Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet.
Zunächst eine Mitteilung zum Ablauf unserer Beratungen am heutigen Tage. In Abänderung der Mitteilung von gestern abend werden wir nach der Fragestunde den Einzelplan 14, Verteidigung, behandeln. Wir fangen mit der Verteidigung an, danach 08 und in der Zahlenfolge weiter. - Darüber besteht Einvernehmen.
Folgende amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Präsident der Bundesmonopolverwaltung für Branntwein hat am 4. März 1968 gemäß den §§ 6 und 9 des Gesetzes über das Branntweinmonopol den Geschäftsbericht der Bundesmonopolverwaltung für Branntwein sowie die Bilanz nebst Gewinn-und Verlustrechnung der Verwertungsstelle für das Geschäftsjahr 1966/67 ({0}) vorgelegt. Bericht und Bilanz werden als Drucksache V/2737 verteilt.
Der Präsident der Monopolverwaltung für Branntwein bei der Oberfinanzdirektion Berlin hat am 18. März 1968 gemäß §§ 6 und 9 des Gesetzes über das Branntweinmonopol den Geschäftsbericht der Monopolverwaltung für Branntwein bei der Oberfinanzdirektion Berlin sowie die Bilanz mit Gewinn- und Verlustrechnung der Verwertungsstelle für das Geschäftsjahr 1966/67 ({1}) vorgelegt. Bericht und Bilanz werden als Drucksache V/2739 verteilt.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung soll die Tagesordnung um die in der Ihnen vorliegenden Liste bezeichneten Vorlagen ergänzt werden. - Das ist so beschlossen.
Wir kommen dann zur Fortsetzung von Punkt I der Tagesordnung:
Fragestunde
- Drucksache V/2793 Wir hatten noch Restfragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr. Zur Beantwortung ist der Herr Parlamentarische Staatssekretär Börner hier. Frage 39 des Herrn Abgeordneten Schmitt-Vockenhausen:
Gilt die Antwort auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Schmidt ({2}) und Genossen betr. Lärmproblem des Überschallverkehrs ({3}) noch unverändert?
Wird übernommen? - Bitte sehr! Bitte, Herr Staatssekretär!
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr: Herr Präsident, die Bundesregierung sieht keine Veranlassung, von ihrer früheren Erklärung, daß ein ziviler Verkehr mit Überschallflugzeugen über bewohnten Gebieten nicht stattfinden kann, sofern die dabei auftretenden Schalldrücke die bisher beobachteten Auswirkungen auf die überflogenen Gebiete und ihre Bewohner ausüben, abzugehen. Auch liegt aus den in der Beantwortung der Kleinen Anfrage, Bundestagsdrucksachen V/2292 und V/2369, dargelegten Gründen keine Veranlassung vor, auf eine Änderung des ICAO-Abkommens und der Transitvereinbarungen hinzuwirken.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Schmidt, bitte!
Herr Staatssekretär, wären Sie im Hinblick auf die Bedeutung dieser Angelegenheit und die schwerwiegenden Folgen, die sich unter Umständen daraus ergeben, bereit, dem Hohen Haus oder zumindest den zuständigen Ausschüssen Unterlagen über die jetzt schon erstellten Untersuchungen über die Belastung der Bevölkerung durch Überschallknall zur Verfügung zu stellen?
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr: Herr Kollege, soweit ich das übersehe, ist das in den bezeichneten Drucksachen schon zu einem Teil geschehen. Ich bin aber gern bereit, die entsprechenden Ausschüsse des Hohen Hauses darüber zu informieren, inwieweit die internationale Diskussion über die Auswirkungen des Überschallverkehrs hier in den letzten Monaten zu bestimmten Ergebnissen gekommen ist.
Noch eine Zusatzfrage, Herr Schmidt.
Können Sie uns die Zusage geben, daß diese Unterlagen möglichst bald zur Verfügung gestellt werden, damit sich die Ausschüsse auch sehr bald ein entsprechendes Bild machen können?
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr: Wir werden uns darum
Parlamentarischer Staatssekretär Börner
bemühen. Ich darf aber darauf hinweisen, Herr Kollege, daß wir mit Ihnen darin übereinstimmen, daß der Überschallverkehr über der Bundesrepublik, soweit er ziviler Natur ist und deshalb also vermieden werden kann, wenn er die heutigen Auswirkungen behält, d. h. wenn man keine Vorrichtungen und Möglichkeiten schafft, die Belastungen der Bevölkerung durch den Überschallknall zu beseitigen, von uns über dem Territorium der Bundesrepublik Deutschland nicht zugelassen wird.
Die Frage ist beantwortet.
Frage 40 des Abgeordneten Fritsch ({0}) :
Treffen Behauptungen des Staatssekretärs im bayerischen Staatsministerium für Wirtschaft und Verkehr zu, wonach man an Saar und Ruhr Autobahnen und Schnellstraßen unter dem Motto Arbeitsbeschaffung bauen wolle, während man sie Ostbayern seit vielen Jahren vorenthalte?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr: Herr Kollege, eine Behauptung des Herrn Staatssekretärs im Bayerischen Staatsministerium für Wirtschaft und Verkehr des von Ihnen angegebenen Inhalts ist der Bundesregierung nicht bekannt. Im übrigen würden solche Behauptungen, falls sie aufgestellt worden wären, nicht zutreffen. Soweit die Bundesregierung bisher strukturelle oder konjunkturelle Förderungsmaßnahmen finanziert hat, wurde Bayern angemessen berücksichtigt. So wurden 1967 zur Belebung der wirtschaftlichen Konjunktur erhebliche zusätzliche Mittel für den Straßenbau auch in Bayern zur Verfügung gestellt, und zwar in Höhe von 125,5 Millionen DM bei einer Gesamtsumme für das Bundesgebiet von 684 Millionen DM. Die Mittel sind entsprechend den Vorschlägen der bayerischen obersten Landesbehörden nur für Straßenbaumaßnahmen verwendet worden.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, kann man dann also feststellen, daß die Ziele des Straßenbaus im Rahmen des dritten Vierjahresplans zusammen mit den von Ihnen erwähnten Maßnahmen, soweit derzeit überschaubar, in Bayern und insbesondere in Ostbayern erreicht worden sind?
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr: Herr Kollege, ich habe gesagt, daß aus den Maßnahmen der Bundesregierung nicht geschlossen werden kann, daß Bayern benachteiligt worden ist. Bayern ist bei der Zuteilung von Mitteln genauso behandelt worden wie alle anderen Bundesländer. Wir haben uns bei diesen Maßnahmen nach den Vorschlägen der bayerischen Landesregierung gerichtet. Die Frage nach den Auswirkungen der Finanzierung auf den gesamten 3. Vierjahresplan, die Sie gestellt haben, geht über diesen Sachverhalt weit hinaus. Ich möchte sie im Rahmen dieser Diskussion nicht beantworten.
Noch eine Frage.
Herr Staatssekretär, für den Fall, daß die Aussage des bayerischen Staatssekretärs Sackmann richtig ist, daß unter dem Motto Arbeitsbeschaffung an Rhein und Ruhr der Straßenbau des Bundes - also Bundesautobahnen und Schnellstraßen - besonders gefördert werden soll, gibt es Überlegungen in Ihrem Hause, unter diesem Motto auch in Bayern und vor allem in Ostbayern besondere Maßnahmen vorzusehen oder zu initiieren?
Römer, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr: Herr Kollege, die Ressorts der Bundesregierung beschäftigen sich zur Zeit mit Vorschlägen für strukturpolitische Maßnahmen zugunsten der von der Kohlenkrise betroffenen Gebiete. Sie wissen, daß ein entsprechender Vorschlag der Landesregierung von Nordrhein-Westfalen vorliegt. In Verfolgung eines Wunsches, der in einem Antrag der SPD-Fraktion zum Ausdruck kam, sind wir bemüht, auch bestimmte Vorhaben aus dem Zonenrandgebiet bzw. aus den Grenzlandgebieten der Bundesrepublik in diese Überlegungen einzubeziehen. Die Überlegungen sind noch nicht endgültig abgeschlossen. Ich hoffe aber, daß wir innerhalb der nächsten Wochen hier zu einer Abklärung zwischen den Bundesressorts kommen und daß auch Vorhaben, wie Sie sie nannten, in diese Planungen einbezogen werden können. Unser Haus steht dem jedenfalls sehr positiv gegenüber.
Eine Zusatzfrage, Herr Weigl.
Herr Staatssekretär, können Sie mir Auskunft geben, in welcher Höhe die ostbayerischen Regierungsbezirke Oberpfalz und Niederbayern an diesen zusätzlichen Mitteln, von denen Sie vorhin gesprochen haben, partizipiert haben?
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr: Herr Kollege, das ist eine Frage der innerbayerischen Aufteilung dieser Mittel. Ich müßte dazu erst eine Rückfrage an die bayerische Staatsregierung richten. Ich kann Ihnen aber versichern, daß nach den uns vorliegenden Unterlagen keine Benachteiligung der von Ihnen genannten Gebiete Bayerns in Frage kommt.
Noch eine Frage, Herr Weigl.
Herr Staatssekretär, hat die bayerische Staatsregierung für die zukünftige Entwicklung bereits konkrete Projekte vorgeschlagen, die zusätzlich gefördert werden sollen?
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr: Sie wissen, daß die Straßenbaumaßnahmen in dem Gebiet, von dem Sie sprechen, sehr langfristig mit uns abgesprochen sind. Es handelt sich um Projekte von Autobahnen
Parlamentarischer Staatssekretär Börner
oder Bundesstraßen. Dazu gibt es natürlich sowohl in München als auch in unserem Hause Überlegungen. Die Frage ist eben, inwieweit wir haushaltsmäßig in der Lage sind, diese Projekte in den nächsten Jahren zu bedienen. Ich habe aber den Eindruck, daß alles getan wird - und die heutige Verabschiedung des Haushalts dient dazu -, um auch hier den Straßenbau zügig voranzutreiben.
Aber wir waren in der Diskussion von einer angeblichen Benachteiligung dieser Gebiete durch Maßnahmen der Bundesregierung ausgegangen, und diesen Vorwurf muß ich mit aller Entschiedenheit zurückweisen.
Eine Zusatzfrage, Herr Fellermaier.
Herr Staatssekretär, würden Sie meine Meinung teilen, daß die Berücksichtigung Bayerns aus der Sicht des Bundes dann noch konkreter werden könnte, wenn Bayern wie andere Bundesländer einen Generalverkehrsplan hätte, den man in die langfristigen Überlegungen Ihres Hauses eingliedern könnte?
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr: Herr Kollege Fellermaier, natürlich ist es notwendig, gerade beim Straßenbau durch die Aufstellung von Generalverkehrsplänen weiträumig und langfristig zu disponieren. Eine solche Maßnahme würde uns zweifellos helfen, die Konsequenzen für die 70er-Jahre zu ziehen, die gezogen werden müssen.
Keine Zusatzfrage.
Frage 41 des Abgeordneten Fellermaier:
Ist die Absicht, in einer Änderung der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung nur noch weißes Scheinwerferlicht zuzulassen, mit anderen europäischen Staaten abgestimmt, insbesondere mit denen, die gegenwärtig gelbes Scheinwerferlicht bevorzugen?
Bitte sehr, Herr Staatssekretär!
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr: Herr Kollege, die beabsichtigte Neufassung der Vorschrift über die Farbe des Scheinwerferlichts liegt im Rahmen der hierfür geltenden Bestimmungen internationaler Regelungen. Eine Abstimmung mit anderen Staaten, die gegenwärtig gelbes Scheinwerferlicht bevorzugen, erübrigt sich daher.
Zusatzfrage, Herr Fellermaier.
Herr Staatssekretär, sind Sie nicht der Meinung, daß das angesichts der Tatsache, daß der europäische Industriemarkt voraussichtlich am 1. Juli Wirklichkeit wird, im Kraftfahrzeugsektor hier im Bereich der EWG auch transparent wird und daß man dann nicht ausschließlich in der Bundesrepublik eine Regelung finden sollte, die eben keine Fortsetzung in den europäischen Staaten findet, die
mit uns in der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft vereinigt sind?
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr: Herr Kollege, ich darf Sie darauf aufmerksam machen, daß das von Ihnen genannte gelbe Scheinwerferlicht ausschließlich durch einen Alleingang Frankreichs eingeführt wurde, daß andere europäische Länder dieses gelbe Scheinwerferlicht nicht für ihre Kraftfahrzeuge vorgeschrieben haben und daß durchaus die Tendenz besteht, das im Sinne der bisherigen deutschen Regelung zu vereinheitlichen.
Noch eine Frage, Herr Fellermaier.
Herr Staatssekretär, bei dem hohen Exportanteil gerade der französischen Automobilindustrie in europäischen Ländern wird es dann doch so sein, daß trotz des Alleingangs Europa eben mit weißem und gelbem Scheinwerferlicht fährt, und meinen Sie nicht, daß sich die eine oder andere Seite vielleicht doch technisch überzeugen lassen sollte, daß man zu einer europäischen Regelung in diesen Fragen kommen sollte, wo es einfach um die Grundregeln auch der Verkehrssicherheit geht?
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr: Herr Kollege, ich würde sagen, daß es notwendig ist, daß sich in einem gemeinsamen europäischen Markt nicht alle anderen nach einem Partner richten.
Frage 42 des Herrn Abgeordneten Dröscher:
In welchem Umfang hilft die Bundesregierung privaten Eisenbahnen mit dem Ziel, daß diese Sozialtarife wie etwa Schillerermäßigung gewähren können?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr: Herr Kollege, die privaten Eisenbahnen unterliegen nicht der Aufsicht des Bundes. Sie sind vielmehr den Ländern unterstellt, denen auch die Aufgabe zufällt, im Bedarfsfall Zuschüsse zu den Kosten des Betriebs dieser Bahnen zu leisten.
Zusatzfrage, Herr Dröscher!
Herr Staatssekretär, hat die Bundesregierung angesichts der Notwendigkeit, im Bundesgebiet gleiche Lebensverhältnisse zu schaffen und die Chancengleichheit der Schüler herbeizuführen, einmal Überlegungen angestellt, ob in dieser Hinsicht eine gleichmäßige Behandlung der privaten Bahnen im Bundesgebiet zur Ausschaltung von Nachteilen für bestimmte Schülergruppen möglich ist?
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr: Herr Kollege, ich darf Sie darauf hinweisen, daß die Möglichkeit der Bundesregierung, in Ausbildungsförderungen einzugreifen, durch das Grundgesetz sehr eng umrissen ist. Etats oder Wirtschaftspläne von Bahnen eignen sich nicht für sozialpolitische Maßnahmen. Sozialpolitische Maßnahmen müssen dann immer - das ist bei der Bundesbahn so, das ist auch bei den nicht bundeseigenen Eisenbahnen so - durch den entsprechenden Eigentümer zu Lasten des Unternehmens oder durch eine Ausgleichszahlung in die Wirtschaftspläne eingeführt werden. Man kann durchaus - da stimme ich Ihnen zu - darüber diskutieren, ob Schulgeldfreiheit, Lernmittelfreiheit usw. nicht auch so etwas wie eine Schulweggeldfreiheit umfassen müßte, d. h. der Weg zur Schule für den Fahrschüler in die Bildungsförderungsmaßnahme einbezogen werden sollte. Das ist sicher ein bildungspolitischer Aspekt, über den sich reden läßt. Daß das aber zu Lasten einer Kleinbahn gehen muß, vermag ich nicht einzusehen.
Zweite Zusatzfrage, Herr Dröscher.
Darf ich Sie also so verstehen, Herr Staatssekretär, daß Sie mit mir darin übereinstimmen, daß die Chancengleichheit der Schüler aus den ländlichen Räumen hergestellt werden muß, daß dies in diesem speziellen Fall aber eine Aufgabe des Landes Rheinland-Pfalz wäre?
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr: Ich würde es so sagen, daß es die Bundesregierung sicher begrüßen wird, wenn die Länder im Rahmen der gemeinsamen Bemühungen um die Stärkung des Bildungsniveaus in unserem Lande allgemein dazu übergehen, diese Art der Bildungsförderung fortzusetzen, d. h. den kostenlosen Transport des Schülers zwischen seinem Wohnsitz und der nächsten höheren Schuleinrichtung oder Universität über ihre Bildungsetats abzudecken. Das wäre nach der verfassungsrechtlichen Lage von heute ein durchaus annehmbarer Weg. Ich sehe aber nicht ein, daß das zu Lasten der Bundesbahn oder der nicht bundeseigenen Eisenbahnen über deren Wirtschaftspläne gemacht werden muß.
Die Fragen 43 und 44 des Herrn Abgeordneten Dr. Kliesing können wohl zusammen beantwortet werden:
Besteht noch die Absicht, im Bereich des Amtes Bornheim
einen Anschluß an die Autobahn Bonn-Köln zu schaffen?
Ist die Bundesregierung sich der Wichtigkeit bewußt, die eine solche An- und Abfahrt für den Gemüsebau haben würde, um dem hochqualifizierten Obst- und Gemüseanbau im Amte Born-heim unter den Aspekten der europäischen Agrarpolitik den erforderlichen schnellen Zugang zu den Absatzmärkten zu vermitteln und zu sichern?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr: Herr Kollege, im Zusammenhang mit der vom Land Nordrhein-Westfalen geplanten nördlichen Umgehungsstraße Bonn
ist beabsichtigt, an der Kreuzung mit der Bundesautobahn Köln-Bonn nahe Hersel eine neue Anschlußstelle herzustellen. Die Bundesregierung ist davon überzeugt, daß die vom Land Nordrhein-Westfalen geplante neue Anschlußstelle an der Bundesautobahn Köln-Bonn bei Hersel mit den vorgesehenen Anschlußstrecken für den schnellen Gemüsetransport von Bornheim zu den Absatzmärkten bedeutsam ist. Die Bundesregierung stellt sich daher auch positiv zu der entsprechenden Planung des Landes Nordrhein-Westfalen.
Eine Zusatzfrage, Herr Kliesing.
Herr Staatssekretär, würden Sie aus Ihrer erfreulich positiven Stellungnahme die Konsequenz ziehen, auf die Landesregierung Nordrhein-Westfalen einzuwirken, damit hier keine unnötigen Verzögerungen eintreten?
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr: Herr Kollege, aus unserer positiven Haltung zu einem bestimmten Projekt eines Landes ist nicht unbedingt zu schließen, daß wir das Recht hätten, hier auf seine Haushaltspolitik einzuwirken. Ich bitte um Verständnis dafür, daß das unter Umständen das Verhältnis zwischen dem Bund und den Ländern sehr belasten könnte.
Noch eine Frage, Herr Kliesing.
Ich glaube, es handelt sich um ein Mißverständnis. Wäre es Ihnen möglich - so will ich es einmal formulieren -, die Landesregierung Nordrhein-Westfalen darauf hinzuweisen, daß die Bundesregierung es sehr begrüßen würde, wenn diese Angelegenheit beschleunigt verwirklicht würde?
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr: Herr Kollege, ich bin überzeugt, daß hinsichtlich der Dringlichkeit und der Nützlichkeit dieser Straßenanbindung und der Autobahnabfahrt die gleichen Gedanken in Düsseldorf vertreten werden, wie ich sie hier ausgesprochen habe.
Damit sind die Fragen aus dem Bereich des Bundesministers für Verkehr beantwortet. Vielen Dank, Herr Staatssekretär.
Die Fragen aus dem Bereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten müssen heute wegen Erkrankung des Ministers und wegen der Verhandlungen, die sein Staatssekretär im Augenblick in Brüssel zu führen hat, zurückgestellt werden.
Wir kommen dann zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für WohnungsVizepräsident Dr. Mommer
wesen und Städtebau. Zur Beantwortung ist hier Herr Staatssekretär Schornstein.
Ich rufe die Fragen 51, 52 und 53 des Herrn Abgeordneten Strohmayr auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß der Bundesgerichtshof in einem Grundsatzurteil ({0}) festgestellt hat, daß eine vorzeitige Zurückzahlung von Staatsbediensteten- oder Arbeitgeberdarlehen nicht dazu berechtige, den Mietpreis nach eigenem Gutdünken zu erhöhen?
Hat das Urteil des Bundesgerichtshofs auch die gleichen positiven Aukwirkungen auf die Wohnungen des allgemeinen sozialen Wohnungsbaues, deren Darlehen vorzeitig abgelöst wurden?
Müssen bereits vorgenommene Mieterhöhungen, die im Widerspruch zu dem BGH-Urteil stehen, wieder rückgängig gemacht werden?
Herr Präsident, ich bitte, die Fragen im Zusammenhang beantworten zu dürfen, weil sie denselben Gegenstand betreffen.
Bitte sehr!
Das Urteil ist bekannt, Herr Abgeordneter. Danach ist für Wohnungen, die mit Wohnungsfürsorgemitteln für Angehörige des öffentlichen Dienstes geschaffen worden sind, die Mieterhöhungserklärung des Vermieters wirkungslos, wenn er es ablehnt, die Zustimmung der zuständigen Stelle zur Erhöhung der Miete einzuholen.
Auf öffentlich geförderte Wohnungen des allgemeinen sozialen Wohnungsbaus hat dieses Urteil keinen Einfluß. Hat der Vermieter von Sozialwohnungen die Mittel nach dem 1. August 1965 vorzeitig zurückgezahlt, so gelten die Wohnungen nach den Vorschriften des Wohnungsbindungsgesetzes 1965 grundsätzlich noch fünf Jahre lang als öffentlich gefördert, d. h. daß der Vermieter auch während dieser Zeit nur die Kostenmiete erheben darf. Auf Grund der vorzeitigen Rückzahlung darf die Kostenmiete nur insoweit erhöht werden, als für den zurückgezahlten Restbetrag eine Eigenkapitalverzinsung bis zu 4% angesetzt werden kann. Soweit eine höhere als die zugelassene Kostenmiete gefordert wird, ist die Forderung unbegründet. Der Mieter hätte in diesem Falle einen Anspruch auf Rückerstattung.
Bereits vorgenommene Mieterhöhungen bei Wohnungen für Angehörige des öffentlichen Dienstes, die im Widerspruch zu dem vorerwähnten Urteil des Bundesgerichtshofs stehen, sind unwirksam. Im Einzelfall kann diese Frage mit bindender Wirkung natürlich nur das Gericht entscheiden.
Zusatzfrage, Herr Strohmayr.
Herr Staatssekretär, gilt dies auch bei Rückzahlungen von 7-c-Darlehen. Ist es da also möglich, daß, wenn die Darlehen zurückgezahlt sind, der Hausbesitzer die Verzinsung seines Kapitals durch eine Mieterhöhung wirksam werden lassen kann?
Herr Abgeordneter, grundsätzlich gelten die Ansätze der ursprünglichen Wirtschaftlichkeitsberechnung zugunsten des Vermieters fort. Wenn also in dieser Wirtschaftlichkeitsberechnung bereits außer dem normalen Tilgungssatz ein Zinsersatz für die Mehrtilgung enthalten ist, so gelten diese Ansätze zu seinen Gunsten weiter, auch wenn das 7-c-Darlehen getilgt ist. Wenn ihm dagegen kein Zinsersatz zugebilligt war - was in früheren Jahren vorgekommen ist -, dann könnte er in diesem Fall nunmehr eine Verzinsung von 4 % im Rahmen von 15 % der Gesamtkosten - so ist es ja im sozialen Wohnungsbau - verlangen, darüber hinaus sogar eine marktübliche Verzinsung.
Keine Zusatzfrage.
Die Fragen 54 bis 56 des Abgeordneten Dr. Schwörer können wohl auch im Zusammenhang beantwortet werden:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß die Heizungsversorgung der Wohngemeinde Bueloch - Standort Meßstetten - seit dem Winter 1966/67 ständig Anlaß zu Beschwerden gibt und daß darüber hinaus die Preisgestaltung der Fern-Wärme-Kraft GmbH nicht unerheblich über das sonst übliche Preisniveau hinausgeht?
Ist der Bundesregierung bekannt, daß die von der FernWärme-Kraft GmbH vorgenommene Preiserhöhung zum 1. Januar 1968 ohne Genehmigung der Oberfinanzdirektion Stuttgart durchgeführt wurde?
Welche Gründe haben das Bundeswohnungsministerium veranlaßt, die Heizungs- und Warmwasserversorgung der Siedlung Bueloch einer kommerziellen Gesellschaft zu übertragen, statt die Versorgung durch die Gemeinnützige Deutsche Wohnbau GmbH zu ermöglichen?
Herr Bundestagsabgeordneter, die Antwort auf Ihre Fragen lautet wie folgt:
Seit Inbetriebnahme der zentralen Heizungsanlage im Jahre 1965 ist nur eine Beschwerde Ende des Jahres 1966 an mein Haus herangetragen worden. Nach Behebung vorübergehender Störungen im Heizungssystem zog der Beschwerdeführer noch im Dezember 1966 seine Beschwerde zurück.
Die Wohnsiedlung Bueloch-Meßstetten liegt in einer Höhe von etwa 900 m auf der Rauhen Alb und ist sehr stark klimatischen Unbilden ausgesetzt. Deshalb war von Anfang an damit zu rechnen, daß die Wärmekosten über das normale Maß hinausgehen, sich jedoch noch in einem vertretbaren und zumutbaren Rahmen halten würden.
Die Preiserhöhung der Fernwärmekraft GmbH bedurfte keiner Genehmigung durch die Oberfinanzdirektion Stuttgart. Die von der Fernwärmekraft GmbH sowohl mit der Gemeinnützigen Deutschen Wohnungsbau GmbH als auch mit den Mietern geschlossenen Wärmelieferungsverträge enthalten nämlich Gleitklauseln, welche die Lieferfirma berechtigen, bei Lohn und Preissteigerungen den Heizungspreis nach einem vereinbarten Schlüssel zu erhöhen. Willkürliche Preiserhöhungen sind natür8790
lieh nicht zulässig. Eine Überprüfung der Preiserhöhung ist von meinem Hause veranlaßt.
Zunächst bestand die Absicht, das Heizwerk gemeinsam mit den Wohnungen zu finanzieren. Davon mußte jedoch aus Rentabilitätsgründen Abstand genommen werden. Um die selbständige Errichtung der zentralen Heizungsanlage hatte sich auch die Gemeinnützige Deutsche Wohnungsbau GmbH beworben. Das Angebot der Firma Fernwärmekraft GmbH erwies sich jedoch als das günstigere. Sogar der heute geforderte Wärmepreis liegt noch unter dem seinerzeit von der Gemeinnützigen Deutschen Wohnungsbau GmbH kalkulierten Preis.
Die Auswahl der Firma Fernwärmekraft GmbH erfolgte übrigens im Benehmen mit dem Herrn Bundesschatzminister, dessen Technische Abteilung seinerzeit die vorgelegten Angebote überprüft hatte.
Zu einer Zusatzfrage Herr Schwörer.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen von einem Gespräch in Stuttgart bei der WBV vom 30. Januar 1968 nichts bekannt?
Nein, darüber ist mir leider nichts bekannt. Können Sie mir den Inhalt vielleicht näher mitteilen? Dann kann ich dazu Stellung nehmen.
Ich möchte eine weitere Zusatzfrage stellen. Herr Staatssekretär, wenn Sie diese Nachprüfungen schon anstellen, dann möchte ich Sie bitten, auch zu überprüfen, ob im Zuge des Wegfalls von Wohnungs- und Heizkostenzuschüssen nicht untragbare Heizkostenbelastungen gerade für die Angehörigen der unteren Besoldungsgruppen eintreten. Wären Sie bereit, dies besonders zu überprüfen?
Ich bin gern bereit, das mit prüfen zu lassen.
Noch eine Zusatzfrage, Herr Dr. Schwörer.
Sind Sie, wenn die in der Besprechung in Stuttgart gerügten Mißstände wirklich bestehen, bereit, die gesamten Möglichkeiten des Wohnungsbauministeriums einzusetzen, um die Mißstände eventuell abzustellen, oder, wenn das nicht möglich ist, die durch den Vertrag mit dieser Firma, die bis jetzt diese Heizungen zu betreuen hat, bestehenden vertraglichen Möglichkeiten einer Kündigung zu nutzen?
Ich habe eben gesagt: Ich bin sehr gern bereit, diese Frage aufzuklären. Wenn sich Mißstände ergeben
haben, werden wir daraus Folgerungen ziehen und die notwendigen Verhandlungen führen.
Ich rufe jetzt die Fragen 21 bis 23 des Herrn Abgeordneten Hörauf auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß im Bundeswehrstandort Freyung ({0}) von ca. 100 Wohnungen für Bundesbedienstete ({1}) zur Zeit acht Wohnungen nicht besetzt sind, weil die Wohnungsbewerber bei der Anmietung von familiengerechten Wohnungen auf Wohnungen ausweichen, die im Rahmen des allgemeinen sozialen Wohnungsbaues zu wesentlich günstigeren Mieten zur Verfügung stehen?
Worauf ist das erhebliche Auseinanderklaffen zwischen der qm-Miete des sozialen Wohnungsbaus und des Wohnungsbaus für Bundeswehrangehörige zurückzuführen?
Sieht sich die Bundesregierung in der Lage, .durch Neuordnung der Finanzierungsgrundlagen eine Angleichung herbeizuführen?
Die Fragen betreffen denselben Gegenstand und können auch gemeinsam beantwortet werden. Herr Staatssekretär!
Herr Abgeordneter, die Antwort auf Ihre Fragen lautet wie folgt:
Der Bundeswehr stehen im Standort Freyung 110 Wohnungen zur Verfügung. Davon stehen zur Zeit drei wegen Versetzung der Mieter leer. Nach meinen Feststellungen ist bis zum 1. Juni 1968 mit dem Freiwerden weiterer sechs Wohnungen zu rechnen. Erstmals werden den Angehörigen der Bundeswehr Sozialwohnungen angeboten. Ich halte es für möglich, daß dafür nicht genügend Bewerber vorhanden sind. Worauf dies zurückzuführen ist, ist mir nicht bekannt und konnte in der Zwischenzeit nicht so schnell aufgeklärt werden.
Es trifft aber nicht zu, daß die Mieten dieser Sozialwohnungen günstiger seien als die Bundesbedienstetenmieten. Die Bundesbedienstetenmieten liegen in Freyung je nach Ausstattung zur Zeit zwischen 1,90 DM und 2,25 DM, während die Sozialmieten bis zu 2,40 DM je qm Wohnfläche im Monat betragen.
Wie ich zur vorausgehenden Frage ausgeführt habe, sind die Sozialmieten durchweg höher als die Bundesbedienstetenmieten. Die Umzugswünsche der Bundesbediensteten beruhen offenbar darauf, daß die Sozialwohnungen besser ausgestattet sind - nämlich mit Zentralheizung -, während die älteren Bundesdarlehenswohnungen mit Einraumöfen oder höchstens mit Mehrraumheizung ausgestattet sind. Damit ergibt sich für die Eigentümer der älteren Wohnungen natürlich immer stärker die Notwendigkeit, ihre Wohnungen den modernen Wohnungsansprüchen anzupassen, um konkurrenzfähig zu bleiben.
Eine Zusatzfrage, Herr Hörauf.
Herr Staatssekretär, was beabsichtigt die Bundesregierung zur Verbesserung der Ausstattung der Bundesbedienstetenwohnungen zu tun?
Herr Abgeordneter, eine generelle Anordnung der Modernisierung dieser älteren Bundesbedienstetenwohnungen ist wegen der Knappheit der Haushaltsmittel leider nicht möglich. Bei besserer Finanzlage wird diese Aufgabe sicherlich auch von uns in Angriff genommen werden müssen. Aber auf freiwilliger Basis werden solche Wohnungen seit langem auf Wunsch der Mieter von den Wohnungsbaugesellschaften modernisiert, insbesondere auf Zentralheizung, meist Ölheizung, umgestellt, sofern die Mieter zur Zahlung einer entsprechend erhöhten Miete bereit sind.
Zusatzfrage, Herr Hörauf.
Herr Staatssekretär, ist der Bundesregierung bekannt, daß weitere Soldatenfamilien Bundesbedienstetenwohnungen zu kündigen beabsichtigen, da frei finanzierte Wohnungen in diesem Raum erheblich billiger sind? Wenn ja, würden Sie, Herr Staatssekretär, bereit sein, den Vorgang nochmals genauestens überprüfen zu lassen und mir schriftlich Bescheid zu geben?
Ich bin dazu gern bereit. Wir konnten in der kurzen Zeit nur eine fernmündliche Rückfrage anstellen, aber ich will die weiteren Fragen, die Sie gestellt haben, durch die Oberfinanzdirektion eingehend untersuchen lassen und einen schriftlichen Bericht verlangen. Ich bin bereit, Sie dann darüber zu unterrichten.
Zusatzfrage, Herr Schwörer.
Herr Staatssekretär, könnten Sie sich vorstellen, daß das Bundeswohnungsbauministerium zur Rationalisierung eines Tages auch die verschiedenen Klassen der Bundeswehrwohnungen wegfallen lassen könnte?
Ich kann mir das vorstellen. Es ist sogar ein Ziel, das wir anstreben, diese Klassifizierung fallenzulassen.
Vielen Dank für die Beantwortung der Fragen aus diesem Geschäftsbereich.
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Gesundheitswesen. Frau Strobel ist selber anwesend. Zunächst rufe ich die Fragen 63, 64 und 65 des Herrn Abgeordneten Dr. Hammans auf.
Herr Kollege Hammans scheint nicht da zu sein.
Ist er nicht im Saal? Dann werden die Fragen schriftlich beantwortet.
Dann rufe ich die Fragen 66 bis 68 des Abgeordneten Dr. Jungmann auf:
Hält es die Bundesregierung für vertretbar, daß in Apotheken für bestimmte Arzneimittel oder für andere Mittel des täglichen Bedarfs geworben wird?
Hält es die Bundesregierung für erforderlich, die Werbung für Arzneimittel und andere Mittel in Apotheken zu bestreiten?
Ist die Bundesregierung bereit, entsprechende, die Werbung betreffende Bestimmungen in die Apethekenbetriebsordnung aufzunehmen?
Herr Kollege Dr. Jungmann, die Werbung für Arzneimittel in der Apotheke ist durch das Gesetz über die Werbung auf dem Gebiete des Heilwesens geregelt. Es darf demnach z. B. einem Arzneimittel nicht eine Wirkung zugeschrieben werden, die ihm nach dem Stand der Wissenschaft und den praktischen Erfahrungen nicht zukommt, oder es darf nicht der Eindruck erweckt werden, daß eine Wirkung mit Sicherheit eintritt, z. B. bei einem Schlankheitsmittel.
Ich halte es allerdings nicht für gut, wenn für bestimmte Arzneimittel ausschließlich und bevorzugt geworben wird, weil die Neutralität der Apotheke als Abgabestelle für Arzneimittel gewährleistet sein sollte.
Soweit es um die Werbung für andere Mittel und Gegenstände geht, gibt es gesetzliche Werbebeschränkungen nicht. Sie können auch nicht in die Apothekenbetriebsordnung aufgenommen werden. Im § 21 des Gesetzes über das Apothekenwesen gibt es hierzu keine Ermächtigung. Es gibt dafür allerdings Werberichtlinien der Apothekenkammern, die aber weniger gesundheitspolitische als vielmehr standespolitische Gesichtspunkte beinhalten.
Eine Zusatzfrage, bitte.
Frau Bundesminister, darf ich Sie fragen, ob Sie die Auswirkungen des Heilmittelwerbegesetzes auch gerade in bezug auf die Werbung in Apotheken für zufriedenstellend halten, oder ob Sie vielleicht den Zeitpunkt für gekommen erachten, die Auswirkungen dieses Gesetzes einmal kritisch zu überprüfen?
Herr Kollege Jungmann, es ist mir bekannt, daß die Länder die Durchführung des Gesetzes intensivieren wollen. Ich möchte das gerne abwarten. Man muß dann allerdings prüfen, ob weitere, Beschränkungen doch notwendig werden. Ich bin der Meinung, daß sich solche dann nicht allein auf die Apotheken beziehen könnten, sondern auf alle Abgabestellen von Arzneimitteln.
Ich rufe die Frage Nr. 69 von Frau Dr. Heuser auf:
Welche Maßnahmen gedenkt die Bundesregierung zu ergreifen, um den weiteren personellen Rückgang im Hebammenberuf aufzuhalten?
Entschuldigung, es waren drei Fragen. Ich bin damit einverstanden, daß Herr Dr. Jungmann der Meinung ist, sie sind alle drei beantwortet.
Sicher.
Frau Dr. Heuser, das Hebammengesetz von 1938 geht noch davon aus, daß die meisten Frauen zu Hause entbinden. Während im Jahre 1952 die Zahl der Hausgeburten noch 52,6 % aller Geburten ausmachte, betrug sie 1966 nur noch 12,9%. Ich bin überzeugt, die Zahl wird weiter zurückgehen, zumal jetzt die Entbindung in der Klinik Pflichtleistung der Krankenkassen geworden ist. Durch diese an sich sehr begrüßenswerte Entwicklung ist der Beruf der Hebamme, vor allem, soweit er freiberuflich ausgeübt wird, für den Nachwuchs nicht mehr sehr anziehend. Der Mangel an Nachwuchs wird sich aber auch für die Belegkrankenhäuser und selbst bei der Besetzung von Hebammenstellen in Entbindungskliniken bemerkbar machen. Die notwendige Neuordnung des Hebammenwesens muß den jetzigen Gegebenheiten Rechnung tragen. Die in der EWG in Beratung befindlichen Richtlinien für die Freizügigkeit und die gegenseitige Anerkennung der Diplome muß dabei von uns berücksichtigt werden. Dort wird zur Zeit von einer zehnjährigen Schulbildung als Voraussetzung für den Besuch der Hebammenanstalt ausgegangen.
Es tut mir leid, ich bin im Augenblick nicht in der Lage, Ihnen mehr über die künftige Planung der Neuordnung zu sagen.
Eine Zusatzfrage, Frau Dr. Heuser.
Frau Ministerin, ich bitte davon ausgehen zu wollen, daß ich völlig einig mit Ihnen darin bin, daß die Zunahme der Geburten in Kliniken zu befürworten ist. Darf ich Sie aber fragen, ob Sie vor Augen haben, daß der Gesundheitsausschuß der vergangenen Legislaturperiode bei Beratung des Gesetzes zur Vorsorge für die Schwangeren ausdrücklich betont hat, daß nicht nur die ärztliche Vorsorge, sondern auch die Vorsorge durch die Hebammen im Gesetzestext deutlich gemacht werden sollte. Aber immer noch wird in der Praxis darauf keinerlei Rücksicht genommen. Ich darf Sie in diesem Zusammenhang auf die neuerlich erlassenen Richtlinien des Bundesausschusses verweisen.
Frau Kollegin Dr. Heuser, das geht nun in Ihre erste Frage hinein, die wahrscheinlich morgen,
nehme ich an, vom Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung beantwortet wird. Ich weiß, daß es Verhandlungen darüber gibt, ob es möglich ist, die Hebammen stärker als bisher in die Schwangerschaftsvorsorge einzubeziehen, daß aber eine Einigung darüber zwischen den Beteiligten noch nicht erreicht wurde. Ich möchte dem Herrn Bundesminister für Arbeit verständlicherweise heute nicht vorgreifen.
Eine weitere Zusatzfrage, Frau Dr. Heuser.
Darf ich eine Zusicherung von Ihnen dahin erhalten, daß das Bundesgesundheitsministerium seinerseits bemüht sein wird, eine solche Maßnahme im Gespräch mit dem Sozialminister zu befürworten?
Das Bundesgesundheitsministerium hat sich in den bereits stattgefundenen Gesprächen dafür eingesetzt.
Zusatzfrage, Herr Schmidt ({0}).
Frau Minister, da in dieser Frage offensichtlich unterschiedliche Vergütungen für die Leistungen der Hebammen in den einzelnen Bundesländern vorhanden sind: Wären Sie bereit, den Mitgliedern des Gesundheitsausschusses einen Überblick über den tatsächlichen Sachstand, insbesondere über die Vergütungen der Hebammen in den einzelnen Bundesländern, zu geben?
Gern, Herr Kollege Schmidt. Es dürfte aber bekannt sein, daß es im Dezember 1966 gelungen ist, eine Verbesserung der Gebührenordnung für Hebammen zu erreichen. Unabhängig davon bekommen Sie selbstverständlich diese Zusammenstellung.
Eine Zusatzfrage, Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein.
Frau Minister, ist Ihnen bekannt, ob die Länderregierungen weitere Maßnahmen ergreifen werden, um dem ganz empfindlichen Mangel von Hebammen in den ländlichen Bereichen zu begegnen?
Herr Kollege von Wittgenstein, wir gehen zunächst einmal davon aus, daß durch entsprechende Sicherheit in der Entlohnung, aber auch durch eine Anhebung des Hebammenberufs im Bereich der Ausbildung bessere Voraussetzungen geschaffen werden. Wir können aber niemanden zur Ausbildung als Hebamme reglementieren.
Eine zweite Zusatzfrage.
Frau Minister, halten Sie die Einkommensgarantien, wie sie jetzt in den Ländern den Hebammen gegeben werden, für ausreichend?
Ein großer Teil der Hebammen ist leider auf diese Einkommensgarantien angewiesen. Man muß sie laufend daraufhin überprüfen, ob sie den gestiegenen Lebenshaltungskosten gerecht werden.
Noch eine Zusatzfrage.
Sind Sie dazu bereit?
Das tun wir laufend, Herr von Wittgenstein.
Frau Funcke zu einer Zusatzfrage.
Frau Minister, können Sie sich nicht denken, daß sich dadurch, daß Sie den Hebammen zusätzliche Aufgaben zuweisen, eine bessere Entlohnung von daher ergibt und so gar keine Schwierigkeiten mit den Ländern entstehen, weil dann eine Anhebung der Grundgarantie nicht mehr ein Akt der Gutwilligkeit, sondern von der Sache her begründet ist?
Frau Kollegin Funcke, wir können nicht einfach Aufgaben zuweisen. Sie sind im Gesetz geregelt. Frau Kollegin Heuser hat schon darauf hingewiesen, daß der Gesundheitsausschuß weitergehende Vorstellungen hatte, als sie heute praktiziert werden. Es geht aber auch darum, daß die Krankenkassen die mit den Hebammen vereinbarten Leistungen auch honorieren, und gerade im Bereich der Schwangerschaftsvorsorge gehen die Meinungen darüber, wieviel Vorsorgeuntersuchungen und an wen honoriert werden, zwischen Hebammen, Ärzten und Krankenkassen auseinander. Ich habe schon darauf hingewiesen, daß sich das Gesundheitsministerium in diesen Gesprächen sehr dafür eingesetzt hat, daß die Hebammen an der Schwangerschaftsvorsorge stärker als bisher beteiligt werden. Aber es muß eben erreicht werden, daß die Krankenkassen das dann auch honorieren.
Eine weitere Zusatzfrage, Frau Funcke.
Frau Minister, da diese Frage in diesem Hause schon so oft und so lange diskutiert worden ist, möchte ich Sie fragen: darf man damit rechnen, daß in absehbarer Zeit zwischen
dem Herrn Sozialminister, den Krankenkassen und Ihnen nun endlich eine Regelung gefunden wird?
Ich möchte annehmen, daß der Herr Bundesarbeitsminister morgen auf die erste Frage von Frau Heuser, die durch die getroffene Einteilung leider erst nach der zweiten Frage beantwortet wird, eine hoffentlich befriedigende Antwort geben wird.
Danke, Frau Minister, für die Beantwortung der Fragen aus diesem Geschäftsbereich.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen. Ich rufe die Fragen 86 und 87 des Herrn Abgeordneten Dichgans auf - sie gehören wohl zusammen -:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß die bereits jahrzehntelang bestehende Girosammelverwahrung von Wertpapieren, die für den modernen Wertpapierverkehr und für die Verbreitung des Wertpapiersparens unentbehrlich ist, durch das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 15. Februar 1966 zur ertragsteuerlichen Bewertung girosammelverwahrter Wertpapiere gefährdet wird?
Sieht sich die Bundesregierung in der Lage, die Auswirkungen dieses in Frage 86 erwähnten Urteils durch eine Verwaltungsregelung zu vermeiden, in der die Einzelbewertung der Wertpapiere ohne Rücksicht auf ihre Verwahrungsart nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung und Bilanzierung anerkannt wird, oder hält sie hierfür eine Gesetzesergänzung für erforderlich?
Ist Herr Dichgans im Saal? - Er ist nicht im Saal.
({0})
- Sie wird übernommen.
Zur Beantwortung der Herr Parlamentarische Staatssekretär.
Leicht, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Ich darf die Frage wie folgt beantworten. Der Bundesregierung ist bekannt, daß die Kreditinstitute befürchten, das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 15. 2. 1966 werde zu einer Beeinträchtigung der Girosammelverwahrung von Wertpapieren führen. Die Bundesregierung hält - in Übereinstimmung mit Ihnen, Herr Abgeordneter - die Girosammelverwahrung der Wertpapiere für eine fortschrittliche und moderne Einrichtung, die zu einer rationellen Abwicklung des Wertpapierverkehrs unentbehrlich ist.
Das Bundesfinanzministerium steht mit den für die Verwaltung der Einkommensteuer zuständigen Landesbehörden bereits seit einiger Zeit in Verhandlungen darüber, ob und wie die sich aus dem Bundesfinanzhof-Urteil für die Girosammelverwahrung von Wertpapieren ergebenden Gefahren durch einen Verwaltungserlaß beseitigt oder weitgehend abgemildert werden können. Wenn der Verwaltungserlaß ergangen ist, ist eine Gesetzesänderung, die kaum auf die Bewertung von Wertpapieren im Girosammeldepot beschränkt werden könnte, sondern auch andere Tatbestände der Vermischung umfassen müßte, nicht erforderlich.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, wird durch diesen Verwaltungserlaß erreicht, daß die Girosammelverwahrung gegenüber der Einzelverwahrung steuerlich nicht benachteiligt ist?
Leicht, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Das soll so sein, Herr Kollege, wie ich hoffe.
Noch eine Zusatzfrage, Herr Schmid-Burgk.
Herr Staatssekretär, wird durch den Erlaß ferner sichergestellt werden, daß eine rückwirkende Verschlechterung gegenüber der Übung vor dem Urteil vermieden wird?
Leicht, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Wir streben das an. Aber, wie gesagt, Herr Kollege, da haben auch andere noch mitzureden.
Die Fragen 88 bis 90 des Herrn Abgeordneten Wolf gehören auch zusammen:
Wie hoch sind die Steuervorteile bei den Arbeitgebern durch Fondsbildung für betriebliche Altersversorgung?
Trifft es zu, daß vielfach die betriebliche Altersversorgung vorwiegend aus Gründen steuerlicher Vorteile geschaffen, sie aber nur für einen kleinen Kreis von Beschäftigten effektiv wird?
In welcher Weise ist sichergestellt, daß steuerliche Vorteile rückgängig gemacht werden bei Entlassungen, die nicht in der Person des Arbeitnehmers begründet liegen, bevor die Bezugsberechtigung der betrieblichen Altersversorgung erreicht wird?
Leicht, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Die Unternehmen, die ihren Arbeitnehmern eine rechtsverbindliche Pensionszusage erteilt haben, können für die sich daraus ergebende Verpflichtung eine Rückstellung nach Maßgabe des § 6 a des Einkommensteuergesetzes bilden. Die Zulässigkeit der Bildung einer solchen Pensionsrückstellung ist keine besondere Steuervergünstigung, sondern beruht auf dem allgemeinen Grundsatz des Bilanzsteuerrechts, daß jede betriebliche Verpflichtung bilanzmäßig bereits bei ihrer Entstehung mit ihrem wahrscheinlichen Wert auszuweisen ist. Die Pensionsrückstellung führt auch zu keiner endgültigen Steuerersparnis, sondern nur zu einer Steuerverlagerung, da die Rückstellung bei der späteren Pensionszahlung oder bei einem Wegfall der Pensionsverpflichtung vor Eintritt des Versorgungsfalls gewinnerhöhend ausgelöst werden muß.
Die Pensionsrückstellungen werden zur Zeit auf insgesamt ca. 20 Milliarden DM geschätzt.
Eine Pensionsrückstellung darf nach § 6 a des Einkommensteuergesetzes nur gebildet werden, wenn eine rechtsverbindliche Pensionsverpflichtung vorliegt, d. h. wenn der pensionsberechtigte Arbeitnehmer einen einklagbaren Pensionsanspruch hat. Ein Unternehmen, das solch eine Pensionszusage erteilt und eine steuerliche Rückstellung bildet, kann
sich, sofern der Arbeitnehmer nicht vorher ausscheidet, grundsätzlich der späteren Pensionszahlung nicht entziehen. Es ist demnach auch nicht möglich, daß eine der gesamten Belegschaft erteilte Pensionszusage nur für einen kleinen Kreis der Beschäftigten effektiv wird, sofern die Beschäftigten nicht vorher ausscheiden.
Soweit ein Arbeitnehmer vor Eintritt des Versorgungsfalls aus dem Unternehmen ausscheidet und sein Pensionsanspruch dabei erlischt, muß die Pensionsrückstellung sofort gewinnerhöhend aufgelöst werden. Diese Auflösung ergibt sich automatisch, da an jedem Bilanzstichtag geprüft werden muß, ob und in welcher Höhe eine Pensionsverpflichtung besteht, und nur für eine noch bestehende Pensionsverpflichtung eine Rückstellung ausgewiesen werden darf.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß vielfach Arbeitnehmer, die weit über 20 Jahre einem Unternehmen angehören, dann vor Erreichung der betrieblichen Altersversorgung entlassen werden, obwohl die steuerlichen Vorteile für die Altersversorgung für die Gesamtzeit der Beschäftigung in Anspruch genommen worden sind?
Leicht, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Ich habe ja soeben gesagt, daß so etwas möglich ist. Ich kenne diese Fälle nicht, Herr Kollege; ich wäre dankbar, wenn Sie sie mir einmal gäben, damit nachgeprüft werden kann. Aber in solchen Fällen muß eben die Rückstellung sofort gewinnerhöhend aufgelöst werden.
Noch eine Frage, Herr Wolf.
Herr Staatssekretär, sehen Sie eine Möglichkeit, die betriebliche Altersversorgung als Instrument zu nutzen, um durch steuerliche Anreize weitestgehend zu verhindern, daß ältere Arbeitnehmer vor Erreichung der Altersgrenze entlassen werden?
Leicht, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Wir werden diese Frage prüfen, Herr Kollege.
Eine weitere Frage, Herr Wolf.
Herr Staatssekretär, wären Sie bereit, meine Anregung aufzunehmen, diese Überprüfung mit dem Arbeitsministerium vorzunehmen, zumal vielleicht die Möglichkeit besteht, sie im Rahmen des zur Beratung anstehenden Arbeitsförderungsgesetzes zu berücksichtigen?
Leicht, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Auch diese Anregung werde ich aufnehmen.
Ich rufe die Fragen 91 und 92 des Abgeordneten Josten auf:
Welche Vorstellungen hat die Bundesregierung, um noch in dieser Legislaturperiode eine grundsätzliche Reform unseres komplizierten Steuersystems einzuleiten?
Wird die Bundesregierung bei Reformvorschlägen für eine Steuerreform besonders darauf hinwirken, daß wir zu einem einfachen Steuersystem kommen, welches für den Steuerzahler überschaubar und für die Verwaltung einfach zu handhaben ist?
Die Fragen werden auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antwort liegt noch nicht vor. Sie wird nach Eingang im Sitzungsbericht abgedruckt.
Vielen Dank für die Beantwortung der Fragen aus diesem Geschäftsbereich.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft: Ich rufe die Fragen 93 bis 95 des Abgeordneten Dr. Lenz auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß im Wege des Interzonenhandels Holzkleiderbügel aus dem anderen Teile Deutschlands zu Preisen auf den westdeutschen Markt kommen, die mit einer normalen Kalkulation nichts mehr zu tun haben?
Ist sich die Bundesregierung der Tatsache bewußt, daß diese Einfuhren eine beträchtliche Gefahr für die entsprechende mittelständische Industrie in der Bundesrepublik bedeuten?
Welche Maßnahmen gedenkt die Bundesregierung zu ergreifen, um diese Gefahr abzuwenden?
Sie werden auf seinen Wunsch schriftlich beantwortet. Auch hier liegt die Antwort noch nicht vor. Sie wird nach Eingang im Sitzungsbericht abgedruckt.
Ich rufe die Frage 96 des Abgeordneten Tönjes auf:
Sieht die Bundesregierung eine Möglichkeit, die zu manipulierten Preisen durchgeführten Einfuhren ägyptischer Baumwollgarne der Zoll-Tarifnummer 5505 in die Bundesrepublik Deutschland zu begrenzen?
Herr Tönjes ist im Saal. Bitte, Herr Staatssekretär Dr. Arndt!
Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Die Antwort lautet nein, Herr Kollege Tönjes. Die Einfuhr von Baumwollgarnen aus Ägypten ist 1967 fast auf die Hälfte des Jahres 1966 zurückgegangen. Gegenüber 1965, also dem zwei Jahre zurückliegenden Zeitraum, hat sie sich fast auf ein Drittel reduziert.
Die Voraussetzungen des Außenwirtschaftsgesetzes für Einfuhrbeschränkungen und des Zollgesetzes zur Verhängung von Ausgleichszöllen treffen daher nicht zu. Dem Werte nach ist die Einfuhrquote an ägyptischen Baumwollgarnen, bezogen auf die heimische Produktion, von 1,6% im Jahre 1965 auf 0,8 % im Jahre 1967 gesunken.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß der im Jahre 1967 erfolgte Rückgang der Einfuhr von Baumwollgarnen aus Ägypten im wesentlichen mit der veränderten Inlandskonjunktur zusammenhängt? Auch die Einfuhr von Rohbaumwolle aus anderen Ländern ist insgesamt um 36 % zurückgegangen.
Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Das ist der Bundesregierung selbstverständlich bekannt. Deshalb treffen auch die Voraussetzungen für die Anwendung des Außenwirtschaftsgesetzes und des entsprechenden Paragraphen des Zollgesetzes nicht zu. Wir können keine Restriktionen verhängen, wenn die Situation, die damit bekämpft werden soll, letzten Endes durch die Wirtschaftspolitik früherer Zeiten verschuldet worden ist.
Zusatzfrage, Herr Tönjes!
Herr Staatssekretär, ist es nicht bedenklich, daß 89% der Gesamtausfuhr ägyptischer Garne in die Bundesrepublik eingeschleust werden, obwohl andere EWG-Partner ebenfalls die Einfuhr liberalisiert haben?
Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Das ist vielleicht - aus der Sicht der EWG gesehen - bedenklich. Wir können nur messen, welchen Anteil die Einfuhr von Baumwollgarnen an der einheimischen Produktion überhaupt hat und welchen Anteil speziell die ägyptischer Provenienz hat. Dieser Anteil ist jedoch sehr gering: 0,8 % im Jahre 1967 und 1,6 %im Spitzenjahr 1965. Das ist wirklich nicht viel.
Ich rufe die Frage 97 des Abgeordneten Tönjes auf:
Ist die Bundesregierung bereit, dem Antrag des Verbandes der Textilindustrie Bundesrepublik Deutschland ({0}) vom 11. Januar 1968, die Einfuhr ägyptischer Baumwollgarne zur Verwendung innerhalb der Bundesrepublik Deutschlands und der EWG auf eine Quote von 1800 t pro Jahr zu begrenzen, stattzugeben?
Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Eine derartige Aktion würde die Importe an ägyptischen Baumwollgarnen etwa auf das Niveau des Jahres 1959, also auf das Niveau des vorigen Jahrzehnts, zurückführen. Die Bundesregierung beabsichtigt daher nicht, eine derartige Maßnahme zu ergreifen.
Trifft es zu, Herr Staatssekretär, daß ein Versuch der EWG-Kommission, das Baumwollgarnproblem durch analoge Einbeziehung dieser Garne in die EWG-Verordnung 3/63 mit einem verbesserten Einfuhrkontrollverfahren zu lösen, am Widerstand der Bundesregierung gescheitert ist?
Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Die Bundesregierung hat sich mit dem Entwurf der EWG-Verordnung nicht befreunden können. Wie bereits in früheren Fragestunden festgestellt worden ist, sah dieser Entwurf weitgehende Eingriffe bei Importen vor; diese waren aber letzten Endes auch für das importierende Land schädlich.
Noch eine Frage, Herr Tönjes.
Herr Staatssekretär, Ihnen wird sicherlich bekannt sein, daß verschiedene deutsche Spinnereien wegen dieser Einfuhren aus Ägypten ihre Tore schließen mußten. Darf ich Ihre Antworten so zusammenfassen, daß die Bundesregierung im gegenwärtigen Zeitpunkt nicht daran denkt, irgendwelche Schutzmaßnahmen für die deutsche Textilindustrie zu ergreifen?
Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Herr Kollege Tönjes, im vorigen Jahr hat die Bundesregierung keine weiteren Einfuhrliberalisierungen bei Textilien zugelassen. Das ist schon eine wesentliche Änderung. Dabei ist die Bundesregierung davon ausgegangen, daß man die schwierigen Probleme, die auch für die deutsche Textilindustrie im Laufe der Rezession entstanden sind, nicht noch durch außenhandelspolitische Maßnahmen vermehren sollte. Aber ich .stimme mit Ihnen völlig überein, daß wir in erster Linie die Quelle der gegenwärtigen Krise in der Textilindustrie oder in einigen Zweigen der Textilindustrie, nämlich die heimische Unternachfrage, beseitigen müssen. Seit einigen Monaten hat sich ja die Situation auch in der deutschen Textilindustrie schon sehr zum Erfreulichen hin gewandelt.
Eine Zusatzfrage, Herr Dorn.
Herr Staatssekretär, sind Sie der Meinung - in bezug auf die letzte Zusatzfrage des Kollegen -, daß sich diese Situation bei den deutschen Spinnereien dadurch geändert hätte, daß wir Baumwolle aus dem EWG-Bereich anstelle von Baumwolle aus Ägypten eingeführt hätten?
({0})
Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Ich stimme Ihnen zu, Herr Kollege Dorn; es kann leicht passieren, daß die Einfuhr aus dem einen Land gedrosselt wird, um mehr Waren aus anderen Ländern einführen zu können.
Eine Zusatzfrage, Herr Bading.
Herr Staatssekretär, Sie sagten vorhin, daß sich die deutsche Bundesregierung nicht mit einer bestimmten Verordnung - oder dem Entwurf einer Verordnung - der Kommission befreunden könne, weil sie zuviel Dirigismus enthalte. Sind Sie aber nicht der Ansicht, daß zu einer Zollunion auch eine gemeinsame Handelspolitik und damit auch eine gemeinsame Außenhandelspolitik gehören?
Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Selbstverständlich, Herr Kollege Bading. Es ist das Ziel der Bundesregierung, gerade diese Politik herbeizuführen. An gemeinsamen Bemühungen hat es die deutsche
Bundesregierung bisher nicht fehlen lassen. Nur: über die Plattform der Gemeinsamkeit muß man doch diskutieren und seine eigenen Vorstellungen verwirklichen können.
Damit sind die Fragen beantwortet.
Fragen 98 und 99 des Herrn Abgeordneten Weigl:
Haben die Zonenrandländer bei der Bundesregierung bereits die Bitte geäußert, Steuerpräferenzen für die wirtschaftsschwachen Gebiete dieser Länder einzuführen?
Trägt die Bundesregierung bei der Ausgestaltung der Konditionen für Kredite, die in wirtschaftsschwache Gebiete gegeben werden, der unterschiedlichen Finanzkraft der Gemeinden in diesen Gebieten Rechnung?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Der Bundesrat hat in seiner Stellungnahme zu dem Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung und Gesundung des deutschen Steinkohlenbergbaus empfohlen, die Gewährung einer Investitionsprämie als Abzug von der Einkommen- und Körperschaftsteuer auch bei der Neuansiedlung und Erweiterung von Betrieben in den Zonenrand- und Bundesausbaugebieten vorzusehen. Die Bundesregierung ist diesem Vorschlag nicht gefolgt, sondern hat statt dessen dafür Sorge getragen, daß ab 1968 im Zonenrandgebiet Investitionszuschüsse in Höhe von 15 v. H. der Investitionskosten, in Einzelfällen von 25 v. H. der Investitionskosten gewährt werden können.
Darüber hinaus werden den im Zonenrandgebiet gelegenen Betrieben schon seit Jahren durch Billigkeitsentscheid der zuständigen Finanzämter Sonderabschreibungen für neu angeschaffte oder neu hergestellte Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens bewilligt: bei beweglichen Wirtschaftsgütern können - das ist Ihnen sicher bekannt - 50 %, bei unbeweglichen Wirtschaftsgütern 30 % jeweils in drei Jahren abgeschrieben werden.
Eine Zusatzfrage, Herr Weigl.
Herr Staatssekretär, sind Sie sicher, daß die im Regionalförderungsprogramm zur Verfügung stehenden Mittel für Industrieansiedlung in den Zonenrand- und Bundesausbaugebieten wenigstens einigermaßen ausreichen, um den riesigen Nachholbedarf dort auch decken zu können?
Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Wir hoffen das, Herr Kollege Weigl. In dem Moment, wo wir den Eindruck haben, das wäre nicht der Fall, muß die Bundesregierung sich mit der neuen Lage - gemeinsam mit Ihnen natürlich - befassen und die entsprechenden Entscheidungen fällen.
Die Frage 99, Herr Abgeordneter, beantworte ich wie folgt: Im Rahmen des Regionalen Förderungsprogramms können den Gemeinden zum Ausbau der kommunalen Infrastruktur Darlehen u n d Zuschüsse gewährt werden. Dabei bleibt es weitgehend
Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Arndt
den Ländern überlassen, wie sie bei der Verteilung der Mittel der unterschiedlichen Finanzkraft der einzelnen Gemeinden Rechnung tragen.
Im Rahmen des Zweiten Programms der Bundesregierung für besondere konjunktur- und strukturpolitische Maßnahmen bot das ERP-Sonderprogramm in Höhe von 500 Millionen DM in den Strukturgebieten günstigere Darlehenskonditionen als im übrigen Bundesgebiet.
Bei dem neuen 250-Millionen-DM-ERP-Programm ist es den Ländern gestattet, Zuschüsse des Regionalen Förderungsprogramms so mit den ERP-Mitteln zu mischen, daß die Finanzierung auch für finanzschwache Gemeinden tragbar ist. Die Bundesregierung beabsichtigt, auch in Zukunft der unterschiedlichen Finanzkraft der Gemeinden in den wirtschaftsschwachen Gebieten nach Kräften Rechnung zu tragen.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Weigl.
Wäre es nicht denkbar, Herr Staatssekretär, daß der unterschiedlichen Finanzkraft der Gemeinden in den Zonenrandgebieten auch dadurch Rechnung getragen wird, daß man bei den besonders zurückgebliebenen Gebieten Zinskonditionen genehmigt, die unter dem Satz von 3 °/o liegen, den wir heute bei den ERP-Krediten haben?
Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Ich halte das für durchaus denkbar, Herr Kollege Weigl. Ich möchte nur vor einem schematischen Verfahren in Anlehnung an scheinbar objektive Faktoren warnen.
Keine Frage mehr. - Fragen 100 und 101 des Herrn Abgeordneten Geisenhofer:
Trifft es zu, daß das Land Bayern in den vergangenen Jahren im Vergleich zu anderen Zonenrandländern weniger Bundesmittel für die Industrieansiedlung in seinen Zonenrand- und Bundesausbaugebieten zugewiesen erhalten hat?
Sind der Bundesregierung die Klagen zahlreicher Unternehmer bekannt, in denen zum Ausdruck kommt, daß das Verfahren bei der Antragstellung auf zinsgünstige Kredite usw. aus öffentlichen Mitteln zum Zwecke der Industrieansiedlung in Ostbayern umständlich und die Bearbeitung zeitraubend sei?
Ist Herr Abgeordneter Geisenhofer anwesend? - Er ist nicht im Saal. Die Fragen werden von Herrn Weigl übernommen.
Bitte, Herr Staaatsekretär!
Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Herr Kollege, dies trifft nicht zu. Der Schlüssel für die Verteilung der Mittel des Regionalen Förderungsprogramms auf die einzelnen Bundesländer ist nicht verändert worden. Das gleiche gilt für den verfügbaren Gesamtbetrag. Die Mittel des Regionalen Förderungsprogramms können aber auch für Infrastrukturmaßnahmen verwendet werden. Sie sind in dieser Hinsicht untereinander austauschbar, so daß es zu einer gewissen Verlagerung der Schwerpunkte gekommen sein kann.
Ich darf die Antwort auf die Frage 101 gleich damit verbinden: Der Bundesregierung sind solche Klagen nicht bekannt. Der Neuansiedlung von Betrieben wird eine so hohe Priorität 'eingeräumt, daß alle Behörden in der Regel sehr rasch auf entsprechende Anträge reagieren. Dagegen ist bei Krediten für Rationalisierungs- und Modernisierungszwecke, also für die Rationalisierung, nicht für die Neuansiedlung, das Antragsvolumen ständig größer als die 'finanziellen Möglichkeiten. Eine sorgfältige Auswahl nach der Dringlichkeit der Projekte ist deshalb unumgänglich.
Die Bundesregierung hat jede Möglichkeit wahrgenommen, um das Antragsverfahren zu verkürzen. Aus diesem Grunde überläßt sie z. B. den Ländern Förderungsanträge bis zu einer Kreditsumme von einer Viertelmillion DM zur eigenen Entscheidung.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, kann es sein, daß zwar die Zuteilungsquoten dem Schlüssel gemäß sind, aber die tatsächlich ausgezahlten Beträge wesentlich geringer als vorgesehen und eingeplant waren?
Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Das ist durchaus denkbar, Herr Kollege.
Keine Zusatzfragen mehr? - Dann sind die Fragen aus diesem Geschäftsbereich beantwortet. Danke schön!
Ich rufe jetzt die Frage 102 der Abgeordneten Frau Dr. Heuser aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung auf. - Das Ministerium ist nicht vertreten. Ich bedauere das sehr, meine Damen und Herren. Die Ministerien müssen damit rechnen, daß es bei uns manchmal länger dauert, manchmal aber auch schneller geht. Dazu haben sie ihre Staatssekretäre und Beamten, die hier Wache halten können. Ich muß es rügen, daß das Ministerium hier nicht vertreten ist,
({0})
wenn die Fragen aufgerufen werden. Der Aufruf anderer Fragen ist für heute nicht vorgesehen. Die Fragen aus anderen Geschäftsbereichen sind für morgen fixiert.
Wir kommen dann ein paar Minuten vor der angesetzten Zeit zur Haushaltsberatung zurück. Der Herr Bundesminister der Verteidigung ist anwesend, so daß wir insoweit in die Beratungen eintreten können.
Vizepräsident Dr. Mommer Ich rufe also auf:
Einzelplan 14
Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung
- Drucksachen V/2714, zu V/2714 Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Althammer
Abgeordneter Gierenstein Abgeordneter Haase
({1})
Ich frage die Berichterstatter, ob sie ihre Berichte mündlich ergänzen wollen. - Herr Dr. Althammer wünscht das zu tun.
Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte Ihnen in einer mündlichen Ergänzung den wichtigen Verteidigungsetat in großen Zügen noch einmal vor Augen führen. Der Entwurf, den uns die Regierung zum Verteidigungshaushalt vorgelegt hat, schloß mit 18 175 Millionen DM ab. Der Haushaltsausschuß hat in seinen Beratungen die Einnahmen um die Summe von 30,1 Millionen DM erhöht und hat im Gesamtabschluß schließlich Einsparungen in Höhe von 120,4 Millionen DM erzielt.
Es war schon besonders schwierig, auch nur eine so geringe Summe von Einsparungen zu erzielen, weil ja bereits im Regierungsentwurf der Verteidigungsetat gegenüber dem Jahre 1967 um 1,6 Milliarden DM gekürzt worden ist. Es ist besonders bedeutsam, daß der Anteil der Verteidigungsausgaben am Gesamthaushalt seit dem Jahre 1963 ständig gesunken ist, und zwar von 1963 bis 1968 von 32% auf 22 %.
Wenn wir die Verteilung der einzelnen Mittel betrachten, so wird die Problematik dieser Entwicklung besonders deutlich. Die Personal- und Sachausgaben sind in ihren steigenden Tendenzen schwer zu korrigieren. Das bedeutete, daß die einmaligen Ausgaben, d. h. also Beschaffung, Infrastruktur und Bauwesen, seit 1962 von 57 % auf 31% zurückgegangen sind. Für die Abschreckungswirkung unseres Verteidigungsbeitrages liegt hier zweifellos ein Zukunftsproblem vor.
Der Haushaltsausschuß hat seine Kürzungen vor allem deshalb auf den Bereich der fortlaufenden Ausgaben verlegt. Einzelne Investitionsansätze wurden sogar aufgestockt. Der Bewegungsspielraum war aber zu begrenzt, um hier nachhaltige Korrekturen vornehmen zu können. Der Haushaltsausschuß hat insgesamt 363 Millionen DM kürzen können. Die im Regierungsentwurf enthaltene globale Minderausgabe in Höhe von 220 Millionen DM hätte demnach theoretisch völlig beseitigt werden können. Aus zwei Gründen wurden aber diese Minderausgaben nur um 50 Millionen auf 170 Millionen DM herabgesetzt. Der erste Grund war, daß sich der Ausschuß der allgemeinen Notwendigkeit zur Einsparung im Haushalt nicht entziehen konnte. Wie die Gesamtdarstellung des Haushalts noch
ergeben wird, war es einfach unabweisbar, auch einen wesentlichen Teil dieser Einsparungen im Verteidigungshaushalt dem allgemeinen Kürzungsvolumen zuzuführen.
Zum zweiten aber ging der Haushaltsausschuß davon aus, daß ein Anteil von 0,9 % des Gesamthaushalts noch im Ablauf des Haushaltsjahres hereinzuwirtschaften ist. Wir sehen in dieser Maßnahme, nämlich der Erhaltung einer Minderausgabe von 170 Millionen DM, die Aufforderung des Parlaments an die Verwaltung, hier auf das sparsamste zu wirtschaften und zu kürzen, wo das irgend möglich ist.
Ich darf Ihnen noch einmal das Gesamtbild vor Augen stellen. Neben den bereits erwähnten einmaligen Ausgaben in Höhe von 5,481 Milliarden DM stehen fortlaufende Ausgaben in Höhe von 12,753 Milliarden DM. Davon sind 6,381 Milliarden DM Personalausgaben. 1967 war der Umfang des Personals bereits nicht mehr erhöht worden; 1968 wurde der Personalstand gegenüber dem früheren Stand sogar verringert. Hier hat die gemischte Organisationsprüfungsgruppe aus Verteidigungs- und Finanzministerium eine äußerst wertvolle Arbeit geleistet. Es ist ihr gelungen, Tausende von Stellen einzusparen. Ich möchte von dieser Stelle her dieser Kommission meinen besonderen Dank aussprechen.
({0})
Trotzdem ist der Haushaltsansataz für die Personalkosten gestiegen. Das sind Auswirkungen der Besoldungsverbesserungen, die auf Grund verschiedener Besoldungsgesetze und sonstiger Vergünstigungen eingetreten sind und die natürlich auch im Verteidigungshaushalt gesetzlich zwingend vollzogen werden mußten.
Im Bereich der Materialhaltung ergab sich eine Erhöhung der Ausgaben wegen der fortschreitenden Alterung des Materials. Häufig wird heute im Verteidigungsbereich von Neubeschaffungen abgesehen, weil die Investitionsmittel äußerst knapp sind. Auch hierin liegt natürlich für unsere Verteidigungsbereitschaft ein schweres Problem. Das Bundesverteidigungsministerium muß seine Rationalisierungsbemühungen auf dem Gebiete der Materialhaltung weiter steigern, wenn es mit den gegebenen Mitteln auskommen will.
Lassen Sie mich noch einen wichtigen Punkt des Verteidigungshaushalts herausgreifen. Der wirtschaftlich wirksamste Teil der Verteidigungsausgaben ist sicherlich im Rahmen der investiven Ausgaben bei den Titeln für wehrtechnische Forschung, Entwicklung und Erprobung zu sehen. Der technische Vorsprung der Vereinigten Staaten von Amerika, der Sowjetunion und anderer großer Industriestaaten beruht sicherlich zu einem wesentlichen Teil darauf, daß dort große Mittel für Forschung und Entwicklung zur Verfügung stehen. Der Bundeshaushalt enthält im Einzelplan 14 ebenfalls einen relativ hohen Betrag von insgesamt 925 Millionen DM für wehrtechnische Forschung, Entwicklung und Erprobung. Der Haushaltsausschuß hat trotz der allgemeinen Finanzschwierigkeiten diese Titel um 30 Millionen DM erhöht.
Allerdings sind diese 30 Millionen DM, die für Entwicklung und Forschung mehr zur Verfügung stehen, qualifiziert gesperrt worden. Ich möchte von hier aus diese qualifizierte Sperre, die der Haushaltsausschuß ausgebracht hat, noch einmal begründen. Die Sperre bezieht sich auf den Teil der Mittel, der für die deutsche Flugzeugindustrie zur Verfügung gestellt wird. Immer wieder wird dem Staat in der Öffentlichkeit der Vorwurf gemacht, daß er im Rahmen seiner Auftragsvergabe nicht ausreichend für die Beschäftigung in diesem Sektor sorge und daß sich daraus Konsequenzen für das Fachpersonal ergäben. Es ist aber allgemein bekannt, daß eine Konsolidierung im Bereich der Flugzeugindustrie nur möglich ist, wenn hier größere Betriebseinheiten geschaffen werden.
({1})
Der Zusammenschluß lediglich zu Entwicklungsringen kann hier nicht genügen.
Versuche des Staatssekretärs Carstens, auf diesem Gebiet auf dem Wege der unverbindlichen Verhandlungen ein solches Ergebnis herbeizuführen, sind leider ohne Erfolg geblieben. Deshalb haben der Wirtschafts- und Mittelstandsausschuß und der Verteidigungsausschuß in einem Beschluß festgehalten, daß notfalls auch zum Nachteil nicht fusionsbereiter Unternehmen durch gezielte Auftragsvergabe dieses Ziel erreicht werden müsse.
Die Lösung dieser Frage duldet jetzt keinen weiteren Aufschub. Die deutsche Flugzeugindustrie hat zur Zeit die Aussicht, ein neues deutsches Kampfflugzeug für die siebziger Jahre zu entwickeln und in den wesentlichen Teilen auch zu bauen. Mit der gegenwärtigen Unternehmensstruktur wird das nicht möglich sein.
({2})
Es ist deshalb einfach nicht zu verantworten, daß diese einmalige Chance unter Umständen durch Firmenegoismus verspielt wird. Auch die Arbeiter und Techniker der deutschen Flugzeugindustrie sind nicht damit zufrieden, daß sie immer nur Entwicklungsarbeit zu leisten haben. Sie möchten schließlich auch das Ergebnis ihrer Arbeit in der Serienfertigung sehen.
({3})
Das Schicksal des deutschen Senkrechtstarters ist ein anschauliches Beispiel für dieses Dilemma.
Der Haushaltsausschuß hat deshalb die 'erste Konsequenz aus dem Beschluß der Fachausschüsse gezogen. Die zusätzlichen 30 Millionen DM sollen erst freigegeben werden, wenn die notwendigen Firmenzusammenschlüsse vollzogen sind. Das Bundesverteidigungsministerium wird aufgefordert, diesen Weg auch bei der Auftragsvergabe konsequent einzuhalten.
Im Bereich der Mittel für Bauausgaben mußte eine Kürzung von 1,5 Milliarden DM 1966 auf 1,2 Milliarden DM 1968 hingenommen werden, innerhalb von zwei Jahren also eine Reduzierung um 300 Millionen DM. Die vorgesehenen Infrastrukturprogramme mußten deshalb gestreckt werden. Zunächst sollen begonnene Bauvorhaben abgewikkelt werden. Bei Neubauten haben Verteidigungskampfanlagen und Versorgungseinrichtungen besonders für Materiallagerung Vorrang. Nicht unabweisbare Neubauten müssen dagegen zurückgestellt werden. Die gleiche Situation ist im Wohnungsbau des Verteidigungshaushalts festzustellen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Haushaltsausschuß ist bei seinen Kürzungen an die äußerste Grenze des Vertretbaren gegangen. Er hat insbesondere der Verwaltung die Aufgabe gestellt, weitere 170 Millionen DM aus ihrem Etat herauszuwirtschaften.
Bei einer Änderung der Verteidigungskonzeption würden sich natürlich auch veränderte Haushaltsansätze ergeben. Es kann aber nicht die Aufgabe des Haushaltsausschusses sein, diese Konzeption zu entwickeln, ganz abgesehen davon, daß sich natürlich keine sofortigen Einsparungen aus solchen Änderungsmaßnahmen ergäben.
Abschließend darf ich vielleicht der kommunistischen Propaganda, die von revanchistischen und kriegstreiberischen Bestrebungen in der Bundesrepublik spricht, die klare und realistische Sprache der Zahlen gegenüberstellen. Während in der Bundesrepublik Deutschland in den letzten fünf Jahren der Anteil der Verteidigungsausgaben am Gesamthaushalt um 10% gesunken ist und in Westeuropa insgesamt die Ausgaben für Verteidigung stagnieren, ist die Situation in den kommunistischen Staaten eine völlig andere. Als letzter Staat gab Ungarn sein Verteidigungsbudget für 1968 bekannt. Angesichts der ernsten Weltlage, so wird dort gesagt, sei die ungarische Regierung gezwungen, trotz eines im Rahmen der Wirtschaftsreform vorauszusehenden Milliardendefizits im Staatshaushalt die Ausgaben für die Verteidigung im Vergleich zu 1967 um 14 % zu erhöhen. In der Sowjetunion werden sie in diesem Jahr um nahezu 17 Milliarden Rubel - das sind 18 % mehr als im Vorjahr -- erhöht.
({4})
Polen meldet für das Jahr 1968 eine Steigerung um 10 %. Auch die Tschechoslowakei, deren Staatshaushalt 1968 erst im Entwurf vorlag, sieht eine Erhöhung um etwa 12% vor. In Bulgarien liegt die Steigerungsquote bei 11%. Die Spitze hält die sogenannte DDR, die ihren Wehretat für 1968 im Vergleich zum vergangenen Jahr um 62% erhöht.
({5})
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich glaube, es gibt kein deutlicheres Beispiel dafür, wo die echte Friedensbereitschaft ist und wo ein Fragezeichen zu machen ist.
({6})
Weitere Ergänzungen des Schriftlichen Berichts werden nicht gemacht. - Das Wort hat der Herr Bundesminister der Verteidigung.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte zunächst dem Herrn Berichterstatter, auf
R200
dessen Ausführungen ich etwas später zurückkommen werde, sehr herzlich danken für das, was er in dieser Sache getan und in dieser Sache gesagt hat, vor allen Dingen für seine letzten Ausführungen über den Vergleich mit - sagen wir es mal abgekürzt - Osteuropa. Der Vergleich ist nach meiner Meinung so durchschlagend, daß man eigentlich nichts Eindrucksvolleres in dieser Debatte tun kann, als diesen Vergleich darzustellen.
Meine Damen und Herren, ich möchte die Gelegenheit benutzen, mit wenigen Strichen die wesentlichen Faktoren unserer Sicherheits- und Verteidigungspolitik in Erinnerung zu rufen. Ich möchte Ihnen darlegen, wie der Verteidigungshaushalt 1968 in der mittelfristigen Finanz- und Verteidigungsplanung zu bewerten ist. In der beharrlichen Fortsetzung unserer Verteidigungsanstrengungen liegt ein Teil der Sicherheit begründet, die wir für unser Land in der Vergangenheit gewährleisten konnten und die wir für die Zukunft bewahren wollen.
Zu diesen Bemühungen trägt die vorurteilslose Beobachtung der militärpolitischen Vorgänge in der Sowjetunion und innerhalb des Warschauer Pakts entscheidend bei. Wir müssen diese Vorgänge, wie das der Herr Berichterstatter getan hat, nüchtern und ohne Illusionen verfolgen. Wir müssen daraus die Schlußfolgerungen ziehen, die sich für unsere sicherheits- und verteidigungspolitische Lage ergeben. Ich möchte noch einmal feststellen, daß die militärische Handlungsfähigkeit der Sowjetunion und der politische Manövrierraum auf der Grundlage des vorhandenen Potentials unverändert groß, wenn nicht sogar größer geworden sind. Ich möchte es zunächst bei diesen Bemerkungen über die militärpolitische Entwicklung in der Sowjetunion belassen.
Meine Damen und Herren, es ist unumstritten, daß wir an dem nordatlantischen Verteidigungsbündnis und dessen Weiterentwicklung festhalten. Wir tun das im eigenen Interesse, solange ausreichende politische Sicherheitsvereinbarungen für den gesamten europäischen Bereich nicht erreicht werden können und solange starke sowjetische und andere Streitkräfte des Warschauer Paktes mit Frontstellung gegen den freien Teil Europas in Ost-und Mitteleuropa aufgebaut sind.
Wir sind uns bewußt, meine Damen und Herren, daß es ohne unseren Verteidigungsbeitrag nicht möglich wäre - ich möchte das gern wiederholen: daß es ohne unseren Verteidigungsbeitrag nicht möglich wäre -, die Sicherheit Deutschlands im Rahmen des nordatlantischen Bündnisses zu gewährleisten. Das ist sicherlich hier schon oft gesagt worden. Man muß sich das nur für seine Folgerungen sehr genau und immer von neuem durchdenken. Ich wiederhole das also hier, weil es heute nicht mehr selbstverständlich zu sein scheint, obwohl doch alle Überprüfungen, auch die Überprüfungen in diesem Hohen Hause, ergaben, daß in dieser Bündnispolitik unsere Sicherheit auch heute entscheidend begründet liegt.
Ich weiß, daß das nicht sehr originell ist und daß man sehr viel amüsanter darüber sprechen kann.
Aber ich glaube, wir haben es hier nicht mit originellen und amüsanten Sachen zu tun, sondern mit der Wirklichkeit und Wahrheit; und die ist so, wie ich sie gerade ausgesprochen habe.
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Wenn wir einerseits die Notwendigkeit des Bündnisses für uns bejahen, so müssen wir andererseits fragen: Ist dieses Bündnis ausreichend, um die Erwartungen zu erfüllen, die in diese Allianz gesetzt werden? Darüber ist in unserem Lande im vergangenen Jahr viel diskutiert worden. Dazu noch einige weitere Bemerkungen auch aus diesem Anlaß.
Ungeachtet politischer Differenzen und ungeachtet der Schwierigkeiten innerhalb einzelner Mitgliedstaaten der Allianz hat das Bündnis auch in der jüngsten Vergangenheit seine Lebenskraft bewiesen. Die Verlegung der NATO-Einrichtungen aus Frankreich - ich muß unterdrücken, zu sagen: die Vertreibung der NATO-Einrichtungen aus Frankreich -wurde zum Anlaß genommen, die militärische Organisation der Verbündeten der politischen und militärischen Lage anzupassen. Die Bemühungen, zu einem gemeinsamen strategischen Konzept zu gelangen, haben zu befriedigenden Ergebnissen geführt. Es wird sich nun darum handeln, daß die Bündnispartner in der Lage bleiben und den Willen erbringen, die für die Durchsetzung der Strategie der flexiblen Reaktion erforderlichen Verteidigungsanstrengungen zu unternehmen. Das gilt für andere ebenso wie für uns.
