Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet.
Meine Damen und Herren, heute früh ging die Nachricht über die Sender, daß in Memphis,
({0})
einer Stadt in den Vereinigten Staaten, der amerikanische Negerführer und Nobelpreisträger Martin Luther King ermordet worden ist. Es ist nicht der Augenblick, die Persönlichkeit dieses Mannes hier zu würdigen. Aber, ich glaube, der Deutsche Bundestag darf in diesem Moment doch eines Mannes gedenken, der als ein Prediger der Gewaltlosigkeit im Kampf um die Bürgerrechte seiner farbigen Landsleute einer Gewalttat zum Opfer gefallen ist, von der wir nur hoffen dürfen, daß die blutige Saat, die hier gesät ist, nicht aufgehen möge.
Nun eine amtliche Mitteilung. Gemäß § 76 Abs. 2 der Geschäftsordnung soll die Vorlage des Bundesministers des Innern betreffend Gesamtfinanzierung der Olympischen Spiele 1972 - Drucksache V/2796 - an den Innenausschuß - federführend - und an den Haushaltsausschuß zur Mitberatung überwiesen werden. Erhebt sich dagegen Widerspruch? - Das ist nicht der Fall. Die Überweisung ist beschlossen.
Die folgenden amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Vorsitzende des Ausschusses für Wirtschaft und Mittelstandsfragen hat am 3. April 1968 mitgeteilt, daß der federführende Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen und der mitberatende Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten die nachstehenden EWG-Verordnungen ohne besondere Bemerkungen zur Kenntnis genommen haben:
Verordnung ({1}) Nr. 91/68 des Rates vom 23. Januar 1968 über das Gemeinschaftszollkontingent von 20 000 Stück Färsen und Kühen bestimmter Höhenrassen der Tarifnummer ex 01.02 A II des Gemeinsamen Zolltarifs
Verordnung ({2}) Nr. 92/68 des Rates vom 23. Januar 1968 über das Gemeinschaftszollkontingent von 22 000 Tonnen Gefrierfleisch von Rindern der Tarifnummer ex 02.01 A II des Gemeinsamen Zolltarifs
Der Vorsitzende des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat am 5. April 1968 mitgeteilt, daß der Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten gegen die nachstehenden Verordnungen keine Bedenken erhoben hat:
Verordnung des Rates zur Änderung von Artikel 1 der Verordnung Nr. 372/67/EWG
Verordnung des Rates über Rahmenvorschriften für die Verträge und Branchenvereinbarungen für den Kauf von Zuckerrüben
Zu den in der Fragestunde der 167. Sitzung des Deutschen Bundestages am 4. April 1968 gestellten Fragen des Abgeordneten Josten, Drucksache V/2793 Nrn. 91 und 92 *), ist inzwischen die schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Leicht vom 4. April 1968 eingegangen. Sie lautet:
Die Bundesregierung hat sich in letzter Zeit mehrfach, so z. B. bei der Einbringung des Haushaltsentwurfs 1968, dafür ausgesprochen, daß für den konjunkturellen Wiederaufschwung in der Bundesrepublik eine Beruhigung im Steuerrecht notwendig sei, damit der Wirtschaft langfristige Investitionsentscheidungen durch steuerliche Unsicherheiten nicht erschwert werden. Nach Meinung der Bundesregierung sollten daher grundlegende Änderungen des Steuerrechts in dieser Legislaturperiode nicht mehr in Angriff genommen werden. Die vordringliche Aufgabe, die sich uns auf dem Gebiete des Finanzwesens für den Rest dieser Legislaturperiode stellt, ist die Reform unserer Finanzverfassung einschließlich der Gemeindefinanzreform.
Es ist das Bestreben der Bundesregierung, auf eine Vereinfachung unseres Steuersystems hinzuwirken. Diesem Bemühen sind jedoch Grenzen gesetzt. Ein wertneutrales, wenig differenzierendes Steuerrecht wird den Anforderungen, die unsere moderne Gesellschaftsordnung an den Staat stellt, nicht mehr gerecht. Das Steuerrecht ist ein legitimes und unentbehrliches Mittel zur Erreichung vor allem wirtschafts- und sozialpolitischer Ziele. Komplizierungen des Steuerrechts ergeben sich notwendigerweise auch daraus, daß aus Gründen der steuerlichen Gerechtigkeit häufig differenzierende Regelungen getroffen werden müssen. Diese Auffassung wird auch in der wissenschaftlichen Literatur anerkannt.
Dann rufe ich Punkt I der Tagesordnung auf: Fragestunde
- Drucksachen V/2793, zu V/2793 Wir beginnen mit den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts.
Ich rufe die Frage 111 des Abgeordneten Bauer ({3}) auf:
Ist die Bundesregierung bereit, im Ministerkomitee des Europarates die Empfehlung 513 der Beratenden Versammlung zu unterstützen, die ein Zusatzprotokoll zur Konvention der Menschenrechte und Grundfreiheiten vorschlägt, das der Beratenden Versammlung das Recht verleiht, im Falle einer Verletzung der Bestimmungen der Konvention Beschwerde bei der Europäischen Kommission der Menschenrechte einzulegen?
Wie ich unterrichtet bin, wird die Frage vom Abgeordneten Berkhan übernommen.
Der Herr Staatssekretär Jahn wird sie beantworten.
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Die Bundesregierung unterzieht die Empfehlung 513 gegenwärtig einer eingehenden und sorgfältigen Prüfung. Diese Prüfung ist noch nicht abgeschlossen. Wie der Bundesregierung inzwischen aus Straßburg bekanntgewor-
*) Siehe 167. Sitzung, Seite 8795 A
Parlamentarischer Staatssekretär Jahn
den ist, scheinen die übrigen Mitgliedstaaten starke Bedenken zu haben, die Empfehlung in der vorliegenden Form zu billigen und der Beratenden Versammlung ein Beschwerderecht bei der Europäischen Kommission der Menschenrechte zu verleihen.
Herr Berkhan!
Herr Staatssekretär, sind Sie bebereit, nach Abschluß der Prüfung dem Haus einen schriftlichen Bericht über deren Ergebnisse zu geben?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Selbstverständlich bin ich bereit, dem Hause über die Ergebnisse der Beratungen Mitteilung zu machen. In welcher Form, Herr Kollege Berkhan, weiß ich jetzt nicht. Wir müssen es im Rahmen der Geschäftsordnung machen. Ich übersehe im Moment nicht, ob eine solche Möglichkeit gegeben ist. Aber selbstverständlich wird berichtet.
Herr Berkhan!
Herr Staatssekretär, sind Sie bereit, die Beamten Ihres Hauses anzuweisen, im Einvernehmen mit den deutschen Mitgliedern des Europarates über diese Frage zu sprechen, und zu versuchen, das Einvernehmen herzustellen?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Wenn ich Ihre Frage recht verstehe, möchten Sie, daß die zuständigen sachbearbeitenden Herren des Auswärtigen Amts mit den Abgeordneten ein Gespräch über diese Frage führen. Gerne.
Herr Schulz ({0})!
Dr. Schulz ({1}) : Herr Staatssekretär, sind Sie, wenn diese Bedenken der anderen Mitgliedstaaten auf dem Tisch der verschiedenen Häuser liegen, zu dem richtigen Zeitpunkt bereit, den Bundestag oder den Auswärtigen Ausschuß über die Motive der Bedenken zu unterrichten?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bun-Bundesminister des Auswärtigen: Soweit die Motive der Bundesregierung bekannt werden, ja.
Ich rufe die Frage 112 des Abgeordneten Dr. Schulz ({0}) auf:
Wird die Bundesregierung bei den kommenden Verhandlungen über den Antrag Großbritanniens und der anderen beitrittswilligen Länder an die Europäischen Gemeinschaften der Empfehlung 165 der Versammlung der Westeuropäischen Union vorn 7. Dezember 1967 Rechnung tragen und namentlich das Problem der politischen Einigung Europas mehr als bisher zur Erörterung stellen?
Zur Beantwortung Herr Staatssekretär!
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Die der Empfehlung 165 der Versammlung der Westeuropäischen
Union vorangestellten Erwägungen wie auch die Empfehlung selbst stimmen mit der Auffassung der Bundesregierung über die Bedeutung der Beitrittsanträge Großbritanniens und anderer Staaten für die Zukunft Europas überein. insofern entspricht die von der Versammlung empfohlene Politik der der Bundesregierung. Die Ergebnisse der EWG-Ministerratstagungen seit dem 19. Dezember des vergangenen Jahres haben gezeigt, daß mit einem sofortigen Beginn der Verhandlungen über die Beitrittsanträge nicht gerechnet werden kann.
Die Bundesregierung bedauert diese Tatsache. Unter den gegebenen Umständen hält sie jedoch die Übereinstimmung der Mitgliedstaaten für' wichtig, daß keine prinzipiellen Einwendungen gegen die Beitritte bestehen und die Anträge auf der Tagesordnung des Rates bleiben. Die Bundesregierung hat inzwischen selbst Vorschläge für eine Zwischenlösung in der Frage der Zusammenarbeit zwischen der EWG und den Beitrittskandidaten unterbreitet. Die Diskussion über das sogenannte handelspolitische Arrangement, das ausdrücklich kein Ersatz für den Beitritt sein soll, ist noch nicht abgeschlossen; sie wird heute in Luxemburg fortgesetzt.
Was nun das Problem der politischen Einigung Europas angeht, das die Bundesregierung mehr als bisher zur Erörterung stellen soll, so darf ich daran erinnern, daß die Bundesregierung in den auf die Gipfelkonferenz der EWG-Staaten in Rom am 30. Mai 1967 folgenden Monaten bemüht war, den Impuls, den die Konferenz für eine Neubelebung der politischen Zusammenarbeit unter den Sechs bedeuten konnte, zu nutzen. Es zeigte sich aber bald, daß sich die Aufmerksamkeit der Regierungen mehr und mehr auf das Schicksal der Beitrittsanträge Großbritanniens und weiterer Antragsteller konzentrierte. Spätestens Ende 1967 war klar, daß zur Zeit wegen der Meinungsverschiedenheiten über die Beteiligung Großbritanniens keine Aussicht auf Fortschritte in Richtung auf eine engere politische Zusammenarbeit besteht, eine Zusammenarbeit, die die unumgängliche Vorstufe für eine politische Einigung Europas ist. Die Bundesregierung ist darum zu der Erkenntnis gelangt, daß sich in den nächsten Monaten auch die deutschen Überlegungen vordringlich auf ein Arrangement zwischen den Gemeinschaften und Großbritannien sowie den anderen Antragstellern konzentrieren müssen.
Herr Abgeordneter Schulz!
Herr Staatssekretär, man hat ja, was das sogenannte handelspolitische Arrangement betrifft, etwas über gewisse utopische Zeitfristen gehört. Meinen Sie nicht, daß dieses handelspolitische Arrangement nur dann ernsthaft diskutabel ist, wenn es mit einem Zeitplan verbunden ist, der noch die augenblicklich verantwortliche politische Generation angeht und nicht die Söhne oder die Enkel?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Herr Kollege Schulz,
Parlamentarischer Staatssekretär Jahn
die Bundesregierung richtet ihre Bemühungen darauf, möglichst schnell zu Ergebnissen zu kommen. Ich fürchte allerdings, ein Zeitplan würde das Errichten einer zusätzlichen Hürde, vielleicht auch eines zusätzlichen Vorwandes für den einen oder anderen schaffen. Ich glaube nicht, daß es sehr nützlich wäre, das in eine so starre Form zu bringen. Das ändert nichts an dem Willen der Bundesregierung, ihrerseits zu einem schnellen Abschluß zu kommen.
Herr Dr. Schulz ({0}) !
Herr Staatssekretär, teilen Sie meine Befürchtung, daß sich die ursprüngliche Sympathie für diesen großen Gedanken dann, wenn nicht ganz neue, dynamische Impulse in der Europapolitik kommen, in unseren Völkern in Resignation, in Apathie, vielleicht sogar in Antipathie verwandeln könnte und daß das ein sehr gefährlicher Vorgang wäre?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Ich teile Ihre Sorge, Herr Kollege Schulz, insofern, als in der Tat das offenbar sehr schwierige Mühen, im Alltagsgeschäft der europäischen Einigung voranzukommen, wenig attraktiv ist und der ursprüngliche Schwung, der ja weit über den Bereich der unmittelbar politisch Verantwortlichen hinaus vorhanden gewesen ist, darunter leidet und daran Schaden nehmen kann. Auf der anderen Seite glaube ich aber auch, daß es notwendig ist, deutlich zu machen, daß die Realisierung so weit reichender und noch vor wenigen Jahren recht utopisch erscheinender Vorstellungen nun einmal eine sehr schwere, sehr gründliche sachliche Auseinandersetzung erfordert, die anders aussieht als jener idealistische Schwung, mit dem man zunächst einmal an die Arbeit gegangen ist. Das ist sicher unvermeidlich.
Herr Dröscher!
Herr Staatssekretär, sind Sie nicht auch der Meinung, daß es neben utopisch langfristigen Vorstellungen auch utopisch kurzfristige Vorstellungen geben kann, deren immer wiederholte Herausstellung, ohne daß sie befriedigt werden, unter Umständen auch zu Schaden für den Europa-Gedanken führen kann?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Wenn das eine abstrakte Feststellung ist, Herr Kollege, kann ich vorbehaltlos ja sagen.
Herr Dr. Lenz!
Glaubt die Bundesregierung, daß zwischen den sechs Partnerstaaten genügend gemeinsame Vorstellungen über die mögliche Struktur einer politischen Einigung bestehen, so daß man die Lösung dieses Problems jetzt in Angriff nehmen kann?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Ich glaube, es wäre realistischer zu sagen, daß wir uns darum bemühen müssen, genügend realistische gemeinsame Vorstellungen zu entwickeln.
Die nächste Frage 113 stellt der Abgeordnete Dr. Hofmann ({0}) :
Sieht die Bundesregierung den Einsatz von rd. 40 000 nordvietnamesischen Soldaten in Laos und den Einsatz von in Nordvietnam ausgebildeten und im Norden von Thailand kämpfenden Guerillas - wie der amerikanische Botschafter bei der NATO Harland Cleveland mitgeteilt haben soll - völkerrechtlich als Aggression dieser Länder an?
Herr Staatssekretär, bitte!
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Die Bundesrepublik Deutschland gehört nicht zu den Mächten, die in Südostasien besondere Verantwortung übernommen haben. Die Bundesregierung hat sich daher bisher jeder Stellungnahme zur politischen und rechtlichen Lage in Laos und Thailand konsequent enthalten. Ich bitte daher das Hohe Haus dafür um Verständnis, daß sich die Bundesregierung nicht für berufen hält, eine rechtliche Stellungnahme zu diesen Vorgängen abzugeben. Eine solche Stellungnahme würde gerade bei der wenig klaren inhaltlichen Definition des Begriffs Aggression immer eine politische Bedeutung haben. Wollten wir sie abgeben, müßte zunächst der Sachverhalt in allen Einzelheiten von zuständiger Seite geklärt sein, d. h. in erster Linie von der durch die Genfer Indochina-Konferenz eingesetzten internationalen Kontrollkommission.
Herr Dr. Hofmann!
Herr Staatssekretär, sind Sie, wenn Sie die Frage genau lesen, nicht mit mir der Meinung, daß ich nicht danach gefragt habe, ob die Bundesrepublik in Indochina, in Laos oder Thailand tätig ist oder Einfluß nehmen soll; sondern daß ich nur danach gefragt habe, wie die völkerrechtliche Lage zu beurteilen ist? Sind Sie nicht weiter mit mir der Meinung, daß die Bundesregierung jederzeit feststellen können müßte, ob das nach dem gegebenen Völkerrecht eine Aggression ist oder nicht?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Ich hoffe, daß ich Ihre Frage nicht falsch verstanden habe, Herr Kollege Dr. Hofmann. Nur hat die Bundesregierung aus den dargelegten Gründen nicht die Möglichkeit und auch nicht die Absicht, in einer solchen Frage Stellung zu nehmen, in einer Frage, mit der sie nicht unmittelbar konfrontiert ist, die sie nicht unmittelbar berührt und zu der von ihr im übrigen eine Stellungnahme nicht abgefordert werden muß. Sie fragen nur nach der völkerrechtlichen Seite. Ich muß noch einmal auf das hinweisen, was ich eben gesagt habe. Diese Frage ist unter den gegebenen Umständen nicht ohne eine damit verbundene politische Wertung zu beantworten. Eben deshalb kann eine solche Eingrenzung, die Sie jetzt verständ8918
Parlamentarischer Staatssekretär Jahn
licherweise vorzunehmen wünschen, nur sehr schwer vorgenommen werden.
Herr Dr. Hofmann!
Herr Staatssekretär, wenn man eine solche Frage nicht mehr ohne eine politische Wertung oder nur unter einer politischen Wertung oder nur im Zusammenhang mit einer politischen Wertung beantworten kann, sind Sie dann nicht mit mir der Meinung, daß die Bundesregierung darauf hinwirken sollte, daß die völkerrechtlichen Normen etwas klarer gefaßt werden, damit man wenigstens noch weiß, was eine Aggression in dieser Welt ist?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Das ist zunächst eine Frage der tatsächlichen Vorgänge, über die die Bundesregierung nicht genügend aus eigener Kenntnis und Erkenntnismöglichkeit weiß. Im übrigen teile ich Ihre Vorstellung und Ihren Wunsch nach einer Verbesserung und größeren Wirksamkeit völkerrechtlicher Normen. Aber Sie wissen so gut wie ich, Herr Kollege Dr. Hofmann: das ist ein sehr alter Wunsch, und die Bundesregierung kann ihn nicht allein verwirklichen; dazu gehört das Mitwirken aller.
Herr Dorn!
Herr Staatssekretär, Sie sagen, die Bundesregierung verfüge nicht über die nötigen Kenntnisse zur Beurteilung dieser Frage. Sind denn die deutschen Botschaften in den entsprechenden Ländern nicht so ausgestattet, daß sie die Bundesregierung mit den nötigen Kenntnissen versorgen können?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Ich denke schon. Dies ist aber eine Frage, die durch die Tätigkeit unserer Diplomaten nur sehr schwer aufgeklärt werden kann. Hier handelt es sich doch um tatsächliche Feststellungen, zu denen unsere Vertretungen kaum in der Lage sind. Die hier aufgeworfene Frage, ob 40 000 nordvietnamesische Soldaten in Laos usw. eingedrungen sind, kann doch nicht von Diplomaten aus ihrer Position geklärt werden, sondern nui bei sehr genauer Kenntnis der örtlichen Verhältnise, der Verhältnisse in den betroffenen Landesteilen. Dazu sind unsere Vertretungen sicherlich nicht in der Lage.
Ich rufe die Frage 114 des Herrn Abgeordneten Dorn auf:
Sind inzwischen die gesetzlichen Voraussetzungen geschaffen, um entsprechend der Anregung des Europäischen Parlaments vom Frühjahr 1966 sogenannte Europäische Schulen auch an Orten zu errichten, die nicht Sitz von Einrichtungen der Europäischen Gemeinschaften sind?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Die Antwort lautet
nein. Die Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften haben noch keine Verhandlungen über eine entsprechende Änderung des Protokolls über die Gründung Europäischer Schulen vom 13. April 1962, das die zwischenstaatliche Rechtsgrundlage der Europäischen Schulen bildet, eingeleitet. Die Bemühungen der Regierungen sind im Augenblick darauf gerichtet, die Erweiterung von drei der bisher eingerichteten sechs Schulen sicherzustellen, deren starkes Anwachsen eine erhebliche Vergrößerung dringend erforderlich macht.
Herr Dorn!
Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung nicht der Meinung, daß es gut wäre, wenn wir auch für den Raum der Stadt Bonn eine solche Einrichtung bekommen könnten?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Grundsätzlich ist der Gedanke, Schulen dieser Art einzurichten, gut und wird von der Bundesregierung begrüßt. Nur ist das ja nach dem Statut an bestimmte Voraussetzungen gebunden. Hinzu kommt, daß die besondere Eigenart dieser Schulen mit vier Sprachen voraussetzt, daß ein genügend großer Kreis von Interessenten vorhanden ist, d. h. von Bewerbern für eine solche Schule. Nun räume ich gern ein, daß dais in Bonn möglicherweise - das ist bisher nicht nachgeprüft - der Fall sein könnte. Aber zwischen der Feststellung, daß das wünchenswert ist, und den Möglichkeiten, das auf der Basis einer Europäischen Schule, d. h. unter Mitwirkung der übrigen Länder zu realisieren, scheint mir doch ein gewisser Abstand zu klaffen, ganz abgesehen davon, daß zunächst einmal der ausreichende Ausbau der vorhandenen Schulen vordringlich erscheint.
Herr Dorn!
Herr Staatssekretär, wäre es denn nicht richtig, daß die Bundesregierung einmal überprüfen würde, ob nicht die Voraussetzungen für eine Veränderung des Statuts dahin geschaffen werden könnten, daß der Raum Bonn bedient werden kann, und sollte nicht einmal geprüft werden, ob hier im Raum Bonn nicht doch ein Bedürfnis dafür vorhanden wäre?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Ich greife die Anregung gern auf.
Wollen Sie noch eine Frage stellen, Herr Kahn-Ackermann? - Im übrigen sollte man sich, wenn man eine Zusatzfrage stellen will, gleich ans Mikrophon begeben, damit der amtierende Präsident sehen kann, was gewollt ist, und die übrigen Damen und Herren sollten sich setzen, damit zu unterscheiden ist, ob jemand eine Frage stellen oder ob er sich unterhalten will.
Jetzt Herr Kahn-Ackermann!
Herr Staatssekretär, Sie sagten, die Bundesregierung begrüße solche Anregungen. Würden wir in der Sache nicht sehr viel weiterkommen, wenn die Bundesregierung den anderen Partnerländern ein neues Statut und einen Plan für die vielfach gewünschten Erweiterungen und Neuerrichtungen solcher Schulen vorschlüge? Einer muß ja wohl die Initiative ergreifen.
({0})
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Zunächst ist einmal die Anregung des Europäischen Parlaments mit den beteiligten Ländern zu sprechen. In dieser Diskussion wird das ja ohnehin geschehen, Herr Kollege Kahn-Ackermann.
Herr Dr. Hofmann ({0}) !
Herr Staatssekretär, hat die Bundesregierung schon konkrete Vorstellungen, wo in der Bundesrepublik Deutschland und in welchen Städten solche Schulen errichtet werden können und sollten?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Die Vorausetzungen dafür, daß solche Schulen auch in anderen Städten errichtet werden können, sind ja noch nicht einmal geschaffen. Deswegen sind wir auch noch nicht so weit, schon Vorstellungen darüber zu haben. Ich glaube im übrigen, es wäre gar nicht so schwer, herauszufinden, wo das zweckmäßig, wünschenswert und möglich ist.
Damit sind die Fragen aus diesem Geschäftsbereich erledigt.
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten.
Ich rufe die Fragen 5 bis 7 des Herrn Abgeordneten Freiherr von Gemmingen auf:
Treffen Pressemeldungen zu, wonach das Bundesernährungsministerium einen Vertrag mit einer Werbeagentur abgeschlossen hat mit dem Ziel, das Mißverständnis zwischen Bauern und dem Ministerium zu beseitigen?
Trifft es zu, daß sich diese Werbekampagne mit Rücksicht auf die zur Zeit stattfindenden Protestdemonstrationen der Bauern hauptsächlich auf die Personen des Bundesernährungsministeriums konzentrieren soll?
Wie hoch sind die in Frage 5 erwähnten veranschlagten Kosten?
Ist der Herr Abgeordnete anwesend? - Bitte, Herr Bundesminister!
Zu der ersten Frage darf ich folgendes sagen. Es trifft zu, daß ein solcher Auftrag erteilt wurde. Unzutreffend sind die Meldungen über die Aufgabenstellung: die Aufklärung für die Öffentlichkeit, insbesondere den Verbraucher über die Probleme der Agrarpolitik, vor allem die Probleme der EWG-Agrarpolitik zu informieren.
Herr von Gemmingen!
Herr Minister, warum beschneidet man dann die Mittel des „Vereins für Stadt und Land", der eigentlich doch demselben Zweck dient und der außerordentlich Gutes geleistet hat, und setzt sie hier für einen Vertrag mit einer Werbeagentur ein?
Es hängt nicht unmittelbar zusammen. Es wird nicht bestritten, daß „Stadt und Land" Gutes geleistet hat. Aber vielleicht gibt es Möglichkeiten, noch Besseres zu leisten.
({0})
Zu Frage 2 lautet die Antwort: Nein. Ich könnte hinzufügen, daß auch diejenigen, die an diesen Protestdemonstrationen teilnehmen, bei genauer Untersuchung der Genesis der Schwierigkeiten wissen, daß die Bundesregierung Kiesinger und auch der derzeitige Ernährungsminister die Schwierigkeiten nicht produziert haben.
Herr von Gemmingen!
Herr Minister, warum wurde von Ihnen oder Ihrem Hause kein Dementi in der Presse veranlaßt?
Ich weiß nicht, was dementiert werden soll, - Einzelheiten? Dementis sind keine besonders wirksame Waffe, sondern es ist, glaube ich, besser, in einem solchen Zusammenhang die Dinge zu übersehen.
Die nächste Frage - wie hoch die veranschlagten Kosten sind - beantworte ich wie folgt. Mit Rücksicht auf die wirtschaftlichen Interessen, die hier berührt werden, ist es nicht üblich, die Kosten solcher Aktionen bekanntzugeben. Aber es sei so viel gesagt, daß die Mittel sich wie üblich in einem sehr bescheidenem Rahmen bewegen.
Herr von Gemmingen!
Herr Minister, sind Sie also nicht in der Lage oder wollen Sie uns die Kasten nicht gelegentlich mitteilen?
Das letzte ist richtig. Ich glaube angesichts der privatrechtlichen Seite nicht, daß es gerechtfertigt ist, die Kosten bekanntzugeben. Aber es müßte doch eigentlich genügen, wenn ich das mitteile, was Sie ja wissen, daß es sich nur um sehr, sehr bescheidene Mittel handeln kann.
Herr Wächter!
Herr Bundesminister, könnten Sie den Ausdruck „bescheidener Rahmen" und „in sehr bescheidenem Rahmen" etwas näher definieren?
Ich könnte mir vorstellen, daß eine solche Unterhaltung am besten im Ausschuß geführt wird.
Würden Sie mir Ihre Ansichten in einem persönlichen Gespräch etwas näher mitteilen?
Es handelt sich um Fakten und nicht um Ansichten. Aber selbstverständlich bin ich dazu bereit.
({0})
Keine weiteren Fragen.
Wir kommen zu den Fragen 8 und 9 des Herrn Abgeordneten Dr. Frerichs - er ist anwesend -:
Welche Maßnahmen beabsichtigt die Bundesregierung zu ergreifen, um sicherzustellen, daß der deutsche Verbraucher auch weiterhin in den Genuß preisgünstiger Importkonserven, wie Ananas-, Aprikosen-, Pfirsich-, Champignons-, Spargel-, Erbsen-und Tomatenkonserven, gelangt?
Ist sich die Bundesregierung darüber ,im klaren, daß diese bisher preisgünstigen Konserven, zumindest zu einem großen Teil, wieder zu einer Art „Luxusartikel" werden würden, wenn die EWG-Kommission mit ihrem Verordnungsentwurf betreffend gemeinsame Marktorganisation für Verarbeitungserzeugnisse aus Obst und Gemüse, der eine Einfuhrregelung mit Mindestpreisen bei diesen Erzeugnissen vorsieht, durchdringt?
Aus der heimischen Erzeugung und aus Importen ist die Bundesrepublik Deutschland seit über zehn Jahren sehr reichlich und vor allem sehr preiswert mit Zubereitungen aus Obst und Gemüse aller Art versorgt. Konserven werden deshalb in großem Umfang als günstige Sonderangebote feilgehalten. Die Bundesregierung hält auf Grund dieser Marktlage irgendwelche weiteren Maßnahmen nicht für dringend notwendig.
Es gibt im Laufe der Fragestunde noch eine weitere Frage, die auf die Schwierigkeiten der Konservenindustrie und auf die Einnahmeschwierigkeiten in der Landwirtschaft in diesem Zusammenhang hinweist. Ich glaube, daß die Befürchtung, daß hier dem Verbraucher eine Unbill zugefügt werden könnte, weniger als Null ist.
Herr Bundesminister, sind Sie damit der Auffassung, daß der beabsichtigten Richtlinie der EWG-Kommission nicht Folge geleistet werden sollte? Denn das würde z. B. bedeuten, daß die Einfuhr von Ananaskonserven, die ja bekanntlich nicht in Europa selbst produziert werden, erheblich verteuert werden würde. Darin sehen Sie doch sicherlich auch keinen Schutz der heimischen Agrarproduktion?
Sie haben damit gleichzeitig zwei Fragen gestellt. Wenn Sie gestatten, möchte ich Ihre jetzige mündliche Ergänzungsfrage zusammen mit der zweiten Frage beantworten, da beide Fragen in einem Sachzusammenhang stehen.
Was die Frage betrifft, ob die Bundesregierung der Auffassung ist, daß sie einer solchen Verordnung nicht entsprechen sollte, so möchte ich dazu sagen: Eine solche Auffassung hat die Bundesregierung nicht. Verordnungen oder Gesetze werden von ihr ausgeführt.
Was nun die Verordnung selbst betrifft, so enthält sie sowohl liberale als auch dirigistische Elemente. Die liberalen Elemente sind: völlige Liberalisierung des innergemeinschaftlichen Handels und keine Kontingentierung von Drittlandimporten. Dirigistische Elemente sind: Mindestpreise für Obst und Gemüse, Zubereitungen von Champignons, Tomatenmark, Spargel, jungen Erbsen, Aprikosen, Pfirsichen und Ananas, Einfuhrlizenzen und Erklärungen des Importeurs über den erzielten Freigrenzpreis, Stellung einer Kaution durch den Importeur und geeignete Maßnahmen gegen störende Drittlandimporte.
Die Bundesregierung vertritt in all diesen Fragen, bei denen es sich nicht um eine EWG-Produktion handelt, einen sehr liberalen Standpunkt, der von einigen Mitgliedstaaten aus naheliegenden Gründen nicht in der gleichen Striktheit geteilt wird.
Herr Dr. Frerichs!
Herr Bundesminister, darf ich Ihrer Antwort entnehmen, daß Sie mit mir der Auffassung sind, daß die Bundesregierung auch bei den Beratungen über diesen Richtlinienentwurf alles zu tun versucht, um Preisanhebungen, die sich für die Verbraucher in der Bundesrepublik durch die Mindestpreise und die Einfuhrbeschränkungen ergeben würden, zu vermeiden?
Herr Kollege Frerichs, es gibt mehrerer Bezugspunkte, die dabei zu berücksichtigen sind, einmal die Interessen der Lieferländer, zweitens die Interessen der deutschen Konservenindustrie und drittens die der EWG-Konservenindustrie, die sich keineswegs immer decken müssen. Ich glaube, ein mittlerer Weg wäre das Richtige, um diesen Interessen, die sich antagonistisch entgegenstehen, gerecht zu werden.
Herr Dr. Frerichs!
Eine letzte Frage, Herr Bundesminister. Ich habe bisher allen Ihren Ausführungen, auch denen am gestrigen Tage, entnommen, daß Sie mit mir der Auffassung sind, daß ein weiteres Steigen des Agrarpreisniveaus und damit also der Lebensmittelpreise in ihrer ganzen Vielfalt vermieden werden sollte. Sind Sie nach wie vor dieser Auffassung?
In dieser allgemeinen Form möchte ich das nicht sagen, und zwar deswegen, weil zwischen Erzeugerpreis und Verbraucherpreis noch einige interessante Strecken liegen, nämlich Strecken, die zum Teil mehr als 50 % des Erzeugerwertes darstellen. Daß hier ein besseres Verhältnis wünschenswert wäre, dieser Auffassung werden Sie, glaube ich, doch wohl auch sein. Ich bin mit den derzeitigen Agrarpreisen keineswegs zufrieden. Das ist nämlich der einzige Bereich, der starke Einbußen im letzten Jahr erleiden mußte. Die Landwirtschaft hat bei einzelnen Produkten Einbußen bis zu 30 und 35 % erlitten. Mit einer solchen Situation kann ich mich nicht zufriedengeben, zumal der Verbraucher erfreulicherweise auch in diesem schwierigen Rezessionsjahr 1967 sein Einkommen verbessern konnte und auch heute wieder im breiten Bereich der Lohnempfänger dazu aufgefordert wird, sich der Möglichkeiten einer gesteigerten Produktivität zu bedienen. Da dem so ist, sollte man Gerechtigkeit für alle Teile walten lassen.
({0})
Noch eine Frage.
Darf ich dieser Antwort entnehmen, daß die Bundesregierung nicht bereit ist, im Rahmen des Entwurfs der Richtlinien für die Verarbeitung von Obst und Gemüse in der EWG diejenigen Gesichtspunkte geltend zu machen, die ich vorgetragen habe, nämlich dafür Sorge zu tragen, daß nach wie vor wie seit Jahren auf dem deutschen Markt preiswürdige Konserven für den Verbraucher erhältlich sind?
Nein, die Bundesregierung ist keineswegs dieser Meinung. Sie formulieren zu extrem. Die Bundesregierung ist der Meinung, daß ein guter mittlerer Weg gegangen werden muß, der den Verbraucher schützt, aber auch dem Verarbeiter bei uns keine Nachteile zufügt und angemessene Rücksicht auf die Entwicklungsländer nimmt, soweit sie als Lieferländer in Betracht kommen. Aus diesen drei Gesichtspunkten muß ein Kompromiß erzielt werden.
Herr Sander!
Herr Bundesminister, sind Sie nicht bereit, dem Herrn Kollegen Frerichs zu sagen, daß wir gerade auf dem Obst- und Gemüsemarkt im letzten Jahr einen ungeheuren Preisverfall gehabt haben, daß er dies eigentlich wissen müßte und daß er hier heute eindeutig Interessen des Groß- und Außenhandels vertritt,
({0})
ohne daß der Verbraucher bisher auch nur den geringsten Vorteil davon gehabt hat?
({1})
Herr Kollege, ich bin nicht bereit, einem Kollegen über etwas, was er bereits selber weiß und wissen muß, eine belehrende Auskunft zu geben.
({0})
Herr Reichmann!
Herr Minister, darf ich fragen: Inwieweit haben sich die Anteile der Ernährungskosten am Durchschnittseinkommen der Verbraucher vermindert oder erhöht?
Vermindert. Das ist eine Entwicklung, die in der ganzen Welt, vor allem in vergleichbar strukturierten Ländern, festzustellen ist.
Herr Reichmann!
Herr Minister, ist es zutreffend, daß der Anteil der Ernährungskosten am Einkommen etwa im letzten Jahrzehnt von 45 % auf 34 % zurückging?
Ja, das ist richtig, aber man muß die absoluten und die relativen Verhältnisse unterscheiden.
Herr Dröscher!
Herr Bundesminister, waren Ihre Ausführungen so zu verstehen, daß für den Lebensmittelmarkt und für die Verbraucherkosten die Gesetze der Marktwirtschaft nicht mehr gelten sollen?
Nein; ich weiß nicht, wie Sie zu einer solchen Schlußfolgerung kommen. Sie gelten in einem sehr starken Maße, und zwar in einem Maße, daß sie sich andere Kreise der Wirtschaft durchaus einmal zu Gemüte führen sollten.
Herr Dröscher!
Haben Sie Verständnis dafür, Herr Bundesminister, daß ich zu dieser Auffassung gekommen bin, nachdem Sie davon sprachen, daß die Entwicklung der Arbeitnehmereinkommen, die doch immerhin von der Marktwirtschaft abhängig sind, weil der Einzelbetrieb darin bestehen muß, zur Folge haben müßte, daß höhere Leistungen für die Ernährung aufgebracht werden müssen?
Nein; ich kann diesen Zusammenhang nicht akzeptieren. Wir haben zur Zeit 570 000 Arbeitslose, und gleichzeitig müssen wir aus konjunkturellen Gründen einige Schritte zur Verbesserung des Masseneinkommens vornehmen.
Gleichzeitig ist aber Tatsache, daß der Landwirt in bezug auf seine Erzeugerpreise schwerste Einbußen, wie er sie jahrelang nicht mehr zu erleiden hatte, hinnehmen mußte. Das sind die drei Punkte: auf der einen Seite Arbeitslosigkeit plus Lohnerhöhung, auf der anderen Seite Einbußen bei den Erzeugerpreisen. Ich glaube, hier sollte mehr innere Gerechtigkeit geübt werden.
({0})
Herr Sander!
Herr Bundesminister, sind Sie bereit, Herrn Dr. Frerichs zu sagen, daß wir alle gern Ananas mögen, daß er aber eigentlich wissen müßte - da er auch das Wort Erbsen gebraucht hat -, daß gerade hier ein Preisverfall bis zu einem Drittel für die Erzeuger und auch für die Industrie, d. h. also für die Konservenhersteller, eingetreten ist?
Herr Kollege Sander, ich möchte vorschlagen, Sie sagen ihm das Gelber.
({0})
Frau Griesinger.
Herr Minister, darf ich annehmen, daß Sie und Ihr Haus sich alle Mühe geben, diese Mißverständnisse, die zum Teil auch in diesem Hohen Hause vorhanden sind, auszuräumen, daß nämlich die Spanne, die zwischen Erzeuger- und Verbraucherpreisen durch die Bearbeitung und Verarbeitung immer größer wird, allein der Landwirtschaft anzulasten sei, und daß Sie von Ihrem Hause aus eine Aufklärung betreiben, damit der Irrtum, daß die höheren Verbraucherpreise lediglich im Zusammenhang mit den Erzeugerpreisen zu sehen seien, beseitigt wird und diese Aufklärung sowohl den Verbrauchern als auch den Erzeugern zugute kommt?
Frau Kollegin, diese Bemühungen gelten den Dingen, die in Frage 1 von Herrn von Gemmingen vorgelegt worden sind. Ich kann aber nicht etwas ersetzen, was der Verbraucher selbst tun muß. Ich kann zwar eine Aufklärung versuchen, aber das Leisen nicht ersetzen.
