rats über die Aufstellung eines Gemeinschaftsprogrammes für wasserwirtschaftliche Maßnahmen ({6})
eine Verordnung des Rats über die Aufstellung eines Gemeinschaftsprogrammes für forstwirtschaftliche Maßnahmen zur Verbesserung der Agrarstruktur
eine Verordnung des Rats über die Aufstellung eines Gemeinschaftsprogrammes zur Verbesserung der Vermarktung von Obst und Gemüse
eine Verordnung des Rats über die Aufstellung eines Gemeinschaftsprogrammes zur Verbesserung der Struktur der Molkereiwirtschaft
eine Verordnung des Rats über die Aufstellung eines Gemeinschaftsprogrammes für den Fleischsektor
eine Verordnung des Rats über die Aufstellung eines Gemeinschaftsprogrammes für den Weinbau
eine Verordnung des Rats über die Aufstellung eines Gemeinschaftsprogrammes für den Olivenbau
eine Verordnung des Rats über die Aufstellung eines Gemeinschaftsprogrammes für die Entwicklung wirtschaftlich benachteiligter oder rückständiger landwirtschaftlicher Gebiete
- Drucksachen V/1976, V/2800 Berichterstatter: Abgeordneter Seither
Hier haben wir ebenfalls über den Antrag des Ausschusses, der Ihnen auf Drucksache V/2800 vorliegt, zu beschließen. Wer dem Antrag des Ausschusses zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Antrag des Ausschusses ist einstimmig angenommen.
Punkt 29 ist, wie ich höre, auf Grund einer Vereinbarung abgesetzt worden.
Nun kommt der Punkt 30:
Beratung des Antrags des Präsidenten des Bundesrechnungshofes betr. Rechnung und Vermögensrechnung des Bundesrechnungshofes für das Rechnungsjahr 1965 - Einzelplan 20 - Drucksache V/2693 9214
Vizepräsident Scheel
Der Überweisungsvorschlag des Ältestenrats liegt Ihnen vor. Wer diesem Vorschlag zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe!
Es ist so beschlossen, Damit ist der Antrag dem Haushaltsausschuß - federführend - sowie dem Ausschuß für das Bundesvermögen überwiesen.
Ich rufe Punkt 31 auf:
Beratung des Antrags des Bundesministers der Finanzen betr. Entlastung der Bundesregierung wegen der Bundeshaushaltsrechnung für das Rechnungsjahr 1965 auf Grund der Bemerkungen des Bundesrechnungshofes
- Drucksache V/2695 Der Überweisungvorschlag des Ältestenrates liegt Ihnen vor. Ist das Haus mit diesem Vorschlag einverstanden? - Das ist der Fall. Es ist so beschlossen. Damit ist der Antrag dem Haushaltsausschuß - federführend - und dem Ausschuß für das Bundesvermögen überwiesen.
Ich rufe Punkt 32 auf:
Beratung des Antrags 'des Bundesschatzministers betr. Zustimmung zur Erhöhung des Grundkapitals der Vereinigte IndustrieUnternehmungen AG und Überlassung der jungen Aktien an die Kreditanstalt für Wiederaufbau
- Drucksache V/2805 Hier schlägt Ihnen der Ältestenrat eine Überweisung an den Ausschuß für das Bundesvermögen vor. Ist das Haus mit dem Vorschlag einverstanden? - Das ist der Fall; es ist so beschlossen.
Punkt 33 der Tagesordnung:
Beratung der Übersicht 19 des Rechtsausschusses ({7}) über die dem Deutschen Bundestag zugeleiteten Streitsachen vor dem Bundesverfassungsgericht
- Drucksache V/2679 Wer dem Antrag des Ausschusses zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmige Annahme.
Wir kommen jetzt zu Punkt 35 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung wohnungsbaurechtlicher Vorschriften
- Drucksache V/2063 Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Kommunalpolitik, Raumordnung, Städtebau und Wohnungswesen ({8})
- Drucksachen V/2840, zu V/2840 - Berichterstatter: Abgeordneter Erpenbeck ({9})
Meine Damen und Herren, wird das Wort zur Aussprache in der zweiten Beratung gewünscht? - Bitte, Herr Kollege Erpenbeck! Sie begründen offenbar den Antrag des Ausschusses.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gestatten Sie mir zu dem von mir vorgelegten Schriftlichen Bericht zu Drucksache V/2840, der schon von der Sache her ziemlich umfänglich ausfallen mußte, einige mündliche Ergänzungen bzw. ,Unterstreichungen.
Die Zahl und die unterschiedliche Bedeutung der wohnungsrechtlichen Änderungsbestimmungen der vorgelegten Gesetzesfassung sollten nicht die politische Bedeutung der Vorlage überdecken. In der vom Ausschuß vorgeschlagenen Gesetzesüberschrift wird betont darauf hingewiesen: „Gesetz zur Fortführung des sozialen Wohnungsbaues". Damit. knüpfte der Ausschuß wieder an den Ausgangspunkt an, nämlich die einstimmig angenommenen Entschließungsanträge zur Sicherung der Fortführung des sozialen Wohnungsbaues - auch unter dem Zwang veränderter finanzieller Verhältnisse Mittel zu mobilisieren, die nicht notwendigerweise die allgemeinen Finanzquellen des Bundes zusätzlich in Anspruch nehmen.
Meine Damen und Herren, insofern muß ich zusätzlich zum Schriftlichen Bericht und ergänzend zum allgemeinen Teil auch an den am 8. Dezember 1966 einstimmig angenommenen Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und der SPD erinnern, der folgenden Wortlaut hatte:
Der Bundestag wolle beschließen:
Da die Notwendigkeit besteht, die öffentliche Förderung des Wohnungsbaues fortzusetzen und entsprechende Mittel für den Bundeshaushalt gemäß § 20 des Zweiten Wohnungsbaugesetzes sicherzustellen, wird die Bundesregierung beauftragt, möglichst bald einen Gesetzentwurf vorzulegen, der eine Anhebung der Zinssätze für die älteren Sozialwohnungen vorsieht.
Dem im Entschließungsantrag erteilten Auftrag ist die Bundesregierung insofern nachgekommen, als uns die Vorlage des Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung wohnungsbaurechtlicher Vorschriften in der Drucksache V/2063 vorgelegt wurde.
Der Ausschuß legt Wert auf die Feststellung, daß der erste und Hauptzweck dieses Gesetzes die Sicherung der Fortführung des sozialen Wohnungsbaues ist; denn der soziale Wohnungsbau ist heute und bleibt morgen weiter notwendig. So gesehen wird der Einsichtige es auch begreifen und akzeptieren, daß zu diesem Zweck die durch die vorgesehene Zinserhöhung der öffentlichen Mittel im Effekt herbeigeführte Mietensteigerung für die Wohnungen des sozialen Wohnungsbaues der Jahre bis einschließlich 1959 zur Finanzierung und Förderung weiterer Wohnungen herangezogen wird.
Als Berichterstatter, der nur die nüchterne Darstellung der Meinung des Ausschusses vortragen kann, liegt es mir fern, eine Verzuckerung oder auch Verbrämung der realen Tatbestände vorzunehmen. Jedes Mitglied im Ausschuß weiß, welche ärgerliche Sache jede Mieterhöhung darstellt, vor allem dann, wenn durch andere, nicht durch dieses Gesetz ausgelöste Umstände Kumulierungen auftreten. Hier
galt es jedoch abzuwägen zwischen dem Wunsch nach Einhaltung eines möglichst niedrigen Mietniveaus - gegebenenfalls gar ohne Rücksicht auf die seit den fünfziger Jahren stark veränderten Einkommens- und Lebenshaltungskostenverhältnisse - und der Notwendigkeit, jenen, die immer noch nicht mit ausreichendem Wohnraum versorgt sind,
zu - im Verhältnis zu ihren Einkommensmöglichkeiten noch tragbaren Bedingungen durch öffentliche Förderung baldmöglichst zu helfen.
Für den Ausschuß darf ich sagen, daß er bemüht war, neben den rechtlichen Veränderungen und Anpassungen immer die soziale Komponente zu berücksichtigen. Lange hat der Ausschuß darüber beraten, einen rechtlich einwandfreien und praktisch gangbaren Weg zu finden, der einerseits die Mietensteigerungen in engen Grenzen hält, unvertretbare Erhöhungen ausschließt und andererseits dennoch eine in etwa befriedigende Fortsetzung des sozialen Wohnungsbaus zusätzlich ermöglicht.
Durch den sogenannten Kappungsbetrag, der für die Wohnungen nach dem ersten und zweiten Wohnungsbaugesetz unterschiedlich festgesetzt wurde, ist der Wille des Ausschusses angedeutet, nach Möglichkeit eine Entzerrung der Mieten für Sozialwohnungen herbeizuführen. Daß es nur bei dieser Andeutung blieb, liegt in der großen Schwierigkeit begründet, die mit dieser Materie verbunden ist. Wir kennen den Wunsch der Wohnungspolitiker und der Wohnungswirtschaftler und würden uns sogar gern damit identifizieren; nur bedarf es noch weiterer Anstrengungen, um hinsichtlich der Entzerrung des Mietgefüges einen Schritt weiterzukommen.
Eine Unterstreichung möchte ich noch in folgendem Punkte vornehmen. Die im Zweiten Wohnungsbaugesetz besonders geförderte Eigentumsbildung im Wohnungsbau ist auch durch diese Vorlage bestätigt worden. Da auf Grund der Bewilligungsverträge bei öffentlichen Baudarlehen eine Zinserhöhung im Rahmen dieses Gesetzes für den zurückliegenden Zeitraum bei Eigenheimen und Eigentumswohnungen ausgeschlossen ist, ist für die künftigen Eigentumsmaßnahmen im öffentlich geförderten Wohnungsbau eine befristete Zinsbefreiung von zehn Jahren vorgesehen.