Das Hohe Haus weiß, meine Damen und Herren, daß die Anpassung unserer Verteidigungsplanung an die im Rahmen der mittelfristigen Finanzplanung zu erwartenden Zuteilungen mit dem Ziele eingeleitet worden ist, unter weitgehender Aufrechterhaltung der Kampfkraft eine Straffung der Streitkräfte herbeizuführen. Dabei kommt es darauf an, eine Synthese zwischen den Erfordernissen unserer Sicherheit, der strategischen Konzeption, den NATO-Verpflichtungen, den Anstrengungen unserer Verbündeten und den für uns verfügbaren Finanzmitteln zu finden. Es bedeutet ferner, daß die Aufgaben, die wir übernehmen können, überprüft werden müssen und daß sie mit den verfügbaren Mitteln so in Übereinstimmung gebracht werden, daß auch künftig ein wirkungsvoller Verteidigungsbeitrag sichergestellt ist.
Über den Stand dieser Planung möchte ich folgende Bemerkungen machen. Der Abschreckungswert der Streitkräfte soll im Frieden durch die abgestufte Präsenz aufrechterhalten werden. Sie sieht präsente Kampfverbände gegen einen Überraschungsangriff und Verbände geringerer Präsenz vor, die in Spannungszeiten durch eine entsprechende Nutzung des Reservistenpotentials in volle Abwehrbereitschaft versetzt werden. Um dies zu erreichen, muß derzeit - ich möchte „derzeit" unterstreichen - am Grundwehrdienst von 18 Monaten festgehalten werden.
Durch die ins Auge gefaßte Fusion des Heeres mit der territorialen Verteidigung wird eine höhere Effektivität der Landstreitkräfte und eine kostensparendere Nutzung der Mittel und Kräfte angestrebt.
Dabei soll der jetzige Anteil an den der NATO zur Verfügung gestellten Verbänden erhalten bleiben, ohne die Wahrnehmung der in nationaler Verantwortung verbleibenden militärischen Verteidigungsaufgaben zu vernachlässigen.
Strategisches Konzept, Auftrag der Bundeswehr und die Aufgaben der Teilstreitkräfte erfordern eine Bewaffnung, die zu lageangemessener schneller Reaktion, großer Beweglichkeit, wirksamem Zupakken und gemeinsamer Aktion mit den NATO-Partnern befähigen muß. Dazu ist die Bundeswehr mit Waffensystemen auszurüsten, die der wehrgeographischen Lage der Bundesrepublik Deutschland Rechnung tragen. Sie haben modernem wissenschaftlichem und technischem Stand zu entsprechen und den Waffen des möglichen Gegners zumindest gleichwertig, möglichst überlegen zu sein. Die Waffensysteme sollen eine hohe Einsatzbereitschaft auf der Grundlage vielseitiger und umfassender Aufklärung gewährleisten, lageangemessen, d. h. zeitgerecht, wirksam und nachhaltig reagieren können und sich in das Bewaffnungssystem des nordatlantischen Bündnisses einfügen.
Das Bestreben, die Ausrüstung der Streitkräfte auf modernstem technologischem Stand zu halten, muß mit den finanziellen Möglichkeiten in Einklang gebracht werden. Man darf nicht außer acht lassen, daß ein zu hoher technischer Aufwand die Truppenverwendbarkeit der Waffensysteme beeinträchtigt. Daher wird einfachen technischen Lösungen der Vorzug vor zu aufwendigen und teuren Waffensystemen gegeben.
Der Einzelplan 14 schließt, wie der Berichterstatter ausgeführt hat und wie es im Schriftlichen Bericht gesagt wird, nach dem Beschluß des Haushaltsausschusses mit 18,054 Milliarden DM ab. Nach der Finanzplanung der Bundesregierung waren im ersten Jahr dieser Finanzplanung für den Verteidigungshaushalt 18,175 Milliarden DM vorgesehen. Schon die Ansätze im Rahmen der mehrjährigen Finanzplanung waren äußerst knapp bemessen. Gegenüber dem Ansatz bleibt die jetzt vorgesehene Gesamtausgabe um etwa 120 Millionen DM zurück.
Meine Damen und Herren, ich möchte nicht verhehlen - ich spreche das hier in allem Freimut aus -, daß ich nach dem derzeitigen Ergebnisstand über die Entwicklung des Verteidigungshaushalts ernsthafte Zweifel daran haben muß, ob eine Fortsetzung - ich sage: Fortsetzung - dieser degressiven Entwicklung in der Höhe des Verteidigungshaushalts über das Jahr 1968 hinaus mit unserer sicherheits- und verteidigungspolitischen Lage im Einklang sein würde.
Der Herr Berichterstatter ist so liebenswürdig gewesen, auf den Schriftlichen Bericht zu Drucksache V/2724 hinzuweisen. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie diesen Bericht einmal in die Hand nähmen. Dort ist auf Seite 2 ein Kasten wiedergegeben, zu dem ich jetzt sprechen möchte.
Ich fange mit dem Jahre 1964 an. Ich könnte auch mit 1965 anfangen. Aber bleiben wir bei 1964. Dort finden Sie im Soll für den Bundeshaushalt 60,3, für den Verteidigungshaushalt 19,2 Milliarden DM. Der Anteil des Verteidigungsaufwands am Gesamthaushalt beträgt 32 %. Zufällig ist dies der höchste Prozentsatz; deswegen wollte ich um des geringeren Schockes wegen gleich auf 1965 gehen, was ich jetzt tun werde; 1965 betrug der Bundeshaushalt - ich spreche immer von den Soll-Zahlen, die vielleicht ein eindrucksvolleres Bild geben - 63,9, der Verteidigungshaushalt 18,38 Milliarden DM. Der Anteil des Verteidigungshaushalts am Bundeshaushalt war 28,7%. 1966 betrug der Bundeshaushalt im Soll 69,9 und der Verteidigungshaushalt 18,4 Milliarden DM. Das sind 26,3 %. 1967 betrug das Soll des Bundeshaushalts 78,5 Milliarden DM, das Soll des Verteidigungshaushalts, das in der Tat erreicht worden ist, 19,7 Milliarden DM. Der Anteil des Verteidigungshaushalts am Bundeshaushalt machte somit 25,1 °/o aus. Für 1968 wird, wenn es bei den jetzt zu erwartenden Beschlüssen bleibt, ein Soll des Bundeshaushalts von 80,7 Milliarden DM, ein Soll des Verteidigungshaushalts von rund 18, 1 Milliarden DM und eine prozentuale Beteiligung des Verteidigungshaushalts am Bundeshaushalt von 22,4 % abzusehen sein. Für diejenigen, die diese Drucksache nicht so schnell zur Hand haben, will ich noch einmal nur die Prozentsätze der Beteiligung des Verteidigungshaushalts am Bundeshaushalt seit 1965 zusammenstellen: 1965 28,7%, 1966 26,3 %, 1967 25,1 % und 1968 22,4%.
Meine Damen und Herren, ich trage das nicht etwa vor, weil ich glaubte, mit statistischen Zahlen Argumente ersetzen zu können. Wenn Sie diesen Zahlen aber die Zahlen gegenüberhalten, die der Berichterstatter in bezug auf Osteuropa genannt hat, sehen Sie, daß dies natürlich eine Entwicklung ist - lassen wir einmal ganz die Gründe weg -, die mehr oder weniger anomal und risikoreich ist. Das wird niemand bestreiten können, und das wird in den kommenden Jahren jeder tatsächlich berücksichtigen müssen.
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Ich möchte nach dieser Abschweifung zu einer Ihnen vorliegenden Drucksache zurückkehren und dazu ein paar weitere Feststellungen treffen. Wir mußten natürlich den Verteidigungshaushalt über 1969, 1970, 1971, 1972 hinaus fortrechnen. Das Hohe Haus verlangt von uns gewisse Auskünfte über die Mitte der 70er Jahre. Ich muß gestehen, ich empfinde das immer noch als tollkühn. Trotzdem werden wir diese Auskünfte geben, sogar über die Mitte der 70er Jahre hinaus bis zu den 80er Jahren. Aber ich glaube, meine Damen und Herren, daß wir bei dieser Zukunftsvorausschau tatsächlich etwas getan haben, was außerordentlich maßvoll ist und im übrigen gewisse Ergebnisse gehabt hat, die ich jetzt einmal nennen möchte. Ich möchte feststellen, daß wir beim Mindestbedarf für die Jahre bis 1972 - bei Anlegung schärfster Maßstäbe - in unseren Anforderungen nur um einiges über den Ansätzen stehen, die bisher in der mehrjährigen Finanzplanung der Bundesregierung in Aussicht genommen worden sind. Meine Damen und Herren, der Bundesminister der Finanzen, der dieses nicht ganz einfache Ressort lange genug geführt hat, weiß genau, daß ich seine Schwierigkeiten und Probleme nicht vermehren möchte. Aber ich weiß auch - und das
möchte ich hier unterstreichen -, daß er sich den Sinn für die realen Notwendigkeiten der Verteidigung bewahrt hat, und das, Herr Bundesminister der Finanzen, ist eine gewisse Rückenstärkung, die wir in der kommenden Entwicklung sehr gut gebrauchen können.
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Ein Blick auf die Struktur des diesjährigen Verteidigungshaushalts macht das Gewicht der Ausgabenbereiche zueinander deutlich: Fortdauernde ({3})Ausgaben 12,573 Milliarden DM, Einmalige ({4})Ausgaben 5,481 Milliarden DM. Über die Hälfte der Betriebsausgaben muß 1968 für die Personalausgaben vorgesehen werden; genau sind es 6,381 Milliarden DM. Meine Damen und Herren, dieses Zahlenverhältnis ist bedrückend, zeigt es doch, daß für die Ausrüstung der Bundeswehr nicht so viel getan werden kann, wie getan werden sollte und müßte.
Der Investitionsteil ist infolge der zunehmenden Haushaltsenge mit 31% auf weniger als ein Drittel der Gesamtausgaben gesunken, und niemand wird hier bestreiten, daß dies eine sehr bedenkliche Entwicklung ist. Es wird künftig darauf ankommen, die konsumtiven Ausgaben zu begrenzen, um einen finanziellen Spielraum für dringende Investitionen bei der Wehrtechnik, dem Rüstungsmaterial und der Infrastruktur zu schaffen. Dabei muß man allerdings berücksichtigen, daß die in diesem Jahr mit 925 Millionen DM verstärkt dotierten Ausgaben - das ist so eine jener Positionen, die die Öffentlichkeit gern hört, und deswegen darf man sie vielleicht doch einmal unterstreichen - für die wehrtechnische Forschung, Entwicklung und Erprobung nach der geltenden Haushaltssystematik noch zu den Betriebsausgaben rechnen, obwohl sie - das ist unser Standpunkt - eher als investive Ausgaben anzusprechen sind. Wir werden das in den kommenden Jahren vielleicht noch etwas genauer darlegen können.
Meine Damen und Herren, ich muß es mir heute versagen, auf die großen Probleme einzugehen, die mit der Entwicklung unserer Rüstungspolitik, der Fortsetzung unserer rüstungspolitischen Zusammenarbeit mit den Verbündeten und der Entwicklung moderner Waffensysteme verbunden sind. Darüber ist in diesem Hohen Hause ausführlich gesprochen worden; zuletzt haben wir das ja getan bei der verteidigungspolitischen Debatte am 6. und 7. Dezember des vergangenen Jahres.
Ich möchte Ihnen aber abschließend noch einmal die Hauptsorge vor Augen führen, die uns bewegt, und sie beischreiben. Die Ausgaben für wehrtechnische Forschung und Entwicklung sind für das Jahr 1968 in etwa der gleichen Höhe veranschlagt wie die IstAusgaben des vergangenen Jahres. Dies ist erzwungen durch die gegenwärtige Haushaltsmittellage und darf nicht darüber hinwegtäuschen, daß trotz der nachdrücklich gesuchten multilateralen Zusammenarbeit - das ist etwas, was ich unterstreichen möchte: der nachdrücklich gesuchten multilateralen Zusammenarbeit! - die Vorbereitung der künftigen Waffensysteme steigende Mittel erfordert. Ein Ende dieses Trends der Wehrtechnik - im übrigen natürlich nicht nur der Wehrtechnik - ist noch nicht abzusehen, da sie mit der allgemeinen Technik, die uns auf Schritt und Tritt umgibt, parallel läuft oder, richtiger gesehen, nur ein Teil der explodierenden allgemeinen Technik ist.
Meine Damen und Herren, diese kurzen Ausführungen möchte ich damit schließen, daß ich jemanden zitiere, den wahrscheinlich alle hier in dem Hohen Hause als einen Mann ansehen werden, der von sehr ähnlichen Sorgen bewegt ist wie wir, der dazu einer der höchsten, wenn nicht der höchste amerikanische Soldat ist, das ist General Lemnitzer, Alliierter Oberbefehlshaber in Europa. Sie haben vielleicht - gestern ist es wohl gewesen - eine UPI-Meldung und eine AP-Meldung gelesen über die Ausführungen, die General Lemnitzer zu der Verteidigungssituation vor dem amerikanischen Parlament gemacht hat. Er hat vor dem Außenpolitischen Ausschuß - ich zitiere hier nach UPI - des amerikanischen Abgeordnetenhauses in Washington hervorgehoben, daß jenseits des „Eisernen Vorhangs" starke Land-, See- und Luftstreitkräfte stünden, die atomar und konventionell einsetzbar seien. Und nun kommt eigentlich der Satz, weswegen ich dies vorlese: „Die Sowjetunion hat in den letzten Jahren ihre militärische Schlagkraft erhöht und darüber hinaus die anderen Staaten des Warschauer Paktes besser ausgerüstet". Lemnitzer sprach sich gegen Einsparungen an den Streitkräften der Vereinigten Staaten und der NATO-Partner aus.
Meine Damen und Herren, ich glaube, daß wir gut daran tun, wenn wir die Verteidigungssituation und die Verteidigungszahlen so nüchtern sehen, wie der Herr Berichterstatter es bereits getan hat, wie der Schriftliche Bericht es tut, wie ich das hier fortgesetzt habe. Ich glaube, bei allen Illusionen, die wir hegen, oder aber, weil das Wort Illusionen vielleicht doch falsch verstanden werden könnte, bei allen verlockenderen, positiveren Wunschvorstellungen, die wir haben, dürfen wir die Augen vor der Wirklichkeit nicht verschließen; und die Wirklichkeit ist so, wie sie hier dargelegt worden ist.
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Ich eröffne die allgemeine Aussprache, möchte jedoch, ehe ich das Wort weitergebe, eine Bemerkung zur Geschäftslage machen.
Ich habe einmal gerechnet. Wir haben, ehe wir in die Beratung des Einzelplans 14 eingetreten sind, 181/2 Stunden beraten. Heute steht uns eine Beratungszeit - gerechnet von 10 Uhr bis heute abend 10 Uhr - von 101/2 Stunden zur Verfügung. Wenn wir die Mittagspause streichen, sind es 12 Stunden. Das wären dann zwei Drittel der bisherigen Beratungszeit. Nach meiner Schätzung, die ich hier versuche, haben wir aber nur die kleinere Hälfte des Stoffes bis gestern abend spät hinter uns gebracht. Die größere Hälfte liegt noch vor uns. Das ist die Lage. Wir müssen also entweder sehr straffen oder davon ausgehen, daß wir heute nicht mit der zweiVizepräsident Dr. Mommer
ten Beratung fertig werden, wie ursprünglich geplant, sondern morgen und wahrscheinlich auch Samstag ausharren müssen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Schultz.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will mich gern befleißigen, mit der gebotenen Kürze das vorzutragen, was ich Ihnen im Namen der Freien Demokraten zum Haushaltsplan 14 zu sagen habe. Allerdings finden Sie in Ihren Unterlagen die Umdrucke 430 *) und 432 **), einen Änderungsantrag zur zweiten Lesung und einen Entschließungsantrag, und Sie werden mir nachsehen, daß ich diese Anträge kurz begründen muß, wobei ich auf die Hilfe meiner Freunde Ollesch und Jung zurückgreifen darf.
Die Problematik, die mit dem Änderungsantrag und mit dem Entschließungsantrag angesprochen wird, ist nicht neu. Wir haben sie hier schon sehr oft dargelegt. Allerdings sind die Ergebnisse unserer Darlegungen von der Bundesregierung bisher noch nicht recht zur Kenntnis genommen worden.
Unsere Bemühungen um eine, wie wir glauben, realistischere Verteidigungspolitik, die auch die Sicherheit der Bundesrepublik gewährt, haben nicht erst 1966 auf 1967 begonnen, sondern auf einem früheren Boden. Ich darf auf unseren Entschließungsantrag zum Haushaltsplan 1964 verweisen. Auf diesen Vorstellungen bauten wir weiter auf.
Von der CDU/CSU liegt ein Entschließungsantrag Umdruck 424 vor, in dem ,es heißt:
Die Bundesregierung wird ersucht, durch entsprechende Maßnahmen sicherzustellen, daß der Anteil der Zeitsoldaten in der Bundeswehr vergrößert wird. Es muß erreicht werden, daß die Stellen, die nur auf Grund des Fehls an längerdienenden Soldaten von Wehrpflichtigen eingenommen sind, tatsächlich von Soldaten auf Zeit besetzt werden.
Damit greifen die Christlichen Demokraten ein Petitum auf, das wir Ihnen schon 1964 als Koalitionspartner vorgetragen haben. Damals haben wir gesagt: die Präsenzstärke der Bundeswehr muß vorübergehend an das vorhandene Ist an Unteroffizieren und Offizieren angepaßt werden. Das wäre damals die richtige Maßnahme gewesen, und ich erwarte jetzt, daß wahrscheinlich im Jahre 1969 das Wirklichkeit wird, was hier in Ihrem Antrag steht; denn anders werden Sie das Problem überhaupt nicht lösen und von der dauernden Überforderung der Unteroffiziere nicht wegkommen können. Das ist der Grund, aus dem hinterher das Aufkommen an sich Weiterverpflichtenden so gering ist.
Ich sagte vorhin, daß wir mit unseren Bemühungen, zu einem Wandel der Verteidigungskonzeption der Bundesregierung zu kommen, nicht sehr viel Erfolg gehabt haben. Insbesondere klang das auch noch in der letzten Debatte an, die wir im Dezember hatten. Zum mindesten wird aber jetzt zu diesen
*) Siehe Anlage 2 **) Siehe Anlage 3
Problemen Stellung genommen, und wenn wir auch bedauern, daß ein erkennbarer Blick auf die Zukunft nicht zu sehen ist, so ist immerhin zu begrüßen, daß Dingle, die wir gesagt haben, nun in gewissen Nuancierungen auch in die Überlegungen der Regierungsparteien hineinkommen.
Man hält zwar nach außen an der starr eingenommenen Haltung fest. Das gilt insbesondere für die atomare Ausstattung der Bundeswehr - atomare Ausstattung mit Trägerwaffen, damit hier kein Irrtum entsteht -, wobei paradoxerweise die Sozialdemokratie der Meinung ist, eine solche Ausstattung sei für die neu eingeführten und im Bau befindlichen Raketenzerstörer und Raketenkorvetten nicht notwendig. Das ist natürlich das Geheimnis der Sozialdemokratie, inwieweit atomare Trägerwaffen bei der Marine schädlich, beim Heer und bei der Luftwaffe aber positiv zu bewerten sein sollten.
({0})
- Ja, natürlich; „schädlich" habe ich gesagt; Sie werden sagen: „nicht nötig".
({1})
Man hat auch über die Frage der Herabsetzung der Dauer des Grundwehrdienstes und einer Intensivierung der Grundausbildung noch nicht sehr viel Neues gehört, wenngleich dieses Problem zum mindesten in der kleinen Kommission, die sich mit der Frage der Wehrgerechtigkeit beschäftigt, mit in die Erwägungen aufgenommen worden ist. Aber es kommt ja auch gar nicht darauf an, ob hier die FDP genannt wird; es kommt sehr viel mehr darauf an, daß man für die Sache das Beste erreicht.
Es ist festzustellen - an den Berichten, die die Inspekteure der Teilstreitkräfte im Verteidigungsausschuß in der letzten Zeit gegeben haben -, daß man sich anscheinend allmählich doch fester auf das konventionelle Bein unserer Sicherheit stellen will, und man kann fast erkennen, daß Mitte der siebziger Jahre vermutlich keine atomaren Aufgaben mehr für die Bundeswehr vorgesehen sein werden.
Wenn das so ist, dann fragen wir uns, warum man angesichts einer zwangsläufigen Entwicklung sich nicht von vornherein auf eine Änderung in der Ausrüstung einrichtet. Wir befürchten, daß, wenn man so verfährt, wie die Bundesregierung verfährt, wir eine Veränderung in der Ausrüstung bekommen werden, man aber vorläufig noch Geld ausgibt, das man an sich woanders besser gebrauchen könnte, und daß letzten Endes natürlich auch politisch dann bei solchen Veränderungen nichts drin ist.
Der Herr Bundesverteidigungsminister hat soeben erläutert - und sicher ist das richtig, was er gesagt hat -, wie die Entwicklung des hiesigen Verteidigungsetats im Gegensatz zu der Entwicklung auf der anderen Seite gewesen ist. Wenn man das so hört, dann fragt man sich immer wieder, warum eigentlich die Bundesregierung davon in ihren politischen Darlegungen oder in ihren politischen Handlungen so wenig Gebrauch macht. Ich bin der Meinung, daß man davon immer nur bei der Debatte des Verteidigungshaushalts hört, um zu erreichen,
Schultz ({2})
daß die Höhe möglichst eingehalten wird und das Haus nicht auf den Gedanken kommt, noch weitere Kürzungen vorzuschlagen. Letzten Endes wird aber das politische Ergebnis dabei nicht beachtet.
Herr Kollege Schultz, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Kiep? - Bitte, Herr Kiep.
Herr Kollege Schultz, wie soll die Bundesregierung nach Ihrer Vorstellung in ihrem politischen Handeln diese Tendenz der steigenden Verteidigungshaushalte im Osten und der sinkenden im Westen verwenden?
Sie kann sie politisch vielleicht etwas mehr in ihren Auslassungen verwenden, die sie von diesem Pult aus von sich gibt, und auch in Noten wie z. B. der Friedensnote seinerzeit, der man nun wieder einen entsprechenden Nachschub geben könnte.
Zur Frage der Bewaffnung und überhaupt der Verteidigungskonzeption hat mein Kollege Genscher am 2. April ausgezeichnete Ausführungen gemacht, die im ganzen die Auffassung der Freien Demokraten wiedergeben. Sie können sie nachlesen im Protokoll der Dienstagsitzung auf den Seiten 8648 unten und 8649 ff. Aus Gründen der Zeitökonomie möchte ich auf diese Ausführungen nur verweisen. Mit ihnen ist praktisch die Begründung für die Ziffern 4 bis 6 unseres Entschließungsantrags Umdruck 430 gegeben.
Ziffer 3 dieses Entschließungsantrags Umdruck 430 enthält die Forderung, bei der Einberufung der Wehrpflichtigen von dem vierteljährlichen auf den halbjährlichen Turnus überzuwechseln, damit die dauernde Unruhe innerhalb der Truppe auf ein Mindestmaß beschränkt wird. Man könnte sogar weitergehen. Wir sehen das als eine Vorstufe für den letzten Endes einjährigen Einberufungsturnus an. Damit die momentan vorhandene Kampfkraft nicht geschwächt wird, sollte man dabei innerhalb der Brigaden turnusmäßig jeweils ein Betaillon neu auffüllen, so daß die anderen Bataillone noch über ausgebildete Soldaten verfügen. Wir meinen, diese Frage muß erneut geprüft werden. Im übrigen liegt dazu auch noch ein Antrag von uns vom Dezember 1967 vor.
Nebenbei bemerkt, macht sich in der Diskussion über die Dauer des Grundwehrdienstes ein zunehmender Sinneswandel in der Öffentlichkeit bemerkbar. Selbst Herr Paul Wilhelm Wenger ist im „Rheinischen Merkur" zu der Ansicht gelangt, daß zwölf Monate durchaus ausreichen können
({0})
- Paul Wilhelm Wenger kennen Sie doch, ein bedeutender Publizist in unserem Lande -, Wehrpflichtige zu brauchbaren Soldaten heranzubilden, soweit nicht ausgesprochene Spezialisten notwendig sind.
Die Freien Demokraten haben immer betont, daß das Gros der Streitkräfte aus Berufs- und Zeitsoldaten bestehen muß und daß das heutige Verhältnis von 47% Wehrpflichtigen zu 53 % Berufs- und Zeitsoldaten unbefriedigend ist. Wir sehen in den bisher bekannten Maßnahmen der Bundesregierung allerdings keinen Hinweis darauf, wie das vom Herrn Bundesverteidigungnsminister im Dezember vorigen Jahres angestrebte Ziel des Verhältnisses von 40 : 60 erreicht werden soll. Auch die Überlegungen über eine abgestufte Präsenz - Kadereinheiten und was das alles ist - haben noch noch dazu geführt, daß man gerade bei der Gewinnung von sich weiterverpflichtenden Soldaten, von Zeitsoldaten, neue Wege geht. Wir haben immer davor gewarnt, den Gedanken der stets aus dem Stand einsatzfähigen Bundeswehr weiterzutreiben, weil wir feststellen müssen, daß das in unserer Lage nicht notwendig ist, weil wir kein Expeditionskorps unterhalten müssen wie andere Nationen und weil wir vor allen Dingen sonst hier dauernd in Schwierigkeiten mit unserer gesellschaftlichen Situation kommen.
Wir sind der Meinung, daß es notwendig ist, das Mobilmachungssystem zu verbessern und die Möglichkeiten für eine Einberufung von Reservisten in kürzester Frist zu schaffen. Allerdings müssen diese Reservisten nach ihrer Entlassung aus der Bundeswehr auch wieder Gelegenheit zur Auffrischung ihrer Kenntnisse finden. Diese Gelegenheit fehlt zur Zeit.
Wir haben deswegen im Umdruck 432 unter Ziffer 7 Ihnen einen Vorschlag gemacht, wie man nach unserer Auffassung hier anders vorgehen muß. Ich verzichte darauf, das noch im einzelnen darzulegen, denn auch das ist im Protokoll der Debatte vom vorigen Dezember nachzulesen, in der wir über dieses Problem auch gesprochen haben. Wir schlagen vor, die Ausgaben für Wehrpflichtige zu kürzen und dafür die für Wehrübende zu erhöhen.
In dem Antrag Umdruck 432 haben wir noch eine ganze Reihe von Kürzungsvorschlägen gemacht und haben andererseits Mehrausgaben vorgesehen. Zu den Ziffern 1, 2 und 8 des Umdrucks 432, die sich mit Fragen der Luftwaffenrüstung beschäftigen, wird Kollege Jung etwas sagen.
Eine Bemerkung zu den Ziffern 4 und 6 des Umdrucks 432: Die Baukosten! Wir sind der Auffassung, daß man auch hier eine Kürzung vornehmen kann. Es sind doch Mittel für den Kasernenbau im In- und Ausland beantragt. Wir glauben, daß auf Grund der Tatsache, daß im mehr oder weniger großen Umfang Truppen aus der Bundesrepublik abgezogen werden, Unterkünfte frei werden, die für die Bundeswehr genutzt werden können und müssen. Insbesondere aber auch im Blick auf das Ausland scheinen uns weitere Kürzungen - wie wir sie vorgeschlagen haben - möglich. Ich sehe hier nach Portugal und nach Frankreich. Wir haben in Portugal den Stützpunkt Beja. Wir wissen nicht, ob dieser Stützpunkt einen praktischen Nutzen für uns hat, sei es im Frieden, sei es aber auch im Konfliktsfall. Denn es geht da um das Überfliegen von Frankreich und Spanien. Zur Zeit sind die Dinge zwar noch in Ordnung, aber sie können sich sehr schnell ändern. Ähnliches gilt auch für Depot- und sonstige Gebäude in Frankreich. Auch
Schultz ({1})
hier werden noch erhebliche Mittel eingesetzt. Man fragt sich insbesondere dann, wenn man das im Gedächtnis hat, was der Herr Verteidigungsminister gerade vorhin gesagt hat, ob das alles unbedingt notwendig ist. Wir sind der Auffassung, daß militärische Investitionen von deutscher Seite in Frankreich nutzlos sind, solange nicht sichergestellt ist, daß die deutschen Truppen auch im Ernstfall von dieser französischen Position aus operieren können. Angesichts der gegenwärtigen Haltung des französischen Staatspräsidenten kann man wohl nicht davon ausgehen, daß das möglich sein wird. Der Herr Bundesverteidigungsminister hat vorhin gesagt, daß in der Frage einer strategischen Konzeption eine befriedigende Zusammenarbeit erreicht worden sei. Ich habe nicht ganz verstanden, ob er damit meinte: in der Zusammenarbeit mit Frankreich oder mit den NATO-Mitgliedern? Wenn er gemeint haben sollte, daß der Briefwechsel, den wir - von Außenministerium zu Außenministerium - über die Stationierung der französischen Truppen auf deutschem Boden gehabt haben, eine befriedigende Zusammenarbeit ergeben würde, dann muß man sagen: das ist sicher nicht der Fall. Das Problem der Zusammenarbeit mit Frankreich im Konfliktsfall ist nach wie vor ungelöst.
Lassen Sie mich aber nun noch auf einige interne Probleme der Bundeswehr eingehen, die, wie mir scheint, angesprochen werden müssen, und zwar möchte ich zunächst ein Wort zur Personalführung sagen. Vor einiger Zeit habe ich eine Frage an die Bundesregierung bezüglich der Wertungs- und Eignungslisten gerichtet. In der Antwort hieß es damals, diese Listen, die geheim sind und also auch von den Betroffenen nicht eingesehen werden können, seien nicht Bestandteil der Personalakten. Sie sagten nur etwas über die Wertung der Offiziere zueinander, nicht über die objektive Wertung, aus. Wörtlich erklärte Staatssekretär von Hase:
Diese Listen und Karten sind eine Erleichterung zur Findung der Gerechtigkeit und sollen dazu dienen, daß die Personalabteilung die Institution, also die Bundeswehr, personell optimal bedienen kann. Sie dienen nicht der Sicherstellung einer einzelnen Karriere.
Ich bin der Meinung, daß man beides, Karriere und optimale Bedienung der Institution, nicht voneinander trennen kann. Daß das so ist, ist mir auch durch eine Reihe von Zuschriften klargeworden, die ich aus den betroffenen Kreisen bekommen habe. Außerdem sagte der Staatssekretär, daß über die Frage der Zulässigkeit noch ein Rechtsgutachten erstellt werde. Das sollte uns zumindest im Ausschuß dann noch zur Kenntnis gebracht werden.
Nun muß doch die Frage gestellt werden: Wer erstellt denn dieses Rechtsgutachten, vielleicht die Abteilungen P und VR? Dann würde ich sagen: Das wäre kein Rechtsgutachten, sondern die Begründung einer Maßnahme. Ich möchte hier also gleich sagen: Wenn in dieser Frage noch ein Rechtsgutachten erstellt wird - und das ist uns versprochen worden -, dann bitte von einer neutralen Stelle!
In einem dieser Briefe ist mir z. B. - wenn ich das kurz zitieren darf - geschrieben worden:
Ich habe z. B. einen Kommandeur gehabt, dessen Beurteilung über mich auf Anweisung des Kommandierenden Generals für ungültig erklärt wurde.
Ich vermute, daß die Eintragung seiner Beurteilung auf die Wertungs- und Eignungskarte nicht für ungültig erklärt wurde. Ich weiß es nicht, da es für mich nicht nachprüfbar ist.
Der Betreffende schließt mit den Worten:
Ich darf Ihnen sagen, daß der allgemeine Eindruck besteht, daß die Karriere des einzelnen Offiziers nicht allein durch die zu eröffnende Beurteilung bestimmt wird, sondern durch die anonymen Wertungs- und Eignungslisten und noch mehr durch das sogenannte „Image" oder die „Presse" auf Grund persönlicher Gespräche von Vorgesetzten und Nichtvorgesetzten mit dem Personalamt. Es wäre gut, wenn es gelänge, mehr Vertrauen in eine gerechte Personalführung zu erlangen.
Ich möchte in diesem Zusammenhang einmal wieder unsere alte Forderung nach offenen Rang- und Verwendungslisten - so wie es auch in den Vereinigten Staaten üblich ist - in Verbindung mit der weitergehenden Forderung wiederholen, die militärische Personalführung in die Hand des Generalinspekteurs und der Inspekteure zu geben.
Lassen Sie mich nun noch drei Punkte ansprechen, zunächst einmal die Frage des Mutes zur Wahrheit und Zivilcourage. Mir liegt hier vor die „Mitteilung für den Soldaten" vom 29. März 1968 - „Aktuelle Information des Bundesministers der Verteidigung" -. Darin steht ein Bericht über eine Tagung und einen Vortrag vor den Schulkommandeuren durch den Inspekteur Heer. Es heißt dort:
Generalleutnant Moll richtete einen Appell an die verantwortlichen Vorgesetzten. Er forderte konstruktive Zusammenarbeit. Nörgelei müsse mit Mut zur Wahrhaftigkeit und Zivilcourage bekämpft werden.
Ich will nun gar nichts gegen diese Worte sagen. Nur muß man eben umgekehrt dann fragen - und das ist in einer solchen Meldung sicher nur schwer unterzubringen -: Ist Kritik an dem Bestehenden prinzipiell Nörgelei?
({2})
Oder ist es nicht vielleicht Mut zur Wahrheit und zur Zivilcourage?
In diesem Gedankenbereich ist der Verteidigungsausschuß im vergangenen Jahr eine recht lange Zeit mit dem Petitionsfall eines Luftwaffenobersten beschäftigt gewesen. Der Betreffende hat abweichende Vorstellungen gegenüber seinem Dienstvorgesetzten geäußert. Es war evident, daß diese abweichenden Vorstellungen dazu geführt haben, daß dieser Mann Nachteile erlitten hat, die er eigentlich bei gerechter Personalführung nicht hätte erleiden dürfen. Ich hebe dabei nicht auf eine mögliche Beförderung ab;
Schultz ({3})
darum geht es gar nicht, sondern es geht um die Art und Weise, wie dieser Mann von der Stelle, die er innegehabt hat, auf eine andere unter Vorspiegelung falscher Tatsachen versetzt worden ist.
Meine sehr verehrten Damen und Herren und auch Hohe Bundesregierung! Ein weiteres ernstes Problem, um das eis hier geht, ist nämlich die Frage: Was hören wir Abgeordnete eigentlich bei unseren Truppenbesuchen? Ich lese kurz eine Überschrift aus einer meiner Heimatzeitungen vor: „Kummerbogen blieb leer." Eis ging um den Besuch eines Abgeordneten der stärksten Fraktion dieses Hauses bei einem Truppenteil; und da muß ich sagen: So etwas gibt es überhaupt nicht, daß man als Abgeordneter zu einer Truppe kommt und der Kummerbogen bleibt leer. Dann ist man nicht recht informiert worden, oder es war (so, daß alles in bester Butter war, solange die Presse dabei war, und nachdem der Abgeordnete das Kasernement verlassen hatte, zupfte ihn vielleicht der betreffende Kommandeur am Ärmel und sagte: „So, nun müßte ich Ihnen aber das und jenes noch sagen. Wenn Sie es aber verwenden, dann verwenden Sie es bitte so, daß nicht herauskommt, wer es Ihnen gesagt hat." Daß der Abgeordnete dann mit solchen Unterrichtungen nicht sehr viel anfangen kann, ist ganz sicher. Man muß allerhand Eiertänze vollführen, um dann der Sache, die dort gesagt worden ist, doch vielleicht auf den Grund zu kommen. Ich möchte das hier einmal aussprechen, um auch den Appell an die Personalführung des Hauses zu richten, daß sie lernt, daß sich der verlangte Mut zur Wahrheit und zur Zivilcourage für diejenigen, von denen er gezeigt wird, nicht in persönlichen Nachteilen auswirken darf.
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Ich sage das nicht ins Freie. Ich bin sicher, daß vielleicht nachher in der Replik des Herrn Bundesverteidigungsministers gesagt wird: Sagen Sie mir, nennen Sie mir irgendeinen Fall! Dieses kann ich eben gerade nicht, das möchte ich jetzt gleich sagen. Ich meine nicht, daß er vielleicht nicht vorhanden wäre, ich kann aber wegen der für die Betreffenden zu befürchtenden Nachteile nicht weiter darüber reden.
Ich bin außerdem der Meinung, daß wir uns in der nächsten Zeit im Verteidigungsausschuß über zwei Probleme unterhalten sollten, und zwar über die Paragraphen im Soldatengesetz, die sich mit der politischen Information, der politischen Betätigung des Soldaten beschäftigen. Dabei sollten wir gleich die Frage erörtern, wieweit eigentlich Wahlkämpfe, die in unserer Demokratie unvermeidlich sind, zur Einschränkung der Tätigkeit von Abgeordneten im Rahmen des Gesprächs mit den Soldaten aller Dienstgrade berechtigen. Mir scheint, daß die Information der Soldaten über das, was die einzelnen Fraktionen und Parteien wollen, notwendig ist. Ich sehe nicht ein, warum eine solche Information noch sechs Wochen vor der Wahl in der Kaserne gegeben werden darf, einen Tag später aber nicht mehr. Denn ich kann mir nicht vorstellen, daß die Soldaten so unbedarft sind, daß sie nicht merken, was hier aus ernster Überlegung und mit bestimmter Meinung gesagt wird und was einfach Dummenfängerei ist. Ich glaube, sie können das unterscheiden. Auf der anderen Seite sehen wir aber, daß hier natürlich eine unterschiedliche Behandlung der verschiedenen Politiker erfolgt. In demselben vorhin genannten Mitteilungsblatt steht zum Beispiel:
Baden-Württemberg gibt ein Beispiel
Stuttgart im Zeichen der Bundeswehr
Heeresgrau und Fliegerblau - Uniformen beherrschten gestern das Stadtbild von Stuttgart. Baden-Württembergs Ministerpräsident, Dr. Hans-Georg Filbinger, hatte gemeinsam mit der Stadt Stuttgart Soldaten aller Dienstgrade vom Rekruten bis zum General ins Neue Schloß, zum Mittagessen und zu Stadtrundfahrten eingeladen. Der Ministerpräsident und die Stadtväter wollen damit das gute Verhältnis zu den Bürgern ihres Landes unterstreichen.
Auf einem Bild dazu sind der Herr Ministerpräsident und der Herr Staatssekretär Adorno zu sehen. - Na schön, dagegen ist nichts einzuwenden. Das ist sicher alles völlig legal. Nur, was tut dann der kleine Hinterbänkler-Abgeordnete? Der hat diese Möglichkeiten nicht.
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- Ja, natürlich. Das ist meine einzige Möglichkeit, darüber zu sprechen. Da haben Sie recht, Herr Haase. - Aber ich bin der Meinung, wir sollten über dieses Problem im Verteidigungsausschuß noch einmal reden.
Der letzte Punkt, den ich noch anführen wollte, ist die Frage der Praktizierung des Gesetzes über Kriegsdienstverweigerung und des entsprechenden Artikels im Grundgesetz. Es ist notwendig, daß wir von der Bundesregierung erfahren, ob das richtig ist, was einem in letzter Zeit des öfteren aus der Truppe erzählt wird, nämlich daß Verbände der Kriegsdienstverweigerer praktisch Soldaten in die Bundeswehr einschleusen, um sie zu veranlassen, die Kameraden, die schon in der Bundeswehr ihren Dienst ableisten, zum Teil schon längere Zeit, zur Kriegsdienstverweigerung zu überreden. Dann kann es durch einen plötzlichen Antrag auf Kriegsdienstverweigerung einer ganzen Reihe von Soldaten, die in bestimmten Funktionen sind, sagen wir, als Richtkanonier oder irgend so etwas, praktisch unmöglich gemacht werden, daß eine Truppe auf den Übungsplatz geht, weil sie keine Richtkanoniere hat.
Ich weiß nicht, ob das richtig ist, was mir hier erzählt worden ist. Aber wir müssen den Dingen nachgehen. Denn so weit geht es natürlich mit der Praktizierung des Grundgesetzartikels und des entsprechenden Gesetzes nicht. Kriegsdienstverweigerung ist eine persönliche Sache jedes einzelnen und muß es auch bleiben. Wenn solche Maßnahmen durch Verbände der Kriegsdienstgegner getroffen werden sollten, sind sie ohne Zweifel ungesetzlich, und man muß etwas dagegen unternehmen. - Nun, ich finde fast, Sie hätten eigentlich zu dem klatschen können, was ich da eben gesagt habe.
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Schultz ({7})
- Die haben wahrscheinlich nicht zugehört, Herr Zimmermann; die wissen das schon.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, damit bin ich am Schluß dessen, was wir zu sagen haben. Ich hoffe, daß hinreichend klar geworden ist, daß wir auch in diesem Jahr dem Haushalt des Herrn Verteidigungsministers nicht unsere Zustimmung geben können. Wir werden ihn ablehnen, weil wir der Auffassung sind, daß unsere Vorstellungen, die wir auf verteidigungspolitischem Gebiet entwickelt haben, nicht in ausreichendem Maße hier Niederschlag gefunden haben.
Um auch gleich die spätere Debatte in ein vernünftiges Gleis zu führen, möchte ich sagen: Das ist keine Ablehnung der Verteidigung und auch kein Übersehen der Tatsache, daß sich die Angehörigen der Bundeswehr sowohl im militärischen als auch im zivilen Bereich nach bestem Wissen und Gewissen um die Erfüllung ihres Auftrags bemühen.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Berkhan.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen! Meine Herren! Darf ich erst mit ein paar Bemerkungen auf den Verlauf der Debatte eingehen und den Kollegen Schultz bitten, es doch in Zukunft - das ist das zweite Mal - zu unterlassen, am Ende der Rede darauf hinzuweisen, daß die FDP für die Landesverteidigung ist. Ich hoffe, daß die Zeiten der Diffamierung in der Frage der Landesverteidigung in diesem Hause nunmehr endgültig vorbei sind. Kein Mensch unterstellt den Freien Demokraten, kein Mensch unterstellt Herrn Schultz, daß er hier eine Rede gehalten hat, um in der Landesverteidigung einen Standpunkt einzunehmen, der unsere Position schwächt. Anders ist es bei der Auseinandersetzung um die einzelnen sachlichen Punkte. In dieser oder jener Frage wird mein Kollege Haase oder mein Kollege Richter oder vielleicht jemand anders auf Ihre Anträge eingehen. Ich sage vorweg: Wir werden den einen Antrag ablehnen, weil wir der Meinung sind, er ist im Haushaltsausschuß ausreichend behandelt worden, und wir werden den Entschließungsantrag an den zuständigen Ausschuß überweisen und ihn wegen einiger Fragen wahrscheinlich auch dem Innnenausschuß zur Beratung überstellen.
Ich darf nun ein paar Bemerkungen zum Verteidigungsminister machen. Herr Minister Schröder, wir freuen uns, daß Sie hier noch einmal ausdrücklich festgestellt haben: Wir halten an der NATO fest. Ich würde Ihren Satz, der dem Sinne nach lautete, ohne unseren Beitrag wäre eine Verteidigung in unserer Front gar nicht möglich, erweitern und sagen: Ohne Verbündete würde auch unsere eigene Verteidigung nicht ausreichen, Freiheit und Recht in diesem Teil der Welt nachhaltig zu schützen.
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Das ist doch der Grund, warum wir genauso wie Sie
„derzeit" an 18 Monaten Wehrpflicht festhalten.
Ich muß Sie nur bitten, auch in Ihrem Hause dafür zu sorgen, daß, wenn der Minister „derzeit" sagt, auch das Echo aus dem Hause „derzeit" lautet. Es ist unerträglich, daß Beamte und hohe Offiziere von Zeit zu Zeit versuchen, der Zeit vorauszueilen, und ein paar Äußerungen machen, die darauf hindeuten, daß man in Ihrem Hause schwankend geworden ist. Daß Sie verpflichtet sind, über die Frage der Dauer des Grundwehrdienstes wieder und wieder nachzudenken, ist ganz selbstverständlich. Wir haben ja auch eine Kommission eingesetzt, die unter dem Vorsitz von Herrn Adorno bei der Behandlung des Themas „Wehr-Gerechtigkeit" gar nicht umhin kann, über die Zeit zu reden. Es ist eine politische Frage, ob wir unsere jungen Männer 18 Monate einberufen, und es handelt sich nicht um die Frage, ob man 18 Monate braucht, um Soldaten auszubilden und auf einen gewissen Ausbildungsstand zu bringen.
Immerhin würde ich gern von Ihnen noch erfahren - wenn nicht in dieser Debatte, dann später -, was bei der Verschmelzung von Heer und TV nun mit den Luftwaffenanteilen und den Marineanteilen geschehen soll. Wenn ich im ganzen davon ausgehe, daß drei Teile Heer bei der TV sind, so sind zwei Teile Luftwaffe und ein Teil Marine. 50 % der in der TV dienenden Soldaten gehören nicht dem Heer an, gehören also nicht zu dem Teil, der sich nahtlos mit dem anderen Teil des Heeres verschmelzen läßt. Darauf müßten Sie vielleicht noch einmal eingehen.
Nun, Herr Schultz, ein paar Bemerkungen zu Ihnen! Sie wissen doch ganz genau, daß die Trägerwaffen vorwiegend bei der Luftwaffe sind. Und wenn wir beim Heer Zwei-Zwecke-Waffen haben, dann darum, weil es der höheren Führung der NATO, dem Befehlshaber der NATO, nicht möglich ist, verschieden ausgestattete Divisionen zu führen. Da handelt es sich aber ausschließlich um ZweiZwecke-Gefechtsfeldwaffen, die also so oder so verwendbar sind. Und wenn die schwimmenden Einheiten der Marine nicht mit atomaren Sprengkörpern und Waffen ausgerüstet sind, so deshalb, weil der Auftrag der Marine diese Waffen nicht erfordert. Das ist kein Geheimnis, sondern das ist eine ganz normale Überlegung.
Lassen Sie mich auch eine kurze Bemerkung zum Einberufungsturnus machen. Das müssen Sie noch einmal klarer sagen, Herr Schultz, denn wenn Sie immer nur ein Bataillon wechseln wollen, dann muß man wissen, ob dieses Bataillon im Monat gewechselt wird oder ob dieser Wechsel schlagartig in einem Jahr geschieht. Weiterhin müssen Sie doch auch zugeben, daß ein derartiges Mobilisierungssystem mehr Ausbilder, mehr Unteroffiziere und Offiziere erfordert und daß wir ein derartiges System leider zur Zeit nicht einführen können, selbst wenn es zweckmäßig wäre, weil uns die Ausbildungskapazitäten nicht in ausreichendem Maße zur Verfügung stehen.
Ein Wort zu den Reservisten! Auch hier kann ich Ihnen nur sagen: Sie unterliegen immer wieder dem Irrtum, daß Reservisten billiger seien als wehrpflichtige Soldaten. Sie wissen doch aus dem Ausschuß, daß die Fachleute uns vorgerechnet haben,
daß die Planstelle eines Reservisten genau das Doppelte von dem kostet, was ein Wehrpflichtiger an Kosten verursacht. Über die Offiziere und Unteroffiziere, die sich mit den Reservisten zu beschäftigen haben, will ich schweigen; über das Gerät will ich schweigen; über die Möglichkeiten der Übungsplätze will ich schweigen. Das alles ist sehr sorgfältig zu prüfen.
Ich glaube, daß 360 000 Reservisten - d. h. 30 000 pro Monat, eigentlich ein paar mehr, denn im Weihnachtsmonat wird man sehr wenig machen können; es stehen wahrscheinlich nur zehn Monate im Jahr zur Verfügung, und dann sind .es 36 000 Reservisten im Monat - heute in der Bundeswehr überhaupt nicht zu verkraften sind.
Ich stimme Ihnen bei, Herr Schultz, wenn Sie hier von Ihren Erfahrungen bei Truppenbesuchen sprechen. Diese Erfahrung wird auch sicher von den Kollegen der CDU/CSU bestätigt. Wenn wir aufgerufen wären, Gymnasien oder Universitäten zu besuchen oder - Bundesbahneinheiten kann ich nicht sagen - Bundesbahnwerkstätten und -komplexe zu besuchen, Krankenhäuser zu besuchen, - glauben Sie vielleicht, daß wir ohne Beschwerden und Anstände aus diesen Besuchen zurückkämen?! Wenn das vom Kummerbogen wirklich in einer Zeitung gestanden hat, dann gebe ich Herrn Schultz zu, daß das ein Schmarren ist. Natürlich gibt ,es in jeder Einheit Kümmernisse und Kämmerchen, und es gibt natürlich auch - darüber müssen wir uns auch klar sein, Herr Schultz - immer bei der großen Zahl von Soldaten - ich könnte wieder alles aufzählen, was ich eben aufgezählt habe - einen Teil, der ohnehin dazu neigt, immer nur das vorzutragen, was noch nicht den höchsten Stand der Erfordernisse erreicht hat. Diese Welt ist aber eine Welt bewohnt von Menschen, die aus dem Paradies vertrieben sind.
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Daher sind diese Zustände hier halt nicht paradiesisch und nicht so zu regeln, daß es keine Anstände mehr gibt.
Ich kenne die Sache mit der „Politischen Propaganda" nicht. Sie müssen mir einmal die Quelle zeigen. Ich will Ihnen aber zugeben, daß diese SechsWochen-Frist etwas Komisches in sich hat. Aber wenn wir eine Zwölf-Wochen-Frist hätten, dann wäre es genauso. Es geht dann immer um den einen Tag, um den letzten einen Tag. Dennoch bin ich dafür, daß diese Frist aufrechterhalten wird. Ich bin darum dafür, weil schließlich und endlich ein Wahlkampf keine Auseinandersetzung ist, die mit Samthandschuhen geführt wird. Sie und ich sind ja auch schon gegeneinander aufgetreten. Da gibt es gewisse Dinge, die nicht nützlich sind, wenn sie im dienstlichen Bereich vor der Truppe, quasi dienstlich angeordnet, im Rahmen der staatsbürgerlichen Belehrung stattfinden.
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Ich möchte mich nämlich in Zukunft mit dem Politiker Dr. Schröder als Minister, als Angehöriger der CDU auseinandersetzen können, ohne dabei den Inhaber der Befehls- und Kommandogewalt vor der
Truppe gewissermaßen - herabsetzen ist ein schlechtes Wort, mir fällt nichts Besseres ein -, ohne ihn also so zu attackieren, daß eben gewisse schlichte Gemüter dabei den Eindruck haben: Jetzt wird irgendwo die Autorität der Befehls- und Kommandogewalt geschmälert.
Ich weiß nicht, ob sechs Wochen das Richtige sind. Vielleicht gehen wir auf vier, vielleicht auf acht Wochen. Darüber werden wir zu reden haben. Aber abschaffen möchte ich die Sache nicht.
Herr Althammer, auf die Sperrung der 30 Millionen DM geht ein Kollege von mir ein. Wir werden also noch Gelegenheit haben, darüber zu sprechen.
Nun will ich noch einmal darauf hinweisen, daß sowohl Herr Dr. Althammer als auch der Minister hier festgestellt haben, daß der Anteil des Verteidigungshaushalts an den Gesamtausgaben des Bundes in den letzten Jahren kontinuierlich zurückgegangen ist. Wir haben also den berühmten Kasten auf der Seite 2 des Gierenstein-Berichts - Althammer-Berichts, Haase-Berichts, um keinen zu kränken, wobei man dann immer noch sagen muß: Haase aus Hessen und nicht Haase aus Kellinghusen - gekennzeichnet.
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Aber immerhin wäre ,es recht interessant, Herr Dr. Schröder, wenn man neben den Sollzahlen auch noch einmal die Istzahlen sehr gründlich unter die Lupe nähme. Ein Teil dieser Entwicklung hat ja seine Ursache darin, daß das Verteidigungsministerium die zur Verfügung gestellten Summen in der gegebenen Frist gar nicht sinnvoll ausgeben konnte. Wir wollen - das kann ich jedenfalls für die Sozialdemokraten sagen - nach wie vor auch im Einzelplan 14 daran festhalten, daß jede Mark, die mühselig aufgebracht werden muß, sehr sorgfältig und sehr bedacht ausgegeben wird.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Althammer?
Herr Kollege Berkhan, Sie werden doch sicher mit mir darin übereinstimmen, daß mindestens seit der Aufstellung der mittelfristigen Finanzplanung hier eine empfindliche Kürzung hat hingenommen werden müssen.
Selbstverständlich. Ich komme gleich darauf zurück. Ich habe aber über die Jahre geredet, die davor sind. Ich hatte schon in meine Westentasche gelangt, weil ich dachte: Der Althammer gibt mir jetzt die Gelegenheit, dieses etwas kindliche Beispiel nun doch zu bringen. Wissen Sie, jedesmal bei den Haushaltsberatungen kriegt man aus dem Hause des Ministers Dinge zugespielt. Ich habe hier ein Schräubchen aus Messing. Es kostet 4 $ das Stück. Jeden Tag werden ein paar hundert davon gebraucht. Man kann an der Stelle auch genormte Schrauben verwenden. Es ist nicht immer sinnvoll bei der Beschaffung zugegangen, Herr Dr. Althammer.
Nun haben Sie mir durch Ihre Zwischenfrage diese Gelegenheit gegeben. Ich warne Sie. Ich habe
in der anderen Westentasche auch noch etwas. Fragen Sie nicht so viel! Das kostet Zeit und bringt nur etwas aus den Taschen heraus, was wir alle lieber drinlassen sollten.
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- Nein, haben Sie keine Angst! Ich werde weder auf Herrn Schultz schießen noch auf Sie. Ich bin im Grunde genommen ein friedlicher Mensch.
Wir sind jetzt bei 22,4% Anteil des Verteidigungetats am Haushalt angekommen, wie es der Herr Minister gesagt hat. Ich glaube allerdings, daß es sich hierbei angesichts der Finanznot der Bundesrepublik Deutschland um einen notwendigen Anpassungsprozeß handelt. Nichtsdestoweniger werden uns dadurch ganz besondere Probleme auferlegt.
Die Kollegen Althammer, Haase und Gierenstein haben in ihrem Schriftlichen Bericht diese Probleme angezeigt. Sie haben in der Schlußbetrachtung folgenden Satz ausgeführt:
Der Plafond des Verteidigungshaushalts 1968 sollte den in der Finanzplanung begrenzten Gesamtumfang der Verteidigungsausgaben einhalten, ohne die künftige Streitkräftestruktur zu präjudizieren.
Hier wird nach meiner Meinung ganz deutlich, daß auch der Haushaltsausschuß sehr wohl erkennt, daß die mittelfristige Finanzplanung im Bereich der Verteidigungspolitik wesentlicher Ergänzungen bedarf. Es genügt eben nicht, jährlich immer nur Höchstzahlen festzusetzen. Die mittelfristige Finanzplanung muß durch Detailplanung auf dem Gebiet der Verteidigung ergänzt werden, wenn wir nicht in unabsehbare Schwierigkeiten kommen wollen.
Was ist erforderlich? Von seiten des verantwortlichen Ministers wird uns dargetan werden müssen, welche Neu- und Umrüstungspläne und welche Streitkräfteplanung unter Berücksichtigung der vorausgegangenen Haushaltsansätze möglich sein werden. Das ist seit langem angekündigt, und das soll ja nun wohl im April geschehen. Wir müssen eben erfahren, wie die Verfügungssummen des Verteidigungshaushalts in den nächsten vier Jahren auf die vier Hauptausgabengruppen verteilt werden sollen, nämlich auf die fortlaufenden Personal-, Betriebs-und Sachausgaben, auf die Rüstung und Beschaffung, auf Infrastruktur, auf Forschung und Entwicklung. Sie haben Andeutungen dazu gemacht, Herr Minister Schröder. Aber das war noch etwas wenig. Wir müssen es etwas genauer erfahren. Erst wenn wir wissen, welche Beträge mittelfristig für Neu- und Umrüstung zur Verfügung stehen, können wir zutreffend die Beschaffungs- und Ausrüstungspläne der Teilstreitkräfte beurteilen. Vorher sind wir dazu leider nicht in der Lage.
Uns allen machen die Kosten neuer Waffensysteme wachsende Sorgen. Schon spricht man in der Öffentlichkeit von einer Kostenexplosion. Bei allen drei Teilstreitkräften gibt es zweifellos militärisch wohlbegründete Wünsche nach neuem und leistungsfähigem Gerät und nach Waffensystemen. Das Beschleunigungsmoment der Kostensteigerung hingegen ist dort ganz besonders groß, wo wesentliche Fortschritte in der Waffentechnik erreicht wurden. Leider werden wir bei der Beschaffung in zunehmendem Maße daher ein Prinzip in den Vordergrund zu rücken haben: Wir haben die Beschaffung auf das unbedingt erforderliche Maß zu beschränken, wobei auf das Wünschenswerte zugunsten des Möglichen häufig Verzicht geleistet werden muß.
Hierzu einige Beispiele. Das Heer steht immer noch mitten in der Umrüstung auf den Kampfpanzer Leopard und auf den Kanonenjagdpanzer. Dringend wird daneben ein neuer Schützenpanzerwagen benötigt. Ich habe das vor Jahresfrist hier schon einmal gesagt. Es ist sehr dringend. Der für wünschenswert gehaltene sogenannte „halbe Generationswechsel" würde die Umrüstung der mit dem amerikanischen Kampfpanzer M 48 ausgestatteten Einheiten mit einem weiteren modernen Kampfpanzertyp erforderlich machen. Ich spreche von Kampfpanzer 70, Herr Minister, der gemeinsam mit den USA entwickelt wird. Die Kosten dieses Typs, des Kampfpanzers 70, werden heute aber bereits auf das Dreifache der Kosten des Leoparden geschätzt. Was in der Wirklichkeit herauskommt, bleibt abzuwarten. Ich meine, daß eine weitere technische Verbesserung des Systems Leopard den Notwendigkeiten des Heeres entspricht. Die Wünsche nach teilweiser Umrüstung auf den Panzer M 70 berücksichtigen die finanziellen Zwangsläufigkeiten nicht ausreichend. Diese Umrüstung würde uns über die Grenze einer sinnvollen Modernisierung hinaustragen und würde uns gefährliche Folgelasten auf dem finanziellen Sektor aufbürden.
Das Heer steht darüber hinaus ja auch noch am Anfang des Aufbaus und der Umrüstung seiner Fliegerverbände. Man fordert einen neuen, technisch wesentlich anspruchsvolleren mittleren Hubschrauber, und man spricht schon von einem schweren oder mittelschweren Hubschrauber, ein Programm, dessen Beschaffungskosten sich auf mehr als 1 Milliarde DM erstrecken. Daneben muß die Heeresartillerie modernisiert werden. Es werden neue Geschütze und Werfertypen verlangt, ebenso neue konventionelle Munitionsarten. Auch auf dem Gebiete der Radfahrzeuge und des Pionier- und Fernmeldegerätes stehen Neu- und Umrüstungen bevor.
Die Luftwaffe möchte ein moderneres, für die gestellten Aufgaben besser geeignetes Flugzeug zur Schließung der sogenannten Aufklärungslücke bekommen. Die durch eine solche Umrüstung der Aufklärungsgeschwader frei werdenden Flugzeuge vom Typ F 104 G sollen dazu dienen, die natürliche Ausfallquote an Starfighterverbänden abzudecken, die „Bestandslücke" zu schließen. Wir werden zu prüfen haben, ob die Beschaffung einer ausreichenden Zahl von Aufklärern eines bestimmten Typs - ohne daß ich den Typ hier nenne - die Beschaffungsmöglichkeiten für die Luftwaffe insgesamt nicht so blockiert, daß die später notwendige Um- und Neurüstung unserer Verbände auf Schwierigkeiten stoßen würde. Wir haben das alles zu berücksichtigen. Wir sind heute schon in der Frage der Ablösung der F 104 G und Fiat G 91 in erheblichen Zeitdruck gekommen. Beide Typen werden Mitte des kommenden Jahr8810
zehnts aus Gründen der militärischen Leistungsfähigkeit, als wahrscheinlich auch aus Gründen der technischen Abnutzung, außer Dienst gestellt werden müssen.
Wir unterstützen die Bestrebung Ihres Ministeriums, Herr Schröder, der deutschen Luftfahrtindustrie in Zusammenarbeit mit anderen europäischen oder außereuropäischen Staaten die Aufgabe zu stellen, ein für mitteleuropäische Verhältnisse besonders geeignetes und finanziell verkraftbares Kampfflugzeug bis zur Serienreife zu entwickeln. Dieses Projekt wird aber auch über etwa 6 bis 8 Jahre finanziell durchgestanden werden müssen. Es sind jedes Jahr erhebliche Mittel für diesen Zweck in die Haushalte einzustellen, während gleichzeitig etwa in den Pershing-Verbänden erhebliche Aufwendungen für die Umrüstung und Modernisierung entstehen.
Darüber hinaus wird die Einführung moderner leichter Rohrflakgeschütze immer dringlicher. Es gibt auch durchaus berechtigte Wünsche der Luftwaffe auf dem Gebiet der elektronischen Führungssysteme, die es wahrscheinlich zu honorieren gilt.
Die Marine -- und endlich kann man einmal über jemanden etwas ganz Lobenswertes sagen - hat erfreulicherweise eingesehen, daß sie mit ihrem ehrgeizigen Zerstörerprogramm auf einem Wege war, der nicht sehr segensreich aussah. Hier in meinem Stichwortkonzept steht „falsch", aber ich wollte das nicht sagen, weil ich auch die Marine nicht kränken wollte. Die Marine wünscht sich neue Schnellboote, und sie braucht auch neue Schnellboote. Sie braucht Schnellboote mit moderner Bewaffnung. Sie braucht Luftabwehrraketenträger, schwimmende Einheiten. Sie braucht den Ausbau der U-Boot-Flotte und der U-Boot-Abwehrkapazität. Sie braucht das ebenso wie die Modernisierung ihrer Marineluftwaffe. Dazu braucht sie dann noch modernere Torpedos und automatisierte elektronische Führungssysteme.
Ich bezweifle nicht, daß das alles in den Führungsstäben sehr sorgfältig durchdacht und überlegt ist und daß alle diese Wünsche sorgfältig geprüft sind. Wir aber haben wesentliche Grundfragen zu beantworten. Ist es richtig, alle diese Wünsche in dem jetzt vor uns liegenden Finanzplanungszeitraum zu berücksichtigen? Sind wir sicher, daß der finanzielle Rahmen nicht nur für die nächsten vier Jahre ausreicht, sondern daß diese Programme auch in den darauffolgenden Jahren tatsächlich zum Abschluß gebracht werden können? Sind wir sicher, daß wir über einen ausreichenden finanziellen Bewegungsspielraum verfügen, um auch neuen, eben noch nicht voraussehbaren Erfordernissen genügen zu können? Sind wir sicher, daß die mit der Einführung moderner Waffen und modernen Geräten zwangsläufig steigenden Unterhaltungskosten den Rahmen unserer personellen und finanziellen Möglichkeiten nicht überschreiten, auch wenn man von einem 3%igen mittleren Wachstum des Verteidigungshaushalts in den kommenden Jahren ausgeht, wie es der Herr Verteidigungsminister am 6. Dezember und auch heute hier vor diesem Haus getan hat, einer Wachstumsrate, die ich als optimal ansehe im Rahmen der Möglichkeiten, die sich uns zeigen?
Trotzdem müssen wir ohne jede Beschönigung hier heute feststellen: Im Vergleich zu den progressiv wachsenden Rüstungskosten wird der Materialetat der Bundeswehr, also der Investitionshauhalt abzüglich der Kosten für Bauten und Infrastruktur, fast stagnieren. Er umfaßt seit einigen Jahren jährlich rund 4 Milliarden DM, und ihm werden zwingende Grenzen gesetzt durch die ebenfalls ständig steigenden Kosten für den laufenden Unterhalt. Die Kluft zwischen zur Verfügung stehenden Mitteln und den Kosten der neuen Waffensysteme wird sich weiterhin vertiefen.
Die Kollegen Althammer, Haase und Gierenstein haben in den Schlußbetrachtungen ihres Schriftlichen Berichts das Jahr 1968 ein „Übergangsjahr" genannt. In diesem Übergangsjahr sei es ihr Bestreben gewesen, die Betriebskosten der Bundeswehr in engen Grenzen zu halten, um einen finanziellen Spielraum für dringende Investitionen in den Bereichen des Rüstungsmaterials, der Infrastruktur und der Wehrtechnik zu sichern. Dieses Ziel, so schreiben sie, konnte in Zusammenarbeit von Berichterstattern und Regierungvertretern wegen der eingeschränkten Gesamtausgabe nur unter Schwierigkeiten erreicht werden.
Streckungen bei Betriebskosten und Beschaffungen können allerdings nur in Übergangsjahren anwendbare Mittel zur Beseitigung von Haushaltsschwierigkeiten sein, denn auf Streckungen kann man sich auf lange Sicht nur einlassen, wenn später desto höhere Summen zur Verfügung stehen. Sonst werden unvermeidlich die Finanzschwierigkeiten im Verteidigungsbereich in den kommenden Jahren wieder akkumuliert.
Wir warten alle gespannt auf den Rüstungsplan des Verteidigungsministeriums, der noch in diesem Monat vorgelegt werden soll. Wir hoffen zuversichtlich, daß dann die Zeit des Übergangs beendet werden kann. Wir erwarten darüber hinaus, daß der Rüstungsplan im Zusammenhang mit der Finanzplanung, der Personalplanung, mit der Planung der Infrastruktur und den sicherheitspolitischen Auffassungen dieser Regierung sich in Kürze in dem angekündigten Verteidigungsweißbuch niederschlagen wird. Ich weiß, Herr Minister Schröder, das ist schwierig, so ein Weißbuch zu verfassen, aber es ist nützlich. Sie winken mit einem Buch, welches leider wieder einen roten Streifen „Geheim" trägt. Wir aber brauchen ein offenes. Vielleicht ist es im Moment noch vertraulich, weil Sie nicht wünschen, daß Teile vorzeitig bekannt werden. Immerhin herzlichen Dank, daß Sie die Vorarbeiten hier vorzeigen können. Ich möchte Sie ermuntern: Bringen Sie die Sache zum Abschluß, das ist für die Politik gut, das ist aber auch für die Truppe gut, und das ist für die Publizisten recht nützlich, zu wissen, wohin der Weg geht.
Wir werden alle in diesem Hause darin übereinstimmen, daß die militärische Wünschbarkeit zukünftiger Rüstungsprogramme und Ausrüstungsplanung für uns Abgeordnete nur eine von mehreren Komponenten ist, auf die sich unsere haushaltsmäßigen Entscheidungen abstützen müssen. Als weitere Komponente nenne ich:
Erstens die Entwicklung der politischen Lage in Europa. Sie haben z. B. Andeutungen gemacht auf dem Gebiete der Rüstungs- und Ausrüstungspolitik und der Mobilisierungspolitik benachbarter Staaten, über die Entwicklung der politischen Lage in Europa und in der Welt und ihren Einfluß auf unsere langfristig angelegte Friedenspolitik, die uns allen eine Rüstungsverminderung in ganz Europa als äußerst dringlich erscheinen läßt, wenn sie gleichzeitig, gleichgewichtig und kontrolliert erreichbar ist. Die Verteidigungsplanung muß so flexibel angelegt sein, daß sie nicht in Widerspruch mit unseren außenpolitischen Zielsetzungen geraten kann.
Zweitens. Fragen der wirtschaftlichen Entwicklung und des technologischen Fortschritts sind für uns ebenso von Bedeutung wie die Weiterentwicklung der internationalen und vor allem der europäischen Zusammenarbeit auch in der Rüstungsforschung, in der Entwicklung und in der Rüstungsproduktion.
Nur die Abwägung aller Komponenten im Hinblick auf die zukünftigen und von uns angestrebten politischen Entwicklungen wird uns zu Entscheidungen befähigen, die wir über längere Zeit durchhalten und die wir verantworten können. Die Soldaten werden einsehen müssen, daß auf dem Wege dieses Entscheidungsprozesses mancher ihrer Wünsche auf der Strecke bleiben kann. Allerdings -- und das hat der Vorsitzende der SPD-Fraktion, Helmut Schmidt, bereits in der Wehrdebatte am 6. Dezember des vergangenen Jahres gesagt - werden wir, sowohl Parlament als auch Regierung, uns dabei leiten lassen müssen von dem Prinzip der Angemessenheit von politischem Auftrag für die Bundeswehr und verfügbaren Mitteln für Unterhalt und Ausrüstung der Streitkräfte, die diesen Auftrag erfüllen sollen.
Ein letztes Wort. Wir wissen, daß in den vergangenen Monaten und im vergangenen Jahr die Beamten, die Arbeiter und die Angestellten der Bundeswehr, aber insbesondere die Soldaten unter einem besonderen Druck gestanden haben. Sie wußten nicht genau, wohin die Reise ging. Hoffentlich wird diese Debatte und werden die Wochen danach Raum und Möglichkeiten geben, ihnen ganz klar zu sagen, wo ihr Auftrag ist, wohin ihr Weg führt, welche Möglichkeiten sie zu erwarten haben. Nur dann werden sie in der Lage sein, wieder etwas freudiger im Alltag dazustehen, und dann wird der Kummerbogen oder der Kummerkasten - ich weiß nicht, wie Sie das genannt haben, Herr Schultz -, werden die Kümmerchen bei den Soldaten auf das normale Maß, auf die Maßstäbe absinken, die wir überall im öffentlichen Leben anlegen müssen, nicht zuletzt hier in diesem Hause. Wenn die Soldaten und die Beamten, die Angestellten und die Arbeiter des Verteidigungsministeriums in dieser schwierigen Situation dennoch erfreulich zufriedenstellend ihren Dienst getan haben, so gebührt ihnen dafür unser Dank.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete von Wrangel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Interesse der Zeitökonomie will ich mich kurz fassen. Zu einigen Fragen, die der Herr Kollege Schultz hier angeschnitten hat, werden sich meine Freunde Damm und Ernesti noch äußern. Ich glaube aber doch, Herr Kollege Schultz, daß es notwendig ist, ein paar Worte zu den Ziffern 4, 5 und 6 Ihres Entschließungsantrags zu sagen. Ich glaube nicht, daß wir dies hier so stehenlassen können; denn in der Tat rührt das, was Sie im Zusammenhang mit der Abschaffung der nuklearen Komponente fordern, an die Kernfragen unserer Politik überhaupt. Es ist notwendig, daß wir gerade in diesem Punkt sehr genau sagen, warum wir Ihnen da nicht folgen können. Das, was Herr Minister Schröder heute morgen über das Kräfteverhältnis in Ost und West gesagt hat, ebenso wie das, was Kollege Althammer gesagt hat, spricht ja im Grunde genommen Bände.
Wir sollten hier, anknüpfend an das, was vorgestern abend vom Kollegen Genscher vorgetragen worden ist und was auch Kollege Eppler versucht hat, doch auch einmal den Versuch unternehmen, uns auf gemeinsame Begriffe zu einigen. Wir alle sind für eine Entspannungspolitik. Darüber besteht keine Meinungsverschiedenheit in diesem Hause. Nur müssen wir natürlich, wenn wir dies sagen, auch ganz klar definieren, was mit diesem Begriff gemeint ist. Liest man die Zahlen und nimmt man das zur Kenntnis, was General Lemnitzer erklärt hat, so kommt man sicherlich zu dem bedauerlichen Schluß, daß der Entspannungsbegriff der Sowjetunion nach wie vor, jedenfalls im militärischen Bereich, einen absolut polemischen Charakter hat.
Daraus ergeben sich selbstverständlich alle anderen Konsequenzen für den Warschauer Pakt und für die NATO. Ich wundere mich eigentlich darüber, daß man angesichts dieses Kräfteverhältnisses und angesichts einer zunehmenden Aufrüstung im Warschauer Pakt immer wieder so tut, als gäbe es im Augenblick Voraussetzungen dafür, die beiden Paktsysteme durch ein europäisches Sicherheitssystem zu ersetzen. Meine Damen und Herren, die Voraussetzungen sind nicht gegeben. Kein anderer als der Herr Minister Schröder hat in früherer Zeit ja alles mögliche versucht, um diese Voraussetzungen zu schaffen. Sie selber, Herr Kollege Schultz, haben auf die Friedensnote hingewiesen. Sie wissen, daß ja leider - wir bedauern dies - diese Vensuche nicht erfolgreich gewesen sind.
Herr Kollege Genscher hat - weil Sie sich auf ihn bezogen haben, muß ich das hier sagen - die Frage gestellt, warum wir denn einer Konferenz nicht zustimmen wollen. Herr Kollege Schultz, ich kann nur sagen: wir werden nicht auf eine Konferenz gehen, von der wir vorher wissen, daß wir dort mit einem Diktat konfrontiert werden sollen.
Nun erlauben Sie mir zur Forderung nach Abschaffung der Trägersysteme etwas zu sagen. Wenn ich von den Kernfragen der deutschen Politik sprach, so doch deshalb, weil mit diesen Anträgen desintegrierende Elemente in das westliche Bündnis hineingetragen werden. Es ist aber die Aufgabe der deutschen Politik, trotz aller Schwierigkeiten die Inte8812
Bration voranzubringen. Niemand, Herr Kollege Schultz, wird Ihnen unterstellen, daß Sie der kommunistischen Propaganda Vorschub leisten; niemand! Aber wir müssen natürlich auch damit rechnen, daß durch solche Anträge möglicherweise die andere Seite sich ermutigt fühlt, in einer Politik der harten Faust gegen die Bundesrepublik fortzufahren; und dies wollen wir nicht.
Der Verteidigungsminister hat es hier gesagt - und man kann es nur wiederholen -: Die Basis für jede deutsche Politik ist eben der Ausbau, die Integration, die Festigung dieses Bündnisses. Mit diesen Anträgen wird natürlich nicht die Festigung, sondern eine Schwächung des Bündnisses herbeigeführt. Ich glaube auch, daß hier der Ausgangspunkt für alle europäischen Überlegungen sowohl im Westen wie möglicherweise eines Tages auch in andere Räume hinein zu suchen ist.
Meine Damen und Herren, warum lehnen wir denn diesen Antrag und die ständig wiederholte Forderung nach Abschaffung der Trägersysteme ab? Wir haben keinen atomaren Ehrgeiz, und das haben Sie uns glücklicherweise auch nicht unterstellt. Aber hier hat Herr Kollege Berkhan von der Gleichwertigkeit, der Gleichrangigkeit, der Gleichzeitigkeit in der Abrüstung gesprochen, und davon kann ja im Augenblick überhaupt keine Rede sein; und solange davon keine Rede sein kann, müssen wir an diesen Waffensystemen festhalten, damit die Abschreckung in allen Phasen glaubwürdig bleibt;
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und dies ist ein entscheidendes Element unserer Sicherheitspolitik.
Man muß aber darüber hinaus auch noch einen anderen Gesichtspunkt hier anführen. Würden wir Ihrem Antrag folgen, Herr Kollege Schultz, dann bestünde die Möglichkeit - das sollte man mit aller Deutlichkeit sagen - für einen potentiellen Angreifer, dort anzugreifen, wo der Westen schlecht ausgerüstet ist. Diese Möglichkeit wollen wir ihm selbstverständlich nicht geben. Auch dies gehört zum Fragenkomplex der Glaubwürdigkeit.
Ein weiterer Gesichtspunkt ist der, daß wir auf Grund unserer Lage, auf Grund unseres Verteidigungsbeitrages selbstverständlich an den Planungen des Bündnisses beteiligt sein wollen, daß wir an den Planungen in diesem Bündnis mitwirken wollen. Ich glaube, auch dies sind wir einfach der Stellung der Bundesrepublik in der Welt schuldig.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Schultz?
Herr Kollege von Wrangel, würden Sie vielleicht so liebenswürdig sein, zu sagen, wo die Mitwirkung bezüglich der nuklearen Planung eigentlich stattfindet und, würden Sie mir zustimmen, daß das innerhalb der nuklearen Planungsgruppe ist und daß es dabei völlig unerheblich ist, ob wir nukleare Trägerwaffen haben oder nicht, wenn man die Prinzipien betrachtet, unter welchen diese Mitarbeit überhaupt seinerzeit geschaffen worden ist?
Herr Kollege Schultz, die Prinzipien und die Mitwirkung an der Planung, das ist eine lange, und, wie Sie selber wissen, dornenvolle Geschichte. Aber es gibt das McNamara-Komitee, und in ihm gibt es eine Mitwirkung der Bundesregierung an diesen Planungen. Auf eine ähnliche Frage - ich weiß nicht, ob Sie sie gestellt haben - hat hier Herr Schmidt von der SPD gesagt - ich teile seine Auffassung -, er glaube zu 90%, daß wir, wenn wir nicht an dieser Waffenentwicklung teilnähmen, sicherlich auch von den Planungen ausgeschlossen sein würden. Wie gesagt, ich teile diese Auffassung.
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- Herr Kollege Schultz, Sie sagen, diese Auffassung sei falsch. Mir kommt es manchmal so vor, als wenn Sie sich in dieser ganzen Frage der Sicherheitspolitik so verhielten wie jemand, der sich im Winter in ein Treibhaus setzt und glaubt, draußen sei Frühling.
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- Doch, Herr Peters, ich habe das sehr genau mitbekommen.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Berkhan?
Herr von Wrangel, als Sie ausführten, der Kollege Schmidt von der SPD habe gesagt, wir hätten keinen Einfluß, wenn wir nicht an dieser Waffenentwicklung teilnähmen, habe ich Sie da so richtig verstanden, daß sie mit dem Wort „Waffenentwicklung" gemeint haben: wenn wir nicht an der Planung beteiligt sind und wenn wir unseren Anteil an den Trägerwaffen nicht haben?
So habe ich es gemeint. Ich habe mich nicht so klar ausgedrückt, wie Sie es tun, Herr Kollege Berkhan. Deswegen bin ich Ihnen dankbar, daß Sie es hier noch klarer sagen.
Ein weiterer Gesichtspunkt ist der, daß nach unserer Auffassung eine Verbindung zwischen der Teilhaberschaft an diesen Trägersystemen und der amerikanischen Präsenz in Europa besteht. Trotz aller Schwierigkeiten, die hier immer wieder erwartet werden und die es auf Grund des amerikanischen Engagements in Vietnam gibt, ist es die Aufgabe der deutschen Politik, alle europafreundlichen Kräfte im Bündnis zu mobilisieren, und nicht umgekehrt, durch solche Anträge den europafeindlichen Kräften Auftrieb zu geben. Ich meine, diesen Gesichtspunkt muß man erwähnen.
Meine Damen und Herren, das folgende ist so oft gesagt worden und auch heute wieder auf Grund
der Zahlen so deutlich geworden, daß es einem peinlich ist, es zu wiederholen. Aber wenn solche Anträge gestellt werden, muß man es leider wiederholen. Die Bedrohung, die nach wie vor existent ist, kann man nicht an irgendwelchen Friedensdeklamationen messen, sondern an dem vorhandenen Kräftepotential des Ostblocks. Dieses ist nach wie vor vorhanden, ausgestattet mit Angriffswaffen. Wir wissen, daß die Ostblockstaaten heute schon über solche Trägersysteme verfügen.
Es ist gesagt worden - auch Sie, Herr Kollege Schultz, haben es heute gesagt; so ähnlich jedenfalls habe ich Sie verstanden -, angesichts der Arbeitsteilung im Bündnis sollten wir uns auf die konventionelle Rüstung beschränken. Wenn Sie da ganz konsequent sind und wenn Sie das Kräftepotential des Ostblocks heranziehen, dann müßten Sie allerdings so konsequent sein, daß Sie eine Verdoppelung oder sogar eine Verdreifachung der konventionellen Streitkräfte verlangen. Dies wäre eine Alternative, wenn auch eine schlechte, aber es wäre wenigstens eine Alternative. - Bitte schön!
Präsident .D. Dr. Gerstenmaier: Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Herr Kollege von Wrangel, ich möchte hier nicht die Zeit durch Zwischenfragen verlängern, weil wir ja, wie gesagt, fertig werden sollen. Aber: wären Sie mal so liebenswürdig und würden über die Frage der Arbeitsteilung mit Ihrem Fraktionskollegen Prinz Konstantin von Bayern sprechen? Er ist nämlich der Meinung bezüglich der Arbeitsteilung: wenn man z. B. auf ein europäisches Verteidigungsbündnis zurückgriffe, in dem Frankreich die nuklearen Waffen hätte, könnten wir uns durchaus mit der konventionellen Rolle beschränken. Aber vielleicht können Sie das innerhalb Ihrer Partei einmal ausdiskutieren.
Herr Kollege Schultz, die Anregung ist überflüssig. Ich unterhalte mich immer sehr gern mit meinem Freund Prinz Konstantin und werde das selbstverständlich fortsetzen. Ich wundere mich eigentlich darüber und habe mich vorgestern darüber gewundert, daß Sie neuerdings so gerne de Gaulle als Zeugen für die eine oder andere Sache anrufen, gerade dann, wenn es um das europäische Sicherheitssystem geht. Ich empfinde dies als eine Drehung um 180 Grad und hoffe, daß Sie bei der nächsten Drehung wieder auf dem richtigen Kurs sein werden. Gewiß nehmen Sie mir es nicht übel, daß ich diese Hoffnung habe.
({0})
Wir haben gesagt, warum wir diese Anträge ablehnen müssen: weil es hier um die Basis geht, von der aus die Bundesrepublik überhaupt eine effektive Politik betreiben kann, auch eine effektive Friedenspolitik. Diese Basis lassen wir uns nicht mit solchen Anträgen zerstören.
({1})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Ollesch.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Keine Sorge, die Rede wird nicht so lange dauern, wie es nach den Unterlagen und nach meinem Zögern bei dem Weg hierher aussah.
({0})
- Ich habe die Zeit angegeben, Herr Kollege, die ich in etwa brauchen werde. Ich nehme an, daß Sie mit mir zufrieden sein werden.
Der Herr Bundesverteidigungsminister hat bei seinem Vortrag über die Verteidigungskonzeption der NATO und - daraus folgernd - auch für die deutsche Bundeswehr im Dezember 1967 neben anderen Begriffen auch den Begriff der „abgestuften Präsenz" gebraucht. Die abgestufte Präsenz wurde aus dem Zwang herausgeboren, trotz Einsparung finanzieller Mittel und Verringerung der Personalstärke die Verteidigungskraft der Bundeswehr zu erhalten, sie sogar zu verstärken. Spannungszeit und Vorwarnzeit als Voraussetzungen zu einer Auseinandersetzung machten das Konzept der abgestuften Präsenz möglich.