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Herr Minister, könnten Sie dann dafür Sorge tragen, daß die Massenmedien, die über die Augen arbeiten, vielleicht eine bessere und phantasievollere Aufklärung betreiben?
Mit den bescheidenen Mitteln, von denen in der ersten Frage die Rede war, geht das nicht, weil die Massenmedien andere Gebührensätze haben, als der Haushaltsausschuß zu honorieren in der Lage ist.
({0})
Wir kommen dann zur Frage 10 des Herrn Abgeordneten Wächter:
Sieht die Bundesregierung eine Möglichkeit, im Rahmen der Verpflichtung der EWG zur jährlichen Lieferung von 1035 Millionen t Getreide an Entwicklungsländer in den Jahren 1968/69 bis 1970/71 einen Teil dieser Verpflichtung durch Abgabe von Molkereiprodukten statt von Getreide zu erfüllen?
Die Bundesregierung sieht leider keine Möglichkeit, im Rahmen des Nahrungsmittelhilfeübereinkommens vom Jahre 1967 einen Teil ihres Beitrags durch die Lieferung von Molkereiprodukten zu erfüllen. Die Verpflichtungen zur Leistung der Nahrungsmittelhilfe in Form von Getreidelieferungen wurden in dem in der Schlußakte der Kennedy-Runde enthaltenen Getreidememorandum für die Gemeinschaft und deren Mitgliedstaaten bindend festgelegt. Bereits bei den Verhandlungen zur Vorbereitung des Verhandlungsangebots der Gemeinschaft für die Kennedy-Runde hatte die Bundesregierung im Ministerrat zusammen mit der holländischen und der französischen Regierung versucht, außer Getreide auch Milcherzeugnisse in die Nahrungsmittelhilfe einzubeziehen. Dieser Standpunkt konnte jedoch in Genf, wo die Kommission als Vertreterin für alle sechs Partnerstaaten verhandelt, leider nicht durchgesetzt werden.
Könnten Sie die beiden weiteren Fragen gleich im Zusammenhang beantworten? Die hängen ja zusammen. Ihr Fragerecht, Herr Abgeordneter Wächter, wird dadurch nicht verkürzt. - Ich rufe also die Fragen 11 und 12 des Abgeordneten Wächter auf :
Ist die Bundesregierung gegebenenfalls bereit, bei den bevorstehenden Verhandlungen im EWG-Ministerrat am 5. April 1968 eine solche Lösung anzustreben und zu vertreten?
Welche Haltung wird die Bundesregierung hinsichtlich der Aufbringung und Abgabe der Getreidehilfe oder gegebenenfalls der Hilfe durch Molkereiprodukte im Ministerrat einnehmen, um die nationalen landwirtschaftlichen Interessen in angemessenem Umfang zu wahren?
Aus den oben angeführten Gründen sieht die Bundesregierung leider keine Möglichkeit, in der Sitzung des Ministerrats am 5. April 1968 eine Lösung anzustreben, die eine Ersetzung des Getreides durch Molkereiprodukte vorsieht.
Die Bundesregierung wird im Ministerrat darauf hinwirken, daß der Teil der Getreidehilfe, der den finanziellen Leistungen der Bundesrepublik entspricht, aus der deutschen Erzeugung genommen wird. Für den Fall, daß auch Molkereiprodukte in ein anderes Nahrungsmittelhilfeprogramm aufgenommen werden, wird die Bundesregierung gleichermaßen die nationalen Interessen der Bundesrepublik in angemessenem Umfang zu wahren wissen.
Herr Wächter!
Ist der Bundesregierung bekannt, daß die Delegationen der COPA die Forderung gestellt haben, im Rahmen der Nahrungsmittelhilfe der EWG ein zusätzliches Abkommen über die Lieferung von Milchprodukten, insbesondere Milchpulver, abzuschließen? Und darf ich Ihrer ersten Antwort entnehmen, daß die Bundesregierung sich nicht hinter die Forderungen der COPA stellt?
Nein, diese Schlußfolgerung können Sie nicht ziehen. Im Gegenteil, die Bundesregierung hat in einer Besprechung mit Herrn Boerma, dem neuen Präsidenten der FAO, diese Frage aufgegriffen. Wenn ich richtig informiert bin, faßt die FAO ein neues Programm ins Auge, das Milchprodukte betrifft, das aber nicht mit der Kennedy-Runde zusammenhängt, sondern ein Sonderprogramm zum Abbau der Vorräte und Überschüsse aus der EWG auf dem Milchsektor ist. Sie sehen also, daß die Bundesregierung sich zwar nicht unmittelbar dem Entschluß der COPA angeschlossen hat, daß sie aber von selbst auf diesen Gedanken gekommen ist.
Herr Wächter!
Trifft es zu, daß die Bundesregierung im EWG-Ministerrat bislang die Auffassung vertreten hat, daß die Nahrungsmittelhilfe entgegen den Vorstellungen der Kommission nicht von der Gemeinschaft als solcher, sondern von jedem Mitgliedstaat entsprechend seinem Anteil an dem Gesamtprogramm vergeben werden soll, obwohl nach meiner Meinung keine deutschen Interessen gegen eine Gemeinschaftsleistung sprechen?
Hier gibt es keinen Standpunkt des Entweder-Oder, sondern einen Standpunkt des Sowohl-als-auch.
Herr Wächter!
Darf ich gegebenenfalls nicht doch aus Ihrer letzten Antwort schließen, Herr Minister, daß die Bundesregierung an ihrer bilateralen Haltung festhält, wenn diese Frage erstmalig im Ministerrat - dort wird am heutigen Tage darüber verhandelt - zur Sprache kommt?
Ich habe nichts gegen eine solche Forderung einzuwenden. Wir werden bilateral und gemeinschaftlich versuchen, das möglich zu machen, was wir im Interesse der Hilfsaktion, aber auch im Interesse der Beseitigung von Überschüssen für notwendig halten.
Herr Wächter!
Darf ich aus Ihrer Antwort insbesondere auf die Frage nach der Lieferung von
Milcherzeugnissen in die Entwicklungsländer schließen, daß auch Sie sich hinter den Entschließungsantrag Ihrer eigenen Fraktion und hinter die Beschlüsse stellen, die Ihre Partei in Berlin gefaßt hat?
Das ist ganz selbstverständlich. Ich stimme mit den Beschlüssen meiner Partei im wesentlichen immer überein. Es gibt einige seltene Ausnahmefälle, aber in diesem Falle sind diese Beschlüsse meiner Partei oder meiner Fraktion keineswegs ohne mein Zutun zustande gekommen. Ich habe auch schon vor diesem Beschluß in der Einbringungsrede die Auffassung vertreten, daß auf dem Lebensmittelsektor der richtige Weg nicht der ist, die Produktion einzuschränken, sondern der, Karitas zu üben, um mit den Überschüssen den Völkern zu helfen, die aus eigener Kraft nicht zu diesen Überschüssen kommen können. Ich glaube mich richtig zu erinnern, daß ich das zunächst vorgetragen habe und daß dann erst dieser Gedanke in die Fraktionsbeschlüsse aufgenommen worden ist. Wenn die COPA denselben Standpunkt hat, dann ist das nur erfreulich.
Herr Wächter!
Herr Bundesminister, können Sie mir vielleicht den Zeitpunkt sagen, zu dem Sie diese Beschlüsse verwirklichen wollen? Besteht Aussicht, daß das doch noch bis zum übernächsten Herbst, also bis September/Oktober 1969, verwirklicht werden kann?
Ich nehme an, daß Sie auf die Überschußverwertung abzielen. Ich darf sagen, daß nicht nur die Bundesregierung, sondern auch die Regierungen der übrigen Partnerstaaten sich vor allem im Zusammenhang mit den Schwierigkeiten bei den Butterüberschüssen gemeinsam mit diesen Gedanken befassen. Die Bundesregierung ist bereit, da mitzuwirken. Mehr kann ich nicht sagen. Es bestehen begründete Aussichten, daß wir bei Überschüssen von Milchprodukten diesen Weg gehen werden.
Herr Wächter!
Herr Bundesminister, sicher werden Sie mir gestatten, daß ich Sie im Laufe des nächsten Jahres gegebenenfalls noch einmal an dieses Frage- und Antwortspiel zwischen uns beiden erinnere.
Ich rechne ganz sicher damit.
Herr Reichmann!
Herr Minister, machen die schwerwiegenden Folgen des Eiweißmangels in den
unterernährten Völkern nicht gerade besonders die Zufuhr von hochwertigen Eiweißnahrungsmitteln, wie es Milchprodukte sind, erforderlich?
Sie haben völlig recht, Herr Kollege. Aber von unserer Seite ist es notwendig, eine angemessene Opferbereitschaft zu zeigen, um diese Transaktionen in Gang zu setzen. Die Feststellung genügt nicht, wir müssen vielmehr in die Tasche greifen und uns einen Verzicht zumuten. Dann, glaube ich, ist diese Bemerkung als Ganzes anzusehen.
Herr Reichmann!
Betrachten Sie diese Aufgabe nicht als eine Gemeinschaftsaufgabe nicht nur der EWG, sondern auch der FAO, in deren Rahmen dieses Problem lösbar wäre?
Auch die Verschiebung auf die Gemeinschaft befreit uns nicht von der Notwendigkeit, einen angemessenen und sehr kräftigen Anteil zu den Kosten beizutragen. Ich würde die Frage umgekehrt stellen: Wieviel an Opferbereitschaft sind wir bereit, über unsere Verpflichtungen hinaus aufzubringen, um eine solche Aktion durchzuführen? Erst wenn man das weiß, läßt sich die Frage beantworten, ob man solchen Notwendigkeiten, die ich genauso wie Sie bejahe, entsprechen kann.
Herr Dröscher!
Herr Bundesminister, haben Sie vorhin mit Ihrer Antwort, das sei eine karitative Aufgabe, die aus Überschüssen geleistet werden könne, nicht wieder falsche Hoffnungen geweckt, nachdem doch einwandfrei feststeht, daß mit den finanziellen Mitteln, mit denen man helfen will, die denkbar größte Menge an Nahrungsmitteln für die Hundernden beschafft werden sollte und daß es solche Nahrungsmittel an anderer Stelle billiger gibt?
Herr Kollege Dröscher, ich glaube nicht, daß ich falsche Hoffnungen geweckt habe, weil ich hoffe, daß Sie mich bei der Bewilligung finanzieller Mittel nicht enttäuschen werden.
({0})
Herr Dröscher!
- Herr Bundesminister, ich muß annehmen ,daß Sie mich falsch verstanden haben. Ich habe ausdrücklich darauf hingewiesen, daß es nicht auf die Bewilligung von Mitteln ankommt, sondern darauf, wieviel mit den Mitteln gekauft und wieviel an Hunger gemildert werden kann.
Herr Kollege, wir müssen nicht nur bei karitativen Aktionen, sondern selbst beim Export in andere Länder, erhebliche Beiträge leisten, weil wir auf Grund unserer sozialen und soziologischen Verhältnisse ein anderes Kostenniveau haben und schon einen erheblichen Teil draufbezahlen. Die Vorstellungen, die Sie zu entwickeln scheinen, daß man radikal die Preise senkt, obwohl Sie genau wissen, welche Möglichkeiten hier vorhanden sind, lassen sich, glaube ich, nicht verwirklichen.
({0})
- Ich bitte um Entschuldigung.
Herr Sander!
Herr Minister, wäre es nicht gut, in diesem Hohen Hause dem Volke einmal mitzuteilen, daß wir ja im Einzelplan 60 auf Wunsch der FAO etwa 100 Millionen DM zur Verfügung stellen, um hier für die notleidenden Gebiete auch unseren Anteil - ich möchte beinahe sagen: unseren bescheidenen Anteil - zu leisten? Wenn Sie gestatten, Herr Präsident, möchte ich mir vielleicht noch zusätzlich die Frage erlauben: Wie hat sich jetzt die Lieferung von H-Milch hach Lybien ausgewirkt?
Ich habe noch keinen genauen Bericht darüber. Aber soviel ich höre, soll das eine gute Sache sein, weil die H-Milch in Verbindung mit Früchten dort offenbar auf ein gewisses Konsumbedürfnis gestoßen ist.
Ich meine, die Fragen seien jetzt genügend ausgequetscht.
({0})
Wir kommen jetzt zur Frage 13 des Herrn Abgeordneten Varelmann:
Welche Motive sind bei der Bundesregierung ausschlaggebend, um mit Hilfe der Ausgleichsabgabe für Frischfleisch die Wettbewerbsfähigkeit der ländlichen Versandschlachtereien zu den großstädtischen Schlachthöfen zu schwächen?
Ich würde gern die Fragen 13 und 15 wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam und anschließend die Frage 14 beantworten.
Ich rufe dann auch noch die Frage 15 des Abgeordneten Varelmann auf:
Schädigt die Ausgleichsabgabe auf Frischfleisch nicht die wirtschaftlich schwachen Raume in ihrem Wettbewerb mit den großstädtischen Einrichtungen?
Zu den Fragen 13 und 15: Die Bundesregierung ist nicht der Auffassung, daß durch die Ausgleichsabgabe die ländlichen Versandschlachtereien im Wettbewerb mit den großstädtiBundesminister Höcherl
schen Schlachthöfen geschwächt werden, solange die Ausgleichsabgabe nicht über den allgemein geltenden Satz von 0,08 DM pro kg hinausgeht. Das beweisen die stark angestiegenen Versandschlachtungen, die im letzten Jahr bei Schweinen schon rund 25 % der gesamten gewerblichen Schlachtungen betrugen. Die Ausgleichsabgabe bietet u. a. einen Ausgleich dafür, daß viele großstädtische Schlachthöfe gehindert sind, kontinuierlich Schlachtungen durchzuführen; denn diese Schlachthöfe werden häufig in Verbindung mit einem Viehmarkt betrieben, auf dem im Interesse der Markt- und Preistransparenz nur ein Markttag in der Woche stattfindet. Dazu kommt, daß kommunale Schlachthöfe aus Gründen der Hygiene und Seuchenabwehr Anlagen im Interesse der Allgemeinheit unterhalten müssen.
Herr Varelmann!
Nach Angaben aus der Landwirtschaft beträgt die Ausgleichsabgabe bei Schlachtschweinen etwa 8 bis 10 DM und bei Rindern 20 DM. Ist es unter den gegenwärtigen Umständen für die Landwirtschaft nicht eine schwere Belastung, wenn eine solche Ausgleichsabgabe erhoben wird und dieser Ausgleichsabgabe keinerlei Leistungen der Städte gegenüberstehen?
Herr Kollege, ich muß mit der letzten Bemerkung anfangen, daß keinerlei Leistungen gegeben werden. Ich möchte meinen, daß erstens die bereits erwähnten Beiträge der kommunalen Schlachthöfe zur Hygiene und Seuchenabwehr durchaus Leistungen darstellen, zweitens, daß die Bereitschaft für einen einzigen Schlachttag, die vorgehalten werden muß, zusätzliche wirtschaftliche Anstrengungen erfordert; drittens zeigt doch die Tatsache, daß die Versandschlachtereien, an denen wir selber sehr interessiert sind und die wir auch nach Kräften sowohl über den EWG-Ausrichtungsfonds als auch durch eigene Mittel unterstützt haben, daß dieser Eindruck in dieser starken Form, wie Sie ihn vortragen, nicht herrscht; sonst wäre ein Ansteigen auf 25 % nicht zu verstehen.
Aber Sie wissen ja aus den Antworten, die ich Ihnen das letztemal schriftlich gegeben habe, daß die Bundesregierung eine Enquete veranstaltet, um die Struktur der Fleischvermarktung einmal genau zu untersuchen. Aus den Novellen zu den einschlägigen Gesetzen und - erst kürzlich - zu einer Verordnung zur Einführung von Fleischklassen bei Rindfleisch, die dem Bundesrat vorliegt, erkennen Sie doch, wohin die Absichten der Bundesregierung gehen, die auch hier wiederum ein Sowohl-Als-auch und nicht ein Entweder-Oder verlangen.
Herr Varelmann!
Herr Minister, arbeiten die Versandschlachtereien wirtschaftlicher als die großstädtischen Schlachthöfe? Das müßte an und für sich so sein, da die Bundesregierung der Meinung ist, daß sie die Versandschlachtereien mit dieser hohen Abgabe belasten kann.
Es gibt keine genauen Untersuchungen darüber, wie die Relationen sind. Aber ich entnehme aus vielen Umständen, nicht zuletzt aus dem Ansteigen, daß die Versandschlachtereien eine erhebliche Wirtschaftlichkeit aufzuweisen haben, weil sie auch nicht mit den allgemeinen Verpflichtungen belastet sind, die bei kommunalen Schlachthöfen über die eigentliche Schlachtfunktion hinaus bestehen.
Herr Varelmann!
Will die Bundesregierung mit der Ausgleichsabgabe verhindern, daß die Verarbeitung der landwirtschaftlichen Veredelungsprodukte in den ländlichen Räumen weitere Fortschritte macht?
Herr Kollege Varelmann, die Bundesregierung hat die Ausgleichsabgabe vorgefunden. Sie will nichts verhindern. Auch der Berufsstand ist mit ganz geringen Ausnahmen der Meinung, daß zu einer ordentlichen Markttransparenz sowohl Lebendviehmärkte als auch Fleischviehmärkte notwendig sind. Darüber hinaus ist die Bundesregierung der Meinung, daß erst noch ergänzende Voraussetzungen geschaffen werden müssen, um Fleischvermarktungen und Lebendviehvermarktungen durchsichtiger zu machen und sie in eine Ordnung zu bringen. Erst dann, glaube ich, sollten Schlußfolgerungen gezogen werden. Aber ich glaube nicht, daß es richtig wäre, den Lebendviehmarkt vollständig zum Verschwinden zu bringen.
Herr Minister, wäre es nicht auch im Interesse des Tierschutzes angebracht, die Schlachtung möglichst in den ländlichen Gebieten durchzuführen? Wir wissen ja, daß ganz besonders in den Sommer- und Wintermonaten das Schlachtvieh auf den langen Transporten schweren Belastungen ausgesetzt ist. Das besagen die erheblichen Gewichtsverluste, die man auf den Schlachtviehmärkten feststellt.
Ich glaube nicht, daß bei der Lebendvermarktung Tierschutzbestimmungen in einem erheblichen Umfange übertreten werden. Es mag einzelne Fälle geben. Es gibt genaue Bestimmungen. Ich glaube nicht, daß man so generell, sei es auch in Frageform, den Vorwurf erheben kann, daß die Bestimmungen, die gerade in Deutschland sehr scharf und berechtigterweise sehr scharf sind, verletzt werden.
Ist die Bundesregierung bereit, in den nächsten Monaten intensive Bemühungen anzusetzen, im Zusammenhang mit dem Tot8926
versand die Preisentwicklung und das Preisgefüge in bezug auf die Landwirtschaft festzustellen?
Ich habe Ihnen ja schon gesagt, daß eine Enquete über die Strukturverhältnisse der Vermarktung läuft. Wir sind ständig an dieser Frage und arbeiten daran, nicht zuletzt durch die Verordnung über die Klassifizierung von Rindfleisch, die dem Bundesrat jetzt vorgelegt worden ist. Das ist bereits ein Schritt in dieser Richtung. Sie müssen aber auch die kommunalen Verhältnisse beachten. Es handelt sich dort um Einnahmen von 27 Millionen DM für diese Schlachthöfe, die - abgesehen von den rechtlichen Schwierigkeiten - nicht von heute auf morgen einfach gestrichen werden können; wir müßten sonst für Ausgleich sorgen.
Frage 14 des Herrn Abgeordneten Varelmann:
Nach dem Grundgesetz gilt in der Bundesrepublik Deutschland der Gleichheitsgrundsatz - müßte man nicht, wenn die Ausgleichsabgabe für Frischfleisch als gerechtfertigt befunden wird, auch von jedem Bürger, der mit dem Kraftwagen aus der Provinz in die Stadt fährt, eine Ausgleichsabgabe oder Gebühr erheben, weil er die städtischen Verkehrsmittel nicht benutzt?
Das Bundesverwaltungsgericht hat sich wiederholt mit der Ausgleichsabgabe befaßt und ihre Verfassungsmäßigkeit bejaht. Im übrigen sind die Erhebung der Ausgleichsabgabe auf Frischfleisch und eine Abgabe wegen Nichtbenutzung öffentlicher Verkehrsmittel zwei Größen, die sich nur gewaltsam miteinander vergleichen lassen.
Eine Zusatzfrage, Herr Varelmann.
Herr Minister, sind auch Fälle bekannt, daß Landkreise eine Ausgleichsabgabe für Produkte erheben, die aus den Städten in die Landkreise eingeführt werden?
Nein.
Herr Wächter!
Wenn schon der Kollege Varelmann den Gleichheitsgrundsatz für zwei, wie Sie selber soeben betont haben, so paradoxe Komplexe in seiner Frage anspricht - bin ich dann gegebenenfalls berechtigt, Sie zu fragen, ob man diesen Gleichheitsgrundsatz nicht auch auf andere öffentliche Einrichtungen in den Städten ausdehnen könnte, die für andere Wünsche vorhanden sind?
Herr Kollege, Sie sind immer berechtigt, Fragen zu stellen. Ich habe darüber gar nicht zu befinden. Mein Anteil besteht darin - das ist der vergnügliche -, diese Fragen zu beantworten. - Was nun das Beispiel betrifft,
das Sie anführen: darüber würde man wohl reden können.
Wir kommen jetzt zu den Fragen des Herrn Abgeordneten Sander:
Teilt die Bundesregierung die in der landwirtschaftlichen Offentlichkeit weit verbreitete Ansicht, daß einer der Gründe für die schlechte Einkommenssituation in der Landwirtschaft in den Billigeinfuhren aus Drittländern, insbesondere aus Ostblockstaaten, zu sehen ist?
Welche handelspolitischen Maßnahmen können gegebenenfalls seitens der Bundesregierung zur Erleichterung der Lage in der Landwirtschaft getroffen werden, ohne etwaige übergeordnete Gesichtspunkte zu gefährden?
Was wird die, Bundesregierung insbesondere gegen den Preisverfall auf dem Konservenmarkt unternehmen, der bereits zur Schließung mehrerer Konservenfabiken im Raume Braunschweig geführt hat und bei Verstärkung der Billigeinfuhren die Existenz der gesamten Konservenindustrie einschließlich ihrer Arbeitsplätze gefährdet?
Ich bitte mir zu gestatten, zunächst die beiden ersten Fragen wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam zu beantworten.
Ich darf mit der Feststellung beginnen, daß man in dieser generellen Form eine solche Behauptung nicht aufstellen kann. Alle Marktordnungswaren sind gegen Billigeinfuhren aus Drittländern durch Abschöpfungen und Zusatzabschöpfungen auf Grund der EWG-Verordnungen geschützt. Der Anteil der Nichtmarktordnungswaren an den Einfuhren beträgt nur etwa 15 %.. Der Anteil der Einfuhr von Nichtmarktordnungswaren aus Staatshandelsländern, in denen die Möglichkeit besteht, Preise zu beeinflussen, beträgt nur 2,2 % der gesamten landwirtschaftlichen Einfuhren der Bundesrepublik Deutschland. Diese verhältnismäßig geringe Einfuhrmenge kann die Gesamteinkommenssituation der Landwirtschaft kaum beeinflussen, zumal die Einfuhr aus diesen Ländern auf Grund des Außenwirtschaftsgesetzes bei Nichtmarktordnungswaren unter gewissen Voraussetzungen eingestellt werden kann.
Herr Sander!
Herr Minister, sind Sie nicht der Meinung, daß, wie im letzten Jahr, z. B. bei einer Einfuhr von über 1 Million Eiern und einer Einfuhr von über 400 000 Zentnern Geflügel - um nur diese beiden Produkte zu nennen - doch sehr schnell ein Preisverfall - das ist Ihnen ja bekannt - herbeigeführt werden kann?
Ich glaube nicht, daß hier ein kausaler Zusammenhang besteht. Bei Eiern ist es so, daß wir eine sehr hohe eigene Produktion haben und daß die EWG eine bis an die obere Grenze ihrer Selbstversorgung reichende Produktion besitzt. Sie wissen, daß allein in den letzten zehn Jahren die Produktion von Eiern verdoppelt worden ist. Ich glaube also nicht, daß dieser Kausalzusammenhang begründet werden kann oder daß er stichhaltig wäre.
Herr Sander!
.Sander ({0}) : Herr Minister, halten Sie es für gut, daß wir im letzten Jahr bei einer so hohen Zuckerrübenernte zum erstenmal über eine Million Zentner Zucker eingeführt haben?
Die Zahl ist mir nicht geläufig. Ich darf sie nachprüfen. Ich möchte sie in dieser Form nicht so einfach übernehmen.
Herr Sander!
Herr Minister, darf ich Sie bitten, mir darüber dann schriftlich Bescheid zu geben?
Ja, gern.
Herr Ertl!
Herr Minister, wären Sie in der Lage, anläßlich dieser Frage zu sagen, welche Möglichkeiten Sie sehen, die Präferenzen der EWG einzuhalten, die Verpflichtungen zu respektieren, die sich aus dem hohen Industrieexport in Drittländer ergeben, und die politischen Konsequenzen aus der Öffnung nach dem Osten in einen harmonischen Markt einzuordnen?
Ich glaube nicht, daß die Präferenzen der EWG-Länder unter sich ernsthaft verletzt worden sind. Das eine oder andere kann einmal vorkommen. Aber es ist furchtbar kompliziert und auch nicht vorteilhaft, den Partnerstaaten da oder dort eine negative Rechnung aufzumachen. Wir sollten vielmehr sehen, ob das System im großen und ganzen funktioniert. Da muß ich sagen, daß z. B. die Chancen, die wir auf dem Ernährungssektor auf dem italienischen Markt haben, in hohem Maße zufriedenstellend sind.
Herr Ertl!
Herr Minister, darf ich dann noch einmal fragen, ob Sie der Meinung sind, daß sich diese drei Komplexe, Präferenzen, Handel mit Drittländern und Ostblockhandel, ohne gegenseitige Störungen auf dem Markt einordnen lassen?
Man kann einen solchen Komplex nicht nur von einer Seite betrachten. Einmal ist es nicht richtig - ich habe das wiederholt schriftlich und mündlich erklärt -, daß unsere Ostpolitik auf Kosten der deutschen Landwirtschaft geführt würde. Das ist keineswegs der Fall. Wir haben einmal im EWG-Bereich einen Marktordnungsschutz, dem alle Drittländer unterworfen sind. Zweitens ist es so, daß wir bisher dort, wo höhere Kontingente vereinbart waren, auf dem Weg von Verhandlungen über freiwillige Selbstbeschränkung usw. in der Lage waren, die wesentlichsten Interessen zu schützen.
Die Zahlen selbst zeigen, daß zwar gewisse Importe kommen, Sie dürfen aber nicht vergessen, daß wir selber erfreulicherweise für 2 Milliarden DM Ernährungsgüter exportiert haben. Wie ich höre, ist im Januar und Februar dieses Jahres der eigene Agrarexport wiederum um 14 bis 15 % gesteigert worden. Daraus mögen Sie sehen, daß die Bundesregierung bei der Notwendigkeit viele oft widerstreitende Interessen auf einen Nenner zu bringen, durchaus erfolgreich gehandelt hat und daß sie immer zu Kompromissen in der Lage war, die einen Ausgleich aller Interessen herbeiführen, die hier zur Debatte stehen, von denen keines zurückgestellt werden sollte und jedes seine Berechtigung hat.
Herr Josten!
Herr Minister, darf ich Sie fragen, nachdem Sie im Laufe der Fragestunde auf den Einkommensverlust der Landwirtschaft im letzten Jahr hingewiesen haben, ob die Bundesregierung bei ihrem Einfluß auf landwirtschaftliche Importe den Absatz der eigenen landwirtschaftlichen Erzeugnisse entsprechend berücksichtigt?
Ich will einmal nicht die Importe, sondern die Lieferungen aus der sowjetisch besetzten Zone als Beispiel nehmen. Sie kennen unsere Überschüsse aus den beiderseitigen Handelsbeziehungen dort. Sie wissen genau, daß jeweils ein Jahr im voraus Verträge geschlossen werden müssen. Es war möglich, z. B. bei Schweinen die Lieferungen von früher 90 Millionen im Jahr - bei einem Gesamtverbrauch von 7 Milliarden - auf 45 Millionen DM herabzusetzen und gerade in den letzten Wochen neuerdings eine Einschränkung vorzunehmen. Das sind alles Beispiele dafür, daß wir durchaus bereit und auch in der Lage sind, Notwendigkeiten dieser Art gerecht zu werden, wenigstens im Wege eines Kompromisses. Die Bemühungen selbst lassen sich nicht leugnen.
Herr Josten!
Herr Minister, ist Ihnen bekannt, daß bei unserer landwirtschaftlichen Bevölkerung besonders im letzten Jahr dadurch großer Arger entstanden ist, daß beispielsweise unreifes Obst aus Frankreich eingeführt wurde und das eigene Obst auf dem Markt keinen Absatz fand?
Ich kenne diesen Fall sehr genau. Wir haben immer wieder im Rahmen unserer gesetzlichen Möglichkeiten und im Rahmen der EWG-Bestimmungen diese Obstlieferungen auf ihren Reifegrad untersucht. Ich bitte aber, mir abzunehmen, daß es keineswegs einfach ist, den Reifegrad von Obst so klar zu unterscheiden, wie man irgendeine Größe oder .ein Gewicht messen kann:
das geht schon in den Geschmackbereich hinein. Sie wissen sehr gut, daß es da keine genauen Unterscheidungen geben kann.
Nun zu Ihrer dritten Frage. Die Bundesregierung beobachtet die Preisgestaltung auf dem Konservenmarkt mit besonderer Sorgfalt. Sie wird bei Billigeinfuhren, die die Existenz der gesamten Konservenindustrie gefährden könnten, von den Möglichkeiten des Außenwirtschaftsgesetzes Gebrauch machen.
Herr Sander!
Herr Minister, halten Sie es - in Anbetracht Ihrer Aussage - nicht für notwendig, daß wir einmal im Beisein von Vertretern der Er zeuger und der Konservenindustrie, die sich ja vor allen Dingen im Zonengrenzlandgebiet zusammenballt, ein Gespräch führen, um einen weiteren Zusammenbruch der Konservenindustrie und der damit zusammenhängenden Landwirtschaft zu verhindern?
Sie wissen, daß wir eine Enquete durchgeführt haben und deswegen ziemlich genau im Bilde sind, woraus sich diese schwierige Lage erklärt. Es ist ganz klar, daß solche Gespräche bereits geführt wurden und auch in Zukunft geführt werden sollen.
Herr Sander!
Herr Minister, ich darf Sie konkret fragen: Wird es möglich sein, daß wir vielleicht im Laufe des Monats Mai noch einmal ein solches Grundsatzgespräch mit Ihnen führen?
Ja.
Danke sehr.
Damit sind wir am Ende der Fragestunde.
Der Abgeordnete Kahn-Ackermann zieht seine Frage 81 zu dem Geschäftsbereich des Bundesinnenministers zurück. Dasselbe gilt für die Frage 109 des Herrn Abgeordneten Dröscher zu dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung. Die anderen, nicht erledigten Fragen werden schriftlich beantwortet.
Ich rufe Punkt III der Tagesordnung auf:
III. Dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1968 ({0})
- Drucksachen V/2150, V/2701 bis V/2731 Zusammenstellung der Beschlüsse des Bundestages in zweiter Beratung
- Drucksache V/2823 Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Windelen.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir stehen jetzt am Ende einer langen - ich wage nicht zu sagen: und fruchtbaren - Aussprache über den Bundeshaushalt 1968. Leider war die Debatte eigentlich nur dort lebhaft, wo es um die Angelegenheiten des Parlaments selbst ging. Wir sollten - das ist jedenfalls für mich das Fazit dieser Debatte - einmal überlegen, ob es noch sinnvoll ist, die Haushaltsberatungen in diesem Stil weiterzuführen.
({0})
Der Kollege Dr. Pohle hat ausgerechnet, daß dies der 19. Nachkriegshaushalt sei. Damit also verläßt die junge Dame Haushaltswitrschaft das Alter eines Teenager und tritt jetzt in die Phase eines Twen ein. Auf diesem Wege hat sich diese junge Dame sehr kräftig, leider nicht immer ganz harmonisch entwickelt. Sie hat an Umfang beträchtlich zugenommen. Herr Dr. Pohle hat uns auch hier die Daten noch einmal in Erinnerung zurückgerufen. Es begann mit einem Umfang von 14 Milliarden DM. Inzwischen sind wir bei 80 Milliarden DM angekommen. Auf diesem Wege hat sie, wie das in den ersten stürmischen Wachstumsjahren häufig der Fall ist, leider ein wenig in der Schönheit gelitten. Sie hat da und dort etwas Fett angesetzt, sie ist etwas unbeweglicher geworden, und sie hat teilweise recht üppige Formen angenommen. Jedenfalls entspricht sie kaum mehr dem heutigen Twiggy-Ideal, das allerdings ohnehin umstritten ist. Auch die stützenden Korsette der Haushaltsordnung, die Massage der mittelfristigen Finanzplanung haben allenfalls vermocht, einige Schwächen zu mildern oder zu verbergen, sie konnten aber keineswegs alle Mängel beseitigen. Die jugendliche, elegante, sportliche Linie wird sich nur durch weitere Enthaltsamkeit, durch strenge Diät, vielleicht sogar nur durch einige Operationen ganz wiederherstellen und erhalten lassen.
({1})
Dieser Haushalt wird nun also zum Twen, und damit endet auch die Zeit der spontanen und der kurzfristigen Entschlüsse und Entscheidungen. Jetzt heißt es, auf längere Fristen zu planen, in größeren Zeiträumen zu denken, und jetzt ist es wichtig, die Folgen und die Auswirkungen gewisser Entscheidungen besonders sorgfältig zu überlegen. So ist es eigentlich nur logisch, daß jetzt auch dieser Haushalt von den kurzfristigen und spontanen Entscheidungen, vom Jährlichkeitsdenken Abschied nimmt und daß wir dazu übergehen, unsere Haushaltswirtschaft in eine groilräumigere Planung einzubauen.
Gewiß, der Abschied von Kindheit und Jugend ist meist schmerzlich und auch weniger der Einsicht als dem Zwang der Verhältnisse zuzuschreiben. So ist auch der Abschied von der einjährigen Haushaltswirtschaft weniger der Einsicht als dem Zwang der leeren Kassen zuzuschreiben. Aber entscheidend scheint mir, daß es über die Notwendigkeit einer mittelfristigen Planung keine MeinungsverschiedenWindelen
heiten mehr gibt, daß sie zu unbestrittenem Gemeingut geworden ist. Dieser tiefe Einschnitt in die Haushaltswirtschaft, ihre Einbettung in ein längerfristiges Denken geben aber auch Anlaß zu der Hoffnung, daß damit wenigstens gewisse Minimalforderungen erfüllt werden, Minimalforderungen, die man auch an ein mäßiges Provinzorchester stellt, daß Dirigent und Orchester die gleiche Partitur haben. Für uns heißt das, daß eine gesunde Wirtschaft geordnete und den Erfordernissen eines modernen Industriestaates angemessene Staatsfinanzen braucht. Die klassischen Grundsätze der Haushaltspolitik sollten dabei unverändert bleiben: Sparsamkeit, Wahrheit und Klarheit. Sie haben in dieser Phase aktiver Finanzpolitik eine vermehrte Bedeutung bekommen. Die Zukunft erfordert nämlich die Koordinierung aller öffentlichen Haushalte; das ist es, was ich mit dem Vergleich zum Orchester sagen wollte. Wir brauchen alle die gleiche Partitur. Sonst wird statt einer Symphonie eine Kakophonie herauskommen, und die wird uns allen nicht gut gefallen.
Eine zukunftsorientierte Finanzpolitik hat dem Strukturwandel in der Wirtschaft Rechnung zu tragen. Sie hat ihn zu fördern, nicht zu bremsen oder gar zu verhindern. Dennoch aber dürfen wir die wirtschaftliche und konjunkturelle Bedeutung der öffentlichen Finanzwirtschaft nicht überbetonen. Wir dürfen darüber nicht den eigentlichen Auftrag der Haushaltswirtschaft vergessen, nämlich die öffentlichen Aufgaben zu erfüllen.
Die Väter unserer jungen Dame Haushaltswirtschaft schneidern nun seit einiger Zeit auch an einer etwas moderneren Garderobe für ihre Tochter. Das Stabilitätsgesetz, die mittelfristige Finanzplanung war nur der Anfang. Jetzt gilt es, diese Ausrüstung zu vervollständigen. Das Kleidchen des Haushaltsrechts, das noch von der Großmutter aus den „golden twenties" stammt, ist inzwischen doch arg verschlissen und unpassend geworden. Es bedarf dringend der Erneuerung, um wenigstens die ärgsten Blößen zu verdecken. Gleichzeitig sind jetzt auch die Modeschöpfer und die Schneider darangegangen, mit der Finanz- und Finanzverfassungsreform diese Ausrüstung zu vervollständigen. Ich möchte diesen Schöpfern nur eines empfehlen: Legen Sie uns bitte kein Mini-Modell vor!
({2})
Diese Mode wird bald passé sein. Wir hätten gern etwas, was auch morgen noch getragen werden kann.
Bei aller Fortschrittlichkeit aber sollte man bei dieser Schneiderarbeit keineswegs auf die bewährten und soliden Grundsätze sowohl der Haute Couture als auch der Haushaltswirtschaft verzichten. Nicht alles, was jung, nicht alles, was neu und revolutionär ist, ist allein schon deswegen gut; und nicht alles, was alt ist, ist allein deswegen heute nicht mehr brauchbar. Dezente Sparsamkeit, schlichte Eleganz und eine gewisse Transparenz sind bewährt Stilelemente sowohl in der Mode als auch in der Haushaltswirtschaft.
