Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 4/3/1968

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Dr. Karl Mommer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001529

Die Sitzung ist eröffnet. Folgende amtliche Mitteilung wird ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen: Der Vorsitzende des Innenausschusses hat mit Schreiben vom 1. April 1968 mitgeteilt, daß der Ausschuß gegen die Verordnung des Rates zur Änderung der Verordnung Nr. 422/67/EWG, Nr. 5/67/Euratom des Rates vom 25. Juli 1967 über die Regelung der Amtsbezüge für den Präsidenten und die Mitglieder der Kommission sowie für den Präsidenten, die Richter, die Generalanwälte und den Kanzler des Gerichtshofes keine Bedenken erhoben habe. Ich rufe Punkt I der Tagesordnung auf: Fragestunde - Drucksache V/2793 Wir kommen zunächst zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz. Zur Beantwortung ist Herr Staatssekretär Professor Ehmke hier. Ich rufe die Frage 82 des Abgeordneten Wurbs auf: Hält es die Bundesregierung mit der von ihr vertretenen sozialen Gerechtigkeit für vereinbar, daß nadi den geltenden Gesetzen in noch schwarzen Kreisen Haus- bzw. Wohnungseigentümer keine Möglichkeit haben, in ihr Haus einzuziehen, obwohl sie bereit sind, für den Mieter eine Ersatzwohnung mit angemessener Miete zu stellen und zusätzlich eine Abfindungssumme zu zahlen? Ist Herr Wurbs im Saal? ({0})

Not found (Staatssekretär:in)

In der Frage wird unterstellt, daß Hauseigentümer in den schwarzen Kreisen nach geltendem Recht keine Möglichkeit haben, in ihr eigenes Haus einzuziehen, wenn es vermietet ist, selbst wenn sie bereit sind, für den Mieter eine Ersatzwohnung mit angemessener Miete zu stellen und zusätzlich eine Abfindung zu zahlen. Diese Unterstellung trifft nicht zu. In den schwarzen Kreisen kann der Vermieter nach § 4 des Mieterschutzgesetzes auf Aufhebung des Mietverhältnisses klagen, wenn er an der Rückgabe des Mietraums ein dringendes Interesse hat und nicht das Interesse des Mieters und seiner Familie an der Beibehaltung des Wohnraums derart überwiegt, daß dem Mieter die Rückgabe nicht zugemutet werden kann. In § 4 Abs. 1 Satz 2 und 3 des Mieterschutzgesetzes wird näher ausgeführt, welche Umstände bei der Interessenabwägung zugunsten des Vermieters und welche zugunsten des Mieters besonders berücksichtigt werden müssen. Die Vorschrift berücksichtigt die Interessen der Vermieter und der Mieter unter den besonderen Verhältnissen, wie sie auf den Wohnungsmärkten in den schwarzen Kreisen noch gegeben sind, in angemessener Weise. Die Interessenabwägung kann im Einzelfall dazu führen, daß das Interesse des Mieters oder seiner Familie an der Beibehaltung des Wohnraums überwiegt. Es ist aber nicht gerechtfertigt, solche Fälle zu verallgemeinern. Im übrigen ist es auch in den weißen Kreisen möglich, daß bei der Interessenabwägung, die im Rahmen der sogenannten Sozialklausel vorzunehmen ist, die Interessen des Mieters oder seiner Familie an der Fortsetzung des Mietverhältnisses gegenüber einem Eigenbedarf des Vermieters als überwiegend angesehen werden und deshalb das Mietverhältnis verlängert und eine Räumungsklage des Vermieters abgewiesen wird.

Dr. Karl Mommer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001529

Keine Zusatzfrage. Ich rufe die Frage 83 des Herrn Abgeordneten Bühler auf: Sind der Bundesregierung Fälle von Störungen der öffentlichen Ordnung bekannt, bei denen die zuständigen Justizbehörden, entgegen den einschlägigen Vorschriften, untätig geblieben sind?

Not found (Staatssekretär:in)

Der Bundesregierung sind Fälle von Störungen der öffentlichen Ordnung, bei denen die zuständigen Justizbehörden entgegen den einschlägigen Vorschriften untätig geblieben sind, nicht bekannt. Eine Umfrage bei den Landesjustizverwaltungen hat ergeben, daß auch dort keine Fälle bekannt sind, in denen die Justizbehörden bei Fällen von Störungen der öffentlichen Ordnung entgegen den einschlägigen Vorschriften der Strafprozeßordnung nicht tätig geworden sind.

Dr. Karl Mommer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001529

Zusatzfrage, Herr Bühler.

Karl August Bühler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000296, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Besteht die Möglichkeit, Herr Staatssekretär, Justizorgane, die untätig bleiben, zur Rechenschaft zu ziehen?

Not found (Staatssekretär:in)

Die Möglichkeit besteht, Herr Abgeordneter, nach den allgemeinen Vorschriften des Strafgesetzbuchs, wie etwa denen über die Rechtsbeugung.

Dr. Karl Mommer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001529

Keine weitere Zusatzfrage. Ich rufe die Frage 84 des Herrn Abgeordneten Dr. Hofmann auf: Ist die Bundesregierung der Meinung, daß die Staatsanwaltschaften in der Bundesrepublik Deutschland die Gesetze zum Schutze der Jugend in genügendem Maße beachten und anwenden, insbesondere bei den Veröffentlichungen in Wort und Bild der deutschen Illustrierten und Nachrichtenmagazine?

Not found (Staatssekretär:in)

Die für die Verfolgung von Verstößen gegen die Gesetze zum Schutz der Jugend zuständigen Staatsanwaltschaften unterstehen der Dienstaufsicht der Landesjustizverwaltungen, denen gegenüber der Bundesminister der Justiz keinerlei Weisungsbefugnisse hat. Ich habe jedoch keinen Anlaß, anzunehmen, daß die Staatsanwaltschaften nicht - wie es dem Legalitätsprinzip entspricht - nachdrücklich gegen etwaige Verstöße gegen die §§ 184, 184 a des Strafgesetzbuchs und gegen die einschlägigen Bestimmungen des Gesetzes über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften vorgehen. Die Landesjustizverwaltungen haben besondere Zentralstellen zur Bekämpfung unzüchtiger und jugendgefährdender Schriften, Abbildungen und Darstellungen eingerichtet, die ihrer Aufgabe mit Nachdruck nachkommen. Die Schwierigkeit liegt aber darin, daß die Meinungen darüber, was offensichtlich jugendgefährdend oder gar unzüchtig im Sinne des Gesetzes ist, weit auseinandergehen. Hier wirken sich nicht nur der Wandel der allgemeinen Anschauungen, sondern auch regionale Unterschiede aus, aus denen sich möglicherweise in den verschiedenen Gebieten eine unterschiedliche Verfolgungsintensität ergibt.

Dr. Karl Mommer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001529

Eine Zusatzfrage, Herr Hofmann.

Dr. Josef Hofmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000941, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, bei der weitläufigen Ausdehnung meiner Frage darf ich hinzufügen: Sind Sie nicht der Meinung, daß bei manchen Veröffentlichungen in Bild und auch in Wort die immanente Grenze der Pressefreiheit erreicht sei?

Not found (Staatssekretär:in)

Diese Entscheidung müssen wir den dafür zuständigen Gerichten überlassen.

Dr. Karl Mommer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001529

Ich rufe die Frage 85 des Herrn Abgeordneten Dr. Hofmann auf: Wenn die Frage 84 verneint werden muß, welche Konsequenzen gedenkt die Bundesregierung aus diesem Faktum zu ziehen?

Not found (Staatssekretär:in)

Mit der Antwort, die ich soeben gegeben habe, ist auch die Frage 85 beantwortet.

Dr. Karl Mommer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001529

Vielen Dank. Damit sind die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz erledigt. Ich rufe die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für das Post- und Fernmeldewesen auf, zunächst die Frage 45 des Herrn Abgeordneten Brück ({0}) - er ist im Saal: Wie hat die Bundesregierung den Wunsch der Presse-Rundfunk-AG Saarbrücken auf Zuteilung von Frequenzen zum Betrieb eines privaten Fernsehens im Saarland beantwortet?

Dr. Werner Dollinger (Minister:in)

Politiker ID: 11000403

Herr Präsident, darf ich die drei Fragen, weil sie zusammenhängen, gemeinsam beantworten?

Dr. Karl Mommer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001529

Bitte sehr! Ich rufe dann auch die Fragen 46 und 47 des Herrn Abgeordneten Brück ({0}) auf: Haben Mitglieder oder Beamte der Regierung des Saarlandes, Mitglieder des Landtages des Saarlandes oder Mitglieder der Gremien des Saarländischen Rundfunks mit Mitgliedern oder Beamten der Bundesregierung Gespräche über die Zuteilung von Frequenzen für den Betrieb eines privaten Fernsehens im Saarland geführt? Wie beurteilt die Bundesregierung die Möglichkeit, Frequenzen für den Betrieb eines privaten Fernsehens im Saarland zur Verfügung zu stellen?

Dr. Werner Dollinger (Minister:in)

Politiker ID: 11000403

Das Schreiben der Presse Rundfunk-AG Saarbrücken mit dem Wunsche auf Erteilung von Frequenzen zum Betrieb eines privaten Fernsehens im Saarland wurde von mir dahingehend beantwortet, daß erst dann hierüber entschieden werden kann, wenn die Regierung des Saarlandes die Genehmigung zur Veranstaltung von Rundfunksendungen erteilt hat. Die Staatskanzlei des Saarlandes hat sich brieflich in dieser Angelegenheit am 5. Januar 1968 an das Bundesministerium für das Post- und Fernmeldewesen mit der Bitte um Auskunft gewandt. Die im Stockholmer Plan 1961 für den Bereich des Saarlandes vorgesehenen Fernsehfrequenzen sind für die Ausstrahlung des Ersten, Zweiten und Dritten Fernsehprogramms verplant. Daneben könnte noch eine Benutzung des Kanals 39 in Erwägung gezogen werden. Der Kanal 39 ist im Stockholmer Plan 1961 an sieben Standorten im Bundesgebiet aufgeführt, darunter für den Standort Felsberg im Saarland mit bestimmten technischen Merkmalen. Diese Merkmale sind u. a. französische Fernsehnorm, Strahlrichtung Frankreich. Der Kanal 39 wurde der Europäischen Rundfunk-und Fernseh-AG, Europa I, versuchsweise und bis 31. Dezember 1967 befristet mit den genannten technischen Merkmalen zugeteilt. Der Versuchssender im Kanal 39 ist nicht in Betrieb genommen worden. Eine Verlängerung der Versuchsgenehmigung wurde nicht beantragt. Daher ist der Kanal 39 jetzt wegen Frequenzmangels für die Schließung einiger Lücken in der Versorgung des Saarlandes und des Landes Rheinland-Pfalz mit dem Zweiten und Dritten Fernsehprogramm vorgesehen. Falls diese Lücken in Kauf genommen werden, könnte der Kanal 39 - mit gewissen technischen Auflagen und nach Koordinierung mit den Nachbarländern gemäß dem Stockholmer Abkommen - für ein privates Fernsehen im Saarland zur Verfügung gestellt werden.

Dr. Karl Mommer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001529

Eine Zusatzfrage, Herr Brück.

Alwin Brück (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000276, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident, ich habe den Eindruck, daß meine zweite Frage nicht beantwortet worden ist.

Dr. Werner Dollinger (Minister:in)

Politiker ID: 11000403

Ich darf die Antwort auf die zweite Frage wiederholen: Die Staatskanzlei des Saarlandes hat sich brieflich in dieser Angelegenheit am 5. Januar 1968 an das Bundesministerium für das Post- und Fernmeldewesen mit der Bitte um Auskunft gewandt. inwieweit dann - und wann - informatorische Gespräche stattgefunden haben, kann ich im einzelnen nicht sagen.

Dr. Karl Mommer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001529

Noch eine Zusatzfrage, Herr Brück.

Alwin Brück (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000276, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sie sagen also: Sie können nicht sagen, ob informatorische Gespräche mit Beamten Ihres Hauses stattgefunden haben?

Dr. Werner Dollinger (Minister:in)

Politiker ID: 11000403

Das kann ich deshalb nicht sagen, weil hier mit Oberpostdirektionen und mit Abteilungen gesprochen werden kann. Offiziell ist die Verbindung mit diesem Schreiben, das ich erwähnt habe, aufgenommen worden.

Dr. Karl Mommer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001529

Noch eine Zusatzfrage, Herr Brück.

Alwin Brück (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000276, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Wären Sie bereit, nachzuforschen, ob im Bereich Ihres Hauses solche Gespräche geführt worden sind?

Dr. Werner Dollinger (Minister:in)

Politiker ID: 11000403

Das kann man selbstverständlich versuchen. Ich weiß aber nicht, was es an dieser ganzen Sache im Grunde genommen ändern soll.

Dr. Karl Mommer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001529

Noch eine Frage, Herr Brück.

Alwin Brück (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000276, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Darf ich Ihnen mitteilen, daß es im Saarland Gerüchte gibt, nach denen mit dem Bundespostministerium abgesprochen sei, Frequenzen zuzuteilen.

Dr. Werner Dollinger (Minister:in)

Politiker ID: 11000403

Für das Bundespostministerium spricht der Postminister, und ich habe hier meine Auskunft erteilt.

Dr. Karl Mommer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001529

Die fünfte Zusatzfrage, Herr Brück!

Alwin Brück (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000276, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Da Sie davon sprachen, daß der Staatssekretär in der Staatskanzlei an Sie geschrieben hat: hat er gefragt wegen der PresseRundfunk-AG oder wegen einer Gesellschaft, die im Saarland neu gegründet worden ist und deren Präsident der Präsident des Saarländischen Landtags, Dr. Maurer, ist?

Dr. Werner Dollinger (Minister:in)

Politiker ID: 11000403

Ich kann Ihnen den Brief im Augenblick nicht vorlesen, weil ich ihn nicht bei der Hand habe. Aber der Brief bezieht sich auf die Zulassung dieser Gesellschaft entsprechend Ihrer Frage.

Dr. Karl Mommer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001529

Die letzte Zusatzfrage, Herr Brück.

Alwin Brück (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000276, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Wären Sie bereit, mir eine Kopie des Briefes zuzustellen?

Dr. Werner Dollinger (Minister:in)

Politiker ID: 11000403

Ich will das prüfen.

Dr. Karl Mommer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001529

Eine Zusatzfrage, Herr Schulze-Vorberg.

Dr. Max Schulze-Vorberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002112, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Bundesminister, da Sie in Ihrer Antwort von sieben Standorten im Kanal 39 sprachen, darf ich Sie fragen, wie die übrigen sechs Standorte zur Zeit genutzt werden oder welche Nutzung durch die Bundesregierung vorgesehen ist.

Dr. Werner Dollinger (Minister:in)

Politiker ID: 11000403

Ich teile Ihnen das gern schriftlich mit. Ich habe die einzelnen Standorte nicht hier.

Dr. Karl Mommer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001529

Noch eine Frage, Herr Schulze-Vorberg.

Dr. Max Schulze-Vorberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002112, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Gibt es im Bereich der Bundesregierung Erwägungen, diese Standorte privaten Fernsehstationen zuzuteilen?

Dr. Werner Dollinger (Minister:in)

Politiker ID: 11000403

Solche Erwägungen werden im Augenblick nicht angestellt.

Dr. Karl Mommer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001529

Eine Zusatzfrage, Herr Berkhan.

Karl Wilhelm Berkhan (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000158, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister, sind Sie bereit, den Beamten zu rügen, der Ihnen Ihre Unterlagen zusammenstellte und der diesen entscheidenden Brief nicht den Unterlagen beifügte?

Dr. Werner Dollinger (Minister:in)

Politiker ID: 11000403

Ich glaube, daß das, was ich gesagt habe, ausreichend war. Es wurde nicht nach dem Inhalt des Briefes gefragt.

Dr. Karl Mommer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001529

Ich rufe die Fragen 48, 49 und 50 des Herrn Abgeordneten Müller ({0}) auf: Was sieht der Betriebs- und Organisationsplan der Deutschen Bundespost im Hinblick auf die Zahl der Post- und Fernmeldeämter in Berlin, gemessen an der Einwohnerzahl im Vergleich zu anderen Großstädten der Bundesrepublik Deutschland, für die Zukunft vor? Sind auf Grund des bestehenden Betriebs- und Organisationsplans offensichtliche Benachteiligungen für Postbenützer und Postangehörige in Berlin zu befürchten? Was gedenkt die Bundesregierung - falls die Frage 49 bejaht wird - zu tun, um sowohl Benützer als auch Angehörige der Deutschen Bundespost in Berlin vor unzumutbaren Benachteiligungen zu schützen? Ist Herr Abgeordneter Müller im Saal? - Bitte, Herr Minister!

Dr. Werner Dollinger (Minister:in)

Politiker ID: 11000403

Herr Präsident, gestatten Sie, daß ich die Fragen gemeinsam beantworte.

Dr. Karl Mommer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001529

Bitte sehr!

Dr. Werner Dollinger (Minister:in)

Politiker ID: 11000403

Nach dem Betriebs- und Organisationsplan für Berlin ist vorgesehen, die Zahl der verwaltungsmäßig selbständigen Ämter des Postwesens von zur Zeit 21 auf 14 zu verringern. Im Fermeldedienst sind für die zur Zeit vorhandenen drei Fernmeldeämter und ein Fernmeldezeugamt bei dem gegenwärtigen Verkehrsumfang keine innerbetrieblichen, organisatorischen Maßnahmen geplant. Die vorgesehene Rationalisierungsmaßnahme entspricht der im gesamten Bundesgebiet seit Jahren durchgeführten Neuordnung der postalischen Ämterorganisation und dient dem Ziel, den Postbetrieb bei gleichbleibenden oder möglichst verbesserten Betriebsleistungen wirtschaftlicher zu gestalten. Sie folgt damit den Empfehlungen des Bundesbeauftragten für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung und den Vorschlägen der Sachverständigen-Kommission für die Deutsche Bundespost. Hierbei vermittelt ein nur auf Zahlen gegründeter Vergleich mit anderen Großstädten kein klares Bild, weil die Ämter in Berlin infolge der besonderen Lage der Stadt ausschließlich örtliche Aufgaben haben, während vergleichbare Ämter in den übrigen Großstädten überwiegend überörtliche Versorgungsaufgaben weit über die Stadtgrenzen hinaus wahrnehmen. Es sind auf Grund des bestehenden Betriebs- und Organisationsplanes weder Benachteiligungen für die Postbenutzer noch für die Postangehörigen zu befürchten. Die der unmittelbaren Postversorgung der Bevölkerung dienenden Einrichtungen wie Postämter bleiben und werden betrieblich durch diese verwaltungsorganisatorischen Maßnahmen nicht berührt. Bei den unvermeidbaren personellen Auswirkungen wird wie bisher so auch in Zukunft dafür gesorgt, daß alle frei werdenden Arbeitskräfte sogleich eine laufbahn- und dienstpostengerechte Unterbringung in neuen Beschäftigungsstellen finden. Unter Mitwirkung der Personalvertretungen wird hierbei darauf geachtet, daß sich für die betroffenen Postbediensteten keine Nachteile für ihren dienstlichen Werdegang ergeben und auch keine unzumutbaren Härten auftreten. Es besteht daher keine Veranlassung, Berliner Postbenutzer oder Postangehörige vor vermeintlich unzumutbaren Benachteiligungen zu schützen.

Dr. Karl Mommer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001529

Eine Zusatzfrage, Herr Müller.

Johannes Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001554, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Bundesminister, sind die von Ihnen genannten 14 Postämter nun das endgültige Ergebnis oder ist noch mit einem weiteren Abbau zu rechnen?

Dr. Werner Dollinger (Minister:in)

Politiker ID: 11000403

Das ist sicher für längere Zeit das endgültige Ergebnis.

Dr. Karl Mommer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001529

Keine Zusatzfragen. - Vielen Dank für die Beantwortung dieser Fragen. Ich rufe auf den Geschäftsbereich des Bundesministers für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte, und zwar die Frage 1 des Herrn Abge- ordneten Dr. Imle: Welche Gründe veranlassen den Bundesvertriebenenminister, über die Ausgabenreste von 1967 für Wohnraumbeschaffungsdarlehen nach dein Kriegsgetangenenentschädigungsgesetz unter Berücksichligung der Tatsache, daß damit die neuen Bewilligungen für das Jahr 1968 praktisch blockiert weiden, erst im Juli d. J. zu entscheiden? Ist Herr Imle im Saal? - Ja. Zur Beantwortung hat das Wort der Herr Bundesminister. von Hassel, Bundesminister für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach § 30 Abs. 2 der Reichshaushaltsordnung dürfen Beträge, die bei übertragbaren Ausgabebewilligungen am Schluß eines Rechnungsjahres nicht verwendet sind, nur mit vorheriger Zustimmung des Bundesministers der Finanzen verausgabt werden. Nach § 6 des Haushaltsgesetzes darf der Bundesminister der Finanzen diese Zustimmung nur erteiBundesminister von Hassel len, wenn innerhalb desselben Einzelplanes veranschlagte Beträge in gleicher Höhe für diesen Zweck in Abgang gestellt werden oder wenn sichergestellt ist, daß in demselben Einzelplan am Schluß des Rechnungsjahres Ausgabereste in gleicher Höhe verbleiben. Unter dieser Voraussetzung hat der Bundesminister der Finanzen von dem Ausgaberest 1967 im März dieses Jahres einen Betrag von 3,5 Millionen DM für Darlehen nach dem Kriegsgefangenenentschädigungsgesetz freigegeben. Über diesen Betrag kann jedoch erst verfügt werden, wenn zu übersehen ist, ob eine der beiden gesetzlich vorgeschriebenen Bedingungen erfüllt ist. Diese Ubersicht ist erst im Laufe des Haushaltsjahres 1968 zu gewinnen. Ich hoffe aber, noch in diesem Monat einen Teilbetrag des Ausgaberestes verteilen zu können.

Dr. Karl Mommer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001529

Keine Zusatzfrage; vielen Dank für die Beantwortung. Die nächsten beiden Fragen sind die Fragen 2 und 3 aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für wissenschaftliche Forschung: Beabsichtigt die Bundesregierung, die Zahl der Wissenschaftsattachés in den großen Industriestaaten in nächster Zeit zu vermehren? Wie beurteilt die Bundesregierung den Vorschlag, eine gemeinsame Technische Hochschule im Rahmen der EWG zu gründen? Zur Beantwortung ist der Herr Bundesminister anwesend. Bitte, Herr Bundesminister!

Dr. Gerhard Stoltenberg (Minister:in)

Politiker ID: 11002259

Bisher wurde eine Stelle für den Wissenschaftsreferenten an der Botschaft London bewilligt und besetzt. Außerdem hat der Haushalstausschuß des Deutschen Bundestages jetzt in seiner Sitzung vom 14. Dezember 1967 zwei neue Planstellen für die Botschaften Paris und Washington gemäß § 11 des Haushaltsgesetzes 1967 genehmigt. In der gleichen Sitzung hat der Haushaltsausschuß eine weitere Stelle für einen Wissenschaftsreferenten an der Botschaft Tokio genehmigt, die jedoch erst mit dem Inkrafttreten des Haushaltsgesetzes 1968 besetzbar ist. Darüber hinaus ist von der Bundesregierung eine weitere Stelle für einen Wissenschaftsreferenten an der Botschaft in Moskau in ihren Haushaltsvoranschlag aufgenommen worden. Schließlich ist nach dem derzeitigen Plan vorgesehen, in den folgenden Jahren einige weitere Stellen für Wissenschaftsreferenten bei deutschen Auslandsvertretungen einzurichten. Dabei ist es zur Zeit noch nicht möglich, bestimmte Dienstorte anzugeben. Das Bestreben geht jedoch dahin, ähnlich der Praxis anderer Staaten dann Wissenschaftsreferenten zu bestellen, die für größere regionale Bereiche zuständig sein sollen.

Dr. Karl Mommer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001529

Eine Zusatzfrage, Herr Lohmar.

Dr. Ulrich Lohmar (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001370, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister, erlauben die bisherigen Erfahrungen der Bundesregierungen ein Urteil darüber, ob die Entsendung nur eines Wissenschaftsreferenten in Ländern der von Ihnen genannten Größenordnung auf die Dauer ausreichen wird?

Dr. Gerhard Stoltenberg (Minister:in)

Politiker ID: 11002259

Ich halte es für möglich, daß wir bei besonders großen Botschaften zumindest zur Entsendung eines Hilfsreferenten kommen werden. Das ist z. B. für Washington bereits durch Abordnung von Beamten meines Hauses eingeleitet.

Dr. Karl Mommer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001529

Frau Geisendörfer!

Ingeborg Geisendörfer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000652, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Minister, was verstehen Sie unter Wissenschaftsreferenten"? Die Einrichtung dieser Stelle ist bisher immer unter dem Titel „Wissenschaftsattachés" gelaufen. Wie sind diese Wissenschaftsreferenten bei den auswärtigen Vertretungen eingeordnet?

Dr. Gerhard Stoltenberg (Minister:in)

Politiker ID: 11002259

Die Formulierung „Wissenschaftsreferenten" ist das Ergebnis interministerieller Besprechungen zwischen den beteiligten Ressorts. Ich glaube, damit soll deutlich werden, daß dieser Referent eine gleichwertige Stellung gegenüber den anderen großen Referaten einer Botschaft hat, etwa dem Wirtschaftsreferenten oder, soweit vorhanden, dem Sozialreferenten und dem Kulturreferenten.

Dr. Karl Mommer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001529

Noch eine Zusatzfrage, Frau Geisendörfer.

Ingeborg Geisendörfer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000652, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Minister, meine Frage gründet sich darauf, daß zeitweise beim Auswärtigen Amt erörtert worden ist, ob der Wissenschaftsreferent dem Kulturattaché zu- oder untergeordnet werden sollte. Ist nun geklärt, daß der Wissenschaftsattaché eine eigene verantwortliche Aufgabe bei den auswärtigen Vertretungen hat, genauso wie es in anderen Ländern auch der Fall ist?

Dr. Gerhard Stoltenberg (Minister:in)

Politiker ID: 11002259

Ja, das ist befriedigend geklärt.

Dr. Karl Mommer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001529

Dann zur Frage 3 des Herrn Abgeordneten Dr. Lohmar.

Dr. Gerhard Stoltenberg (Minister:in)

Politiker ID: 11002259

Ein konkreter Vorschlag, im Rahmen der EWG eine gemeinsame Technische Hochschule zu gründen, ist der Bundesregierung nicht bekannt. Es ist in den Diskussionen früherer Jahre deutlich geworden, daß die wissenschaftlichen Organisationen und die Vertreter der Hochschulen der Bundesrepublik Deutschland dem Gedanken einer europäischen Universität, der sich auch auf den Euratom-Vertrag gründet, überwiegend skeptisch gegenüberstanden.

Dr. Karl Mommer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001529

Eine Zusatzfrage, Herr Dr. Lohmar.

Dr. Ulrich Lohmar (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001370, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister, darf ich darauf aufmerksam machen, daß hier nicht nach der europäischen Universität gefragt wird, sondern nach dem Projekt einer Technischen Hochschule, etwa den Vorstellungen entsprechend, die der französische Finanzminister gegen Ende des vergangenen Jahres entwickelt hat und die darauf hinauslaufen, eine Art europäisches MIT zu bilden?

Dr. Gerhard Stoltenberg (Minister:in)

Politiker ID: 11002259

Eine offizielle Initiative der französischen Regierung in dieser Frage ist nicht erfolgt. Es gibt jedoch, ausgehend von der Arbeit einer Studienkommission der Nordatlantischen Versammlung, ein Konzept, ein europäisches Institut für Wissenschaft und Technik zu errichten. Ich habe diesen Gedanken jedoch deshalb nicht in meine Beantwortung einbezogen, weil er sich durch zwei Merkmale von der Institution der Art, die Sie erfragt haben, unterscheidet. Das eine Merkmal ist, daß diese Überlegungen im Rahmen der Nordatlantischen Versammlung davon ausgehen, daß auch andere europäische Länder, die nicht der EWG angehören, Träger einer solchen Institution sein sollten. Zum anderen ist in diesen Überlegungen vorgeschlagen, ein Europäisches Institut für Wissenschaft und Technik zu errichten, also nicht eine Technische Hochschule. Das würde wohl bedeuten, daß das Schwergewicht dieses Instituts auf der Forschung und auf den Aufgaben der Entwicklung im Bereich der modernen Technologie liegt. Dieser Vorschlag, der der Bundesregierung von dem beteiligten deutschen Mitglied der Studienkommission zugeleitet wurde, wird gegenwärtig innerhalb der Bundesregierung sorgfältig geprüft.

Dr. Karl Mommer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001529

Noch eine Frage, Herr Lohmar?

Dr. Ulrich Lohmar (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001370, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister, darf man Ihre profunden Bemerkungen über die Möglichkeiten einer solchen Hochschule zum Anlaß nehmen, Sie zu bitten, diese Vorschläge von seiten der Bundesregierung so bald wie möglich den in Frage kommenden europäischen Partnern zu unterbreiten und nicht unbedingt auf eine französische Initiative zu warten?

Dr. Gerhard Stoltenberg (Minister:in)

Politiker ID: 11002259

Die Bundesregierung ist noch nicht davon überzeugt, Herr Kollege Lohmar, daß im gegenwärtigen Zeitpunkt der europäischen Zusammenarbeit eine Technische Hochschule, d. h. auch mit dem starken Schwergewicht auf der Lehre, wirklich dringend notwendig ist. Sie ist aber bereit, alle konkreten Vorschläge von seiten sachkundiger Abgeordneter des Bundestages oder der europäischen Versammlungen oder der Wissenschaft aufgeschlossen zu diskutieren, und läßt es insoweit offen, ob sie zu einer anderen Meinung kommt, als ich sie jetzt vortrage.

Dr. Karl Mommer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001529

Eine Zusatzfrage, Herr Berkhan.

Karl Wilhelm Berkhan (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000158, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister, darf ich dem ersten Teil Ihrer Antwort entnehmen, daß der Gedanke einer Europäischen Universität nunmehr praktisch endgültig aufgegeben ist?

Dr. Gerhard Stoltenberg (Minister:in)

Politiker ID: 11002259

Es wird Ihnen nicht unbekannt sein, Herr Kollege Berkhan, daß die viele Jahre zurückliegenden Beratungen über die Gründung einer Europäischen Universität u. a. auch deshalb nicht erfolgreich waren, weil es eine unterschiedliche rechtliche Auslegung der entsprechenden Bestimmungen des Euratom-Vertrages gab. Es gab einige Vertragspartner, die der Auffassung waren, daß die dort vorgesehene europäische Institution ausschließlich auf den Bereich der Kernenergie in der Forschung oder in qualifizierten Studien beschränkt werden solle. Ich möchte aber nicht sagen, daß dieser Gedanke damit für alle Zeit von der Tagesordnung abgesetzt ist. Ich will nicht ausschließen, daß wir im weiteren Fortgang der europäischen Wissenschaftspolitik uns wieder der Frage nähern, ob wir etwa für die sogenannte post graduate studies, d. h. also die nach dem Normalstudium folgenden besonders qualifizierten Studiengänge, europäische Einrichtungen schaffen sollten. Ich muß aber noch einmal sagen, daß es nach dieser Diskussion, die Jahre zurückliegt, keine konkreten, genau detaillierten Initiativen gibt, die dieser Frage eine neue hohe Priorität gegeben hätten.

Dr. Karl Mommer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001529

Noch eine Frage, Herr Berkhan.

Karl Wilhelm Berkhan (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000158, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister, sind Sie im Sinne der Antwort, die Sie soeben hier gegeben haben, bereit, bei der nächsten Zusammenkunft mit den Kollegen im Rahmen der EWG mit den Ministern, die Ihre Gesprächspartner sind, dieses Thema wieder einmal vorsichtig zu diskutieren?

Dr. Gerhard Stoltenberg (Minister:in)

Politiker ID: 11002259

Ich bin gern dazu bereit, wenn die vorher notwendigen Erörterungen im deutschen Rahmen, d. h. mit den wissenschaftlichen Organisationen, den Hochschulen und den Mitgliedern des Bundestags, dafür neue und wichtige Gesichtspunkte ergeben.

Dr. Karl Mommer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001529

Zusatzfrage, Herr Kahn-Ackermann.

Georg Kahn-Ackermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001052, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister, sind Sie sich im klaren darüber, daß Ihre zu Anfang und jetzt soeben gegebenen Auskünfte doch wohl nicht ganz vereinbar sind mit den Beschlüssen der Regierungschefs auf der Gipfelkonferenz in Rom, die da gesagt haben, daß diese Frage beschleunigt und energisch erneut geprüft werden müßte, und daß es sogar jetzt eine Dokumentation des EWG-Parlaments gibt, aus der klar ersichtlich ist, daß es, jedenfalls für ein Empfinden, nicht so ist, daß es keine konkreten Vorschläge für die Errichtung dieser Universität gibt, jedenfalls im Rahmen der dort verabschiedeten Entschließungen?

Dr. Gerhard Stoltenberg (Minister:in)

Politiker ID: 11002259

Ich würde bei allem Respekt vor diesen Entschließungen sagen, daß sie immer noch mehr allgemeiner Art sind und einer weiteren Konkretisierung in Besprechungen des Bundestags und der wissenschaftlichen Organisationen bedürfen, um zu einer wirklich voll befriedigenden Grundlage für Regierungsverhandlungen zu werden.

Dr. Karl Mommer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001529

Noch eine Frage, Herr Kahn-Ackermann.

Georg Kahn-Ackermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001052, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister, sind Sie nach den bisher gemachten Erfahrungen mit mir der Meinung, daß diese Frage doch wohl bloß politisch entschieden werden kann und daß Sie bei dieser politischen Entscheidung zumindest auf alle Kollegen dieses Hauses zählen können, die in den europäischen Parlamenten sitzen, weil sie bisher bekundet haben, daß sie eine solche Universität wünschen?

Dr. Gerhard Stoltenberg (Minister:in)

Politiker ID: 11002259

Herr Kollege Kahn-Ackermann, Ihre letzte Frage ist doch Anlaß zu einer grundsätzlichen Bemerkung. Es gibt hier überhaupt keinen Gegensatz in der Erkenntnis der Notwendigkeit, die Forschung und die Lehre in Europa über die nationalen Grenzen hinweg weiter zu intensivieren und - wenn Sie so wollen - zu europäisieren. Die einzige Frage, die in den kommenden Beratungen weiterhin eine Rolle spielen wird, ist folgende. Ist es besser, diese intensivere Verbindung in Europa durch die Öffnung der nationalen Einrichtungen in Forschung und Lehre herbeizuführen, d. h. durch den weiteren Austausch von Studenten und Wissenschaftlern, den wir in wachsendem Maße haben, mit hohen staatlichen Mitteln zu fördern, oder braucht man spezifisch europäische Institutionen? Ist es also im Einzelfall richtiger, nationale Institutionen europäisch zu öffnen im Sinne der Internationalität und Universalität der Wissenschaft, oder soll man gleichsam auf der „grünen Wiese" völlig neue Einrichtungen schaffen? Das ist eine rein methodische Frage, die aber mit dem Grundsatz einer engeren europäischen Zusammenarbeit kontrovers nichts zu tun hat.

Dr. Karl Mommer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001529

Eine Zusatzfrage, Herr Raffert.

Joachim Raffert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001765, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister, läßt die Tatsache, daß Sie als Bundesminister für wissenschaftliche Forschung die beiden von Herrn Dr. Lohmar eingebrachten Fragen beantwortet haben, den erfreulichen Schluß zu, daß hier Kompetenzverlagerungen in Ihr Haus hinein eingetreten sind, und wird daraus ein Trend erkennbar?

Dr. Gerhard Stoltenberg (Minister:in)

Politiker ID: 11002259

Es gibt in diesen Fragen aus Gründen, die ich gar nicht näher zu erläutern brauche, gemeinsame Zuständigkeiten mehrerer Bundesressorts. Es liegt in der Natur der Sache, daß für die Besetzung von Auslandsvertretungen und auch für Fragen der europäischen Politik das Auswärtige Amt eine wesentliche Mitzuständigkeit hat und behalten muß. Die Frage der Beantwortung solcher Punkte, die in die Zuständigkeit mehrerer Ministerien fallen, wird innerhalb der Bundesregierung von Fall zu Fall kollegial geregelt. ({0})

Dr. Karl Mommer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001529

Zusatzfrage, Frau Geisendörfer.

Ingeborg Geisendörfer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000652, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Bundesminister, könnte man die von Ihnen bejahte Europäisierung nicht auch in einem zeitlichen Nacheinander sehen, d. h. zunächst den Austausch von Wissenschaftlern und Studenten vornehmen, aber die Errichtung einer Institution auf der „grünen Wiese", wie Sie sagten, energisch planen?

Dr. Gerhard Stoltenberg (Minister:in)

Politiker ID: 11002259

Ich will die Möglichkeit nicht ausschließen. Ich muß aber sagen, daß der bisherige Stand der Diskussion im nationalen und internationalen Rahmen den europäischen Regierungen keine Motivation gegeben hat, hier zu endgültigen Entscheidungen zu kommen. Ich bin jedoch gern bereit, diese Frage auch auf Grund dieser Debatte in dem zuständigen Ausschuß des Bundestages gründlich mit den interessierten Kollegen zu erörtern.

Dr. Karl Mommer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001529

Eine Zusatzfrage, Herr Dröscher.

Wilhelm Dröscher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000422, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister, sind Sie sich darüber im klaren, daß die Antwort auf die vorletzte Frage so ausgelegt werden könnte, als ob die Bundesrepublik stärker die Tendenz verfolge, Aufgaben im nationalen Rahmen - -

Dr. Karl Mommer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001529

Moment, Herr Abgeordneter. Es ist nicht möglich, auf die vorhergegangene Frage zurückzukommen. Das geht nicht. ({0}) - Nein, das kann ich nicht zulassen. Wir haben so viele Fragen, und viele Kollegen bekommen ihre Fragen schriftlich beantwortet, kommen also hier nicht zum Zuge. Dann ist es nicht möglich, auf eine früher gestellte Frage zurückzukommen.

Wilhelm Dröscher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000422, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Dann bitte, ich, das anders formulieren zu dürfen.

Dr. Karl Mommer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001529

Nein, das ist dann keine Frage der Formulierung. Vizepräsident Dr. Mommer Sie haben die Fragen aus Ihrem Geschäftsbereich beantwortet. Ich danke Ihnen. Es liegt eine Frage aus dem Geschäftsbereich des Bundesschatzministers vor, die Frage 4 des Herrn Abgeordneten Weigl: Beabsichtigt die Bundesregierung, die Höchstbeträge der ERP-Kredite für Fremdenverkehrsmaßnahmen in den Zonenrand- und Bundesausbaugebieten zu erhöhen? Zur Beantwortung hat das Wort Herr Staatssekretär Langer.

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Abgeordneter, ich kann Ihre Frage nicht uneingeschränkt bejahen. Gestatten Sie mir, daß ich gleich erkläre, warum wir nicht an eine generelle Erhöhung der Höchstbeträge der ERP-Kredite denken. Es kommt dem Bundesschatzminister sehr darauf an, möglichst vielen Betrieben in den Zonenrand- und Bundesausbaugebieten zu helfen. Würden wir die Höchstbeträge allgemein heraufsetzen, dann würde notwendigerweise die Zahl der Betriebe, denen geholfen werden kann, verringert. Der Bundesschatzminister ist aber bereit, in Einzelfällen eine Ausnahme von dem von Ihnen genannten Kredithöchstbetrag von 150 000 DM zuzulassen, sofern förderungswürdige Vorhaben bei entsprechendem Einsatz von Eigen- und sonstigen Fremdmitteln auf andere Weise nicht finanziert werden können.

Dr. Karl Mommer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001529

Zusatzfrage, Herr Weigl.

Franz Weigl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002448, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, wären Sie im Blick auf die Arbeitsmarktlage in den Zonenrand- und den Bundesausbaugebieten bereit, die Höchstbeträge und die Zinssätze für alle derartigen Kredite zu verbessern, allerdings unter der Voraussetzung - und danach darf ich fragen , daß die dadurch möglichen Investitionen überwiegend zur Schaffung neuer Arbeitsplätze führen?

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Abgeordneter, diese Frage kann ich nicht bejahen. Ich glaube, ich habe 'das Problem eben deutlich gemacht. Wir haben ja nur einen bestimmten Betrag, der uns zur Verfügung steht. Er erfährt zwar von Jahr zu Jahr eine gewisse Veränderung, kann aber im Gesamtvolumen nicht wesentlich gesteigert werden. Würden wir die Höchstbeträge generell erhöhen, dann kämen wir dazu, daß die Zahl der Objekte, die gefördert werden können, wesentlich verringert würde, und wir würden damit, glaube ich, gerade dem Wunsch, die mittelständische Wirtschaft und die mittlere verarbeitende Industrie zu fördern, nicht mehr gerecht werden.

Dr. Karl Mommer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001529

Eine Zusatzfrage, Herr Josten.

Johann Peter Josten (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001034, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, wird die Bundesregierung zukünftig hei der Bewilligung von ERP-Krediten nach dem Gesichtspunkt verfahren, möglichst viele kleine Kredite statt weniger hoher Kredite zur Verfügung zu stellen?

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Abgeordneter, hier ist das Problem nun gerade von der anderen Seite gesehen. Ich darf hier sagen, daß wir uns gemeinsam mit dem Hohen Haus bemühen, den Ansatz für Zonenrandgebiete für die Position Mittelstand und mittlere verarbeitende Industrie von 65 Millionen DM im Jahre 1967 auf 85 Millionen DM im Jahre 1968 zu erhöhen. Damit hätten wir eine höhere Verfügbarkeit gerade in diesem den Mittelstand interessierenden Bereich. Der Plan wird im Ausschuß beraten, hat hier aber noch nicht die zweite und dritte Lesung erfahren.

Johann Peter Josten (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001034, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, darf ich Ihre Ausführungen also so auslegen, daß Sie zukünftig nach wie vor interessiert sind, besonders die mittelständische Wirtschaft gerade in den besagten Gebieten zu unterstützen?

Not found (Staatssekretär:in)

Ganz besonders, Herr Abgeordneter. Das kommt in den Zahlen die ich eben genannt habe - immerhin eine Erhöhung des Ansatzes um rund ein Drittel -, zum Ausdruck.

Dr. Karl Mommer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001529

Eine Zusatzfrage, Herr Enders.

Dr. Wendelin Enders (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000469, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, sehen Sie dann die Notwendigkeit für die Erhöhung von ERP-Mitteln im Zonenrandgebiet für den Fremdenverkehr gegeben, wenn es gilt, neue Fremdenverkehrsgebiete zu erschließen, wie es beispielsweise in der Rhön notwendig ist?

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Abgeordneter, ich darf darauf hinweisen, daß die Mittel für den Fremdenverkehr und für das Gaststätten- und Beherbergungsgewerbe eine Unterposition im Rahmen der Position, die ich eben genannt habe - 85 Millionen DM für das Zonenrandgebiet hoffentlich im Jahre 1968 und weitere 30 Millionen DM für die Bundesausbaugebiete -, sind. Wir sind froh, daß die Anträge, die im letzten Jahr vorgelegen haben, im wesentlichen erledigt werden konnten.

Dr. Karl Mommer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001529

Eine Zusatzfrage, Herr Fritsch.

Walter Fritsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000601, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß die Inanspruchnahme der ERP-Kredite insbesondere deshalb auf Schwierigkeiten stößt, weil nur bis zu 50 % der Investitionskosten beliehen wird?

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Abgeordneter, wir bleiben im Interesse der Förderung einer möglichst hohen Zahl von Objekten bei dem Mischungsprinzip. Wir geben also ERP-Mittel, die durch Mittel der Kreditanstalt für Wiederaufbau aufgestockt werden und die noch eine Eigenfinanzierung oder eine Finanzierung durch die Hausbanken einschließen. Bei dem Prinzip wollen wir bleiben, um, wie eben gesagt, möglichst viel Hilfe gehen zu können.

Dr. Karl Mommer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001529

Eine Zusatzfrage, Herr Porsch.

Werner Porsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001737, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, sind Sie nicht auch der Meinung, daß gerade im Zonenrandgebiet und vor allem im bayerischen Grenzland der Ausbau des Fremdenverkehrs deshalb wichtig ist, weil dort in absehbarer Zeit mit einer Industrieansiedlung nicht zu rechnen ist?

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Abgeordneter, ich bin sehr entschieden der Meinung - aber das greift über das Ressort des Bundesschatzministeriums hinaus daß mittel- und langfristig in Deutschland - und ich glaube, das gilt ganz besonders für die Zonenrandgebiete, die ja landschaftlich sehr schön sind - noch sehr viel getan werden muß, um ein modernes Beherbergungs- und Fremdenverkehrsgewerbe zur Verfügung zu haben.

Dr. Karl Mommer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001529

Vielen Dank für die Beantwortung dieser Frage. Ich rufe die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung auf. Zur Beantwortung ist Herr Staatssekretär Adorno hier. Wir kommen zunächst zu den Fragen 19 und 20 des Herrn Abgeordneten Jung. Ist Herr Jung im Saal? Herr Jung ist nicht im Saal. Dann werden die Fragen schriftlich beantwortet. Die Fragen 21 bis 23 werden an anderer Stelle aufgerufen. Ich rufe dann die Frage 24 des Herrn Abgeordneten Cramer auf. Ist Herr Cramer im Saal? Er ist nicht im Saal. Die Frage wird schriftlich beantwortet. Frage 25 des Herrn Abgeordneten Dröscher: Wird. nachdem Reisen von öffentlichen Bediensteten nach Jugoslawien ohne Einschränkungen möglich sind, nun auch Wehrpflichtigen und Soldaten, die keinen besonderen Zugang zu Verschlußsachen haben, die Reise in dieses Land genehmigt? Bitte, Herr Staatssekretär! Adorno, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Herr Abgeordneter, durch die Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit Rumänien und Jugoslawien haben sich bisher, und zwar ebenso wie nach Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit der Sowjetunion im Jahre 1955, keinerlei Anhaltspunkte für eine Auflockerung der derzeitigen Bestimmungen ergeben. Wie bereits in der Fragestunde der 44. Sitzung des Deutschen Bundestages am 26. Mai 1966 ausgeführt, ist die Bundeswehr nach wie vor Hauptangriffsziel der Nachrichtendienste kommunistischer Länder. Es besteht weiterhin die Gefahr, daß bekannte oder erkannte Bundeswehrangehörige durch Druckmittel für nachrichtendienstliche Zwecke gefügig gemacht werden. Außerdem ist bisher nicht ersichtlich, daß die im Ostblock bestehenden Absprachen, Personen, an denen besonderes Interesse besteht, gegenseitig auszuliefern, durch die Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit der Bundesrepublik Deutschland hinfällig geworden sind. Der Grund für das Reiseverbot im Bereich der Bundeswehr ist aber nicht nur das Sicherheitsbedürtnis der Bundeswehr, sondern ebensosehr die Fürsorgepflicht des Dienstherrn für den einzelnen Bundeswehrangehörigen.

Dr. Karl Mommer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001529

Eine Zusatzfrage, Herr Dröscher.

Wilhelm Dröscher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000422, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, drückt sich in dieser Haltung nicht. ein unberechtigtes Mißtrauen einmal gegen das Besuchsland Jugoslawien, zu dem wir doch jetzt diplomatische Beziehungen aufgenommen haben, und zum anderen auch gegenüber den Bundeswehrangehörigen., die etwa als Wehrpflichtige oder Nichtgeheimnisträger doch gar keine besondere Veranlassung haben, geschützt zu werden, aus? Adorno, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Ich möchte diese Frage verneinen. Ich möchte weiterhin darauf hinweisen, daß dieser Fragenkomplex, wenn es gewünscht wird, aus sicher verständlichen Gründen im Verteidigungsausschuß näher behandelt werden sollte.

Dr. Karl Mommer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001529

Zusatzfrage, Herr Dröscher.

Wilhelm Dröscher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000422, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ist Ihnen bekannt, Herr Staatssekretär, daß gerade das Reiseverbot nach Jugoslawien bei den Bundeswehrangehörigen auf besonderes Unverständnis stößt? Adorno, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Das ist mir nicht bekannt.

Dr. Karl Mommer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001529

Ich rufe die Fragen 26, 27 und 28 des Herrn Abgeordneten Richter auf. Sie werden von Herrn Berkhan übernommen. Zunächst Frage 26: Welches sind die Grunde datür, daß die Schule für Innere Führung in eine G 1-Schule umgewandelt werden soll, unter Abtrennung des zivilen Forschungs- und Lehrstabes? Bitte, Herr Staatssekretär! Adorno, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Es besteht nicht. die Absicht, die Schule der Bundeswehr für Innere Führung umzuwandeln oder in irgendeiner Weise einzuengen. Innere Führung und die Bearbeitung Parlamentarischer Staatssekretär Adorno von Personalfragen sind bekanntlich im Führungsgebiet G 1 zusammengefaßt. Sie gehören sachlich und organisatorisch zusammen. Tagungen und Lehrgänge für Personaloffiziere wurden an der Schule seit ihrem Bestehen abgehalten und werden auch weiterhin Bestandteil des Lehrplanes sein. Das bedeutet keine Verminderung des eindeutigen Schwergewichts, das die Schule den Fragen der Inneren Führung beimißt. Der Bundesminister der Verteidigung ist fortgesetzt bemüht, die Bedeutung der Schule der Bundeswehr für Innere Führung und ihre Auswirkung auf die Truppe zu steigern. Der wissenschaftliche Forschungs- und Lehrstab ist seit Bestehen der Schule von dem militärischen Lehrstab getrennt. Kommandeur der Schule und Direktor des wissenschaftlichen Forschungs- und Lehrstabs sind auf Zusammenarbeit angewiesen. Beide unterstehen unmittelbar dem Bundesminister der Verteidigung. Der weitere Ausbau des wissenschaftlichen Forschungs- und Lehrstabes ist Gegenstand laufender Überlegungen.

Dr. Karl Mommer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001529

Zusatzfrage, Herr Berkhan.

Karl Wilhelm Berkhan (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000158, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Darf ich Ihrer Antwort entnehmen, daß für den leider verstorbenen Professor Möbus ein Nachfolger gefunden wurde? Adorno, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Wir sind dabei, dies mit angemessener Beschleunigung einem guten Ende zuzuführen.

Dr. Karl Mommer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001529

Noch eine Frage, Herr Berkhan.

Karl Wilhelm Berkhan (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000158, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, sind Sie bereit, in einem persönlichen Gespräch von mir einen personellen Vorschlag entgegenzunehmen? Adorno, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Dazu bin ich selbstverständlich gern bereit.

Dr. Karl Mommer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001529

Eine Zusatzfrage, Herr Schmitt-Vockenhausen.

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002033, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, würden Sie meinen, daß die angemessene Beschleunigung jetzt wirklich am Platze ist? ({0}) Adorno, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Wir stehen, soweit ich das im Augenblick beurteilen kann, vor dem Abschluß der Prüfung dieser Frage.