Die Folge dieser abgestuften Präsenz ist die Schaffung von Kadereinheiten - so hat es der Bundesverteidigungsminister ja auch vorgetragen -, deren Basis wiederum längerdienende Soldaten sind. Die Kadereinheiten, die in ihren Führungsgremien aufgestellt werden, die mit dem notwendigen Material ausgerüstet sind, die im Spannungsfall mit mobilzumachenden Reservisten aufgefüllt werden, erfordern mehr Längerdienende, als es bisher schon infolge der Technisierung unserer Bundeswehr in allen Sparten der Fall war. Daran ist kein Zweifel möglich.
Wir werden uns also noch mehr als bisher damit beschäftigen müssen, junge Menschen zu gewinnen, die bereit sind, sich über den normalen Grundwehrdienst hinaus der Bundeswehr zur Verfügung zu stellen. Von den im Haushalt ausgewiesenen 457 000 Soldaten sind 276 000 Zeit- und Berufssoldaten. Wir haben aber bei den Beratungen des Verteidigungsausschusses über die Strukturveränderung innerhalb der Bundeswehr, und zwar bei der Debatte über die notwendige Verstärkung konventioneller Mittel für die Bundeswehr, erfahren müssen, daß zur Zeit rund 46 000 längerdienende Soldaten fehlen, davon rund 35 000 Unteroffiziere. Die Stellen sind zur Zeit durch Wehrpflichtige mehr oder weniger ausreichend ausgefüllt.
,({1})
- Ich gebe Ihnen recht, Herr Kollege Haase; sie sind völlig unzureichend ausgefüllt. Das sollte uns mehr noch als bisher Veranlassung sein, mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln die Gewinnung von längerdienenden Soldaten anzustreben.
Nun ist es ja in der Vergangenheit so gewesen
- und das ist heute noch der Fall -, daß mit finanziellen Anreizen, mit Verpflichtungsprämien und
Abfindungsgeldern versucht wurde, Wehrpflichtige zu einem längeren Verbleiben in der Bundeswehr zu bewegen. Wir stellen trotz aller Versuche auf diesem Sektor immer wieder fest, daß diese finanziellen Hilfsmittel keinesfalls ausreichend sind, um das Ziel zu erreichen, nämlich den Anteil der Längerdienenden in der Bundeswehr zu erhöhen. Es wird angestrebt, 62 % Längerdienende und 38 % Wehrpflichtige unter Waffen zu halten. Der heutige Status ist: 53 % Längerdienende, 47 % Wehrpflichtige.
Wir glauben, daß bei den Überlegungen über die Frage, wie es möglich wäre, ein Mehr an längerdienenden Soldaten zu erhalten, Besoldungsfragen und Berufssicherungsfragen eine größere Rolle spielen müssen, als es bisher der Fall war. Wir schlagen Ihnen vor, mit uns gemeinsam zu versuchen, das angestrebte Ziel auf den Wegen, die ich Ihnen kurz vortragen will, zu erreichen: erstens durch eine Besoldungsverbesserung für Zeitsoldaten. Wir haben im vergangenen Jahr das Erste Besoldungsneuregelungsgesetz verabschiedet, das gewisse Verbesserungen besoldungsrechtlicher Art für die Soldaten gebracht hat. Zur Zeit wird über das Zweite Besoldungsneuregelungsgesetz beraten, das Stellenanhebungen für Stabsunteroffiziere bis zum Hauptfeldwebel bringt. Wir hoffen, daß die Verabschiedung des Zweiten Besoldungsneuregelungsgesetzes bis zu den Sommerferien möglich ist, weil mit diesen Verbesserungen vielen Wünschen der Betroffenen, die uns immer wieder bei unseren Begegnungen mit Soldaten vorgetragen werden, Rechnung getragen werden kann.
Zum zweiten meinen wir, daß es klarere Besoldungsrichtlinien für Zeitsoldaten als bisher geben sollte. Die Zulagen müßten in Wegfall kommen, weil sie das Bild verwischen und bisher immer nur ein Hilfsmittel in der Auseinandersetzung um die Einstufung waren. Wenn man die nächsthöhere Einstufung nicht erreichen konnte, wurde zum Ausweg der Zulage gegriffen. Wir meinen also, daß die Soldaten in die Besoldungsordnung von A 1 bis A 16 bzw. B 3 durchlaufend eingegliedert sein sollten unter Wegfall aller bisher als Besoldungsausgleich gezahlten Zulagen.
Zum dritten meinen wir, daß die Änderung des Laufbahnrechts für Unteroffiziere nunmehr unausweichlich ist. Es ist eine fast vierjährige Auseinandersetzung zwischen dem Deutschen Bundeswehrverband, der die Berufsinteressen der Soldaten vertritt, und dem Bundesverteidigungsministerium festzustellen. Es hat in der Vergangenheit Zusagen gegeben, das Problem nunmehr in Angriff zu nehmen und zu bereinigen. Schon der vorvorherige Staatssekretär, Herr Staatssekretär Gumbel, hat dem Deutschen Bundeswehrverband in dieser Hinsicht fast feste Zusagen gegeben. Vorlagen zur Änderung des Laufbahnrechts für Unteroffiziere mit dem Ziel der Einführung einer vierten oder dritten Laufbahn - wie Sie wollen - liegen immer noch nicht vor.
Wir meinen, Herr Bundesverteidigungsminister, nachdem wir nun auf einem anderen Wege gehört
haben, daß die Vorlagen fast kabinettsreif sind, daß es endlich an der Zeit ist, dem Parlament Vorlagen zuzuleiten, damit das Problem noch im Jahre 1968 aus der Welt geschafft werden kann, das Problem, das verschärft wird durch die Tatsache, daß zur Zeit kaum noch Zeitsoldaten in den Status des Berufssoldaten überführt werden.
({2})
- Zur Zeit überführt werden, Herr Haase, nicht können! Ob sie können, ist eine ganz andere Frage,
({3})
Herr Haase, das hängt ja auch vorn Willen des Gesetzgebers ab. Natürlich sind jetzt die Stellen nicht vorhanden, nachdem der Personalstand auf dem Stand des Frühjahres 1967 angehalten wurde. Sicherlich! Aber das kann doch nicht so aussehen, daß die Soldaten nun in der Luft hängen, nicht übernommen werden. Mit dieser Absicht ist ein Großteil dieser Zeitsoldaten eingetreten, nämlich einmal Berufsunteroffizier zu werden. In dieser Hinsicht sind ihnen Versprechungen gemacht worden. Nun kommt gar nichts. Es kommt nicht die Übernahme, mit der sie gerechnet haben, es kommt nicht die vierte oder dritte Laufbahn. Sicherlich wird die dritte oder die vierte Laufbahn das Problem der Berufsunteroffi- ziere oder Zeitsoldaten nicht vollends lösen können. Es gibt aber noch andere Vorschläge, und wir haben ja hier einen Entschließungsantrag, der eine Lösung in anderer Richtung sucht. In der Vergangenheit sind von mir einige Male Lösungsmöglichkeiten vorgeschlagen worden.
Nun bin ich auch gleich beim vierten Punkt. Als Hilfe zur Werbung längerdienender Soldaten sehen wir die Einführung des Zivilversorgungsscheins an. Meine Damen und Herren, als ich vor zwei Jahren und im vergangenen Jahre davon sprach, fanden meine Überlegungen in dieser Richtung allgemeine Ablehnung.
({4})
- Allgemeine Ablehnung, Herr Haase. Ich kann sie
Ihnen nachweisen an Hand des Protokolls vom
13. Juni 1967, also vor knapp einem Dreivierteljahr.
Nun finden wir Freien Demokraten zu unserer Verwunderung einen Entschließungsantrag der CDU/CSU vor, in dem es zum Schluß heißt:
Die Bundesregierung wird aufgefordert, in der Bundesverwaltung sicherzustellen und mit den Landesregierungen und kommunalen Spitzenverbänden mit dem Ziel zu verhandeln, daß Soldaten auf Zeit anteilmäßig nach entsprechender Ausbildung und Prüfung vorrangig in den öffentlichen Dienst übernommen werden ({5}).
Bei der Sitzung am 13. Juni 1967, als ich den gleichen Gedanken hier vortrug, wurde mir von dem Kollegen Stahlberg geantwortet - und ich zitiere mit Genehmigung des Herrn Präsidenten den Absatz, der sich darauf bezieht -:
Damit
- das heißt, mit dem Zivilversorgungsschein - war man in der Vergangenheit nicht so zufrieden, Herr Kollege Ollesch, wie Sie meinen, daß es die Bundeswehr heute wäre. Ich muß feststellen: das, was erreichbar ist, ist heute in der Konzeption schon enthalten. Der Mann, der 12 oder 15 Jahre dient, hat die Möglichkeit, mit entsprechenden Qualifikationen in die Bundeswehrverwaltung überführt zu werden. Niemand hindert ihn daran. Er kann die Garantieerklärung dafür bekommen. Was Sie vorschlagen - Sie haben das als Ihre Lieblingsidee bezeichnet und gesagt, man sollte das einführen -, ist gar nicht neu.
Meine Damen und Herren, wenn Sie heute diesen Entschließungsantrag sehen, der auf einen Zivilversorgungsschein abzielt, können Sie doch nur mit mir feststellen: Das schien damals und scheint heute noch neu zu sein, wenn Sie das als Antrag einbringen.
Sicherlich gibt es eine Art Berechtigungsschein. Er ist auch eingeführt. Aber von diesem Berechtigungsschein oder Zulassungsschein haben in der Vergangenheit und auch heute, wie die Antwort des Bundesverteidigungsministers auf unsere Kleine Anfrage vom 14. Dezember 1966 ausweist, nur sehr wenig Soldaten Gebrauch gemacht. Und warum? Weil es eben keine Garantie für die Übernahme in die Verwaltung gibt und weil mit der angestrebten Übernahme in die Verwaltung neue Prüfungen verbunden sind und zum Teil sogar eine Herunterstufung und damit ein sozialer Abstieg für den betreffenden Soldaten erfolgt.
Heute wie damals ist das bisher praktizierte Verfahren unbefriedigend, und wir freuen uns, meine Damen und Herren von der CDU/CSU, daß Sie nun mit uns der Auffassung sind, wir sollten dem Gedanken des Zivilversorgungsscheins etwas nähertreten.
({6})
- Gut, ich will Ihnen das konzedieren. Herr Kollege Rommerskirchen, ich habe noch nicht genau untersucht, ob Sie damit über unsere damaligen Wünsche und Auffassungen hinausgehen. Das ist auch gar nicht so schrecklich interessant. Es ist zu begrüßen, daß wir nunmehr angesichts der ungelösten Probleme und der weitverbreiteten Unzufriedenheit unter den Unteroffizieren gemeinsam versuchen, eine Lösung zu finden. Es scheint mir das Erfreuliche an den jahrelangen, vielleicht auch zähen Auseinandersetzungen zu sein, daß am Ende dieser Auseinandersetzungen ein guter Ausweg stehen kann. Gönnen Sie der Opposition die kleine Freude - nicht den Triumph, Herr Kollege Damm -, daß es ihr mit ihren hartnäckigen Vorstößen nun wahrscheinlich doch gelingt, eine allgemeine Auffassung \des Hauses herbeizuführen, die eine befriedigende Lösung wahrscheinlich macht.
({7})
- Nein, Herr Kollege Rommerskirchen, das ist nicht meine Erfindung. Dieses System hat es ja schon einmal gegeben, auch mit Unzulänglichkeiten behaftet. Ich habe das nur immer wieder vorgebracht, weil ich früher einmal als Berufssoldat etwas Ähnliches angestrebt habe und wegen des totalen Zusammenbruchs 1945 nicht zum Ziel kam. Ich habe mich dann anschließend selbst versorgt und bin es zufrieden.
Wir sind weiterhin der Meinung, meine Damen und Herren, daß wir eine Änderung des § 70 des Soldatengesetzes mit dem Ziel ins Auge fassen sollten, die unterschiedliche Bewertung der Vordienstzeiten aus der Welt zu schaffen. Sie kennen das Problem der unterschiedlichen Bewertung, je nachdem, ob jemand nachweisen kann, daß er vor Ende des letzten Krieges Berufssoldat war, oder ob er das nicht nachweisen kann. Diese unterschiedliche Bewertung führt bei einem nicht ganz kleinen Personenkreis zu Nachteilen in der Festsetzung des Pensionsdienstalters, also der Höhe der Pension. Die Soldaten, deren Vordienstzeit nicht angerechnet wird, können die 75 % in der Pension nicht erreichen. Ich glaube, auch hier wäre ein Übereinkommen aller Fraktionen möglich.
Zum Schluß nur ganz kurz ein Problem, das uns zur Zeit im Verteidigungsausschuß und das darüber hinaus auch die ganze deutsche Öffentlichkeit beschäftigt: das Problem der Wehrungerechtigkeit, das wir gemeinsam mit dem Bundesminister der Verteidigung in einer kleinen Kommission zu lösen versuchen. Wir haben immer wieder und auch im vergangenen Jahr gefordert, daß mehr als bisher von dem Reservistenpotential Gebrauch gemacht werden sollte. Auch heute hat diese Frage hier eine Rolle gespielt; ich will sie nicht wieder bis ins kleinste auswalzen. Aber auch diese Frage spielt bei dem Problem der Wehrungerechtigkeit eine Rolle. Wir stellen fest, daß nur ein Drittel der jungen Menschen eingezogen wird, mit all den Unzuträglichkeiten, mit dem Ärger, der sich daraus für die Betroffenen ergibt, die feststellen müssen, daß ihre Kollegen, die nicht gebraucht werden, die mit kleinen Mängeln behaftet sind, die Ausbildungsgründe vorschieben oder auch Gesundheitsgründe darlegen können, in der Lage sind, ihre Ausbildung zu beenden, mehr zu verdienen als die Kollegen, die eingezogen werden. Die 18 Monate Wehrdienstzeit hängen den Soldaten fast die ganze Zeit ihres Berufslebens hindurch nachteilig an.
Das gleiche spielt sich zur Zeit auf dem Sektor der Übenden ab. Mir ist ein Fall bekannt, da hat ein junger Mensch seine 18 Monate Wehrdienst abgeleistet. Er gehörte also schon zu den Betroffenen. Er ist in dieser Zeit Unteroffizier geworden, weil er sich bemüht hat, ein guter Soldat zu sein, und weil die Anlagen dazu vorhanden waren. Er ist als Unteroffizier der Reserve entlassen worden. Dieser Mann wird nach einem Jahr wieder zu einer Wehrdienstübung eingezogen, die er gern macht. Er stößt sich gar nicht daran. Aber, meine Damen und Herren, er ist nun für seinen Arbeitgeber ein etwas unbequemer Arbeitnehmer. Er hat also nicht nur die 18 Monate dienen müssen im Gegensatz zu den 300 000
jungen Menschen eines jeden Jahrgangs, die das nicht brauchen, sondern er muß nunmehr noch als kleiner Teil der 150 000, die herangezogen werden, im Interesse unserer Landesverteidigung verstärkt Zeit und Geld opfern.
Es gehört mit zur Schaffung unserer Wehrfreudigkeit, die wir brauchen und die uns Politikern die Kommandeure immer wieder abverlangen - sie fordern ja von uns, wir als Gesetzgeber sollen ihnen den wehrfreudigen Mann schaffen -, es führt zur fehlenden Wehrfreudigkeit, wenn immer nur ein ganz kleiner Teil der jungen Menschen den Belastungen des Wehrdienstes ausgesetzt ist. Dieser Teil wird im nächsten Jahr wieder eingezogen, und niemand vermag dem Arbeitgeber, der sich dann von einem solchen Arbeitnehmer trennt, nachzuweisen, daß er sich deshalb von ihm getrennt hat, weil er ihm durch ständiges Üben unbequem wird. Der Arbeitgeber kann sich von ihm trennen, weil es neben dem kleinen Teil der Benachteiligten Hunderttausende junger Menschen gibt, die überhaupt nicht eingezogen werden. Dieses Problem, meine Damen und Herren, sollte bei der ganzen Beratung des Themas Wehrungerechtigkeit auch eine Rolle spielen.
({8})
- Herr Rommerskirchen, ich wollte heute in der
Öffentlichkeit nur einmal das Thema erläutern, weil
es in seiner Folgewirkung gar nicht übersehen wird.
Nun, meine Damen und Herren, seien Sie nicht ungehalten: ich bin im Grunde genommen mit meinen Ausführungen am Ende. Ich darf Ihnen danken, daß Sie mir so ruhig zugehört haben. Ich darf uns, den Freien Demokraten, wünschen, daß Sie in Zukunft vielleicht etwas weniger als bisher mit der leichten Hand über unsere Anträge und Anregungen hinweggehen. Die Vergangenheit hat gezeigt, daß wir vielleicht des öfteren etwas weit voraus waren, daß wir aber im Grunde genommen früher und klarer als Sie erkannt haben, was zweckmäßige und vernünftige Politik ist.
({9})
Das Wort hat der Abgeordnete Prinz Konstantin von Bayern.
Herr Präsident! Hohes Haus! Es war nicht meine Absicht, die Debatte noch durch einen Beitrag zu verlängern. Aber nun hat Kollege Schultz mich ja überraschenderweise zu einer Art Hilfstruppe der FDP hier aufgewertet - in Anführungszeichen -, im Gegensatz zu meinem Freund Wrangel und seinen Vorstellungen über Streitkräfte.
({0})
Darüber werden wir uns im Laufe der politischen Geschichte unterhalten können. Ich halte es jedenfalls für zweckmäßig - ({1})
- Aber, aber, lieber Freund, wollen wir jetzt in Wittelsbacher Heimatgeschichte machen oder in Verteidigungspolitik der Bundesrepublik?
Ich darf also zum eigentlichen Thema zurückkehren. Ich möchte diese Frage, welche Vorstellungen mich mit Ihnen verbinden und in Gegensatz zu Freund Wrangel stellen, sofort klären. Sie beziehen sich wahrscheinlich, Herr Kollege Schultz, auf einen Vortrag, bei dem Sie anwesend waren, den ich vor der Gesellschaft für Wehrkunde und Wehrtechnik in Bad Godesberg gehalten habe. So ist es doch. Sie wissen, daß solche Vorträge dem entsprechen, was in einem Generalstab das militärische Planungsspiel ist. Es waren politische Planungsvorstellungen, die meinerseits vorgetragen wurden. Ich bin der Meinung, daß man an dieser Stelle nicht Pläne diskutieren, sondern Fakten vortragen sollte.
Aber nun zur Klärung Ihrer Frage. Ich ging davon aus, daß ein Weniger an Integration im atlantischen Bündnis durch ein Mehr an Verdichtung der Verteidigungsfähigkeit im europäischen Rahmen ausgeglichen werden müßte. Wir waren uns auch darüber einig, daß, wenn ich von einer europäischen regionalen Verteidigungsorganisation neben einer maritimen atlantischen amerikanischen Verteidigungsorganisation in einem politischen Rahmen sprach, das hieß: eine europäische Verteidigungsorganisation in der NATO und nicht außerhalb. Soweit waren wir uns ja einig; nicht, daß hier ein neues Mißverständnis besteht. Ich sagte dann: es bietet sich für ein Zurück zu einer modifizierten EVG - denn es kann nicht die alte Vorstellung von der EVG sein - die WEU an.
Ich sagte, wesentlich im WEU-Vertrag ist Art. 5, der die Beistandspflicht „mit allen Mitteln" für jeden angegriffenen Partner beinhaltet, und „mit allen Mitteln" heißt nach meiner Auslegung auch: mit nuklearen Mitteln. Die Frage, die an einen französischen WEU-Partner zu stellen wäre, hieße also - und so habe ich es, glaube ich, vorgetragen -: Bist du im Rahmen einer neuen Europäischen Verteidigungsgemeinschaft der Sechs plus Sieben - das ist die WEU, also die Sechs plus Großbritannien - bereit, eine zusätzliche nukleare Garantie - ich sage: zusätzliche, weil sie kein Ersatz für die amerikanische nukleare Garantie ist - für die konventionellen Partner innerhalb einer solchen WEU-Verteidigungsorganisation zu geben?
Diese Überlegung bedeutet nicht, daß eine mögliche Arbeitsteilung so auszulegen ist, daß der konventionelle Partner. Bundesrepublik auf nukleare Träger zu verzichten hat. Warum? Weil ganz einfach, Herr Schultz, ich nach meiner Vorstellung ein Auto zwar nicht zu besitzen brauche, aber heutzutage den Führerschein haben muß, um überhaupt fahrfähig zu sein, und ohne einen Träger im eigenen Verteidigungssystem kann ich sozusagen den Fahrkurs für Verteidigung gar nicht machen.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Herr Kollege, wären Sie denn der Meinung, daß Sie unter allen Umständen einen
Führerschein auch dann machen müßten, wenn Sie niemals die Chance sähen, sich jemals ein Auto kaufen zu können?
Herr Kollege, ich muß zwar sagen, daß das eine sehr schön formulierte Frage ist. Aber meiner Ansicht nach stimmt diese Logik gar nicht; denn keiner von uns wird behaupten wollen - auch wenn er sich heute kein Auto leisten kann -, daß er nie in seinem Leben ein Auto besitzen wird. Es gibt zum Beispiel eine europäische Fahrgemeinschaft, die möglich sein kann.
Darf ich aus dieser Antwort schließen, daß Sie immer noch die Hoffnung haben, daß wir eines Tages über diese Atomsprengköpfe selbst verfügen können?
Herr Kollege, Sie irren sich. Ich habe die Hoffnung, daß wir im Rahmen einer europäischen Ordnung, die wir alle anstreben, auch zu einer europäischen Verteidigungskapazität kommen, die uns sozusagen die eigene Sicherheit garantiert. Das dürfte auch die nukleare Komponente einschließen. Die Überlegung, die Sie mir unterstellen, ist, wie ich jetzt in aller Freundschaft sagen möchte, falsch. Denn ich bin der Überzeugung, daß deutsche Wiedervereinigung europäische Vereinigung voraussetzt. Die gesamteuropäischen Kontakte müssen gefördert und dürfen im nationalen deutschen Interesse nicht behindert werden. Ich bin mir im klaren, daß die kleinste deutsche Minibombe die embryonalen Ansätze zu gesamteuropäischen Gesprächen zerstören müßte. Ist Ihre Frage damit beantwortet? - Danke!
({0})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Haase ({0}).
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will keine langen Ausführungen machen und nicht über Einzelheiten reden, wie es Herr Kollege Ollesch eben getan hat. Vieles von dem, was er vorgetragen hat, ist hinlänglich bekannt, zumindest denjenigen, die sich um die Dinge kümmern.
({0})
Ich will mich auch nicht in den Streit um die Vaterschaft beim Zivilversorgungsschein einschalten. Das mögen diejenigen unter sich ausmachen, die sich unmittelbar betroffen fühlen. Erlauben Sie mir nur einige kurze Bemerkungen zu den Entschließungsanträgen der FDP - Umdruck 430 *) - und der CDU/CSU - Umdruck 424 **) -.
Zu Ziffer 1 dos FDP-Entschließungsantrags! Herr Kollege Ollesch, wir stimmen Ihnen zu, daß hier ein Komplex vorhanden ist, bei dem man sagen kann:
*) Siehe Anlage 2 **) Siehe Anlage 4
Es liegen gewisse Ungerechtigkeiten vor, die ausgebügelt werden müssen. Nur meinen wir, daß es nicht so einfach ist, wie es in dieser Ziffer 1 dargestellt wird. Es müßte ernstlich geprüft werden, wie sich eine Gleichstellung der Soldaten auswirkt, die sich im Augenblick im gleichen Dienstalter befinden und trotzdem ungleich behandelt werden. Die Frage taucht ja erst dann auf, wenn sie mit 52 oder mit 60 Jahren pensioniert werden. Wir sind also bereit, diesen Absatz als Verhandlungsgrundlage im Verteidigungsausschuß zu akzeptieren.
Bitte schön, Herr Ollesch!
Zwischenfrage.
Herr Kollege Haase, sind Sie bereit, mir zuzugeben, daß unser Antrag die Überprüfung nicht ausschließt?
Ich habe ja gesagt, diesen Antrag, den Sie gestellt haben, halte ich für berechtigt, nur ist es nicht so einfach, wie es nach diesem Antrag den Anschein hat, daß man durch einen einmaligen, einen kleinen und geringen Gesetzgebungsakt diese Ungerechtigkeiten ausbügeln könnte. Da spielen viele andere Dinge mit hinein. Die zwischenzeitlich erworbene Anwartschaft, zum Teil auch die Versorgung aus dem zivilen Bereich der Sozialversicherung, die Doppelversorgung spielen mit hinein. Das muß alles bei der Beratung dieses Komplexes überlegt werden. Wir sind bereit, das mit Ihnen zu tun.
({0})
Zum zweiten Absatz des FDP-Antrages: Wir sind der Meinung, daß wir endlich einmal davon wegkommen sollten, zu glauben, daß wir nur durch eine Änderung oder Ergänzung des Laufbahnrechts für Unteroffiziere die anstehenden Probleme in ihrer Vielfalt lösen. Was wir brauchen, ist eine Reform des Personalrechts der Unteroffiziere, wenn Sie wollen, an Haupt und Gliedern. Wir müssen von unten her neu aufbauen. Ich verweise hierbei nur auf die Ausführungen, die ich am 7. Dezember in der Wehrdebatte für die SPD-Fraktion hier gemacht habe. Wir wären glücklich, wenn es gelänge, bezüglich dessen, was in dem Entschließungsantrag angesprochen ist, den wir gern dem Verteidigungsausschuß, für die genannten Gebiete auch dem Innenausschuß überweisen möchten, bis zum Ende dieses Jahres endlich zu einer Lösung zu kommen.
Persönlich gehe ich sogar über die Forderungen der FDP-Fraktion hinaus. Ich möchte nicht nur, daß wir bis zum Ende des Jahres beratungsreife Vorschläge der Regierung vorliegen haben, sondern ich möchte, daß wir diese Vorschläge so rechtzeitig bekommen, daß wir bis zum Ende des Jahres die Beratung abgeschlossen haben.
Zum dritten Absatz, meine Herren von der FDP: Da spielen wir nicht mit, weil das einfach nicht geht. Sie können den Vierteljahresturnus nicht in einen Halbjahresturnus umändern, ohne eine Unzahl von
Haase ({1})
Schwierigkeiten herbeizuführen, die insbesondere bei der derzeitigen Personalsituation unlösbar sind. Wenn Sie die gleiche Zahl von Soldaten nicht vierteljährlich, sondern halbjährlich der Grundausbildung zuführen wollen, müssen Sie den Umfang an Gerät und Personal der Ausbildungseinheiten verdoppeln. Wenn Sie nun gleichzeitig noch, Herr Kollege Schultz, die Dienstzeit von 18 auf 12 Monate herabsetzen wollen, wird sich ja die Anforderung an diese Ausbildungseinheiten erhöhen. Dann überlegen Sie bitte: Wenn die Grundausbildung drei Monate beträgt und Sie mobile, funktionsfähige Ausbildungseinheiten haben, die nur alle sechs Monate Nachschub zur Ausbildung bekommen: was sollen die denn in den nächsten drei Monaten machen? Sollen die jeweils in ihrer Aufgabenstellung geändert werden, oder sollen die in dieser Zeit, wie es im Militärischen so schön heißt, herumgammeln? Das wollen wir doch sicherlich alle nicht. Das also zu diesem Absatz.
Jetzt noch ganz kurz zu dem Entschließungsantrag der CDU/CSU-Fraktion. Wir haben ihn nicht mit unterzeichnet, weil wir der Meinung sind, daß es an sich etwas zu wenig ist, was darin steht. Die Frage des Zivilversorgungsscheins ist nur ein Teilproblem der Gesamtproblematik. Wir wollen das, was hier geschrieben steht, bei der weiteren Behandlung gern unterstützen, möchten aber deutlich zum Ausdruck bringen, daß das nur ein Teilproblem in einer Vielschichtigkeit von Problemen ist, vor die wir gestellt sind. Genauso verhält es sich mit dem Bemühen um die Erhöhung der Zahl der längerdienenden Soldaten im Verhältnis zu den Wehrpflichtigen.
Zusammenfassend zu diesem Komplex ganz kurz folgendes - und das möchte ich an den Herrn Minister gewendet sagen -: Herr Minister, es herrscht eine außerordentliche Unruhe insbesondere im Unteroffizierskorps der Bundeswehr. Es gibt Enttäuschungen, nicht erfüllte Hoffnungen, mangelnde Beförderungsmöglichkeiten wegen Stellenblockierung, obgleich Leistungsvoraussetzungen bei den einzelnen Soldaten seit langem gegeben sind. Dies ist eine Unruhe, die zum Teil politisch gefährliches Ausmaß annimmt. Unter Hinweis darauf und auf die Erfahrungen einer Vielzahl von Truppenbesuchen - es geht nicht nur mir so, sondern vielen Kollegen dieses Hohen Hauses -, bei denen wir uns immer bemühen, mit den unmittelbar Betroffenen das offene Gespräch zu führen, sehe ich mich veranlaßt, Sie hier aufzufordern, das Problem so schnell wie möglich in den Griff zu bekommen und es so schnell wie möglich einer parlamentarischen Lösung zuzuführen.
Und ein Letztes, aus dem Bereich der Wehrgerechtigkeit: Es gibt nichts Schlimmeres, als jungen Menschen Versprechungen zu machen, die nicht gehalten werden können. Es gibt nichts Schlimmeres für die psychologische Verteidigungsbereitschaft des Volkes als die Unglaubwürdigkeit derer, die unmittelbar mit Landesverteidigung zu tun haben. Als die Schuljahrumstellung in den Ländern der Bundesrepublik Zug um Zug erfolgte, wurde den Abiturienten die Zusicherung gegeben, daß sich daraus für sie ergebende Härten in der Ableistung ihrer Wehrpflicht im Verhältnis zum Beginn des ersten Studiensemesters ausgeglichen werden sollten. Im Augenblick haben wir folgenden Tatbestand zu verzeichnen: Ein nicht unbeachtlicher Teil der Abiturienten, die einberufungsfähig sind, werden nicht einberufen, weil die Plätze für sie nicht zur Verfügung stehen. Sie sind also den anderen gegenüber schon im Vorteil. Diejenigen, die einberufen werden - in der Regel im unmittelbaren Anschluß an das Abitur -, werden zum 1. Juli einberufen, und sie dienen 18 Monate bis zum 31. Dezember des nächsten Jahres. Sie haben dann erst im Mai des darauffolgenden Jahres die Möglichkeit, ihr Studium aufzunehmen. Das zeitliche Opfer, das sie bringen müssen, beläuft sich also nicht auf 18 Monate, sondern auf fast zwei Jahre gegenüber denen, die das Glück haben, nicht gefordert zu werden. Das trifft auch zu auf einen Teil der Nichtabiturienten, die die Absicht haben, im Anschluß an die Lehrzeit ein Studium an einer technischen Lehranstalt aufzunehmen. Auch dort bestehen diese Schwierigkeiten, die so lange vorhanden sein werden, wie die Länder den Semesterbeginn nicht entsprechend der Neuregelung der Schulzeitbeendigung umgestellt haben in dem Sinne, daß das also wieder ineinanderfließt und miteinander harmonisiert.
Ich möchte Sie bitten, Herr Minister - ein entsprechender Brief von mir liegt bei Ihnen im Hause vor -, dieses Problem sehr ernst zu prüfen, um zu vermeiden, daß wir den jungen Menschen gegenüber, die ohnehin, zum Teil mit Recht, sehr unruhig geworden sind, auch noch unglaubwürdig werden.
({2})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Ernesti.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich werde unter fünf Minuten bleiben. Ich möchte nur zwei Bemerkungen machen: zum Entschließungsantrag Umdruck 424 und zur Dauer des Grundwehrdienstes. Meine Freunde aus der CDU/CSU-Fraktion und ich haben zur Kenntnis genommen, daß die Bundesregierung zum derzeitigen Zeitpunkt bei 18 Monaten Grundwehrdienst bleibt. Wir akzeptieren die Gründe, die dafür angeführt werden; ich brauche sie im einzelnen hier nicht noch einmal zu erläutern.
Zwei Gründe aber sollten wir nicht aus dem Auge verlieren: einmal die militärische Fähigkeit der Warschauer Paktstaaten zu einem Angriff und zweitens die Auswirkungen einer Herabsetzung auf unsere Bündnispartner. Auch mir - Herr Kollege Schultz und Herr Kollege Ollesch - erscheint der Anteil von 52 % Wehrpflichtiger in einer hochtechnisierten Armee wesentlich zu hoch. Deswegen meine ich, dieses Haus muß alle Maßnahmen unterstützen, die den Anteil der Zeitsoldaten erhöhen. Ich glaube, durch das Fehl an Unterführern hat die Bundesregierung jahrelang einen Teil der Präsenz auf die Wehrpflichtigen abwälzen müssen. Wenn es uns gelingt, den Anteil der Zeitsoldaten wesentlich zu erhöhen, wird das nicht ohne Auswirkungen auf die Dauer des Wehrdienstes bleiben.
Gegenwärtig sind nach der Planungsnorm fast 50 000 Wehrpflichtige auf Stellen eingesetzt, die eigentlich von Längerdienenden eingenommen werden müßten, und diese Zahl wird sich durch die Einschränkung des Z 2-Soldaten bald sogar auf 77 000 erhöhen. Ich glaube, an dieser Stelle sollten wir einmal den Wehrpflichtigen, die jahrelang für einen Wehrsold von 90 DM diese verantwortungsvolle Funktionstätigkeit ausgeübt haben, unseren Dank aussprechen.
({0})
Um die Voraussetzungen für die Gewinnung von Längerdienenden zu schaffen, hat meine Fraktion Ihnen einen Entschließungsantrag vorgelegt, der darauf abzielt, einem Zeitsoldaten nach Ablauf seiner Dienstzeit die Sicherheit zu geben, die er verständlicherweise anstrebt. Innerhalb der Bundeswehr ist das leider nicht möglich. Der Anteil der Berufssoldaten, also der Soldaten mit Sicherheit auf Lebenszeit, kann nicht erhöht werden. Er liegt zur Zeit bei 11%. Die notwendige Verjüngung einer Armee zwingt einfach dazu, den Status des Zeitsoldaten in den Mittelpunkt zu rücken.
In diesem Zusammenhang darf ich noch ein Wort zu der Konstruktion sagen, wonach mein Kollege Stahlberg nicht für einen solchen Garantieschein gewesen sei. Herr Kollege Ollesch, als diese Diskussion geführt wurde, gab es 2, 3%, die diesen Garantieschein beanspruchten. Inzwischen hat sich die Lage völlig geändert. Wir haben 6000 Stellen in der Bundeswehrverwaltung gestrichen, die nicht mehr zur Verfügung stehen, und wir haben einen wesentlich höheren Anteil derjenigen, die diese Sicherheit für sich in Anspruch nehmen wollen. Das kann also innerhalb der Bundeswehr einfach nicht mehr in vollem Umfang erfüllt werden. Ich meine, der Staatsdiener - und das ist der Zeitsoldat -, der in der Mitte seines beruflichen Lebensweges plötzlich seinen erlernten Beruf verlassen muß, hat einen Anspruch auf eine entsprechende Unterbringung. Mit unserem Entschließungsantrag wollen wir die Bundesregierung ermuntern, Verhandlungen in dieser Richtung aufzunehmen. Ich streite nicht über die Urheberrechte. Meine Aufgabe ist es hier, mitzuhelfen, daß die Bundeswehr das Personal bekommt, das notwendig ist, damit sie ihren Auftrag erfüllen kann.
Gestatten Sie mir noch zwei Bemerkungen. In der letzten Zeit wird viel vom gespaltenen Wehrdienst gesprochen. Ich begrüße das. Vielleicht gibt er uns die Möglichkeit, in einigen Bereichen dann die Wehrpflicht herabzusetzen, und vielleicht könnten dann auch beschränkt Taugliche in einer größeren Zahl in der Bundeswehr Verwendung finden.
Der zweite Punkt. Das Hohe Haus sollte sich wirklich überlegen, ob wir nicht in Zukunft den gleitenden Wehrdienst, wie er in Frankreich üblich ist, einführen könnten. Dadurch würde die Bundesregierung in die Lage versetzt, ohne großen Zeitverlust je nach Weltlage und Freiwilligenaufkommen in einer Spanne von etwa 12 bis 18 Monaten diesen Wehrdienst festzulegen. Das würde auch dem flexiblen Konzept der NATO .entgegenkommen.
Eine wesentliche Voraussetzung bleibt selbstverständlich, ob es uns gelingt, diesen Soldaten auf Zeit zu gewinnen. Unser Antrag soll dazu eine Hilfe sein. Ich bitte das Hohe Haus, diesen Entschließungsantrag zu unterstützen. Im übrigen bitte ich namens meiner Fraktion, den Änderungsantrag Umdruck 432 nicht an den Ausschuß zu verweisen, sondern ihn abzulehnen, da die Punkte im Ausschuß hinreichend beraten und geklärt worden sind.
({1})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Jung.
Meine Damen und Herren, ich mache darauf aufmerksam, ,daß es im dringenden Interesse des Hauses liegt, wenn wir über den Einzelplan 14 noch heute vormittag vor der Mittagspause abstimmen. Ich bitte deshalb die Redner, sich entsprechend kurz zu fassen.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren!! Die Reaktionen von seiten des Herrn von Wrangel und des Prinzen Konstantin auf die Ausführungen meines Kollegen Schultz zeigen mir, daß der Kollege Schultz als altgedienter Panzerkommandeur doch noch genau zielen und die Große Koalition an empfindlichen Stellen treffen kann.
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Aber es ist ja nicht nur unser gutes Recht, sondern auch unsere Pflicht als Opposition, auf verschiedene Mängel in der Verteidigungspolitik dieser Regierung hinzuweisen.
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Wie Herr Kollege Schultz feststellte, zeigt sich doch, daß dieses gezielte Punktfeuer erste Wirkungen zeitigt. Schließlich kann man sich auch nicht auf die Dauer unseren Schlußfolgerungen, die ja logisch aus den Beschlüssen und Erkenntnissen der NATO-Rats-Ministerkonferenz, aus dem Verhalten unserer Partner und aus der sich abzeichnenden möglichen Wandlung innerhalb der NATO abgeleitet sind, verschließen.
Es ist auch nicht unverständlich, Herr Kollege von Wrangel, daß wir endlich nach der langen Phase des Nachdenkens und Überlegens das Ergebnis, nämlich eine Verteidigungskonzeption, hier diskutieren möchten, nach der wir alle unsere Planungen und unser Handeln und die erforderliche Mittelbereitstellung ausrichten können. Der vielzitierte Rüstungsplan z. B. kann doch nur dann richtig aufgestellt werden, wenn 'ein Konzept, eine Zielvorstellung davon 'da ist, welche Aufgaben zu erfüllen sind und welche Mittel in unserer Lage 'hierfür am besten geeignet sind.
In den Debatten des vergangenen Jahres und auch in den Debatten der vorvergangenen Jahre haben deshalb nicht nur wir, sondern auch andere Fraktionen in diesem Hause eine endgültige Organisation der Gesamtverteidigung unter Einbeziehung auch der notwendigen Umorganisation des Vertei8820
digungsministeriums gefordert; wobei das Organisationsgesetz, meine Kollegen von der CDU, gar nicht so starr ausgerichtet zu sein braucht, es gibt da immer Möglichkeiten, innerhalb des Organisationsgesetzes auch die Flexibilität, die für die Zukunft erforderlich ist, zu gewährleisten.
Wenn nach unserer Meinung z. B. die Mehrgleisigkeit durch eine durchgehende Kommandostruktur ersetzt wird, wenn eine klare Gliederung und ein klarer Aufbau unter Einbeziehung von Kadereinheiten, die Ausschöpfung von Reservisten oder auch die Einbeziehung von Einheiten z. B. nach dem holländischen Prinzip der inneren Rotation erfolgt ist, dann kann man doch die Personalplanungen, die Waffen- und Geräteplanungen unter den notwendigen militärischen, betriebswirtschaftlichen und kaufmännischen Gesichtspunkten exakter durchführen, als es derzeit möglich ist. Dann kann man auch mit Sicherheit die Präsenzstärke verändern. Ich bin sehr dankbar, daß Herr Kollege Ernesti gerade jetzt einiges dazu gesagt hat. Denn ich bin sicher, Herr Kollege Ernesti, daß man die Dienstzeit reduzieren kann, wenn man den Dienstbetrieb umgestaltet und intensiviert und wenn man die Organisation entsprechend ändert. Dann kann man auch mehr Gebrauch machen von der jetzt schon gegebenen gesetzlichen Möglichkeit des verkürzten Grundwehrdienstes, wie Sie soeben angeführt haben, zumal dann auch das psychologische Handicap, das wir derzeit durch die große Wehrungerechtigkeit haben, sicherlich abgebaut werden könnte. Die psychologische Verteidigungskraft würde dadurch nach unserer Meinung nur gestärkt werden. Wenn aber - was wir immer wieder beklagt haben - auch auf dem Sektor der Verteidigungspolitik die Unbeweglichkeit praktiziert wird, dann darf man sich eben nicht wundern, wenn die Kritik wächst; und je unbeweglicher ein Ziel ist - das ist jedem Soldat bekannt -, um so höher ist die Trefferzahl.
Warum eigentlich liegt bis heute dem Verteidigungsausschuß zur Haushaltsberatung ein an einem vernünftigen Verteidigungskonzept orientierter Rüstungsplan für die kommenden Jahre nicht vor? Warum eigentlich, nachdem man hört, daß am 9. April die Regierung darüber berät? Warum fordert man nun von diesem Hause für verschiedene Ausgaben quasi einen Blankoscheck? Ich glaube nicht, Herr Minister, daß durch dieses Verfahren das Vertrauen zwischen dem Parlament und dem Ministerium besonders gestärkt wird. Ich hätte es für richtig gehalten, wenn dem Verteidigungsausschuß bis zum heutigen Tage eine exakte Planung vorgelegt worden wäre. Dann hätten wir hier viel besser und für die Zukunft der Bundeswehr viel bedeutsamer diskutieren können.
Ein Beispiel: In der Debatte im vergangenen Dezember habe ich schon ganz klar angekündigt, daß wir genau wissen wollen, was z. B. für die Erfüllung der Aufgaben der Luftwaffe geschehen muß, welches Flugzeug die derzeitige Flugzeuggeneration, das F-104-Waffensystem und die G 91, in den 70er Jahren ersetzen soll. Ich habe auch angekündigt, daß wir oppositionellen Freien Demokraten nicht bereit sind, irgendwelchen Phantomen nachzujagen.
Immerhin, Herr Minister, hat die Kontroverse vom 617. Dezember offensichtlich dazu geführt, daß zumindest die Titelbegründung geändert worden ist. Ich habe die Hoffnung, daß dies nicht der einzige Erfolg gezielter Oppositionskritik bleibt. Da wir nicht bereit sind, die Katze im Sack zu kaufen, und die Vorstellungen des Ministeriums dem Verteidigungsausschuß bis heute nicht vorgelegt worden sind, haben wir in unserem Änderungsantrag beantragt, die 100 Millionen DM Anlaufkosten, die zwangsläufig Milliardenbeträge nach sich ziehen, in Kap. 14 19 Tit. 965 ersatzlos zu streichen.
Nun argumentiert man hier damit, daß die Aufklärungslücke - das ist der neue Begriff - gefüllt werden muß. Dazu möchte ich folgendes sagen. Die Aufklärungslücke hat bisher schon bestanden, obwohl uns die Sache immer etwas anders dargestellt wurde. Hier darf ich daran erinnern, daß bei der Beschaffung und Indienststellung des Starfighters der damalige Verteidigungsminister Strauß von dessen besonderer Mehrzweckeignung sprach und dabei insbesondere auch die Aufklärungskapazität herausstellte.
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- Herr Stahlberg, wenn wir bisher - seit zehn Jahren ist das Waffensystem eingeführt - mit dieser Aufklärungslücke lebten, können wir wohl auch noch einige Zeit mit ihr weiterleben. - Herr Berkhan, bitte schön!
Zwischenfrage des Abgeordneten Berkhan!
Herr Jung, können Sie mir zugeben, daß die Strategie der „flexible response" eine erhöhte Beachtung der Aufklärung erfordert, weil sonst nicht flexibel reagiert werden kann?
Ich gebe Ihnen da völlig recht, Herr Kollege Berkhan. Wenn Sie jetzt nicht diese Zwischenfrage gestellt hätten, wäre ich gleich mit dem nächsten Punkt darauf gekommen. Wenn die Aufklärungslücke erst durch eine neue Konzeption entsteht, z. B. durch Änderung der Aufgabenteilung, dann müssen wir, Herr Kollege Berkhan, denjenigen, der diese Aufgabe bisher schon erfüllt hat, bitten, sie so lange weiter zu erfüllen, bis wir mit geeigneten Flugzeugen in den 70er Jahren in der Lage sind, diese Aufgabe zu übernehmen.
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Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Klepsch!
Herr Kollege Jung, würden Sie uns einmal erklären, was Sie unter der Aufklärungslücke, von der Sie fortgesetzt sprechen, präzise und konkret verstehen?
Ich habe nicht von mir aus von der Aufklärungslücke gesprochen, sondern ich habe geJung
sagt, daß die Aufklärungslücke heute die Begründung für diesen Titel ist. Ich kann Ihnen sagen, Herr Kollege Klepsch, was ich unter der Aufklärungslücke verstehe. Die Aufklärungslücke, die wir in den 70er Jahren schließen müssen - darin besteht unsere Aufgabe, insbesondere was die Heeresaufklärung angeht -, kann mit diesem Waffensystem meines Erachtens nicht gefüllt werden. Hier geht es darum, eine Aufklärungslücke zu füllen, um gewisse Trägersysteme zum Einsatz zu bringen. Sie werden ja wahrscheinlich nicht daran rütteln können, daß man diese „Phantom" z. B. für eine gewisse Eindringtiefe braucht. Das ist eben die Voraussetzung zum Einsatz bestimmter Trägersysteme. - Ich bin aber gern bereit, Herr Kollege Klepsch, Ihnen persönlich einmal einige Dinge über Waffensysteme der Luftwaffe zu erläutern. Ich glaube, dazu bin ich ganz gut in der Lage.
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Ich möchte noch eines sagen. Wenn die Abzüge jetzt gerade bei der IV. ATAF erfolgen, dann haben sie leider, das muß ich hier einmal sagen, den peinlichen Beigeschmack, daß die Aufklärungslücke möglicherweise erzeugt wird, um auch - ich möchte den Ausdruck gebrauchen - bestimmte Pressionen auszuüben,
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um eventuell im Rahmen des Devisenausgleichsabkommens doch noch ein Waffensystem zu beschaffen, das bei unseren Verbündeten in den siebziger Jahren - also in der Zeit, wenn es bei uns zur Einführung kommt - langsam ausläuft; gewissermaßen ein Anschlußauftrag für amerikanische Firmen.
Machen wir uns doch nichts vor! Die hohen amerikanischen Verteidigungsausgaben haben doch die Aufgabe, zugleich die Wettbewerbsfähigkeit der amerikanischen Wirtschaft auf dem Weltmarkt zu stärken, den amerikanischen Führungsanspruch in der westlichen Welt zu verteidigen und das nationale Sicherheitsbedürfnis der Vereinigten Staaten zu befriedigen.
Herr Verteidigungsminister Schröder hat vor kurzem erklärt, daß Waffen- und Ausrüstungskäufe nicht weiter als Funktion des Devisenausgleichs gelten können. Das läßt uns hoffen! Warum soll die Bundesrepublik angesichts eines absinkenden technologischen Gefälles zum Ausland und den damit verbundenen Konsequenzen für die Rolle ihrer Wirtschaft auf dem Weltmarkt nicht in gleicher Weise ihre Verteidigungsausgaben einsetzen? Die anderen europäischen Länder denken ebenso im Blick auf ihre nationalen Belange wie auf die Zukunft Europas als eines dritten Wirtschaftsblocks. Sie fordern zur Befriedigung des gemeinsamen Sicherheitsbedürfnisses auch gemeinsame Bemühungen um eine Förderung der Technologie in Europa. Präsident de Gaulle z. B., der heute wiederholt zitiert wurde, stellt vor eine wirtschaftliche Integration Europas eine technologische.
Für die Entwicklung von Flugzeugwaffensystemen als gemeinsames Technologieprogramm bietet sich nur alle 8 bis 10 Jahre die Gelegenheit zum Generationswechsel. Darum muß die nicht mehr lange bestehende Chance genutzt und für die Ablösung des Starfighter und der G 91 ein Ablösemuster - eventuell gemeinsam - entwickelt werden. Der für 1975 festliegende Ablösungstermin für das Starfighter-Waffensystem und für die G 91 - bekanntlich besteht für Flugzeugwaffensysteme die übliche Entwicklungszeit von mindestens sieben Jahren bis zur Einführungsreife - läßt uns keine Zeit zum Zögern, wenn wir mit dem nächsten Programm nicht wieder eine amerikanische Technologie fördern wollen.
Wir fordern deshalb im nationalen wie im europäischen Interesse, die technologische Zusammenarbeit in Europa mit allen Mitteln zu fördern und die Entwicklung eines Starfighter-Nachfolgers vorrangig sicherzustellen und mit aller Dringlichkeit zu betreiben.
Wir fordern zweitens, die vorgesehenen 2 bis 3 Milliarden DM zur Beschaffung eines Aufklärers zur Schließung der vorübergehenden Lücke technologisch wirksamer einzusetzen - die Zahl ist nicht bekannt, weil, wie gesagt, der Rüstungsplan fehlt und die definitiven Zahlen und auch das Muster bisher nicht benannt wurden, das hierfür beschafft werden sollte - und im Rahmen der Arbeitsteilung den Vereinigten Staaten zu der Verfügungsgewalt über Kernwaffen auch die hierfür notwendige Aufklärung zu überlassen. Drittens fordern wir, bei der Vergabe künftiger Forschungs- und Entwicklungsaufträge an die Industrie darauf zu achten, daß die betreffenden Firmen die Voraussetzungen für eine Kommerzialisierung des bei diesen Aufträgen für neue Entwicklungen abfallenden Know-hows bieten und Erfahrungen in der Technologie, des Managements komplexer Systeme, sammeln. Das wird zweifellos auch die notwendige Fusion fördern.
Deshalb haben wir beantragt, in Kap. 14 02 den Tit. 309 - Wehrtechnische Entwicklung und Erprobung - um 20 Millionen DM aufzustocken, um das deutsche Projekt NKF vordringlich, und zwar sofort beginnend, zu entwickeln, damit es Mitte der 70er Jahre für diese Aufgaben verfügbar ist.
Nun genügt das allerdings nicht; denn in dieser Phase der Entwicklung muß ja die Kapazität der deutschen Luftfahrtindustrie aufrechterhalten werden, um sie nach der Entwicklung und Erprobung dann auch für die Produktion nutzen zu können. Das ist nach unseren Vorstellungen so möglich: Da im Rahmen der Verteidigungskonzeption der FDP bei einer Arbeitsteilung - darüber ist hier schon wiederholt gesprochen worden - im Bündnis eine Stärkung der konventionellen Schlagkraft der Bundeswehr angestrebt wird, muß nach unserer Meinung auf die Luftbeweglichkeit des Heeres besonderer Wert gelegt werden.
Den Heeresfliegern kommt also bei der Vorneverteidigung, wie sie von Herrn Minister Schröder genannt wurde, eine ganz besondere Bedeutung zu. Die hochtechnisierten Kerneinheiten des Heeres müssen sich die dritte Dimension zunutze machen, um den Aufbau, die Versorgung und eventuell die Auflösung von Verteidigungsinseln in einem
schnellen Bewegungskrieg zu ermöglichen. Dem Hubschrauber müssen wir in diesem Fall nicht nur im Führungs- und Kampfeinsatz, sondern vor allem auch im Transporteinsatz als hochgeländegängiges Fahrzeug unsere besondere Aufmerksamkeit widmen.
Wir haben deshalb beantragt, in Kap. 1419 Tit. 965, aus dem wir vorhin ja 100 Millionen DM gestrichen haben, für die Beschaffung von mittelschweren Hubschraubern 100 Millionen DM einzusetzen. Damit erhalten wir die Kapazität der deutschen Luftfahrtindustrie und machen das Heer für die Aufgaben der Zukunft bereit, insbesondere dann, wenn auch noch die bisherigen Versäumnisse in bezug auf die Forderung nach schnelleren, geländegängigeren Schützenpanzerwagen als Begleitfahrzeuge für die Kampfpanzer in Kürze wettgemacht und anstelle der ohnehin nicht verfügbaren atomaren Gefechtsfeldwaffen neue Streu- und Flächenfeuerwaffen bei der Bundeswehr eingeführt werden.
Darüber hinaus haben wir konsequenterweise - unserem Antrag auf Abgabe der Atomträger folgend
- einen Änderungsantrag eingebracht, 200 Millionen DM in Tit. 350 zu streichen.
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- Hier wurde schon oft gesagt - und Ihr Zwischenruf „Mahlzeit" bestätigt mir, daß sich die SPD in der Zwischenzeit offensichtlich weit von ihren früheren Vorstellungen entfernt hat -, daß wir, da wir diese Träger nun einmal haben, diese auch behalten sollten. Das ist kein überzeugendes Argument. Die so etwas sagen, haben offenbar noch nicht berechnet, was uns diese Trägersysteme pro Jahr an Unterhaltung, Wartung, Ersatzteilen usw. kosten.
Über das Problem, ob die nukleare Komponente aus politischen Gründen erhalten werden muß oder nicht erhalten werden kann, ist hier schon so oft diskutiert worden, daß ich diese Frage nicht mehr besonders zu vertiefen brauche.
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- Ich sage ja, ich will das nicht besonders vertiefen, Herr Kollege Berkhan.
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Ich möchte mich hier rein auf die militärisch-praktische Seite beschränken, und dazu muß ich sagen, daß vom militärisch-praktischen Standpunkt aus in unserem Bereich die nukleare Komponente absolut sinnlos ist. Der Nahost-Konflikt, auch Vietnam, haben uns dies am besten bewiesen. Große Basen, meine Damen und Herren, sind in wenigen Minuten ausgeschaltet. Diese Waffen sind eben in der Tat, wenn Sie das genau überlegen, nur präventiv einsetzbar. Deshalb ist ja bei uns auch von militärischer Seite die Forderung erhoben worden, die Luftwaffe im Spannungsfall auf kleine Plätze zu dislozieren und dazu eben ein geeignetes Flugzeug für die 70er Jahre zu konzipieren mit Senkrecht- oder Kurzstarteigenschaften. Ich will jetzt lieber den Kurzstarteigenschaften den Vorzug geben, weil das die letzte militärische Forderung ist. Das bedeutet aber auch - und das wissen die Herren, die sich hier
besonders mit diesen Fragen beschäftigen -, daß der nukleare Einsatz für die Flugzeuge überhaupt nicht möglich ist; denn die Vereinigten Staaten sind absolut nicht bereit, mit ihren atomaren Sprengköpfen aus den Bunkern herauszugehen und dadurch diese außer Kontrolle zu lassen. Deshalb ist eben die Arbeitsteilung die beste Lösung, und deswegen müssen wir uns für die Zukunft eindeutig auf diese konventionelle Verteidigungsbereitschaft einstellen.
Sie sehen allein schon daraus - es gibt noch eine ganze Reihe anderer Gründe -, daß das Beharren auf atomaren Trägerwaffen künftig völlig bedeutungslos sein wird. Stellen wir doch deshalb jetzt schon die Weichen - niemand hindert uns ja daran -, gestalten wir die Bundeswehr so um und rüsten sie so aus, daß die Verteidigungsbereitschaft wirklich glaubhaft wird; denn glaubhafte Abschreckung erreichen Sie nicht durch nukleare Rüstung, sondern vielmehr müssen wir - ich will nicht mehr auf die einzelnen Dinge kommen, sie wurden hier schon angesprochen - den Soldaten psychologisch rüsten, und dazu gehört, daß der Soldat seine Aufgabe und seinen Auftrag für sinnvoll hält und auch eine Chance des Überlebens für sich, für seine Heimat und für sein Volk sieht. Das aber, meine Damen und Herren, schaffen Sie nur, wenn Sie mehr und mehr auf unsere Vorstellungen, auf die Vorstellungen der Freien Demokraten, eingehen.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Richter.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte hier nur ausführen, daß sich die Fraktion der Sozialdemokratischen Partei nicht von ihren Vorstellungen entfernt hat, wie es der Herr Kollege Jung meint, sondern wir sind von der Breite der Ausführungen durch Sie eben und zuvor durch die Breite der Ausführungen der „Mehrzweckwaffe" Ollesch ein klein wenig durch den Zeitverlust erschüttert worden. Wir vertreten die Auffassung, daß man da manches in den Diskussionen des Verteidigungsausschusses hätte behandeln und ausführen können.
Nur ein paar Bemerkungen. Der vortragende Berichterstatter, der Kollege Dr. Althammer, ist in seinen Ausführungen auf die Situation im Forschungs- und Entwicklungstitel eingegangen. Herr Kollege Berkhan hat das ebenfalls gestreift. Vielleicht sind hier noch ein paar Hinweise notwendig, aber die Kürze der Zeit zwingt mich zur Beschränkung. Wir hatten in diesem Hause ausführlich Gelegenheit, anläßlich der Debatte zur Lage der Luft- und Raumfahrtindustrie und anläßlich der Debatte zur Regierungserklärung im Verteidigungsbereich, dieses Thema anzusprechen. Es hat sich lediglich die Tatsache herausgestellt, daß nach den Beratungen des Verteidigungsausschusses der ursprüngliche Ansatz des Bundesverteidigungsministeriums im Titel 309 um 30 Millionen DM aufgeRichter
stockt wurde. Der Verteidigungsausschuß war nach ausführlichen Diskussionen der Auffassung, daß wir diesem Sektor Entwicklungspolitik besondere Aufmerksamkeit widmen müßten. Wir waren der Auffassung, daß der Verteidigungsminister diesen Entwicklungsbereich auch in Zukunft sorgfältig, sorgfältiger als in der Vergangenheit, ansprechen muß. Die SPD-Fraktion vertritt die Auffassung, daß gerade diese Grundlagenforschung auch in den kommenden Jahren weiter gefördert werden muß.
Der Haushaltsausschuß hat die Mittel in der Größenordnung von 30 Millionen DM gesperrt. Wir werden uns dieser Sperrung zunächst nicht widersetzen. Ich vertrete nicht ganz die Auffassung, die Kollege Dr. Althammer hier vertreten hat, daß das ein wirksames Instrument sein könnte, die Luftfahrtindustrie zu einer Fusion zu zwingen. Der Anteil dieser Industrie am gesamten Kap. 14 02 ist wesentlich größer. Es werden allein im Forschungsbereich jetzt rund 400 Millionen DM an die Luftfahrtindustrie fließen. Ich weise hier nur darauf hin, daß wir uns interfraktionell auf einen Antrag geeinigt haben, der diese Fusion in der Luftfahrtindustrie beschleunigen soll. Ich halte die Grundlagenforschung für so wichtig, daß wir sie nicht durch Haushaltsmanipulationen in irgendeiner Form einschränken sollten. Der Haushaltsausschuß sollte bald dazu übergehen, diese Mittel zu entsperren, um der Forschung wieder breiten Raum zu geben.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Damm.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe bisher die Vorstellung gehabt und habe sie auch noch, daß, wenn dieses Haus den Primat der Politik tatsächlich beanspruchen und zum Beispiel bei den Herren im Verteidigungsministerium tatsächlich Eindruck machen will, es dann auch mit Sachkenntnis zu den jeweiligen Themen reden muß und nicht so, wie es die Vertreter der FDP mit ihren Anträgen und den Begründungen dazu gemacht haben.
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Meine Damen und Herren, die beiden Anträge der FDP, insbesondere der Änderungsantrag Umdruck 432, fordern in einer Reihe von Punkten schlicht eine Umverteilung von nahezu einer Milliarde DM im Verteidigungshaushalt und Streichungen in den verschiedensten wichtigsten Titeln dieses Haushalts, ohne daß wir bisher eine durchschlagende Begründung dafür gehört haben.
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Im Gegenteil, der erste Redner hat gesagt: Ich kann mich bei meiner Begründung auf das stützen, was mein Kollege Genscher schon vor zwei Tagen gesagt hat.
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- Das habe ich dann eigens nachgelesen. Der Kollege Genscher hat in diesem Beitrag vor zwei Tagen gesagt: Die Frage ist längst ausdiskutiert und braucht hier nicht mehr im einzelnen dargelegt zu werden. Eine andere Begründung ist von diesen beiden zu der Streichung, die in den Punkten 1 und 2 des Antrags Umdruck 432 verlangt wird, nicht gegeben worden.
Ich habe dann darauf gewartet, daß Herr Jung zu diesem Thema nun wirklich eine konkrete Begründung vorlegen würde. Statt dessen hat er uns hier zum Beispiel den Eindruck erwecken wollen - so mußte das verstanden werden -, als ob die vier amerikanischen F-4-Staffeln abgezogen würden, um überhaupt erst eine Aufklärungslücke hier entstehen zu lassen. - Bitte, Herr Jung!
Herr Kollege Damm, haben Sie nicht verstanden, daß ich ausdrücklich gesagt habe, daß das einen peinlichen Beigeschmack hat, daß ich nicht den Eindruck erwecken wollte, als ob das von Regierungsseite irgendwie bewußt gemacht würde?
Sie wissen genau, Herr Jung, daß es sich bei den F-4-Staffeln um Jagdbomberstaffeln handelt. Insofern kann es also gar nicht einen solchen peinlichen Beigeschmack haben. - Bitte !
Herr Kollege Damm, ich glaube, hier sind Sie einer falschen Information aufgesessen. Bei den abgezogenen RF 4 D handelt es sich um Aufklärungsflugzeuge der amerikanischen Luftwaffe.
Herr Jung, die Tatsache, daß Sie das einfach behaupten, macht die Sache selbst nicht richtiger.
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Wenn man so aus der Pistole geschossen, gewissermaßen mit der linken Hand eine Milliarde im Verteidigungshaushalt umverteilen, streichen will, dann hätte man die Gelegenheit der Beratungen im Verteidigungsausschuß und der Anwesenheit der entsprechenden Fachleute nützen müssen, um dort einzelne Forderungen dieser Art vorzutragen und sich dort sagen zu lassen, welche Konsequenzen entsprechende Beschlüsse gegebenenfalls haben würden. Tatsache ist aber, daß im Verteidigungsausschuß von Ihnen weder bei den Haushaltsberatungen noch etwa bei der Präsentation der Luftwaffe diese Forderungen zu den entsprechenden Titeln gestellt worden sind.
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Deswegen kann man hier nicht auftreten und mehr oder weniger die wichtigsten Punkte der Verteidigungspolitik dieser Regierung mit einem Pauschalantrag dieser Art aus den Angeln heben zu können glauben und dann noch erwarten, ernst genommen zu werden.
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Meine Damen und Herren, warum besteht tatsächlich eine Aufklärungslücke, und warum müssen wir die entsprechenden Anträge der FDP ablehnen? Es ist gar keine Frage, daß die neue Strategie der NATO verlangt, daß wir in viel stärkerem Maße in der Lage sein müssen, schon in Spannungszeiten und natürlich erst recht in wirklichen Kriegszeiten uns über das, was beim Gegner vorgeht, ein möglichst lückenloses Bild zu verschaffen. Dazu brauchen wir dann logischerweise die entsprechenden Aufklärungsträger.
Die jetzige F 104 - das weiß natürlich auch der Abgeordnete Jung - ist seinerzeit als Aufklärer u. a. auch deshalb angeschafft worden, weil man sie für die damals für notwendig gehaltene Aufklärung als ausreichend empfand, für eine Aufklärung, die im Rahmen der massiven Vergeltung eine Punktaufklärung war, was mit der jetzigen F 104 durchaus geleistet werden kann. Was aber von der künftigen Aufklärung gefordert werden muß, schafft die derzeitige F 104 als Aufklärer leider nicht. Nun fordert aber die FDP nicht nur schlichtweg, daß der Ansatz von 100 Millionen DM in Kap. 1419 Tit. 965 gestrichen wird, um etwa die Aufklärungslücke zu schließen, sondern die FDP-Mitglieder des Verteidigungsausschusses wissen auch, daß mit diesen 100 Millionen DM Anlaufkosten gleichzeitig der Beginn der Schließung der Substanzlücke bei den F 104 gemeint ist. Wenn ich also diese 100 Millionen DM streiche, würde ich damit verhindern, daß bei den F-104-Geschwadern überhaupt eine Lücke geschlossen werden kann, weil die Schließung der Aufklärungslücke und die Schließung der Bestandslücke, wie Sie wissen, Herr Jung, von der Luftwaffe als eine Einheit gesehen werden. Sie wollen aber, wie Sie hier dargelegt haben, gleichzeitig die Luftfahrtindustrie stützen und stärken. Wenn Sie aber nicht bereit sind, z. B. die Bestandslücke bei der F 104 zu schließen, schaden Sie, wie Sie genau wissen, damit der deutschen Luftfahrtindustrie empfindlich. Insoweit widersprechen sich Ihre Anträge und die wenigen Begründungen, die Sie dazu gegeben haben. - Wenn Sie eine Frage stellen wollen, bitte!
Herr Kollege Damm, können Sie Ihre letzte Behauptung begründen, nachdem Sie bisher nicht wissen, welches Nachfolgemuster überhaupt eingeführt werden soll?
Das kann ich sehr gut begründen, weil ich wie Sie bei der Darstellung der Probleme der Luftwaffe im Verteidigungsausschuß anwesend war. Ich muß mich dabei nur deswegen sehr allgemein fassen, weil, wie Sie genau wissen, diese Darstellung als nicht für die Öffentlichkeit bestimmt eingestuft worden ist.
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- Herr Jung, Sie wissen genau, daß die Luftwaffe uns den Zeitpunkt genannt hat, zu dem sie ihre derzeitige Kapazität nicht mehr aufrechterhalten kann, wenn nicht ein entsprechender Nachfluß neuer nachgebauter Flugzeuge kommt. Das kann sowohl
so geschehen, daß es sich um ein einziges Muster handelt, als auch auf die andere Weise, daß es sich um zwei verschiedene Muster handelt, wovon das eine Flugzeuge des jetzt vorhandenen Musters freimachen würde, so daß diese dann als Ersatz an anderer Stelle verwendet werden können.
Das ist - ich sagte es ja vorhin - so eindeutig und so logisch dargelegt worden. Niemand von Ihnen hat im Verteidigungsausschuß dem widersprochen. Das ist ja mein Vorwurf an Sie. Deswegen kann ich eben auch nicht billigen, daß Sie hier sozusagen mit der linken Hand beantragen, daß diese Summen für diese entsprechenden Maßnahmen gestrichen werden.
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Lassen Sie mich noch (ein Letztes sagen, meine Damen und Herren. Die Verwirklichung der Anträge der FDP würde bedeuten, daß wir die deutsche Luftwaffe in ihrer Substanz träfen. Das aber hätte zur Folge, meine Damen und Herren, daß wir nicht nur ungeheure Fehlinvestitionen in den vergangenen Jahren gemacht hätten, weil nämlich- ({2})
- Vielleicht hören Sie einmal zu, damit Sie dann begreifen, was ich sagen will: weil nämlich nicht nur die Flugzeuge nicht mehr da wären, sondern auch die vorhandene Infrastruktur und all das, was an logistischen und Versorgungseinrichtungen geschaffen worden ist, dann unnütz wäre. Das ist die materielle Seite der Sache.
Viel wichtiger ist in meinen Augen aber die militärische oder - sagen wir besser - die sicherheitspolitische Angelegenheit der Sache. Worin besteht sie? Sie besteht darin, daß, wenn wir eine auch nur einigermaßen ausreichende Abschreckungskapazität konventioneller Art innerhalb der NATO erhalten wissen wollen, wir uns dann insbesondere die NATO-Fähigkeit zur Reaktion in der ersten Minute erhalten müssen. Sie ist allein durch die Lutfwaffe gewährleistet. Darum darf man um unserer Sicherheit willen 'nicht einer Politik folgen, die die Substanz der deutschen Luftwaffe schmälern würde.
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Meine Damen und Herren, da sich noch der Herr Abgeordnete Schultz gemeldet hat, unterbreche ich jetzt die Sitzung. Um den vorgesehenen Zeitplan einigermaßen einhalten zu können, müssen wir um 14.30 Uhr wieder beginnen.
Ich unterbreche bis 14.30 Uhr.
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Die Sitzung ist wieder eröffnet.
Wir fahren in der Beratung des Einzelplans 14 fort.
Das Wort hat der Abgeordnete Schultz.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte nur noch einige Bemerkungen zu dem letzten Akt der Beratungen vor dem Essen machen.
Zunächst möchte ich noch etwas zu Herrn Berkhan sagen. Herr Berkhan, ich habe inzwischen nachgesehen, was Sie am 6. Dezember bezüglich der Ausstattung der Marine mit nuklearen Trägerwaffen gesagt haben. Sie sagten damals:
Die Abdeckung der Nordflanke durch die NATO-Luftwaffen scheint uns ausreichend zu sein, und eine Ausstattung der Marine mit solchen Waffen könnte psychologisch-politisch höchst nachteilige Folgen haben.
Ich finde, zwischen „schädlich" und „höchst nachteilig" ist kein großer Unterschied.
Dann muß ich leider noch auf die Ausführungen des Kollegen Damm eingehen. Das kann ja nicht so im Raume stehen bleiben, Kollege Damm, wie Sie das hier dargelegt haben. Zunächst einmal scheint es mir sehr unverständlich zu sein, daß man auf der einen Seite aufgefordert wird, langatmige Wiederholungen schon geäußerter Standpunkte zu unterlassen, um den Gang der Beratungen nicht aufzuhalten, daß Sie auf der anderen Seite aber sagen, was wir hier als Antrag vorgelegt hätten, sei überhaupt nicht begründet und sei dazu sachlich noch falsch. Das letzte können Sie ruhig sagen; das kann Ihre Meinung sein, daß das sachlich falsch sei. Aber Sie können nicht sagen, das, was in dem Antrag gefordert wird, sei nicht begründet worden. Das halte ich für ausgesprochen unfair, wenn wir uns bemüht haben, das Haus nicht in noch größere Zeitschwierigkeiten zu bringen.
Zweitens ist es einfach unwahr, daß das, was wir in dem Antrag auf rosa Papier zur zweiten Lesung fordern, von uns nicht vorher im Verteidigungsausschuß und im Haushaltsausschuß beantragt worden wäre; das haben Sie behauptet.
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Dieselben Anträge zu den Kapiteln 14 19 und 14 15 sind auch im Verteidigungsausschuß gestellt worden; ein Antrag in einer etwas globaleren Form, der aber sachlich ,das gleiche enthielt, wurde im Haushaltsausschuß gestellt. In beiden Ausschüssen sind die Anträge abgelehnt worden. Dagegen ist gar nichts einzuwenden. Aber Sie können hier nicht behaupten, die Anträge seien nicht gestellt worden, und wir hätten Sie mit völlig neuen Dingen überfahren. Diese Anträge müssen hier gestellt werden, um deutlich zu machen, wie wir uns 'die Verteidigungskonzeption vorstellen und was wir anders wünschen.
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Sonst gehen Sie nachher wieder hin und sagen: Die haben ja immer nur geredet, aber Anträge haben sie keine gestellt. Dann haben Sie wieder ein Argument, um etwas schräg darzustellen.
Zu der „Aufklärungslücke" möchte ich Ihnen folgendes sagen. Ich erinnere mich noch an die Debatte über den Kauf des Starfighters. Seinerzeit ist sowohl hier im Plenum als auch im Verteidigungsausschuß
dieses Flugzeug quasi als ein Dreizwecke-Flugzeug mit Aufklärungseigenschaften angepriesen worden. Ich habe das geglaubt, was uns da gesagt worden ist. Wenn uns nun gesagt wird, was für neue Lücken heute .entstehen, dann ist eben das, was uns damals gesagt worden ist, nicht richtig gewesen.
Sie, Herr Kollege Damm, sagten, diese Aufklärungseigenschaft des Starfighters sei nur in einer ganz bestimmten Richtung notwendig gewesen. Da muß ich fragen: was ist das für eine Rüstungsplanung,
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die Aufklärung nur in einem bestimmten Bereich betreiben will, wenn gleichzeitig 12 Heeresdivisionen aufgestellt werden sollen? - Sie wollten eine Zwischenfrage stellen, bitte!
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- Oh, Verzeihung, dann war hier eine falsche Lampe aufgeleuchtet.
Das wollte ich zu Ihren unqualifizierten Angriffen und Äußerungen gegenüber der Opposition sagen.
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Das Wort hat der Abgeordnete Damm.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es tut mir sehr leid, daß durch diese Kontroverse die Beratung aufgehalten wird. Aber ich muß hier für mich feststellen, daß ich mich als ein Mitberichterstatter zum Kap. 1419 nicht daran erinnern kann, daß Sie den Antrag gestellt hätten, die 100 Millionen DM Anlaufkosten zur Deckung der Aufklärungslücke zu streichen bzw. die 200 Millionen DM in Kap. 14 19 Tit. 350 zu kürzen. Wir haben im Gegenteil miteinander einen Entschließungsantrag angenommen - Herr Schultz, Sie haben dem auch zugestimmt -, daß das Ministerium aufgefordert werde, möglichst bald Erläuterungen eben zu dem Titel, der die 100 Millionen DM für die Schließung der Substanz- und Aufklärungslücke enthält, vorzulegen.
Sie wollen eine Zwischenfrage stellen.
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Wenn Sie so weitermachen, werden wir heute nacht wahrscheinlich noch nicht einmal den Einzelplan 14 verabschiedet haben.
Zum Schluß nur noch kurz dies. Die vorhin hier in einer Zwischenfrage aufgestellte Behauptung des Kollegen Jung, es handle sich bei den vier jetzt in die Rotation gehenden Phantom-Staffeln der Amerikaner um Aufklärer, ist auch nach den Erkundigungen, die ich noch einmal eingezogen habe, unrichtig. Es handelt sich um Jabos, um sogenannte Strike-Flugzeuge.
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Das Wort hat der Abgeordnete Schultz.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Herren! Zunächst darf ich sagen, es ist wahrscheinlich das Recht jedes Abgeordneten, das auch vom Präsidenten selbstverständlich zugebilligt wird, falsche Behauptungen auszuräumen. Herr Kollege Damm, ich erinnere mich noch sehr genau, wie der Kollege Jung als Ihr Mitberichterstatter die Streichungsanträge gsetellt hat und sie abgelehnt worden sind. Natürlich haben wir dann hinterher dem gemeinsamen Entschließungsantrag zugestimmt. Das ist doch ganz selbstverständlich!
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Das Wort hat der Abgeordnete Berkhan.
Herr Schultz, es hat keinen Sinn, daß wir hier die Beratungen des Ausschusses wiederholen.
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Ich wäre froh, wenn das unterbleiben könnte.
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- Nein, den Schneid haben Sie immer gehabt, und keiner will Ihnen hier den Schneid abkaufen. Aber meinen Sie nicht mit mir, daß es keinen Sinn hat, hier über diese Dinge zu sprechen, die in die Einzelheiten gehen? Wenn es z. B. in Ihrem Antrag in Punkt 1 heißt, ein Ansatz - Erhaltung der Flugzeuge und Flugkörper - solle um 200 Millionen DM gekürzt werden, und Sie dann im letzten Ansatz 100 Millionen DM fordern, um neue Flugzeuge zu beschaffen, frage ich Sie: Wie wollen Sie denn diese Flugzeuge erhalten, wenn Sie die Mittel für die Erhaltung kürzen? Wenn Sie neue Flugzeuge zuführen, müssen Sie auch neues Geld haben, um die Flugzeuge zu erhalten. Insofern, meine ich, Herr Schultz, ist das wirklich nicht gründlich überlegt.
Ein anderes Beispiel. Wenn Sie hier in Punkt 6 die Personalausgaben für das Zivilpersonal kürzen wollen, so klingt das wunderbar. Aber Ihnen wie mir sind ja Zahlen bekannt, die einen zu einem ganz anderen Schluß kommen lassen. Wenn man z. B. die produktiven Stunden, die direkten und indirekten Stunden Arbeit beim Gerät, zusammenzählt, so sind das bei Unteroffizieren 64,3, Ausfallzeiten 35,7; beim Zivilpersonal 86,3, Ausfallzeiten 13,7; bei Mannschaften 51,3, Ausfallzeiten 48,7. Wissen Sie, das klingt so wunderbar, insbesondere wenn das -
Gestatten Sie eine Frage?
Ja, selbstverständlich.
Bitte, Herr Abgeordneter Schultz.
Herr Kollege Berkhan, ist Ihnen eigentlich nicht klargeworden, daß ich gar nicht in eine Wiederberatung dieses Antrages eintreten will, von dem ich weiß, daß er sowieso abgelehnt wird? Das ist ja hinreichend klargeworden. Hier ist es nur um eine Kontroverse zwischen Herrn Damm und mir über das gegangen, was in der Tat vorgefallen ist.
Ich will Ihnen nur klarmachen, wie es zu solchen Kontroversen kommt. Wer solche unausgegorenen Anträge vorlegt, muß sich nicht wundern, wenn es zu solchen Kontroversen kommt.
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Das Wort hat Herr Abgeordneter Jung.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach der Richtigstellung von Herrn Damm möchte auch ich eine Richtigstellung bringen. Erstens ist dem Hohen Hause bekannt, daß ich am 6. Dezember hier gesagt habe, und zwar habe ich mich an den Herrn Minister gewandt, daß wir, die Freien Demokraten, die im Haushalt erkennbaren hundert Millionen DM streichen werden. Diese meine Ausführungen haben zu der bekannten Kontroverse am 7. Dezember abends geführt.
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- Nein, ich habe gesagt: Wir als Freie Demokraten werden - - Insofern ist es unverständlich, wie der Kollege Damm hier behaupten kann, wir hätten nicht
- und zwar schon sehr früh - bekannt, daß wir nicht damit einverstanden sind und verlangen, diese Lücke bei der Aufklärung zu schließen.
({1})
- Ich verlängere dadurch nur die Debatte. Ich empfehle Ihnen, das Protokoll des 6. und 7. Dezember nachzulesen.
({2})
- Dann werden Sie mir zustimmen, Herr Kollege Berkhan, daß das richtig ist.
Zweitens wundert es mich, Herr Kollege Damm, daß Sie eben sagen, das seien keine Aufklärer, nachdem ich ausgerechnet gerade von einer dieser Einheiten, die in die Ration gingen, eingeladen wurde, diese Aufklärerversion zu besichtigen.
({3})
- Herr Kollege Wörner, ich bin eingeladen worden,
diese Aufklärerversion zu besichtigen, und deswegen
habe ich diese meine Bemerkung gemacht. Wir
brauchen das hier nicht zu vertiefen, wir können das nämlich exakt feststellen.
Drittens, Herr Kollege Berkhan, die Streichung in Tit. 350 - diese 200 Millionen DM - bezieht sich ausschließlich auf Dinge, die mit dem Strike-Auftrag zu tun haben. Ich glaube, ich habe das hinreichend und deutlich genug hier gesagt, so daß also kein Zweifel bestehen konnte. Ich habe gesagt, daß das konsequenterweise die Fortsetzung der Politik der FDP in bezug auf die Frage der nuklearen Komponente ist.
({4})
Das Wort hat der Bundesverteidigungsminister.
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich werde nicht mehr viel beitragen zu der Diskussion, die vorausgegangen ist und die wohl abgeschlossen ist. Es könnte reizvoll sein. Die vorangegangene Aussprache macht es mir etwas schwerer, 'so anzufangen, wie ich anfangen wollte, daß ich eigentlich die Fraktion der Freien Demokraten doch noch einmal bitten wollte, sich zu überlegen, ob sie unbedingt gegen diesen Haushalt stimmen muß oder stimmen will. Ich habe - belehrt durch einen meiner Mitarbeiter - gesehen, daß Sie das im vergangenen Jahr getan haben. Aber, meine Damen und Herren, es ist natürlich Ihr Recht und liegt in Ihrer freien Entscheidung. Ich kann vielleicht sagen, daß es meinem Herz etwas weh tut; denn, solange ich in diesem Hohen Hause stehe, werde ich mich immer dafür einsetzen, daß sowohl auswärtige Politik als auch Verteidigungs- und Sicherheitspolitik, die ein Ausschnitt aus der auswärtigen Politik sind, auf einer breiten, möglichst übereinstimmenden Basis behandelt werden und wir praktisch nur miteinander ringen um die beste Lösung dieser Aufgaben. Ich glaube, daß ich darüber ja grundsätzlich auch mit den Freien Demokraten übereinstimme.
Mich führt der Wunsch hierher, ein paar Bemerkungen zu machen, die erste Bemerkung an die Adresse des Herrn Abgeordneten Schultz, der etwas über gerechte Personalführung gesagt hat. Er hat völlig recht, da stimme ich mit ihm ganz überein, daß wir unter allen Umständen die Verpflichtung haben, das Äußerste dazu beizutragen, daß in einem so großen Personalkörper wie der Bundeswehr - das ist der größte Personalkörper, über den der Bund verfügt, wenn ich einmal so sagen darf - das Gefühl vorhanden ist, daß die Personalführung recht ist. Das ist sehr wichtig, und jede Art von Diskretion muß dabei gewahrt werden. Ich möchte den Abgeordneten Schultz ausdrücklich bitten - er hat gesagt, daß er in einer bestimmten Sache Roß und Reiter nicht nennen kann, was ich verstehe -, zu überlegen, ob wir nicht doch in Unterhaltungen miteinander die Möglichkeit finden, klarzustellen, daß wir tatsächlich, jedenfalls im Grundsätzlichen, zu dem kommen, was auch er als gerechte Personalführung akzeptieren würde. Soweit Punkt 1.
Punkt 2 ist die Frage der 4. Laufbahn. Das geht an ein paar Sprecher der Fraktionen. Ich bin immer noch nicht so ganz sicher, wie es hier in diesem Hohen Hause in dieser Frage aussieht. Ich gucke ein bißchen nach links, und ich habe gehört, dort seien die Meinungen vielleicht geteilt; ich weiß nicht, wie das ist. Ich möchte nur eins sagen: ich werde das tun, und zwar in den allernächsten Tagen, was ich sozusagen ererbt habe - nicht von meinen Vätern, aber von meinen Vorgängern oder eher von meinem derzeit letzten Vorgänger -, nämlich dem Kabinett eine Vorlage hinsichtlich dieser berühmten 4. Laufbahn machen. Wir werden sehen, was das Hohe Haus tun kann und tun wird, um das Kabinett ein bißchen zu animieren, die Gesichtspunkte zugrunde zu legen, die das Hohe Haus hier zugrunde gelegt zu sehen wünscht. Ich würde jedenfalls für jede Unterstützung dieser Art dankbar sein.