Zurück zur Finanzreform! Ich warne hier vor dem Versuch, Einzelinteressen durchsetzen zu wollen. Wer das tut, handelt gegen die Zeit, gefährdet den Bestand unserer föderalistischen Ordnung. Wir sollten nicht zulassen, daß unsere Finanzreform Stückwerk wird, das den Namen einer Reform nicht verdient. Dann sollte man es lieber lassen. Das Ziel ist ja nicht, der einen oder anderen Gebietskörperschaft lediglich mehr Geld zu geben, sondern zu einer rationellen, flexiblen und dynamischen, unserer Entwicklung gemäßen Verteilung von Aufgaben und Mitteln zu kommen.
In der Diskussion über unsere Finanz- und Haushaltswirtschaft ist in der Öffentlichkeit oft der Eindruck erweckt worden, als wäre die Deckung unserer Haushaltsdefizite allein durch den Abbau von Subventionen möglich. Hier ist von knallharten Beschlüssen gesprochen worden.
({3})
Hier sind Milliarden-Summen genannt worden, die in Kürze gestrichen würden. Nun, wir hatten damals schon ein wenig vor Illusionen gewarnt.
({4})
Inzwischen liegt uns der Subventionsbericht der Bundesregierung vor. Wir möchten uns für diese sehr gründliche Arbeit ausdrücklich bedanken. Aber ihr Studium bietet keineswegs Anlaß zu reiner Freude. Hier ist vielleicht mancher Blütentraum zerstört worden. Wir stellen auf Grund dieses Berichts fest, daß die Subventionen gerade jetzt ein nie dagewesenes Ausmaß erreicht haben. Mich wundert das nicht in einer Zeit so raschen Strukturwandels. In der Energiewirtschaft, beim Bergbau, beim Übergang der Landwirtschaft in die EWG hat der Staat die Aufgabe, solche Entwicklungen in geordnete Bahnen zu lenken, damit sie sich ohne Schaden für die Volkswirtschaft vollziehen können.
Noch ein Wort zum Subventionsbericht. Mir ist deutlich geworden, wie schwer es offenbar ist, eine klare Definition des Begriffs „Subventionen" zu finden. Manches, was in dem Bericht steht, gehört mindestens unter diesem Begriff nicht dort hinein. Das gilt - jedenfalls war das mein Eindruck - insbesondere für den steuerlichen Teil. Hier sind doch teilweise Maßnahmen aufgeführt, die zur Vermeidung von Doppelbelastungen oder aus sozialen und gesellschaftspolitischen Gründen notwendig sind, um Verzerrungen zu verhindern.
Was bei Subventionen besonders beachtet werden muß, ist, daß sie nicht dafür eingesetzt werden dürfen, überholte und unhaltbar gewordene Strukturen zu zementieren.
({5})
Ausschlaggebend scheint mir nicht in erster Linie das Volumen der Subventionen zu sein, sondern die Verwendung, die Frage, wie und wo wir sie einsetzen. Eine nur globale Wachstumspolitik ohne die Berücksichtigung der sektoralen und der regionalen Komponenten schafft Wachstumsraten nur auf dem Papier.
({6})
Zu einem dynamischen Wirtschaftsprozeß gehört auch - das mag hart klingen, aber ich sage es dennoch - die Verschrottung alter und unrentabel gewordener Anlagen. Der Einsatz unserer knappen Haushaltsmittel, der Einsatz unserer knappen Arbeitskräfte in unrentablen Wirtschaftszweigen ist auf die Dauer Verschwendung, die wir uns nicht leisten können. Natürlich erreichen wir damit zunächst Vollbeschäftigung, natürlich erreichen wir damit heute nominales Wachstum, aber um den Preis von Leistungsverlusten, um den Preis eines Verfalls unserer Volkswirtschaft für die Zukunft.
Ich brauche hier nicht noch einmal auf die entscheidende Bedeutung unserer Zukunftsinvestitionen auf dem Gebiet der Wissenschaft und Forschung einzugehen. Die Kollegen Dr. Pohle und Dr. Möller sowie der Herr Bundeswirtschaftsminister haben in dieser Debatte ausdrücklich auf die Wichtigkeit solcher Investitionen hingewiesen. Ich kann das nur unterstreichen. Aber gerade aus diesem Grunde muß uns der erneute Anstieg der konsumtiven Ausgaben durch beträchtliche Überschreitungen in bestimmten Sozialbereichen zu Lasten der Investitionsrate mit Sorge erfüllen. Der Haushaltsausschuß hätte gern die Aufwendungen für Forschung und Entwicklung noch mehr verstärkt, als er es getan hat. Er hat das nur in sehr bescheidenem Umfang vermocht. Ich bitte Sie, die Arbeit des Haushaltsausschusses keineswegs nur als ein seelenloses Streichorchester zu verstehen. Wir haben uns durchaus auch bemüht, einige Akzente neu zu setzen. Daß sie so bescheiden ausgefallen sind, liegt weniger am guten Willen als an mangelnden Möglichkeiten.
Was uns bei diesen Beratungen besonders beschäftigt hat und was auch größere Aufmerksamkeit in diesem Haus erfordert, ist die Entwicklung der Personalkosten in den öffentlichen Haushalten. Ich beschränke mich hier auf den Bundeshaushalt. Wie die Finanzberichte der Bundesregierungen ausweisen, sind die Personalkosten von 1963 bis 1967 von zirka 5 1/2 Milliarden auf zirka 11 1/2 Milliarden DM, also um 110 % gestiegen.
({7})
Die sonstigen ordentlichen Ausgaben stiegen im gleichen Zeitraum von zirka 55 Milliarden auf zirka 69 Milliarden DM, also lediglich um 23,3 %. Das heißt also, daß der Anstieg der Personalkosten allein beim Bund von 1963 bis 1967 fast fünfmal so hoch war wie die sonstigen ordentlichen Ausgaben des Bundes. Der Anteil der Personalausgaben an den ordentlichen Ausgaben des Bundes betrug 1963 9,7 %, 1967 bereits 16,6 %.
Es wäre aber unaufrichtig und unfair, wenn ich hier nicht dazu sagte, daß ein wesentlicher Teil dieses steilen Anstiegs auf den Anstieg im Verteidigungsbereich zurückzuführen ist. Aber das, was bleibt, sollte uns noch genügend Stoff zum Nachdenken geben. Der Rest nämlich sind die Stellenvermehrungen, sind die Stellenhebungen und sind auch die sicherlich nicht exorbitanten Lohn- und Gehaltsverbesserungen im öffentlichen Dienst. Eindrucksvoller, besorgniserregender ist das Bild in den Gemeinden und in den Ländern. Wenn wir vom Finanzminister des Saarlandes hören müssen, daß die gesamten Steuereinnahmen des Saarlandes heute nicht mehr reichen, um nur die Personalkosten zu bestreiten,
({8})
sind wir an einem Punkt angelangt, der uns zum Nachdenken zwingt.
({9})
Es wird also notwendig sein, zu einer strafferen Bewirtschaftung unseres knappen qualifizierten Personals zu kommen. Dabei ist den berechtigten Belangen des öffentlichen Dienstes Rechnung zu tragen.
Natürlich wäre es töricht, die Schuld für diese Entwicklung etwa den Beamten zu geben. Nicht sie haben die Gesetze beschlossen, sondern wir haben sie beschlossen.
({10})
Deswegen sage ich das hier vor diesem Hause. Bei jedem Gesetz, das wir verabschieden, sollten und müssen wir in Zukunft mehr als bisher bedenken und berücksichtigen, welchen Verwaltungsaufwand es auslöst und wie wir diesen Verwaltungsaufwand durch moderne Methoden der Datenverarbeitung usw. vermindern und begrenzen können.
({11})
Es muß aber auch erwartet werden, daß die öffentlichen Bediensteten in der Verwaltung gezielt und rationell eingesetzt werden, um mit dem geringstmöglichen Aufwand die Erfüllung der sicherlich stark gewachsenen Verwaltungsaufgaben zu ermöglichen. Es soll gewiß nicht verkannt werden, daß neu auftauchende Aufgaben, die die Anwendung neuer Techniken erfordern, nur mit besonders vorgebildeten Kräften bewältigt werden können und daß wir deswegen oft zur Schaffung neuer Planstellen und neuer Dienststellen gezwungen sind. Das kann mich aber nicht an der Feststellung hindern, daß den ungehemmten Personalerweiterungen und Stellenverbesserungen der letzten Jahre Einhalt geboten werden muß.
({12})
- Ich werde darauf zu sprechen kommen. Die Neigung, Herr Kollege Baier - und damit komme ich genau auf diesen Punkt -, für neue Aufgaben neues Personal zu fordern und den alten Organisationsstand im übrigen unverändert zu lassen, ist bei den Verhandlungen im Haushaltsausschuß nur allzuoft zutage getreten. Der Haushaltsausschuß hat sich deswegen gezwungen gesehen, eine nicht unbeträchtliche Anzahl der beantragten Stellen abzulehnen, nicht wegen einer unfreundlichen Haltung gegenüber der Beamtenschaft, sondern aus seiner Verantwortung für die öffentlichen Finanzen.
Ich möchte deshalb die Gelegenheit benutzen, einen Appell an die Bundesregierung zu richten, künftig bei jeder Neuanforderung von Planstellen und Dienstposten zunächst zu prüfen, ob nicht vorWindelen
handene Dienststellen abgebaut oder wenigstens eingeschränkt werden können.
({13})
Die gegenwärtige Altersstruktur im öffentlichen Dienst bietet eine einmalige Gelegenheit, bei Verminderung von Aufgaben durch die Nichtwiederbesetzung von Stellen einen Personalabbau wenigstens zu versuchen. Darauf möchte auch der Haushaltsausschuß mit der von ihm vorgeschlagenen Bestimmung des § 11 Abs. 2 hinwirken, wonach 20 % der durch natürlichen Abgang frei werdenden Stellen nicht wieder besetzt werden sollen.
Die FDP hat sich diesem sehr bescheidenen Versuch leider widersetzt, ohne uns einen besseren Vorschlag zu machen. Wir sind uns der Begrenztheit dieser Möglichkeit durchaus bewußt. Wir sind uns bewußt, daß wir diese Bestimmungen nicht ohne Ausnahmen werden durchhalten können. Aber irgendwo muß doch einmal begonnen werden. Ich hoffe, daß damit auf die Verwaltung ein heilsamer Zwang ausgeübt wird, die Bestrebungen des Haushaltsausschusses nach einer Verminderung der Personalkostenbelastung des Bundes stärker als bisher in die Tat umzusetzen.
({14})
Die ungeregelten Stellenverbesserungen, die in die Zehntausende gingen, sind eine wesentliche Ursache für die Unzufriedenheit in der Beamtenschaft.
({15}) : Genau!)
Dieses bedauerliche Kapitel in der Geschichte des deutschen Beamtentums sollte im Interesse der Beamtenschaft selbst schleunigst abgeschlossen werden. Auch hier hat der Versuch, eine „übertriebene Gerechtigkeit" einzuführen, zu immer neuen Ungerechtigkeiten geführt. Wenn es nicht gelingt; wieder zu einer klaren Gliederung der Stellenpläne zurückzufinden, wird sich nach meiner Auffassung der Beamtenstatus heutiger Prägung auf die Dauer nicht aufrechterhalten lassen.
Lassen Sie mich noch wenige Worte zur Haltung der Opposition zu diesem Haushalt sagen. Die Beiträge hier - und das gilt nicht nur für die Opposition - waren vorwiegend politischer Natur. Das, was hier gesagt wurde, konnte in jeder außenpolitischen, in jeder verteidigungspolitischen, in jeder allgemeinen Debatte ebensogut gesagt werden. Es war viel von Vietnam und von Notstand und von Ordnungswidrigkeiten und von 0,8 Promille die Rede, aber wenig von Geld und überhaupt nicht von Alternativen.
({16})
Abgesehen von einigen ungedeckten Propagandaanträgen zum Etat des Ernährungsministers,
({17}) mit denen keinem Bauern geholfen wird,
({18})
sind hier nur einige unausgegorene, undurchführbare Kürzungsvorschläge auf dem Gebiet der Verteidigung und der Zivilverteidigung unterbreitet worden.
Herr Abgeordneter Windelen, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Selbstverständlich, sehr gern!
Bitte, Frau Abgeordnete Diemer-Nicolaus.
Herr Kollege, ist Ihnen bekannt, daß es gerade auch bei den Beratungen in den Landtagen über Etatfragen gute Sitte und Brauch ist, daß im Zusammenhang damit auch die politischen Auffassungen vorgetragen werden, die die einzelnen Parteien zu den verschiedenen politischen Fragen haben?
Gnädige Frau, ich stelle fest, daß Sie offenbar erst im Verlauf meiner Ausführungen hierhergekommen sind;
({0})
sonst hätten Sie zur Kenntnis genommen, daß ich einige Fragezeichen gesetzt habe, ob diese Form der Haushaltsberatungen heute noch angemessen und sinnvoll ist.
({1})
Im übrigen vertritt die FDP hier aber die gleiche Linie, wie sie der Kollege Emde auch draußen im Lande seinem Parteivolk vorgetragen hat. Ich zitiere aus einer Rede, die er vor seinem Mannheimer Parteivolk vor wenigen Wochen ausweislich des „Mannheimer Morgen" gehalten hat. Er sagte etwa folgendes: Die Finanzleute der FDP hätten bereits seit 1964 gewarnt. Auf sie gehört habe niemand. Zwar sei die FDP bis 1965 an den Regierungsentscheidungen beteiligt gewesen. Aber die Grundlage aller Schwierigkeiten sei bereits in den Jahren zwischen 1957 und 1961 gelegt worden,
({2})
vor allem durch den Drang zur Atombombe und die Rentengesetzgebung. Außerdem sei der FDP-Einfluß in der Kleinen Koalition viel zu gering gewesen, als daß man sich gegen den großen Bruder CDU hätte durchsetzen können. - So einfach ist das also: die Atombombe und die Rentengesetzgebung, die Atombombe, die wir nie haben .wollten und wollen, und die Rentengesetzgebung, die also jetzt wohl wieder abgeschafft werden soll. Und das angesichts der Tatsache, daß die FDP damals den Finanzminister im Kabinett gestellt hat, den Finanzminister, der ja im Kabinett besondere Vollmachten hat. Nein, nein; nicht der FDP-Einfluß in der Kleinen Koalition war zu gering, sondern der Einfluß des FDP-Finanzministers in seiner Fraktion war zu gering.
({3})
Lassen Sie mich zum Schluß kommen. Dem Haushaltsausschuß ist es gelungen, das Ausgabevolumen des Bundeshaushalts mit 80,65 Milliarden DM unverändert zu halten. Es ist trotz wesentlicher Verschiebungen im Zahlenwerk möglich gewesen, Kürzungen bei den Investitionen und Aufwendungen für die Zukunftsvorsorge weitgehend zu vermeiden. Damit ist die ökonomische Zielsetzung, welche die Bundesregierung mit dem Haushalt 1968 verband, wirksam geblieben.
Ich bitte Sie deswegen im Namen der CDU/CSU-Fraktion, dem Bundeshaushalt 1968, auch wenn Ihnen daran - wie mir - manches nicht gefällt, Ihre Zustimmung zu geben.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Hermsdorf.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nachdem wir nach zweieinhalbtägiger Schlacht heute zu den Schlußbetrachtungen des Haushalts kommen, ist es so, wie es nun einmal nach einer Schlacht ist: die Reihen haben sich gelichtet; die Helden sind allerdings nicht gefallen, sie haben sich nur abgesetzt.
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Das ist wohl verständlich, zumal die Sprecher in Haushaltsfragen in allen Fraktionen immer ganz besonders „beliebt" sind. Ich hoffe, Sie haben die Anführungszeichen verstanden.
Nun haben Sie, Herr Kollege Windelen, Kritik am Verlauf der Debatte geübt, worüber alles gesprochen worden ist. Ich bin mit Ihnen der Auffassung, daß einiges hätte anders sein können. Aber ich erkläre hier für meine Fraktion: man muß an dem Prinzip festhalten, daß bei der Beratung des Haushalts nicht nur der Haushalt, sondern die gesamte Politik der -Regierung zur Debatte steht und besprochen werden muß.
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Das mag uns als Haushaltsfachleuten manchmal nicht recht sein, aber hier in diesem Hause steht eben die ganze Politik zur Debatte. Wer auch immer in diesem Hause Opposition sein mag: er muß bei der Beratung des Haushalts die Möglichkeit haben, hier - auf welchem Gebiet auch immer - die Politik der Regierung anzugreifen oder verbessern zu helfen.
Gestatten Sie eine Frage?
Bitte sehr, Herr Dr. Althammer!
Herr Kollege Hermsdorf, sind Sie wenigstens insoweit mit mir einig, daß dann diese allgemeine politische Debatte
unter haushaltspolitischen Aspekten geführt werden sollte?
Soweit sich das ermöglichen läßt: ja.
. Herr Kollege Windelen, ich bewundere Sie: Wenn Sie Haushaltsreden halten, fällt Ihnen immer wieder etwas ein, was diese trockene Materie ein bißchen auflockert. So etwas Auflockerndes fällt mir leider nie ein, da bin ich schwächer als Sie. Trotzdem haben Sie heute mit dem Vergleich des Kindes, das die Pubertät verläßt und ins Erwachsenenalter kommt, für mich einen ganz neuen Akzent gesetzt, der mir bisher medizinisch noch nicht erklärbar war: daß ein Kind mehrere Väter hat. Das muß ich mir erst noch mal genau überlegen, wie das geht. Bisher war das jedenfalls nicht ganz so zu sehen. Aber es paßt natürlich in diesen Vergleich herein, weil die mehreren Väter ja wirklich in diesem Hause vorhanden sind.
Nun möchte ich zur Sache selbst kommen. Es ist ein bißchen bedauerlich, daß auch hier die Sprecher - und zwar alle drei - in dieser Schlußberatung unter dem Druck der langen Beratungen vorher sind, unter dem Druck des heutigen Tages stehen und sich deshalb sehr kurz fassen müssen. Heute, wo wir zur abschließenden Beratung des Bundeshaushalts 1968 zusammen sind, muß ich natürlich auf die besondere Bedeutung dieses Haushalts hinweisen. Dieser Haushalt 1968 steht unter dem Motto, eine Wende in der Bundeshaushaltspolitik einzuleiten.
Der Bundeshaushalt 1967 war ein ausgesprochener Krisenhaushalt. Infolge der Wirtschaftsabschwächung und der sinkenden Steuereinnahmen mußten laufend neue Steuerschätzungen angestellt und mußte immer wieder der Versuch gemacht werden, diese Entwicklung zu ändern. Andererseits konnten wir auch das erste Investitionsprogramm mit 2,5 Milliarden DM verabschieden. Dann konnten wir das zweite Programm der Bundesregierung für besondere konjunktur- und strukturpolitische Maßnahmen nach § 8 des Stabilitätsgesetzes mit 1,45 Milliarden DM einarbeiten.
Im Bundeshaushalt 1967 wirkten sich daher völlig gegensätzliche Tendenzen aus, was sich auch in der öffentlichen Kritik niederschlug. Die einen beklagten eine angeblich zu hohe expansive Kreditfinanzierung, die in diesem Umfang in der Bundesrepublik noch nie praktiziert worden war und völlig neu war. Den anderen erschien der Bundeshaushalt 1967 durch die begleitenden Finanzplanungsgesetze zu restriktiv. Die einzigen, die beides beklagten, waren die Freien Demokraten.. Ich bin gespannt, wie Herr Emde diesen Punkt heute logisch darstellen will. Das ist eine Frage, die noch offen ist.
Demgegenüber ist der Bundeshaushalt 1968 aus einem einheitlichen Konzept entwickelt. Er ist der erste Haushalt, der nach den Grundsätzen des Stabilitäts- und Wachstumsgesetzes aufgestellt ist. Umfang und Zusammensetzung der Ausgaben und der Ermächtigungen zum Eingehen von Verpflichtungen haben sich nach § 5 des Stabilitätsgesetzes zu richten, wo es heißt, daß sie im Rahmen der marktwirtHermsdorf
schaftlichen Ordnung gleichzeitig zur Stabilität des Preisniveaus, zu einem hohen Beschäftigungsstand, zum außerwirtschaftlichen Gleichgewicht bei stetigem und angemessenem Wirtschaftswachstum beitragen sollen.
Das ist die Grundkonzeption, nach der der Haushalt 1968 ausgerichtet ist. Dieser Forderung des Stabilitätsgesetzes kann der Bund nur nachkommen, weil durch rechtzeitige Verabschiedung des Finanzänderungsgesetzes die laufenden Ausgaben auf ein vertretbares Maß, und zwar um nicht weniger als 2,2 Milliarden DM im Jahre 1968 bzw. um 14 Milliarden DM in dem Planungszeitraum, herabgedrückt wurden. Dadurch wurde die Möglichkeit eröffnet, daß den Wachstumsraten bei den Ausgaben für die Investition und den Ausgaben für die Zukunftsvorsorge Vorrang eingeräumt wird.
Wäre das Finanzänderungsgesetz 1967 von diesem Hause nicht rechtzeitig verabschiedet worden, dann hätten insbesondere die Ansätze für Verkehrsinvestitionen, für Investitionen im landwirtschaftlichen Bereich, für wissenschaftliche Forschung oder für den konjunkturstützenden Wohnungsbau empfindlich gekürzt werden müssen. Der Bundeshaushaltsplan 1968 hätte dann zwar im Konsumbereich höhere Ansätze gebracht, dafür wäre aber seine Wirkung im Investitionsbereich ausgesprochen restriktiv gewesen. Er hätte demnach keinen Beitrag zu einem stetigen und angemessenen Wirtschaftswachstum leisten können.
Meine Damen und Herren, mit dieser kurzen rückschauenden Betrachtung möchte ich dem Hohen Haus nochmals eindringlich vor Augen führen, daß die Bemühungen um die Förderung der Wirtschaft und um die Sicherung eines geordneten und stabilen Finanzwesens ergebnislos bleiben, wenn wir nicht die Kraft aufbringen, die finanzpolitischen Maßnahmen einschließlich der ausgabenverursachenden Gesetzgebung nicht nur den finanziellen Möglichkeiten unseres Staatswesens, sondern auch den Forderungen einer Wachstums- und Konjunkturpolitik anzupassen.
Hierzu steht die mittelfristige Finanzplanung zur Verfügung. Der vorliegende Haushaltsentwurf 1968 ist der erste Etat, den die neue Bundesregierung aufgestellt hat und der in die mittelfristige Finanzplanung des Bundes bis 1971 eingebettet ist. Diese über den Einjahreszeitraum hinausgehende Planung zeigt für jeden sichtbar die Grenzen und Möglichkeiten unseres finanziellen Spielraums auf. Heute und in Zukunft kann sich also niemand mehr wie in früheren Zeiten darauf berufen, daß er mangelhaft unterrichtet worden sei oder daß er nicht gewußt habe, welche Konsequenzen von finanziellen Adhoc-Entscheidungen ausgingen.
({0})
Ich mache mir keine Illusionen darüber - ganz gewiß nicht, und wohl kein Politiker in diesem Hohoen Hause tut das -, daß nicht im Laufe der vor uns liegenden Legislaturperiode und auch im Laufe dieses Jahres noch eine Reihe von Gruppenwünschen auf, uns zukommen. Wir als Abgeordnete, die dem Gesamtwohl des Volkes verpflichtet sind, werden sie ernsthaft auf ihre Notwendigkeit und auf ihre Durchführbarkeit hin prüfen. Ich möchte aber an dieser Stelle keinen Zweifel darüber lassen, daß meine Freunde und ich nicht die Hand dazu reichen werden, daß wieder Zustände mit all ihren bitteren Folgen einreißen, wie wir sie in diesem Hohen Hause im Jahre 1965 erleben mußten. Das muß verhindert werden.
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Lassen Sie mich ein abschließendes Wort zur Finanzplanung sagen. Wir waren uns immer darüber einig, daß die Finanzplanung nur dann ihren vollen Zweck erreichen kann, wenn sie den gesamten öffentlichen Haushalt umfaßt, sich also nicht nur auf den Bundeshaushalt, sondern ebenso auf die Haushalte der Länder und der Gemeinden bezieht. Der Bundestag begrüßt es daher, daß sich die Bundesregierung mit den Ländern geeinigt hat, um - zunächst ohne gesetzliche Grundlage - den Finanzplanungsrat zu schaffen, der seine Arbeiten bereits aufgenommen hat. Dabei wissen wir, daß weder der Finanzplanungsrat noch die Bundesregierung eine gesetzliche Zuständigkeit hat, die Frage der politischen Rangfolge der einzelnen Aufgaben verbindlich festzulegen. Das macht dieses Haus. Der Bundestag als Parlament trägt die Verantwortung für die gesamtpolitische Entwicklung. Er muß hier die Linien aufzeigen, in welchen sich die Finanz-und Wirtschaftspolitik des Bundes und der Länder zu bewegen hat. Meine Damen und Herren, ich wiederhole, der Bundestag muß auch die Linien aufzeigen, in welchen sich die Länder zu bewegen haben. Das mag. bei der Bundesratsbank, die, wie immer, wenn es um Sachen geht, die sie angehen, nicht da ist, sondern nur bei der Außenpolitik erscheint, nicht gern gehört werden. Aber ich betone das hier nochmals ausdrücklich.
Wir müssen natürlich dabei berücksichtigen, daß unsere Erwartungen auf die rechtzeitige Vorlage der bis 1972 fortgeführten Finanzplanung durch die Bundesregierung noch nicht bestätigt sind. Ich richte deshalb ausdrücklich den Wunsch an die Bundesregierung, an den Bundesfinanzminister, daß wir möglichst bald, wenn es geht noch vor der Sommerpause, sozusagen die Weiterentwicklung der Finanzplanung bis 1972 vorgelegt bekommen. Dann haben wir wieder vom Haushalt aus die Möglichkeit, uns hier zu orientieren.
Nun lassen Sie mich ein Wort über die endgültige Gestaltung des Bundeshaushalts 1968 sagen. Ich möchte noch einen Blick auf die Änderungen werfen, die sich durch Beschlüsse des Haushaltsausschusses ergeben haben. Die Ausschußberatungen waren trotz der 1967 vorgenommenen Gesetzesänderungen zur Beseitigung des strukturellen Ausgabeüberhangs nicht einfach. Der Regierungsentwurf liegt zwar heute zur Beschlußfassung in der dritten Lesung dem Volumen nach unverändert vor, jedoch sind innerhalb dieses Rahmens während der Ausschußberatungen in wesentlichen Positionen erhebliche Änderungen erfolgt, die nicht zu übersehen sind. Denn auch hier gibt es bei den Änderungen einige Konsequenzen, die ja nicht durch dieses Haus beschlossen wurden, sondern die sich
einfach aus der Gesetzeslage ergeben und über die wir nachdenken müssen. Ich will mich hier nicht in Einzelheiten verlieren, sondern ich verweise insoweit auf den Schriftlichen Bericht unseres verehrten Präsidenten, meines Freundes Erwin Schoettle.
Der Haushaltsausschuß selbst sah sich mit zwei Tatbeständen konfrontiert. Einmal führte die Wirtschaftsabschwächung im Rechnungsjahr 1967 zu einer erheblichen Reduzierung der Steuerschätzung. Sie ergibt sich aus der weiteren konjunkturbedingten Basisverschiebung auf Grund des Ist-Ergebnisses 1967. Außerdem ist zu unserem Bedauern nicht mit einem so starken Anwachsen der Löhne und Gehälter zu rechnen, wie es in der Schillerschen Zielprojektion angegeben ist. Das wiederum bedeutet, daß auch ein Zurückbleiben der geschätzten Lohnsteuereinnahmen zu verzeichnen ist.
Auf der anderen Seite ergaben sich gegenüber der Regierungsvorlage zwangsläufig Mehrausgaben in Höhe von 973 Millionen DM. Der größte Einzelposten entfällt hier auf die knappschaftliche Rentenversicherung mit 400 Millionen DM und erklärt sich dadurch, daß offensichtlich viele Bergleute von sich aus die Initiative ergriffen haben und in andere Berufe übergetreten sind oder die Verrentung vorgezogen haben. Die Beitragseinnahmen sanken daher stärker, und die Rentenleistungen erhöhten sich über das Maß hinaus, das aus der Umstrukturierung des Bergbaus vorgesehen war. Eine weitere zwangsläufige Mehrausgabe fiel bei der Kriegsopferversorgung in Höhe von 100 Millionen DM an.
Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich hier noch einmal sagen, daß sich diese halbe Milliarde Mehrausgaben nicht aus Beschlüssen des Haushaltsausschusses ergibt, sondern aus den Gesetzestexten und deren Konsequenzen. Und ich frage mich eigentlich, wo für uns als Mitglieder des Haushaltsausschusses noch die Möglichkeit der Solidität und Zuverlässigkeit unserer Beratungen bleibt, Herr Kollege Katzer, wenn sich ein Ministerium in der Schätzung um eine halbe Milliarde irrt. Ich habe versucht zu erklären, wie das entstanden ist, und ich mache Ihnen keinen Vorwurf. Nur ist das für uns Mitglieder des Haushaltsausschusses eine ganz fatale Situation, weil wir vor Konsequenzen gestellt werden, die wir als Haushaltsausschuß nicht heraufbeschworen haben.
Nun haben wir aber auch zur Verstärkung der öffentlichen investiven Ausgaben einiges zugunsten der Länderhaushalte getan. Ich darf hier vielleicht einmal - wenn auch nur für das Protokoll, weil hier niemand vom Bundesrat anwesend ist - einen Satz wiederholen. Ich habe ausdrücklich gesagt: Wir sind davon ausgegangen, daß wir etwas zur Verstärkung der investiven Ausgaben der Länder tun wollten, nicht zur Verbesserung der Gehälter oder anderer verbrauchswirksamer Ausgaben.
({2})
Wieweit das z. B. bei einem Land wie dem Saarland möglich ist, das bleibt dahingestellt. Allerdings muß hier auch einmal folgende Tatsache mutig angesprochen werden. Daß heute an der Saar die Steuereinnahmen nicht mehr ausreichen, um die
Gehälter zu decken, liegt nicht an der Gehalts- und Beamtenpolitik des Bundes, sondern liegt daran, daß dieses Land nicht lebensfähig ist, daß es in dieser Größe seine Aufgaben einfach nicht erfüllen kann. Ich wage es gar nicht, dem Hause zu sagen, welche Konsequenzen sich daraus ergeben.
({3})
Schon in diesem Hause würde es sehr schwierig sein, sich auf eine Veränderung der bisherigen Grenzen der bestehenden Länder zu einigen. Wenn ich aber an die Bundesratsbank denke, habe ich wenig Hoffnung, daß das in absehbarer Zeit erreicht werden könnte.
({4})
- Verzeihung, ich habe keine Hemmungen; nur bin ich der Auffassung, daß man es nicht so machen sollte, wie Sie. Man sollte nicht sagen: „Ganz hart auf den Tisch knallen, heraus kommt sowieso nichts!", sondern man sollte sich in diesem Punkt etwas vorsichtiger äußern.
Nun, meine Damen und Herren, was haben wir für die Länder getan?
Erstens. Zur Stärkung der finanzschwachen Länder haben wir 200 Millionen DM zusätzlich veranschlagt, und zwar davon für Ergänzungszuweisungen an leistungsschwache Länder zusätzliche 130 Millionen DM, die sich damit für 1968 auf insgesamt 390 Millionen DM erhöhen.
Zweitens werden als Sonderzuwendungen für Strukturmaßnahmen in den Ländern Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Saarland und Schleswig-Holstein 50 Millionen DM neu vorgesehen.
Drittens. Als Maßnahme mit weitragendem Zukunftsgehalt ist die Ausbringung von neuen 50 Millionen DM für den Ausbau der Infrastruktur an Ruhr und Saar entsprechend dem Vorschlag der Bundesregierung im Jahreswirtschaftsbericht 1968 vorgesehen. Mit zinsverbilligten Krediten sollen Wachstumsindustrien neu angesiedelt oder gefördert werden, um die durch Verminderung der Kohleproduktion frei werdenden Arbeitskräfte wieder sinnvoll in den Wirtschaftsprozeß einzugliedern.
Viertens. Für kommunale Verkehrsvorhaben werden die Mittel aus der zweckgebundenen Mineralölsteuer für 1968 um 50 Millionen DM auf 750 Millionen DM aufgestockt.
Erlauben Sie mir hier, meine Damen und Herren, eine Frage an das Bundeswirtschaftsministerium. Wir haben bei den 50 Millionen DM für die Infrastruktur an der Saar und an der Ruhr einen neuen Weg eingeschlagen. Ich verweise aber darauf, daß dieses Haus einen Entschließungsantrag angenommen hat, wo 1 Milliarde gefordert wird, auch für Infrastruktur, auch für Ruhr und Saar, aber insbesondere auch für die Zonenrandgebiete; sprich: Niedersachsen, sprich: Ostbayern, sprich: SchleswigHolstein. Ich möchte gern einmal wissen - weil ich auch ein bißchen meine Zweifel habe, was das Volumen angeht, die Aufgabe aber sehr notwendig und interessant ist -: Wie gedenkt eigentlich das
Wirtschaftsministerium mit diesem Antrag zu verfahren, und welche weiteren Pläne zur Verfolgung dieses Zieles hat das Wirtschaftsministerium?
Lassen Sie mich nun zu dem Thema „Länder" noch eine grundsätzliche Bemerkung anfügen. Bei den pragmatischen Maßnahmen, die wir zugunsten der Länder getroffen haben, muß ich hinzufügen, daß diese Maßnahmen selbstverständlich keine Dauerlösung sein können. Es zeigen sich hier gleichzeitig die Schwächen unseres gegenwärtigen Systems des Finanzausgleichs zwischen Bund und Ländern, es zeigt sich, daß das, was wir bisher hier haben, nicht ausreicht, um die Lebensfähigkeit aller vorhandenen Länder sicherzustellen und um die Chancen einheitlicher Lebensverhältnisse für die Bürger in allen Bundesländern zu sichern und zu vergrößern. Der Ausgleich der Steuerkraftunterschiede allein reicht - von Berlin abgesehen - mindestens bei vier Ländern nicht aus, um ihre Finanzen in Ordnung zu bringen und ihre Zahlungsfähigkeit zu sichern. Ich muß daher die Erwartung aussprechen, daß die Bundesregierung im Zusammenhang mit der Neuregelung des vertikalen Finanzausgleichs für die Rechnungsjahre 1969 und später neue Wege vorschlagen wird, um auch die finanzschwachen Länder auf eine gesicherte finanzielle Grundlage zu stellen.
Mit Genugtuung darf ich bei dieser Gelegenheit noch feststellen, daß es uns in voller Übereinstimmung mit dem Berliner Senat doch möglich geworden ist, die Mittel für die Bezuschussung des Luftreiseverkehr von und nach Berlin wieder auf den alten Betrag aufzustocken, um auf diese Weise einen Rückschlag in der Reisehäufigkeit zwischen dem Bund und Berlin zu vermeiden.
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Die seit der Vorlage des Regierungsentwurfs 1968 eingetretene Deckungslücke von insgesamt 1,9 Milliarden DM wurde dadurch aufgefangen, daß der Haushaltsausschuß Kürzungen in Höhe von 973 Millionen DM vorgenommen und die Verwaltungseinnahmen um insgesamt 189 Millionen DM aufgestockt hat. Es verblieb dann noch eine Deckungslücke von 811 Millionen DM. Meine Freunde und ich waren ebenso wie die Kollegen von der anderen Regierungsfraktion der Auffassung, daß es in der gegenwärtigen wirtschaftlichen Gesamtsituation nicht vertretbar wäre, in dieser Höhe und in Abweichung von der gesamtwirtschaftlichen Zielsetzung, die der mittelfristigen Finanzplanung zugrunde liegt, Kürzungen an den investiven Ausgaben vorzunehmen. Das war nicht möglich. Das wäre nämlich sonst, wenn wir nicht den Weg gegangen wären, auf den ich gleich kommen werde, der einzige Ausweg gewesen, und das hätte bedeutet, daß es in der Wirtschaft wieder zu rezessiven Tendenzen gekommen wäre.
Lassen Sie mich bei diesem Punkt noch eine Bemerkung über die Sozialleistungen machen. Hinsichtlich der Sozialleistungen hatten wir in diesem Haus und in seinen Ausschüssen im letzten Jahr unter dem Eindruck der wirtschaftlichen Rezession und der Finanzlage schwerwiegende Fragen zu erörtern und zu entscheiden. Meine Damen und
Herren, sagen wir es offen: Wir sind nicht ohne Sorgen aus dem vergangenen Jahr herausgekommen. Ich möchte jedoch mit aller Entschiedenheit dem Gerede von der sozialen Demontage an dieser Stelle widersprechen und klarmachen, daß wir hier nicht demontiert haben,
({6})
daß es bei der bruttolohnbezogenen Rente bleibt, daß weder beim Wohngeld noch beim Kindergeld Eingriffe in die Leistungen erfolgt sind und daß wir im Rahmen des Kohleanpassungsgesetzes noch einen Gesamtplan für den Steinkohlenbergbau entwickelt haben, der einen wichtigen sozialen Beitrag für einen tiefgreifenden Strukturwandel in dem betroffenen Gebiet darstellt.
Darüber hinaus möchte ich klarmachen, daß für die Zukunft ebenso wie bei der „Mifrifi" erreicht werden muß, daß über die Gesamtheit der sozialen Aufwendungen im Rahmen der mittelfristigen volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung Klarheit geschaffen werden muß. Dazu liegt Ihnen eine Entschließung der Koalitionsfraktionen vor. Das Prinzip der mittelfristigen Vorausschau, das in die Finanz- und Wirtschaftspolitik im vergangenen Jahr Eingang gefunden hat, soll nach diesem Antrag auch in dem vielgestaltigen Bereich sozialer Leistungen Anwendung finden, einen besserentierung ermöglichen. Ich halte das für dringend notwendig, damit dieses Haus weiß, wohin die Reise geht.