Dr. Karl Mommer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001529

Frage 27 des Herrn Abgeordneten Richter: Für welche Themenbereiche sind die Forschungen der „Wehrsoziologischen Forschungsgruppe" an der Kölner Universität geheim und damit der Öffentlichkeit, vor allem wissenschaftlicher Überprüfung, nicht zugänglich? Bitte, Herr Staatssekretär! Adorno, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Die im Auftrag des Bundesministers der Verteidigung durchgeführte wehrsoziologische Forschung in der Bundeswehr ist nicht geheim. Unter der Leitung des Direktors des Forschungsinstituts für Soziologie der Universität Köln, Professor Dr. René König, beschäftigt sich eine kleine Forschungsgruppe mit soziologischen Fragestellungen, die für die Bundeswehr von Interesse sind. Seit diesem Jahr gibt das Ministerium in der Schriftenreihe Innere Führung, Reihe Wehrsoziologische Untersuchungen, die wichtigsten und interessantesten Studien heraus. Der Verteiler der Studien berücksichtigt überwiegend die Dienststellen und Einheiten der Bundeswehr, aber auch die entsprechenden Fachbereiche der Universitäten, Hochschulen und Institute. Den Mitgliedern der Ausschüsse des Deutschen Bundestages für Verteidigung und Haushalt werden die Veröffentlichungen ebenfalls zugeleitet. Damit ist gewährleistet, daß die Studienergebnisse nicht nur der Bundeswehr verfügbar gemacht werden.

Dr. Karl Mommer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001529

Eine Zusatzfrage, Herr Berkhan.

Karl Wilhelm Berkhan (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000158, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, wären Sie bereit, die wissenschaftlichen Arbeiten im Original der wissenschaftlichen Bibliothek des Deutschen Bundestages zuzustellen, damit sie dort eingestellt und ausgeliehen werden können? Adorno, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Ich bin gern bereit, diese Frage prüfen zu lassen.

Dr. Karl Mommer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001529

Dann die Frage 28 des Herrn Abgeordneten Richter: Sicht das Bundesverteidigungsministerium eine Möglichkeit, die Tiefflugverbindungsstrecke im Raum Ellwangen zu verlegen und Schabdurchbrüche in diesem Raum zu verbielen, um zu sichern, daß die wertvollen Kirchen und Baudenkmäler vor weiterem Schaden bewahrt bleiben? Bitte, Herr Staatssekretär! Adorno, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Ellwangen liegt an der Einmündung der Tiefflugstrecke Nr. 17 in das Tieffluggebiet Nr. 7. Die Möglichkeit, ob und wie diese Tiefflugstrecke verlegt werden kann, muß mit der Bundesanstalt für Flugsicherung und den Länderbehörden untersucht werden. Da Ellwangen direkt auf der Grenze des Tieffluggebietes Nr. 7 liegt, wäre auch für dieses Gebiet die Änderung der Abmessungen zu untersuchen. Ich Parlamentarischer Staatssekretär Adorno darf jedoch darauf aufmerksam machen, daß dieses Tiefflugsystem 250 ft zur Zeit nur von der britischen Luftwaffe beflogen wird, Die übrigen Luftstreitkräfte benutzten das Tiefflugsystem 500 ft, welches sich über das gesamte Bundesgebiet erstreckt. Eine Abnahme der Lärmbelastung ist daher durch diese Maßnahme nicht zu erwarten. Übungsüberschallflüge über der Bundesrepublik Deutschland wurden durch die seit 1. November 1967 eingeführten neuen Bestimmungen für die Luftwaffe untersagt. Werkstattüberschallflüge und einzelne Abfangüberschallflüge können jedoch nicht eingeschränkt werden. Wegen der Ausbreitung der Schallwellen bis zu 40 km beiderseits des Flugweges können einzelne kleine Gebiete, zumal wenn sie wie Ellwangen in der Mitte des süddeutschen Raumes liegen, nicht durch Überflugverbote ausgeklammert werden. Überschallflüge werden jedoch nur noch in Höhen über 36 000 ft - zirka 11 000 m - durchgeführt, wobei Schäden am Boden normalerweise nicht entstehen.

Dr. Karl Mommer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001529

Eine Zusatzfrage, Herr Berkhan.

Karl Wilhelm Berkhan (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000158, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, Ihrer Antwort darf ich entnehmen, daß mit den regionalen Behörden, die für Denkmalpflege und Denkmalschutz zuständig sind, ein gutes Einvernehmen besteht und daß die Luftwaffe alles tut, um die Beschädigung von Baudenkmälern zu verhindern. Adorno, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Das dürfen Sie meiner Antwort entnehmen. Ich darf darauf hinweisen, daß die Maßnahmen, die getroffen worden sind, nicht nur den Mitgliedern dieses Hohen Hauses im einzelnen bekanntgegeben worden sind, sondern auch den Ministerpräsidenten der Länder und daß wir in ständiger Fühlungnahme mit den Landesregierungen stehen.

Dr. Karl Mommer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001529

Eine Zusatzfrage, Herr Fellermaier.

Ludwig Fellermaier (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000533, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, könnten Sie erläutern, ob sich die britische Luftwaffe aus besonderen Gründen der Regelung unserer und anderer Luftstreitkräfte nicht angeschlossen hat, da sie als einzige mit 250 Fuß in dieser Tiefflugstrecke fliegt? Adorno, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Soweit mir bekannt ist, handelt es sich hier um Maschinen mit einer verhältnismäßig langsamen Geschwindigkeit, die verhältnismäßig wenig Lärm verursachen. Ich darf in diesem Zusammenhang auch darauf aufmerksam machen, daß seit Erlaß der neuen Bestimmungen die Klagen über Lärmbelästigung wesentlich zurückgegangen sind.

Dr. Karl Mommer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001529

Die Fragen 29 bis 31 des Herrn Abgeordneten Ollesch können wir wohl so behandeln, daß die beiden ersten Fragen zusammen beantwortet werden. - Ich rufe dann zunächst die Fragen 29 und 30 auf: Glaubt die Bundesregierung, eine angemessene ärztliche Versorgung stationärer und ambulanter Art von Soldaten durch die in zahlreichen Sanitätsbereichen der Bundeswehr tätigen zivilen Vertragsärzte gewährleisten zu können, die diese Aufgabe nur stundenweise neben ihrer voll ausgebauten zivilen Praxis erfüllen? Ist es angesichts der in Frage 29 geschilderlen Situation nicht zweckmäßiger, dem einzelnen Soldaten im Frieden die freie Heilfürsorge auf Behandlungsschein durch von ihm frei gewählte Ärzte des zivilen Bereichs zu ermöglichen und stall dessen die wenigen vorhandenen Militärärzte auf die Lazarette und Stäbe zu konzentrieren, damit alle für den Verteidigungsfall erforderlichen Maßnahmen gründlich vorbereitet werden kenne? Bitte, Herr Staatssekretär! Adorno, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Die Zahl der in der Bundeswehr tätigen Ärzte beträgt zur Zeit 1510. Davon sind 230 Vertragsärzte, 750 Berufs- und Zeit-Sanitätsoffiziere und 530 wehrpflichtige Ärzte. Die Zahl der Vertragsärzte lag vor zwei Jahren noch bei über 500, konnte aber, vor allem durch den Einsatz wehrpflichtiger Ärzte, die nach ihrer Vollapprobation 12 bzw. 18 Monate ihre Wehrdienstpflicht als Arzt in der Bundeswehr erfüllen, vermindert werden. Die ärztliche Versorgung in den Sanitätsbereichen der Bundeswehr konnte durch den Einsatz der Vertragsärzte, die Aufgaben der Truppenärzte gemäß Vertrag übernommen hatten, dabei für Sprechstunden allerdings oft nur stundenweise zur Verfügung standen, sichergestellt werden. Aufgaben der Vor- und Fürsorge, der Präventivmedizin, konnten allerdings nicht uneingeschränkt erfüllt werden. Der Bundesminister der Verteidigung hat sich in den letzten Jahren besonders bemüht, die Truppenarztstellen mit Sanitätsoffizieren zu besetzen; diese Bemühungen werden fortgesetzt. Im übrigen haben die Vertragsärzte mit vorbildlicher Pflichttreue ihre Aufgaben erfüllt. Der Verband der niedergelassenen Ärzte Deutschlands hat in der Hauptversammlung am 14./15. Oktober 1967 diese Tatsache besonders unterstrichen. Aus organisatorischen, disziplinaren und Ausbildungsgründen muß die Durchführung der gesetzlich gewährten freien Heilfürsorge in unmittelbarer Truppennähe und hierfür eigens eingerichteten Behandlungsstätten, den Sanitätsbereichen, erfolgen. Zu den Aufgaben des Truppenarztes gehören: Beratung des Kommandeurs und der Kompaniechefs in allen sanitätsdienstlichen Angelegenheiten, die Gesundheitsfürsorge, die ärztliche Untersuchung und Behandlung, der ärztliche Unterricht, die Verwaltung des ärztlichen Gerätes usw., das ärztliche Berichtswesen und ärztliche Gutachten. Alle diese Aufgaben können nur zentral, in einer zentralen Einrichtung, von einem Arzt - nämlich dem Truppenarzt - durchgeführt werden. Eine Ausgabe von Behandlungsscheinen, die für jeden niedergelassenen Arzt gelten, würde eine Parlamentarischer Staatssekretär Adorno Zersplitterung der Ordnung und der Ausbildung, eine Erschwerung für die Aufrechterhaltung der Disziplin und damit eine Herabsetzung des Einsatzwertes der Einheit mit sich bringen. Die Inspektion des Sanitäts- und Gesundheitswesens im Bundesministerium der Verteidigung bemüht sich seit Jahren, gleichermaßen die Durchführung der freien Heilfürsorge, die Lazarettbehandlung und die Aufstellung einer Reservelazarett-organisation für den Verteidigungsfall vorzubereiten. Ich darf dabei daran erinnern, daß bereits eine Reservelazarettorganisation von fast 90 000 Betten mit dem dazugehörigen Gerät einsatzbereit ist.

Dr. Karl Mommer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001529

Meine Damen und Herren, darf ich einmal zur gesamten Regierungsbank hin sagen, daß bei der großen Zahl der eingehenden Fragen sowohl die Fragesteller - auch mit ihren Zusatzfragen Disziplin über müssen, wenn alle zu ihrem Recht kommen sollen, ({0}) als auch die Beantwortung durch die Vertreter der Bundesregierung ein wenig gedrängt werden muß, damit hier möglichst viele Fragen mündlich beantwortet werden können. ({1}) Eine Zusatzfrage, Herr Ollesch? - Keine Zusatzfrage. Dann rufe ich die Frage 31 des Herrn Abgeordneten Ollesch auf: Hält es die Bundesregierung für vertretbar, daß Wehrpflichtige, die keinen medizinisch-technischen Beruf ausgeübt haben, nach Sanitätskurzlehrgängen selbständig Blutentnahmen durchführen? Adorno, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Im Ausbildungsgang eines Wehrpflichtigen sind vorgesehen: Ausbildung für Sanitätspersonal in Erster Hilfe ({2}) und Krankenpflegelehrgang ({3}). Diese Ausbildung wird auf den im Krankenpflegegesetz festgelegten Ausbildungsgang zum Krankenpfleger und Krankenpflegehelfer angerechnet. Wehrpflichtige, die an dieser Ausbildung erfolgreich teilgenommen haben, können unter Verantwortung eines Arztes selbständig Blutentnahmen durchführen. Die Blutentnahme aus der Vene setzt das Erlernen der Injektionstechnik voraus. Zu der Ausbildung von Heilhilfskräften in der Injektionstechnik ist zu bemerken, daß das geltende Recht keine Bestimmung enthält, nach der es Heilkräften untersagt wäre, Injektionen als heilkundliche Hilfstätigkeit unter Aufsicht eines Arztes vorzunehmen.

Dr. Karl Mommer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001529

Eine Zusatzfrage, Herr Ollesch.

Alfred Ollesch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001647, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, können Sie ausdrücklich bestätigen, daß solche Blutentnahmen unter Aufsicht eines Arztes durchgeführt werden? Adorno, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Unter Aufsicht und Verantwortung eines Arztes, soweit ich es im Augenblick übersehen kann, ja.

Dr. Karl Mommer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001529

Vielen Dank für die Beantwortung der Fragen, Herr Staatssekretär. Ich rufe die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr auf. Zur Beantwortung ist hier Herr Staatssekretär Börner. Die Fragen 32 bis 34 des Herrn Abgeordneten Picard können wohl gemeinsam beantwortet werden: In welchen Ländern werden nach Kenntnis der Bundesregierung Elektroautos entwickelt, um die bei Benzin- oder Dieselmotoren gegebenen Belästigungen durch Lärm oder giftige Abgase zu vermeiden? Wie weit ist die Entwicklung von Elektroautos in der Bundesrepublik Deutschland und in den auf die Frage 32 zu nennenden Ländern gediehen? Ist damit zu rechnen, daß in absehbarer Zeit, gegebenenfalls mit Hilfe verstärkter staatlicher Initiative, ein marktgerechtes Elektroauto zur Verfügung steht? Bitte, Herr Staatssekretär! Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr: Herr Kollege, mit der Entwicklung von Elektromobilen befaßt man sich in Frankreich, in Großbritannien, in Italien, in Japan, in den Vereinigten Staaten von Amerika und auch in der Bundesrepublik Deutschland. Die Elektromobile, die bisher für den Personenverkehr gebaut worden sind, sind als Prototypen anzusehen, da sie wegen des hohen Fahrzeuggewichtes und des geringen Aktionsradius noch keinen wirtschaftlichen Einsatz gewährleisten. Auch in der Bundesrepublik Deutschland werden auf dem Gebiet der Entwicklung von Elektrofahrzeugen besonders hinsichtlich der Entwicklung von leistungsfähigen Akkumulatoren von der Industrie erhebliche Anstrengungen unternommen. Es kann erwartet werden, daß schon im Laufe der nächsten ein bis zwei Jahre für die Personenbeförderung in den Ballungsgebieten ein brauchbarer Omnibus mit Elektroantrieb der Öffentlichkeit vorgestellt wird. Mit der Fertigung von Personenkraftwagen mit Elektroantrieb ist wegen der erwähnten technischen Schwierigkeiten erst zu einem späteren Zeitpunkt zu rechnen. Die Vorteile des Elektromobils wegen seiner geringen Lärmentwicklung und seiner völligen Freiheit von giftigen Abgasen werden von der Bundesregierung erkannt. Wir haben deswegen schon in den vergangenen Jahren Forschungsaufträge für die Entwicklung von leistungsfähigeren Akkus mit einem Gesamtbetrag von 130 000 DM vergeben. Die Entwicklung, Herr Kollege, steht aber noch am Anfang. Wir sind der Meinung, daß die Forschung und Entwicklung auf dem Gebiet von Kraftfahrzeugen mit Elektroantrieb auf europäischer Ebene wirkungsvoll vorangetrieben werden kann, und haben deshalb auch die Anregung der Arbeitsgruppe „Forschungspolitik" bei der EWG unterParlamentarischer Staatssekretär Börner stützt, dieses Thema als ein Gemeinschaftsprojekt aufzugreifen.

Dr. Karl Mommer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001529

Eine Zusatzfrage, Herr Picard.

Walter Picard (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001714, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, trifft es zu, daß nach neueren Erprobungen in England und in Italien für Elektroautos zum Beispiel ein Radius von annähernd 400 km und eine Geschwindigkeit von annähernd 100 km möglich sind? Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr: Herr Kollege, diese Angaben sind mir aus der Fachpresse bekannt. Aber es muß abgewartet werden, ob sie auch einer strengen wissenschaftlichen Prüfung standhalten.

Dr. Karl Mommer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001529

Noch eine Frage, Herr Picard.

Walter Picard (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001714, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, sehen Sie eine Möglichkeit einer Beschleunigung der Entwicklung durch europäische Zusammenarbeit, wie Sie soeben angedeutet haben? Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr: Die Entwicklung ist in den von mir genannten Staaten so weit fortgeschritten, daß ich glaube, daß der Zeitraum, den ich insbesondere für den Omnibus vorhin genannt habe, eingehalten werden kann. Wir wären sehr glücklich, wenn im Rahmen der EWG die Forschung auf diesem Gebiet noch intensiviert werden könnte. Ich darf aber darauf hinweisen, daß es sich hier nicht nur um ein Problem staatlicher Grundlagenforschung handelt, sondern um Dinge, die mit hohem kommerziellem Interesse von bestimmten Konzernen in wirtschaftlichen Größenordnungen vorangetrieben werden.

Dr. Karl Mommer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001529

Dritte Zusatzfrage, Herr Picard.

Walter Picard (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001714, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, wie die deutsche Automobilindustrie zur Frage der Entwicklung von Elektromobilen steht? Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr: Herr Kollege, ich habe darauf hingewiesen, daß es auch in der Bundesrepublik Deutschland hoffnungsvolle Ansätze gibt. Das Argument, das bisher gegen die Verwendung von Elektromobilen bestand, war auch z. B. ein steuerliches Argument. Das ist durch den Stand der Beratungen im Hohen Hause ja zum Teil ausgeräumt. Wir hoffen, daß in absehbarer Zeit hier im Deutschen Bundestag eine gesetzliche Regelung verabschiedet werden wird, die dieses Argument gegen das Elektromobil aufhebt.

Dr. Karl Mommer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001529

Eine Zusatzfrage, Herr Elbrächter.

Dr. Alexander Elbrächter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000461, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sie haben dem Haus mitgeteilt, daß die Bundesregierung bzw. Ihr Haus bereit ist, einen Betrag von 130 000 DM für Forschungen auf dem Gebiet von modernen Akkus einzustellen. Ist Ihnen bekannt, daß etwa der zehnfache Betrag notwendig wäre, um in absehbarer Zeit, d. h. im Laufe von zwei bis drei Jahren, zu einem nennenswerten Ergebnis zu kommen? Zweite Frage: Ist Ihnen bekannt, daß in den USA von der Regierung her ein Vielfaches dieser Summe für diese Zwecke ausgegeben wird? Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr: Herr Kollege, ich habe vorhin nicht gesagt., daß wir bereit sind, diesen Betrag zur Verfügung zu stellen, !sondern daß wir ihn in der zurückliegenden Zeit schon zur Verfügung gestellt haben und daß auf Grund der Initiative der Industrie und unserer zusätzlichen Bemühungen hier doch schon erfolgversprechende Ergebnisse vorliegen. Ich bestreite nicht, daß in den USA mit mehr Mitteln en dem gleichen Problem gearbeitet wird. Aber Sie dürfen nicht vergessen, daß wir in dieser Forschung jetzt an einem Punkt sind, wo der Staat aus seiner Neutralitätspflicht heraus nicht den einen oder den anderen Konzern bevorzugen darf, sondern abwarten muß, welche Prototypen hier erfolgversprechend durch die Wirtschaft auf dem Markt vorgestellt werden. ({0})

Dr. Karl Mommer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001529

Herr Elbrächter, Sie haben bereits zwei Fragen gestellt. Ich rufe die Frage 35 des Abgeordneten Schonhofen auf: Welchen Stand haben die Bemühungen der Bundesregierung, die Lage der in West-Berlin wohnenden Bediensteten der Deutschen Reichsbahn zu verbessern? Bitte, Herr Staatssekretär! Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr: Herr Kollege, in West-Berlin wohnen zur Zeit etwa 5000 Eisenbahner, die im Dienst der Deutschen Reichsbahn stehen.. Sie erhalten ihre Bezüge unmittelbar von dort. Von diesen Eisenbahnern waren etwa 600 am 8. Mai 1945 im Reichsbahndienst beschäftigt. Hiervon haben etwa 300 Anwartschaft auf Versorgung nach dem Gesetz zu Art. 131 des Grundgesetzes. Auf diesen Personenkreis habe ich Ihre Frage bezogen. Die Rechtsverhältnisse dieser Eisenbahner regeln sich bei Eintritt des Versorgungsfalles nach den Vorschriften des genannten Gesetzes. Sie nehmen dann an den Verbesserungen des Beamtenversorgungsrechts in vollem Umfange teil. Hierdurch konnte in den vergangenen Jahren wesentlichen Wünschen entsprochen werden.

Dr. Karl Mommer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001529

Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Schonhofen.

Friedrich Schonhofen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002064, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, ist es richtig und entspricht es der heutigen Rechtslage, und wenn ja, möchte ich fragen, ob es vertretbar ist, daß ein Westberliner Eisenbahner, der möglicherweise wegen des politischen Druckes, dem er ausgesetzt ist, sozusagen freiwillig aus dem Dienst der Deutschen Reichsbahn ausscheidet, in diesem Falle alle Ansprüche nach dem 131 er Gesetz verliert? Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr: Herr Kollege, die Handhabung der entsprechenden Bestimmungen durch die Hauptverwaltung der Deutschen Bundesbahn würde an sich eine solche Praxis nicht zulassen. Ich bin aber gern bereit, wenn Sie mir hier einen Einzelfall nennen können, Ihnen schriftlich die entsprechende Stellungnahme unseres Hauses zu liefern. Ich meine nicht, daß es mit dem Gesetz und mit unseren politischen Absichten in Einklang gebracht werden kann, wenn durch das Verlassen des Dienstes aus politischen Gründen solche Rechtsfolgen entstehen sollten.

Dr. Karl Mommer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001529

Ich rufe die Fragen 36 bis 38 des Abgeordneten Dr. Freiwald auf: Ist die Bundesregierung bereit, die anteilige Finanzierung des V-Bahn-Projektes der Deutschen Bundesbahn in der Stadt Frankfurt ({0}) aus den Mitteln des Mineralölsteuermehraufkommens gemäß den Richtlinien für die Bundeszuwendungen zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse in den Gemeinden auf Grund des Artikels 8 § 4 des Steueränderungsgesetzes sicherzustellen? Karin angesichts des engen Verbundes der im Bau befindlichen, von der Stadt Frankfurt ({1}) und dem Land Hessen finanzierten U-Bahn und der projektierten unterirdischen V-Bahn auf die Gegenfinanzierung für die V-Bahn verzichtet werden? Sieht die Bundesregierung die Möglichkeit, weitere Investitionsmittel für die V-Bahn zur Verfügung zu stellen, nachdem die Stadt Frankfurt ({2}) infolge der Finanzierung des U-Bahnbaues Mittel für die V-Bahnfinanzierung nicht oder nur in beschränktem Umfange zur Verfügung stellen kann, andererseits aber auch die von der Deutschen Bundesbahn projektierte V-Bahn nicht nur dem Personennahverkehr, sondern dem gesamten Durchgangsverkehr durch die Stadt Frankfurt ({3}) zugute kommt? Ich nehme an, daß die drei Fragen im Zusammenhang beantwortet werden können. Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr: Herr Kollege, die Frage 36 darf ich wie folgt beantworten. Die Bundesregierung ist hierzu bereit. Die Gewährung eines Zuschusses des Bundes für das Jahr 1968 ist vorgesehen. Voraussetzung für die Bewilligung ist die Sicherstellung der Gegenfinanzierung. Auf die Fragen 37 und 38 darf ich wie folgt antworten. Nach den Richtlinien über die Verteilung des Mineralölsteuermehraufkommens kann der Bund nur einen Zuschuß in Höhe von 50 °/o der zuschußfähigen Baukosten gewähren. Die übrige Finanzierung, also die sogenannte Gegenfinanzierung, muß sichergestellt sein. Das gilt auch für die Frankfurter V-Bahn, da sie als ein Vorhaben des öffentlichen Personennahverkehrs aus dem 3-Pf-Mineralölsteueraufkommen finanziert wird. Über die Zuwendungen nach den Mineralölsteuer-Richtlinien hinaus bestehen für den Bund keine Möglichkeiten, zusätzliche Investitionsmittel für die V-Bahn Frankfurt bereitzustellen. Zur Erzielung einer optimalen Verkehrsbedienung müssen U-Bahn und V-Bahn als ein Gemeinschaftsprojekt betrachtet werden. Bei der Finanzierung ist daher davon auszugehen, daß die Vorhaben jeweils nach den Notwendigkeiten eines abgestimmten Baufortschritts gemeinsam zu dotieren sind.

Dr. Karl Mommer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001529

Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Freiwald.

Dr. Friedrich Wilhelm Freiwald (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000579, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, treffen Pressemeldungen zu, wonach ein Hinderungsgrund für das Anlaufen des Projekts darin zu suchen ist, daß zwischen Bundesbahn und Stadt noch kein Vertrag über einen Tarif- und Betriebsverbund abgeschlossen werden konnte? Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr: Herr Kollege, diese Pressemeldungen treffen nicht zu. Der Vorstand der Bundesbahn hat sich grundsätzlich bereit erklärt, einen solchen Vertrag mit der Stadt Frankfurt abzuschließen. Dabei sollen die Grundsätze des Hamburger Verkehrsverbundes als Vorbild zugrunde gelegt werden. Diese Absichtserklärung der Bundesbahn entspricht im übrigen dem Verkehrspolitischen Programm der Bundesregierung, welches ausdrücklich für die öffentlichen Verkehrsmittel in den Ballungsgebieten einen Tarifverbund empfiehlt. Im Falle Frankfurt ist es allerdings im gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht möglich, einen solchen Verbundvertrag im einzelnen zu formulieren, da hierfür noch wesentliche tatsächliche Gegebenheiten und Erfahrungen fehlen.

Dr. Karl Mommer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001529

Zunächst möchte ich doch um mehr Ruhe bitten, meine Damen und Herren. Soweit Sie an der Fragestunde nicht beteiligt sind, bitte ich Sie, Platz zu nehmen. Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Freiwald.

Dr. Friedrich Wilhelm Freiwald (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000579, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Hält die Bundesregierung es auf Grund der bisher gemachten Erfahrungen und angesichts der Verschuldung der Großstädte nicht doch für angebracht, dem Hause zu empfehlen, die Bundeszuschüsse zu erhöhen, um die Gegenfinanzierung der Städte bzw. der Länder verringern zu können? Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr: Herr Kollege, das betrifft im grundsätzlichen die Verwendung der Mineralölsteuer. Ich bitte um Verständnis dafür, daß ich für unser Haus hier keine Erklärung abgeben kann. Sie wissen, daß die Frage der Zweckbindung der Mineralölsteuer im ganzen in der politischen Diskussion der zurückliegenden Jahre eine erhebliche Rolle gespielt hat. Zu Frankfurt möchte ich Ihnen aber konkret sagen: Die Bundesregierung kann sich bei der Bemessung des Bundeszuschusses nur nach den Richtlinien über die Verteilung des erhöhten Mineralölsteueraufkommens richten. Danach hat ein Bundeszuschuß in diesem Falle die Maximalhöhe von 50 % Das Problem, welches Sie anschneiden, kann unseres ErParlamentarischer Staatssekretär Börner achtens nur allgemein im Rahmen der von der Bundesregierung angeregten Finanzreform gelöst werden.

Dr. Karl Mommer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001529

Eine Zusatzfrage, Frau Freyh.

Brigitte Freyh (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000584, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Auf welche Höhe würde sich für das Jahr 1968 die anteilige Finanzierung für die V-Bahn, nach der in der Frage 36 gefragt worden ist, belaufen? Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr: Frau Kollegin, in der Mittelplanung für die Bundeszuwendungen ist für die V-Bahn Frankfurt ein Bundesanteil von 8,6 Millionen DM vorgesehen. Davon sind 5,8 Millionen DM Haushaltsmittel und 2,8 Millionen DM Kreditmittel. Der Kapitaldienst für die Kredite soll aus dem Mineralölsteuer-Mehraufkommen gedeckt werden.

Dr. Karl Mommer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001529

Noch eine Frage, Frau Freyh.

Brigitte Freyh (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000584, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Darf ich Sie noch einmal nach dem Verbundvertrag fragen, Herr Staatssekretär, und zwar danach, ob bei den Überlegungen für diesen Verbundvertrag besondere Probleme aufgetaucht sind oder ob es sich lediglich um den Zeitpunkt handelt, daß es also erst in absehbarer Zeit möglich ist, sich konkrete Vorstellungen zu machen. Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr: Frau Kollegin, die Hauptverwaltung der Bundesbahn hat keinen Zweifel daran gelassen - ich habe darauf schon hingewiesen - , daß sie zum Abschluß eines solchen Vertrages grundsätzlich bereit ist. Wenn aber von anderen Partnern ein Junktim mit anderen Problemen geschaffen werden sollte, ergeben sich daraus Konsequenzen, die sehr ernst gesehen werden müssen.

Dr. Karl Mommer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001529

Eine Zusatzfrage, Herr Matthöfer.

Hans Matthöfer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001439, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, würde Ihr Haus einen Vorschlag unterstützen, im Rahmen der Finanzreform den Anteil des Bundes an der Finanzierung von Verkehrsbauten in den Großstädten von 50 auf 662/3% zu erhöhen? Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr: Herr Kollege, die Vorschläge der Bundesregierung zur Finanzreform sind bekannt. Ich möchte die weitere Diskussion nicht durch eine Erklärung heute morgen präjudizieren.

Dr. Karl Mommer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001529

Noch eine Frage, Herr Matthöfer!

Hans Matthöfer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001439, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehen Sie denn nicht das Dilemma der Großstädte, Herr Staatssekretär, die einerseits dadurch, daß immer mehr Menschen in die umliegenden Gemeinden ziehen, in ihrer Steuerkraft geschwächt werden und, indem sie andererseits durch die Errichtung solcher Verkehrsbauten zu dieser Streuung beitragen sollen, noch finanziell stark belastet würden? Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr: Herr Kollege, ich kann Ihre Meinung nicht in vollem Umfang teilen, weil hier Fragen der Raumordnung, der Städteplanung und auch der Verkehrsplanung ineinander greifen. Ich glaube nicht, daß die Fragestunde dazu geeignet ist, die Problematik, die in Ihrer Frage steckt, auszudiskutieren. Ich bin allerdings überzeugt, daß der Deutsche Bundestag bei seinen Beratungen über die Finanzreform eine Lösung im Auge hat und schaffen wird, die den großen Gemeinschaftsaufgaben, die die Städte zu lösen haben, gerecht wird.

Dr. Karl Mommer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001529

Ich danke für die Beantwortung dieser Fragen. Damit ist die Fragestunde beendet. Wir nehmen nun die zweite Beratung des Bundeshaushalts 1968 wieder auf. Ich rufe also auf: II. Zweite Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1968 ({0}) Drucksache V/2150 Berichte des Haushaltsausschusses ({1}) Wir kommen zu Punkt 6: 6. hier : Einzelplan 09 Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft - Drucksachen V/2709, zu V/2709 Berichterstatter: Abgeordneter Westphal dazu Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Anpassung und Gesundung des deutschen Steinkohlenbergbaus und der deutschen Steinkohlenbergbaugebiete. - Drucksache V/2078 - a) Bericht des Haushaltsausschusses ({2}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung - Drucksache V/2802 -Berichterstatter: Abgeordneter Westphal h) Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Mittelstandsfragen ({3}) - Drucksache V/2797 Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Luda, Abgeordneter Lange, Abgeordneter Opitz ({4}) Vizepräsident Dr. Mommer Es ist zweckmäßig, daß wir zuerst eine allgemeine Aussprache über diesen Einzelplan und über den Gesetzentwurf führen. Wünschen die Berichterstatter das Wort? - Herr Berichterstatter Westphal hat das Wort.

Heinz Westphal (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002489, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin jetzt wohl der erste von den Berichterstattern, die für einen bestimmten Einzelplan im Haushaltsausschuß tätig sind, der die Möglichkeit nutzt, als Berichterstatter in der Haushaltsdebatte das Wort zu einem Einzelplan zu nehmen. Es ist eine große und auch von mir bejahte Tradition dieses Hauses, daß bei den Etatberatungen alle grundsätzlichen Fragen und auch alle aktuellen Fragen des jeweiligen Einzelbereichs zur Debatte stehen. Es ist gut, daß wir die Beratungen über den Haushalt dazu benutzen, alle diese Grundsatz- und aktuellen Fragen zu erörtern. Aber wir Haushaltsleute - das darf in diesem Zusammenhang vielleicht einmal gesagt werden -haben dabei immer ein etwas seltsames Gefühl. Einerseits sagen wir ein Ja zu dieser Konzeption, zu dem Diskutieren der grundsätzlichen Fragen; andererseits aber kommt bei solchen Beratungen immer die Arbeit, die wir im Haushaltsausschuß für die Vorbereitung der Verabschiedung des Haushalts im Plenum geleistet haben, zu kurz. Wir haben dann etwa ein halbes Jahr „Knochenarbeit." am Haushalt geleistet, und wenn es dann zur Plenardebatte über diese Fragen kommt, reden andere Kollegen des Hauses über die großen Fragen der Politik. Das ist das etwas seltsame Gefühl, das uns im Haushaltsausschuß bewegt. Da wir nicht die Rolle von Buchhaltern spielen möchten, haben wir uns auf die Suche nach Fragen zu begeben, die einen direkten inneren Zusammenhang zwischen politischer Bedeutung und dem Zahlenwerk sowie dem Inhalt dessen haben, was der Haushaltsplan, den wir zu vertreten haben, enthält. Praktisch steuern wir damit aber eigentlich doch immer an den großen Fragen vorbei. Wenn man als Berichterstatter eines Haushaltsplans zu diesen Fragen hier etwas sagen möchte, ist man in solchen Schwierigkeiten. Ich will Ihnen das gern einmal an einem Beispiel erläutern. Gerade im Bereich der Währungspolitik gibt es recht bedeutsame Fragen. Die Zahlungsbilanzprobleme, die Schwierigkeiten, die z. B. unsere englischen Freunde, aber auch die Amerikaner in letzter Zeit mit diesen Fragen haben, und deren Auswirkungen auf unsere wirtschaftliche Situation müßten hier doch eigentlich besprochen werden. Da heißt es z. B. in der Teilziffer 33 des Jahreswirtschaftsberichts 1968, den wir am Anfang dieses Jahres beraten haben, daß zusätzliche kompensierende Maßnahmen zu erwägen sind, wenn die Wirtschafts- oder Währungspolitik in wichtigen Partnerländern zu wesentlichen Beeinträchtigungen der deutschen Ausfuhrentwicklung führen würde. Zwar war die Pfundabwertung vor Abgabe des Jahreswirtschaftsberichtes schon bekannt und ist mit in die Beratungen darüber einbezogen worden. Auch die amerikanischen Maßnahmen, die im Zusammenhang mit cien Zahlungsbilanzschwierigkeiten der USA stehen, sind damals mit angeklungen. Aber inzwischen - seit der Behandlung des Jahreswirtschaftsberichts der Bundesregierung hat es einige dramatische Entwicklungen und Zuspitzungen im Zusammenhang mit dem Weltwährungssystem gegeben. Die Notenbankgouverneure sind in Washington Mitte März zusammengewesen. Jetzt, gerade einige Tage vor unseren Beratungen, am vergangenen Wochenende, am 29./30. März, haben in Stockholm nicht nur die Notenbankgouverneure, sondern auch die Minister, die Wirtschafts- und Finanzminister des Zehnerklubs, beraten. Die Notenbankgouverneure sind dabei gewesen. Aber die Bedeutung dieser Zusammenkunft scheint besonders durch die Tatsache unterstrichen worden zu sein, daß die Minister selbst die Konferenz veranstaltet und geleitet haben und wichtige Fragen des internationalen Währungssystems erörtert haben. Das Treffen hatte seine besondere Bedeutung angesichts der Währungsunruhe der letzten Monate. Die Maßnahme der Pfundabwertung trug nicht zur Beruhigung bei, auch nicht das, was von der amerikanischen Regierung angekündigt worden ist. Aber darüber hat der Haushaltsausschuß - deshalb führe ich dieses Beispiel an nicht beraten. Alle diese Fragen kann der Haushaltsausschuß im Zusammenhang mit dem Zahlenwerk, das er über viele, viele Sitzungen hinweg zu behandeln hat -noch dazu zu Zeiten, in denen Sie hier im Plenum beraten -, nicht in seine Beratungen einbeziehen. Deshalb bleibt mir als Berichterstatter eigentlich nur die Möglichkeit, den Minister aufzufordern zumal das Thema noch besonders „frisch" ist -, uns, dem Parlament, zu diesen Fragen einiges zu sagen. Es ist wichtig zu wissen, ob es zutrifft, ,daß sick unsere französischen Partner dem, was in Stockholm beschlossen worden ist, fügen werden. Denn sie haben sich eine endgültige Stellungnahme vorbehalten und bestehen weiter auf der Golddeckung des internationalen Währungsausgleichs. Darüber hinaus ist es notwendig, in diesem Haus ein Wort darüber zu hören, ob die Beruhigungstendenz, die zur Zeit an den Goldmärkten zu verzeichnen ist - das könnte man vielleicht als einen Erfolg der Konferenz von Stockholm werten , auf längere Sicht auch wirklich anhalten wird. Ich finde auch, daß es wichtig wäre, hier ein Wort zu der Frage zu hören, was man von der Stärkung der Position der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und ihres Einflusses auf den Internationalen Währungsfonds und die Politik, die dort getrieben wird, erwarten kann. Was bedeutet - so möchte ich Sie abschließend hierzu fragen - praktisch und auf längere Sicht die Gewährung von Sonderziehungsrechten? Wie sieht also nach der Konferenz von Stockholm die politische und ökonomische Zukunft des westlichen internationalen Währungssystems aus? Mir scheint, daß diese Debatte dazu genutzt werden sollte, darüber ein paar Worte zu sagen. Für den Berichterstatter des Haushaltsausschusses zum Einzelplan des Bundeswirtschaftsministers gilt es also nun, die eine oder andere Rosine noch zusätzlich aus der Arbeit, die wir geleistet haben, herauszupicken. Es handelt sich hierbei um Fragen, die für uns alle, so meine ich, doch von einiger Bedeutung sind. Es wäre wünschenswert, hier auch noch einmal die Ansichten der Regierung kennenzulernen, und wir sollten der Regierung deutlich machen, daß wir auf eine Lösung dieser Fragen drängen. Ich greife folgendes heraus. Es wird nachher im Zusammenhang mit der Beratung über das Kohleanpassungsgesetz eine umfassende Debatte zum Kohleproblem geben. Es kann nicht meine Aufgabe sein, die Kohlefrage hier noch einmal in besonderer Weise hervorzuheben, obwohl der Einzelplan des Wirtschaftsministers durch die finanziellen Auswirkungen der Kohlepolitik der Bundesregierung stark bestimmt ist. Ich muß mich auch hier auf wenige Bemerkungen beschränken. Ich möchte also folgende Frage in Erinnerung bringen. Im Einzelplan des Wirtschaftsministeriums gibt es seit einigen Jahren, seit 1966, eine Position, die dazu bestimmt ist, die Kosten zu decken für den Transport von Kohle, die nicht verkauft werden konnte, zu mehr oder weniger revierfernen Orten sowie für deren Lagerung. Das war damals eine kurzfristige Maßnahme zur Stützung der Situation in den Revieren. 4 Millionen t Kohle wurden von der Notgemeinschaft Deutsche Steinkohle GmbH gekauft. Der Bund hat einen erheblichen Zuschuß zu den Kosten geleistet. Er hat darüber hinaus zusammen mit dem Land Nordrhein-Westfalen und zum Teil auch mit dem Saarland die Kosten übernommen, die durch die Einlagerung der Kohle an Plätzen fern vom Revier - relativ fern vom Revier, möchte ich einschränkend sagen - entstehen. Er tut das noch bis zum Jahre 1969. Ich werfe diese Frage auf, weil viele von uns an diesen Titel eigentlich gern heran möchten, weil wir sagen, das sei doch keine sehr sinnvolle Hilfsmaßnahme im Bereich der Kohlepolitik von damals gewesen, und der heutige Wirtschaftsminister hat das mitzuschleppen, was damals beschlossen worden ist. Aber es muß gesehen werden, daß zur Zeit in den Revieren in einer recht erfreulichen Weise, wenn auch nicht sehr umfassend, die Halden abgebaut werden. Das ist ein Vorgang, der für die Kohle günstiger ist. Das sind Auswirkungen der Kohlepolitik der Bundesregierung, zum Teil aber auch Auswirkungen von Feierschichten. Viele Dinge kommen dabei zusammen. Worauf es mir und dem Haushaltsausschuß ankommt, ist, daß die Bundesregierung nicht vergißt, nun auch darauf zu drängen, daß diese mit unserer Hilfe, mit Steuergeldern gekaufte Kohle nicht bis zuletzt auf der Halde lagert, und mit für ihren Verkauf gesorgt wird. Ich muß daran erinnern, daß ab 1969 für diese Dinge kein Geld mehr im Bundeshaushalt zur Verfügung stehen wird. Es wird sicher auch sehr schwierig sein, in diesem Hause eine Mehrheit dafür zu finden, weiterhin Mittel für die Lagerkosten zu bewilligen. Es muß also etwas getan und darauf gedrängt werden, daß die Notgemeinschaft diese Kohle verkauft. Der zweite Punkt, den ich erwähnen will, ist das zweite Verstromungsgesetz. Ich glaube, man kann sagen, daß es offensichtlich einen guten Anlauf gehabt hat. Allerdings hat es dabei auch einige besorgniserregende Dinge gegeben, über die wir im Zusammenhang mit dem Kohleanpassungsgesetz etwas hören werden. Wir mußten die im Tiefbau geförderte Braunkohle in die Förderungsmaßnahmen des Kohlegesetzes mit einbeziehen, weil gerade dieser Bereich unter den Maßnahmen zur Förderung der Steinkohle beim Einsatz in der Elektrizitätswirtschaft leidet. Aber ich will hier in diesem Zusammenhang nur auf einen Punkt hinweisen. Mitte dieses Jahres soll auf Grund eines Wunsches dieses Hauses über die Erfahrungen mit dem zweiten Verstromungsgesetz berichtet werden. Wir bitten darum, daß dies zur rechten Zeit geschieht, damit wir das damals in intensiven, aber auch schnellen Beratungen zustande gekommene Gesetz dann unter die Lupe nehmen können, um eventuell das Verfahren zu ver- bessern. Es geht allerdings - das muß der Vertreter des Haushaltsausschusses natürlich sagen - nicht um die Erweiterung des finanziellen Rahmens dafür. Der dritte Punkt, den ich ansprechen möchte, ist die Kokskohlebeihilfe. Es war meine erste parlamentarische Tätigkeit hier auf dieser Bühne, noch in der Rolle eines Mitglieds in der Oppositionspartei damals, dafür einzutreten, daß eine solche Hilfe geschaffen wird, die gleichzeitig bei der Stahlindustrie wirkt und den Absatz von Kohle sichert. Wir haben ein solches Instrument nun seit anderthalb Jahren. Man kann wohl sagen, daß dies die erste europäische Gemeinschaftskasse geworden ist, in die unser Land weniger einzahlt, als es herausbekommt. Es wäre schön, wenn das für andere europäische Gemeinschaftskassen ein Vorbild sein könnte und nachgeahmt werden könnte. Hier funktioniert es offensichtlich. Erfreulicherweise hat auch die mittelfristige Finanzplanung dieses Thema aufgegriffen. Die zunächst vorgesehene und eigentlich wünschenswerte enge zeitliche Begrenzung für diese Förderungsmaßnahme kann nicht mehr so eng gesehen werden, sondern es sind Weiterführungen über die nächsten Jahre erforderlich. Der Haushaltsausschuß hat zur Kenntnis genommen, daß die Regierung bei ihren Bemühungen um die Fortschreibung der mittelfristigen Finanzplanung diesem Thema Beachtung geschenkt hat. Ich möchte einen weiteren Punkt ansprechen, der nichts mit dem Kohlebereich zu tun hat, nämlich unsere Entscheidungen im Haushaltsausschuß über die Förderung der Werften. Im Haushalt dieses Jahres, 1968, sind die fortführenden Mittel für das 5. und das 5. erweiterte - man nennt es „5 a" - Werfthilfeprogramm bewilligt worden. Aber wir haben inzwischen im Haushaltsausschuß auch über das 6. Werfthilfeprogramm gleicher Größenordnung gesprochen. Ich will das hier erwähnen, um deutlich zu machen, daß es notwendig war, Vorentscheidungen für Aufträge an unsere Werften in den Jahren 1970, 1971 und 1972 zu treffen. Es war erforderlich, diese Dinge jetzt anzugehen und dafür die Möglichkeiten zu schaffen, so daß unsere Werften wissen: Die Hilfen des Bundes gehen weiter. Ich spreche dieses Thema aus zwei Gründen an, zunächst deshalb, weil die Werfthilfeprogramme 5, 5 a und 6 nur den Auftragsbereich decken, der aus den Ländern außerhalb der EWG und aus den Nichtentwicklungsländern kommt. Hier sind die EWG-Fragen in besonderer Weise schwierig. Ich möchte aber erwähnen, daß uns die Regierung nach Auffassung des Haushaltsausschusses nähere Aufklärung über die Probleme geben müßte, die im Zusammenhang mit den Aufträgen, die aus den Entwicklungsländern möglich sind, stehen, und darüber, was wir auf diesem Gebiet in Zukunft tun können. Wir wissen, daß das Schwierigkeiten bereitet, aber der Haushaltsausschuß hat die Regierung aufgefordert, in absehbarer Zeit darüber einen Bericht zu geben, um diese Fragen diskutieren zu können. Ich spreche dieses Thema aber auch noch aus folgendem Grunde an. Im Grunde genommen ist das, was wir hier mit dem Werfthilfeprogramm tun, sosehr wir es tun müssen, doch eine unerfreuliche Sache. Was wir tun, ist eine Herabschleusung von Zinssätzen bei der Hereinnahme von Aufträgen für die Werften aus den vorhin genannten Gebieten dieser Erde, und zwar für eine ganze Reihe von Jahren. Wir tun dies in Konkurrenz zu den Subventionen anderer Staaten. Wir tun es deshalb, um auch unsererseits bei einer guten Auftragslage in aller Welt dafür Sorge zu tragen, daß die deutschen Werften etwas davon abbekommen. Das ist notwendig; wir müssen es tun. Es geht auch um die Sicherung der Arbeitsplätze in unseren Werften an der Küste, ganz entscheidend sogar. Aber war wir tun ist die Teilnahme an einer Konkurrenz der Subventionen. Meine Frage, die daraus resultiert, lautet: Was geschieht eigentlich auf Regierungsebene und auf internationaler Ebene, z. B. im Rahmen der OECD, aber auch an anderen Stellen, um diese Probleme einer Konkurrenz von staatlichen Subventionen zur Herabschleusung auf die japanischen Konditionen zu meistern? Das ist der Grund, warum ich dazu eine Bemerkung mache. Dann habe ich noch eine Bemerkung zur Verbraucherpolitik zu machen, die auch in diesem Einzelplan einen Platz hat. Mir kommt alles das, was wir haushaltsmäßig in diesem Bereich tun, immer ein wenig verloren, unbedeutend und auch zersplittert vor. Zersplittert insbesondere deshalb, weil es für diesen Bereich auch in einem anderen Einzelplan, dem Einzelplan des Landwirtschafts- und Ernährungsministers in seiner Funktion als Ernährungsminister, einige Positionen gibt. Ob da ein Zusammenspiel gegeben ist, wage ich zu bezweifeln. Die Zersplitterung zeigt sich aber auch an anderer Stelle. Wir haben z. B. eine Reihe von Zuwendungen für Verbraucherorganisationen, einerseits an die Frauenverbände für hauswirtschaftliche Beratung, andererseits zur Unterrichtung der Verbraucher über Marktvorgänge. Das geht an Verbraucherzentralen und ihre Beratungsstellen. Darüber hinaus gibt es eine Reihe anderer Maßnahmen. Was fehlt - auch darauf hat der Haushaltsausschuß in seinen Beratungen hingewiesen -, ist ein umfassendes Konzept der Verbraucherpolitik. Wir möchten darüber hier oder im Haushaltsausschuß - wahrscheinlich aber wohl zusammenfassend für das Haus - einmal das „Ganze im Stück" vom Wirtschaftsminister der Großen Koalition hören. Wir haben erlebt, wie der Wirtschaftsminister im Zusammenhang mit der Einführung der Mehrwertsteuer sehr darauf gedrängt. hat, daß die Rolle des Verbrauchers in den Vordergrund gebracht wurde. Ich denke, nicht ohne Erfolg. Aber ich sage es noch einmal: Wir müssen das Ganze in einem Stück sehen. Ein Teil dieser Überlegungen bezieht sich auf das Testinstitut. Dazu liegt diesem Hause ein Änderungsantrag vor. Ich hatte mich im Haushaltsausschuß darum bemüht, eine Aufstockung der Mittel für das Testinstitut von 3 Millionen DM um 500 000 DM auf 3,5 Millionen DM im Jahre 1968 zu erreichen. Dort gelang es nicht, eine Mehrheit dafür zu finden. Aber jetzt sieht es - ich freue mich darüber - anders aus. Das Haus hat quer durch alle Fraktionen einen gemeinsamen Antrag eingebracht, und ich hoffe, daß er Annahme findet, zumal die Aufstockung zu einer erheblichen Verbesserung des Testinstituts führen würde, nachdem die Kritik gezogen hat und wirksam geworden ist. Ich hoffe, daß das Haus dem Antrag seine Zustimmung gibt.

Dr. Karl Mommer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001529

Wenn ich recht verstehe, spricht Herr Westphal als Berichterstatter, und dann ist eine Zwischenfrage nicht erlaubt.

Heinz Westphal (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002489, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich hätte sie gerne ertragen. Aber vielleicht können wir das nachher diskutieren. Ich weiß, daß das Testinstitut vielleicht noch mehr Mittel braucht. Aber was es in diesem Jahr sinnvoll verkraften kann, ist durch den vorgesehenen Ansatz gut gedeckt. Ich glaube, das kann ich mit gutem Gewissen sagen. Für das nächste Jahr ist für das Testinstitut wieder ein Ansatz von 4 Millionen DM vorgesehen, was den Verträgen entspricht, die mit dieser Stiftung abgeschlossen worden sind. Ich muß allerdings darauf aufmerksam machen, daß dieser Vertrag eine Bindung bis zum Jahre 1969 hat. Danach muß man sich dann überlegen, wie es grundsätzlich in der Zukunft weitergehen soll. Dies ist alles, was ich Ihnen aus den Beratungen des Haushaltsausschuses über den Einzelplan des Bundeswirtschaftsministers an Brocken herauszupikken hatte. Mir scheint, daß es ein paar Punkte sind, die auch dem Wirtschaftsminister selbst Gelegenheit geben werden, hier einiges über die Fortführung seiner Politik zu sagen. Ich darf dabei noch einmal in besonderer Weise an die drängenden Fragen zur internationalen Währungspolitik erinnern. ({0})

Dr. Karl Mommer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001529

Meine Damen und Herren, ich hatte allerdings auch den Eindruck, daß hier die Berichterstattung und die allgemeine Aussprache nicht scharf getrennt wurden. ({0}) Nun, das können wir so durchgehen lassen. Vizepräsident Dr. Mommer Die anderen Herren Berichterstatter zum Einzelplan 09 haben sich auch zu Wort gemeldet. Zunächst Herr Abgeordneter Gewandt!