Punkt 3 ist folgender: Sprecher aus den verschiedenen Fraktionen haben die Kommission, die unter dem Vorsitz des Kollegen Adorno steht, ich darf einmal sagen, sehr gelobt. Von dieser Kommission versprechen wir uns in der Tat eine ganze Menge. Ich hoffe, daß wir in absehbarer Zeit von ihr Vorschläge bekommen, die tatsächlich sowohl auf der Ebene der Bundesregierung als auch hier Zustimmung und Unterstützung finden werden. Daß das Problem schwierig ist, weiß jeder.
Hier ist des längeren darüber gesprochen worden, was nun richtig sei: sechs Wochen vor einem Wahlkampf mit bestimmten Vorträgen Schluß zu machen oder vier Wochen oder 12 Wochen vorher oder wann immer. Was die letzte Veranstaltung in Stuttgart angeht, so möchte ich sagen: das ist nur die Fortsetzung einer Sache gewesen, die dort bereits seit längerer Zeit betrieben worden ist. Das ist also, glaube ich, ungeachtet der Einigung über solche Fristen kaum zu beanstanden.
Herr Kollege Berkhan hat von den Kriegsdienstverweigerern gesprochen. Vor ihm hat es schon ein anderer Sprecher getan. Ich bin ihm dankbar dafür, daß er mir die Gelegenheit gibt, folgende Anmerkung zu machen: Wir haben - eine Zahl, die vielleicht dem einen oder anderen, aber sicherlich nicht allen bekannt ist - aus rund 4 Millionen Gemusterten rund 39 000 Kriegsdienstverweigerer, also weniger als 1 %, und das ist ein Satz, mit dem wir irgendwie fertig werden müssen und fertig werden können. Wir haben in diesem Jahr etwas zu verzeichnen, was der Kollege Schultz schon angesprochen hat. Während wir sonst nur rund 400 eingezogen hatten, die sich auf ihr Recht zur Kriegsdienstverweigerung beriefen, sind es diesmal, ein bißchen konzentriert, 800 gewesen. 800 sind noch keine erschreckende Zahl. Aber trotzdem werde ich den Anregungen, die hier gegeben worden sind, gerne Folge leisten und eins ganz klarstellen: so hoch wir das Recht der Kriegsdienstverweigerer einschätzen - es hat leidenschaftliche Debatten in diesem Hohen Hause gegeben - und sosehr wir wollen, daß es respektiert wird, so sind wir doch dagegen, daß irgendein Verband irgendeine Art von Mißbrauch betreibt. Das werden wir unter gar keinen Umständen zulassen.
Es ist gefragt worden, wie es eigentlich mit den Anteilen von Marine und Luftwaffe bei der Fusion von Heer und Territorialverteidigung sei. Der Herr Generalinspekteur hat angekündigt, daß er diese Sachen im Ausschuß für Verteidigung darlegen werde. Das wird in absehbarer Zeit geschehen.
Einer der Sprecher - ich habe leider hier auf dem Zettel vor mir nicht stehen, wer es gewesen ist - hat gesagt: Daß man in der nächsten Woche im Verteidigungsrat über den Rüstungsplan sprechen wolle - wie das bekanntgeworden ist, weiß ich nicht; aber es ist offenbar bekannt -, das finde er nicht richtig; über den Rüstungsplan hätte vorher im Ausschuß für Verteidigung gesprochen werden sollen. Meine Damen und Herren, Sie werden sich nicht wundern, wenn ich hier ein bißchen anderer Meinung bin. Daß das im Ausschuß für Verteidigung besprochen werden muß, ist sicher; aber es ist besser, es wird besprochen, nachdem sich der Verteidigungsrat und anschließend das Kabinett darüber verständigt haben, als daß nur mehr oder weniger doch ins Blaue hinein gesprochen wird. Und dieses schöne Buch, das ich gerade vorgezeigt habe - Herr Kollege Berkhan, der rote Strich würde mich nicht hindern, mit Ihnen ein bißchen mehr in die Details davon zu gehen -, gehört für mich zu den hoffnungsvollen Dokumenten,
Und nun erlauben Sie mir, daß ich aus meinem Herzen keine Mördergrube mache. Ich habe die Hoffnung, daß es in der nächsten Woche gelingen wird - bekanntlich wird der Bundestag dann nicht hier sein, aber der Verteidigungsrat wird hoffentlich in großer Geschlossenheit amtieren können -, uns darauf zu verständigen. Dann werden wir sehen, daß wir alle übrigen Züge so schnell wie nur möglich tun.
Meine Damen und Herren, der Verteidigungsminister muß eine Sorge haben - die ich für das letzte Jahr Gott sei Dank hinter mich gebracht habe -; das ist die, unter allen Umständen dafür zu sorgen, daß das Geld, mit dessen Zusage er hier letztlich nach Hause gehen kann, tatsächlich fristgemäß ausgegeben wird. Das kann er natürlich nur dann, wenn die Unterlagen, anhand deren es ausgegeben werden soll, abgestempelt sind. Deswegen - Herr Kollege Berkhan, Sie sehen mich gerade an, und deswegen geht das alles an Ihre Adresse - ein kleiner Hinweis an die entsprechenden Kabinettsmitglieder: Je schneller wir einen Stempel, sage ich jetzt einmal, ohne unfreundlich sein zu wollen, unter diesen Rüstungsplan bekommen und je eifriger alle Kabinettsmitglieder dabei sein werden, desto schneller und sicherer wird es gehen, die Sache auch im Verteidigungsausschuß zu erörtern.
Mein letzter Punkt ist das Weißbuch. Ich habe hier schon ein- oder zweimal ausgeführt, daß wir dabei ein sehr gutes Vorbild haben, daß wir auch eine Kommission eingesetzt haben - was Sie vielleicht nicht wissen -, die sich seit längerem damit beschäftigen soll. Aber, ob es wirklich gelingen wird, den Haushalt für 1969 - von dem 69er spreche ich jetzt - hier vor dem Hohen Hause auf der Basis eines Weißbuchs oder begleitet von einem Weißbuch vorzutragen, das weiß ich nicht. Das ist bei uns ein gutes Stück schwieriger als in anderen Ländern,
und wenn Sie etwas dazu tun können, uns zu helfen, wird das nur gut und richtig sein und begrüßt werden.
Mein letzter Punkt ist folgender: Meine Damen und Herren, Sie werden durchaus erwarten, daß der Verteidigungsminister genauso wie Sie die einschlägige Literatur zu sich nimmt. Da ist das Thema der Rüstungsverminderung in Europa. Ich habe gelesen, daß auf dem Parteitag einer großen Partei, der kürzlich stattgefunden hat, unter anderem ausgeführt worden ist, man müsse dafür sorgen, daß endlich die Verteidigungspolitik betrieben werde, die zu unserer Außenpolitik insgesamt passe. Ob das dort wirklich ausgeführt worden ist und was darauf erwidert worden ist, weiß ich nicht. Ich jedenfalls glaube, daß bei uns Außenpolitik und Verteidigungspolitik Arm in Arm, oder meinetwegen Hand in Hand, oder wie Sie wollen, gehen; mindestens müssen wir dazu beitragen.
({0})
Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
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Herr Minister, darf ich Sie fragen, ob Sie bereit sind, wenn ich Ihnen ein Protokoll des Parteitages zuschicke, es entgegenzunehmen?
Dafür bin ich Ihnen dankbar. Ich werde es sowieso bekommen; aber das Exemplar, das Sie mir schicken, werde ich meiner eigenen Bibliothek einverleiben können und dürfen. Wenn Sie dann noch so nett sein wollen, diese Stelle zu markieren, Herr Kollege Berkhan, von der ich gerade sprach,
({0})
wäre Ihre Liebenswürdigkeit natürlich hundertprozentig.
Zum Schluß wollte ich Sie gerne noch einmal herausstellen, und zwar wegen einer Bemerkung, die Sie nach meiner Erinnerung in dieser Debatte gemacht haben. Sie haben gesagt: Wenn wir im Rahmen größerer, übergreifender Pläne über Rüstungsverminderung in Europa sprechen, dann denken wir immer nur an gleichzeitige und gleichgewichtige Dinge. Das muß man in der Tat wissen und ständig parat haben, wenn über eine solche Sache gesprochen wird. Daß Sie das hier getan haben, verdient, wie ich glaube, eine dankbare Anmerkung.
Meine Damen und Herren, der Verteidigungsminister hat Anlaß, allen, die sich an dieser Debatte beteiligt haben, herzlich zu danken. Ich habe die Hoffnung, daß Sie, bevor Sie sich hier verabschieden, vor allem dafür sorgen, daß wir in den nächsten Wochen jenen Schritt weiterkommen, den Sie selbst als so wünschenswert hier dargestellt haben. Insofern sehe ich den nächsten Wochen hoffnungsvoll entgegen.
({1})
Damit ist' die Aussprache geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung, zunächst über den Änderungsantrag der Fraktion der FDP auf Umdruck 432. Alle Anträge sind begründet. Über die Entschließungsanträge wird in der dritten Beratung abgestimmt.
Wir stimmen also über den Änderungsantrag Umdruck 432 ab. Wer stimmt ihm zu? - Danke. Die Gegenprobe! - Das letztere ist die große Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Wir stimmen nun über den Einzelplan 14 in der Fassung des Ausschusses ab. Wer dem Einzelplan 14 zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen.
- Danke. Die Gegenprobe! - Der Einzelplan 14 ist gegen die Stimmen der FDP angenommen.
Ich rufe nun auf: Einzelplan 15
Geschäftsbereich des Bundesministers für Gesundheitswesen
- Drucksache V/2715 -Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Tamblé
Dazu liegen keine Anträge vor. Wortmeldungen liegen ebenso nicht vor.
({0}) *)
- Eine Erklärung des Herrn Berichterstatters wird dem Protokoll beigefügt.
({1})
Wir stimmen über den Einzelplan 15 ab. Ich bitte um ein Handzeichen von denen, die zustimmen. - Danke. Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei Enthaltungen der Fraktion der FDP ist der Einzelplan 15 verabschiedet.
Ich rufe auf:
Einzelplan 19
Bundesverfassungsgericht
- Drucksache V/2716 -
Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Tamblé
Wortmeldungen dazu liegen nicht vor. Ebenso keine Anträge.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Einzelplan 19 zustimmt, den bitte ich um ein Handzeichen. - Danke. Die Gegenprobe !- Enthaltungen? - Der Einzelplan ist einstimmig verabschiedet.
Ich rufe auf:
Einzelplan 20
Bundesrechnungshof
- Drucksache V/2717
Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Abelein
Auch hier liegen keine Wortmeldungen und keine Anträge vor.
*) Siehe Anlage 5
Wir kommen zur Abstimmung. Wer stimmt dem Einzelplan 20 zu? - Danke. Die Gegenprobe! --Enthaltungen? - Der Einzelplan 20 ist einstimmig verabschiedet.
Ich rufe auf: Einzelplan 23
Geschäftsbereich des Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit
- Drucksache V/2718
Berichterstatter: Abgeordneter Gewandt
Dazu liegt ein Entschließungsantrag auf Umdruck 413*) vor. Das Wort wird nicht gewünscht - - Herr Abgeordneter Gewandt! Ich kann jetzt keine unhöflichen Fragen stellen, Herr Kollege.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Uns liegen zwei Anträge vor, deren Begründung wir nicht kennen, für deren Ablehnung ich mich aussprechen möchte.
Einmal beantragt die Fraktion der Freien Demokratischen Partei die Erweiterung der Entwicklungshilfe auf den Bereich des Sportes. Wir sind der Meinung, daß die Bandbreite unserer Entwicklungshilfe heute so groß ist, daß sie alle wichtigen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Bereiche erfaßt. Wir können es unseren Steuerzahlern gegenüber schwer vertreten, wenn wir nun auch sportliche Aktivitäten in den Entwicklungsländern mit Steuergeldern finanzieren wollen.
Der zweite Antrag zielt darauf ab, einen Sperrvermerk bei der Kapitalhilfe anzubringen. Wir möchten auch diesen Antrag ablehnen, weil bekanntlich die Kapitalhilfe im außerordentlichen Haushalt geführt wird und damit ohnehin gesperrt ist. Das heißt: eine Ausgabe ist nur mit Zustimmung des Herrn Bundesministers der Finanzen möglich.
Im übrigen sei darauf hingewiesen, daß der Titel Kapitalhilfe lediglich der Erfüllung eingegangener Verpflichtungen dient und daß wir keinerlei Spielraum haben. Wir sind also nicht in der Lage, diesem Antrag zu folgen. Wir bitten um Ablehnung beider Anträge.
({0})
Herr Abgeordneter Kubitza hat das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Antwort auf die Große Anfrage der FDP zur Sportpolitik - über die Rolle, die die Bundesregierung dem Sport im Rahmen der Entwicklungshilfe zuzuweisen gedenkt -- hat gezeigt, daß man dieser Frage recht verständnislos gegenübersteht. Herr Kollege Gewandt, ich hätte Ihnen empfohlen, wenigstens meine kurzen Ausführungen in der damaligen Sportdebatte nachzulesen - anscheinend waren Sie da nicht im Plenum -, um in etwa beurteilen zu können, ob auch wir bei unserer Entwicklungshilfe den Sport nicht so
*) Siehe Anlage 6
einbeziehen können, wie es z. B. das amerikanische Peace Corps tut.
Die Verständnislosigkeit hat sich z. B. darin geäußert, daß in dieser Antwort der Sport der technischen Hilfe zugeordnet worden ist. Der Sport ist aber der Bildungshilfe im Rahmen der Entwicklungshilfe zuzuordnen. Der Sport ist ein Bildungsfaktor eigener Art, der Verhaltensweisen einübt, die dann auch den Verhaltensweisen entsprechen, die in der Wirtschaft notwendig sind.
Ich möchte Ihnen, Herr Gewandt, noch einmal klarmachen, worum es geht. Ich hatte damals ausgeführt, daß die Erfahrungen der Deutschen Sporthochschule zeigen, daß einige Unterrichtskurse, z. B. in Südamerika, mit einem bis zwei deutschen Sportpädagogen 3000 bis 4000 Lehrer erfaßten und sich damit auf Hunderttausende von Schülern auswirkten. Die Kosten hierfür betrugen nur ein Zehntel von dem, was z. B. die Entsendung von guten Fußballmannschaften kostet, haben aber eine weitaus größere Wirkung auf die Erziehungsbemühungen dieser Völker.
({0})
Ich nehme an, daß der Herr Minister für wirtschaftliche Zusammenarbeit diesen Antrag begrüßt, weil er ihm Gelegenheit gibt, sich mit dieser Aufgabe vertrauter zu machen, und ihn veranlaßt, diese Aufgabe an sich zu ziehen, die meines Wissens bis jetzt in geringem Umfange vom Auswärtigen Amt bearbeitet wird.
Um Ihnen, Herr Minister, die Arbeit zu erleichtern, schlage ich vor, daß wir diesen Antrag dem Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit überweisen und dort die Gelegenheit wahrnehmen, uns mit deutschen sachkundigen Persönlichkeiten auseinanderzusetzen, damit wir das, was auf deutscher Seite erarbeitet worden ist, auch für unsere Arbeit nutzbar machen können.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Frage?
Verehrter Herr Kollege, wissen Sie, daß sich die Bundesrepublik auf diesem Sektor schon einmal versucht hat? Wir haben nämlich versucht, einem Lande, das kaum das Frühstück hat, das Segelfliegen beizubringen. Wissen Sie, welche Resonanz diese Versuche beim deutschen Steuerbürger gefunden haben?
({0})
Herr Kollege Haase, ich würde eher sagen - und das kann ich Ihnen beweisen -, daß hier mit einem Minimum an finanziellen Mitteln eine optimale Wirkung zu erzielen ist. Deshalb fordere ich ja eine detaillierte Planung, damit eben solche Mißgriffe nicht mehr vorkommen. Selbstverständlich muß hier differenziert werden, und dazu ist eben der Ausschuß aufgerufen. Der Ausschuß müßte also entsprechende Vorarbeit für das Ministerium leisten.
({0})
Das Wort hat der Herr Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Kubitza, Sie haben gesagt, daß die Bundesregierung diesem Anliegen mit verhältnismäßig großer Verständnislosigkeit gegenüberstehe. Ich muß das zurückweisen. Wir haben durchaus dafür Verständnis, aber wir verfügen nicht über die notwendigen Mittel, um alle Probleme lösen zu können. Solange auf der Welt in jedem Jahr 25 Millionen Menschen verhungern, ist das - und ich bitte um Verständnis dafür, daß ich das sage - keine vordringliche Frage.
({0})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dorn.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich kann den Temperamentsausbruch des Herrn Bundesministers durchaus verstehen. Nur frage ich mich, ob der Einsatz sportlicher Mittel nicht immer noch sinnvoller ist als die Abkommandierung einer Bundeswehrkapelle zu dem Zweck, uns mit anderen Tönen auf diesem Kontinent sichtbar zu machen.
({0})
Ich meine, die Wertung, die Sie, Herr Minister, in wenigen Worten vorgenommen haben, geht völlig an der Sache unseres Antrags vorbei. Lassen Sie mich das genauso deutlich sagen.
({1})
Meine Damen und Herren, ich möchte ein Wort zu dem Antrag auf Umdruck 431 sagen. Der Kollege Gewandt hat schon gesagt, daß Sie ihn ablehnen werden. Ich bedauere das außerordentlich, Herr Kollege Gewandt, denn wenn wir uns einmal die Stellungnahme der Bundesregierung ansehen, müssen wir feststellen, daß Ihnen der Parlamentarische Staatssekretär Jahn in der Fragestunde etwas völlig anderes empfohlen hat. Er hat nämlich in der Fragestunde auf die Frage meines Freundes Genscher erklärt, daß die Bundesregierung beabsichtige, demnächst ein Regierungsabkommen über ein Kapitalhilfeprojekt Yougnan II und über ein Demonstrationsobjekt für Milchviehhaltung abzuschließen. Herr Jahn hat dann weiter ausgeführt:
Bei einem ungünstigen Ausgang der Berufungsverhandlungen in Südkorea würde sich die Bundesregierung allerdings veranlaßt sehen, ihre Entscheidung über die Freigabe von Mitteln im Rahmen dieser Entwicklungshilfevorhaben noch einmal zu überprüfen.
Ich verstehe also gar nicht, was man dann noch gegen den Antrag, den wir hier gestellt haben, seitens der Koalitionsfraktionen vortragen kann. Das, was wir hier beantragen, ist eindeutig zur Unterstützung der Bundesregierung gedacht, damit auch nach außen sichtbar wird, ,daß sich die BundesrepuDorn
blik Deutschland von der südkoreanischen Regierung in Zukunft nicht mehr so behandeln läßt, wie das !in den letzten Monaten permanent geschehen ist.
Meine Damen und Herren, ich meine, es würde dem Hause .gut anstehen, wenn diese Sperrung erst einmal im Haushalt ausgewiesen würde, damit deutlich wird, daß das Haus die Position der Regierung für zukünftige Verhandlungen eindeutig unterstützen wird. Denn in der Sache der Behandlung ,der entführten Südkoreaner hat es doch hier keinerlei unterschiedliche Auffassung gegeben, weder mit der Bundesregierung noch zwischen uns. Unterschiedliche Auffassungen hat es nur in der Frage der Bewertung gegeben, nämlich in der Frage, ob inzwischen alle Maßnahmen, die wir uns gewünscht haben, von der Bundesregierung ergriffen worden sind.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Frage?
Bitte schön!
Herr Abgeordneter Kahn-Ackermann.
Herr Kollege Dorn, sind Sie sich darüber im klaren, daß die Maßnahmen unserer Entwicklungshilfe nicht immer auf die Verhaltensweisen jeder augenblicklich im Amt befindlichen Regierung angelegt sind, sondern daß es sich glücklicherweise fast immer um Maßnahmen handelt, die sehr langfristig, auf Jahrzehnte hinaus, angelegt sind und dem Lande als Ganzem helfen sollen, und sind Sie sich darüber im klaren, daß man bei Unterbrechung solcher langfristig angelegten Maßnahmen - ohne wirklich ganz, ganz ernsten Grund - viel Schaden anrichtet? Man darf nicht wegen jeder Angelegenheit, über die man sich bei der Entwicklungshilfe, die eine Sache ist, die in die Zukunft weist und ,die wirtschaftliche Struktur anderer Länder beeinflussen soll, ärgert, eine Unterbrechung eintreten lassen.
({0})
Sehr geehrter Herr Kollege Kahn-Ackermann, ich bin Ihnen dankbar für diese Frage. Aber ich muß Ihnen sagen: wenn die Bedrohung von Menschen, die aus der Bundesrepublik entführt worden sind, und die Verschärfung der Anträge der Staatsanwaltschaft im Berufungsverfahren keine ernste Angelegenheit sind, so frage ich Sie: Was ist dann noch ernst zu behandeln? Es geht darum, eventuell Menschenleben retten zu können. Deshalb sollten wir hier diesen Sperrvermerk anbringen, der nach unserer Auffassung nicht nur politisch, sondern auch im Interesse der Menschen, die aus unserem Lande verbracht worden sind, dringend erforderlich ist.
({0})
Das Wort hat der Abgeordnete Gewandt.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, es wäre außerordentlich mißlich, wenn wir die Entwicklungspolitik wieder unter ein tagespolitisches Motto stellten. Wir sind doch bisher der Meinung gewesen, es handelt sich hier um langfristige Entwicklungen, die wir zu fördern haben. Aber einmal ganz davon abgesehen: Es handelt sich hier um einen Haushaltsantrag, der eine Sperre vorsieht. Diese Sperre ist im außerordentlichen Haushalt ohnehin gegeben. Wie ich erklärt habe, kann im außerordentlichen Haushalt nur disponiert werden, wenn der Finanzminister zustimmt.
Im übrigen, verehrter Kollege Dorn, wenn die Bundesregierung in der einen oder anderen Entscheidung zu einer Revision ihrer Haltung käme, dann würde der Rahmen, der hier zur Verfügung steht, auch kaum ausreichen, um den Verpflichtungen nachzukommen, die wir eingegangen sind.
({0})
- Ja, bitte!
Herr Kollege Gewandt, sind Sie denn nicht der Meinung, daß zwischen unserem An- trag - der Anbringung einer Sperre im Haushalt - und der Zustimmung des Ministers ohne Zustimmung des Parlaments auch ein erheblicher verfassungspolitischer Unterschied ist?
Ja, aber ein sachlicher nicht.
({0})
Im übrigen bleibt es ja unbenommen, diese Frage in den Ausschüssen zu erörtern.
Aber lassen Sie mich noch zum Sport etwas sagen. Ich glaube, es wird uns ja niemand unterstellen wollen, wir würden den Faktor Sport für die Bildung und Entwicklung der Menschen hier in unserem Lande oder außerhalb der Landesgrenzen verkennen. Es ist doch nur die Frage, ob wir angesichts der dringenden Bedürfnisse in den Entwicklungsländern gerade sportliche Aktivitäten fördern sollen.
Im übrigen möchte ich eines hier ganz klar feststellen. Alle Aktivitäten in einem Entwicklungsland, die aus eigenen Mitteln, d. h. ohne harte Währung geleistet werden können, die sollen wir auch den Entwicklungsländern überlassen, damit sie diese aus eigener Kraft lösen. Ich glaube, es ist nicht richtig, für derartige Maßnahmen harte Währung zur Verfügung zu stellen. Das wäre nach meiner Auffassung unökonomisch.
Herr Kubitza!
Herr Kollege Gewandt, wissen Sie nicht, daß wir bereits seit Jahren Programme laufen haben und daß hiermit nichts Neues angefangen wird, sondern daß es nur darum geht, wie das Beispiel Ghana mit den Segelflugzeugen zeigt, daß wir hier eine wirklich sachgerechte Planung vornehmen und diese Maßnahmen nicht verkleckern?
Ich glaube, es ist wirklich unmöglich, diese Sparte noch in die Förderung aufzunehmen.
Ferner möchte ich feststellen: Man sollte sich nicht immer an den Staat wenden. Man sollte gelegentlich auch einmal prüfen, was private Organisationen leisten können. Es ist beispielsweise bekannt, daß der Deutsche Sportbund in Südamerika Athleten und ihre Trainer ausbildet. Das ist eine Haltung, die wir befürworten. Aber die Mittel des Staates und des Steuerzahlers müssen nach meiner Auffassung so rationell wie möglich eingesetzt werden, und zwar dort, wo die größte Not ist.
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Deshalb meine ich, wir sollten den Sport nicht in die Entwicklungshilfe einbeziehen.
Das Wort hat der Herr Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zuerst noch ein Wort zum Sport. Ich teile die Auffassung des Kollegen Dorn, daß es besser wäre, etwas für den Sport zu tun, anstatt Militärkapellen in Entwicklungsländer zu schicken. Ich stelle fest, daß zu der Zeit, als das geschehen ist, ich nicht der Minister für wirtschaftliche Zusammenarbeit gewesen bin.
({0})
Nun zu dem sehr ernsten Problem Korea. Die Bundesregierung hat wiederholt die Gelegenheit wahrgenommen, in diesem Hohen Hause zu erklären, daß von ihr alle möglichen Wege gegangen werden, um den betroffenen Menschen zu helfen. Es entspricht nicht den Tatsachen, daß von der Staatsanwaltschaft verschärfte Anträge gegen Menschen gestellt worden sind, die vorher in der Bundesrepublik gelebt haben. Ich spreche nicht von anderen, sondern nur von denjenigen, die vorher in der Bundesrepublik gelebt haben. Das entspricht nicht den Tatsachen.
Zweitens wird die Bundesrepublik Deutschland - und das scheint mir eine ganz entscheidende Frage zu sein - das Abkommen über Kapitalhilfe für das Wärmekraftwerk - und das ist mit den 70 Millionen DM hier gemeint - vor dem 13. April, d. h. vor dem Tag, an dem die Urteile verkündet werden, in keinem Fall unterzeichnen. Die koreanische Regierung ist darüber unterrichtet. Was dann zu geschehen hat, werden wir zu sehen haben.
Im übrigen gehe ich von der Voraussetzung aus, daß wir die beteiligten Ausschüsse laufend über die Situation informieren werden.
Gestatten Sie eine Frage, Herr Minister?
Bitte.
Herr Abgeordneter Dorn.
Herr Bundesminister, wären Sie bereit, die Aussage, die Sie soeben gemacht haben, daß in der Berufungsverhandlung gegen aus der Bundesrepublik Entführte in Korea die Anträge nicht verschärft worden sind, einmal mit dem Auswärtigen Amt abzustimmen, das uns in der vergangenen Woche im Auftrage der Bundesregierung die entgegengesetzte Auffassung vorgetragen hat?
Diese Information, die ich Ihnen soeben gegeben habe, verehrter Herr Kollege Dorn, stammt aus dem Auswärtigen Amt. Ich hoffe nicht, daß hier ein Mißverständnis vorliegt. Aber ich werde mich selbstverständlich sofort um eine Aufklärung bemühen.
Wir werden also den Vertrag über dieses aus einer Vielzahl von Gründen wichtige Projekt in keinem Fall vor dem 13. April unterzeichnen. Wir werden dann zu prüfen haben, was gegebenenfalls zu geschehen hat.
Sie sprechen hier in dem Antrag von 70 Millionen DM, Herr Kollege Dorn. Hier muß in aller Deutlichkeit gesagt werden: Auch für den Fall, daß das Abkommen unterzeichnet würde, würden im Jahre 1968 nur 8 Millionen DM zur Debatte stehen. Falls wir dieses Projekt aus irgendwelchen Gründen nicht durchführen sollten, müßte das Geld selbstverständlich für andere Projekte zur Verfügung stehen, die die Bundesregierung bereits vor vielen Jahren zugesagt hat. Deshalb wäre ich sehr dankbar, wenn der Antrag abgelehnt würde.
({0})
Keine weiteren Wortmeldungen. Wir kommen zur Abstimmung, zunächst über den Antrag auf Umdruck 431. Wer stimmt diesem Antrag zu? - Danke. Die Gegenprobe bitte! - Enthaltungen? - Gegen die Stimmen der FDP ist dieser Änderungsantrag abgelehnt.
Wir kommen nun zur Abstimmung über Einzelplan 23. Ich bitte um ein Handzeichen von denjenigen, die zustimmen wollen. - Danke. Die Gegenprobe! -Enthaltungen? - Der Einzelplan 23 ist gegen die Stimmen der FDP angenommen.
Meine Damen und Herren, ich muß noch einmal auf den Einzelplan 15 zurückkommen. Es ist übersehen worden, daß in diesem Zusammenhang ein Entschließungsantrag zum Haushaltsgesetz 1967 zu erledigen war. Der Ausschuß für Gesundheitswesen beantragt, den Entschließungsantrag auf Umdruck 274, der vom 13. Juni 1967 stammt, unverändert anzunehmen. Ich bitte um ein Handzeichen von denjenigen, die dem Ausschußantrag zustimmen wollen. - Ich kann nicht genau sehen, wer sich an dieser Abstimmung beteiligt. Vielleicht können wir darüber ein Einverständnis erzielen. Wer stimmt dem Ausschußantrag zu? - Danke. Die Gegenprobe! - Das erste war die. Mehrheit; der Antrag ist angenommen.
Vizepräsident Schoettle
Wir kommen zum Einzelplan 24:
Einzelplan 24
Geschäftsbereich des Bundesschatzministers - Drucksachen V/2719, zu V/2719 Berichterstatter: Abgeordneter Windelen
Hierzu liegt ein Entschließungsantrag auf Umdruck 412*) vor, über den in der dritten Beratung abgestimmt wird. Soll dieser Antrag, wie es bisher üblich war, begründet werden? - Das Wort hat der Abgeordnete Graaff.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf in der gebotenen Kürze den Entschließungsantrag auf Umdruck 412 begründen.
Am Schluß der letzten Legislaturperiode hat der damalige Bundesschatzminister angekündigt - und er ist damals von dem Kollegen Häussler aus der CDU-Fraktion unterstützt worden -, daß die Privatisierung von bundeseigenen Unternehmen zu Beginn der neuen Wahlperiode beschleunigt fortgesetzt werde. Wir haben durchaus Verständnis dafür, daß dieses Thema bei der Entwicklung der wirtschaftlichen Lage zunächst nicht sehr aktuell gewesen ist. Wir befürchten aber andererseits, daß es seine Aktualität wieder unmittelbar vor den Bundestagswahlen bekommen könnte.
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Wir möchten deshalb unsererseits schon heute die Anregung geben, erneut zu prüfen, inwieweit Möglichkeiten weiterer Privatisierung für die nächste Zukunft gegeben sind.
Wir möchten dabei zunächst einmal das Problem der VEBA untersucht haben, von der man noch im vorigen Bundestag annehmen konnte und mußte, daß der Bund an ihr eine 51%ige Beteiligung halten wolle. Inzwischen hat sich herausgestellt, daß diese Beteiligung nur noch 40% beträgt, so daß sie jetzt natürlich ohne weiteren Verlust für den Bund auch auf die Sperrminorität von 26% zurückgeführt werden könnte.
Der zweite Antrag beschäftigt sich mit dem Problem der VIAG, des Unternehmens, das im wesentlichen die deutsche Aluminiumproduktion repräsentiert, und wir sind der Meinung, daß unser Antrag aus der vorigen Legislaturperiode nunmehr behandelt werden könnte.
Der letzte Punkt unseres Antrags bezieht sich auf die Salzgitter AG und hier nur auf den Teil der Salzgitter AG, der nicht unmittelbar Betriebszwecken dient. Sie werden vielleicht wissen, daß die Salzgitter AG aus alter Vorzeit riesige Grundvermögen im Salzgitter-Raum verwaltet, die mit dem Betriebszweck nicht unmittelbar zusammenhängen, und es scheint uns empfehlenswert zu sein, den Versuch zu unternehmen, auch über den Verkauf dieser industriell nicht genutzten Grundstücke die Stärkung der Finanzstruktur dieses Unternehmens zu ermöglichen.
*) Siehe Anlage 7
Meine Damen und Herren! Wir haben Verständnis dafür, daß der Herr Bundesschatzminister zu diesem Zeitpunkt und vor diesem Hohen Hause seine eigenen Pläne nicht darlegen kann, wenn er nicht unnützen und vorzeitigen Spekulationen in der Öffentlichkeit über weitere Privatisierungspläne Raum geben möchte. Wir möchten deshalb heute und hier schon vorsorglich beantragen, unseren Entschließungsantrag dem Ausschuß für den wirtschaftlichen Besitz des Bundes zu überweisen.
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Das Wort hat der Herr Bundesminister Schmücker.
Schmücker, Bundesschatzminister: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich folge der Anregung und möchte Ihnen empfehlen, im Ausschuß eine weitere Beratung dieses Antrages vorzunehmen; denn es ist mir kaum möglich, hier im Plenum alle Einzelheiten, die vorher besprochen werden müssen, zu diskutieren.
Darf ich ein paar Anmerkungen machen, damit nicht unnötige oder falsche Hoffnungen von diesem Antrag ausgehen. Ich bin der Meinung, daß die VIAG zum geeigneten Zeitpunkt privatisiert werden sollte. Aber gegenwärtig ist die Marktlage auf den Gebieten, auf denen die VIAG tätig ist, doch so schwierig, daß man es nicht ohne Sicherungen wagen kann, die Bürger für Volksaktien für die VIAG zu gewinnen. Man muß noch einige, und zwar erhebliche Fragen vorher klären. Sie werden in den nächsten Tagen eine Drucksache bekommen, in der die Aufstockung des Kapitals bei der VIAG vorgeschlagen wird. Es ist ausdrücklich bei dieser Aufstockung Vorsorge getroffen, bei einer Privatisierung einen vollen Rückgriff auf das gesamte Kapital vornehmen zu können, eben um die Privatisierung vornehmen zu können.
Was nun die VEBA angeht, meine Damen und Herren, wäre es gefährlich, wenn wir heute dem Markt die Bestände über die Sperrminorität hinaus anbieten würden. Es wäre gefährlich für die Inhaber von VEBA-Aktien, denn sie würden dann erhebliche Kursverluste erleiden. Auch hier ist ein langfristiger Plan notwendig. Aber ich verschließe mich keineswegs dem Anliegen, das hier vorgetragen wird, wobei natürlich diskutiert werden muß, ob bei einer späteren Kapitalerhöhung der VEBA der Bund im Besitz der Sperrminorität bleiben soll - ja oder nein.
Zum letzten Punkt aber noch eine - Herr Graaff, darf ich es so sagen - Klarstellung oder Richtigstellung. Man könnte aus dem Punkt 3 Ihres Antrages entnehmen, daß saumselig in der Veräußerung von Nebenbetrieben verfahren sei, die Salzgitter nicht unbedingt benötigt. Ich glaube, es wäre unzweckmäßig, diese Nebenbetriebe und Liegenschaften ohne Rücksicht auf die zu erzielenden Erlöse anzubieten. Der Bundesschatzminister ist nicht dazu da, das Vermögen des Bundes zu verschleudern. Er muß dafür sorgen, daß das alles in einem vernünftigen Markt geschieht. Leider muß ich Ihnen sa8834
Bundesminister Schmücker
gen, daß die Nachfrage nicht so groß ist, um die Liegenschaften und die Nebenbetriebe in dem Ausmaß zu veräußern, wie Sie das offenbar gerne wollen. Immerhin sind schon landwirtschaftliche Grundstücke bis zur Größenordnung von 2500 ha veräußert, und weitere fünf Nebenbetriebe sind ebenfalls aus dem Zusammenhang von Salzgitter gelöst und andere wirtschaftliche Unternehmen verkauft worden. Daraus geht hervor, daß Ihr Anliegen durchaus von mir gesehen wird. Ich möchte auch hier schon erklären, daß ich mich nicht nur bereit erkläre, sondern auch willens bin, diese Politik fortzusetzen. Ich würde Ihnen aber empfehlen, wegen der vielen kaufmännischen und unternehmerischen Dinge, die dabei angesprochen werden, die Aussprache darüber im Ausschuß fortzusetzen.
Das Wort hat der Abgeordnete Junghans.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich hätte nicht das Wort genommen, wenn es sich hier nicht um ein Grundsatzproblem über den wirtschaftlichen Besitz des Bundes handelte. Hier wird von der FDP wieder der Versuch gemacht, den wirtschaftlichen Besitz des Bundes als eine Art Stiefkind der Bundesregierung hinzustellen, als eine Art illegitimes Kind der Marktwirtschaft. So ist es nicht. Wir haben in der Vergangenheit ja immer wieder auch von unserer Seite aus beklagt: Wie soll der Bund seinen strukturellen Aufgaben in den Regionen, wo er Besitz hat - Saargebiet, Salzgitter, Kiel, Berlin, Amberg, um nur einige Orte zu nennen -, gerecht werden, wenn ihm die Mittel dadurch genommen werden, daß die guten Unternehmen herausgebrochen werden? Das, was nachher skelettiert übrigbleibt, sind dann die strukturgefährdeten Unternehmen. Dagegen möchten wir uns von unserer Seite aus entschieden wehren.
Eine Aufgabe, die durch die Privatisierungsdebatte der letzten Jahre leider unterblieben ist, ist die gewesen, das industrielle Bundesvermögen neu zu ordnen. Ich hatte mir vorgestellt, daß der Beitrag der FDP zu diesem Problem anders ausgesehen hätte.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Peters?
Herr Kollege, sind Sie der Meinung, daß der Bund in Salzgitter landwirtschaftliche Betriebe von mehreren tausend Hektar, Hühnerfarmen, Kaufhäuser
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und weitere gewerbliche Unternehmen unterhalten sollte?
Herr Kollege Peters, Sie wissen, daß ich aus Salzgitter bin. Sie müssen mir erst einmal zeigen, wo der Bund ein Kaufhaus in Salzgitter besitzt.
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- Es steht draußen nicht dran, aber die gehören Hertie und anderen Unternehmen.
Zweitens - der Bundesschatzminister hat es hier schon ausgeführt - gibt es auch einige kaufmännische Gesichtspunkte, die der Bund hierbei zu beachten hat. Es kann ja nicht darauf hinauslaufen, das alles, was der Bund verkauft, möglichst billig ist, damit Spekulanten zum Zuge kommen, die hier am Werke sind, auch von Ihrer Seite; ich kann Ihnen da einige Namen nennen. Weiter muß der Bund auch darauf achten, daß der Kommune und Industriebetrieben, die dort ansiedeln wollen, günstig Grund und Boden zur Verfügung gestellt werden kann. Das ist ein Problem. Dieser Aufgabe kann sich der Bund gerade im Zonenrandgebiet nicht entziehen.
Herr Abgeordneter Peters zu einer Zwischenfrage.
Herr Junghans, stimmen Sie mit mir überein, daß der Bund, als wir vor vier Jahren im Haushaltsausschuß einen Beschluß darüber faßten und die Bundesregierung aufforderten, den Landbesitz abzustoßen, wesentlich mehr Geld erlöst hätte, als wenn er heute verkauft?
Ach, Herr Peters, alle Auflagen des Haushaltsausschusses von damals sind erfüllt worden. Auch das darf ich feststellen. Es geht hier um zusätzliche Verkäufe, die einige wünschen, und zwar mit dem Zweck, eigene Spekulationsgeschäfte zu Lasten des Bundes vornehmen zu können.
Meine Damen und Herren, ich wollte mich hier nur zu der Grundsatzfrage äußern und möchte hier erklären, daß wir nicht bereit sind, den Bundesbesitz, bevor er neu geordnet ist, skelettieren zu lassen, so daß der Bund nachher strukturell überhaupt nichts mehr damit anfangen kann. Der Bund darf sich nicht in den strukturschwachen Gebieten außer Obligo setzen und den Versuch machen, die Verantwortung anderen zuzuschieben. Dazu gehört auch die Frage der Privatisierung.
Noch ein Wort zum Antrag überhaupt. Liebe Kollegen, das Wort „Reprivatisierung" ist völlig falsch. Diese Unternehmen waren nämlich noch nie privat. Auch das ist eine ideologische Nuance, die von Ihrer Seite immer hineinkommt.
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Das Wort hat der Abgeordnete Windelen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ein kurzes Wort zum Antrag auf Umdruck 412. Wir teilen die Auffassung der SPD, daß der Antrag noch nicht beschlußreif ist, da die Frage einer weiteren Privatisierung noch gründlich geprüft werden muß. Wir sind allerdings der Meinung, daß die Motivierung des Kollegen Junghans - daß mit den Bundesunternehmen Interventionspolitik getrieben werden soll -,
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nicht ohne weiteres übernommen werden kann. Insoweit möchte ich mich von ihm distanzieren.
Bezüglich der Ziffer 3 des Antrages - Veräußerung weiterer Nebenbetriebe - sind wir im Ziel der Meinung der Antragsteller. Wir sind aber auch hier der Auffassung, daß die Einzelheiten zunächst geprüft werden müssen.
Wir möchten deswegen darum bitten, den Antrag dem zuständigen Ausschuß zu überweisen.
Das Wort hat der Bundesschatzminister.
Schmücker, Bundesschatzminister: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich lege Wert darauf, klarzustellen, daß es nicht nichtig ist, daß der Salzgitter-Konzern Kaufhäuser und ähnliches in größeren Mengen in Reserve hielte und nicht bereit sei, sie zu veräußern. Wir sind bereit, zu verkaufen und zu veräußern, aber wir sind nicht bereit zu verschleudern. Das muß ich ganz deutlich sagen.
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Sie müssen natürlich das Angebot einigermaßen mit der Marktnachfrage in Übereinstimmung halten. Wir haben bisher landwirtschaftliche Grundstücke in der Größenordnung von 2500 ha verkauft. Borsig wurde an die DIAG in Berlin verkauft. Die Privatisierung der Versorgungsbetriebe ist durchgeführt worden; sie hat 3,15 Millionen DM erbracht. Die Aral-Aktien sind verkauft worden. Weiterhin wurde die Rückerstattung der Kalkwerke Regensburg und der Verkauf der Ruhrgas-Aktien durchgeführt. Außerhalb der Liegenschaften macht das einen Gesamterlös von 70 Millionen DM aus. Zum Verkauf stehen die Konservenfabrik und weiterer landwirtschaftlicher und forstwirtschaftlicher Besitz - zum Verkauf, nicht zur Verschleuderung!
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Es liegen keine weiteren Wortmeldungen mehr vor.
Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses, den Einzelplan 24 in der Fassung anzunehmen, die sich aus den Ausschußberatungen ergeben hat. Wer stimmt diesem Antrag zu? - Ich bitte um ein Zeichen. - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei Enthaltungen der Fraktion der FDP ist der Einzelplan 24 angenommen worden.
Über das Schicksal des Entschließungsantrags wird in der dritten Beratung entschieden.
Ich rufe als Einzelplan auf: Einzelplan 27
Geschäftsbereich des Bundesministers für gesamtdeutsche Fragen
- Drucksache V/2722 Berichterstatter: Abgeordneter Hermsdorf
Dazu liegen keine Anträge vor. Wird das Wort gewünscht? Das Wort wird nicht gewünscht.
Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses, den Einzelplan 27 in der Form anzunehmen, die sich aus den Arbeiten des Ausschusses ergeben hat. Wer stimmt diesem Antrag zu? - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei Enthaltungen der Fraktion der FDP ist der Einzelplan 27 verabschiedet.
Ich rufe auf: Einzelplan 28
Geschäftsbereich des Bundesministers für Angelegenheiten des Bundesrates und der Länder
- Drucksache V/2723 Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Emde
Anträge dazu liegen nicht vor, Wortmeldungen ebenfalls nicht.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer stimmt dem Einzelplan 28 in der vorliegenden Form zu? Ich bitte um ein Zeichen. - Die Ggenprobe! - Das erste war die Mehrheit. Gegen die Stimmen der FDP ist der Einzelplan 28 angenommen.
Ich rufe auf:
Einzelplan 33
Versorgung
- Drucksache V/2727 Berichterstatter: Abgeordneter Hörmann ({0})
Dazu liegen keine Anträge vor. Das Wort wird nicht gewünscht.
Wir stimmen ab. Wer stimmt dem Einzelplan 33 zu? Ich bitte um ein Zeichen. - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einzelplan 33 ist einstimmig angenommen.
Ich rufe nun auf: Einzelplan 08
Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen
- Drucksache V/2708 Berichterstatter: Abgeordneter Jürgensen
Die Aussprache ist eröffnet. Das Wort hat die Frau Abgeordnete Funcke.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Die Auskünfte, die wir von dem Herrn Bundesfinanzminister zu verschiedenen Gelegenheiten insbesondere zu der zahlenmäßigen Auswirkung der Umsatzsteuerreform bekommen haben, stimmen nicht. Mindestens stimmen sie untereinander nicht überein, und der aufmerksame Beobachter ist ein bißchen neugierig, wann und wo sich die Unstimmigkeiten herausstellen werden.
Tatsache ist, Herr Bundesfinanzminister, daß Sie in der zweiten und dritten Lesung des Umsatzsteuergesetzes mindestens viermal beteuert haben, daß das Mehrwertsteuergesetz „nicht etwa ein
Haushaltssicherungsgesetz unter der Tarnung einer Steuerreform" sei; „dann würde die ganze Steuerreform ihren Sinn verlieren".
Tatsache ist, daß wiederholt auch von dem Herrn Staatssekretär Grund beteuert wurde, daß die neue Steuer nicht mehr bringen würde als die alte Steuer einschließlich Beförderungsteuer erbracht haben würde. Tatsache ist, daß noch in ddr dritten Lesung vom Herrn Bundesfinanzminister diesem Hause gegenüber ganz deutlich mitgeteilt wurde, daß es nun gar keine Reserven in dem Umsatzsteuergesetz mehr gebe, nachdem durch die Verbesserung bei den Altwarenvorräten die eingearbeitete dreiviertel Milliarde Reserve ausgeglichen sei.
Meine Herren und Damen, wir wissen alle, daß diese Beteuerung des Herrn Finanzministers, daß nämlich die Umsatzsteuer keine Reservekasse für Haushaltslücken sei, schon einen Monat nach Verkündung des Gesetzes über Bord geworfen wurde. Denn derselbe Finanzminister hat ja dem Kabinett und dem hier aus dem Urlaub herbeialarmierten Bundestag den Vorschlag gemacht, den Satz ab 1. Juli 1968, d. h. ein halbes Jahr nach dem Inkrafttren, um 1 % anzuheben und damit eine echte Mehreinnahme zu erreichen. Diese Mehreinnahme sollte bekanntlich 1,1 Milliarden DM ausmachen zum Ausgleich des Haushaltes 1968.
Nun stellt sich heraus, und deswegen komme ich bei der Haushaltsberatung darauf, daß bei den Einnahme-Ansätzen aus der Umsatzsteuer und der Einfuhrumsatzsteuer ein wesentlich höherer Betrag angesetzt ist, als nach allen früheren Berechnungen herauskommen dürfte. Das heißt also, daß für den Verbraucher der Übergang auf die Mehrwertsteuer zu einer doppelten Steuerbelastung führt, und zwar einmal zu der offenen Steuererhöhung jetzt ab 1. Juli und zweitens zu jener geheimen Steuererhöhung, die bereits bei einem Steuersatz von 10% entgegen den uns gegebenen Beteuerungen erwächst. Lassen Sie mich dies durch eine pauschale Berechnung nachweisen. Dabei bin ich überzeugt, auch diejenigen, die die Beratung nicht in allen Einzelheiten verfolgt haben, werden diese Berechnung mit vollziehen können, denn es geht um jene Pauschalsummen, die in den öffentlichen Diskussionen, die wir alle um die Steuer gehabt haben, immer wieder vorgekommen sind.
Meine Herren und Damen, die Steuereinnahmen 1967, d. h. im abgeschlossenen Jahr bei der alten kumulierten Umsatzsteuer einschließlich Umsatzausgleichsteuer und einschließlich Beförderungsteuer, die wir ja alle dazunehmen müssen, betrugen 25,5 Milliarden DM. Nun rechnet die Bundesregierung - das hat sie uns ja deutlich gesagt - mit einem Wirtschaftswachstum 1968 von 4,5%. Da es sich bei der Umsatzsteuer um eine Proportionalsteuer handelt, kann also auch das Steuermehraufkommen aus einem Wirtschaftswachstum sich nur auf 4,5 % belaufen. Das bedeutet 1,1 Milliarden DM mehr. Außerdem sollte die Erhöhung von 10 auf 11 % ebenfalls 1,1 Milliarden DM mehr bringen. Das heißt also, gemessen an dem Aufkommen von 1967 in Höhe von 25,5 Milliarden DM müßte nach diesen Berechnungen und nach dem, was die Bundesregierung dazu gesagt hat, ein Aufkommen von 27,7 Milliarden DM zu erwarten sein. Hiervon sind dann allerdings abzuziehen jener einmalige Ausfall, der sich aus der Altwarenvorräteentlastung ergibt. Dieser einmalige Ausfall beziffert sich auf 2 Milliarden DM; er ist in seiner Höhe doppelt nachweisbar für diejenigen, die das Ganze ein bißchen mit verfolgt haben. Die Altwarenvorräteentlastung war mit 4,8 Milliarden DM beziffert. Davon wurden 1,3 Milliarden DM aufgefangen durch den Übergang von der Soll- zur Ist-Besteuerung und 1,2 Milliarden durch die Umstellung von der ursprünglichen Form der Investitionsbehandlung zu der Form nach dem neuen Gesetz mit der 8°/oigen Investitionssteuer. Es bleiben dann noch über 2 Milliarden DM. Das ist auch in der Rede des Herrn Bundesfinanzministers bei der zweiten Lesung deutlich geworden. Er hat gesagt: Es sind 0,6 Milliarden, die wir zusätzlich aufbringen müssen nach Abzug aller Vergünstigungen auf der anderen Seite und wofür wir „Opfer bringen" müssen, weil das ein „produktiver Aufall" ist. In der dritten Lesung sind noch einmal 0,7 Milliarden DM hinzugekommen und in der „vierten Lesung", also im September, noch einmal 0,7 Milliarden DM. Das macht zusammen 2 Milliarden DM. Von dem theoretischen Aufkommen von 27,7 Milliarden DM mußten also 2 Milliarden DM als einmaliger Ausfall abgezogen werden. Das Aufkommen müßte 25,7 Milliarden DM betragen, wenn alle Berechnungen früher gestimmt haben. Die Bundesregierung legt uns aber jetzt einen Entwurf vor, bei dem mit 27,3 Milliarden DM gerechnet wird. Das sind 1,6 Milliarden DM mehr gegenüber allen früheren Berechnungen.
Diese Berechnungen kann ich noch aus der Vorschau auf 1969 unterstreichen. Effektives Aufkommen im Jahre 1967: 25,5 Milliarden DM. Wenn wir auf 1969 fortschreiben, so ergibt sich zweimal eine Wachstumsrate um 41/2%, also ungefähr 2,3 Milliarden DM mehr. Außerdem kommt hinzu die Erhöhung von 10 auf 11%. Nach den Berechnungen der Bundesregierung macht das für ein Jahr 2,4 Milliarden DM aus. Zusammengerechnet müßte sich demnach für 1969 ergeben 25,5 ({0}) zuzüglich 2,3 Milliarden Wachstum und 2,4 Milliarden Steuersatzerhöhung; das sind 30,5 Milliarden DM. Die Bundesregierung rechnet aber mit 33 Milliarden DM, also mit 2,5 Milliarden DM mehr, und das alles, ohne daß neue Tatsachen und effektive Zahlen bekannt sind. Denn die Regierung kann - das hat sie im Ausschuß deutlich gesagt - für ihre neuerlichen Berechnungen des Aufkommens der Umsatzsteuer nicht konkrete Erkenntnisse aus dem Aufkommen der ersten drei Monate 1968 gewonnen haben. Was im Januar aufkam, war ja noch alte Rechnung, und das Aufkommen von Februar und März ist völlig unbrauchbar für eine auch nur einigermaßen repräsentative Fortschreibung, weil der Übergang von der Ist- zur Soll-Besteuerung mehr bringt und gleichzeitig die Entlastung der Altvorräte das Aufkommen mindert. Es kann sich also nur um Berechnungen auf der Grundlage der gleichen früheren Zahlen handeln.
Dieses Zahlenspiel hat drei Richtpunkte. Da sind zunächst einmal die Berechnungen, die uns im
Finanzausschuß und im Plenum über die Errechnung des Steuersatzes von 10 % von der Regierung gegeben worden sind. Der zweite Richtpunkt ist das erwartete Wirtschaftswachstum, das die Regierung mit 4,5% angibt. Und der ,dritte Richtpunkt ist die ausgewiesene Steuererwartung.
Nach dieser Berechnung nun die Frage an Sie, Herr Minister: Entweder sind Ihre Ansätze falsch, nämlich um 1,6 Milliarden DM zu hoch. Dann ist das eine sehr gefährliche und fragwürdige Sache, denn dann würde unser Haushalt nicht ausgeglichen sein. Dann hätten Sie den Haushalt nur optisch zum Ausgleich gebracht, ohne daß hinter diesen Zahlen eine wirkliche Realität steht. Wir würden dann einen optisch ausgeglichenen Haushalt, aber am Ende des Jahres ein Defizit haben. Oder aber diese Haushaltsansätze stimmen. Dann kann aber entweder das nicht stimmen, was Sie als Wirtschaftswachstum angegeben haben oder aber ,die Umsatzsteuerreform war doch eine Reservekasse des Bundes. Beides wäre sehr bedenklich. Die Regierung spricht von einem Wachstum von 4,5%, nach diem Haushaltsansatz aber müßte das Wachstum mindestens mit 11% erwartet werden. Meine Herren und Damen, da fragen wir allerdings, ob hier bereits eine Inflationsquote eingerechnet worden ist. Oder aber - und das ist das Wahrscheinlichste - die Zahlen, die uns bei der Beratung des Umsatzsteuergesetzes gegeben wurden, waren nicht exakt - um es nicht schärfer zu formulieren. Wir haben guten Grund, zu vermuten, daß uns falsche Zahlen bei der Errechnung des 10 %igen Satzes gegeben worden sind. Denn es liegt noch undementiert gedruckt vor uns die Rede des Herrn Wirtschaftsministers bei der Eröffung der Frankfurter Messe im vergangenen Frühjahr, in der er sagte: Die Finanzsorgen, die die Regierung jetzt hat, werden erleichtert beim Übergang auf die Mehrwertsteuer. Das kann doch nach Adam Riese nichts anderes heißen, als daß bereits damals - und das war noch vor der zweiten und dritten Lesung, als uns der Herr Finanzminister sagte: „Es .gibt keine Reserven mehr in diesem Gesetz" - der Finanzminister von diesen Reserven in aller Öffentlichkeit gesprochen hat.
Dies scheint uns sehr bedenklich zu sein. Denn worauf sollen wir in diesem Hause noch glaubwürdig Entscheidungen gründen, wenn die Zahlen, die uns von den Sachverständigen in den Ministerien auf Grund aller ihrer Unterlagen gegeben werden, einer Nachprüfung selbst des eigenen Hauses nicht mehr standhalten!
Ich meine, wir alle, die wir in diesem Hause besonders intensiv an der Mehrwertsteuer gearbeitet haben, haben ein Stück unserer parlamentarischen Glaubwürdigkeit an dieses Gesetz gebunden, und wir können es einfach nicht hinnehmen, daß man uns ein halbes Jahr später die Grundlagen unserer Entscheidungen durch eine andere Berechnung des Ministeriums in Frage stellt. Denn wir, meine Herren und Damen, müssen uns draußen nach der Glaubwürdigkeit unserer Entscheidung fragen lassen.
Hier ist also eine ernste Frage gestellt, ganz besonders, meine ich, für jene Kollegen der Mehr-
heit in diesem Hause, die vier Monate später nach Verabschiedung, aber noch vor Inkrafttreten des Gesetzes auf Grund der Defizitangaben der Regierung eine Erhöhung des Steuersatzes auf 11 010 beschlossen haben in der Annahme, daß man diese 1,1 Milliarden DM anders nicht gewinnen könnte. Gerade sie müssen jetzt mit allem Ernst fragen, so meine ich: Wenn man diese Reserven noch hatte, wie konnte man uns dann noch veranlassen, zusätzlich zu der geheimen Steuererhöhung auch noch eine offene zu wollen und zu beschließen?
Wir haben deswegen, meine Damen und Herren, einen Antrag eingebracht *), in dem die Regierung aufgefordert wird, unverzüglich einen Gesetzentwurf vorzulegen, nach dem die Erhöhung der Steuer auf 11 % rückgängig gemacht wird, daß heißt, gar nicht erst in Kraft tritt.
Wir haben viel Grund, diesen Antrag zu stellen. Einmal, weil in der Tat bereits bei einem Steuersatz von 10% nach den Ihnen gegebenen Berechnungen ja schon mehr einkommt und es deswegen einer Erhöhung des Steuersatzes gar nicht mehr bedarf - es sei denn, man müßte die Begründung nachträglich ändern -; zum zweiten aber, weil wir eine neue Unruhe auf dem Preissektor nicht leicht nehmen sollten. Wir alle haben erleben müssen - und aus allen Bereichen dieses Hauses kamen kritische Anfragen -, daß die öffentliche Hand allen voran, aber auch mancher andere die Änderung des Umsatzsteuersystems zum Anlaß genommen hat, Preiserhöhungen zu fordern, die mit der Umsatzsteuer nur zum Teil oder gar nicht zu begründen waren. Wir alle haben das beklagt. Und nun müssen wir mit Sicherheit damit rechnen, daß dasselbe sich im Juli dieses Jahres wiederholen wird. Denn es gibt Anlaß genug, Preiserhöhungen aus anderen Gründen zu fordern. Es gibt Lohnerhöhungen, es gibt erhöhte Nachfrage, und es gibt Betriebe, die aus den roten Zahlen wieder herauskommen müssen, um zu existieren, und deswegen die völlig abgesunkenen Preise wieder angleichen müssen. Das sind Gründe für Preiserhöhungen, über deren Qualität ich nicht sprechen möchte, die aber mit Sicherheit gegeben sind. Für sie alle wird die Erhöhung des Mehrwertsteuersatzes den dankbar begrüßten Vorwand abgeben und damit wird die Mehrwertsteuer erneut in Mißkredit gebracht werden. Wir haben doch schon Hinweise, einerseits vom Industrie- und Handelstag, andererseits von den Verbrauchern, die mit allem Ernst auf diese Entwicklung hinweisen.
Meine Herren und Damen, alle, die damals sehr ungern der Erhöhung zugestimmt haben - ich glaube, das war so ziemlich das ganze Haus -, und alle, die seinerzeit schon der Erhöhung widersprochen haben, sollten nunmehr die Haushaltsansätze zum Anlaß nehmen, zu sagen: Dies ist jetzt nicht nötig, wir können bei den 10 % bleiben; die Haushaltsansätze, die die Regierung erwartet, machen deutlich, daß wir auch ohne Erhöhung zu einem Mehraufkommen, wie es die Regierung seinerzeit gewollt hat, kommen können. Aus dieser Überlegung haben wir unseren Antrag gestellt und
*) Siehe Anlage 8
gleichzeitig materiell beantragt, die Steueransätze bei der Umsatzsteuer und der Einfuhrumsatzsteuer in Einzelplan 60 entsprechend zu ändern.
Die FDP hat vor einiger Zeit eine Große Anfrage zur Steuerpolitik der Regierung eingebracht. Die Anfrage wird, wie ich unterrichtet bin, in der ersten Maiwoche behandelt. Ich möchte deswegen und in Anbetracht der begrenzten Zeit jetzt nicht die Steuerpolitik der Regierung zum Diskussionspunkt machen, sondern will mich selbst damit auf die erste Maiwoche vertagen.
Einen Punkt lassen Sie mich jedoch noch kurz anschneiden, der mir auch wichtig zu sein scheint. In dem später in das Stabilitätsgesetz eingefügten § 12 steht, daß wir alle zwei Jahre von der Regierung einen Subventionsbericht erhalten sollten, d. h. einen Bericht über Finanzhilfen und Steuervergünstigungen. Außerdem soll nach Abs. 4 die Regierung „Vorschläge" hinsichtlich der gesetzlichen oder sonstigen Voraussetzungen für eine frühere Beendigung oder einen stufenweisen Abbau der Verpflichtungen machen.
Dieser Passus stand in der ursprünglichen Regierungsvorlage der alten Koalition noch nicht. Er ist am 31. Januar 1967 durch einen Beschluß der neuen Regierung eingefügt und von der Mehrheit des Hauses übernommen worden. Wir durften dabei wohl davon ausgehen, daß die Regierung wußte, was sie vorschlug. Doch inzwischen haben wir festgestellt, daß das keineswegs der Fall ist. Als man uns den Subventionsbericht kürzlich vorlegte und begründete, mußten die Herren des Finanzministeriums immer wieder zugeben, daß es furchtbar schwer sei, diesem selbst gestellten Auftrag nachzukommen. Denn man wisse gar nicht, was Finanzhilfen seien und wie sie sich abgrenzten, wo Steuerermäßigungen anfingen und wo sie aufhörten. Sie erklärten, es handle sich überhaupt um eine schwierige Formulierung, mit der man nichts anfangen könne.
Das mag eine Angelegenheit sein, die die Koalitionsparteien mit ihrer eigenen Regierung aushandeln mögen. Wir erwarten aber, daß eine Regierung, die so etwas vorschlägt, nachher wenigstens weiß, wie sie es ausführen soll.
Meine Herren und Damen, es geht nicht um den Bericht allein, obwohl wir mehr und mehr den Eindruck haben, daß Sie Ihr Gewissen als Koalitionsparteien, die Sie für die derzeitige Politik verantwortlich sind, zu entlasten suchen, indem Sie permanent Berichte und Zahlen anfordern. Aber mit Berichten und Zahlen macht man keine Politik. Politik macht man mit Entscheidungen. Deswegen steht in dieser Vorschrift auch, daß die Regierung Vorschläge machen soll, wie man solche Subventionen, wenn sie nicht mehr nötig sind, abbaut oder beendet.
Tatsächlich aber sahen diese „Vorschläge" folgendermaßen aus: Hinter jedem Punkt stand irgend etwas als eine ganz vage Andeutung: vielleicht und ein bißchen und gegebenenfalls und später einmal usw. Ein konkreter Vorschlag liegt nicht vor. Was hilft uns aber dann ein solcher Bericht, wenn nicht
auch nur die Spur einer konkreten Entscheidung dahinter steckt?
Es ist nicht der einzige Fall der Entschlußlosigkeit; wir können die Reihe beliebig erweitern. Diese Große Koalition und ihre Regierung neigen dazu, immer wieder mit Zahlen, mit neuen Begriffen, mit Theorien ihre politischen Ansichten rethorisch auszustatten, aber es fehlt ihnen an den konkreten Entscheidungen. Wir hätten gern eine sehr viel kürzere Liste gehabt, Herr Minister, aber eine Liste, in der gestanden hätte, was die Regierung von diesen Subventionen zu beseitigen oder abzubauen beabsichtigt. Damit hätten wir sehr viel mehr anfangen können.
Wegen der vorgeschrittenen Zeit möchte ich hiermit abschließen. Sicherlich werden Sie sich nicht wundern, wenn ich namens meiner Freunde abschließend sage, daß die FDP-Fraktion den Etat des Bundesfinanzministers ablehnen wird.
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Das Wort hat der Herr Bundesminister der Finanzen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist nicht meine Absicht, auf die gesamte finanzpolitische Problematik dieses Haushalts im allgemeinen und in seinen wesentlichen Einzelheiten einzugehen. Ich behalte mir das für die dritte Lesung vor. Ich möchte mit wenigen Sätzen ausschließlich auf das antworten, was Frau Kollegin Funcke gesagt hat.
Wenn ich es humorvoll oder ironisch sagen würde, dann müßte ich Sie fragen, Frau Kollegin Funcke, ob Sie es eigentlich mitbekommen haben, daß die nach Meinung der überwältigenden Mehrheit des Hauses nicht brauchbaren Einsparungsvorschläge abgelehnt worden sind. Wenn Sie es nicht mitbekommen haben, dann darf ich es Ihnen hiermit sagen; dann haben Sie noch eine Möglichkeit, Ihren Antrag zurückzuziehen. Wenn Sie es aber wissen, daß das Haus die Einsparungsvorschläge der FDP - unter anderem zu Einzelplan 14 - abgelehnt hat, dann ist es doch schlechterdings unmöglich, auf der Einnahmenseite auf 1,2 Milliarden DM in einem halben Jahr ersatzlos zu verzichten.
({0})
Zweitens. Auf Anforderung des Herrn Vorsitzenden des Finanzausschusses, des Kollegen Otto Schmidt, hat der Staatssekretär des Bundesministeriums der Finanzen unter dem 28. März 1968 dem Finanzausschuß eine Ubersicht zugestellt. Diese Übersicht ist auf der Grundlage des geltenden Rechts erstellt worden. Aus dieser Ubersicht, die auf der Steuerschätzung für die Fortschreibung der mittelfristigen Finanzplanung aufgebaut ist, also auf der vom Bundeswirtschaftsministerium errechneten, vom Bundesfinanzministerium und der Bundesregierung übernommenen Zielprojektion, ergibt sich im Haushaltsjahr 1968 - gegenüber der alten Steuer, der kumulativen Allphasen-Umsatzsteuer, ein Minus von 750 Millionen DM, im Jahr 1969 ein Plus
von 1,19, aber in der Saldierung mit dem Vorjahr plus 0,44, im Jahr 1970 ein Plus von 1,43, in der Saldierung mit den Vorjahren ein Plus von 1,87, im Jahr 1971 noch ein Plus von 0,67, in der Saldierung mit den Vorjahren plus 2,54, im Jahr 1972 ein Minus von 1 Milliarde, in der Saldierung mit den Vorjahren noch ein Plus von 1,54, im Jahr 1973 ein Minus von 2,5 Milliarden, in der Saldierung dann minus 0,96 Milliarden, und für das Jahr 1974 ein Minus von 2,8 Milliarden, in der Saldierung mit den Vorjahren - also kumulativ - ein Minus von 3,76 Milliarden. Das heißt wenn die Zielprojektion erreicht wird, auf der die Steuerschätzung aufgebaut ist - mehr kann man zur Zeit mit gutem Gewissen nicht oder noch nicht unterstellen - dann wird bis zum Jahr 1974 einschließlich die Mehrwertsteuer nach geltendem Recht insgesamt 3,76 Milliarden weniger erbracht haben, als die Umsatzsteuer nach altem Recht erbracht hätte.
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- Ich habe ja schon einen Teil ihrer Rede -
Frau Abgeordnete Funcke wollte Sie etwas fragen. - Bitte!
Herr Minister, muß ich annehmen, daß Sie meiner Berechnung eben nicht gefolgt sind, genausowenig wie das Ministerium ihr bei der Beratung im Finanzausschuß gefolgt ist? Denn wenn, wie Sie sagen, in diesem Jahr 0,7 Milliarden DM weniger einkommen werden, während gleichzeitig eine bewußte Minderung von über 2 Milliarden DM durch die Altvorräteentlastung geplant war, so ist doch in der Tat ein Mehr von mindestens 1,3 oder 1,4 Milliarden über das hinaus entstanden, was erwartet werden konnte.
Es dürfte Ihnen doch nicht entgangen sein, daß die Erhöhung der Mehrwertsteuer um einen Punkt ab 1. Juli 1968 die Voraussetzung dafür war, einen wesentlichen Wunsch der Wirtschaft nach stärkerer Entlastung der Altvorräte erfüllen zu können.
({0})
Diese beiden Beschlüsse gingen ja Hand in Hand. Das beschlossene Mehrwertsteuergesetz ist in der Konsequenz der mittelfristigen Finanzplanung aus triftigem Grunde geändert worden: nochmalige stärkere Entlastung der Altvorräte gegenüber den früheren Parlamentsbeschlüssen, und zum Ausgleich dafür Anhebung um einen Punkt, so daß das Plus im Jahre 1968 nur 400 Millionen DM aus der Anhebung um dieses eine Prozent ab 1. Juli 1968 erbringt. Sie haben einfach nichts, aber auch gar nichts, weder nach meinen Informationen im Ausschuß noch hier, dazu gesagt, warum die vom Staatssekretär des Finanzministeriums dem Ausschuß schriftlich zur Verfügung gestellte Berechnung falsch sein sollte.
Wenn also diese Berechnung richtig ist, dann erbringt die Mehrwertsteuer bis zum Jahre 1974 kumuliert fast 4 Milliarden DM weniger, als das alte System erbracht hätte.
Gestatten Sie noch eine Frage, Herr Minister?
Bitte sehr!
Herr Minister, wäre es Ihnen dann auf der Grundlage der Berechnung, die ich eben in diesem Hause vorgetragen habe, nicht möglich zu sagen, an welcher Stelle meine Berechnung falsch war? Das waren doch sämtlich Zahlen, die Sie uns zur zweiten und dritten Lesung gegeben und die wir alle verstanden haben. Die Erhöhung der Mehrwertsteuer um einen Punkt habe ich ja in diese Rechnung einbezogen.
Sie sollten uns nachweisen, daß unsere sehr sorgfältig angestellte Rechnung falsch ist.
({0})
Sie können nicht einfach Einsparungsvorschläge machen, die vom Hause wegen ihrer Unbrauchbarkeit abgelehnt werden, einen Verzicht auf Einnahmen herbeiführen wollen und sich dann noch über die erhöhte Kreditfinanzierung beklagen, indem sie von „Schuldenberg" und „Inflationspotential" reden.
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Diese drei Dinge zusammengenommen sind doch ein Absurdum.
Sie wissen doch ganz genau, daß der Verzicht auf die von uns auch nicht gewünschte Steuererhöhung angesichts der Unmöglichkeit, stärkere Einsparungen vorzunehmen, automatisch - das Zahlenwerk ist gegenüber dem Zwang der Kasse dann gleichgültig - zu einer erhöhten Kreditfinanzierung führt, auch wenn sie im außerordentlichen Haushalt aus Gründen der Zahlenmanipulation nicht angeführt werden müßte. Der Bund muß ja zahlen. Er muß die Zuschüsse zur Rentenversicherung zahlen, er muß für seine rechtlichen Verpflichtungen zahlen, für seine politischen Verpflichtungen zahlen, er muß seine Investitionsaufgaben tätigen. Er kann nicht einfach am 1. November mit den Zahlungen aufhören, weil kein Geld mehr in der Kasse ist. Dann muß sich der Bundesfinanzminister, ganz gleich, was im Haushaltsplan steht, wenn er zu Ausgaben gezwungen ist, die Mittel auf dem Wege der kurz- oder mittelfristigen Finanzierung beschaffen. Wir sind auch keine Fetischisten einer Steuererhöhung oder etwa fanatische Anhänger einer höheren Steuerbelastung. Aber wir haben verantwortungsbewußt und gewissenhaft gehandelt, als wir diese nicht für demagogische Zwecke in der Öffentlichkeit sich eignende Maßnahme ergriffen haben, um die Stabilität der Finanzen wiederherzustellen, die nicht durch meine Schuld in Unordnung geraten sind.
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Bei dem geltenden Recht werden wir bis zum Jahre 1974 zusammengenommen fast 4 Milliarden
DM weniger einnehmen, als die alte Steuer erbracht hätte. Dabei ist es völlig müßig zu fragen, ob unsere Zielprojektion richtig ist, ob sie nach oben oder nach unten korrigiert werden muß; denn es handelt sich ja nicht darum, ob die Zielprojektion stimmt, sondern es handelt sich darum, wie sich bei gleicher Zielprojektion der Ertrag der alten Steuer und der Ertrag der neuen Steuer zueinander verhalten. Ich glaube, darüber gibt es keinen Zweifel. Wenn wir diese Zielprojektion, von der ich gesprochen habe, zugrunde legen und sie bis in das Jahr 1974 hinein fortschreiben, dann sind es eben nach geltendem Recht, das Sie noch ändern wollen, fast 4 Milliarden DM weniger, als die alte Steuer erbracht hätte.
Frau Kollegin Funcke, Sie mögen sich noch sooft gegenüber der Presse und in der Öffentlichkeit oder sonstwie äußern und davon sprechen, daß ich mein Wort, daß die Mehrwertsteuer keine Reservekasse darstelle, nicht gehalten hätte. Wenn bis zum Jahre 1974 4 Milliarden DM weniger herauskommen, dann kann ich doch wahrlich behaupten, daß hier keine Reservekasse vorhanden ist. Wenn wir beim alten System hätten bleiben können, hätte der Finanzminister 4 Milliarden DM mehr gehabt.
Gestatten Sie eine Frage?
Wenn es unvermeidbar ist, ja.
Bitte, Frau Funcke!
Herr Minister, ich habe immer noch nicht gehört, wie Sie zu meinen Zahlen stehen; aber das scheint ja offensichtlich hier nicht zu glücken. Darf ich fragen, ob Sie mir zustimmen, daß Ihre theoretischen Berechnungen aus der mittelfristigen Finanzplanung eine Fortschreibung aus dem Jahre 1964 sind und nicht einrechnen, daß wir inzwischen eine Rezession gehabt haben, die wir ja nun augenblicklich verkraften müssen, und daß die Tatsache, daß da selbstverständlich weniger einkommt, doch mit dem Übergang nichts zu tun hat, sondern mit der Wirtschaftslage?
Das ist nicht die Frage.
({0})
Die Frage, ob wir eine höhere Wachstumsrate, eine niedrigere Wachstumsrate oder Stagnation haben, ist relativ unerheblich gegenüber dem Problem: Wie verhält sich das Aufkommen aus der alten Steuer, wenn sie fortgesetzt worden wäre, 'zu dem erwarteten Aufkommen aus der neuen Steuer? Aber wenn Sie so lange gebraucht haben, Frau Kollegin Funcke, um nach unserer Meinung falsch zu rechnen, dann geben Sie uns bitte genauso viel Zeit, um richtig zu rechnen und Ihre Zahlen nachzuprüfen.
({1})
Herr Minister, gestatten Sie eine Frage?
Ich möchte ja nur kurz sprechen und hier keinen steuerpolitischen Dialog machen. Darüber können wir uns Anfang Mai unterhalten. Ich habe morgen noch die Absicht, zu einigen finanzpolitischen Problemen zu sprechen, aber nicht jetzt einen Dialog zu führen, den wir dann bei anderer Gelegenheit ausgiebig führen können.
({0})
Herr Minister, wenn wir Ihnen jetzt folgen und die Diskrepanz zwischen den Zahlen, die hier vorgetragen werden, als im Augenblick unerklärlich unterstellen: Wie würden Sie aber die Aussage Ihres Kollegen Professor Schiller in Frankfurt werten, der wörtlich gesagt hat: „Unsere Finanzsorgen werden geringer, wenn wir die Mehrwertsteuer einführen."? Darf man daraus schließen, daß vom Herrn Wirtschaftsminister doch mit einer Art Reservekasse gerechnet worden ist?
Wann? Wo?
Bei der Eröffnung der Frankfurter Messe, voriges Jahr im Herbst.
Voriges Jahr im Herbst war die Erhöhung der Mehrwertsteuer ab 1. 7. 1968 um 1 °/o schon beschlossen und war schon geltende Recht. Und natürlich hat die Einführung der Mehrwertsteuer und ihre Änderung für das Jahr 1968, 700 Millionen DM Mehrentlastung der Altvorräte einerseits, was ohne Zweifel der Wirtschaftsbelebung nachhaltig und mit raschem Erfolg gedient hat, dafür andererseits 1% höherer Steuersatz ab 1. 7. 1968, uns geholfen, den Ausgleich in der mittelfristigen Finanzplanung zu finden. Außerdem, Herr Kollege Zoglmann, habe ich, als ich bei der Verabschiedung des Mehrwertsteuergesetzes hier an dieser Stelle gesprochen habe, noch nicht gewußt, daß das Ergebnis der Überlegungen des Finanzkabinetts und des Kabinetts zu einer Erhöhung der Mehrwertsteuer um einen Punkt führen wird. Ich bin von dem Entwurf ausgegangen, wie ihn damals das Haus verabschiedet hat, und habe damals behauptet, dieser Entwurf stelle keine Reservekasse dar. Wenn Ihr Antrag durchginge, Herr Kollege Zoglmann, wenn der Antrag von Frau Kollegin Funcke. angenommen würde, würde sich das Steueraufkommen, von dem ich vorher schon sagte, daß es all die Jahre hindurch bis zum Jahre 1974 einschließlich fast 4 Milliarden DM weniger bringt, im Jahre 1968 um 1,1 Milliarden DM, im Jahre 1969 um 2,81 Milliarden DM, im Jahre 1970 um 2,96 Milliarden DM und im Jahre 1971 um 3,13 Milliarden DM verschlechtern. Das wäre also nur für die vier Jahre zusammengenommen ein Betrag von 10 Milliarden DM, auf den die Bundeskasse verzichten müßte, der also, wenn er nicht durch anderweitige Steuererhöhungen oder Beseitigung von Steuervorteilen oder durch Kürzungen bewältigt wird, zwangsläufig auf dem Wege der von Ihnen
schon heute als zu hoch empfundenen Kreditfinanzierung bewältigt werden müßte. Die Rechnung geht eben nicht auf.
Ich darf Sie ferner darauf hinweisen, Frau Kollegin Funcke, daß wir in dem von Ihnen vorher zitierten Bericht der Bundesregierung über die Entwicklung der Finanzhilfen usw. auf Seite 2 geschrieben haben: Der weitere Abbau von Steuerbegünstigungen soll möglichst in Zusammenhang mit anstehenden Steuerreformen, vor allem im Bereich der direkten Steuern, vorgenommen werden. Wenn man aus gutem Grunde, weil der Faktor Psychologie für die Wiederbelebung unserer Wirtschaft von einer größeren Bedeutung ist, als man sich früher einmal vorgestellt hat, die Parole ausgibt: Ruhe an der Steuerfront, dann muß nach den auch von mir nicht gewünschten, aber leider unvermeidlichen Steuererhöhungen auf einer Reihe von Gebieten nicht nur die Erhöhung von Steuersätzen vermieden werden. Dann muß vorerst jedenfalls auch der Abbau von Steuerbegünstigungen vermieden werden.
Wenn ich mir die leidige Debatte um die Subventionen ins Gedächtnis zurückrufe, Frau Kollegin Funcke, dann komme ich allmählich zu der Auffassung, daß es überhaupt keine Subventionen gibt. Denn jeder Kreis, der angesprochen wird, jede Gruppe, die sichtbare oder unsichtbare Finanzhilfen erhält, hat vom ideologischen Bereich bis zur pragmatischen Beweisführung durchschlagende Gründe dafür, daß die sie treffende Begünstigung sichtbarer oder unsichtbarer Art auf keinen Fall eine Subvention genannt werden dürfte. Addiert man diese Argumente, kommt man zu der Feststellung, daß der Bericht überhaupt nicht hätte erstattet werden dürfen, weil es nämlich überhaupt keine Subventionen gibt. Es gibt schon Subventionen, wenn eine Gruppe über die andere redet. Wenn man hier addiert, dann kommen wir ungefähr auf das, was in diesem Bericht steht. Wenn wir aber die Gruppe selbst fragen, die aufgeführt ist, dann ist Ruhe auch im Subventionswald; es gibt keine Subventionen.
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Ich bitte Sie, meine Damen und Herren - ich muß es leider so deutlich sagen -, den Antrag der FDP abzulehnen, weil er unter dem Gesichtspunkt der finanzpolitischen Stabilität schlechterdings nicht zu verantworten ist.
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Das Wort hat Frau Abgeordnete Kurlbaum-Bayer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist nicht meine Absicht, noch auf die erste Frage, die Frau Kollegin Funcke aufgeworfen hat, nämlich die Schätzungen bei der Mehrwertsteuer, einzugehen. Ich möchte Sie nur auf folgendes hinweisen, Frau Kollegin. Wir haben, wie ich festgestellt habe, heute morgen im Fach - wahrscheinlich infolge Ihrer Anregung im Ausschuß - noch einmal eine eindeutige Übersicht über die Schätzungen bis zum Jahre 1974 vorgefunden. Ich möchte der volkswirtschaftlichen Abteilung nicht unterstellen, daß sie uns fingierte Zahlen zur Verfügung stellt. Danach müssen wir davon ausgehen, daß die jetzt vom Bundesfinanzminister gemachten Äußerungen den Tatsachen entsprechen.
Ich gebe natürlich eines zu. Es ist sehr schwer, im gegenwärtigen Zeitpunkt Schätzungen überhaupt so konkret zu machen wie vielleicht in der Vergangenheit, wo wir von einer normalen Entwicklung sprechen konnten,
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denn keine Steuer ist so konjunkturabhängig wie gerade die Umsatzsteuer bzw. Mehrwertsteuer.
Nun aber zu dem Antrag, den Sie selbst begründet haben, Frau Kollegin Funcke. Es ist natürlich das gute Recht der Opposition, optisch wirksame Anträge zu stellen. Ich muß Ihnen hier jedoch ganz offen sagen: Wir waren 16 Jahre in dieser Lage; aber so leicht wie bei den Anträgen, die bei diesen Beratungen von Ihnen eingebracht werden, haben wir es uns nicht gemacht, zumindest dann nicht mehr, als erkennbar war, daß wir nicht mehr aus dem vollen schöpfen konnten. In den letzten Jahren, schon vor den Bundestagswahlen, haben der Kollege Dr. Möller und unser verstorbener Freund Fritz Erler bei jedem Antrag, von welcher Gruppe er auch kam, gefragt: Wo ist die Deckung? Frau Kollegin Funcke, die Deckungsfrage bleibt bei Ihnen wie auch bei den anderen Anträgen offen.
Der Herr Minister hat soeben schon gesagt, die Anhebung des Mehrwertsteuersatzes wurde unmittelbar angeregt durch die besondere bzw. verbesserte Entlastung der Altvorräte. Frau Kollegin Funcke, dafür war auch die FDP. Ich möchte Sie sogar daran erinnern, daß Ihnen die Entlastung der Altvorräte in der jetzigen Form nicht einmal ausreichend war. Das haben Sie damals ausgesprochen.
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Nun muß ich Sie fragen: Woher sollen denn nun eigentlich die Mittel genommen werden?
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- Herr Kollege Mertes, es kommt einem allmählich so vor, als ob Sie alle auch bis jetzt aus der Misere des Jahres 1966 noch nichts gelernt hätten. Mir hängt es auch zum Halse heraus, aber man muß immer wieder sagen: Sie haben von der FDP mit Schuld an der Entwicklung durch die Versprechungen und Steuergeschenke seit 1965. Herr Dr. Dahlgrün hat zwar inzwischen gesagt, er habe einen Brief an den damaligen Kanzler geschrieben. Ich kann Ihnen als Mitglied des Finanzausschusses nur sagen, daß der damalige Finanzminister, Herr Dr. Dahlgrün, die Frage, ob Deckung für die Bewilligung neuer Wahlgeschenke vorhanden sei, stets bejaht hat. Nur unter diesem Gesichtspunkt sind dann überhaupt die Entscheidungen gefallen. Sich heute auf Briefe zu berufen, die irgendwann geschrieben worden sind, ist, würde ich sagen, zumindest sehr fragwürdig.