Nun ein Wort zu der finanz- und haushaltspolitischen Seite. Der Ausschuß legt Ihnen ein Gesetz vor, das finanzplanungskonform ist. Mit den Vorschriften dieses Gesetzes wird der Rahmen der mittelfristigen Finanzplanung nicht nur eingehalten; vielmehr wird mit diesem Gesetz eine Konsequenz aus dieser Finanzplanung gezogen.
Der Ausschuß geht von der festen Überzeugung aus, daß auch das Hohe Haus darin mit ihm übereinstimmt, daß die aus der Zinserhöhung aufkommenden Mittel vor allem wieder für die Errichtung neuer Sozialwohnungen verwendet werden. Wir setzen das für den Anteil des Bundes als selbstverständlich voraus. Wir haben aber auch die dringende Bitte an die Länder, das gleiche zu tun.
Eine weitere Unterstreichung des Schriftlichen Berichts gilt der Frage nach der Auswirkung auf das
Wohngeld. Der Ausschuß ist der Meinung, daß die Mehraufwendungen für das Wohngeld infolge der Begrenzung der Zinsanhebungen nicht erheblich sein werden. Er möchte aber hier auch mündlich seinen Wunsch vortragen und den Appell an das ganze Haus richten, daß entsprechend den Beschlüssen des Hauses im Rahmen des Finanzänderungsgesetzes 1967 das Wohngeldgesetz nicht zum Nachteil der Wohngeldbiezeher geändert wird und jede Verschlechterung der Wohngeldleistung unterbleibt.
({0})
Ich glaubte, meine Damen und Herren, gerade diesen im Ausschuß nachdrücklich vorgetragenen Wunsch auch hier vor dem Hause in aller Deutlichkeit aussprechen zu müssen. Der Bürger muß sich unter den obwaltenden Umständen darauf verlassen können, daß er in Notfällen bei entsprechenden Voraussetzungen fest mit Wohngeld rechnen kann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zum Schluß gestatten Sie dem Berichterstatter ein ganz kurzes persönliches Wort. Für einen relativ jungen Abgeordneten dieses Hauses, der sich erstmals bei einem größeren Gesetzgebungswerk der Wohnungsbaupolitik stark engagieren konnte, ist es sicher schwer, die Kontinuität zu den großen wohnungspolitischen Gesetzen der vergangenen Jahre herzustellen. Es muß ihm einfach an der Detailkenntnis mangeln, an der Kenntnis der vielen tausend Feinheiten und Schwierigkeiten und an dem Fundus von Erfahrungen. Manchmal allerdings wird dabei auch spürbar - und das möchte ich hier einmal von dieser Stelle aussprechen -, daß auch Erfahrung und Wissen eine Last sein können und daß die von Erfahrung unbelastete Unbekümmertheit gelegentlich auch einen Schritt weiterhelfen kann. Lassen Sie also den Berichterstatter seinen Dank an die Experten abstatten, die alten Wohnungsbaupolitiker quer durch die Fraktionen bis in die Verwaltung hinein, weil er ohne sie seine Aufgabe sicher nicht hätte lösen können.
Im übrigen meine ich, daß das vorliegende Gesetz in der Ausschußfassung den Anforderungen der Gegenwart, aber auch zukünftigen Entwicklungen gegenüber offen ist. Es konnte auf den großen Gesetzen des Wohnungsbaues und eines sozialen Wohn- und Mietrechts aufbauen. Es dürfte somit geeignet sein, mitzuhelfen, daß auch der partiell noch bestehende Mangel in der Wohnungsversorgung behoben wird und daß alle Bürger, die dann allerdings auch das Ihre dazutun müssen, eine ihrem Selbstverständnis angemessene Wohnung erhalten können, ein echtes Heim für sich selbst und ihre Familie.
({1})
Meine Damen und Herren, Sie haben die Ausführungen des Herrn Berichterstatters gehört.
Wir treten in die Beratung ein, und zwar zunächst zu Art. I. Zu Art. I liegen zwei Änderungsanträge vor, der Änderungsantrag des Abgeordneten Wurbs und der Fraktion der FDP auf Um-
druck 446 *) und ein zweiter Antrag auf Umdruck 444 **). Wird zu den Änderungsanträgen das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist der Fall. Zu dem Antrag Umdruck 446 hat der Herr Abgeordnete Wurbs das Wort.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich darf Sie bitten, die Worte „sechs Jahre" wieder zu ändern in die Worte „vier Jahre" und damit analog zu § 29 Abs. 3 zu verfahren.
Meine Damen und Herren, Sie haben die Begründung gehört. Ich lasse über den Änderungsantrag abstimmen. Wer für den Antrag ist, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer ist gegen den Antrag? - Das ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt. Es bleibt damit bei der im Ausschußbericht vorgesehenen Fassung.
Dann hat der Herr Abgeordnete Jacobi das Wort zur Begründung des Änderungsantrages auf Umdruck 444. Bitte, Herr Kollege Jacobi!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will mich bemühen, in wenigen Sätzen klarzumachen, um was es bei diesem Änderungsantrag geht. Er betrifft den § 18 a des Gesetzentwurfs, und zwar den Abs. 3, in dem der Bundesminister für Wohnungswesen und Städtebau ermächtigt wird, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates weitere Zinsanhebungen zu dekretieren, falls die besondere Situation, nämlich die unterschiedliche Kostensituation und die Unterschiedlichkeit der Mieten, auch für Wohnungen, die nach 1960 gebaut worden sind, das erforderlich machen. Es sollen also auch spätere Baudarlehen als die in diesem Gesetz behandelten in die Zinserhöhung einbezogen werden.
Wir sind zwar im allgemeinen der Auffassung - und sie ist auch berechtigt -, daß die Mitwirkung des Bundesrates wie eine Bremse wirkt; hier fürchten wir aber, daß sich die Finanznot, die auch die Länder bedrückt, stärker auswirken könnte als die Rücksichtnahme auf die betroffenen Mieter. Mieterhöhungen sind aber von mannigfacher Wirkung, vor allen Dingen auch auf den Lebensstandard. Wir sind daher der Meinung, daß es Aufgabe des Parlaments sein sollte, Ausweitungen der hier angestrebten Art selbst zu beschließen. Wir müssen also insoweit gewisse Bedenken gegen die Vorlage geltend machen. Wir haben das bereits im Ausschuß getan und wiederholen es heute. Wir bitten, unserem Antrag zuzustimmen, damit dieses Haus selbst zu gegebener Zeit über die hier angeschnittene Frage befinden kann.
Wird das Wort zu dem Antrag gewünscht? - Bitte, Herr Kollege Erpenbeck!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Fraktion der CDU/CSU
*) Siehe Anlage 2 **) Siehe Anlage 3
lehnt diesen Änderungsantrag ab. Sie ist der Meinung, daß man hier bei der Regierungsvorlage bleiben sollte.
Das Wort wird nicht weiter gewünscht. Wir stimmen über den Änderungsantrag auf Umdruck 444 ab. Wer dem Antrag zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Es fällt schwer, das zu entscheiden. Ich darf Sie bitten, um es sauber zu machen, sich von den Plätzen zu erheben. Wer dem Antrag zustimmt, den bitte ich also, sich zu erheben. - Gegenprobe! - Das ist die Mehrheit; damit ist der Antrag abgelehnt.
Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Art. I in der Fassung der Ausschußbeschlüsse. Wer Art. I zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Art. I ist angenommen.
Wir kommen zu Art. II, zu dem keine Änderungsanträge vorliegen. Wird das Wort zu Art. II gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich lasse über Art. II abstimmen. Wer ihm zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Art. II ist in der Ihnen vorliegenden Fassung angenommen.
Wir kommen zu Art. III. Hierzu liegen wieder zwei Änderungsanträge vor, zunächst auf Umdruck 447 *) der Änderungsantrag der Abgeordneten Wurbs, Rollmann und Genossen. Wird das Wort zur Begründung des Antrages gewünscht? - Das Wort zur Begründung hat der Herr Kollege Wurbs.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf zunächst um Vornahme zweier Änderungen bitten. In Ziffer 1 ist eine redaktionelle Änderung durchzuführen. Da ist irrtümlicherweise dreimal die Zahl 2 genannt. Es muß in Ziffer 1 heißen: „in Absatz 2 Nummern 1 und 2 ..." Ich bitte, diese Änderung vorzunehmen.
Weiterhin bitte ich, in Ziffer 1 Abs. 1 eine Änderung durchzuführen. Ich bitte, in dem dritten Satz in der Formulierung „... ein anderer Grundstückswert ..." das Wort „anderer" zu streichen und statt dessen „niedrigerer" einzufügen.