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Von Herrn Kollegen Windelen ist auch über den vorgelegten Subventionsbericht gesprochen worden. Auch meine Fraktion begrüßt diesen Bericht und bedankt sich beim Finanzministerium und beim Wirtschaftsministerium dafür, daß dieser Bericht vorgelegt worden ist. Nur waren wir in meiner Fraktion und auch im Haushaltsausschuß generell nicht in der Lage, aus diesem Subventionsbericht Konsequenzen zu zaehen. Nun liegt das nicht an dem Subventionsbericht: Es liegt einfach an der konjunkturellen Lage und daran, daß die Terminierung zu kurz war und daß wir nicht die Möglichkeit gehabt haben, die Angelegenheit so zu bearbeiten, daß wir heute schon Konsequenzen aus diesem Bericht ziehen könnten.
Nur eines muß ich in aller Deutlichkeit sagen. Ich erinnere mich noch sehr genau der Töne von einigen Kollegen in diesem Hause, die da glaubten, hieraus könnten Konsequenzen in Milliardenhöhe gezogen werden. Davon ist nicht mehr die Rede. Die Kollegen sind inzwischen stumm geworden. Sie haben sich allerdings noch einmal zu den Konsequenzen gemeldet, die in dieser Woche hier behandelt wurden. Ich möchte darauf nicht zurückkommen.
Herr Windelen, Sie haben hier gesagt, das sei alles sehr schwierig, und auch der Finanzminister hat das noch einmal gesagt. Denn immer, wenn man eine Gruppe anspricht, ist es bei dieser Gruppe keine Subvention. Wir Sozialdemokraten haben in unserer Fraktion eine Kommission eingesetzt, die diesen Subventionsbericht durchforsten soll. Ich habe die Hoffnung - Sie können mich nächstes Jahr
beim Wort nehmen -, daß es uns gelingt, mit dieser Kommission für die Beratung 1969 einiges zu erarbeiten. Daß das nicht überall Beifall finden wird, ist mir klar. Aber wir sollten uns alle an die Arbeit machen. Ich habe hier keine großen Versprechungen zu machen. Nur wenn schon ein solcher Bericht vorliegt, dann sollten wir darangehen und sagen, ob es daraus Möglichkeiten gibt oder nicht. Denn sonst wäre die Arbeit des Finanzministeriums geradezu wirkungslos gewesen, und wir müßten uns immer wieder sagen lassen, daß wir uns darum niemals gekümmert hätten.
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Nun, meine Damen und Herren, lassen Sie mich noch ein Wort zur Verschuldung und generell zur Finanzpolitik sagen. Angesichts der Knappheit der öffentlichen Mittel ist es dringend notwendig, daß wir unsere Mittel gezielt zur Förderung der gesamtwirtschaftlichen Produktivität einsetzen, daß wir die bestehenden Subventionen überprüfen und daß wir den Versuch machen, nie außer acht zu lassen, daß es Aufgabe dieses Parlaments sein muß, immer wieder das vernünftige Verhältnis zwischen Konsumund Investitionsausgaben zu finden, damit wir durch die Betonung der Investitionsausgaben nicht den Anschluß verlieren; wir sind ja die drittgrößte Industrienation und zweitgrößte Handelsnation der Welt, das möchten wir bleiben. Die Dosierung zwischen Investitionen und Konsum ist daher eine entscheidende Frage.
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In diesem Zusammenhang will ich aber namens meiner Fraktion auch nochmals darauf hinweisen, daß, um diese Aufgabe zu bewältigen, in der nächsten Legislaturperiode eine weitreichende Steuerreform erfolgen muß, die rechtzeitig vorbereitet werden muß. Ich halte deshalb die Einsetzung einer unabhängigen Sachverständigenkommission noch in dieser Legislaturperiode für dringend erforderlich.
Meine Freunde und ich haben im Haushaltsausschuß dafür gestimmt, daß die verbleibende Dekkungslücke von 811 Millionen DM durch eine Aufstockung der Kreditfinanzierung von 7,4 auf 8,2 Milliarden DM zu schließen ist. Zu dieser Summe - auch das muß gesagt werden - des außerordentlichen Haushalts treten noch Fälligkeiten mittelfristiger Papiere von 700 Millionen DM und Kreditfinanzierungen außerhalb des Haushalts, z. B. für die Öffa und für die landwirtschaftlichen Struktur-und Siedlungsmaßnahmen, in einer Größenordnung von mehr als 1 Milliarde DM hinzu. Weitere Kreditmittel muß der Bund eventuell in Anspruch nehmen, um die vorzeitige Ablösung der Schuldbuchforderungen der Rentenversicherung ausführen zu können. Außerdem sind Ausgaben des zweiten Konjunkturprogramms 1967/68 in einer Höhe von mindestens 1 Milliarde DM nachzufinanzieren. Die Bruttoverschuldung des Bundes wird demnach rund 11 Milliarden DM betragen. Nun muß ich allerdings sagen: Für die volkswirtschaftliche Betrachtung ist nicht die Bruttoverschuldung, sondern die Nettoverschuldung interessant, und diese liegt bei 8,3 Milliarden DM.
Das zweite Problem der neuen Haushaltspolitik des Bundes ist die Dosierung der Kreditfinanzierung im Rahmen einer auf Wirtschaftswachstum ausgerichteten Haushaltspolitik. Manchen mag es sonderbar anmuten, daß es überhaupt ohne Verstoß gegen die geltenden Bestimungen, nämlich gegen Art. 115 des Grundgesetzes und gegen die Bestimmung der Reichshaushaltsordnung möglich ist, eine nicht mehr allein auf die Deckung des öffentlichen Bedarfs ausgerichtete Haushaltspolitik vorzunehmen. Der Weg hierzu wurde durch die Haushaltsbestimmungen des Stabilitätsgesetzes eröffnet, die gewissermaßen einen Vorschuß auf die Haushaltsreform darstellten.
Die Vorlagen der Bundesregierung zur Haushaltsreform erwarten wir nach ihren vielen Ankündigungen nunmehr definitiv in kürzester Frist, Herr Bundesfinanzminister. Wir erwarten von dieser Reform unter Wahrung der Vorschriften des Stabilitätsgesetzes eine Modernisierung des Haushalts und des Kassenwesens in Bund und Ländern. Es ist zu bedauern, daß die öffentliche Ausgabengebarung nach wie vor zuwenig transparent ist. Es fehlt noch an zeitnahen, ökonomisch gnügend aussagefähigen Daten, und es fehlt an der für die gegenseitige Abstimmung notwendigen Vergleichbarkeit der öffentlichen Haushalte aller Gebietskörperschaften. Es ist Aufgabe der Haushaltsreform, hier Abhilfe zu schaffen und dafür zu sorgen, daß auch von den öffentlichen Haushalten her die Konjunkturanalyse verbessert und damit zugleich die Voraussetzung für eine schnelle Anpassung der Haushaltspolitik an die konjunkturpolitischen Erfordernisse geschaffen wird.
Seit der von dieser Regierung eingeführten neuen Wirtschafts- und Finanzpolitik kann sich das Ausmaß der Kreditfinanzierungen nicht mehr allein an fiskalischen Gesichtspunkten orientieren. Selbstverständlich darf die Verschuldung nicht so stark anwachsen, daß die Zins- und Tilgungsverpflichtungen anderer staatswichtiger Aufgaben beeinträchtigt werden. Das muß ganz klar gesagt werden. Davon kann aber gegenwärtig keine Rede sein, wenn die Schulddienstbelastung des Bundes nicht mehr als 4 v. H. beträgt. Ebenso muß sich das Maß der Verschuldung nach der Leistungsfähigkeit des Geld-und Kapitalmarkts richten und auch andere Bedarfsträger, die private Wirtschaft neben den übrigen Gebietskörperschaften und öffentlichen Einrichtungen, berücksichtigen.
Die so neu konzipierte Verschuldungspolitik, die sich in diesem Rahmen hält, sichert zugleich ein Wirtschaftswachstum und schafft damit für die deutsche Volkswirtschaft die Voraussetzung, daß andere Bedarfsträger dabei nicht zu kurz kommen.
Diese Betrachtungsweise - das gebe ich zu - ist in der Bundesrepublik neu und wird in Kreisen, die überholten Denkmodellen verhaftet bleiben, sicher auf Kritik stoßen. Sie ist aber nach unserer Ansicht unbedenklich, wenn sich die Bundesregierung und das Parlament stets die Grenzen vor Augen halten, die allein die Leistungsfähigkeit der deutschen Volkswirtschaft setzt. Nur die Leistungsfähigkeit
der deutschen Volkswirtschaft kann die Grenzen der Kreditaufnahme bestimmen.
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Voraussetzung wird allerdings sein, daß von der öffentlichen Hand künftig eine weitsichtigere Kreditpolitik betrieben wird, als das bisher der Fall war. Meine Freunde und ich sind der Auffassung, daß es notwendig sein wird, auf diesen Gebiete neue Konzeptionen zu entwickeln und sie auch mit unseren Vorstellungen von der Vermögensbildung der breiten Masse zu verbinden. Ich hoffe, Sie wissen, auf welche Dinge ich hier hinaus will. Ich würde mich freuen, wenn dieser Gedankengang auch von Ihnen gebilligt werden könnte.
({11})
Der Übergang zu der neuorientierten Kreditpolitik wird dadurch erleichtert, daß die Bundesrepublik Deutschland weit weniger als andere Industriestaaten der westlichen Welt verschuldet ist.
Herr Windelen, es reizt mich doch - ich bitte um Entschuldigung -, jetzt noch einmal einen Gedankensprung zurückzumachen, um auf Ihren Zwischenruf zurückzukommen. Sie sagen: Ja, darauf können Sie sich verlassen. - Erstens nehme ich Sie beim Wort, und zweitens wird sich dann herausstellen, welche Vorstellungen wir haben und welche Vorstellungen Sie haben. Und da wird es wahrscheinlich Differenzen geben.
Ich möchte hier hinsichtlich der Vermögensbildung einen Gedankengang ansprechen, ohne daß ich sagen kann, daß er in unserer Fraktion schon völlig durchdiskutiert ist. Ich meine, daß die Aufnahme von Krediten der Bundesregierung durch Kleinpapiere erfolgen könnte.
({12})
- Alles schon dagewesen. Aber ich möchte diesen Gedanken trotzdem noch einmal aussprechen, um so auch ein Vermögen zu mobilisieren, das sonst nur den Sparkassen und ähnlichen Einrichtungen zufließt. Das sollte man sich also überlegen. Ich kann hier nicht verbindlich für meine Fraktion sprechen. Ich habe diesen Gedanken nur vorbringen wollen, weil Sie, Herr Windelen, da so einen kleinen Haken hatten. Ich hatte das wenigstens so im Ohr.
({13})
Lassen Sie mich auf den Übergang zur Neuorientierung dieser Kreditpolitik zurückkommen. Ich
sagte, daß wir weit weniger verschuldet sind als
andere Staaten der westlichen Welt. Ich muß Ihnen
allerdings sagen, daß die Zahlen und die Prozentzahlen, die hier genannt worden sind, auch nicht so
unproblematisch sind, denn man kann bei uns nicht
nur vom Bund ausgehen, sondern muß die Verschuldung der Länder und der Gemeinden mit hinzurechnen. Dann kommt man natürlich auch auf eine
andere Ebene, die mit den Zahlen, die bisher genannt worden sind, teilweise nicht mehr in Einklang
zu bringen ist. Wenn Sie aber berücksichtigen, daß
wir zwei Weltkriege hinter uns haben und welche
Aufgaben nach diesen beiden Kriegen gelöst werden mußten, dann ist die Verschuldung der Bundesrepublik wirklich nicht als isehr hoch anzusehen, dann ist es vielmehr zu bewundern, daß wir in der Verschuldung noch nicht weiter sind, als es bisher der Fall ist. Ich sehe hier keine Gefahren, wenn wir die Grundsätze, die ich vorhin bei der Verschuldung entwickelt habe, beachten.
Im übrigen kann ich auch hier mit Genugtuung feststellen, daß die Deutsche Bundesbank als die vom Gesetzgeber berufene Hüterin für die Währung unsere Finanzpolitik und auch die Verschuldungspolitik gebilligt hat. Das ist ganz neu, meine Damen und Herren. Über Jahre hinweg hat die Deutsche Bundesbank eine andere Finanzpolitik gemacht als die Bundesregierung. Ich begrüße, daß es jetzt durch die neue Bundesregierung zu einer Übereinstimmung gekommen ist. Das erleichtert uns die Arbeit wesentlich.
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Nun komme ich zum Schluß. Der Haushalt 1968 läßt natürlich wie alle seine Vorgänger Wünsche offen. Er unterscheidet sich aber von allen früheren darin, daß er Bestandteil eines längerfristigen Konzepts ist und daß er sich in den Dienst einer stetigen Wirtschaftswachstumspolitik bei gleichzeitiger Sicherung der Preisstabilität und einer zunehmenden Beschäftigung gestellt hat. Das ist die Zielsetzung. Dieser Zielsetzung ,stimmen wir zu. Wir stimmen damit dem Haushalt zu. Wir hoffen für die Bundesregierung und für dieses Hohe Haus, daß wir das Ziel, das wir unserer Politik gesetzt haben, auch erreichen. Das wird an uns liegen. Wir werden es erreichen, wenn wir nicht über das Maß dessen, was uns in der Zielsetzung vorgeschrieben ist, hinausschießen.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Emde.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Haushalt ist das Symbol für die Arbeit einer Regierung. Das isst so, seitdem wir Parlamente haben. Die Auseinandersetzungen unserer Vorväter mit ihren jeweiligen Souveränen fanden bei den Steuerbewilligungen statt, die dem Souverän und seinen Ministern die finanziellen Möglichkeiten gaben, den Staat in ihrem Sinne zu verwalten und die ihnen genehme Politik zu treiben. In unserer fortentwickelten parlamentarischen Demokratie, die manche von Ihnen, meine Herren von der CDU/CSU, ja ganz gern wieder zu einem halbautoritären Regierungssystem rückentwickeln möchten,
({0})
sind die Etatdebatten durch die Fülle der Einzelprobleme und die Einzeldiskussionen nicht mehr in so deutlicher Weise wie früher die Auseinandersetzung des Parlaments mit der Regierung über künftige Handlungen. Wir haben uns in der zweiten Lesung in unseren Stellungnahmen und in der Be8938
teiligung an der Debatte bemüht, uns über die Haushaltstechnik hinaus mit der Regierung politisch auseinanderzusetzen.
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So soll es auch heute in der dritten Lesung sein.
Der Haushalt ist die zahlenmäßige Momentaufnahme der politischen Absichten einer Regierung. Man muß nur scharf genug sehen können, und man muß bereit sein, die Momentaufnahmen verschiedener Jahre miteinander zu vergleichen, dann weiß man, was eine Regierung wirklich will. Dann sieht man deutlich die Handlungen und die Unterlassungen einer Regierung, und man gewinnt ein ganz anderes Bild von ihrer Einstellung, als wenn man sich darauf beschränkt, auf die Worte des Kanzlers, seiner Minister oder der Regierungssprecher zu hören, auf Worte, die ja oft nur darum gesprochen zu sein scheinen, um die wahren Sachverhalte zu verschleiern und einen schönen Eindruck nach draußen zu machen.
Ein Haushalt ist aber auch symbolisch für den inneren Zustand einer Regierung, über den üblicherweise noch nicht einmal in schönfärberischer Weise gesprochen wird; er ist ein Spiegelbild des Zustandes, der deutlich wird in Stellenanforderungen, in Parallelentwicklungen, in Zuständigkeitsüberschneidungen. Diesen Zustand kann der Kenner aus der minutiösen Untersuchung der Haushaltspläne, der Beratung in den Fachausschüssen deutlich ermessen. So ist dieser Haushalt symbolhaft für die Absichten und den inneren Zustand der Regierung Kiesinger/ Brandt, der sogenannten Großen Koalition, die im Jahre 1966 antrat, um die großen Gegenwartsprobleme des Volkes zu lösen. So ungefähr beliebten Sie sich seinerzeit euphorisch auszudrücken, Herr Bundeskanzler.
Das äußere Bild dieses Haushalts entspricht im großen und ganzen dem Eindruck, den Sie, Herr Bundeskanzler, bis vor wenigen Wochen zumindest, der Öffentlichkeit über ihr Kabinett vorzuführen versuchten. Es ist auf sympathisch gestimmt, auf photogen, schlechte Teile sind geschickt wegretuschiert, und durch etwas Kosmetik werden fehlende oder zu schwache Farben eingefügt und verstärkt.
(
Sie werden mir doch hoffentlich keine Kosmetik vorwerfen!)
So werden Sie der Öffentlichkeit diesen Haushalt darstellen. Sie und die Vertreter Ihrer Koalition haben es ja schon begonnen und werden es weiter fortsetzen.
Der Haushalt ist ausgeglichen, so sagen Sie. Damit ist die Finanzkrise des vergangenen Jahres überwunden; die mittelfristige Finanzplanung ermöglicht klares Vorausschauen für die Zukunft - so sagen Sie weiter -, und alle wesentlichen Positionen sind im Haushalt untergebracht.
Sie werden davon sprechen, daß dieser Haushalt die Basis sei zur Erfüllung der Regierungsaufgaben. Sie werden sagen, daß die erforderlichen Mittel für die innere und äußere Sicherheit veranschlagt seien,
und Sie werden sagen, daß im Verteidigungshaushalt die ersten Voraussetzungen für die Umstrukturierung der Bundeswehr geschaffen seien. Sie werden den Landwirten erzählen, daß man den Erfordernissen der Landwirtschaft Rechnung tragen wolle - Herr Brese! -, und die Kollegen von der SPD werden vor ihren Mitgliedern und vor allen Interessierten erklären, daß die Sozialpolitik im alten Stile, vielleicht sogar noch besser, weitergeführt werde. Sie von der SPD werden den uns gegenüber so oft erhobenen Vorwurf der sozialen Demontage weit von sich weisen - wie es der von mir sehr geschätzte Kollege Hermsdorf soeben getan hat -, und Sie werden jedermann erklären, daß die Beitragserhöhungen und die Leistungsminderungen in der Rentengesetzgebung in Wirklichkeit noch ein Stück Verbesserung seien. Bei uns, wenn wir den Finanzminister gestellt hätten, wäre das soziale Demontage gewesen. Bei Ihnen ist das eine staatsmännische Streichung; ich glaube, man könnte .den Kompromiß finden: staatsmännische Demontage.
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Sie werden natürlich an der einen oder anderen Stelle Kritik üben, damit das Selbstlob nicht so auffällig wird; aber im großen und ganzen werden, Sie zufrieden sein und den Eindruck erwecken, als ob Sie wieder einmal über die Runden gekommen wären.
Und Sie, Herr Bundeskanzler, werden mit diesem Haushalt draußen darstellen, wie modern und fortschrittlich doch die Arbeitsmethoden im Bundeskanzleramt sind; sie werden darzustellen versuchen, daß mit der Errichtung einer vierten Abteilung, der sogenannten Planungsabteilung, nunmehr die Methoden des modernen Industriemanagements auch in Ihrem Kanzleramt durch Sie eingeführt worden seien; Sie werden darstellen, daß, beginnend mit diesem Jahr, von Ihnen berufene Wissenschaftler und Wirtschaftler sich als Beratergremium für 1,2 Millionen DM bei Ihnen einfinden werden. Das alles werden Sie versuchen. Und dann werden die Propagandisten des Presseamtes das Ganze mit einem Stück betulicher Idylle umgeben, wie sie auch in Ihren Jugenderinnerungen so schön zu finden ist, und das sanfte milde Licht des Landesvaters wird von Ihnen und der Regierung aus über das deutsche Volk leuchten, als sei alles in schönster Ordnung, als sei all das, was in den letzten Monaten die Offentlichkeit beunruhigte, eigentlich nur ein böser Spuk.
Ach, wie wär das schön, wenn es wirklich so wäre! Allerdings ist es leider ganz, ganz anders. Die wirkliche Lage ist eben nicht idyllisch. Die Lage ist grau und hart. Kaum ein Problem ist gelöst. In den 1 1/2 Jahren dieser Regierung sind die bestehenden Schwierigkeiten nicht gemeistert worden. Die Regierung ist schon froh, wenn sie die Probleme von heute auf morgen verschieben kann. Denn dort, wo anscheinend die Dinge gelöst sind, sind sie doch in Wirklichkeit verworrener als zuvor. Ich denke nur an das, was die Regierung mit der Mehrwertsteuer angefangen hat. Ach, wischen wir doch einmal die Retuschen von diesem Haushaltsbild weg!
Im Dezember 1966 haben Sie, um die Bundeskasse auszugleichen, die neue Steuerpolitik begonnen, die mit dem Namen Kiesinger/Brandt/Strauß in die Finanzgeschichte eingehen wird - die neue Steuerpolitik, die da hieß „Steuererhöhungen quer durch das ganze Steuerrecht". Ich möchte noch einmal ganz kurz aufzählen, was geschehen ist: Mineralölsteuererhöhung 1. Januar 1967, Tabaksteuererhöhung 1. Januar 1967, Ergänzungsabgabe zur Einkommen-, Lohn- und Körperschaftsteuer 1. Januar 1968, Mehrwertsteuererhöhung 1. Juli 1968, dazu Abbau von Steuervergünstigungen aller Art. Es liegt vor die Einführung einer Straßengüterverkehrsteuer im sogenannten Leber-Plan, die Erhöhung der Grundsteuer über die neuen Einheitswerte wird folgen, und dazu plant der Finanzminister - über diese neuen Einheitswerte hinaus - noch eine weitere generelle Erhöhung der Grundsteuer. Das ist schon ein ganz neuer Stil in der Finanz- und Steuerpolitik.
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Im Sozialbereich hat man in der Rentenversicherung die Beitragserhöhung vorgenommen, die Krankenkassenbeteiligung der Rentner eingeführt, alle Angestellten in die Rentenversicherung einbezogen,
und wer weiß, welche Pfeile Sie sonst noch in Ihrem Köcher haben.
Damit wir uns völlig klar sind: niemand von der FDP bestreitet, daß die eine oder andere Maßnahme unvermeidbar war. Aber, Herr Bundeskanzler, das ist doch das Neue an dieser Steuerpolitik, die Ihre Regierung eingeführt hat: beim Nachlassen der Konjunktur, beim Nachlassen der volkswirtschaftlichen Aufwärtsbewegungen dem Verbraucher und der Wirtschaft überall neue Abgaben aufzuerlegen. Wir hatten vor dieser Art Politik gewarnt, vor dieser Politik, die dazu führen mußte, daß die Konjunktur weiter gedrosselt wurde, daß Ihre Steuerhoffnungen nicht erfüllt werden konnten und daß Sie dann Zuflucht zu einer massiven Schuldenpolitik nehmen mußten, wie sie heute betrieben wird.
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Wir hatten Ihnen in diesem Hause diese Entwicklung vorhergesagt und von Fall zu Fall immer wieder gewarnt. Aber es war ja so bequem, sich mehr Einnahmen zu verschaffen, viel bequemer, als den harten Weg der Ausgabenbeschränkung zu gehen. Die Regierung hat den bequemen Weg gewählt, der in Wirklichkeit aber steinig und gefährlich ist, der unsere Wirtschaft monatelang in Ungewißheit gestürzt hat, auf dem immer wieder die natürlichen Auftriebskräfte der Wirtschaft gedämpft wurden.
Die Steuerentwicklung bleibt negativ. Finanzminister Strauß hat vor drei Wochen dem Haushaltsausschuß mitgeteilt, daß auch für 1968 wiederum mit 1 Milliarde Steuermindereinnahmen gegenüber der Finanzplanung gerechnet werden muß. Prompt war auch sein Ausgleichsvorschlag da: Mehraufnahme von Darlehen.
Ist sich die Bundesregierung im klaren über die galoppierende Zunahme der Bundesschuld? Mir scheint: nein. Denn sonst würde man nicht so leichtfertig über die Probleme hinweggehen. Ende 1966 betrug der Schuldenstand des Bundes 36 Milliarden. Im Jahre 1967 kamen runde 11 Milliarden dazu. 1968 werden - nach den Zahlen, die Herr Kollege Hermsdorf hier noch einmal vorgerechnet hat - wiederum 10 bis 11 Milliarden Darlehen aufgenommen. In den Folgejahren wird es nicht besser sein.
Der Beschluß, die 1 Milliarde Steuermindereinnahmen durch 800 Millionen zusätzliche Darlehen zu ersetzen, ist von der Regierung und den Koalitionsparteien mit leichter Hand gefällt worden. Uns ist jedenfalls nicht deutlich geworden, daß man Überlegungen angestellt hätte, auf eine andere Weise zum Haushaltsausgleich zu kommen. Staatssekretär Hettlage - das ist doch typisch für diese neue Geisteshaltung - hat vor einigen Wochen erklärt, man müsse sich daran gewöhnen, unter einer Wolke von Schulden zu leben.
Herr Bundeskanzler, denken Sie und Ihr Kabinett daran - und, Herr Kollege Hermsdorf, denken Sie doch bitte daran -, daß diese Darlehenspolitik der leichten Hand, die eine geringe bestehende Schuldenlast zur Voraussetzung hat, nur darum möglich ist, weil der Staat sich zweimal im Leben einer Generation durch Inflation zu Lasten seiner Bürger entschuldet hat, daß der Ausgangspunkt 1949 mit Null nicht dadurch erreicht worden ist, daß man eine vernünftige Politik betrieben hat, sondern dadurch, daß durch zwei Inflationen die Vermögen vernichtet worden sind? Ist man sich klar darüber, daß ein drittes derartiges Manöver zu einem totalen Vertrauenszusammenbruch führen würde? Der Begriff „Stabilität und Sicherheit der Währung" ist nicht eine fixe Idee romantisierender Liberaler, sondern Stabilität der Währung ist doch mit eine Voraussetzung dafür, daß der Bürger Vertrauen zu seinem Staat empfindet.
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- Ich darf noch einen Satz sagen, Herr SchmittVockenhausen; vielleicht entfällt dann Ihre Frage.
Auch hier wieder: wir kritisieren nicht aus Prinzip an jeder Stelle. Bei der Konjunktursituation des vergangenen Jahres war eine maßvolle Darlehensaufnahme, wie sie dann auch im 1. Investitionshaushalt erfolgte, konjunkturpolitisch richtig und ist auch von uns unterstützt worden. Aber zwischen dieser Konjunkturspritze und dem, was heute geschieht, liegt finanzpolitisch eine ganze Welt.
Herr Kollege Emde, ist Ihnen bekannt, daß die Wirtschafts- und Finanzpolitik der Großen Koalition in neun Monaten dazu geführt hat, daß die D-Mark die stabilste Währung der Welt geworden ist?
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Laut Dr. Emminger von der Deutschen Bundesbank!
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Herr Kollege Schmitt-Vockenhausen, die D-Mark ist durch die Drosselungs- und leichte Deflationspolitik der alten Regierung zu die8940
ser Stabilität gebracht worden. Das dürfen wir nicht vergessen.
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Meine Damen und Herren, mit den massiven Darlehensaufnahmen löst die Bundesregierung kein einziges Problem. Sie baut sich damit nur eine Brücke in die nächsten Jahre und verschiebt die Lösungen in die Zukunft.
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- Ich komme gleich darauf. - Die Nachfolger werden sehen, wie man mit den Dingen fertig wird. Für heute scheint die Hauptsache doch nur darin zu bestehen, erst einmal die Schwierigkeiten vom Tisch zu haben. Man hört doch nur Appelle von der Regierung; jetzt komme ich auf Ihre Frage, Herr Leicht. Man hört nur, daß das Parlament - so sagte der Bundeskanzler hier von einigen Tagen - später einmal die Kraft aufbringen muß, Steuermehreinnahmen zum Ersatz von Darlehensaufnahmen einzuplanen.
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Das meine ich mit „Lösungen". Man erweckt damit den Eindruck, als ob sich im Jahre X in wohltätiger Weise alles von alleine lösen würde, obwohl alle Eingeweihten doch genau wissen, daß Steuermehreinnahmen, die sich aus einem gesunden Wachstum ergeben, auch in der Zukunft nicht ausreichen werden, um die Haushaltslücken auszugleichen.
Dazu muß die Entschlossenheit von Regierung und Parlament treten, heute noch in der mittelfristigen Finanzplanung veranschlagte Ausgaben abzubauen. Die mittelfristige Finanzplanung stimmt doch heute, ein Jahr nach ihrer Aufstellung, nicht mehr. Kein Mensch hat das erwartet. Kein Mensch geht davon aus, daß ein Finanzplan vier Jahre durchgehalten werden kann. Es ist aber erschreckend, festzustellen, daß bereits neun Monate nach Verabschiedung der mittelfristigen Finanzplanung die Grundlagen in Frage gestellt sind, und zwar von beiden Seiten her. Die Mifrifi stimmt weder bei den Einnahmen noch bei den Ausgaben.
Herr Kollege Hermsdorf hat es ja vorhin vorgetragen, und wir haben uns auch im Haushaltsausschuß alle miteinander darüber entsetzt, daß auf einmal die knappschaftliche Rentenversicherung 400 Millionen DM mehr kostet, daß die Kriegsopfer 100 Millionen DM mehr kosten. Dazu kommt die Erhöhung der Ergänzungszuweisungen an die finanzschwachen Länder, alles notwendige, gesetzlich festgelegte Dinge. Die Mifrifi, die im vorigen Herbst aufgestellt worden war, stimmt nicht mehr. Bei den Einnahmen erbringen die Steuern nicht das, was geplant war. Die Bundesregierung muß damit rechnen, daß die Länder ab 1969 dem Bund nicht weiter wie bisher 37 % der Einkommen- und Körperschaftsteuer zugestehen werden, einfach darum schon, weil ihnen die Not auf den Nägeln brennt und sie bis zur letzten Sekunde um die Möglichkeit zur Verringerung des Bundesanteils kämpfen werden.
Die Gemeinden erwarten mit Recht eine Finanzreform, die ihnen nicht nur schöne Worte und einen neuen gemeindlichen Finanzausgleich beschert, sondern echte Mehreinnahmen in barer D-Mark. Und diese Mehreinnahmen der Gemeinden können doch nicht durch zusätzliche Steuererhöhungen über die heutigen hinaus noch erwirtschaftet werden, sondern sie müssen aus dem vorhandenen Steuertopf genommen werden.
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Man kann zwar in der Theorie fortgesetzt Steuern erhöhen; aber irgendwo kommt man an die magische Grenze, deren Überschreiten dann keine Mehreinnahmen, sondern nur noch wirtschaftliche Schäden bringt. Herr Bundeskanzler, Sie bewegen sich jetzt schon an dieser magischen Grenze. Wir warnen Sie im allgemeinen Interesse davor, diese zu überschreiten. Der Schaden würde unermeßlich sein. Wir warnen auch davor, weiter Versprechungen abzugeben, die dann doch nur wie ungedeckte Wechsel platzen.
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- Moment, keine Unruhe! Ich komme zu all diesen Dingen.
Was den Beamten in der mittelfristigen Finanzplanung im vorigen Sommer von dieser Regierung
- nicht von uns ausgelöst - versprochen worden ist, kann man jetzt schon nicht einhalten. Damals hieß es: 720 Millionen DM für die Besoldung, nunmehr sind es nur 500 Millionen DM. Ist sich die Regierung im klaren darüber, daß damit erneut das Vertrauensverhältnis zwischen Dienstherrn und öffentlichem Dienst belastet wird, wenn man Zusagen gibt, die man nach einem Dreivierteljahr schon nicht mehr einhalten kann?
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Zwischenfrage!
Herr Kollege, meinen Sie mit dem Wort „erneut belastet", daß die vorherigen Regierungen das Verhältnis bereits stark belastet hatten?
Ja, das meine ich ganz ehrlich.
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- Sie staunen etwas darüber, daß ich hier ehrlich bin. Ich spreche immer ehrlich; die Kollegen wissen das.
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- Dann kennen Sie mich eben noch nicht.
Wie sollen wir, Herr Bundeskanzler, Ihre Erklärung gegenüber dem Deutschen Bauernverband verstehen, für eine Getreidepreiserhöhung zu kämpfen und den Milchpreis ab Hof zu halten? Können Sie diese Versprechung realisieren? Wir hoffen es! Denn wenn diese Versprechungen nur abgegeben worden sein sollten, um vor der baden-württembergischen Landtagswahl die schlechte Stimmung unter der Bauernschaft zu verbessern und Stimmen
in die Scheuern der CDU einzufahren, dann würden die Quittung nicht Sie von der CDU allein bekommen, sondern erneut würde ein Stück Vertrauenskrise in diesem Staat produziert. Und daran ist keine Partei in diesem Hause interessiert, auch wir nicht!
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Die Fehlanalyse der mittelfristigen Finanzplanung auf der Einnahmeseite hat schon in den letzten Monaten zu erheblichen Meinungsverschiedenheiten der beiden zuständigen Minister Schiller und Strauß geführt, zu Meinungsverschiedenheiten, die nicht nur unter der Decke geschwelt, sondern bis zu politischen Absichtserklärungen geführt haben. Professor Schiller rechnet bei seinen Planungen mit einem höheren Wachstum des Sozialprodukts, als es eingetreten ist. Er hat mit einer stärkeren Konsumneigung gerechnet, um dieses höhere Wachstum zu erzielen. Professor Schiller ist ein Mitbetroffener der negativen Folgen der Steuererhöhungen; denn ein Teil der Käufer- und Investitionszurückhaltung ist die Folge der kumulierenden und sich überschneidenden Wirkungen unterschiedlicher Steuererhöhungsmaßnahmen.
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- Aber Sie haben doch über Monate hinweg eine Lücke gehabt! Daß Sie nun allmählich aus dem Tal herauszumarschieren beginnen ist noch kein Gegenbeweis gegen die Behauptung, daß die Hoffnungen, die Sie im vorigen Jahr hatten und mit denen Sie in dieses Jahr hineingingen, zutiefst getrogen haben! Denn sonst hätte doch diese Milliarde uns nicht als neuer Fehlbedarf vor einigen Wochen vorgetragen gehört.
({4})
Professor Schiller will den Ausgleich herbeiführen, indem er mehr Geld in die Wirtschaft pumpt und indem er die Lohnquote erhöhen will. In den Augen von Finanzminister Strauß ist das ein ungesundes Verhalten; denn Herr Strauß möchte nur das normale wirtschaftliche Wachstum; er möchte das Sozialprodukt im Rahmen der natürlichen Aufstiegstendenzen der Wirtschaft wachsen sehen. Er fürchtet eine negative Wirkung weiterer kreditpolitischer Maßnahmen. Der eine Minister macht das Wachstum zum Ziel seines Handelns, der andere die Stabilität - auch heute noch. Das, was im vorigen Jahr im sogenannten Zielkonflikt gelöst schien, bricht immer wieder in neuen Debatten der beiden Fachrichtungen als ungelöste Frage auf.
({5})
Dabei löst weder der eine noch der andere Weg die Frage - auch nicht der Kompromiß zwischen beiden Kontrahenten. Nur der Abbau bestehender Ausgabenblöcke des Bundeshaushalts vermag auch heute die jetzt deutlichen Unvereinbarkeiten der Mifrifi zu lösen.
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Im vorigen Jahr hatte die Bundesregierung geglaubt - oder zumindestens der Bundeskanzler schien es geglaubt zu haben -, durch die Beschlüsse zur mittelfristigen Finanzplanung die Ausgabenseite des Bundeshaushalts bereinigt zu haben. Wir hatten vor dieser Illusion gewarnt. Wir hatten immer wieder darauf hingewiesen, daß tatsächlich nur eine Zwischenlösung gefunden sei. Wir hatten darauf hingewiesen, daß nur die Überprüfung und die nüchterne Durchforstung der großen Ausgabenblöcke einen Ausweg bedeuten würden.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Wir hatten gedacht, daß diese Durchforstung begleitet sein müsse von politischen Entscheidungen in verschiedenen Bereichen der deutschen Politik.
Herr Ravens.
Herr Kollege Emde, ich höre jetzt das vierte oder fünfte Mal bei Ihnen: Kürzung von Ausgabenblöcken. Kann ich noch die Hoffnung haben, im Laufe Ihrer Rede zu erfahren, welche Sie denn meinen?
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Sie können hoffen und sogar fest damit rechnen. Von Kollegen Ihrer Fraktion ist mir sogar vor einigen Monaten noch der Vorwurf gemacht worden, daß unsere Vorschläge viel zu weit gegangen seien. Kollege Strauß hat es noch vor wenigen Wochen hier gesagt. Ich wiederhole gleich einen Teil von dem, was die FDP wollte. Ich werde dabei auch auf die Punkte eingehen, die wir gestern entwickelt haben. Ich bitte nur um Entschuldigung, daß meine Rede dann einige Minuten länger wird.
Als ich im Auftrag der Bundestagsfraktion der FDP vor Jahren davor warnte, die Devisenausgleichsverhandlungen mit der amerikanischen und der englischen Regierung allzu lasch zu führen, und erklärte, für diese Zwecke ständen uns in Wirklichkeit keine Haushaltsmittel zur Verfügung, wurde mir von allen Seiten dieses Hauses geantwortet, wenn wir nicht zahlten, werde ein Teil der Verbündeten abziehen. Nun, wir haben gezahlt, in voller Höhe, zum festgesetzten Zeitpunkt. Dennoch ziehen diè Verbündeten laufend Teile der hier stationierten Streitkräfte ab.
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Nun tritt die groteske Situation ein, daß die Vereinigten Staaten, die für 250 000 Mann 2,6 Milliarden DM gefordert haben, heute für die auf rund 200 000 Mann reduzierten Einheiten 3,2 Milliarden DM fordern. Es mußte den Eingeweihten vor Jahren klar sein, daß die Bundesrepublik ab 1968 mit einem
Teilabzug amerikanischer Einheiten zu rechnen hat. Anstatt aus dieser Erkenntnis sich in die Entspannungsbemühungen zwischen den westlichen Verbündeten und der Sowjetunion einzuschalten und politischen Nutzen für uns aus einer solchen Entspannungspolitik in Europa zu ziehen, haben - hier spreche ich ausschließlich in Richtung der CDU/CSU - die Regierung und die Unionsparteien versucht, durch totale Erfüllung der amerikanischen Zahlungsanforderungen den Abzug amerikanischer Einheiten zu verhindern, zumindest zeitlich hinauszuschieben. Ich bin überzeugt, daß die Kollegen der Unionsparteien dabei im besten Wollen gehandelt haben. Das ist aber nicht das Entscheidende. Es kommt allein darauf an, ob man den Geist der Zeit und die allgemeine Tendenz erkennt, sich ihr anpaßt und daraus dais Beste für das Volk macht.