Heinrich Gewandt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000675, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine seh r geehrten Damen und Herren! Ich möchte mir erlauben, in Ergänzung der Erläuterung, die der Kollege Westphal gegeben hat, einiges zum Einzelplan 09 zu bemerken. Der Herr Mitberichterstatter hat bereits darauf hingewiesen, daß wir uns in den wesentlichsten Punkten im Ausschuß einig gewesen sind, daß allerdings eine Reihe von Fragen noch weiterer Klärung bedarf. Ich möchte zunächst auf ein Problem eingehen, das der Kollege Westphal hier erörtert hat, nämlich auf die Annahme des Werftförderungsprogramms durch den Haushaltsausschuß. Hierzu möchte ich folgendes hervorheben. Das jetzige Werftförderungsprogramm ist ungenügend. Es reicht nicht aus, um die Beschäftigung auf unseren Werften langfristig zu sichern. Warum? Das gegenwärtige Förderungsprogramm bezieht nur Aufträge aus Nichtentwicklungsländern ein. Wir wissen aber, daß neue Flotten in Entwicklungsländern gebaut werden. Wir können davon ausgehen, daß zwar der Bedarf an Schiffsraum zunimmt, weil der Gesamtumfang des Außenhandels zunimmt, daß aber die traditionellen Schiffahrtsnationen ihren Anteil sicherlich nicht in dem Maße erhöhen werden, wie der Welthandel wächst. Wir haben die Bundesregierung aufgefordert, sie möge ihrerseits kundtun, in welcher Weise Aufträge aus Entwicklungsländern berücksichtigt werden können. Bisher ist es leider nur dann möglich, solche Aufträge zu fördern - und fördern heißt in diesem Falle eigentlich nur, die Wettbewerbsverzerrungen zu Lasten der deutschen Werften zu reduzieren -, wenn Kapitalhilfeabkommen abgeschlossen worden sind. Aber häufig ist es so, daß die Kapitalhilfeabkommen so eng bemessen sind, daß keineswegs die Möglichkeit besteht, die Schiffahrt einzubeziehen. Häufig setzen auch die Entwicklungsländer andere Prioritäten. Deshalb wäre es interessant, zu erfahren, in welcher Weise die Bundesregierung diesem Problem gerecht zu werden trachtet. Im übrigen, Herr Bundeswirtschaftsminister, ist auf eine Besonderheit aufmerksam zu machen. Wenn in zunehmendem Maße -- und daran kann kein Zweifel sein - in Entwicklungsländern Flotten entstehen, dann wird es sich dabei um Flotten handeln, die sich in Staatsregie befinden. Unternehmen in Staatsregie, insbesondere, wenn gewisse Erfahrungen fehlen, versprechen nicht immer Rentabilität. Das bedeutet, daß möglicherweise die Freiheit der Schiffahrt stärker eingeschränkt wird, als uns lieb ist. Ich möchte hier deshalb die Frage zur Diskussion stellen, ob wir nicht unsererseits Kooperation anbieten sollten, d. h. eine Bereederung gemeinsam mit Entwicklungsländern, um dadurch zu verhindern, daß wir eines Tages aus dem Markt verdrängt werden. Der Kollege Westphal hat darauf hingewiesen, daß ein Antrag vorliegt, wonach - und das steht im Gegensatz zu den Beratungen im Haushaltsausschuß - das Warentestinstitut in Berlin besser ausgestattet werden soll. Ich glaube, es ist aussichtslos, sich in der gegenwärtigen Situation dem Antrag zu widersetzen. Ich will es auch nicht tun. Nur eines möchte ich unterstreichen: Es ist wenig sinnvoll, daß ein Parlamentsausschuß die Durchleuchtung eines Instituts verlangt und daß, bevor er von dem Prüfungsbericht Kenntnis hat, eine Aufstockung dieser Zuwendungen erfolgt. Ich glaube, wir wären besser beraten gewesen, abzuwarten, zu welchen Ergebnissen die Prüfungsinstanz gekommen ist. Denn welchen Sinn können Berichte haben, die wir anfordern, wenn bereits vor ihrer Erörterung vollendete Tatsachen geschaffen werden? Der Herr Mitberichterstatter ist - und das mit Recht - auch auf den Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung und Gesundung des deutschen Steinkohlebergbaues eingegangen. Der Haushaltsausschuß hat zu diesem Thema festgestellt, daß er die Zielsetzung unterstützt, aber nicht alle Einzelheiten hat beraten können. Zu der Sache selbst wird hier noch gesprochen. Der Ausschuß befand sich auch in der schwierigen Lage, daß zu den finanziellen Auswirkungen im Augenblick nicht viel gesagt werden kann. Die Zustimmung zur Zielsetzung war dem Haushaltsausschuß deshalb um so leichter, weil während der Beratungen des Wirtschaftsausschusses noch einmal im § I des Gesetzes ganz deutlich festgehalten wurde, daß die Notwendigkeiten des technischen Fortschritts und der Energiewirtschaft nicht behindert werden dürfen. Aber die Frage ist für uns nun: Wie werden diese Ziele erreicht? In welcher Weise wird von dem Gesetz Gebrauch gemacht? Und was bedeutet es für den Haushalt? Wenn Sie die Ausgabenseite betrachten, stellen Sie fest, daß eine Reihe von Maßnahmen, für die wir bereits Geld eingesetzt haben, beispielsweise das Abfindungsgeld, hier nur gesetzlich verankert wird. Wir haben allerdings bei den Haushaltsberatungen keine Möglichkeit gehabt, festzustellen, welche Kosten der Kohlebeauftragte verursachen wird. Wie ich meine, wird es aber angesichts der Bedeutung dieser Aufgabe sicher keine Rolle spielen, ob hier einige hunderttausend Mark ausgegeben werden müssen. Man rechnet mit einem Stab von möglicherweise 50 Bediensteten. Darüber, welche Auswirkungen die steuerlichen Maßnahmen - §§ 8, 9 und 10 - haben werden, konnte uns keinerlei Aufschluß gegeben werden. Im übrigen sind auch die Auswirkungen der Investitionsprämien dem Haushaltsausschuß nur in Form einer Schätzung zur Kenntnis gebracht worden. Das bedeutet also, daß wir nur ungefähre Vorstellungen haben. Dennoch haben wir im Hinblick auf die Zielsetzung keinerlei Bedenken erhoben, sondern auch im Haushaltsausschuß unsere Zustimmung gegeben. Das gleiche betrifft natürlich auch die Erhöhung des Bürgschaftsvolumens, was eine Voraussetzung für die Durchführung dieses Plans ist. Ich möchte nun hoffen - damit komme ich auf einen Punkt des Berichts des Haushaltsausschusses zurück, der sich mit der Zielsetzung identifiziert -, daß Sie, Herr Bundeswirtschaftsminister, die Linie, die Sie in der Vergangenheit durchgesetzt haben 1 und die wir begrüßen, trotz möglicher Einflüsse von hier und da auch in der Zukunft durchhalten. Aber eines das möchte ich abschließend sagen - spielt für den Haushalt natürlich eine wichtige Rolle. Das ist die Frage der finanziellen Stabilität und der Solidität des Haushalts insgesamt. Wir wissen, welche verhängnisvollen Auswirkungen die defizitäre Lage der Haushalte in den Vereinigten Staaten und in Großbritannien gehabt hat. Ich glaube, der Bundeswirtschaftsminister hat gemeinsam mit dem Herrn Bundesfinanzminister auch für die Staatsfinanzen eine hervorragende Verantwortung. Er muß der Hauptverbündete des Bundesfinanzministers sein, wenn es darum geht, solide finanzielle Verhältnisse in Deutschland zu schaffen. Der Bundeswirtschaftsminister muß auch dann der stärkste Verbündete des Finanzministers sein, wenn es darum geht, die mittelfristige Finanzplanung nicht nur als eine Fortschreibung zu betrachten, sondern wirklich als eine Zielsetzung mit Verlagerungen von Aufgaben. Ich glaube, das entscheidende Kriterium für den Haushalt muß sein, ob wir Stabilität und Wachstum wahren und auch in Zukunft - das ist, glaube ich, wichtig - eine sozialorientierte Leistungsgemeinschaft bleiben. ({0})

Dr. Karl Mommer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001529

Meine Damen und Herren, für unsere Arbeit ist es doch sehr wichtig, daß wir uns bemühen, klar auseinanderzuhalten, wann jemand berichtet, was irgendwo geschehen ist, und wann jemand seine Meinung ausspricht. ({0}) Wir sind damit falsch gestartet, und ich schlage vor, daß wir mit der Geschäftsordnung ins reine kommen, indem wir in der allgemeinen Aussprache fortfahren. Da haben Herren das Wort, die zufällig auch Berichterstatter waren. Das Wort hat Herr Dr. Luda.

Dr. Manfred Luda (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001382, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte hier mehr eine Ergänzung des von den drei Berichterstattern zum Kohleanpassungsgesetz schriftlich erstatteten Berichts geben. Meine Damen und Herren, wir sind sehr froh, daß seit Ende vorigen Jahres auf dem Kohlemarkt eine Beruhigung eingetreten ist. Im Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen sind wir uns darüber einig gewesen, daß das im wesentlichen auf die beiden Verstromungsgesetze zurückzuführen ist, welche der Deutsche Bundestag am 23. Juni 1965 und am 30. Juni 1966 verabschiedet hat, und ferner auf die Kokskohlebeihilfe, welche die vorige Bundesregierung Anfang 1966 bei der Hohen Behörde der Montanunion beantragt und welche die Hohe Behörde am 21. Februar 1967 bewilligt hat. Wir sind uns im Ausschuß ferner darüber einig gewesen, daß diese gewisse Erleichterung, die wir im Augenblick auf dem Kohlesektor Gott sei Dank feststellen können, keine Veranlassung dafür sein darf, die notwendigen Sanierungsmaßnahmen weiter zu verzögern. Wir waren uns einig, daß es erforderlich sei, das Gesetz jetzt schleunigst in Kraft zu setzen. Meine Damen und Herren, es ist bedauerlich, daß die dankenswerten Bemühungen des Herrn Bundeswirtschaftsministers, auf dem Verhandlungswege eine Einheitsgesellschaft an Rhein und Ruhr zustande zu bekommen, bis zum heutigen Tage keinen Erfolg gehabt haben. Es ergab sich vielmehr ein Zeitverlust für die notwendigen Anpassungsmaßnahmen und auch für die Beratung und Verabschiedung dieses Kohleanpassungsgesetzes. Versuche, durch eine Art von konzertierter Aktion ordnend in das wirtschaftliche Geschehen einzugreifen, sind durchaus zu begrüßen. Wir müssen uns jedoch der offenkundigen Gefahr, daß dadurch notwendige staatliche Maßnahmen beinträchtigt oder verzögert werden können, immer bewußt sein. Der Staat ist mehr als eine Clearing-Stelle für privatwirtschaftliche Interessen. ({0}) Ein weiterer Punkt. Im Wirtschaftsausschuß ist immer wieder darauf hingewiesen worden, daß es nicht darum geht, Bestehendes zu konservieren. Auch das möchte ich ausdrücklich betonen. Alle sind entschlossen, dafür zu sorgen, daß die notwendige Anpassung an die laufende Entwicklung auf dem Energiemarkt erreicht werden kann. Deshalb haben die Mitglieder der CDU/CSU-Bundestagsfraktion im Wirtschaftsausschuß entscheidenden Wert darauf gelegt, daß dieses Kohieanpassungsgesetz als Ganzes befristet wird. Der Ausschuß hat daher eine Befristung zum 31. Dezember 1977 beschlossen. Mit dieser Befristung, meine Damen und Herren, entspricht das Kohleanpassungsgesetz - ich glaube, das sagen zu können - voll und ganz den Grundsäzten für eine sektorale und regionale Strukturpolitik, welche die Bundesregierung am 24. November 1966 beschlossen hat und deren Grundsätze in der letzten Strukturdebatte dieses Hohen Hauses vor wenigen Wochen allseits anerkannt worden sind. Trotz der Befristung zum 31. Dezember 1977 sollte es aber der Bundesbeauftragte als seine Pflicht erachten, möglichst noch zu einem früheren Zeitpunkt zu der gewünschten Anpassung auf dem Kohlesektor zu gelangen - das liegt sicherlich im allseitigen Interesse , damit die staatlichen Eingriffe, die dirigistischen Eingriffe möglichst bald wieder aufhören. Schließlich haben die Mitglieder der CDU/CSU-Bundestagsfraktion im Ausschuß entscheidenden Wert darauf gelegt, daß die Bundesregierung bei der Berufung des Bundesbeauftragten und seiner Mitarbeiter völlig freie Hand in der Richtung hat, daß es sich dabei um Beamte, um Angestellte oder um anderweitig vertraglich verpflichtete Personen handeln kann; denn wir sind uns alle einig gewesen, daß das Gesetz möglichst wirtschaftsnah praktiziert werden muß, wenn die Bemühungen überhaupt Erfolg haben sollen. Es geht also nicht an, daß die Kohle etwa durch den zu schaffenden Apparat „verwaltet" wird. Sinn des staatlichen Eingriffs in einen Teil der unternehDr. Luda merischen Funktionen der Kohlebergbauunternehmen ist es lediglich, die notwendigen, aber schwierigen Weichenstellungen zu gewährleisten. Der Ausschuß hat also nicht verkannt, daß die dirigistischen Einflußmöglichkeiten des Bundesbeauftragten in unserer Wirtschaftsordnung eigentlich ein Fremdkörper sind und daß die Gefahr besteht, daß dies als ein Präjudiz auch für andere Wirtschaftszweige angesehen werden könnte, obwohl solche Maßnahmen allenfalls in der Ausnahmesituation des Steinkohlebergbaus vertretbar sind. Der Ausschuß hat auch nicht verkannt, daß das Gesetz Lösungen anstrebt, ohne die Struktur des gesamten Energiemarktes unmittelbar zu verändern. Diesen Erkenntnissen müssen wir bei unserer weiteren Arbeit Beachtung schenken. Für den Erfolg des Gesetzes kommt es nach meiner Ansicht im wesentlichen auf dreierlei an: erstens auf eine harmonische Zusammenarbeit des Steinkohlebergbaus mit dem Bundesbeauftragten, zweitens darauf, daß es dem Bundesbeauftragten gelingt, das unternehmerisch Richtige mit dem im öffentlichen Interesse Notwendigen zu verbinden, und drittens, daß die Bundesregierung möglichst bald ein energiepolitisches Gesamtkonzept erarbeitet und veröffentlicht. Man kann daher nur unterstreichen, was der Bundesrat bei der ersten Lesung des Kohlegesetzes erklärt hat. Er äußerte u. a. - ich zitiere mit Genehmigung des Herrn Präsidenten die „Auflassung, daß die speziellen Maßnahmen auf dem Steinkohlesektor nur dann einen bleibenden Erfolg heben werden, wenn die Bundesregierung im Rahmen ihrer nationalen Verantwortung und ihrer Teilnehme an der europäischen Energiepolitik ein energiepolitisches Konzept entwickelt, in das sich die einzelnen Energieträger einordnen." Also, was wir hier machen, und auch was der Bundesbeauftragte künftig zu leisten haben wird, muß laufend in die noch zu formulierende europäische Energiepolitik eingeordnet werden. Das ist für unseren Steinkohlebergbau von entscheidender Bedeutung, das ist aber auch für unsere Partnerstaaten wichtig, denn unser Steinkohlebergbau ist ja, wie Sie wissen, meine Damen und Herren, der leistungsfähigste in Europa überhaupt. Es ist also aus europäischer Sicht nicht zu verantworten, gerade diesen Bergbau mehr schrumpfen zu lassen, als im europäischen Maßstab angezeigt erscheint. Zum Erfordernis einer sinnvollen Handhabung dieses Gesetzes gehört es daher auch, daß die Maßnahmen dieses Gesetzes laufend mit der Energiepolitik der EWG abgestimmt werden. Nach alledem bin ich der Auffassung, daß die Instrumente, die wir im Kohieanpassungsgesetz vorgesehen haben, geeignet sind, die anstehenden Probleme zu lösen und dem Steinkohlebergbau eine bedeutende Stellung im Rahmen der europäischen Energieversorgung zu sichern; das alles im Interesse aller Menschen, die im Steinkohlebergbau ihre berufliche und wirtschaftliche Existenz gefunden haben, und damit auch im Interesse der gesamten deutschen Volkswirtschaft. ({1})

Dr. Karl Mommer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001529

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Lange. - Meine Damen und Herren, Sie wissen alle, in welcher Zeitnot wir in dieser Woche sind. Bisher haben sich die Redner an die Dichgans-Regel gehalten und eine Viertelstunde gesprochen. Ich möchte alle Redner darum bitten, daß sie sich bewußt sind, in welcher Zeitnot wir uns in dieser Woche befinden. Bitte, Herr Lange, Sie haben das Wort.

Erwin Lange (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001283, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Recht herzlichen Dank, Herr Präsident, für die Mahnung.

Dr. Karl Mommer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001529

Das war ja gar keine.

Erwin Lange (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001283, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich will versuchen, hier als Berichterstatter das zu sagen, was zu sagen ist. Wenn die Mitglieder des Hohen Hauses und die anderen Beteiligten und Betroffenen den Bericht lesen, werden sie feststellen, daß einige Paragraphen nicht besonders behandelt sind. Das hat einfach daran gelegen, daß sie in den Ausschußberatungen keine besondere Rolle gespielt haben. Es handelt sich um die ursprünglichen §§ 16, 22 und 37, ebenso um §§ 18 und 19. Gestatten Sie mir noch einen Hinweis auf den gegenwärtigen § 40, den früheren § 36. Dort ist eine Änderung vorgenommen worden dergestalt, daß dem Bundesbeauftragten vom Bundesminister für Wirtschaft weitere Verwaltungsaufgaben übertragen werden können. Dann noch für den Ausschuß folgende Feststellung : Es ist nicht nur die Meinung der Mitglieder der CDU/CSU-Fraktion im Ausschuß, sondern es ist der Wille des gesamten Ausschusses gewesen, dieses Gesetz zu befristen, um allen im Geltungsbereich des Grundgesetzes klarzumachen, daß hier keine Unterstützungen bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag gewährt werden sollen, sondern daß mit der Begrenzung dieser Maßnahmen auf die Beteiligten und Betroffenen ein heilsamer Zwang ausgeübt werden soll, sich anders zu verhalten als bisher, Marktpolitik zu betreiben, Preispolitik zu betreiben und nicht im Sinne des Rheinisch-Westfälischen Kohlesyndikats Verteilungspolitik zu machen. Der Ausschuß legt Wert darauf, festzustellen, daß dieses Gesetz der Exekutive die Möglichkeit gibt, aktive Energiepolitik unter Einschluß der Kohlepolitik keine isolierte Kohlepolitik - zu betreiben. Entsprechend den Darlegungen des Berichterstatters Dr. Luda sind die Primärenergieträger insgesamt zu sehen; so ist auch die Aufgabe des Bundesbeauftragten als Bundesoberbehörde, die unmittelbar dem Bundesminister für Wirtschaft unterstellt ist, zu bewerten. Der Ausschuß ist der Meinung, daß mit den Instrumentarien, die sowohl dem Bundesbeauftragten als Vollstreckungsorgan als auch der Bundesregierung zur Verfügung stehen, ein Druck auf diejenigen ausgeübt werden kann, die bisher gezögert haben, sich im Ruhrgebiet zu optimalen Unternehmensgrößen, auch im Sinne einer Gesamtgesellschaft, ob gegliedert oder ungegliedert, zusammenzufinden. Mit Hilfe dieses Gesetzes kann also die Tendenz zur Bildung der Gesamtgesellschaft verstärkt werden. Mindestens kann aber, solange eine solche Gesamtgesellschaft und solche optimalen Unternehmensgrößen nicht erreicht sind, bewirkt werden, daß auf den Gebieten der Förderung, der Investitionen, des Absatzes und der Belegschaften das Verhalten der Bergbauunternehmen aufeinander abgestimmt wird. Nur so tritt nämlich das ein, was dem Grunde nach mit der Errichtung einer Gesamtgesellschaft effektiv werden sollte: weitgehende Belegschaftsumsetzungen und Vermeidung sozialer Härten, die ansonsten, wenn sie unumgänglich sind, durch andere Maßnahmen auf Grund des Gesetzes aufgefangen werden sollen. Weiter ist der Ausschuß der Meinung, dem Parlament einen Entwurf vorgelegt zu haben, der in der Tat die Exekutive in den Stand setzt, die erforderlichen Voraussetzungen - einschließlich des Bundesbeauftragten - für eine wirksame Energiewirtschaftspolitik in der Bundesrepublik, aber unter Berücksichtigung der europäischen Gemeinschaften und der sich daraus ergebenden Notwendigkeiten, schaffen zu können. Wir sind auch insoweit Vorstellungen der Steinkohlebergbauländer entgegengekommen, als der Ausschuß die Erwartung hegt, daß auch künftighin in den Jahreswirtschaftsberichten der Bundesregierung, wie in dem ersten schon erfolgt, ein besonderer energiewirtschaftlicher Teil enthalten sein wird, der die energiepolitischen Ab- sichten der Bundesregierung erkennen läßt und auch erkennen läßt, in welcher Weise die verschiedenen Primärenergieträger in diese energiepolitischen Absichten eingebaut sind. So besteht dann auch die Möglichkeit, daß in entsprechender Weise das Parlament diese Dinge unter Kontrolle halten kann. Meine Damen, meine Herren, alles in allem ist der Ausschuß der Überzeugung - und er hofft, daß auch das Hohe Haus aus den Vorschlägen des Ausschusses diese Überzeugung gewinnen kann -, daß wir an einem entscheidenden Wendepunkt unserer Kohle- und Energiepolitik angelangt sind, daß das Unzulängliche der letzten zehn Jahre Kohleentwicklung überwunden werden kann und künftighin - ich unterstreiche, was hier Dr. Luda als Berichterstatter schon gesagt hat - trotz leichter Besserung der Lage niemand der Meinung ist, wir brauchten diese Maßnahmen nicht. Der Ausschuß spricht die Erwartung aus, daß die Beteiligten, das sind also der Unternehmensverband Ruhrbergbau - um insonderheit auf die Ruhr abzuheben - und die IG Bergbau und Energie, sich so schnell wie möglich über die noch zwischen ihnen streitigen Fragen verständigen, damit niemand mehr in der Öffentlichkeit den Eindruck gewinnt, daß irgendwer ein Interesse daran habe, aus diesen Notwendigkeiten, die seitens des Parlaments festgestellt sind, auszubrechen. Diese Erwartung, diesen Appell glauben wir aussprechen zu dürfen, und wir hoffen, daß ihm auch entsprochen wird. Das System von Maßnahmen, das dem Bundesbeauftragten zur Verfügung steht, wird auch in diese Richtung mit wirken und insoweit einen heilsamen Zwang ausüben für eine Entwicklung, die der Gesamtheit unserer Volkswirtschaft, der Gesamtheit unseres Volkes, dient. ({0})

Dr. Karl Mommer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001529

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Opitz.

Rudolf Opitz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001653, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich stehe jetzt vor der Frage, ob oder wieweit ich mich nun an dem bisher stattfindenden Duell der Berichterstatter beteiligen will oder ob ich Ihnen das ersparen soll. Ich stehe vor der Frage, ob ich z. B. anhand der Berichte Ihnen die abweichenden Meinungen der Minderheit vortragen soll oder die abweichenden Meinungen der Mitglieder der FDP-Fraktion im Wirtschaftsausschuß, ob ich also das Recht des Berichterstatters in der Form mißbrauchen soll, daß ich bereits bei der Berichterstattung in die politische Diskussion einsteige.

Dr. Karl Mommer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001529

Verzeihung, Herr Kollege Opitz: wir sind in der allgemeinen Aussprache; es steht Ihnen frei, Ausführungen - Opitz ({0}) : Jawohl, Herr Präsident, und ich habe auch die Absicht, Sie zu unterstützen. Ich will mich nämlich darauf beschränken, auf den Bericht zu verweisen, und die politische Diskussion den Rednern der Fraktion überlassen. ({1})

Dr. Karl Mommer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001529

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Brand.

Peter Wilhelm Brand (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000243, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich werde ausschließlich zu dem heute zur Verabschiedung anstehenden Kohleanpassungsgesetz sprechen, weil ich es bei der Bedeutung dieses Gesetzes für unsere gesamte Energiepolitik nicht für richtig halte, daß man seine Beratung mit irgendwelchen allgemeinen wirtschaftspolitischen Fragen vermantscht. Dieses Gesetz geht in seinen Wurzeln auf eine Debatte zurück, die wir anläßlich einer Großen Anfrage zur Situation der Kohle am 16. März 1966 in diesem Hause führten. Wenn Sie die damals gegebenen Darstellungen unserer energiepolitischen Lage und der sich daraus ergebenden Problematik nachlesen, dann werden Sie feststellen, daß sie keiner wesentlichen Korrektur bedürfen. Der Übergang von einer Energiemangellage zu einem Energieüberangebot, die besondere Stellung der europäischen Kohlewirtschaft, das Vordringen anderer Energieträger, der daraus resultierende Strukturwandel in den Bergbaugebieten mit seinen wirtschaftlichen und sozialen Folgewirkungen, diese und andere Fakten veranlaßten uns damals, eine Bestandsaufnahme unserer Energiepolitik vorzunehmen, aus der sich dann als Programm der damaligen Bundesregierung u. a. ergaben: die Verbesserung der Maßnahmen für die soziale Sicherung der Bergarbeiter, die Gewährung einer Stillegungsprämie, in Verbindung damit die Begründung einer Aktionsgemeinschaft zur Intensivierung der Umstrukturierung, eine zusätzliche Stabilisierung des Steinkohleabsatzes im Elektrizitätsbereich, Verbesserung der Selbstbeschränkung beim Heizölabsatz und Initiativen auf europäischer Ebene. Ich erinnere mich noch genau, daß am Ende der Aussprache vor zwei Jahren der damalige Wirtschaftsminister Schmücker zu mir kam, um über seine Idee zu sprechen, einen Kohlebeauftragten zur besseren Koordinierung, Steuerung und Überwachung des Anpassungsprozesses und der Hilfsmaßnahmen einzusetzen. In dem uns heute vorliegenden Gesetz sehe ich eine folgerichtige Weiterentwicklung unserer damaligen Bemühungen. Der Wirtschaftsausschuß als der federführende Ausschuß hat das Gesetz mit besonderer Priorität beraten und dabei die verschiedenen Möglichkeiten der Kohlepolitik in den Kreis seiner Betrachtungen einbezogen. Die vorgenommenen Änderungen bzw. Ergänzungen fixieren zusammen mit den übrigen Bestimmungen des Gesetzes die Zielsetzungen und die Leitlinien für das Kohleprogramm der kommenden Jahre. Es wurde festgelegt, daß der Kohlebeauftragte von der Bundesregierung berufen und als Bundesoberbehörde dem Bundeswirtschaftsminister unmittelbar unterstellt wird. Seine Funktionen sind in den Paragraphen 3, 4 und 6 a erweitert worden, wie Sie es im Ausschußbericht dargestellt finden. Die Höchstgrenze des Bürgschaftsrahmens wurde im § 11 erweitert und das Beteiligungsverhältnis Bund - Länder entsprechend geändert. Natürlich hat es bei den Beratungen auch Stimmen gegeben, die mit der Schlußberatung des Gesetzes warten wollten, bis eine Neuordnung im Unternehmensbereich perfekt ist. Einige Wochen haben wir im Wirtschaftsausschuß gezögert, haben gewartet, haben also die Geduld aufgebracht, um die man uns gebeten hatte. Nachdem aber mehrere Termine, die wir uns selbst gesetzt hatten, verstrichen waren, ohne daß sich eine endgültige Formierung im Unternehmensbereich abzeichnete, haben wir in Übereinstimmung mit dem Ministerium die Beratungen zügig zu Ende geführt. Ich glaube, daß dieser Entschluß richtig war, denn ein weiterer Aufschub des Gesetzes hätte sich nur nachteilig für den Bergbau und die dort Beschäftigten auswirken können. Gelegentlich der ersten Beratung hier in diesem Hohen Hause hatte ich erwähnt, daß einige meiner politischen Freunde dem Einbau einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft mit Zwangsmitgliedschaft an Stelle eines Bundesbeauftragten den Vorzug geben würden. Auch hierüber ist natürlich, und zwar sehr ausführlich, gesprochen worden. Doch haben wir uns mit großer Mehrheit dafür entschieden, dem Regierungsentwurf zu folgen. In diesem Zusammenhang ist daran zu erinnern, daß die jetzt von einem Bundesbeauftragten durchzuführende und durchzusetzende Anpassung und Neuordnung des Steinkohlenbergbaus vom Gesetzgeber und von der Regierung schon einmal dem Bergbau selbst anvertraut worden sind, und zwar durch das Rationalisierungsverhandsgesetz und die in der Begründung erörterten Aufgaben und Leitgedanken des schon 1963 als Körperschaft des öffentlichen Rechts geschaffenen Rationalisierungsverbandes. Dieser Verband besteht vor wie nach, und der Bergbau hat immer noch die Möglichkeit, ihn als Basis für eigene Initiativen zu benutzen. Aber, meine Damen und Herren, in einem Wirtschaftszweig, der so bedeutende finanzielle Stützungsmittel erhält wie der Bergbau, hat der Staat die Pflicht, steuernde und kontrollierende Funktionen auszuüben, wie sie unser Gesetz vorsieht, und darüber hinaus Impulse für die weitere Entwicklung zu setzen. Wir erwarten von diesem Gesetz, daß es gerade in dieser Beziehung eine integrierende und die Entwicklung beschleunigende Wirkung ausübt. Wenn nicht alle Zeichen trügen, stehen wir in diesem Frühjahr vor einem konjunkturellen Aufschwung, eine günstige Zeit für diejenigen, die entschlossen sind, notwendig gewordene Umstrukturierungen durchzuführen, aber eine gefährliche Zeit für diejenigen, die glauben sich im Schatten einer Wirtschaftsbelebung wieder zur Ruhe begeben und alles beim alten belassen zu können. Das führt dann leicht zu einem bösen Erwachen. Wenn wir das heute zur Beratung anstehende Gesetz als die konsequente Fortsetzung der mit dem Rationalisierungsverband eingeleiteten Kohlepolitik ansehen, wäre es mir persönlich lieber gewesen, wir hätten auf das Mehr an staatlicher Führung, das dieses Gesetz bringt, verzichten können. Das hätte aber zur Voraussetzung gehabt, daß der Bergbau selbst sich früher und entschlossener auf freiwilliger unternehmerischer Grundlage neu organisiert hätte. Wäre das geschehen, dann hätten wir einen Kohle-beauftragten wahrscheinlich gar nicht nötig. Ich verkenne nicht, daß die Interessenlage der einzelnen Steinkohlenunternehmen höchst unterschiedlich ist, je nachdem welche Kohle sie fördern, ob man in einem Verbund und in welchem Verbund man arbeitet usf. Aber in welchem Wirtschaftszweig gibt es derartige Unterschiede nicht? Ich übersehe auch nicht die Standortgebundenheit des Bergbaus. Aber welchem Industriezweig ist jemals so großzügig mit Steuergeldern geholfen worden wie dem Bergbau? In einer Marktwirtschaft sollten derartige Hilfen vorrangig als Hilfen zur Selbsthilfe gegeben werden, nicht als Dauersubventionen, die zwangsläufig dirigistische Folgen nach sich ziehen müssen. ({0}) In der Aussprache vom 16. März 1966 habe ich schon gesagt - mit Genehmigung des Präsidenten darf ich diese zwei Sätze hier zitieren -: Vom Steinkohlenbergbau selbst müssen wir erwarten, daß er zur Flurbereinigung und Konzentration seiner Förderkapazitäten, die über die Unternehmensgrenze hinausgehen, in seinen eigenen Reihen alle Möglichkeiten der Selbsthilfe ausschöpft. Der zweite Satz lautet: Es ist uns bewußt, daß den finanziellen Hilfen zur Stärkung der Wettbewerbskraft der Kohle im Haushalt klare Schranken gesetzt und auch der Belastbarkeit der Gesamtwirtschaft durch energiepolitische Schutzmaßnahmen zugunsten des Bergbaus Grenzen gezogen sind. Ich meine, das wäre deutlich genug gewesen. Es ist alles schon einmal dagewesen. Es ist nur leider in der Zwischenzeit auf seiten des Bergbaus nicht viel an überbetrieblicher freiwilliger Neugruppierung passiert, die wir deutlich genug in der Vergangenheit gefordert haben und die wir bei dem Ausmaß der staatlichen Hilfen hätten erwarten können. Mit diesem Gesetz - dessen sind wir uns durchaus bewußt - greift der Staat lenkend in den Umstrukturierungsprozeß und die Anpassung eines wichtigen Wirtschaftszweiges ein und übernimmt damit einen Teil aktiver Mitverantwortung an diesem Prozeß. Das hat sich aus der Situation heraus als notwendig erwiesen. Meine politischen Freunde und ich stehen deshalb zu diesem Gesetz. Es ist unser Wille, daß jetzt keine Zeit mehr vertan wird und daß durch dieses Gesetz und den Bundesbeauftragten, der nun tätig wird, dem Steinkohlenbergbau und den Menschen in den Revieren ein klarer Weg gewiesen und zu baldiger Gewißheit und Sicherheit verholfen wird. Von den Unternehmensleitungen erwarten wir, daß sie nicht weiter gebannt auf ihre partiellen Interessenlagen starren, sondern daß sie ihr unternehmerisches Handeln nach überbetrieblichen Gesichspunkten ausrichten. Denn es geht doch darum, die Existenz des gesamten Steinkohlenbergbaus dadurch zu sichern, daß die Kohle als Energieträger wieder attraktiv gemacht wird. ({1}) Dem Bergbau sind dabei konkret vier große Aufgaben gestellt: Erstens. Er muß sich eine optimale Unternehmensorganisation geben, die natürlich auch gegliedert sein kann. Zweitens. Er muß seine Steinkohlenproduktion so zusammenfassen, daß die ertragsstärksten Bergwerke in ihrer vollen Leistungsfähigkeit ausgelastet werden und die geförderte Kohlenmenge den Absatzmöglichkeiten auf dem Energiemarkt entspricht. Drittens. Er muß die Bergleute stillgelegter Zechen, die weiterhin im Bergbau bleiben wollen, auf die langfristig gesicherten Arbeitsplätze der besten Zechen in den Revieren umsetzen. Viertens. Er muß einen realistischen Anpassungsplan vorlegen, in dem die notwendige Umsetzung der Bergleute und die erforderlichen Zechenschließungen sowie in der Übergangszeit auch die Feierschichten in eine sozial, regional und kohlewirtschaftlich vertretbare Ordnung gebracht werden. Das Gesetz enthält bestimmte Fristen und macht die Fortführung der finanziellen Hilfen von der Einhaltung dieser Fristen abhängig. Es bietet aber andererseits wertvollste Hilfen für den Steinkohlenbergbau wie die Bürgschaftsermächtigung für die Konzentration des Bergbaus in Höhe einer finanziellen Abdeckung bis zu 3 Milliarden DM. Der Bergmann kann durch die gesetzliche Verankerung des Gesamtsozialplans ohne Sorge in die Zukunft sehen; er und seine Familie sind auf Jahre hinaus hierdurch gesichert. Die Reviere erhalten durch das Gesetz und seine Investitionsprämien einen entscheidenden Impuls für die Ansiedlung neuer Industrieunternehmen und die Schaffung neuer Arbeitsmöglichkeiten. In der Kette der einige Jahre zurückreichenden Maßnahmen zur Existenzsicherung unseres Steinkohlenbergbaus ist dieses Gesetz das letzte Glied. Wir versprechen uns davon, eine solide Grundlage geschaffen zu haben, von der ausgehend wir über unsere Energiesituation im ganzen nachzudenken haben. Die Kohlepolitik steht zwar im Augenblick im Vordergrund der aktuellen Erfordernisse; sie kann aber immer nur ein Teil der Gesamtenergiewirtschaftspolitik sein. Es ist also keineswegs so, daß wir uns etwa einbilden, ein Soll erfüllt zu haben und uns jetzt zur Ruhe begeben zu können. Wir werden schon im Hinblick auf die Rasanz der technischen Entwicklungen und auf das sich ständig verändernde Energieangebot unsere energiepolitische Situation laufend neu zu überprüfen und zu überdenken haben. Wir haben es deshalb auch begrüßt, daß die Bundesregierung im Jahreswirtschaftsbericht 1968 ihren Blick auf die Gesamtheit der Energiewirtschaft gerichtet hat. Für die Zukunft unseres Steinkohlebergbaus ist von ausschlaggebender Bedeutung, welche Rolle er in der Energieversorgung der Europäischen Gemeinschaft einnehmen kann. Wir werden noch mehr als bisher unsere Energiepolitik auf die europäischen Verhältnisse auszurichten haben. Unser dringender Appell an die Organe der Gemeinschaft geht dahin, die Bemühungen um die europäische Energiepolitik zu beschleunigen und auch in der Energiewirtschatt für Fortschritte zu sorgen, die auf eine echte Wirtschaftsunion ausgerichtet sind. Wenn wir aber Fortschritte in der Energiepolitik der Europäischen Gemeinschaft erzielen wollen, dann wird dies nur möglich sein, wenn die Anpassung des Bergbaus und die Marktchancen der Reviere in der Gemeinschaft von allen Mitgliedstaaten nach gleichen Maßstäben geregelt werden. Wir brauchen hier bei uns keine Sonderstellung für die deutsche Steinkohle, und wir beanspruchen sie auch nicht. Bei gleichen Möglichkeiten, bei gleichen Chancen auf dem europäischen Markt wird die deutsche Steinkohle auf die Dauer doch den Kern der europäischen Kohleversorgung bilden. ({2}) Auch aus diesem Grunde und um dieser Entwicklung willen müssen wir mit dem vorliegenden Kohleanpassungsgesetz die Ausgangsbasis für eine Gesundung des deutschen Steinkohlebergbaus und der deutschen Steinkohlebergbaugebiete schaffen. Unsere nationalen Maßnahmen sind im wesentlichen auf das Jahr 1971 abgestellt. Für weitere Entscheidungen bei uns oder im Rahmen der Europäischen Gemeinschaft müssen die nächsten zwei Jahre zei- gen, was im Steinkohlebergbau erreichbar ist, wie groß sein Nutzen ist und wie schwer oder leicht seine Lasten für die gesamte Volkswirtschaft sind. Die Arbeit im Steinkohlebergbau und am Steinkohlebergbau in diesen zwei Jahren ist nicht nur für die Gegenwart von Bedeutung, sie wird wegweisend für die längerfristigen Entscheidungen in der Energiepolitik sein. Unser Wunsch geht vor allein nach wie vor dahin, daß die Steinkohle als heimische Energiequelle den ihr zukommenden Platz in unserer Energieversorgung einnehmen kann. ({3}) Meine Damen und Herren, als gutes Omen für (las positive Wirksamwerden des Kohleanpassungsgesetzes sehe ich die Tatsache an, daß es getragen wird von den beiden großen Parteien des Bundestages, die in einer - ich darf das ohne jedes falsche Pathos feststellen - sehr harmonischen Zusammenarbeit das Gesetz gemeinsam beraten haben. ({4}) Ich würde es aber für nicht ganz fair ansehen, wenn ich dabei die loyale Mitarbeit unserer Kollegen von der Oppositionspartei und des von ihr gestellten Vorsitzenden im Wirtschaftsausschuß unerwähnt ließe. ({5}) Zum Schluß möchte ich dem Herrn Wirtschaftsminister wünschen, daß er in Kürze als Kohlebeauftragten eine sachliche befähigte, energische und zielklare Persönlichkeit gewinnt, der wir für ihre sicherlich nicht einfache, aber für einen ganzen Mann reizvolle Aufgabe ein Glückauf mit auf den Weg geben. ({6})

Erwin Schoettle (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002061

Das Wort hat der Herr Bundesminister für Wirtschaft.

Dr. Karl Schiller (Minister:in)

Politiker ID: 11001968

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Schon gestern in der Generaldebatte und heute in der Aussprache zum Einzelplan 09 wurde die konjunkturpolitische und die währungspolitische Aktivität der Bundesregierung erwähnt. Ich glaube, es ist angebracht, daß ich in diesem Augenblick dem Haus erst einmal über die grundsätzlichen Probleme der Konjunktur- und Währungspolitik Bericht erstatte, bevor wir in der Behandlung des besonderen Gesetzes weiterschreiten. Mir scheint, daß wir diese Fragen der Währungspolitik und der Konjunkturpolitik heute und hier am besten in den Griff bekommen, indem ich nicht einfach den historischen Ablauf der Ereignisse darlege, sondern indem wir uns ganz konkret fragen und das Wort „konkret" spielte gestern in den Beiträgen von Herrn Scheel eine besondere Rolle - : In welcher Lage befand sich diese Bundesrepublik Deutschland, als Mitte März in den Vereinigten Staaten von Amerika die interne Golddeckung aufgehoben wurde? Wir alle wissen, was jenem entscheidenden Beschluß in Amerika vorausgegangen war. Der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika hatte im Januar einschneidende Maßnahmen zur Sanierung der amerikanischen Zahlungsbilanz angekündigt. Sie alle wissen, meine Damen und Herren, daß die Ankündigungen des Präsidenten bis dahin nicht vermocht hatten, das Vertrauen in den Dollar wiederherzustellen. Die Spekulation auf das Gold und auf die D-Mark und gegen den Dollar eskalierte mehr und mehr von Woche zu Woche. Die „New York Times" vom 15. März schrieb: „Der Dollar geriet unter Belagerung." Diese Entwicklung führte, wie gesagt, am 14. März zur Aufhebung der internen Golddeckung in den Vereinigten Staaten von Amerika. Die Notenbankpräsidenten der his dahin dem sogenannten Goldpool angehörenden Länder - das sind die USA, Großbritannien, die Bundesrepublik Deutschland, Italien, die Schweiz, die Niederlande und Belgien -- wurden nach Washington eingeladen. Die Beschlüsse der sieben Notenbankgouverneure vom 17. März sind bekannt. Erstens haben wir seit diesem Tage einen gespaltenen Goldmarkt. Die sieben Notenbanken verrechnen untereinander das Gold zu monetären Zwecken zum alten, offiziellen Goldpreis von 35 Dollar pro Unze. Zweitens geben sie kein Gold an die freien Goldmärkte ab und nehmen keines dort auf. Drittens beschlossen die sieben Notenbanken eine zusätzliche Stützung des Pfundes durch Notenbankkredite über den Weltwährungsfonds in Höhe von 1,2 Milliarden Dollar, woran sich die Bundesrepublik mit 150 Millionen Dollar beteiligt. Meine Damen und Herren, die Dramatik jener Ereignisse ist hier vielleicht manchmal gar nicht so bewußt geworden. Sie spiegelte sich aber in den heftigen Reaktionen der amerikanischen Öffentlichkeit in jenen Tagen wider. Und nicht nur in privaten Meinungsäußerungen kam die Erinnerung an das Jahr 1929, an jenen „schwarzen Freitag", oder die Erinnerung an das Jahr 1931, als England das Pfund abwertete, hoch. Die amerikanische Nation war durch diese Vorgänge Mitte März dieses Jahres tief aufgewühlt. Ich möchte, damit wir den Ernst der Situation erkennen, noch einmal die „New York Times" zitieren, ohne mir als Fremder dabei die harten Wertungen jener großen Zeitung gegenüber dem eigenen Lande zu eigen zu machen. Das Zitat lautet wörtlich: Möglicherweise wollten die meisten Käufer weder rasche Gewinne erzielen noch den Dollar angreifen. Sie suchten Schutz gegen eine Nation, die ihre umfangreichen Hilfsmittel vergeudet, die in einen eskalierenden Krieg hineingerutscht ist, den sie nicht gewinnen zu können glaubt, und die gelähmt und gespalten ... erscheint. So harte Worte sind in Amerika an die eigene Adresse gerichtet worden, und ich glaube, wir können diese harten Worte und ernsten Feststellungen nur respektieren. Ich frage nun: In welcher Lage befand sich die Bundesrepublik in jenen Tagen? Ohne in irgendeiner Weise überheblich zu sein, können wir folgende vier Punkte feststellen: Erstens. Die Bundesrepublik konnte jene Ereignisse mit gelassener Stärke durchstehen. Zweitens. Die D-Mark erweist sich als eine der stabilsten Währungen der Welt. Drittens. Der seit der zweiten Hälfte des Jahres 1967 durch die Maßnahmen der Bundesregierung in Gang gekommene Konjunkturaufschwung hat sich im neuen Jahr fortgesetzt und erwies sich schon als so kräftig, daß er durch die Beschlüsse und durch die Ereignisse in Washington nicht beeinträchtigt wurde. Viertens. Die Bundesrepublik selber ist dadurch in der Lage und verpflichtet, bei der Lösung der internationalen Zahlungsbilanz- und Währungsprobleme entscheidend Hilfe zu leisten. Dazu gehört zunächst einmal eine gute Gläubigerpolitik, und zu der guten Gläubigerpolitik gehört - und seit mehr als einem Jahr betreiben wir das - eine aktive Konjunkturpolitik in diesem Hause und in diesem Lande. ({0}) Herr Kollege Scheel meinte gestern, wir befänden uns immer noch mehr oder weniger auf der Talsohle. Ich kann das nur als Ergebnis einer Informationslücke bei unseren Kollegen der FDP-Fraktion ansehen. ({1}) - Herr Genscher, wenn wir heute die Statistiken insgesamt überblicken, sehen wir ganz klar - das will ich nur mit ein paar Zahlen andeuten -: Die Talfahrt begann tatsächlich schon im Sommer 1966. Die Auftragseingänge nahmen im dritten Quartal 1966 zum erstenmal ab. Im vierten Quartal 1966 sanken sie um 6,6 %, und die neue Bundesregierung war ehrlich - und sie hatte recht damit -, wenn sie in ihrer Regierungserklärung vom 13. Dezember 1966 sagte: Die Talsohle liegt noch vor uns. Denn im ersten Quartal 1967 sanken die Auftragseingänge um 10 %. Dann gelang es, am Ende dieses ersten Quartals 1967 und in den folgenden Wochen die Talfahrt abzustoppen. Das Minus in den Auftragseingängen unserer deutschen Wirtschaft verringerte sich von da ab konstant: zweites Quartal 1967 minus 5,1 %, drittes Quartal 1967 minus 0,5%. Im vierten Quartal 1967 erreichten wir den positiven Zuwachs von 13,3 % bei den Auftragseingängen, der sich im Januar dieses Jahres mit plus 13,8 % fortsetzte. Das ist eine eindeutige Aufwärtsbewegung, die eben durch die konjunkturpolitischen Maßnahmen entfacht wurde und von der wir annehmen, daß sie mehr und mehr auf die spontanen Kräfte des Marktes übergreift. Allein die Zunahme der deutschen Einfuhr im Februar dieses Jahres - und das ist die letzte Zahl - urn 20 % ist ein Beweis dafür, daß die Aufwärtsbewegung voranschreitet. Es gehört zur guten Gläubigerpolitik, daß wir unsere inländische Nachfrage steigern. Aber es wäre falsch gewesen, wenn die Bundesregierung angesichts der Entwicklung in den Vereinigten Staaten und in England allein auf die Stärke der inneren Entwicklung vertraut und gepocht hätte. Sie mußte vielmehr ihren internationalen Verpflichtungen direkt genügen; denn unsere Überschüsse sind doch die Defizite in den Zahlungsbilanzen anderer Länder. Auch deswegen schlug die Bundesregierung am 4. März 1968, also vor der Zuspitzung der Lage in den USA, im Ministerrat der europäischen Gemeinschaften vor, die Mitgliedstaaten der europäischen Gemeinschaften möchten den in der Kennedy-Runde vorgesehenen Zollabbau zeitlich erheblich vorziehen. Diese sogenannte asymmetrische Beschleunigung der Kennedy-Runde soll einen Beitrag Europas zu den Lösungen für die Zahlungsbilanzschwierigkeiten der USA darstellen. Das ist eine Hand, die Europa Amerika reichen soll. Dieser Beitrag soll zugleich die amerikanische Regierung davon abbringen, ihrerseits einfuhrbeschränkende Maßnahmen in Richtung auf einen neuen weltweiten Protektionismus einzuführen. Wir sollten und wollen diese mögliche Kettenreaktion verhindern. Auf Grund des deutschen Vorstoßes, den einige Mitgliedstaaten der europäischen Gemeinschaften unterstützen, wurde die Kommission in Brüssel beauftragt, diese Angelegenheit innerhalb von 14 Tagen zu prüfen. In der neuen, darauf folgenden Sitzung des Ministerrates am 25. März dieses .Jahres konnte festgestellt werden: Erstens. Der deutschen Initiative hatten sich im Sinne einer Parallelaktion inzwischen ganz andere Länder außerhalb der Gemeinschaft beigesellt. Es liegen entsprechende Offerten auf einseitige asymmetrische Beschleunigung der Kennedy-Runde zugunsten Amerikas von Großbritannien, von anderen wichtigen EFTA-Ländern sowie von Kanada und von Japan vor. Das ist das erste, was festgestellt wurde. Zweitens. Auch Frankreich konnte sich jetzt nicht mehr grundsätzlich dem Gedanken der asymmetrischen Beschleunigung des Zollabbaus entziehen. Die Kommission wurde in der gleichen Sitzung beauftragt, nunmehr sofort die entsprechenden diplomatischen Kontakte mit den Regierungen außerhalb der Gemeinschaft, also USA, England usw., aufzunehmen. Die Sitzung des Ministerrats, auf der die Ergebnisse dieser Verhandlungen erörtert werden sollen, wird nächste Woche stattfinden. Meine Damen und Herren, diese deutsche Initiative auf dem Gebiet der Handelspolitik ist, glaube ich, zugleich auch ein Beispiel für die Richtigkeit der allgemeinen Europapolitik der Bundesregierung. Ich weiß nicht, warum unser Kollege Scheel gestern meinte, in der Großen Koalition gebe es in bezug auf die Europapolitik der Bundesregierung keine klare Mehrheit. Diese Bundesregierung hat doch sofort nach ihrer Amtseinführung die naheliegende und notwendige Rolle des Vermittlers zwischen den angelsächsischen Ländern und Frankreich erkannt, übernommen und praktiziert. Ein Beispiel habe ich eben genannt. Ein zweites Beispiel kann ich Ihnen jetzt nennen, nämlich die europäische Rolle der Bundesrepublik bei der Reform des Weltwährungssystems. Auch da geht es wieder darum, daß wir unentwegt versuchen, die angelsächsischen Länder und Frankreich zusammenzubringen. Im April vorigen Jahres gelang es nach zähen Verhandlungen im Rahmen der Sitzung der europäischen Wirtschafts- und Finanzminister in München, einen Kompromiß innerhalb der Sechs herbeizuführen. Die sechs Mitgliedstaaten bekannten sich damals zu einem neuen System der Sonderziehungsrechte, das eines Tages als zusätzliche Liquidität die bisherigen konventionellen Reservemittel Gold und Leitwährungen - d. h. Dollar und Pfund - ergänzen würde. Die Sechs stellten für das neue System bestimmte europäische Bedingungen auf. Frankreich hatte bis dahin diesem ganzen System aus grundsätzlichen Erwägungen sehr skeptisch gegenübergestanden. Dennoch gelang damals die Einigung, und sie wurde darauffolgend in zwei Sitzungen in der Gruppe der Zehn in London im Juli und August vorigen Jahres vollendet. Amerika stimmte der von Europa geforderten Mehrheit. von 85 % bei der Aktivierung der Sonderziehungsrechte zu, d. h. bei einem Anteil des Europas der Sechs im Quotensystem des Weltwährungsfonds von 17 % stimmte damit Amerika der Sperrminorität der EWG-Länder für die Aktivierung der Sonderziehungsrechte zu. Frankreich seinerseits stimmte den Sonderziehungsrechten als Kreditfazilität zu, indem der Grundsatz der Rekonstitution der Ziehungsrechte auf 70% der Ausgangsbasis festgelegt wurde. Auf dieser Grundlage wurde dann der grolle Akkord von Rio auf der Weltwährungskonferenz im September gefunden. 106 Länder stimmten dem neuen System zu. Die Exekutivdirektoren wurden beauftragt, die entsprechenden neuen Statuten auszuarbeiten, damit sie den nationalen Parlamenten als Änderung des Vertrags von Bretton Woods zur Ratifizierung vorgelegt werden könnten. Zu diesem Zweck war die Währungskonferenz nun in Stockholm am 29. und 30. März einberufen, nämlich um offengebliebene Einzelfragen zum System der Sonderziehungsrechte im Rahmen der Zehn noch einmal zu diskutieren. Wie wir aber alle wissen, meine Damen und Herren, hatte sich die Welt inzwischen gründlich verändert. Seit den Ereignissen von Washington Mitte März, in der Mitte des Monats, in dem die Konferenz von Stockholm stattfand, ist unser Weltwährungssystem - seien wir ehrlich - nicht mehr das alte, es ist ein neues System, ein System des Übergangs. Die Sitzung in Stockholm - da hatte unser französischer Kollege recht - bestand nicht mehr darin, ein paar Papiere im Sinne eines Seminars zu vervollkommnen, obwohl das auch nötig war. Es war ganz selbstverständlich, daß die Debatten in Stockhohn eben nicht nur urn die Vervollkommnung der Sonderziehungsrechte gingen, die irgendwann im Jahre 1969 aktiviert werden würden, sondern daß man sich sehr ernst, sehr nachdrücklich mit der währungspolitischen Lage in der Welt von heute befaßte. Damit hatte die Stockholmer Konferenz vom letzten Wochenende eine weit über das Monetäre hinausgehende Bedeutung. Es ging eigentlich um den Bestand der westlichen Währungssolidarität, jener Währungssolidarität - das müssen wir auch sehen, meine Damen und Herren -, die fast ein Vierteljahrhundert seit 1945 eine beispiellose Ausweitung des Welthandels und die Prosperität in den führenden Welthandelsländern ermöglicht hat. Das muß man auch anerkennen. Wie gesagt, diese neue Währungsunruhe wurde durch das Anschwellen der Zahlungsbilanzdefizite in Amerika und England ausgelöst. Frankreich, das seit langem in der daraus resultierenden Schwäche des Dollars, der Schlüsselwährung von Bretton Woods, einen entscheidenden Konstruktionsmangel sieht, drängte deshalb auf eine Reform an Haupt und Gliedern. In dieser bedrohlichen Situation, die in Stockholm kulminierte, reichten monetäre Lösungen allein nicht mehr aus. Auf der Konferenz mußte zugleich auch eine politische Lösung gefunden werden. Ich sehe den politischen Erfolg der Konferenz von Stockholm darin, daß es gelungen ist, die Gruppe der Zehn als Kern der westlichen Währungsgemeinschaft allen düsteren Prognosen zum Trotz zusammenzuhalten. Meine Damen und Herren, Frankreich hat sich in dieser Hinsicht nicht abseits gestellt. In dem Teil des Kommuniqués der Konferenz, dem auch Frankreich zugestimmt hat, ist ausdrücklich gesagt, daß die Mitglieder des Zehner-Klubs, also auch Frankreich, zusammenarbeiten wollen, urn an einer Stabilisierung der Währungsverhältnisse mitzuwirken. Diese Ziffer 6 des Kommuniqués von Stockholm ist auf einen deutschen Vorschlag zurückzuführen, und diese Ziffer 6, die von den Zehn beschlossen ist, zeigt zugleich: Die zehn Länder - Regierungen und Notenbanken -sind ab sofort handlungsfähig, ab sofort his zu jenem Tage X, da im Jahre 1969 möglicherweise die Sonderziehungsrechte ins Leben treten werden. Es war in der Tat wichtig, eine Antwort auf die Frage zu finden: Was geschieht von heute an bis zu jenem Tage X im Jahre 1969 in der Weltwährungspolitik? Die Antwort ist mit der Ziffer 6 gefunden. Ein weiterer Erfolg ist, daß nunmehr die Voraussetzungen für die Schaffung der Sonderziehungsrechte selbst geklärt sind, wenn auch nur neun von den zehn Ländern diesem Punkte zugestimmt haben. Und es ist wichtig, daß die Vereinigten Staaten jene inhaltlichen Reformen des Weltwährungsfonds akzeptiert haben, die insgesamt alle zu einer Stärkung des europäischen, genauer des EWG-Einflusses im Fonds führen. Monetär besteht der Erfolg der Konferenz darin, daß mit den neuen Ziehungsrechten ein erster Schritt in eine neue Weltwährungsordnung getan wird, und zwar ein Schritt auf einem Wege der Evolution, nicht des abrupten Übergangs. Die bisherigen Reservemedien - Gold-, Dollar- und Pfundguthaben - bleiben erhalten, wenn sie auch auf die Dauer relativ zurücktreten werden durch das Hinzukommen der Sonderziehungsrechte und durch die Siebener-Beschlüsse von Washington vom 17. März. Hinzu kommen also als drittes elastisches und dynamisches Element die neuen Ziehungsrechte für den Fall, daß ein Mangel an Weltliquidität auftreten sollte. Und ich möchte hinzufügen: Mit den neuen Ziehungsrechten kommt zugleich ein rationales, von den Zufällen der Zahlungsbilanzdefizite und den Goldpreisschwankungen freies System der Reserveschaffung ins Spiel, und von ihm wird eines Tages eine disziplinierende Wirkung auf das Verhalten aller einzelnen Welthandelspartner ausgehen. Ziehen wir das Fazit dieser gesamten Aktivität, so können wir feststellen: Sicherlich haben wir in Stockholm nicht alles erreicht. Aber wir haben die europäischen Gesichtspunkte für das neue System der Sonderziehungsrechte stärker durchgesetzt, auch als Fünf - und gerade als Fünf! -, als je zuvor. Die Sonderziehungsrechte sind nun europäisierter denn je. Wir haben damit zugleich das Vertrauen der Weltöffentlichkeit in unser Währungssystem, das sich unzweifelhaft im Übergang befindet, nachhaltig gestärkt. Der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika hat auf unseren Wunsch, den wir in Stockholm seinem Finanzminister Henry Fowler eröffnet hatten, wie Sie alle wissen, sehr prompt reagiert. Hier wird oft übersehen, daß sich Präsident Johnson in seiner denkwürdigen Ansprache vom letzten Sonntag, dem 31. März, sehr nachdrücklich auch zu diesen Finanz- und Währungsfragen sowie den Steuerfragen geäußert hat. Er sagte wörtlich - und das war genau das Wort, das von Amerika erwartet wurde -: Ich habe bei vielen Gelegenheiten betont, daß ohne ein Steuergesetz oder ohne verminderte Ausgaben das Defizit des nächsten Jahres sich in Amerika wiederum auf etwa 20 Milliarden Dollar belaufen würde. Ich habe auch die Notwendigkeit unterstrichen, in unserer Ausgabenpolitik strenge Prioritäten zu setzen. Ich habe betont, daß, wenn wir nicht handeln und nicht sofort und entschieden handeln, sehr starke Zweifel überall in der Welt über die amerikanische Bereitschaft auftreten würden, finanziell das eigene Haus in Ordnung zu halten. Jedoch -- so fuhr der Präsident fort, meine Damen und Herren hat der Kongreß nicht gehandelt.