Nun zur Begründung. Für Wohnungen, die aus öffentlichen Haushaltsmitteln gefördert worden sind, gelten für die Aufstellung von Wirtschaftlichkeitsberechnungen grundsätzlich die Bestimmungen für steuerbegünstigte Wohnungen. Ich darf auf § 82 in Verbindung mit § 6 des Zweiten Wohnungsbaugesetzes verweisen. Diese Bestimmungen sind auf alle Wohnungen, die steuerbegünstigt und frei finanziert sind, anzuwenden. Wenn von diesen Bestimmungen, die auf Grund einer Ermächtigung durch den Gesetzgeber in einer Rechtsverordnung niedergelegt sind, abgewichen werden soll, so kann dies nur in einer für die Bauherren und Vermieter zumutbaren Weise geschehen. Hinsichtlich der Bewertung der Baugrundstücke hat der Bundesminister für Wohnungswesen und Städtebau in einem an den Herrn Vorsitzenden des 9. Ausschusses gerichteten Schnell-
*) Siehe Anlage 4
brief vom 20. März 1968 erklärt, es solle durch eine Einschränkung verhindert werden, „daß Grundstücksverkehrswerte, die sich erst durch die Planung und die Erschließung für Wohnungsfürsorgemaßnahmen und über deren Förderung gebildet haben, zu einer höheren Miete oder zu einem höheren Aufwand an Wohnungsfürsorgemitteln führen." Mit dieser Erklärung kann man einverstanden sein. Der Gesetzgeber sollte dieses dann aber auch in dieser Form im Gesetz zum Ausdruck bringen, damit nicht in unangebrachter Weise von den Bestimmungen der Berechnungsverordnung abgewichen wird. Aus diesem Grunde soll nach unserem Antrag die vom Bundeswohnungsbauminister selbst konzipierte Begründung in das Gesetz übernommen werden.
Es soll noch in einem weiteren Punkt von den Bestimmungen der Berechnungsverordnung abgewichen werden, nämlich hinsichtlich der Verzinsung von Eigenleistungen. Die Berechnungsverordnung sieht vor, daß im steuerbegünstigten Wohnungsbau für Eigenleistungen eine Verzinsung in Höhe des marktüblichen Zinses für erste Hypotheken im Zeitpunkt der Bezugsfertigkeit angesetzt werden darf. Der Zinssatz für die eisten Hypotheken hat in den letzten Jahren erheblich geschwankt, und zwar zwischen 6 und 8 %. Wir sind der Meinung, daß diese
Unbestimmtheit nicht ganz glücklich ist. Wenn von der Berechnungsverordnung abgewichen werden soll, sollte auch hier jetzt ein fester Zinsatz genannt werden. Mit unserem Vorschlag von 6 % bewegen wir uns an der unteren Grenze nach geltendem Recht. Wir sind auch der Meinung, daß wir das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 12. Januar 1966, das auch im Schriftlichen Bericht des Herrn Berichterstatters ausdrücklich zitiert worden ist, wonach dem Bauherrn auf die Dauer nicht ein Verzicht auf maßvolle Verzinsung seiner Eigenleistung zugemutet werden kann, nicht durch eine Gesetzesänderung aufheben sollten. Nachdem dieses Urteil rechtskräftig geworden ist, sollte der Bundestag durch ein neues Gesetz nicht eine neue Rechtslage schaffen.
Der in Abs. 3 vorgesehenen Regelung kann man nicht folgen.
({0})
Herr Kollege Wurbs, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Ich möchte keine Zwischenfragen beantworten. Ich bin bei der Begründung.
In der Begründung gibt es keine Zwischenfragen. Sie können sich ja nachher melden.
Wir sind der Meinung, daß eine Miete insoweit unwirksam ist, als die mit dem Mieter vereinbarte Miete die zulässige Miete übersteigt. Wir sind auch der Meinung, daß die Leistungen zurückzuerstatten und von Anfang an zu verzinsen sind. Wenn aber vorgeschlagen ist „Der Anspruch auf Rückerstattung erfolgt nach Ablauf
von vier Jahren, jedoch spätestens nach Ablauf eines Jahres von der Beendigung des Mietverhältnisses an" und der Herr Bundesminister für Wohnungswesen und Städtebau in dem bereits zitierten Schnellbrief dies damit begründet, daß der Mieter eine Kündigung befürchten müßte, wenn er den Anspruch schon während der Mietzeit geltend machen müßte, wird der Mieter geradezu aufgefordert, während der Nutzungszeit den Vermieter in dem Glauben zu lassen, daß er die Mieterhöhung anerkennt, obwohl bei ihm schon die Absicht bestehen könnte, zu gegebener Zeit, cl. h., wenn er die gemietete Wohnung aufgibt, die nach seiner Meinung überzahlten Beträge nebst Zinsen zurückzufordern.
Dabei ist entscheidend, daß, solange ein Wohnungsbelegungsrecht besteht, der Vermieter gar nicht in die Lage versetzt ist, zu kündigen. Er kann nur mit Zustimmung der darlehengebenden Stelle kündigen.
Mit unserem Vorschlag haben wir eine Regelung empfohlen, wie sie im Abbaugesetz vom 23. Juni 1960 für § 45 Abs. 2 des Ersten Wohnungsbaugesetzes festgelegt worden war. Demnach steht dem Mieter selbstverständlich das Recht zu, überzahlte Beträge und auch die hieraus angefallenen Zinsen zurückzufordern. Nur ist er verpflichtet, sein Recht auf die Kostenmiete innerhalb eines Jahres nach der Vereinbarung geltend zu machen - ein Zeitraum, der unseres Erachtens voll ausreicht.
Die Änderung des Abs. 4 beschränkt sich auf eine Ergänzung durch folgende Worte: „und ausgeübt wird". Hierdurch soll erreicht werden, daß bei Wohnungen, die durch die öffentliche Hand nicht mehr besetzt werden können und bei denen demzufolge das Wohnungsbesetzungsrecht nicht ausgeübt wird, die Vermieter die Möglichkeit haben, die Grundsätze für den steuerbegünstigten Wohnungsbau zur Anwendung bringen zu können. Ich darf Sie bitten, unserem Änderungsantrag zuzustimmen.
Das Wort zum Änderungsantrag Umdruck 447 hat der Bundesminister für das Wohnungswesen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die ganzen Fragen der Mietberechnung haben uns in den Ausschußberatungen sehr lange beschäftigt. Wir haben uns große Mühe gemacht, die aufgetretenen Probleme eingehend zu erörtern. Was hier in diesem neuen Antrag verlangt wird, bringt eine ganz neue Perspektive in die bisherigen Beratungen hinein. Ich muß das sehr deutlich sagen. Und ich muß eines sagen: was in diesem Antrag steht, ist, von einigen Experten abgesehen, für viele nicht mehr verständlich. Ich muß darauf aufmerksam machen, daß die Auswirkungen dieser Bestimmungen sehr problematisch sind. Es war uns einfach nicht möglich, das in der kurzen Zeit zu prüfen.
Aber noch etwas: die Frage, die in Ziffer i Abs. 1 behandelt wird, ist streitbefangen. Darüber schweben Prozesse. Wie sich eine Annahme dieses Antrages auf die schwebenden Prozesse auswirken
würde, kann im Augenblick einfach nicht gesagt werden. Ich muß daher dringend warnen, auch mit Sicht auf die schwebenden Prozesse, jetzt im letzten Augenblick noch solche Bestimmungen in das Gesetz hineinzubringen.
({0})
Der Abs. 2 Ziffer 2 des Antrags stellt das ganze Berechnungssystem völlig um, wenn plötzlich 6 % Zinsen für das Eigenkapital vorgesehen sind. Deshalb meine dringende Bitte, den Antrag heute nicht mehr anzunehmen. Allenfalls könnten wir uns überlegen, eines Tages einmal im Ausschuß darüber zu sprechen, ob eine entsprechende Novellierung möglich ist. Aber heute kann man nicht im letzten Augenblick die Tragweite solcher neuer Bestimmungen ermessen.
Wird das Wort dazu gewünscht? - Ja bitte, Herr Kollege!
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich gebe dem Herrn Minister recht, daß wahrscheinlich selbst von den wenigen hier Anwesenden nur sehr wenige verstehen, welche Einzelheiten im Grunde in diesem Antrag stecken. Aber ich bin sehr verwundert, daß Sie, Herr Minister, sagen, Ihr Haus und Sie könnten die neuen Perspektiven, die hier aufgezeigt würden, nicht überblicken, und daß Sie es als problematisch hinstellen. Ich kann mir das nicht vorstellen. Im Grunde, meine Damen und Herren, geht es bei dem Antrag um ein Anliegen - das möchte ich mit einigen nicht ganz fachlichen Ausführungen zu sagen versuchen --, das in der ganzen Systematik unserer Wohnungsbauentwicklung liegt. Es geht um die allmähliche Angleichung und hier im speziellen darum, auch den steuerbegünstigten Wohnungsbau, soweit er Bundesbedienstete betrifft, in den üblichen Rahmen des steuerbegünstigten Wohnungsbaus überzuführen.
Dabei geht es um die Fürsorgepflicht des Bundes gegenüber seinen Bediensteten. Dazu sage ich selbstverständlich ja. Der Bund hat die Fürsorgepflicht und muß sie wahrnehmen. Aber eines muß auch einmal deutlich gesagt werden. Dies kann nicht ein Naturschutzpark auf ewige Zeiten für alle Bereiche der Bundesbediensteten sein. Im Haushaltsausschuß des Deutschen Bundestages ist von allen Fraktionen wiederholt Klage über die Richtlinien für die Förderung des Bundesbedienstetenwohnungsbaus geführt worden. Danach werden für alle Ränge, vom Ministerialdirektor B 8 bis unten, gleiche Förderungssätze für den Bau von Eigenheimen gegeben, und das sind nicht sehr niedrige Beträge. Bislang wurden beispielsweise 40 000 bis 45 000 DM pro Wohnung gegeben. Das war ein Ärgernis für viele in unserer Bevölkerung, die auf den öffentlich geförderten Wohnungsbau angewiesen sind, auch für diejenigen, die den Normen des steuerbegünstigten Wohnungsbaus unterliegen. Das ist auch ein Ärgernis für die Landesbediensteten, weil kein Land der Bundesrepublik in dieser großzügigen Weise für alle Bereiche - das möchte ich besonders betonen: für alle Bereiche der Bediensteten, also auch für die hochbezahlten in B 5 und ähnlichen Gehaltsgruppen, zahlt. Wir haben bis heute noch keinerlei neue Richtlinien, obwohl sie wiederholt gefordert worden sind, erhalten.