Frau Abgeordnete, gestatten Sie eine Frage?
Frau Kollegin, würden Sie, wenn schon der Herr Bundesfinanzminister nicht in der Lage war, uns zu bestätigen, daß es sich hier nicht um eine Frage der Deckung, sondern um falsche Zahlen handelt, so freundlich sein und uns erklären, daß Sie bereit sind, diese Zahlen noch einmal zu überprüfen?
Das brauche ich doch nicht, Herr Kollege Staratzke; das hat der Herr Bundesfinanzminister schon gesagt. Wäre es nicht richtiger gewesen, Ihre Zahlen, wenn Sie glauben, daß sie richtiger sind, zwischen der Sitzung des Finanzausschusses in Berlin und der heutigen Plenarsitzung mit den Zahlen des Ministeriums zu vergleichen?
Frau Abgeordnete, gestatten Sie eine Frage des Bundesfinanzministers?
Frau Kollegin, wären Sie vielleicht mit mir der Meinung, daß die Änderung von Zahlen allein für die Deckung des Haushalts etwa die gleiche Wirkung hätte, wie wenn man ein Streichholz unter ein Thermometer hält, um damit die Temperatur im Zimmer zu erhöhen?
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Ich halte das für einen guten Vergleich.
Frau Kollegin Funcke, der Bundesfinanzminister hat schon darauf hingewiesen, daß ohne Deckung aus Steuermitteln nur eine Neuverschuldung bleibt. Aber ich glaube, darüber brauchen wir hier gar nicht mehr zu reden; denn das lehnt die FDP ja ebenfalls ab, und wahrscheinlich wird auch die Bundesbank in dieser Frage nicht mitmachen.
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- Was heißt „hoffentlich"? Wenn Sie die Vergleiche ziehen, Herr Kollege Mertes, so ist die Verschuldung in der Bundesrepublik gegenüber der Verschuldung anderer Länder noch immer als normal zu bezeichnen. Und wenn Sie die Äußerungen des Finanzministers und des Kabinetts richtig gelesen haben, dann haben Sie gesehen, daß großer Wert darauf gelegt wird, bereits ab 1969 sukzessive aus dieser Verschuldung herauszukommen. Und in diese Verschuldung, Herr Kollege Mertes, sind wir doch - ich muß es wiederholen - mit Ihrer Schuld hineingekommen.
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- Das läßt sich doch wohl nicht bestreiten.
Wollen Sie eine Frage gestatten? - Bitte, Herr Mertes!
Frau Kollegin Kurlbaum-Beyer, ich will gar nicht auf weitere Dinge eingehen, sondern nur auf eines: Würden Sie mir die Frage beantworten, ob Sie es für richtig halten, einen Vergleich zwischen den Schulden verschiedener Länder anzustellen, ohne dazu zu sagen, daß die Bundesrepublik sich zweimal entschuldet hat, während das z. B. bei der Schweiz nicht der Fall war, so daß eine Verschuldung der Schweiz in Höhe von gut 4 % etwas ganz anderes bedeutet als eine Verschuldung der Bundesrepublik in Höhe von 4 %?
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Ja eben, dann muß man doch auch dabei sehen, daß wir in eine Phase hineingekommen sind, die eine Verschuldung in einem bestimmten Rahmen notwendig machte, um wieder eine Wirtschaftsankurbelung sicherzustellen. Davon hängt es ja auch im wesentlichen ab, welche Steuereinnahmen wir in den nächsten Jahren haben werden.
Frau Kollegin, gestatten Sie, Herr Hermsdorf möchte Ihnen eine Frage stellen.
Nein, ich möchte jetzt keine Fragen mehr zulassen; denn wir sind ja in kolossaler Zeitnot.
Ich möchte jetzt noch einige Bemerkungen zu dem Antrag direkt machen. Natürlich wäre es uns auch lieber, wenn wir von dieser einprozentigen Mehrwertsteuererhöhung gar keinen Gebrauch machen müßten. Aber wir müssen weitersehen, und darüber hat ja eben der Finanzminister schon gesprochen. Das Ifo-Institut sagt z. B. in seinem letzten Test in der These Nr. 5:
Die Konsumentennachfrage hat sich im Februar, nach den Einzelhandelsumsätzen zu schließen, zwar wieder etwas belebt, ihr Anstieg blieb jedoch entsprechend der nach wie vor geringen Zunahme der verfügbaren Einkommen der privaten Haushalte bescheiden. Die im bisherigen Verlauf des Jahres bekanntgewordenen Tarifabschlüsse lassen auch für die nächsten Monate noch keine stärkere Beschleunigung des privaten Verbrauchs erwarten.
Nun, meine sehr verehrten Damen und Herren von der FDP, der Bundeswirtschaftsminister hat sich gerade in dieser Frage an die Öffentlichkeit gewandt und darauf aufmerksam gemacht, daß nun Tariferhöhungen in einem bestimmten Rahmen vorgenommen werden sollten. Ich halte das auch für den besseren Weg, als die Erhöhung von 10 auf 11 % wieder rückgängig zu machen. Ich will Ihnen das auch begründen. Sehen Sie, das Ifo-Institut weist z. B. in der Nr. 13 auch darauf hin, daß ein günstiger Verlauf der Einkommen aus Unternehmenstätigkeit und Vermögen festzustellen ist. Es gilt daher, nunmehr auch die Arbeitnehmereinkommen entsprechend anzuheben. Das ist der Punkt eins.
Punkt zwei. Liebe Frau Kollegin Funcke, Sie wissen doch genauso gut wie ich - und wir haben uns im Ausschuß sehr oft darüber unterhalten -, daß die Preislisten zum 1. Juli nicht heute, sondern schon Ende vorigen Jahres, zumindest aber in diesen Monaten gedruckt worden sind. Wenn wir jetzt hingingen und eine Senkung von 11 auf 10% vornähmen, würde das im Prinzip oder wenigstens weitgehend nicht zu einer Weitergabe an den Verbraucher führen. Damit hätten wir das nicht erreicht, was Ihnen sicherlich bei diesem Antrag angelegen ist.
Wir haben festgestellt - und das ist doch erfreulich -, daß beim Übergang zur Mehrwertsteuer die befürchtete Preiswelle nicht eingetreten ist. Es ist besonders erfreulich festzustellen, daß die Verbraucher in diesen Monaten so wachsam waren. Wir sehen das an den vielen Eingaben, die beim Wirtschaftsministerium eingegangen sind, aber auch an den Arbeiten, die vor allem die Verbände aufzuweisen hatten. Auch der Industrie- und Handelstag hat diese Woche in der Zeitung veröffentlicht, daß die erwartete Preiswelle ausgeblieben ist. Wir können nur hoffen, daß diese Wachsamkeit auch nach dem 1. Juli vorhanden bleibt.
Ich möchte als drittes folgendes sagen. Frau Kollegin Funcke, wir haben nach dem Gesetz noch mit dem Abbau der Steuern auf den Selbstverbrauch zu rechnen. Dafür waren Sie doch auch. Auch diesen Abbau hätten Sie doch am liebsten noch beschleunigt. Wenn wir- das alles berücksichtigen, dann müssen wir auch die Steuereinnahmen dafür haben. Ich frage Sie: wie wollen Sie das eigentlich alles finanzieren?
Ein vierter und letzter Punkt, meine Damen und Herren. Wir sind auch immer noch im Wort gegenüber den Gemeinden. Es ist ja nicht nur der Kollege Mischnick auf der kommunalpolitischen Ebene - in Frankfurt - tätig, der hier bestimmte Zugeständnisse in bezug auf eine bessere Dotierung der Gemeinden macht, sondern wir alle. Wir haben also hier auch noch Beschlüsse zu fassen. Ich meine, wir können jetzt nicht hingehen und eine Entscheidung treffen, die eine Minderung der Einnahmen und damit eine weitere Gefährdung des Etats bedeutet, die uns zusätzlich noch. die Möglichkeit nimmt, andere Maßnahmen unter Umständen durchzuführen, die wir aber nach außen hin längst versprochen haben. Meine Damen und Herren von der FDP, gerade die Gemeinden sind diejenigen, die sehr stark an der Auftragsvergabe vor allem für Hoch-und Tiefbauarbeiten beteiligt sind. Hier ist eine Normalisierung noch nicht eingetreten.
Aus all diesen Gründen müssen wir diesen Antrag ablehnen, zumal in keiner Weise sichergestellt ist, daß die Senkung an den Verbraucher weitergegeben wird.
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Das Wort hat Frau Funcke.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Ich habe volles Verständnis
dafür, daß man als Finanzminister oder auch als Regierungsfraktion zunächst einmal nach den Auswirkungen eines solchen Antrags fragt. Aber das war ja nicht ,der Hauptanlaß meines Monitums. Ich habe vielmehr alle die Angaben, Beteuerungen und Berechnungen, die wir zur Umsatzsteuerberatung aus dem Ministerium gehört haben, einmal zusammengestellt und ausgerechnet, daß sich daraus eine echte Diskrepanz ergibt. Diese Rechnung haben weder der Finanzminister noch sein Staatssekretär dementieren können, noch war Ihnen das möglich, sehr verehrte Frau Kollegin. Entweder es stimmt nicht die Beteuerung - lassen wir einmal .die 1 %-Erhöhung außer Ansatz -, daß die Umstellung keine Mehreinnahmen bringen sollte und würde - und das trifft eben in .der Tat nicht zu, denn es werden eindeutig Mehreinnahmen erwartet -, oder die Ansätze stimmen nicht, oder der Hinweis auf das Wachstum stimmt nicht. Diese drei Dinge lassen sich nicht miteinander vereinbaren, und ich warte auf eine Erklärung dafür.
Meine Rechnung war einfach und klar. Dabei bin ich nicht von eigenen Zahlen ausgegangen, Herr Minister, sondern von Angaben, die alle aus Ihrem Hause stammen; ich habe sie nur zusammengestellt. Daraus ergibt sich eindeutig, daß nach den uns gegebenen Informationen nur 25,7 Milliarden DM aufkommen können, daß das tatsächliche Aufkommen aber mit 27,3 Milliarden DM angegeben wird. Wenn das so ist, wir aber als Abgeordnete landauf, landab in gutem Glauben gesagt haben, daß die Umsatzsteuerumstellung keine Mehreinnahmen für den Staat und keine Mehrsteuern für den Bundesbürger - abgesehen von der Steuersatzerhöhung von 1% - bringen würde, dann können wir angesichts des Mehraufkommens von 1,6 Milliarden DM über die Mehrsteuer aus der nachträglichen Steuersatzerhöhung hinaus die Steuer auch wieder senken; denn dann bleibt nach den früheren Berechnungen immer noch genug in der Kasse.
Das ist der Grund, weswegen ich das vorgetragen habe, und diese Berechnungen sind weder von Ihnen, Frau Kollegin Kurlbaum-Beyer, noch von dem Herrn Finanzminister widerlegt worden.
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Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen. Ich könnte nicht sagen, daß ich darüber unglücklich bin.
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Der Entschließungsantrag kommt in der dritten Lesung zur Abstimmung.
Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 08, zu dem im einzelnen keine Änderungsanträge vorliegen. Ich bitte diejenigen, die dem Einzelplan 08 zustimmen wollen, um ein Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Gegen die Stimmen der Fraktion der FDP ist der Einzelplan 08 mit großer Mehrheit angenommen.
Einzelplan 10
Geschäftsbereich des Bundesministers für
Ernährung, Landwirtschaft und Forsten
- Drucksachen V/2710, zu V/2710 Berichterstatter: Abgeordneter Brese
Abgeordneter Röhner
Wünschen die Herren Berichterstatter das Wort?
- Als Berichterstatter hat das Wort der Abgeordnete Röhner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf als Mitberichterstatter für den Einzelplan 10 einige Ergänzungen zu dem Schriftlichen Bericht - Bundestagsdrucksache V/2710
- anbringen und einige Hinweise und Bemerkungen damit verbinden.
Der Agraretat nimmt im 80-Milliarden-Haushalt des Jahres 1968 nach den Etats für Verteidigung, Arbeit und Sozialordnung, Finanzen und Verkehr den fünften Platz hinsichtlich des Volumens der Ausgaben der einzelnen Ressorts ein. Es handelt sich beim Einzelplan 10 insofern um einen schwierigen Haushalt, als er von der Veranschlagung bis zur Durchführung einer Reihe von Unsicherheitsfaktoren ausgesetzt ist. So ist es z. B. unmöglich, zum Zeitpunkt der Veranschlagung und auch der Beratung in Unkenntnis der späteren Ernteergebnisse etwa die Kosten für die Marktordnungen - und hier insbesondere die für die Vorratshaltung und Ausfuhrerstattung - tatsächlich sicher und präzise einzustellen.
Mit der Einführung der gemeinsamen Agrarpreise in der EWG wurden und werden noch neue Marktordnungen verabschiedet, durch die die Entscheidungsbefugnis über neue Ausgaben und über die Höhe der Ausgaben den nationalen Instanzen entzogen werden und den Gemeinschaftsorganen zufallen. Das bringt für die Schätzung der Haushaltsansätze zusätzliche Unsicherheit. Nicht zuletzt ist natürlich auch die breitgefächerte Aufgabenseite, der große Aufgabenkatalog dieses Ressorts, der sich ständig auf die Gegebenheiten und Erfordernisse einer in außergewöhnlichem Wandel und im Umbruch befindlichen Landwirtschaft einzustellen hat, einer zusätzlichen, einer besonderen Dynamik unterworfen.
Der Haushaltsausschuß hatte auch in diesem Jahr alle diese Dinge bei seinen Beratungen zum Einzelplan 10 zu berücksichtigen. Er hat sich bei seiner zum Teil sehr schwierigen Gesamtberatung bei der Behandlung des Einzelplans 10 nicht zuletzt auch von der heutigen Situation der Landwirtschaft bestimmen lassen. Dies fand z. B. Niederschlag in Beschlüssen, durch die für eine Reihe von Maßnahmen die gegenseitige Deckungsfähigkeit und die Verstärkung von Haushaltstiteln innerhalb einzelner Kapitel zusätzlich hergestellt werden kann. Ich darf hier verweisen auf Kap. 10 02, Tit. 580 und Tit. 608, Kap. 10 03, Tit. 623, Tit. 635 und Tit. 675. Damit ist sicherlich eine verbesserte Einstellungsfähigkeit auf überraschend auftretende Marktvorgänge und eine erleichterte Wirtschaftsführung möglich gemacht worden. Der Haushaltsausschuß hat aus den gleichen Gründen zum erstenmal auch einen Weg gesucht, um die volle Ausschöpfung der im Agraretat angesetzten Mittel tatsächlich zu gewährleisten. Danach können durch den Ernährungs- und Haushaltsausschuß in Abstimmung mit der Bundesregierung zukünftig Restmittel aus der Marktordnung nach Kap. 10 03 überstellt, also für ,,Allgemeine Bewilligungen" verwendet werden. Ein diesbezüglicher, noch präzisierender Antrag der Koalitionsfraktionen, der eingebracht ist, wird nachher vom Herrn Kollegen Saxowski begründet werden.
Zweifellos wird gerade durch diese Neuregelung zukünftig eine bessere Anpassungsfähigkeit und damit auch eine höhere Wirtschaftlichkeit des Etats erreicht. Die vom Parlament der Landwirtschaft zugedachten Beträge können dann voll ausgeschöpft und notwendige neue Aufgaben auch mit Aussicht auf Erfolg angepackt werden.
Ich möchte auch ein Wort zum Gesamtvolumen des Einzelplans 10 sagen und auch hier einige ergänzende Feststellungen zu meinem Schriftlichen Bericht treffen. Nach der mehrjährigen Finanzplanung sind für das laufende Jahr 5423 Millionen DM Ausgaben vorgesehen. Davon entfallen rund 966 Millionen DM auf den außerordentlichen Haushalt. Damit ist die Ausgabenseite zwar gegenüber dem Jahr 1967 um 22 % gestiegen, aber - und auf diese Feststellung kommt es mir an - diese Erhöhung reicht trotzdem nicht ganz aus, um den Anstieg der zwangsläufigen und unabweisbaren, EWG-bedingten Ausgaben aufzufangen. Die Folge ist, daß die Mittel für die nationale Agrarpolitik einschließlich der Verwaltungsaufgaben effektiv von 3529 Millionen DM auf 3460 Millionen DM, also um etwa 2 % gekürzt werden mußten. Der Herr Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat gerade auf diese Problematik, die ja eine ausweitende Tendenz hatte und auch noch weiterhin aufweisen wird, bei seiner Einbringungsrede nachdrücklich hingewiesen. Es ist nicht zu verkennen - ich glaube, ich muß auch das kurz ansprechen, um hier vielleicht einen häufig anzutreffenden Irrtum zu beseitigen -, daß die EWG-Marktordnungsausgaben ausschließlich für Marktinterventionen innerhalb der Bundesrepublik bestimmt sind und auf diese Weise eine Art Preisgarantie in großem Umfang für die deutsche Landwirtschaft, aber auch für die deutsche Verbraucherschaft darstellen.
Zu dieser Entwicklung ist zweierlei zu sagen. Einmal wird die Ausweitungstendenz des Agrarhaushaltes anhalten. Zum anderen, soweit der Ausgleich dafür durch eine Kürzung der Mittel für die nationale Agrarpolitik gesucht wird, entsteht natürlich zwangsläufig für diese möglicherweise eine zusätzliche Immobilität, die zu entsprechenden Wettbewerbsnachteilen unserer einheimischen Landwirtschaft, der deutschen Landwirtschaft, gegenüber den EWG-Partnern führen wird. Ich habe auf diese Problematik bereits bei der Verabschiedung des Haushalts 1967 hingewiesen, und ich bin dankbar, daß der Herr Bundesminister Höcherl in seiner Rede zum Grünen Bericht besonders eindringlich auch auf dieses Problem eingegangen ist.
In Anbetracht dieser Situation ist es erfreulich, daß es bei den Beratungen gelungen ist, zusätzliche 130 Millionen DM als zentral beschaffte Kapitalmarktmittel für Strukturmaßnahmen bereitzustellen. Hinzu kommen jene 70 Millionen DM Beihilfe, die durch die Einbeziehung der Einfuhr- und Vorratsstellen in das Mehrwertsteuersystem in Höhe von 64 Millionen DM und durch Verlagerungen bei einigen Titeln im Kapitel 10 03 in Höhe von 6 Millionen eingesetzt werden konnten.
Lassen Sie mich dazu auch noch ein Wort in Ergänzung meines Schriftlichen Berichts zur Transparenz, zur besseren Durchsichtigkeit des Agrarhaushaltes sagen. Es erleichterte die Arbeit des Haushaltsausschusses bereits in diesem Jahre erheblich, daß Bundesminister Höcherl erstmalig eine geordnete Übersicht durch eine Blockbildung nach Ausgabegruppen im Einzelplan 10 eingeführt hat. Es wäre haushaltspolitisch sehr wünschenswert, wenn diese Gliederung ausgebaut, fortgeführt und vielleicht noch umfassender gemacht würde. Dabei sollte auch im Interesse einer besseren Übersicht eine klare Unterscheidung zwischen jenen Mitteln, die überwiegend der Landwirtschaft, und jenen Mitteln, die mehr der Allgemeinheit zugute kommen, angestrebt werden.
Ich weiß sehr wohl, daß ein solcher ökonomischer Aufbau des Agrarhaushaltes äußerst problematisch ist und Schwierigkeiten bereitet. Ich bin aber andererseits der Ansicht, daß im Interesse einer Haushaltsklarheit eine solche Übersicht in Fortentwicklung der Darstellung im Funktionenplan des Bundesfinanzministeriums aufgestellt werden sollte.
Herr Präsident, ich bitte nunmehr um die Genehmigung, ganz kurz noch aus der Sicht der Entwicklung des Agrarhaushaltes einige Bemerkungen über die Situation und über die weitere Entwicklung unserer Landwirtschaft anfügen zu dürfen. Ich möchte das auch deshalb tun, weil bei der Agrardebatte am 12. März dieses Jahres alle Fraktionen des Hohen Hauses eine Reihe agrarpolitischer Initiativen in Form von Gesetzes- und Entschließungsanträgen einbrachten, die, wenn sie ganz oder teilweise verwirklicht werden sollen, vor allem und zuerst vom Haushalt her verkraftet werden müssen. Das wird in Anbetracht der gesamten Haushalt- und Finanzentwicklung sicherlich keine leichte Aufgabe werden. Um so mehr kommt es bei der Beratung dieser Anträge darauf an, optimal zukunftsträchtige und haushaltsmäßig realisierbare Lösungen zu finden.
Mir scheint dabei zweierlei erforderlich zu sein. Wir werden erstens darauf angewiesen sein, daß stärker als bisher Schwerpunkte und Prioritäten geschaffen und eingehalten werden, auch wenn dabei auf das eine oder andere Liebgewordene in der bisherigen Agrarpolitik und in der bisherigen Agrarförderung verzichtet werden müßte. Nach meinem Dafürhalten ist es zum zweiten erforderlich, daß eine längerfristige Landwirtschaftsplanung vorzunehmen ist, etwa auch im Sinne des § 10 des Gesetzes zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft, eine längerfristige Landwirtschaftsplanung also, die eine stärkere Kontinuität der Maßnahmen und deren Auswirkungen gewährleistet. Wir sind dem Herrn Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten sehr dankbar, daß er bei seiner Rede zum Grünen Plan diesbezügliche Pläne seines Hauses angekündigt hat. Ich bin sicher, Herr Bundesminister, Sie werden im Parlament eine große Bereitschaft finden, wenn Sie möglichst bald mit entsprechenden konkreten Vorstellungen über das angekündigte mittelfristige Agrarprogramm antreten und dieses Parlament unterrichten und einschalten.
Aus meiner Sicht möchte ich zu diesen möglichen Plänen folgendes sagen. Ich halte es auch für die Zukunft für außerordentlich wichtig, daß insbesondere die Marktpolitik - und damit meine ich die Preispolitik - als wichtigstes Instrument unserer kommenden Agrarpolitik betrachtet und herausgestellt wird. Unsere heutige Landwirtschaft ist ohne ihr Verschulden eine Generation ohne jene Markterfahrung, die einfach erforderlich ist für die Umstellung von einer Produktions- auf eine Vermarktungslandwirtschaft. Sicherlich, das erfordert neue Einstellungen, das erfordert ein Umdenken bei allen Beteiligten, auch in einigen Amtsstuben und in einigen Verbandsbüros.
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Das erfordert auch die Schaffung des Instrumentariums, z. B. eines Strukturfondsgesetzes, das in diesem Hause bereits eingebracht ist als eine jener technischen Voraussetzungen, die geschaffen werden müssen, um entsprechende Handhabungen zu ermöglichen. Ich bin überzeugt: unsere Landwirtschaft ist dann willens und bereit, für solche Maßnahmen auch das ihr Zumutbare aufzubringen und beizusteuern.
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Als zweiten notwendigen Schwerpunkt möchte ich die ländliche Strukturpolitik, und zwar im weiteren Sinne, ich möchte fast sagen: im weitesten Sinne, miteinbezogen wissen. Unsere Landwirtschaft hat bisher einen Strukturwandel durchgemacht wie kein anderer Wirtschaftsbereich in der Bundesrepublik in der Nachkriegszeit. Dieser Strukturwandel kann nur dann zum Nutzen der Gesamtwirtschaft harmonisch weitergeführt werden, wenn durch die klassischen agrarstrukturellen Maßnahmen die notwendige Grundausstattung für unsere landwirtschaftlichen Betriebe geschaffen und wenn zum anderen die Stärkung der Wirtschaftskraft im ländlichen Raum überhaupt von Bund und Ländern mit größtem Gewicht angestrebt und verfolgt wird.
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Lassen Sie mich noch einen dritten Schwerpunkt anfügen, der mir außerordentlich wichtig erscheint. Ich meine damit eine Forcierung der ländlichen Sozialpolitik. Die Zeit, in der bäuerlicher Grund und Boden oder auch die bäuerliche Großfamilie so etwas wie eine hinreichende soziale Absicherung bedeuteten, Ist lange vorbei. Heute ist auch im Bereich der Landwirtschaft ein außerordentliches soziales Schutzbedürfnis vorhanden, ich möchte fast sagen: in gleichem Ausmaß wie in allen anderen Gruppen unseres Volkes.
Wir haben Anfänge gesetzt, z. B. durch die Schaffung des Gesetzes über die Altershilfe für die Landwirtschaft im Jahre 1957, das heute schon für die Alten eine notwendige soziale Absicherung gibt und fortgeführt werden soll. Es wird zu gegebener Zeit ausgebaut werden müssen. Auch für die landwirtschaftliche Unfallversicherung haben wir, ohne daß der Gott sei Dank seit mehreren Jahren gewährte Bundeszuschuß bisher eine gesetzliche Verankerung gefunden hat, einen gewissen Besitzstand erreicht, den es zu halten und auszubauen gilt.
In weiten Bereichen unserer Landwirtschaft sind wir aber noch bei der Krankenvorsorge - und darauf kommt es mir an - ohne ausreichende Sicherung und ohne ausreichenden Schutz. Ich halte es für dringend geboten, daß eine Entscheidung darüber fällt - nach Möglichkeit noch in dieser Legislaturperiode -, wie die landwirtschaftliche Bevölkerung für den Krankheitsfall die notwendige, kostenmäßig vertretbare und in anderen Bereichen längst selbstverständliche Krankenvorsorge erfahren kann.
Lassen Sie mich mit der Bemerkung abschließen, daß ich diese wenigen Gedanken grundsätzlicher Art auch in einer Haushaltsdebatte mit angeführt haben wollte, einmal weil zu diesen Vorstellungen vor kurzem in der Agrardebatte von den Koalitionsfraktionen schon mehrere Gesetzesinitiativen ergriffen worden sind, die den Haushalt in der kommenden Zeit vielfach betreffen werden, zum anderen aber auch deshalb, weil derzeit in weiten landwirtschaftlichen Bereichen sichtbare Unruhe und zum Teil - ich denke an den mittelbäuerlichen Bereich - so etwas wie Existenzangst vorhanden sind, die wir sehen müssen und auf die wir rasch und nachhaltig zu reagieren haben. Diese Unruhe ist - das ist meine Meinung - nicht allein auf diese oder jene Preisentwicklung des Jahres 1967 zurückzuführen; sie resultiert einfach aus der Unsicherheit darüber: Wie wird es mit uns weitergehen? Wird man uns möglicherweise abschreiben in Anbetracht so mancher - und ich möchte sagen: so mancher verantwortungsloser und sachlich unhaltbarer - Diskussionen und Forderungen, z. B. um Mindestbetriebsgrößen und ähnliche Dinge?
Ich glaube, die diesjährige Beratung des Einzelplans 10 im Haushaltsausschuß und die Art, wie dort diese Probleme haushaltsmäßig angepackt worden sind, nämlich sachlich und nüchtern, ohne Emotionen und Reden zum Fenster hinaus, waren ein Beispiel dafür, wie wir auch diese Probleme aufgreifen und anfassen sollten, nämlich mit Nüchternheit und Sachlichkeit. Ich bin überzeugt, daß dieses Hohe Haus in den nächsten Monaten, wenn es sich mit den schon erwähnten eingebrachten Vorlagen zu beschäftigen haben wird, jenes notwendige Verständnis aufbringen wird, das die Sache, die Problematik verlangt, das auch draußen von uns erwartet wird und das für eine rasche und nachhaltige Lösung die wichtigste Voraussetzung ist.
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Ich danke dem Herrn Berichterstatter. - Sollte es tatsächlich so sein, daß es keine Wortmeldungen zu diesem Einzelplan gibt? - Herr Abgeordneter Peters.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Einzelplan 10 hat zwar in diesem Jahr ein größeres Volumen als im Vorjahr: 5,4 Milliarden DM in diesem Jahr gegenüber 4,7 Millarden DM im Vorjahr einschließlich Investitionshaushalt. Das sind 660 Millionen DM mehr; und das hat den Herrn Minister dazu veranlaßt, in der Öffentlichkeit von einer Verstärkung agrarpolitischer Maßnahmen zu sprechen. Herr Minister, ich weiß nicht, ob Sie sich darüber im klaren gewesen sind, daß Sie damit dem allgemeinen Subventionsgerede über die Landwirtschaft neue Nahrung gegeben haben. Sie hätten erklären sollen, worauf dieses Mehr in diesem Jahr beruht.
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Es sind 560 Millionen DM Getreidepreisausgleich, also eine Summe, die ,der Landwirtschaft gegeben werden soll, weil die landwirtschaftlichen Preise gesenkt worden sind, es ist ein Mehr in der Marktordnung von 510 Millionen DM, und es ist ein Mehr von 300 Millionen DM bei der Diesel-Rückvergütung, weil das Verfahren umgestellt werden soll und weil eine Steuervergünstigung neuerdings in diesem Falle etatisiert wird. Also zusammen 1 Milliarde 370 Millionen DM gegenüber dem optischen Mehr von 660 Millionen DM. Das ergibt ein echtes Weniger von 710 Millionen DM.
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Diese 710 Millionen DM 'ergeben dann, projiziert auf die agrarstrukturellen Maßnahmen 400 Millionen DM weniger als im Vorjahr, schoneingerechnet die 70 Millionen DM Zuschüsse aus dem sogenannten Struve-Plan.
Meine Damen und Herren, wir wünschen eine ehrliche Darstellung im Haushalt. Wir sind der Meinung, daß das Kapitel „Marktordnung", das ja im Grunde einen durchlaufenden Posten für EWG-Marktordnungen darstellt und anderthalb Milliarden ausmacht, in das Kapitel 60 06 verlagert wird
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und dorthin kommen sollte, wo die übrigen Positionen europäischer Organisationen etatisiert sind. Des weiteren wünschen wir, daß der Getreidepreisausgleich der auf gleichen Grundlagen fußt, ebenfalls in dieses Kapitel verlagert wird.
In .der letzten Zeit haben wir sowohl bei dem Bericht über die Lage der Nation als auch beim Grünen Bericht große und bedeutsame Worte über die Landwirtschaft gehört. Man hat sogar gesagt, die Protestaktionen und Protestveranstaltungen in der Landwirtschaft hätten ,eine gewisse Berechtigung, obgleich diese Proteste gegen die Agrarpolitik der Bundesregierung gerichtet waren. Wir müssen heute fragen: Was soll geschehen, was wollen Sie von der Bundesregierung und von der Koalition tun? Was wird wirklich geschehen, und, meine Damen und Herren, was wird sofort geschehen? Ich sehe keine Soforthilfe, weder im Bereich der landwirtschaftlichen Erzeugerpreise noch bei 'den Hilfen, die unmittelbar vom Staat gegeben werden. Die CDU-Entschließung von Berlin, die Sie, etwas gemildert, hier als Entschließungsantrag eingebracht haben,
Peters ({3})
bedeutet für den Augenblick und für die nahe Zukunft nichts oder wenig. Sie vermittelt nur Versprechungen für die Zukunft. Das hat mein Kollege Mischnick schon gestern hier dargelegt.
Vor einem halben Jahr, meine Damen und Herren, hätten Sie Gelegenheit gehabt, die Getreidepreise in der EWG zumindest um 25 DM pro Tonne zu erhöhen. Sie hätten die Gelegenheit gehabt, diesen Versuch zu machen. Das EWG-Parlament hatte ja mit Zweidrittelmehrheit beschlossen, diese Preisanhebung für 1968 durchzuführen. Unsere Kollegen im Ernährungsausschuß haben sich bemüht, dort eine Entschließung durchzubringen, in der die Regierung aufgefordert wurde, diesen Beschluß von Straßburg in Luxemburg zu vertreten. Leider sind die Kollegen aus den Koalitionsparteien unserem Vorschlag nicht gefolgt, sondern haben eine ganz allgemeine Fassung beschlossen, mit der die Regierung und der Ernährungsminister in keiner Weise festgelegt wurden.
Uns ist klar, daß die Bundesregierung diese Anhebung in der EWG nicht wollte. Herr Minister Höcherl, Sie haben in Luxemburg nicht mit dem Ziel höherer Erzeugerpreise für die EWG verhandelt, sondern Sie haben sich sehr zurückgehalten und haben sich sehr wahrscheinlich sogar bei Möglichkeiten der Anhebung zurückgehalten.
Inzwischen hat es die Bauerndemonstrationen gegeben. Dadurch ist die CDU aufgewacht, meine Damen und Herren.
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Diese Demonstrationen sind nicht aus Übermut veranstaltet worden, sondern sie sind erfolgt, weil wir im letzten Jahr eine starke Erzeugerpreissenkung haben hinnehmen müssen und weil die Zusagen der Bundesregierung nicht eingehalten werden.
Das, was Sie jetzt in dem Papier der CDU und in Ihrem Entschließungsantrag sagen, ist eine Vertröstung auf Anhebung der Agrarpreise im Jahre 1969, also in anderthalb Jahren.
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- Herr Bauknecht, wir wären ja froh, wenn wir Sie dazu bringen könnten, mit uns die Regierung aufzufordern, erneut in Verhandlungen über die Agrarpreise 1968 einzutreten.
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Im Jahre 1968 liegt nämlich der Knoten. Wir wissen, wie schwierig es ist, Beschlüsse umzustoßen oder zu revidieren, die nun einmal gefaßt sind. Aber auch Partnerländer haben, wenn es um ihre nationalen Interessen ging, die letzten Möglichkeiten nicht ungenutzt gelassen, erneut in Verhandlungen einzutreten.
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In diesem Papier der CDU steht expressis verbis: Preisanhebung 1969. Wir sind der Meinung, daß man es für 1968 versuchen sollte. Wir sind uns darüber im klaren, daß das außerordentlich schwierig sein wird.
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- In der Politik und im Leben ist überhaupt nichts unmöglich, Herr Schmidt.
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Nun kommt ein zweiter Komplex.
({10})
Das ist nämlich der Komplex, in dem noch verhandelt werden soll: über die Milch wird verhandelt, und über die Rinder wird verhandelt. Der Herr Minister war ja in Brüssel. Es ist dort zu keiner endgültigen Regelung über die neue Marktordnung gekommen. Aber es ist eine Zwischenregelung beschlossen worden. Wir haben den Eindruck, daß diese Zwischenregelung - sie weist ja auf das hin, was dann anschließend kommen soll, Herr Minister
- mit 6,80 DM Interventionspreis für Butter, mit einer erheblichen Senkung des Preises für trockene Magermilch und mit einer Mengenregelung bei der Milcherzeugung auf der Erzeugungsbasis 1966 - wenn diese Elemente Bestandteile der endgültigen Milchmarktordnung werden - nicht zu einem Milchpreis von 39 Pf ab Hof, sondern zu 37 Pf bis 38 Pf führen wird.
Nun zu den Rindern! Wir begrüßen es, daß der Rinderorientierungspreis für das nächste Jahr auf 2,72 angehoben wird.
({11})
- Ja, gut. Wir hätten lieber 2,80 gesehen, Herr Bauknecht.
({12})
Es sind immerhin ja drei Mark mehr, als die eigene Regierung, als Ihr Minister wollte. Das wollen wir bei der Gelegenheit einmal feststellen.
({13})
Das Entscheidende dabei ist die Interventionspflicht. Bei dieser Interventionspflicht ist entscheidend, daß die Interventionspflicht sich möglichst dicht am Orientierungspreis bewegt. Der Minister hat in Brüssel gesagt - wenn Pressemitteilungen stimmen; das können Sie ja nachher hier klarstellen -, er werde sich in eine feste Interventionspflicht nicht binden lassen, zumindest nicht in die von 93 % zum Orientierungspreis.
Wir sind hier bei zwei Punkten, in denen die Bundesregierung und die Beschlüsse der CDU kontrovers sind.
({14})
Herr Minister, für mich bedeutet das nicht, daß Sie einen Alleingang gemacht haben, so links von der CDU, sondern ich bin der Meinung, daß Sie sehr wahrscheinlich im Auftrage des Kabinetts und nach den Richtlinien des Bundeskanzlers gehandelt haben. Es ist deshalb kein „Fall Höcherl", sondern ein „Fall Bundeskanzler und CDU", die hier abgewichen sind.
({15})
Peters ({16})
So sehen auf der einen Seite kluge Beschlüsse und Entschließungsanträge aus, und auf der anderen Seite wird dann anders gehandelt.
({17})
Nun haben Sie angekündigt, daß die erste Hilfe die Auszahlung der 560 Millionen Getreidepreisausgleich sei. Davon wollen Sie 100 Millionen zweckentfremden. Dann soll die Dieselvergütung für 1967 ein bis zwei Monate früher ausgezahlt werden, und dann soll der Struve-Plan mit 200 Millionen - 70 Millionen Bundesmittel, 130 Millionen Kapitalmarktmittel - die letzte Ölung zur ersten Hilfe geben.
({18})
Meine Damen und Herren, glauben Sie doch nicht, daß Sie mit diesen geringen Mitteln - ich will keinen härteren Ausdruck dafür gebrauchen - das Vertrauen der Landwirtschaft herstellen! Da befinden Sie sich in einem völligen Irrtum. Vergleichen Sie doch bitte das, was Sie hier tatsächlich machen, mit dem, was Vorsitzende oder Führer der mittleren Ebene der Bauernverbände in den Protestveranstaltungen gefordert haben, was aber auch CDU-Bundestags- und -Landtagsabgeordnete von Mähdreschern herab gefordert haben, Herr Schmidt! Dann sehen Sie, wo die Diskrepanz liegt. Sie werden also weder bessere landwirtschaftliche Erzeugerpreise noch den EWG-Ausgleich bringen - beides nicht.
Nun will ich Ihnen folgendes sagen, und damit komme ich auf unsere Anträge - um es in einer Rede gemeinsam zu machen -: Wir halten es erstens für vordringlich, daß die 560 Millionen DM Getreidepreisausgleich restlos an die Getreidebauern gegeben und davon nicht 100 Millionen DM zweckentfremdet werden.
({19})
Wir begründen das in unserem Antrag Umdruck 407. Gleichzeitig wünschen wir aber, daß die Bindungsermächtigung für das nächste Jahr ebenfalls in einer Höhe von 560 Millionen DM in den Etat aufgenommen wird, weil wir eine Degression im nächsten Jahr nicht wollen, weil wir nicht den Abbau auf 385 Millionen DM wollen. Wir werden getrennte Abstimmung über diesen Antrag verlangen. Denn wir haben ja in der vorigen Debatte von den Sozialdemokraten gehört, daß sie ebenfalls für eine Verteilung der 560 Millionen DM nach der Getreidefläche sind. Wir möchten nicht, daß Sie unserem Antrag nicht zustimmen können, Herr Schmidt.
({20})
Weiterhin soll an dieser Stelle betont werden, daß der eigentliche Schaden, der durch die Getreidepreissenkung entstanden ist, nicht 88 DM, wie die Bundesregierung meint, oder - nach Verteilung der 560 Millionen DM - 110 DM, sondern in Wirklichkeit 200 DM pro Hektar beträgt.
Punkt 2. Wir wünschen die Verteilung von 200 Millionen DM nach der Grünlandflächennutzung, weil die Viehwirtschaft im Jahre 1967 durch die
EWG-Marktordnung und im besonderen durch die Art, wie die Bundesregierung diese Marktordnung handhabt, genauso geschädigt worden ist wie die Getreidebauern. Deshalb stellen wir den Antrag auf Umdruck 408.
Wir haben in der Grünen Debatte von Herrn Struve gehört, als er aus der Sitzung des Präsidiums des Bauernverbandes kam, daß zwar entgegen dem Beschluß des Bauernverbandes von den 560 Millionen 100 Millionen DM abgezweigt würden; wenn jedoch diese 100 Millionen DM den Grünlandbetrieben zugute kämen, sei das ja gut. Im Ernährungsausschuß haben wir dann von Herrn Struve gehört, das sei nicht zu verantworten, es sei - so ungefähr hieß es - unsinnig. Meine Damen und Herren, so ist es nun einmal, wenn wir etwas vorschlagen und wenn die CDU etwas vorschlägt.
Punkt 3. Wir wünschen 78 Millionen DM zur Senkung des Kapitaldienstes bei den tragbaren Belastungen, und zwar bei allen agrarstrukturellen Maßnahmen, bei der Siedlung, der Aussiedlung, besonderen agrarstrukturellen Maßnahmen, der Flurbereinigung, der Wasserwirtschaft, beim Wegebau, und zwar aus folgenden Gründen. Diese tragbaren Belastungen sind vor Jahren festgesetzt worden, als die Ertragslage der Landwirtschaft weit besser war, als sie heute ist. Durch die politischen Maßnahmen der Bundesregierung ist die Ertragslage weit schlechter geworden, und jetzt laufen diejenigen Betriebe, die strukturiert sind, Gefahr, als erste in große Schwierigkeiten zu geraten. Hier muß also die tragbare Belastung bei allen Maßnahmen im öffentlichen und im privaten Bereich neu errechnet werden.
({21})
Dazu haben wir einen Entschließungsantrag eingebracht. Weil wir wissen, daß es sehr lange dauert, bis die neuen Belastungen festgestellt sind, wollen wir für das Jahr 1968 ein Drittel der jetzt bestehenden tragbaren Belastungen vom Bund übernommen sehen. Sehr wahrscheinlich werden wir das gleiche Verfahren auch für das Jahr 1969 wählen müssen, weil man mit der Errechnung unter Umständen noch nicht fertig sein wird.
({22})
({23})
Viertens. Wir wünschen die Übernahme der Unterhaltungskosten und der Zins- und Kapitalbelastung beim Küstenschutz durch den Bund. Hier besteht der Anachronismus, daß Bürger, die hinter den Deichen wohnen, zu dieser staatlichen Aufgabe nach Hektar, nach Einheitswerten, herangezogen werden, und zwar nicht nur die Landwirtschaft, sondern auch Gewerbe, Hausbesitz usw. Die Belastungen sind unterschiedlich, von 10 bis 20 DM pro Hektar oder pro 1000 DM Einheitswert, festgesetzt worden. Wir sind der Meinung, daß den Küstengebieten diese Belastung abgenommen werden muß.
Fünftens. Wir wünschen die Bereitstellung von 15 Millionen DM Zinsverbilligungsmitteln zum beschleunigten Besitzwechsel. Wir glauben, daß wir damit, wenn wir vom 1. Juli an rechnen, 400 MillioPeters ({24})
nen DM Kapitalmarktmittel und frei aufgenommene Darlehen auslösen können, und zwar um auslaufende Höfe, um Teilhöfe und um ganze Höfe durch Siedlungsgesellschaften oder auch im freien Kauf durch andere Bauern zu übernehmen. Dazu muß eine Zinsverbilligung von 61/2% gegeben werden, um für die Neuerwerber eine tragbare Belastung zu erreichen. Wir wissen, daß die Verhältnisse in Nord- und Süddeutschland sehr unterschiedlich sind. In Süddeutschland kommt es hauptsächlich darauf an, auslaufende Höfe aufzukaufën und der Sozialsache zu begegnen. Im norddeutschen Raum kommt es hauptsächlich darauf an, den sich - ich möchte sagen - unter einer tragbaren Grenze bewegenden Bodenpreis auf einer Linie zwischen 7000 und 9000 DM aufzufangen.
Sechstens. Wir haben beantragt - ich glaube, der Antrag liegt Ihnen noch nicht vor -, das neu beschlossene Gasöl-Verbilligungsgesetz in der Weise zu ändern, daß die Verbilligung - die bare Vergütung, wie man es jetzt nennt - nicht erst am 1. Mai, sondern schon für den Verbrauch ab 1. Januar 1968 wirksam wird.
Das sind unsere Anträge. Nun, meine Damen und Herren, werden Sie sagen: Das Ganze kostet zusammen 400 Millionen DM. Gewiß! Wir haben schon in der ersten Lesung dargelegt, daß wir die Pos. 679 b, die Dieselbarvergütung für 1968, d. h. die Etatisierung dieser Steuervergünstigung für ein nicht übliches und sogar für ein unmögliches Verfahren halten und daß wir diese Position deshalb im Einzelplan 10 gestrichen sehen wollen. Wenn Sie meinen, die Position aus haushaltstechnischen Gründen erhalten zu müssen, müssen Sie sie nach Kap. 60 verlagern. Wir wünschen diese 300 Millionen DM für die von mir bezeichneten Maßnahmen zu verwenden.
Wir haben ebenfalls schon in der ersten Lesung dargelegt, daß man bei Befolgung unseres Vorschlags - das war vor dem Beschluß über das Gasöl-Verbilligungsgesetz, meine Damen und Herren -, Gasöl und leichtes Heizöl zu färben, zu einer Steuermehreinnahme von etwa 150 Millionen DM gekommen wäre. Das ist eine effektive Teildeckung.
Weiter sind wir der Meinung, daß die 125 Millionen DM Mehrabschöpfungen, die durch die Nachschiebeliste der Bundesregierung in den Etat gekommen sind, agrarpolitischen Zwecken zugeführt werden sollen. Damit haben wir etwa 300 Millionen echt etatmäßig gedeckt.
Meine Damen und Herren, wir haben hier außerdem beachtliche Streichungsvorschläge gemacht. Der Finanzminister hat zwar gesagt, es seien keine vernünftigen Streichungsvorschläge, ich bin aber der Meinung, daß das eine völlig subjektive Beurteilung ist; denn was Sie für vernünftig halten, das halten wir zum Teil für unvernünftig, und umgekehrt.
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Wir haben also bei der militärischen Verteidigung eine Streichung von 550 Millionen DM beantragt, bei der zivilen Verteidigung 40 Millionen DM und bei der militärischen Ausrüstungshilfe 90 Millionen DM. Das sind zusammen rund 700 Millionen DM.
Minister Höcherl - ich muß noch einmal auf Sie zurückkommen, Herr Minister - hat in seiner Rede zum Grünen Bericht darauf hingewiesen, daß es sinnvoll gewesen wäre, rechtzeitig Arbeitskräfte aus der Landwirtschaft in der gewerblichen Wirtschaft einzusetzen; man hätte dann ausländische Arbeitskräfte eingespart. Sie selber wissen, wie schwierig es infolge der örtlichen und räumlichen Bedingungen ist, Arbeitskräfte umzusetzen. Ich will Ihnen einen Vorschlag aus einem anderen Bereich machen. Wir haben vorgeschlagen, 4000 bis 5000 Arbeitskräfte im zivilen Sektor der Bundeswehr einzusparen. Das ist der erste Vorstoß in dieser Richtung. Wenn Sie von den 160 000 Zivilisten bei der Bundeswehr 30 000 einsparten, dann wäre die erforderliche Arbeitsleistung in diesem Sektor noch nicht so groß wie die, die in jeder Fabrik von jedem Arbeiter, auf jedem Bauernhof von den Bauern und in jeder Verwaltung verlangt wird. Sie würden dort in einigen Jahren, wenn wir bei den Kündigungsfristen dazu kämen, bei 30 000 Bediensteten sogar 400 Millionen DM einsparen können.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Fellermaier.
Herr Kollege, darf ich der Klarstellung wegen fragen, ob Sie zum Ausdruck bringen wollten, daß diese 30 000 oder 40 000 Zivilbediensteten bei der Bundeswehr nicht das als Arbeitnehmer leisten, was man gemeinhin voraussetzt. Denn das hat immerhin in ihrer Behauptung mitgeschwungen.
„Gemeinhin annimmt" habe ich nicht gesagt und nicht gemeint. Ich habe gesagt: die Arbeitsleistung, die in diesem Bereich im Verhältnis zu allen anderen Bereichen in der Wirtschaft erbracht wird; und das ist wahr. Dazu stehe ich. Ich glaube, das ist eindeutig.
({0})
Wir sind also der Meinung, daß wir Einsparungsvorschläge genug gemacht haben und daß, wer helfen will, meine Damen und Herren, auch helfen kann. Es kommt - um es noch einmal zusammenzufassen - erstens auf eine schnelle Verbesserung der landwirtschaftlichen Erzeugerpreise an und zweitens darauf, daß das eingehalten wird, was in bezug auf die EWG-Anpassung versprochen worden ist. Wenn man unseren Anträgen folgt, dann wird das erfüllt.
Die Belastung, die bei einem Heraufziehen der landwirtschaftlichen Erzeugerpreise für den Verbraucher entstände - meine Damen und Herren, auch das soll behandelt werden -, ist nach unserer Meinung tragbar. Die Senkung der landwirtschaftlichen Erzeugerpreise durch die EWG, die bisher nur ein halbes Jahr lang wirksam gewesen ist, hat, auf das ganze Jahr bezogen, 8 % ausgemacht. Für den Verbraucher ist nach der Statistik nur eine Senkung der Preise um 1 % eingetreten. Wenn nun die landwirtschaftlichen Erzeugerpreise auf den alten
Peters ({1})
Stand kämen, dann könnte diese Anhebung, auf ein ganzes Jahr bezogen, nicht mehr als 2 0/0 oder vielleicht 3% bedeuten. Wir sind der Meinung, daß das tragbar wäre und besser wäre als jeder andere Ausgleich.
Ferner sind wir der Meinung, daß das, was wir vorgeschlagen haben - das habe ich eingehend begründet -, für den Haushalt tragbar ist.
Der Bundesminister hat in der Ernährungsdebatte noch gesagt, daß er sich bemühen wolle, im Kabinett durchzusetzen, daß dreimal 260 Millionen DM EWG-Anpassungshilfe möglichst bald nachgeholt würden, wenn die Haushaltslage es erlaubte. Herr Minister, Sie werden dadurch, daß die ersparten Mittel aus den einzelnen Titeln in einem Globaltitel zusammengefaßt werden, diese Möglichkeit sehr wahrscheinlich schon im Haushaltsjahr 1968 haben. Kommen Sie nicht am Ende des Jahres mit irgendwelchen Vorschlägen, sondern entschließen Sie sich möglichst schnell zu Handlungen!
Nun ein Letztes. Die schlechte Ertragslage in der Landwirtschaft hat im letzten Jahr dazu geführt, daß die Landwirtschaft 3 Milliarden DM weniger investiert hat, d. h. für 3 Milliarden DM weniger von Industrie, Handwerk und Handel gekauft hat. Wenn Sie nicht helfen, wird diese Entwicklung sehr wahrscheinlich verstärkt weitergehen. Damit ist das Problem der Agrarwirtschaft zu einem Problem unserer Volkswirtschaft geworden.
({2})
Sie sollten jetzt nach unseren Vorschlägen schnell handeln. Sie tun dann auch der Gesamtwirtschaft und dem, was Sie konjunkturpolitisch wollen, einen Gefallen.
({3})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Saxowski.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die FDP hat einen ganzen Blumenstrauß von Wünschen hier ausgebreitet, der wieder an dem Getreidepreisausgleich seinen Aufhänger fand. Ich frage mich nur immer: Wann wurde dieser Getreidepreis in Brüssel eigentlich verbindlich festgelegt? Da waren Sie doch mit in der Regierung.
({0}) - Nein, das müssen Sie auch mal wissen.
({1})
- Es ist immer unangenehm, die Wahrheit zu hören, aber man soll die Akzente dort setzen, wo sie hingehören. Es ist ja beinahe unerträglich, in diesem Klima Agrarpolitik zu machen.
Bis tief in diese Koalition hinein hat ein führender Beamter im Ernährungsministerium die Verhandlungen in Brüssel mitbestimmt. Alles das wird vergessen, selbst in dieser Großen Koalition.
Aber bitte, lassen Sie uns zurückkommen auf den Haushalt, den wir auch sehen. Ich glaube, man sollte in der Agrarpolitik in Ruhe und in Stille in den
Ausschüssen arbeiten und in diesem Jahr mit einer festen Konzeption an die Öffentlichkeit treten, statt sich dauernd in Anträgen zu ergehen, die einfach nicht realisierbar sind. Ich habe diese Auffassung; ich kann mir nicht helfen.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage? - Herr Abgeordneter Ertl!
Herr Kollege Saxowski, würden Sie vielleicht die Güte haben, mir zuzugeben, daß Ihre Fraktion noch viel früher eine Getreidepreissenkung wollte?
Herr Ertl, wenn wir in Europa arbeiten wollen - das muß man auch einmal klar zum Ausdruck bringen -, können wir nicht glauben, daß wir die Erreichung unseres Preisniveaus in allen Ländern anstreben können, sondern hier muß man einfach Kompromisse finden. Über die Höhe des Kompromisses hat man zu verhandeln. Das ist meine Auffassung. Wir haben ja auch gesagt, daß wir gar nicht dagegen sind, daß man auch im Preis regulierend arbeiten kann. Aber dann nicht von 1969 an. Das müssen Sie auch wissen. Hierüber lassen wir vernünftig mit uns reden!
({0})
- Herr Dorn, man kann ja auch Fragen nicht verstehen wollen. Ich habe Ihnen dauernd gesagt, daß es Kompromisse geben mußte, und dazu stehen wir auch; glauben Sie mir das.
Meine Damen und Herren, diese zweite Beratung des Haushalts, den die neue Bundesregierung der Großen Koalition vorlegt, ist gerade auch für den Bereich des Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten gekennzeichnet durch eine gewisse Knappheit der Mittel. Das wissen wir. Die mittelfristige Finanzplanung, die mit zum Teil harten Eingriffen das Debakel der öffentlichen Finanzen beseitigen mußte - das ist hier ja laufend herausgestellt worden -, hat auch diesen Einzelplan 10 nicht geschont, Herr Kollege Peters. Das darf man nicht übersehen. Und im übrigen ist diese Entwicklung ja seit 1966 eingetreten. Die scheinbaren Erhöhungen gegenüber 1967 - da gehe ich mit Ihnen einig - können wir teilweise, nämlich in Höhe von 560 Millionen DM, auf den Getreidepreisausgleich zurückführen. Aber bitte vergessen Sie auch nicht, daß diese große Koalition in einer vertrauensvollen Zusammenarbeit eine Aufstockung der Strukturtitel um 200 Millionen DM vorgenommen hat. Das vergißt man natürlich zu erwähnen. Hier haben Regierung und Koalition zusammengearbeitet. 130 Millionen DM wurden am Kapitalmarkt aufgenommen. Das ist sogar ein Entgegenkommen unserer Wirtschaftspolitik. Wir haben die Strukturprobleme in den landwirtschaftlichen Räumen noch nicht überwunden. Das kommt dieser Konjunkturpolitik entgegen. Das sollte man auch sagen.
Sie haben weiter vergessen zu erklären, daß durch den Eventualhaushalt 320 Millionen DM im vorigen Jahr zusätzlich in die Landwirtschaft hineinSaxowski
geflossen sind. Das sind schon einmal 500 Millionen DM in einer Summe zusammengepackt.
Zwischenfrage!
Herr Kollege Saxowski, würden Sie mir zugeben, daß zunächst bei den Strukturmitteln erheblich gestrichen und dann der Versuch gemacht wurde, durch zusätzliche 200 Millionen DM ein klein wenig in der Öffentlichkeit den Eindruck zu erwecken, daß man wieder mehr gibt?
({0})
Herr Peters, alles in einem ist besser.
Herr Saxowski, ist Ihnen nicht klargeworden, daß ich in den Zahlenvergleich 1967/68 die beiden Investitionshaushalte mit einbegriffen habe?
({0})
Durchaus, durchaus. Ich meine, ich kann ja auch noch kopfrechnen. Mit Millionen kann man das auch, wenn sie hinten keine Einzelzahlen haben. Das ist alles klar. Daß gekürzt werden mußte, Herr Ertl, ist auch klar. Fragen Sie doch Ihren früheren Finanzminister. Sie haben da doch Leute mit Erfahrung, die es vielleicht besser gemacht hätten.
({0})
Aber darauf wollen Sie nicht hören.
Ich lehne es jetzt ab, mich auf dieser Ebene weiter zu streiten. Ich will zum Haushalt etwas sagen, weil wir auch noch einige Einwendungen dazu haben.
({1})
- Da waren Sie doch drin. Was wollen Sie eigentlich? Da waren Sie doch dabei? Oder?
({2})
Ich verstehe das nicht. Da bleibt einem der Verstand stehen.
({3})
Ja, ist denn das nicht wahr?
({4})
- Herr Dorn, lassen Sie mich jetzt fortfahren. Wir dürfen uns ja auch wohl einmal rechtfertigen. Da soll man nicht immer so aufstöhnen. Wer so aufstöhnt, hat auch .ein bißchen Schuld.
({5})
- Ich will hier nicht fortfahren.
Wir wollen uns nun dem Haushalt zuwenden. Ich darf zunächst an die langjährigen Bemühungen dier Fraktion erinnern, die Aufgabenbereiche im Einzelplan 10, Herr Minister, funktional besser zusammenzufassen und transparenter zu machen.
({6})
Durchaus, das ist eine Forderung, die wir im vorigen Jahr auch gestellt haben. Das Ministerium ist diesem Ansinnen durch die Seite 29 entgegengekommen, indem sie da eine Untergruppierung der einzelnen Agrarmaßnahmen in vier Buchstabengruppen vorgenommen hat. Das ist schön; aber es ist nicht exakt genug. Bitte, geben Sie sich endlich die Mühe und stellen Sie die Maßnahmen in diesem Haushalt nach den rein agrarstrukturellen, betriebsstrukturellen, marktstrukturellen, sozialen und einkommenswirksamen Subventionen auf. Es wäre dabei ganz schön - bitte, das verneinen wir und verniedlichen wir auch nicht -, wenn noch hinzukäme, daß man sich die Mühe machte und auch einmal die Maßnahmen zusammenfaßte, die nur indirekt der Landwirtschaft zugute kommen. Ich denke hier an den Küstenschutz, an Wassermaßnahmen und alle diese Dinge. Wir können sie nicht als rein agrarische Maßnahmen ansprechen.
Zwischenfrage!
Gestatten Sie mir noch eine Frage, es soll die letzte sein, Herr Saxowski.
({0})
Ja bitte, ich kann das vertragen.
Können Sie mir eine Einkommenssubvention aus dem Agraretat nennen?
Herr Peters, die will ich ja auch wissen. Verstehen wir uns da? Ich habe gesagt, daß man diese Aufforderung nicht als buchhalterisch kleinkariert auffassen soll. Das ist hier keine Frage der Form dieses Haushalts; mit der Neuordnung dieses Haushalts, Herr Bundesminister, müssen wir dazu kommen, auch einmal sämtliche Maßnahmen dieses Haushalts zu durchforsten. Ich glaube, hier . ist allerhand Ballast verborgen. Das kann man aber nur feststellen, wenn neben dem Haushalt auch die Richtlinien einer Überprüfung unterzogen werden. Es ist durchaus zuzugestehen, daß Maßnahmen vorhanden sind, die vor Jahren dringend erforderlich waren, die aber heute Sinn und Zweck verfehlen, weil sie gewisse Linien hineinbringen, die zuungunsten der Landwirtschaft ausarten. Ich glaube, hier muß jedermann von einigen liebgewordenen Angewohnheiten herunter, sei es in den Ministerien, ,die gern ihre Töpfchen verwalten und da ihr Lebensinteresse finden, sei es bei Abgeordneten unserer oder Ihrer Couleur, die sich mit diesen Haushaltstiteln zum Teil identifizieren. Hier muß reell miteinander geredet werden. Ich glaube, daß dann einiges Geld in diesem Haushalt freizumachen ist, das dann an die strukturellen Titel überwiesen werden kann.
Weiter, Herr Bundesminister. Das geht auch wiederum allen Ernstes an die Bundesregierung. Wir sehen laufend, daß auf Grund der Verpflichtungen
der EWG das Kapitel 10 03 über die Marktordnungen .immer stärker anwächst - da muß ich der FDP Recht geben - zu Lasten des Kap. 10 02, in dem unser nationaler agrarpolitischer Bereich heute noch Bewegungsfreiheit hat.
({0})
Und gerade diese Maßnahmen sind dringend erforderlich. Wenn schon mittelfristige Finanzplanung, dann aber auch bitte hier zu diesem Kapitel einen Plafond, nach dem wir unsere Agrarpolitik ausrichten können, damit wir nicht in die Verlegenheit kommen, ,dauernd solche Anträge vor das Haus zu bringen. Ich glaube, das müßte bei einigem Willen möglich sein, zudem Sie ja auch in den vergangenen Wochen und Monaten darauf hingewiesen haben, daß eine neue Konzeption vorliegt. Diese Konzeption möchten wir erfahren.
Ein Wort zur Gestaltung des Haushalts. Ich glaube, es ist sehr schön, wenn Sie uns Ende des Jahres das fertige Papier mit seinen vielen Seiten auf den Tisch legen. Aber wenn wir in die Haushaltsberatungen hineingehen, wissen wir, wie schwierig es ist, da eine oder zwei Millionen - entschuldigen Sie diesen Ausdruck - im Volumen zum Gesamthaushalt in irgendeinen anderen Titel zu verlagern. Und wenn ich mich dann daran erinnere, daß wir hier im Parlament immer davon sprechen, daß der Haushalt die große Stunde des Parlaments ist, dann bin ich am Ende meiner Kraft.
({1})
- Entschuldigen Sie bitte, hier soll man offen darüber reden.
({2})
Hier wird dann um eine oder zwei Millionen tagelang gefeilscht, und am Ende bleibt es bei der Regierungsvorlage.
({3})
Sehen Sie sich doch die Verlagerung an. Ich glaube, es wäre hier wesentlich besser, auch im Interesse der Politik, wenn wir uns auch vorher, bevor die Veranschlagung des Haushaltes erfolgt, einmal darüber unterhielten, welche Schwerpunkte zu setzen sind, welche Maßnahmen stärker herausgestellt werden müssen. Denn wir alle haben viele Wunschträume, aber wir können die reale Politik nur im Rahmen der eng begrenzten Mittel vorantreiben. Daher halte ich diese Vorbesprechung für unerläßlich. Ich möchte hoffen, daß dieser Wunsch - ich kann ja nur diesen Wunsch äußern - auf fruchtbaren Boden fallen wird.
Noch eines: Die Titel, die für die EWG echte Marktordnungstitel darstellen, an die wir gesetzlich gebunden sind, wollen wir nicht in den Einzelplan 60 überwiesen haben. Wir möchten dafür aber ein Ergänzungskapitel E im Agrarhaushalt. Ich habe dafür meine bestimmten Gründe, und meine Freunde unterstützen mich in dieser Frage auch, damit wir einmal echt feststellen können, was gesetzlich für die EWG benötigt wird.
({4})
- Man soll kritische Anmerkungen zum Haushalt machen, auch wenn man in der Koalition steht. Ich will ja über die Einsparungen in den vergangenen Jahren gar nicht reden. Aber hier drängt sich doch der leise Verdacht auf, daß man immer bereit ist, diese gesetzlich gebundenen Titel etwas aufzublähen in der stillen Hoffnung, hierdurch nachher irgendwelche Fehlbeträge zu decken. Das muß vermieden werden.
({5})
Darum hat der Haushaltsausschuß - hierfür sind wir Agrarpolitiker ihm äußerst dankbar - einen lobenswerten Beschluß gefaßt, nach dem ersparte Mittel aus Kap. 10 03 an Kap. 10 02 zur Verstärkung überwiesen werden. Das war ein guter Beschluß. Der Finanzminister hat diesem Beschluß zugestimmt. Aber wir möchten nicht, daß daraus eine reine Deklamation wird, die keine exakten Bindungen beinhaltet. Denn wir wissen, daß strukturell - sei es Markt, sei es Betrieb, sei es agrarisch oder sozial - noch vieles zu tun ist. Wir haben deswegen den Antrag 423 ({6}) vorgelegt, in dem eine echte Bindung für 10 02 ausgesprochen wird. Mein Kollege Herr Röhner hat seinerzeit den lobenswerten Antrag gestellt, eine Übertragbarkeit einzuführen. Aus haushaltsrechtlichen Gründen war das aber nicht möglich. Wir sehen das ein. Aber hier ist eine Regelung, die meines Erachtens möglich ist. Wir bitten das Hohe Haus, dieser Regelung zuzustimmen. Ich sage ganz offen: sie ist noch nicht weitgehend genug. Aus dem Vergangenen gewitzigt geworden, müssen wir doch die Möglichkeit erhalten, Herr Minister, nicht verausgabte Haushaltsmittel in das nächste Rechnungsjahr übertragbar zu machen. Wenn ich Herrn Bundesfinanzminister Strauß richtig verstanden habe, sollen im neuen Haushaltsrecht Wege gefunden werden, das zu praktizieren. Wir wären Ihnen sehr dankbar dafür; denn es ist schlecht, wenn bei Strukturtiteln am Ende des Jahres ersparte Mittel untergehen, weil es einfach so im alten Haushaltsrecht steht. Wir wollen also hoffen, daß es zu dieser Regelung kommt. Wir sind dem Finanzministerium sehr dankbar, daß es diesen Weg mit beschreitet.
Nun zu den Anträgen der Kollegen von der FDP. Der Antrag hinsichtlich des Getreidepreises interessiert uns natürlich, weil wir ja auch der Auffassung waren, daß man diesen Ausgleich nur auf den Getreidepreis anwenden sollte.
({7})
- Nun lassen Sie mich das doch erst einmal erklären. Sonst werde ich überhaupt nicht fertig und bekomme nachher eine Mahnung vom Herrn Präsidenten. Das möchte ich mir nicht einhandeln.
Dieser Ausgleich sollte also für den Getreidepreis gelten. Wir können in dieser Frage in der Fraktion vollkommen frei abstimmen. Aber daß Sie das in ein solches Bündel von Anträgen hineinpacken! Ich habe einmal einige schöne Worte eines markanten Sprechers Ihrer Fraktion in Fachzeitungen gelesen. Er sprach davon, daß einmal Papiere im Schwange waren, die Augenwischerei bedeuten sollten. Sehen Sie, hier liegen Anträge von über 300 Millionen DM. 300 Millionen! Das wollen Sie
aus der Dieselkraftstoffverbilligung herausnehmen; aber wir wissen, daß bei der Durchführung Ihrer Anträge einfach ein Loch von 300 Millionen DM entsteht, weil das Geld irgendwo hergenommen werden muß. Die Landwirte müssen ja vorher ihre Steuerzahlungen zurückbekommen. Wir stimmen also diesem Antrag nicht zu. Dabei unterstelle ich, Herr Peters, daß wir uns über die Frage der Dieselkraftstoffverbilligung im nächsten Jahr dringend unterhalten müssen. Sie ist auch in meinen Augen keine Subvention, sondern der erste Schritt zur Wegnahme von Wettbewerbsverzerrungen,
({8})
weil wir durch die Verbilligung auf mittleres europäisches Niveau gegangen sind. Wenn ich gleiche Preise in einer Sechsergemeinschaft habe, ist es generelle, sittliche Verpflichtung, möchte ich fast sagen, auch die Produktionskosten und Betriebskosten in Harmonisierung zu bringen.
({9}) Das ist hiermit geschehen.
Hier auch eine kritische Bemerkung zum Subventionsbericht. Dieser Bericht ist ja sehr schön, weil in ihm eine klare Aufgliederung der verschiedenen Arten von Subventionen zu finden ist. Bei der Binnenschiffahrt - und das hat nichts damit zu tun, daß die im Freihafen bunkern - stellt man das als Steuererleichterung hin, während es dem Landwirt im Einzelplan 10 als Einkommenssubvention angekreidet wird. Da stimmt was nicht!
({10})
Da hat man irgendwie etwas verloren.
({11})
Darauf sollte man achten. Wir sind sehr dafür, daß wir uns im nächsten Jahr - aber bitte, in einem sehr sachlichen Klima - über diese Frage unterhalten und zu einer tragbaren Regelung kommen. Machen Sie es sich bitte auch nicht zu leicht. Es stehen viele Vorschläge im Raum. Daran möchte ich auch erinnern. Aber alle haben Haken und Erschwernisse. Darüber muß man sich auch echt unterhalten. Wir wollen also anstreben, da im nächsten Jahr eine bessere Regelung zu finden. Ich glaube, im Augenblick ist diese Regelung im Interesse der Landwirtschaft durchaus tragbar.
Und weil wir gerade bei dem Subventionsbericht sind: Da sind noch so einige Positionen EWG-bedingt: Einfuhr- und Vorratsstelle, NATO-Reserve und, wie das deklariert wurde, allgemeine Ernährungsreserve auf Grund irgendwelcher Erwägungen. Man sollte auch, was die Einfuhr- und Vorratsstelle angeht, erkennen, "daß es sich dabei nicht um eine landwirtschaftliche Subvention handelt, sondern daß die Subvention allen Teilen der Bevölkerung durch eine geregelte Lagerhaltung zur Stützung von Preisen zugute kommt.
({12})
Darüber ist zu reden, damit uns nicht immer diese Riesensummen um die Ohren geschlagen werden, die sich, wenn wir sie echt durchleuchten, auf ein Minimum verringern.
Aber jetzt zum Schluß. Ich will Sie nicht mehr weiter langweilen. Mir klingen noch die Worte des Herrn Bundeskanzlers - der Herr Bundeskanzler ist jetzt weg - im Ohr, als er aus seinen Erfahrungen im württembergischen Wahlkampf erklärt hat, daß die Landwirte keine Versprechungen mehr haben wollten; sie wollten vielmehr die Wahrheit und die Realitäten. Ich glaube, dieses Haus und die Parteien wären alle gut bedient, wenn sie daran dächten: Ehe man mit großen bombastischen Erklärungen an die Öffentlichkeit geht, sollte man im Rahmen der Politik, die wir hier machen - und man soll sich da von außen nicht so stark beeindrucken lassen -, über die Maßnahmen erst einmal ins klare kommen, die zu treffen sind. Es ist endlich die Rangigkeit der Schwerpunkte in der Agrarpolitik im Rahmen der Finanzmasse festzulegen. Leider ist es so, daß zur Politik auch das Geld gehört. Man kann die besten Auffassungen an den Tag legen, aber wenn der Geldbeutel nicht entsprechend offen ist, kann man mit diesen guten Vorstellungen nichts anfangen. Deswegen bitte ich Sie herzlich - und ich glaube, wir haben in der Koalition gute Ansätze -, daß wir in diesem Jahr schwerpunktmäßig die Gesetze verabschieden - das müßte bis Ende dieses Jahres geschehen, um diese Fragen aus dem Bundestagswahlfieber 1969 herauszuhalten -, daß wir in diesem Jahr darangehen, mit dem Herrn Bundesminister, mit seiner Konzeption, unter Offenlegung unserer Wünsche, mit Offenlegung der Finanzmasse die Schwerpunkte in der Agrarpolitik zu setzen, wie es sich gehört. Ich glaube, dann kommt das Unbehagen weg, und dann kriegen wir auch die Unruhe draußen fort. Aber Versprechungen, die nicht realisiert werden, bringen Unmut. Das ist ein wenig bedrückend. Bitte denken Sie daran, daß wir zu diesem Weg endlich kommen müssen. W i r sind bereit, ihn zu gehen.
Zum Schluß bitte ich Sie noch einmal alle, dem Antrag 423 ({13}) zuzustimmen, und im übrigen danke ich für die Aufmerksamkeit.
({14})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Hermsdorf.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mein Freund Saxowski hat hier den Umdruck 423 ({0}) begründet. In der Sache bin ich mit ihm einig. Als Mitglied des Haushaltsausschusses gibt es natürlich widerstrebende Gefühle bei diesem Antrag, denn das haben wir nie getan, daß wir Mittel von einem Kapitel in das andere Kapitel übertragbar machen. Wie immer,
({1})
wenn mein Freund Saxowski oder andere Vertreter der Landwirtschaft sprechen, sind wir ein bißchen überzeugt von den Argumenten und sehen, was hier notwendig ist. Aber bei allem Respekt in der Sache, bei allem Respekt vor dem verehrten Landwirtschaftsminister, ja selbst bei meinen freundschaftlichen Beziehungen zu ihm, möchte ich doch zu diesem Änderungsantrag einen Änderungsantrag stel8854
len, damit wir im Rahmen des Haushaltsrechts und der Haushaltsgrundsätze bleiben.
Herr Präsident, ich würde bitten, den Änderungsantrag 423 ({2}) im letzten Absatz, wo es heißt: „Die Ausgaben auf Grund dieser Ermächtigung sind bei den einschlägigen Titeln zu buchen, deren Ansätze" durch den Halbsatz zu erweitern: „mit Zustimmung des Haushaltsausschusses". Es heißt dann: „deren Ansätze mit Zustimmung des Haushaltsausschuses insoweit überschritten werden können."
Herr Präsident, ich darf Ihnen diesen Änderungsantrag übergeben. - Ich danke.
({3})
Die Zustimmung des Haushaltsausschusses ist hier beantragt. Nun hat das Wort der Herr Abgeordnete Röhner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte in gebotener Kürze Stellung nehmen zu den Änderungsanträgen der FDP, die vom Kollegen Peters begründet worden sind. Ich versuche, es straff darzustellen. Mit dem Umdruck 403 *) betreffend Kapitaldienst und Unterhaltungskosten wurde eine Mehrausgabe in Höhe von 7 Millionen DM beantragt. Mit Umdruck 404 **) wurden eine Mehrausgabe in Höhe von 15 Millionen für Maßnahmen des beschleunigten Besitzwechsels beantragt. Mit Umdruck 405 ***) - Senkung des Kapitaldienstes um 30 % bei Agrarstrukturmaßnahmen - wurde eine Mehrausgabe von 78 Millionen DM beantragt. Mit Umdruck 408 ****) wurde eine Mehrausgabe in Höhe von 200 Millionen DM - Verteilung an die Grünlandbetriebe - beantragt. Das ergibt insgesamt Mehrausgaben in Höhe von 300 Millionen DM. Der Änderungsantrag Umdruck
406 *****) soll für diese Mehrausgaben insofern Dekkung bringen, als bei den Mitteln nach dem Gesetz über die Verwendung von Gasöl eine Streichung von 300 Millionen DM angeboten wird. Die von der FDP beantragten zusätzlichen Mittel sollen also durch die Streichung der Mittel zur Verbilligung von Gasöl für die Landwirtschaft in Höhe von 300 Millionen DM aufgebracht werden. Dieser Deckungsvorschlag ist nicht durchführbar, erstens, weil das Gasölverwendungsgesetz inzwischen in Kraft getreten ist und die daraus erwachsenden Ansprüche befriedigt werden müssen, und zweitens, weil bei einer Streichung der 300 Millionen DM auf der Ausgabenseite die damit korrespondierenden Einnahmen aus der Mineralölsteuer bei Kap. 60 01 ebenfalls um 300 Millionen DM verringert werden müßten. Mittel für eine anderweitige Verwendung werden dadurch nicht frei.
Dies gilt im Grundsatz auch für die mit Umdruck
407 ******) vorgeschlagene Erhöhung der Bindungsermächtigung.
*) Siehe Anlage 10
**) Siehe Anlage 11
***) Siehe Anlage 12
****) Siehe Anlage 13 *****) Siehe Anlage 14 ******) Siehe Anlage 15
Ich bitte deshalb, die genannten Änderungsanträge Umdrucke 403, 404, 405, 406 und 408 abzulehnen.
Noch eine kurze Bemerkung zum Änderungsantrag Umdruck 407. Dort heißt es unter Buchstabe a, daß in den Erläuterungen zu Tit. 992 im letzten Absatz der Betrag „374 000 000 DM" durch den Betrag „560 000 000 DM" ersetzt werden soll. Ich darf dazu folgendes feststellen. Im Finanzänderungsgesetz vom 21. Dezember 1967 wurden die Ausgleichszahlungen für die Einkommensverluste aus der Getreidepreissenkung nach § 4 des EWG-Anpassungsgesetzes beschränkt, und zwar für das Jahr 1968 auf 560 Millionen DM, für 1969 auf 374 Millionen DM und für 1970 auf 187 Millionen DM. Nach dem Kabinettsbeschluß vom 13. Dezember 1967 werden diese Mittel wie folgt verteilt - das ist bekannt; ich darf es aber noch einmal kurz erwähnen -: 437,5 Millionen Getreidefläche, 22,5 Millionen Braugerste, 100 Millionen für Betriebs-, Agrar- und Marktstruktur, hier wiederum durch einen Vermerk, der bei der Haushaltsberatung im Haushaltsausschuß einschlägig angebracht worden ist, aufgeteilt für die Investitionsbeihilfe, für die Wasserwirtschaft und für die Verbesserung der Molkereistruktur.
Ich bitte deshalb, diese Vorschläge auch im Sinne des Haushaltsausschusses anzunehmen und damit den Änderungsantrag Umdruck 407 abzulehnen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dorn.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben für unsere Ausgabenanträge hier eindeutige Deckungsvorschläge unterbreitet, und für diese Anträge sind nicht erst seit dieser Haushaltsberatung, Herr Kollege Röhner, sondern seit dem vergangenen Herbst von uns Argumente vorgetragen worden. Seit dieser Zeit haben wir in allen zuständigen Ausschüssen, die dafür in Frage kamen, diese Haltung eingenommen und auch unsere Deckungsvorschläge unterbreitet. In der Sache ist also von unserer Fraktion völlig korrekt verfahren worden.
Wir begrüßen es, daß der Kollege Saxowski angeboten hat, wenigstens für das nächste Jahr zu einer Überlegung zu kommen, ob nicht doch vieles von dem, was wir beantragt haben, realisiert werden könnte. Wir hätten es begrüßt, wenn die Kollegen von der SPD-Fraktion sich schon in diesem Jahr hätten entschließen können, unseren Anträgen zu folgen. Aber nach dem, was er hier ausgeführt hat, haben wir wenigstens für das nächste Jahr einige Hoffnung.
Nun noch ein Wort zu dem, was der Kollege Hermsdorf gesagt hat. Ich glaube, auf die Dauer gesehen ist das, was er hier vorgetragen hat, im Rahmen der Haushaltsberatungen einfach nicht durchzuhalten. Er sagte sinngemäß: „Wir sind nur bereit, das an Deckungsvorschlägen zu akzeptieren, was für den einen Haushalt, der zur Diskussion steht, dann an Ausgleich wieder vorgetragen werden kann; wir haben bisher keine Übertragung von
Mitteln zwischen den einzelnen Haushalten vorgenommen." Herr Kollege Hermsdorf, konsequent fortgesetzt, würde uns das in diesem Hause in eine äußerst peinliche Situation führen. Denn es könnte sein, daß, wie z. B. in diesem Jahr von unserer Fraktion insgesamt über 800 Millionen DM Ausgabenkürzungen im Rahmen der verschiedenen Haushaltspläne vorgeschlagen worden sind, das Parlament durchaus zu der Überzeugung käme, z. B. die 550 Millionen DM im Bereich der Verteidigung, die wir als Kürzung vorgeschlagen haben, wie auch die 42 Millionen DM aus der Zivilverteidigung, die wir als Kürzung vorgeschlagen haben, wie auch die 90 Millionen DM, die wir als Kürzung im Bereich der militärischen Ausrüstungshilfe vorgeschlagen haben, eines Tages vielleicht zur Verstärkung der Positionen auf dem Sektor von Wissenschaft und Forschung einsetzen zu müssen, was nach unserer Auffassung dringend erforderlich wäre. Dann können wir aber doch nicht sagen: „Weil das nunmehr in diesen Haushaltsplänen im Rahmen der Regierungsvorlage uns vorgelegt worden ist, ist eine solche Umwälzung von Haushalt zu Haushalt nicht vertretbar."
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
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Herr Kollege Dorn, spüren Sie nicht, daß diese Bemerkungen, die Sie jetzt machen, mit meiner Bemerkung nicht das mindeste zu tun haben? Das, was Sie sagen, geht durchaus. Hier handelt es sich um eine rein haushaltsrechtliche Frage im laufenden Haushalt, darum, daß man im laufenden Haushalt nicht Mittel von einem Kapitel zum anderen laufend übertragen kann, wogegen das, was Sie sagen, ja eine politische Notwendigkeit, ad hoc und einmalig, ist.
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Ja, Herr Kollege Hermsdorf, dann haben Sie sich zumindest sehr mißverständlich ausgedrückt.
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- Nein, das machen Sie gar nicht immer. Sie sind sonst sehr klar verständlich, wenigstens für meine Kollegen und mich. - Nun gut, das ist also eine Ausdeutung dessen, was Sie vorgetragen haben. Wir nehmen sie mit Befriedigung zur Kenntnis. Es ist gut, daß das Mißverständnis geklärt ist, weil wir nämlich für die Ausführung, so wie wir sie aufgefaßt hatten, kein Verständnis gehabt hätten.
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Das Wort hat der Herr Bundesernährungsminister.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bitte um einige Minuten Geduld, weil ich gern auf einige agrarpolitische Bemerkungen, die hier gemacht worden sind, erwidern möchte.
Zunächst darf ich mich den Ausführungen des Herrn Kollegen Röhner zuwenden und mit Dankbarkeit feststellen, daß sich für 1968 in der Frage der Haushaltsgestaltung beim Einzelplan 10 etwas ganz Besonderes, und ich muß wirklich sagen: Entscheidendes ereignet hat. Es ist ein Durchbruch erzielt worden, der lange angestrebt war und der sich jetzt zu verwirklichen scheint. Ich bin dem Haushaltsausschuß sehr dankbar für dieses Entgegenkommen, das nunmehr eine größere Beweglichkeit gestattet und wirklich zum ersten Mal nicht eine starre Bindung, sondern die Möglichkeit gibt, während des Vollzugs des Haushalts Akzente zu setzen, die sich aus der raschen Entwicklung, die wir ja erkennen, ergeben. Ich möchte sagen, das ist ein Durchbruch, und ich darf das Hohe Haus bitten, die Bemühungen des Haushaltsausschusses durch seinen Beschluß zu bestätigen.
Was nunmehr die Frage der Gliederung betrifft, die von mehreren Rednern angesprochen wurde, so wissen Sie genau, daß hier strenge haushaltsrechtliche Bestimmungen im Rahmen des noch bestehenden Haushaltsrechts vorliegen und daß es keineswegs möglich ist, das Äußerste an funktioneller Darstellung zu bieten. Ich habe die Hoffnung, daß das neu zu schaffende Haushaltsrecht eine bessere Gliederung nach Sachzusammenhängen und nach Funktionen ermöglicht. Durch die Übersicht und durch die Aufteilung in fünf große Blöcke wurde versucht, dem Anliegen, das ich mit Ihnen teile, Rechnung zu tragen. Wie Sie bin ich überzeugt, daß dies nicht ausreicht. Vielleicht ist es notwendig, noch einen anderen Weg zu gehen, einen Weg, der vor allem auch für die Öffentlichkeit bestimmt ist, weil es keinen Haushalt gibt, der in dieser Öffentlichkeit so stark angegriffen wird - und dies zu Unrecht - wie dieser Einzelplan 10.
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Jeder Ironie möchte ich mich enthalten. Ich könnte darauf hinweisen - der Subventionsbericht weist es ja aus -, daß die übrigen keineswegs pingelig sind in der Annahme von Subventionen, daß sie aber - nach der bekannten Methode - mit dem Finger auf den Einzelplan 10 deuten. Deswegen werde ich eine Kommentierung erarbeiten und sie der Öffentlichkeit zugänglich machen, eine Kommentierung ,in der die Haushaltsmittel in ihrer Funktion und in ihrer Zweckbestimmung ganz genau - sine ira et Studio - dargestellt werden. Das erscheint notwendig, um hier einmal eine objektive Gesprächsgrundlage zu schaffen. Im Haushalt läßt sich dies selber nicht so ohne weiteres durchführen, das muß in einer eigenen Arbeit geschehen. Ich werde mich bemühen, sie so schnell wie möglich vorzulegen.