Not found (Mitglied des Präsidiums)

So stehen wir heute abend - Sonntag abend vor der schwersten finanziellen Bedrohung in der Nachkriegszeit, einer Bedrohung der Rolle des Dollars als der Grundlage des internationalen Handels und der Finanzen in der Welt.

Not found (Mitglied des Präsidiums)

In der letzten Woche haben die hauptsächlichen Industrieländer auf der Währungskonferenz in Stockholm beschlossen, einen großen Schritt in Richtung auf die Schaffung eines neuen internationalen Währungs- oder Reservemediums zu machen, das das internationale Währungssystem stärken wird. Aber damit dieses System funktioniert, müssen gerade die Vereinigten Staaten ihre Zahlungsbilanz ins Gleichgewicht oder nahezu ins Gleichgewicht bringen. Wir müssen eine verantwortungsvolle Finanzpolitik in unserem Lande treiben. Die Verabschiedung eines Steuergesetzes ist gegenwärtig zusammen mit einer Ausgabenkontrolle absolut notwendig. Diese Worte des amerikanischen Präsidenten waren nicht nur ein Ereignis, sondern auch ein Ergebnis der Verhandlungen von Stockholm, und sie hatten wiederum ein Ergebnis und ein Ereignis zur Folge; denn der US-Senat hat nun endlich gestern abend, nach etwa acht Monaten Beratung, mit 53 gegen 35 Stimmen für die 10 %ige Ergänzungsabgabe zur Einkommen- und Körperschaftsteuer gestimmt. ({0}) Wir sollten respektieren, daß dort nun die Stunde der Wahrheit gekommen ist und daß man aus den ernsten Worten des Präsidenten die Konsequenzen zieht. ({1}) Bei diesen harten Maßnahmen der Vereinigten Staaten von Amerika sollten wir aber auch daran denken, daß die neue Lage zugleich uns in Deutschland vor neue wirtschafts- und finanzpolitische Aufgaben im eigenen Hause stellen kann. Die Welt bleibt ja dadurch, daß z. B. in Amerika Nachfrage durch Mehrbesteuerung ausfällt, nicht so, wie sie bisher war. In ihrem Jahreswirtschaftsbericht von Ende Januar dieses Jahres hat die Bundesregierung unter Ziffer 33 in Abs. 2 folgendes gesagt - ich bin sehr erfreut darüber, daß Herr Kollege Westphal schon darauf hingewiesen hat -: Sollte die Wirtschafts- oder Währungspolitik in wichtigen Partnerländern zu wesentlichen Beeinträchtigungen der deutschen Ausfuhrentwicklung führen, sind zusätzliche kompensierende Maßnahmen zu erwägen. Das war Januar dieses Jahres. Ich glaube, dieser Satz ist deutlich genug. Er beweist, daß diese Bundesregierung im Bereich der Wirtschafts-, Währungs- und Finanzpolitik eine vorausschauende Politik betreibt, eine Politik, die Alternativen ins Auge faßt, die vielleicht im Januar noch nicht für jeden auf der Hand lagen, ({2}) und genau in diesem Sinne werden wir unsere Politik fortsetzen, mit denselben guten Resultaten, die Sie hei der FDP vielleicht noch nicht alle erkannt haben ({3}) eine Politik der Stetigkeit und des angemessenen Wachstums. Das Wort „Wachstumspsychose", das gestern so am Rande und wohl im Grunde freundschaftlich fiel, ist dabei allerdings völlig unangebracht. Im Gegenteil, mit unserer maßvollen Zielprojektion für eine Zuwachsrate des Bruttosozialprodukts von 4 °/o real im Jahre 1968 haben wir uns jeder extremen Lösung ferngehalten; ja, wir haben im Gegensatz zu manch anderen Stellen draußen externe, d. h. ausländische Ereignisse einkalkuliert, wie die soeben zitierte Ziffer 33 Abs. 2 des JahresBundesminister Dr. Schiller Wirtschaftsberichts beweist. Diesen unseren Weg einer Politik des guten Gläubigers und einer Politik der Expansion und der Stabilität werden wir fortsetzen. Es ist doch so, daß Deutschland in diesen 16 Monaten im internationalen Bereich ein Hort der Stabilität geworden ist. Das können Sie doch nicht abstreiten. ({4}) Und die Bundesrepublik wird das auch bleiben. Die Stabilität werden wir aufrechterhalten. Aber wir müssen zugleich eine industrielle Expansion erreichen, die unserem internationalen Beitrag zur Wiederherstellung der Zahlungsbilanzgleichgewichte und unserer Verpflichtung dazu entspricht. Nur damit erreichen wir auch das zweite und doch wohl wesentliche Ziel unserer gemeinsamen Politik: daß Deutschland seine Position als eine führende Industrienation in der Welt festigt. Beide Ziele sind konform. Der Produktivitätsfortschritt wurde gestern mehrfach erwähnt. Meine Damen und Herren, seit dem Einbruch der Rezession ist der Produktivitätsfortschritt in der deutschen Industrie im letzten Jahr unentwegt angestiegen, bis auf 11,5 % - viertes Quartal im Vergleich zum Vorjahresstand. Übrigens hat dieser Produktivitätsfortschritt die Lohnzuwachsrate im Jahre 1967 weit überschritten. Das muß man auch einmal festhalten, was das Maß der Lohnpolitik des Jahres 1967 betrifft. Diese Steigerung der technischen und der wirtschaftlichen Produktivität wollen wir auch fortsetzen.

Erwin Schoettle (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002061

Herr Minister, gestatten Sie eine Frage? ({0}) Bitte, Herr Abgeordneter Scheel!

Walter Scheel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001949, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Minister, sind Sie mit mir darüber einig, daß zwischen der Rezession - die keine zufällige war - und dem Produktivitätsfortschritt ein gewisser Zusammenhang besteht?

Dr. Karl Schiller (Minister:in)

Politiker ID: 11001968

Und zwar ein negativer! Eindeutig! In der eigentlichen Rezession ist der Produktivitätsfortschritt zurückgegangen. In dem Moment, wo wir die Rezession aufgefangen haben, ist der Produktivitätsfortschritt wieder größer geworden.

Walter Scheel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001949, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Würden Sie mir nicht darin zustimmen, daß die Folge einer Rezession ein Produktivitätsfortschritt ist?

Dr. Karl Schiller (Minister:in)

Politiker ID: 11001968

Nein, da stimme ich Ihnen in keiner Weise zu. ({0}) Eine Rezession für sich ist ein Verlust an Produktivität: Der Weg aus der Rezession ergibt einen Produktivitätsfortschritt im Vergleich zur Lage in der Rezession.

Walter Scheel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001949, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Darf ich vielleicht feststellen, ob Sie sich nicht versprochen haben. Ein Verlust an Produktion? Oder sagten Sie, ein Verlust an Produktivität?

Dr. Karl Schiller (Minister:in)

Politiker ID: 11001968

Auch an Produktivität! Denn nur im Aufschwung und nur in einer angemessenen Expansion - darauf komme ich gleich werden die Investitionen möglich, die den technischen Fortschritt tragen, Herr Scheel. ({0}) - Das ist das Gegenteil von Rezession, was ich jetzt beschrieben habe. - Herr Staratzke, Sie sind doch ein Expansionist. Sie werden mir doch auch dabei helfen.

Dr. Hans Werner Staratzke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002216, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Bundesminister, um diese Frage hier abzuschließen: Würden Sie mir zustimmen, wenn ich meine, daß Rezession und Produktivitätsfortschritt nicht unbedingt voneinander abhängig sind, sondern durchaus Produktivitätsfortschritt in einer Rezession betrieben werden kann? Denn wir müssen ja nicht nur an die Investitionsaufwendungen denken, sondern auch an andere Dinge, die den Produktivitätsfortschritt fördern.

Dr. Karl Schiller (Minister:in)

Politiker ID: 11001968

Welche anderen Dinge meinen Sie?

Dr. Hans Werner Staratzke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002216, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Die Arbeit zum Beispiel.

Dr. Karl Schiller (Minister:in)

Politiker ID: 11001968

Damit kommt genau der Punkt! Was nützt in einer Rezession die sogenannte gestiegene Arbeitsmoral, lieber Herr Kollege Staratzke, wenn die Unternehmermoral - nicht im Sinne von Ethik, sondern im Sinne von Dispositionsfreudigkeit in cien Keller geht? Dann geht nämlich auch die Produktivität zuschanden. Und das ist die Lage in der Rezession. ({0})

Erwin Schoettle (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002061

Wollen Sie noch eine Frage gestatten, Herr Minister?

Dr. Hans Werner Staratzke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002216, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Minister, würden Sie mir zustimmen, daß Sie jetzt einen Fall herausgegriffen haben, der, ich möchte mal sagen, etwas in die Einseitigkeit und Polemik hineingeht?

Dr. Karl Schiller (Minister:in)

Politiker ID: 11001968

Nein!

Dr. Hans Werner Staratzke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002216, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Wir wollten hier in der kleinen Debatte, die entstanden ist, nichts weiter als feststellen, daß ein Kausalzusammenhang zwischen Rezession und Produktivität nicht unbedingt sein muß, sondern daß auch in der Rezession ein Produktivitätsfortschritt generell möglich ist, oder vielleicht gerade in einigen Branchen möglich ist.

Dr. Karl Schiller (Minister:in)

Politiker ID: 11001968

Ich glaube, Herr Staratzke, es war sehr schwer, bei dieser Ihrer Auslassung ein Fragezeichen anzubringen. Aber ich nehme das so entgegen und sage Ihnen noch einmal: ich habe, glaube ich, meine Auffassung von dem Zusammenhang zwischen Produktivitätsfortschritt und Rezession eindeutig geschildert. In der Rezession tritt eben das ein, was wir alle nicht wollen, nämlich: der technische Fortschritt erlahmt, durch die verbesserten Unternehmerdispositionen im Aufschwung wird er gefördert. Das ist das Entscheidende. Aber, Herr Staratzke, das ganze war doch der Schnee vorn vergangenen Winter, und ich finde, wir sollten das lassen. Sie neigen zwar immer ein bißchen dazu, diese Geschehnisse der Jahre 1966/67 nachträglich hier bewältigen zu wollen; ({0}) aber lassen wir das doch. ({1}) - Ja, eben mit der neuen Regierung und der neuen Politik! ({2}) Ich glaube, wir sind alle einig, daß wir nur durch steigende Investitionen dafür sorgen können, daß technische Neuerungen und Erfindungen aus den Labors und den Entwicklungsabteilungen immer stärker in die Produktionsstätten hinübergehen. Eine expansive Wirtschaftspolitik, die dies fördert, ist nach meiner Ansicht ich komme damit zum Schluß - das beste Mittel, um die Stabilität der deutschen Wirtschaft, um zugleich aber auch die Stabilität der deutschen Währung zu sichern in einer gefährdeten, und ich füge hinzu: auch einer gefährlichen Umwelt, in der wir heute leben. ({3})

Erwin Schoettle (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002061

Da der Herr Minister angekündigt hat, daß er zum Schluß komme, habe ich ihn im Interesse des Fortganges unserer Geschäfte nicht unterbrochen, um noch eine Frage zuzulassen. Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Friderichs.

Dr. Hans Friderichs (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000586, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Verehrte Damen! Meine Herren! Der Herr Bundeswirtschaftsminister hat die Debatte aus den Niederungen der Kohle in die Höhenlage einer neuen Politik geführt, und ich glaube, hei seinem eigenen Haushalt sollten wir ihm dafür dankbar sein. Herr Minister Schiller, Sie haben die Ausführungen des Kollegen Scheel vom gestrigen Tage unterstrichen, als er sich mit der Frage: neue oder alte Politik auseinandergesetzt hat. In der Tat ist zu verspüren - und dafür habe ich Verständnis --, daß die Sozialdemokraten ein großes Interesse daran haben, ihre Mitwirkung an einer Regierung transparent zu machen. Ich glaube, wir können übereinstimmend feststellen, daß es dem Herrn Bundeswirtschaftsminister gelungen ist, mit seinem Programm einer aufgeklärten Marktwirtschaft diese sozialdemokratischen Intentionen an der Meinungsbörse überdurchschnittlich zur Geltung zu bringen. Ich könnte mir vorstellen, daß sich, wenn wir so fortfahren, ausgezeichnete Slogans auch für die Bundestagswahl anbieten könnten: „SPD 69 die neueste SPD, die es je gab", ({0}) sollte die Koalition dann noch bestehen, mit dem Zusatz: „aber mit alter Waschkraft", damit auch die CDU einen Teil abkriegt. ({1}) Meine Damen und Herren von der CDU-Fraktion, Sie sind in eine etwas schwierige Lage geraten, weil Sie offensichtlich den richtigen Widerpart im wirtschaftspolitischen Konzert noch nicht recht gefunden haben. Wir stellen fest, daß die frühere Wahlkampf-Dampflokomotive ja nun ins Museum gewandert ist - oder ab und zu auf Auslandsreisen geht -, und es ist zweifellos gelungen, den Fortschritt zu symbolisieren durch eine neue, ohne Zweifel zugkräftige Elektrolok mit gewissen stromlinienförmigen Eigenschaften. Aber das reicht natürlich nicht aus, um Ihren Part auch deutlich zu machen. Daher müssen wir uns von der Opposition mit dem Herrn Bundeswirtschaftsminister und seiner neuen Politik auseinandersetzen, vielleicht stellvertretend für den einen oder anderen in diesem Hause, der zwar unserer Meinung ist, aber aus Disziplin oder Loyalität, oder wie man das nennt, das nicht so recht darf. Neue Wirtschaftspolitik bedeutet ja noch nicht richtige Wirtschaftspolitik. Insofern darf man wohl auch beim Haushalt dieses Herrn Bundeswirtschaftsministers einige Fragen stellen. Es sind nämlich Tendenzen da, die Zweifel rechtfertigen. Es sind Maßnahmen getroffen worden, die die Gegnerschaft heraufbeschwören müssen. Die Wirtschaftspolitik der sogenannten zahlenmäßig großen Koalition ist bisher ausschließlich auf die Überwindung der Stagnation ausgerichtet. Ich habe manchmal den Eindruck, daß an der Meinungsbörse dem Wunderglauben an das Wirtschaftswunder der 50er Jahre der Glaube an das „kalkulierte Wachstum nach Maß" jetzt folgen muß. Die Bundesregierung hat verständlicherweise die Bemühung, den Eindruck zu erwecken, sie habe ihre wirtschaftspolitischen Ziele klar und deutlich erkannt und sie verfüge durch ein geschaffenes Gesetz über die Mittel, die Ziele zu erreichen. Herr Bundeswirtschaftsminister, es gibt eine Reihe von Fakten und Maßnahmen, die es gerechtfertigt erscheinen lassen, die Frage anzuschneiden: Wiegen wir nicht die am Wirtschaftsprozeß Beteiligten in einer Scheinsicherheit? Sind wirklich Regierung und Instrumente echten Belastungen gewachsen? Denn bei der Frage, ob wir erst seit 16 Monaten die stabilste Währung und die stabilste Wirtschaft in dem Konzert haben, läßt sich zweifellos auch einmal die Frage aufwerfen, ob es nicht auch früher schon einmal Phasen eine deutschen Politik gab, in denen sich unsere Wirtschaftsordnung und unsere Finanzsituation durch beachtliche Stabilität auszeichneten. Wenn ich mich recht entsinne, gab es früher sogar schon einmal eine Aufwertung, um dem gerecht zu werden. Die Bundesregierung hat in ihrer Regierungserklärung die monetäre und die fiskalische Globalsteuerung und die Verbesserung des marktwirtDr. Friderichs schaftlichen Wettbewerbs als Hauptaufgaben für sich selbst bezeichnet. Ich glaube nicht zu weit zu gehen mit der Feststellung, daß bisher die Bundesregierung der Globalsteuerung eindeutigen Vorrang eingeräumt hat und die zweite sich selbst gestellte Hauptaufgabe, die ich betonen möchte, leider vernachlässigt hat. Ich bin. der Meinung, daß die Bundesregierung bei Amtsantritt die wirtschaftliche Situation zutreffend analysiert hat. Das sollten wir auch als Opposition hier attestieren; denn nur das ist die Legitimation, auch Kritik anzubringen, wo sie angebracht werden muß. Die politischen Konsequenzen aus der zutreffenden Analyse sind allerdings unzureichend, teilweise widersprüchlich und zum Teil verfehlt gezogen worden. ({2}) Ich habe auch den Eindruck, daß die Instrumente der Globalsteuerung in Bedeutung und Wirksamkeit mitunter nicht ganz richtig eingeschätzt worden sind. Zu keinem Zeitpunkt hat diese Bundesregierung eine in sich geschlossene konjunkturpolitische Aktion gestartet. Ich betone: zu keinem Zeitpunkt. Erstens. Die Maßnahmen zur Konjunkturbelebung in zwei Investitionshaushalten waren nicht mit einer entschlossenen Bereinigung des Bundeshaushalts verknüpft. Durch das Erfordernis, aus konjunkturellen Gründen die volkswirtschaftliche Gesamtnachfrage zu erhöhen, ist die Haushaltssanierung nicht unnötig oder gar unmöglich geworden. Die Konjunkturlage war für diese Bundesregierung Vorwand, Sparentscheidungen im Bundeshaushalt auszuweichen. Im Interesse antizyklischer Fiskalpolitik kommt es beim Bundeshaushalt auf seine expansive Wirkung auf die Volkswirtschaft an. Insoweit stimmen wir den Bemühungen des Herrn Bundeswirtschaftsministers, einen Haushalt aufzubauen, der diese Wirkung produziert, vollinhaltlich zu. Aber, Herr Bundesminister, das enthebt einen doch nicht des Zwanges, den Haushalt auf seine Struktur hin zu überprüfen. Denn eine Strukturüberprüfung hätte dieses wirtschafts- und konjunkturpolitische Ziel überhaupt nicht gefährdet. Für die Frage der Konjunkturpolitik kommt es nämlich nur darauf an, daß die Ausgaben höher als die Haushaltseinnahmen sind, d. h. auf die konjunkturelle Ausstoßwirkung per Saldo, nicht hingegen auf das Gesamtvolumen des Haushalts, also die absolute Höhe der Ausgaben. Im Gegenteil, wenn es gelungen wäre, unter dem Diktat der leeren Kassen die Gesamtausgaben zu senken, diese konjunkturausstoßende Wirkung gleichwohl zu erzielen, aber durch die Gesamtsenkung mehr Mittel in Privathand, um gleichzeitig Investitionen zu tätigen, zu erhalten, dann wäre es eine konzertierte konjunkturpolitische Aktion gewesen. Das war offensichtlich nicht möglich, nicht weil dem Bundeswirtschaftsminister die Einsicht fehlte, sondern - er hat es genauso gesehen und häufig genug genauso gesagt - weil dieser Regierung die Kraft fehlte, diese Entscheidungen im Widerspruch der Meinungen zwischen Plisch und Plum zu treffen. ({3}) Ich glaube, daß die Auseinandersetzungen um Bestandteile des Haushalts zwischen dem Herrn Bundesfinanzminister und dem Herrn Bundeswirtschaftsminister der Beweis für die Richtigkeit dieser These sind. Es ist doch wohl keine Frage, daß eine grundsätzliche Umstrukturierung dieses Bundeshaushalts nur unter dem Diktat der leeren Kassen möglich ist, niemals in Zeiten der von uns allen wieder angestrebten Hochkonjunktur. Dann wird es eben nicht möglich sein, die Reformen durchzuführen, ganz einfach aus politischen Gründen. Wir sollten uns das doch hier nicht vorerzählen. Wir wissen doch selbst, wie die Begehrlichkeit in demselben Augenblick wächst und welchen Gefahren dieses Parlament und vor allen Dingen die jeweilige Regierung dabei unterliegen.

Erwin Schoettle (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002061

Gestatten Sie eine Frage des Herrn Abgeordneten Dichgans?

Dr. Hans Friderichs (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000586, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Bitte!

Dr. Hans Dichgans (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000380, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Dr. Friderichs, könnten Sie uns, da wir gerade bei der Haushaltsdebatte sind, vielleicht etwas konkreter sagen, welche Ausgaben Sie zur Streichung vorschlagen, um Ihr Sparziel zu erfüllen?

Dr. Hans Friderichs (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000586, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ich hatte die Absicht, Herr Kollege Dichgans, das in einer gewissen Ordnung vorzutragen. Dort, wo ich zu den Maßnahmen der Strukturpolitik komme, wollte ich dazu etwas sagen. ({0}) - So ist es. Zweitens. Die konjunkturbelebenden Maßnahmen des Bundeswirtschaftsministers wurden durch gleichzeitige konjunkturdämpfende Entscheidungen beeinträchtigt. Ich nenne Stichworte: Branntwein-, Schaumwein-, Tabaksteuer; Mineralölsteuer, Mehrwertsteuer, Ergänzungsabgabe; allgemeine Versicherungspflicht, Investitionssteuer. ({1}) - Es ist keine Frage, Herr Kollege Möller, wenn ich eine bewußte Wachstumspolitik betreibe, daß ich durch die gleichzeitige Einführung einer Ergänzungsabgabe, die die Investierenden trifft, unter gleichzeitiger Erhöhung der Mehrwertsteuer, die die Verbraucher trifft, nicht unbedingt konjunkturfördernde Maßnahmen betreibe. ({2})

Erwin Schoettle (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002061

Eine Zwischenfrage, Herr Abgeordneter Ott.

Anton Ott (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001664, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege, sind Sie mit mir der Meinung, daß die Investitionssteuer keine Verteuerung gegenüber dem bisherigen Zustand bedeutet?

Dr. Hans Friderichs (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000586, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Kollege Ott, das ist doch nicht eine Frage der Verteuerung. Die Frage der Investitionssteuer betrifft die Frage, ob die Unternehmer durch diese Steuer angereizt werden, zu investieren, oder ob, um mit dem Herrn Bundeswirtschaftsminister zu sprechen, ihre Moral - nicht ethisch gemeint - sich so auswirkt, daß sie nicht investieren. Es ist doch keine Frage der Preiserhöhung oder der Preisstabilität, sondern es ist eine Frage der Wachstumspolitik oder der Widersprüchlichkeit der Politik dieser Regierung bei der Wachstumspolitik. ({0}) Niemand anders also als die Bundesregierung selbst erhöht Wachstum mittels Krediten und schmälert Wachstum mittels wachstumshemmender Entscheidungen. ({1}) Das wollte ich charakterisieren. Der Werkzeugkasten - um den Herrn Bundeswirtschaftsminister zu zitieren - des Stabilitätsgesetzes hilft eben wenig, wenn die jeweilige Regierung nicht in der Lage ist - wahrscheinlich aus Gründen der Mehrheitsverhältnisse , sich der Werkzeuge zu bedienen. Die Belebung der privaten Nachfrage, die Anregung der privaten Investitionstätigkeit, Herr Kollege Ott, das wäre das Gebot der Stunde, um die initialzündende Wirkung der öffentlichen Mittel nunmehr auf den privaten Bereich übergreifen zu lassen, aber nicht gleichzeitig Erhöhungen und Belastungen derjenigen, die investieren sollen, zu schaffen durch - ich wiederhole es noch einmal - Steuererhöhungen auf dem Gebiet der Verbrauchsteuern und Steuererhöhungen auf dem Gebiet der Investitionen. Drittens. Die Maßnahmen zur Konjunkturbelebung sind sehr einseitig gekennzeichnet durch eine recht hohe Verschuldung, nicht bemessen am Bruttosozialprodukt, Herr Bundeswirtschaftsminister, sondern gemessen am Tempo und gemessen an den Aussichten der mittelfristigen Finanzplanung. Herr Kollege Scheel hat dazu gestern ja einiges gesagt. Ich betone ausdrücklich, Herr Bundeswirtschaftsminister, daß wir einer soliden und straffen Haushaltspolitik in Bund, Ländern und Gemeinden zustimmen und sie als Basis für eine gefahrloses deficit spending anerkennen. Dann sagen wir ja zum deficit spending; aber deficit spending auf der Basis einer nicht soliden Haushaltspolitik in Bund, Ländern und Gemeinden beinhaltet Gefahr. Sie können also nicht ausweichen, indem Sie die Höhe in Vergleiche zum Sozialprodukt setzen. Die Form der Konjunkturbelebung durch kurzfristige Geldmarktmittel ist in sich gefährlich, und die nach Ihnen kommende Bundesregierung wird es 1970 mit Sicherheit merken, wenn sie gezwungen sein wird, die Haushalte auszugleichen. ({2}) Herr Professor Burgbacher möchte etwas fragen.

Dr. Fritz Burgbacher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000308, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Friderichs, welche der notwendigen Ausgleichsmaßnahmen hätten Sie an Stelle einer maßvollen Verschuldung ergriffen? ({0}) - Daß sie maßvoll ist, hat er ja nicht bestritten.

Dr. Hans Friderichs (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000586, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Daß die Verschuldung maßvoll ist, habe ich nicht bestritten, nein. ({0}) - Ich habe die Form dieser Verschuldung qualitativ für nicht gut gehalten.

Dr. Fritz Burgbacher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000308, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Deshalb meine Frage. Wie hätten Sie denn statt durch Verschuldung die Deckungslücken überbrückt?

Dr. Hans Friderichs (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000586, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Beispielsweise durch die Streichung nicht produktiver Subventionen für überholte Strukturen, Herr Professor Burgbacher. ({0})

Dr. Fritz Burgbacher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000308, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Dieser Slogan ist des Hause wohlbekannt. Würden Sie so freundlich sein, dem Hause diese Subventionen zu nennen, die Sie meinen.

Dr. Hans Friderichs (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000586, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ich komme gleich zur Kohlepolitik; da kann ich Ihnen welche nennen. ({0}) Der Kapitalmarkt, meine Damen und Herren, ist ein Seismograph für die Qualität der Politik. Hohe Zinssätze, übermäßige Anforderungen der öffentlichen Hand, Bevorzugung der öffentlichen Hand durch steuerliche und sonstige Vorteile lassen ein gleichgewichtiges Wachstum nach Maß zur Zeit nicht zu. Vom Kapitalmarkt her sind somit keine ausreichenden Voraussetzungen - ich hoffe, Herr Professor Burgbacher, darin stimmen Sie mir wenigstens zu - für ein stetiges und angemessenes Wachstum gegeben. Viertens. Bewußte Wachstumspolitik der Bundesregierung ist nach meiner Meinung ein selbstverständliches Ziel und eine selbstverständliche Aufgabe jeder Wirtschaftspolitik in einem sozial verantwortlichen Industriestaat. Aber ein gleichwertiges und gleichrangiges Petitum muß und wird bleiben ein Höchstmaß an Stabilität, wenn auf die Dauer sozialer Friede und soziale Gerechtigkeit erreicht werden sollen. Herr Bundeswirtschaftsminister, es geht uns nicht um das Ob der Wachstumspolitik, sondern es geht um das Wie der Wachstumspolitik, und hier allerdings sind Zweifel angebracht. Hier liegen die Schwächen der Politik dieser Regierung, also nicht in der Zielrichtung, sondern in der kraftlosen Form der Durchsetzung. ({1}) Ein Bedenken noch zu der ehrgeizigen Planung von Wachstumsraten. Ich habe den Eindruck, die Regierung ist ein bißchen zu ehrgeizig in der Planung von Wachstumsraten. Sie läuft Gefahr, GeDr. Friderichs fangene ihrer eigenen Planung zu werden; denn wir wissen selbst, wie schwierig es ist, später zu sagen: Die Planung wurde nicht erreicht. Es besteht also die Gefahr, daß dann, wenn aus Gründen, die gar nicht in der Haushaltspolitik, sondern in ganz anderen Faktoren liegen, Ziele nicht erreicht werden, die jeweilige Regierung mit zusätzlichen und nicht vertretbaren Maßnahmen sich selbst legitimieren will, weil sie ihre eigenen Wachstumsvorgaben mit Zwang oder auch mit unseriöser Politik zu erreichen sucht. ({2}) Ich glaube, daß niemand klarer als Herr Professor Watrin ausgesprochen hat, zu welchem Problem das führt. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn ich ihn kurz zitieren dürfte: Eine Regierung kann durchaus in die Lage geraten, an einmal proklamierten Zielen festhalten zu müssen, selbst wenn diese unter den ursprünglichen Voraussetzungen nicht mehr realisierbar sind. Sie steht dann vor der Alternative, entweder trotz der Hindernisse mit allen verfügbaren Mitteln, auch wenn die Alternativkosten unangemessen hoch sind, doch an ihren ursprünglichen Zielen festzuhalten, und setzt sich damit der Gefahr eines Mißerfolges aus. Oder aber sie ändert ihre Zielprojektionen und geht politische Risiken ein. Die Flexibilität des konjunkturpolitischen Handelns, die Möglichkeit, sich ohne große politische Rückzugsgefechte an neue Situationen anzupassen und auf sie zu reagieren, wird daher durch die Globalsteuerung eher eingeschränkt als gefördert. Das sind die Probleme, die in der Zukunft auf diese Regierung zukommen, nämlich entweder politische Rückzugsgefechte antreten zu müssen oder aber mit Zwangsmitteln an der eigenen Vorausschätzung festzuhalten. Der Bundesregierung wird nachgesagt - rühmlich nachgesagt -, sie habe die Zahl

Erwin Schoettle (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002061

Gestatten sie eine Zwischenfrage von Herrn Abgeordneten Ravens?

Dr. Hans Friderichs (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000586, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Bitte sehr!

Erwin Schoettle (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002061

Herr Abgeordneter Ravens.

Karl Ravens (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001785, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Dr. Friderichs, können Sie sich auch eine dritte Alternative vorstellen, nämlich die der realen Vorausschätzung der Möglichkeiten? ({0})

Dr. Hans Friderichs (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000586, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Erfahrungsgemäß sind die Vorausschätzungen im allgemeinen im Trend richtig, aber bisher nie richtig gewesen, wenn es sich um quantifizierte Vorausschätzungen gehandelt hat.

Erwin Schoettle (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002061

Herr Abgeordneter, gestatten Sie noch eine Frage?

Dr. Hans Friderichs (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000586, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ja.

Erwin Schoettle (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002061

Herr Abgeordneter Dorn.

Wolfram Dorn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000409, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Kollege Friderichs, könnten Sie sich eine andere dritte Lösung vorstellen: daß noch einige der bereits angekündigten Rücktrittsabsichten realisiert werden?

Dr. Hans Friderichs (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000586, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Kollege Dorn, mir wäre das nicht angenehm. Mir war es schon beim letzten nicht angenehm. Ich hätte die Mannschaft gern bis 1969 zusammen. Wir haben uns eingeschossen. Das ist dann sehr viel einfacher. ({0}) - Ja, Herr Kollege, auf diesen Zwischenruf möchte ich eigentlich eingehen. Ich muß Ihnen ganz offen sagen -- ({1}) - Der Herr Kollege hat gesagt: mit Platzpatronen. Dann verstehe ich wirklich nicht, warum Herr Lücke gegangen ist. Wenn da Platzpatronen schon ausreichen! ({2}) So hatte ich ihn nicht eingeschätzt. Aber Sie kennen ihn besser.

Erwin Schoettle (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002061

Gestatten Sie eine Frage?

Dr. Hans Friderichs (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000586, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Bitte, Herr Minister Schiller.

Dr. Karl Schiller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001968, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Friderichs, Sie stimmen doch wohl mit mir überein, daß es besser ist, Realitäten zu diskutieren als mögliche Alternativen in der Zukunft?

Dr. Hans Friderichs (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000586, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Insoweit stimme ich mit Ihnen überein, auch bezüglich der Ausführungen von Herrn Scheel von gestern - wenn ich darauf zurückkommen darf -, der nämlich bei der Frage der Konjunkturpolitik und der Talsohle nicht bestritten hat, was Sie heute morgen gesagt haben, nämlich Auftragseingänge. Er hat vielmehr die realen Produktionszahlen genannt, und die haben seine gestrigen Ausführungen gerechtfertigt.

Dr. Karl Schiller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001968, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Friderichs, ist Ihnen bekannt, daß wir zu Beginn vorigen Jahres eine Zielprojektion für das Jahr 1967 gemacht haben, die höher lag als der Ablauf im Jahre 1967? Ist Ihnen das bekannt?

Dr. Hans Friderichs (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000586, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Das ist mir bekannt.

Dr. Karl Schiller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001968, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ist Ihnen irgendeine Maßnahme dieser Bundesregierung bekannt, mit der wir versucht hätten, à tout prix, auch auf Kosten ,des Gleichgewichts, diese zu hoch einkalkulierte Zielvorstellung zu erreichen?

Dr. Hans Friderichs (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000586, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Jawohl, Form und Methode der Abwicklung des zweiten Eventualhaushalts. ({0}) Es ist Ihnen wohl bekannt, Herr Professor Schiller - das ist eine Frage, die nicht mehr ,unmittelbar in Ihren Bereich fällt -, daß die Umsetzung an der Basis, die Auftragsvergabe weiß Gott in sehr vielen Fällen nach Methoden gemacht worden ist, die nicht zu rechtfertigen sind. ({1})

Dr. Karl Schiller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001968, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Aber, Herr Friderichs - - Darf ich noch eine Frage stellen, Herr Präsident?

Erwin Schoettle (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002061

Das hängt von dem Herrn Abgeordneten ab.

Dr. Hans Friderichs (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000586, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Bitte, selbstverständlich.

Erwin Schoettle (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002061

Zu einer Zwischenfrage Herr Abgeordneter Gewandt.

Heinrich Gewandt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000675, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Friderichs, würden Sie Ihre Kritik bezüglich des zweiten Eventualhaushalts etwas konkreter definieren? Sie haben dieses Thema sehr global hier abgehandelt.

Dr. Hans Friderichs (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000586, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Wenn ich auch von Globalsteuerung rede, bin ich gleichwohl immer bereit, konkret zu werden. Ich meine, daß die Vergabe von Aufträgen aus dem zweiten Eventualhaushalt nicht in ausreichendem Maße in Strukturen gegangen ist - ich meine jetzt, sektoral -, von denen 'starke, auf die Dauer sichtbare strukturelle Verbesserungen ausgegangen wären, ({0}) und daß auch die regionale Verteilung nicht unseren Vorstellungen entsprochen hat. ({1})

Erwin Schoettle (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002061

Würden Sie jetzt dem Herrn Abgeordneten Schiller eine Frage gestatten?

Dr. Hans Friderichs (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000586, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Bitte sehr.

Dr. Karl Schiller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001968, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Friderichs, ist Ihnen bekannt, was dazu geführt hat, daß trotz allen Fehlern, die diese Bundesregierung nach Ihrer Meinung gemacht hat, im Laufe des Jahres 1967 die Stabilität unseres Preisniveaus immer besser geworden ist und wir im Dezember sogar eine Preissteigerungsrate von 0,4 °/o erreicht haben?

Dr. Hans Friderichs (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000586, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Professor Schiller, ohne daß ich selbst Professor der Nationalökonomie wäre, hoffe und glaube ich, daß mir bekannt ist, worauf das beruht. ({0}) - Entschuldigen Sie bitte. Ich bin gefragt worden, ob mir das bekannt sei. Diese Frage habe ich bejaht. Der Bundesregierung ist nach unserer Meinung vorzuwerfen, daß sie bei ihrer Wachstumspolitik Probleme des Wachstums auf lange Sicht nicht genügend berücksichtigt hat, und zwar in erster Linie im Rahmen der Strukturpolitik. Hier hat sie bisher nicht den Mut gehabt, wachstumshemmende Bastionen bewußt anzupacken, aufzuknacken und notfalls zu zerstören. ({1}) - Ja, das kommt auch. Die Bilanz der Großen Koalition, Herr Kollege Schmitt-Vockenhausen, entspricht insoweit durchaus meinen Erwartungen, weil sie selbst - die Große Koalition - ein Erzeugnis überholter Markt- und Machtstrukturen ist. Insofern wundert auch das Ergebnis nicht. Jede durchgreifende Reform - ({2}) - Kommt sofort, ein bißchen Geduld, Herr Schmitt-Vockenhausen! Jede wirklich durchgreifende Reform würde diesem Regierungsbündnis das eine oder andere Standbein wegschlagen. Beispiel: die Finanzreform, die Gemeindefinanzreform, die Energiepolitik, Herr Kollege Schmitt-Vockenhausen, zu der ich jetzt einiges sagen möchte. ({3}) Die Energiepolitik hat sich eben nicht dadurch ausgezeichnet, - ({4}) Auf dem Gebiete der Energiepolitik, über die wir heute in der verbundenen Debatte etwas sagen sollten, hat die Bundesregierung es bisher nicht fertiggebracht, die Weichen eindeutig auf Wachstum zu stellen. Ich beziehe mich insoweit auf meine wiederholten Ausführungen in diesem Hohen Hause. Ich habe vermißt, Herr Professor Schiller, daß Sie eine eigene energiepolitische Konzeption in einer bestimmten Phase durchgesetzt hätten. Vielmehr haben Sie auf die, wie ich meine, unheilige Allianz der Arbeitgeber- und Arbeitnehmerorganisationen in diesem betreffenden Wirtschaftszweig gewartet. Die Summe der Gruppenegoismen in diesem Bereich kann man, glaube ich, gefahrlos als ein Kartell gegen den Fortschritt bezeichnen. Sie haben es bei der Energiepolitik nicht vermocht, eine Konzeption anzubieten, die die Lösung vom Markt her sucht, wie der vorliegende Entwurf des Kohleanpassungsgesetzes beweist. Was soll der Kohlebeauftragte - um hierzu konkret etwas zu sagen - mit der Aufgabe, die ihm gestellt wird, die optimale Unternehmensgröße zu bestimmen, wenn der Marktwirtschaftler Schiller weiß, daß niemand besser als der Markt selbst die optimale Unternehmensgröße bestimmt, sicher nicht ein Mensch, der die Betriebszahlen kennen soll, sie den Mitwettbewerbern nicht weitergeben soll, die optimale Unternehmensgröße erreichen soll, gleichzeitig aber die Regionalpolitik, die Strukturpolitik und die Konjunkturpolitik in dem betreffenden Gebiet berücksichtigen soll? Er ist nicht in der Lage, unter diesen gegebenen Voraussetzungen die optimale Unternehmensgröße zu fixieren. Überhaupt hat die Vergangenheit bewiesen, daß das eben mit administrativen Mitteln nicht möglich ist, sondern nur vom Markt her. Die Chance, in der Energiepolitik den Durchbruch nach vorn zu einer Wettbewerbspolitik auch in diesem Bereich zu finden, ist vertan worden. Die Unternehmenskonzentration allein? Heute war ja erfreulicherweise nur noch sehr wenig von Ihrer damaligen Rede zu spüren, in der, ohne daß er genannt wurde, der Rheinstahl-Plan eine überwiegende Rolle gespielt hat, was wir als eine späte, aber nicht zu späte Einsicht anerkennen. Ich bedauere, Herr Professor Schiller, daß Sie nicht mehr zu der zweiten Hauptaufgabe Ihres Ressorts gesagt haben, daß in der Regierungserklärung sehr hart angesprochen worden war, nämlich zur Wettbewerbspolitik. Auch heute morgen haben Sie leider nicht gesagt, welche Wettbewerbspolitik Sie in Deutschland auf die Dauer treiben wollen. Es gab einmal eine Phase, in der das ausgeweitete Oligopol in einigen Ihrer Reden anklang. Seit etwa einem Jahr hört man davon nichts mehr. Wir - und die deutschen Unternehmer auch - hätten gern, um Klarheit zu haben gewußt, wohin diese Wettbewerbspolitik geht. Sie wollen mit Investitionsprämien im Ruhrgebiet Betriebe ansiedeln - ein löbliches Ziel. Darf ich Sie fragen, Herr Professor Schiller, und wären Sie bereit, uns darauf konkrete Antworten zu geben: Welche Maßnahmen hat Ihr Haus in Arbeit, um dort, wo die Versorgungsunternehmen Monopole sind oder monopolähnliche Stellungen haben, das zu verhindern, was es im Augenblick zu beklagen gilt, nämlich überhöhte Strompreise und damit Schwierigkeiten bei der Ansiedlung von Industriebetrieben, insbesondere in dem Gebiet, in dem mit Investitionsprämien Betriebe angesiedelt werden sollen? Meine Frage an Sie: Wäre es eine Möglichkeit, dort, wo Energieversorgungsunternehmen Monopolstellungen einnehmen, sie zu zwingen, ihre Abnehmerverträge öffentlich bekanntzugeben, damit wenigstens hier die Markttransparenz für die Abnehmer gewährleistet ist? Oder welche Konzeption haben Sie sonst bei der Änderung des Energiegesetzes im Sinne eines besseren Wettbewerbs im Interesse einer wachstumsorientierten Politik? Ein stetiges Wachstum bedarf der Bewältigung der Strukturprobleme und fortlaufenden Ergänzung der entsprechenden Maßnahmen. Dazu bedarf es auch einer Verbesserung der Infrastruktur. In dieser Legislaturperiode muß eine Finanzreform und nicht eine Mini-Gemeindefinanzreform verabschiedet werden. Die öffentlichen Haushalte sind die Kostenrechnung des Unternehmens Bundesrepublik. Solange dieses Unternehmen nicht genügend Zukunftsinvestitionen vornimmt - und hieran fehlt es in der Tat in den Haushalten -, wird es innen- und außenpolitisch das bleiben, was es seit Ende der fünfziger Jahre - und das sei zugestanden - ist, nämlich ein politischer Grenzanbieter. Solange dieses Unternehmen nur noch politische Ersatzinvestitionen vornimmt, um die „heiligen Kühe" der fünfziger Jahre am Leben zu erhalten, darf sich seine Führung nicht wundern, wenn sie angesichts der sich schnell ändernden Verbrauchergewohnheiten mehr und mehr am Markt vorbeiproduziert. Viele Jugendliche und Studenten sind als Abnehmer in dieser Phase verlorengegangen. Ich glaube, daß es nicht darauf ankommt, volle Terminkalender bei unseren Ministern zu haben, sondern den Bürgern die versprochenen Reformen zu liefern. Sie sehen, Herr Professor Schiller, daß wir in einer gesunden Wachstumspolitik, verbunden mit einer guten Strukturpolitik, immer an Ihrer Seite sein werden, aber nur auf der Basis einer soliden Haushaltspolitik und der Kraft, in der Koalition das durchzusetzen.

Erwin Schoettle (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002061

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Frage?

Dr. Hans Friderichs (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000586, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Professor Burgbacher!