In dem Bereich des steuerbegünstigten Wohnungsbaus für Bundesbedienstete geht es darum, daß die vorhandenen Vergünstigungen, die ebenfalls allen Bediensteten des Bundes, auch wieder bis zu den höchsten Rängen, gewährt wurden, etwas eingeengt und dem steuerbegünstigten Wohnungsbau insgesamt angepaßt werden. Ich meine - und mit mir manche Kollegen aus meiner Fraktion -, daß kein Anlaß besteht, auch die höchsten Ränge der Bundesbediensteten aus den Vorschriften der Zweiten Berechnungsverordnung herauszubrechen und für sie auf ewige Zeiten eine Sonderstellung aufzurichten.
Wenn der Herr Bundesminister die Meinung vertreten sollte, daß fürsorgerechtliche Gesichtspunkte für Beamte in den mittleren und in den unteren Rängen eine besondere Förderung des Bundes erfordern, dann sagen wir dazu ja.
({0})
Wir haben Sie, Herr Bundesminister, schon öfter aufgefordert, diesbezügliche Richtlinien vorzulegen. Aber wir können nicht dem das Wort reden, daß diese Sonderstellung für alle Ränge der Bundesbedienstete für alle Zeit aufrechterhalten wird.
Deshalb werden Freunde von mir und ich diesem Antrag zustimmen.
({1})
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Wohnungsbau.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Hier sind zwei Dinge miteinander in die Diskussion gekommen, die nicht unmittelbar im Zusammenhang stehen.
({0})
Herr Kollege Baier, was Sie über die Notwendigkeit gesagt haben, die Richtlinien für die Bundesbedienstetenwohnungen zu ändern, stimmt voll und ganz mit meiner Auffassung überein.
({1})
- Ich komme gleich darauf. Es geht darum, die Darlehenssätze zu verringern, und mit Rücksicht darauf, daß in den Bundesbedienstetenwohnungen auch Bedienstete der höheren Einkommensgruppen wohnen, geht es auch darum, die Mieten etwas zu ändern. Meine Vorschläge dafür liegen seit Monaten auf dem Tisch. Nur, Herr Kollege Baier, ich mache gar kein Hehl daraus, daß die Ressortchefs der großen Verwaltungen das nicht akzeptieren wollen. Es liegt nicht an mir. Ich bin der Meinung, das, was der Haushaltsausschuß des Bundestages seit langem verlangt, das was die Länder seit langem verlangen, daß sich der Bund für seine Bediensteten nicht höhere Förderungen erlauben darf als
was die Länder mithalten können, ist völlig berechtigt.
({2})
Ich komme aber nicht weiter, weil ich dazu die Zustimmung derjenigen Ressortchefs brauche, die die großen Verwaltungen hinter sich haben. Ich brauche sie nicht aufzuzählen. Das hat aber mit dem Antrag hier nicht unmittelbar zu tun. In diesem Punkt sind wir uns einig. Ich bitte darum, den Antrag abzulehnen.
Wird das Wort sonst noch gewünscht? - Herr Kollege Jacobi, bitte sehr!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn es wirklich so wäre, daß dieser Antrag global als ein geglückter Versuch angesehen werden könnte, die Dinge neu zu regeln, und zwar im Sinne der Ausführungen des Herrn Kollegen Baier, könnten wir uns mit diesem Antrag durchaus befreunden. Das ist aber nicht der Fall, wenn man die einzelnen Bestimmungen überprüft; vor allen Dingen stimmt es nicht mehr, nachdem Herr Kollege Wurbs die Änderung des Wortes „anderer Grundstückswert" in „niedrigerer Grundstückswert" hier erklärt hat. Mir ist völlig unverständlich, wie da der Effekt erzielt werden soll, der angeblich angestrebt wird. Ich möchte mich auf die Bemerkung beschränken, daß, wer immer dem Kollegen Wurbs und seinen mitunterzeichneten Kollegen den Rat gegeben hat, diesen Antrag zu stellen, einen schlechten Rat gegeben hat. Denn es ist ein nicht vertretbarer Stil, mit einer Fülle von Problemen jetzt bei der zweiten und dritten Lesung vor dieses Haus zu treten, wenn man vorher monatelang die Gelegenheit gehabt hat, im Ausschuß zu diesen Dingen Stellung zu nehmen.
({0})
Herr Kollege Wurbs, Sie haben an den meisten Sitzungen des Ausschusses, der sich auch mit der Frage der Bundesbediensteten beschäftigte, teilgenommen. Warum kommt Ihnen jetzt erst die Eingebung? Ich habe den Eindruck, sie ist von außen an Sie herangetragen worden, und ich muß sagen, das ist wirklich kein guter Stil.
({1})
Das Wort hat Herr Kollege Wurbs.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Jacobi, bisher ist es üblich gewesen, daß wir uns sachlich über die Dinge unterhalten und persönliche Angriffe unterlassen haben. Ich erinnere mich noch an die letzte Debatte, die wir hier geführt haben, wo Sie gesagt haben, Wohnungsbauleute sind sich im allgemeinen in der Sache einig.
({0})
- Lassen Sie mich bitte ausreden. Wenn man den
Schriftlichen Bericht verhältnismäßig kurzfristig vorgelegt bekommt und man dann erst Gelegenheit hat, die Dinge noch einmal im einzelnen durchzugehen, kommen einem auch, genau wie es bei Ihnen der Fall gewesen ist, Überlegungen, die zu Abänderungsanträgen führen können. Sie haben beispielsweise für die Bergarbeiter auch einen Änderungsantrag gestellt oder wollen ihn noch stellen.
({1})
Nun aber zur Sache selbst, Herr Kollege Jacobi. Im allgemeinen ist es doch so, daß die zweite Berechnungsverordnung verbindlich ist, auch was die Grundstückswerte anlangt. Die zweite Berechnungsverordnung soll mit der Vorlage ausgehöhlt werden. Die ursprüngliche Vorlage besagte ja, als Wert des Grundstücks usw. ist das und das anzusetzen, soweit nicht zwischen dem Bauherrn und dem Darlehns- oder Zuschußgeber etwas anderes vereinbart worden ist. An dieser Formulierung „soweit nicht etwas anderes vereinbart worden ist" störe ich mich; denn die Praxis hat gezeigt, daß bei Bauvorhaben auf die Bauherren bei der Festsetzung des Grundstückspreises zum Teil gewisse Pressionen ausgeübt worden sind. Bei der Formulierung, die
wir jetzt hier gewählt haben, wollen wir einem Argument, das der Herr Minister seinerzeit im Ausschuß vorgetragen hat, daß bei Bauvorhaben Grundstückspreise durch Erschließungsanlagen, die der Bund oder Darlehnsgeber selbst erstellt, besonders hochgetrieben werden könnten, Rechnung tragen, indem wir sagen: Wenn durch Erschließungsanlagen oder durch die Planung höhere Kosten entstehen, können diese nicht in den Grundstückspreis eingehen. Daher die Änderung des Wortes „anderer" in „niedrigerer"; denn „anderer" ist ein unbestimmter Begriff, während „niedrigerer" eine bestimmte -
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Herr Kollege Wurbs, geben Sie zu, daß diese Änderung eine andere Regelung für die hier betroffenen Bauten bedeutet, als sie sonst im öffentlich geförderten Wohnungsbau üblich ist, daß Sie damit also doch wieder Sonderrecht schaffen?
Herr Kollege Jacobi, ich wäre damit einverstanden, wenn der ganze letzte Satz fiele, aber auch der Satz, wie er im Entwurf steht „soweit nicht etwas anderes vereinbart ist". Belassen wir es doch bei der zweiten Berechnungsverordnung - die zweite Berechnungsverordnung ist maßgebend -, dann hätte ich keine Bedenken, dann brauchten wir auch keine weiteren einschränkenden Maßnahmen durchzuführen.
({0})
Es ist nicht ganz klar, wie das zu verstehen war, Herr Kollege Wurbs. Sie haben jetzt angekündigt, daß Sie das Problem in einem anderen Antrag zu regeln gedenken. Habe ich das richtig verstanden?
Herr Präsident, hier ist ein Antrag, der sich aus mehreren Passagen zusammensetzt. Es müßte vielleicht erst mal über die Einzelanträge abgestimmt werden, und dann kann ich in dritter Lesung einen abgeänderten Antrag stellen.
Das heißt, Sie beantragen jetzt, daß wir über Umdruck 447 abstimmen, aber über die Absätze I und 2 getrennt. Sehe ich das richtig?
({0})
- Dann werden wir das nachher so tun. Jetzt hat aber zunächst Herr Kollege Erpenbeck das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Anliegen, das in diesem Änderungsantrag steckt, hat sicher eine gewisse Berechtigung, und Kollege Baier hat auf sehr beachtliche Gesichtspunkte hingewiesen. Dennoch bin ich der Meinung, daß dieser Antrag nicht nur in einzelnen Sätzen oder Ziffern zurückgezogen oder geändert, sondern im ganzen zurückgezogen werden sollte. Eine Neuordnung und Angleichung des Bundesbedienstetenwohnungsbaues, wie es Kollege Baier gefordert hat, ist tatsächlich überfällig. Aber das kann man nicht im Flickwerk tun, das muß man in einem Gesamtzusammenhang tun und nicht anders.