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Darf ich mich nun der Frage nach der kommenden Konzeption oder Agrarpolitik zuwenden. Sie wissen, daß ich das Wort „Konzeption" in diesem Zusammenhang nicht schätze. Das ist eine Art Zauberwort, mit dem jeder zu operieren scheint. In Wirklichkeit geht es um sehr, sehr harte und sehr nüchterne
Dinge. Jeder weiß, daß ohne finanzielle Grundlage keine Konzeption entstehen kann. Zum erstenmal ist es jetzt möglich, mit Beweglichkeit einige neue Vorhaben in Angriff zu nehmen und Bewährtes fotzuführen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir werden Ihnen in wenigen Monaten eine Überlegung, eine Programmierung vorlegen, wie ich dies bereits angekündigt habe.
Der Schwerpunkt dieser Programmierung wird der Familienbetrieb sein, seine Unterstützung, seine Förderung und seine Festigung, und zwar der Familienbetrieb im modernen Sinne, der in seinem Inhalt ständig fortgeschrieben wird und der durchaus nicht allein auf zwei Menschen beschränkt werden darf, die den Betrieb tragen, sondern der in erster Linie von seinem Eigentumscharakter her gesehen werden muß. Er muß des weiteren von seiner Funktion her gesehen werden, der Familie ein modernes Einkommen zu gewährleisten. Dies ist kein statischer, sondern ein dynamischer Begriff. Wir brauchen nur einen Rückblick auf die letzten zehn Jahre zu nehmen.
Zuzüglich wird ein zweiter Schwerpunkt gesetzt werden für die immer größer werdende Zahl von Zuerwerbs- und Nebenerwerbsbetrieben und ländlichen Heimstätten, die wir in der Landschaft unserer Agrarstruktur nicht missen möchten und die meines Erachtens in der Zukunft noch größere Bedeutung haben werden. Wir sehen hier nicht nur eigentums- und gesellschaftspolitisch etwas außerordentlich Wertvolles. Unsere Landwirtschaft und unser ganzes Land können wir uns nicht denken ohne die Arbeit dieser Menschen, die ein ganz besonders gesundes, wichtiges und unentbehrliches Element darstellen.
Die eben genannte Großzahl von Betrieben, die heute schon in die Millionen geht, stellt nicht nur in Deutschland ein Charakteristikum der Agrarstruktur dar, sondern ist darüber hinaus ein europäisches Charakteristikum. Erst vor wenigen Tagen konnte ich mich in Holland von den gleichen Überlegungen überzeugen. Dort ist man derselben Meinung: Nicht gigantische Zahlen, die immer zu hören sind, sind das Leitbild unserer Agrarpolitik, sondern der elastische, leistungsfähige, anpassungsfähige Familienbetrieb und all das, was in dem Bereich darum dazu gehört.
Darüber hinaus wird man die Sozialpolitik für den ländlichen Bereich mit ganz modernem Inhalt versehen müssen. Kundgebungen und Demontrationen, die viele Gründe haben - ich will gar nicht darauf eingehen -, haben einen entscheidenden Kern oder eine Wurzel darin, daß eine gewisse Existenzangst herrscht, eine Existenzangst, die sich keineswegs auf den ländlichen Raum und Bereich beschränkt; sie herrscht in allen übrigen Bereichen genauso. Warum? Wir leben in einer Zeit unerhörtester Arbeitsteilung. Kein einziger ist mehr in der Lage, seine Existenz für sich allein zu bestreiten. Nur das Funktionieren des Zusammenhangs - nicht nur des inneren, sondern auch des äußeren Zusammenhangs - ist die Existenzvoraussetzung. Wir wissen genau, welchen Segen und welche Ergebnisse
wir diesem Tatbestand verdanken. Aber der Preis, der bezahlt werden muß, nämlich die zunehmende Abhängigkeit, drückt sich in der Existenzangst aus. Hier muß mit einer solidarischen Haftung durch eine Neuformulierung der Sozialpolitik im ländlichen Raum eingegriffen werden.
Ich bin der Meinung, daß der Weg, den die CDU/ CSU mit ihrer Entschließung gegangen ist, nämlich in dem Altershilfebereich etwas zu unternehmen, der richtige Weg ist. Menschen, die keine Sorge um ihr Alter zu haben brauchen, agieren anders, entscheiden sich anders. Ich glaube, daß hier mittelbar ein sehr bedeutsamer struktureller Beitrag geleistet werden kann, der zwar nicht von heute auf morgen, aber auf lange Sicht nicht ohne Wirkungen bleiben wird.
Ich darf mich nun den munteren Erzählungen von Herrn Peters zuwenden.
Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Abgeordneten Logemann?
Herr Minister, können Sie sagen, bis wann Sie den CDU-Antrag und die Entschließung, die besonders zur Altershilfe gefaßt worden ist, für realisierbar halten?
Ich bin der Meinung, daß wir stufenweise unmittelbar an seine Realisierung herangehen können. Das ist meine Auffassung.
({0})
- Wir werden umsetzen.
({1})
Herr Kollege Logemann, ich habe Ihnen gesagt: in Stufen werden wir mit den vorhandenen Mitteln und den umzustellenden Mitteln versuchen, - und zwar schon in aller Kürze -, diesen Antrag, und zwar vor allem, soweit es den sozialpolitischen Teil betrifft, zu verwirklichen.
({2})
Eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Peters!
Herr Minister, würden diese Stufen noch im Jahre 1968 liegen, oder würden sie sich schon auf 1969/70 verteilen?
Herr Kollege, ich verstehe Ihre Neugierde. Sie kriegen eine Vorlage und werden dann darüber zu entscheiden haben. Das ist dann der richtige Zeitpunkt.
Nun aber zunächst einmal zu Ihrem - - Ja, Herr Kollege Ertl!?
Herr Bundesminister, Sie werden sicherlich Verständnis dafür haben, ,daß die Opposition ein Interesse an dem Timing dieser Großen Koalition hat, vor allem auch im Hinblick auf den Termin der Bundestagswahlen, weil wir annehmen, daß das Timing sehr genau darauf abgestimmt ist.
Ich kann Ihre Neugierde durchaus verstehen und sie begreifen. Ich werde Ihnen mit einem einzigen Wort darauf antworten: Unverzüglich, d. h. ohne schuldhaftes Zögern.
({0})
Einen Augenblick, Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Ehnes?
Herr Bundesminister, sind Sie mit mir der Auffassung, daß das Tempo, das hier von der FDP verlangt wird, sehr viel vom Parlament abhängen wird?
Dieser Auffassung bin ich durchaus.
({0})
Darf ich mich nun dem Bericht von Herrn Peters zuwenden. Es ist eine alte Methode, Herr Kollege Peters, hier duftende Anträge zu stellen, die sich dann draußen elegant verwerten lassen, mit einem wenig haltbaren Deckungsvorschlag, von dem dann in der Öffentlichkeit nichts mehr gesagt wird - nur um hier ein Nein zu provozieren mit dem Zweck, dann im Wettbewerb mit all den radikalen Stimmen, die wir ja kennen, eine politische Ernte einzubringen.
({1})
- Welcher Ernährungsminister wäre nicht froh, 300 Millionen DM zusätzlich zu haben - obwohl ich sie besser verwenden würde, als Sie das vorschlagen.
({2})
Ich hätte tatsächlich viel bessere Vorschläge. Aber der Deckungsvorschlag, den Sie gemacht haben, der ist Utopie.
({3})
- Ich habe die 300 Millionen DM nicht. Sie werden mir nur vorgezaubert von Herrn Peters, um Propagandamaterial zu schaffen. Das ist der Grund.
({4})
Gestatten Sie eine Zwischenfrage deis Herrn Abgeordneten Logemann?
Bitte.
Herr Minister, darf ich fragen, ob Sie nicht der Auffassung sind, daß gerade unsere Anträge die Erfüllung des EWG-Anpassungsgesetzes beinhalten, das doch gerade Sie seinerzeit mit bejaht haben?
Bitte? Ich habe Sie nicht verstanden.
Darf ich fragen, ob Sie mit mir der Meinung sind, daß die Anträge der FDP inhaltlich das abdecken, was im EWG-Anpassungsgesetz zugesagt worden war?
Ich würde sagen, sehr unzulänglich.
Sie sind also der Meinung, unsere Anträge müßten noch weitergehend sein?
Es geht hier nicht um das Volumen, sondern es geht um den Inhalt. Der Inhalt ist aber bei wohlwollender Beurteilung sehr mäßig.
({0})
Herr Kollege Peters, ich kann Ihnen nicht rechtgeben, wenn Sie sagen, die 560 Millionen DM Getreidepreisausgleich dürften nicht im Haushalt erscheinen. Man kann darüber streiten, wie und wo sie zu verbuchen sind. Aber Sie wissen doch ganz genau, daß wir von diesen 560 Millionen DM nicht nur ein Drittel bezahlen, sondern auch für den weiteren Ausgleich zahlen, den Italien und Luxemburg bekommen, so daß diese 560 Millionen durchaus deutsches Steuergeld enthalten. Darüber kann es keinen Zweifel geben. Ich habe das auch nicht deshalb vorgetragen, um irgend etwas Großartiges vorzeigen zu können. Es geht hier um eine Tatsache, die wir dankbar zur Kenntnis nehmen sollten und die wir keineswegs zu unterdrücken brauchen.
Ja, Herr Kollege!
Herr Peters!
Herr Minister, sind Sie nicht mit mir der Meinung, daß diese 560 Millionen DM auch nach Ihrem Konzept viel eher zu Kap. 10 03 als zu Kap. 10 02 gehören?
Die Frage, ob sie in Kap. 10 02 oder in Kap. 10 03 hineingehören, würde mir keine schlaflose Nacht bereiten.
({0})
Was die Frage des Dieselöls betrifft, Herr Kollege Peters, so bin ich sehr dankbar dafür, daß Sie dieses Thema angeschnitten haben und daß darüber
so viele wohlwollende Worte gefallen sind. Ich kann nur hoffen, daß das Parlament diesen wohlwollenden Worten sehr bald Taten folgen läßt. Wir haben zum erstenmal einen interessanten Fortschritt erzielen können. Die deutsche Landwirtschaft wird die Beträge ab 1. Mai im voraus bekommen. Sie wissen im übrigen auch genau, daß hier von einem Widerwillen des Finanzministers keine Rede sein kann. Vielmehr sieht sich die Mineralölindustrie zur Zeit nicht in der Lage, die Kosten aufzubringen, um den unmittelbaren Bezug eines gefärbten Kraftstoffes zu ermöglichen.
Zwischenfrage!
Herr Minister, wissen Sie, daß seit zwei Jahren ein Antrag zur Änderung des Verkehrsfinanzgesetzes vorliegt? Was haben Sie im Kabinett erreicht? Hat Sie das Kabinett dabei unterstützt?
Ihr Antrag war nicht durchführbar. Das war der Grund, weswegen wir eine andere Variation finden mußten, und die ist in der Zwischenzeit verwirklicht. Leider ergibt sich daraus auch die Notwendigkeit der Verbuchung. Der fingierte Deckungsvorschlag hängt ja mit diesem Gesetz zusammen. Ich wäre aber sehr dankbar, wenn Sie so bald wie möglich eine noch modernere Form fänden. Gründe dafür gibt es genug.
({0})
Ich bin davon überzeugt, daß das Finanzministerium durchaus bereit wäre, sich einer solchen Initiative anzuschließen.
Zu dem, was Sie, Herr Kollege Peters, im einzelnen verlangt haben, hat Herr Kollege Röhner schon geantwortet. Ich will das nicht wiederholen. Ich darf nur noch eine Frage herausgreifen. Auch wenn Sie zum zweiten und zum dritten Male wiederholen, daß wir in Luxemburg bzw. in Brüssel bei den letzten Getreidepreisbeschlüssen nicht alles aufgeboten hätten, wird diese Behauptung nicht richtiger. Ich wiederhole hier noch einmal: Wir haben gerade für diese Frage die ernsthaftesten und schwierigsten Verhandlungen angesetzt. Ich hatte bereits Gelegenheit, dem Hohen Hause mitzuteilen, wie die Verhandlungssituation war, daß nämlich kein einziger Partner trotz der Abstimmungen im Europäischen Parlament bereit war, unseren Vorstellungen zu folgen. Ich mußte z. B. den italienischen Kollegen nach Bonn bitten und habe anderthalb Tage mit ihm verhandeln müssen, um die bescheidene Bewegung da und beim Futtergetreide zu erreichen. Der französische Partner war nur bereit, den Maispreis anzuheben. Die übrigen Partner waren äußerst zurückhaltend.
Es ist der deutschen Delegation zu verdanken, daß wir diese Bewegung nach vorn - 4 % oder 3,6% bei Gerste und bei Roggen - machen konnten. Ich bitte - es ist ja protokollarisch nachzuweisen, und es ist x-mal gesagt worden -, diese Tatsachen um der Wahrheit willen doch auch von Ihrer Seite einmal aufzunehmen und mit dieser Wahrheit draußen zu operieren. Statt die Regierung zu etwas aufzufordern, sollten Sie mit gutem Beispiel vorangehen.
({1})
Zwischenfrage!
Ja, bitte schön!
Herr Minister, können Sie dem Hohen Hause sagen, wann die Bundesregierung im Ministerrat in Brüssel den Antrag gestellt hat, die Getreidepreise entsprechend den Beschlüssen des Europäischen Parlaments zu erhöhen?
Gleich zu Beginn der Verhandlungen.
({0})
Und, Herr Kollege Peters, es wurde eben von anderer Seite schon gesagt, daß eine Revision des Beschlusses für 1968 ausgeschlossen ist. Ein einfaches Studium des Gesetzestextes des Römischen Vertrages würde ausreichen, um Sie von einem solchen Vorschlag abzubringen.
Noch eine Bemerkung zu unserer Haltung in der Frage Milch und Rindfleisch. Ich darf diese Gelegenheit benutzen, um dem Hohen Hause eine kurze Information über den Stand der Verhandlungen zu geben. Sie wissen ganz genau, daß hier ein ganz entscheidender Sektor des landwirtschaftlichen Einkommens betroffen ist. Allein in der Einkommenskala der deutschen Landwirtschaft sind es rund 40 bis 45 %. Einen schriftlichen Zwischenbericht habe ich Ihnen bereits gegeben. Es war trotz aller Anstrengungen nicht möglich, eine Entscheidung herbeizuführen, wahrscheinlich aus politischen Gründen. Zwei Länder stehen im Wahlkampf, genauer gesagt, eine Wahl ist in der Zwischenzeit erledigt, aber Italien hat seine Wahl am 16. Mai durchzuführen, und es ist sehr fraglich, ob vor dieser Zeit eine Entscheidung herbeigeführt werden kann, vor allem auf dem Milchsektor.
Was nun die Frage Rindfleisch betrifft, ist ein interessantes Ergebnis erzielt worden. Mit Wirkung vom 1. April ist der Orientierungspreis für Rindfleisch auf 2,72 DM festgelegt worden. Das war ein Ergebnis, das die deutsche Delegation ermöglicht hat, und ich glaube, Herr Kollege Peters, es würde Ihnen gut anstehen, wenn Sie das auch einmal zur Kenntnis nehmen wollten.
Was die Frage Milch betrifft, meine sehr verehrten Damen und Herren, so ist nichts leichter, als 39 Pfennig zu verlangen und alles andere, wie so etwas verwirklicht werden soll, dem lieben Gott anzuvertrauen.
({1})
- Herr Kollege, bitte!
Zwischenfrage!
Herr Minister, werden Sie bei 93 °/o des Orientierungspreises intervenieren?
Herr Kollege Peters, in der Interventionsfrage stehen wir auf Grund der guten Erfahrungen auf dem Standpunkt, daß die freiwillige Intervention den Vorrang haben sollte und nicht die zwangsläufige. Warum? Weil man mit der freiwilligen, so wie wir das betreiben, mit relativ wenig Mitteln eine interessante Stabilisierung des Preises erreichen konnten. Wir kennen das französische Beispiel; die Franzosen haben zwangsweise interveniert und sitzen heute noch auf Vorräten von 60 000 t, ohne daß es ihnen gelungen wäre, den Preis nach oben zu bewegen. Das ist Nummer eins.
Zweitens müssen wir überlegen, wo diese Interventionen im wesentlichen stattfinden und ob es gerade unser Interesse ist, Geld, das wir reichlich in die EWG geben müssen, und zwar in einer gewissen Richtung - Westen -, ob wir da immer mehr transportieren sollten oder ob wir uns nicht eine gewisse Beschränkung auferlegen sollten.
Ich bin aber nicht bereit - um es Ihnen gleich zu sagen, Herr Kollege Peters -, die weiteren Verhandlungsüberlegungen jetzt hier auszubreiten. Das wäre zum Nachteil unserer Position. Sie werden es rechtzeitig hören. Schon am Tag nach den Verhandlungen sind Sie im Bilde.
Zwischenfrage, Herr Kollege Wächter.
Herr Minister, messen Sie Ihre guten Erfahrungen mit der freiwilligen Intervention an den Ergebnissen des letzten Sommers, und darf ich bei dieser Frage sofort von mir aus einschalten, daß Sie an sich ja schon auf Grund der Erreichung des Interventionspreises im Juli hätten intervenieren können und daß .es nur dem schleswig-holsteinischen Landwirtschaftsminister Engelbrecht-Greve zu verdanken ist, daß Sie erst am 1. September interveniert haben?
Sie kennen ganz genau, Herr Kollege, den Briefwechsel hierüber und wissen, daß wir eine andere Methode eingeschlagen haben. Ich glaube, das Endergebnis beweist, daß wir den richtigen Weg gegangen sind. Sie können nicht im Ernst behaupten, daß diese Intervention, die mit bescheidenen Mitteln angesetzt war, ohne Erfolg gewiesen wäre.
Was nun die Frage der Milch betrifft, verhält es sich so, daß ein wesentliches finanzielles Problem, und zwar ein sehr bedeutsames, verstärkt durch Vorräte und verstärkt durch strukturelle Maßnahmen, vor uns liegt und daß auf der anderen
Seite unter allen Umständen dafür gesorgt werden muß, daß der Milchpreis, der Richtpreis von 39 Pfennig, erhalten bleibt. Ich glaube, es ist nicht zuletzt auch den deutschen Anstrengungen zu verdanken, daß die Kommission ihren Vorschlag, auf 38 Pfennig zurückzugehen, aufgegeben hat und in ihrem letzten Antrag wieder auf 39 Pfennig gegangen ist. Daraus mögen Sie ersehen, in welcher Richtung, mit welcher Absicht und mit welcher Tendenz wir verhandeln. Aber es ist zur Zeit nicht möglich, nähere Einzelheiten zu sagen. Ich habe in Holland Gelegenheit genommen, diese Probleme zu besprechen. Ich werde in Luxemburg am nächsten Montag die Besprechungen mit dem luxemburgischen Kollegien in dier Milch-Frage fortsetzen, alles in der Hoffnung, das zu erreichen, was unsere deutsche Landwirtschaft braucht.
Was Sie zu den 560 Millionen DM in der vierten oder fünften Auflage hier vorgetragen haben, braucht nicht mehr widerlegt zu werden. Es ist schon so oft behandelt und so oft widerlegt worden.
Nun noch eine letzte Frage, die Frage der Arbeitskräfte. Offen gestanden, Herr Kollege Peters, habe ich nicht ganz verstanden, was Sie damit sagen wollten. Ich habe damals in der Einbringungsrede erklärt, es wäre interessant gewesen, nicht so viele Gastarbeiter hereinzunehmen, sondern vielleicht Kapital zu exportieren und vielleicht strukturkranke Bestandteile unserer Bevölkerung in den Arbeitsprozeß einzugliedern. Ich nehme an, daß das Ihre Unterstützung findet. Im übrigen ist es so, daß die Bundesanstalt Mittel zur Verfügung stellt - wir sind gerade im Begriff, neue Richtlinien zu finden -, um eine Aktion zu starten, die im Bündel all dieser Maßnahmen ebenfalls eine gewisse strukturelle Verbesserung erwarten läßt. - Bitte schön!
Herr Minister, ist Ihnen nicht bewußt, daß Sie diese Frage auch von der anderen Seite angefaßt haben, daß Sie nämlich gesagt haben, wenn wir aus der Landwirtschaft rechtzeitig genug Arbeitskräfte herausgeholt hätten und in andere Bereiche gebracht hätten, dann hätten wir heute nicht die Schwierigkeit gehabt?
Nein. Herr Kollege Peters, das ist durch Ihre letzte Bemerkung nicht verständlicher geworden.
Nun darf ich mich noch dem Herrn Kollegen Saxowski zuwenden. Ich bin Ihrer Meinung, Herr Kollege, und ich habe das schon ausgeführt, daß die Gliederung des Haushalts ergänzt werden muß, schon um einer besseren Information der Öffentlichkeit willen.
Was die -Richtlinien betrifft: Wir sind ständig an der Fortschreibung der Richtlinien. Sie haben alle Möglichkeiten der Mitwirkung und der Beeinflussung. Wir haben gerade in diesem Jahr eine ganze Reihe von Neuerungen eingeführt, die aus den Erfahrungen der Vergangenheit stammen.
Vielleicht noch ein Wort zu dem Europa-Haushalt. Es ist eine Streitfrage, die noch keineswegs
entschieden ist, welche Methode die beste ist, um die Zahlungen an die EWG in einer Art und Weise zu verbuchen, die die Entstehungsgeschichte erkennen läßt und die Zweckbestimmung ganz deutlich ausweist. Es muß ein Weg gefunden werden, der klarmacht, daß die Leistungen, die auf dem Agrarsektor in Europa fällig sind, der Kaufpreis für die europäische Integration sind. Es muß sichtbar gemacht werden, daß es sich hier nicht um eine Agrarsubvention handelt, sondern daß hier ein wichtiger integrationspolitischer Kaufpreis ausgewiesen werden muß. Ob das im Bruttosystem oder wie in anderen Ländern im Nettosystem geschehen soll, ist eine Frage, die ebenfalls ernsthafter Überlegungen bedarf.
Ich bin der Auffassung, wir sollten einen Sonderhaushalt hierfür anlegen, weil nicht nur der Agrarsektor, sondern auch der Montansektor, der Sozial-und der Verkehrssektor mit Ausgabenverpflichtungen aufwarten. Ich könnte mir vorstellen, daß ein gemeinsamer europäischer Haushalt die richtige Form wäre, und zwar schon deswegen, weil damit deutlich gemacht würde, worum es sich eigentlich handelt. - Das dazu.
Was nun Kap. 10 03 betrifft, die Marktordnungsausgaben, bitte ich Sie, zur Kenntnis zu nehmen, daß in unserem Haushalt nur Markordnungsausgaben für diejenigen Maßnahmen enthalten sind, die auf deutschem Boden und mit deutschen Waren durchgeführt werden; ein Vorgang, den wir im Bereich der Einfuhr- und Vorratsstellen haben und der jetzt auf Grund des Marktordnungssystems innerhalb Europas eine viel größere Bedeutung bekommen hat. Ich glaube nicht, daß der Vorwurf gegen den Ansatz von Kap. 10 03, den man immer wieder hören kann, in dieser Form berechtigt ist.
Damit, meine Damen und Herren, möchte ich meine kurzen Bemerkungen schließen. Ich darf Ihnen zunächst herzlich danken, vor allem den Herren des Haushaltsausschusses und des Fachausschusses, für die wohlwollende Beratung dieses Haushalts. Ich darf das Plenum bitten, die Beschlüsse der beiden Ausschüsse zu bestätigen. Das wäre meiner Ansicht nach eine 'sachgerechte und vernünftige Antwort auf die sorgenvolle Situation der deutschen Landwirtschaft.
({0})
Keine weiteren Wortmeldungen. Die Aussprache ist geschlossen.
Abstimmung! Zunächst die Änderungsanträge.
Änderungsantrag der Fraktion der FDP auf Umdruck 403! Wer zuzustimmen wünscht, bitte ein Handzeichen! - Gegenprobe! - Der Änderungsantrag ist abgelehnt.
Änderungsantrag der Fraktion der FDP auf Umdruck 404! Wer zuzustimmen wünscht, bitte ein Handzeichen! - Gegenprobe! - Der Änderungsantrag ist abgelehnt.
Änderungsantrag der Fraktion der FDP auf Umdruck 405! Wer zuzustimmen wünscht, bitte ein Handzeichen! - Gegenprobe! - Der Antrag ist abgelehnt.
Änderungsantrag der Fraktion der FDP auf Umdruck 406! Wer zuzustimmen wünscht, bitte ein Handzeichen! - Gegenprobe! - Der Antrag ist abgelehnt.
Änderungsantrag der FDP auf Umdruck 407! Wer zuzustimmen wünscht, bitte ein Handzeichen! - Gegenprobe! - Der Antrag ist abgelehnt.
Änderungsantrag der Fraktion der FDP auf Umdruck 408! Wer zuzustimmen wünscht, bitte ein Handzeichen! - Gegenprobe! - Der Antrag ist abgelehnt.
Änderungsantrag der Fraktionen der SPD und der CDU/CSU auf Umdruck 423 ({0}) ! Hierzu liegt ein Ergänzungsantrag des Herrn Abgeordneten Hermsdorf vor, unten die Worte: „mit Zustimmung des Haushaltsausschusses" einzufügen. Ich lasse zunächst über den Antrag Umdruck 423 ({1}) abstimmen. Wer zuzustimmen wünscht, bitte ein Handzeichen! - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das ist einstimmig.
Wer dem Ergänzungsantrag des Herrn Abgeordneten Hermsdorf, den Haushaltsausschuß zu beteiligen, zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Herr Kollege Fritz, ich rechne jetzt Ihr Zeichen als Nein-Stimme. Bei einer Nein-Stimme ist auch dieser Ergänzungsantrag angenommen.
Über die vorliegenden Entschließungsanträge wird nach der dritten Beratung abgestimmt.
Wer dem Einzelplan 10 in der soeben geänderten Fassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei einer Anzahl von Gegenstimmen ist der Einzelplan 10 angenommen.
Ich gebe zur Abwechslung dem Herrn Abgeordneten Dorn das Wort zu einer Erklärung gemäß § 36 der Geschäftsordnung.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zwischen dem Herrn Minister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und mir ist hier heute nachmittag eine Auseinandersetzung geführt worden, bei der der Minister für wirtschaftliche Zusammenarbeit erklärt hat, daß nicht während seiner Amtszeit, sondern während der Amtszeit seines Vorgängers eine Militärkapelle nach Somalia geschickt worden sei. Der Herr Minister hat inzwischen eingesehen, daß er sich in der Zeit geirrt hat und daß das doch während seiner Amtszeit geschehen ist. Er hat um Entschuldigung gebeten. Wir freuen uns darüber, daß er diese Entschuldigung uns gegenüber abgegeben hat. Wir wollten hier nur den Tatbestand richtigstellen.
({0})
Meine Damen und Herren, weiter geht es im Fahrplan. Wir kommen zum nächsten Einzelplan:
Präsident D. Dr. Gerstenmaier
Einzelplan 11
Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung
- Drucksachen V/2711, zu V/2711
Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Götz
Ich frage den Herrn Berichterstatter, ob er das Wort wünscht. - Das Wort hat der Herr Berichterstatter.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin der Meinung, zwei Tatsachen rechtfertigen es, daß ich in Ergänzung zu dem Schriftlichen Bericht auf Drucksache V/2711 noch ganz kurz einige Bemerkungen mache. Es sind dies erstens die finanzielle Größenordnung dieses Einzelhaushalts und seine politische Bedeutung und zweitens die Tatsache, daß sich, wie wir oft feststellen können, die Kritik an den steigenden Staatsausgaben mit Vorliebe gegen die Ausgaben für die soziale Sicherheit richtet.
Es kommt ein dritter Grund hinzu, und dies ist folgender. Der Haushaltsausschuß mußte über die Regierungsvorlage hinaus in diesem Einzelplan Mehrausgaben in einer Größenordnung von 530 Millionen DM genehmigen. Ich meine, daß dieser Beschluß, der dem Haushaltsausschuß keineswegs leichtgefallen ist, hier einer Erklärung bedarf. In diesem Punkte entledige ich mich eines ausdrücklichen Auftrages des Haushaltsausschusses.
Zum ersten Grund einige kurze Bemerkungen. Ich sprach von der finanziellen Größenordnung dieses Einzelhaushalts. Der Einzelplan 11 ist der zweitgrößte Einzelhaushalt nach dem Verteidigungshaushalt im Rahmen des Gesamthaushalts des Bundes. Er hat in diesem Jahr ein Ausgabevolumen von 16,6 Milliarden DM. Ich würde ihn als den Sozialhaushalt im engeren Sinne bezeichnen, und zwar deswegen, weil in ihm nur die sozialen Leistungen enthalten sind, für die der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung die unmittelbare Verantwortung trägt. Die hier in diesem Einzelplan nicht nur sozial-und gesellschaftspolitisch, sondern auch finanziell bedeutsamen Ausgabenblöcke liegen in Kap. 11 13, Sozialversicherung, mit dem ansehnlichen Betrag von 10,5 Milliarden DM, im Kap. 11 10, Kriegsopferversorgung, mit 5,9 Milliarden DM und im Kap. 11 11, Arbeitslosenhilfe, mit dem Betrag von 52 Millionen DM. 98,2 °/o aller Ausgaben - das sind 16,3 Milliarden DM - beruhen auf gesetzlichen oder auf vertraglichen Verpflichtungen. Aber auch die gesetzlich oder vertraglich nicht gebundenen Leistungen, wie beispielsweise die Förderung der überregionalen Rehabilitationseinrichtungen oder die Kapitalabfindungen im Kriegsopferhaushalt oder die Förderung der Existenzgründung in den freien Berufen, um nur die wichtigsten zu nennen, verdienen Beachtung, zwar nicht wegen ihrer finanziellen Größenordnung, wohl aber, wie ich meine, wegen ihrer sozial-, gesellschafts- oder arbeitsmarktpolitischen Bedeutung.
Das Ausgabevolumen dieses Einzelhaushalts erfuhr trotz der Einschnitte durch das Finanzänderungsgesetz eine Ausweitung um 2,1 Milliarden DM oder 14,5%. Dies ist eigentlich der Gegenbeweis gegen die ständig zu hörende Behauptung, daß nunmehr in der Sozialpolitik, in der Entwicklung der sozialen Leistungen so etwas wie eine Stagnation eingetreten sei. Der Ausgabenzuwachs ist überwiegend auf das Ansteigen des Defizits in der knappschaftlichen Rentenversicherung zurückzuführen. Darauf werde ich noch zu sprechen kommen.
Wie hoch ist eigentlich der. Anteil des Sozialhaushalts am Gesamtvolumen des Bundeshaushalts? Er beläuft sich für das Jahr 1968 auf 20,7%; auch hier ist ein Ansteigen zu verzeichnen. Im Jahre 1967 betrug der Anteil am Gesamthaushalt nur 18,5 %, ohne Berücksichtigung der Minderausgaben. Aber zu den Sozialleistungen des Bundes zählen ja nicht nur die hier im Einzelplan 11 veranschlagten Leistungen. Zu den Leistungen für die soziale Sicherheit gehören beispielsweise ja auch die Aufwendungen für den Familienlastenausgleich, die Altershilfe für die Landwirtschaft, Wohngeld usw. Faßt man alle diese Aufwendungen zusammen, dann kommt man für das Jahr 1968 zu einem Sozialhaushalt im weiteren Sinne mit einem Umfang von 21,8 Milliarden DM gleich 27% des gesamten Bundeshaushalts.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist nicht verwunderlich, daß in einer Phase des Übergangs von hohen Fortschrittsraten in der Wirtschaft zu geringeren Wachstumsraten die Probleme der sozialen Sicherheit und der Umfang des Sozialhaushalts immer mehr in den Mittelpunkt nicht nur der parlamentarischen, sondern auch der außerparlamentarischen Diskussion rücken.
Ich sprach von der Kritik, die man nicht nur an den gesteigerten Staatsausgaben allgemein, sondern insbesondere an den Ausgaben für die sozialen Leistungen hören kann. Oft hört man die Bemerkung: Wie lange soll das noch so weitergehen? Oder: Bis hierher und nicht weiter! Lassen Sie mich dazu eine Bemerkung machen. Ich meine, wir sollten nicht übersehen, daß wir uns als sozialen Rechtsstaat empfinden und allein schon von da her im Sozialhaushalt besonders engagiert sein müssen. Es kommt meines Erachtens aber auch hinzu, daß es in einer dynamischen Industriegesellschaft in der Sozialpolitik einfach keine Stagnation, keinen Stillstand geben kann.
Aber lassen Sie mich auch etwas anderes hinzufügen. Ich meine, daß sich der soziale Fortschritt auch in das magische Dreieck - Vollbeschäftigung, Wachstum und Preisstabilität - einfügen muß. Mit anderen Worten, die Leistungsfähigkeit der Wirtschaft darf nicht überfordert werden. Unter diesem Aspekt hat ja auch die mittelfristige Finanzplanung für die weitere Entwicklung der Sozialleistungen gewisse Maßstäbe gesetzt. Nun ist dieser Haushalt der erste zum Vollzug der mittelfristigen Finanzplanung. Hier möchte ich erwähnen und es nicht in Vergessenheit geraten lassen, daß auch der Einzelplan 11 einen sehr beachtlichen Beitrag zur Sanierung der Bundesfinanzen geleistet hat. Von den 15 Milliarden DM, die im Planungszeitraum bis Ende 1971 eingespart werden sollen, entfallen immerhin 9,3 Milliarden auf den Einzelplan 11, davon allein 1,3
Milliarden DM auf das Haushaltsjahr 1968. Das sind Beträge, die auf manche schockierend wirken mögen. Aber auch der Sozialhaushalt mußte aus Gründen, die nicht ständig wiederholt werden sollen, entsprechend seinem Anteil an dem gesamten Bundeshaushalt seinen Beitrag zur Konsolidierung der Bundesfinanzen leisten. Ich glaube, es gibt keinen verantwortungsbewußten Sozialpolitiker, für den Stabilität von Wirtschaft und Währung nicht oberstes soziales Erfordernis wäre.
Der dritte Grund für die Ergänzung meines Schriftlichen Berichtes liegt in der Tatsache, daß der Haushaltsausschuß über die Regierungsvorlage hinaus Mehrausgaben in einer Größenordnung von 530 Millionen genehmigen mußte, und zwar 400 Millionen bei der knappschaftlichen Rentenversicherung, 100 Millionen bei der Kriegsopferversorgung und 30 Millionen bei der Arbeitslosenhilfe. Dazu - das will ich ausdrücklich betonen - sah sich der Haushaltsausschuß auf Grund neuen Zahllenmaterials, das ihm sowohl vom Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung als auch vom Bundesministerium der Finanzen vorgelegt wurde, gezwungen. Diese Mehrausgaben wurden von vielen als überraschend empfunden, von anderen als peinlich. Für den Haushaltsausschuß war dies eine harte Nuß, das will ich hier zugeben. Aber ich muß auch hinzufügen: es führte kein Weg daran vorbei.
Wie kam es zu den Mehrausgaben? Ich glaube, daß sich gerade hier wie kaum in einem anderen Einzelplan konjunkturelle, strukturelle oder arbeitsmarktpolitische Veränderungen und Entwicklungen niederschlagen und bemerkbar machen. Die wirtschaftliche Rezession und die Strukturkrise im deutschen Steinkohlenbergbau hinterließen auch in diesem Einzelplan tiefe Furchen. Auf Grund der Defizithaftung des Bundes hat sich der Bundeszuschuß zur knappschaftlichen Rentenversicherung von 1 Milliarde DM im Jahre 1959 auf mehr als 3 Milliarden DM im Jahre 1968 erhöht. Natürlich lassen diese Zahlen aufhorchen. Das ist verständlich. Der Haushaltsausschuß hat sich mit diesem Problem auch befaßt. Er wird sich mit dieser Frage auch weiter eingehend befassen müssen.
Aber ich meine, es wäre falsch - und ich sage dies nicht ohne Grund -, die Ursache für das sprunghafte Ansteigen der Bundeszuschüsse etwa in einer Auswucherung der Sozialleistungen für die Bergleute zu sehen.
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Das ist nicht der Fall. Wie in keinem anderen Bereich wurden gerade bei der knappschaftlichen Rentenversicherung durch das Finanzänderungsgesetz die Leistungen an die Bergleute gekürzt. Man sollte also hier nicht Ursache und Wirkung verwechseln. Herr Bundesminister Katzer hat ja bereits bei der Kohlendebatte, im März 1966 war es, glaube ich, sehr deutlich auf ,die kommende Entwicklung hingewiesen. Die Entwicklung des Bundeszuschusses steht nun einmal in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Tempo und mit dem Ausmaß des Anpassungs- und Gesundungsprozesses im deutschen Steinkohlenbergbau. Und man sollte nicht übersehen, daß dieser Prozeß durch die wirtschaftliche Rezession und ihre Auswirkungen auf die Einnahmen und Ausgaben der Knappschaft noch verschärft wurde.
Natürlich hat die Bundesregierung bei der Aufstellung des Haushalts 1968 diesen Umständen Rechnung getragen. Aber die 'Entwicklung des Jahres 1967 hat eben nun einmal alle Berechnungen und alle Schätzungen überholt. Die Folge davon war, daß der Haushaltsausschuß auf Grund des neuen Materials, das uns vorgelegt wurde, den Zuschuß an die knappschaftliche Rentenversicherung von 2,7 Milliarden DM um 400 Millionen DM auf 3,1 Milliarden DM erhöhen mußte. Meine Damen und Herren, 'es wäre aber falsch, zu sagen, .daß dadurch die durch das Finanzänderungsgesetz vorgenommenen Einsparungen in Höhe von 400 Millionen DM für das Jahr 1969 nur Scheineinsparungen gewesen und auf diese Weise jetzt wieder kaschiert worden seien. Richtig ist, .daß 'der Ansatz ohne diese Einsparungen nicht nur um 400 Millionen DM, sondern um 870 Millionen DM höher läge, als in der Regierungsvorlage vorgesehen.
Natürlich spielte im Haushaltsausschuß auch die Frage eine Rolle: Wodurch sind denn die Schätzungen, die man vorgenommen hat, so schnell überholt worden? Dafür gibt ,es eine einfache Antwort. Zum einen ist die Strukturkrise zu nennen, zum anderen die allgemeine wirtschaftliche Abschwächung. Beides hat sich auf die Finanzlage der Knappschaft eben wesentlich ungünstiger ausgewirkt, als man voraussehen konnte. Beide Faktoren wirkten kumulativ. Sie führten auf .der einen Seite zu einem enormen Rückgang der Beitragseinnahm,en und auf der anderen Seite zu einem starken Ansteigen der Ausgaben, vor allem weil .die freigesetzten Bergleute in stärkerem Maße als angenommen - und dies ist auch wieder eine Folge der Arbeitsmarktlage - in die Rente und in die Knappschaftsausgleichsleistung gingen. Das wird deutlich, wenn ich Ihnen zwei Zahlen nenne. Noch im Jahre 1966 entfielen bei der Ruhr- und bei der Saarknappschaft auf eine Beitragseinnahme von einer Mark zwei D-Mark Rentenausgaben. Dieses Verhältnis hat sich enorm verschlechtert. In den 'ersten elf Monaten des vergangenen Jahres kamen bereits auf eine D-Mark Beitragseinnahme vier D-Mark als Rentenausgabe.
Ich muß zu diesem Kapitel eine zweite Frage anschneiden, die auch im Haushaltsausschuß gestellt wurde. Es ist die Frage, ob dadurch Einsparungen an anderer Stelle des Bundeshaushalts möglich werden. Meine Damen und Herren, die Antwort darauf kann nur unter Einbeziehung des Sozialplans für die Kohle und des Bergbaugesetzes, das meines Wissens zur Zeit im sozialpolitischen Ausschuß beraten wird, gegeben werden. Zu einem wenn auch nicht übergroßen Teil werden die Mehrausgaben in der knappschaftlichen Rentenversicherung, die durch die vermehrten Rentenausgaben bedingt sind, im Rahmen des Sozialplans zu Einsparungen führen. Aber der Umfang läßt sich heute natürlich noch nicht quantifizieren.
Ich sprach davon, daß sich der Haushaltsausschuß noch mit dem Problem der Knappschaft wird beschäfDr. Götz
tigen müssen. Im Entwurf des Finanzänderungsgesetzes hatte die Bundesregierung eine Beschränkung der Defizithaftung des Bundes vorgesehen gehabt. Der Sozialpolitische und der Haushaltsausschuß haben diesen Vorschlag nicht übernommen. Sie waren der Meinung, daß diese Frage im Rahmen des Dritten Rentenversicherungs-Änderungsgesetzes, spätestens aber im Zusammenhang mit dem neuen Organisationsgesetz für die Bundesknappschaft gelöst werden sollte. Ich bin der Meinung, daß dies nun wirklich baldmöglichst geschehen muß. Es muß ein Weg zu einer befriedigenden Lösung gefunden werden. Über eine Heranziehung des Wanderungsgewinns der Rentenversicherungen kann man sprechen. Diese Heranziehung des Wanderungsgewinns bietet sich aus mancherlei Gründen an. Aber ich glaube, man muß auch hier im Blick auf die Finanzlage der Rentenversicherungen die Grenzen sehen, und man darf nicht nur den falschen Schuldner zur Kasse bitten.
100 Millionen DM müssen im Kriegsopferhaushalt dazugelegt werden. Dort ist die Sache eine andere. Die zusätzliche Genehmigung von 100 Millionen DM war erforderlich auf Grund einer Sondererhebung bei den Landesversorgungsämtern vom 1. Oktober 1967, deren Auswertung erst Ende Dezember vorgenommen werden konnte. Erst zu diesem Zeitpunkt lagen Zahlen vor über die Berechtigten in den Gruppen Schadensausgleich, Berufsschadensausgleich und Ausgleichsrenten.
Ich glaube, die Ursachen für die Erhöhung der Ansätze in dem Kapitel 11 11, Arbeitslosenhilfe, nicht weiter begründen zu brauchen. Sie sind im wesentlichen darauf zurückzuführen, daß die Zahl der Empfänger der originären Arbeitslosenhilfe in diesem Jahr nur in geringem Umfang abnehmen wird, weil es sich hier um einen schwer vermittelbaren Personenkreis handelt.
Lassen Sie mich noch ganz kurz zu zwei anderen Ansätzen Stellung nehmen. Zu dem einen deswegen, weil hier ein Abänderungsantrag der Koalition vorliegt. Im Regierungsentwurf war im Kapitel 11 02 von der Regierung ein neuer Titel 585 vorgesehen mit der Zweckbestimmung: Förderung von gesellschaftspolitischen Maßnahmen für ältere Menschen. Ich darf daran erinnern, daß sich dieses Hohe Haus bei vielen Gelegenheiten mit den Problemen unserer älteren Mitbürger beschäftigt hat. Im Februar 1964 lag dem Hohen Hause eine Große Anfrage der CDU/CSU-Fraktion vor, auch ein Antrag der SPD zu diesem Problem, und dieses Haus hat sich mit der Situation der alten Menschen beschäftigt. Hier handelt es sich um ein sozial- und ein gesellschaftspolitisches Problem, das immer drängender wird. Der Anteil der älteren Menchen an der Gesamtbevölkerung steigt. Es ist nicht damit getan, daß wir durch die Sozialreform den älteren Menschen eine größere finanzielle Selbständigkeit gegeben haben. Ich glaube, es müssen auch alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden, um ihnen das Gefühl zu nehmen, allein dazustehen, sozial deklassiert zu sein, nicht auf dem richtigen Platz zu sein.
Die Bundesregierung wollte mit diesem Titel und dem Ansatz von 6 Millionen DM eine eigene Initiative entwickeln, und zwar auf dem Gebiet der Altenbegegnungsstätten, der Altentagesstätten, der Altenwerkstätten usw. Ich will das nicht im einzelnen hier weiter ausbreiten. Es wird dazu dann wohl noch einiges bei der Begründung des Abänderungsantrages gesagt werden. Es ist richtig, daß auf diesem Gebiet die Verbände der freien Wohlfahrtspflege, die Gemeinden, die Länder vieles tun und vieles beispielhaft tun. Das ist richtig. Aber ebenso richtig ist, daß ihre Finanzkraft doch recht verschieden und ihre Initiative sehr unterschiedlich ist. Die Bundesregierung wollte hier mit den 6 Millionen DM, ähnlich wie bei der Rehabilitation, eine Starthilfe geben, eine Initialzündung, sich an Einrichtungen, die Modellcharakter haben und von überregionaler Bedeutung sind, beteiligen. Der Haushaltsausschuß hat durchaus den Wert und die Bedeutung dieser Aktivität des Bundes anerkannt. Das kam schon dadurch zum Ausdruck, daß wir uns im Haushaltsausschuß überlegt haben, eventuell einen Leertitel einzufügen. Das kam dadurch zum Ausdruck, daß wir die Mittel genehmigt haben für einen Beirat, der sich mit den Problemen der älteren Menschen beschäftigen soll. Wenn wir aber trotzdem den Titel abgelehnt haben, so eigentlich nur aus der Überlegung, daß die Abgrenzung zu den Aktivitäten der Länder und der Gemeinden noch nicht klar ist, und zum anderen, weil wir der Auffassung waren, daß der Bund nicht vor der Finanzreform freiwillig auf dem Gebiet der Alterssicherung neue Ausgaben und neue Belastungen übernehmen sollte. Wir haben also diese Frage lediglich zurückgestellt.
Zum Schluß noch eine kurze Bemerkung zu dem Problem der Rehabilitation: Es sollte auch einmal darauf hingewiesen werden, daß gerade auf diesem Gebiet mit der finanziellen Unterstützung des Bundes in den letzten Jahren Vorbildliches geleistet wurde. Auch hier hatten wir Jahr für Jahr nur einen Ansatz von 5 Millionen, und es konnte Erstaunliches damit geleistet werden. Wir haben in den letzten Jahren bis Ende 1967 mit einem Aufwand von nur 10,2 Millionen DM elf Einrichtungen gefördert, darunter beispielsweise das StöckerWerk in Heidelberg, das eine beispielhafte Einrichtung ist, die ihresgleichen in ganz Europa sucht.
Der Haushaltsausschuß hat den Ansatz um 300 000 DM erhöht. Das ist nicht viel, aber immerhin erfreulich. Aber der Berichterstatter möchte hier Gelegenheit nehmen, darauf hinzuweisen, daß wir für die Zukunft eine stärkere Konzentration bei der Bewirtschaftung der für die Rehabilitation vorgesehenen Mittel und eine bessere Koordinierung mit anderen Finanzhilfen erwarten. Ich glaube, Herr Bundesminister, Sie stimmen mir zu, wenn ich sage, daß das Bewilligungsverfahren noch etwas zu langwierig und zu umständlich ist und daß dadurch zu fördernde Maßnahmen nicht recht vom Fleck kommen. Wir beklagen auch, daß es dann lästige Haushaltsreste gibt. Vielleicht sollten auch die Richtlinien etwas elastischer gestaltet und das Bewilligungsverfahren vereinfacht werden.
Damit bin ich am Ende meiner ergänzenden Bemerkungen zum Schriftlichen Bericht. Die große Debatte über aktuelle Probleme der Sozialpolitik
wurde eigentlich schon im Zusammenhang mit der mittelfristigen Finanzplanung anläßlich der Beratung des Finanzänderungsgesetzes vorweggenommen. Ich möchte hier und heute noch einmal betonen, daß das Finanzänderungsgesetz nicht nur eine erhebliche Entlastung für den Bundeshaushalt, sondern zugleich auch weitreichende Entscheidungen auf den Gebieten der Rentenversicherung, der Krankenversicherung der Rentner, des Mutterschutzes, des Finanzausgleichs der Unfallversicherung und der knappschaftlichen Rentenversicherung gebracht hat. Es war eine finanz- und sozialpolitisch ausgewogene Konzeption, die die Bundesregierung vorgelegt hatte und die auf der Erkenntnis beruhte, daß Wirtschafts- und Sozialpolitik keine voneinander unabhängigen Einzeldisziplinen sind, sondern ineinander verwobene Komplexe, deren Problematik nur durch eine optimale Relativität der Entscheidungen gelöst werden kann. Gerade im Bereich dieses Einzelplans wird sich immer wieder zeigen, wie sehr das wirtschaftliche Wachstum auf den Sozialhaushalt im weitesten Sinne einschließlich der Träger der Sozialversicherung einwirkt und wie sehr davon die Solidität der Finanzierung unseres Sozialaufwandes bestimmt wird. Wir sollten bei unseren Entscheidungen vielleicht noch in einem größeren Maße als bisher diese Abhängigkeiten erkennen und sie unseren Beschlüssen zugrunde legen.
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Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Ich eröffne die Aussprache. - Das Wort hat der Herr Abgeordnete Mischnick.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das, was der Herr Berichterstatter in Ergänzung zu dem Bericht gesagt hat, bestätigt die Befürchtung der Freien Demokraten anläßlich der Beratung des Finanzänderungsgesetzes, daß die Vorausschauen über die Entwicklungen der Rentenversicherung a) nicht richtig waren und b) sehr schnell einer Korrektur bedürfen. Ich werde dazu noch einiges sagen.
Ich habe nicht die Absicht, hier die einzelnen Titel des Haushalts zu behandeln, sondern möchte nur etwas ausführlicher auf eine Frage eingehen, die nach unserer Überzeugung, Herr Bundesarbeitsminister, gerade in einer Zeit, wo Sie auf Grund der vorhandenen Mittel nicht in der Lage sind, große Sprünge zu machen, vielleicht doch stärker als bisher angepackt werden sollte. Ich denke an die Problematik, die daraus entsteht, daß sich unsere Industrienation immer mehr zu einer Angestelltengesellschaft entwickelt.
Es ist doch ein unbestreibarer Tatbestand, daß die Zahl der Angestellten immer mehr wächst. Neben den Beamten und den freien Berufen sind die Angestellten die einzige Berufsgruppe, die zahlenmäßig zunimmt, und zwar im Verhältnis zu diesen beiden anderen besonders stark. Diesen Tatbestand haben wir zwar erkannt, aber wir haben
bisher noch keine Form gefunden, die z. B. der neuen verantwortlichen Position von denjenigen gerecht wird, die heute in den Betrieben zu Herren von komplizierten maschinellen Systemen und damit Verwalter von hohen Kapitalinvestitionen geworden sind.
Wir müssen feststellen, daß viele dieser Arbeitskräfte als Arbeiter eingestuft sind, daß der Berufsgruppenkatalog auf diese Dinge bis zur Stunde keine Rücksicht genommen hat, daß hier neue verantwortungsbewußte, verantwortungsbereite Personenkreise und Berufsgruppen entstanden sind, die mit ihren neuen Führungsaufgaben noch nicht richtig in unser Wirtschaftssystem eingegliedert sind. Ich weiß, das da verschiedene Bemühungen im Gange waren; aber bis zur Stunde sind wir in dieser Hinsicht nicht weitergekommen.
Wir haben allerdings nach den letzten Entscheidungen, die hier gefallen sind, das Gefühl, daß doch die Tendenz zu einer Einheitsarbeitnehmergesellschaft, also die Tendenz, Arbeiter und Angestellte in einen Topf zu werfen, durchaus vorhanden ist. Wir Freien Demokraten sind hier anderer Auffassung. Ich weiß, daß die Auffassung darüber in den Koalitionsfraktionen nicht einheitlich ist. Aber es wäre doch notwendig, hier einmal deutlich zu machen, daß die Angestellten eine in ihrer Bedeutung ständig wachsende Gruppe sind und daß das auch in der Gesetzgebung Ausdruck finden müßte.
Es wäre nach unserer Überzeugung eine Aufgabe des Arbeitsministeriums, dafür zu sorgen, daß der Berufsgruppenkatalog der tatsächlichen Entwicklung angepaßt wird, daß aus den vielen Untersuchungen, die angestellt worden sind, auch einmal entsprechende Konsequenzen gezogen werden. Bis zur Stunde ist das nicht geschehen.
Wie könnte diese Überlegung aussehen? Es wird von keiner Seite bestritten, weder von den Gewerkschaften noch von der Wissenschaft, daß die im Arbeitsrecht und im Sozialrecht heute geltenden Begriffe „Arbeiter" und „Angestellte" nicht mehr der modernen arbeitstechnischen Entwicklung entsprechen. Diese Entwicklung muß nach unserer Überzeugung auch bei der Unterscheidung von Arbeitern und Angestellten innerhalb der Wirtschaft eine entsprechende Veränderung nach sich ziehen; nicht nur in der Gesetzgebung, nicht nur im Arbeitsrecht; denken wir auch daran - das ist gestern angesprochen worden -, daß der Minderheitenschutz hier beidseitige Bedeutung bekommen wird. Die heutigen Unterscheidungsmerkmale, das ist wohl unbestritten, stammen zum großen Teil aus dem vorigen Jahrhundert oder der Zeit um die Jahrhundertwende; sie sind beim besten Willen nicht mehr zeitgemäß.
Wir sollten uns vor diesen Schwierigkeiten nicht scheuen, wir sollten nicht davor kapitulieren, daß gewisse Abgrenzungsschwierigkeiten entstehen. Sie sollten versuchen, Herr Bundesarbeitsminister, endlich einmal einen konkreten Vorschlag zu machen, wie diese Fragen gelöst werden können.
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- Herr Kollege Killat, Sie sagen: „Machen Sie einen Vorschlag!" Das ist so eine komische Auffassung von Ihnen. Sie meinen, wenn Sie in der Regierung sitzen, sei die Opposition dafür zuständig, die Vorschläge zu machen, die die Regierung machen sollte. So kann es doch nicht sein.
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- Natürlich sind wir bereit, mitzudenken, natürlich sind wir bereit, wenn Vorschläge kommen, darüber zu diskutieren, ob sie richtig sind. Sie können doch aber nicht von einer Oppositionspartei erwarten, daß sie ohne die Hilfsmittel, die die Regierung hat
- das wissen Sie aus Ihrer eigenen Erfahrung -, hier die entsprechenden Vorschläge, gerade in einem so komplizierten Bereich, zu machen.
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- Aber lieber Herr Kollege Killat, Sie wissen doch genauso wie ich - ich wiederhole, was ich gesagt habe -, daß es heute Funktionen gibt, die von Beschäftigten ausgeübt werden, welche nach wie vor nach dem Berufsgruppenkatalog Arbeiter sind, in ihren Funktionen aber praktisch Angestellten gleichkommen. Soll ich hier die Funktionen aufzählen? Das ist doch beim besten Willen 'nicht nötig. Daß es so ist, ist so unbestritten, daß wir das nicht im einzelnen aufzuzählen brauchen.
Wir sind der Meinung, daß bei den Einteilungskriterien in erster Linie von der Verantwortung, die der einzelne zu tragen hat, ausgegangen werden sollte, daß also die Verantwortlichkeit, die dem einzelnen Arbeitnehmer damit zugekommen ist, bei der Umgestaltung ein wesentlicher Gesichtspunkt sein sollte, neue Gruppierungen in die Gruppe der Angestellten einzubeziehen.
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- Aber Herr Killat, das ist doch nun wirklich ein bißchen zu primitiv. Sie müssen mir doch zugeben, daß es innerhalb jedes Betriebes unter den Arbeitnehmern Angestellte und Arbeiter gibt, die in verantwortlicherer Position sind, und andere gibt, die Zuarbeit leisten und nicht in gleicher verantwortlicher Position stehen. Das ableugnen zu wollen, geht doch nun wirklich zu weit. Ich habe keine Lust, auf eine solche Bemerkung überhaupt näher einzugehen.
Meine Damen und Herren, in diesen Zusammenhang gehört auch das Problem, das wir immer wieder bei der Diskussion über die Versicherungspflichtgrenzen haben, nämlich die Frage: Ist es heute noch richtig, daß wir den Arbeitgeberbeitrag gesondert ausweisen und deshalb bei Angestellten noch eine unterschiedliche Regelung haben? Natürlich wird eine solche Veränderung des Arbeitgeberbeitrags als echter Bestandteil von Lohn und Gehalt für den Arbeitnehmer keinerlei Veränderung bringen. Wir haben dazu einen Entschließungsantrag eingebracht, den ich hier gleich mit begründen will. Wir sind der Meinung, wer es wirklich ernst meint,
daß der Angestellte, der über der Versicherungspflichtgrenze liegt, sozial gleichgestellt wird - ({4})
- Natürlich gibt es das noch, in der Krankenversicherung. Wenn man diese sozialpolitische Verpflichtung sieht, ist es doch das Einfachste, den Arbeitgeberbeitrag generell zu einem echten Bestandteil von Lohn und Gehalt zu machen.
Sie hätten die Gelegenheit gehabt, das Problem weitgehend zu lösen, wenn Sie damals unserem Antrag zugestimmt hätten, den Arbeitgeberbeitrag grundsätzlich allen zu zahlen ohne Rücksicht darauf, ob sie versicherungspflichtig sind oder nicht. Leider haben Sie, meine Damen und Herren von den Koalitionsfraktionen, diesen Antrag abgelehnt. Das läßt den Verdacht aufkommen, daß nicht die Frage der sozialen Schutzbedürftigkeit im Vordergrund stand, sondern das Heranschaffen neuer Versicherungspflichtiger. Das ist der Ausgangspunkt Ihrer Überlegungen gewesen, nicht der Schutz des Angestellten.
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- Natürlich habe ich davon gehört. Aber Solidarität kann doch nicht dazu führen, daß man alle Gruppen um der Solidarität willen unter ein Joch zwingt und ihnen keinen Spielraum mehr für eigenverantwortliches Handeln läßt. Darum geht es doch bei diesen ganzen Überlegungen.
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Herr Kollege Mischnick, ist Ihnen nicht bekannt, daß selbst beispielsweise die ärztlichen und zahnärztlichen Versorgungswerke nur dann funktionsfähig sind, wenn man für diese Versorgungswerke eine Pflichtversicherung schafft, so wie es in den entsprechenden Gesetzen vorgeschrieben ist?
Herr Kollege Killat, die Formen, in welcher Art und Weise ich die einzelnen Gruppierungen in Versorgungswerke bringe, kann ich doch durchaus unterschiedlich gestalten. Was Sie mit der Zwangsversicherung aller machen, ist doch nichts anderes, als sie dem gleichen Gesetz bis zum Ende ihres Arbeitslebens zu unterwerfen und ihnen keinen Spielraum zu geben. Das unterscheidet uns eben. Wir wollen ihnen einen Spielraum geben, Sie wollen ihnen keinen Spielraum geben. Deshalb sind Sie Sozialdemokraten und wir Freie Demokraten, das ist eben der Unterschied.
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Herr Kollege Mischnick, finden Sie es nicht etwas peinlich, daß Sie die Versicherungspflicht in der Sozialversicherung als Zwangsversicherung bezeichnen, aber die gleiche Versicherungspflicht bei den Versorgungswerken der Ärzteschaft und der Zahnärzteschaft, von denen ich hier
sprach nicht als Zwangsversicherung bezeichnen wollen.
Herr Kollege Killat, ich erkläre noch einmal: Uns kommt es darauf an, daß die Altersversorgungswerke - ich verwende einmal diesen Sammelbegriff - Möglichkeiten der individuellen Gestaltung haben. Wenn man sie alle in die Rentenversicherung hineinbringt, ist das in dieser Form nicht möglich. Dagegen wehren wir uns.
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- Natürlich ist das so. Herr Kollege Killat, wir haben darüber schon oft debattiert. Sie können unseren Gedankengängen aus Ihrer grundsätzlich anderen Einstellung nicht folgen. Ich nehme Ihnen das nicht übel. Aber es hat keinen Zweck, daß wir hier immer dieselbe Frage diskutieren. Ich möchte deshalb weitergehen. - Bitte, Herr Kollege Ruf!
Herr Kollege Mischnick, wollen Sie nicht, daß das System der gesetzlichen Rentenversicherung in finanzieller Beziehung gut funktioniert, und sind Sie dann nicht der Meinung, daß wir die Pflicht haben, dafür zu sorgen, daß das Verhältnis von Beitragszahlern zu Leistungsempfängern wenigstens einigermaßen konstant bleibt?
Herr Kollege Ruf, ich habe die Absicht, genau zu diesen Problemen noch ein paar Bemerkungen zu machen. Sie haben natürlich recht. Wir wollen alle, daß eine gesunde finanzielle Basis für unsere Rentenversicherungsträger vorhanden ist. Nur habe ich das Gefühl - nicht nur ich, sondern meine politischen Freunde mit -, daß wir das bisher trotz aller Finanzplanung noch nicht erreicht haben. Denn wenn man einmal die gesamten finanzpolitischen Auswirkungen der Finanzplanung ansieht und auch den Zuschuß aus dem Haushalt, dann kommt man zu ,der interessanten Feststellung, daß schon innerhalb der Rentenversicherung doch eine sehr unterschiedliche Behandlung erfolgt. Wenn ich es recht sehe, sind praktisch die Angestellten zwangsweise zu den finanziellen Nothelfern dieser Regierung gemacht worden.
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Denn viele Dinge sind doch dadurch ausgeglichen worden, daß man die Angestellten besonders zur Kasse gebeten hat.
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- Herr Kollege Stingl, ich wußte, daß das kam; deshalb habe ich die nächsten Punkte darauf abgestellt. - Das geschah z. B. dadurch, daß Sie über die Zwangsversicherung bis 1971 für alle Angestellten, soweit sie sich nicht jetzt befreien lassen - ich füge das hinzu -, sich aber für die Zukunft nicht mehr befreien lassen können, etwa 3 Milliarden an Beiträgen erwarten. Dann haben Sie weiter, wenn ich die Zahlen hier richtig stehen habe, 1,9 Milliarden DM - ich bin bereit, mich um hundert Millionen
zu streiten - dadurch in dieser Zeit als Zusatzausnahmen, weil Sie nicht mehr die Möglichkeit der Rückzahlung bei Heirat belassen haben, und Sie erwarten, 'daß daraus Beitragszahlungen entstehen, damit die notwendigen 15 Jahre erfüllt werden. Das sind die beiden Positionen, mit denen Sie hauptsächlich hoffen, bis 1971 über die Runden zu kommen. Das sind aber genau Positionen, die insbesondere bei den Angestelltenhaushalten zu Buche schlagen. Darum geht 'es uns, wenn ich hier diese Frage anspreche.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Herr Kollege Mischnick, haben Sie nicht übersehen, .daß wir die Beiträge erhöht haben für 1968, 1969 und 1970 und daß das ,den Hauptposten für die Sanierung ausmacht?
Aber, lieber Kollege Ruf, glauben Sie, daß ich mir die Beitragserhöhung entgehen lasse? Darauf komme ich noch.
Der zweite Punkt, den Sie geschaffen haben, nämlich die Beteiligung der Rentner an der Krankenversicherung, ist beidseitig etwa gleichmäßig belastend, aber es hat sich gezeigt, daß durch Streichungen 'in anderen Bereichen das Zur-Kasse-Bitten über die Ersatzkassen mit 180 Millionen 1968 - durch Streichung anderer Mittel, die bisher als Zuschuß ,an ,die Kassen geflossen sind - ebenfalls besonders bei den Angestellten zu Buche schlägt. Deshalb ja die Beitragserhöhung, ,die in ,der nächsten Zeit kommt.
Gestatten Sie eine Frage des Herrn Kollegen Russe?
Herr Kollege Mischnick, würden Sie die Güte haben, dieselben Ausführungen, die Sie hier jetzt für die Angestellten machen, einmal überzublenden auf die Arbeiter, und diesbezüglich Ihre Äußerungen zu ergänzen?
Lieber Herr Kollege Russe, ich habe vorhin schongesagt, ,daß ich die Absicht habe, heute speziell über die Angestellten zu sprechen. Wenn Sie heute noch einen Arbeitervortrag hören wollen, können wir das noch machen. Aber ich dachte, .aus zeitökonomischen Gründen machen wir das bei der nächsten Beratung. Ich bin aber gern bereit, mit Ihnen das privat zu machen.
Nun zu der Frage der Beiträge. Herr Kollege Ruf, Sie haben 'die Frage ,der Beiträge angesprochen. Aber hier müssen Sie doch auch wiederum zugeben, daß insbesondere bei den Angestellten - indem man die Beitragsbemessungsgrenze von 1400 nicht auf 1500, sondern gleich auf 1600 hinaufgesetzt hat - eine zusätzliche Belastung ,entstanden ist. Damit ist ja ,der Höchstbeitrag auf 240 DM gestiegen; er hätte an sich nur bis 215 DM ,steigen müssen.
Hochinteressant ist für uns - und das ist auch eine Frage, die wir an den Bundesarbeitsminister
gerichtet haben; wir haben ja an sich nicht sehr viel Glück mit unseren Kleinen Anfragen, manche dauern Wochen, manche sogar Monate, bis sie beantwortet werden; in diesem Falle haben wir nach siebenmonatigem Rechnen folgendes mitgeteilt bekommen -, daß dieser Höchstbeitrag von 240 DM bis 1971 auf 306 DM steigt - so war die ursprüngliche Berechnung -, im Finanzänderungsgesetz auf 323 DM, und nach der letzten Mitteilung des Herrn Bundesarbeitsministers müssen wir damit rechnen, wenn die Löhne bis 1971 nur um 3 % steigen, daß dann die Beiträge sogar auf 337 DM ansteigen müssen. Das bedeutet in vier Jahren eine Beitragssteigerung von 70 %. Das ist immerhin ein Betrag, von dem man sagen muß: hier ist eine besondere zusätzliche Belastung der Angestellten festzustellen.
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Ich stehe auf dem Standpunkt, daß eine solche Beitragssteigerung von 70% bei einer Lohnerhöhung von durchschnittlich 3% nach den Auskünften, die wir bekommen haben - bei einer Lohnerhöhung von 5 % ist sie, ich will es schnell ausrechnen, etwas geringer, nämlich 60% -, natürlich für einen Angestelltenhaushalt kein Pappenstiel ist. Es ist kein Pappenstiel in dieser Zeit, allein in diesem Bereich so belastet zu werden, zumal die Krankenkassenbeiträge, von denen ich gesprochen habe, noch hinzukommen.
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- Sehr verehrter Kollege Stingl, es stimmt nicht, daß er keine Lohnerhöhung bekommt, sondern ich habe ausdrücklich von einer 3%igen Lohnerhöhung gesprochen.
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- Herr Kollege Stingl, wenn heute, gestern und vorgestern nur ganz neue Dinge gesagt worden wären, hätten Sie fast alle Reden Ihrer Kollegen streichen müssen.
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Meine Damen und Herren, ich habe schon gesagt, daß unser Antrag leider abgelehnt worden ist, nämlich der Antrag, daß man den Arbeitgeberbeitrag grundsätzlich auch für diejenigen zahlen sollte, die über der Versicherungspflichtgrenze liegen. Vielleicht sind Sie jetzt so weit, daß Sie als Koalition diesen Antrag einbringen. Wir sind gern bereit, ihm zuzustimmen, wenn Sie ihm schon nicht zustimmen wollten, solange wir ihn als Opposition eingebracht haben. Die vorhandenen Finanzierungslücken, die ja durch diese Beitragserhöhungen geschlossen werden sollen, sind nach unserer Auffassung dadurch eben nicht bis 1971 zu schließen.
Es ist doch hochinteresant, daß wenige Tage nach der Debatte über das Finanzänderungsgesetz - und deshalb müssen wir noch einmal darüber reden,
ob es Ihnen paßt oder nicht, Herr Kollege Stingl - von den Rentenversicherungsträgern zum Ausdruck gebracht worden ist, daß sie im Unterschied zum Arbeitsministerium einen Fehlbetrag in Höhe von rund 8,5 Milliarden DM errechnet hätten. Es ist doch für uns interessant, einmal zu hören: Sind die Berechnungen der Rentenversicherungsträger für diesen Planungszeitraum mit einem Deffizit von 8,5 Milliarden DM richtig, oder ist - mit allen Fehlerquellen, die darin stecken - die Zahl richtig, von der man beim Finanzänderungsgesetz ausgegangen ist? Dazu würden wir gern von Ihnen, Herr Bundesarbeitsminister, etwas hören. Wenn es nicht möglich ist, die Zahlen sofort oder in absehbarer Zeit oder -wie heißt das? - unverzüglich, ohne schuldhaftes Verzögern, mitzuteilen, möchten wir Sie bitten, uns zu sagen, wie eine Lösung des Problems, das durch das behauptete Defizit entstanden ist, gefunden werden kann.
Ich komme zu einem weiteren Punkt. Herr Kollege Götz hat davon gesprochen, daß in der Knappschaft eine besonders schwierige Situation\ entstanden sei und daß hier in den Jahren 1967 und 1968 rund 700 Millionen DM an zusätzlichen Ausgaben auf uns zukämen, wenn man von dem Basisjahr ausgehe. Sie haben eine Begründung dafür gegeben: konjunkturelle Veränderungen, Schwierigkeiten, die inzwischen entstanden sind und die man nicht voraussehen konnte usw. Der Haushaltsausschuß hat dazu ja einen sehr interessanten Beschluß gefaßt. Ich darf mit Genehmigung des Herrn Präsidenten daraus zitieren:
Nach Ansicht des Haushaltsausschusses sind diese Zahlen ein erneuter Anlaß zu einer umfassenden Überprüfung der Finanzierung der knappschaftlichen Rentenversicherung im Rahmen der Beratung des Dritten Rentenversicherungsänderungsgesetzes.
So weit, so gut. Was kann das aber bedeuten? -Das kann doch entweder nur heißen, daß ein weiterer Eingriff in das Leistungsrecht erfolgt, damit die Ausgaben gesenkt werden, oder aber es heißt, daß man, wenn man das andere nicht tun will, erneut versucht, mit den anderen Rentenversicherungen, der der Arbeiter und der Angestellten, einen Ausgleich zu finden. Das heißt aber letzten Endes - und jetzt sind wir wieder bei den Angestellten -, daß die Angestelltenversicherung herangezogen werden muß; denn die Arbeiterrentenversicherung kann das auf keinen Fall ausgleichen. Also kommt es wiederum zu einer Benachteiligung der Angestellten, wenn man diesen Weg gehen will. Dagegen wehren wir uns.
Auch hier wäre es notwendig, daß wir klare Auskunft darüber erhalten, wie man sich das in Zukunft denkt, daß wir Vorschläge dazu bekommen, wie das Finanzänderungsgesetz in diesen Punkten so geändert werden kann, daß wir mit einiger Beruhigung - mit voller können wir sowieso nicht sagen - in die nächsten zwei, drei Jahre hineingehen können.
Meine Damen und Herren, in diesem Zusammenhang möchte ich auch gleich den zweiten Entschließungsantrag begründen, nämlich die Frage der Vor8868
lage eines Berichts über die Kriegsopferversorgung. Kollege Götz hat darauf hingewiesen, daß eine Korrektur um 100 Millionen notwendig sei, weil die Schätzungen nicht richtig waren. Das ist für uns keine Begründung, nun etwa zu sagen: weil die Ausgaben sowieso 100 Millionen DM höher sind, nachdem die ursprünglichen Vorschriften des Gesetzes gegen unseren Willen herausgestrichen worden sind, braucht nun kein Bericht darüber zu erfolgen, wie es zum 31. Dezember 1968 mit der Entwicklung der Kriegsopferrenten aussieht. Unser Entschließungsantrag besagt, daß wir den Bericht haben wollen. Ob wir daraus praktische Konsequenzen ziehen wollen, hängt natürlich mit von der Haushaltslage ab. Aber es muß dem Parlament doch wenigstens gesagt werden, wie es in diesem Sektor aussieht, der keine automatische Dynamik kennt und deshalb gegenüber allen anderen Bereichen benachteiligt ist.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich noch ein paar Bemerkungen zu den vorgesehenen Überlegungen für die Altersvorsorge der Selbständigen machen. Wie uns bekanntgeworden ist, besteht die Absicht, die Selbständigen möglichst alle in die allgemeine Rentenversicherung einzubeziehen. Wenn diese Absicht verwirklicht werden sollte, würde das ja bedeuten, daß wir praktisch zu dieser zwar zweigeteilten - zwei Arten -, aber doch insgesamt Einheitsversicherung kämen. Wir halten das nicht für richtig. Wir würden es für besser halten, wenn man dafür sorgte, daß die berufsständischen Versorgungswerke in der Frage der „Altlast" genauso gestellt werden, wie es bei der Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten geschieht.
({4})
Dieser Weg würde nach unserer Überzeugung - auch auf Dauer gesehen - für den Bundeshaushalt eine geringere finanzielle Belastung bedeuten, als wenn man hier einfach eine Einbeziehung in das bestehende Rentenversicherungssystem vornimmt.
Wir haben das Gefühl, daß man mit den verschiedenen Maßnahmen, die hier über das Finanzänderungsgesetz beschlossen worden sind, und durch das, was man an Überlegungen hört, der differenzierten Leistungsgesellschaft, die wir nun heute einmal haben, nicht gerecht wird, sondern daß man eher bemüht ist, bestehende, aber in vielen Bereichen einer Überholung bedürftige Zustände zu zementieren und damit zu erreichen, daß praktisch alle in ein bestimmtes Schema hineingezwungen werden. Das ist aber genau das Gegenteil von dem, was man in einer offenen Gesellschaft des 20. Jahrhunderts braucht. Deshalb die Notwendigkeit, hier von Grund auf zu überprüfen: Haben wir nicht andere Möglichkeiten, Leistungsfähigkeit, Leistungswillen der Menschen zu entwickeln, statt sie durch zwangsweise Einbeziehung in Sicherungseinrichtungen und Festhalten daran bis zum Ende des Arbeitslebens in ihrer Entscheidungsmöglichkeit zu hemmen? Wir wollen, daß die Entscheidungsfreiheit und die Entscheidungsfähigkeit des einzelnen gestärkt werden.
Wir haben die Sorge, daß Ihre Politik genau auf das Gegenteil abzielt. Daß diese Sorge nicht unberechtigt ist, hat das Finanzänderungsgesetz gezeigt. Sie müssen jetzt praktisch finanziell vollstrecken, was durch die nicht erfüllbaren Versprechungen der Rentenreform von 1957 an Belastungen gekommen ist. Das verstehen wir. Aber dann soll man den Mut haben und zugeben: Was die Ausgangsposition für die Änderung der Rentenversicherung 1957 war, hat sich bis heute nicht als so tragfähig erwiesen, wie man es gehofft hatte.
({5})
- Also wenn Sie es als viel besser ansehen, Herr Kollege Killat, dann haben Sie eben ein ganz anderes Verhältnis zu den Zahlen, als ich es habe; ich sehe sie nämlich nüchtern und nicht durch eine Brille, wie ich sie gerne haben will.
({6})
Zwischenfrage von Herrn Ruf.
Herr Kollege, darf ich Sie fragen, ob Ihnen bekannt ist, daß das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung bei der Erstellung der Rechnungsgrundlagen für die Rentenreform im Jahre 1957 erklärt hat, daß wir am Ende des ersten Deckungsabschnittes, nämlich Ende 1966, die Beiträge um 2,25 % erhöhen müssen, daß wir die Beiträge aber erst jetzt, zum 1. Januar 1968, erhöhen mußten?
Lieber Kollege Ruf, natürlich ist mir bekannt, daß der Beitrag zunächst um 21/2 % erhöht werden sollte. Wir haben aber jetzt schon festgelegt, daß er bis auf 17'0/o, d. h. um 3 °/o, erhöht werden muß, also schon höher als das, was damals vorausgesagt wurde.
Zweitens ist bei der Voraussage natürlich nicht voraussehbar gewesen, daß wir zwei, drei Jahre mit Beitragseinnahmen von einer beachtlich hohen Zahl von Gastarbeitern haben würden, denen selbstverständlich eines Tages teilweise Leistungen gegenüberstehen werden. Das ist ein Tatbestand, der nicht wegzuleugnen ist. Daher sind die Schwierigkeiten in der Rentenversicherung erst um zwei bis drei Jahre später sichtbar geworden. Das ist der ganze Grund, sonst gar nichts.
Herr Kollege Mischnick, sind Sie bereit, zuzugeben, daß die finanziellen Sorgen, die wir nicht bestreiten wollen, nicht so sehr mit der Rentenformel des Jahres 1957, sondern mit dem vor uns stehenden Rentenberg etwas zu tun haben?
Lieber Herr Kollege Ruf, natürlich hat es sowohl mit der Rentenformel wie mit dem Rentenberg wie auch mit der wirtschaftlichen Entwicklung zu tun. Das bedeutet doch aber nur, daß Sie mir recht geben müssen, wenn ich sage, daß die Ausgangsbasis für die gesamte Entwicklung
eben zu optimistisch gesehen war. Mehr sagen wir doch gar nicht. Das sollten Sie endlich einsehen.
({0})
Meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie mich zum Abschluß feststellen:
({1})
Wenn Sie unseren Änderungsanträgen zum Finanzänderungsgesetz gefolgt wären, dann wäre ein Teil dieser Fragen tatsächlich auf die Dauer lösbar gewesen. Dazu haben Sie leider nein gesagt. Wir werden jedenfalls aus unserer Auffassung heraus immer wieder versuchen, Sie davon zu überzeugen, daß es besser ist, auch in diesem Bereich schon heute nüchtern zu sagen, was morgen finanziell möglich ist, statt höhere Erwartungen entstehen zu lassen, als wir gemeinsam eines Tages durch unsere Beschlüsse erfüllen können.
({2})
Das Wort hat der Herr Bundesarbeitsminister.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nach dieser Rede, Herr Kollege Mischnick, kann ich mich in meinen Äußerungen und Antworten relativ kurz fassen. Ich glaube, ich komme damit auch den Intentionen und der Geschäftslage des Hauses entgegen.
({0})
Als Sie zu sprechen anfingen, Herr Kollege Mischnick, war ich sehr glücklich. Ich war geradezu gelöst und dachte: Donnerwetter, endlich mal eine neue Rede! Ich hatte Ihre alte gerade nachgelesen und mich innerlich darauf eingestellt. Sie fingen von Angestellten und von den Problemen an, um die ich mich - das wissen Sie - weiß Gott wie einer bemüht habe, mit unserem Arbeitsförderungsgesetz und der Förderung der Mobilität in unserer Gesellschaft. Ich dachte: Das ist doch genau die Diskussion, die wir gern haben möchten.
Dann war ich enttäuscht. Dann habe ich nämlich gemerkt, daß Sie als Partei, Herr Kollege Mischnick, etwas plump die Fänge aushielten nach einher bestimmten Gruppe hin, nämlich nach den Angestellten hin. Das ärgert einen dann etwas.
({1})
Ich sage Ihnen, Herr Kollege Mischnick: Der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung wird für die Angestellten - er kommt selbst aus diesem Bereich, wie Sie sehr wohl wissen - sein Wort zu sagen haben. Aber er hat nicht nur die Angestellten zu sehen, sondern er hat auch die Arbeiter in unserem Volk und die gesamte arbeitende Bevölkerung zu sehen, und er kann seine Politik nicht nur auf eine Gruppe, auf eine Schicht unseres Volkes abstimmen.
({2})
Deshalb lassen Sie mich sagen, Herr Kollege Mischnick - ich kann das nur noch einmal wiederholen -: Ich bin Ihnen dankbar für den ersten Aufriß, und ich bin auch mit Ihnen der Meinung - ich wäre glücklich, wenn das in diesem Hause künftig noch stärker geschehen könnte -, daß wir über diese Fragen diskutieren müssen. Das ist nicht nur eine Frage der Angestellten, sondern das ist weitgehend auch eine Frage des Aufstiegs der Arbeiter zu den Angestellten.
({3})
- Dann müssen wir doch - das ist doch ganz genau der Sinn der Zwischenfrage des Kollegen Russe gewesen - von hier aus diese breitere Aufbaubasis schaffen, und das tun wir mit unserem Arbeitsförderungsgesetz, glaube ich, schon in beachtlicher Weise.
({4})
Was den Wegfall der Versicherungspflichtgrenze und das angeht, Herr Kollege Mischnick, was Sie zu den Angestellten gesagt haben, so kann ich mich nur wundern, wenn die Angestelltengewerkschaften die Tatsache, daß Sie - angeblich im Sinne der Angestellten - dieses Schreckgespenst wieder einmal an die Wand gemalt haben, lebhaft begrüßt haben. Das scheint mir ein Widerspruch zu sein.
Ich möchte im Zusammenhang mit unserer letzten Diskussion, die wir bei der ersten Beratung des Finanzänderungsgesetzes gehabt haben, ein Zweites sagen. Auch da ist von Ihnen, Herr Kollege Mischnick, immer wieder gesagt worden: mit der gesetzlichen Rentenversicherung engen wir den Spielraum des einzelnen ein. Sie pflegen dann die Vokabel „Zwangsversicherung" zu gebrauchen, die ich aus denselben Gründen ablehne, die Herr Killat vorhin auch schon genannt hat. Sie behaupten einfach: es gibt hier keinen Spielraum. Wahr ist - und wenn Sie sich die Statistiken der Lebensversicherungsgesellschaften ansehen, können Sie das unschwer feststellen -, daß unsere Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten doch eine Grundsicherung für unsere Bevölkerung ist, bei der noch genügend Spielraum für die persönliche Aufstockung bleibt, was ja auch laufend geschieht. Sie konstruieren permanent einen Widerspruch, den ich nicht anerkennen kann und nicht anerkennen will, einen Widerspruch zwischen unserer gesetzlichen Rentenversicherung mit ihrer Dynamik und der privaten Lebensversicherung. Sie haben das heute nicht so deutlich gesagt, aber Sie haben das in der letzten Rede sehr deutlich angesprochen. Sie haben quasi von der Sozialisierung des Lohnes gesprochen und gesagt: Wenn wir diese Politik betreiben, bleibt kein Raum für eigentumspolitische Maßnahmen des einzelnen.
Herr Kollege Mischnick, darf ich Ihnen einmal folgende Zahlen nennen? - Das 312-DM-Gesetz, das wir in den Anfängen gegen den besonderen Widerstand der Freien Demokraten haben durchsetzen müssen, hat sich wie folgt ausgewirkt. Im Jahre 1951 haben 50 000 Arbeitnehmer von der Möglichkeit dieses Gesetzes Gebrauch gemacht, und zwar mit einem durchschnittlichen Betrag von 300 DM und mit einem Gesamtbetrag von 15 Millionen DM.
Wenn Sie es wünschen, schicke ich Ihnen das gern zu; ich will wegen der Kürze der Zeit nur die Endzahlen nennen. Im Jahre 1966 waren es bereits 3,2 Millionen Arbeitnehmer mit einem Durchschnittsbetrag von 280 DM, wobei der insgesamt angelegte Betrag 900 Millionen DM ausmachte. Das widerspricht doch ganz eindeutig Ihre These, unsere Politik der sozialen Sicherung stünde der Politik der breiten Eigentumsstreuung diametral entgegen. Hier sind die Zahlen, die genau das Gegenteil beweisen.