Dr. Fritz Burgbacher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000308, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Friderichs, Sie sprachen von den „heiligen Kühen". Wollen Sie mir die Frage beantworten, warum Sie sie zur Zeit Ihrer Mitregierung nicht geschlachtet haben? ({0})

Dr. Hans Friderichs (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000586, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Professor Burgbacher, wenn Sie mich so fragen, darf ich Ihnen mit einer Gegenfrage antworten, nämlich mit der Frage, ob Sie sich noch an unsere Unterhaltung vor und im Kabinettsaal des Bundeskanzleramtes bei der seinerzeitigen Weichenstellung für die Energiepolitik erinnern. Sind Sie sich nicht dessen bewußt, daß ich bereit war, mit meiner Fraktion diese „heiligen Kühe" zu schlachten, die Sie damals noch streichelten und fütterten? ({0}) Herr Professor Schiller, wir haben eine letzte Bitte an Sie. Versuchen Sie, Ihre Schlagzeilen machende Aktivität umzumünzen in konkrete Reformen im Interesse der deutschen Wirtschaft, damit im Interesse des Ansehens und der Kraft der Bundesrepublik Deutschland im internationalen Wettbewerb sie wieder anziehender für die jungen Menschen wird, denen wir ein Ziel vorgeben müssen, das nicht darin bestehen kann, global zu steuern, sondern das darin bestehen muß, klare, optimistische, wachstumsorientierte Politik konsequent durchzuführen und nicht mit Kompromissen zu verhindern. ({1})

Erwin Schoettle (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002061

Das Wort hat der Abgeordnete Ravens.

Karl Ravens (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001785, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir, bevor ich, wie der Kollege Friderichs es genannt hat, in die Niederungen der Kohle zurückkehre - denn dieses Gesetz steht hier ja wohl als eines der wichtigen Strukturgesetze mit zur Verabschiedung; ich hatte allerdings den Eindruck, der Herr Kollege Friderichs hätte das noch gar nicht gemerkt, es kann sein , nur ein paar Bemerkungen zu seinen Ausführungen zu machen. Herr Kollege Friderichs, Ihr Wunschkatalog war vielfältig. Er war vielfältig in dem Ruf nach Reformen aller möglichen Arten. Aber würden Sie mir zustimmen, wenn ich sage, daß man eigentlich nur das reformieren kann, was bisher schlecht war? ({0}) Und liegt darin nicht auch das Zugeständnis der Freien Demokraten, die erst vor knapp eineinhalb Jahren aus der Regierungsverantwortung ausgeschieden sind, daß die Regierung der Großen Koalition heute all das reformieren muß, was sie in weiten Bereichen vorgefunden hat?

Erwin Schoettle (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002061

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Dr. Hans Friderichs (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000586, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Kollege Ravens, sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, daß ich eine andere Vorstellung vom Begriff „Reform" habe? Sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, daß meine Fraktion der Auffassung ist, daß man auch Gutes verbessern kann?

Karl Ravens (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001785, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Das mag zweifellos sein. Aber dann verstehe ich nicht, warum Sie eine so schreckliche Angst haben, daß bisher noch nicht zu Ende gebrachte Reformen den Prozeß der weiteren Entwicklung unserer Bundesrepublik in schwerste Gefahren bringen müßten. So ging es doch wohl aus Ihren Ausführungen hervor. Sie haben einiges über die wachstumshemmenden Barrieren in der Strukturpolitik, die noch nicht abgebaut worden sind, vorgebracht. Ich habe mich gefragt, ob Sie z. B. die Anträge Ihrer Fraktion in der Grünen Debatte gar nicht gelesen haben, ob Sie sie nicht zur Kenntnis genommen haben. Ich muß wirklich fragen, ob Sie mit Ihren Kollegen aus dem Agrarausschuß darüber gesprochen haben, als Sie diese Passage konzipierten. Da war von Abbau strukturerhaltender Subventionen fast keine Rede mehr. Aber das nur nebenbei. Lassen Sie mich zur zweiten und dritten Lesung des Kohleanpassungsgesetzes zurückkommen. Es ist ja ein bißchen schwierig, in einer so vermischten Debatte immer wieder von dem einen Thema zum anderen zu kommen. Ich bitte um Verständnis. Es ist nicht meine Schuld, daß ich jetzt hier stehe, sondern es ist durch das hohe Präsidium so gewollt. „Ist Ihnen allen eigentlich gegenwärtig, daß es kein demokratisches Land im freien Europa gibt, das sich eine solche primitive Form der Führung der Kohlewirtschaft gestattet wie wir in Deutschland?" Herr Präsident, ich bitte nachträglich um Entschuldigung, daß ich nicht vorab darum gebeten habe, hier zitieren zu dürfen. Denn diese Frage, meine Damen und Herren, hat mein verehrter Parteifreund Heinrich Deist vor fast 11 Jahren, am 28. November 1957, in diesem Hause stellen müssen. Keiner wird diesem bedeutenden Wirtschaftspolitiker Anerkennung und Respekt verweigern können, wenn er sich vergegenwärtigt, daß es Heinrich Deist zu dieser Frage im .Jahre 1957 gezwungen hatte, als kaum einer die heraufziehende Kohlenkrise sah. Über Jahre hinweg haben wir in diesem Parlament energiepolitische Debatten geführt, aber ohne politische Wirkung; das sage ich an dieser Stelle ausdrücklich auch an die Adresse der Freien Demokraten. Fritz Erler hat mit Recht, so meine ich, am 5. Juli 1965 noch einmal öffentlich festgestellt - ich darf zitieren, Herr Präsident -: Doch die Bundesregierung verfügt immer noch nicht über eine einheitliche energiepolitische Konzeption. Ihre Stillegungsprämien sind nur Subventionen an die Eigentümer ... Um das Schicksal der sonst Betroffenen macht man sich offenbar weniger Gedanken. Wir haben u. a. in drei Großen Anfragen gedrängt, daß man sich nicht auf punktuelle Hilfe beschränkt, sondern die Strukturprobleme anpackt, bei denen es nicht um die Kohle allein geht, sondern um den Energiemarkt im ganzen. Herr Kollege Scheel, das ist gleichzeitig eine Antwort auf Ihre Ausführungen von gestern. Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion hat in ihrem Acht-Punkte-Programm, das sie vor der Bildung der Großen Koalition als Aufgabenkatalog für eine neue Regierung öffentlich vorgetragen hat, zwei Forderungen gestellt. Sie hat zunächst gefordert, daß die staatliche Wirtschaftspolitik einen neuen wirtschaftlichen Aufschwung anzuregen habe. Niemand kann daran zweifeln, daß ein Aufschwung nach Maß inzwischen eingeleitet worden ist. In den acht Punkten von 1966 hatten wir weiter verlangt: Die Anpassung einiger Wirtschaftszweige an neue Marktverhältnisse muß gefördert werden. Umstellungsschwierigkeiten müssen gemildert werden. Für die Kohle- und Energiepolitik wird diese unsere damalige Forderung, die uns zugleich Verpflichtung gewesen ist, heute vom Gesetzgeber erfüllt. Anpassung an neue Marktstrukturen bedeutet im Bereich der Energiepolitik, daß man von der Voraussetzung ausgehen muß, daß der Anteil der Steinkohle am Gesamtenergiebereich zurückgegangen ist. Es bedeutet aber auch, daß die Anpassung der Steinkohle an den Markt nur über inner- und überbetriebliche Rationalisierung möglich ist, damit die Wettbewerbsfähigkeit der Kohle am Markt wieder verbessert werden kann. Das Gesundungs- und Anpassungsgesetz für Steinkohle ist nicht nur ein Gesetz für die Steinkohle. Es ist der Versuch des Bundes, den schwierigsten Teil des Energiesektors zu ordnen, und damit der Beginn einer planvollen Energiepolitik und nicht einer Energieplanung. Der Bundestag hat die Bundesregierung in einer Entschließung im Bericht zum Jahreswirtschaftsbericht aufgefordert, den Jahreswirtschaftsbericht künftig nach § 2 des Stabilitäts- und Wachstumsgesetzes durch einen energiewirtschaftlichen Teil zu ergänzen. Es versteht sich dabei für uns von selbst und es ergibt sich auch wohl aus dem jetzt zu verabschiedenden Gesetz und aus dem Bericht, daß dabei die Lage der deutschen Steinkohlenbergbaugebiete und des deutschen Steinkohlenbergbaus im organischen Zusammenhang mit der übrigen Energiewirtschaft darzustellen ist. Darüber hinaus, Herr Bundesminister, erwarten wir auch eine Berichterstattung über die Wirkungsweise des heute zu verabschiedenden Gesetzes. Meine Damen und Herren, lassen Sie mich aber auch sagen, daß es mit der Berichterstattung allein zweifellos nicht getan sein kann. Die Bundesregierung wird künftig im Rahmen des Jahreswirtschaftsberichtes auch ihre energiepolitischen Absichten darzulegen haben. Mein Fraktionsvorsitzender Helmut Schmidt hat in der Energiedebatte am 11. November 1967 mit Nachdruck unserer Auffassung Ausdruck gegeben, daß wir im Interesse einer gesicherten und preisgünstigen Energieversorgung der deutschen Wirtschaft darauf bestehen müssen, daß die Bundesregierung sich um die wirtschaftlichen Strukturen auf dem Mineralölsektor sowie auf dem Sektor des Erdgases und der Atomenergie kümmert. Gerade auf dem Gebiet des Mineralöls wäre vor dem Hintergrund weniger übergroßer ausländischer Anbieter der Verzicht auf die Schaffung eines deutschen Mineralölkonzerns ausreichender Größe in privater Hand nicht zu verantworten. Die wirtschaftliche Entwicklung in der Bundesrepublik Deutschland hat bis zum heutigen Tage auch den von Bundeswirtschaftsminister Professor Karl Schiller vorgetragenen Vorstellungen recht ge-. geben. Der Bundeswirtschaftsminister ist damals den Vorstellungen eines ehemaligen Staatssekretärs im Bundeswirtschaftsministerium nicht gefolgt und hat sich nicht darauf eingelassen, auf eine globale Anregung der Konjunktur zu verzichten und die wirtschaftspolitischen Maßnahmen der Bundesregierung in einzelnen strukturellen Maßnahmen zu verzetteln. Unsere Einschätzung der damaligen Lage, zunächst allgemeine Maßnahmen für einen Aufschwung nach Maß, für ein ausreichendes Wachstum der Gesamtwirtschaft zu erreichen, um in diesem Rahmen die einzelnen strukturellen Probleme in Angriff zu nehmen, hat sich sicherlich als richtig erwiesen. Wir haben während der Beratung dieses Gesetzentwurfs im Ausschuß mit Bedauern und einigem Zweifel am volkswirtschaftlichen Einschätzungsvermögen und Einsichtsvermögen einiger, sicherlich nicht der Mehrzahl der deutschen Unternehmer das schleppende und manchmal scheinbar sogar auf Verzögerung angelegte Gebaren beobachtet. Wir haben bei einigen dieser Unternehmer wenig Verständnis gesehen für die besonderen Probleme der Arbeitnehmer in diesem Bereich. Wir stehen nach wie vor auf dem Standpunkt: Eine Einheitsgesellschaft auf freiwilliger Basis mit ausreichender unternehmenswirtschaftlicher Grundlage ist die beste Gewährleistung dafür, um an der Ruhr zu geordneten Verhältnissen zu kommen. Ich erinnere in diesem Zusammenhang an die Rede unseres Fraktionsvorsitzenden Helmut Schmidt am 11. November 1967. Die im Gesetz ebenfalls alternativ vorgesehene mögliche Form der „optimalen Betriebsgröße" sehen wir als eine sinnvolle Lösung des Überganges hin zu einer Einheitsgesellschaft an der Ruhr. Wir sehen sie auch im Zusammenhang mit den Erfahrungen der bestehenden Einheitsgesellschaften an der Saar und im Aachener Revier, die schon eine optimale Größe gefunden haben. Die drei Einheitsgesellschaften werden als zukünftig selbständige Einheiten unter der Aufsicht des Kohleamtes und des Kohlebeauftragten ihre Investitionen, ihren Absatz und ihre personalpolitischen Entscheidungen besser planen können, als es in einigen Einzelgruppen möglich ist. Wir setzen dabei auf die freiwillige Einsicht der betroffenen Zechengesellschaften. Wir setzen darauf, daß sie die Notwendigkeit der Umstrukturierung erkannt haben und daß sie daraus auch die Konsequenzen ziehen. Dieses Gesetz ist nicht zuerst ein Gesetz des staatlichen Zwanges. Es gibt die Möglichkeiten und die Anreize zur notwendigen Konzentration. Hier haben die Unternehmungen die Möglichkeiten auf freiwilliger Basis kraft eigener Einsicht und mit Hilfe des Kohlebeauftragten zu nutzen. Der Kohlebeauftragte und das Kohleamt sind nicht zuerst staatliche Büttel; sie sollen das Ordnungsinstrument sein. Ich sehe das Kohleamt auch nicht vordergründig als eine Institution zur Ausübung von Sanktionen. Eine darauf vorwiegend abgestellte Kohlepolitik wäre von vornherein sicherlich nicht zum politischen Erfolg verurteilt. Ich sehe in diesem Amt eine Institution der offenen Information und der Vorbereitung rationaler Entscheidungen aller Betroffenen in den Einheitsgesellschaften an der Ruhr, an der Saar und im Aachener Revier auf der Basis der Energiepolitik der Bundesregierung. Aber, meine Damen und Herren, wenn der Vernunft nachgeholfen werden muß, dann fordern wir den Kohlebeauftragten und das Amt auf, mit aller Härte zu Sanktionen zu greifen. Der notwendige allgemeine Strukturwandel in den Bergbaugebieten von Ruhr und Saar, der mit diesem Gesetz gefördert wird, ist sicherlich eine Aufgabe, die in den nächsten vier Jahren so weitgehend gefördert werden und gelöst sein kann, daß dann die Wirtschaft in diesen Räumen aus eigener Kraft weiter wachsen kann. Die Investitionshilfen für Unternehmen, die das Gesetz bereitstellt, werden eine gezielte industrielle und gewerbliche Neuansiedlung und Erweiterung der Kapazitäten ermöglichen. Dazu bedarf es allerdings zweierlei Voraussetzungen: Die Bodensperre der Zechengesellschaften darf nicht weitergetrieben werden. Sollte dies geschehen, dann muß das Kohleamt von der möglichen Enteignung von Grund und Boden für Industrieansiedlungen mutig, zielbewußt und zweckbewußt Gebrauch machen. Und zweitens: Die von den Landesregierungen vorgelegten Strukturprogramme sollten nun nicht mehr lange zerredet werden, sondern sie sollten in die Wirksamkeit umgesetzt werden. Dabei wissen wir, daß der Bund hier finanzielle Hilfestellung zu leisten hat. Der Herr Bundesfinanzminister sollte in diesem Falle - so dankenswert das sonst sein mag - nicht unbedingt nur den treusorgenden und sparsamen Hausvater spielen. Herr Bundesfinanzminister, die Radikalisierung, zu der die Nichtlösung der Kohlekrise an Ruhr und Saar führt, und die Ausblutung dieser Wirtschaftsräume werden auf die Dauer teurer sein als die Mitbeteiligung an diesen beiden Strukturprogrammen an Ruhr und Saar. ({0}) Ich glaube, das sollten wir dabei einmal sehen. Statistische Betrachtungsweise hilft uns in diesem Bereich nicht weiter, wir müssen Kosten und mögliche Folgen gegenüberstellen, und dann sollten wir uns in der heutigen Situation für die Mithilfe an der Ruhr und an der Saar entscheiden. Mit dem Kohleanpassungs- und Gesundungsgesetz ist erstmals seit Bestehen der Bundesrepublik ein Strukturgesetz für die Wirtschaft vom Bund vorgelegt worden. Für uns Sozialdemokraten stand bei diesem Strukturgesetz die soziale Sicherung der im Bergbau Beschäftigten an hervorragender Stelle bei der Entwicklung der Instrumente dieses Gesetzes. Wir legten - und haben dabei bei der Bundesregierung lebhafte Unterstützung gefunden Wert auf eine mittelfristige Einkommenssicherung für die vom strukturellen Umbau betroffenen Arbeitnehmer. Wir legten auch Wert darauf, daß die Unternehmen, die staatliche Subventionen und Stillegungsprämien erhalten, einen Teil dieser staatlichen Mittel den Arbeitnehmern für ihre Sicherheit zugute kommen lassen. Wir haben darauf gedrungen, daß das Kohleamt gegenüber den Unternehmern die gleichen Sanktionsmöglichkeiten hat, gleichgültig ob sie in personellen oder belegschaftspolitischen oder technischen Bereichen Empfehlungen des Beauftragten nicht folgen. Es gibt andere, die den Unternehmern belegschaftspolitisch mehr freie Hand lassen wollten. Dies war für uns als Sozialdemokraten unannehmbar. Die Kumpels an der Ruhr und an der Saar haben für uns das höchste Maß an staatlichem und sozialem Schutz verdient. ({1}) Die Ausgestaltung des im Gesetz verankerten Sozialplans ist im Rahmen der Beratungen des Steinkohleanpassungsgesetzes für uns Sozialdemokraten ein Schwerpunkt gewesen. Wir haben uns in den letzten Wochen sehr viel Mühe darum gegeben, und ich muß sagen: wir haben es mit unserem Koalitionspartner im Bewußtsein gemeinsamer Verantwortung gegenüber den Kumpels an der Ruhr und an der Saar zu einer hohen Übereinstimmung gebracht. Der Gesamtsozialplan ist in der Koalition eine der unumstrittenen Voraussetzungen für die soziale Absicherung der Arbeitnehmer an der Ruhr und an der Saar. ({2}) Aus den vorhin dargelegten Gründen kann das Kohleanpassungs- und Gesundungsgesetz nicht in allen Teilen Modell für ein starkes staatliches, finanzielles Engagement bei anderen Strukturproblemen in unserer Wirtschaft sein. Denn Strukturpolitik, Anpassung von überholten Wirtschaftsstrukturen an neue Strukturen, bleibt ja wohl zunächst immer erst eine Aufgabe der Unternehmungen. Der Staat hat dort seine Verpflichtungen, wo diese Aufgaben aus eigener Kraft heraus nicht zu lösen sind. Daß sie aus eigener Kraft nicht mehr lösbar waren, hat uns die zehnjährige Leidensgeschichte des Steinkohlebergbaus alle miteinander gelehrt. Hier teile ich nicht die Auffassung des Kollegen Friderichs, daß man das weiter dem Markt überlassen könne. Viel zu lange hat man in diesem Hause gehofft, der Markt könne diese schwierigen Probleme lösen. Aber so wie dieses Gesetz in seiner Gesamtheit nicht unbedingt ein komplettes Modell für die Lösung von Strukturproblemen in anderen Bereichen sein kann, so gilt doch der darin enthaltene Gesamtsozialplan mit der mittelfristigen Einkommenssicherung, mit der Förderung von Umschulung und mit der Beteiligung der Unternehmen an den Lasten des Arbeitnehmers für uns als ein vollwertiges und übertragbares Modell.

Erwin Schoettle (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002061

Gestatten Sie eine Zwischenfrage? - Bitte, Herr Moersch!

Karl Moersch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001526, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Kollege, ist Ihnen bewußt, daß Sie soeben meinen Kollegen Friderichs falsch zitiert haben? Er hat gesagt, das sei nach marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten und Methoden zu lösen, und er hat genau erklärt, was er damit meint, nämlich daß die Anbietung das Entscheidende ist und nicht der Dirigent, der bestimmt, was betriebswirtschaftlich richtig sei.

Karl Ravens (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001785, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Eben, Herr Kollege Moersch, und das hat man in den vergangenen 10 Jahren zwar mit einer Fördergarantie, aber auf der anderen Seite mit einer Verkaufsgesellschaft oder mit zwei Verkaufsgesellschaften versucht, Das Problem ist dadurch nicht gelöst worden; im Gegenteil, die Diskrepanz zwischen Verkauf und Förderung ist ständig größer geworden. Wir stehen hier nur vor der Frage, ob allein über den Preis als Regulativ eine vernünftige Energiepolitik und in Zukunft eine Absicherung möglich ist, ob es denn gelingt, wenn man wahllos über den Preis ausscheiden läßt, zu vernünftigen Konzentrationen der Felder und der Förderung zu kommen und auch die Frage der Arbeitnehmer in diesen Gebieten sowie die Fragen der Umstrukturierung zu regeln. Wir meinen, alle diese Fragen mit Nein beantworten zu müssen. Hier geht es nur über den Weg, der hier vorgeschlagen worden ist. ({0}) Lassen Sie mich aber zum Gesamtsozialplan zurückkommen. Für uns ist dieser Gesamtsozialplan der Ausdruck der sozialen Verpflichtung der Wirtschaftspolitik der Großen Koalition. In diesem Gesamtsozialplan zeigt sich, daß das Wort von der sozialverpflichteten Wirtschaft auch in Taten umgesetzt werden kann. Hier ist dieses Wort in eine Tat umgesetzt worden. Für uns Sozialdemokraten, und, wie ich hoffe, nicht nur für uns, ist es allerdings unverständlich, daß eine Minderheit der Zechenunternehmen an der Ruhr versucht, bei der Bildung einer Gesamtgesellschaft oder anderer im volkswirtschaftlichen Sinne optimaler Unternehmenseinheiten die im Montanbereich eingeführte Mitbestimmung an rechtsformalen Argumenten scheitern zu lassen. Jeder Einsichtige weiß doch, daß die Schaffung eines Sozialbeauftragten mit Mitbestimmungsfunktion in allen Betrieben der künftigen größeren Einheiten den Anpassungsprozeß für die einzelnen Betriebe erleichtern wird. ({1}) Gerade auch in solchen Situationen liegt es doch eigentlich auf der Hand, daß Umsetzungen, Entlassungen und andere Maßnahmen im personellen Bereich besser zusammen mit der Belegschaft als etwa gegen die Belegschaft erreicht werden können. Gerade bei diesen notwendigen harten Maßnahmen kommt es auf das Zusammenwirken von Arbeitgebern und Arbeitnehmern an, wenn Partnerschaft in dieser Wirtschaft einen Sinn erhalten soll. Wer die Bildung einer Gesamtgesellschaft dazu benutzen will, erworbene Rechte der Arbeitnehmerschaft zur Seite zu bringen, der darf sich nicht darüber wundern, daß ihm nicht mehr geglaubt wird, wenn er von Partnerschaft redet. Niemand aber auch sollte sich infolge der staatlichen Subventionen für die nächsten beiden Jahre in Sicherheit wiegen, weil die Absatzsituation sich relativ stabilisiert habe. Wir dürfen uns nicht verführen lassen, jetzt weiter in den Tag zu leben wie zuvor. Die mit Milliarden von Steuergeldern geschaffene Atempause muß von den für die Steinkohlenbergbaugebiete verantwortlichen Landesregierungen, von den Unternehmern und von den Arbeitnehmern dazu benutzt werden, die Kohle an die Marktverhältnisse anzupassen, die Kapazitäten auf das vom Markt her gebotene Maß zu bringen, die Arbeitnehmer auf neue Beschäftigungen vorzubereiten und die Steinkohlenbergbaugebiete so umzustrukturieren, daß neue Arbeitsplätze in einer wachsenden Wirtschaft in ausreichender Zahl vorhanden sind. Wer dies nicht tut, wer hier glaubt verzögern zu können, der wird die Verantwortung zu übernehmen haben, wenn nach der Atempause an der Ruhr erneut schwierige wirtschaftliche Krisen auftreten, die dann politisch wahrscheinlich nicht mehr aufgefangen werden können. Meine Damen und Herren, mit der Verabschiedung dieses Gesetzes und des ihm innewohnenden Gesamtsozialplans und des Strukturplans wird ein Prozeß der Ausblutung und Schrumpfung der Wirtschaftskraft und der damit verbundenen sozialen Spannungen und Ängste in den Steinkohlengebieten umgekehrt in einen Prozeß der Gesundung und des langfristigen gesicherten Wachstums. Meine Fraktion stimmt dem Gesetz in der vorliegenden Form zu. Lassen Sie mich aber auch am Schluß der Beratungen dieses Gesetzes - und ich hoffe, das tue ich im Namen des ganzen Hauses und aller Kollegen des Wirtschaftsausschusses - einen Dank sagen an die Mitarbeiter des Ausschusses für die unermüdliche Arbeit, die sie mit uns und mit diesem Gesetz in den vergangenen Wochen gehabt haben. ({2}) Ich darf hier auch einen besonderen Dank an die Herren des Wirtschaftsministeriums sagen, die uns während dieser schwierigen Beratungen in hervorragender Weise ihre Mitarbeit angedient und diese Mitarbeit auch in die Tat umgesetzt haben. ({3}) Wir wissen, daß hier bei all den Schwierigkeiten, die uns dieses Gesetz in seiner Beratung gebracht hat, auch bei den Unwägbarkeiten, die wir uns immer vorgestellt und zu ergründen versucht haben, eine „konzertierte Aktion" während der Beratungen zwischen den Vertretern der Bundesregierung und den Vertretern dieses Parlaments nötig war, um ein Gesetz in dieser, wie wir meinen, umfassenden Form heute und so schnell verabschieden zu können. ({4})

Erwin Schoettle (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002061

Meine Damen und Herren! Wir treten jetzt in die Mittagspause ein. Die Sitzung wird fortgesetzt um 14.30 Uhr. ({0})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet. Meine Damen und Herren, ich verstehe es zwar nicht ganz, aber der amtierende Präsident hat bekanntgegeben, daß jetzt die Aussprache zum Einzelplan 09 und zum Kohleanpassungsgesetz unterbrochen werden soll und die Einzelpläne 01, 02 und 03 behandelt werden sollen. Dann, unterstelle ich, soll zurückgekehrt werden zum Einzelplan 09 und zum Kohleanpassungsgesetz. Die höhere Strategie verstehe ich zwar nicht, aber es muß irgendein tiefer Sinn dahinter sein. Weil es so verkündet ist, wird es jetzt so gemacht, damit wir weiterkommen. Präsident D. Dr. Gerstenmaier Ich rufe also jetzt auf: 3. hier: Einzelplan 01 Bundespräsident und Bundespräsidialamt - Drucksache V/2701 - Berichterstatter: Abgeordneter Baier Ich frage den Herrn Berichterstatter, ob er das Wort wünscht. - Der Herr Berichterstatter verzichtet. Wortmeldungen? - Keine Wortmeldungen. Die Aussprache ist geschlossen. Wer dem Einzelplan 01 in zweiter Beratung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! --- Enthaltungen? - Bei sieben Enthaltungen ist der Einzelplan 01 angenommen. Ich rufe auf: 4. hier: Einzelplan 02 Deutscher Bundestag - Drucksache V/2702 Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Götz Ich frage den Herrn Berichterstatter, ob er das Wort wünscht. ({0}) - Der Herr Berichterstatter verzichtet. Meine Damen und Herren, hier liegen Änderungsanträge vor, zunächst der Änderungsantrag der Abgeordneten Dr. Klepsch und Genossen auf Umdruck 399 *). ({1}) - Zur allgemeinen Aussprache hier? Herr Kollege Dichgans, im allgemeinen haben wir keine allgemeine Aussprache. Aber ich gebe Ihnen das Wort, ohne jeden Zweifel. Jetzt aber habe ich erst einmal den Änderungsantrag der Abgeordneten Dr. Klepsch und Genossen aufgerufen. Herr Abgeordneter Dr. Klepsch, möchten Sie das Wort zur Begründung? ({2}) zum Tit. 101 ! Der Antrag Klepsch ist zum Tit. 302 a!) - Ich bedanke mich, Herr Berichterstatter. Aber man kann es so oder anders machen. Man kann der Reihenfolge der Umdrucke nach gehen. Dann kommt der Umdruck 399 zuerst; er ist gerade einen Punkt vor 400. Man kann es auch völlig anders machen. Für eine Methode muß man sich entscheiden. Jetzt sind wir bei dem Antrag Umdruck 399. Herr Abgeordneter Dr. Klepsch! *) Siehe Anlage 2 **) Siehe Anlage 3

Dr. Egon Alfred Klepsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001127, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe die Ehre, den Antrag Umdruck 399 kurz zu begründen. Ich möchte eine Vorbemerkung zur Geschichte des Antrags machen. Der größte Teil der Antragsteller, verbunden mit anderen Kollegen, hat sich bereits vor anderthalb Jahren mit dem gleichen Anliegen, etwas ausgeweitet, an den Bundestagsvorstand gewandt. Damals wurde uns auch Gelegenheit gegeben, dort unsere Auffassungen vorzutragen. Im Bundestagsvorstand hat dann eine ganze Reihe von Gesprächen stattgefunden. Aber ein positives Ergebnis, so wie es die Antragsteller heute erbitten, ist bei diesen Beratungen und Gesprächen leider nicht zutage getreten. ({0}) Um nun die Angelegenheit zu einer Entscheidung zu bringen, aber die Beratungen über Veränderungen im Diätengesetz nicht zu erschweren, haben sich die Antragsteller entschlossen, ihr Anliegen erst in der zweiten Beratung vorzubringen. Es dreht sich im Kern um die Arbeitsbedingungen für die Abgeordneten, Arbeitsbedingungen, die unseres Erachtens im Vergleich zu Verwaltung und Wirtschaft völlig unerträglich sind. Ich möchte das deshalb ausdrücklich sagen, weil wir vor der Schwierigkeit stehen, daß wohl jeder unserer Wähler annimmt, daß wir über geradezu idealtypische Arbeitsbedingungen verfügen. Viele unserer Kollegen haben das in Gesprächen mit Wählern in Versammlungen immer wieder feststellen dürfen, daß davon ausgegangen wird, daß der Abgeordnete durch die Hilfskräfte, durch das Zurverfügungstehen von Hilfsmitteln völlig entlastet sei von der manuellen Arbeit, von der Aktenablage, dem Zwei-Finger-Tippen von Briefen und ähnlichem. Wir alle wissen, daß das nicht so ist. Ich möchte mich dabei auch besonders herzlich an jene Kollegen wenden, die aus guten Gründen - weil sie im Parlament eine besondere Funktion haben - über den notwendigen Apparat verfügen ({1}) für die Funktion, ganz richtig, Herr Kollege Schmidt - und vielleicht deshalb dieser Situation des gewöhnlichen Abgeordneten etwas entwöhnt sind, ({2}) der jeden Handgriff selber tun muß. ({3}) Es sind viele Zeitungsartikel über dieses Thema geschrieben worden. Sehr viele Kollegen in diesem Hause haben diese Zustände dargestellt, beleuchtet und beklagt. Diese Artikel wurden im wesentlichen überall sehr verständnisvoll aufgenommen. Unser Problem ist nur, daß das Anliegen im Kern noch immer nicht erfüllt worden ist. Nun weiß ich wohl, daß man eine ganze Reihe von Anforderungen an den Abgeordneten heute stellt, und zwar im wachsenden Maße, Anforderungen, die er - den Erwartungen entsprechend Dr. Klepsch kaum erfüllen kann. Wie soll er gleichzeitig hier im Plenum sein und die Anliegen seines Wahlkreises bearbeiten? Es ist klar, daß die öffentliche Kritik, die uns immer wieder gegenübertritt - wie schwach besetzt ein Haus wie dieses ist , damit zusammenhängt, daß die Kollegen eben mit solchen Tätigkeiten belastet sind, die sie daran hindern. an der Willensbildung und an den Beratungen- dieses Hauses teilzunehmen. ({4}) Ich möchte die Fülle der Details, die zu berichten wären, nicht breiter ausmalen. Aber auf einen Punkt möchte ich Ihr Augenmerk doch besonders richten. Es geht den Antragstellern in allererster Linie darum, das Ansehen und die Arbeitsfähigkeit dieses Hauses zu heben. Deshalb ist der Antrag auch so gefaßt worden, daß er den Kollegen, die unter den Schwierigkeiten besonders leiden, die ich nur anzudeuten versucht habe, eine Entlastung verschafft. Wir haben deshalb ausdrücklich die Formel „gegen Nachweis" in den Antrag hineingenommen, weil wir zum Ausdruck bringen wollten, daß es uns nicht um irgendeine Art verkappter Diätenerhöhung geht. Im Gegenteil, der in Anspruch genommene Betrag wird ja in vollem Umfang versteuert werden; der in Anspruch genommene Betrag ist für den einzelnen Abgeordneten ein reiner Posten für Hilfskräfte. Deshalb möchte ich sehr nachdrücklich sagen, daß es viele von uns mit der Öffentlichkeit beklagen, daß ein so großer Einfluß der Bürokratie auf die Beratungen und die Willensbildung dieses Hauses besteht. Das hängt eben damit zusammen, meine verehrten Kollegen, daß sich ein großer Teil von uns nicht in dem erforderlichen Maße von allen möglichen Belastungen frei machen kann, Belastungen, die jeder von Ihnen genau kennt und die ihm vom Kern her seine Aufgabe, die Kontrollfunktion des Parlaments auszuüben, an der Willensbildung bei allen wichtigen Entscheidungen mitzuwirken und darüber hinaus in allen Detailbereichen einen wirklich sachverständigen, in sich geschlossenen, soliden Beitrag zu leisten, außerordentlich schwermachen. Ich möchte Sie deshalb sehr herzlich darum bitten, diesem Antrag zuzustimmen, auch diejenigen, die meinen, sie hätten das, was beantragt wird, nicht nötig. Denen steht es ja völlig frei, die gegebenenfalls zur Verfügung gestellte Summe nicht in Anspruch zu nehmen. ({5}) Das ist doch völlig klar. Ich möchte nur die herzliche Bitte an alle richten, sich einmal in die Lage eines „gewöhnlichen" Abgeordneten zu versetzen, der seinem Wahlkreis dienen will, der seine Aufgaben in diesem Hause erfüllen will, der sich der Fülle von Petitionen und Zuschriften annehmen will, kurz, der das tun will, was das deutsche Volk, was der Wähler idealtypisch von ihm verlangt. In diesem Sinne wäre ich Ihnen, meine Damen und Herren, sehr dankbar, wenn Sie dem Antrag auf Umdruck 399 zustimmten, vor allem auch deshalb, weil er im Kern schon sehr lange - inzwischen noch etwas erweitert dem Vorstand des Bundestages vorgelegen hat, ohne daß etwas verbessert worden wäre. Ich bin der Meinung, daß eine Deckung im Gesamthaushalt mit Sicherheit gefunden wird. Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit, die Sie mir geschenkt haben. Ich weiß, daß auch bei anderen Problemen eine Deckung gefunden werden konnte. ({6})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Das Wort hat Frau Abgeordnete Krappe.

Edith Krappe (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001197, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Einmal als Mitberichterstatterin für den Einzelplan 02, zum anderen aber auch als „gewöhnliche" Abgeordnete, wie Sie, Herr Klepsch, zu sagen beliebten, möchte ich gegen Ihren Antrag sprechen. Ich bin seit 41 Jahren berufstätig und hatte das Pech, überall viel arbeiten zu müssen; darum fällt es mir hier nicht so schwer. Ich habe es nie anders kennengelernt. ({0}) Dieses Problem ist bei den Beratungen im Haushaltsausschuß Mitte März von einigen Kollegen angesprochen worden. Es ist darüber im Haushaltsausschuß ziemlich lange diskutiert worden. Die Mehrheit ,sah sich allerdings nicht in der Lage, diesem Antrag zuzustimmen und Mittel für 1968 bereitzustellen. Es ist in keinem Parlament üblich, derart weitgehende Änderungen, die die Abgeordneten betreffen, mittels eines Zusatzantrages im Plenum zu beschließen. ({1}) : Über Jahrzehnte!) Es ist vielmehr üblich, eine solche Frage in ausgiebigen interfraktionellen Besprechungen zu prüfen. Das halte ich auch für besser. 600 DM Unkostenbeitrag ist, wie jeder weiß, an sich nicht viel. Dieser Betrag müßte bei Gelegenheit erhöht werden. Ich möchte dazu aber folgendes sagen. Gerade diejenigen, die sich jetzt über die ungünstigen Arbeitsbedingungen beklagen, sollten doch bitte daran denken, daß der Neubau der hier entsteht, ja mit dazu beitragen soll, die Arbeitsbedingungen wesentlich zu verbessern ({2}) und vom nächsten Jahr an Verhältnisse zu schaffen, die denen die 20 Jahre lang anders haben arbeiten müssen, geradezu paradiesisch erscheinen werden. Daran sollten auch diejenigen denken, die hier solche Anträge stellen. Es wurde gesagt, die Arbeitsbedingungen seien unmöglich. Ich bin erst 101/2 Jahre hier. Diejenigen aber, die dem Bundestag seit 1949 angehören und noch schlechtere Möglichkeiten hatten als wir, die wir jetzt ein halbes Büro haben, haben damals sehr gute Gesetze gemacht und sehr umfangreiche Gesetze ausgearbeitet. Es kann also nicht nur an den Arbeitsbedingungen liegen, ob gute Arbeit geleistet wird oder nicht. Das Haus, das im nächsten Jahr fertig wird, belastet zur Zeit unseren eigenen Haushalt sehr stark. Deshalb ist es, glaube ich, unmöglich, in diesem Stadium 7,2 Millionen DM zusätzlich für 1968 zu bewilligen. Wir sagen anderen, daß ihnen berechtigte Wünsche nicht auf einmal erfüllt werden könnten, sondern daß sie sich bescheiden und einiges auf spätere Jahre zurückstellen mögen. Dieses Ansinnen stünde auch diesem Hause für seine eigenen Angelegenheiten gut an. Wenn im nächsten Jahr der Einzelplan 02 dadurch entlastet wird, daß der Bau ausläuft und dann diese Summen nicht mehr für den Bau benötigt werden, ist ein günstiger Zeitpunkt gegeben, über Verbesserungen dieser Art zu sprechen. Ich würde daher bitten, für 1968 diesen Antrag abzulehnen. ({3})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Rutschke.

Dr. Wolfgang Rutschke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001909, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag, der uns vorliegt, bedeutet, daß wir den Einzelplan 02 um 7 252 000 DM erhöhen müßten. Bei einem derartigen Betrag können wir dem Antrag in der Form, wie er hier gestellt ist, nicht ohne weiteres zustimmen. Ich gebe dem Herrn Kollegen Klepsch durchaus recht, wenn er die Auffassung vertritt, daß auch der Abgeordnete des Deutschen Bundestages in der Lage sein muß, so wie jeder Amtmann oder Regierungsrat in der Verwaltung arbeiten zu können. ({0}) Ich halte es für gefährlich, wenn so argumentiert wird, daß den Abgeordneten die Mittel für zusätzliche Arbeitsplätze als eigenes Einkommen angerechnet werden. Das wird leider Gottes in der Öffentlichkeit getan. ({1}) Trotzdem bin ich der Meinung, daß im Augenblick die Möglichkeit für eine Annahme dieses Antrags besteht, weil wir einfach räumlich nicht in der Lage sein werden, das zu realisieren. Als Abgeordnete sitzen wir noch zu zweit und zu dritt in einem Raum. Ich möchte Sie fragen, wie Sie da noch zwei oder drei zusätzliche Schreibkräfte hinsetzen wollen. ({2}) - Das ist eine Möglichkeit. Aber das wäre vielleicht nicht ganz im Sinne der Arbeit, die wir in diesem Hause zu leisten haben. Meine Damen und Herren, dieses gesamte Problem bedeutet praktisch, daß wir hier über eine Frage entscheiden, die uns selbst betrifft. Ich darf auf die Ausführungen meines Kollegen Mertes hinweisen, der schon bei der Frage der Diätenreform dargelegt hat, daß es eine außerordentlich mißliche Sache für das Parlament ist, sein eigener Arbeitgeber in bezug auf Entlohnung usw. sein zu müssen. Deshalb empfehle ich, die Frage zunächst einmal in der Form zu klären, daß wir einen Antrag abwarten, den wir von der freien demokratischen Fraktion in kürzester Zeit einbringen werden, einen Senat für Parlamentsfragen zu schaffen. Dieser Senat sollte dann auch über dieses Problem entscheiden. Diesem Senat sollen unabhängige Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens angehören, die nicht Mitglieder dieses Hauses sind. Er soll einen Bericht darüber geben, was für die berechtigten Belange der Abgeordneten getan werden muß und was an Änderungen notwendig ist. Ich glaube, daß sich gerade diese Frage sehr dazu eignet, von einer unabhängigen Kommission behandelt zu werden. Diese Kommission würde feststellen können, daß wir unsere Arbeit hier praktisch ohne Hilfskräfte leisten müssen, daß jeder sein eigener Registrator, seine eigene Stenotypistin usw. sein muß. Denn mit dem, was uns an Bürokostenentschädigung bisher zugebilligt worden ist, lassen sich keine Hilfskräfte bezahlen. ({3}) - Ja, Herr Kollege Haase, das verkenne ich keinesfalls. Daß hier irgendeine Lösung getroffen wird, dafür bin ich sehr. Bloß überlegen Sie bitte, auch im Hinblick auf die Kritik, die in diesen Fragen am Parlament ständig geübt wird, daß wir uns dann besser auf ein Urteil unabhängiger Persönlichkeiten verlassen sollten, die diese schwere Entscheidung zumindest in der Öffentlichkeit vorbereiten. Herr Kollege Blumenfeld.

Erik Bernhard Blumenfeld (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000206, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Rutschke, meinen Sie nicht, daß es besser wäre, anstatt einen unabhängigen Senat oder ein ähnliches Sachverständigengremium damit zu beauftragen, einfach den Wähler aus der Öffentlichkeit einmal in unsere Büros zu bringen? Dann wird er von ganz allein die Berechtigung dieses Anliegens bestätigen. ({0})

Dr. Wolfgang Rutschke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001909, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Kollege Blumenfeld, dieser Gedanke mag durchaus erwägenswert sein. Ich weise bloß darauf hin, daß die Wähler selbst nicht bereit sein werden, die Fahrt nach Bonn und zurück zu bezahlen. Das müßten wir dann hier auch wieder beschließen, und ich glaube, dann wäre die Elle länger als der Kram. Dann würden wir dafür mehr Geld ausgeben, als wir tatsächlich für die Verbesserung der Verhältnisse hier benötigen. Ich würde Sie bitten, diesen Antrag so lange zurückzustellen - die Fraktion der FDP kann ihm heute nicht zustimmen -, bis dieses Gremium, das wir vorschlagen werden, eingesetzt ist. Dieses Gremium könnte dann diese Frage selbst behandeln. Ich bitte daher, diesen Antrag abzulehnen. ({0})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Brese.

Wilhelm Brese (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000264, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Kollegin Frau Krappe und mein Kollege Herr Rutschke haben die Ablehnung dieses Antrags bereits begründet. Ich möchte Ihnen nur sagen: Ich bin seit 20 Jahren im Wirtschaftsrat und im Bundestag und gehöre zu den Abgeordneten, die nie eine Sekretärin zu Hause gehabt haben und die es gewöhnt sind, - ({0}) - Den Zwischenruf „Das merkt man!" können Sie sich wirklich sparen. Ich glaube, ich bin ein fleißiger Abgeordneter, und das hat sich in meinem Wahlkreis sehr gut niedergeschlagen. ({1}) Ich bin es aber auch gewöhnt - genau wie Frau Krappe es gesagt hat - zu arbeiten, ich habe das von Jugend auf gelernt. Ich bin durchaus der Meinung: Wenn man hier den festen Willen hat zu arbeiten, dann ist jederzeit die Gelegenheit dazu gegeben. Es sind hier Kolleginnen und Kollegen anwesend, die mit mir im Wirtschaftsrat waren. Damals hatten wir große Probleme zu lösen, wir mußten unter den denkbar schlechtesten Verhältnissen arbeiten, und auch wir haben gute Gesetze gemacht.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Dr. Egon Alfred Klepsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001127, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Brese, soll ich Ihren wiederholten Ausführungen entnehmen, daß Sie davon ausgehen, ein großer Teil der Mitglieder des Hauses - zumindest die Antragsteller - habe nicht gelernt zu arbeiten?

Wilhelm Brese (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000264, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Das kann ich nicht ohne weiteres behaupten; das werde ich auch nicht behaupten. Aber die Auffassung zur Arbeit ist sehr verschieden; das muß ich Ihnen allerdings sagen. ({0})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Schulze-Vorberg!

Dr. Max Schulze-Vorberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002112, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Brese, wenn Ihnen bekannt ist, daß sich die in qualifizierten Berufen tätigen Personen der Unterstützung von Hilfskräften, seien sie wissenschaftlicher oder technischer Art, bedienen, warum glauben Sie, daß dieses Prinzip, das in der ganzen freien Wirtschaft und in allen Ländern der Welt gilt, im Bundestag nicht angebracht ist?

Wilhelm Brese (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000264, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege, das spüre ich immer wieder: Sehr viele Herren gehen davon aus, daß sie in dem Beruf, den sie draußen bekleiden, eine Vorzimmerdame und auch eine Sekretärin gehabt haben, und sie können sich nicht vorstellen, daß man hier nun selber seine Post erledigen muß. Wir haben doch oben Schreibhilfen, und Sie können doch Ihre Briefe diktieren! Wenn ein Mangel an Schreibhilfen besteht, können wir ja diesen Schreibdienst verstärken. Das ist meine Meinung. ({0}) - Wenn Sie das wünschen, Herr Haase, kann ich Ihnen noch sehr viel sagen, vielleicht auch aus meiner Erfahrung, aus der Sie noch viel lernen können. Denn ich habe nicht umsonst meinen Zeigefinger hier sehr häufig erhoben. Ich weiß nämlich, wie es draußen aussieht, meine Damen und Herren. Ich habe mich hier niemals als beamtete Person gefühlt, ich habe mich hier als Vertreter des Volkes gefühlt und bin auf die Wünsche meiner Wähler und meines Wahlkreises 'eingegangen. Wenn Sie einen Beweis dafür haben wollen, so darf ich Ihnen sagen: Ich habe 5600 Stimmen mehr als meine eigene Partei bekommen. Da muß man sich wohl um einen Wahlkreis gekümmert haben. ({1})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Abgeordneten Geisendörfer?

Ingeborg Geisendörfer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000652, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Brese, ohne nun darüber streiten zu wollen, ob es im Augenblick der richtige Zeitpunkt ist, diesen Antrag anzubringen, möchte ich Sie doch fragen, ob Sie der Meinung sind, daß es der mangelnde Wille zur Arbeit ist, der diesem Antrag zugrunde liegt, oder die Überzeugung, daß die Abgeordneten einen wichtigeren Teil der Arbeit, qualifiziertere Arbeit, mit allen ihren Kräften leisten sollen, als sie auf Grund der jetzigen Arbeitsbedingungen zu leisten imstande sind?

Wilhelm Brese (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000264, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich gebe Ihnen recht; es werden sicher gute Absichten sein. Aber ich sage Ihnen, wenn man an seine eigene persönliche Fähigkeit appelliert und seine Pflicht ernst nimmt, dann kann man auch sehr viel ohne diese Hilfskräfte erledigen. Ich bin jedenfalls jederzeit in der Lage, mich hier unterrichten zu lassen. Da gehe ich zu den Ministerien und hole mir Auskunft. ({0}) - Das mache ich auch noch.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Könen?

Wilhelm Brese (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000264, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

: Bitte schön!

Willy Könen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001156, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Brese, sind Sie eigentlich der Meinung, daß es Dummheit oder Überheblichkeit in der freien Wirtschaft ist, wenn man Leute mit 20 DM Stundenlohn nicht mit Arbeiten beschäftigt, die andere für 3 DM machen? ({0})

Wilhelm Brese (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000264, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ja, wissen Sie, ich komme aus einem Teil der freien Wirtschaft, in dem es allerdings anders aussieht als in dem gewerblichen Teil, wo Sie sind. Als Landwirt ist man gewohnt, vieles auch über den Acht-Stunden-Arbeitstag hinaus zu machen. Das kann ich Ihnen sagen. Nach diesen Grundsätzen trete ich auch hier an. Ich bin immer noch in der Lage gewesen, meine Aufgabe zu erfüllen. Ich will mich hier nicht länger darüber verbreiten. Ich möchte Sie bitten, diesen Antrag auf Umdruck 399 abzulehnen. Denken Sie an die Summe, die hier ausgeworfen werden soll: 7,252 Millionen DM. Für Deckung ist gesorgt, wurde mir gesagt. Meine Damen und Herren, Sie wissen ganz genau, wie die Deckung besorgt wird. Das kann man nicht ewig machen. Deshalb noch einmal die Bitte: lehnen Sie mit mir den Antrag ab. ({0})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Mommer.