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Zwischenfrage!
Herr Kollege Emde, sehen Sie denn nicht den Zusammenhang mit der allgemeinen Situation des amerikanischen Dollars und daher mit dem gesamten Währungsgefüge der freien Welt?
Genau das sehe ich, Herr Kollege. Ich komme eine oder zwei Seiten später darauf zu sprechen.
Meine Damen und Herren, wir sind doch nicht so stark, daß wir ernsthaft glauben können, im Rahmen der Bündnisse in den wirklich entscheidenden Fragen der Sicherheits- und Verteidigungspolitik ohne Schaden für uns gegen die mächtigsten Partner auf beiden Seiten Politik auf eigene Faust machen zu können.
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Mit dieser Feststellung unterwerfe ich mich nicht im Grundsatz den politischen Entscheidungen anderer Staaten. Im Gegenteil, für uns Deutsche wächst das Maß der militärischen und politischen Sicherheit mit der Entspannung in allen Teilen Europas. Das haben wir immer gesagt, das haben wir immer als beste Vertretung unserer nationalen Interessen bezeichnet, und es bestärkt uns in unserem politischen Selbstbewußtsein, daß unsere Entscheidung in der Frage der Atombewaffnung der Bundeswehr und in der Frage des strategischen Einsatzes des Starfighters durch die Entwicklung bestätigt worden ist. Auf Grund dieser allgemeinen politischen Überlegungen hat die FDP seit Jahren eine Veränderung der Wehrkonzeption gefordert, den Abbau der atomaren Bewaffnung und dafür Verstärkung der konventionellen Streitkräfte. Die Vorgänge in Vietnam und der Pueblo-Zwischenifall sind der beste Beweis dafür, daß die Atomschwelle viel höher ist, als die meisten Kollegen der CDU/CSU bisher angenommen haben.
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Sie sind zugleich der beste Beweis dafür, daß die Veränderung der Verteidigungskonzeption in unserem Sinne nicht ein Weniger, sondern tatsächlich ein Mehr an militärischer Sicherheit bedeutet, durch die Verstärkung des Defensivcharakters der Bundeswehr uns aber vergrößerten diplomatischen Spielraum eröffnet.
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Wir haben in den diesjährigen Haushaltsberatungen im Haushaltsausschuß unsere Vorschläge im einzelnen noch einmal präzise formuliert. Wir haben sie hier in der Wehrdebatte der zweiten Beratung vorgetragen. Ich zähle nur einige Zahlen auf. Wir haben gesagt, im Anlaufjahr ergäbe sich eine Einsparung von 550 Millionen DM, und in jedem Folgejahr würde die haushaltsmäßige Einsparung, verglichen mit den Vorstellungen der Regierung, wie sie in der Mifrifi niedergelegt sind, um einige weitere hundert Millionen DM wachsen. Würde das Verteidigungsministerium darüber hinaus eine. Überprüfung und Rationalisierung der im zivilen Dienst in der Verwaltung und im Wachdienst eingesetzten Kräfte vornehmen, wären weitere Einsparungen im Rahmen mehrerer hundert Millionen DM pro Jahr möglich.
Der Kollege Windelen sagt nun, wir machten keine Vorschläge. Unsere Vorschläge werden nicht überdacht, ja, man diskutiert noch nicht einmal über diese Vorschläge, man diskutiert sie weder im Verteidigungsauschuß noch im Haushaltsausschuß richtig. Im Haushaltsausschuß konnte es nicht geschehen, weil wir unter Zeitdruck standen. Aber niemand hindert doch dieses Parlament oder die Ausschüsse, im Laufe der nächsten Monate einmal zu überprüfen, ob das, was wir Freien Demokraten vorschlagen, unsinnig oder vernünftig ist. Das ist doch richtige parlamentarische Arbeit, daß wir alles untersuchen und feststellen: was ist daran? Eher ist der Vorwurf der Unüberlegtheit von Ihrer Seite nicht zu vertreten.
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Gestatten Sie eine Zwischenfrage? - Herr Kollege Kiep.
Herr Kollege Emde, hatten Sie Gelegenheit, gestern den Ausführungen des Bundesverteidigungsministers zuzuhören, und entnehmen Sie aus den Zahlen, die er genannt hat - den Zahlen der prozentualen Beteiligung der Verteidigungshaushalte an den jeweiligen Gesamthaushalten in Ost und West -, eine militärische Entspannung in Osteuropa, die uns zu militärischem Abbau veranlassen könnte?
Herr Kollege, ich bin gestern die ganze Zeit hier gewesen. Ich habe mit großer Aufmerksamkeit gerade die Rede des von mir persönlich so sehr geschätzten Herrn Verteidigungsministers gehört. Aber unsere Vorstellungen sind anders. Wenn wir versuchen wollten, ein militärisches Gleichgewicht gegenüber der Sowjetunion aufzubauen, dann brauchten wir nicht 20% unseres
Gesamthaushalts, sondern 100% des Sozialprodukts. Es geht nicht darum, wieviel Waffen dort angehäuft sind, sondern welche Entwicklung die Politik nimmt. Da sind wir der Meinung, daß unsere Konzeption, im allgemeinen auf der Entspannung aufgebaut - ich habe nicht den Eindruck, daß Russen und Amerikaner untereinander anders operieren -, für uns günstiger ist, als noch heute eine sogenannte Politik der Stärke zu exerzieren.
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- Herr Kollege, ich bitte um Entschuldigung, es ist noch so viel zu sagen.
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- Gut, gut, stellen Sie die Frage, Herr Schwörer.
Einen Augenblick, Herr Abgeordneter, Sie müssen nicht. Wenn Sie der Meinung sind, daß es Ihren Vortrag stört, dann brauchen Sie die Zwischenfrage nicht zuzulassen.
Nein, es stört meinen Vortrag nicht, aber es war mit Kollegen Strauß abgesprochen, daß ich spätestens gegen 12 Uhr fertig bin, weil er auch noch zu der Debatte reden will. Ich bitte, dafür Verständnis zu haben, Herr Kollege.
Herr Bundeskanzler, ich will nur einige Zahlen nennen, die vorgestern im Haushaltsausschuß auf unseren Tisch gekommen sind: Vorlage 928 Haushaltsausschuß, Änderungen im Programm des Transportflugzeuges „Transall". Herr Kollege Berkhan hat gestern mit Schräubchen gearbeitet und nachgewiesen, wie unsinnig Ausgaben sind. Hier vergrößern sich die Ausgaben für die 110 Maschinen „Transall" von 1,5 Milliarden DM im Jahre 1963 auf 2,6 Milliarden DM jetzt in dieser Vorlage. Dazu ist geschrieben: Mit weiteren Kostensteigerungen ist zu rechnen.
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Herr Bundeskanzler, das ist kein Vorwurf gegenüber Herrn Schröder. Er war damals nicht Verteidigungsminister. Ich kann auch nicht sagen, wer der Schuldige hier oder da sein mag. Aber wenn ein Programm von 110 Transportmaschinen von 1,5 auf 2,6 Milliarden DM steigt, dazu geschrieben wird, das werde auch noch teurer werden, und sich dann aus der Vorlage ergibt, daß es sich heute noch nicht einmal um Festpreise handelt, sondern daß nur nach Selbstkostenrichtpreisen vorgegangen wird, Herr Bundeskanzler, wie soll dann eine Finanzpolitik laufen, wie soll dann der Finanzminister arbeiten, und wieviel Vertrauen kann man von uns im Haushaltsausschuß gegenüber Zahlen des Verteidigungsministeriums erwarten?
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Wir haben den Fragestellern, die nach Deckungsvorschlägen fragten, im Haushaltsausschuß und im Plenum vorgeschlagen, die militärische Entwicklungshilfe zu streichen. Das ergäbe pro Jahr zuerst 60 Millionen und im nächsten Jahr 90 Millionen DM. Dieser unser Vorschlag kommt jetzt schon im vierten Jahr. Immer wieder wird er abgelehnt, obwohl wir als geistige Mitstreiter in unseren Reihen den Fachminister, Herrn Wischnewski, haben, der selbst ausgeführt hat, es sei sinnvoller, technische Ausrüstungen in Entwicklungsländer zu schicken, als Waffen und militärisches Gut dorthin zu liefern.
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Die FDP hat sei Jahren die Vereinfachung der Verwaltung gefordert, einmal, um Geld zu sparen, zum anderen, um damit die Verwaltung leistungsfähiger zu machen. Wir leben in einem total überverwalteten Staat. Alle sind sich darüber einig; der einfache Bürger empfindet dies immer härter. Wie oft erleben wir Politiker doch, daß uns von Bekannten oder auf Veranstaltungen draußen Beispiele vorgetragen werden, die ein Beweis für die Kompliziertheit und Schwerfälligkeit unserer Verwaltungsmaschinerie sind.
Die beste Chance zur Vereinfachung von oben her war bei den Verhandlungen zur Bildung der Großen Koalition gegeben. Die Möglichkeit ist vertan worden. Im Gegenteil, durch die Einführung der Parlamentarischen Staatssekretäre, die nur bei einer Reduzierung der Zahl der Ministerien sinnvoll gewesen wäre, sind neue Kompetenzüberschneidungen und -streitigkeiten verursacht worden.
In breiter Front haben wir im Haushaltsausschuß die Bemühungen nahezu aller Ressorts erlebt, ihre Verwaltungsapparate auszudehnen, neue Planstellen zu schaffen und neue Aufgaben zu produzieren. Die technischen Mittel eines Abgeordneten im Haushaltsausschuß reichen überhaupt nicht aus, um die Fleißarbeit vorzunehmen, die darin besteht einmal zusammenzuzählen, wieviel neue Planstellen mit welchen finanziellen Aufwendungen im Laufe des letzten Jahres entstanden sind. Auch der Widerstand, der von uns zusammen mit Kollegen der CDU/CSU und der SPD im Haushaltsausschuß gegen diese Tendenzen geleistet wurde, konnte nur unbedeutende Teilerfolge erzielen.
Herr Kollege Windelen, wir haben dem Plan, jede fünfte freiwerdende Planstelle gemäß § 11 des Haushaltsgesetzes zu streichen, deshalb nicht zugestimmt, weil wir gesagt haben: Was nützt das? Erstens sind zu viele Ausnahmegenehmigungen vorgesehen, und zweitens besteht die Möglichkeit, generell davon abzugehen. Herr Kollege Windelen, es ist doch die Konkurserklärung jeder Personalpolitik, wenn man zuerst hingeht und eine Fülle neuer Planstellen schafft und dann im gleichen Atemzug erklärt: jetzt werden wir jede fünfte freiwerdende Planstelle einsparen. Dann sollte man doch gleich freiwerdende Planstellen dorthin verlagern, wo sie personalpolitisch in dem jeweiligen Ressort gebraucht werden. Das ist die sinnfälligste und einfachste Form der Personalpolitik. So aber sieht dieser Antrag in Wirklichkeit doch nur aus wie ein Stück Feigenblatt, das man vor eine unglückliche und törichte Personalpolitik der Regierung hängt.
({3})
Dort, wo wir von der FDP im Haushaltsausschuß in der Lage waren, durch das Gewicht unserer StirnDr. Emde
men neue Ausgabenwünsche zu beschneiden oder bestehende Ausgaben zu kürzen, haben wir unser Möglichstes getan und - auch im Zuge wechselnder Mehrheiten - mal gegen das eine, mal gegen das andere Ressort gestimmt. Aber das alles kommt einer Sysiphusarbeit gleich, und die geringen Erfolge stehen in keinem Verhältnis zum Zeitaufwand. Hier muß die Regierung von sich aus bereit sein, ihre Kompetenzen sinnvoll zu ordnen und losgelöst von landsmannschaftlichen oder parteitaktischen Erwägungen nach dem Gebot der Vernunft ihre Arbeit zu gestalten.
Die FDP hat hier den Gesetzentwurf eingebracht, durch die Zusammenfassung dreier Länder eine größere Verwaltungseinheit zu schaffen, eine Maßnahme, die einem gesunden Förderalismus mehr dient als die bedingungslose Verteidigung von durch Zufälle entstandenen Ländergrenzen und Strukturen. Der eine sagt, Herr Kollege Hermsdorf, das hätten wir nur eingebracht in der Annahme, das würde nie angenommen. Der andere, Kollege Windelen, beklagt, daß die Steuereinnahmen des Saarlandes nicht ausreichen, die Beamtenbesoldung zu bezahlen. Nun, wir sind wirklich gern bereit, hier etwas zu tun. Wir stellen solche Anträge, die ja bei unseren Parteigenossen draußen auch nicht immer Freude und Sonnenschein auslösen, nicht um propagandistische Wirkungen zu erzielen, sondern wir von der FDP wären froh, wenn durch unsere Initiative, unterstützt durch Ihre Mehrheit, nun endlich die große Verwaltungsreform auch der deutschen Länder beginnen würde.
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Herr Bundeskanzler, Sie werden im Wahlkampf gemessen werden auch an den Handlungen und Unterlassungen, die Sie in diesem Sektor begehen. Aber die Tendenz Ihrer Regierungsarbeit läuft genau den umgekehrten Weg. Dort, wo Sie als Kanzler die Organisationsgewalt haben, ist die Aufblähung der Apparate am sinnfälligsten. Konrad Adenauer leitete das Bundeskanzleramt mit zwei Abteilungen. Professor Erhard brauchte deren drei. Unter Ihrer Regie ist eine vierte Abteilung geschaffen worden.
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Ich will damit nichts gegen Konrad Adenauer sagen, ich meine nur, daß das, was Hegel erklärt hat, daß nämlich Quantität in Qualität umschlägt, mit der Einrichtung von vier Abteilungen noch nicht erreicht wird.
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Wir schön wäre es, wenn die Qualität der Leistungen des Bundeskanzleramtes in direktem Verhältnis stünde zur Zahl der im Kanzleramt beschäftigten Menschen! Die Abteilung IV soll die sogenannte Planungsabteilung sein. Ist diese Planung mit den anderen Planern synchronisiert, die, Herr Bundeskanzler, um Sie herum und für Sie tätig sind? Da haben wir seit einigen Jahren die Gesellschaft für Wissenschaft und Politik, die sich ebenfalls mit der langfristigen Planung für den Bundeskanzler und die Regierung befaßt. Und dazu sind auf Ihre Anregung hin sechs Männer der Wissenschaft und Wirtschaft berufen worden, die zu Ihrer persönlichen Beratung
bereitstehen; Kostenpunkt: 1,2 Millionen DM pro Jahr. Das ist wahrlich ein hoher Preis. Man würde ihn ja gern zahlen, wenn alle diese Chefberater und Chefplaner zu positiven Arbeitsergebnissen des Kanzleramts führten. Aber, Herr Bundeskanzler, wird das, was dort alles in großen schriftlichen Ausarbeitungen niedergelegt wird, auch tatsächlich gegelesen? Haben Sie tatsächlich die Zeit dazu in Ihrem Amt, das jeden Kanzler zeitlich bis an die Wand drückt? Oder liest das alles etwa nur der Herr Direktor Krueger, der dann keine Zeit hat, die Dinge vorzutragen?
Herr Bundeskanzler, ich bringe Ihnen nur ein einziges Beispiel, das für uns doch sehr bedrückend ist. Wir haben eine Gruppe von sechs Abgeordneten aus diesem Parlament, die die deutschen Nachrichtendienste kontrolliert. Im Dezember hat diese Gruppe das letztemal getagt. Es ist uns damals, Mitte Dezember, vom damaligen Innenminister Material für eine gewisse Entscheidung zugeleitet worden, und es sollte in kurzer Zeit eine neue Sitzung dieser parlamentarischen Kontrollgruppe stattfinden. Wir von der FDP haben in der zweiten Januarhälfte aus gegebenem Anlaß, ausgelöst durch Informationen, die uns zugegangen sind, den Wunsch geäußert, diese Kontrollgruppe im Bundeskanzleramt einzuberufen. Es hat darüber ein Telefongespräch zwischen Herrn von Kühlmann und Herrn von Guttenberg gegeben. Herr von Guttenberg hat Herrn von Kühlmann zugesagt, bald eine solche Veranstaltung vorzunehmen. Es geht da um wichtige Dinge. Wir haben dann eine Einladung für den 13. März bekommen. Die ist einige Tage vor dem 13. März wieder aufgehoben und auf unbestimmte Zeit verschoben worden.
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Herr Bundeskanzler, das ist tatsächlich Ihr engster Zuständigkeitsbereich. Wenn dieses Gremium, in dem dann auch noch eine Gruppe um Einberufung bittet, dem der Innenminister bedeutsames Material zuleitet, nicht einberufen wird - nun, dann habe ich allerdings große Sorge, wie es um sonstige Entscheidungen des Bundeskanzleramtes an anderer Stelle aussieht.
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Wie sieht es sonst im Kabinett aus? An allen möglichen Stellen schaffen sich Minister unter der Bezeichnung „Volkswirtschaftliche Abteilung" Beraterstäbe, die nicht miteinander koordiniert sind. Herr Professor Schiller hat diesen Sektor erheblich ausgebaut. Herr Schmücker hat seinen Stab ebenfalls vergrößert. Das ließ Herrn Strauß nicht ruhen, der nun seinerseits seine „Volkswirtschaftliche Abteilung" auszudehnen sich bemüht. Jeder spürt doch hier, daß Männer, die alle von höherem politischem Ruhm in der Zukunft träumen, sich Stäbe schaffen, um sich das Material zur politischen Auseinandersetzung zu beschaffen.
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Es ist auch typisch für das Verfahren. Als der Antrag von Finanzminister Strauß dem Haushaltsausschuß zugeleitet wurde, mußte er unter dem
Druck der SPD und der FDP zurückgestellt werden, weil er nicht durch das Kabinett gegangen war.
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Betrachten Sie, Herr Bundeskanzler, das als organisatorischen Fortschritt in der Verwaltungskonzentration Ihres Kabinetts, oder sind das nicht deutliche Verfallserscheinungen, wenn sich Minister verschiedener politischer Überzeugung Kampftruppen für spätere politische Auseinandersetzungen schaffen?
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Niemand bei uns ist gegen Planung, niemand ist gegen Beratung. Wir alle sind gern bereit, moderne Führungsmethoden zu benutzen. Aber das kann doch nicht auf eigene Faust geschehen, ungeordnet und nur dem augenblicklichen Nutzen gemäß. Niemand wird diese Regierung davon befreien können, Entscheidungen zu fällen. Aber diese Entscheidungen entspringen letzten Endes politischer Überzeugungskraft und sind nicht das rein technische Ergebnis ungeregelter personalpolitischer Machtpolitik.
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Dabei haben Sie es doch so leicht, Entscheidungen zu fällen! Wann hat eine frühere Bundesregierung - Kollege Hermsdorf hat es mit viel Freude vorgetragen - jemals eine solch massive Unterstützung der Deutschen Bundesbank erfahren wie die Ihre? Im Jahre 1966 haben die Kollegen der FDP Starke, Menne und ich - im Oktober war es - mit dem Vorstand der Deutschen Bundesbank verhandelt, um eine maßvolle Unterstützung der Regierung Erhard im Rahmen der deutsch-amerikanischen Devisenausgleichsverhandlungen zu erbitten. Damals sollte die Bundesbank für 1 Milliarde DM amerikanische Papiere kaufen. Das wurde im Oktober 1966 abgelehnt. Inzwischen hat die Bundesbank Ihrer Regierung, Herr Bundeskanzler, geholfen, zwei Investitionshaushalte zu finanzieren, hat die Deutsche Bundesbank die Erhöhung des Kreditplafonds für die Bundesregierung von 3 auf 6 Milliarden DM widerspruchslos hingenommen, hat die Bundesbank für 2 Milliarden DM amerikanische Titel im Rahmen des Devisenausgleichs übernommen, und sie wird für eine weitere Milliarde DM mittelfristige Papiere der Bundesregierung zur Umschuldung von Verpflichtungen gegenüber den Rentenversicherungsträgern übernehmen.
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Die Bundesbank wird weiterhin, wenn nicht alles, was man bisher gehört hat, falsch ist, auch ein neues Devisenausgleichsabkommen zwischen den Vereinigten Staaten und der Bundesrepublik durch den Ankauf von rund 2 Milliarden DM amerikanischer Papiere finanzieren.
Hier erhebt sich, Herr Bundeskanzler, eine Frage, über die sich Ihre Regierung sehr bald einmal äußern muß. Wie hoch ist der Anteil amerikanischer Titel an dem in der Bundesbankstatistik ausgewiesenen Dollarguthaben? Zur Erläuterung: Die Bundesbank weist in ihren monatlichen Berichten aus: 1. Goldbestand, 2. Dollarguthaben, 3. US-Titel aus Devisenausgleichsabkommen. In der Rubrik DollarIguthaben sind - darüber gibt es keinen Zweifel - die Guthaben der Deutschen Bundesbank beim amerikanischen Federal Reserve System und die im Bestand der Bundesbank befindlichen amerikanischen Titel zusammengefaßt. Diese Titel, Herr Leicht, sind besonders in der heutigen Zeit amerikanischer Währungsschwierigkeiten nicht ohne weiteres umwandelbar und damit in ihrem Deckungswert für die deutsche Währung beschränkt. Welche Vorstellungen, Herr Bundeskanzler, werden Sie hier für die Zukunft entwickeln? Werden Sie weiter die D-Mark eng mit dem Dollar verbinden, oder werden Sie dem Werben Frankreichs Gehör schenken und im Rahmen europäischer Abreden eine Währungspolitik gegen den Dollar treiben?
Wir werden dieses Problem als Opposition noch mehr als bisher aufmerksam verfolgen, wir werden durch systematische Fragen von Ihnen deutliche Antworten fordern. Es wäre gut, wenn Ihre Planungs- und Beraterstäbe oder die zuständigen Ministerien - uns ist es dabei völlig gleichgültig, wie Sie das organisatorisch in Ihrem Kabinett regeln - eine Leitlinie entwickelten, nach der sich Außenpolitik, Währungspolitik und in diesem Zusammenhang die Haushaltspolitik orientieren könnten, damit wir nicht wie jetzt in den letzten Monaten aus dem Handgelenk heraus schwerwiegende Entscheidungen in diesen Bereichen fällen müßten, ohne genau zu wissen, wohin die Reise tatsächlich geht.
Wir Freien Demokraten empfehlen Ihrer Regierung dringend, sich mehr mit diesen Problemen zu befassen als Gedanken anzustellen, ob man Illustrierte verbieten kann,
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weil sie irgendwelche Artikel schreiben, die personalpolitischen Vorstellungen der CDU nicht genehm sind. Zuviel Energie wird in Ihrer Partei und in Ihrer Regierung auf Dinge verwandt, die für parteitaktische Auseinandersetzungen ganz reizvoll sein mögen, die aber mit der Lösung der großen Fragen unseres Volkes nichts zu tun haben. Sparen Sie sich doch die zeitraubenden Bastelarbeiten am deutschen Wahlrecht, die, wie sich gerade gezeigt hat, nur zu peinlichen Lücken führen, und setzen Sie die Zeit dafür ein, eine wirklich vernünftige Hochschulreform einzuleiten! Räumen Sie unhaltbare Positionen in den Notstandsvorstellungen in Ihrer Partei! Sie sparen Zeit und Kraft, die Sie dringend benötigen, um an die Stelle der untauglichen Mini-Finanzreform - Herr Strauß, Ihnen steht „Maxi" viel besser als „Mini" - ein sinnvolle Reform zu setzen, die Sie in Ihrer Regierungserklärung versprochen haben. Empfehlen Sie den zuständigen Kabinettsmitgliedern, durch rechtzeitige und nüchterne Erklärungen Auseinandersetzungen zu vermeiden, wie sie um das Amt des Bundespräsidenten in der Vergangenheit entstanden sind! Kraft, Zeit und Ansehen Ihrer Partei und Regierung könnten nützlicher angewandt werden, um brennende Fragen der deutschen Politik zu entscheiden.
Wenn Sie zulassen, daß in unserer heutigen Zeit Ministerien, die von so bedeutsamen Leuten wie Herrn Heck geführt werden, eine Illustrierte wegen einer Artikelserie über die Abstammung des Men8946
schen indizieren wollen, dann laufen Sie Gefahr, daß die Regierung nach solchen Handlungen beurteilt wird. Wenn Herr Dufhues verhindern will, daß ein Vertreter der Presse im Fernsehen diskutiert, wie es bei dem sogenannten Frühschoppen geschehen ist, wenn Herr Jaeger zu autoritärer Härte gegenüber unserer eigenen Jugend aufruft, dann, Herr Bundeskanzler, riskieren Sie, daß Ihre Partei gleichgesetzt wird mit dieser schwarzen Garde von Miniaturinquisitoren und viele Verdienste Ihrer Partei darüber vergessen werden.
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Daß wir von der FDP Ihrem Haushalt nicht zustimmen können, das werden Sie verstehen. Die Haushaltsprobleme sind nicht gelöst, eine Finanzkrise für die Zukunft ist durch Ihr zögerndes Handeln zu befürchten, die versprochenen Reformen erfolgen nicht oder werden nur unzureichend und falsch in Angriff genommen, die Auseinandersetzungen innerhalb Ihrer Regierung beunruhigen die Öffentlichkeit. Hier durch ein klares „Nein" deutlich gegen Ihre Politik Stellung zu beziehen ist unsere parlamentarische Pflicht.
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Das Wort hat der Herr Bundesminister der Finanzen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin mir der Bedeutung und der Tragik dieser Stunde bewußt, weil es mir leider zum letztenmal vergönnt ist, nach einer haushaltspolitisch so bedeutsamen Rede des Kollegen Emde als Finanzminister sprechen zu dürfen,
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weil er anderen Zielen und der Erweiterung seines Erfahrungshorizonts zustrebt.
Zunächst darf ich mich aber bei Ihnen, Herr Kollege Emde, und allen anderen Mitgliedern des Hauses dafür entschuldigen, daß ich im ersten Teil der Debatte heute nicht anwesend war. Der Bundesrat hat diesen Tag ab 9.30 Uhr für den ersten Durchgang der Finanzverfassungsreform bestimmt. Angesichts der Bedeutung dieses Reformwerks - es ist weder „mini" noch „maxi", es sei denn, Sie verstehen „Minimax" ;
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das ist aber etwas ganz anderes - bitte ich Sie, meine Damen und Herren, um Verständnis dafür, daß diesmal der Bundesminister der Finanzen vor dem Bundesrat persönlich und nicht einer seiner Vertreter zu erscheinen hatte. Ausschließlich dies ist der Grund, warum ich im ersten Teil der Debatte heute nicht anwesend war.
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- Ich glaube, Herr Kollege, daß sich noch kommende
Generationen und spätere Jahrhunderte mit dem
Problem der Koordinierung, Harmonisierung und
Synchronisierung der Terminkalender mehr oder minder erfolglos befassen werden.
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Sollten wir aber einmal in die Computer-Demokratie kommen, dann wird es klappen.
Herr Kollege Emde, damit bin ich bei einem passenden Stichwort angelangt. Sie haben so mit leichter Schulter und kühner Geste visionär in eine Zukunft geblickt, in der die CDU/CSU die parlamentarische Demokratie demontieren und zum halbautoritären Staat zurückkehren würde. Ich hoffe, Sie mit mir darin einig zu sehen, daß parlamentarische Demokratie nicht eine unter dem Stichwort „Neoliberalismus" verbrämte Anarchie bedeuten kann.
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Es geht hier gar nicht um die Frage: Parlamentarische Demokratie oder nicht?, es geht angesichts der Zeichen der Zeit auch in unserer Öffentlichkeit und angesichts des gewaltigen Beschleunigungsfaktors der menschlichen Geschichte, unter dem wir stehen, darum, ob die parlamentarische Demokratie sachgerechte Lösungen für die brennenden Fragen der Zeit zu finden vermag.
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Wird sie dazu imstande sein, ist mir um ihre Zukunft nicht bange. Würde sie dazu nicht in der Lage sein, Herr Kollege Emde, würden Sie sie auch nicht retten.
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Die Frage ist, ob die parlamentarische Demokratie und ein föderalistisch orientierter Staat für die anstehenden Probleme des letzten Drittels des 20. Jahrhunderts sachgerechte Lösungen zu finden vermag. Darum geht es und um nichts anderes.
Ich möchte deshalb hier keine apologetische Rede halten und den vom Kollegen Emde erhobenen Vorwurf etwa im einzelnen widerlegen. Er hat ihn selbst nicht so ernst gemeint, daß er darauf von mir eine ernsthafte Antwort erwartet.
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Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich darf auf einige mit dem Haushalt 1968, dem ersten Haushalt der Verwirklichung der mittelfristigen Finanzplanung, zusammenhängende Probleme zu sprechen kommen. Ich kann es, wofür ich einerseits um Zustimmung bitte, andererseits sogar Ihren Wunsch unterstelle, nicht in der Ausführlichkeit tun, wie es die Materie an sich erfordern und rechtfertigen würde. Aber auch hier stehen wir unter Druck, in diesem Fall unter dem Druck des Blickes auf die Uhr.
Es ist beanstandet worden, daß die Steuerschätzungen um 1 Milliarde DM für den Haushalt 1968 während der Dauer der Behandlung des Haushalts zurückgenommen worden sind. Vielleicht werden sich einige Mitglieder dieses Hohen Hauses an die Ausführungen erinnern, die ich im Juni 1967 anläßlich der Verabschiedung des Haushalts 1967 gemacht habe. Ich habe damals gesagt, es hätte gar
keinen Sinn, jetzt diesen Haushalt noch einmal auf der Einnahmeseite zu ändern; aber ich müßte von vornherein erklären, daß die in ihm ausgewiesenen Einnahmen mindestens um eine Milliarde DM zu hoch seien. In Wirklichkeit war auch diese Schätzung noch zu optimistisch - obwohl ich gerade wegen dieser Ausführungen und ihres konjunkturschädigenden Effektes da oder dort heftige Vorwürfe bekommen habe. Sie war noch zu optimistisch! Die Einnahmen sind im Jahre 1967 um 1,7 Milliarden DM niedriger gewesen, als es der Haushaltsentwurf und der verabschiedete Haushalt auswiesen. Insgesamt hat der Haushalt 1967 mit einem Fehl von rund 1,35 Milliarden DM abgeschlossen. Dieser Betrag wird in der Fortschreibung der mittelfristigen Finanzplanung ab 1969 als Mehrausgabe einzusetzen sein.
Gerade dieses Beispiel zeigt ja, daß eine mittelfristige Finanzplanung nicht ein vollzugsverbindliches, perfektioniertes Gebilde sein kann, sondern daß sie selbstverständlich dem ständigen Wandel der Dinge, daß sie selbstverständlich der Notwendigkeit, sich eingetretenen Ereignissen anpassen zu müssen, unterworfen ist. Sie ist eine Richtlinie. Sie deutet sozusagen die Kompaßzahl an, nach der vorgegangen wird. Sie kann aber nicht einen genauen Weg vorschreiben, auf dem zu marschieren man gezwungen ist. Diese Verschlechterung des Basisjahres 1967 um 1,7 Milliarden DM bei den Steuereinnahmen hat es notwendig gemacht, die Schätzungen der Steuereinnahmen gegenüber der Zeit der Erarbeitung des Haushaltsentwurfs - bis jetzt, bis zur Verabschiedung - um 1 Milliarde DM zurückzunehmen. Das ist weder ein außergewöhnliches, noch ein dramatisches, noch ein unheimliches Ereignis. Es ist kein Anlaß, Weltuntergangspropheten sozusagen eine Bestätigung ihrer Freudschen Komplexe zu liefern.
Wir haben die Steuerschätzung am 8. März dieses Jahres im Arbeitskreis Steuerschätzung revidiert. Die Zurücknahme um 1 Milliarde DM dürfte - das ist meine Überzeugung - in diesem Jahre einen zuverlässigeren Ansatz bringen, als ihn die von mir damals schon um 1 Milliarde DM zu hoch bezeichnete Einnahmeausweisung im verabschiedeten Haushalt 1967 geliefert hat.
Im Zusammenhang mit der Einnahmeschätzung spielen auch die Erwartungen hinsichtlich des Ertrags aus der Mehrwertsteuer eine nicht unwesentliche Rolle. Im ursprünglichen Haushaltsentwurf für 1968 war das Aufkommen aus den Umsatzsteuern, wozu neben der Mehrwertsteuer die Einfuhrumsatzsteuer, die Umsatzsteuer, die Umsatzausgleichssteuer und die Beförderungsteuer gehören, mit insgesamt 27,6 Milliarden DM veranschlagt. Durch die neue Schätzung vom 8. März 1968 wurde dieser Ansatz nun um 0,25 Milliarden DM - also nur um 250 Millionen DM bei der Umsatzsteuer - auf 27,35 Milliarden DM ermäßigt. Es ergeben sich für die einzelnen Umsatzsteuern größere Abweichungen. Ich brauche auf sie nicht einzugehen, weil sich diese geringeren Unterschiedsbeträge - bis auf diesen Betrag von 250 Millionen DM - im Gesamtvolumen der Umsatzsteuer auszugleichen scheinen.
Dem Finanzausschuß sind die neuesten Berechnungen zur Mehrwertsteuer zugeleitet worden. Aus ihnen ergibt sich die Beantwortung der Frage, ob nach dem neuen Umsatzsteuersystem höhere oder niedrigere Steuereinnahmen als nach dem alten System erwartet werden können. Die Zahlen zeigen, daß zwischenzeitlich eintretende Mehreinnahmen nicht ausreichen werden, um den im Gesetz vorgesehenen Abbau der Steuer auf den Selbstverbrauch - ohne Erhöhung des Steuersatzes in den siebziger Jahren - finanziell verkraften zu können. Es ist deshalb eine optimistische Einschätzung oder eine Selbsttäuschung, wenn man nur den - auch in Verbindung mit der Erhöhung der Mehrwertsteuer ab 1. Juli 1968 - sich ergebenden Mehrertrag der Jahre 1969 und 1970 zugrunde legt und dann etwas allzu schlagwortfreudig von der Reservekasse spricht, die sich hier die Bundesfinanzpolitik geschaffen habe; denn 1969 und 1970 ergibt sich ein gewisses Plus - nicht allzu hoch - gegenüber dem Ertrag der alten Umsatzsteuer, wenn sie als System beibehalten worden wäre. Ab 1970 jedoch gehen die Einkünfte aus der Mehrwertsteuer rapide zurück. Ich habe gestern diese Zahlen genannt. Mein Haus hat sie heute nacht noch einmal nachgeprüft. Ich habe - ich möchte schon beinahe sagen - leider keinen Grund, etwas von dem zu ändern, was ich gestern bei dem von mir so angenehm empfundenen Dialog mit der Frau Kollegin Funcke geäußert habe.
Etwas, was ebenfalls die Gemüter bewegt, ist die Schuldenpolitik des Bundes. Ich darf ohne falsche Selbstbestätigung oder unangebrachte Zufriedenheit sagen, daß es kein Zufall ist, wenn sich nach den Erscheinungen, die in den Jahren 1964, 1965 begannen und bis zum dritten Quartal des Jahres 1967 reichten, die D-Mark gerade jetzt in dieser so schwierigen Situation des Weltwährungssystems wiederum als die stabilste Währung der Welt herausgestellt hat.
({8})
Das ist - ich möchte das nicht im Stil der Schwarzweiß-Malerei sagen - nicht ausschließlich ein Verdienst der Großen Koalition oder ihrer Regierung und ihres vortrefflichen Finanzministers, sondern das ist .ein Verdienst der Leistung unseres ganzen Volkes, seiner Vernunft und seiner Einsicht, aus Fehlentwicklungen Konsequenzen zu ziehen, die von dieser Koalition und ihrer Regierung dann in politische Entscheidungen umgesetzt worden sind.
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Aber es ist müßig - nein, ich möchte mehr sagen -, es ist gefährlich, der Öffentlichkeit da oder dort unter Berufung darauf, daß man höheres Wissen habe, im Zweifelsfalle, weil man Mitglied dieses Hauses sei, Angst
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vor dem Inflationspotential einzujagen, das diese schuldenfreudige Regierung nunmehr unter Abweichung von den soliden Grundsätzen früherer Regierungen und Finanzminister aufzubauen begonnen habe. Und dann wird der Faden weiter gesponnen. Dann, geht es biss zu ,den Andeutungen, daß
eines Tages eine Währungsreform notwendig werden könnte.
Wir haben im letzten Jahr und in diesem Jahr die Bedeutung eines Faktors so deutlich erlebt wie noch nie in der Nachkriegsgeschichte, nämlich die Bedeutung des Faktors Psychologie für das wirtschaftliche Verhalten.
({11})
Hier mußten wir erleben, daß Berechnungen dieser oder jener Art - sie mochten noch so theoretisch richtig, arithmetisch fundiert sein - dann falsch waren, wenn die Motive für dieses oder jenes Verhalten nicht vorher zuverlässig in Erfahrung gebracht werden konnten. Ich möchte sagen, daß das Jahr 1967/68 eigentlich den klassischen Anschauungsunterricht für eine Vorlesung über Finanzpsychologie darstellt, die ein Mitglied des Wissenschaftlichen Beirates meines Hauses, Professor Schmölders, in Köln laufend hält. Wir haben nicht den geringsten Grund und um der gemeinsamen Verantwortung willen auch nicht das Recht, dem Bundesbürger von heute das Gruseln vor der Verschuldung beizubringen. Nicht den geringsten Grund!
({12})
Es ist kein Zweifel, daß es in der Vergangenheit erfreulicherweise möglich war, auf das Mittel der öffentlichen Kreditfinanzierung in dem Ausmaße zu verzichten, wie es nationalökonomisch, währungspolitisch möglich gewesen wäre, aber nicht - ich sage - notwendig gewesen ist. Wenn wir heute das Mittel des öffentlichen Kredits, der Kreditfinanzierung für die Erfüllung der staatlichen Aufgaben, für die Durchsetzung unserer konjunkturpolitischen Ziele heranziehen, dann ist das nicht leichtfertiges Verhalten oder mutloses Ausweichen, dann ist das die Umsetzung der wirtschaftstheoretischen Erkenntnisse, der währungspolitischen Notwendigkeiten in konkrete politische Entscheidungen.