Sie haben dann, Herr Kollege Mischnick - das muß ich jetzt doch noch mit zwei Sätzen sagen -, etwas gemacht, was nicht ganz fair ist und was an sich unserem Verhältnis zueinander auch nicht entspricht, das wir bisher gehabt haben. Sie haben gesagt, ich hätte sieben Monate gebraucht, bis die Kleine Anfrage der FDP beantwortet worden sei. Das ist zunächst einmal nur zum Teil richtig, denn die Kleine Anfrage habe ich in dem Teil 1 sofort beantwortet, und zu dem Teil 2 - der Eventualrechnung - habe ich hier im Hause gesagt: Da sind wir dran; wir sind aber in unserem Hause durch die personelle Beengung bei den gewaltigen Anforderungen, die durch das Finanzänderungsgesetz an uns gestellt wurden, einfach nicht in der Lage, das alles auf einmal zu machen; sobald das eine fertig ist, lasse ich das andere ausrechnen. Dann hat der Herr Kollege Spitzmüller gesagt: einverstanden. Es ist also nicht ganz fair, wenn Sie jetzt den Eindruck zu erwecken versuchen, als befänden wir uns im Verzug.
({5})
Jetzt kommt der zweite Punkt, und jetzt kommt etwas, was ich wiederum nicht ganz fair finde. Ich lese den FDK-Tagesdienst vom 1. April. Kaum habe ich die Zahlen veröffentlicht, so, wie Sie es gewünscht haben - ich will das jetzt nicht vertiefen; das würde zu weit führen -, mit allen den Kautelen und all den Einschränkungen, die man wissen muß, wenn man diese Zahlen veröffentlicht, damit kein falscher Eindruck in der Öffentlichkeit erweckt wird, geht trotzdem der FDK-Tagesdienst hin und sagt: Wenn der Entgeltanstieg - Sie haben das jetzt hier noch einmal wiederholt - jährlich nur 3 % beträgt, dann ist im Jahre 1971 an Stelle des beschlossenen Beitragssatzes von 17 % ein Beitragssatz in Höhe von 18,7% erforderlich. Herr Kollege Mischnick, ich muß ehrlich gestehen, daß mich das aufs tiefste enttäuscht, daß man von mir verlangt, Ihnen exakte , saubere Zahlen in verschiedenen Größenordnungen zu geben - und das tue ich als Mitglied der Regierung -, und daß man just die niedrigste Größenordnung herausnimmt, sie der Öffentlichkeit bekanntgibt und damit in der Öffentlichkeit ein ganz falsches Bild erweckt.
({6})
- Ich meine, das entspricht an sich nicht dem Stil, den wir bisher gehabt haben. Ich will das jetzt nicht überbewerten. Ich möchte nur meinen, der Eindruck
in der Öffentlichkeit - und deshalb sage ich das hier - muß richtiggestellt werden. Es handelt sich um Zahlen, die Sie gewünscht haben. Wir haben eine 3%ige, wir haben eine 5%ige, wir haben eine 7%ige Rechnung. Dabei sehen die Dinge ganz anders aus.
({7})
Man muß sie miteinander vergleichen und kann nicht einzelne Punkte herausziehen. Dann wird die Diskussion etwas schwierig.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Schmidt ({0})?
Bitte schön!
Herr Minister, würden Sie mir darin zustimmen, daß bei der augenblicklichen Entwicklung und auch bei den Beobachtungen, die der Haushaltsausschuß niedergelegt hat, der Zuwachs von 3 % noch der wahrscheinlichste ist, also diese Zahl wahrscheinlich die realste für die Zukunft ist?
Nein, Herr Kollege Schmidt, da kann ich Ihnen überhaupt nicht zustimmen. Wenn Sie gestern der Debatte und den Ausführungen des Herrn Wirtschaftsministers gefolgt sind, dann werden Sie davon ausgehen müssen, daß diese Zahl von 3 % für 1968 sicherlich nicht die gültige Richtzahl sein kann, sondern die, die die Bundesregierung angenommen hat.
Herr Kollege Mischnick, Sie haben mich nach Zahlen für die weitere Entwicklung gefragt. Ich habe diese Tabellen hier. Ich hatte an sich auch vor, diese Tabellen, die sich gerade auf das Verhältnis der Angestelltenversicherung zur Arbeiterrentenversicherung beziehen, zu erläutern. Es ist unmöglich, Herr Kollege Mischnick, einfach zu sagen: Hier werden die Angestellten belastet. Die Zahl der Arbeiter, die in die Angestelltenversicherung hineinkommen, trägt ja mit. Die Bergleute, die ausgeschieden sind und dann als Angestellte tätig sind, sind heute Mitglied der Angestelltenversicherung.
({0}) Das muß man, glaube ich, miteinander sehen.
Ich verzichte jetzt mit Ihrem Einverständnis darauf, die Zahlen hier zu verlesen.
({1})
Ich werde sie dem Sozialpolitischen Ausschuß, Herr Kollege Schellenberg, für die Beratung des Dritten Rentenversicherungsänderungsgesetzes - ({2})
- Nein, ich werde sie dem Ausschuß für die Beratung des Dritten Rentenversicherungsänderungsgesetzes zuleiten.
Lassen Sie mich noch eine letzte Bemerkung machen. Dann werde ich also mein Wort einhalten, mit zehn Minuten auszukommen. Es geschieht mit Blick auf das, was in der Öffentlichkeit hin und wieder dargestellt wird. Es ist eine Bemerkung zur Knappschaft. Der Berichterstatter hat dankenswerterweise schon darauf hingewiesen, daß ich zur knappschaftlichen Rentenversicherung - das war noch während der Kleinen Koalition, Herr Kollege Mischnick - am 16. März 1966 hier gesagt habe - vielleicht darf ich mit Genehmigung des Herrn Präsidenten kurz zitieren -:
Der Zuschuß, den der Bund gibt, beträgt heute
- 16. März 1966
2,2 Milliarden DM jährlich, er wird nach vorsichtiger Schätzung im Jahre 1970 auf 4,5 bis 5 Milliarden DM anwachsen.
Ich sage das deshalb hier, damit später nach einem oder zwei Jahren, nicht wieder Ursache und Wirkung verwechselt werden, damit man sich klar ist, daß die sozialen Maßnahmen, die wir dann zu bezahlen haben, ihre Ursache in dem wirtschaftlichen Umstrukturierungsprozeß haben, über den wir in dieser Stunde diskutieren.
Das habe ich vor zwei Jahren hier gesagt. Ich lege großen Wert darauf, das festzustellen. Damals hat das Hohe Haus - einschließlich der FDP - diesen Regelungen die Zustimmung gegeben. Dann kann man aber heute nicht den Versuch machen, sich davon zu distanzieren.
Herr Kollege Mischnick, Sie haben so etwas auf die Prognosen abgehoben, daß die mittelfristige Finanzplanung nicht mehr in Reih und Glied ist und damit auch natürlich die Grundlagen, in denen wir übereinstimmten, korrigiert werden müssen. Darüber hat es doch nie einen Zweifel gegeben. Wir haben das immer gesagt; das ist doch ganz selbstverständlich, und wir sind ja dazu verpflichtet, weil wir wissen, daß das Leben natürlich andere Wege als Gesetzesformeln geht und wir deshalb jährlich diese Anpassungen vornehmen müssen.
Ich darf zum Abschluß sagen, ich wehre mich gegen diese etwas verschleierten Formulierungen, die von Ihrer Seite immer gebraucht werden. Das sozialpolitische Kleid ist zu weit, heißt es da. Sagen Sie doch ann bitte, was Sie wollen!
({3})
Wollen Sie die Renten senken oder nicht? Sagen Sie uns das doch sauber und klar. Dann können wir miteinander diskutieren, aber doch nicht mit solchen Vokabeln wie: Das sozialpolitische Kleid ist zu weit geschneidert usw.
({4})
- Meine Damen und Herren von der FDP, darf ich noch einmal daran erinnern: dieses Geschäft der Unkenrufe betreiben Sie ja nicht erst seit heute, sondern Sie betreiben es mit Fleiß seit 1957.
({5})
- Ich will Ihnen gleich sagen, wie Recht sie behalten haben.
({6})
- Nein, das ist die Antwort auf das, was Herr Kollege Mischnick hier gesagt hat. Dann mögen Sie beurteilen, was das für eine Rede ist. Worauf ich jetzt antworte, ist das, was Herr Mischnick mir vorher vorgelegt hat.
Meine Herren von der FDP, im Jahre 1957 hat Ihr Franktionskollege Dr. Jentzsch am 21. Januar bei der Beratung der Rentenreformgesetze - Sie können das im Protokoll nachlesen -gesagt:
Denn auch Ihnen ist dabei doch klargeworden, daß die Erhöhung der Beiträge schon in den ersten 10 Jahren stattfinden wird. Ich kann Ihnen die Garantie geben, daß das, wenn nicht in diesem, dann aber bestimmt im nächsten Jahre schon notwendig sein wird.
Der Kollege Atzenroth hat in dieser Aussprache hinzugefügt, daß es bei der vorgeschlagenen Beitragserhöhung überhaupt zu Kapitalbildungen kommen werde, müsse ernsthaft bezweifelt werden.
Wie ist denn die Entwicklung gewesen? Wir haben den Beitragssatz von 14% nicht nur ein Jahr, sondern ganze elf Jahre beibehalten, natürlich aus den Gründen, die Sie selbst angedeutet haben. Wir haben außerdem ein Vermögen von mehr als 27 Milliarden DM angesammelt, das am Ende des letzten Jahres immerhin noch 24 Milliarden DM betrug.
Lassen Sie mich deshalb zum Abschluß sagen: Diese Unkenrufe, die den Eindruck 'erwecken sollen, als könnten wir mit dem sozialpolitischen System in unüberwindliche Schwierigkeiten
- Schwierigkeiten haben wir selbstverständlich - kommen, sind angesichts der Tatsache dieser Rücklagen nicht zu halten.
Ich wäre versucht, das eine oder andere noch hinzuzufügen. Ich will das nicht tun, sondern nur sagen: Wenn wir über die Fragen, Herr Kollege Mischnick, diskutieren, dann ergibt sich in der Tat, wie Sie sagen, einmal die Problematik der knappschaftlichen Rentenversicherung, zum anderen auch die Problematik .der sehr unterschiedlichen Entwicklungen in der Rentenversicherung der Arbeiter einerseits und der Rentenversicherung der Angestellten andererseits. Das wird uns noch zu manchen Überlegungen Anlaß geben müssen.
Lassen Sie mich einen letzten Satz anfügen. Es liegt dem Flohen Hause ein Antrag vor, der darauf abzielt, ein Sozialbudget zu erstellen. Das entspricht exakt meinen Intentionen. Ich beabsichtige, in absehbarer Zeit dem Hohen Hause ein erstes Sozialbudget mit detaillierten Zahlen vorzulegen, das unter anderem allerdings noch mit den zu erstellenden Vorstellungen über die mittelfristige Finanzplanung bis zum Jahre 1972 abzustimmen sein wird. Ich glaube, wir werden dann erstmals ein Instrument bekommen, das unis die Zusammenhänge unseres ganzen Systems der sozialen Sicherung klar 'erkennen läßt und die möglichen und realisierbaren Wege zu gesellschaftspolitsichen Lösungen aufzeigt. Ich hoffe,
daß das schon in der zweiten Hälfte dieses Jahres geschehen kann.
({7})
Meine Damen und Herren, ich hatte heute morgen bei der Fragestunde Anlaß, zu beanstanden, daß das Ressort von Herrn Bundesminister Katzer beim Aufruf der Fragen nicht vertreten war. Herr Minister Katzer hat sich bei mir entschuldigt und mir erklärt, wie durch Verkettung von Umständen diese Situation entstanden ist. Jetzt bin ich aber besonders darüber erfreut, daß Herr Minister Katzer, nachdem er, wie man mir sagte, mit 24 Seiten Notizen zu dieser Beratung gekommen ist, sie mit Rücksicht auf die Geschäftslage beiseite gelegt hat und dann mit einer guten Viertelstunde ausgekommen ist. Ich danke ihm hierfür im Namen des Hauses.
({0})
Ich hoffe, daß wir auch in der weiteren Debatte hier mit den angegebenen Redezeiten auskommen. Herr Seidel hat zugunsten von Herrn Schellenberg auf das Wort verzichtet. Herr Schellenberg tritt sicher auch in die Redezeit von Herrn Seidel ein. Herr Seidel hatte 10 Minuten angegeben.
({1})
Herr Schellenberg hat das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Was die soziale Sicherung betrifft, Herr Kollege Mischnick, so haben Sie im wesentlichen eine verspätete Rede zum Finanzänderungsgesetz gehalten.
({0})
Diese Entscheidungen sind politisch gefallen. Und wenn Sie vom „Joch der Angestellten" sprechen: Warten Sie den 30. Juni ab und sehen Sie dann, wie viel Angestellte, denen wir ja die Möglichkeit zur Befreiung von der Pflichtversicherung in größerem Umfang gegeben haben, sich befreien ließen und wie viele sich unter das „Joch" der Sozialversicherung begeben!
({1})
Herr Kollege Mischnick, in Ihren Ausführungen haben Sie mit Zahlen operiert, die einfach irreführend sind. Sie haben von der Beitragsentwicklung der Höchstbeiträge gesprochen. Wir haben im Finanzänderungsgesetz die Beitragsgestaltung festgelegt. Wir haben uns zu der Notwendigkeit einer Beitragserhöhung bekannt, und wir haben die Beiträge von 14% über 15 %, 16 % bis auf 17% erhöht. So kommen Sie auf 21 %. Was Sie da von Ihren 70 % reden, ist einfach eine Irreführung, weil Sie nicht die Lohnentwicklung, die Beitragsbemessungsgrenze berücksichtigt haben. Das ist dabei der entscheidende Punkt.
({2})
Im übrigen, Herr Kollege Mischnick, wenn Sie von den Angestellten und ihren sozialen Rechten
sprechen: Ich glaube, da hat das Finanzänderungsgesetz eine sehr wichtige positive Entscheidung für die Angestellten gebracht, indem es ihnen nämlich zum Arbeitgeberanteil für die Rentenversicherung verholfen hat.
({3})
Dann haben Sie noch einige kritische Worte zur Alterssicherung der Selbständigen gesagt. Sie werden sicher Gelegenheit haben, sich das allerneueste Zahlenmaterial zu beschaffen, das die Selbständigen selbst zusammengestellt haben. Ich spreche gar nicht von dem Erhebungsmaterial, das der Bundesarbeitsminister in früherer Zeit beschafft hat. Dieses Zahlenmaterial der Selbständigen schließt mit einem Bekenntnis von über 70% der Selbständigen zur Pflichtversicherung in der Rentenversicherung ab.
({4})
Die Hauptgemeinschaft des deutschen Einzelhandels hat in diesen Wochen eigene Befragungen der Einzelhändler zu Ende geführt. Aus der Einkommensgruppe der Einzelhändler mit einem Umsatz bis zu einer halben Million jährlich haben sich 8241/4 für eine Pflichtversicherung ausgesprochen. Der Gesamtdurchschnitt liegt weit über 70 %.
({5})
Deshalb gehen Sie, Herr Kollege Mischnick, mit Ihren Äußerungen an der Sache, an dem wirklichen Bedürfnis der Menschen vorbei! Ihre Tendenz, Herr Kollege Mischnick, läuft darauf hinaus - seit jeher ist das gewissermaßen die Weltanschauung der Liberalen -, den Kreis der Versicherten möglichst klein zu halten. Dann ist die finanzielle Basis relativ schlecht und schwach.
({6})
Herr Kollege Mischnick, zu allen finanzpolitischen Problemen haben Sie auch in Ihrem bekanntgewordenen Mischnick-Plan nicht ein Wort gesagt. Das steht noch aus. Dazu sind Sie aber verpflichtet, wenn Sie ernst genommen werden wollen.
Herr Kollege Mischnick, ich habe heute auch Ihre Vorstellung, die Vorstellungen der FDP zur weiteren Gestaltung der Sozialleistungen vermißt. Sie haben ja Ihre vielfältigen Kleinen Anfragen an die Bundesregierung gerichtet und eingehendes Material erhalten. Ich darf wohl unterstellen, daß das nicht nur Material für Presseberichte sein soll und für sozialpolitische Seminare, sondern daß daraus hier politische Konsequenzen gezogen werden müssen.
Herr Kollege Mischnick, ich möchte an Sie und Ihre Kollegen nur eine einzige Frage richten: Wollen Sie an der bruttolohnbezogenen Rente festhalten oder wollen Sie das nicht? Wenn Sie darauf hier eine Antwort geben könnten, dann wäre das sehr wichtig. Ich habe bei der Vielfalt Ihrer Fragen zu meinem Bedauern vermißt, daß Sie nicht die Frage an die Bundesregierung gerichtet haben: Wie würde es denn aussehen, wenn man so eine „kleine Änderung" im Rentensystem vornähme, indem man die Renten statt nach Bruttolohndynamik nach Nettolohndynamik gestaltete? Das hätte doch sehr nahegelegen. Sie haben so viele Fragen an die
Bundesregierung gestellt, warum nicht diese? Ich möchte sie hier für die weitere öffentliche Diskussion beantworten: Das würde dazu führen, daß von 1968 bis 1972 das Rentenniveau sich um 16,7 Milliarden DM senken würde, und das wollen wir nicht. Deshalb sind wir für die bruttolohnbezogene Rente.
({7})
Herr Kollege Mischnick, alle diese Meinungsäußerungen hinsichtlich der finanziellen Sicherung der Rentenversicherung sind sicher, das unterstelle ich Ihnen gern, von einer tiefen Verantwortung für die soziale Sicherung getragen. Das will ich Ihnen unterstellen. Aber ich darf hier für meine Fraktion erklären: Die Finanzen der Rentenversicherung sind ungeachtet der Probleme der Rezession und des Altersaufbaues unseres Volkes solide fundiert. Vom Höhepunkt der wirtschaftlichen Entwicklung bis jetzt ist das Vermögen der Rentenversicherung von 27,2 Milliarden auf 24,8 Milliarden DM zurückgegangen. Wir haben das bewußt in Kauf genommen. Wir haben nämlich im Jahre 1967 nicht die Beiträge erhöht. Wir haben politisch die Auffassung vertreten, daß 'es notwendig und ratsam sei, alles zu tun, um die Massenkaufkraft möglichst zu stärken, zu sichern, zu erhalten. Wir haben deshalb im Jahre 1967 auf eine Beitragserhöhung verzichtet und damit bewußt den Prozeß einer gewissen Abschmelzung des Vermögens in Kauf genommen.
Wir haben - das darf ich für die Regierungsparteien gemeinsam sagen - bei der mittelfristigen Finanzplanung genau kalkuliert. Herr Kollege Mischnick, wenn Sie meinen, mit dem Ergebnis von noch nicht vier Monaten könnten Sie Aussagen für eine Finanzplanung von vier Jahren treffen, dann sind Sie außerordentlich voreilig. Wir halten an dem fest, was der Ausschuß für Sozialpolitik hier beim Finanzänderungsgesetz mit zu Protokoll des Plenums gegeben hat, nämlich daß im Zusammenhang mit der mittelfristigen Finanzplanung die Bruttolohndynamik gesichert ist und mit ihr eine Erhöhung der einzelnen Rente bis 1971 von 29,8 %. Wir Sozialdemokraten haben gemeinsam mit unserem Koalitionspartner die Initiative ergriffen, um die soziale Sicherung vorausschauend zu planen. Das ist der Sinn unseres Antrages, zu dem mein Kollege Rohde noch einige Bemerkungen machen wird.
Wir sind dabei, die Rentenversicherung nicht nur mittelfristig, sondern langfristig zu planen. Das wissen doch Ihre Kollegen aus dem Sozialpolitischen Ausschuß. Die Arbeiten sind im Gange, und zwar mit einer außerordentlichen Sorgfalt. Gemeinsam haben wir bewußt erst die mittelfristige Finanzplanung vorgeschaltet. Dann haben wir die Probleme des Bergbaus mit ihren Auswirkungen auf die Sozialversicherung gestaltet. Jetzt gehen wir an die Gestaltung jenes Gesetzes, das langfristig die ,soziale Sicherung finanziell gewährleisten wird. Im Hinblick auf den Altersaufbau unseres Volkes gehen wir mit großer Sorgfal vor; denn wir sind uns selbstverständlich der Verantwortung nicht nur gegenüber denen bewußt, die Rentner sind, sondern auch gegenüber denjenigen, die als Arbeitende durch
Beiträge und Steuern die Sozialleistungen finanzieren. Das ist unser Leitmotiv, und als Sozialdemokrat kann ich hinzufügen - und darin stimmen wir hoffenlich alle überein -: für uns gehören Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik zusammen. Das eine bedingt das andere. Ohne wirtschaftlichen Aufschwung gibt es keine soziale Sicherheit, aber ohne Vertrauen zur sozialen Sicherheit gibt es auch keinen wirtschaftlichen Aufschwung.
({8})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Gleissner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu einer nicht unwesentlichen und für den Arbeitnehmer recht interessanten Frage, nämlich dem Zusammenhang zwischen einer modernen Regionalpolitik, der Sicherung des Arbeitsplatzes und der Beschäftigung von Gastarbeitern möchte ich ein paar kurze Bemerkungen machen.
Ich bin dazu veranlaßt einerseits durch die wiederholten Debatten in diesem Haus und in der Öffentlichkeit über die Interdependenz von Agrarpolitik und Regionalpolitik angesichts von Hunderttausenden landwirtschaftlicher Zu- und Nebenerwerbsbetriebe, andererseits durch die Erklärung des Präsidenten der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung, Sabel, daß beabsichtigt sei und vorbereitet werden müsse, eine größere Zahl von Gastarbeitern in diesem Jahr erneut anzuwerben und hereinzunehmen.
Die Frage der Arbeitsplatzsicherung gewinnt ebenso an Bedeutung wie die Frage einer aktiven Regionalpolitik. Der Bund stellt nämlich ebenso wie die Länder umfangreiche Mittel zur Verfügung und schafft in vielfacher Hinsicht Erleichterungen, um die Wirtschaft anzukurbeln. Der Bund macht neue, nur schwer tragbare Schulden, um der Arbeitslosigkeit entgegenzuwirken, in erster Linie natürlich in solchen regionalen Bereichen, in denen wir Kurzarbeit oder Arbeitslosigkeit haben.
Gleichzeitig aber werden, um für die vom Bund finanzierten Arbeiten die nötigen Arbeitskräfte zu bekommen, Gastarbeiter neu eingestellt und neu angeworben mit der Folge, daß Oberkapazitäten künstlich geschaffen und am Leben erhalten werden, gerade in den Räumen, von denen wir wissen, daß sie konjunkturell noch überhitzt sind. Auf einzelne Fragen, etwa das Problem, daß große Teile des Lohnes heimgeschickt werden, will ich nicht eingehen. Wenn man das darlegen würde, müßte man die Frage stellen: Was bleibt hier für die Allgemeinheit? Für Teile der Großindustrie mag manches einfacher und recht rentabel sein. Für die Allgemeinheit aber sieht das anders aus.
({0})
Man bekämpft also, so kann man sagen, die Arbeitslosigkeit, gleichzeitig aber, ich wiederhole es,
schafft man Arbeitslose, indem man Gastarbeiter
heranzieht, und es entsteht dann der Widerspruch:
({1})
Der Bund wendet Summen auf zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit - Herr Kollege, das muß gesagt werden -, sorgt aber gleichzeitig dafür, daß dieses Geld nicht im Inland, in der Hauptsache zur Sicherung der Arbeitsplätze und einer modernen Regionalpolitik - bei der wir auf einige Versäumnisse hinzuweisen haben -, verbleibt.
Ohne Zweifel haben unsere staatlichen Maßnahmen der Wirtschaftsankurbelung etc. doch vor allem den Zweck, ich unterstreiche es, den Arbeitsplatz zu sichern. Die Furcht vor der Arbeitslosigkeit, die mancherorts herrscht, liegt unter anderem begründet in der Art und in dem Tempo der Wirtschaftsepoche in den letzten 15 Jahren. Diese Wirtschaftsepoche, die hinter uns liegt, hatte die Aufgabe, das zurückgelassene Ruinenfeld wiederaufzubauen und das wirtschaftliche Leben wieder in Gang zu bringen. Dieser Wiederaufbau erforderte Arbeit über den normalen Konsum und über den normalen Bedarf hinaus. Die Abwertung der Währung und die damit verbundene Streichung der Schulden ermöglichten von der finanziellen Seite her diesen raschen Aufbau und sogar die Schaffung von Überkapazitäten über den normalen Bedarf hinaus. Dadurch war es auch möglich - ich sage es nicht vorwurfsvoll und gar nicht zu kritisch -, daß Löhne und Sozialleistungen in einem Maße erhöht werden konnten, wie es bei normalem Ablauf der Wirtschaft nur schwer oder nur viel langsamer möglich gewesen wäre. In einem entsprechenden Maße stiegen, abgesehen von den landwirtschaftlichen Erzeugerpreisen und den Preisen in wenigen anderen Gruppen, fast alle übrigen Preise.
Nunmehr aber - und das ist der entscheidende Punkt - sind der Geldumlauf und der öffentliche und private Schuldenstand wieder - das haben wir dieser Tage gehört oder wenigstens andeutungsweise gehört - so erhöht, daß öffentliche und private Lasten sich nicht mehr ohne Schaden für die öffentliche und private Wirtschaft erhöhen lassen.
Wenn jetzt der Staat trotzdem mit öffentlichen Geldern und einer weiteren Verschuldung einspringt, so tut er dies in erster Linie, um die Arbeitsplätze zu sichern, und zwar in den finanziell und strukturell schwachen Gebieten, und nicht, um die in der Zeit des Wiederaufbaues entstandenen Überkapazitäten noch eine Zeitlang durchzuschleppen oder gar neue zu schaffen und die Ballungsgebiete noch weiter auszudehnen.
Das Problem der Beschäftigung kann daher - und ich habe diese Einfügung für wichtig, für grundsätzlich gehalten - nicht ohne Einbeziehung der Gastarbeiter gesehen werden. Am gleichen Stichtag, z. B. am 31. März 1967, an dem die Zahl der Arbeitslosen 575 000 betrug, waren 1 054 640 Gastarbeiter in der Bundesrepublik beschäftigt. Die Gesamtbeschäftigtenzahl wird in der deutschen Statistik seit 1964 leider nicht mehr erhoben, und die Errechnung aus dem Mikrozensus dürfte nicht völlig verläßlich sein. Unter Zugrundelegung einer Beschäftigtenzahl von
etwa annähernd 22 Millionen hat die Gastarbeiterquote mit etwa 5,5 IA, zeitweise fast 6 %, doppelt so hoch gelegen wie die Arbeitslosenquote. Ich sage das, ohne diese Zahlen - zu weitgehend - gegeneinander aufrechnen zu wollen.
Meine Damen und Herren, die Zielsetzungen, die wir uns gegeben haben - „Vollbeschäftigung" sowie „Sicherung des Arbeitsplatzes", wie es zur Zeit auf den Plakaten steht, aber auch eine „aktive Regionalpolitik" -, werden bei konstanter Zahl der Gastarbeiter - wenn man dieses Faktum ausklammert - in Zukunft nicht mehr zu erreichen sein. Nach dem Abschluß eines mehr als 15 Jahre dauernden hektischen Auf- und Ausbaus der Industrie muß sich die Bundesrepublik auf bescheidenere Zuwachsraten einrichten, wie sie auch für die Produktion anderer hochindustrialisierter Staaten typisch geworden sind. Das bedeutet aber, daß in einer Reihe von Branchen weniger Beschäftigte als bisher ausreichen werden, um die gefragten Güter zu erzeugen, wobei ich hier nicht auf die Folgen moderner Rationalisierung oder auf die Auswirkungen von Dumpingimporten eingehen will.
Diese Feststellungen geben die wachsende Einsicht wieder - darauf kam es mir an -, daß die Zielsetzungen „Vollbeschäftigung" und „Sicherung des Arbeitsplatzes" auch bei uns in Zukunft nicht mehr zu realisieren sein werden, wenn man an Fragen wie der Überkapazität der Bauwirtschaft u. a., insbesondere aber an der Frage der Gastarbeiter weiterhin vorbeigeht. Dies muß einmal deutlich gesagt werden - bei aller Rücksicht auf EWG und Nachbarländer und bei allem Takt, der uns in dieser Frage geboten ist.
({2})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Horten.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Sinne unserer Debatte in der vorigen Woche über die Änderung der Geschäftsordnung hatte ich an sich vor, hier noch eine zusätzliche Bemerkung zu dem Etat des Bundesarbeitsministeriums zu machen. Nachdem aber die angekündigten beiden Sätze unseres verehrten Kollegen Gleissner etwas ausgeufert sind, möchte ich im Interesse der Geschäftslage auf diese Bemerkungen verzichten und sie schriftlich dem Protokoll beifügen. *)
({0})
Das Wort hat Herr Rohde.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich halte es für angemessen, in dieser Haushaltsberatung einige Anmerkungen zur Methodik der Sozialpolitik zu machen. In der öffentlichen Diskussion und auch in den Debatten dieses Hauses ist in jüngster Zeit die Frage nach einer
*) Siehe Anlage 29
vorausschauenden und koordinierenden Sozialpolitik aufgeworfen worden. Sie hat zunehmend Gewicht erhalten. Diese Diskussion geht von der Überlegung aus, daß ein leistungsfähiges System sozialer Sicherheit eine dauernde Aufgabe eines modernen Industriestaates ist und deshalb vorausschauende Politik auch für eine stetige und finanziell gesicherte Entwicklung sorgen muß.
Diese Gedankengänge beschäftigen heute nicht nur die Politik und die Sozialwissenschaft. Auch die Menschen draußen im Lande - diese Erfahrung haben wir alle gemacht - sind zukunftsbewußter geworden. Sie beschäftigt nicht nur der heutige Stand der sozialen Leistungen. Sie fragen auch, wie die soziale Sicherung sich in Zukunft darstellen wird, wie ihre finanziellen Grundlagen sein werden und wie dafür gesorgt wird, daß den finanziellen Beiträgen, die insbesondere von den Beitragszahlern der Sozialversicherung heute für die Daseinsvorsorge erbracht werden, ein gesichertes Leistungsrecht von morgen gegenübersteht. Diese Fragen, meine Damen und Herren, müssen ernst genommen werden. Sozialpolitik muß, um sie zu beantworten, langfristig angelegt sein und darf sich nicht in kurzfristigen Maßnahmen erschöpfen.
Eine Anmerkung möchte ich in diesem Zusammenhang zu dem Diskussionsbeitrag des Kollegen Mischnick machen: Daß Sozialplanung in unserem Lande jahrelang nicht durchgesetzt werden konnte und daß auch bei der Beratung des Finanzänderungsgesetzes im vergangenen Jahr nicht von der Orientierungshilfe eines Sozialbudgets ausgegangen werden konnte, hat klar erkennbare Gründe. Auch die FDP muß sich daran erinnern lassen, daß in unserem Lande Konservative und Liberale jahrelang Widerstand gegen Sozialplanung geleistet haben, daß Planung und Vorausschau in der Politik geradezu verketzert worden sind,
({0})
unter Ideologieverdacht gestellt und nicht als Instrumente rationaler Politik verstanden wurden. Wir wollen Sozialbudgets, wir wollen Vorausschau in der Sozialpolitik durchsetzen, weil wir langfristig Sicherheit wollen, vor allem im Bereich der Alterssicherung, und, Herr Kollege Mischnick, weil wir wegkommen wollen von der Prophetie der Düsternis, die diese Debatten durchzieht.
Heute liegt Ihnen für die diesjährigen Haushaltsberatungen ein Entschließungsantrag vor, durch den die Vorstellung von einer vorausschauenden Sozialpolitik methodisch konkretisiert werden soll. Die Koalitionsparteien ersuchen darin die Bundesregierung, im Rahmen einer mittelfristigen volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung jährlich eine Vorausschau über die Gesamtheit der sozialen Aufwendungen und ihre Aufbringung vorzulegen. Diese mittelfristige Vorausschau, Herr Bundesarbeitsminister, soll eine Ständige Aufgabe sein. Sie soll jeweils einen Zeitraum von vier Jahren umfassen, und ihre Darstellung soll alljährlich im Sozialbericht erfolgen.
Das politische Begehren, das in diesem Antrage der Koalitionsparteien zum Ausdruck kommt, ist
auch wissenschaftlich abgesichert. Sie erinnern sich sicherlich an den Bericht der Sozialenquete-Kommission, die der Regierung und der Gesetzgebung dringend empfohlen hat, sich um die Erstellung von Sozialbudgets als Hilfsmittel der Sozialplanung und der Sozialpolitik zu bemühen. Die Professoren haben uns allerdings gleichzeitig mit dieser Empfehlung zwei Hinweise gegeben, die ich an dieser Stelle aufnehmen und unterstreichen möchte.
Erstens: Das Sozialbudget kann nicht als ein schematisch zu handhabender Plan verstanden werden, kann nicht ein zum Selbstzweck erhobenes fiskalisches Rechenwerk Sozialbudgets sollen Orientierungshilfen für die Politik geben, sollen besseren Überblick über den vielgestaltigen Bereich der sozialen Leistungen schaffen und Alternativen an die Hand geben. Sie können der Politik die Entscheidung nicht abnehmen, sondern sie sollen der Politik helfen, die notwendigen Entscheidungen an gesicherten Zukunftsdaten zu orientieren.
Der zweite Hinweis der Professoren ist nach meiner Meinung ebenso ernst zu nehmen: Das Sozialbudget darf nicht - so haben sie zu verstehen gegeben - eine isolierte Kostenrechnung des Sozialaufwandes sein, mit der, losgelöst vom wirtschaftlichen Prozeß, politische Spekulationen angestellt werden. Die mittelfristige sozialpolitische Vorausschau, die wir im Auge haben, muß im Rahmen einer volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung erfolgen, d. h. sie muß auf dem Hintergrund der wachsenden Leistungsfähigkeit der industriellen Gesellschaft gesehen werden. Das will der von uns vorgelegte Antrag erreichen. Das ist nicht nur eine methodische Frage, sondern gleichzeitig kommt damit zum Ausdruck, daß wir auf diese Weise den wirtschaftlichen Fortschritt mit dem sozialen Fortschritt verbinden wollen.
Ein Sozialbudget ist also kein Selbstzweck, sondern ein Hilfsmittel moderner Gesellschaftspolitik, die isolierte politische Betrachtungsweisen und enge Fachreservate überwinden und die verschiedenen innenpolitischen Bereiche - insbesondere die Wirtschafts-, Sozial- und Finanzpolitik - miteinander verbinden muß. In einer Zeit, in dersich mittelfristige Wirtschaftspolitik und Finanzplanung immer mehr durchsetzen, kann Sozialpolitik nicht mehr im Stile sporadischer und unsystematischer Eingriffe betrieben werden. Das ist der Sinn des Antrags auf Umdruck 395.
({1})
Das Wort hat Herr Mischnick.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Herr Bundesarbeitsminister hat davon gesprochen, daß die „fdk" unfair über seine Antwort berichtet hat. Da dieser fdk-Artikel als Erklärung den Namen meines Kollegen Spitzmüller enthält, der heute nicht hier sein kann, fühle ich mich verpflichtet, die Punkte hier vorzulesen, um das ganz klarzustellen, was in der fdk steht. Es lautet wörtlich:
Die FDP-Bundestagsfraktion hat nach nunmehr sieben Monaten die endgültige Antwort auf ihre Kleine Anfrage ... erhalten, wie die Beitragsentwicklung für die Rentenversicherungen der Arbeiter und Angestellten sich gestalten wird, wenn anstelle der in der mittelfristigen Finanzplanung angenommenen durchschnittlichen Lohn- und Gehaltssteigerungen von 5 % nur mit 3 % oder evtl. mit 7 % pro Jahr zu rechnen sei. Mit diesen Zahlen sollte nach Ansicht der FDP ein besserer Überblick über mögliche Entwicklungen und Konsequenzen gegeben werden, als es bei der einfachen Annahme der Bundesregierung der Fall ist.
Die von Bundesarbeitsminister Katzer unter Drucksache ... als Ergänzung zu Drucksache ... jetzt vorgelegte Antwort ist in ihren Ergebnissen - wie der Abgeordnete Kurt Spitzmüller als Vorsitzender des Arbeitskreises . . . erklärte - in mancherlei Hinsicht bemerkenswert.
Folgende vier Punkte sind interessant: Jetzt kommen die vier Punkte:
1. Wenn der Entgeltanstieg jährlich nur 3 % beträgt, ist im Jahre 1971 an Stelle des beschlossenen Beitragssatzes von 17 % ein Beitragssatz in Höhe von 18,7% erforderlich.
Das ist hier vorgelesen worden. Nicht erwähnt worden ist:
2. Ein 4%iger Unterschied in den Lohnzuwachsraten macht eine Veränderung der Beitragseinnahmen im Jahre 1971 von 2127 Millionen Mark in der Rentenversicherung aus.
3. Unter der gleichen Annahme ({0}) würde auch der Bundeszuschuß um 726 Millionen Mark höher ausfallen müssen.
4. Auf eine scheinbare Widersprüchlichkeit sei schließlich aufmerksam gemacht: Wenn der Lohn langsamer als angenommen steigt, wachsen die Höchstbeiträge wegen der höheren Beitragssätze schneller als im Falle hoher Lohn-und Gehaltssteigerungen. Der monatliche Höchstbeitrag würde im Jahre 1971 bei einer 3%igen Lohnsteigerung 337 Mark betragen, im Falle einer 7%igen Steigerung 308 Mark.
Wo hier eine Unfairneß vorliegen soll, vermag ich beim besten Willen nicht zu erkennen. Hier ist klipp und klar jede Möglichkeit genannt, auch die 7 %ige Steigerung mit dem niedrigeren Beitragssatz. Ich verwahre mich dagegen, daß man hier Unfairneß unterstellt, statt den gesamten Wortlaut so, wie er hier steht, vorzutragen.
({1})
Nun ein Wort zu den Zahlen, die hier genannt worden sind. Herr Kollege Schellenberg, Sie haben gesagt, daß die 70 %, von denen ich gesprochen habe, natürlich in Relation gesetzt werden müßten. Jawohl! Diese Relation will ich gerne herstellen. Denn nach der mittelfristigen Finanzplanung ist in der gleichen Zeit, selbst wenn ich eine 5 %ige Lohnsteigerung unterstelle, bestenfalls mit einem Mehr an Lohn und Gehalt von 22 % - das ist schon aufgerundet - zu rechnen. Gehe ich aber auf diese Zahl ein und nehme ich als Grundlage den Betrag, der in der Finanzplanung ursprünglich genannt war, so ist der Höchstbeitrag zu der Rentenversicherung 1971 306 DM. 306 DM im Jahre 1971 sind haarscharf - rechnen Sie es bitte nach - 56,1 % mehr. Gehe ich von der Überlegung aus, wie wir es nach dem Finanzänderungsgesetz beschlossen haben, nämlich von 323 DM, so ist die Steigerung haarscharf 64,8%. Kommt aber nur die 3%ige Lohnerhöhung zustande, sind es 70 % mehr, während die Löhne und Gehälter dann eben nicht um 22 % steigen, sondern um höchstens 13 %. Das sind die Zahlen; damit müssen Sie sich abfinden. Wenn Sie das nicht wollen, tut es mir leid.
({2})
- Meine Damen und Herren, Herr Kollege Stingl sagt wiederum: „Sie müssen es doch in der Relation sehen." Sie haben recht, Sie müssen es dann in der Relation der Lohn- und Gehaltssteigerung in diesem Zeitraum sehen: 13 % Lohn- und Gehaltssteigerungen bei 3 % jährlich zu 70% Beitragssteigerung oder 22 % Lohn- und Gehaltssteigerung zu im günstigsten Fall - ich wiederhole es - 56,1 % Beitragssteigerung. Sie, Herr Kollege Stingl, haben von dieser Stelle aus auf die Frage meines Kollegen Spitzmüller, ob Sie nicht auch der Meinung seien, daß die Beitragserhöhung von 14% auf schließlich 17 % keine Rentenverbesserung bringe, schlicht gesagt: „Das ist keine Frage, sondern das ist eine Tatsache." Und weil es eine Tatsache ist, deshalb entsteht die Diskrepanz zwischen Lohn- und Gehaltssteigerung und Beitragssteigerung. Das ist mathematisch einwandfrei. Wenn Sie es nicht glauben wollen, tut es mir leid.
({3})
Meine Damen und Herren, zum Abschluß dazu noch eine Bemerkung. Hier ist bereits gesagt worden, wie schwierig doch das Problem der Lohnbelastungen sei. In dem Aktionsprogramm des Mittelstandskreises der CDU/CSU - veröffentlicht in der „Handwerks-Zeitung" vom 5. April - lese ich unter Punkt 4:
Die Lohnbezogenheit bei den Sozialabgaben ist abzubauen, sie führt zu einer Benachteiligung der arbeitsintensiven Unternehmen und ist im Zuge der Konzentration und der Rationalisierung der Unternehmen für die Zukunft auch volkswirtschaftlich nicht mehr tragbar.
({4})
Nun, meine sehr verehrten Damen und Herren der Koalition, ich wäre dankbar, wenn Sie diese Forderung, die Sozialabgaben abzubauen, mit der Forderung der Mehrheit der Koalition, sie weiter steigen zu lassen, um die Ansprüche aus der Rentenversicherung erfüllen zu können, unter einen Hut brächten. Da nützen alle Ihre Fragen an die Opposition nichts. Hier müssen Sie Farbe bekennen.
({5})
Das Wort hat der Herr Bundesarbeitsminister.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Keine Sorge, ich möchte den guten Eindruck von vorhin nicht verschlechtern. Ich wollte nur Herrn Kollegen Mischnick sagen, daß ich dadurch, daß ich mich vorhin so kurz gefaßt habe, mir erspart habe, das Ganze vorzulesen.
({0})
- Jawohl, und ich will Ihnen sagen, worauf sich mein falscher Eindruck bezieht.
({1}) Es ist hier in den vier Punkten -
({2})
- Es dauert länger, Herr Kollege. - In den vier Punkten, Herr Kollege Mischnick, ist alleine im ersten Punkt ein Beitragssatz von 18,7 % genannt. In den drei anderen Punkten ist kein Beitragssatz genannt, sondern die Bezugszahlen. Das empfinde ich als unfair, weil dann in der ganzen Presse nur diese eine - ({3})
- Jawohl, da ist die eine Zahl genannt worden, 18,7. Fair wäre es gewesen, wenn man dann auch die anderen Prozentsätze genannt hätte, 17,4 und 16,2, wie es in meinem Bericht steht. Das war das, was ich zum Ausdruck bringen wollte.
({4})
Meine Damen und Herren, es liegen keine Wortmeldungen mehr vor. Die Aussprache ist geschlossen.
Wir kommen zum Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU und der SPD auf Umdruck 394 ({0}). Der Antrag ist begründet? ({1})
- Frau Schroeder hat das Wort zur Begründung des Antrags.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich darf den Antrag der CDU/CSU-Fraktion und der SPD-Fraktion auf Umdruck 394 *) kurz begründen. Die Bundesregierung hatte im Kap. 1102 Tit. 585 einen Betrag von 6 Millionen DM zur Förderung von gesellschaftspolitischen Maßnahmen für die älteren Menschen eingesetzt. Der Herr Berichterstatter hatte dies bereits erwähnt, und er hat auch von den Erwägungen gesprochen, die im Haushaltsausschuß dazu geführt haben, diesen Betrag zu streichen. Wir bitten Sie, diesen Ansatz wieder herzustellen und in den Er-
*) Siehe Anlage 16
läuterungen, die den Aufgabenkatalog hierzu enthalten, die Regierungsvorlage wieder herzustellen.
Worum geht es? Wir stehen in bezug auf unsere ältere Generation vor einer neuen Situation. Nicht nur die Zahl der alten Menschen hat zugenommen, sie stehen auch in ihrem Alter einer stärker verwandelten Umwelt gegenüber als je eine Generation zuvor. Sie sind nicht mehr so in die Familien integriert, und sie stehen besonders in den großen Städten immer in der Gefahr einer Isolierung. Ich meine, daß alle Stellen die Pflicht haben, in dieser Situation zu helfen, damit diese Menschen den ihnen zustehenden Platz in unserer Gesellschaft einnehmen können und damit ihnen an ihrem Lebensabend die Geborgenheit gegeben werden kann, die sie verdienen.
Dazu genügt die materielle Sicherung, so wichtig diese auch ist, allein nicht mehr. Wir bitten Sie auch sehr darum, diese Aufgaben nicht mehr zurückzustellen, sondern sie sofort in Angriff zu nehmen und hierzu die Möglichkeiten zu schaffen. Wir meinen, daß auch die Einrichtung eines Leertitels nicht mehr genügt. Es hat sich ja herausgestellt, daß man hier ganz ohne Mittel nicht wirksam weiterkommt. Der Herr Berichterstatter hat mit vollem Recht an die Debatte erinnert, die wir hier schon einmal geführt haben. Daraufhin sind die Vorschläge, die hier gemacht worden sind, aufgegriffen worden, und es ist versucht worden, sie weiterzutreiben. Das ist aber eben ganz ohne Mittel, das liegt ja auf der Hand, nicht möglich.
Lassen Sie mich im Hinblick auf die Bedenken, die im Haushaltsausschuß und auch im Bundesrat lautgeworden sind, noch einmal betonen: Dieser Betrag soll nicht etwa dazu dienen, Aufgaben von den Ländern, den Gemeinden und den freien Verbänden auf den Bund zu ziehen. Dazu ist er auch gar nicht groß genug. Hier sollen vielmehr in einer neuen Situation neue Wege erprobt werden, Modelleinrichtungen gefördert werden, Anregungen gegeben werden. Kurz, es soll etwas in Gang gesetzt werden, damit diese Aufgabe in den Ländern, den Gemeinden und den Verbänden um so leichter und besser weitergeführt werden kann.
Deshalb ist auch die Sorge nicht berechtigt, dieser Betrag könne in den nächsten Jahren zu stark anwachsen. Der Bund soll sich hier auf die ganz speziellen Aufgaben der Starthilfe beschränken. Ich denke z. B. an die Einrichtung von Altenwerkstätten, überhaupt das Problem des sogenannten Pensionsschocks und die Bemühungen, den alten Menschen auch eine sinnvolle Betätigung zu geben, wenn sie diese wünschen, sowie eine wirkungsvolle Vorbereitung auf das Alter. Es müssen auch einmal überörtliche zentrale Feststellungen auf Bundesebene getroffen werden, Situationen durchleuchtet werden und statistisches Material ausgewertet werden können. Bei all diesen zentralen Aufgaben, die nur der Bund lösen kann, soll dieser nicht sehr hohe Betrag helfen.
Wir haben einen Deckungsvorschlag unter Punkt 2 des Antrags Umdruck 394 gemacht. Ich bitte Sie, diesem Antrag zuzustimmen.
({0})
Das Wort hat der Herr Abgeordneter Könen ({0}).
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nachdem der Herr Berichterstatter in hervorragender Weise gesprochen hat und Frau Kollegin Schroeder in ebenso hervorragender Weise diesen Antrag begründet hat, wobei der Herr Berichterstatter nur zu einem anderen Schluß kam, nämlich zu dem Schluß: Wir wollen es streichen, kann ich es sehr kurz machen. Mir schwirren noch die Hunderte von Millionen im Kopf herum, über die wir vor anderthalb Stunden gesprochen haben. Jetzt geht es um 6 Millionen. Ich schließe mich den Ausführungen der Frau Kollegin Schroeder vollinhaltlich an.
Ich möchte ängstliche Gemüter darauf hinweisen, daß der Ausschuß für Sozialpolitik auf Vorschlag des Kollegen Rohde beschlossen hat, den Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung um Vorlage der notwendig werdenden Richtlinien für die Zuwendung der Mittel vor ihrer Veröffentlichung zu bitten, so daß auch die Sorge hinsichtlich der Zusammenarbeit der Ressorts hinfällig ist. Das strahlt natürlich auch in die Länder usw. aus.
Meine Damen und Herren, ich habe einen Wunsch: daß sich auch die Mitglieder des Haushaltsausschusses dazu bekennen, hier ja zu sagen. Eines möchte ich dazu aber noch sagen. Nachdem ich mich schon jahrelang darüber ärgere, wenn Regierungen bei uns - mehrere Regierungen, auch die jetzige - sagen: Laßt uns die Finanzreform abwarten, sollte es der Haushaltsausschuß nicht zur Übung machen, es genauso zu tun.
Nun zu Herrn Kollegen Gleissner. Ist er da?
({0})
- Schade. Ich wollte gerade die Tatsache, daß ich hier oben stehe, noch dazu mißbrauchen, ihm etwas zu sagen. Ich habe nicht ganz begriffen, warum er das gesagt hat, was er gesagt hat. Aber es war sehr vieles falsch. Man müßte ihn fragen: Sind Sie gegen die Freizügigkeit der Arbeitnehmer in der EWG? Man müßte ihn außerdem fragen, ob er nicht weiß, daß bei Vollbeschäftigung die Inanspruchnahme einheimischer Arbeiter für ganz bestimmte Arbeiten sehr schwierig wird und daß man dafür seine sogenannten Gastarbeiter, die ich „ausländische Arbeitnehmer" nenne, braucht. Die hat man übrigens auch früher, vor vielen Jahrzehnten schon, gebraucht. Im übrigen ist es sozialpolitisch gar nicht so, wie er das glaubt. Sicher zahlen die Leute Beiträge und haben später Forderungen. Aber sie schaffen hier Werte. Sie schicken Geld nach Hause, sie lassen aber auch welches hier. Wenn wir diese sogenannten Gastarbeiter nicht gehabt hätten, wäre manche Straße dreckiger geblieben, als sie heute ist.
({1})
Meine Damen und Herren, jetzt kommen wir zur Abstimmung, zunächst über den Änderungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD auf Umdruck 394 ({0}) Ziffer 1. Die Ziffer 2 bezieht sich auf den Einzelplan 60. Wer dem Antrag zuzustimmen wünscht, gebe das Zeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Gegen einige Gegenstimmen und bei wenigen Enthaltungen angenommen.
Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 11. Wer dem Haushalt des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung zustimmen will, gebe das Zeichen. - Danke. Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Gegen die Stimmen der FPD-Fraktion angenommen.
Ich rufe Einzelplan 12 auf:
Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr
- Drucksache V/2712 Berichterstatter: Abgeordneter Haehser
Zusammen mit diesem Einzelplan rufe ich den Zusatzpunkt auf:
Erste Beratung des von der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über eine Bundesanstalt für das Transport-und Tarifwesen
- Drucksache V/2815 Ich frage, ob das Wort in der allgemeinen Aussprache gewünscht wird. - In der allgemeinen Aussprache hat Herr Haehser das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dennoch wird man zu einem Einzelplan sprechen können, und man braucht sich, hoffe ich, nicht dafür zu entschuldigen, wenn man sich strikt an diesen Einzelplan hält; im Grunde genommen steht der zur Debatte.
Der Einzelplan 12 - der Haushalt des Bundesministers für Verkehr - gibt Aufschluß über die Bedeutung, die die Regierung und das Parlament den Aufgaben zumessen, die im Bereich des Verkehrsressorts zu lösen sind. Mit 8185 Millionen DM ist es der drittgrößte Einzelplan nach dem Haushalt der Verteidigung und nach dem soeben behandelten Sozialhaushalt.
Die vergleichbaren Ausgabenansätze stiegen gegenüber dem Rechnungsjahr 1967 um 738 Millionen DM oder um rund 10 %. Mit diesem Ausgabevolumen sind die verschiedenartigsten Verkehrseinrichtungen zu bedienen, auch solche, die untereinander in scharfer Konkurrenz stehen; denn bekanntlich ressortieren im Einzelplan 12 die Bundesbahn ebenso wie die Bundesbeteiligung an der Deutschen Lufthansa, die Bundeswasserstraßen, die Bundesstraßen und Autobahnen und auch die Hilfen für die Seeschiffahrt. Der Bundesverkehrsminister kann zwar nicht die Interessen aller Verkehrsträger unter einen Hut bringen, aber er kann koordinieren und Prioritäten feststellen. Beides tut er, beides gelingt ihm weitgehend, und dafür verdient er meines Erachtens ein Kompliment.
({0})
Meine Damen und Herren, ich möchte etwa in der Reihenfolge der Bedeutung der Ausgabenblöcke einige Betrachtungen anstellen und komme selbstverständlich zunächst zu der Problematik des Straßenbaus.
Seit Jahren ist dieses Hohe Haus durch das Straßenbaufinanzierungsgesetz gehalten, 50% des Aufkommens der Mineralölsteuer für den Straßenbau zur Verfügung zu stellen. Dieser gesetzlichen Verpflichtung sind wir indessen in unserer bisherigen Haushaltsgestaltung nie nachgekommen. In den Vorjahren wurden vielmehr jeweils feste Sockelbeträge dem Straßenbau gegeben, die nie auch nur annähernd die geforderten 50% der Zweckbindung erreichten. Im Rechnungsjahr 1968 hingegen ist erstmalig das Prinzip der Zweckbindung durchgesetzt. Das möchte ich ausdrücklich feststellen und begrüßen.
({1})
- Ist er da? Dann werde ich es tun. Er ist nicht da. Würden Sie es ausrichten?
({2})
Von dem zweckgebundenen Aufkommen werden zwar durch das Finanzänderungsgesetz bestimmte Festbeträge für allgemeine Deckungsmittel abgezogen. Diese Festbeträge werden während der Laufzeit der mittelfristigen Finanzplanung aber immer geringer. Für 1968 beträgt der Abzug noch 320 Millionen DM, während wir im Jahre 1971 den Abzug auf 20 Millionen DM zurückgeführt haben werden. Damit ist nach menschlichem Ermessen ab 1972 die im Gesetz vorgeschriebene Zweckbindung sichergestellt und damit auch - ich muß das betonen - eine langjährige Forderung der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion erfüllt. Nun bedeutet Zweckbindung natürlich nicht nur Zweckbindung an wachsende Aufkommen. Mindereinnahmen bei der Mineralölsteuer müssen zwangsläufig dazu führen, daß auch dem Straßenbau weniger Mittel zur Verfügung stehen. Das liegt im Prinzip der Zweckbindung.
Damit komme ich zur Steuerschätzung dieses Jahres. Sie liegt jetzt bei 9,6 Milliarden DM und damit um 200 Millionen DM niedriger, als es die ursprüngliche Regierungsvorlage vorgesehen hat. Das bedeutet - dennoch macht es keine Sorgen, ich werde das begründen -, daß für den Straßenbau 100 Millionen DM weniger zur Verfügung stehen gegenüber dem ursprünglichen Ansatz. Ich sage, man muß sich dennoch keine Sorgen machen. Der Haushaltsausschuß hat nämlich in seinen Beratungen auf die Kürzungen des Straßenbauplans ausdrücklich verzichtet. Er hat festgestellt, daß gegebenenfalls bei der Bewirtschaftung der Gelder darauf geachtet werden muß, daß der Betrag, den der zweckgebundene Teil der Mineralölsteuer erbringt, kassenmäßig nicht überschritten werden darf.
Aber es gibt einen zweiten Grund, weswegen wir uns wenig oder gar keine Sorgen machen müssen. Dieser Grund ist uns von den Schätzungen des Aufkommens der Mineralölindustrie geliefert worden. Diese schätzt das Aufkommen wesentlich optimistischer als das Bundesministerium der Finanzen. Die Mineralölindustrie, die sich selten oder doch in Fehlergrenzen geirrt hat, die nicht von Bedeutung sind, rechnet mit einem Aufkommen, das für die Zweckbindung in Frage kommt, in Höhe von 9,150 Milliarden DM. 50 % davon würden, wenn man die Mittel für die Verbesserung der Verkehrsverhältnisse in den Gemeinden abzieht, 4,165 Milliarden DM ausmachen. Wenn man auch noch berücksichtigt, daß die Berechnung der Industrie auf dem Umsatz eines ganzen Kalenderjahres basiert, während der Haushalt von der Fälligkeit der Steuer ausgehen muß, kann man als sicher annehmen: Wir werden die Mittel, die der Straßenbauplan vorsieht, voll durch die Einnahmen erreichen, die die Mineralölsteuer erbringt.
Ich erlaube mir, obwohl wir keinen Antrag stellen, die Anregung an das Finanzministerium, sich zukünftig doch auch vielleicht mehr als bisher bei der Fixierung der Steuerschätzung der Unterlagen zu bedienen, die die Mineralindustrie für diesen Bereich liefert.
Ich möchte noch darauf hinweisen, meine Damen und Herren, obwohl Sie es sicher schon wissen, daß der Ansatz aus dem Drei-Pfennig-Zuschlag zur Mineralölsteuer für die Verbesserung der Verkehrsverhältnisse in den Gemeinden durch den Haushaltsausschuß um 50 Millionen DM gegenüber der Regierungsvorlage heraufgesetzt worden ist. Damit stehen 750 Millionen DM zur Verfügung.
({3})
Im übrigen - auch das wird sicher begrüßt werden können - müssen die Baumaßnahmen, die zukünftig aus dem Drei-Pfennig-Zuschlag gefördert werden, ab dem nächsten Haushaltsjahr für jeden sichtbar als Anlage zum Einzelplan 12 aufgeführt werden.
Zum großen Ausgabeposten Deutsche Bundesbahn möchte ich hier nur wenige Bemerkungen machen, weil ich mich gerade auf den Einzelplan beziehe und selbstverständlich keine große allgemeine Verkehrsdebatte heraufbeschwören möchte. Mit dem Ansatz für die Deutsche Bundesbahn in Höhe von 2,765 Milliarden DM bleiben wir in dem Rahmen, den die mittelfristige Finanzplanung gesteckt hat. Aber wir bleiben mit 138 Millionen DM unter dem Volumen des Entwurfs des Wirtschaftsplanes der Deutschen Bundesbahn. Der Haushaltsausschuß hat seinerseits auch diesen Betrag ungedeckt gelassen, so daß die Bundesbahn ihren Wirtschaftsplan für diese Summe durch Geldmarktmittel vorfinanzieren muß.
Für die Deutsche Bundesbahn ist im übrigen der Fortgang der Beratungen des verkehrspolitischen Programms von allergrößter Bedeutung - vor allen Dingen auch das, was dabei herauskommt. Dieses verkehrspolitische Programm kann die Weichen für eine bessere Entwicklung dieses bedeutenden Verkehrsunternehmens stellen, während Verzögerungen oder Verwässerungen oder gar gänzliche Veränderungen der Programmvorschläge dazu führen könnten, daß für den Bereich der Deutschen Bundesbahn eines Tages auf uns Lasten zukommen, die über das Leistungsvermögen des Bundeshalts hinausgehen können.
({4})
Erlauben Sie mir noch, auf einige wenige Themen des Einzelplans 12 hinzuweisen, darauf, daß wir die Finanzierungshilfen für die Seeschiffahrt im
Rechnungsjahr 1968 fortsetzen. Unter Einbeziehung der Mittel, die der ERP-Haushalt vorsieht, stehen dafür rund 100 Millionen DM zur Verfügung. Damit wird der sogenannte „Blaue Plan", der durch eine Anregung des Kollegen Hans Stefan Seifriz - jetzt Vorsitzender des Verkehrspolitischen Ausschusses - zustande kam, fortgesetzt.
Natürlich komme ich auch nicht umhin, ein paar Bemerkungen über die Bundeswasserstraßen zu machen. 40 % der vorgesehenen Investitionen für diesen Bereich im Jahre 1968 werden durch Kredite finanziert. Die SPD hält diese Finanzierungsmethode natürlich nicht grundsätzlich für falsch, zumal sie in der mittelrfistigen Finanzplanung vorgesehen ist. Aber es darf in diesem Zusammenhang auf Belastungen für künftige Haushaltsjahre hingewiesen werden.
Auch einen anderen Zusammenhang möchte ich anhand ,eines Beispiels ganz deutlich machen. Während einiger Tage des Dezember 1967 und des Januar 1968 war die kanalisierte Mosel nicht befahrbar; sie hatte Hochwasser. In diesen wenigen Tagen verlagerte die Ruhrkohle im Dezember 1.967 17 200 t und im Jahre 1968 20 100 t auf die Bundesbahntransporte. Damit will ich sagen: Mit Kanalbaufinanzierungen finanzieren wir natürlich Konkurrenzverkehrswege für das Unternehmen Deutsche Bundesbahn. Das muß man auch sehen.
({5})
Man muß auch etwas anderes sehen. In absehbarer Zeit beginnen wir mit dem Bau des ElbeSeiten-Kanals. Er hilft unserem Seehafen Hamburg.
({6})
- Soll ihm helfen. Wollen wir hoffen, daß das eintrifft. Wir bauen gleichzeitig den Rhein-Main-Donau-Kanal weiter. Er fördert die Konkurrenzhäfen unseres Seehafens Hamburg, nämlich die RheinmündungsHäfen.
({7})
- Er schaut mich so freundlich an, ich will ihn nicht fragen, Herr Kollege Hermsdorf.
Dieser Rhein-Main-Donau-Kanal - ich will es wiederholen, damit es festgehalten wird, weil ich das für wichtig halte - fördert die Wettbewerbsfähigkeit gegenüber unseren eigenen Seehäfen, obwohl eine gewisse Bevorzugung ohnehin schon gegeben ist. Diese Wasserstraße Rhein-Main-Donau geht von den ausländischen Rheinmündungshäfen quer durch die Bundesrepublik Deutschland und schafft eine Straße in den Südosten Europas. Ich habe Verständnis dafür, daß die Rhein-Main-Donau AG dieses große Projekt als „Europakanal" feiert.
Aber ich möchte doch darauf hinweisen, daß es mit der Inangriffnahme oder der Fortsetzung des Baus von Wasserstraßen nicht getan ist. Man muß ehrlicherweise auch die Problematik aufzeigen, die damit verbunden ist.
({8})
Damit es kein böses Blut bei den bayerischen Freunden oder bei den Leuten im Einzugsgebiet des Elbeseitenkanals gibt
({9})
- da sind zum Teil Ihre Kollegen schuld -, will ich doch feststellen, daß wir der Meinung sind: wir sollten loyal zu den Verträgen stehen, die abgeschlossen worden sind, auch wenn sie zum Teil Anfang der zwanziger Jahre abgeschlossen worden sind.
Ein drittletzter Hinweis. Für die Strukturentwicklung darf man von Kanalbaumaßnahmen nicht unbedingt Wunder erwarten. Das sage ich auch und gerade zu meinem Vaterland Rheinland-Pfalz
({10})
und zum Nachbarland meines Vaterlandes, dem Saarland. Dort gibt es ja Kanalbauprojekte, die in die Milliarden gehen. Ich möchte hinzufügen, meine Damen und Herren, daß man mit den Geldern, die neue Wasserstraßen kosten, Strukturverbesserungen finanzieren kann. Ob man das durch den Bau der Wasserstraßen erreicht, muß in Frage gestellt werden.
({11})
Ich will mit der Feststellung abschließen, daß die sozialdemokratische Fraktion des Deutschen Bundestages das Verkehrsressort in guten und auch starken Händen weiß. Ich will dieser Feststellung hinzufügen, daß wir dem Bundesverkehrsminister und der Regierung dafür dankbar sind, daß sie uns in der relativ kurzen Amtszeit eine verkehrspolitische Gesamtschau vorgelegt haben und Wege aufgezeigt haben, wie man den Verkehr in Deutschland besser gestalten kann. Dafür darf man danken, und man darf Glück für den weiteren Weg dieses Programms wünschen.
({12})
Meine Damen und Herren, unsere Marathonsitzungen haben zu einer Mangellage bei unseren Schriftführern geführt. Ich habe Herrn Kollegen Bühler gebeten, einzuspringen.
({0})
Das Wort hat Herr Imle.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sie führten vorhin an, Herr Präsident, daß der Antrag der FDP-Fraktion über den Gesetzentwurf zur Errichtung einer Bundesanstalt für Transport- und Tarifwesen noch zur Abstimmung steht. Ich möchte zu dem Antrag keine Begründung geben, sondern möchte bitten, ihn an die Ausschüsse zu überweisen, ohne daß das hier noch zum Gegenstand der Debatte gemacht wird, weil das lediglich unsere Zeit sehr in Anspruch nehmen würde.
({0})
Wenn Sie mir bei meinen anderen Ausführungen auch so zustimmten, wäre das sehr erfreulich.
({1})
- Ja, ich weiß.
({2})
- an den Verkehrsausschuß und den Wirtschaftsausschuß.
({3})
- Die Post ist natürlich auch angesprochen; es steht ihr frei, ihr Gutachten, wie es heute üblich ist, von sich aus dem Postausschuß abzugeben. Aber wir möchten ihn hier nicht als mitberatend besonders anführen.
Wenn auch heute nicht das Regierungsprogramm für die Neuordnung des Verkehrs zur Debatte stehe und wir darüber noch in der zweiten und dritten Lesung ja wohl sehr eingehend reden werden, so darf ich aber doch auf die in der Eingangsrede des Herrn Bundeskanzlers angeführten Bemerkungen zurückkommen, weil das hiermit irgendwie im Zusammenhang steht. Der Herr Bundeskanzler richtete zum Thema Verkehrspolitik einen kleinen .Appell an dieses Haus. Er sieht mit einiger Sorge, wie sich dieses Problem entwickelt hat. Man kann sicherlich sagen, daß diese Entwicklung nicht auf die Opposition, sondern auf das Nichtmiteinanderschwingen der Koalition zurückzuführen ist. Aber das müssen Sie beide ja miteinander aushandeln.
({4})
Er hat auch gesagt, er meine, daß sich da eine Lösung ermöglichen ließe, daß man sich zu einer Lösung zusammenfinden werde, damit das erreicht werde, was unbedingt erreicht werden müsse. Wenn dann allerdings der Herr Bundeskanzler - und das ist natürlich die Frage an Sie, Herr Minister - sagt, daß die Sanierung und Modernisierung der Bundes bahn eine gewisse Entlastung unserer sonstiger Verkehrswege und - nun kommt es - vor allem ein Einfrieren der Zuschüsse des Bundes auf dem bisherigen Niveau erfordert, so daß wir nicht in einigen Jahren mit einer Verdoppelung dieser Zu. schösse an die Bundesbahn zu rechnen haben, dann möchte ich wissen, ob der Herr Bundeskanzler die Sanierung der Bundesbahn damit erreichen will, daf wir bei der bisherigen jährlichen Bezuschussung vo: 3 Milliarden DM verbleiben, oder ob Ihre Auffassung noch richtig ist, daß man die Zuschüsse al solche überhaupt fortbringen will.
Ich meine, das ist doch ein erheblicher Unterschied, ob ich jedes Jahr noch 3 Milliarden DM zuzahle. Das dürfte sicherlich keine Sanierung der Bundesbahn sein. Hinsichtlich der Zielsetzung, das haben wir damals schon erklärt, sind wir uns einig.
s) Siehe Anlage 29
Die Bundesbahn muß saniert werden. Das wird aber mit einem jährlichen Minus von 3 Milliarden DM sicherlich nicht erreicht.
Nun lassen Sie mich einiges zu dem sagen, was hier insbesondere ansteht. Wir haben in den letzten Wochen seit Anfang März eine ganze Anzahl von Anhörverfahren durchgeführt. Hierbei hat auch der Herr Erste Präsident der Deutschen Bundesbahn erklärt, daß in dem, was hier vorgelegt worden ist, keine Sanierung der Bundesbahn gefunden werden kann. Das ist immerhin ein bedeutsames Wort des Ersten Präsidenten. Nachdem man dieses ganze Paket in die Welt gesetzt hat mit der Begründung, daß die Bundesbahn saniert werden soll, bin ich eigentlich der Meinung, daß hier Widersprüche offenliegen, die erst einmal geklärt werden sollten, bevor dieses Programm überhaupt endgültig verabschiedet werden kann.
Ein Zweites. In dem Programm der Regierung steht, daß dann, wenn man einige Verkehrsunternehmer im Zuge dieser Maßnahmen gegen den Straßenverkehr aus dem Gewerbe herausbringe, diese Unternehmer dann einen Ersatz in der Fläche finden sollten. Abgesehen davon, Herr Minister, daß ja die Fläche sowieso heute schon durch den Werknahverkehr und den Güternahverkehr überbesetzt ist - man weiß, wie schwierig die Situation für diese Unternehmer ist -, hat aber nun zusätzlich die Deutsche Bundesbahn erklärt, daß sie in der Fläche bleibe. Das heißt also, wenn die Bundesbahn sich nicht aus der Fläche zurückzieht, bleibt für die anderen Verkehrsunternehmer aber auch keine Möglichkeit zu einer gewerblichen Betätigung mehr übrig.
Ein dritter Punkt erscheint mir auch außerordentlich bedeutsam: das Problem der Regionalkonzession. Die soll ja nun mit den besonderen Maßnahmen durchgeführt werden. Die Bundesbahn hat durch ihren Ersten Präsidenten erhebliche Kritik an der Regionalkonzession geübt. Man hat diesen Vorschlag nicht akzeptiert und stellt damit von dieser Seite her die Durchführung des Programms völlig in Frage.
Inzwischen haben wir die Anhörverfahren durchgeführt, die doch Erkenntnisse gebracht haben, die der bisherigen Auffassung der Regierung entgegenstehen. Ich will sie nicht im einzelnen anführen, darf aber auf die Stellungnahmen der doch wohl unparteiischen Organisation des Deutschen Industrie- und Handelstages, aber auch des Bundesverbandes der Deutschen Industrie und andere hinweisen. Ich wäre Ihnen dankbar, Herr Minister, wenn Sie das entgegen Ihrer damaligen Einbringungsrede nun nicht so mit einer Handbewegung, so mit einem Schlenker auf die „Interessenvertreter" abtun würden. Ich meine, Interessenvertreter, die nicht ernstgenommen werden, sollte man im Bundestag eigentlich gar 'nicht hören, und wenn man schon Interessenvertreter hört, sollte man sich überlegen, was sie gesagt haben, und sollte daraus die Konsequenzen ziehen.
({5})
Es gibt noch eine Sache, die sich nicht so einspielen sollte. Während der Erörterung und während der Anhörung wurde uns ein Gutachten vorgelegt, das von Ihnen, Herr Minister, im Januar in Auftrag gegeben und vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin Anfang März erstattet worden ist. Das wurde uns während der Anhörungsverfahren in einem Auszug zugeleitet, wobei in den Erläuterungen, die uns gleichzeitig gegeben wurden, noch Bemerkungen des Herrn Bundesbahnpräsidenten Oeftering eingeschleust wurden. Ich muß Ihnen offen sagen, daß ich es außerordentlich begrüßt hätte, wenn uns das Gutachten als solches in vollem Umfang vorgelegt worden wäre. Dann hätte man nämlich einmal feststellen können, was in dem Gutachten steht und was nachher vom Ministerium noch veröffentlicht worden ist. Auf die Dinge im einzelnen will ich nicht eingehen; aber wenn die Möglichkeit besteht, sollte das noch nachgereicht werden.
All die Dinge, die ich soeben hier angeführt habe, ergeben doch wohl, daß wir die Sanierung der Bundesbahn, die wir doch alle wollen - das möchte ich ausdrücklich betonen, damit da nicht wieder ein falscher Schlenker hereinkommt -, nicht mit den Maßnahmen gegen den Straßenverkehr und mit den Vorschlägen, die hier gemacht worden sind, erreichen können, sondern daß man noch einmal das ganze Problem durchdenken und prüfen sollte, ob man es so durchführen kann. Denn wenn jetzt etwas verabschiedet wird, wirkt das mindestens auf ein Jahrzehnt hinaus, und auch nach den Gutachten, die uns erstattet worden sind, ist das Problem zu ernst, als daß man das einfach so kurzerhand verabschieden könnte, was sich natürlich mit der überabsoluten Mehrheit sehr leicht machen ließe. - Herr Stoltenberg, Sie kommen noch dran; ich bleibe auch gern bis 11 Uhr hier, um mir das alles sehr eingehend anzuhören.
Ein zweites Problem: die Straßenbaumittel. Wir haben soeben eine Zusammenstellung gehört. Aus dem Vortrag des Kollegen Haehser hat sich ergeben, zum erstenmal habe man erreicht, daß das ausgeglichen sei, was im Straßenfinanzierungsgesetz zugesagt sei, nämlich 50%. Nach dem, was mir bis heute aus den Ausschußvorlagen bekannt ist, kann Ich Ihnen da nicht zustimmen, sondern muß das bezweifeln. Denn das Gesamtaufkommen wird auf 9,8 Milliarden DM vorausgeschätzt. Davon geht das Aufkommen an Heizöl ab, ebenfalls die Verbesserung für die Gemeindewege, und dann bleiben, wenn ich die zusätzlichen 50 Millionen DM für die Gemeindewege hinzunehme, 8,2 Milliarden .Wenn ich davon die Hälfte nehme, müssen 4,1 Milliarden angesetzt werden. Gekürzt ist aber um 320 Millionen DM.
({6})
- Ja. Die sind aber heraus; und die sollen dann - das haben Sie aber nicht gesagt; bitte verbessern Sie mich, wenn es nicht stimmt -, durch Öffa-Mittel ersetzt werden. Das werden sie ja; insofern käme man glatt. Aber daß diese Öffa-Mittel dann der
privaten Wirtschaft draußen fehlen, das ist ja wohl eine klare Sache.
({7})
- Selbst wenn ich Ihnen da zustimme, steht jedenfalls fest, daß das Mineralölsteueraufkommen mit 50 °/o, wie es hier festgesetzt ist, nicht erreicht wird und daß man einen Ausweg sucht.
({8})
Wenn ich das ausrechne, komme ich auf eine Gesamtkürzung um 4,8 %.
Das wird also nicht erreicht.
Lassen Sie mich noch ein Weiteres sagen. Gleich wie die Dinge hier liegen, möge die Regierung Überlegungen anstellen - das ist an sich zur Zeit nicht unsere Aufgabe, Herr Minister -, wie weitere Straßenbaumittel frei gemacht werden können, ohne daß das Aufkommen aus der Mineralölsteuer als solches gekürzt wird.
Dann haben wir eine weitere Bitte: dafür zu sorgen, daß bei den Zuweisungen an die Gemeinden für den Gemeindewegebau, die jetzt mit 750 Millionen DM angesetzt werden, die Länder nicht hergehen und die Zuweisungen kürzen, wenn die Gemeinden selbst in etwa in die Lage versetzt werden sollten, aus eigenen Mitteln das aufzubringen. Wir meinen, auch da sollte man korrekt sein und die Länder veranlassen, nicht Einsparungen vorzunehmen, so daß die betreffenden Mittel dann den Gemeinden bei der Durchführung ihrer Aufgaben fehlen.
({9})
Weil wir die Gesamtkonzeption, die für die kommenden Jahre richtungweisend sein soll, nicht akzeptieren können, werden Sie, Herr Minister, zwar kein Verständnis dafür haben, aber doch hinnehmen müssen, daß wir Ihren Etat ablehnen.
({10})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Rawe.
Herr Präsident! Liebe Kollegen - so möchte ich zu dieser späten Abendstunde fast sagen; pardon, die Damen selbstverständlich auch -, ich bedauere, daß sich die Diskussion hier noch so lange hinzieht. Ich will es ganz kurz zu machen versuchen.
Unsere Fraktion stimmt dem Haushalt des Bundesministers für Verkehr zu. Wir haben das auch im Haushaltsausschuß getan. Ich möchte fast sagen: wir haben im Haushaltsausschuß den Einzelplan 12 mit schöner Einmütigkeit verabschiedet. Das muß natürlich nicht bedeuten, daß es nicht auch in diesem Haushalt Positionen gibt, die hier einer gewissen Erläuterung bedürfen oder hier und dort auch Anlaß zur Kritik bieten. Sie brauchen keine Sorgen zu haben: ich habe nicht vor, hier eine Nachvollziehung
der verkehrspolitischen Debatte zu machen; ich werde mich wirklich auf Einzelpositionen des Einzelplans 12 beschränken.
Bevor ich das aber tue, will ich, damit uns diese schöne abendliche Stimmung nicht verlorengeht, auch ein freundliches Wort des Dankes an den Bundesminister für Verkehr sagen, nämlich dafür, daß er sich bei den Stellenanforderungen wirklich ein hohes Maß an Beschchränkung auferlegt hat. Er hat uns Stellenmehranforderungen nur für solche Stellen vorgelegt, die infolge Erweiterung der technischen Anlagen, wie z. B. im Flugsicherungsdienst usw., notwendig waren. Das, was ich zu der Beschränkung in der Anforderung von Personal hier sage, gilt für alle Kapitel des Einzelplans 12. Dafür, Herr Minister, herzlichen Dank!
({0})
Nun aber konkret zu einzelnen Positionen. Zunächst zu Kap. 12 02 Tit. 510 - Sondervermögen Deutsche Bundesbahn. Meine Damen und Herren, Sie wissen aus den Haushaltsberatungen der letzten Jahre, daß uns gerade diese Position immer erhebliches Kopfzerbrechen und auch ganz erhebliche Sorgen bereitet hat. Ich freue mich, Herr Imle, daß im Rahmen der mittelfristigen Finanzplanung wenigstens ein Rahmen gesteckt worden ist, der dann nach Möglichkeit bis 1972 nicht überschritten werden soll. Ich bin mit Ihnen der Meinung, es müßte uns gelingen, von diesen hohen Beträgen herunterzukommen. Ich stimme mit Ihnen auch darin überein, daß die Maßnahmen, die bis jetzt im Verkehrspolitischen Programm vorgeschlagen sind, diesem Ziel wenig dienen. Ich jedenfalls glaube nicht, daß sie dieses Ziel erreichen werden.
Aber wenn wir schon dabei sind, zu prüfen, wie man der Deutschen Bundesbahn helfen kann, dann sollten wir ehrlicherweise auch anerkennen, daß im Tit. 510 bei der Kontenbereinigung ein Fortschritt gemacht worden ist. Wir sollten dem Bundesminister für Verkehr danken, daß er diese Frage angepackt hat.
Ich gestatte mir gleichwohl, ihm die Frage vorzulegen, ob er nicht prüfen will, den Kapitaldienst für die Anleihen der Deutschen Bundesbahn in den Einzelplan 32 zu übernehmen. Da gehören sie eigentlich hin. Denn die Kosten, die hier aufgewendet werden müssen, sind schließlich dadurch entstanden, daß der Bund die Deutsche Bundesbahn auf den Kapitalmarkt verwiesen hat, um Leistungen abzudecken, die eigentlich, wie das inzwischen auch anerkannt worden ist, der Bund hätte übernehmen müssen und die er heute auch übernimmt. Herr Bundesminister für Verkehr, vielleicht wäre dies ein erster Schritt, zu einer Umschuldung der Deutschen Bundesbahn zu kommen.
Ich sage das nicht etwa mit Rücksicht nur auf die Finanzlage, sondern ich sage das auch etwas mit Rücksicht auf die Mitarbeiter der Deutschen Bundesbahn; denn es ist weiß Gott keine angenehme Sache, in der Öffentlichkeit immer als Bediensteter eines Pleitegeierunternehmens dazustehen, das nur mit Hilfe von Bundeszuwendungen, d. h. mit Hilfe von Steuermitteln, überleben kann. Die defizitäre
Lage der Deutschen Bundesbahn ist ja nicht zuletzt darauf zurückzuführen, daß der Bund als Eigentümer ihr die betriebsfremden Lasten nicht rechtzeitig abgenommen hat.
Herr Bundesminister für Verkehr, seien Sie mir nicht böse, wenn ich mich deswegen auch gegen einige Bemerkungen wende, die Ihnen bei der Einbringung Ihres Verkehrspolitischen Programms, ich möchte sagen: herausgerutscht sind; denn sie standen nicht in der ursprünglichen Rede, die Sie verteilt haben, sie sind aber sehr wohl im Protokoll nachzulesen. Ich meine Äußerungen, die draußen in der Öffentlichkeit den Eindruck erweckt haben, als ob die Deutsche Bundesbahn von einem vertrottelten Beamtenapparat geführt würde, der gar nicht in der Lage sei, sich modernen Gegebenheiten anzupassen. Ich darf Ihnen aus eigener Anschauung sagen, daß der Ausbildungsstand der Mitarbeiter der Deutschen Bundesbahn sich durchaus mit dem der Mitarbeiter in anderen öffentlichen Betrieben und Verwaltungen messen kann und daß die Mitarbeiter der Deutschen Bundesbahn sehr wohl in der Lage sind, mit ihrem Unternehmen eine moderne Verkehrsleistung zu erbringen. Wir müssen sie dazu nur in die Lage versetzen. Wir müssen ihnen dazu auch die notwendigen Chancen einräumen. Ich glaube aber, daß Sie es so gar nicht gemeint haben. Ich sagte schon: ich vermute, das ist Ihnen nur herausgerutscht.
Gestatten Sie mir, meine Damen und Herren, auch noch eine Anregung zu geben, die eigentlich besser zu Kap. 12 10 gesagt werden könnte, die aber eng mit dem Problem der Deutschen Bundesbahn zusammenhängt. Ich meine, die Bundesregierung sollte auch einmal prüfen, ob sie nicht einen wesentlichen Beitrag zur Sicherung des Verkehrs an den höhengleichen Kreuzungen der Schiene mit der Straße dadurch erbringen kann, daß sie hier zu einer anderen Kostenverteilung kommt. Ich sage auch das nicht mit Rücksicht auf die Deutsche Bundesbahn, sondern mit Rücksicht auf die Verkehrsteilnehmer. Wir alle wissen, daß die Beseitigung vieler höhengleicher Kreuzungen sich deshalb über Jahre hin verzögert, weil die Deutsche Bundesbahn nicht in der Lage ist, ihren Anteil zu den Baukosten zu erbringen. Deshalb wäre es sicherlich auch im Sinne einer besseren Verkehrssicherung, wenn uns die Bundesregierung einen Vorschlag für eine andere Kostenregelung unterbreiten könnte. Damit aber genug zum Problem der Deutschen Bundesbahn.
Ich darf mich jetzt dem Kap. 12 03 zuwenden und auch hier einige kritische Bemerkungen anbringen. Ich unterstütze das, was der Berichterstatter gesagt hat. Herr Kollege Haehser, ich werde nicht in den Fehler verfallen, jetzt auch noch gegen den NordSüd-Kanal oder gegen den Rhein-Main-Donau-Kanal zu polemisieren.
({1})
- Wir sind uns darüber einig, das Ding ist gelaufen. Wir haben es im Haushaltsausschuß, Herr Präsident, noch abzubiegen versucht. Aber Sie wissen, wie schön wir Schiffbruch erlitten haben. Verträge sind nun einmal zu halten. Daran ist nichts zu ändern. Wenn ich diese Ausführungen hier mache, dann
auch nur deswegen, weil hier einmal deutlich gewarnt werden muß, daß wir noch weitere solche Programme in Angriff nehmen, ohne uns auch voll darüber klar zu sein, wie wir sie finanzieren sollen.