({0})
Ich glaube, wir dienen der Sache und tun auch den Antragstellern und den Betroffenen einen größeren Gefallen, wenn der gesamte Problemkreis durch eine gesonderte Vorlage geordnet wird.
In diesem Sinne möchte ich Ihnen empfehlen, den Änderungsantrag abzulehnen.
({1})
Wenn Sie wollen, noch heute abend.
Keine Wortmeldungen mehr. Ich lasse über den Antrag Umdruck 447, und zwar über die Ziffern 1 und 2 getrennt abstimmen.
Wer der Ziffer 1 dieses Änderungsantrages zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer ist dagegen? - Das ist die Mehrheit; damit ist der Antrag unter Ziffer 1 abgelehnt.
Wer der Ziffer 2 dieses Änderungsantrages zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Das letztere war die Mehrheit; damit ist der Änderungsantrag Umdruck 447 insgesamt abgelehnt.
Wir kommen jetzt zum Antrag Umdruck 448 *). Wird der Änderungsantrag begründet? - Das Wort zur Begründung hat der Herr Abgeordnete Jung.
*) Siehe Anlage 5
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben Ihnen mit Umdruck 448 einen Änderungsantrag vorgelegt, den ich ganz kurz begründen möchte.
§ 111 beinhaltet, daß § 87 a auf alle Wohnungen Anwendung finden soll, die nach dem 20. Juli 19-18 bezugsfertig geworden sind, also praktisch mit rückwirkender Kraft. Wir meinen, dull man mit Gesetzen, die mit rückwirkender Kraft Geltung bekommen sollen, sehr vorsichtig sein muß. Es ist zwar nicht schlechthin unzulässig, Gesetze mit rückwirkender Kraft zu schaffen; die Grenzen ergeben sich aber aus dem Rechtsstaatprinzip. Eine rückwirkende Verschlechterung der Rechtsposition des Bürgers verletzt die Rechtssicherheit.
Deshalb bitte ich Sie, unserem Änderungsantrag Umdruck 448 zuzustimmen und den § 111 entsprechend zu ergänzen.
({0})
Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Ich lasse abstimmen über den Änderungsantrag Umdruck 448. Wer diesem Änderungsantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen.
Gegenprobe! Das letzte war die Mehrheil; der Antrag ist abgelehnt.
Ich lasse jetzt über den Artikel III in der unveränderten Fassung abstimmen. Wer dem Artikel III zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Artikel III ist angenommen.
Wir stimmen nun über die Artikel III a bis IV sowie über Einleitung und Überschrift ab. Wer den Artikeln III a bis IV sowie der Einleitung und der
Überschrift zustimmen will, den bitte ich um des Handzeichen. Gegenprobe! - Angenommen!
Wir kommen damit zur
dritten Beratung.
Wird das Wort gewünscht? - Herr Dr. Hesberg,
bitte!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens der CDU/CSU-Fraktion möchte ich folgende Erklärung zur dritten Lesung abgeben.
Die CDU/CSU-Fraktion stimmt dem Entwurf zur
Fortführung des sozialen Wohnungsbaus zu, geht er doch von den Erwägungen aus, die von uns bereits vor der Annahme der Entschließung, die der Kollege Erpenbeck einleitend erwähnte, angestellt worden sind. Wir waren in unserer Fraktion zu der Erkenntnis gekommen, daß es in Anbetracht der auf den Bund zukommenden, ständig zunehmenden Verpflichtungen notwendig sei, die im sozialen Wohnungsbau angelegten Werte diesem sozialen Wohnungsbau in irgendeiner Form auch dienstbar zu machen, und als solche bot sich für uns die Anhebung der Zinsen für die öffentlichen Darlehen im sozialen Wohnungsbau an. Im Verlauf des GesetzDr. Hesberg
gebungsverfahrens sind mannigfache Vorschläge entwickelt worden, die mit der Anhebung der Zinsen auch Nebenzwecke verfolgten, beispielsweise einen weiteren Ausgleich des Mietniveaus im sozialen Wohnungsbau, ein Vorschlag, der in den Tabellenmieten seinen Niederschlag gefunden hat, die der Bundesrat in seiner Stellungnahme empfahl.
In den Ausschußberatungen war weiterhin ein Vorschlag in die Debatte gekommen, der darauf abzielte, das Fehlbelegungsproblem zu lösen, und zwar durch Erhebung besonderer Mietzuschläge für diejenigen, die die Einkommensgrenzen des sozialen Wohnungsbaus überschritten haben. Wir sind der Meinung, daß der Gesetzgeber damit überfordert wurde und daß wir den Weg beschreiten sollten, der durch die damalige Entschließung vom Dezember 1966 und durch die Regierungsvorlage eingeleitet worden ist.
Meine Damen und Herren, auch die Aufgabe, möglichst schnell zusätzliche Einnahmen für die Finanzierung des sozialen Wohnungsbaus zu erschließen, zwang uns, einstweilen von der Verfolgung solcher Ziele, die uns hier vorgetragen oder angeraten wurden, abzusehen.
Daher billigen wir die in Fortentwicklung der Vorlage der Bundesregierung in der Bundestagsdrucksache V/2063 gefundene Lösung, die nunmehr im Schriftlichen Bericht - Drucksache V/2840 - vorliegt. Wir erachten es als bemerkenswertes Ergebnis, wenn eine Aufstockung der Mittel für den sozialen Wohnungsbau in Höhe von 300 bis 350 Millionen DM gewährleistet wird. Dieses Ergebnis kann in etwa als Lastenausgleich der Bewohner der Wohnungen des sozialen Wohnungsbaus bis einschließlich 1959 zugunsten derjenigen angesehen werden, die einkommensmäßig auf Sozialwohnungen Anspruch erheben können, aber noch nicht ausreichend bzw. überhaupt noch nicht mit Wohnraum versorgt sind.
Meine Damen und Herren, die Lasten, die die Bewohner von Wohnungen des sozialen Wohnungsbaus der genannten Jahrgänge nunmehr treffen, können natürlich nicht allein unter dem Aspekt gesehen werden, was im Interesse der Neubautätigkeit wünschenswert wäre. So gesehen hätte vielleicht eine noch etwas höhere zusätzliche Belastung gebilligt werden können, als sie nunmehr vorgesehen ist. Aber auch wir sind der Meinung, daß die Auswirkungen auf die Sozialwohnungen der genannten Jahre nicht isoliert gesehen werden dürfen, sondern auch die Tatsache zu würdigen ist, daß neben der Mietanhebung auf Grund der Zinserhöhung der öffentlichen Darlehen weitere Mietanhebungen im Verfolg der höheren Bewirtschaftungskostenansätze. höherer gemeindlicher Gebühren und dergleichen eingetreten sind.
Aus diesem Grunde und auch, weil eine erhebliche zusätzliche Beanspruchung des Wohngeldes nicht erwünscht sein kann, stimmen wir den Modali täten, die in den Ausschußberatungen erarbeitet worden sind, zu.
Darüber hinaus begrüßen wir es, daß bei der Gelegenheit des Einbaues der Zinsanhebung in das
Wohnungsbindungsgesetz von 1965 gewisse, zu starre Vorschriften novelliert und unzumutbare Abstriche bei den Bewirtschaftungskosten, die in der Vergangenheit nicht selten den Bauherrn auferlegt worden sind, nunmehr abgestellt werden. Auch Vereinfachungen in verfahrensrechtlicher Hinsicht sind als Verbesserungen für Bauherren und Mieter zu werten.
Wir stehen auch hinter den Vorschriften im Artikel III c, der den Lastenausgleichsfonds an dem Zinsmehraufkommen beteiligt. Denn er hat seinerzeit bekanntlich die Wohnraumhilfe zur Verfügung gestellt, Mittel, die als Darlehen der Länder für den sozialen Wohnungsbau gegeben worden sind. Wenn die Länder die aus diesem Fonds gegebenen Darlehen auch schneller tilgen müssen als die Schuldner, so ist es nicht unbillig, daß nunmehr das Zinsaufkommen aus diesen Darlehen in einem bescheidenen Umfang dem Lastenausgleichsfonds zufließt, um damit dem immer noch vorhandenen Bedarf der Geschädigten an ausreichendem Wohnraum Rechnung tragen zu können. Die im Ausschuß gefundene Lösung erscheint uns als ein fairer Ausgleich zwischen den Interessen des Bundesausgleichsamtes sowie der Vertriebenen und sonstigen Geschädigten und denen der Länder. Wir appellieren daher bei dieser Gelegenheit an die Länder, dieser Lösung zuzustimmen.
Es kann nicht wundernehmen, daß diese Vorlage nicht alle Wünsche zu befriedigen vermochte. Die gefundene Lösung erscheint uns jedoch als ein Ausgleich, der insbesondere wegen der gegenwärtigen und künftigen Sicherung des sozialen Wohnungsbaues von uns gebilligt wird. Worauf es uns ankommt, ist, daß die seit langem angestrebte Mehrung der Mittel für den sozialen Wohnungsbau schnell kommt. Daher wiederhole ich unsere Empfehlung, dem Antrag des Ausschusses zuzustimmen.
Wird sonst noch das Wort gewünscht? - Bitte, Herr Kollege Könen!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hörte gerade eine Bemerkung eines mir allgemein wohlwollenden Kollegen, als ich heraufging: Der Könen macht das kurz. Ich glaube, ich werde Sie diesmal etwas enttäuschen müssen.