Dr. Karl Mommer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001529, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch ich bin seit 1949 Mitglied des Hauses und habe mit gesehen - und ich habe dabei mitgewirkt -, wie sich die Verhältnisse in unserem Hause langsam, aber doch, verbessert haben. Ich habe auch 1949 in Washington ein Vorbild dafür studiert, wie einem Abgeordneten die Hilfsmittel an die Hand gegeben werden, damit er seine Arbeit fach- und sachgerecht machen kann. Das hat seinen Niederschlag in vielem gefunden, was wir hier getan haben, im Ausbau der Abteilung II, der Abteilung III, unserer Wissenschaftlichen Abteilung, in dem Bemühen, unseren Abgeordneten mehr Arbeitsraum zu verschaffen. Drüben steht jetzt ein Rohbau, der ein Ausdruck dieses Bemühens ist. Aber alles, meine Damen und Herren, hat seine Zeit gebraucht, und bei allem war es auch unsere Pflicht, Augenmaß zu haben ({0}) für das, was einerseits wünschenswert und durchaus begründet wäre und was andererseits in einer gegebenen Situation möglich war. Ich glaube, daß wir da immer so ungefähr den rechten Weg zwischen dem Wünschenswerten und dem Möglichen gefunden haben. Meine Damen und Herren, der Rohbau da drüben kostet ja auch Geld, in diesem Jahr eine Rate von 12 Millionen DM oder so ähnlich. Ferner haben wir vor einer Woche hier ein Gesetz verabschiedet, das auch mit einem ähnlichen Betrag zu Buch schlägt. Meine Damen und Herren, Augenmaß müssen wir haben. ({1}) In dem Bau da drüben ist ja auch wieder etwas zur Verbesserung der Arbeitsmöglichkeiten vorgesehen, nicht nur, daß dann jeder endlich - endlich muß ich sagen - das eigene Arbeitszimmer bekommt, sondern für mehrere Abgeordnete ist dann wieder ein Sekretariatzimmer vorgesehen; und wir werden da qualifizierte Sekretärinnen anstellen, die den Abgeordneten bei der Arbeit helfen. Also da geht es wieder einen Schritt vorwärts. Wenn wir den Bau drüben beziehen können, bekommen wir auch eher Platz um zusätzliche Hilfskräfte unterbringen zu können. Sie müssen ja auch irgendwo einen ruhigen Schreibtischplatz haben; sonst können sie doch gar nicht ihre Arbeitskraft entfalten. Um es kurz zu machen, ich finde, daß das Bemühen, das in diesem Antrag zum Ausdruck kommt, berechtigt ist und daß sich Vorstand und Haushaltsausschuß und alle, die damit befaßt sind, auch bemühen müssen, dies in angemessenen Fristen und mit dem richtigen Maß zu verwirklichen. Aber, meine Damen und Herren, in diesem Jahr würde ich den Zeitpunkt nicht für richtig halten. Ich mache Ihnen deswegen den Kompromißvorschlag, den Änderungsantrag in einen Entschließungsantrag umzuwandeln, der bei der dritten Lesung an den Vorstand des Bundestages überwiesen wird, der dann gebeten wird, für den Haushaltsplan des Bundestages für das Jahr 1969 zu prüfen, was hier steht, und es, soweit es dann irgend möglich ist - finanziell und den Raumverhältnissen entsprechend -, zu verwirklichen. Mein Antrag, Herr Präsident, ist ein Änderungsantrag zu einem Änderungsantrag. Ich beantrage also, daß der Änderungsantrag in einen Entschließungsantrag umgewandelt wird. Darüber wäre dann wohl zuerst abzustimmen. Wenn dieser Antrag der Umwandlung abgelehnt würde, sähe ich mich zu meinem Leidwesen gezwungen, dem Antrag hier nicht beipflichten zu können. Ich glaube sogar, wegen des Augenmaßes und der Verantwortung, die jeder von uns bei solchen Dingen hat, wäre es zweckmäßig, namentlich abstimmen zu lassen. ({2})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Herr Kollege Dr. Mommer, wir müssen uns jetzt recht verstehn. Wenn ich Sie recht verstanden habe, schlagen Sie vor, daß der Änderungsantrag Umdruck 399 geändert wird, und zwar würde er dann lauten: „Der Bundestagsvorstand wolle prüfen: ..." Habe ich Sie so recht verstanden? Damit würde natürlich implizite die Überweisung dieses Antrags an den Bundestagsvorstand als Material beschlossen. Ich stelle das nur fest, damit wir uns über die geschäftsordnungsmäßige Behandlung der Sache im klaren sind. Ich möchte, daß darüber nicht die mindesten Zweifel bestehen, Herr Antragsteller Dr. Klepsch. Ich sage es, damit jedem klar ist, worum es geht. Aus diesem Änderungsantrag würde folgen - ich wiederhole es noch einmal -, wenn er angenommen würde, daß der Antrag an den Bundestagsvorstand überwiesen würde. Da wir den Änderungsantrag nicht hängenlassen können - denn es ist ja ein Änderungsantrag hier zur zweiten bzw. dritten Lesung -, müßte es heißen: „Der BundestagsvorPräsident D. Dr. Gerstenmaier stand wolle prüfen:..." Das heißt, der Antrag wäre für dieses Jahr erledigt. Darüber muß man sich klar sein. Da ich schon beim Fragen bin: Herr Antragsteller, wie ist es denn mit der Deckung? - Aber vielleicht gebe ich Ihnen dazu nachher noch das Wort. Jetzt hat zunächst der Herr Abgeordnete Dr. Müller ({0}) das Wort.

Dr. Günther Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001548, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der deutschen Öffentlichkeit und vor allem in der deutschen Jugend, gerade in der studentischen Jugend, herrscht seit vielen Monaten Unruhe über unsere Gesellschaft. Ich glaube, diese Unruhe kommt im wesentlichen daher, daß diese Öffentlichkeit und diese Jugend erkannt haben, daß die Einrichtungen dieser parlamentarischen Demokratie nicht unbedingt den Vorstellungen der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts entsprechen. ({0}) Es wird so viel von Establishment gesprochen und vom Widerstand dagegen. Es wird so viel von der Chancengleichheit der Demokratie gesprochen. Dabei wird vergessen, daß die Chancengleichheit auch in diesem Hause nicht gegeben ist. ({1}) Hier verhält es sich ähnlich wie mit dem allgemeinen Anspruch auf Bildung. Wenn ich das nötige Kleingeld für die Bildung nicht habe, dann nützt mir der Anspruch auf Bildung nichts. Und wenn ich nicht als Abgeordneter die Arbeitsbedingungen habe, dann nützt es mir und anderen Abgeordneten, die über bessere Bedingungen verfügen, weil sie das nötige Kleingeld haben oder weil sie Verbandsgeschäftsführer sind oder sonst Funktionen haben, gar nichts; dann ist die Chancengleichheit eben nicht gegeben. ({2}) Der Herr Kollege Brese hat vorhin von der Arbeit gesprochen. Ich habe mir mein Studium als Arbeiter, als Stahlrohrgerüstbauer, verdient. Ich bin aber nicht in diesen Bundestag gewählt worden - um das klar zu sagen -, um meine Zunge in erster Linie zum Ablecken der Briefmarken zu benutzen, die ich auf die Briefe kleben muß. Ich bin auch nicht dazu in den Bundestag gewählt worden, daß ich täglich Kilometer zu Fuß zurücklege, um überhaupt einmal an meine Post heranzukommen. ({3}) Ich bin auch nicht in den Bundestag gewählt worden, um Ansuchen von Wählern, von Leuten draußen nicht vertreten zu können, weil mir nicht einmal jemand zur Verfügung steht, der einen Kontakt mit dem Ministerium herstellt; ich muß zwei Stunden lang wegen so einer Sache telefonieren. ({4})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Dr. Günther Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001548, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Bitte, gerne.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Herr Abgeordneter Dr. Mommer!

Dr. Karl Mommer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001529, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Müller, könnten Sie nicht das ins Auge fassen, was viele von uns tun und was auch ich jahrelang getan habe, nämlich aus den Mitteln, die der Bundestag Ihnen zur Verfügung stellt - Bürokostenpauschale -, allein oder mit anderen eine Ganztags- oder Halbtagssekretärin zu finanzieren, so daß das Briefmarkenlecken dann jemand anders besorgen kann? ({0})

Dr. Günther Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001548, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Mommer, ich bin für diese Frage wirklich dankbar, denn hier kann ich vor der deutschen Öffentlichkeit sagen, daß das, was ich mit meiner Frau tue, indem ich sie ausbeute, ohne daß sie dafür ein Entgelt erhät, im Grunde ein Skandal ist. Meine Frau hat im letzten Jahr ohne Bezahlung 3700 persönliche Briefe geschrieben. Ich kann das nicht von den 600 DM Unkostenpauschale bezahlen. Ich lege es Ihnen gerne vor, so wie ich den Wählern meines Wahlkreises die Abrechnung vorgelegt habe. ({0})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Bühler?

Dr. Günther Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001548, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Gern, bitte!

Karl August Bühler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000296, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege, ist Ihnen bekannt, daß die Wissenschaftliche Abteilung des Bundestages, die für uns unentbehrlich ist, zur Zeit zerrissen, zerteilt ist und daß sich zum Teil andere in ihren Büros - anscheinend für Jahre - etablieren und daß der Bundestag glaubt, die Einrichtungen für die kosmetische Verschönerung, den Friseursalon, bevorzugt im alten Hochhaus unterbringen zu müssen? Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie dazu Stellung nehmen würden.

Dr. Günther Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001548, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege, ich bin Ihnen für diese Frage wirklich sehr dankbar. Ich will Ihnen eine Erfahrung berichten. Ich habe mich bemüht, über die Wissenschaftliche Abteilung des Deutschen Bundestages ein Exemplar der New York Times zu bekommen, in dem ein Interview mit einem gewissen Herrn Dutschke stand. Es wurde mir mitgeteilt, daß der Deutsche Bundestag wegen der schwierigen Finanzlage leider nicht einmal in der Lage sei, sich die bedeutendste Zeitung der Vereinigten Staaten, die New York Times zu halten. ({0}) Wenn man das betrachtet und wenn man - ({1}) - Das ist eine Tatsache, so leid es mir tut.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dorn.

Wolfram Dorn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000409, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Kollege Müller, sollte es Ihnen in Ihrer jahrelangen Tätigkeit in diesem Hause völlig entgangen sein, daß Sie jederzeit von jeder großen Tageszeitung, von jeder großen deutschen wie ausländischen Tageszeitung photokopierte Presseauszüge in der Pressestelle dieses Hauses bekommen können?

Dr. Günther Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001548, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Dorn, es tut mir leid, anscheinend haben Sie nicht diese Erfahrungen wie ich gemacht. Die Kollegen, die bei der Presseauswertung arbeiten, habe ich gebeten, die New York Times zu besorgen. Sie haben gesagt, sie könnten es nicht tun. Sie haben es dann schließlich über die amerikanische Botschaft gemacht und haben mir nach ein paar Tagen eine Photokopie zugestellt. Ich klage diese Leute nicht an. Ich bedauere nur, daß das Parlament der zweitgrößten Handelsmacht, wie es so schön heißt, und drittgrößten Industrienation der Welt unter solchen Bedingungen arbeiten muß. ({0}) Aber lassen Sie mich noch ein paar Bemerkungen zu dem Zweiklassensystem oder auch Dreiklassensystem, wie es mein Kollege Apel einmal genannt hat, in diesem Hause machen. Ich habe im letzten Jahr eine Woche lang den amerikanischen Kongreß studiert. Ich möchte gleich vorausschicken, daß man die Vereinigten Staaten nicht mit der Bundesrepublik vergleichen kann. Ein Abgeordneter des amerikanischen Repräsentantenhauses hat elf bezahlte Hilfskräfte, die ihm für die Arbeit zur Verfügung stehen. Das ist eine Tatsache, die nicht abzuleugnen ist. Ich fordere das nicht für den Deutschen Bundestag. ({1}) - Herr Brese, Sie haben recht, wir sind in Deutschland. Das haben mir die Amerikaner auch gesagt; wir seien eine noch junge Demokratie; wir müßten noch lernen, daß zur Demokratie Chancengleichheit auch im Parlament gehört. Genau das haben sie mir in Amerika gesagt. ({2}) Und Herr Kollege Brese, weil ich Sie gerade angesprochen habe: Es amüsiert mich ein bißchen, welche Wege zu den Ministerien Sie machen und was Sie alles hier leisten. Ich frage mich nur, wann Sie dazu kommen, noch wichtige Bücher zu lesen, die Sie lesen müssen, wenn Sie hier in diesem Hause mitarbeiten wollen. ({3}) Meine Damen und Herren, lassen Sie mich eine letzte Bemerkung machen. Ich glaube, daß diese Chancengleichheit, die in einer Demokratie einfach vorhanden sein muß, wenn die Demokratie funktionieren soll, hergestellt werden muß. Sie ist in vielen kleinen Dingen in diesem Hause nicht vorhanden. Das beginnt sogar schon bei der Anwesenheitsliste. Ich will in diese Details gar nicht einsteigen, denn sonst würde das noch viel delikater werden. Ich will das heute gar nicht tun. Aber ich möchte mich mit einem Argument zum Schluß noch auseinandersetzen. Es wird immer wieder behauptet, die Öffentlichkeit draußen habe angesichts der Haushaltslage kein Verständnis für einen solchen Beschluß. Meine Damen und Herren, genau das Gegenteil ist der Fall. Ich hatte ein Gespräch mit dem Münchener Presseklub; der Kollege Konstantin von der CSU war dabei und auch der Kollege Felder von der SPD. Die Journalisten haben uns gesagt: Unter diesen Bedingungen, wie Sie arbeiten, wären wir nicht bereit, zu arbeiten, und wir verstehen das nicht; Sie haben doch die Macht als Volksvertreter, das zu ändern, und Sie haben so wenig Mut, eine solche Kleinigkeit zu ändern. Was kann man dann, so sagten Sie, von diesem Parlament überhaupt erwarten! ({4}) Ich glaube, daß die Öffentlichkeit draußen Verständnis hat. Viele meinen, wir hätten diese Einrichtungen schon; ich darf das gleich noch hinzufügen. Aber ich glaube - das ist mir persönlich ein echtes Anliegen: Wenn wir wirklich die Chancengleichheit in diesem Hause herstellen wollen, wenn wir den Abgeordneten in diesem Hause die Instrumente in die Hand geben wollen, die notwendig sind, um in einer so hoch technisierten Gesellschaft in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts überhaupt noch Politik treiben zu können, dann leisten wir der deutschen Demokratie einen guten Dienst. Ich will eine Einschränkung machen. Ich glaube, es steht auch in einem Antrag des Kollegen Klepsch, daß der Bundestagsvorstand die Richtlinien zu bestimmen hat. Es müssen hier Einschränkungen gemacht werden, damit kein Mißbrauch getrieben werden kann. Es sollen keine Wahlkreisgeschäftsführer damit angestellt werden, sondern Leute, die wirklich hier im Hause helfen. Und deshalb glaube ich, wenn dieser Antrag angenommen wird - und ich spreche mich gegen die Überweisung aus -, dann wird der deutschen Demokratie ein guter Dienst erwiesen. ({5})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Das Wort hat der Abgeordnete Picard.

Walter Picard (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001714, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, es ist sehr zu begrüßen, daß wir in diesem deutschen Parlament zu einer Zeit, in der es in der deutschen Öffentlichkeit mit erheblichen Fragezeichen versehen wird, wo man beginnt zu fragen, ob der Parlamentarismus noch funktioniert, endlich begonnen haben, über uns selbst in diesem Hohen Hause zu reflektieren. Ich habe vorhin von Herrn Vizepräsidenten Mommer mit eindringlichen Worten den Appell an die Verantwortung und an das Augenmaß vernommen. Ich glaube, die Antragsteller haben genau aus diesen beiden Gründen, Herr Vizepräsident, diesen Antrag gestellt. Warum denn? Wenn wir in diesem Parlament. die Verantwortung, die wir haben, zur gegenwärtigen Zeit wirklich wahrnehmen wollen, muß man einmal überlegen, ob wir dazu in der Lage sind. Herr Kollege Müller hat von dem Zweiklassensystem im Parlament selbst gesprochen. Ich möchte einmal alle diejenigen, die schon viele Jahre hier im Bundestag sind, bitten - ich gebe gern zu, ich habe meine Erfahrungen etliche Jahre in einem Landtag gesammelt und jetzt zweieinhalb Jahre hier -, einmal ehrlich zu überlegen, ob wir die Funktion des Parlaments als Kontrollorgan und als Legislativorgan wirklich aus eigener Kraft bisher schon wahrgenommen haben. Es kommt nicht von ungefähr, daß eine ganze Menge von uns sich im Stillen darüber mokiert, daß der eine oder andere von uns die Rede, die er hier zum Haushalt eines Ministeriums hält, aus diesem Ministerium bezieht. ({0}) Ich spreche das ganz offen an. Wir haben in den letzten anderthalb Jahren so oft von der Stunde der Wahrheit gesprochen. Dieses Parlament muß sich einmal selber sehen, so wie es ist. Vor nicht langer Zeit hatte ich eine Gruppe von Kommunalpolitikern hier in diesem Bundestag. Seitdem ich Bürgermeister kleinerer Gemeinden, unter 3000 Einwohnern, durch dieses Parlament in mein Arbeitszimmer führte und mit ihnen darüber diskutieren konnte, unter welchen Voraussetzungen, mit welchen sächlichen und personellen Möglichkeiten wir arbeiten, hat niemand von diesen Kommunalpolitikern noch den Antrieb verspürt, vielleicht irgendwann einmal Bundestagsabgeordneter zu werden. Meine Damen und Herren, wenn wir uns selber so einschätzen wie ein durchschnittlicher Oberinspektor einer Kommunalverwaltung, dann können wir nicht beanspruchen, von der deutschen Öffentlichkeit noch ernst genommen zu werden.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Gestatten Sie eine Zwischenfrage? - Bitte sehr, Herr Abgeordneter Dr. Mommer.

Dr. Karl Mommer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001529, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Picard, Sie haben soeben gesagt, es gebe Kollegen, die ihre Reden aus den Ministerien beziehen. Sind Sie sich bewußt, daß das eine schwere Anschuldigung ist und daß Sie die nicht machen dürften, es sei denn, daß Sie Namen nennen. ({0})

Walter Picard (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001714, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Vizepräsident, ob das eine schwere Anschuldigung ist, mag das Parlament entscheiden. Ich stehe nicht hier, um irgend jemanden anzuschuldigen. ({0}) Herr Vizepräsident, ich stehe nur hier, um die Dinge so zu nennen, wie sie sind. ({1}) - Nein, nicht für dieses Haus. Ich habe es auch nicht für dieses Haus gesagt, Herr Kollege, sondern ich habe nur einmal festgestellt, daß das, wenn es so ist, für dieses Haus nicht mehr zu ertragen sei.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Kliesing? - Bitte.

Dr. Georg Kliesing (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001130, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege, ich hatte den Sinn Ihrer Anspielung auf die Ministerien etwas anders verstanden, nämlich dahin, daß Sie sagen wollten, daß man sich der wissenschaftlichen Mitarbeit der Ministerien bedienen wolle. Wenn das Ihr Anliegen ist, möchte ich Sie fragen, ob sich an diesem Zustand durch die Einstellung von 500 Bürokräften etwas ändern würden oder ob es nicht zweckmäßiger wäre, das hier vorgesehene Geld zur Verfügung zu stellen, um die wissenschaftlichen Mitarbeiterstäbe der Fraktionen zu verstärken. ({0})

Walter Picard (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001714, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Kliesing, ich stehe hier, um den Antrag, der eingebracht ist, zu vertreten. Mir ist kein Antrag bekannt, der darauf abzielt, die Ausstattung der Fraktion mit wissenschaftlichen Mitarbeitern zu verstärken. Ich muß darüber nachdenken, welche Möglichkeiten ich habe. Wir haben schließlich nicht nur in unserer Fraktion, sondern auch in diesem Parlament viele Monate darüber diskutiert, welche Möglichkeiten es gibt. Ich persönlich, Herr Kollege Kliesing, bewundere alle diejenigen, die bisher ohne solche Möglichkeiten, die wir für nötig erachten, gearbeitet haben. Ich bewundere sie deshalb, weil sie mit einem beinahe übermenschlichen Maß an persönlichem Einsatz hier ihre Leistungen vollbracht haben. Gerade dieser Tage habe ich die dritte Ergänzungslieferung zum „Amtlichen Handbuch des Deutschen Bundestages - 5. Wahlperiode" gesehen. Beim Durchblättern mußte ich mich allerdings fragen, woher ,es kommt, daß ein erheblicher Prozentsatz von Mitgliedern dieses Hauses in jüngeren oder mittleren Jahren einfach deshalb ausscheiden muß, weil das Übermaß an Arbeit die physischen Kräfte aufgezehrt hat. Lassen Sie mich noch einen anderen Gedanken äußern. Vor wenigen Wochen war draußen eine kleine Gruppe von, sagen wir einmal, SDS-Opponenten oder Revolutionären, wenn Sie so wollen. Das war anläßlich der Studentendebatte hier in diesem Hause. Es gab eine Diskussion, an der sich einige Kollegen beteiligt haben. Worauf ging der 8718 Deutscher Bundestag - 5. Wahlperiode - 166. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 3. April 1968 Angriff? - Sicher überspitzt, sicher weit über das Ziel hinaus, aber im Grunde zu Recht dagegen, daß man das, was in diesem Parlament geschehe, von draußen gar nicht mehr genügend zu durchschauen und deshalb auch nicht mehr zu begreifen vermöge. Wir haben z. B. ein Finanzänderungsgesetz gemacht mit Auswirkungen im sozialen Bereich, die wir heute noch nicht genügend überblicken. Ich empfinde das nicht nur als unbefriedigend, sondern ich finde es für die Demokratie geradezu gefährlich, wenn wir hier selber Entscheidungen zu treffen haben, die wir deshalb in ihrer Bedeutung, ihrer Tragweite und ihren Auswirkungen nicht zu überblicken vermögen, weil wir ein Ein-Mann-Betrieb sind, der sich mit allen möglichen Nebensächlichkeiten befassen muß, aber sich nicht mit den Hauptsachen beschäftigen kann. ({0}) - Nein, wir sind kein Selbstbedienungsladen, Herr Brese. Deswegen haben wir den Antrag so formuliert, daß eis nicht zum Selbstbedienungsladen ausufern kann. ({1}) Wir wollen uns ja den Richtlinien des Präsidiums unterwerfen. Wir wollen weder einen einzigen Pfennig mehr haben, noch irgendwelche sonstigen Vergünstigungen. Was wir haben wollen, Herr Kollege Brese, das sehen Sie im Antrag ganz deutlich, ist eine Möglichkeit, bessere personelle und sachliche Arbeitsmöglichkeiten zu bekommen. Wir wollen niemand zwingen, sie in Anspruch zu nehmen, wir wollen nur die Möglichkeit bieten, und Sie können ,sicher sein, daß der Prozentsatz der Kollegen hier, die darunter leiden, davon Gebrauch machen wird, nicht um das zu mißbrauchen, sondern um das zu gebrauchen.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Kliesing? ({0})

Dr. Georg Kliesing (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001130, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Picard, glauben Sie, daß der Bundestagsvorstand oder irgendein anderes Gremium in der Läge wäre, derartig vollkommene Richtlinien aufzustellen, daß ein Mißbrauch ausgeschlossen wäre?

Walter Picard (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001714, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Kliesing, sind Sie wirklich der Auffassung, daß unsere jetzige Regelung nicht auch unterschiedliche Vergünstigungen schafft? Ich will Ihnen nur ein Beispiel anführen. Wenn Sie, so wie ich, einen Wahlkreis mit 100 km Durchmesser und 163 Gemeinden haben, und vergleichen sich mit einem Kollegen, der entweder einen Wahlkreis in einer Großstadt oder der gar keinen Wahlkreis hat - bitte, wo finden Sie im Diätengesetz oder bei den Entschädigungen die Regelung, die diese Tatbestände entsprechend berücksichtigt? Die finden Sie doch auch nicht. ({0})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Fellermaier? ({0})

Ludwig Fellermaier (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000533, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Picard, darf ich Sie im Anschluß an die Frage des Kollegen Dr. Kliesing fragen, ob. Sie nicht die Meinung teilen, daß die Mitglieder dieses Hohen Hauses, wenn der Vorstand Richtlinien erläßt, die Richtlinien nicht dazu benützen, sich persönlich zu bereichern? ({0})

Walter Picard (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001714, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Aber selbstverständlich muß man doch von jedem Mitglied dieses Parlaments, meine Damen und Herren, unterstellen, daß wir nicht bierhergekommen sind, um irgendwelche privaten Bereicherungsgeschäfte zu machen. ({0}) Ich verwahre mich gegen dieses unverständliche Mißtrauen. Wir haben die Aufgabe, als Deutscher Bundestag die Demokratie glaubhaft, verständlich zu praktizieren, und nicht die Aufgabe, von der hier immer wieder in Fragen gesprochen wird. Ich kann das gar nicht verstehen. Lassen Sie mich den Versuch machen, diese Debatte auf den Kern zurückzuführen. ({1}) Ich habe damit begonnen. ({2}) - Ich will ja gleich aufhören. Ich kann mich an Debatten erinnern, wo ich da unten gesessen und Ihnen viel länger zugehört habe. ({3}) - Doch, sehr wohl! Mit Aufmerksamkeit sogar! Lassen Sie mich den Versuch machen, diese Debatte auf den Kern zurückzuführen. Dieses Parlament ist Pendant zur Regierung, ist Legislativ- und Kontrollorgan. Das Gewicht dieses Parlaments hängt davon ab, ob es diese Aufgabe - die wir uns nicht selber zugesprochen haben, sondern die wir im Auftrag der Verfassung zu erfüllen haben - wirklich in der Lage ist zu erfüllen. Ich sehe, wenn Sie, meine Damen und Herren, diesem Antrag zustimmen, eine wesentliche bessere Möglichkeit, diese unsere Aufgabe zu erfüllen. Abschließend darf ich noch sagen: Die beantragte namentliche Abstimmung findet unsere Zustimmung. Wir bitten gleichfalls um namentliche Abstimmung. ({4})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Meine Damen und Herren, ehe ich das Wort weiter gebe, möchte ich in meiner Eigenschaft als Chef der Bundestagsverwaltung folgendes zu einer Behauptung sagen, die der Herr Abgeordnete Dr. Müller ({0}) aufgestellt hat. Die europäische Ausgabe der „New York Times" wird im Referat Pressedokumentation gehalten und täglich ausgewertet. ({1}) Präsident D. Dr. Gerstenmaier Der Herr Abgeordnete Dr. Müller hatte seinerzeit einen Beitrag aus der amerikanischen, in New York erscheinenden Ausgabe verlangt. Diese Ausgabe wurde Herrn Dr. Müller über die Botschaft der Vereinigten Staaten von Amerika von der Pressedokumentation am übernächsten Tage zugestellt. ({2}) Das Wort hat der Herr Abgeordnete Hermsdorf.

Hans Hermsdorf (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000883, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn man diesem Antrag mit einigen Sympathien gegenübersteht oder gegenübergestanden hat, dann haben die Bemerkungen des Herrn Dr. Müller nicht dazu beigetragen, diesen Antrag zu stützen. ({0}) Es ist keine Frage, daß die Arbeitsbedingungen in diesem Hause für die Mehrzahl der Abgeordneten dieses Hauses nicht würdig sind. Es ist weiter keine Frage, daß laufend der Versuch gemacht worden ist und weiter gemacht wird, die Arbeitsbedingungen dieses Hauses zu verbessern. ({1}) - Einen Augenblick! Ich versuche hier, ein wenig ohne Emotionen an die Sache heranzugehen. Ich möchte doch alle Kollegen daran erinnern, daß wir in diesem Hause und in den Fraktionen über zwei Legislaturperioden darum gerungen haben, ob es in diesem Hause eine Altersversorgung geben soll. Die Fraktionen haben sich entschieden, diese Altersversorgung zu machen, und wir haben dem mit großer Mehrheit zugestimmt. Nun frage ich Sie erstens, meine Damen und Herren, ob es psychologisch sehr klug ist, nun gleich diese erneute Belastung nachzuschieben. Zweitens möchte ich Ihnen noch einmal in aller Form sagen: Ich bin genauso wie die Fürsprecher dieses Antrags daran interessiert, daß es bessere Arbeitsmöglichkeiten gibt; aber so, wie sie diesen Antrag aus der la main dem Hause zur Beschlußfassung vorlegen, so unsauber können wir in diesem Hause nicht arbeiten. ({2}) - Nein, ich gestatte keine Zwischenfrage. ({3}) Ich gestatte die Zwischenfrage nicht, sondern ich will Ihnen genau sagen, worum es mir jetzt geht. In dem Antrag heißt es: „jeweils gegen Nachweis". Nun, meine Damen und Herren, das muß einmal sehr ausgependelt werden; wie das sein soll. Wir können nicht einen solchen Antrag beschließen, ohne zu wissen, was „gegen Nachweis" heißt. Zweitens heißt es in dem Antrag, daß der Bundestag Richtlinien für die Handhabung erlassen kann. Ich bin der Meinung, er müßte sie erlassen. Auch hier gibt es andere Möglichkeiten. Und weiter: Was würde es Ihnen denn nützen, wenn Sie heute diesen Antrag beschließen würden? Wie wollen Sie es erstens möglich machen, sofort alle diese Personen zur Verfügung zu haben? Und wo wollen Sie sie zweitens unterbringen? Ich war für den Entschließungsantrag, ich war für die Verweisung, um darüber reden zu können. Wenn Sie hier aber einen Aufstand der Politologen haben wollen, dann können Sie ihn haben, dann können wir ihn auch ablehnen. Denn Unseriöses kann dieses Haus nicht beschließen, und außerdem haben wir keine Deckung. Zweitens haben wir keine räumliche Möglichkeit, die Leute unterzubringen, und drittens haben wir auch kein Personal. Wer das beschließen will, der tut mir leid. ({4})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Das Wort hat Herr Abgeordneter Ertl.

Josef Ertl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000493, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Antragsteller haben sicherlich die Absicht, die Arbeitsmethoden und die Leistungsfähigkeit der Parlamentarier zu stärken. Das ist sicherlich das Positive an diesem Antrag. Um so mehr aber, meine ich, sollte man die Bemerkungen des Kollegen Mommer berücksichtigen, daß ein solcher Antrag einmal im Ausschuß und im Bundestagsvorstand mit allen Möglichkeiten genau diskutiert werden sollte, auch in der Kombination: wie kann man den wissenschaftlichen Hilfsdienst verbessern? Dabei kann ich für meine Fraktion erklären, wir sind mit dem wissenschaftlichen Hilfsdienst, insbesondere mit der Art, wie er die Arbeit bisher ausgeführt hat, bestens zufrieden. ({0}) Das gilt für die Pressearbeit wie auch für den übrigen wissenschaftlichen Hilfsdienst.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Rawe?

Wilhelm Rawe (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001786, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Ertl, ist Ihnen bekannt, daß der Bundestagsvorstand sich schon anderthalb Jahre mit dieser Frage befaßt oder zumindest hätte befassen können? Denn so lange ist ihm dieser Antrag schon bekannt. ({0})

Josef Ertl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000493, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Kollege, mir ist das sehr wohl bekannt. Wenn Sie die Zeitungen gelesen hätten, dann hätten Sie feststellen können, daß ich in dieser Frage schon einmal die Ehre hatte, mit dem Herrn Präsidenten einen kleinen Wortwechsel zu führen, und zwar über die Funktionsfähigkeit der Abgeordneten überhaupt, beispielsweise auch bei An- und Abreise. ({0}) Das ist auch der Grund, warum ich hier das Wort ergreife. Ich begrüße es, daß hier einmal über die Arbeitsmethoden dieses Hohen Hauses gesprochen wird. Wir leben heute in einer Zeit, in der man überall den modernen pädagogischen und psychologischen Erkenntnissen Rechnung trägt. Da wäre es meines Erachtens auch in diesem Hohen Hause an der Zeit, diesen modernen psychologischen und pädagogischen Erkenntnissen Rechnung zu tragen. Jeder Pädagoge wird Ihnen sagen, daß beispielsweise nachmittags um fünf Uhr ein pädagogisches Tief ist und daß man deshalb am besten keinen Unterricht hält. Wir aber debattieren acht Stunden lang, obwohl jedermann weiß, daß nach vier Stunden die geistige Kapazität erschöpft ist. Auch das ist eine Frage, die man einmal klären muß. Vielleicht hält man eine Vormittagssitzung, eine Mittagssitzung und eine Abendsitzung mit entsprechenden Unterbrechungen. Dann hätte der Kollege Müller beispielsweise mehr Zeit, zwischendurch Briefe zu diktieren. Es muß doch einmal die Frage geklärt werden, warum man nicht sinnvolle Pausen einlegt. Ein weiterer Punkt: Uns allen machen die vielen Eingaben sehr zu schaffen. Sie sind legitim, und es spricht für die Lebendigkeit der Demokratie, daß ein Abgeordneter Briefe mit Anliegen bekommt. Sie müssen erledigt werden. Sollte man nicht im Parlament einen Ausschuß schaffen und ihn mit qualifizierten wissenschaftlichen Hilfskräften besetzen, die für die Abgeordneten diese Aufgabe übernehmen und den Fällen nachgehen? Das würde uns sehr entlasten. Das wäre mir lieber, als wenn 2000 DM zur Verfügung gestellt werden. Eine dritte Frage betrifft das Papier in diesem Hohen Haus. Es ist in der Tat nicht sinnvoll, daß man Drucksachen abholt, sie weiß Gott wohin schleppt und sie mit in den Plenarsaal nimmt. Warum kann man die Drucksachen nicht gebündelt vorlegen? So gäbe es viele Punkte. Ich meine, bevor über diesen Antrag global entschieden wird, sollte zuerst gemeinsam geprüft werden, wie die Arbeitsmethode in diesem Hohen Haus effektiver werden kann. Dann wird auch die Leistungsfähigkeit des Abgeordneten angehoben. Das sollte der Sinn des Antrags sein. Daher kann ich ihm in der jetzigen Form nicht zustimmen. Herr Kollege Rutschke hat mit Recht daran erinnert, daß wir Freien Demokraten einen unabhängigen Senat für alle diese Fragen haben wollen, damit wir aus dem Geruch herauskommen, daß die Abgeordneten selbst über ihr eigenes Geld bestimmen. Wir wollen uns um der Objektivität willen gern einem unabhängigen Urteil beugen. Auch das ist ein Stück Glaubwürdigkeit der Demokratie. ({1})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Ehe ich das Wort dem Herrn Abgeordneten Dorn gebe, möchte ich folgendes sagen, meine Damen und Herren. 1. Der Änderungsantrag des Herrn Abgeordneten Dr. Mommer zum Änderungsantrag der Abgeordneten Dr. Klepsch und Genossen ist zulässig. 2. Der § 96 der Geschäftsordnung kann während der Haushaltsberatung - das steht zwar nicht in der Geschäftsordnung, aber es ergibt sich aus dem Sinn - nicht angewandt werden. Das bedeutet, daß Anträge, die das Gesamtvolumen des Haushalts ändern, einer Deckungsvorlage hier im Haus bedürfen. Ich muß also die Unterzeichner des Änderungsantrags Umdruck 399 bitten, hier einen Deckungsvorschlag zu machen, über den das Haus befinden muß. Wenn der Antrag nämlich so, wie er steht, angenommen würde, würde sich die Endsumme des Haushalts um diesen Betrag von etwas mehr als 7 Millionen DM erhöhen. Ich bitte also, sich damit weiter auseinanderzusetzen. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dorn.

Wolfram Dorn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000409, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir Freien Demokraten unterstützen sowohl den Überweisungsantrag des Kollegen Mommer als auch, falls er abgelehnt werden sollte, seinen Antrag auf namentliche Abstimmung. ({0}) In dieser Diskussion ist von vielen Kollegen ohne Zweifel manches an berechtigter Kritik vorgetragen worden. Das wollen wir gar nicht bestreiten. Aber ich meine, daraus muß man auch Konsequenzen für die Arbeitsmethode des eigenen Hauses ziehen. Wie wollen Sie es eigentlich sachlich vereinbaren - lassen Sie mich das in aller Offenheit sagen -, daß wir morgen früh von 9 Uhr bis wahrscheinlich 13 Uhr hier im Plenum zusammensitzen, daß für 13.15 Uhr - also genau für die Zeit, wo wir mittag-essen könnten - eine Sitzung des Innenausschusses angesetzt worden ist zur Beratung der Notstandsgesetzgebung, damit man das noch vor Ostern eben unter den Tisch fegen kann - in der Ausschußberatung -, und daß wir dann um 14.30 oder 15 Uhr hier im Plenum wieder weiterarbeiten sollen? Das ist ein unmöglicher Arbeitsrhythmus, der im Endergebnis genau dazu führt, die Abgeordneten physisch an den Rand ihrer Leistungsfähigkeit zu bringen. ({1}) Wir sollten nicht selbst dazu beitragen, das, was einfach nicht mehr zu verkraften ist, noch in der Weise zu verstärken, daß wir uns die letzte Chance einer Pause zum Mittag hier auch noch nehmen. Lassen Sie mich zu dem Vorwurf des Kollegen Picard ein Wort sagen. Wenn der Kollege Picard hier pauschal feststellt, daß Mitglieder dieses Hauses sich Reden aus den Ministerien geben lassen, ({2}) die sie hier vortragen, kann ich nur sagen: dann kann es sich auf Grund der Erfahrungen, die der Kollege Picard gemacht hat - denn er muß ja dafür einen Grund haben, das vorzutragen -, nur um Kollegen aus seiner eigenen Fraktion handeln. ({3}) Meine Fraktionskollegen haben in der Vergangenheit, als wir in der Regierung waren, keinen Gebrauch davon gemacht, und wir gedenken das auch in der Zukunft nicht zu tun. ({4})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Herr Abgeordneter Dr. Klepsch!

Dr. Egon Alfred Klepsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001127, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen! Ich bin auf zwei Fragen des Herrn Präsidenten eine Stellungnahme schuldig. Das erste ist die Frage nach dem Deckungsvorschlag. ({0}) - Sie liegen ganz richtig, Herr Kollege Rutschke. -Namens der Antragsteller schlagen wir vor, daß alle Informationstitel der einzelnen Ressorts der Bundesregierung anteilmäßig um insgesamt diesen Betrag gekürzt werden. ({1}) Zweitens ({2})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Einen Augenblick! Ich wiederhole - wir können jetzt diesen Antrag nicht verteilen -: ,, Alle Informationstitel der einzelnen Ressorts der Bundesregierung sollen anteilsmäßig um insgesamt diesen Betrag gekürzt werden." - Ich danke vielmals.

Dr. Egon Alfred Klepsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001127, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Zu der zweiten Frage, der geschäftsordnungsmäßigen Behandlung des Antrags des Kollegen Mommer: Verehrter Herr Präsident, ich habe bei der Betrachtung des Werkes „Parlamentsrecht und Parlamentspraxis" - das Werk ist allen Kollegen von Ihnen aus zugegangen und befindet sich auch bei den Hilfen, die den Abgeordneten für die Abfassung von Anträgen und Anfragen zugegangen sind - auf Seite 11 folgende Feststellung gefunden: Bei Änderungsanträgen zu Änderungsanträgen ist der Grundsatz zu beachten, daß vor einer Abstimmung über den Hauptantrag zunächst über den Änderungsantrag abgestimmt wird. Das gilt auch für eine Änderung zum Änderungsantrag. Ein Änderungsantrag zu einem Änderungsantrag schafft somit in der Abstimmung die Priorität gegenüber dem ursprünglichen Änderungsantrag. ({0}) Diese Priorität läßt sich nur rechtfertigen, wenn der Änderungsantrag - und jetzt kommt das Entscheidende - zum Änderungsantrag tatsächlich den Änderungsantrag im Wortlaut ändert. ({1}) Er ist dagegen nicht als zulässig anzusehen, wenn er einen bereits vorliegenden Änderungsantrag nicht im Wortlaut ändern will, sondern zu ihm ih Konkurrenz tritt. In diesem Falle muß er als weiterer Änderungsantrag behandelt werden und genießt nicht ohne weiteres Priorität vor dem zuerst eingebrachten Änderungsantrag, auch wenn er sich rein formal auf ihn bezieht. Es muß vielmehr über den zuerst eingebrachten Änderungsantrag abgestimmt werden. Das ist der Text. ({2})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Herr Kollege Dr. Klepsch, wenn die gescheiten Kommentare noch so gescheiter Kommentaroren für die Handhabung der Geschäftsordnung verbindlich werden sollten, müßten wir einen neuen Brauch in diesem Hause einführen. ({0}) Im allgemeinen befinde ich mich in Übereinstimmung mit dem Kommentar, den Sie zitiert haben. Nur würde das, was Sie mir jetzt sagen, die Praxis in diesem Hause, wie wir sie jetzt seit beinahe zwanzig Jahren geübt haben, vollständig ändern, und so etwas werden wir im Handgalopp mit Bestimmtheit nicht tun. Ich werde deshalb hier von § 128 der Geschäftsordnung unverzüglich Gebrauch machen und lasse abstimmen über den Änderungsantrag des Abgeordneten Dr. Mommer zum Änderungsantrag auf Umdruck 399. Der Änderungsantrag des Herrn Abgeordneten Dr. Mommer lautet: „Der Bundestagsvorstand wolle prüfen ..." - Ich mache noch einmal darauf aufmerksam, daß, wenn dieser Änderungsantrag angenommen wird, damit natürlich die Überweisung an den Bundestagsvorstand beschlossen ist. Ist die Abstimmungslage klar? ({1}) Ich lasse also über den Änderungsantrag des Herrn Abgeordneten Dr. Mommer, den ich soeben vorgelesen habe, abstimmen. Wer diesem Änderungsantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - 2 Enthaltungen! - Das erste war die Mehrheit. Der Änderungsantrag des Herrn Abgeordneten Dr. Mommer zum Änderungsantrag auf Umdruck 399 ist angenommen. Diese Angelegenheit ist also an den Bundestagsvorstand überwiesen, und zwar ohne aufschiebende Wirkung für die Verabschiedung des Bundeshaushalts 1968. Wir kommen jetzt zu dem Änderungsantrag auf Umdruck 400 *). Ich frage einen der Antragsteller -Änderungsantrag der Abgeordneten Schmitt-Vockenhausen, Frau Jacobi ({2}) und Genossen -, ob das Wort zur Begründung gewünscht wird. Frau Abgeordnete Jacobi!

Maria Jacobi (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000999, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe nicht die Absicht, Ihre bedrängte Zeit lange in Anspruch zu nehmen. Ich stelle den Antrag, diesen Änderungsantrag an den Bundestagsvorstand zu überweisen. Ich habe seit Monaten die Absicht gehabt, die Arbeit der Ausschußassistenten in diesem Hause in ein bes- *) Siehe Anlage 3 Frau Jacobi ({0}) seres Licht zu bringen. Es ist vielen nicht klar, welche Vielseitigkeit, Breite und Intensität die Arbeit dieser Ausschußassistenten hat. Sie ist allerdings nicht vergleichbar mit der Arbeit der Ministerialräte in den Ministerien. Gerade darum ist in diesem Antrag ein neuer Weg beschritten worden. Ich hatte die Absicht, darauf aufmerksam zu machen, daß in dem Gutachten, das der Bundesrechnungshof über die Arbeit dieses Hauses erstellt hat, sehr viele widersprüchliche Aussagen zu der Arbeit der Ausschüsse und ihrer Assistenten enthalten sind. Ich möchte den Bundestagsvorstand bitten, diese Aussagen besonders zu prüfen. Ich möchte außerdem darum bitten, daß dieser Antrag gleichzeitig dem Innenausschuß überwiesen wird. Denn der Innenausschuß beschäftigt sich in den nächsten sechs Monaten mit dem Besoldungsneuregelungsgesetz, und es wäre gut, wenn auch die Beamten dieses Hauses mit in die Betrachtung einbezogen würden. Ich bitte also um Abstimmung darüber: Überweisung an den Bundestagsvorstand, von dessen guten Absichten ich unterrichtet bin, und an den Innenausschuß. ({1}) - Und Haushaltsausschuß. ({2})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Schmitt-Vockenhausen.

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002033, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Geschäftsordnungsmäßig muß wohl auch dieser Antrag in einen Entschließungsantrag umgewandelt werden, damit er beraten werden kann. Ich bitte das Hohe Haus, wie bei dem vorhergehenden Antrag zu verfahren. ({0})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Meine Damen und Herren, ich habe den Eindruck, daß damit die weiteren Wortmeldungen zu diesem Antrag erledigt sind. Wenn keine weiteren Wortmeldungen erfolgen, würde ich auch hier zunächst einmal über den Änderungsantrag zum Änderungsantrag abstimmen lassen. Hier ist die Absicht, ihn zu einem Entschließungsantrag zu verwandeln. Nun, Herr Kollege Schmitt-Vockenhausen, das macht mir geschäftsordnungsmäßig in der Tat selber Beschwer. Im Unterschied zu den Einwänden des Herrn Kollegen Dr. Klepsch machen mir Ihre Vorschläge, Änderungsanträge in Entschließungsanträge umzuwandeln, eine gewisse Beschwer. Das Richtige wäre, wenn Sie das wollen, jetzt den Änderungsantrag abzulehnen und ihn in der dritten Lesung als Entschließungsantrag neu einzubringen, so daß wir ihn nach der dritten Lesung, wie es die Geschäftsordnung will, als richtigen Entschließungsantrag behandeln und verabschieden können. Sind Sie einverstanden?

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002033, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin natürlich auch mit diesem Vorschlag einverstanden.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Dann darf ich unterstellen, daß die Antragsteller diesen Änderungsantrag zurückgezogen haben. Meine Damen und Herren, jetzt kommt der Einzelplan 02 im ganzen. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dichgans.

Dr. Hans Dichgans (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000380, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Es sind Zweifel aufgetaucht, ob bei der zweiten Beratung hier auch allgemeine Ausführungen gemacht werden dürfen. Diese Zweifel haben mich überrascht. Denn bei allen übrigen Abschnitten des Haushalts wird eingehend diskutiert. Wir haben noch heute morgen drei Stunden über Wirtschaftspolitik diskutiert. Wir haben früher über Verteidigungspolitik und anderes diskutiert. Eine Diskussion über unsere eigene Arbeitsweise, über die Frage, ob das Geld, das wir uns selbst bewilligen, vernünftig angelegt ist, scheint mir deshalb um so notwendiger zu sein, weil der Haushaltsplan 02 die einzige Gelegenheit ist, wo man überhaupt darüber reden kann. ({0}) Wir können über Wirtschafts- und Verteidigungspolitik bei vielen anderen Anlässen reden. Aber über uns selbst reden wir niemals. Wie notwendig das ist, hat doch, glaube ich, die soeben abgeschlosene Debatte gezeigt. Es scheint mir notwendig zu sein, daß wir über uns selbst reflektieren. Aber ich glaube, wir sollten es nicht nur tun, wenn wir für uns selbst Geld beanspruchen, sondern wir sollten die Frage breiter stellen. Wir sollten uns auch kritisch die Frage vorlegen, ob unsere Arbeitsweise die richtige ist. Meine Damen und Herren, wir haben doch eine Reihe von Alarmzeichen. Ich weiß nicht, ob Sie wissen, daß, als der Kollege Gibbert starb -

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Eine Zwischenfrage!

Maria Jacobi (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000999, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident, ich wollte bitten, daß Sie schellen. Es ist in diesem Hause nichts zu verstehen. ({0})

Dr. Hans Dichgans (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000380, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Meine Damen und Herren, die Erregung wirkt noch nach; dafür habe ich durchaus Verständnis. Als der Kollege Gibbert gestorben war, haben nacheinander vier Kandidaten der Landesliste, die in den Bundestag gekommen wären, das Mandat abgelehnt. Vier Kandidaten! So wenig attraktiv ist das Bundestagsmandat inzwischen geworden. Gestern ist hier gesagt worden, wir müßten uns darum bemühen, daß die außerparlamentarische Opposition nicht eine antiparlamentarische OpposiDichgans tion würde. Ich bin völlig dieser Meinung. Aber diese außerparlamentarische Opposition hat doch bereits eine sehr erhebliche Komponente von antiparlamentarischen Stimmungen, und den Schlachtruf: „Alle Macht den Räten!" ({0}) wird man doch kaum als ein Bekenntnis zur parlamentarischen Demokratie ansehen können. ({1}) Meine Damen und Herren, wir können dieser Kritik, glaube ich, nicht damit begegnen, daß wir auf unsere Verdienste hinweisen. In einem internationalen Vergleich der Parlamente bestehen wir sicher gut, selbst in der leidigen Frage der Präsenz; sie ist im ganzen im Bundestag durchaus nicht schlechter als im englischen Unterhaus oder im amerikanischen Kongreß. Wir leisten eine sachliche Arbeit, und wir sollten auch dankbar registrieren, daß es hier eigentlich kaum Geschäftsordnungsdebatten gibt. Geschäftsordnungsdebatten sind bekanntlich die Plage vieler Parlamente. Wir verdanken es der Arbeit des Ältestenrats und auch der persönlichen Intervention von Präsident Gerstenmaier, daß die Plenardebatten im ganzen sachlich ablaufen. Wir sind auch sehr fleißig; ich würde sagen: im ganzen zu fleißig, was der Qualität unserer Arbeit deutlich schadet. ({2}) Damit sind wir bei dem Kern der Kritik. Die Kritik richtet sich nicht gegen unsere sachliche Arbeit; diese wird im allgemeinen anerkannt. Die Kritik richtet sich dagegen, daß dieser Bundestag so wenig politische Führung gibt. Und das ist deshalb der Fall, weil der Bundestag ständig überflutet ist von den technischen Fragen des Tages, von den Routinearbeiten. Wir haben so viele Einzelentscheidungen zu treffen, daß wir einfach nicht die Zeit finden, uns mit den großen Fragen zu beschäftigen, die doch politisch viel wichtiger sind als die 22. Novelle zu diesem oder jenem Gesetz. Was von uns erwartet wird, ist eine Aussage darüber, wie die politische Struktur, die soziale Struktur, die wirtschaftliche Struktur der Bundesrepublik etwa im Jahre 1975 sein soll, und darüber, was wir tun müssen, um diese Struktur zu erreichen. Was von uns erwartet wird, ist doch, daß wir uns die Frage stellen, ob die Gesetze, die wir einmal geschaffen und die wir in mühsamer Bastelarbeit immer wieder verbessert haben, als Ganzes heute noch den Anforderungen des Tages entsprechen. Beginnen wir etwa beim Grundgesetz! Als wir im Jahre 1949 das Grundgesetz schufen, gingen wir von der Auffassung aus, daß es nur für ganz wenige Jahre zu halten brauche. Wir glaubten damals, daß die Wiedervereinigung, bald bevorstehend, uns Gelegenheit geben würde, alle Mängel zu beseitigen. Wie die Stimmung damals war, sehen Sie ja z. B. auch aus der Konstruktion dieses Saales. Es ist mir gesagt worden, daß wir seine unglückliche Architektur u. a. der Auflage verdanken, daß er auch als Konzertsaal verwendbar sein sollte. Man hat nämlich damals geglaubt, wir brachten ihn gar nicht lange und müßten ihn also gleich als Mehrzwecksaal bauen. Meine Damen und Herren, inzwischen sind 20 Jahre vergangen, und es hat sich sehr vieles geändert. Wir haben auch eine Reihe von Änderungen des Grundgesetzes vorgenommen, aber immer nur ad hoc, aus einzelnen Fragestellungen heraus. Wir haben uns aber niemals die Frage vorgelegt, ob das Grundgesetz als Ganzes den heutigen Bedürfnissen noch entspricht. Ich werde Ihnen an diesem Nachmittag nicht ein komplettes neues Grundgesetz vorschlagen, beileibe nicht. Aber ich möchte Ihnen vorschlagen, daß wir einmal darüber nachdenken, ob es nicht richtig ist, etwa heute schon zu beschließen, im Jahre 1974 eine neue verfassungsgebende Nationalversammlung einzuberufen, die von Grund auf noch einmal alle Fragen stellt, die gestellt werden müßten. Meine Damen und Herren, so viel zur Gesetzgebung. Es ließe sich noch vieles zu anderen Gesetzen sagen, die ebenfalls von Grund auf durchdacht werden müßten. Einige Worte noch zu unserer Arbeitsweise. Ist unsere Arbeitsweise eigentlich optimal? Meine Damen und Herren, ich glaube, das kann niemand behaupten. Ich habe den Eindruck, auch wir selbst sind oft von einem erheblichen Unbehagen erfüllt. Dieses Unbehagen spiegelt sich auch in der Kritik wider, die wir in der Öffentlichkeit finden. Das Bundesgesetzblatt der letzten Legislaturperiode enthielt etwa 10 000 Seiten - 10 000 Druckseiten mit Vorschriften, für die wir, die wir für diese Gesetze gestimmt haben, die Verantwortung übernehmen müßten. Können wir eigentlich diese Verantwortung übernehmen? Das ist offensichtlich unmöglich. In der Praxis geht das so, daß wir uns oft auf fachlich besser informierte Kollegen verlassen. Aber, meine Damen und Herren, ist das wirklich auf die Dauer das Richtige? Ich habe den Eindruck, daß der Prozentsatz der Fälle, in denen nur ein kleiner Teil der Abgeordneten übersieht, was hier eigentlich beschlossen ist, ständig wächst. Daraus sollten auch für die Arbeit dieses Hohen Hauses Konsequenzen gezogen werden. Es gibt ja Gegenmittel. Wir könnten z. B. sehr viel stärker von der Möglichkeit der Ermächtigungen Gebrauch machen. Ich weiß, daß das an unserer Rechtsprechung scheitert, die die Möglichkeiten der Ermächtigung sehr eng gezogen hat. Aber es ist zu fragen, ob diese Rechtsprechung vernünftig ist, ob man ihr nicht durch eine Verfassungsänderung begegnen müßte. Sie erinnern sich an die Zeiten, als es noch eine Umsatzausgleichsteuer gab, als wir hier lange Reihen von Ausgleichsteuersätzen für einzelne Warenarten als Gesetzgeber beschlossen, nicht als Verordnungsgeber, bis zu dem Satz für „Menschenhaare, auch gereinigt", bis zu dem Satz für Chemikalien mit zehn Silben, unter denen sich niemand etwas vorstellen konnte. Ich möchte dazu folgendes sagen. Erstens. Wir sollten uns überlegen, ob wir nicht die Gesetzgebungsarbeit hier auf die Dinge konzentrieren könn8724 ten, für die wir auch ehrlich eine Mitverantwortung übernehmen können. Das zweite ist die Frage der Ausschußarbeit. Wir haben hier 23 Ausschüsse. Das Problem der Koordinierung der Ausschüsse, der Zusammenführung der Einzelüberlegungen in größere Zusammenhänge ist offenbar nicht gelöst. Die Plenarsitzung ist oft nur eine Fortsetzung der Ausschußsitzung. Ich bin hier in der vergangenen Woche ernstlich getadelt worden, weil ich einen Änderungsantrag zu dem Bericht eines Ausschusses gestellt habe, in dem ich nicht mitgearbeitet hatte. Meine Damen und Herren, auch hier sollten wir uns überlegen, ob das die optimale Methode ist. Sie wissen, die Franzosen z. B. machen das ganz anders. Sie haben statt 23 Ausschüsse, wie wir sie haben, meines Wissens sechs große Ausschüsse und arbeiten im übrigen mit Ad-hoc-Ausschüssen. Dann wird die Koordinierung, die das Plenum offenbar nicht vornehmen kann, in überschaubaren Bereichen durchgeführt. Meine Damen und Herren, etwas Weiteres. Ich habe Ihnen eben die Frage vorgelegt, ob wir eigentlich durch das, was wir tun, noch durchsehen. Diese Frage bezieht sich nicht allein auf die Gesetze die wir machen, sondern ebenso auf die Fülle von Informationen, die auf uns zukommen. Die Bundestagsdrucksachen der letzten Legislaturperiode erreichten aufeinandergelegt, eine Höhe von 1,70 m. Ich weiß nicht, wie viele Abgeordnete dieses Hohen Hauses alle diese Informationen gelesen haben. Ich weiß auch nicht, wie sie es eigentlich machen, aus diesen Berg von Informationen diejenigen herauszufinden, die für sie wichtig sind. Der Verleger Ernst Rowohlt hat einmal erzählt, daß er die Manuskripte dadurch vorsortierte, daß er sie zunächst auf seinen Hinterkopf schlug. Ich habe den Eindruck, daß das ein Verfahren ist, das dem unsrigen in vielen sehr nahekommt. Wir müssen uns sehr oft auf die reine Spürnase verlassen, um festzustellen, was für uns wichtig ist und was nicht. Das brauchte nicht so zu sein, meine Damen und Herren. Man könnte Überlegungen darüber anstellen, ob man nicht die Informationen in einer Weise gestalten könnte, die den Zugang erleichtert. Der frühere amerikanische Verteidigungsminister McNamara hat die Vorschrift erlassen, daß in jeder Information auf der ersten Seite vier Informationspunkte - nicht mehr - in einer bestimmten Gliederung gegeben werden müssen, nämlich 1. das Problem, 2. die Lösungsmöglichkeiten, 3. die Lösung, die man vorschlagen will, und 4. die abweichenden Meinungen. Das alles auf einer Seite! Als er das im Verteidigungsministerium anordnete, zweifelten die Generale an seiner geistigen Gesundheit und sagten, die militärischen Dinge seien so schwierig, daß man sie auf einer Seite eben nicht darstellen könne. Aber ich habe es mir angesehen: Nach einigen Jahren haben sie das gelernt, und heute arbeitet das amerikanische Verteidigungsministerium glatt nach diesem System. Es wäre gut, wenn wir auch bei uns auf jeder Information eine Deckseite hätten, die uns führt. Meine Damen und Herren, ich will dieses Thema, das sehr reizvoll ist, jetzt nicht vertiefen, weil wir unter Zeitdruck stehen. Ich möchte Sie bitten, Gelegenheit zu schaffen, darüber zu reden. Der richtige Ort wäre der Geschäftsordnungsausschuß. Aber ich trete dem Kollegen Bauer nicht zu nahe - im Gegenteil, ich weiß mich mit ihm einig -, wenn ich sage, daß der Geschäftsordnungsausschuß oft einfach aktionsunfähig ist, und zwar deshalb, weil die Kollision mit anderen Sitzungen eine ruhige Beratung schwieriger Punkte unmöglich macht. Im Geschäftsordnungsausschuß liegen - das ist dem einen oder anderen von Ihnen bekannt - Vorlagen seit 28 Monaten ausgedruckt, die überhaupt noch nicht angefaßt sind. Es ergibt sich die Frage, ob das noch mit dem Initiativrecht der Abgeordneten zu vereinbaren ist. ({3}) Ich weiß nicht, was wir tun sollen. Ich habe mir überlegt, das beste wird sein, Frau Jacobi, wir wenden uns an den Petitionsausschuß; vielleicht kann der einmal etwas helfen. ({4}) Meine Damen und Herren, damit bin ich am Ende. Es handelt sich um zwei Dinge: erstens, daß wir in diesem Hause trotz der Überflutung mit den Aufgaben des Tages gelegentlich Zeit für die langfristigen Erwägungen finden, und zweitens, daß wir den Geschäftsordnungsausschuß so gestalten, daß er sich mit den Problemen befassen kann. ({5})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Herr Abgeordneter Bauer ({0}), Sie haben das Wort.