Ich will Ihnen einmal einige Zahlen nennen. Wenn Sie sich die Wasserbaumaßnahmen der nächsten Jahre ansehen, so müssen Sie mit Erschrecken feststellen, daß der Bund die mit dem Haushaltssicherungsgesetz von 1965 eingeleitete Kreditfinanzierung der Wasserbauvorhaben munter weiter vornimmt in der Weise, daß fast alle Maßnahmen - Herr Haehser hat 40 % genannt - zu 50%mit Hilfe von Kreditmitteln finanziert werden. Nach einer überschlägigen Berechnung macht das für den Bund bis zum Jahre 1971 eine Belastung von gut 500 Millionen DM aus. Von 1972 an bringen diese Maßnahmen eine Belastung von rund 80 bis 90 Millionen DM mit sich.
Das ist an sich schon eine besondere Schwierigkeit, denn im Rahmen der mittelfristigen Finanzplanung steht - soweit ich das übersehen kann, Herr Bundesminister für Verkehr - nur ein Plafond von rund 150 Millionen DM für die Wasserbaumaßnahmen jährlich zur Verfügung. Ich befürchte, daß bei der jetzt vorgesehenen Größenordnung bis zu den achtziger Jahren ein Betrag in Höhe von etwa 7 Milliarden DM herauskommt, daß wir unter Umständen Kanalbaumaßnahmen beginnen und sie gar nicht zu Ende führen können. Das würde ich in der Tat als volkswirtschaftlich außerordentlich bedenklich ansehen, zumal wir berücksichtigen müssen, daß Teilabschnitte, die für sich keinen eigenen Verkehrswert haben, uns gar nichts nützen.
Bei diesen 7 Milliarden DM liegt die besondere Gefährlichkeit aber auch noch darin, daß wir es im Rahmen der Finanzreform, Herr Bundesminister für Verkehr, durchaus erleben können, daß wir nicht nur unseren bisherigen Anteil von 4,7 Milliarden DM, sondern den gesamten Anteil tragen müssen, wenn das im Rahmen der Finanzreform geändert werden sollte. Wir sollten uns das einmal sehr deutlich vor Augen führen. Denn ansonsten müßten Sie uns deutlich machen, wie Sie durch Verschiebung in Ihrem Haushalt auf die Dauer diese Belastungen verkraften wollen. Das wird Ihnen außerordentlich schwerfallen. - Meine Bitte geht also dahin, hier deutlich zu machen, daß wir es uns einfach nicht leisten können, weitere Projekte in Angriff zu nehmen.
({2})
Ich müßte dazu vielleicht noch weitere Ausführungen machen. Ich will mir das aber heute abend schenken. Ich will nur sehr deutlich sagen, daß ich aus dem Grunde den Antrag unseres Kollegen Lemmrich, den er hier noch einbringen will, sehr begrüße. Er will die Bundesregierung auffordern, das im Verkehrspolitischen Programm angekündigte Verkehrswegeprogramm schon sehr bald vorzulegen, damit wir anhand dieses Programms auch die Prioritäten deutlich erkennen können, die Sie setzen wollen.
Ich will mir auch schenken, noch darauf hinzuweisen, wie sehr Kanalbauten - neue Kanalbauten, Herr Ramms; Sie merken schon, ich polemisiere
nicht weiter - - Mir wäre es ja viel lieber, Herr Ramms, wir könnten uns darauf einigen zu sagen: die jetzt in Angriff genommenen Neubauten führen wir fort, und wir sorgen dafür, daß wir mit dem Geld, das wir zur Verfügung haben, die bestehenden Kanäle entsprechend ausbauen und sie in den Stand setzen, daß sie den Verkehr auch richtig bewältigen können. Denn tun wir mehr, dann müßte ich auch noch eine Rechnung aufmachen, wie sehr wir damit tatsächlich die Konkurrenzsituation nicht nur der Straße, sondern auch der Schiene verschlechtern.
Drei oder vier Zahlen! Allein die Moselkanalisierung macht für die Deutsche Bundesbahn einen Frachtausfall von jährlich 35 bis 50 Millionen DM aus. Für den Rhein-Main-Donau-Kanal schätzt man den Ausfall auf 25 Millionen. Für den Elbe-SeitenKanal schätzt man ihn auf 120 Millionen. Der von uns hoffentlich zu verhindernde Rhein-Pfalz-Kanal würde auch noch einen weiteren Ausfall von 40 Millionen mit sich bringen.
({3})
- Ach wissen Sie, über die Zuwachsraten würde ich nur sehr behutsam reden. Denn sehen Sie, das, was dabei herauskäme, müßte man dann an Hand der Wegekosten deutlich machen, die hier auch noch zu berücksichtigen sind. Dazu könnte ich Ihnen eine Rechnung aufmachen, meine Damen und Herren, die Sie wahrscheinlich bald veranlassen würde, meinen Argumenten zuzustimmen.
({4})
- Ich will das heute aber in der Tat nicht mehr tun, Herr Kollege Baier, denn das würde zu weit führen.
Lassen Sie mich ein letztes Problem aufgreifen. In Kap. 10 a haben wir bei Tit. 600 - Maßnahmen zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse in den Gemeinden - den Regierungsansatz von 700 Millionen DM auf 750 Millionen DM erhöht, weil wir der Auffassung sind, daß dieses Aufkommen sicherlich erreicht werden kann.
({5})
Ich stimme Ihnen, Herr Müller-Hermann, darin zu, daß dieser Ansatz von 750 Millionen DM wahrscheinlich noch viel zu gering ist.
Aber, Herr Bundesminister für Verkehr, im vergangenen Jahr hatten wir bei diesem Titel einen Betrag von 660 Millionen DM ausgebracht. In der Zwischenzeit liegen mir die ersten groben Ergebnisse über die Verteilung dieser 660 Millionen DM für das Jahr 1967 vor. Hier muß ich allerdings sagen, daß ich davon wenig befriedigt bin. Denn es hat sich dabei herausgestellt, daß das Mehraufkommen von 660 Millionen DM etwa zur Hälfte in den Landkreisen, kreisangehörigen Städten und Gemeinden erbracht worden ist. Leider ist es aber so, daß nach den mir bisher vorliegenden Berechnungen nur etwa ein Fünftel des zur Verfügung stehenden Betrages für die Verbesserung der Verkehrsverhältnisse in den Landkreisen und Landgemeinden verwendet worden ist. Diese Verteilung, Herr BundesRawe
minister für Verkehr, kann meines Erachtens nicht beibehalten werden. Ich bin zwar durchaus damit einverstanden, daß die Ballungsräume entsprechend gefördert werden. Aber ich bin auch der Meinung, daß wir die Landkreise nicht vernachlässigen dürfen.
({6})
Ich will das einmal deutlich machen. Von dem Betrag fließen 40% zunächst in die Ballungsgebiete zur Verbesserung des Personennahverkehrs. Von den weiteren 60% - das sind 396 Millionen DM -, die zur Verbesserung des Straßenbaues Verwendung finden sollen, sind in der Tat nur 131,2 Millionen DM in die Landkreise geflossen. Ich bin der Meinung, das ist entschieden zuwenig. Denn wir haben auch draußen auf dem Lande durchaus noch die Verkehrsverhältnisse in den Gemeinden zu verbessern. Es hilft uns gar nichts, wenn wir auf freier Strecke flott fahren können, in den kleinen Gemeinden aber dauernd in Engpässe geraten und sich Verkehrsverstopfungen ergeben.
Ich wäre Ihnen, Herr Bundesminister für Verkehr, dankbar - vielleicht darf ich diese Anregung geben -, wenn Sie uns gleichzeitig mit der Berichterstattung auf den Antrag des Kollegen Lemmrich hin eine Änderung der Richtlinien für die Bundeszuwendungen zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse in den Gemeinden vorlegten, etwa in der Weise, daß Sie einen Schlüssel ausbringen, der sicherstellt, daß die Landkreise und kreisangehörigen Gemeinden in dem Maße mitbedacht werden, wie sie dieses Steueraufkommen mit erbringen.
Meine Damen und Herren, ich habe Ihre Geduld sehr lange in Anspruch genommen. Ich bin aber der Auffassung, daß ich mich im Gegensatz zu vielen anderen Rednern der letzten Tage wenigstens darauf beschränkt habe, hier nun tatsächlich zum Einzelplan 12 zu sprechen. Ich glaube, Sie werden mir das verzeihen.
({7})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Ramms.
({0})
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Haben Sie keine Sorge, Herr Kollege Fellermaier, daß bei mir eine kurze Rede so lange dauert wie beim Kollegen Rawe. Ich habe mich unterwegs einmal gefragt, wie lange dann eine lange Rede beim Kollegen Rawe dauert.
Vorhin ist das Wort „polemisieren" gefallen. Das sollte hier einmal richtiggestellt werden. Sowohl der Berichterstatter als auch der Kollege Rawe haben über den Kanalbau gesprochen und haben gesagt, wir züchteten uns damit eine gefährliche Konkurrenz für die anderen Verkehrträger. Meine Kollegen, haben Sie sich einmal überlegt, was überhaupt an Ansätzen für den Wasserstraßenbau im Verkehrshaushalt steckt? Binnenwasserstraßen und Seewasserstraßen haben in den letzten Jahren insgesamt einen Prozentsatz zwischen 4,5 und 6 gehabt. Wenn Sie hier einmal aufteilen 60 : 40, so liegen für
den Ausbau der Binnenwasserstraßen im Verkehrshaushalt ganze 2,5 bis maximal 3,6% drin. Das nehmen Sie einmal auf das Volumen des Gesamthaushaltes; und den Prozentsatz mögen Sie sich dann selber ausrechnen. Wenn Sie aber hier von vornherein schon sagen, daß von den 7 Milliarden doch letztlich die ganzen 7 Milliarden auf den Bund zukommen, so darf ich Ihnen sagen: Sie gefährden die Verträge, die von Ihrem Verkehrsminister Seebohm und von Herrn Dahlgrün mit den Ländern abgeschlossen wurden, wonach der Bund zwei Drittel des Ausbaus trägt und die Länder ein Drittel tragen. Die Länder werden Ihnen sicherlich sagen
- sie haben ja schon darauf hingewiesen -, daß sie auch das eine Drittel von uns noch übernehmen werden, ob das im Rahmen der Finanzreform ist oder nicht.
({0})
- Ja, Verträge sind zu halten, aber nicht nur vom Bund im Hinblick auf den Nord-Süd-Kanal und im Hinblick auf den Ausbau des Rhein-Main-Donau-Kanals, sondern auch von den Ländern im Hinblick auf die Verträge, die Seebohm und Dahlgrün seinerzeit mit den Ländern abgeschlossen haben.
({1})
Und zur Richtigstellung möchte ich Ihnen mal eins sagen. Die ganzen Kanäle, die Sie angesprochen haben, ob sie Mosel, ob Rhein-Main-Donau- oder Nord-Süd-Kanal, sind keine Forderungen der Binnenschiffahrt gewesen, sondern eine Forderung der Wirtschaft, der Industrie, bzw. es waren politische Forderungen. Ich erinnere an die Verhandlungen zwischen dem Bundeskanzler Adenauer und Frankreich. Aus diesen Verhandlungen heraus ist der Bau des Mosel-Kanals gekommen.
({2})
Der ist zunächst mit 380 Millionen veranschlagt worden, von denen wir 127 Millionen tragen sollten, und liegt im Endeffekt in der Abrechnung bei 850 Millionen, von denen wir 380 Millionen tragen. Das ist die Folge eines politischen Ausbaus der Mosel gewesen.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage? - Bitte, Herr Rawe!
Herr Ramms, stimmen Sie denn mit mir wenigstens darin überein, daß wir uns künftig bei solchen Kanalbauten danach richten sollten, ob sie auch volkswirtschaftlich sinnvoll sind?
Ich komme gleich darauf zurück, wenn ich Ihnen eine Berechnung mache, die Sie sich wahrscheinlich bisher nicht vorgelegt haben. Sie müssen nämlich wissen, daß die Kanäle neben ihrer wasserwirtschaftlichen Bedeutung ja auch standortbildend für unsere Industrie sind. Ich darf Ihnen nur einmal Zahlen vom Ausbau der Mittelweser nennen. Die Mittelweser hat in ihrem Ausbau 207 Millionen
DM gekostet, davon 50 Millionen bereits vor der Währungsreform. Nach dem Ausbau der Mittelweser wurden von unserer Industrie insgesamt 882 Millionen investiert und von der öffentlichen Hand 193 Millionen DM, so daß hieraus die Bedeutung des Baus der Wasserstraße für unsere Wirtschaft zu ersehen ist.
Darüber hinaus kommt auch für unsere Industrie die wasserwirtschaftliche Bedeutung dazu. Allein aus dem Rhein-Herne-Kanal werden jährlich 1,6 Milliarden Kubikmeter als Gebrauchswasser entnommen zu einem Preis, der bei einem Vierzigstel des sonstigen Kubikmeterpreises liegt.
({0})
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Herr Ramms, stimmen Sie denn auch mit der Bemerkung des Kollegen Haehser überein, daß durch den weiteren Ausbau des Rhein-Main-Donau-Kanals die Standortbedingungen der Häfen Rotterdam und Antwerpen sicherlich weiter verbessert würden?
Darf ich Ihnen sagen, daß das an der Geschicklichkeit der einzelnen Firmen liegt, über welchen Hafen sie verladen, ob via Rotterdam, via Bremen oder via Hamburg. Selbstverständlich kann eine gewisse Benachteiligung entstehen, aber ich bin der festen Überzeugung, daß auch direkte Sendungen aus dem östlichen Raum dann nach Hamburg gehen werden, da dann nach der Fertigstellung des Nord-Süd-Kanals Hamburg auch auf dem direkten Wasserwege zu erreichen ist.
({0})
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Schlager?
Herr Kollege, teilen Sie mit mir die Auffassung, daß dieser Rhein-Main-Donau-Kanal nicht nur für die Häfen der Niederlande und Belgiens von großer Bedeutung sein wird, sondern auch von großem Vorteil für die weitere wirtschaftliche Entwicklung des Rhein-Ruhr-Raums sein kann?
({0})
Ich habe vorhin von der standortbildenden Kraft der Kanäle gesprochen. Ich glaube, da ist das mit einbezogen, so daß ich hier auf diese Frage nicht näher einzugehen brauche.
Aber wenn Sie Zwischenfragen stellen, müssen Sie sich darüber im klaren sein, daß aus einer vorgehabten kurzen Rede auch eine längere werden kann.
Meine Damen und Herren, wir haben insgesamt auf dem Boden unserer Bundesrepublik rund 4000 km Wasserstraßen. Wir transportieren auf diesen rund
4000 km 214 Millionen t. Die Zahl, die ich Ihnen jetzt nenne, mag Ihnen zu denken geben. Die deutsche Binnenschiffahrt schlägt bei dem Transport auf den 4000 km Wassesrtraßen ganze 660 Millionen DM um. Wenn Sie das ausrechnen, 660 Millionen zu 214 Millionen, kommen Sie auf einen Preis für die deutsche Wirtschaft, der bei rd. 3 DM pro Tonne liegt.
Die Deutsche Bundesbahn schlägt auf 30 000 km Strecke 320 Millionen t um und hat insgesamt aus Personenverkehr und Güterverkehr eine Einnahme von rund 8,8 Milliarden DM. Jetzt will ich einmal wohlwollend 50 : 50 rechnen: 50% der Einnahme geht auf den Güterverkehr, 50 % der Einnahme geht auf den Personenverkehr. Da bleibt für den Güterverkehr eine Einnahme von 4,4 Milliarden DM übrig. Das ergibt bei 320 Millionen t einen Preis von rd. 14 DM pro Tonne.
Jetzt rechnen Sie sich bitte den Vorteil für die deutsche Wirtschaft aus, wenn sie bloß 3 DM statt 14 DM zahlen müßte. Ich glaube, auch das müssen Sie beim Bau von Kanälen mit in Rechnung ziehen.
({0})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Lemmrich.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte den Entschließungsantrag Umdruck 385 ({0}) *) begründen.
Im Verkehrspolitischen Programm der Bundesregierung ist ein Bundesverkehrswegeprogramm in Aussicht gestellt. Die Koordinierung des Baus und die Finanzierung der Verkehrswege ist ein sehr dringendes Problem, wie die Ausführungen der beiden Haushaltskollegen Haehser und Rawe deutlich gemacht haben. Ich möchte allerdings nicht die Schwierigkeiten dieses Unterfangens unterschätzen, die unter anderem auch darin liegen, daß der Bund nur bei den Bundeswasserstraßen über eine eigene Verwaltung verfügt.
Unser Antrag soll sicherstellen, daß dieser Bundestag noch dieses Verkehrswegeprogramm behandeln kann. Möglicherweise stellt dieser Antrag auch eine Unterstützung des Herrn Bundesministers für Verkehr gegenüber den Straßenbauauftragsverwaltungen der Länder und gegenüber der Deutschen Bundesbahn dar. Wir würden bitten, daß dieser Antrag bei der dritten Lesung dem Verkehrsausschuß überwiesen wird.
({1})
Das Wort hat der Herr Bundesverkehrsminister.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es kann nicht meine Aufgabe sein, jetzt zu den vielen verkehrspolitischen Themen, die angeschnitten wor-
*) Siehe Anlage 17
den sind, im einzelnen Stellung zu nehmen. Wir haben sie zu einem guten Teil vor ein paar Wochen hier behandelt, als wir uns ausführlich mit der Verkehrspolitik befaßten. Ich hoffe, daß wir bald wieder Gelegenheit haben, wenn die jetzt in den Ausschüssen liegenden Gesetzentwürfe in das Plenum zurückkehren, uns mit diesen Problemen ausgiebig zu beschäftigen.
Gestatten Sie mir bitte, daß ich anläßlich der Beratung des Verkehrshaushalts ein paar Sätze vorweg sage.
Alle Zahlen, die jetzt im Haushaltsansatz stehen und über die beraten wird, sind falsch - ich möchte das ausdrücklich sagen -, wenn der Deutsche Bundestag nicht bald wirkungsvolle Beschlüsse zur Verkehrspolitik faßt, und zwar nicht nur falsch in der Größenordnung von wenigen Millionen, sondern falsch in einer Größenordnung von einer halben Milliarde allein für das Jahr 1968.
Diese Zahlen sind mit Sicherheit auch dann falsch, wenn an die Stelle von erforderlichen und wirkungsvollen Maßnahmen - ich beziehe mich jetzt nicht auf bestimmte Vorschläge - andere gesetzt werden, die diese Wirkungen in der Praxis nicht erreichen. Auch dann sind diese Zahlen falsch. Ich habe die Hoffnung, und ich möchte bitten, daß wir gemeinsam den Versuch machen, diese für die Gesamthaushaltsgebarung so wichtige Entscheidung so bald wie möglich zu treffen.
Gestatten Sie mir eine zweite Anmerkung! Auf Umdruck 385 ({0}) wird gefordert, daß das Verkehrswegeprogramm bis zum 1. Oktober erstellt wird. Ich bin an und für sich für die Unterstreichung dieses Programms, das ja zu der Regierungsvorlage gehört, sehr dankbar. Ich bitte Sie nur um Verständnis, wenn ich hier in aller Offenheit sage: Dies ist bis zum 1. Oktober dieses Jahres nicht zu machen.
({1})
Es geht hier nicht nur darum, eine Landkarte an die Wand zu hängen und darauf Bleistiftstriche zu machen, sondern dies ist ein Programm, das allein für den Straßenbau nach unseren Berechnungen, wenn man vom Mineralölsteueraufkommen ausgeht, in den Jahren 1971 bis 1985 die Infrastruktur und das Gesicht unseres Landes etwa für das Jahr 2000 vorsehen muß. Das muß jetzt geplant werden. Das kann man aber nicht nur im Planungsbüro machen, sondern dazu sind Strukturuntersuchungen mit Hilfe von Strukturpolitikern erforderlich. Dazu sind Abstimmungen mit den Ländern notwendig. Dazu sind Abstimmungen mit unseren Nachbarstaaten nötig; denn diese Wege hören an unseren nationalen Grenzen nicht auf. Dafür aber hat der Bundesminister für Verkehr nicht genügend Personal. Ich habe eine ausgezeichnete Abteilung Straßenbau mit erstklassigen Mitarbeitern, die fleißig arbeiten. Aber wenn ich ihnen die Erstellung dieses Programms bis zum 1. Oktober zumutete, würde ich dem Bundestag dann etwas vorlegen, was ich nicht vertreten kann, und wir alle gemeinsam wären nicht sicher vor Fehlentscheidungen und Fehlinvestitionen, die in Milliardengröße gehen. Ich bitte deshalb um Verständnis,
wenn ich sage: Im Prinzip bin ich dankbar für die Unterstreichung dieses Programms, aber bitte, legen Sie die Exekutive hier nicht auf ein Datum fest, das mit Gewißheit nicht zu halten ist!
({2})
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Herr Bundesverkehrsminister, könnten Sie uns hier sagen, in welcher Richtung das Datum auf diesem Entschließungantrag geändert werden könnte?
({0})
Ich habe vorgeschlagen und habe das das letzte Mal auch begründet: Wir legen ein Verkehrswegeprogramm vor. Ich bin überzeugt davon, daß uns das im Jahre 1969 gelingen wird. Ich habe den Ehrgeiz, das vor dem Auseinandergehen des Plenums im Sommer nächsten Jahres noch vorzulegen. Ein exaktes Datum kann ich leider nicht nennen, weil eine ganze Reihe von Unbekannten darinsteckt. In einer Vielfalt von wissenschaftlichen Büros, Universitäten und Forschungsstätten wird allein an der Vorbereitung für das gearbeitet, was sich nachher in der Form einiger weniger Striche auf der Landkarte zeigen wird. Gestatten Sie mir ein paar Bemerkungen zu einem anderen Thema. Herr Dr. Imle, Sie haben eine Bundesanstalt gefordert. Ich möchte keine langen Ausführungen dazu machen, sondern nur dieses sagen: Wir müssen im Augenblick eingreifen, um Ordnung in unser Verkehrswesen zu bringen, wir brauchen aber keine neuen Behörden und keine neuen Bürokratien; denn wir wollen am Ende ein sich selbst liberal ordnendes Verkehrswesen haben.
({0})
Dazu müssen wir jetzt nicht neue Bundesanstalten errichten, die nachher Lenkungsaufgaben haben, die ich gern durch die Verkehrspolitik für überflüssig erklären möchte.
Erlauben Sie eine Zwischenfrage?
Bitte sehr, Herr Dr. Imle!
Herr Minister, in Ihrem eigenen Programm sind doch einige dieser Punkte enthalten, die wir in der Bundesanstalt zusammengefaßt haben. Wir haben das nur auf alle Verkehrsträger erweitert. An mehr ist nicht gedacht. Es ist keineswegs daran gedacht - wenn Sie mir darin zustimmen würden -, eine neue Bürokratie aufzubauen, sondern man könnte das mit den bisherigen Kräften erreichen; denn wir haben ja so etwas.
Herr Dr. Imle, sehen Sie, das ist eben die Liberalität, die ich
gern haben möchte und die die Verkehrsträger nicht haben wollen. Ich möchte eine Entwicklung, bei der wir am Ende nicht mehr durch Eingriffe und Einschaltung des Staates sogar Tarife festsetzen, vielmehr sollen die Beteiligten diese Tarife draußen auf dem Markt selber vereinbaren. Danach streben Sie am Ende ja auch mit Ihrer Bundesanstalt. Wir müssen jetzt durch diesen Schwall von Schwierigkeiten hindurch. Am Ende aber müssen wir auf solche Anstalten verzichten und dürfen nicht noch neue Einrichtungen gründen.
Sie haben zitiert, der Bundeskanzler habe von einem Einfrieren der Leistungen bei der Deutschen Bundesbahn gesprochen. Ich muß sagen: Dies ist eine sehr exakte Formulierung, die Sie da mit Anführungsstrichen zitiert haben. Ich habe im Zusammenhang mit diesen Maßnahmen, die jetzt eingeleitet worden sind, nie von einer Sanierung der Deutschen Bundesbahn gesprochen. Ich darf das hier noch einmal sehr deutlich sagen. Es geht in der ersten Etappe darum, zu verhindern, daß die Anforderungen der Deutschen Bundesbahn an die öffentliche Hand in den nächsten Jahren um mehrere Milliarden steigen. Das zu verhindern, ist das erste Ziel der Verkehrspolitik. Zweitens geht es darum, mit zusätzlichen Maßnahmen, die auf der Hand liegen - es sind schon einige hier erwogen worden: Umschuldung der Deutschen Bundesbahn, Abnahme des Kapitaldienstes, das sind allein 800 Millionen DM im Jahr -, und mit anderen Maßnahmen, die bewußt jetzt noch nicht getroffen worden sind, dann in Richtung auf eine verhältnismäßige Sanierung der Deutschen Bundesbahn zuzulaufen. Das kann man allerdings erst dann anpacken, wenn man Gewißheit hat, daß durch andere Maßnahmen das weitere Wachstum des Defizits und der Anforderungen an die öffentliche Hand vermieden worden sind.
Sie haben gesagt, die Existenz des mittelständischen Unternehmers sei in Gefahr, denn wo solle der sich in der Fläche bedienen; die Bundesbahn wolle sich nicht aus der Fläche zurückziehen.
Die Bundesbahn zieht sich aus 6500 km Bahnnetz zurück, damit sehr erheblich aus der Fläche. Da muß beispielsweise durch den Straßengüterverkehr Ersatz geleitet werden und auf einer ganzen Reihe anderer Gebiete.
Über Regionalkonzessionen haben wir uns das letztemal hier unterhalten. Eine Bemerkung kann ich mir nicht verkneifen. Sie haben gesagt: Wenn wir Offa-Mittel nähmen, würden wir damit der Wirtschaft Geld vorenthalten. Herr Kollege Dr. Imle, wissen Sie, ich bin ja kein studierter Nationlökonom. Ich begreife das immer so: Wenn wir Öffa-Mittel aufnehmen, nehmen wir Mittel, die über Aufträge, die wir vergeben, in die Kassen der Wirtschaft fließen. Das ist gerade umgekehrt, als Sie meinen.
({0})
Die 300 Millionen DM, die wir meinetwegen über Offa-Mittel hereinnehmen, fließen direkt in die Kassen beispielsweise des Baugewerbes.
Herr Minister, gilt das gleiche auch für die Mittel, die für den Kanalbau aufgenommen werden, obgleich sie durch den Herrn Berichterstatter Haehser kritisiert worden sind?
Das gilt auch dafür. Auch sie fließen in die Wirtschaft, werden nicht der Wirtschaft vorenthalten. Ich habe gar nicht gehört, daß Herr Kollege Haehser das bestritten hat. Das kann er auch nicht.
Meine Damen und Herren, wenn Sie mehr Geld für den Straßenbau fordern, wird der Bundesverkehrsminister nicht widersprechen, sondern da sind wir völlig einer Meinung.
Eine kleine Anmerkung muß ich noch machen. Herr Kollege Rawe hat hier gesagt, ich hätte von einem vertrottelten Beamtenapparat gesprochen.
({0})
- Entschuldigen Sie, wenn Sie sagen, Sie hätten den Eindruck gehabt -
({1})
- Ich habe noch niemanden gehört. Sie sind dann für mich die Öffenlichkeit, wenn Sie das hier gesagt haben.
({2})
- Wer das daraus entnehmen könnte. Ich möchte sagen, ich habe eben sicherheitshalber noch einmal das Protokoll angesehen. Das Wort hätte ich auch nicht in den Mund genommen. Ich wäre dankbar, wenn wir gemeinsam das Wort aus den Protokollen streichen könnten.
Herr Bundesminister für Verkehr, Sie interpretieren jetzt. Ich habe das nicht gesagt. Ich habe gesagt, 'es hätte durchaus der Eindruck entstehen können. Ich habe es ja auch ausdrücklich so formuliert, ich hätte den Eindruck gehabt, das sei Ihnen vermutlich in dieser Art so herausgerutscht.
Nein, ich stehe zu dem, was ich gesagt habe. Ich habe gesagt: In der Deutschen Bundesbahn muß sich eine ganze Menge ändern. Hier wird kein Apparat mehr verwaltet wie früher, sondern hier muß man wirtschaftlich tätig werden. Dazu stehe ich auch.
({0})
Ich habe noch hinzugefügt: Ich habe in der Hauptverwaltung der Deutschen Bundesbahn mit den höheren Beamten darüber gesprochen und ihnen gesagt, wie ich mir beispielsweise die Rolle eines Ministerialrats in der Leitung eines solchen Unternehmens vorstelle. Ich habe das mit dem Prokuristen in einer großen Firma verglichen und hinzugefügt: Der muß künftig nicht nur von 9 Uhr bis 16.30 Uhr nachmittags ein Amt verwalten, sondern muß vor dem Frühstück und nach Feierabend, erst recht wähBundesminister Leber
rend seiner Dienstzeit darüber nachdenken, wie seine Firma Geld verdient.
Das ist das, was ich gesagt habe. Das halte ich für angemessen.
({1})
Auf eine andere Weise sanieren wir die Eisenbahn nicht.
Herr Abgeordneter Brück!
Herr Minister, darf ich Sie einmal fragen: Sollten wir uns nicht verständigen, weil Sie und wir gemeinsam große und schwierige Aufgaben speziell in Richtung Bundesbahn zu erledigen haben, daß wir die Sache nicht durch Äußerungen - das waren nicht die einzigen, die von Ihnen gefallen sind - noch schwieriger machen, als sie vielleicht ist? Ich wäre Ihnen dankbar, Herr Minister, wenn wir uns verständigen könnten. Die Leute, die in die Ministerien nach hier gekommen sind, sind hier alle etwas geworden. Demnach müssen sie auch etwas können.
Wir brauchen darüber nicht laut zu diskutieren. Nur, wir haben nicht nur die Möglichkeit, Komplimente an höhere Bedienstete bei der Deutschen Bundesbahn zu machen und dafür vielleicht ein paar Blumen einzusammeln, sondern die wichtige Aufgabe, uns mit allen Fakten auseinanderzusetzen, die dieses Unternehmen daran hindern, am Ende wirtschaftlich auf eigenen Füßen zu stehen. Und da ist beim Personalkörper der Deutschen Bundesbahn wirklich über einiges nachzudenken.
({0})
Das würde ich zugeben, wenn ich Eisenbahner wäre.
Im übrigen weiß ich, daß das bei den Eisenbahnern richtig verstanden wird. Ich habe ja mit ihnen oft über diese Dinge gesprochen, und zwar nicht hinter deren Rücken irgendwo anders, auch nicht hinter deren Rücken hier im Bundestag. Was ich hier gesagt habe, habe ich auch vorher ihnen gesagt und mich mit ihnen auch auseinandergesetzt.
({1})
- Ich meine das ernst. Ich müßte mich - das sage ich auch hier - mit der Eisenbahn auseinandersetzen, auch wenn das, was zu tun wäre, einigen höheren Beamten bei der Deutschen Bundesbahn nicht gefallen würde. Auch das müßte geschehen. Sie hatten ja auch eine Zeitlang Zeit, darüber nachzudenken, was man alles tun könnte, und Vorschläge zu machen, wie man das Unternehmen wirtschaftlicher gestaltet.
({2})
Aber wir brauchen die Diskussion hier wirklich nicht fortzusetzen. Wir sind hier nicht in einer Gewerkschaftsversammlung mit Eisenbahnern.
({3})
Herr Minister, wenn es so ist, wie Sie es sagen, dann müßten Sie eigentlich mit den Vorschlägen unseres Kollegen Müller-Hermann sehr übereinstimmen, der immer wieder gefordert hat, daß man der Unternehmensführung Deutsche Bundesbahn mehr Freiheit und mehr Verantwortung einräumen sollte, damit sie ihr Unternehmen so führen kann, wie sie es wünschen.
Hier geht es nicht um die Führung des Unternehmens der Deutschen Bundesbahn - das wird durch vier Herren repräsentiert -, sondern um den ganzen Mittelkörper, der einen erheblichen Einfluß auf die Wirtschaftlichkeit des Unternehmens hat. Ich weiß, welche Rolle gerade in der Bandbreite bei einem großen Wirtschaftsunternehmen liegt.
Meine Damen und Herren, noch ein Wort zum Thema Ballungsgebiete. Was hier von Herrn Kollegen Rawe auseinandergerechnet worden ist, ist richtig. Ursprünglich war es auch politisch ein Vorhaben das zuerst der Hilfe für die Gemeinden in den Ballungsgebieten dienen sollte. Dann sind im Bundesrat die Richtlinien erarbeitet worden, und wir haben uns dahin verständigt, daß für alle Gemeinden etwas getan werden solle. Aber 660 Millionnen DM reichen nicht aus, um Untergrundbahnen in Ballungsgebieten zu bauen und gleichzeitig in jeder Landgemeinde auch das noch zu erledigen, was zugegebenermaßen auch dort dringlich ist.
Im übrigen kann ich Ihnen, wenn Sie von Landgemeinden ,sprechen, nur sagen - ich weiß, das kann auch falsch verstanden werden, nicht von Ihnen -: Ich fliege in letzter Zeit bei der Besichtigung von Straßenverkehrsvorhaben manchmal übers Land. Ich sehe herrliche Straßen, die nicht genutzt werden und durch Wälder und Felder führen. Ich wünschte mir, diese Straßen wären alle in den Gemeinden statt dort irgendwo im freien Feld, wo hier und da mal ein Fahrzeug fährt. Auch darüber muß einmal nachgedacht werden, wenn über Verkehrsprobleme auf dem Lande gesprochen wird.
Das war es, was ich in aller Kürze zu sagen hatte. Im übrigen bedanke ich mich dafür, daß Sie meinen Haushalt annehmen wollen.
({0})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Hermsdorf.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte um Entschuldigung, ich bin nicht ganz sicher, ob ich mit dem, was ich sage, in der Geschäftslage richtig liege. Über Entschließungsanträge wird in der dritten Lesung abgestimmt. Nach dem, was der Herr Bundesverkehrsminister zum Umdruck 385 ausgeführt hat, bin ich der Ansicht - nachdem wir in diesem Hohen Hause auch Entschließungsanträge sehr ernst nehmen -, daß wir diesen Umdruck 385 ergänzen sollten. Ich stelle deshalb den Ergänzungsantrag, die Worte „bis zum 1. Oktober 1968" durch die Worte „noch in dieser Legislaturperiode" zu ersetzen.
Das ist ein Änderungsantrag zum Entschließungsantrag, Herr Kollege Hermsdorf?
({0})
Damit es nicht vergessen wird, lasse ich darüber gleich abstimmen. Wer diesem Änderungsantrag - „noch in dieser Legislaturperiode" - zustimmen will, gebe bitte ein Zeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das erste ist die Mehrheit. Der Änderungsantrag ist angenommen. Über den so geänderten Entschließungsantrag wird dann in der dritten Lesung abgestimmt.
Wir kommen jetzt zur Aubstimmung über den Einzelplan 12 - Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr -. Wer diesem Einzelplan zuzustimmen wünscht, gebe bitte ein Zeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei einer Anzahl Gegenstimmen ist dieser Einzelplan 12 angenommen.
Es ist vorgeschlagen, den von der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurf eines Gesetzes über eine Bundesanstalt für das Transport- und Tarifwesen an den Ausschuß für Verkehr - federführend - und an den Wirtschaftsausschuß - mitberatend - zu überweisen. Ist das Haus einverstanden? - Kein Widerspruch; es ist so beschlossen.
Ich rufe den Einzelplan 25 auf: Einzelplan 25
Geschäftsbereich des Bundesministers für Wohnungswesen und Städtebau
- Drucksache V/2720 -
Berichterstatterin: Abgeordnete Frau Krappe Die anderen Einzelpläne davor sind erledigt.
Ich frage, ob die Frau Berichterstatterin das Wort wünscht. - Die Frau Berichterstatterin verzichtet. Ich bedanke mich.
Der Herr Abgeordnete Wurbs *) gibt seine Rede zu Protokoll. - Ich bedanke mich; das hört man gern.
({1})
Wird zu diesem Einzelplan noch das Wort gewünscht? - Keine Wortmeldungen.
Wer dem Einzelplan 25 zuzustimmen wünscht, gebe bitte ein Zeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei einer Anzahl von Gegenstimmen ist auch der Einzelplan 25 angenommen.
Ich rufe den Einzelplan 29 auf: Einzelplan 29
Geschäftsbereich des Bundesministers für Familie und Jugend
- Drucksache V/2724 -
Berichterstatterin: Abgeordnete Frau Krappe Die Berichterstatterin verzichtet. Ich bedanke mich.
Es liegt ein Änderungsantrag der Fraktion der FDP vor. Wird dazu das Wort gewünscht? - Das
*) Siehe Anlage 31
Wort wird nicht gewünscht. Ich lasse über den Änderungsantrag Umdruck 418 *) der Fraktion der FDP abstimmen. Wer zuzustimmen wünscht, gebe bitte ein Zeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Dieser Änderungsantrag ist abgelehnt.
Wird sonst das Wort gewünscht? - Das Wort wird nicht gewünscht. Wer dem Einzelantrag 29 - Geschäftsbereich des Bundesministers für Familie und Jugend - zuzustimmen wünscht, gebe bitte ein Zeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Einzelplan 29 ist gegen eine Anzahl Stimmen angenommen.
Ich rufe den Einzelplan 31 auf: Einzelplan 31
Geschäftsbereich des Bundesministers für wissenschaftliche Forschung
- Drucksachen V/2725, zu 2725 -Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Althammer
Ich frage den Herrn Berichterstatter, ob er das Wort wünscht. - Der Herr Berichterstatter verzichtet. Ich bedanke mich.
Ich eröffne die Aussprache. Wird das Wort gewünscht? - Kei - ({2})
- Das Wort bleibt mir im Halse stecken. Aber der Herr Abgeordnete Moersch hat das Recht und er hat das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich wußte, daß ich mir den Unwillen des Hauses zuziehe, aber das Merkwürdige ist, daß diejenigen, die so lange warten mußten, dafür noch beschimpft werden, daß sie so lange gewartet haben, während die anderen die Situation ausgenutzt haben.
({0})
Meine Damen und Herren, weshalb wir von der FDP ums Wort gebeten haben, isst, daß ich glaube, daß man eine Ablehnung eines so wichtigen Haushalts hier zu begründen hat. Ich möchte Ihnen gleich ankündigen, daß wir den Entschließungsantrag auf Umdruck 414 **) zurückziehen und als gesonderten Antrag wieder einbringen, damit sich dann Gelegenheit zu einer Debatte über die Frage des Stiftungsrechts und über andere wichtige Themen ergibt. Ich möchte auf zwei Punkte hinweisen und mich darauf beschränken. Dieser Etat ist erfreulich gewachsen.
({1})
Er liegt nun nahezu bei 2 Milliarden DM. Insgesamt gibt der Bund für den Bereich der Wissenschaft nahezu 3 Milliarden DM aus, wenn wir die Verteidigungsforschung mit hineinnehmen.
({2})
*) Siehe Anlage 18 **) Siehe Anlage 19
Wir glauben aber, Herr Dr. Hammans, daß Ihre begeisterte Zustimmung dadurch gedämpft werden muß, daß wir die Frage zu stellen haben, ob hier die Effektivität dieser Ausgaben gewährleistet ist, ob diese Ausgaben einem Gesamtkonzept der Bundesregierung in der Forschungspolitik und Wissenschaftsförderung überhaupt unterliegen.
Wir haben hier unsere Zweifel, und das ist bei einer so großen Summe ein Zweifel, über den das Haus nicht hinweggehen kann. Wir sind z. B. der Ansicht - ich will es nur stichwortartig sagen -, daß nicht Ankündigungen des Bundeskanzlers über allgemeine Hochschulreform uns etwas nützen, sondern konkrete Vorstellungen der Bundesregierung über die Form der Hochschule, über die Zuordnung der nicht hochschulgebundenen Institute an die Hochschulen und anderes mehr. Wir möchten aber ganz besonders darauf hinweisen, daß wir einen erheblichen Mangel bei der Vergabe dieser Mittel darin sehen - insgesamt -, daß es an der Erfolgskontrolle fehlt, daß die Frage der Schutzrechte und Patente in dieser Bundesregierung kaum behandelt wird, daß unserer Wirtschaft und unserem Staat sehr viele Erkenntnisse, die hier in der Entwicklung und in der angewandten Forschung gewonnen werden, die wir mit sehr vielen Millionen unterstützen, nicht in der genügenden Weise zugute kommen, weil die Bewilligungsbedingungen hier keine klaren Vorschriften enthalten etwa über die Nutzung solcher Ergebnisse, die durch staatliche Förderung entstanden sind.
Ich halte es für dringend notwendig, daß bis zur Vorlage des nächsten Haushalts die Bundesregierung eindeutig erklärt, in welcher Art sie eine Erfolgskontrolle einführen will, vor allem, wie es mit der Verwertung der Schutzrechte und Patente steht. Ich verweise auf amerikanische Beispiele, auf die Lizenzverträge, die in solchen Fällen dort geschlossen werden müssen. Ich wünsche auch, daß die Reichshaushaltsordnung und die Bewilligungsbedingungen ergänzt werden und daß nicht die allgemeine Veröffentlichung in solchen Fällen ausreicht, wo es sich um wirtschaftsnahe Forschungsergebnisse handelt. Ich glaube, wir sind das unserer Vergabe einfach schuldig bei diesen hohen Summen, und ich möchte darauf hinweisen, daß wir jetzt in Gebiete hineingehen, wo das besonders dringlich ist, etwa bei der Datenverarbeitung. Ich möchte nur daran erinnern, daß mancher Optimismus, der auch vom Minister hier schon vorgetragen worden ist, nach meiner Kenntnis der Dinge sich jedenfalls in jüngster Zeit, was unsere Entwicklungsmöglichkeiten betrifft, nicht erhärtet hat, weil ich glaube, daß diese Gesamtkonzeption in der Datenverarbeitung nicht vorhanden ist, die man braucht, um wirklich erfolgreich auf diesem Gebiet arbeiten zu können.
Es sind also unsere Hauptbedenken die, daß wir diesen Haushalt zwar erfreulich ausgeweitet haben, daß aber das Ergebnis, das wir insgesamt davon haben möchten, uns vorläufig nicht befriedigen kann, weil es an der Effektivität und der Effektivitätskontrolle jedenfalls so lange fehlt, solange wir nicht gegenteilige Berichte hier vorliegen haben.
Und ein Weiteres glaube ich: Wenn wir insgesamt etwa 600 Millionen DM für den Ausbau und Neubau von Hochschulen in Deutschland ausgeben, dann halte ich es für ganz unsinnig, daß wir vom Bund aus auf die Hochschulreform und auf die Studienreform nicht mehr Einfluß nehmen, als das bisher geschieht. Ich halte es nicht für zulässig, daß Gelder an Hochschulen gegeben werden, um dort Strukturen zu befestigen, die wir alle - auch nach den Erklärungen dieser Regierung - überwinden möchten. Ich glaube, die Regierung hat die Pflicht, diese Gelder unter der Bedingung auszugeben, daß wirklich ein modernes Hochschul- und Bildungswesen gefördert wird. Und ich glaube, das kann sie nur, wenn sie ihr eigenes Konzept zu diesen Fragen vorlegt und das nicht der Ländergemeinschaft überläßt. Solange die Bundesregierung dieses Konzept nicht in diesem Hause vorgetragen hat, sind wir leider nicht in der Lage, hier zuzustimmen. Das ist nicht allein eine Sache des Wissenschaftsministers, das ist eine Sache des Wissenschaftskabinetts. Aber hier behandeln wir nun den Etat, bei dem es um diese großen Summen geht. Wir bitten deshalb das Hohe Haus, mit wacher Kritik an diese Fragen heranzugehen. Die Oppositionspartei, die FDP, muß den Einzelplan 31 ablehnen.
({3})
Das Wort hat der Herr Bundesminister für wissenschaftliche Forschung.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Fragen, die der Herr Kollege Moersch hier zu dieser späten Stunde in einem kurzen Beitrag aufgeworfen hat, sind zweifellos bedeutsamer Art. Sie machen eine sehr eingehende Behandlung in diesem Hause notwendig. Ich darf darauf verweisen, daß wir in den Debatten der letzten Monate mehrfach Gelegenheit hatten, einzelne dieser Punkte ausführlicher zu erörtern. Wir werden das sicher auch in Zukunft weiter tun müssen. Ich bitte deshalb um Nachsicht, wenn es nicht möglich ist, alle Stichworte - es sind zum Teil sehr bedeutsame Stichworte ({0})
jetzt hier zu behandeln.
Ich möchte nur drei Bemerkungen machen. Ich glaube nicht, daß man sagen kann, die Bundesregierung habe kein Konzept der Forschungspolitik. Ich verweise etwa auf die Darlegungen im Forschungsbericht II. Das Konzept der Forschungspolitik besteht einmal in großen Programmen im naturwissenschaftlich-technischen Bereich, den wir definiert haben. Wir haben Programme vorgelegt, die, wie ich glaube, in der sachkundigen Öffentlichkeit im Grundsatz Anerkennung gefunden haben.
({1})
Das Konzept besteht zweitens - auf einer anderen verfassungsrechtlichen Grundlage - in unserer Mitwirkung am Ausbau der Hochschulen. Hier wollen
wir gerade mit der Finanzverfassung die bisher nicht sehr feste Rechtsbasis erweitern. Das ist auch die rechtliche Grundlage dafür, daß wir der Forderung stärker entsprechen können, noch mehr als bisher auf die Entwicklung unserer Hochschulen einzuwirken. Hier muß man - ich brauche das im Deutschen Bundestag nicht zu betonen - die Rechtsgrundlagen schaffen, wenn man sachliche Forderungen erstellen und erfüllen will.
Bei dem dritten Thema, das Sie kurz behandelt haben, geht es um die Fragen der Erfolgskontrolle, der Lizenzen, der Patente und der Bewilligungsbedingungen. Ich glaube, daß diese Dinge eine eingehende Behandlung wert sind. Wir haben in einzelnen wichtigen naturwissenschaftlich-technischen Bereichen durchaus eine Erfolgskontrolle, etwa im deutschen Atomprogramm. Wir haben da sehr wirkungsvolle Methoden der Planung und Erfolgskontrolle entwickelt. Es gibt andere Sektoren, auf denen wir uns noch zu bemühen haben und wo eine kritische Diskussion nur förderlich sein kann.
Auch bei den anderen Stichworten, etwa der Frage der Bedingungen, die an die öffentlichen Forschungs- und Entwicklungsaufträge zu stellen sind, handelt es sich um ein legitimes Thema. Ich bin gern bereit, diese Frage hier im Bundestag und im Ausschuß im einzelnen weiter zu erörtern, glaube aber, der Geschäftslage des Hauses zu entsprechen, wenn ich mich auf diese kurze Antwort beschränke. - Bitte, Herr Kollege Moersch.
Da ich hier keine Debatte führen wollte, möchte ich Sie nur bitten, uns einen Termin zu nennen, bis zu dem Sie uns sagen können, wie der Interministerielle Ausschuß etwa über die Frage der Bewilligungsbedingungen in der Reichshaushaltsordnung befunden hat. Da muß man endlich einmal einen Termin setzen.
Ich will Ihnen folgendes sagen: Wir sind bereit, in etwa sechs oder acht Wochen im Ausschuß eine Diskussion über die Frage der Erfolgskontrolle zu führen. Zur Frage der Bewilligungsbedingungen kann ich nicht allein Stellung nehmen, weil bekanntlich der Bundesfinanzminister federführend ist. Hier mache ich ein gewisses Fragezeichen. Ich bin aber auch zu dieser Diskussion bereit. Im übrigen glaube ich, daß wir doch mit dem Haushalt, der jetzt zur Entscheidung ansteht, ganz entscheidende Fortschritte in der Forschungspolitik der Bundesregierung erzielen.
({0})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Althammer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, daß trotz der vorgerückten Stunde dem Kollegen Moersch doch ganz kurz widersprochen werden muß.
Zunächst einmal, Herr Kollege Moersch, gibt es wohl kaum ein anderes Gebiet, auf dem trotz kaum
vorhandener gesetzlicher Grundlagen von Anfang an so erfolgreich versucht worden ist, längerfristige Programme durchzuführen.
({0})
Das Gebiet der Atomforschung war der erste Bereich, in dem überhaupt die Bundeszuständigkeit hergestellt wurde, und hier haben wir bereits mit Programmen begonnen.
Das zweite große Gebiet, auf dem die Arbeiten jetzt angelaufen sind, ist die Weltraumforschung. Auch dort haben wir ganz klare Programme ausgearbeitet.
Wenn Sie nach der Gesamtkonzeption fragen, so kann man auch darauf verweisen, daß auf dem dritten großen Gebiet, dem der Hochschulen, bei der gegebenen Verfassungslage immerhin erreicht worden ist, daß über den Wissenschaftsrat ganz klare Leitlinien gesetzt worden sind.
({1})
Ich möchte Ihnen, Herr Kollege Moersch, nur eines sagen. Sicherlich haben Sie im Hinblick auf die vorgerückte Zeit nur Stichworte genannt. Trotzdem bin ich der Meinung, daß das, was Sie zur Begründung der Ablehnung des Einzelplans für Wissenschaft und Forschung angeführt haben, unter keinen Umständen ausreicht, diese Ablehnung zu begründen.
({2})
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Bitte schön!
Herr Kollege Dr. Althammer, was würden Sie eigentlich noch für eine Begründung brauchen als die, daß über mindestens die Hälfte dieses Etats von 1,92 Milliarden DM dem Bundestag nicht klargemacht werden kann, ob diese Gelder bei dem zur Verfügung stehenden Apparat und bei den Vergabevorschriften wirklich effektiv ausgegeben werden können? Reicht das nicht als Begründung der Ablehnung aus?
Herr Kollege Moersch, wenn Sie persönlich vielleicht nicht die ausreichende Klarheit haben mögen, so müssen Sie aber auf jeden Fall doch zugestehen, daß man angesichts der Fülle des Materials, das in der letzten Zeit vorgelegt worden ist - Forschungsberichte I und II und sonstige Ausarbeitungen - nicht sagen kann, es sei hier keine Klarheit vorhanden. Sicherlich, der Herr Minister selber hat ja gesagt, es gibt eine ganze Reihe von Punkten, wo noch Verbesserungen möglich sind. Aber ich meine, Herr Kollege Moersch, der Einzelplan 31 und das, was auf diesem Gebiet erreicht worden ist, könnte auch der Opposition durchaus Anlaß geben, einmal von ihrer grundsätzlichen Haltung eine Ausnahme zu machen und eine andere Haltung einzunehmen.
({0})
Ich möchte noch einen letzten Gedanken anfügen. Ich war sehr beeindruckt davon, daß der Herr BunDr. Althammer
desfinanzminister vor wenigen Tagen erklärt hat, trotz der äußerst schwierigen Finanzsituation, die sich jetzt schon für die nächsten Jahre, mindestens für das nächste Jahr 1969, abzeichne, sei er des festen Willens, gerade auf diesem Gebiet noch mehr zu tun. Ich möchte sagen: mehr zu tun über das hinaus, was in der mittelfristigen Finanzplanung ohnehin schon vorgesehen ist. Wenn es uns überhaupt gelingt, über das hinaus, was in der mittelfristigen Finanzplanung vorgesehen ist, noch den investiven Teil der Ausgaben anzuheben, dann auf diesem Gebiet. Das, meine ich, müßte eine Sache sein, an der uns allen gelegen sein sollte. Ich muß noch einmal sagen: ich bedauere es, daß die Opposition beim Einzelplan 31 diese Haltung einnimmt.
({1})
Keine weiteren Wortmeldungen. Die Aussprache ist geschlossen. Abstimmung über Einzelplan 31! Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Bei einer Reihe von Gegenstimmen ist dieser Einzelplan angenommen.
Ich rufe auf:
Einzelplan 32
Bundesschuld
- Drucksache V/2726 -
Berichterstatter: Abgeordneter Windelen
Ich frage, ob der Herr Berichterstatter das Wort wünscht. - Der Berichterstatter verzichtet. Ich eröffne die Aussprache. Wird das Wort gewünscht? - Das Wort wird nicht gewünscht. Die Aussprache ist geschlossen. Wer dem Einzelplan 32 - Bundesschuld - zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Einzelplan 32 ist angenommen.
Ich rufe auf:
Einzelplan 35
Verteidigungslasten im Zusammenhang mit dem Aufenthalt ausländischer Streitkräfte
- Drucksache V/2728
Berichterstatter: Abgeordneter' Wellmann
Der Herr Berichterstatter verzichtet. Wird sonst das Wort gewünscht? - Keine Wortmeldung. Wer dem Einzelplan 35 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei 2 Gegenstimmen und 2 Enthaltungen ist der Einzelplan 35 angenommen.
Einzelplan 36 - Zivile Verteidigung - ist erledigt.
Ich rufe auf:
Einzelplan 60
Allgemeine Finanzverwaltung
- Drucksache V/2730 -
Berichterstatter: Abgeordneter Windelen
Abgeordnete Frau Krappe
Ich frage zunächst die Berichterstatter, ob sie das Wort wünschen. - Die Berichterstatter verzichten.
Zu diesem Einzelplan liegen Änderungs- und Entschließungsanträge vor. - Der Umdruck 435 *) der Abgeordneten Schlager und Genossen ist zurückgezogen.
Umdruck 390 **) Änderungsantrag der Fraktion der FDP. Wird der Antrag begründet? - Keine Wortmeldungen. Abstimmung! Wer diesem Änderungsantrag zuzustimmen wünscht, gebe bitte ein Handzeichen. - Ja, aber, meine Herren, das ist Ihr Antrag.
({0})
Meine Herren, Sie brauchen deshalb nicht zuzustimmen. Also nochmals: Umdruck 390, Änderungsantrag der Fraktion der FDP. Wer zuzustimmen wünscht, gebe bitte ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist abgelehnt.
Änderungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und der SPD Umdruck 394 ({1}) ***) . Wird dieser Antrag begründet? - Keine Wortmeldungen. Ziffer 1 ist erledigt. Wer Ziffer 2 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Bei einer Reihe von Gegenstimmen ist Ziffer 2 dieses Änderungsantrags angenommen.
Auf Umdruck 384 ****) liegt ein Änderungsantrag der Abgeordneten Dr. Althammer, Stücklen, Wagner und Genossen vor. - Das Wort hat Herr Dr. Althammer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte nur ein paar Sätze zu diesem Antrag sagen. Wir wollen mit diesem Änderungsantrag die Regierungsvorlage wiederherstellen. Die Regierungsvorlage basiert auf einer Übereinkunft sämtlicher Länder. In dieser Übereinkunft ist der Schlüssel ausgehandelt worden. Dabei sind verschiedene Komponenten zugrunde gelegt worden, u. a. die Tatsache, daß es noch mehrere Zuschüsse an steuerschwache Länder gibt, an denen Bayern nicht beteiligt ist. Man darf also die Beteiligungsquote nicht isoliert sehen. Schließlich ist bei dieser Beteiligungsquote der Finanzausgleich der Länder untereinander zugrunde gelegt.
Diese ganzen Vereinbarungen der Länder untereinander und der Länder mit dem Bund waren eine Grundlage für die Annahme der Änderungsgesetze, die wir verabschiedet haben, durch den Bundesrat. Es wäre der Sache dienlich - vor allem auch beim zweiten Durchgang des Haushalts durch den Bundesrat -, wenn hier die Regierungsvorlage auf Grund der Vereinbarungen der Länder wiederhergestellt werden könnte.
Deshalb meine herzliche Bitte, die Regierungsvorlage wiederherzustellen.
({0})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Windelen.
*) Siehe Anlage 20 **) Siehe Anlage 21 ***) Siehe Anlage 16 ****) Siehe Anlage 22
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich muß Sie leider bitten, den Änderungsantrag abzulehnen. Ich habe volles Verständnis für den Antrag des Kollegen Dr. Althammer. Er ist davon ausgegangen, daß zwischen den Ländern eine Einigung in dieser Weise erfolgt sei. Diese Einigung bestand aber zum Zeitpunkt der Beschlußfassung im Haushaltsausschuß nicht mehr. Es ist deswegen ein Kompromiß gesucht worden, der in der Vorlage des Haushaltsausschusses enthalten ist. Ein Abweichen von diesem Kompromiß würde wahrscheinlich noch größere Uneinigkeit zur Folge haben.
Deswegen bitte ich Sie, dem Änderungsantrag Ihre Zustimmung nicht zu geben.
({0})
Wir stimmen ab über den Änderungsantrag der Abgeordneten Dr. Althammer, Stücklen, Wagner und Genossen auf Umdruck 384. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Der Änderungsantrag ist abgelehnt.
Zur Begründung der Entschließungsanträge Umdrucke 426 *) und 437 **) hat das Wort der Herr Abgeordnete Schlager.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dieses Hohe Haus und die Bundesregierung sind sich in dem Ziele einig, daß die Strukturanpassungsprobleme in den Steinkohlenbergbaugebieten so rasch wie möglich bewältigt werden müssen. Auch wir aus den kohlenrevierfernen Gebieten stehen voll und ganz hinter dieser Aufgabe. Deshalb haben wir gestern dem Kohleanpassungsgesetz auch zugestimmt, obwohl wir die finanziellen Auswirkungen nicht kennen. Wir wissen nicht, wie weit die Inanspruchnahme aus den Bürgschaften gehen wird. Wir wissen noch nicht, wieweit die Steuervergünstigungen dieses Gesetzes ausgenützt werden und wieweit dadurch Steuerausfälle entstehen werden. Angesichts der sonstigen großen Lasten, die aus der Kohlesanierung und den sie flankierenden sozialen Maßnahmen sowie aus den Investitionskosten für die Infrastruktur an Saar und Ruhr entstehen können ,ist es nur natürlich, daß sich in den anderen strukturschwachen Gebieten zunehmend eine Unruhe breit macht. Es sind die Bereiche, die ohnehin seit Jahrzehnten hinten daran sind in der wirtschaftlichen Entwicklung der Bundesrepublik, die immer leben müssen mit den höchsten Treibstoffpreisen, mit den höchsten Energiekosten und den längsten Transportwegen. Wir dürfen also die Unruhe im flachen Land nicht leicht nehmen, gerade dort, wo wir - auch im flachen Land - eine hohe Arbeitslosigkeit haben.
Ich darf Ihnen kurz einige neue Zahlen sagen.
({0})
*) Siehe Anlage 23 **) Siehe Anlage 24
Während wir beispielsweise im Bereich des Ruhrarbeitsamtes Bochum eine Arbeitslosenquote von 4'0/o mit über 11 500 Arbeitslosen haben, müssen wir leider beklagen, daß z. B. der Arbeitsamtsbezirk Schwandorf eine Arbeitslosenquote jetzt noch von 40,9% mit einer Gesamtarbeitslosenzahl von über 15 300 Arbeitslosen hat. So könnte ich die erschrecklichen Zahlen über die Arbeitslosen hier beliebig fortführen.
({1})
Gerade dieses Gebiet Schwandorf und die Gebiete Deggendorf, Passau, Landshut sind Gebiete, die auch auf Grund ihrer besonderen strukturellen Schwächen einen Anspruch darauf haben, etwa wie die Saar und die Ruhr nun durch besondere zusätzliche Maßnahmen des Bundes - natürlich in Koordinierung und Zusammenarbeit mit den Ländern - gefördert zu werden.
Ich glaube, hier gibt es auch zwischen uns, ob wir nun von der Ruhr oder aus Bayern oder aus Schleswig-Holstein kommen, keine sachliche Meinungsverschiedenheit. Diese Probleme, wie wir sie im flachen Land haben, in Bayern, haben wir auch im Binnenland, haben wir auch in den Zonenrandgebieten, etwa in Schleswig-Holstein. Wir tun daher gut daran, an unserer Zielvorstellung festzuhalten, die Lebensbedingungen und damit die Wettbewerbsverhältnisse in allen Räumen in der Bundesrepublik einander anzugleichen.
Diese Zielvorstellungen entsprechen auch den Entschließungsanträgen der beiden Koalitionsfraktionen, die sie anläßlich der Strukturdebatte am 19. Januar in diesem Hause eingereicht haben. Diesen Entschließungsanträgen entspricht es vom Zweck und vom Sinn her, daß wir Sie nun bitten, in dritter Lesung unserem Entschließungsantrag zuzustimmen, die Bundesregierung zu ersuchen, zu prüfen, ob in die Zuschüsse für den Ausbau der Infrastruktur an Ruhr und Saar auch das Zonenrandgebiet und die Bundesausbaugebiete einbezogen werden können. Das würde konsequent die Befolgung unserer beiden Entschließungsanträge vom 19. Januar bedeuten.
Noch ein kurzes Wort
({2})
zu dem zweiten Entschließungsantrag, dem Antrag Umdruck 426. Die Zielsetzung dieses Antrags ergibt sich ganz klar aus der Formulierung. Die Entschließung selber macht - allerdings nur beispielhaft - die Ursachen für die Krisenanfälligkeit deutlich. Ebenso deutet sie nur beispielhaft die Lösungsmöglichkeiten für die Bewältigung der Probleme dieser besonderen, strukturschwachen Gebiete an. - Ich mache es ganz kurz, meine verehrten Kollegen, Herr Hermsdorf.
Der Hintergrund dieses Antrags sind die Überlegungen, die wir gemeinsam in der CSU-Landesgruppe angestellt haben mit dem Parlamentarischen Staatssekretär des Herrn Bundeswirtschaftsministers, Dr. Arndt, und dem Herrn Staatssekretär im bayerischen Wirtschaftsministerium, Herrn Staatssekretär Sackmann, Überlegungen, wie insbesondere
mehreren Gebieten, vor allem auch in Bayern, geholfen werden kann, wo sich die regionalen und sektoralen Schwierigkeiten in einem ganz erheblichen Maße häufen. Hier handelt es sich, was Bayern anlangt, um ein Gebiet des Oberpfälzischen und Bayerischen Waldes, nördlich von Passau. Solche Gebiet haben wir aber auch im hessischen Raum, im niedersächsischen Raum und im Raume Schleswig-Holstein. Uns geht es hier wirklich um die Förderung dieser besonders strukturschwachen Gebiete.
Die Antragsteller sind sich im klaren darüber, daß angesichts der Finanzschwierigkeiten, in denen sich der Bund befindet, die zusätzlichen Förderungsmöglichkeiten natürlich beschränkt sind. Der Begriff „Strukturpolitik" oder „-programm" - wie wir es auch immer nennen - bleibt ein Zauberwort, wenn die nötigen Mittel fehlen. Deshalb, Herr Kollege Hermsdorf, haben wir uns ja auch am 19. Januar nur sehr vorsichtig zu der Frage geäußert, inwieweit wir für zusätzliche Strukturförderungsprogramme zusätzliche Finanzquellen erschließen können. Auf diesem Standpunkt stehen wir auch heute noch. Da nun aber Länder wie Bayern und Nordrhein-Westfalen gegenwärtig dabei sind, ihre bisherige Strukturpolitik zu überprüfen und mittel- und langfristige Strukturprogramme aufzustellen - wir kennen ja die kühnen Kühnschen Vorstellungen hinsichtlich der Finanzierung durch den Bund -, ist es natürlich auch für den Bund an der Zeit, seine eigenen Vorstellungen hier zu entwickeln. Deshalb unser Antrag.
Meine Damen und Herren, ich hoffe, es doch kurz gemacht zu haben. Ich bitte Sie, unseren beiden Entschließungsanträgen in dritter Lesung zuzustimmen.
({3})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Fritsch.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Den Entschließungsanträgen auf den Umdrucken 426 und 437 pflichten wir bei. Es erscheint zweckmäßig, in Ergänzung der auf diesen Umdrucken erhobenen Forderungen festzustellen, daß diese Forderungen wiederum eine Ergänzung der in der Debatte über sektorale und regionale Strukturpolitik am 19. Januar 1968 von uns erhobenen Forderungen sind. Damals haben wir, insbesondere die Kollegen Junghans, Dr. Stammberger und Zebisch, gefordert, rund 1 Milliarde DM für jene Problemgebiete bereitzustellen, die unserer besonderen Förderung bedürfen.
Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang den Antrag, den wir am 19. Janaur dieses Jahres gestellt haben, hier noch einmal wiederholen. Die Absätze 1 und 2 dieses Antrages lauten:
1. Die Bundesregierung wird ersucht, die wirtschaftliche Förderung der Steinkohlenbergbaugebiete und des Zonenrandgebiets entsprechend der überragenden Bedeutung dieser Problemgebiete zu verstärken.
2. Die Bundesregierung wird aufgefordert, zur Mitfinanzierung von Strukturprogrammen für diese Gebiete einen Betrag von einer Milliarde DM vorzusehen. Die Mittel sollen schwerpunktmäßig zur Schaffung neuer Arbeitsplätze und die damit in Verbindung stehenden Infrastruktur-Maßnahmen vor allem dort eingesetzt werden, wo sich größere Arbeitsmöglichkeiten infolge struktureller Veränderung abzeichnen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir sind der Auffassung, daß den Vorstellungen, wie sie in den Anträgen auf den Umdrucken 426 und 437 gemeinsam zum Ausdruck kommen, und den berechtigten Wünschen dieser Gebiete dann entsprochen werden kann, wenn wir die haushaltsmäßigen Voraussetzungen dafür schaffen und wenn diesem Antrag der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion entsprochen wird.
Dabei scheint es, glaube ich, sinnvoll zu sein, hier einmal festzustellen, daß von dieser Milliarde, von der in dem Antrag die Rede ist, vermutlich 200 Millionen DM auf die Problemgebiete Bayerns entfallen würden, also ein Betrag, der einen entscheidenden Beitrag zur wirtschaftlichen Sanierung dieser Bereiche leisten und eine Besserung der Lebens-und Arbeitsbedingungen in jenen Landstrichen Bayerns herbeiführen wird, die heute noch - ich gestatte mir, einige Tatbestände aufzuzählen - das Gesicht dieses Landes kennzeichnen.
Herr Kollege Schlager hat vorhin die Arbeitslosenzahlen in diesem Gebiet angeführt. Lassen Sie mich in aller Kürze einige Tatbestände anfügen, und zwar zunächst - ich habe das bereits am 19. Januar getan - den Hinweis auf die Zahl der Pendler aus diesem Gebiet, die allein in Niederbayern 13 000 beträgt. Diese verringern zwar die Arbeitslosenzahlen in den Abgabegebieten, erhöhen sie aber bei Eintritt der ungünstigen Witterung wieder im selben Ausmaß. Wir haben das in diesem Jahr gesehen. Denken Sie auch daran, daß 44,7% der Erwerbstätigen im Landkreis Kötzting und in vielen anderen Landkreisen, wenn auch um einige Prozent darunter, arbeitslos gewesen sind. Das sind Prozentsätze, die weit über dem liegen, was andere Problemgebiete der Bundesrepublik aufzuweisen haben. Und das jedes Jahr erneut und in einem Ausmaß, daß die Bevölkerung dieser Gebiete nicht nur in arbeitsmarktpolitischer Hinsicht, sondern auch weithin - ich komme nachher noch darauf zu sprechen - in sozialen Bereichen davon betroffen ist. Ich darf vielleicht hieran erinnern - Sie gestatten mir, das auszuführen -; denn es sind Bereiche unserer Bundesrepublik, die ,es verdienen, daß man sich ihrer annimmt, auch zu noch so später Stunde annimmt.
Sie haben mit Recht meine Sorge geteilt, als es sich um Kriegsopfer und Heimkehrer gedreht hat. Gestatten Sie, daß ich nun das Wort für jenen Teil der Bevölkerung nehme, der nicht nur strukturmäßig und im sektoralen Bereich benachteiligt ist, sondern in dem auch der Anteil der Kriegsopfer und der Heimatvertriebenen größer ist als in anderen Bereichen der Bundesrepublik, die also unter der doppelten Last, einmal der Strukturschwäche, zum ande8896
Fritsch ({0})
ren aber auch ihres Schicksales, das sie nicht zu vertreten haben, zu leiden haben.
In diesem Gebiet - um vielleicht nur noch eine Zahl mit anzufügen fehlen derzeit rund 10 Millionen DM, um den Althausbesitz in den Randgebieten zu sanieren. Ich darf noch einmal daran erinnern - es ist am 19. Januar davon gesprochen worden, daß in Niederbayern diese Bereiche einer Förderung bedürfen - daß kein Meter Autobahn vorhanden ist. Ich darf daran erinnern - und das betrifft den Bereich der sektoralen Strukturpolitik -, daß ganze Wirtschaftszweige, z. B. Granit und Holz, unter einer erheblichen Rezession zu leiden haben. Ich darf daran erinnern, daß auch unsere Gemeinden und Städte, die in all diesen Jahren versucht haben, den Nachholbedarf zu ergänzen, sich in größten wirtschaftlichen Schwierigkeiten befinden.
Ich meine also, daß es möglich sein muß, auf Grund gemeinsam hier entwickelter Vorstellungen, die die Umdrucke 426 und 437 ausweisen, zu Ergebnissen zu kommen, die in konstruktiver Weise dem Land an der Grenze, den Problemgebieten, insbesondere in Bayern, helfen. Ich bin sicher, daß bei dieser Hilfe auch die Hilfe des aus Bayern stammenden Bundesfinanzministers hinzukommt.
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Das Wort hat der Abgeordnete Porsch.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf namens der Freien Demokratischen Partei erklären, daß wir den Entschließungsanträgen auf den Umdrucken 437 und 426 zustimmen. Nachdem wir neulich gesagt haben, daß für das Zonenrandgebiet und für das Grenzland der Worte genug gefallen seien und nun Taten folgen müßten, habe ich mir erlaubt, meine Rede zu Protokoll zu geben.
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Keine weiteren Wortmeldungen. Die Aussprache ist geschlossen.
Abstimmung über den Einzelplan 60. Wer zuzustimmen wünscht, gebe bitte ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Einzelplan ist einstimmig angenommen.
Ich rufe das Haushaltsgesetz 1968 in zweiter Lesung auf. Hier gibt es einige Änderungsanträge, ich folge aber der allgemeinen Übung und eröffne zunächst die allgemeine Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Schoettle.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich werde sehr kurz sein; ich verweise auf meinen Schriftlichen Bericht und im übrigen auf den Änderungsantrag der Fraktionen der SPD und der CDU/CSU auf Umdruck 434 *), der für die §§ 7 und 8 gegenüber den Beschlüssen des Haushaltsaus-
*) Siehe Anlage 25
schusses die Regierungsvorlage wiederherstellen will.
Ich brauche nicht auf die Geschichte dieses Änderungsantrages einzugehen. Er ist im Grunde genommen das Resultat einer Überlegung, die zwischen beiden Koalitionsparteien angestellt wurde und die ein Mißverständnis korrigieren soll, das im Haushaltsausschuß entstanden ist, weil durch die Beschlüsse des Haushaltsausschusses gewisse Überschneidungen in den Kompetenzen, einmal aus dem Haushaltsgesetz, das ein Jahresgesetz ist, und zum anderen aus dem Stabilitätsgesetz, das ein allgemeines Instrument der Konjunkturpolitik der Bundesregierung ist, aufgetreten sind.
Ich würde dem Hause empfehlen, diesem Änderungsantrag der beiden Parteien zuzustimmen.
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Ich rufe auf § 1, - § 2, - § 3, - § 4, - § 5, - § 6. - Soweit sind keine Änderungen beantragt. Wer zuzustimmen wünsche, gebe bitte ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Bei einer Anzahl Gegenstimmen angenommen.
Der Änderungsantrag Umdruck 434 zu § 7 ist soeben begründet worden. Wer diesem Änderungsantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Bei einer Anzahl Gegenstimmen ist dieser Änderungsantrag angenommen.
§ 7 in der so geänderten Fassung! Wer zuzustimmen wünscht, gebe bitte ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - § 7 ist in der so geänderten Fassung angenommen.
Jetzt kommt der § 8. Über den Änderungsantrag 434 Ziffer 2 ist schon abgestimmt. Wer § 8 in der so geänderten Fassung zuzustimmen wünscht, gebe bitte ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das sind die gleichen Mehrheitsverhältnisse. § 8 ist in der so geänderten Fassung angenommen.
,§ 9, - § 10. - Es liegen keine Änderungsanträge vor. Wer zuzustimmen wünscht, gebe bitte ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Paragraphen sind angenommen.
Jetzt kommt der § 11. Dazu liegen zwei gleichlautende Änderungsanträge auf den Umdrucken 397 *) und 411 **) vor. Wer möchte begründen? - Bitte sehr, Herr Spillecke.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Große Koalition funktioniert nicht immer. Das kann man an den beiden Anträgen Umdruck 397 und Umdruck 411 erkennen. Sie laufen parallel. Sie haben nicht nur den gleichen Sinngehalt, sondern sind sogar wortwörtlich übereinstimmend.
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*) Siehe Anlage 26 **) Siehe Anlage 27
- Lieber Herr Kollege, daran können Sie sehen, daß sich die beiden Koalitionsfraktionen manchmal in ihrem Denken unabhängig voneinander so sehr ähneln und kongruent sind, daß das uns selbst überrascht.
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Meine Damen und Herren, ich will mich kurz fassen. Die Zeit ist weit fortgeschritten. Dennoch bleibt mir nichts anderes übrig, als einige begründende Worte zu diesen beiden Änderungsanträgen vorzutragen.
Der Haushaltsausschuß hatte es bei seinen Beratungen über den Entwurf des Haushaltsgesetzes 1968 abgelehnt, den § 11 des Haushaltsgesetzes um eine Vorschrift zu ergänzen, die wiederum Hebungen und sonstige Stellenbewertungen nach dem in den nächsten Monaten zu verabschiedenden Zweiten Besoldungsneuregelungsgesetzes im Laufe des Rechnungsjahres 1968 ermöglichen würde. In dem Schriftlichen Bericht des Kollegen Schoettle auf Drucksache V/2731 wird als Begründung angegeben, der Ausschuß habe bewußt dem Ziel einer ordnungsgemäßen, daher auch zeitgerechten Haushaltsplanung den Vorrang vor einer im Laufe des Haushaltsjahres vorzunehmenden Bereinigung von Unebenheiten im Rahmen der Harmonisierung eingeräumt. Der Ausschuß geht darüber hinaus auch von der Annahme aus, er könne künftig gerechter in den Personalentscheidungen urteilen, wenn er unter geringerem Zeitdruck allein auf Grund der bewährten Übersichten und Erläuterungen zu den Personaltiteln des Entwurfs des Haushaltsplans berät.
Sie alle, meine Damen und Herren, können wahrscheinlich die Unruhe in der Beamtenschaft verstehen, die dadurch entstanden ist, daß einerseits in der mittelfristigen Finanzplanung für 1968 Personalverstärkungsmittel für eine Verbesserung des Besoldungsgefüges um 4 % eingesetzt waren und die Bundesregierung mehrfach erklärte, daß auch aus konjunkturpolitischen Gründen Lohn- und Gehaltsanhebungen in dieser Größenordnung wünschenswert seien, daß andererseits aber durch die Verhandlungen mit den Ländern auf deren Betreiben hin der ursprünglich vorgesehene Inkrafttretungstermin um ein halbes Jahr auf den 1. Juli verschoben werden mußte. Die Beamtenschaft, die auf Grund aller sachkundigen Äußerungen über die Besoldungsentwicklung seit 1957 zu Recht davon ausgeht, daß trotz aller Bemühungen ihr Besoldungsrückstand noch nicht aufgeholt wurde, kann schwerlich Verständnis dafür aufbringen, daß das strittige Thema des Finanzausgleichs zwischen Bund und Ländern auf ihrem Rücken ausgetragen wird.
Absolut unverständlich würde es aber jedem Sachkundigen bleiben, wenn aus formalen Überlegungen auch die von Bundesregierung und Parlament zu beschließenden Hebungen und sonstige Stellenbewertungen in der zweiten Stufe der Besoldungsharmonisierung nicht sofort nach Inkrafttreten des Gesetzes, sondern erst im nächsten Haushaltsjahr vorgenommen würden.
Namens der SPD-Bundestagsfraktion und der Kolleginnen und Kollegen der CDU/CSU-Fraktion - eis sind dort 43 Kolleginnen und Kollegen, die unseren Antrag Umdruck 411 befürworten - bitte ich Sie, beiden Anträgen, also den Umdrucken 397 und 411, zuzustimmen. In beiden Anträgen wird gefordert, daß der Haushaltsausschuß ermächtigt werden soll, auf Antrag des Bundesministeras der Finanzen Planstellen nach Maßgabe des Zweiten Gesetzes zur Neuregelung des Besoldungsrechts umzuwandeln. Die von mir und von den Antragstellern der CDU/CSU-Fraktion befürwortete Ergänzung des § 11 entspricht im übrigen auch der ursprünglichen Regierungsvorlage.
Meine Damen und Herren, wenn wir beiden Änderungsanträgen zustimmten, würden wir dem Haushaltsausschuß die notwendige Ermessensfreiheit geben, und wir alle, so meine ich, hätten uns im Hinblick auf die Öffentlichkeit und Beamtenschaft viel, viel nachträglichen Ärger erspart.
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Herr Abgeordneter Rawe!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich meine, wir hätten eigentlich den Haushaltsausschuß loben sollen, daß er von sich aus auf eine Ermächtigung verzichtet hat. Wenn aber das Hohe Haus hier es anders beschließen will, so habe ich den Eindruck - ich darf das vielleicht auch für die Kollegen der Fraktionen der SPD und der FDP mit sagen -, daß wir uns einem solchen Anliegen nicht verschließen werden. Aber, Herr Schmitt-Vockenhausen, Sie nicken gerade so zustimmend, wir würden Ihnen dann auch sehr dankbar sein, wenn Sie unserem Anliegen, nun endlich den Art. 75 vernünftig ordnen zu wollen, dann mit dem gleichen Wohlwollen entgegenkämen. Dann wären wir wieder sehr schnell einig.
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- Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn wir das in einem Zuge parallel miteinander machten. Ich glaube, dann kommen wir bestimmt weiter.
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Herr Präsident, gestatten Sie mir eine kleine Bemerkung, die ich an sich zu § 11 Abs. 2 machen wollte. Ich werde sie aber zu. Protokoll geben *), um Ihre Zeit nicht länger in Anspruch zu nehmen.
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Herr Abgeordneter Dr. Emde!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich mache es kurz wie immer. Wir können diesem veränderten § 11, wie er vom Haus-
*) Siehe Anlage 35
haltsausschuß beschlossen ist, nicht zustimmen. Wir sind der Meinung, daß eine überdrehte Personalpolitik der Bundesregierung nicht dadurch abgefangen werden kann, daß man freiwerdende Fünftelstellen einspart.
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Keine weiteren Wortmeldungen.
Abstimmung über die beiden Änderungsanträge auf den Umdrucken 397 und 411. Wer zuzustimmen wünscht, bitte ein Handzeichen! - Gegenprobe! - Wenn Sie den Änderungsantrag bei dieser Abstimmungslage nicht zurückziehen - - Die Abstimmung muß wiederholt werden. Wer für diese beiden Änderungsanträge ist, den bitte ich, sich zu erheben. - Gegenprobe! - Jetzt hat es sich wieder ein bißchen geändert. Das eiste war die Mehrheit; die Änderungsanträge sind angenommen.
Wir stimmen ab über § 11 in der so geänderten Fassung. Wer zuzustimmen wünscht, bitte ein Handzeichen! - Gegenprobe! - Bei einer Anzahl von Gegenstimmen angenommen.
§§ 12 bis 22! Keine Änderungsanträge. Wer zuzustimmen wünscht, bitte ein Handzeichen! - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Diese Paragraphen sind angenommen.
Zu § 23 liegt ein Änderungsantrag auf Umdruck 383 *) vor. Ich habe hier zwei Wortmeldungen. - Herr Abgeordneter Westphal, wollten Sie begründen? - Bitte sehr!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dies ist ein Änderungsantrag der Mitglieder des Hauhaltsausschusses. Es geht darum, das Volumen für die Bürgschaften im Gesetz zu erhöhen, und zwar von 16,4 Milliarden DM um 1,7 Milliarden DM auf 18,1 Milliarden DM. Das ist eine Auswirkung des Kohleanpassungsgesetzes, das wir gestern hier verabschiedet und beschlossen haben.
Nun wissen Sie sicher, daß im Kohlegesetz ein Rahmen für Bürgschaften von 2 Milliarden DM steht. Es wird dabei eine Erhöhung um nur 1,7 Milliarden DM verlangt. Das möchte ich in einem Satz erklären. Der Grund dafür ist einfach der, daß in dem alten Rahmen von 16,4 Milliarden DM schon 300 Millionen DM für den gleichen Zweck vorgesehen waren, so daß wir nur noch 1,7 Milliarden DM hinzufügen müßten. Es geht nicht um eine Änderung des Volumens, sondern um eine Änderung des Rahmens für Bürgschaften, die zur Verfügung stehen.
*) Siehe Anlage 28
Im übrigen ist der Haushaltsausschuß der Meinung, daß Wirtschafts- und Finanzminister, die beide zusammenfassend zuständig sind, die Bürgschaften, die auf diesem Gebiet vergeben werden, sehr, sehr gründlich prüfen müssen, bevor sie vergeben werden. Ich bitte um Annahme dieses Antrages.
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Herr Abgeordneter Rawe, wollen Sie auch noch sprechen?
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Wer diesem Änderungsantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Bei einer Anzahl Gegenstimmen ist dieser Änderungsantrag auf Umdruck 338 angenommen.
Ich stelle den so geänderten § 23 zur Abstimmung. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Mit gleichem Stimmenverhältnis angenommen.
Nun kommen die §i§ 24 bis 31 - ohne Änderungsantrag -, Einleitung und Überschrift. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Diese Bestimmungen sind angenommen.
Damit ist der Haushalt 1968 in zweiter Lesung beschlossen.
Meine Damen und Herren, zur Geschäftslage folgendes. Ich danke dem Haus, das es so lange geduldig mitgearbeitet hat. Wir können morgen vormittag um 10 Uhr nach der Fragestunde mit der allgemeinen Aussprache in dritter Lesung beginnen. Ich schätze, daß wir nicht länger als - sagen wir einmal - drei Stunden dazu brauchen. Ich habe, da ich nicht mit aller Gewalt einen Beschluß des Ältestenrates durchsetzen kann, wenn es einer Reihe von Kollegen aus vielleicht guten Gründen nicht gefällt, angeordnet, daß die Präsenzlisten wieder nach der alten Weise aufgelegt werden. Es braucht sich also morgen vormittag um 9 Uhr in der Fragestunde niemand nach § 4 des seitherigen Diätengesetzes besonders anzustrengen.
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Meine Damen und Herren, damit sind wir am Schluß. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Freitag, den 5. April 1968, 9 Uhr, ein.
Die Sitzung ist geschlossen.