({0})
Es nutzt alles nichts, ich werde Sie wohl etwas enttäuschen müssen. Das ist hier ein Gesetz, das nicht nur bei uns im Parlament sehr lange beraten, besprochen und diskutiert worden ist, sondern das auch bereits draußen kräftig diskutiert wird. Wir kommen also nicht daran vorbei, uns ein wenig damit zu beschäftigen, wie es zu diesem Gesetz kommen konnte. Und dazu gehört einfach - und das will ich so kurz machen wie möglich, ich werde Ihnen nicht alle Zahlen vortragen, die ich hier stehen habe -, daß man etwas darüber sagt. Man muß etwas sagen über die Lage auf dem Wohnungsmarkt. Die Angaben, die ich dazu mache, beruhen auf einer Information, die Sie im Jahrbuch 1967 der Bundesregierung, das Ihnen gestern in die Fächer gelegt worden ist, nachlesen können. Wir hatten
Könen ({1})
Ende 1967 20 Millionen Wohnungen. Davon waren seit 1949 10,1 Millionen Wohnungen neu errichtet worden, wovon 4,9 Millionen Wohnungen öffentlich gefördert worden sind. 2,9 Millionen Eigenheime sind seit 1949 gebaut worden.
Und wie war die Entwicklung der öffentlichen Mittel? Die Anteile der öffentlichen Mittel von Bund, Ländern und Gemeinden und der Lastenausgleichsmittel gingen seit 1962 immer mehr zurück, und zwar nicht nur prozentual, sondern auch - trotz der höheren Bausummen - streckenweise in den absoluten Beträgen. Diese Entwicklung hat dem sozialen Wohnungsbau nicht gerade gut getan. Bei den fertiggestellten Wohnungen konnten wir eine ähnliche Situation wahrnehmen. Bei den öffentlich geförderten fertiggestellten Wohnungen sind wir ab 1964 immer mehr abgesunken. Es entstand ganz einfach die Frage, wie diese rückläufige Bewegung, die wir hier nicht zu vertreten haben, das möchte ich ausdrücklich betonen, gestoppt werden kann.
Wenn mir jetzt einer unserer Herren Bundesbediensteten, die hier im Saal Dienst haben, ein Glas Wasser geben würde, wäre ich dafür sehr dankbar.
({2})
Ich hasse dieses Wort „Bedienstete", damit Sie das einmal wissen. Ich wundere mich, daß sie sich nicht schon lange dagegen gewehrt haben, daß sie immer noch Bedienstete genannt werden.
Die finanzielle Beteiligung ist rückläufig gewesen, die Zahl der erstellten Wohnungen ist in der Vergangenheit rückläufig gewesen, und wir müssen immerhin beobachten, daß das im Gegensatz zum Bedarf steht. Es gibt da eine Rechnung, die man beim besten Willen nur als Milchmädchenrechnung bezeichnen kann. Das ist nämlich die: Wir haben in der Bundesrepublik rund 60 Millionen Menschen, und wir haben 20 Millionen Wohnungen; wie kann da noch einer von Wohnungsnot reden? - Wer das fragt, hat wahrscheinlich mit der Post ein Abkommen getroffen, daß ihm keine Briefe zugestellt werden. Sonst wüßte er nämlich, daß es trotz dieser Zahlen - 60 Millionen Menschen und 20 Millionen Wohnungen Dinge gibt, die noch lange nicht geregelt sind. Wenn man uns erklärt, daß das eigentlich ein Zeichen dafür sei, wie weit wir gekommen seien, dann müssen wir dazu folgendes sagen.
Der Vergleich mit der Zeit vor 1939, der Hinweis auf die damalige Situation, unterschlägt, daß auch damals der Bedarf an Wohnungen nicht ordentlich gedeckt war, daß mengenmäßig nicht ausreichend Wohnungen da waren und, vom Wohnwert her gesehen, auch nicht alles beim besten war. Man kann also eine miese Situation nicht als Maßstab nehmen, um zu beweisen, daß die jetzige Situation eine besonders gute sei.
Dann kommen einige andere Dinge, z. B. die höhere Lebenserwartung. Ich will Sie mit Zahlen darüber jetzt nicht langweilen und die Zeit damit vergehen lassen. Sie wissen das alles selber; Sie lesen Zeitungen usw. Dazu kommt die seit Jahren zu beobachtende Senkung des Heiratsalters. Die jungen Leute heiraten heute eher als früher. Wir haben mehr alte Menschen. Das alles wissen Sie.
Bei der Bedarfsfeststellung kann also nicht davon ausgegangen werden, was wir 1939 gehabt haben, sondern es muß davon ausgegangen werden, wie heute die Situation ist. Es ist so: 1939 hatten wir 3,3 Personen in einem Haushalt, und jetzt haben wir in einem Haushalt 2,7 Personen. Die Ansprüche auf Qualität und Ausstattung einer zeitgerechten Wohnung sind heute andere, als sie früher waren. Ich glaube, diese Ansprüche sind auch gerechtfertigt.
Darum ist es nicht etwa eine von Schlagwortfabrikanten aufgestellte, sondern auf wissenschaftlich fundierter Grundlage beruhende Behauptung, daß wir in den nächsten zehn Jahren jährlich 400 000 Wohnungen brauchen, wovon die Hälfte Wohnungen des sozialen Wohnungsbaues sein müssen. Das ist eine Behauptung, die, wie ich schon sagte, wissenschaftlich fundiert ist und nicht etwa über den Daumen gepeilt ist, um Stimmung zu machen. Davon müssen wir ausgehen.
Auch die Wohnungsgrößen haben sich geändert. Ich will das hier überschlagen. Die Einrichtung von Zentralheizungen, insbesondere auch von Bädern und Duschen ist heute ja wohl kein Luxus mehr. Es gab einmal eine Zeit, wo man meinte, daß sich der Prolet in der Waschküche waschen kann, Ganzwaschungen oder „Zonen"wäsche vornehmen kann. Ich weiß nicht, ob Sie die Begriffe noch kennen: Eine Schüssel, einmal, zweimal, dreimal „Zonen"wäsche. Heute gehört die Badeeinrichtung zu einer normalen Wohnung. Das zeigt auch die Tatsache, daß Wohnungen ohne Bad kaum noch gebaut worden sind.
All diese Dinge sind nur durchzuführen, wenn wir dafür nach wie vor den sozialen Wohnungsbau haben.
Die Menschengruppen, von denen ich soeben gesprochen habe, die jungen Ehepaare, die kinderreichen Familien, alte und erwerbsbehinderte Menschen, einkommensschwache und kranke Menschen, sind alle auf uns, die Gemeinschaft, angewiesen. Das können Sie jetzt Gemeinschaft nennen, das können Sie Volk nennen, das können Sie aber auch Staat und Gemeinden nennen. Damit wir hier nicht falsch verstanden werden: das können Sie auch Bund, Länder und Gemeinden nennen.
Vor dieser Aufgabe können wir uns nicht drücken. Wohnungspolitik ist eine gesellschaftspolitische Angelegenheit.
({3})
Sie ist Gesellschaftspolitik ersten Ranges und gehört auch zu dem, was wir in dieer Gesellschaft haben müssen, wenn wir bestehen wollen.
Für die meisten Menschen ist eine Wohnung genauso wichtig wie der Arbeitsplatz. Die Sorge um die Wohnung drückt sie genauso wie die Sorge um den Arbeitsplatz. Wir haben hier kürzlich, gestern noch, große Reden über Hochschulreform und was es da alles gibt, gehört. Ich will Ihnen einmal etwas sagen: Schulkinder, die in einer erbärmlichen Bude ihre Arbeiten machen müssen, werden Sie nie auf die Universitäten bekommen!
({4})
Könen ({5})
Es muß heute eine Selbstverständlichkeit sein, daß man einem Kind in seiner Wohnung einen ruhigen Platz zuweisen kann, wenn wir die Begabten fördern wollen. Oder sollen die Begabten daran scheitern, daß es keinen Platz gibt, wo sie arbeiten können? Das sollte man dabei auch bedenken. Die Schlußfolgerung ist einfach, daß der soziale Wohnungsbau trotz aller Zahlenbeispiele und trotz aller Unkenrufe fortgesetzt werden muß.
Warum betone ich das so? Weil dieses Gesetz ja diese Aufgabe haben soll und weil wir auch denen, die durch dieses Gesetz belastet werden, sagen müssen, wofür das Gesetz gedacht ist.
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So neu ist im Grunde genommen das, was da beabsichtigt ist, nicht. Ich erinnere an den Art. 18 des Finanzänderungsgesetzes von 1966. Ich will hier keine Einzelheiten bringen. Aber Sie wissen, daß man damals angefangen hat, abzubauen - mittelfristige Finanzplanung als Stichwort weil man abbauen mußte.
Damit, meine Damen und Herren, bin ich bei der Großen Koalition. Ich kann uns das nicht ersparen. Es gibt viele Kritiker der Großen Koalition und alles dessen. was damit zusammenhängt Aber wer jetzt kritisiert - je nachdem, aus welcher Ecke er kommt, Herr Wurbs; ich meine Sie nicht persönlich -, der muß sich dazu dann auch einiges sagen lassen. Ich mache Sie darauf aufmerksam, daß wir einmal ein sogenanntes soziales Mietrecht hatten, den Lücke-Plan. Ich gebe zu, daß wir, als wir die Verbesserung dieses Mietrechts hier durchsetzten, einige von uns vorgeschlagene Änderungen nicht durchbekommen haben. Aber wir dürfen feststellen, daß in dieser Großen Koalition doch immerhin eine Verbesserung des Mieterrechts vorgenommen worden ist, die sich sehen lassen kann. Millionen Mieter haben jetzt eine bessere Rechtsstellung.