Hannsheinz Bauer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000105, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin Herrn Dr. Dichgans außerordentlich dankbar, daß er den Finger in diese Wunde gelegt hat. Ich möchte vor dem Hause einmal sagen, Herr Präsident, daß ich bisher davon abgesehen habe, um eine Sondergenehmigung zu bitten, während der Plenarsitzung zu tagen. Wir haben im Geschäftsordnungsausschuß in der Tat eine ganz große Zahl von Vorlagen, die das Haus ebenso unmittelbar interessieren müßten, wie wir es bei der Debatte vor ungefähr 20 Minuten erlebt haben. Wir haben allein vier Vorlagen, die das Finanz-und Haushaltsrecht betreffen. Wir haben die interessante Vorlage über die Eintragung von Interessenverbänden in Listen und eine Vorlage über die Einsichtnahme in Gesetzentwürfe durch Abgeordnete. Wir haben eine ganze Reihe von Vorlagen, die die Opposition interessieren, nämlich zum Minderheitenrecht, zur Einordnung der Redner der Opposition, zum Recht auf Einberufung des Bundestages wie zur Einsetzung von Untersuchungsausschüssen; wir haben Grundgesetzänderungen bezüglich des Rechts der Untersuchungsausschüsse, hinsichtlich der Fristenänderung im Verhältnis zwischen Bundestag und Bundesrat, zum Immunitätsrecht, das uns alle unmittelbar angeht. Und ich möchte daran erinnern, daß wir die Vorlage zu Deutscher Bundestag - S. Wahlperiode Bauer ({0}) einem Anliegen zurückverwiesen haben - leider -, was uns alle ganz besonders interessieren müßte; es geht nämlich nach wie vor um das Primat und die Förderung der freien Rede und der Kurzrede. Ich möchte die Gelegenheit benutzen, hier einmal vor versammeltem Hause an die Fraktionsvorstände und die Herren Geschäftsführer zu appellieren, doch für eine Besetzung des Geschäftsordnungsausschusses in der Richtung Sorge zu tragen, daß er funktionsfähig ist, d. h. daß nicht durch gleichzeitige Sitzungen des Rechtsausschusses und des Sonderausschusses Strafrecht auf Grund personeller Überschneidungen die Arbeit des Geschäftsordnungsausschusses praktisch paralysiert wird. Wenn das einmal geändert wäre, könnte man erheblich weiterkommen. Den frommen Wunsch auf eine Revision der Geschäftsordnung haben wir beerdigt. Aber die in der abgelaufenen Woche zurückverwiesenen Vorlagen und das, was ich eben in Stichworten als Probleme angedeutet habe, müssen in dieser Legislaturperiode beschlußmäßig erledigt werden. Deshalb erbitte ich die Mitarbeit der Betroffenen, der Geschäftsführer und der Fraktionsvorstände, damit diese Arbeiten des Bundestages noch vor dem Ablauf der Legislaturperiode beendigt werden können, so daß wenigstens der nächste Bundestag besser arbeiten kann, als wir es heute tun können. ({1})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Meine Damen und Herren, keine weiteren Wortmeldungen. Die Ordnung des Hauses verbietet dem Präsidenten des Hauses, von diesem Platze aus Stellung zu nehmen. Dennoch, meine Damen und Herren, möchte ich mich für diese Diskussionsbeiträge bedanken, und ich möchte auch den Kollegen sagen, die der Meinung sind, daß es doch keinen Zweck habe: Es hat manchmal doch Zweck. Herr Kollege Dichgans, Sie haben die Erfahrung gemacht, daß selbst über der geballten Ladung Präsidium plus Geschäftsordnungsausschuß noch immer das Plenum des Deutschen Bundestages steht ({0}) und daß wir uns seinen unter Umständen knappen Mehrheitsentscheidungen nach guter demokratischer Regel dann ohne Murren fügen. ({1}) - Ja, Sie dürfen murren, aber ich nicht. ({2}) Eine zweite Bemerkung, meine Damen und Herren. Lassen Sie es bitte sein, Anträge auf Genehmigung von Ausschußsitzungen, die während des Plenums stattfinden sollen, zu stellen. Dem darf der Präsident dieses Hauses auch dann nicht stattgeben, wenn er es selbst liebend gern täte. Er darf es nicht. Er darf das Gewicht nicht noch mehr vom Plenum weg in die Ausschüsse des Hauses lenken. Das geht nicht. Ich muß unter allen Umständen das Plenum schützen. Deshalb hat das gar keinen Zweck; ich kann dazu nicht auch noch meine Genehmigung geben. Keine weiteren Wortmeldungen. Ich stelle Einzelplan 02 in der Fassung des Bundestagsvorstandes und des Haushaltsausschusses zur Abstimmung. Wer zuzustimmen wünscht, gebe bitte ein Zeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Meine Damen und Herren, der Einzelplan 02 ist dennoch angenommen. ({3}) Dann kommen wir zum Einzelplan 03 Bundesrat - Drucksache V/2703 Berichterstatter: Abgeordneter Hauser ({4}) Ich frage den Herrn Berichterstatter, ob er das Wort wünscht. - Der Berichterstatter verzichtet. Ich eröffne die Aussprache. Wird das Wort gewünscht? - Das Wort wird nicht gewünscht. Wer diesem Einzelplan 03 - Bundesrat - zuzustimmen wünscht, gebe bitte ein Zeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Chevaleresk! Der Einzelplan für den Bundesrat ist vom Deutschen Bundestag ohne Einschränkung und völlig einstimmig angenommen. Mit dem eigenen Plan haben wir es nicht so weit gebracht. Meine Damen und Herren, ich kehre vereinbarungsgemäß zurück zu der Behandlung des Einzelplans 09 und des Kohleanpassungsgesetzes. In der Aussprache liegen noch drei Wortmeldungen vor. Ehe ich dem Herrn Abgeordneten Dr. Pohle das Wort gebe, mache ich darauf aufmerksam, daß wir keineswegs so weit sind, wie es im Zeit- und Fahrplan vorgesehen war. Ich bitte deshalb, sich darauf einzurichten - da wir die Haushaltsdebatte unter gar keinen Umständen einzuschränken oder einzuengen wünschen -, daß das Haus möglicherweise am Sonnabenvormittag zusammentreten muß. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Pohle.

Dr. Wolfgang Pohle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001729, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte jetzt nicht zum Energieproblem sprechen, sondern nur eine einzige Frage aufgreifen, die der Kollege Friderichs gestellt hat. Ich möchte zunächst drei andere Themen hier ansprechen. Zunächst meinen Dank und meine Anerkennung und auch den Dank und die Anerkennung meiner Fraktion für die im Gebiete des internationalen Währungssystems von dem Herrn Bundeswirtschaftsminister geführten Verhandlungen. ({0}) Meine Damen und Herren, ich bedauere, daß ich jetzt zu einem trockeneren Ton zurückkehren muß. Bei Goethe heißt es ja umgekehrt: Ich bin des trocknen Tons nun satt. Nach dem interessanten Intermezzo, in dem wir uns mit unseren eigenen .Angelegenheiten beschäftigten, muß ich nun wieder im Rahmen der Haushaltsdebatte auf allgemeine Pro8726 bleme zu sprechen kommen. Und daß sie etwas trockener sind als die eben besprochenen, läßt sich verstehen. Die Schwierigkeiten des internationalen Währungssystem sind auch für die Bundesrepublik angesichts eines Außenhandelsanteils von über einem Drittel am Bruttosozialprodukt von allergrößter Bedeutung, und ich bin dem Herrn Bundeswirtschaftsminister besonders dankbar, daß er, um mit seinen eigenen Worten zu sprechen, auf die Dramatik und auf den Ernst der Situation, wie sie sich insbesondere in den Vereinigten Staaten darstellte, heute hier mit sehr großem Nachdruck hingewiesen hat. Der internationale Warenverkehr und der Kapitalverkehr hängen von der Funktionsfähigkeit der internationalen monetären Ordnung ab. Die Monate der stürmischen Goldspekulation liegen mit der Spaltung des Goldpreises am 17. März 1968 vorerst hinter uns. Die Beteiligung Frankreichs an dieser Entwicklung war nicht gering. Alle Kenner der Materie sind sich darüber einig, daß die Spaltung des Goldpreises keine endgültige Lösung bringt. Sie verschafft dem internationalen Währungssystem gegenüber der Goldspekulation aber eine wertvolle Atempause. In abgeschwächter Form gilt das auch für die Beschlüsse von Stockholm. Nicht die Internationale Liquidität ist das Hauptproblem, wie verschiedene Seiten uns oft weismachen wollen; entscheidend ist, oh die Beseitigung der Zahlungs- und Haushaltsdefizite der Vereinigten Staaten erfolgt und ob die Stabilisierungsmaßnahmen auch Großbritanniens zum Erfolg führen. ({1}) Die Ursachen der gegenwärtigen Spannung liegen auch nicht allein in technischen Problemen des Abkommens von Bretton Woods, sondern in den Folgen der jahrelangen Politik des leichten Geldes der angelsächsischen Länder. So richtig die französische Haltung ist, daß zunächst einmal die angelsächsischen Länder selbst das ihre zur Gesundung ihrer Währungen beizutragen haben, so wenig ist die Rückkehr zum reinen Goldstandard oder die Verdoppelung des Goldpreises geeignet, die Probleme allein zu lösen. Die Beschlüsse von Stockholm, ich wiederhole es, stellen einen sehr beachtlichen Fortschritt dar. Oder - um auch hier wieder mit dem Herrn Bundeswirtschaftsminister zu reden -: Die in Stockholm gefundene Lösung der Sonderziehungsrechte stellt ein rationales, von Zufälligkeiten unabhängiges Verhalten sicher. Die Beschlüsse sind geeignet, die Stellung der stabilitätsbewußten Länder, z. B. durch die 85 %-Formel, zu stärken und die Leitwährungen Pfund und Dollar allmählich zu entlasten. Sie sind auch ein erfreuliches Zeichen für eine enger werdende Zusammenarbeit der EWG-Länder auf monetärem Gebiet. Sie lösen natürlich nicht alle Probleme. Die Entscheidung liegt bei den Vereinigten Staaten, und es liegt bei den Ländern der EWG, ihre starke Stellung zugunsten des Welthandels in die Waagschale zu werfen. Mit der Erklärung des EWG-Ministerrats vom 25. März ist ein kompromißartiger Ansatzpunkt zustande gekommen - und ich danke dem Bundeswirtschaftsminister für den Hinweis, daß er im wesentlichen durch deutsche Initiative zustande gekommen ist -, der die Möglichkeit eröffnet, in Verhandlungen mit den Vereinigten Staaten die Gefahr einer weltweiten protektionistischen Kettenreaktion mit all ihren nachteiligen Folgen zu bannen. Wir haben gehört, daß eine Reihe europäischer Staaten sowie Kanada und Japan sich prinzipiell bereit erklärt haben, die in der Kennedy-Runde vereinbarten Zollsenkungen asymmetrisch in einem Akzelerationsverfahren vorzuziehen. Allerdings ist das Angebot, zur Lösung der US-Zahlungsbilanzprobleme auf expansivem Wege beizutragen, an die Bedingung geknüpft, daß die EWG ihrerseits die vorzeitige Zollsenkung beschließt. Wir sollten nicht lockerlassen, sondern den Bundeswirtschaftsminister darin bestärken, die in diesen Erklärungen liegenden Möglichkeiten voll auszuschöpfen. ({2}) Der Beschluß des US-Senats - der Bundeswirtschaftsminister hat gleichfalls darauf verwiesen -, die Einkommensteuer um 10 % zu erhöhen, sollte von uns als ein erster entscheidender Schritt gewürdigt und anerkannt werden, dem Defizit des US-Staatshaushalts energisch zu Leibe zu rücken. Jedoch ist damit das letzte Wort noch nicht gesprochen. Die Entscheidung des Kongresses steht noch aus. Solange diese Entscheidung nicht gefallen ist, besteht weiterhin Unsicherheit darüber, ob die Vereinigten Staaten auf dem eingeschlagenen Wege entschlossen weitergehen werden. Wir müssen auch beachten, daß nicht nur die Haushaltspolitik, sondern auch die Geld- und Kreditpolitik der Vereinigten Staaten in den vergangenen Jahren Anlaß zur Kritik gegeben hat. Auch hier erwarten wir und die übrigen europäischen Länder mit Recht eine stärkere Stabilitätsorientierung. Wenn auf diesen beiden Sektoren die bisherige Politik beendet und eine neue Phase eingeleitet wird, besteht berechtigte Aussicht für eine grundlegende Besserung der internationalen Währungsordnung. Denn nicht die Isolierung der nationalen Volkswirtschaften voneinander löst die Schwierigkeiten, sondern der mutige Schritt nach vorn, indem durch Ausweitung des Außenhandels und durch eine stabilitätsbewußte Wirtschaftspolitik die Zahlungsbilanzdefizite bei den einen Ländern und die Zahlungsbilanzüberschüsse bei den anderen allmählich etwas aneinander angeglichen werden. Auf diesem Wege ist schließlich auch ein gesundes Gleichgewicht im Welthandel herzustellen. Ein letztes Wort über die Währung. Die Umtauschbarkeit einer Währung in Gold ist letztlich nichts anderes als ein gewisses Zugeständnis an das Mißtrauen und die leidvollen Erfahrungen vieler inflationsgeschädigter Menschen. Das ist natürlich. Naturgemäß kann eine solide Währungspolitik nicht ohne Gold auskommen; aber der wirkliche Gegenwert des Goldes ist die Leistungskraft einer Volkswirtschaft. Eine Währung, die stabil ist, ist mehr wert als Gold. Soviel zum Thema Nr. 1. Heute morgen haben wir eine interessante Konjunkturdebatte gehabt. Ich will diese Debatte hier nicht vertiefen, sondern nur mit einigen Worten darauf eingehen. Ich habe vorhin gesagt, daß ich nicht zur Energiepolitik Stellung nehmen würde. Eine Frage des Kollegen Friderichs hat mich allerdings interessiert, nämlich die Frage - wenn ich recht verstanden habe - nach der Offenlegung von Strompreisen in Gebieten, die von einem Monopolunternehmen versorgt werden. ({3}) Ich habe diese Bemerkung mit wachen Ohren vernommen, und dieser Gedanke interessiert mich in der Tat. Herr Friderichs, wir sollten diesen Gedanken wirklich einmal unter uns erörtern und ihn aufnehmen. ({4}) Ich glaube, daß hier ein nützlicher Gedanke geäußert worden ist, jedenfalls ein Gedanke, der erörternswert ist. Nun zur Konjunktur. Unser Konjunkturbarometer steht wieder auf hoffnungsvoll, wenngleich noch nicht auf der Barometerseite des vollen Schönwetters. Aber die Entwicklung der industriellen Nettoproduktion im Janaur hat doch die Befürchtung widerlegt, daß der - ich gebe es zu - etwas hektische Auftrieb im Dezember 1967 ausschließlich auf der Vorsorge für die Mehrwertsteuer beruhte. Die Impulse zur Weiterbelebung gehen von den Ausrüstungsinvestitionen und vom Lageraufbau aus, nicht vom Konsumsektor. Das aber spricht für die Solidität des sich anbahnenden Aufschwungs. Die Importe sind überproportional gestiegen, und die wirtschaftliche Entwicklung - ich wage es mit dem Wirtschaftsminister zu behaupten - läßt die berechtigte Erwartung zu, daß die konjunkturfördernden Maßnahmen des Jahres 1967 ihren Zweck ausreichend erfüllt haben. Vielleicht waren auch die Warnungen vor weiteren Maßnahmen richtig. Jedenfalls hißt das gegenwärtige Bild die Hoffnung auf ein solides Wachstum in Stabilität für das Jahr 1968 zu. Hier sind doch - ich weiß nicht, wer von den Herren der Opposition dazu gesprochen hat - die Maßnahmen, die diese Regierung getroffen hat, nicht so unlogisch, wie der Kollege Friderichs - ich glaube, er hat davon gesprochen - uns hier heute hat glauben machen wollen. Schließlich war einer der entscheidenden Gesichtspunkte neben der Konjunkturanregung, die Solidität der Bundesfinanzen wiederherzustellen und gleichzeitig Stabilität zu wahren. Das ist ein Zielbündel. In ihm stecken alle möglichen Maßnahmen. Diesem Zielbündel steht ein entsprechendes Maßnahmenbündel gegenüber; solche und solche. Man kann also nicht sagen: „Ihr habt dadurch, daß ihr konjunkturanregende und konjunkturdämpfende Maßnahmen gleichzeitig in dieses Bündel hineingepackt habt, falsch gehandelt." Einseitige Maßnahmen wären dieser schwierigen Situation - hie Bundesfinanzen, hie Konjunkturanreize - nicht gerecht geworden. Deshalb, Herr Friderichs - nehmen Sie es mir nicht übel -, wäre es mir auch lieber gewesen, Sie hätten auch auf die Zwischenfragen meiner Kollegen nicht nur so allgemein geantwortet, sondern hätten in diesem Hause gesagt, was Sie eigentlich wollen. ({5}) Warum haben Sie nicht gesagt: „Ich will die Renten herabsetzen"? Warum haben Sie nicht gesagt: „Ich will die Kriegsopferrenten herabsetzen."? ({6}) - Gut; dann sagen Sie aber, was Sie wollen, wenn Sie Sparmaßnahmen predigen. Das vermisse ich an Ihren Ausführungen. Mit allgemeinen Redensarten kommen wir doch hier nicht weiter. ({7})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Mertes? ({0})

Dr. h. c. Werner Mertes (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001483, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Kollege Pohle, ist Ihnen bekannt, daß auf meine Anfragen an die Regierung hinsichtlich der Subventionspolitik die Bundesregierung nicht in der Lage war, auch nur im geringsten eine konkrete Antwort zu geben, obwohl sie durch das Stabilitätsgesetz dazu verpflichtet ist?

Dr. Wolfgang Pohle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001729, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich weiß nicht, welche Antworten Sie meinen, Herr Mertes. Ich glaube, es hat wohl auch wenig Zweck, wenn wir die Bälle hin-und herspielen. Heute morgen ist bereits durch einen Zwischenruf aus meiner Fraktion auf jene Äußerung eines Vertreters Ihrer Fraktion verwiesen worden, daß nunmehr „knallhart" die Subventionen gekürzt werden müßten, ohne daß entsprechende Vorschläge von Ihnen - Sie waren damals noch in der Regierung - erfolgt sind. Wir haben auch in diesem Hohen Hause schon darüber gesprochen. Es ist natürlich sehr einfach, zu sagen: „Es muß irgendwo auf der Ausgabenseite wieder hereinkommen", wenn ich nicht hinzufüge, was ich eigentlich will. Das schlägt doch auf Sie zurück. Wenn Sie aber den Subventionsbericht erwähnen, so darf ich darauf verweisen, daß wir selbstverständlich über diesen Bericht hier noch sprechen wollen und daß ich mit diesem Subventionsbericht auch insoweit - aber das ist wieder ein anderer Punkt - nicht ganz einverstanden bin, als darin hinten unter der Rubrik „Unsichtbare und sichtbare Steuervergünstigungen" alle möglichen Dinge aufgezählt sind, die wahrscheinlich gar keine Subventionen sind, ({0}) sondern der Steuersystematik entsprechen. Das müßte also zunächst einmal durchforscht werden. Wir müßten uns also gemeinsam in irgendeinem Ausschuß über den Begriff der Subvention klarwerden. Meine Damen und Herren, wir müssen uns nicht nur des Wertes der antizyklischen Finanzpolitik, sondern auch ihrer Grenzen bewußt sein. Das ist ein anderer Punkt, den Sie angesprochen haben. Feststeht, daß die Produktivität in den letzten Monaten stärker gewachsen ist als die Einkommen. Das ist kein Nachteil; im Gegenteil, diese Entwicklung bildet die Voraussetzung für das zukünftige Wachstum auch der Einkommen. Ein Produktivitätsfortschritt allein sichert auch den weiteren Einkommenszuwachs. Das interessante Zwischenspiel in Frage und Antwort zwischen dem Herrn Bundeswirtschaftsminister und den Herren der Opposition heute morgen war deshalb etwas akademischer Natur, weil hierbei das Verhältnis von Ursache und Wirkung - Produktivität, Produktivitätsfortschritt, Produktivitätsrückschritt, Rezession und Boom - erörtert wurde. Entscheidend ist aber für mich unsere derzeitige Situation; und die besagt, daß - ich glaube, darüber sind wir alle zusammen in diesem Hause einig - nur im Rahmen des glücklicherweise eingetretenen Produktivitätsfortschritts zugleich ausreichende Erträge aus der Wirtschaft fließen können, um sowohl Investitionen wie einen Einkommenszuwachs bestreiten zu können. Insofern, glaube ich, besteht überhaupt kein Meinungsunterschied in diesem Hause. Meine Damen und Herren, das Stabilitätsgesetz soll ja das Timing, von dem hier die Rede war, zu einer besseren Ordnung bringen. Das war sein Zweck. Aber bei Phasenverschiebungen solchen Ausmaßes erwachsen immer Gefahren eines prozyklischen Umschlags. Mit ihm müssen wir alle zusammen fertigwerden. Ich folgere daraus: Die Fiskalpolitik ist nicht in der Lage, allein die Hauptlast der Konjunkturbeeinflussung zu tragen. Sie haben die Frage der Verschuldung angesprochen. Der Bundeswirtschaftsminister ist kurz darauf eingegangen. Auch die Verschuldung stellt selbstverständlich kein Allheilmittel dar. Wir bewegen uns dicht an der Grenze des Vertretbaren. Ich will hier nicht aufzählen, was alles in diesem Jahr auf den deutschen Kapitalmarkt zukommt. Der Bewegungsspielraum für eine solche Politik ist also enger geworden - das ist gar kein Zweifel -, und die Grenze ist in dem Augenblick erreicht, in dem die erstrebte Auslastung der Produktionsfaktoren eingetreten ist. Dann stehen wir allerdings vor neuen Maßnahmen. Dafür aber haben wir das Stabilitätsgesetz geschaffen: um in einem solchen Fall so schnell wie möglich ohne den time-lag durch die Regierung, durch die Exekutive handeln zu können. So viel zu dieser Frage! Nun eine dritte Frage, die ich bei diesem Haushalt anbringe, obwohl auch der Haushalt 31, der Haushalt für wissenschaftliche Forschung, betroffen ist. Aber es gehört in diese Debatte hinein. Darf ich Sie daran erinnern, daß wir in dieser Woche in zweiter und dritter Lesung den neunzehnten Bundeshaushalt der Nachkriegszeit behandeln. Das ist eine sehr stattliche Zahl. Im Jahre 1950 begannen wir mit einem Volumen von 14,6 Milliarden DM; heute stehen wir vor der gewaltigen Summe von 80,5 Milliarden DM. In diesen neunzehn Jahren hat sich also das Ausgabevolumen des Bundeshaushalts fast versechsfacht. Jährlich sind die Ausgaben im Durchschnitt um 3,5 Milliarden DM gestiegen. Die Frage ist nun: Zu welchem Ergebnis hat dieser Einsatz von Geld geführt? Wir wissen alle - wir haben es ja oft genug selber gesagt -, daß die Bundesrepublik das Land mit dem stürmischsten und erfolgreichsten wirtschaftlichen Aufstieg in der Welt ist. Mit Recht schauen wir mit Genugtuung auf die großen Leistungen unserer Volkswirtschaft zurück. Sie beginnen nach der Beseitigung der Kriegsschäden nunmehr in neue Formen des ökonomischen und gesellschaftlichen Lebens zu führen. Deshalb sage ich, trotz der Freude über das Erreichte können wir nicht verhindern, daß wir uns immer erneut die Frage stellen müssen, ob wir nicht noch mehr tun müssen. Welcher Art ist diese Frage? Meine Damen und Herren, 75 Millionen Arbeiter in der EWG stehen einer gleich großen Anzahl von Arbeitern in den Vereinigten Staaten gegenüber. Diese 75 Millionen produzieren nicht die Hälfte von dem, was ihre Kollegen in den Vereinigten Staaten zuwege bringen. Diese Zahl sollte uns aufhorchen lassen. Sie enthüllt nicht nur eine technologische und organisatorische Rückständigkeit, sondern sie ist auch ein gewisser Ausweis für die vorläufig noch vorhandene Verschwendung von Zeit und Arbeitskraft. Wir wissen um die sich immer mehr verstärkende Investitionstätigkeit der US-Firmen in Westeuropa und besonders in der Bundesrepublik, trotz des Vietnamkrieges. Neue Berechnungen haben gezeigt, daß durchschnittlich nur 10 % des Kapitaleinsatzes mit Eigenkapital erfolgt; der Rest wird durch Kreditaufnahme auf dem Eurodollarmarkt, auf den einzelnen nationalen Kapitalmärkten und durch zum Teil erhebliche staatliche Begünstigungen finanziert. Den Eingeweihten ist bekannt, daß diese Newcomers auf dem europäischen Markt bereits nach kurzer Zeit eine höhere Rendite erwirtschaften als ihre europäischen Konkurrenten. Was geht hier vor sich? Ist, so möchte ich fragen, Europa fußkrank geworden? Verspürt dieser Kontinent nicht mehr die Aufgabe, eine seiner geistigen und materiellen Potenz entsprechende Stellung in der Welt einzunehmen? Man könnte beinahe geneigt sein, diese Frage zu bejahen, wenn man an den mühsamen Prozeß der europäischen Einigung denkt. Die uns heute hier interessierende Frage muß aber gezielter angegangen werden: Wie stehen eigentlich die Bundesrepublik und der Bund zu den vor uns liegenden Aufgaben? Die Summe des Bundeshaushaltes 1968 von 80 Milliarden DM müßte in ihrer respektablen Größe doch eigentlich einen Hinweis darauf geben, wo die von uns erkannten Hauptaufgaben liegen und ob die selbstgewählte Aufgabenstellung in Übereinstimmung mit den objektiven Tatbeständen steht. Meine Damen und Herren, der Bundeshaushalt 1968 hat sich zwei Aufgaben gestellt. Ich darf Ihnen das kurz ins Gedächtnis zurückrufen. Erstens. Er geht vom Jährlichkeitsdenken ab und ist als Teil der mittelfristigen Finanzplanung ein Glied in einer Zielsetzung, die weit in die Zukunft weist. Er sucht damit die Zufälligkeiten des AugenDr. Pohle blicks zu vermeiden, den rechnerischen Haushaltsausgleich über einen längeren Zeitraum zu bewerkstelligen und den Erfordernissen von Sparsamkeit und Nutzen zugleich Geltung zu verschaffen. Zweitens. Er versucht neue Prioritäten zu setzen, indem die investiven Ausgaben gegenüber den konsumtiven stärker steigen sollen, ohne den Besitzstand zu gefährden. Meine Damen und Herren, beiden Gesichtspunkten ist gemeinsam, daß sie sich methodisch und inhaltlich viel stärker an der Zukunft orientieren, als dies bisher möglich war. Der vor uns liegende Haushalt stellt einen ersten Versuch dar, zukünftige Entwicklungen bewußt einzukalkulieren und in Gegenwartsentscheidungen umzusetzen. Der Bund wächst somit in die Rolle des Familienvaters hinein, der für seine heranwachsenden Kinder schon heute Entscheidungen zu treffen hat, deren Früchte erst in vielen Jahren offenbar werden. Der Anteil der investiven Ausgaben soll in diesem Jahr auf 18,3 % gesteigert werden. In der mittelfristigen Finanzplanung ist vorgesehen, daß ihr Anteil auf mehr als 19 % bis 1971 anwächst, d. h. von 14,8 Milliarden DM auf 18 Milliarden DM, absolut gesehen. Diese absolute Zahl ist instruktiver und eindrucksvoller. An dieser Stelle setzen jedoch bereits bohrende Fragen ein. Die Strukturprobleme im Ruhrgebiet und an der Saar und die damit verbundenen weiteren Aufgaben verändern diese Zielsetzung ständig, weil sie zu einer gewissen Erhöhung von Ausgaben führen. Ich halte mich für verpflichtet, auf die Aufgaben der Zukunft zu verweisen. Denn, meine Damen und Herren, Forschung und Entwicklung von heute - ich komme gleich darauf zurück -, die alle drei Haushalte betreffen, bestimmen den Lebensstandard von morgen. Die Aufwendungen für die Zukunft kristallisieren sich insbesondere, wie ich sagte, im Bereich der Wissenschaft und Forschung. Hier haben sich die Mittel um 250 Millionen DM auf insgesamt 1,9 Milliarden DM erhöht. Dies war ein Zuwachs von l6%. Das ist keine überwältigende Zahl. Sie wird auch nicht dadurch imponierender, daß der Bundeshaushalt nur um 4,8 °/o wächst und man diese beiden Zahlen in Vergleich setzt. Wir werden uns deshalb sehr überlegen müssen, ob die auf diesem Sektor ergriffenen Maßnahmen wirklich ausreichend sind. Ich für meinen Teil meine - und ich halte mich für verpflichtet, das hier während der Haushaltsdebatte vorzutragen -, daß weit mehr geschehen muß, jedenfalls im Zuge der mittelfristigen Finanzplanung in den weiteren Haushalten. Der Produktivitätsvergleich zwischen der EWG und den Vereinigten Staaten hat den großen Rückstand der westeuropäischen Länder gezeigt. Europa steht damit in der Gefahr, in dem großen Wettbewerb der Wirtschafts- und Gesellschaftssysteme zurückzufallen und die Gestaltung der eigenen Angelegenheiten trotz seiner auf dem Papier stehenden Souveränität zu verlieren. Für die Bundesrepublik gilt, daß die bewegenden Ursachen des Wirtschaftsaufschwungs weniger die Orientierung an zukünftigen Aufgaben als vielmehr gesellschaftspolitisch firmierte Motive waren. Insofern stehen wir an einem Scheideweg. Wir müssen uns, bevor es zu spät ist, darüber klar werden, ob wir uns im wesentlichen mit der Perfektionierung des bisher Erreichten zufrieden geben wollen oder ob wir uns bewußt und zielstrebig der Herausforderung aus Ost und West stellen wollen. ({1}) - Vielen Dank, Herr Möller! Genau meine Ansicht! Unser Schicksal liegt nun einmal nicht im Konservieren, sondern in der Beseitigung der technologischen und wissenschaftlichen Lücken. Auch wenn wir uns für die erste Alternative - die wir eben abgelehnt haben - entscheiden sollten und damit faktisch den Abschied von der Weltbühne vollziehen, würde es uns nicht beschieden sein, ein kleines Glück im stillen Winkel der großen Weltpolitik genießen zu können. Das geht nicht. Das machtpolitische Vakuum, das dadurch entsteht, wird eine Einladung an jedweden sein, der besser mit seinen Ressourcen umzugehen versteht. Wir würden damit nicht die Tugend der Selbstbescheidung üben, sondern stärker in die Abhängigkeit geraten. Was uns vom Osten drohen würde, wissen wir nur zu gut, und die amerikanische Herausforderung hat Servan-Schreiber in seinem seit kurzem auch in Deutschland vorliegenden und Ihnen allen bekannten Buch „Le défi americain" beschrieben. Nehmen wir die Herausforderung an und treten wir deshalb in den Wettbewerb der Industriegiganten ein, dann gibt es allerdings nur eine Lösung: Zusammenfassung aller geistigen und materiellen Kräfte, d. h. longa vista höhere Investitionen in Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft. Europa und unser Land haben hierbei gute Chancen. ({2}) Hierbei sollten wir uns darüber klar sein, daß zwar eine Erhöhung der Mittel erforderlich erscheint, daß wir also einen höheren Konsumverzicht oder, anders ausgedrückt, ein langsameres Wachstum - unter Wahrung des Besitzstandes - möglicherweise in Kauf nehmen müssen, daß aber - und jetzt spreche ich noch einen anderen Punkt an - andererseits allein mit Geld diese Aufgaben schlechterdings nicht zu lösen sind. Diese Erkenntnis muß unbedingt Bestandteil wirtschafts- und finanzpolitischer Entscheidungen sein, damit wir nicht unnötig Arbeitspotential und Kapital verschwenden. Es gibt wesentliche Unterschiede in den Voraussetzungen zwischen den Vereinigten Staaten und Europa. Diese Unterschiede müssen wir beachten. Die europäischen Länder verfügen nun einmal nicht über den großen homogenen einheimischen Markt und nicht über einen so intensiven Kapitaleinsatz wie die Vereinigten Staaten. Andererseits sind aber auch die Staaten nicht auf allen Gebieten führend. Die wissenschaftlichen Sparten, die nicht unmittelbar der Technik oder der Wirtschaft dienen, werden in den Vereinigten Staaten zum Teil bedenklich vernachlässigt. Es gibt sogar mehrere technische Bereiche - nennen wir einmal den Schiffbau, nennen wir die Uhrenindustrie -, in denen die Europäer überlegen sind, ganz eindeutig. Und es gibt viele Gebiete, auf denen ein Gleichstand besteht. Einen eindeutigen Vorsprung haben die Vereinigten Staaten allerdings in der Weltraumtechnik, im Flugzeugbau und vorläufig auch in der Computertechnik. Gerade dies aber sind die entscheidenden Techniken für die zukünftige Entwicklung. ({3}) Würden wir die Staatsaufwendungen der Vereinigten Staaten zur Richtschnur nehmen, müßte der Vorsprung der Vereinigten Staaten um ein Vielfaches größer sein. Nun kommt die Einschränkung, die ich vorhin machte: daß das Geld allein nicht der entscheidende Faktor ist. Der technische Fortschritt kann also nicht nur von der Menge des eingesetzten Geldes abhängen. Das zeigt ein Blick auf andere Länder. Japan macht sich auf dem Gebiet der Wissenschaft bekanntlich gar nicht so groß bemerkbar. Jedoch wird seine Wirtschaft immer leistungsfähiger. Die Schweiz, die lediglich 1,2 Milliarden Franken für Wissenschaft und Forschung aufwendet - wie ich gerade neulich in der „Zürcher Zeitung" gelesen habe -, hat seit 1943 pro Kopf der Bevölkerung dreimal soviel Nobelpreise auf den Gebieten Physik, Chemie und Medizin erhalten wie die Vereinigten Staaten. Nun, das ist alles cum grano salis zu verstehen. Natürlich ist es richtig, daß die Wirtschaft der Bundesrepublik Techniken anwendet, deren Forschungs- und Entwicklungsstadien zum Teil bis zu mehreren Jahrzehnten zurückliegen, und daß von diesen Techniken unser Export abhängt. Es ist auch richtig, daß Staat und Wirtschaft zusammen 1966 nur 11,4 Milliarden DM für Forschung einschließlich Studienförderung aufwendeten. Der wichtigste Rückstand liegt jedoch noch auf einem weiteren Gebiet, auf dem die Vereinigten Staaten eine hohe Überlegenheit besitzen: das ist die Fähigkeit, sehr schnell wissenschaftliche Erkenntnisse in technisch und wirtschaftlich verwertbare Formen zu überführen. ({4}) Hier haben wir noch viel zu lernen. - Wir aber auch 20 Jahre abgeschnürt, lieber Freund Haase. - Die Lösung dieses Problems ist aber nicht in erster Linie eine Frage des Geldes, sondern eine Frage der Organisation und einer Geisteshaltung, die eine fruchtbare Kooperation - aber in ganz Europa - ermöglicht. Erst sie legitimiert zu einem höheren Mitteleinsatz. Damit komme ich zum Schluß der Dinge, die ich hier in der Haushaltsdebatte ansprechen wollte. Die Bundesrepublik steht in einem Spannungsverhältnis vielfältiger großer Aufgaben. Sie sind bedeutsamer - das habe ich mit dem, was ich hier habe vortragen dürfen, sagen wollen -, als mancher von uns träumen mag. Unser Land steht vor der Bewältigung der geistigen Herausforderung in unseren eigenen Reihen. Es ist von den Studenten gesprochen worden, und die Unruhe ist noch nicht vorbei. Es steht vor einem Wettkampf auf den Gebieten von Wissenschaft und Wirtschaft mit den übrigen Industrieländern dieser Welt. Es muß sich losreißen von der allzu deutschen Sucht, Bestehendes perfektionieren zu wollen. Denn der Weg in die Zukunft führt nur über das Offensein gegenüber den neuen Erkenntnissen, die uns der technische Fortschritt und die Wissenschaft bringen. Ich wiederhole: Der Lebensstandard von morgen ist die Forschung von heute. Der entschlossene und unserer Eigenart gemäße Gebrauch dieser Erkenntnisse wird uns diese Aufgaben bewältigen lassen. ({5})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Genscher.

Hans Dietrich Genscher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000661, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte zunächst ein Wort an diejenigen richten, die nicht anwesend sind, die aber vor einiger Zeit, vor anderthalb Stunden, hier große Worte über Parlamentsreform und Neugestaltung der Arbeit gesprochen haben. ({0}) Bitte schön, Herr Kollege!

Lothar Haase (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000765, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege, ich darf Sie um der Richtigstellung Ihrer Aussage eben willen nur fragen: Sie meinen doch wohl beide, die Gegner und die Fürsprecher; denn beide Kontrahenten sind hier sehr schwach vertreten.

Hans Dietrich Genscher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000661, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Kollege, ich habe jetzt gar nicht zu einem bestimmten Antrag gesprochen, sondern zu denen, die hier große Worte verloren und die ein stärkeres Interesse an einzelnen Titeln des Bundestagshaushalts als an wichtigen Fragen unserer Wirtschaftspolitik bezeugt haben. ({0}) - Herr Kollege, für jemanden, der in diesem Parlament über die normale Ausschußarbeit hinaus - und in unserer Fraktion haben auch die parlamentarischen Geschäftsführer noch Ausschußarbeit zu leisten - Funktionen hat, ist es ungewöhnlich schwer, fast schwerer als für manche anderen, den ganzen Tag in der Sitzung anwesend zu sein. Das sollten Sie einmal zur Kenntnis nehmen. Es hat keinen Zweck, hier in großes Wehklagen einzustimmen, aber dann bei wichtigen Fragen eben doch ein relativ schlecht besetztes Haus zu haben. Die Haushaltsberatungen sind die große Stunde des Parlaments. Das Parlament bezeugt durch die Art, wie es diese Haushaltsberatungen führt und wie es bei den Haushaltsberatungen auch zahlenmäßig vertreten ist, einen bestimmten Grad der Selbstachtung und Selbsteinschätzung. Bitte schön, Herr Kollege!