({13})
Wir haben da gar nichts zu verstecken, nichts zu verbergen und uns auch dafür gar nicht zu entschuldigen.
Im übrigen - ich habe gestern schon darauf hingewiesen - ist es doch ein Absurdum, nicht durchführbare Vorschläge für Einsparungen zu machen, gleichzeitig das lohnende Thema Steuersenkung möglichst auszudreschen
({14})
und sich dann gleichzeitig über die hohe Kreditfinanzierung mit dem Hintergrund „Inflationspotential" bitterlich zu beklagen.
({15}) So geht es doch nicht.
Ich möchte jetzt zu den Einsparungsvorschlägen im einzelnen gar nicht Stellung nehmen, aber hier eine Meinung vertreten, die von der Bundesregierung gemeinsam vertreten wird und in ihr vom Bundeswirtschaftsminister und von mir immer wieder betont worden ist, nämlich die Meinung, daß auch das Gesetz der finanzpolitischen Stabilität, das der Bundesfinanzminister vielleicht besonders stark zu betonen hat, es unter gewissen Umständen nicht erlaubt, weitergehende Ausgabenkürzungen vorzunehmen, weil diese weitergehenden Ausgabenkürzungen den Teufelskreis der Rezession nur verstärken würden.
({16})
Die Bewährungsprobe für das richtige Verhalten wird dann kommen, wenn wieder mehr Geld in der Kasse klingelt
({17})
und es darum gehen wird, auf die Nachholung früher gestrichener Ausgaben ebenso zu verzichten
({18})
wie auf die Erhebung neuer Forderungen und damit verbundener neuer Ausgabenwünsche.
({19})
Dann kommt die Bewährungsprobe. Ich bitte, es mir nicht übelzunehmen, wenn ich sage: das ist nicht die Bewährungsprobe allein der Bundesregierung oder des Bundesfinanzministers, sondern das ist die Bewährungsprobe des Parlaments und der parlamentarischen Demokratie.
({20})
Ich denke an das, was ich mir in Zurückweisung
der halbautoritären Vorwürfe des Kollegen Emde vorher zu sagen erlaubt habe. Es war natürlich angenehm, daß in den Jahren 1950 bis 1966 nur etwa 20 % der öffentlichen Investitionsausgaben der Gebietskörperschaften durch Nettoschuldaufnahme finanziert worden sind. Bis 1959 hat der Bund im Ergebnis überhaupt keinen Kreditbedarf gehabt. Erst ab 1961 ist eine stärkere Verschuldung vorgenommen worden. In der Zeit von 1950 bis Ende 1966 hat die Gesamtverschuldung des Bundes um 12 Milliarden DM - ich sage ausdrücklich: eine nicht besorgniserregende Größenordnung - zugenommen.
Im internationalen Vergleich, der aber leicht trügerisch werden kann, wenn man ihn falsch interpretiert, ist die öffentliche Gesamtverschuldung in der Bundesrepublik bisher noch sehr niedrig. Natürlich steht das Ausmaß der privaten Verschuldung und das Ausmaß der staatlichen Verschuldung in einer gewissen Relation zueinander. Nimmt man die Zinsbelastung des Staates im Verhältnis zum Bruttosozialprodukt zum Maßstab, so ergibt sich folgendes Bild: in der Bundesrepublik beträgt die Zinsbelastung aus der öffentlichen Schuld 0,7 % des Bruttosozialprodukts, in der Schweiz und in Frankreich 1 %, in USA 2 % und in Großbritannien 4 %.
Eine Änderung in der Kreditfinanzierungspolitik hat sich im Jahre 1967 ergeben. Wir mußten eine antizyklische Finanzpolitik betreiben. Wir mußten mit vermehrten Investitionen der öffentlichen Hand der eingetretenen Rezession entgegenwirken. Damit ist die Nettoverschuldung des Bundes allein im Jahre 1967 um rund 8 Milliarden DM angewachsen. Nach dem Stand vom 31. Dezember 1967 beträgt die VerBundesminister Dr. h. c. Strauß
schuldung des Bundes jetzt 43,5 Milliarden DM gegenüber 35,6 Milliarden DM zum Ende des Jahres 1966.
Ich erlaube mir auch hier noch einmal die Feststellung, daß die Vorstellungen, ein Haushalt sei nur dann ausgeglichen, wenn ordentliche Einnahmen und ausgewiesene Ausgaben sich die Waage hielten, endgültig der Vergangenheit angehören. Auch in der Wirtschaft kann man den Kredit nicht streichen. Ohne Kredit gibt es keine Wirtschaft. Ohne ein modernes Geld- und Kreditsystem ist eine moderne Wirtschaft nicht möglich, und eine moderne Staatsführung kann auf das Mittel des Kredits genauso wenig verzichten wie die private Wirtschaft und ihre Unternehmenstätigkeit.
Die Verschuldung wird im Jahr 1968 nochmals um 8,3 Milliarden DM ansteigen. Die Wende wird dadurch deutlich, daß der Anteil der Kreditfinanzierung an den Investitionen des Bundes in diesem Jahre etwa 57,5 % betragen wird. Nach der Erhöhung der Kreditaufnahme zum Ausgleich des Haushalts - die berühmten 811 Millionen - wird der gesamte Kreditbedarf des Bundes im Jahre 1968 brutto 11,4 Milliarden DM und netto 8,3 Milliarden DM - das sind also etwa 10 % des Haushalts - betragen. Es handelt sich hier - darauf muß zur Vermeidung von Mißverständnissen mit allem Nachdruck hingewiesen werden - nicht in voller Höhe um den Kreditbedarf zur Haushaltsfinanzierung 1968. Der Kreditbedarf setzt sich folgendermaßen zusammen: Haushaltsentwurf 7,4 Milliarden, Erhöhung der Kreditaufnahme zum Ausgleich weiterer Steuerausfälle 811 Millionen, Restfinanzierung der beiden Konjunkturprogramme aus dem Jahre 1967 1,5 Milliarden, Kreditaufnahme zur Umschuldung kurzfristiger Kredite des Jahres 1967 0,7 Milliarden DM und vorzeitige Rücknahme von Schuldbuchforderungen zur Verbesserung der Liquiditätslage der Rentenversicherungen und zum Schutz des Kapitalmarkts in Höhe von 1 Milliarde DM; das sind zusammen 11,4 Milliarden DM.
Die Kreditaufnahme für die eigentliche Haushaltsfinanzierung beträgt nur 8,2 Milliarden DM. Unter Hinzurechnung der Kreditaufnahme für die Restabdeckung der beiden Konjunkturprogramme 1967 wird die Netto-Neuverschuldung des Bundes im Betrag von 8,3 Milliarden DM in diesem Jahre steigen.
Unter rein fiskalischen Gesichtspunkten könnte man sagen: das erscheint doch besorgniserregend. In der Vergangenheit wurde eine Kreditfinanzierung nur in ganz bestimmten, in engen Grenzen gehaltenen Fällen von Investitionen für zulässig gehalten. Sie sollten den Schuldendienst selbst erwirtschaften, sie sollten in der Nutzungsdauer eine Überwälzung der Belastungen auf spätere Rechnungsjahre gerechtfertigt erscheinen lassen. Für die Frage, in welchem Umfang Kreditfinanzierung vorgenommen werden darf, kann jedoch das einzelne zu finanzierende Objekt nicht entscheidend sein - für die Staatswirtschaft, anders bei der Privatwirtschaft.
Dem Einsatz von Fremdmitteln kommt die Aufgabe zu, das Bruttofinanzierungsdefizit zwischen laufenden Einnahmen und dem unter konjunkturpolitischen Gesichtspunkten für notwendig erachteten Ausgabenbedarf des Bundes zu schließen. Die Erhöhung der Kreditfinanzierung bedeutet die Nutzbarmachung der zur Verfügung stehenden Kreditmittel für die allgemeine wirtschaftliche Entwicklung. Ich habe schon des öfteren, auch in diesem Hohen Hause, ausführen dürfen, daß die Vorstellungen von dem „magischen Dreieck" heute allein nicht mehr geeignet sind, das Problem zu lösen: Ausgleich der Zahlungsbilanz, Preisstabilität, Vollbeschäftigung. Diese drei Ziele lassen sich in wirtschaftlich relativ rückständigen Ländern erfüllen, ohne daß in ihnen ein Fortschritt enthalten ist. Diese drei Punkte werden ergänzt um den vierten, ohne den unser politisches System auf die Dauer nicht aufrechterhalten werden kann, nämlich um das Ziel eines innerhalb gewisser Grenzen und trotzdem unvermindert anzustrebenden und zu erreichenden wirtschaftlichen Wachstums.
Wir haben im Jahre 1967 die Bedeutung der Kreditfinanzierung im besonderen Maße kennengelernt, als der Bund durch fremdfinanzierte zusätzliche Investitionen einen weiteren Nachfragerückgang verhindert und durch seine erhöhte Kreditaufnahme den Rückgang der Kreditnachfrage seitens der privaten Wirtschaft teilweise ausgeglichen, d. h. um mit den Termini der Bundesbank zu reden: die aufgetretenen deflatorischen Effekte kompensiert hat.
Es muß unter konjunkturpolitischen Gesichtspunkten bestimmt werden, in welcher Höhe eine Finanzierung von öffentlichen Ausgaben durch Kreditmittel erfolgen soll. Nachträglich betrachtet - ich glaube, der Herr Bundeswirtschaftsminister wird dem zustimmen -, kann man mit Gelassenheit die Kritik lesen, die von sachkundiger und auch nicht sachkundiger Seite an den beiden Konjunkturhaushalten, manchmal in beckmesserischer Weise, geübt worden ist.
({21})
Wir können aber eines feststellen: daß durch die beiden Konjunkturhaushalte und durch die Abschreibungserleichterungen und durch die in dem Konjunkturhaushalt Nr. 2 enthaltenen Zinsverbilligungen insgesamt ein volkswirtschaftliches Volumen an Produktion von Gütern und Dienstleistungen in einer Größenordnung von über 25 Milliarden DM in Bewegung gesetzt worden ist. Damit ist der Bund seinen Verpflichtungen nachgekommen, die aus den Ihnen bekannten Gründen eingetretene wirtschaftliche Schwäche, wirtschaftliche Stagnation und drohend sich abzeichnende, immer stärker sich abzeichnende Rezession mit Massenarbeitslosigkeit zu überwinden.
Ich bin natürlich auch der Meinung, daß Kredite in erster Linie für Investitionszwecke eingesetzt werden sollen, und 57% - n u r 57 %, möchte ich hier sagen - werden ja für Investitionen verwendet. 57 % der Investitionen werden aus Krediten finanziert, und immer noch 43% aus ordentlichen Haushaltseinnahmen.
Es gibt keinen absoluten, d. h. gültigen prozentualen Dauermaßstab für die Zulässigkeit der staatlichen Verschuldung. Von dieser Vorstellung, die
noch die Generation unserer Väter und Großväter erfüllt hat, ist man sowohl in der wissenschaftlichen Theorie als auch in der wirtschafts- und finanzpolitischen Praxis längst abgerückt. Das Ausmaß der Kreditfinanzierung wird in erster Linie nach konjunkturellen Gesichtspunkten festgelegt werden müssen, in zweiter Linie erst unter dem Gesichtspunkt der Stabilität der Währung und der Ordnung und Sanierung der öffentlichen Finanzen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Stunde wird kommen, in der dieses Haus vor der Entscheidung stehen wird, ob es die zweite Phase einer antizyklischen Finanzpolitik erfolgreich bestehen kann. Wir brauchen uns wegen der ersten Phase keine allzu großen Sorgen zu machen. Ich freue mich zwar immer über diejenigen, die mit mir weinen, auch wenn es zum Teil Krokodilstränen sind, die sie vergießen. Aber sie sollten sich diese seelische Strapazierfähigkeit, Enttäuschungsfähigkeit, ihr seelisches Erregungsvolumen sozusagen, für den Zeitpunkt aufbewahren, zu dem sie dem nächsten Bundesfinanzminister - er mag heißen, wie er will - und der Regierung helfen müssen, auch in der Phase des wirtschaftlichen Aufstiegs eine antizyklische Finanzpolitik zu treiben, deren Maßnahmen dann vielmehr Mut zur Unpopularität verlangen, als antizyklisches Verhalten in der Rezessionsphase verlangt.
({22})
Ich kann nicht auf alle Vorwürfe des Kollegen Emde eingehen. Aber ich war doch, ich darf sagen, gerührt, Herr Kollege Emde. Was sich da alles hinter dem Rücken des Bundeskanzlers abspielt, das ist ja furchtbar.
({23})
Da werden geheime Truppen aufgebaut. Die Bundeswehr wird beiseite gedrängt, weil im Kampf um die Macht heute schon die großen Stäbe geschaffen werden. Früher hat man sich im Kampf um die Macht Prätorianer gehalten; heute sind es Mathematiker, Physiker, Nationalökonomen, Ökonometer.
({24})
Und da hat der Kollege Schiller eine stattliche Hausmacht, mit der er demnächst den Weg zur Macht antreten wird. Dahinter baut der Bundeskanzler, der an der Macht bleiben will, seine Stäbe aus, weil er ohne diese Stäbe, allein mit seinem eigenen Hausverstand - auch wenn er schwäbischer Herkunft ist -, nicht an der Macht bleiben kann.
({25})
Und dann - das ist das Verruchte an der Angelegenheit - will sich der Finanzminister unter fadenscheinigen Argumenten mit pseudosachlicher Begründung auch noch eine Hauslegion schaffen, die ihn zu den so lange schon erstrebten Höhen des Kanzlerthrones führen soll.
({26}) Das ist eine so großartige Vision - ({27})
- Das ist sozusagen zum Hausgebrauch für Miniversammlungen mit Maxiredeaufwand.
({28})
Herr Kollege Emde, es ist sicherlich Ihrer Aufmerksamkeit nicht entgangen - denn das Gegenteil könnte ich Ihnen wirklich nicht unterstellen -, daß wir ein Stabilitäts- und Wachstumsgesetz verabschiedet haben. Es ist Ihnen sicherlich nicht entgangen, daß auch eine im einzelnen gewiß noch sehr unzulängliche und weiter entwicklungsbedürftige mittelfristige Finanzplanung erarbeitet worden ist. Es ist Ihnen nicht entgangen, daß die beiden Koalitionsfraktionen, an der Spitze die SPD, und ein Finanzminister, nämlich der Finanzminister von Hessen, der Auffassung waren - ich darf sagen, in voller Übereinstimmung mit mir -, daß es heute einfach nicht mehr ausreicht, nur den Bundesanteil an den öffentlichen Finanzen sozusagen unter Kontrolle zu halten und zu koordinieren - soweit das überhaupt möglich ist - und die mittelfristige Finanzplanung nicht auch auf Länder und Gemeinden zu erstrecken.
({29})
Wir haben keinen Druckknopfstaat, bei dem man auf den Knopf drücken kann, und dann müssen alle, von der Gemeinde bis zu den höchsten staatlichen „Autoritäten", sich nach Kommando verhalten. Wir haben ein sehr vorteilhaftes, aber auch sehr schwieriges föderalistisches System.
({30})
Deshalb mußten wir uns eine Institution schaffen, für die man nicht himmlische Heerscharen einspannen kann oder Mitarbeiter, die für Gotteslohn tätig sind, sondern dafür braucht man hochqualifizierte Fachleute, im allgemeinen im Range von Beamten; hochqualifizierte Fachleute nämlich, die die Aufgaben des Finanzplanungsrates vorbereiten können. Ich bin gern bereit, mich selbstverständlich der Kabinettszensur zu unterstellen und im Haushaltsausschuß die Notwendigkeit - ich habe diese Stellen auch nicht im einzelnen nachgeprüft - einer gewissen Vermehrung des wissenschaftlichen Stabes zu begründen.
Aber ich sage hier in aller Offenheit: Entweder hat das Finanzministerium früher zuviel Beamte gehabt - war also ein partieller Friedhof, wo viele geruht haben -,
({31})
oder, wenn das nicht zutrifft - ich meine, das trifft nicht zu -, dann kann das Finanzministerium die durch Stabilitätsgesetz und durch die Einsetzung des Finanzplanungsrates neu auftretenden, komplizierten schwierigen Aufgaben nicht erfüllen.
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Befreien Sie den Finanzminister von der Aufgabe des Finanzplanungsrates, der Koordinierung aller öffentlichen, fiskalischen und parafiskalischen Gewalten, die man zum Teil nur. auf dem Wege von moral persuasion - sagt man in Neudeutsch -, moBundesminister Dr. h. c. Strauß
ralischer Überredung, koordinieren kann; dann braucht er keine neuen Stellen. Wenn er aber diese Aufgabe erfüllen soll, kommt er ohne eine maßvolle Erweiterung seiner Apparatur nicht aus. Zum Ausgleich dafür hat er ja angeboten, in der Zollverwaltung vier Jahre hindurch 500 Planstellen abzubauen - Stellen, die nicht besetzt sind, nicht neu zu besetzen -, ja, er hat sogar im „Kampf um die Macht" - Herr Kollege Emde, das sind die hintergründigen Vorstellungen; hier hilft Freud viel weiter als moderne Erkenntnisse -, aus keinem anderen Motiv, sich der freventlichen vermessenen Vorstellung hingegeben, es würde genügen, daß an der Grenze einer im Paß nachschaut und nicht zwei vorbeiwinken.
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Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Herr Minister, sind Sie bereit, hier vor der Öffentlichkeit zu erklären, daß wir beide bei diesem Kampf um den Mann an der Grenze, d. h. um den Wegfall des einen Mannes, sogar gemeinsam gekämpft haben?
Jetzt bringen Sie mich noch um den Pluspunkt, das freiwillig gesagt zu haben.
({0})
Ich wollte eben sagen: über diesen Punkt haben wir uns schon vor Jahr und Tag unterhalten. Ich war Ihnen für Ihre von unsachlichen Vorstellungen oder ähnlichen sachfremden Motiven völlig freie Haltung sehr dankbar. Denn der, der an der Spitze des ministeriellen Apparates steht, hat weder einen Machtzuwachs noch eine Machteinbuße, wenn die Frage, ob seine nachgeordneten Organe an der Grenze den Paß nachschauen, so oder so geregelt wird. Aber man braucht ja einige Klischees, damit man daran den Faden der eigenen Romantik weiterspinnen kann, womit ich in dem Fall nicht Sie, Herr Kollege Emde, wie ich ausdrücklich sagen darf, gemeint habe.
Nun drücken viele ihre tiefe Sorge darüber aus - jetzt meine ich Sie wieder, Herr Kollege Emde -, daß die mittelfristige Finanzplanung am Zusammenbrechen sei. Das arme Kind! Ich habe schon in dem ersten Teil meiner heutigen Ausführungen gesagt, daß die mittelfristige Finanzplanung nur eine allgemeine Linie darstellen kann, daß sie gewissermaßen die Basis oder Trendlinie darstellt, daß sie im großen und ganzen einen Toleranzspielraum für Abweichungen enthält, aber doch nicht ein vollzugsverbindliches; perfektioniertes Werk darstellen kann. Es treten eben immer wieder neue Dinge auf. Wer kann die Entwicklung an der Ruhr schon vorher so präzise in die Finanzplanung einsetzen, daß er die Folgen des Kohleanpassungsgesetzes und die möglichen Belastungen aus der Bildung einer Einheitsgesellschaft als Wunderkind, als intellektueller Musterknabe Jahre voraus angeben kann?
So ist es ja auch nicht, daß der öffentliche Haushalt allein des Bundes in Höhe von 80 Milliarden DM auf eine Million genau geplant werden muß, ansonsten unsere Finanzen gefährdet sind. Bei einer Größenordnung von 80 Milliarden DM ist ein gewisser Toleranzspielraum darin. Ich muß dem Haushaltsausschuß ein Wort des herzlich empfundenen Dankes dafür sagen, daß er fast eine Milliarde an nicht investiven Ausgaben gegenüber dem Haushaltsentwurf gespart hat, um aufgetretene Mehrausgaben durch Minderausgaben zu decken.
({1})
Daß die Kreditfinanzierung trotzdem um 800 Millionen DM erhöht werden muß, liegt nicht daran, daß Mehrausgaben auf anderem Wege nicht verkraftet werden könnten, sondern daran, daß infolge der Verschlechterung des Basisjahres die Steuerschätzungen, wie Sie, Herr Kollege Hermsdorf, sicherlich bestätigen, entsprechend zurückgenommen werden mußten. Diese Mindereinnahmen konnten nicht durch weitere Ausgabenkürzungen bereinigt werden. Ich lasse die Frage einmal offen - ich habe nicht ein so fundiertes Gerüst an Erkenntnissen, daß ich mir eine sichere Aussage erlauben dürfte -, ob eine weitere Kürzung von Ausgaben in diesem Jahr sogar zweckmäßig gewesen wäre. Ich bin dankbar dafür, daß das Volumen des Haushalts von 80,7 Milliarden DM eingehalten worden ist. Ich verbringe keine schlaflosen Nächte, weil in der Finanzierung auf der Einnahmenseite bei einem Betrag von 800 Millionen DM - das ist 1 % des Haushalts - der Ausdruck „ordentliche Einnahmen" wegen der Veränderung des Basisjahres durch „Kreditfinanzierung" ersetzt werden mußte.
Ich möchte hier noch etwas sehr deutlich zum Ausdruck bringen, gerade weil in der Öffentlichkeit von Ländern, von politischen Kräften, von Parteifreunden und Nichtparteifreunden finanzwirksame Ausgaben mit durchaus ehrenwerten und fundierten Argumenten verlangt werden. Ich denke z. B. an den Strukturplan Nordrhein-Westfalens. Ich bitte den Herrn Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen um Verständnis. Ich .bitte ihn auch darum, seine Kritik, die ich gestern in einer Agenturmeldung gelesen habe, etwas zurückzustecken. Danach hat er im nordrhein-westfälischen Landtag gesagt, der Herr Bundesfinanzminister solle nicht im Wahlkampf in Baden-Württemberg gegen das Ruhrrevier sprechen. Meine Damen und Herren, nichts liegt mir ferner, als gegen das Ruhrrevier zu sprechen oder zu handeln. Ich bin mit dem Herrn Bundeswirtschaftsminister, auch wenn wir in Einzelheiten diese oder jene Meinungsverschiedenheiten hatten, immer darin einig gewesen, was das Kohleproblem bedeutet und welche finanziellen Mehraufwendungen dafür erbracht werden müssen. Ich erlaube mir nur überall die Bemerkung, die auch jeder von Ihnen in diesem Hause macht, daß wir in der Bundesrepublik Deutschland nicht nur das Kohleproblem haben.
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Das geht quer durch die verschiedensten Bereiche.
Es betrifft das Zonenrandgebiet - hier denke ich
an den gesamtdeutschen Minister -, es berührt
die Fragen der Landwirtschaft, es geht in kritische Wirtschaftsbereiche - Stichwort: Textilindustrie - hinein, Handwerk und Einzelhandel im Kampf gegen die modernen Formen der Absatzorganisation mit ihren preisgünstigeren Möglichkeiten. Wir haben heute eine Reihe von Strukturproblemen. Ich bitte Sie herzlich um Verständnis dafür, daß man, wenn man für die Kohle das tun will, was getan werden muß, und wenn man dafür in ,anderen Bundesländern Verständnis wecken will, sagen muß, daß die Bundesregierung sich sehr wohl der Tatsache bewußt ist, daß es nicht nur das Kohleproblem gibt.
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Ich hielte eine Aussage, daß sich bei uns alles nur um die Kohle dreht, sogar für eine unter der Maske der Freundschaft zugefügte Schädigung der berechtigten und legitimen Interessen des Landes Nordrhein-Westfalen und des Saarlandes, weil dann .die öffentliche Zustimmung dafür, die wir auch in nicht kohlegebundenen Bundesländern einholen müssen und erbitten, nicht gegeben wäre.
Ich möchte nicht auf die Probleme des horizontalen Finanzausgleichs, auf die Notwendigkeit seiner Verbesserung zu sprechen kommen. Ich habe mich im Bundesrat kurz dazu geäußert. Der horizontale Finanzausgleich muß verstärkt und verfeinert werden. Aber mir liegt daran, in den letzten Minuten meiner Redezeit noch etwas anderes zu sagen, meine Damen und Herren.
Die Finanzpolitik der nächsten Jahre muß an dem Ziel einer Umstrukturierung des Haushalts mit einer - ich darf sagen: Promille, in dem Falle als Promille nur so zu verstehen - promilleweisen Erweiterung des investiven Prozentsatzes festhalten.
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Die Finanzpolitik der nächsten Jahre - ich rede leider nicht von 1969, sondern mit Sorge von 1970 und 1971 - muß daran festhalten, wieder einen bescheidenen finanziellen Bewegungsspielraum für die Erfüllung neuer Aufgaben zu gewinnen.
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Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich möchte jetzt nicht den Anschein erwecken, Mode zu tragen, weil Frühjahr wird; und man trägt in diesem Frühjahr Bildung oder Kulturpolitik oder Wissenschaft, Forschung, technische Entwicklung usw. So einfach kann man die Dinge nicht abtun.
Ich bin nach längerem Studium des Problems, nach einer Reihe von Gesprächen, die ich mit kompetenten Vertretern des deutschen Wissenschafts- und Forschungslebens geführt habe, zu der Auffassung gekommen, daß wir nach einem ausreichenden Studium der Systemanalyse, worüber das Jahr 1969 zum Teil noch vergehen wird, den Haushalt für wissenschaftliche Forschung und technische Entwicklung in einem einmaligen Sprung erheblich aufstocken und mit noch höheren Zuwachsraten werden ausstatten müssen, als wir es ohnehin schon in der mittelfristigen Finanzplanung vorgesehen haben.
({6})
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn die Bundesrepublik in den Schwerpunkten, in denen in Zukunft wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit, sozialer Standard und politischer Kurswert entschieden werden, auch nur ihren Rang von heute, wo wir mehr Gegenwartstechnik verkaufen als Zukunftstechnik vorbereiten, behalten will, ist diese noch weitergehende Umstrukturierung des Bundeshaushalts - Stichwort wissenschaftliche Großforschung - nicht zu vermeiden.
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Ich habe auch einmal - ich darf sagen - der abergläubischen Furcht oder der idyllischen Vorstellung gelebt, man könnte die Aufgaben der wissenschaftlichen Forschung nach dem Zuständigkeitskatalog des Grundgesetzes allein den Ländern überlassen. Meine ersten Gehversuche als erster - wenn ich mich so ausdrücken darf - Bundesatomminister haben mich davon schon nachhaltig zu heilen begonnen. Hätten wir im Jahre 1955 nicht mit einem steigenden Aufwand an Haushaltsmitteln des Bundes die Atomforschung und vor allen Dingen die Kerntechnik - die Begriffe „Atom" und „Kern" werden ja einmal so, einmal so verwendet - gefördert, wäre heute die deutsche Großwirtschaft nicht in der Lage, auf den Weltmärkten in der zivilen Kerntechnik absolut gleichrangig mit USA, Großbritannien und Frankreich anzubieten.
({8})
Ich möchte es beinahe so ausdrücken: wir stehen vor der Frage, was wir tun müssen, um zu überleben. Ich meine jetzt nicht das Überleben im Sinne des biologischen Vegetierens, sondern als politische Kraft in menschlich erträglichen Verhältnissen.
({9})
Hier kommen wir nicht daran vorbei, in wesentlich größerem Maße als bisher die elektronische Datenverarbeitung zu fördern, in mindestens gleichem Umfang wie bisher Atomwissenschaft und Atomtechnik zu unterstützen und auf dem Gebiete der Überschall-Luftfahrt und Raumfahrt, wo nicht derartige Größenordnungen finanzieller Art zur Debatte stehen, sondern etwas geringere, unsere bisherigen Bemühungen noch erheblich zu verstärken.
({10})
Ich bitte dieses Hohe Haus, sich heute schon auf die damit verbundenen schwierigen politischen Entscheidungen vorzubereiten. Denn der Beifall kann gar nicht groß genug erwartet werden, wenn man von der Förderung von Wissenschaft und Forschung in der Öffentlichkeit spricht. Wenn man dann aber sagt, was die Konsequenz ist, sieht die Sache anders aus. Die Konsequenz heißt nämlich, daß der Schwerpunkt des Ausgabenzuwachses, der sich aus wirtschaftlichem Wachstum und den damit verbundenen Steuereinnahmen ergibt, in Zukunft der wirtschaftlich-sozialen Stellung der Nation auf dem Umweg über Zukunftsinvestitionen und nicht zur Finanzierung des Sofortkonsums verfügbar gemacht werden muß.
({11})
Diese Frage wird spätestens im Haushalt 1970 eine vorrangige politische Priorität haben, was heißen wird, daß andere Aufgaben durch eine politische Entscheidung zur Posteriorität zurückgesetzt werden müssen.
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Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich am Schluß meiner Ausführungen, die leider nicht all das eingehen können, was an wertvollen Anregungen, an Wünschen, an kritischen Anmerkungen usw. vorgetragen wurde - ich sage das nicht, weil ich mich der Stellungnahme entziehen will, sondern weil unsere gemeinsame Zeit wahrlich nicht ausreicht, hier in alle Einzelheiten einzudringen -, folgendes sagen. Eine Frage wird uns als Parlamentarier, als diejenigen, die viele öffentliche Kundgebungen, Versammlungen, Diskussionen zu bestreiten haben, immer wieder beschäftigen, nämlich das schöne Wort: „Schafft einfache Steuergesetze!"
Zurufe von der CDU/CSU: Sehr gut! Das
ist ein Thema!)
Hier ist eine beachtliche Allianz entstanden, hier sind der Verband der Steuerbeamten und der Bund der Steuerzahler gemeinsam aufgetreten.
Meine Damen und Herren, wir können uns die Arbeit ganz einfach machen: Laßt uns zu der Steuergesetzgebung des Jahres 1900 zurückkehren und nach edler Väter Sitte das Glück im Winkel in Zukunft weiterhin musisch betreiben!
({13})
Warum haben wir denn eine so komplizierte Steuergesetzgebung? ({14})
Weil zwei Weltkriege, weil die Folgen dieser Kriege, weil die mit zunehmender Beschleunigung sich vollziehende Entwicklung der Menschheit von heute so differenzierte Tatbestände schaffen, daß der nach Gerechtigkeit und Sicherheit dürstende Mensch unserer Zeit in der Gesetzgebung den Ausdruck für die Berücksichtigung dieser Tatbestände verlangt.
({15})
Sie haben doch alle, meine Damen und Herren, schon - manche vielleicht viele Jahre mehr als ich - in Ausschüssen um Fassungen gerungen, um Formulierungen gekämpft, um all dem gerecht zu werden, was Sie als Volksvertreter der Öffentlichkeit in Erfüllung Ihrer Funktion bescheren wollen.
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- Da ist sicherlich manches übertrieben worden. Aber die große Alternative, Herr Kollege Schmidt, heißt: Entweder holzhackerische Radikallösungen - dann kann man den Beamtenapparat der Finanzverwaltung gewaltig abbauen - oder eine den Folgen der Vergangenheit und den komplizierten Notwendigkeiten von morgen im einzelnen Rechnung tragende Steuergesetzgebung. Dann wird sie aber eben leider nicht so einfach aussehen können, wie jeder
sie wünscht, wenn er seine eigene Steuererklärung nicht mehr ausfüllen kann, was heutzutage manchem große Schwierigkeiten macht.
Ich glaube, daß das Problem der Verwaltungsvereinfachung in der Steuerverwaltung sicherlich, Herr Kollege Hermsdorf - ich danke Ihnen für die Anregung -, auch eine Frage der Reform unseres Steuersystems ist. Aber das Steuersystem wird nie mehr so einfach werden, daß wir mit, sagen wir, kurz und oberflächlich ausgebildeten Beamten in geringer Zahl auskommen könnten. Das haben Sie in keiner Weise unterstellt; ich bitte mich nicht mißzuverstehen. Aber ich denke an die massive Kritik, die an der Steuergesetzgebung geübt worden ist. Die Kritik richtet sich ja gegen das Parlament und damit den Träger der Souveränität, den Träger des Volkswillens und auch Vollstrecker des Volkswillens.
Ein großer Teil der Verwaltungsvereinfachung auf steuerlichem Gebiet wird in Zukunft in der Einführung der elektronischen Datenverarbeitung liegen.
({17})
Ich glaube, Herr Kollege Schmidt, wir sind in der Steuerverwaltung der allgemeinen Verwaltung sogar voraus. Ich denke z. B. an die Inbetriebnahme der elektronischen Datenverarbeitung in Berlin vor wenigen Wochen, ein IBM-System, dritte Generation, ein Siemens, das System 4004. Gerade die Einführung der elektronischen Datenverarbeitung erfordert bei einem Komplex, der uns im Mai dieses Jahres und dann in Zukunft bei der Finanzreform beschäftigen wird, eine durch Gesetz befohlene bessere Kooperation zwischen den Finanzverwaltungen des Bundes und der Länder.
({18})
Die einen rufen: „Einheitliche Finanzverwaltung!", von der anderen Seite kommt die düstere Warnung: „Legt den Zentralisten das Handwerk, sie haben finstere Pläne, einen Einheitsstaat, einen Druckknopfstaat einzuführen." Diese Frage wird ja auch durch den Sachzwang überspielt. Es ist heute einfach nicht mehr möglich, ohne eine volle, bis in die Einzelheiten sich erstreckende Kooperation der Steuerverwaltungen und Finanzverwaltungen von Bund und Ländern die elektronische Datenverarbeitung im Sinne eines cost-benefit, einer guten Relation zwischen Kosten und Nutzen zu verwenden.
Wir werden in der Frage der Finanzreform diese Probleme im einzelnen zu prüfen haben. Ich habe aber heute schon den Wunsch, daß nach der ersten Lesung am 8. Mai das Reformwerk zügig beraten wird, damit es noch in dieser Legislaturperiode, und zwar nicht als Minireform - ich habe auch keine Maxi-Vorstellungen - aber noch als echte Reform unseres bundesstaatlichen Wirkens verabschiedet werden kann. Denn hinter der Verfassungsergänzung, hinter der Verfassungsänderung stehen ja
mindestens sieben zum Teil sehr komplizierte Ausführungsgesetze. Neben dieser Finanzreform - aber als einen Teil davon im extensiven Sinne des Wortes - werden wir uns noch in diesem Jahr - ich hoffe, das schon in den nächsten Wochen dem Kabinett vorlegen zu können - mit den zwei Gesetzen, der Haushaltsrechtsreform einschließlich einer Verfassungsänderung, befassen müssen, und wir werden auch das Problem der steuerlichen Organschaft, die steuerlichen Probleme der Umwandlung, der freien Wahl der Gesellschaftsform entsprechend den modernen Bedürfnissen sehr schnell lösen müssen.
({19})
Meine Damen und Herren, wenn es uns gelingt, in dieser Legislaturperiode, nachdem wir den Haushalt 1968 verabschiedet haben, die Finanzreform in dem vorhin geschilderten weiteren Sinne des Wortes, die steuerlichen Probleme, die sich aus der Wirtschaft ergeben - Organschaft und Umwandlung waren die beiden Stichworte - zu lösen, die mittelfristige Finanzplanung rechtzeitig bis Juli fortzuschreiben, sie auch - ich darf sagen, einen Rohentwurf - auf Länder und Gemeinden auszudehnen, weil die volle Ausdehnung erst nach Einführung eines gemeinsamen Haushaltsrechts technisch möglich sein wird, wenn uns das gelingt, meine Damen und Herren, dann hat dieser Bundestag und die von ihm herausgestellte Regierung in dieser Legislaturperiode die Aufgaben erfüllt, die man nach gesundem Menschenverstand mit Fug und Recht optimal von ihr verlangen konnte.
({20})
Wir wollen das Parlament auch nicht arbeitslos machen. Wir wollen auch unseren Nachfolgern in der nächsten Legislaturperiode nicht die traurige Situation bescheren, daß sie nichts mehr zu tun haben.
({21})
Deshalb bin ich zu der Auffassung gekommen, daß wir die Reform nicht nur der direkten Steuern, Herr Kollege Hermsdorf, sondern wie Sie auch vorgeschlagen haben, des gesamten Steuersystems in dieser Legislaturperiode theoretisch und auf Grund praktischer Erfahrungen und mit der Zielmarkierung Europa-Harmonisierung vorbereiten sollten, um sie in der ersten Hälfte der nächsten Legislaturperiode verabschieden zu können. Wenn wir uns das noch für diese Legislaturperiode vornähmen, hätten weder Regierung noch Parlament ausreichend Zeit, ausreichende Vorarbeiten und genügende theoretische und erfahrungsmäßige Grundlagen dafür.
Ich trage mich auch - man wird in der Politik einerseits immer abgeklärter, andererseits immer boshafter - mit dem von den Sachverständigen nicht so sehr geliebten Gedanken, denen, die heute die ganze Öffentlichkeit mit dem Wort „Schafft einfache Steuergesetze, Schluß mit diesem Wirrwarr!" verrückt machen, die Möglichkeit eines produktiven Mitwirkens an der Schaffung einfacher, leicht durchzuführender, jedermann zufriedenstellender Steuergesetze zu geben.
({22})
Da einige von ihnen aber schon früher in einer solchen Kommission tätig waren - und da ist wenig herausgekommen -, hoffe ich, daß in der Zwischenzeit die göttliche Erleuchtung über sie kommt und sie, wenn sie sich das zweite Mal dieser edlen Aufgabe widmen, die Öffentlichkeit mit wesentlich besseren Ergebnissen beglücken werden, als es damals der Fall gewesen ist.
({23})
Das Wort hat der Herr Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen.
Wehner, Bhndesminister für gesamtdeutsche Fragen: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es tut mir leid, zu so später Stunde noch das Wort nehmen zu müssen. Aber es gab leider keine Gelegenheit, während der zweiten Lesung auf einige Ausführungen von Kollegen einzugehen, die das notwendig gemacht haben.