({7})
- Herr Dr. Czaja, ich habe es vermieden, den merkwürdigen Zusammenhang zwischen der Änderung von § 556 BGB und den anderen Vorschlägen bei den schwarzen Kreisen hier aufzuzeigen. Aber wenn Sie mich dazu provozieren wollen es ist drei Minuten vor 9!
({8}) Also lieber nicht; gut, ich bin gern bereit.
Ich darf auch darauf hinweisen, daß der manchmal geschmähte Bundeswohnungsbauminister Lauritzen seine Bemühungen trotz mancher Schmähungen fortsetzt im Interesse der Vermieter und Mieter einen Ausgleich ihrer Interessen herbeizuführen. Das müßte man auch einmal anmerken.
In der Regierung, die wir jetzt haben, wurde auch mit dem Abbau des sozialen Wohnungsbaues Schluß gemacht. Zu diesem Schlußmachen gehörte dann einiges. Bitte, wir hatten 1966 160 000 Baubewilligungen; 1967 hatten wir 200 000 Baubewilligungen. Nun bitte ich die Fachleute, mir nicht zu sagen: Bewilligt heißt noch nicht, daß gebaut ist.
Das brauchen Sie mir nicht zu sagen, das ist klar. Ich wollte nur die Tendenz aufzeigen, die dahintersteckt. Diese Entwicklung muß abgesichert werden, und zwar gerade wegen der Schwierigkeiten, die die neue Regierung auf allen Gebieten vorgefunden hat.
Die Mietsteigerungen waren 1967 geringer als 1966. Der Preisindex der Baukosten für Wohngebäude war von 1950 bis 1966 immerhin von 100 auf 216 gestiegen. Dieses Gesetz, das wir heute hier verabschieden wollen, wird auch Mietsteigerungen bringen. Die Zinserhöhung bringt Mietsteigerungen. Aber Herr Dr. Hesberg hat soeben auch schon davon gesprochen, daß uns hier Grenzen gesetzt waren, nicht nur aus finanzpolitischer Sicht
Tatsache ist doch, daß wir bei den Haushaltsansätzen damals die Verschlechterung des Wohngeldgesetzes verhindert haben, die beabsichtigt war. Wir haben erklärt: Das Wohngeldgesetz darf nicht angefaßt werden, wenn wir solche Dinge tun wollen. Wir haben an diesem Platz gesagt: je weniger Wohnungen man bauen kann oder je höher die Mieten werden, weil es weniger Mittel gibt, desto wichtiger ist das Wohngeldgesetz. Das war doch die Begründung derjenigen, die damals die Mietbeihilfengesetzgebung einbrachten. Das hängt einfach miteinander zusammen. Nicht zuletzt mit Rücksicht auf dieses Gesetz haben wir damals diesen Standpunkt so hartnäckig vertreten.
Die Erhöhung der Zinssätze, die also bis 4 % gehen soll - wenn sie die berühmten 30 oder 35 Pf erreicht, dann nicht weiter -, hat den Zweck, eine erhöhte Rückflußmöglichkeit zu schaffen, mehr Mittel zu bekommen. Das gehört nun auch zu dem, was wir aufzuräumen hatten. Es ist leider nicht so, daß wir diese Mittel, die da wieder zurückfließen werden, zu dem hinzutun können, was wir schon haben. Wir hatten nämlich nichts mehr oder fast gar nichts mehr. Dieser Rückfluß der Mittel soll den sozialen Wohnungsbau überhaupt noch am Leben erhalten, diese rund 335 Millionen DM, von denen man sagt: Es könnten auch mehr sein oder auch weniger sein. Die meisten meinen, es könnten mehr sein. Diese Mittel werden für den sozialen Wohnungsbau verwandt, 105 Millionen DM vom Bund, 230 Millionen DM von den Ländern. In diesem Jahr werden es natürlich keine 100 Millionen DM. Man rechnet beim Bund mit 25 Millionen DM.
Nun muß dabei beachtet werden, daß das wahr werden muß. Es gibt da einige Leute, die mit verfassungsrechtlichen Bedenken kommen und sagen: Wir können die Länder nicht an die Verpflichtung anbinden. Nun, erstens gibt es einige Länder - ich glaube, es sind vier -, die bereits gesetzlich diese Feststellung für sich getroffen haben. Es gibt andere Länder, die Verordnungen dazu herausgegeben haben usw. Wir haben soeben gehört, daß auch der Antrag, den der Ausschuß stellt, unterstützt wird und angenommen werden soll. Meine Damen und Herren, das möchte ich den Juristen sagen. Es gibt Leute, die immer wieder sagen: Denkt an BadenWürttemberg! Ich will Ihnen mal etwas sagen: Lassen Sie uns den nächsten Landtagswahlkampf in einem Land abwarten, das mit diesen Mitteln, die
Könen ({9})
ihm zufließen, etwas anderes tut, als Wohnungen bauen! Das wollen wir doch mal sehen! Es gibt doch schließlich Wohnungsbaupolitiker in allen Fraktionen; ich will das gar nicht parteipolitisch sehen. Es gibt in den Ländern verantwortliche Minister, die es meiner Meinung nach nicht wagen dürfen und nicht wagen würden, so etwas zu tun.
Dieses Gesetz ist ein Gesetz, das Mittel für den Wohnungsbau frei machen soll. Ich würde es für eine arglistige Täuschung halten, wenn ein Land das Geld in die rechte Tasche steckte, das es da bekommt, und sagte: Nun mache ich damit etwas völlig anderes, meinetwegen Stadien bauen oder sonst etwas.
Wir Sozialdemokraten stimmen dem Gesetz überhaupt nur unter der Voraussetzung zu, daß die Mittel auf Mark und Pfennig wieder in den Wohnungsbau hineingehen. Das ist für uns eine ganz klare Voraussetzung. Es hat harte Auseinandersetzungen gegeben. Herr Dr. Hesberg hat es vorsichtig angekündigt. Das möchte ich hier mal sagen. Da waren erst die Tabellenmieten, die der Bundesrat vorgeschlagen hatte. Wesentlich höhere Ergebnisse hätte das gebracht. Wir haben nein dazu gesagt. Dann kam der Vorschlag: 45 oder 40 Pf pro qm Aufschlag. Wir haben nein dazu gesagt. Dann kam der Vorschlag: 40 und 35 Pf. Wir haben nein dazu gesagt. Wir haben es abgelehnt. Wir waren also in dieser Frage wirklich Neinsagerpartei. Dann kam es zu der Regelung mit den 35 und 30 Pf je qm als Höchstbetrag für die Zinsanhebung.
Wir dürfen auch feststellen: in diesem Fall - auch da gehen manchmal merkwürdige Auffassungen durch die Gegend - haben die Vermieter von diesen Zinserhöhungen, die sich in Mieterhöhungen niederschlagen, aber nun wirklich nichts. Das sind für sie durchlaufende Posten, wenn ich es mal so ausdrücken darf. Sie müssen die Miete erhöhen, weil die Zinsen erhöht werden, und das müssen sie dann an Zinsen weiter abführen. Hier entsteht also kein Gesetz zugunsten der Vermieter. Das muß ich dazu konkreterweise auch einmal sagen.
Und wie ist es mit der Zumutung an die Mieter? Meine Damen und Herren, es ist eine alte Lebenserfahrung: Wer mehr bezahlen soll als vorher, schimpft. Das ist klar. Aber wenn Sie mit Betroffenen darüber reden und sie einmal fragen, wieso sie für sich das Recht in Anspruch nehmen wollen, viele Jahre wesentlich billiger zu wohnen aus einem Grunde, den sie persönlich nicht zu vertreten haben, sondern der einfach mit der Finanzierung der Wohnung zusammenhängt, geben Ihnen auch diese Leute zu, daß man eine Belastung in einem erträglichen Maße tragen muß. Die Belastung spielt dabei eine Rolle, es kommen eine Menge andere Dinge dazu - wir wissen das alle -, und damit entsteht ja auch die Frage nach der Mietenentzerrung. Ich will Ihnen ganz ehrlich sagen: Das, was Herr Dr. Hesberg soeben gesagt hat, nämlich: wir konnten nicht so, wie wir wollten, mit Rücksicht auf die Finanzen, und konnten nicht so, wie wir wollten, mit Rücksicht auf die Kaufkraft, hat dazu geführt, daß diese Mietenentzerrung in diesem Gesetz wohl sichtbar wird, aber nicht in einem solchen Maße, wie es vielleicht wünschenwert wäre, wenn man wirklich den Wohnwert der Wohnungen gegeneinanderstellt und dann Diskrepanzen bei den Mieten feststellt. Aber es ist ein erster Schritt zu diesen Dingen.