Ich muß einiges zu dem sagen, das Herr Scheel sozusagen im Zusammenhang mit unserer Haushaltsberatung im eigentlichen Sinne des Wortes ausgeführt hat. Er sagte, es gebe bei der gegenwärtigen Regierung und ihrer Koalition leider - leider, sagte er - keine klare Mehrheit für die Deutschland-Politik, und das könne wohl auch gar nicht sein; man brauche sich nur einmal die Personen zu betrachten, die in dieser Regierung für die Deutschland-Politik verantwortlich seien. Er zählte sie dann auf. Es war eine sehr individuelle Aufzählung. Auf der einen Seite zählte er mich, den Minister für gesamtdeutsche Fragen, auf der anderen Seite den Freiherrn von Guttenberg. Von mir sagte er, ich hätte doch sicher das gesamtdeutsche Ministerium übernommen, um meine Vorstellungen von der Deutschland-Politik in dieser Regierung durchzusetzen. Von Herrn zu Guttenberg sagte er, jener habe seine Tätigkeit im Bundeskanzleramt mit dem Ziel übernommen, eben das zu verhindern. Jetzt wissen wir also Bescheid. Herr Scheel sagte, bei solcher Bipolarität könne kein richtiges Ergebnis herauskommen. Das mag wohl sein. Wenn ich denke, was eben hier von Stäben und Heerscharen geredet worden ist, so sehe ich hier eine Linie von Anfang bis Ende in der Stabführung der gegenwärtigen Opposition.
Ich will mich nicht ungebührlich lange bei Herrn Scheels neckischem Bild aufhalten. Es ist in gewisser Beziehung ein Spiegelbild. Aber im Rahmen der Haushaltsplanberatung muß ich jedenfalls aufklären helfen. Sonst werden Sie am Ende noch sagen, auch dieser Punkt sei unaufgeklärt geblieben, ob tatsächlich die Einzelpläne 27 - das ist das Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen - und 04 - das ist das Bundeskanzleramt - in solcher Weise einander paralysieren. Wenn das der Fall
Bundesminister Wehner
wäre, müßte man ja sagen: Hier kann man etwas einsparen.
({0})
- Ja, da habe ich gesagt - Herr Rutschke, Sie sind sehr aufmerksam; aber das ist Ihnen wohl entgangen -: ich hatte leider keine Gelegenheit bekommen. Ich werfe mich ja auch nicht zum Zensor Ihrer Reden in der dritten Lesung auf. Ich hatte selbst den Herrn Präsidenten gefragt. Nur, ich spare Ihnen Zeit, und Sie sparen sich Zeit, wenn Sie sich zur rechten Zeit mit Bedenken melden.
({1})
Ich jedenfalls möchte hier auf einige der politischen Begründungen für dieses neckische Bild eingehen und einiges sagen, was zur Deutschlandpolitik gesagt werden muß und vielleicht auch gerade heute gesagt werden muß. Bevor ich das tue, will ich noch einmal die Aufmerksamkeit auf eine die Politik der Großen Koalition bewertende Bemerkung des Herrn Kollegen Scheel zurücklenken. Er sagte, in der Offentlichkeit sei immer noch der polemische Streit darüber im Gange, ob denn nun die Politik, die von dieser Regierung vertreten werde, die „bewährte alte" Politik sei, oder ob die Politik, die von dieser Regierung vertreten werde, eine „dynamische neue" Politik sei. Beim zweiten Teil seiner Frage hat Herr Kollege Scheel betont, jetzt schaue er hinüber zur SPD-Fraktion. Ich persönlich nehme an, daß diese es gern hören wird, wenn sie mit Dynamik in Beziehung gebracht wird.
Aber die Antwort auf die Frage, eine ganz rhetorische Frage, die hier in bezug auf die Politik gestellt worden ist, kann gar nicht sensationell sein. In bezug auf die Deutschlandpolitik ist es die Politik, die das Kräfteverhältnis möglich macht, angesichts einer Lage, die nur sehr gradweise mit unseren eigenen Kräften verändert werden kann. Wer darüber hinwegreden möchte, der täuscht sich gewaltig über die Härte des Geländes, auf dem, in dem und durch das hindurch diese Politik gemacht werden muß.
({2})
Hier im Hause ringen wir natürlich um das, was möglich gemacht werden soll. Dabei ist es unvermeidlich, daß unterschiedliche Auffassungen ausgetragen werden müssen. Nur ganz kleine Gruppen können so rein sein, daß sie völlig einheitliche Auffassungen haben, wie Sie das ja in allen Fragen haben.
({3})
Die Ziele, Absichten und auch die Angaben über die Richtung unserer Bemühungen haben die Regierungserklärung vom Dezember, die Erklärung des Bundeskanzlers vom 12. April hier vor diesem Hause, die Briefe, die der Bundeskanzler an den Vorsitzenden des Ministerrates in Ost-Berlin, Herrn Stoph, gerichtet hat, jedenfalls deutlich gemacht. Zur Sache selbst hat Herr Scheel gesagt, im Augenblick seien wir in Europa in einer Periode der Entspannung, aber diese Politik der Entspannung sei ja nicht die unsere, sondern es sei die Politik der
I Entspannung zwischen den Vereinigten Staaten und der UdSSR. Er sagte, wenn es den beiden Supermächten einfallen sollte, in der nächsten Woche eine Politik des kalten Krieges gegeneinander zu treiben, würden wir - so meint Herr Scheel - dem ohne Gegenwehr ausgeliefert sein und - fügte er hinzu - hier wieder fröhliche Parolen des kalten Krieges hören müssen. Nun, zum letzten Teil will ich sagen: ob die dann fröhlich wären, wäre bei einem Rückfall in kalten Krieg wohl zu bezweifeln. Es läge in der Natur der Sache, daß das zu bezweifeln wäre.
Aber, Herr Kollege Scheel hat das gesagt, um seiner Aufforderung Nachdruck zu verleihen, wir sollten diese Periode der Entspannung aber nutzen, denn sie sei uns als eine Chance gegeben. Wir sollten sie nutzen, so sagte er, um an einem Sicherheitssystem für Europa zu arbeiten, das nur ein überlappendes Sicherheitssystem sein könne. Er hat das so erläutert: An diesem System sollten die westeuropäischen und die osteuropäischen Länder beteiligt sein und in ihm sollten die beiden nuklearen Supermächte sozusagen nukleare Garantiemächte sein können.
Meine Damen und Herren, ohne mich in Details zu verlieren, muß ich, weil hier ja davon die Rede war, daß diese Fragen der Politik in der Bundesregierung plus minus Null seien, da hier Bemühungen einander aufhöben, auf das eingehen, was dazu von der Bundesregierung gedacht, gemeint und als Richtlinie befolgt wird. Wie sich unsere Politik der Entspannung als Voraussetzung der Überwindung der Spaltung unseres Volkes mit unserem westlichen Bündnis, mit unserem Bemühen um die Einigung Europas vereinbaren läßt, das sind Fragen, mit denen die Regierung umgeht und sich befaßt. Und der Frage, ob das eine idas andere ausschlösse, ob hier nicht ein tragischer Widerspruch deis Denkens und des Empfindens unserer gesamten Politik vorliege, weichen wir nicht aus; auch nicht - Herr Scheel kommt in seiner Fragenkette auch noch auf diesen Punkt - den Überlegungen, daß ein wiedervereinigtes Deutschland eine kritische Größenordnung hätte, weil es zu groß wäre, um in der Balance der Kräfte keine Rolle zu spielen, zu klein wäre, um die Kräfte um sich herum selbst im Gleichgewicht zu halten. Daher ist es in ider Tat nur schwer vorstellbar, daß sich ganz Deutschland bei einer Fortdauer der gegenwärtigen politischen Struktur in Europa der einen oder der anderen Seite ohne weiteres zugesellen könnte. Und eben darum - das ist unsere Überzeugung - kann man das Zusammenwachsen der getrennten Teile Deutschlands nur in den Prozeß der Überwindung des Ost-West-Konflikts in Europa eingebettet sehen; man kann es sich nur so denken und sich 'in diesem Sinne darum bemühen.
Das sind Sätze, die der Herr Bundeskanzler in seiner Rede vom 17. Juni 1967 ausgesprochen hat. Dort ist die Antwort auf Herrn Scheels Fragen vorweggenommen und vorweggegeben worden, und das sieht nicht aus wie plus minus Null in einer für unser Volk entscheidenden politischen Frage. Und dort wird, um das noch ein wenig mit drei Sätzen fortzusetzen, deutlich gesagt, daß die Bundesrepu8956
Bundesminister Wehner
blick ebenso wie ihre Verbündeten eine wertschauende Entspannungspolitik nur auf der Grundlage der eigenen Freiheit, der eigenen Sicherheit führen kann. Die atlantischen und die europäischen Mitglieder des Bündnisses sind deshalb - heute wie früher - aufeinander und auf ihr Miteinander angewiesen. Aber - wir betonen das; und da gibt es wieder eine vorweggenommene Antwort auf diese Fragen des Herrn Kollegen Scheel - diese unsere Bündnisse und unsere Gemeinschaften würden ihren Sinn verfehlen, wenn es ihnen zwar gelänge, in einer machtpolitisch kritischen Region eine lange Waffenruhe zu sichern, wenn aber zugleich die Spannungen akkumuliert würden und die schließliche Entladung um so verheerender sein würde. Deshalb - das ist unsere Vorstellung - muß folgerichtig die Entwicklung zu einem Interessenausgleich zwischen den Bündnissen von West und Ost gefördert werden und schließlich zu einer Zusammenarbeit führen, einer unentbehrlichen Zusammenarbeit angesichts der Krisenherde in allen Regionen unserer Welt. Das, meine ich, ist tatsächlich das, wonach Herr Kollege Scheel gefragt hat.
Ich möchte des mit einer Bemerkung aus dem Bericht des Bundeskanzlers über .die Lage der Nation im gespaltenen Deutschland ergänzen: So stark unsere Bindungen im atlantischen Bündnis, so freundschaftlich unsere Beziehungen zu den Vereinigten Staaten auch sind, so dürfen wir doch unsere eigene Zukunft und, wie wir meinen, auch die Zukunft ,eines vereinigten westlichen Europas nicht im festen Gefüge eines nordatlantischen Imperiums suchen. Eine solche Lösung würde die Demarkationslinie, die Deutschland und Europa teilt, in einen dauernden Grenzwall verwandeln. Eine solche Lösung könnte aber auch die Gefahreines großen Weltkonflikts in dramatischer Weise steigern.
Ich muß das in diesen Zusammenhang stellen, weil sowohl der Herr Kollege Scheel als auch der Herr Kollege Genscher - natürlich mit Recht - Fragen, die diese entscheidenden Probleme berühren, gestellt haben. Ich wollte ihnen nur helfen zu verstehen, daß die Regierung Antworten auf solche Fragen hat.
Herr Scheel hat gesagt, daß Deutschland im Kern der europäischen Teilung liege, daß es uns in erster Linie angehe und daß wir also auch in erster Linie uns um die Lösungen bemühen müßten. Nun, ich hoffe, es wird den Kollegen Scheel und seine Freunde nicht genieren, wenn ich bemerke, daß es eine bemerkenswerte Übereinstimmung zwischen der Richtung seiner Fragen und den grundlegenden politischen Vorstellungen gibt, die der Bundeskanzler als die festen Absichten der Bundesregierung dargelegt hat. Ich finde, es wäre ein Fortschritt, und es würde das Gewicht der deutschen Position in dieser schwierigen Gesamtlage erhöhen, wenn es in solchen grundlegenden Fragen eine Übereinstimmung der drei Fraktionen dieses Hauses auch im politischen Alltag gäbe.
Herr Scheel hat angeregt, einen Entwurf zu einer europäischen Sicherheitsordnung zu entwickeln, daß wir uns Gedanken machen, wie man die NATO weiter entwickeln könnte, und daß eine gemeinsame
Abrüstungspolitik, eine gemeinsame Verteidigungspolitik im Interesse der Zusammenarbeit in ganz Europa stehen müsse. Sie müsse, sagt er, auf ein gesamteuropäisches Sicherheitssystem ausgerichtet sein, eines an dem Ost und West beteiligt sind, das von den beiden Nuklearmächten garantiert werde - dies kehrt ja immer wieder -, und er meinte, ohne eine solche Zielrichtung der Politik sei das Problem der Wiedervereinigung überhaupt nicht vorwärtszubringen. Entsprechend äußerte sich später zur selben Problematik Herr Kollege Genscher. Es ist dabei gesagt worden, daß es die spezielle Aufgabe der Deutschen diesseits und jenseits der Demarkationslinie sei. Wir müßten unser Verhältnis zur DDR ordnen.
Nun, gerade darum bemüht sich die Bundesregierung. Ich will dabei nicht untersuchen, wer in den Reden der genannten Kollegen „wir" sind oder wer damit gemeint sein kann, wenn es darum geht zu sagen, die Dinge seien eben in der Nachkriegszeit nicht so verlaufen, wie wir alle es angenommen hätten. Bleiben wir bei dem, was jetzt ist. Wir haben es jetzt mit sehr harten Tatsachen zu tun. Die Gegenseite! Nun, was will die Gegenseite von uns? Nicht irgendwelches; Sie will von uns unsere Unterschrift unter die Besiegelung der Unwiderruflichkeit, der Endgültigkeit der Teilung Deutschlands. Das will die Gegenseite. Das muß man sehen. Damit haben wir es zu tun. Natürlich muß man sich damit befassen. Natürlich muß man eine Politik machen, die ihr das nicht gibt,
({4}) aber eine Politik machen.
Wir haben demgegenüber die Pflicht, die deutsche Frage offenzuhalten, keinen Buchschluß über die deutsche Frage selbst mit zu bewirken oder herbeizuwünschen oder durch uns zustande bringen zu lassen.
({5})
Es hilft nichts und - ich muß sagen - es ist nicht einmal richtig, wenn gesagt wird - so hat es der Kollege Scheel gesagt -, mit der bisherigen Deutschlandpolitik seien wir keinen Schritt weitergekommen. Er hat dazu gesagt, schon eine flüchtige Beurteilung der bisherigen Deutschlandpolitik zeige das. Nun, ich gebe zu, das war offenbar eine sehr flüchtige Beurteilung. In Wirklichkeit sind wir weitergekommen, wobei man das mit aller Bescheidenheit sagen muß. Es ist nämlich nicht die Bundesrepublik - und ihre Regierung -, die heute als Störenfried einer Verständigung angesehen wird. Das hat sich sogar im Urteil regierender kommunistischer Parteien, die ja von uns nicht gut denken können, sehr geändert. Immerhin hat sich in dieser Hinsicht das Bild um 180 Grad gedreht.
({6})
Herr Kollege Müller-Hermann hat in der Debatte darauf hingewiesen. Da gibt es Bewertungen, da gibt es auch Überlegungen, was man nun weiter denken kann. Nein, heute ist es so: Es ist nicht Bonn, das nein sagt, wenn Verständigungsvorschläge gemacht werden. Es ist die SED-Führung, es ist die
Bundesminister Wehner
DDR-Regierung, die nein sagen, wenn Verständigungsvorschläge gemacht werden.
({7})
Das sollten wir festhalten, nicht, damit es nicht weitergehe, aber damit man um uns herum weiß und wir selber wissen, wie die Lage wirklich ist. Wir haben uns doch dieser Lage wahrlich nicht zu schämen und uns angesichts dieser Lage auch nicht zu zerreißen, zu zerfleischen oder zu überschlagen.
({8})
Wir müssen mit vielem fertigwerden. Da ist der Vetrrag vom 12. Juni 1964, damals zwischen der UdSSR und DDR auf 20 Jahre abgeschlossen, der feststellt: Es soll so bleiben, wie es ist. Da sind die bilateralen Abkommen des Jahres 1967, die zur Bekräftigung der Rolle abgeschlossen worden sind, die Ostberlin durch diesen Vertrag von 1964 zugeschrieben bekommen hat. Und jetzt haben wir es mit der neuen DDR-Verfassung - so heißt sie - zu tun, durch die das Regime ohne nationale Legitimation
({9})
gleichziehen möchte, ranggleich werden will mit den Volksdemokratien.
({10})
Das ist der Vorgang.
Unser Politik, so hat Herr Scheel gesagt, müsse darauf hinauslaufen, die beiden Teile der Nation am Ende unter ein Dach zu führen, und weil das nach Lage der machtpolitischen Konstellation in der Welt jetzt nicht möglich sei, müßten wir doch eine Form des Nebeneinanders entwickeln, die - so meinte es wohl Herr Scheel - diesem Ziel diene. Nun, die Bundesregierung hat Ansätze dazu geschaffen und entwickelt. Sie bleibt dieser Aufgabe verpflichtet. Aber sie kann nicht Wunder wirken. Sie kann nicht, wenn auf der anderen Seite aus anderen Gründen und wie lange noch die Mauer des Nein ist, aus Nein Ja machen. Allerdings kann sie ihre Bereitschaft immer wieder unter Beweis stellen, und sie hat es getan mit der Regierungserklärung vom Dezember 1966, mit der schon erwähnten Erklärung des Bundeskanzlers vom 12. April 1967 und jenen drei Gruppen von Vorschlägen, die sinnvoll geordnet sind und dennoch nicht Ausschließlichkeitsanspruch erhoben haben, mit Vorschlägen, worüber wir bereit wären zu sprechen - nicht ausschließlich, auch über anderes -, und dann mit den schon erwähnten Briefen des Bundeskanzlers, deren letzter vom 28. September ja nichts anderes sagt als dies: wir sind bereit, ohne weitere Voraussetzungen und Vorbedingungen miteinander in Gespräche zu gehen, Verhandlungen zu beginnen über ein gemeinsam zu entwerfendes, gemeinsam zu verwirklichendes Programm, das wenigstens die Bürde der Spaltung unserem Volk erleichtern will. Der Bundeskanzler hat von dieser Stelle aus am 11. März in seinem Bericht über die Lage der Nation gesagt, daß es, wenn es zu solchen Gesprächen und Verhandlungen käme, durchaus auch im Sinne unserer Thematik liege, Probleme wie das des Gewaltverzichts zu behandeln. Das ist doch eine Haltung, die man anerkennen muß. Hier ist einmal etwas, was man anerkennen muß, wenn es darum geht, wer sich bemüht, eine sehr verhärtete Situation in Deutschland auch im Sinne europäischer Entspannung aufzulockern. Das alles ist entwicklungsfähig. Das wirkt auch in gewisser Hinsicht schon jetzt, ungeachtet des Sperrens der SED-Führung.
Herr Scheel hat gefragt, warum man denn nicht einen Vorschlag aufgreife, der schon an einer anderen Stelle gemacht worden ist und den, ich glaube, auch hier bei der Debatte über den Bericht über die Lage der Nation der Herr Kollege Schmidt als Vorsitzender der SPD-Fraktion zu erwägen gegeben hat, nämlich Beauftragte von beiden Seiten zu ernennen. Herr Genscher hat gesagt, wir sollten doch Termine nennen - gut, das ist Ungeduld; da ist nicht zu schimpfen; das mag ihm also so wichtig sein -, und dann sollte die andere Seite zeigen, ob sie bereit sei. Er hat gefragt, warum wir, wenn die andere Seite einen an sich unmöglichen Vertragsentwurf vorgeschlagen hat - das war ja kein Entwurf, sondern nichts anderes als eine Teilungsurkunde, die wir zu unterschreiben hätten;
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ehe es überhaupt zu einer Verhandlung, ehe es überhaupt zu einem Gespräch käme, sollten wir eine Teilungsurkunde unterfertigen -, denn nicht - und die Frage ist immerhin interessant - einen entsprechenden Vorschlag machten. Ich möchte meinen Kollegen, die ich soeben hier angesprochen habe, sagen: Nichts Positives ist ausgeschlossen, und noch mehr als das, was Sie hier genannt haben, was Sie vorgebracht haben, ist möglich. Aber die Wahl des geeigneten Zeitpunkts in der Beurteilung der Situation gehört auch dazu. Ich habe insofern nichts dagegen, wenn Sie drängen in dieser oder jener Frage, aber ich habe sehr viel dagegen, wenn Sie meinen, die Regierung wage nichts. Sie kann und sie muß - aber beides muß zueinander stimmen - das tun, was nach Abwägung der zu beachtenden Faktoren im geeigneten Zeitpunkt getan werden soll.
Weil sowohl Herr Scheel als auch Herr Genscher von der besonderen Natur der Beziehungen zwischen uns und den Verantwortlichen und ihren Institutionen drüben im anderen Teil Deutschlands gesprochen haben, muß ich einige Bemerkungen dazu machen. Herr Scheel hat auf Zwischenbemerkungen im Zusammenhang mit der Erörterung darüber, ob das Fehlen der demokratischen Legitimation der Regierung im anderen Teil Deutschlands ein möglicher Grund sei und ob nicht wir ja auch Beziehungen zu anderen Staaten hätten, deren Regierungen ebenfalls keine demokratische Legitimation hätten, zurückgefragt: Wollen Sie denn schlechte Beziehungen zu dieser Regierung unterhalten, nur weil es eine deutsche Regierung ist? - Inzwischen war gesagt worden: immerhin sei das hier Deutschland, womit wir es zu tun hätten. - Nein, natürlich nicht. Im Gegenteil, wir wollen gerade deshalb, weil es eine Regierung in Deutschland ist, die Beziehungen haben, die denkbar sind, ohne daß es Beziehungen wie zwischen Ausland und Ausland sein müssen und sein sollen. Um8958
Bundesminister Wehner
gekehrt ist es aber leider so - wir haben es ja erlebt -: sie wollen ungeachtet dessen, womit jetzt ihre neue Verfassung beginnt, daß sie ein Staat der und der Art deutscher Nation seien, zugleich sagen, das Verhältnis zueinander müsse sein wie das Verhältnis ausländischer fremder Staaten. Dazu muß ich nur sagen: wir können uns nicht auf den Kopf stellen, um der anderen Seite in die Augen sehen zu können.
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Wir werden sehen, daß auch sie sich wieder mit den Füßen auf den gemeinsamen Boden stellen, und dann können wir miteinander verhandeln und uns sogar in die Augen sehen.
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Der Herr von Merkatz hat bei diesen Erörterungen - und in einem anderen Zusammenhang hat es auch Herr Müller-Hermann getan - auf die Notwendigkeit des Vorhandenseins der Bereitschaft zur Kooperation auf beiden Seiten - also auch auf der anderen Seite - hingewiesen. Herr von Merkatz sprach in dem Zusammenhang die Befürchtung aus, selbst eine sozusagen staatsrechtliche Annäherungslösung sei wohl letzthin eine Scheinlösung.
Ohne Zweifel muß Verständigung von mehr als von einer Seite gewünscht und gefördert werden. Solange es nur eine Seite ist, muß diese Seite immer darauf achten, daß die Vernünftigen jene weniger Vernünftigen zurückhalten und nicht sagen: weil die andere Seite gar nicht Miene macht, hören wir auch auf. Denn dann hören alle auf. Dann ist genau das eingetreten, was die von der anderen Seite eigentlich für längere Zeit haben wollen.
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Ohne Zweifel: Verständigung muß von mehr als nur von einer Seite gewünscht und auch gefördert werden.
Wille zur Kooperation - das war das Wort des Herrn von Merkatz; ich sage das ohne Abwertung - ist vielleicht viel verlangt, wenn man an die Unterschiedlichkeit der Systeme oder der Regime denkt. Sagen wir: mindestens die Aussicht auf ein faires Wettbewerbsverhältnis wäre das, was z. B. unserem Volk und was unseren Nachbarn in Beziehung zu unserem Volk dienlich sein könnte. Das heißt: das Interesse daran, das sollte auch bei gegensätzlichen Gesellschaftsordnungen, wie man heute gern sagt - in Wirklichkeit ist es da ein Regime -, vorhanden sein, wenn jene wirklich für Frieden sein sollten. Das aber ist das Kriterium. Wenn man sich so verständigen kann, wird es wohl Möglichkeiten geben, auf unserer Seite zu operieren; auf der anderen Seite kann es lange dauern.
Herr Genscher sagte, es sei unsere Aufgabe, zu keiner Zeit auf eine Politik zu verzichten, die darauf angelegt ist, die andere Seite zu einer Änderung ihres Standpunktes zu bewegen. Eben das tun wir. Am Thema Gewaltverzichtserklärung oder Gewaltverzichtsvereinbarung ist deutlich erkennbar, wie Schritt für Schritt - wenn auch zunächst sehr bedingt; das geht alles ganz mühselig - getan
und beides wirksam geworden ist. Die Regierung im anderen Teil Deutschlands hatte noch im Februar des Jahres 1967 behauptet, wir hier wollten Gewaltverzichtsvereinbarungen angeblich nur zum Zwecke der Täuschung anderer und schließlich zum Zwecke der Einkreisung der DDR. Diese Position hat die Ostberliner Regierung inzwischen aufgeben müssen. Jetzt möchte sie, wir sollten, ehe Gewaltverzichte überhaupt vereinbart sind oder über sie vorverhandelt sein kann, alles anerkennen, was sie anerkannt haben will, ehe überhaupt über etwas verhandelt werden kann. Man muß ja immerhin diesen Positionswechsel sehen.
Das heißt, noch ist die Regierung im anderen Teil Deutschlands erst von einer völlig negativen Position auf eine andere, etwas verschleierte Position ausgewichen. Aber es kommt die Zeit, in der auch sie es nicht mehr darauf ankommen lassen kann, als die Endmoräne des Kalten Krieges in die Geschichte einzugehen. Das ist unsere Möglichkeit.
Es ist ja nicht so, wie Herr Genscher anzunehmen schien, daß wir uns in Prozedurfragen verstrickt hätten; wir nicht! Wir müssen uns alle bemühen, soweit das geht, wirklich realistisch zu sein.
Herr Genscher hat gemeint, die Bundesregierung solle geradezu die Befürworterin einer gesamteuropäischen Sicherheitskonferenz sein, weil nach Lage der Dinge eine solche Konferenz auf lange Sicht wahrscheinlich das einzige internationale Gremium wäre, von dem oder vor dem mit einiger Aussicht auf Erfolg auch über die deutschen Probleme gesprochen werden könnte. Gut, alles zu seiner Zeit. Vergessen Sie und vergessen wir alle bitte nicht, daß die Bundesrepublik nicht im Alleingang und nicht ohne Zusammenwirken mit unseren Vertragspartnern in ein Konferenzgefälle hineinschlittern darf, das ja ursprünglich hergerichtet worden ist, um die Bundesrepublik sozusagen zum Sündenbock für alle Befürchtungen zu machen, die man in Ost und West hegt.
So hat es ja angefangen. Die Zeit ist zu weit fortgeschritten, und ich würde unverschämt sein, wollte ich das hier in Erinnerung bringen mit einem Zitat aus jener Konferenz, dem Parteitag der Regierungspartei der Sowjetunion, im März 1966, dem ein Jahr später im April die Erklärung der in Karlsbad versammelten kommunistischen Parteien Europas gefolgt ist. Wir sind dabei - dais ist die Essenz dieser Seite unserer Politik -, ursprüngliche Ansichten und Absichten, Ansichten darüber, wie man uns sozusagen eine Sicherheitskonferenz' um den Leib legen könnte, während wir die Behandelten bleiben sollten, zu ändern. Wir haben uns zur Diskussion gemeldet über die Probleme europäische Friedensordnung und Sicherheit. Wer aber jetzt überwiegend oder ausschließlich von einer Sicherheitskonferenz als Prozedur spricht, der läuft, auch wenn er es ganz anders will - und ich nehme an, die genannten Kollegen wollen das natürlich nicht in dieser Richtung -, Gefahr, denen ein wenig Wasser auf die Mühle zu leiten, die von Anfang an nur die Arbeitshypothese hatten: Sicherheitskonferenz nur deshalb, damit wir einmal die Bundesrepublik ans
Bundesminister Wehner
„Brett" kriegen. Über das sind wir doch schon ein wenig hinweg. Wir müssen sehen, wie das bei solchen Landschaften ist, damit wir nicht wieder zurückrutschen und dabei zurückgezerrt werden. Wir haben bei manchen anderen in Ost und West, in Nord und Süd, schon gewisse bessere Einsichten wirken lassen, so daß ursprüngliche Absichten inzwischen modifiziert worden sind und ein Klima sachlicher Diskussion geschaffen worden ist. Weitere Bemühungen sind natürlich notwendig. Indem wir uns so zur Diskussion gemeldet haben und unseren Willen, an den Bemühungen um eine europäische Friedensordnung teilzunehmen, doch schon ziemlich wirksam gemacht haben - jedenfalls erkennbar gemacht haben -, haben wir, das darf man feststellen, in anderen Himmelsrichtungen Interesse erweckt, und die Diskussion wird vielfach sachlicher geführt.
Ich finde es bedauerlich - ich muß das bei dieser Gelegenheit sagen -, daß gestern „Neues Deutschland" - so neu ist das sonst nicht - aus der „Prawda", der Moskauer Zeitung, etwas übernommen hat, was „Neues Deutschland" gern weitergibt. Schon die Überschrift, die „Neues Deutschland" dieser Meldung über den „Prawda"-Artikel gab, zeigt, was alter Wunsch des „Neuen Deutschland" ist. Die Überschrift heißt „Bonn trotz seiner Tarnung als Feind bekannt." Da steht dann, die Prawda habe einschätzend festgestellt: Die Tatsachen zeugen davon, daß die Politik der Bonner Revanchisten zu einer immer größeren Gefahr für den Frieden und die Sicherheit in Europa wird. Und dann heißt es: Die Bonner Revanchisten und ihre amerikanischen Beschützer setzten besondere Hoffnungen auf die Politik der wahlweisen Koexistenz, deren Wesen darin bestehe, die Beziehungen mit einzelnen sozialistischen Ländern etwas zu verbessern und die aggressive Linie gegen andere fortzusetzen. Dieses Trauma wird von manchen dort gepflegt, und wir müssen aufpassen, daß es sich allmählich normalisiert.
Nur „Feind"! Das ist das, was einen nachdenklich machen kann. Wenn unsere auf die Friedenssicherung orientierte Politik als eine - wie es der „Prawda" zugeschrieben wird, dies geschrieben zu haben - „immer größere Gefahr für den Frieden und die Sicherheit in Europa" bezeichnet wird: Ja, worin besteht denn dann eigentlich die Gefahr? Haben dann Worte überhaupt noch einen Sinn? Das muß man wissen. Die Gefahr, die wirkliche Gefahr, scheint mir jedenfalls in der Feindabstempelung, in diesem Sperriegel gegen sachliche Diskussion zu bestehen, indem man sagt: „als Feind bekannt." Wir bemühen uns, dieses Feindverhältnis aus der Politik zu verdrängen. Uns wird darin niemand irremachen, auch nicht noch so verrückte Kabolzschläge.
Ich möchte bei dieser Gelegenheit dankbar ein paar Sätze unseres nördlichen Nachbarn, genau um diese Zeit jetzt gesagt und veröffentlicht, hier aufnehmen. Der Außenminister Dänemarks hat in der außenpolitischen Debatte des Folketings unter anderem gesagt, daß die dänische Regierung mit Sympathie die Annäherung der Bundesregierung an die Staaten Osteuropas verfolge. Er hat, wörtlich übersetzt, gesagt:
Wir hoffen, daß diese Anstrengungen allmählich auch zu einer besseren Verständigung in Osteuropa führen. Ohne Vertrauen in die neue deutsche Demokratie können die Verhältnisse in Europa nicht normalisiert werden. Nach unserer Erfahrung ist dieses Vertrauen durchaus begründet.
Das ist anständig. Das muß als Anständigkeit und zugleich als eine offene Bekundung einer Erfahrungstatsache eines unserer unmittelbaren Nachbarn auch einmal gesagt werden.
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Wir sollten dies einmal auch jenen, die im eigenen Land .das Bedürfnis zu haben scheinen, das alles immer in Zweifel zu ziehen, zum Nachdenken mitgeben. In dem Zusammenhang - ich will das nicht ausweiten - hat der dänische Außenminister auch gesagt, daß seine Regierung in der Behandlung der Deutschlandfrage davon ausgehe, daß die Lösung des Problems auf der Grundlage der Anerkennung des Wunsches des deutschen Volkes nach Selbstbestimmung und Wiedervereinigung nur als Resultat eines langen Prozesses erzielt werden könnte, der das Mächtegleichgewicht, das gegenwärtig herrsche und notwendig sei, überflüssig mache.
Das wollte ich nur gesagt haben als eine andere Art, uns einzuschätzen, als es die ist, die hier vom „Neuen Deutschland", in diesem Falle unter Bezugnahme auf die „Prawda", immer noch in eisigster Form, auch wenn es jetzt überall Frühling wird, Verwendung finden soll.
Walter Ulbricht, der Staatsratsvorsitzende auf der anderen Seite, hat gestern in einer Rede, die über alle Sender und Fernsehstationen ausgestrahlt wurde, zu dem Volksentscheid gesprochen, der morgen, am 6. April, stattfindet. Er hat es als einen geschichtlichen Auftrag bezeichnet, den Frieden zu sichern, und dabei gesagt, daß die Periode, in der wir - er meint die Deutschen - seit 1945 leben, die längste Friedensperiode sei, die es seit Beginn dieses Jahrhunderts in Europa gegeben habe, und das sei manchen noch gar nicht bewußt geworden. Das alles ist gesagt im Zusammenhang mit einem Plebiszit über eine Verfassung, von der hier schon manches geschrieben und gesagt worden ist. Aber mich hat interessiert, daß Ulbricht sagt, das sei die längste Friedensperiode, die es seit Beginn dieses Jahrhunderts in Europa gegeben habe, ohne daß das manchen überhaupt bewußt geworden sei.
Ist es nicht vor allem deshalb, weil das deutsche Volk daran gehindert wird, seinen Frieden mit sich selbst zu machen? Ich glaube, das ist das Entscheidende. Es kann gar nicht wirklich empfinden, was das heißt, daß in diesem Erdteil seit geraumer Zeit - und wenn man solche makabren Vergleiche zieht: seit einer verhältnismäßig längeren Zeit, als sonst die Intervalle in diesem Jahrhundert in diesem Erdteil waren - nicht Krieg, sondern Frieden ist. Und dennoch sei das, wie er selber sagt, manchen oder vielen noch gar nicht bewußt geworden. Das ist deshalb so, weil das deutsche Volk daran gehindert wird, seinen Frieden mit sich selbst zu machen.
Bundesminister Wehner
Ulbricht will - so hat er in seiner Rede von gestern gesagt - Frieden und Erhaltung des Friedens an ganz bestimmte politische Strukturen oder auch politische Herrschaftsformen binden. Er nennt seine Struktur und Herrschaftsform „Sozialismus". Wir streiten bei unseren Bemühungen um Frieden und Selbstbestimmungsrecht nicht um Systeme oder Strukturen. Wir haben die Erfahrung gemacht, daß Systeme, die Anspruch auf Alleingültigkeit erheben, den Frieden gefährden, auch wenn sie feierlich Frieden als ihr Ziel proklamieren,
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ja gerade dann, wenn sie behaupten, sie allein sicherten den Frieden. Worauf es ankommt, ist, endlich die Menschen und ihre Sehnsucht, im Frieden zu leben, zu ihrem Recht kommen zu lassen. Systeme müssen den Menschen dienen und nicht umgekehrt. Das ist unser Kriterium.
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Im übrigen: Die Behörden oder die Parteispitzen in Ostberlin werden den Lauf der Ströme nicht umkehren können, weder den der Elbe noch den des Geistes. Am Vorabend eines schweren. Ganges, den der Teil unseres Volkes gehen muß, der daran gehindert ist, mit uns zusammenzuleben, muß man hier daran denken, was das für die heißt, denen wir das nicht abnehmen und erleichtern können. Wir müssen ohne Überheblichkeit und ohne belehren oder bevormunden zu wollen, deutlich machen: Wir bleiben Angehörige des einen deutschen Volkes und bleiben in der Verpflichtung, die Einheit unserer Nation mit friedlichen Mitteln zu erringen. Das ist das, was wir sagen und tun müssen.
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Die Väter unseres Grundgesetzes, zu denen Theodor Heuss, Konrad Adenauer und Kurt Schumacher gehören, haben uns eine Verpflichtung aufgegeben, als sie das Grundgesetz unter die Worte gestellt haben: Von dem Willen beseelt, seine nationale und staatliche Einheit zu wahren und als gleichberechtigtes Glied in einem vereinigten Europa dem Frieden in der Welt zu dienen.
Meine Damen und Herren, unserem Volke ist offensichtlich die Prüfung auferlegt, auch im Zustand seiner Teilung dem Frieden der Welt zu dienen, so weit und so gut das geht. Damit es als gleichberechtigtes Glied in einem vereinigten Europa dem Frieden der Welt dienen kann, muß es dabei seinen Frieden mit sich selbst finden; in diesem Prozeß - nicht erst das eine und dann das andere, das wäre schön, hätte man das. Wir stehen unter dieser fürchterlichen Prüfung in diesem Ringen um diesen Beitrag, an dem wir gemessen werden, an dessen Intensität wir gemessen werden, in diesem Ringen, unseren Frieden mit uns selbst zu finden. Dazu muß das, was im Grundgesetz lautet: „Vom Willen beseelt" und was man weder konservieren noch archivieren noch galvanisieren kann, immer wieder und fortgesetzt erneuert werden. Das ist unsere Pflicht.
Das zu betonen, meine Damen und Herren, ist mir eine Herzenssache. Es ist mir auch notwendig als Ausdruck für das Erkennen jener Notwendigkeiten, denen wir gerecht werden müssen durch unsere Politik, gerade am Vorabend eines Ereignisses, das den Bürgerunfrieden zwischen Deutschen zum Programm erheben will.
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Unsere Debatten hier - und das kann nicht anders sein in einem frei gewählten Parlament, Debatten über Budget -, unsere Debatten dienen mit allen und bei allen Kontroversen dem Frieden unseres Volkes. Sie müssen ihm dienen. Wo die Gefahr besteht, daß das anders wird, muß man hart miteinander ins Gericht gehen. Schämen wir uns nicht der Tatsache - bitte -, daß wir bei allem Streit dieses jedenfalls gemeinsam haben müssen.