Dieses Gesetz bringt nicht nur die Zinserhöhung, wir werden damit nicht nur zur Mietenentzerrung etwas beitragen, sondern wir kommen ja auch an das Problem der Fehlbelegung. Ich darf kurz daran erinnern, daß der Gesetzentwurf, den seinerzeit der Kollege Lücke als Wohnungsbauminister vorgelegt hatte - es gab, glaube ich, einige Leute, die ihn das Rausschmeißergesetz nannten -, nicht zum Tragen gekommen ist, und wir Sozialdemokraten haben uns damals erbittert dagegen gewandt. Die Fehlbelegung ist ein Ärgernis; aber wenn man etwas Vernünftiges unternehmen will, muß man erstens den Leuten Wohnungen anbieten können und muß zweitens eine vernünftige Lösung herbeiführen können, die auch rechtlich tragbar ist. Hier haben wir in unserer Drucksache die Tauschmöglichkeiten erleichtert, und im Finanzänderungsgesetz haben wir auch schon einiges dazu getan. Wir werden also sowohl mit den Mieten wie in einem kleinen Umfang mit der Erleichterung der Tauschmöglichkeit der Fehlbelegung auch wieder in einem ersten Schritt zu Leibe rücken können. Und das weiß ich aus praktischer Erfahrung: es gibt eine ganze Anzahl Leute, die von ihrem Einkommen her gesehen durchaus bereit sind, in eine Wohnung zu ziehen, die mehr Geld kostet, die aber wiederum nicht so viel Einkommen haben, daß sie die sehr teuren frei finanzierten Wohnungen bezahlen können.
Ich habe schon vom Wohngeld gesprochen. Ich kann nur bestätigen, was Herr Kollege Erpenbeck dazu gesagt hat, und ich danke ihm sehr dafür, daß er so deutlich und so entschieden gesagt hat: Dieses Gesetz setzt voraus, daß sich die Leute draußen auf das Wohngeldgesetz verlassen können. Auch nur unter diesen Voraussetzungen haben wir diesen Dingen zugestimmt.
({10})
Meine Damen und Herren, wir stimmen also diesem Gesetz nicht mit Begeisterung zu; aber wir stimmen ihm zu, weil es nach außen vertretbar ist, weil es gegenüber den Betroffenen vertretbar ist und weil es ein Gesetz ist, das wir nötig haben, um den sozialen Wohnungsbau fortführen zu können. Dieser soziale Wohnungsbau aber ist lebenswichtig für Millionen Menschen in unserem Volke.
Und das eine muß man dabei sehen: Wir haben in diesem Hohen Hause schon auf anderen Gebieten eine ganze Menge regeln müssen, weil wir in der Vergangenheit einiges erlebt haben, was dazu führte, daß wir hart herangehen mußten. Auch dieses Gesetz und seine Auswirkungen sind ein Teil dessen, was geregelt werden muß aus dem Trümmerhaufen, den frühere Regierungen bei uns auf einigen Gebieten hinterlassen haben.
({11}) - Ja, ich darf es vielleicht so sagen.
({12})
Könen ({13})
- Ich rede nicht vorn Wohnungsbau, ich rede jetzt allgemein. Nur, Herr Dr. Czaja, das Finanzänderungsgesetz und ähnliche Dinge erinnern Sie daran, daß man uns nicht in Ruhe gelassen hat. Wir haben den Mist der anderen Seite mit wegkarren müssen
um mich einmal so auszudrücken.
Dieser soziale Wohnungsbau, der erhalten werden muß, muli auch gesehen werden unter dem Gesichtspunkt der Grundrechte unseres Grundgesetzes und muß auch gesehen werden unter dem Gesichtspunkt dessen, was im Grundgesetz über die Würde des Menschen steht. Es gibt heute noch Menschen, die in menschenunwürdigen Wohnungen hausen, woran nicht sie persönlich eine Schuld tragen, sondern die Verhältnisse, die sie dazu gezwungen haben. Ich kenne das Elend in manchen Bunkern und alles, was dazugehört.
Meine Damen und Herren, dieses Gesetz ist ein Weg, der gegangen werden muß und der gegangen werden kann, um das Ziel zu erreichen - das sagt dieses Gesetz ja selbst in seinem Titel -: die Förderung des sozialen Wohnungsbaues. Auch am sozialen Wohnungsbau werden wir gemessen werden. Wir werden ihn noch viele Jahre nötig haben, und wir können uns dieser Aufgabe nicht entziehen. Das ist auch der Grund, warum wir dem Gesetz zustimmen.
({14})
Wird das Wort weiter gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Damit ist die dritte Beratung beendet.
Meine Damen und Herren, wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz in der in der zweiten Lesung beschlossenen Fassung zustimmt, den bitte ich, sich zu erheben. - Die Gegenprobe, bitte! - Enthaltungen? Bei wenigen Gegenstimmen ist das Gesetz angenommen.
Wir stimmen jetzt über den Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und der SPD auf Umdruck 445 ({0}) ') ab. Wer diesem Entschließungsantrag zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen.
- Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Entschließungsantrag ist einstimmig angenommen.
Wir haben jetzt noch über den Ausschußantrag abzustimmen, und zwar zunächst über Ziffer 2. Wer Ziffer 2 des Ausschußantrages zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. Gegenprobe! - Ziffer 2 ist angenommen.
Ziffer 3! Wer Ziffer 3 zustimmt, den bitte ich um das Zeichen. - Gegenprobe! - Einstimmig angenommen. Meine Damen und Herren, damit ist Punkt 35 erledigt.
Wir kommen nunmehr zu Punkt 36 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Abwicklung der landwirtschaftlichen Entschuldung
- Drucksache V/2586 -
*) Siehe Anlage 6
Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ({1})
- Drucksache V/2862 Berichterstatter: Abgeordneter Logemann ({2})
Zweite Beratung! Ich rufe Art. i auf. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Wer Art. i zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen.
- Gegenprobe! - Enthaltungen? - Damit ist
Art. 1 angenommen.
Wir kommen zu Art. 2. - Wer Art. 2 zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe!
- Enthaltungen? - Art. 2 ist angenommen.
Art. 3, Einleitung und Überschrift. - Wer Art. 3,
Einleitung und Überschrift zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Art. 3, Einleitung und Überschrift sind angenommen.
Wir treten in die
dritte Beratung
ein. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der
Fall. Die dritte Beratung ist damit geschlossen.
Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz in der in der zweiten Lesung gegebenen Fassung zustimmt, den bitte ich, sich zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das Gesetz ist einstimmig angenommen.
Wir kommen zu Punkt 37 der Tagesordnung:
a) Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Gewerbeordnung
- Drucksache V/2592 Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Mittelstandsfragen ({3}) - Drucksache V/2791 Berichterstatter: Abgeordneter Opitz ({4})
b) Zweite Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Zugabeverordnung
- Drucksache V/1649 Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Mittelstandsfragen ({5})
- Drucksache V/2791 Berichterstatter Abgeordneter Opitz ({6})
Wird das Wort gewünscht? - Das Wort hat der Herr Kollege Opitz.
Herr Präsident! Meine Dannen und Herren! Ich darf im allgemeinen auf die schriftliche
Begründung verweisen. Als Berichterstatter darf ich Sie nur bitten, bei den Drucksachen V/2791 und V/2592 unter Art. 3 einzufügen: „Dieses Gesetz tritt am ersten Tage des auf seine Verkündung folgenden zweiten Monats in Kraft."
Wir kommen zur zweiten Lesung des Gesetzes. Wer dem Art. 1 zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? Art. 1 ist angenommen.
Art. 2, 3, Einleitung und Überschrift. - Wer zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Art. 2, 3, Einleitung und Überschrift sind angenommen.
Damit treten wir in die
dritte Beratung
ein. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Die dritte Beratung ist abgeschlossen.
Wir kommen zur Schlußabstimmung über das Gesetz. Wer dem Gesetz in der in der zweiten Lesung gegebenen Fassung zustimmt, den bitte ich, sich zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das Gesetz ist einstimmig angenommen.
Wir müssen noch über den Antrag des Ausschusses abstimmen. Wer dem Ausschußantrag zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Ausschußantrag ist einstimmig angenommen. Damit ist der Antrag der Fraktion der CDU/CSU erledigt.
Wir kommen zu Punkt 38 der Tagesordnung:
Beratung des Antrags der Abgeordneten Schlager, Schmidhuber, Gewandt, Wagner, Dr. Häfele, Ott und Genossen
betr. deutsche Kapitalhilfe für das pakistanische Entwicklungshilfeprojekt Tarbela-Staudamm
- Drucksache V/2687 Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ihnen liegt ein Überweisungsvorschlag des Ältestenrates vor. Darf ich annehmen, daß das Haus mit diesem Vorschlag einverstanden ist? Das ist der Fall. Es ist so beschlossen. Damit
ist der Antrag an den Ausschuß für Entwicklungshilfe überwiesen.
Wir kommen zu Punkt 39 der Tagesordnung:
Beratung des Antrags der Abgeordneten Metzger, Dr. Mommer, Frau Dr. Hubert, Dr. Schulz ({0}), Majonica, Dr. Lenz ({1}), Illerhaus und Genossen
betr. Mehrheitsentscheidungen im Ministerrat der Europäischen Gemeinschaften
- Drucksache V/2755 Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Der Überweisungsvorschlag des Ältestenrates liegt Ihnen vor. Ich darf annehmen, daß das Haus mit dem Vorschlag einverstanden ist. - Das ist der Fall. Es ist so beschlossen. Damit ist der Antrag an den Auswärtigen Ausschuß überwiesen.
Wir kommen zu Punkt 40 der Tagesordnung:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Innenausschusses ({2}) über den Antrag der Abgeordneten Dr. Müller ({3}), Müller ({4}), Dr. Müller-Emmert, Frau Renger, Collet und Genossen und der Fraktion der SPD
betr. Sportförderung
- Drucksachen V/1980, V/2803 - Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Wörner
Wer dem Antrag in der Ihnen vorliegenden Fassung zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Antrag des Innenausschusses ist einstimmig angenommen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben damit die Tagesordnung abgewickelt. Ich darf Ihnen für ihre außerordentlich kooperative Haltung danken. Ich schließe die Beratungen.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages für Donnerstag, den 9. Mai 1968, 14 Uhr, ein.
Die Sitzung ist geschlossen.