Die Bundesrepublik Deutschland ist ein Gemeinschaftswerk von Deutschen aus Nord- und Süddeutschland, aus West-, Ost-, Mitteldeutschland und - nicht zu vergessen - von Deutschen aus Siedlungsgebieten außerhalb der alten Reichsgrenzen. Diese Bundesrepublik muß als die demokratische Komponente der deutschen Politik jene gerechte, dauerhafte Lösung unserer nationalen Frage anstreben, eine demokratische Lösung dieser nationalen Frage, die offensichtlich nur möglich ist im Rahmen einer europäischen Friedensordnung.
Das, meine Damen und Herren, ist eine gewaltige Aufgabe. Im Bemühen um die besten Wege, um die nächsten Wegstrecken sollten wir versuchen, stets der Tatsache eingedenk zu sein, daß es ohne die handlungsfähige Bundesrepublik Deutschland keine gerechte und dauerhafte Lösung der nationalen Frage unseres Volkes geben könnte - allein durch sie auch nicht, aber ohne sie überhaupt nicht.
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Die Bundesrepublik Deutschland muß von Deutschland für die Deutschen so viel wie möglich retten durch ihr tägliches Wirken und die Summe ihres Wirkens. Das wollte ich in dieser Stunde und vor einem schweren Gang derer, mit denen uns vieles verbindet, im Zusammenhang mit unseren konkreten Streitfragen über Politik gern gesagt haben. Ich danke Ihnen für Ihre Geduld.
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Das Wort hat Herr Mischnick.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Daß der Gesamtdeutsche Minister aus seiner speziellen Verantwortung heraus am Vorabend der Pseudovolksabstimmung in Mitteldeutschland hier mahnende Worte gesprochen hat, die von uns allen in der gleichen Weise empfunden werden, ist sein legitimes Recht. Wir als Opposition teilen mit ihm die Auffassung, daß der Gang, den unsere Landsleute gehen, schwer ist, und daß sie für uns an diesem Tage vieles mitMischnick
tragen, was manche bei uns in ihrer eigenen Freiheit leichtfertig als selbstverständlich ansehen. Wir sind uns gemeinsam bewußt, daß die Schaffung der neuen Verfassung in der DDR die Dinge erschweren wird und daß es um so notwendiger ist, hier gemeinsam über alle parteipolitischen Schranken hinweg nach Mitteln und Wegen zu suchen, die uns in der Sache zu dem Ziel führen, das der Gesamtdeutsche Minister hier angesprochen hat und das unser gemeinsames Ziel ist. Insofern besteht völlige Übereinstimmung.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich aber zusätzlich zu dieser Gemeinsamkeit ein paar Bemerkungen zu dem machen, was der Gesamtdeutsche Minister zu den Stellungnahmen der Freien Demokraten, zu den Stellungnahmen meiner Kollegen Scheel und Genscher, hier zum Ausdruck gebracht hat, und lassen Sie mich damit zugleich aus zeitökonomischen Gründen die Begründung zweier Entschließungsanträge mit vornehmen, die noch nicht begründet worden sind. Herr Bundesminister Wehner, ich habe Verständnis, daß Sie heute zu dem speziellen Thema gesprochen haben. Ich verstehe aber nicht ganz, warum es nicht möglich gewesen sein sollte, am Dienstag während der Debatte über den Bundeskanzleretat zu den Fragen zu sprechen, die dort von den Kollegen Scheel und Genscher angesprochen worden sind. Das wäre aus zeitökonomischen Gründen vielleicht besser gewesen.
Viele der Gesichtspunkte, die Sie hier gebracht haben, waren ja in ihrer Grundauffassung eine Bestätigung dessen, was die Freien Demokraten zum Ausdruck gebracht haben.
({0})
Ich hatte oft !den Eindruck, es war teilweise eine Art Mahnungsrede an Ihren Koalitionspartner, über manche Dinge doch etwas mehr nachzudenken, als das in der Vergangenheit der Fall gewesen ist.
({1})
Um Ihnen diese Möglichkeiten auch ein der Sache zu geben, haben wir die Entschließungsanträge auf den Umdrucken 428 *) und 429 **) gestellt. Ich darf Sie daran erinnern, daß die verehrten Kolleginnen und Kollegen von der CDU/CSU mir bei einer der letzten Debatten zuriefen, was denn die FDP in der Oder-Neiße-Frage wolle. Sie haben jetzt in dem Entschließungsantrag Umdruck 429 im Wortlaut unsere Meinung vorliegen. Sie haben jetzt Gelegenheit, sich mit dem, was wir wollen, im Auswärtigen Ausschuß und im Gesamtdeutschen Ausschuß auseinanderzusetzen und dazu Stellung. zu nehmen. Hier ist Gelegenheit geschaffen, die unterschiedlichen Äußerungen zwischen den Koalitionsfraktionen und zwischen Regierung und Koalitionsfraktionen an Hand eines konkreten Entschließungsantrages im zuständigen Ausschuß zu beraten.
Wir bitten deshalb, diesen Antrag dem Auswärtigen Ausschuß und dem Gesamtdeutschen Ausschuß zu überweisen.
*) Siehe Anlage 2
**) Siehe Anlage 3
Der Entschließungsantrag Umdruck 428, der sich mit der Frage „Alleinvertretungsanspruch, Alleinvertretungsrecht" auseinandersetzt, ist genau der Antrag, sehr verehrter Herr Bundesminister, der dafür sorgen soll, daß auch hier zwischen den Koalitionsfraktionen und der Opposition an Hand eines konkreten Vorschlages einmal die Diskussion geführt wird, wie man eigentlich in Zukunft bei weiteren Schritten verfahren will. Es ist doch unbestreitbar, daß gerade bei den Punkten, die der Herr Bundesminister Wehner in der Darstellung dessen, was man getan hat, aufführte, immer wieder der Hemmschuh sichbar wurde, ja daß im Brieftext an Stoph mit dem Alleinvertretungsanspruch ein Hemmschuh eingebaut wurde, der uns nach wenigen Wochen wieder ein Stück auf diesem Weg zurückgeworfen hat. Wir wollen Ihnen Gelegenheit geben, im Gesamtdeutschen Ausschuß über diese Fragen im einzelnen zu sprechen und hier nach Möglichkeit eine gemeinsame Formel für das künftige Vorgehen zu finden.
Zum Abschluß nur ein paar kurze Bemerkungen zu einigen Hinweisen, die der Herr Bundesminister Wehner auf die Vorschläge meiner Kollegen Scheel und Genscher gab. Herr Bundesminister, Kollege Scheel hat nicht davon gesprochen - auch Kollege Genscher nicht -, daß eine Sicherheitskonferenz ein Allheilmittel sei, sondern es geht uns darum, daß auch diese Bundesregierung eine Politik verfolgt, die die Schaffung neuer Sicherheitssysteme möglich macht, und sich mit diesen Fragen laufend auseinandersetzt. Daß hier unterschiedliche Meinungen in der Koalition sind, ist leider nicht zu bestreiten. Es wäre uns wohler, wenn das nicht der Fall wäre.
Als letztes, Herr Bundseminister Wehner: Wir haben von dieser Großen Koalition nie Wunder erwartet. Auf diese dumme Idee sind wir nicht gekommen. Wir wären nur froh, wenn manches von dem Guten, das hier gesagt worden ist, konsequent in der Politik dieser Regierung durchgeführt worden wäre.
({2})
Meine Damen und Herren, damit ist die Aussprache geschlossen.
Zunächst müssen wir jetzt über die Entschließungsanträge befinden, die zu den einzelnen Haushaltsplänen vorliegen.
Zunächst zu Einzelplan 02 - Deutscher Bundestag -.
Da ist übrigens noch über die Ziffer 2 des Ausschußantrages zu befinden: die Petitionen für erledigt zu erklären. - Das ist hiermit geschehen.
Dann liegt noch der Entschließungsantrag der Abgeordneten Frau Jacobi, Schmitt-Vockenhausen, Genscher und Genossen auf Umdruck 438 *) vor. Es wird vorgeschlagen, ihn dem Bundestagsvorstand - federführend - und dem Innenausschuß und dem Haushaltsausschuß - mitberatend - zu überweisen. - Kein Widerspruch; es ist so beschlossen.
*) Siehe Anlage 4
Vizepräsident Dr. Mommer
Einzelplan 04. Dazu liegt der Entschließungsantrag Umdruck 387 der Fraktion der FDP vor. Hierüber soll in der Sache abgestimmt werden. Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Entschließungsantrag der FDP Umdruck 387 *) zuzustimmen wünscht, gebe das Zeichen. - Gegenprobe! - Der Antrag ist abgelehnt.
Weiter liegt zum selben Haushaltsplan der Entschließungsantrag Umdruck 428 **) der Fraktion der FDP vor.
({0})
- Es ist Überweisung an den Gesamtdeutschen Ausschuß beantragt. Besteht Einvernehmen? - Es ist so beschlossen.
Ebenfalls zu Einzelplan 04: Umdruck 429 ***), Entschließungsantrag der Fraktion der FDP. Es wird vorgeschlagen, ihn dem Gesamtdeutschen Ausschuß zu überweisen.
({1})
- Aber eines können wir nur beschließen. Also: Gesamtdeutscher Ausschuß federführend, Auswärtiger Ausschuß mitberatend. - Kein Widerspruch; es ist so beschlossen.
Einzelplan 05, Auswärtiges Amt. Hierzu liegt der Entschließungsantrag Umdruck 386 ****) der Fraktion der SPD vor. Auch hier ist Überweisung an den Auswärtigen Ausschuß vorgesehen. - Kein Widerspruch; es ist so beschlossen.
Weiter liegt der Entschließungsantrag Umdruck 388 ) der Fraktion der FDP vor. Es wird vorgeschlagen, auch diesen Antrag dem Auswärtigen Ausschuß zu überweisen. - Kein Widerspruch; dann ist so beschlossen.
Einzelplan 06. Hierzu liegt auf Umdruck 392 ******) ein Entschließungsantrag der drei Fraktionen des Hauses vor. Es wird abgestimmt. Wer dem Antrag zuzustimmen wünscht, gebe das Zeichen. - Danke. Gegenprobe! - Einstimmig angenommen.
Umdruck 398 ({2}) *******), Entschließungsantrag der Fraktion der FDP. Er soll dem Innenausschuß überwiesen werden. - Das Haus ist damit einverstanden.
({3})
- Haushaltsausschuß mitberatend? Besteht Einvernehmen darüber? - Dann ist so beschlossen.
*) Siehe Anlage 5 **) Siehe Anlage 6 ***) Siehe Anlage 7 ****) Siehe 165. Sitzung, Anlage 2
*****) Siehe 165. Sitzung, Anlage 4
******) Siehe 166. Sitzung, Anlage 8
*******) Siehe Anlage 8
Einzelplan 08, dazu Umdruck 391 *), Entschließungsantrag der Fraktion der FDP. Hierüber soll in der Sache entschieden werden. Wer dem Antrag zuzustimmen wünscht, gebe das Zeichen. - Gegenprobe! - Danke. Der Antrag ist mit großer Mehrheit abgelehnt.
Einzelplan 09, hierzu Umdruck 393 **), Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD. Vorgeschlagen ist Überweisung an den Ausschuß für Wirtschaft als federführenden Ausschuß und an den Ausschuß für Arbeit sowie an den Haushaltsausschuß zur Mitberatung.
Um das Wort bittet Herr Professor Schellenberg.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Diese Frage ist im Ausschuß bereits beraten und im Zusammenhang mit dem Kohleanpassungsgesetz ausführlich diskutiert worden. Ich schlage den Fraktionen deshalb vor, jetzt unmittelbar darüber zu entscheiden.
Ich glaube, daß das Haus dies annimt. - Kein Widerspruch. Dann wollen wir in der Sache abstimmen. Wer dem Entschließungsantrag zuzustimmen wünscht, gebe das Zeichen . - Danke. Gegenprobe! - Der Antrag ist angenommen.
Umdruck 415 ***), Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Arndt und Genossen. Dazu hat sich der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Arndt zu Wort gemeldet. - Dr. Arndt wünscht nicht mehr das Wort.
Vorgeschlagen ist Überweisung an den Wirtschaftsausschuß.
({0})
- Ja, nach § 96 der Geschäftsordnung. - Es ist so beschlossen.
Einzelplan 10. Dort ist zunächst noch über Nr. 2 des Ausschußantrags zu befinden, eine Reihe von Entschließungsanträgen für erledigt zu erklären. - Das ist hiermit geschehen.
Dann Umdruck 409 ****), Entschließungsantrag der Fraktion der FDP. Es wird vorgeschlagen, den Antrag an den Haushaltsausschuß als federführenden Ausschuß und an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zur Mitberatung zu überweisen. - Es ist so beschlossen.
Umdruck 410*****), Entschließungsantrag der Fraktion der FDP. Vorgeschlagen ist Überweisung an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. - Es ist so beschlossen.
Einzelplan 11. Hierzu liegt der Entschließungsantrag der Fraktionen der SPD und der CDU/CSU
*) Siehe 167. Sitzung, Anlage 8 **) Siehe Anlage 9
***) Siehe 166. Sitzung, Anlage 4 ****) Siehe Anlage 10
*****) Siehe Anlage 11
Deutschen Bundestag - 5. Wahlperiode -
Vizepräsident Dr. Mommer
Umdruck 395 *) vor. Es soll in der Sache entschieden werden.
({1})
- Dann muß das in den Sozialpolitischen Ausschuß. - Ich höre keinen Widerspruch; dann ist so beschlossen.
Umdruck 419**), Entschließungsantrag der Fraktion der FDP. Er soll an den Ausschuß für Arbeit überwiesen werden.
({2})
- Darf ich fragen, ob darüber Einvernehmen besteht?
({3})
- Also federführend Ausschuß für Arbeit, mitberatend Ausschuß für Sozialpolitik und Wirtschaftsausschuß. - Es ist so beschlossen.
Umdruck 425 ***) Entschließungsantrag der Fraktion der FDP. Es soll in der Sache entschieden werden. Wer dem Antrag zuzustimmen wünscht, gebe das Zeichen. - Gegenprobe! - Der Antrag ist abgelehnt.
Einzelplan 12. Es liegt vor Umdruck 385 ({4}) ****), Entschließungsantrag der Abgeordneten Lemmrich, Rawe, Dr. Apel, Frehsee und Genossen. Es soll in der Sache entschieden werden.
({5})
Hier ist noch etwas im Text geändert: „dem Deutschen Bundestag" - und dann kommt eine Änderung - „noch in dieser Legislaturperiode ...". In dieser Fassung wird jetzt abgestimmt. Wer in dieser Fassung zuzustimmen wünscht, gebe das Zeichen. - Gegenprobe! - Der Antrag ist einstimmig angenommen.
Umdruck 416*****) Entschließungsantrag der Abgeordneten Burgemeister, Franke ({6}), Graaff und Genossen. Hier steht als Vorschlag: Überweisung an den Ausschuß für Verkehr - federführend -, an den Haushaltsausschuß - mitberatend -. Besteht darüber Einvernehmen?
({7})
- Jetzt sind wir im Verfahrensstreit.
Herr Abgeordneter Hermsdorf hat das Wort. Ich wollte es vermeiden, daß wir in diesen Streit hineingerieten. Aber ich muß das Wort geben.
Herr Präsident, ich bitte, diesen Antrag nur an den Haushaltsausschuß zu überweisen, da der Verkehrsausschuß in der Sache bereits entschieden hat.
*) Siehe Anlage 12 **) Siehe Anlage 13 ***) Siehe Anlage 14 ****) Siehe 167. Sitzung, Anlage 17
*****) Siehe Anlage 15
Das ist ein stichhaltiges Argument. Also Überweisung an den Haushaltsausschuß. Kein Widerspruch mehr? - Es ist so beschlossen.
Einzelplan 14. Es liegt vor Antrag Umdruck 424 *), Überweisungsvorschlag: an den Innnenausschuß - federführend - und an den Verteidigungsausschuß - mitberatend -. Besteht Einvernehmen? - Es ist so beschlossen.
Weiter liegt Umdruck 430 St) vor, Entschließungsantrag der Fraktion der FDP. Überweisung: an den Verteidigungsausschuß - federführend -, zur Mitberatung an den Innenausschuß. - Es ist so beschlossen.
An dieser Stelle hat Herr Abgeordneter Damm um das Wort nach § 36 der Geschäftsordnung gebeten. Sie haben das Wort, Herr Damm.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin dankbar für die Gelegenheit zu einer Erklärung nach § 36 der Geschäftsordnung.
In der Debatte zur zweiten Lesung des Verteidigungshaushalts am gestrigen Tage habe ich mit Bezug auf den Änderungsantrag der Fraktion der FDP, Umdruck 432, laut stenographischer Niederschrift u. a. gesagt:
Tatsache ist aber, daß im Verteidigungsausschuß von Ihnen weder bei den Haushaltsberatungen noch etwa bei der Präsentation der Luftwaffe diese Forderungen zu den entsprechenden Titeln gestellt worden sind.
Die Abgeordneten Schultz ({0}) und Jung haben sich gegen diesen Vorwurf verteidigt mit dem Hinweis, sie hätten für die FDP im Verteidigungsausschuß - die Kürzung des Ansatzes in Kap. 1419 Tit. 350 - Erhaltung der Flugzeuge, Flugkörper usw. - um 200 Millionen DM und die Kürzung des Ansatzes in Kap. 14 19 Tit. 965 - Beschaffung von Flugzeugen und Flugkörpern - um 100 Millionen DM, nämlich durch Streichung der Anlaufkosten zur Deckung der Aufklärungslücke, beantragt.
Tatsache ist, daß die FDP bei der Beratung des entsprechenden Fluggerätebeschaffungs- und erhaltungs-Kapitels im Verteidigungsausschuß am 25. Januar 1968 - wie das amtliche Kurzprotokoll ausweist - keine Kürzungs- oder Streichungsanträge gestellt hat. Tatsache ist ferner, daß der Abgeordnete Schultz ({1}) laut Protokoll vielmehr vorgeschlagen hat - ich zitiere jetzt wörtlich -,
in einem Schreiben des Herrn Vorsitzenden an den Haushaltsausschuß klarzustellen, daß die militärische Notwendigkeit der genannten Beschaffungen vom Verteidigungsausschuß bejaht wird.
*) Siehe 167. Sitzung, Anlage 4 **) Siehe 167. Sitzung, Anlage 2
Das Wort zu einer persönlichen Erklärung nach § 36 der Geschäftsordnung hat der Abgeordnete Jung.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Kollege Damm hat gestern im Plenum des Deutschen Bundestages gesagt, die FDP habe ihre Kürzungs- und Änderungsvorschläge in bezug auf den Haushalt des Bundesverteidigungsministers jetzt erstmalig vorgetragen, anstatt sie schon in den Ausschüssen zur Diskussion zu stellen. Herr Kollege Damm hat das soeben wiederholt. Insbesondere bemängelte er, der FDP-Streichungsvorschlag in bezug auf 100 Millionen DM zur Deckung einer angeblich bestehenden Aufklärungslücke sei früher nicht bekanntgeworden. Diese Behauptung ist nicht richtig. Ich selbst habe bereits in der Bundestagsdebatte vom 6. Dezember 1967 vorgeschlagen, die hierfür erstmals vorgesehenen 100 Millionen DM zu streichen. Damals wie heute stand noch nicht fest, ob diese 100 Millionen DM für den Ankauf von Maschinen des Typs Phantom verwendet werden sollten.
({0})
Ich habe die Hoffnung geäußert, daß unser Streichungsvorschlag die Unterstützung insbesondere der SPD findet, von der ebenfalls Bedenken gegen die Phantom-Maschinen vorgetragen wurden.
Die Problematik ist von uns weiterhin in mehreren Presseerklärungen und Zeitungsaufsätzen behandelt worden. Selbstverständlich haben wir diese Frage auch im Verteidigungsausschuß vorgebracht, und zwar in der Sitzung vom 25. Januar 1968. Ob in diesem Zusammenhang über einen förmlichen Streichungsantrag im Verteidigungsausschuß abgestimmt wurde oder nicht, ist unerheblich. Entscheidend ist dabei, daß kein Mitglied des Verteidigungsausschusses behaupten kann, es sei sich der Problematik nicht bewußt gewesen.
Meine Damen und Herren, ich kann leider nicht aus dem Stenographischen Protokoll zitieren, weil es ein geheimes Protokoll ist. Ich stelle aber fest, daß die ablehnende Haltung der FDP-Mitglieder im Verteidigungsausschuß nicht aus dem vom Herrn Kollegen Damm zitierten Kurzprotokoll, sondern aus den Tonbandaufzeichnungen und aus den Erwiderungen des Generals Steinhoff zu ersehen ist.
({1})
Wir fahren in der Behandlung der Entschließungsanträge fort.
Einzelplan 23. Umdruck 413 *), Entschließungsantrag der Abgeordneten Kubitza, Freiherr von Lemmingen und der Fraktion der FDP.
({0})
Es soll in der Sache entschieden werden. Wer dem
Antrag zuzustimmen wünscht, gebe das Zeichen.
- Danke. Gegenprobe! - Der Antrag ist abgelehnt.
*) Siehe 167. Sitzung, Anlage 6
Einzelplan 24. Umdruck 4121, Entschließungsantrag der FDP. Es wird vorgeschlagen, den Antrag an den Ausschuß für das Bundesvermögen zu überweisen. - Kein Widerspruch; es ist so beschlossen.
Einzelplan 25. Umdruck 436 **), Entschließungsantrag der Abgeordneten Wurbs, Dr. Hesberg, Könen ({1}) und Genossen. Es Wird vorgeschlagen, ihn dem Rechtsausschuß - federführend - und dem Ausschuß für Wohnungswesen - mitberatend - zu überweisen. - Es ist so beschlossen.
Einzelplan 26. Umdruck 420 ***), Entschließungsantrag der Fraktion der FDP. Überweisungsvorschlag: an den Haushaltsausschuß. - Eis ist so beschlossen.
Umdruck 421 ****), Entschließungsantrag der Fraktion der FDP. Überweisungsvorschlag: an den Haushaltsausschuß. - Es ist so beschlossen.
Umdruck 422 *****), Entschließungsantrag der Fraktion der FDP. Überweisungsvorschlag: an den Haushaltsausschuß.
({2})
- Besteht darüber Einvernehmen? Federführend an den Kriegsfolgenausschuß, mitberatend an den Haushaltsausschuß? - Darüber besteht Einvernehmen; dann ist so beschlossen.
Einzelplan 29. Umdruck 396 ******), Entschließungsantrag der Fraktionen der SPD und der CDU/CSU. Es soll in der Sache entschieden werden. Wer dem Antrag zuzustimmen wünscht, gebe das Zeichen. - Danke. Gegenprobe! - Einstimmig angenommen.
Einzelplan 31. Umdruck 414 *******), Entschließungsantrag der Abgeordneten Moersch, Dr. Mülhan und Fraktion der FDP. Er soll an den Ausschuß für Wissenschaft überwiesen werden. - Es ist so beschlossen.
Einzelplan 60. Hierbei ist auch noch über Ziffer 2 des Ausschußantrages zu befinden, wonach die Petitionen für erledigt erklärt werden. - Das ist somit geschehen.
Umdruck 426 ({3}) ********), Entschließungsantrag der Abgeordneten Stücklen, Schlager und Genossen.
({4})
- Federführend an den Wirtschaftsausschuß, mitberatend an den Gesamtdeutschen Ausschuß und an den Haushaltsausschuß!
({5})
*) Siehe 167. Sitzung, Anlage 7 **) Siehe Anlage 16
***) Siehe 166. Sitzung, Anlage 11 ****) Siehe 166. Sitzung, Anlage 12 *****) Siehe 166. Sitzung, Anlage 13 ******) Siehe Anlage 17
*******) Siehe 167. Sitzung, Anlage 19 ********) Siehe 167. Sitzung, Anlage 23
Vizepräsident Dr. Mommer
- Haushaltsausschuß mitberatend und gemäß § 96 der Geschäftsordnung. Darüber besteht Einvernehmen; es ist so beschlossen.
Dann Umdruck 437 ({6}) *). Dazu gibt es eine Wortmeldung des Herrn Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. Arndt. Sie haben das Wort.
Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Herr Präsident! Meine Damen und Herren Ich darf dazu erklären, daß die Prüfung durch die Bundesregierung in vollem Gange ist. Diese Prüfung erfolgt mit dem Ziel, zusätzliche Mittel für Ruhr, Saar und die Zonenrandgebiete bereitzustellen. Die zahlenmäßige Vorstellung liegt bei einer Größenordnung, die der SPD-Antrag - Herr Kollege Hermsdorf hat heute vormittag danach gefragt - vom 19. Januar in der strukturpolitischen Debatte genannt hat: zusätzlich etwa 1 Milliarde DM an Mitteln zu mobilisieren.
({7})
Es wird vorgeschlagen, diesen Antrag wie den vorigen federführend an den Wirtschaftsausschuß, mitberatend an den Gesamtdeutschen Ausschuß und an den Haushaltsausschuß zu überweisen, diesem außerdem nach § 96 der Geschäftsordnung. - Es ist so beschlossen.
Meine Damen und Herren, damit ist das erledigt. Wir kommen jetzt zur Schlußabstimmung über das Haushaltsgesetz 1968. Wer dem Haushaltsgesetz 1968 in der Schlußabstimmung zuzustimmen wünscht, möge sich erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Ohne Enthaltungen gegen die Stimmen der FDP-Fraktion angenommen.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Hermsdorf.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben soeben in dritter Lesung das Haushaltsgesetz verabschiedet. Ich möchte das Hohe Haus doch darauf aufmerksam machen, welche Arbeit in den vergangenen Wochen vor der Verabschiedung geleistet worden ist. Diese Arbeit und die Verabschiedung heute zu diesem Zeitpunkt wären nicht ohne die tatkärftige Mithilfe der Angestellten und Beamten des Sekretariats des Haushaltsausschusses möglich gewesen. Ihnen möchte ich an dieser Stelle meinen ganz besonderen Dank übermitteln.
({0})
Ich bin sicher, daß ich das im Namen der drei Fraktionen sagen kann. Ebenso geht mein Dank an die Beamten des Finanzministeriums.
({1})
Meine Damen und Herren, ich bitte noch um ,ein wenig Geduld; wir haben noch einige wenige weitere Punkte zu erledigen.
*) Siehe Anlage 18
Ich rufe Punkt IV der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Erhebung von Kosten beim Bundessortenamt
- Drucksache V/2417 Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ({0})
- Drucksache V/2772 -Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Reinhard ({1})
Ich rufe in zweiter Beratung die §§ 1 bis 10 sowie Einleitung und Überschrift auf. Wer zuzustimmen wünscht, gebe das Zeichen. - Danke. Gegenprobe! - Einstimmig angenommen.
Wir kommen zur
dritten Beratung
Das Wort wird nicht gewünscht. Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz im ganzen zuzustimmen wünscht, möge sich erheben. - Danke. Gegenprobe! - Das Gesetz ist einstimmig angenommen.
Ich rufe Punkt V a der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des von des Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über den Verkehr mit Saatgut ({2})
- Drucksache V/1630 -aa) Bericht des Haushaltsausschusses ({3}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung
- Drucksache V/2787 - Berichterstatter: Abgeordneter Röhner
bb) Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ({4})
- Drucksache V/2771 -Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Ritgen ({5})
Ich lasse über die §§ 1 bis 60 abstimmen. Wer diesen Paragraphen zuzustimmen wünscht, gebe das Zeichen..- Danke. Gegenprobe! - Einstimmig angenommen.
Zu § 61 liegt ein Änderungsantrag auf Umdruck 433 *) vor. Wird dieser Änderungsantrag der Fraktion der FDP begründet? - Herr Busse hat das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen, meine Herren Kollegen! Ich habe lange zwischen Pflicht und Neigung ge-
*) Siehe Anlage 19
Busse ({0})
schwankt, ob ich hier heute noch das Wort ergreifen sollte; denn nach den Redeschlachten - ({1})
- Nein, die Neigung hat nicht gesiegt, sondern die Pflicht hat gesiegt.
Ich bitte daher, mir noch einen Augenblick Gehör zu schenken, und ich bitte auch um Verständnis, wenn ich das nicht in zwei Minuten erledigen kann; ich werde mich aber bemühen, das in äußerstens fünf Minuten zu erledigen.
Es ist bedauerlich, daß dieses Gesetz erst im Anschluß an eine lange Debatte, die wichtigere Dinge betraf, hier beraten wird; denn abgesehen von dem sachlichen Inhalt dieses Gesetzes sind hier zwei Entscheidungen gefällt, die in der Zukunft von nicht zu unterschätzender Bedeutung sein werden. Ich meine einmal die Regelung des Schadensersatzrechts, die wir mit § 39 des Gesetzes im Rechtsausschuß nach langen Beratungen beschlossen haben. Damit sind die Weichen für die künftige Entwicklung in allen möglichen Gesetzen gestellt.
Ich bedaure, daß die darin liegende Problematik dem Hohen Hause nicht im einzelnen vorgetragen worden ist, obwohl davon bei einer so bedeutsamen Entscheidung Kenntnis genommen werden sollte.
Gegen die getroffene Regelung werden von der FDP keine Einwendungen erhoben. In diesem Punkt wird daher auch kein Änderungsantrag gestellt.
Der Entwurf enthält aber eine zweite Entscheidung, die gleichfalls von nicht zu unterschätzender Bedeutung ist. § 61 bestimmt, daß die Berufung gegen Urteile des Verwaltungsgerichts ausgeschlossen ist, wenn im Vorverfahren der Widerspruchsausschuß entschieden hat. Dabei handelt es sich also um eine Beschränkung des Rechtsmittels. - Ja, das ist für Sie natürlich eine kleine Sache; aber wenn Sie noch ein Weilchen zuhören, werden Sie erkennen, daß diese Sache nicht von so kleiner Bedeutung ist, sondern daß hier eine Entscheidung - - Natürlich, für gewisse Herren spielt das keine Rolle, Herr Schmidt. Für gewisse Herren spielt es keine Rolle, Herr Schmidt ({2}), daß wir zwar im Grundgesetz die Gewaltenteilung haben, daß aber da, wo es auf die Exerzierung der Gewaltenteilung anbrechen will -, gesagt wird: Das sind kleine Fische. kommt - wo man diese Gewaltenteilung durchviel wichtiger als die Generalbestimmung im Grundgesetz sind aber die Bestimmungen in den einzelnen Gesetzen, in denen das zu praktizieren ist, was das Grundgesetz zwingend - unabänderlich zwingend - für uns vorschreibt. Eine langsame, aber sichere Aushöhlung dieser Bestimmungen, Herr Schmidt, ist es, wenn man, wie hier, Rechtsmittelmöglichkeiten beschränkt, und zwar - jetzt kommt der entscheidende Punkt - Rechtsmittelmöglichkeiten deshalb beschränkt, weil vorher ein gewisses Gremium der Verwaltungsbehörde entschieden hat. In anderen Fällen ist nämlich die Rechtsmittelmöglichkeit uneingeschränkt gegeben. Nur da, wo der Widerspruchsausschuß vorher entschieden hat, will man diese Möglichkeit einschränken. Der Widerspruchsausschuß ist aber nichts anderes als die Behörde selbst. Hier haben wir also eine klare Überschneidung. Man nimmt den Umstand, daß eine Verwaltungsbehörde - in eigener Sache! - eine Entscheidung getroffen hat, zum Vorwand, um nachher in dem justitiablen Verfahren eine Rechtsmittelbeschränkung einzuführen.
Das mag hier nicht von großer Bedeutung sein. Wenn aber dieser Weg systematisch fortgeführt werden würde - wir kennen das ja, daß es dann nachher heißt: da habt ihr dem zugestimmt; und dort wird man dann wieder zustimmen -, so kommt man langsam ,aber sicher zu dem Gegenteil dessen, was uns vom Grundgesetz unabänderlich auferlegt ist.
Ich bitte also, diesen Paragraphen zu streichen, damit er in künftigen Fällen nicht als Vorbild dienen kann.
({3})
Das Wort hat Herr Dr. Ritgen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Dieser Antrag der FDP kommt eigentlich etwas überraschend, weil der § 61 im Ernährungsausschuß eingehend behandelt worden ist und auch im Rechtsausschuß keinerlei Änderung erfahren hat.
Entscheidend ist aber folgendes. Bei Saatgut handelt es sich um eine lebende Ware, die züchterisch bearbeitet werden muß. Die Züchtungen schreiten aber fort. Wenn der Verfahrensweg noch über das hinaus ausgedehnt wird, was im § 61 festgelegt ist, dann kann es passieren, daß die Sorte 'überhaupt nicht mehr interessant, sondern schon von anderen Sorten-Neuzüchtungen überholt ist.
Wenn von Herrn Kollegen Busse gesagt worden ist, der Widerspruchsausschuß entscheide in eigener Sache, dann darf ich darauf hinweisen, daß diesem Ausschuß drei ehrenamtliche Beisitzer angehören, die Fachleute auf diesem Gebiete sind und vom Bundesminister berufen werden.
Ich möchte dafür plädieren, daß es bei dem § 61 bleibt und eine Verlängerung des Instanzenweges nicht vorgenommen wird. Ich bitte deshalb, den Antrag der FDP abzulehen.
({0})
Herr Busse, bitte!
Herr Kollege, warum zitieren Sie so unvollständig? Warum zitieren Sie nicht, daß die wesentlichen Mitglieder dieses Widerspruchsausschusses - so heißt er wohl - der Vorsitzende des Sortenamtes und ein Mitglied dieses Sortenamtes, das allerdings die Befähigung zum Richteramt haben muß, sind? Das aber sind die entscheidenden Leute der Behörde. Warum verschweigen Sie das?
Keine Wortmeldungen mehr? - Wer dem Änderungsantrag auf Umdruck 433 zuzustimmen wünscht, gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Der Antrag ist abgelehnt.
({0})
- Herr Dorn, ich habe diese Zahl nicht gehört und bitte Sie auch, sie nicht zu wiederholen.
Wir stimmen ab über die §§ 61 bis 88, Einleitung und Überschrift. - Wer zuzustimmen wünscht, gebe das Zeichen. - Gegenprobe! - Bei einigen Gegenstimmen angenommen.
Ich rufe auf zur
dritten Beratung.
Das Wort wird nicht gewünscht. - Wer dem Gesetz im ganzen zuzustimmen wünscht, möge sich erheben. - Gegenprobe! - Gegen einige Stimmen angenommen.
Ich rufe Punkt V b) der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über den Schutz von Pflanzensorten ({1})
- Drucksache V/1630 -
aa) Bericht des Haushaltsausschusses ({2}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung
- Drucksache V/ 2787 -Berichterstatter: Abgeordneter Röhner
bb) Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten
- Drucksache V/2769 - Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Ritgen ({3})
Das Wort wird nicht gewünscht. - Wer den §§ 1 bis 74, Einleitung und Überschrift zuzustimmen wünscht, gebe das Zeichen. - Danke! Gegenprobe! - Einstimmige Annahme.
Ich rufe zur
dritten Beratung.
Keine Wortmeldungen? - Wer dem Gesetz im ganzen zuzustimmen wünscht, möge sich erheben. - Danke! Gegenprobe! - Ohne Gegenstimmen angenommen.
Ich rufe Punkte V c) der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Internationalen Übereinkommen vom 2. Dezember 1961 zum Schutz von Pflanzenzüchtungen
- Drucksache V/1630 -
aa) Bericht des Haushaltsausschusses ({4}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung
- Drucksache V/2787 - Berichterstatter: Abgeordneter Röhner.
bb) Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten
- Drucksache V/2770 Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Ritgen ({5})
In der zweiten Beratung wird das Wort nicht gewünscht. - Wir stimmen ab über Art. 1 bis 3, Einleitung und Überschrift. - Wer zuzustimmen wünscht, gebe das Zeichen. - Danke! Gegenprobe! - Ohne Gegenstimmen angenommen.
Ich rufe auf zur
dritten Beratung.
Das Wort wird nicht gewünscht. - Wer dem Gesetz im ganzen zuzustimmen wünscht, möge sich erheben. - Danke! Gegenprobe! - Das Gesetz ist einstimmig angenommen.
Zu diesem Punkt liegt noch ein Ausschußantrag auf Drucksache V/2758 vor. Wer dem Antrag des Ausschusses zuzustimmen wünscht, gebe das Zeichen. - Danke! Gegenprobe! - Einstimmig angenommen.
Ich rufe Punkt VI der Tagesordnung auf:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Wirtschaft und Mittelstandsfragen ({6}) über die Anträge der Fraktion der FDP, der Fraktion der SPD und der Fraktion der CDU/CSU zur Großen Anfrage der Fraktion der CDU/CSU betr. Lage der deutschen Luft- und Raumfahrtindustrie - Umdrucke 297, 298, 299, Drucksache V/2758 Berichterstatter: Abgeordneter Dr.-Ing. Dr. h. c. Balke
Wer dem Antrag des Ausschusses auf Drucksache V/2758 unter B zuzustimmen wünscht, gebe das Zeichen. - Danke! Gegenprobe! - Einstimmig angenommen.
Ich rufe die Punkte VII, VIII und IX der Tagesordnung auf:
Beratung des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft und Mittelstandsfragen ({7}) über die von der Bundesregierung erlassene Zwölfte Verordnung zur Änderung der Außenwirtschaftsverordnung
- Drucksachen V/2627, V/2765 - Berichterstatter: Abgeordneter Lange
Beratung des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft und Mittelstandsfragen ({8}) über die von der Bundesregierung erlassene Zweiunddreißigste Verordnung zur
Vizepräsident Dr. Mommer
Änderung des Deutschen Zolltarifs 1967 ({9})
- Drucksachen V/2628, V/2766 Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Preiß
Beratung des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft und Mittelstandsfragen ({10}) über die von der Bundesregierung erlassene Fünfunddreißigte Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1967 ({11})
- Drucksachen V/2654, V/2767 - Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Serres
Die drei Punkte sollen zur Kenntnis genommen werden, - was hiermit geschehen ist.
Meine Damen und Herren, wir sind dann am Ende dieser langen Arbeitswoche. Ich danke allen, die ausgeharrt haben, und wünsche Ihnen eine erholsame Osterpause.
Ich berufe die nächste Sitzung ein auf Mittwoch, den 8. Mai 1968, 9 Uhr.
Die Sitzung ist geschlossen.