Heinz Westphal (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002489, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Genscher, sind Sie wenigstens bereit zu akzeptieren, daß Sie jetzt mit Ihrem Diskussionsbeitrag in das „pädagogische Tief" hineinkommen, von dem Ihr Fraktionskollege, Herr Ertl, gesprochen hat? Es ist gleich 5 Uhr. ({0})

Hans Dietrich Genscher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000661, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Kollege, ich habe aber festgestellt, daß ich für diese Worte auch bei Ihrer Fraktion einen beachtlichen Aufmerksamkeitsgrad erzielt habe, und Sie haben ja sogar Gelegenheit genommen, eine Zwischenfrage zu stellen. Meine Damen und Herren, was die Parlamentsarbeit angeht, hat man nicht nur in der soeben abgeschlossenen Debatte, sondern auch bei früheren Aussprachen große Worte verloren. Ich möchte hier nur an die Aussprache über die Probleme der Jugend und über die Lage der Nation erinnern. Da hat man gesagt, das große Unbehagen in diesem Land rühre auch daher, daß das Parlament nicht immer seine Aufgabe wahrnehme und alle in der Öffentlichkeit virulenten Probleme diskutiere. Wir erleben zur Zeit, daß in der Öffentlichkeit ein Problem diskutiert wird, das in das Ressort des Herrn Bundeswirtschaftsministers gehört. Hier hat aber heute weder der Minister noch gestern der Bundeskanzler noch haben Sprecher der Regierungsfraktionen dieses Thema aufgegriffen. Wir als parlamentarische Opposition möchten nicht, daß man diesem Hause einmal vorhält: Alle sprechen von Mitbestimmung, nur der Deutsche Bundestag nicht. ({0}) Das Problem der Mitbestimmung ist ein sehr ernstes Problem, so ernst, daß sich der Parteitag der Sozialdemokratischen Partei damit befaßt und seine Bundestagsfraktion beauftragt hat, noch in dieser Legislaturperiode Anträge im Deutschen Bundestag zur Erweiterung der Mitbestimmung, und zwar zur Ausdehnung auf andere Bereiche, aber auch zur Erweiterung des Mitwirkungsgrades zu stellen. Die Sozialdemokraten sind mit diesem Bestreben nicht allein. Es gibt auch eine beachtliche Gruppe in der CDU/CSU, die dieser Auffassung zuneigt. Ich glaube, Offenbach ud Offenburg sind die Orte, wo die CDU über diese Fragen zu diskutieren pflegt, aber weniger Bonn, wo der Deutsche Bundestag tagt. ({1}) Auch die Bundesregierung befaßt sich mit diesem Problem in der ihr eigenen Art, und zwar hat sie eine Sachverständigenkommission eingesetzt; übrigens - wenn ich das hier einmal einflechten darf - eine Kommission, über deren Notwendigkeit man in allen Fraktionen einig war, wie die Beratungen über die möglichen Regierungsbildungen im Herbst 1966 ergeben haben. Die Art, wie die Kommission zusammengesetzt ist und wie sie arbeiten soll, hat der Bundeskanzler in der ihm eigenen Art definiert, als er vor einem Kreis bedeutender Wirtschaftler die dort vorhandenen Sorgen, es könne etwas geschehen, damit zu zerstreuen suchte, daß er sagte: Meine Herren, wir haben ja dafür Sorge getragen, daß diese Sachverständigenkommission für Fragen der Mitbestimmung paritätisch zusammengesetzt ist. Nun kann man den Begriff der Parität in die verschiedensten Bereiche einführen. Aber den Begriff des paritätischen Sachverstands habe ich bis zur Stunde noch nicht verstehen können. ({2}) Ich könnte mir vorstellen, daß bei dieser paritätischen Zusammensetzung der Sachverständigenkommission am Ende eine Art Remis in dieser Frage entsteht und damit die Kommission ein ähnliches Bild bietet wie die zur Zeit herrschende Regierungsmehrheit in entscheidenden Fragen. Zur Lösung dieses Problems sollten Sie auf eine Erfahrung der Mitbestimmungsgesetzgebung zurückgreifen. Vielleicht geben Sie dieser Mitbestimmungs-Sachverständigenkommission den 11. und der Bundesregierung den neutralen 23. Mann, damit die Entscheidungen gefällt werden können. ({3}) Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Frage der Mitbestimmung muß hier diskutiert werden, weil das Problem in der Tat von Einfluß nicht nur auf die deutsche Wirtschaftspolitik, sondern auch auf die europäische Wirtschaftspolitik ist. Lassen Sie mich am Anfang die Frage stellen, ob es sich dabei wirklich, wie man bei Äußerungen außerhalb dieses Hohen Hauses hören kann, um ein bewegendes Thema für die Menschen in unserem Lande handelt, für die Arbeitnehmer, in deren Interesse zu handeln die Befürworter einer Ausweitung der Mitbestimmung vorgeben. Ist es nicht vielmehr so, daß diese Menschen in erster Linie die Sicherheit ihrer Arbeitsplätze, d. h. eine stetige konjunkturelle Aufwärtsentwicklung interessiert? ({4}) Ist es nicht auch so, daß für die Menschen draußen und insbesondere für die Arbeitnehmer das Problem der Altersversorgung und der Sicherheit der Altersversorgung ein ganz zentrales Problem ist? Diese Sorge ist nicht zuletzt mit durch ein Mitglied der Bundesregierung geschürt worden, das es wissen müßte. ({5}) - Ich komme gleich noch zu dem zurück, was Sie mich sicher fragen wollen, Herr Kollege. - Bei der Beratung über die Lage der Nation habe ich einen Ausspruch des Herrn Bundesarbeitsministers zitiert, der auf die Frage, ob man denn mit den jetzt gefundenen Regelungen die gesetzliche Rentenversicherung auf die Dauer finanzieren könne, erklärt hat: Wir hoffen, daß wir es bis 1972 können, und was dann ist, ist eine Generationenfrage. Meine Damen und Herren, wer so über etwas spricht, was für Millionen von Beitragszahlern und Rentenempfängern eine existentielle Frage ist, der ist sich seiner Verantwortung, die er als Mitglied der Bundesregierung hat, offensichtlich nicht voll bewußt. ({6}) Der Bundeskanzler hat bei dem Bericht über die Lage der Nation dazu Stellung genommen, auch nicht gestern. Aber ich kann versprechen, daß bei der Beratung des Haushalts des Herrn Arbeitsministers für die Bundesregierung ausreichend Gelegenheit gegeben sein wird, zu dieser Frage Stellung zu nehmen. Ein weiteres entscheidendes Problem, das die Menschen draußen bewegt, ist das Problem der Vermögensbildung, und zwar in einer Form - das ist nach den Ereignissen des letzten Jahres besonders aktuell geworden -, die weder das Arbeitsplatzrisiko mit dem Vermögensrisiko verbindet noch zu einer Einschränkung der Mobilität führt. Ich glaube, auch hier sind wir vor neue Probleme gestellt, die manche, die einer bestimmten Form der Vermögensbildung das Wort reden, vor Augen haben sollten. ({7}) Wir haben fast den Eindruck, daß bei den sehr nachhaltigen Forderungen nach Ausdehnung der qualifizierten Mitbestimmung, wie man sie außerhalb dieses Hauses hört, ein klassisches Beispiel gegeben wird für den Gegensatz zwischen Verbandsforderungen und den Interessen derjenigen, die zu vertreten man vorgibt. ({8}) Meine Damen und Herren, es wäre auch falsch - ich sage das in allem Ernst zu den Kollegen der sozialdemokratischen Fraktion -, wenn man etwa die Frage der Mitbestimmung als Äquivalent für das Verhalten in der Notstandsgesetzgebung betrachten sollte. Das würde ich für ebenso falsch halten wie den Versuch, die Frage der Mitbestimmung zu einem Teil der sozialen Symmetrie zu machen. Der Herr Parlamentarische Staatssekretär im Wirtschaftsministerium hat bei einer öffentlichen Veranstaltung gesagt, es sei sehr problematisch, ob man im Augenblick die Lohnforderungen der Gewerkschaften voll erfüllen könne, aber im Rahmen der sozialen Symmetrie könne man ja dann ein Äquivalent bieten durch eine Ausdehnung der qualifizierten Mitbestimmung. ({9}) Meine Damen und Herren! Das eine hat mit dem anderen überhaupt nichts zu tun, und ich glaube, wer den Begriff der sozialen Symmetrie, der bekanntlich ein schillernder ist, in dieser Form interpretiert, vermengt grundlegend verschiedene Fragen und bringt damit auch die Wirtschaftspolitik der Bundesregierung in Gefahr. Meine Damen und Herren! Nun haben wir in der Tat im Bereich der Betriebsverfassung ein aktuelles Problem vor Augen, das lösungsbedürftig ist. Das Haus berät zur Zeit über einen Antrag zur Stärkung der Minderheitenrechte. Wir glauben, daß dieser Bereich in dieser Legislaturperiode entschieden werden sollte, und zwar im Sinne einer Stärkung der Minderheitenrechte. ({10}) Wir haben die Sorge, daß durch die Absicht der Fraktion der SPD, diesen Punkt mit der Ausdehnung der qualifizierten Mitbestimmung zu verknüpfen, aus der Stärkung der Minderheitenrechte nichts werden wird. Wir würden das bedauern. Es ist hier der Versuch unternommen worden, das Problem durch ein Hinausschieben der Sachverständigenanhörung im Ausschuß etwas zu vertagen, obwohl in keiner der sehr schwierigen Fragen, die wir in diesem Bereich zu lösen haben, so viel Klarheit besteht wie hier. Die Frage, welches Recht die einzelnen Gruppen in einem Betrieb im Verhältnis zueinander haben sollen, ist ja nicht neu; es ist keine Frage, die man durch Sachverständige ergründen müßte. Hierfür gibt es Erfahrungswerte. Die haben Sie nämlich im Bereich des öffentlichen Dienstes im Personalvertretungsgesetz. Dort bewährt sich das. Bitte führen Sie das auch in der gewerblichen Wirtschaft ein! ({11}) Das ist keine Frage von Sachverständigen, sondern es ist im Grunde eine gesellschaftspolitische Frage. Ein Kollege der sozialdemokratischen Fraktion hat einmal im Pressedienst seiner Fraktion geschrieben: Die Verschmelzung von Arbeitern und Angestellten geht ständig voran; noch bestehende Unterschiede im geltenden Recht müssen schnellstens beseitigt werden. - Unsere Position ist die gegenteilige. Wir sagen: Auch im Betrieb gibt es eine unterschiedliche Interessenlage, die sich aus unterschiedlichen Funktionen und unterschiedlichen Tätigkeiten ergibt, und dieser Interessenlage müssen wir durch eine Stärkung des Gruppenrechts und hier vor allem des Minderheitenrechts Rechnung tragen. ({12}) Dabei bin ich gar nicht so sicher, ob es richtig ist, wenn man gegen diese Stärkung des Minderheitenrechts so erhebliche grundsätzliche Bedenken ins Feld führt, denn es könnte ja sein, daß sich als Folge der technischen Entwicklung die Frage, wer Minderheit und wer Mehrheit ist, neu stellt. Wo heute die Angestellten Minderheit sind, können es morgen die Arbeiter sein. Ich habe in vielen öffentlichen Diskussionen festgestellt, daß die Frage, so diskutiert, auch großes Verständnis bei denjenigen findet, die heute beim ersten Anschein zunächst glauben, hier habe der Deutsche Gewerkschaftsbund mit seinen Forderungen recht. Meine Damen und Herren, ich glaube, wir sollten dieses Problem vorab entscheiden. Aber worum geht es bei den öffentlichen Diskussionen, die über die Ausdehnung der qualifizierten Mitbestimmung geführt werden? Ich will es mir hier versagen, eine Grundsatzdebatte über diese Frage zu führen. Aber es wird so viel geredet, meine Damen und Herren, man müsse mit der Ausdehnung der Mitbestimmung eine neue Machtkonzentration verhindern. Ich fürchte, man erzeugt eine neue Machtkonzentration. ({13}) Hier ist die Frage berechtigt: wer kontrolliert denn dann die Kontrolleure? Meine Damen und Herren, es wird von der Marktstellung von Unternehmen geredet. Das ist wahrlich kein Problem der Mitbestimmung, sondern das ist ein Problem der Wettbewerbsgesetzgebung, der, wie man hört, die besondere Aufmerksamkeit des Herrn Bundeswirtschaftsministers gehört. Bitte, vergessen Sie auch nicht, daß in der Mitbestimmungsdiskussion insoweit eine neue Interessenlage entstanden ist, als heute eine große Zahl von Arbeitnehmern - und wir hoffen, es werden immer mehr sein - dem Betrieb nicht nur als Arbeitnehmer, sondern auch als Anteilseigner gegenübersteht. Auch diese Interessenlage wollen Sie bitte mitberücksichtigen. Was die Mitbestimmung und die Erfahrungen im Montanbereich angeht, meine Damen und Herren, so weiß ich nicht, ob sich in den mitbestimmten Betrieben an der Ruhr diese Mitbestimmung immer zum Vorteil der Arbeitnehmer ausgewirkt hat, ob es nicht häufig so war, daß hier Arbeitgeber und Arbeitnehmer zusammen aus unterschiedlichen Interessen ein Kartell gegen den Fortschritt gebildet und damit in Zeiten der Hochkonjunktur die notwendigen personellen Umsetzungen verhindert haben. ({14}) Wir werden vor diesem Problem, meine Damen und Herren, in anderen Bereichen stehen. Nun hat der Herr Bundeswirtschaftsminister, wie man der Presse entnehmen konnte, auf dem Parteitag seiner Partei beachtliche Ausführungen zur Frage der Mitbestimmung gemacht, Ausführungen, denen wir unsere Anerkennung gar nicht versagen wollen. Aber wir haben es uns abgewöhnt, meine Damen und Herren, uns mit Erklärungen auf Parteitagen auseinanderzusetzen, weil wir hören, daß sie nicht immer Eingang in die Politik der Regierung finden. Wir wollen deshalb nur das prüfen, was der Herr Bundeswirtschaftsminister auf dem Parteitag seiner Partei über seine Tätigkeit als Minister gesagt hat. Er hat dort über die Verhandlungsposition gesprochen, die er und sein Parlamentarischer Staatssekretär in Brüssel bei der Gestaltung des europäischen Gesellschaftsrechts einnehmen. Dazu hat der Herr Bundeswirtschaftsminister folgendes gesagt: Wir haben bisher als die für die Bundesrepublik Zuständigen gegenüber unseren Partnern natürlich versucht, bei der Erörterung der europäischen Handelsgesellschaften den Standpunkt des Deutschen Gewerkschaftsbundes zu vertreten. Das ist ganz selbstverständlich. ({15}) Herr Bundeswirtschaftsminister, ich möchte der Erwartung Ausdruck geben, daß Sie hier klarstellen, ob Sie sich in Brüssel, wenn Sie dort über ein europäisches Gesellschaftsrecht verhandeln, als Vertreter des Deutschen Gewerkschaftsbundes oder als Mitglied der deutschen Bundesregierung verstehen und entsprechend handeln. ({16}) Meine Damen und Herren, ich kann die Lage des Ministers gut verstehen; denn beim Deutschen Gewerkschaftsbund weiß er, woran er ist; der hat eine Meinung, die Regierung hat sie nicht. ({17}) Sehen Sie, das Bundesministerium der Justiz hat im Dezember 1966 zu diesen Fragen Stellung genommen und hat - darf ich das einmal hier zitieren - den Beteiligten, also den Gewerkschaften und dem Deutschen Industrie- und Handelstag, einen Brief zu den Problemen geschrieben, die sich aus der Mitbestimmungssituation in der Bundesrepublik für ein europäisches Gesellschaftsrecht ergeben. Da heißt es: In diesen Fällen stellt sich die wirtschaftspolitisch und mitbestimmungsrechtlich bedeutsame Frage, ob im Hinblick auf diese Rechtslage ein etwaiges Übereinkommen der EWG-Mitgliedstaaten über die internationale Fusion nur selten für die Aufnahme ausländischer Unternehmen in deutsche Unternehmen verwendet werden würde, sondern im wesentlichen die Fusion deutscher Unternehmen durch ihre Aufnahme in ausländische Unternehmen fördern würde. Wie dieser wirtschaftspolitischen Gefahr begegnet werden könnte, vermag ich - so sagt der Bundesjustizminister - vorläufig noch nicht zu erkennen. Meine sehr geehrten Herren der Bundesregierung, seitdem ist über ein Jahr vergangen. Wissen Sie jetzt, wie Sie dieser Gefahr begegnen wollen? Denn Sie werden mir zugeben: Nichts wäre für unsere wirtschaftliche Entwicklung in der Bundesrepublik schädlicher, als wenn wir aus dem Mitbestimmungsgefälle, das es in Europa gibt, ein Investitionsgefälle zu Lasten der Bundesrepublik Deutschland bekämen. ({18}) Es kann doch niemand wollen, daß sich angesichts der sich stetig mehr vollziehenden grenzüberschreitenden Fusionen solche Fusionen nur in Richtung Ausland, aber nicht in Richtung Bundesrepublik vollziehen. Meine verehrten Herren von der Bundesregierung, Sie sollten hier auch ein Wort sagen, wie Sie sich die Gestaltung der Rechtsform der europäischen Handelsgesellschaft vorstellen. Wollen Sie hier ein einheitliches Recht, eine Einheitsgesellschaft finden, oder wollen Sie jenen bedenklichen Weg gehen, der uns von französischer Seite sozusagen als Drohung schon entgegengehalten worden ist, daß man die Mitbestimmungsfrage ausklammert, d. h. daß sich bei den europäischen Gesellschaften das Mitbestimmungsrecht nach dem nationalen Recht des Standorts richtet? Wenn das kommt, wird - das kann ich Ihnen versichern - geradezu ein Trend entstehen, diese europäischen Gesellschaften überall in Europa, nur nicht in der Bundesrepublik zu gründen. ({19}) Das würde ein erheblicher Rückschlag für die strukturpolitischen Bemühungen der Bundesregierung z. B. an der Ruhr und an der Saar sein. Wir müssen doch sehen, daß für die Standortwahl im Zuge des Zusammenwachsens des Markts, des Wegfalls der Handelsschranken völlig neue Entscheidungskriterien auftreten. Eines dieser Kriterien ist nun einmal das Recht der Mitbestimmung. Aus diesem Grunde sollten Sie hier Klarheit schaffen. Es ist offensichtlich, daß Sie für die Vorstellungen, wie sie im Augenblick im Raum sind, keine Sympathien bei den anderen europäischen Partnern bekommen, weder bei den Regierungen noch bei den Arbeitgebern noch bei den Gewerkschaften unserer Partnerstaaten. ({20}) Damit möchte ich nicht sagen, daß die Gewerkschaften in den anderen europäischen Ländern etwa arbeitnehmerfeindlich seien. Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir sollten überhaupt aus dieser schrecklichen Vereinfachung herauskommen, daß derjenige, der sich gegen die Ausdehnung der Mitbestimmung ausspricht, arbeitnehmerfeindlich sei und der andere, der den gegenteiligen Standpunkt vertritt, arbeitnehmerfreundlich. Gerade die Probleme des europäischen Gesellschaftsrechts - ich habe bewußt nur diesen Punkt herausgegriffen - machen deutlich, daß es im Interesse der Arbeitnehmer liegt, zu einer vernünftigen Lösung zu kommen, um eine Abwanderung von Betrieben und die Verhinderung von Neugründungen zu vermeiden. ({21}) Meine Damen und Herren, das deutsche Parlament hat nach unserer Auffassung die Aufgabe, in allen Fragen klar Position zu beziehen. Das gilt aber nicht nur für die Außenpolitik, sondern auch für wirtschaftspolitische Grundfragen, wie wir sie hier im Augenblick diskutieren. Ich habe Ihnen hier namens meiner Fraktion unseren Standpunkt klar vorgetragen. Jetzt ist die Bundesregierung am Zuge. Jetzt sind die Regierungsparteien am Zuge. Nehmen Sie diese Stunde des Parlaments wahr und schaffen Sie Klarheit, damit wir Ruhe für eine vernünftige konjunkturelle Entwicklung bei uns und im europäischen Bereich bekommen! ({22}) ({23})

Walter Scheel (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001949

Das Wort hat der Abgeordnete Ollesch.

Alfred Ollesch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001647, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich nur noch einige wenige Worte zu einem Problem sagen, das wir innerhalb der Haushaltsberatung beim Haushalt des Wirtschaftsministeriums behandeln. Ich meine das Gesetz zur Anpassung und Gesundung des deutschen Steinkohlenbergbaues und der deutschen Steinkohlenbergbaugebiete, kurz Kohleanpassungsgesetz genannt. Wer sich der Diskussionen um dieses Gesetz im November des vergangenen Jahres hier in diesem Hause erinnert und wer die Aufmerksamkeit auf den voll besetzten Tribünen zur Kenntnis nehmen konnte - Tribünen, die mit Menschen aus dem Ruhrgebiet, die wegen der Erhaltung ihrer Arbeitsplätze in Sorge waren, gefüllt waren -, könnte zu der Feststellung kommen, daß die Schwierigkeiten, mit denen wir uns damals beschäftigten, heute weitgehend behoben sind. Und in der Tat, im Ruhrgebiet ist nicht mehr die Krisenstimmung wie damals vorhanden. Die Hektik der Tage, an denen Stillegungsbeschlüsse im Dortmunder Raum bekanntgegeben wurden, ist vorbei. Man könnte der Auffassung sein, es bedürfe gar nicht des vorliegenden Anpassungsgesetzes -das gilt insbesondere für den wirtschaftlichen Teil -, um einen geordneten Rückzug der Kohle, die Anpassung der Förderung an den Absatz zu erreichen. Ich verschweige nicht, daß die Fraktion der Freien Demokraten heute wie damals erhebliche Bedenken gegen Teile des vorliegenden Gesetzentwurfs, gegen das Instrumentarium, das sich der Bundeswirtschaftsminister zulegen will, mit dessen Hilfe weit in die Verfügungsgewalt der Bergbauunternehmer eingegriffen werden soll, äußert. Das vorliegende Gesetz dient dem Ziel - so ist es ausgedruckt -, die Bergbauunternehmen und ihre Produktionskapazität auf die Absatzmöglichkeiten des deutschen Steinkohlenbergbaus auszurichten und die Steinkohlenbergwerke mit der nachhaltig stärksten Ertragskraft ihre Produktionskapazität ausnutzen lassen zu können. Meine Damen und Herren, diesem Ziel dienten auch die Maßnahmen vor Einbringung des vorliegenden Kohleanpassungsgesetzes. Diese Maßnahmen der Vergangenheit haben nachhaltige Erfolge gezeitigt, denn es war möglich, einen großen Teil des Kapazitätsüberhanges abzuwerfen und eine große Anzahl von Belegschaftsmitgliedern ohne Erschütterung ihres sozialen Besitzstandes in andere Arbeitsstellen hineinzubringen. Wenn ich mir heute die Arbeitsmarktlage im Ruhrgebiet, speziell auf dem Bergbausektor, ansehe - es gibt Hunderte von offenen Stellen für Bergleute -, könnte man um so mehr der Meinung sein, dieses Gesetz sei nicht mehr notwendig. Wir glauben, daß die wirtschaftlichen Maßnahmen, die in diesem Gesetz vorgeschlagen werden - zu dem Sozialteil werde ich noch einige Worte sagen -, im Grunde genommen aus der Situation heraus nicht mehr erforderlich wären. Zum anderen glauben wir, daß der vorgeschlagene Kohlebeauftragte, der weit in die Eigentumsrechte der Unternehmungen eingreift, gar nicht in der Lage sein wird, das angesprochene Ziel zu erreichen; auch nicht mit seinem Kohlenbeirat. Es wird in diesem Gesetz viel von der optimalen Unternehmensgröße gesprochen. Und als optimale Unternehmensgröße wird die Gesamtgesellschaft, die Einheitsgesellschaft, angesehen. Es hat in der Vergangenheit - bis in die jüngsten Wochen hinein - den Anschein gehabt, das Ziel der Schaffung einer Einheitsgesellschaft würde auf freiwilliger Basis erreicht. Aber die Widerstände gegen die Schaffung einer solchen Einheitsgesellschaft kamen nicht so sehr von der Unternehmerseite, sondern von der Arbeitnehmerseite, von der Industriegewerkschaft Bergbau und Energie, weil die Schaffung einer Einheitsgesellschaft Probleme der Mitbestimmung aufrührt, die einvernehmlich in den Beratungen nicht gelöst werden konnten. Nun, was ist überhaupt die optimale Unternehmensgröße? Soll sie ausgerichtet werden nach der Kapazität? Sind die Jahrestonnen Maßstab für eine optimale Größe, oder ist nicht -- ({0}) - Herr Kollege Russe, im Gesetz steht natürlich, daß die optimale Größe die Gesamtgesellschaft wäre. ({1}) - Das steht im Bericht. ({2}) - Das steht in dem Bericht zu dem Gesetz, das werden Sie nicht bestreiten. ({3}) Nun ist die Schaffung einer optimalen Unternehmensgröße ein recht schwieriges Unterfangen, an dem sicherlich auch der Kohlebeauftragte scheitern wird. Denn wenn es so sehr einfach wäre, dann hätte der Bund beispielsweise in seinen bundeseigenen Bergbaugesellschaften den übrigen Unternehmern zeigen können, wie eine optimale Unternehmensgröße auszusehen hat. Der Eigentümer dieser Gesellschaften müßte doch von sich aus in der Lage sein - zumal er der Einbringer des Gesetzentwurfes ist -, diese optimale Unternehmensgröße als Beispiel festzulegen. Es wäre vielleicht ein nachahmenswertes Beispiel für die übrigen Unternehmungen gewesen, wenn der Bund hier vorangegangen wäre und Zeichen gesetzt hätte. Das ist leider nicht geschehen, aus vielfachen Gründen heraus, woran man sieht, daß die Schaffung solcher optimalen Größen kein einfaches Werk ist. In diesem Gesetzentwurf wird bestimmt, daß nach dem 1. 1. 1969, wenn Unternehmen sich weigern sollten, sich zu optimalen Unternehmensgrößen zusammenzuschließen, die bisher gewährten Vergünstigungen und noch zu gewährende Vergünstigungen nicht mehr gezahlt werden. Mir scheint, daß die Frist von einem Dreivierteljahr angesichts der Erfahrungen, die wir in der Vergangenheit machen konnten, ungewöhnlich kurz ist. Zum anderen werden dem Kohlebauftragten Eingriffe in die Personalgestaltung der Unternehmen zugestanden. Zwar soll er nur Empfehlungen geben, aber die Nichtbefolgung dieser Empfehlungen zieht auch den Entzug der Vergünstigungen nach sich. Von daher bestimmt er mit seinem Kohlebeirat die Personalpolitik der Bergbauunternehmen. Auch dahinter setzen die Freien Demokraten ein großes Fragezeichen. Wir haben anläßlich der ersten Beratung des Kohleanpassungsgesetzes erklärt, daß die einzige Lösung zur Behebung der Kohlenkrise und der Schwierigkeiten im deutschen Kohlenbergbau eine rasche Anpassung der Förderung an den Absatz ist, eine Auffassung, die wir in der Vergangenheit schon vertreten hatten und der sich die Bundesregierung und der Bundeswirtschaftsminister - die Vorlage des Gesetzes weist es ja aus - angeschlossen haben. Wir haben aber ebenso deutlich erklärt, daß wir bei der Anpassung mit den notwendigen Umsetzungen der Belegschaft keinesfalls die Belegschaft unter dieser Strukturveränderung leiden lassen wollten, und deswegen begrüßen wir den sozialen Teil des Kohleanpassungsgesetzes. ({4}) - Herr Kollege Dr. Schellenberg - ({5}) Bei uns diskutiert die gesamte Fraktion über anstehende Probleme. Sie überläßt es nicht nur den Ausschußmitgliedern. Und sehen Sie einmal, Herr Professor Schellenberg, wenn unsere Ausschußmitglieder sich der Stimme enthalten haben, dann haben sie es mit Rücksicht auf die Gesamtfraktion getan angesichts der Bedenken, die wir auch beim Sozialplan, Herr Professor Schellenberg, hier anzumelden haben. ({6}) - Nein, wir wollen ihn nicht verbessern, aber wir haben Bedenken dagegen, Herr Professor Schellenberg, daß die bisherigen freiwilligen betrieblichen Leistungen Inhalt des vorliegenden Gesetzentwurfs werden ({7}) und nunmehr Zwangsleistungen werden. Wir sind also der Auffassung, daß diese sozialen Leistungen zu Recht den Menschen gewährt werden, denen im Grunde genommen keine Schuld zuzumessen ist an den notwendigen Änderungen, an den Schwierigkeiten, die dadurch entstehen, daß sich in einem Ballungsraum Strukturveränderungen vollziehen und Umsetzungen nicht in dem Maße möglich sind, wie es wünschenswert wäre. Der Grund ist darin zu suchen, daß wir unsere Menschen in der Bundesrepublik in den letzten Jahren bewußt dadurch immobil gemacht haben, daß wir ihnen zu Eigentum verholfen haben, und zwar aus gesellschaftspolitischen Gründen, die auch wir bejahen. Dadurch haben wir sie immobiler gemacht, als sie es in der Vergangenheit waren. Sie sind also heute schwerer umzusetzen, und es bleibt die Aufgabe, die Betriebe mobil zu machen. Von daher begrüßen wir den sozialen Teil. Wir begrüßen es, daß die Anpassungsmaßnahmen Bestandteil dieses Gesetzes sind, Anpassungsmaßnahmen, die bisher aus Mitteln des Bundes und der Montanunion geleistet wurden und die nunmehr durch das Land Nordrhein-Westfalen aufgestockt werden. Wir neigen überhaupt mehr zu Anpassungsmaßnahmen, zu den Maßnahmen der Umschulung und dergleichen. Wir halten mehr davon, die Betroffenen wieder in den Arbeitsprozeß hineinzubringen, in einen Prozeß, wo sie ohne Hilfe und ohne sozialen Abfall wieder ihren Lebensunterhalt bestreiten können, als davon, Härten mit Zahlung von einmaligen Abfindungsgeldern zu begegnen. Aber auch diese werden dort notwendig sein, wo Vermittlungen nicht mehr möglich sind und Umsetzungen nicht vorgenommen werden können. Ich sagte Ihnen: wir haben Bedenken gegen die Einbeziehung der betrieblichen Maßnahmen, die in Teil 3 genannt werden, weil wir der Auffassung sind, daß freiwillig gewährte Maßnahmen, sobald sie Grundlage eines Gesetzes werden, unter Umständen dazu führen können, daß weitere, darüber hinausgehende Maßnahmen nicht mehr gewährt werden. Wir sind also der Auffassung, daß die Umwandlung an der Ruhr, die sich zwar langsamer als bisher, aber dennoch vollzieht, nicht zu Lasten der arbeitenden Menschen an der Ruhr erfolgen darf, und von daher stimmen wir dem Gesetzentwurf im sozialen Teil zu. ({8})

Walter Scheel (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001949

Das Wort hat der Herr Bundeswirtschaftsminister.

Dr. Karl Schiller (Minister:in)

Politiker ID: 11001968

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist natürlich durchaus legitim, daß Herr Genscher das Thema „Mitbestimmung" beim Haushalt des Bundeswirtschaftsministers anspricht, obgleich nach der Geschäftsverteilung der Bundesregierung federführend für den Bereich Mitbestimmung - das dürfte Herrn Genscher doch nicht ganz aus der Erinnerung gekommen sein - der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung ist. Der Bundeswirtschaftsminister ist allerdings in Fragen der Mitbestimmung, weil das auch eine Frage der Ordnungspolitik ist, einvernehmlich zu beteiligen. Und bei der Einsetzung der Sachverständigenkommission der Bundesregierung, einer Sachverständigenkommission, die in der Regierungserklärung vom 13. Dezember 1966 angekündigt wurde, bestand tatsächlich volles Einvernehmen zwischen dem Arbeitsminister und dem Wirtschaftsminister. ({0}) - Bestand und besteht. Nun zu der Frage selbst, die Herr Genscher aufwarf. Leider ist er nicht da; er hat vorhin einige wenig tolerante Äußerungen über abwesende Kollegen gesagt, deswegen vermisse ich ihn. -Meine Damen und Herren, ich glaube in bezug auf den SPD-Parteitag eines feststellen zu können: Wir hatten dort eine sehr umfassende, sehr ernste und sehr eindringliche Debatte zu dem Thema Mitbestimmung; auf jeden Fall weit ernster, eindringlicher, und ich muß wohl sogen, auch seriöser als die wenigen kurzen Bemerkungen von Herrn Genscher zu diesem wichtigen Thema. ({1}) Sein Zitat aus meinen Äußerungen dort war auch nicht gerade, sagen wir einmal, sehr umfassend, sondern betraf einen Satzteil. ({2}) Ich darf deswegen weiter lesen aus meinen damaligen Ausführungen: Nur werden wir eines Tages vor die harte Wahl gestellt werden - und das gilt für jede Bundesregierung -: Entweder es gibt eine Europäische Handelsgesellschaft ohne minimale Konzessionen gegenüber unserem System, oder es gibt keine europäische Handelsgesellschaft ... Es gibt noch einen dritten Ausweg, und den hat mein Kollege Debre auch schon angedeutet ... Der Ausweg besteht darin, daß sich die europäische Handelsgesellschaft in der Frage der Mitbestimmung jeweils nach dem Recht des Mitgliedstaates richtet, in dem sie ihren Sitz hat. Ich habe dann in den folgenden Sätzen auch auf die weiteren Konsequenzen hingewiesen. Herr Genscher, Sie sehen: es ist mehr gesagt worden, auch von mir, als das, was Sie zitiert haben; und es ist, glaube ich, sehr abgewogen formuliert worden, und es ist dasselbe, was der Wirtschaftsminister hier sagt.

Walter Scheel (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001949

Herr Bundeswirtschaftsminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Dr. Karl Schiller (Minister:in)

Politiker ID: 11001968

Bitte sehr!

Hans Dietrich Genscher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000661, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Bundeswirtschaftsminister, würden Sie sich bitte daran erinnern, daß ich ausdrücklich dem sachlichen Teil Ihrer Ausführungen meinen Respekt bezeugt und mich bei diesem Zitat nur dafür interessiert habe, in wessen Auftrag Sie in Brüssel verhandeln?

Dr. Karl Schiller (Minister:in)

Politiker ID: 11001968

Ich werde Ihnen auch dazu eine Auskunft geben. Natürlich habe ich in Brüssel verhandelt und verhandle ich in Brüssel im Auftrag der Bundesregierung. Nur: Zum Thema Mitbestimmung in der Europäischen Handelsgesellschaft ist es ganz klar, daß wir de lege lata vorgehen müssen. Es gibt nämlich ein Gesetz, und zwar über die Betriebsverfassung, ein deutsches Gesetz, angenommen von diesem Parlament. Ist es da nicht legitim, den Standpunkt der deutschen Gewerkschaften zu vertreten, daß man dieses deutsche Gesetz möglichst in die Europäische Handelsgesellschaft einbringt? Ich glaube, Herr Genscher, gegen diesen wohlverstandenen Auftrag vom bestehenden Gesetz her, das zugleich der Meinung des Gewerkschaftsbundes entspricht, können Sie auch hier als Abgeordneter nichts haben. ({0}) Im übrigen darf ich hinzufügen: Die Sachlage dort ist so: Dieses Europa befindet sich ja zur Zeit nicht gerade im allerbesten Zustand. ({1}) - Ja, das weiß er ganz genau, wir sprechen sehr viel darüber und versuchen sehr viel, das zu bessern. Wir nehmen alle unsere Aufgabe in dieser Beziehung, wie Sie wohl wissen, sehr ernst. Ich habe z. B. meinem Kollegen Debré bei der letzten Verhandlung zum Thema Europäische Handelsgesellschaft gesagt: Lieber Herr Kollege Debré, es ist ein sehr düsteres Europa, das wir jetzt haben, aus bekanntem Anlaß; wollen Sie von den deutschen Gewerkschaften verlangen, daß sie in diesem Augenblick für dieses düstere Europa Konzessionen in der Frage der Betriebsverfassung machen? Diese Frage habe ich ihm vorgelegt, und er hat sie eingesehen und hat sein Einverständnis gegeben, daß diese Frage vorläufig ausgeklammert wird. - Ich glaube, damit ist dieses Thema genügend in der nötigen Sachlichkeit behandelt worden. Ich möchte noch ein Wort zur Sache selbst sagen. Sie wissen, Herr Genscher, wir haben auch jetzt nach dem Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft die konzertierte Aktion entwickelt, und ich habe sie einmal als eine flexible Methode der Mitwirkung der autonomen Gruppen an der Vorformung der Wirtschaftspolitik bezeichnet. Als ich diese Formulierung gebraucht habe, hat ein kluger Journalist zu mir gesagt, ich sei damit der erste mitbestimmte Minister. Ich kann Ihnen nur sagen, Herr Genscher, ich fühle mich ganz wohl in dieser meiner Eigenschaft. ({2}) Und weil Sie auf die Äußerungen meines Parlamentarischen Staatssekretärs anspielten, darf ich hinzufügen, er hat sicherlich folgendes bisherige Ergebnis der konzertierten Aktion gemeint: Es geht in dem jetzigen Stadium der Verhandlungen dort nicht allein um Mark und Pfennig, sondern es geht auch um gesellschaftspolitische Fragen, die dort in großem Kreise - Unternehmerverbände, Gewerkschaften, Sachverständige und Regierung - besprochen werden, z. B. Fragen der Vermögenspolitik, - nicht Fragen der Mitbestimmung, weil diese Fragen in der Sachverständigenkommission der Regierung auftragsgemäß behandelt werden. Ich darf noch hinzufügen, daß diese gesellschaftspolitische Aufgabe, die uns allen gestellt ist, auch von den Unternehmerverbänden, nicht nur von den Gewerkschaften, heute als Herausforderung empfunden wird und daß wir gemeinsam in diesem Sinne an vermögenspolitischen Modellen arbeiten und Ihnen, wenn die Vorergebnisse fertig sind und das Kabinett damit befaßt worden ist, hier im Parlament Vorschläge machen werden. Nun, meine Damen und Herren, ist es wohl angebracht, daß ich noch ein paar ergänzende und abschließende Worte von der Exekutive aus sage zu dem heute und hier zur Abstimmung stehenden Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung und Gesundung des deutschen Steinkohlenbergbaus und der deutschen Steinkohlenbergbaugebiete. In der Erklärung der Bundesregierung vom 8. November vorigen Jahres wurde festgestellt: Die deutsche Kohle hat Zukunft! Sie hat dann eine Zukunft, wenn wir heute nicht einfach zu einer neuen Subventionsrunde ansetzen ..., sondern wenn wir allesamt entschlossen und zielbewußt einen Prozeß der Anpassung und Gesundung für die Kohle einleiten. So weit das Zitat. Die Beratungen in den letzten Monaten in diesem Hohen Hause haben gezeigt: Die Mehrheit dieses Parlaments ist zu einer solchen zukunftsorientierten Politik für die Kohle bereit. Die Bundesregierung hat gleichzeitig im vergangenen Jahr ihr Steinkohlenprogramm vorgelegt und im Januar dieses Jahres im Rahmen des Jahreswirtschaftsberichts, wie Sie sich erinnern, die Absatzaussichten auf dem deutschen Energiemarkt auf mittlere Frist dargelegt. Kernstück unseres Programms für die Kohle ist das hier vorliegende, heute zur Abstimmung stehende Kohlegesetz. In diesem Gesetz werden die Schwerpunkte unseres gesamten Kohle- und Energieprogramms deutlich. Erstens - ich möchte das mit aller Klarheit sagen, damit es keine Zweifel gibt : Für die Sicherung der Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit unserer Gesamtwirtschaft brauchen wir eine möglichst billige Energieversorgung. Ich glaube, dagegen kann auch die FDP nichts sagen. Wir brauchen aber zugleich auch so viel Sicherheit, um ein Übergreifen kurzfristiger Versorgungsstörungen auf die Gesamtwirtschaft auch in preismäßiger Hinsicht verhindern zu können. Wir brauchen also deshalb eine gesunde und leistungsfähige Kohle, die mit den übrigen Energieträgern konkurrieren kann. Damit wird das Entscheidende deutlich, Herr Friderichs: Wir wollen mit diesem Gesetz den Steinkohlenbergbau in eine Verfassung bringen, in der er sich marktwirtschaftlich behaupten kann. Das ist der Sinn dieses Gesetzes. Sie wissen doch, daß es 70 Jahre lang im deutschen Steinkohlenbergbau keine marktwirtschaftlichen Verhältnisse gegeben hat. Wir bereiten mit diesem Gesetz für die Zukunft den Sprung des Bergbaus aus dem Reich der Notwendigkeiten in das Reich der Freiheit vor. Ich könnte vielerlei Eideshelfer zitieren, die den marktwirtschaftlichen Trend dieses Gesetzentwurfs begründet und bestätigt haben. Ich will Ihnen einen nennen, und zwar nenne ich ihn auch deshalb, weil er uns sonst immer sehr kritisch in diesem Jahr begleitet hat: das ist Wilhelm Throm von der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung". Er hat am 7. November vorigen Jahres zu dem Gesetzentwurf gesagt: „Alles in allem ist dieser Vorschlag der am ehesten marktwirtschaftlich zu rechtfertigende Plan." Soweit das Zitat von Herrn Throm. Ich glaube, Herr Friderichs, er sollte für Sie, was die marktwirtschaftliche Qualität dieses Gesetzentwurfs betrifft, über allem Zweifel sein. Zweitens wollen wir die Wirtschaftskraft in den Steinkohlenrevieren sichern und auf eine neue, breitere Basis stellen. Deshalb muß der Gesundungs- und der Anpassungsvorgang bei der Kohle von einem neuen Prozeß der Industrialisierung in diesen Gebieten begleitet sein. Drittens müssen die aus ihrer Tätigkeit im Steinkohlenbergbau ausscheidenden Menschen sozialpolitisch möglichst weitgehend abgesichert sein. Der im Interesse der Gesamtwirtschaft notwendige Gesundungsprozeß in der Kohle darf nicht einseitig zu Lasten der heute im Bergbau tätigen Menschen gehen. An diesen drei Zielen hat die Bundesregierung ihr Gesamtprogramm orientiert. In der Energiedebatte am 8. November 1967 hat dieses Gesamtprogramm der Bundesregierung die grundsätzliche Zustimmung dieses Hohen Hauses gefunden. In dem damaligen Ringen um eine zukunftsorientierte Lösung ist doch tatsächlich der Durchbruch zu einem neuen Abschnitt in unserer Kohle- und Energiepolitik gelungen. Wir sind standhaft geblieben. Wir sind nicht in einen neuen Kohleprotektionismus abgeglitten. Das war doch das Ergebnis der Debatte am 8. November, und es ist auch jetzt das erfreuliche Ergebnis der Ausschußberatungen. Mit der Debatte vom 8. November, in der eine so große Übereinstimmung bestand, daß man nicht das Spiel von vorn anfangen wollte, daß man nicht konservierende Strukturpolitik betreiben wollte, war für die Einzelberatung des Gesetzentwurfs in den Ausschüssen die gute Grundlage gegeben. Namens der Bundesregierung darf ich an dieser Stelle allen Ausschüssen des Hohen Hauses danken, die mit der Regierungsvorlage befaßt waren. Ich danke für die Sorgfalt und die Intensität, mit der alle Beteiligten die Vorlage beraten, sich aber vor allem auch mit der zugrunde liegenden Problematik auseinandergesetzt haben. Das gilt auch für die mitberatenden Ausschüsse, von denen ich vor allem, Herr Kollege Schellenberg, den Ausschuß für Sozialpolitik nennen möchte, der sich sehr eingehend über die Situation des Bergmanns im Strukturanpassungsprozeß im Ruhrgebiet und über die Schwierigkeiten, die für den Bergmann entstehen, informiert hat. Das alles gilt aber besonders für den federführenden Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen, der die verschiedenen Möglichkeiten und Alternativen eingehend geprüft und ein sehr hohes Ausmaß an Arbeitskraft und Ideen in dieses Gesetz investiert hat. Ich danke besonders den Abgeordneten der verschiedenen Fraktionen im Wirtschaftsausschuß und im Sozialpolitischen Ausschuß, die mir geholfen haben, auf daß keine weitere Verzögerung im Gesetzgebungsverfahren eintrat, und die dafür gesorgt haben, daß das Gesetzgebungsverfahren unbeeinträchtigt von Verhandlungen in dritten Bereichen zum Abschluß kam. Die Ausschüsse, meine Damen und Herren, haben dem Konzept der Bundesregierung insgesamt zugestimmt. Sie haben gleichzeitig durch ihre Änderungen und Ergänzungen wichtige Verbesserungen beschlossen. Ich will darauf verzichten, auf diese Verbesserungen im einzelnen einzugehen. Ich kann Ihnen jedoch hier zur zweiten und dritten Beratung mitteilen: Die Bundesregierung schließt sich den Änderungsvorschlägen und den ausführlichen Darlegungen der Berichterstatter der Ausschüsse voll an. Meine Damen und Herren, das Kohlegesetz wird die Kohlepolitik in Deutschland auf eine völlig neue Grundlage stellen. Voraussetzung für dieses Unternehmen war zunächst eine Stabilisierung des Absatzes; denn in einer sich überschlagenden Entwicklung ist eine Gesundung nicht möglich. Bei den absatzstabilisierenden Maßnahmen, die wir im letzten Jahr in Kraft gesetzt haben, brauche ich nur stichwortartig auf die Verstromung, auf die Kokskohlebeihilfe, auf die Kohleeinfuhrregelung, auf die Selbstbeschränkung und nicht zuletzt auch auf die Heizölsteuer hinzuweisen. Die Wirkung dieser flankierenden Maßnahmen, die wir nicht über diesen Punkt hinaus weitertreiben wollen, ist jetzt deutlich erkennbar. Die Kohlehalden sind Ende März 1968 um rund 6 Millionen t geringer als zur gleichen Zeit des Vorjahres. Während wir von 1964 bis Mai 1966 einen Absatzrückgang von rund 10 Millionen t jährlich hatten, hat sich der Absatz von Steinkohle seit dem dritten Vierteljahr 1967 trotz der allgemeinen Rezession deutlich stabilisiert. Aus dem Sturzflug ist inzwischen ein Gleitflug geworden. Aber, meine Damen und Herren, wir hatten zeitweilig den Eindruck, daß diese Erleichterung, herbeigeführt durch flankierende Maßnahmen, nun wieder jene Kräfte wach werden ließ, die eigentlich nach der Parole verfahren wollen: So weitermachen wie bisher, d. h. so wie man zehn Jahre verfahren ist. Eine Kohlenkrise, dann gibt es Krach, dann gibt es noch einmal wieder einen politischen Termin, und dann müssen wir alle zur Kasse schreiten. Das ist das Geheimpapier, das jene in der Schublade haben, die die Hände in den Schoß legen wollen, die einfach so weitermachen wollen und auf die nächste Subventionsrunde hoffen. Herr Ollesch, ich hatte den Eindruck, Ihre Ausführungen zielten etwas in diese Richtung: weitermachen wie bisher. ({3}) - Na, dann sollten Sie dem Gesetz, nicht nur dem sozialpolitischen Rosinenteil, sondern dem ganzen Gesetz, auch dem harten Teil, zustimmen. Sonst wäre das inkonsequent. Es ist der Sinn dieses Gesetzes, daß wir eben nicht so weitermachen wie bisher, sondern daß wir die Erholungspause, die wir zur Zeit für die Kohle genießen, in einen Prozeß dauerhafter Gesundung überleiten. Mit dem Gesetz werden alle Möglichkeiten des Staates, die in unserer Wirtschaftsordnung für die Überwindung der Strukturkrise zur Verfügung stehen, eingesetzt, denn die ist noch nicht behoben, auch wenn es jetzt eine zeitweilige Erleichterung für den Kohleabsatz gibt. Wir erwarten jetzt von allen Verantwortlichen der Bergbauwirtschaft - der Herr Bundeskanzler hat das in seiner Erklärung zur Lage der Nation schon sehr deutlich gesagt -, daß sie die Zielsetzung dieser Politik und dieses Gesetzes in Zukunft tatkräftig unterstützen. In unserem Jahreswirtschaftsbericht haben wir zahlenmäßig dargelegt: Der deutsche Steinkohlenbergbau hat vor allem dann eine Zukunft, wenn er seine Chancen erkennt. Auch einige Bergassessoren sollten nun auf der Basis dieses neuen Gesetzes die Chancen für den Bergbau erkennen und nutzen und sollten sich an den einfachen parlamentarischen Tatbestand des Kompromisses gewöhnen, der ja in jenem Wirtschaftszweig in den 70 Jahren nichtmarktwirtschaftlicher Ordnung vielleicht ein bißchen vergessen worden ist, wie wir alle wissen. Ich meine den Kompromiß als solchen. Das alles ist ein Wort für die Zukunft. Auf jeden Fall setzt die grundlegende Zielsetzung der deutBundesminister Dr. Schiller schen Energiepolitik, billige und sichere Energie für die gesamte deutsche Wirtschaft zu haben, einen leistungsfähigen, rationalisierten Steinkohlenbergbau voraus. Es kommt also nunmehr entscheidend darauf an, daß eine Unternehmenspolitik betrieben wird, bei der Förderung und Absatz unter gesamtwirtschaftlich vertretbaren Bedingungen in Einklang stehen. Ich möchte es so sagen: Die deutsche Kohle muß zu einem Maximum an Wettbewerbsfähigkeit und zu einem Minimum an Hilfsbedürftigkeit kommen. Das erfordert auf der Basis dieses Gesetzes vom Steinkchlenbergbau selbst einiges, nämlich im wesentlichen fünf Verhaltensweisen: 1. eine Ausrichtung der Produktionspolitik auf den Markt, 2. die Ausnutzung aller Möglichkeiten zur Kostensenkung, 3. eine elastische Absatz- und Preispolitik, 4. eine Konzentration der Förderung auf die besten Schachtanlagen end 5. stabile Belegschaftsverhältnisse durch eine Belegschaftspolitik, die dem Bergmann das Bewußtsein eines gesicherten Arbeitsplatzes gibt. Diese Aufgaben kann der Steinkohlenbergbau nur dann erfüllen, wenn er sich selbst eine neue, straffe Unternehmensform gibt, eine straffe Organisationsform mit wenigen Entscheidungszentren. Darüber hinaus muß ein Gesamtanpassungsprogramm aufgestellt werden, das für einen überschaubaren Zeitraum überzeugend deutlich macht, welche Anstrengungen hei der Steinkohle selbst für die Gesundung, für die Anpassung noch erforderlich sind. Meine Damen und Herren, das Kohlegesetz macht dies alles möglich. Es will die für diese Aufgaben notwendigen Weichenstellung erleichtern. Es will sie notfalls auch erzwingen, und zwar mit finanziellen Mitteln, durch Rücknahme von bestimmten Subventionen. Herr Mertes hat vorhin wieder so sehr für den Abbau von Subventionen plädiert. Ich kann nur sagen: Herr Mertes, hier ist eine Chance gegeben. Hier in dem Gesetz wird vorgesehen, daß, wenn sich bestimmte Unternehmen in Zukunft nach einem bestimmten Zeitablauf nicht marktkonform verhalten, ihnen eine beachtliche Summe von Subventionen entzogen wird. Das ist doch eine gute Sache, und ich hoffe, Sie werden gleich ja sagen zu diesem Gedanken.

Dr. h. c. Werner Mertes (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001483, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Minister, sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, daß ich mich zwar über diese Zusage sehr freue, aber Sie doch fragen möchte, ob Sie bereit sind, dieses nach Ihrer Meinung gute Beispiel auf andere Wirtschaftszweige entsprechend auszudehnen, sowie es das Stabilitätsgesetz der Bundesregierung vorschreibt?

Dr. Karl Schiller (Minister:in)

Politiker ID: 11001968

Das Stabilitätsgesetz schreibt vor, daß alle zwei Jahre der Bundesfinanzminister einen Subventionsbericht über den Status, die Rechtsgrundlagen und den möglichen stufenweisen Abbau von Subventionen gibt. Ich nehme an, der nächste Subventionsbericht dieses Bundesfinanzministers - dies war ja erst der erste Bericht - wird Ihnen über diese Sachen ein bißchen mehr sagen. Der Bericht ist nach meinem Gefühl etwas zu früh gekommen. Von mir aus hätte das noch ein wenig andauern können. Aber der Herr Bundesfinanzminister hat es sehr gut gemeint. Er wollte nämlich das Parlament möglichst früh mit diesem Material ausrüsten. Ich glaube, wir alle werden mit diesem neuen Instrument umgehen lernen müssen, sowohl mit dem wirtschafts- und finanzpolitischen Instrumentarium allgemein, das speziell im Stabilitäts- und Wachstumsgesetz gegeben ist, wie auch mit dem Subventionsbericht selbst. Er wird das nächste Mal sicherlich vollkommener sein. Aber hier - im Kohlegesetz - haben Sie eine konkrete Möglichkeit, am Entzug von Subventionen mitzuwirken. Der Bundesbeauftragte selber, der dem parlamentarisch verantwortlichen Bundesminister für Wirtschaft unterstellt sein soll, soll kein Vormund des Steinkohlenbergbaus sein. Der Bundesbeauftragte soll vielmehr Statthalter des öffentlichen Interesses sein, weil er nämlich öffentliche Gelder und ihre Verwendung zu kontrollieren hat. Es geht hierbei um über eine Milliarde DM allein aus dem Bundeshaushalt, ganz abgesehen von den sozialpolitischen Globalzuwendungen an die Knappschaft, die wir hier gar nicht zu erwähnen brauchen. Ich sagte, der Bundesbeauftragte soll Statthalter des öffentlichen Interesses und besonders des Steuerzahlers sein. ({0}) - Die Leitlinien für sein Handeln und seine Entscheidungen sind in § 1 des Gesetzes klar vorgezeichnet, Herr Illerhaus. Ich glaube, es sind sehr eindeutige Bestimmungen. Im übrigen können Sie mich belangen. Denn ganz richtig ist deutlich gesagt worden, daß der Wirtschaftsminister die Aufsicht über den Bundesbeauftragten hat und für ihn auch politisch und parlamentarisch verantwortlich ist; wie könnte es anders sein? ({1}) Mit der Einfügung des § 4 Abs. 3 hat der Wirtschaftsausschuß eine wesentliche Ergänzung des Gesetzentwurfs vorgenommen. Er hat dem Bundesbeauftragten die Möglichkeit eröffnet, auch Empfehlungen zur Belegschaftspolitik im Steinkohlenbergbau abzugeben. Wir begrüßen das. Meine Damen und Herren! Die Verhandlungen über die Konzentration im deutschen Steinkohlenbergbau in Richtung auf eine Gesamtgesellschaft sind noch im Gange. § 18 - früher § 12 - des Gesetzentwurfs öffnet jetzt die Wege in zwei Richtungen. Es ist beides möglich. Es ist möglich der Zusammenschluß zu mehreren optimalen Unternehmensgrößen nach § 18 Abs. 1, und es ist möglich der Zusammenschluß zu einer Gesamtgesellschaft. Im übrigen ist eine Modellverordnung nach § 20, eine Rechtsverordnung, Herr Ollesch, dem Ausschuß für Wirtschaft vorgelegt worden, so daß Sie auch gesehen haben oder sehen konnten, wie man sich die Bestimmung der optimalen Unternehmensgröße für den Fall denkt, daß es keine einzige Gesamtgesellschaft im Ruhrgebiet gibt. Wie gesagt, die Verhandlungen laufen weiter, und die Vertreter der Unter8740 nehmer verhandeln mit der Bundesregierung und der Landesregierung unter voller Beteiligung der Gewerkschaften jede Einzelfrage. In diesen Verhandlungen herrscht ein gutes Klima. Ich bin unverändert der Meinung, daß die noch offenen Fragen einer Gesamtgesellschaft allesamt lösbar sind. Für die Bundesregierung gilt nach wie vor die Bildung von Gesamtgesellschaften für die jeweiligen Steinkohlenreviere - an der Saar haben wir schon eine - auf freiwilliger Grundlage als die beste Lösung des Unternehmensproblems. Es gibt keinen Grund, diese Priorität zu ändern. Ich wies schon darauf hin, daß das Kohlegesetz zugleich auch die Wirtschaftskraft der betroffenen Regionen und Gemeinden sichern und stärken will. Die neue Investitionsprämie wird ein wirksamer Anreiz für neue, strukturverbessernde Investitionen in den Revieren sein. Aber, meine Damen und Herren, da handelt es sich um privatwirtschaftliche Neuinvestitionen. Wir müssen auch in jenen Gebieten an der Ruhr und an der Saar - ich erinnere noch einmal daran - öffentliche Infrastrukturinvestitionen fördern; wir müssen sie erweitern. Das Strukturprogramm „Ruhr, Saar und Zonenrandgebiet" wird die direkten Investitionsanreize für die Wirtschaft unterstützen und durch eine Verbesserung der Infrastruktur den gesamten Umbildungsprozeß an der Ruhr, an der Saar und im Zonenrandgebiet fördern. Wir stehen dabei in enger Zusammenarbeit mit den betreffenden Landesregierungen, die uns ganz konkrete Projekte vorgeschlagen haben. Die Verhandlungen mit den beteiligten Ländern über ein solches Infrastrukturprogramm sind noch nicht abgeschlossen. Aber ich glaube, daß durch jenes Programm eine zusätzliche öffentliche Investition in der Größenordnung von 1 Milliarde DM, Herr Kollege Ravens, verwirklicht werden kann. Wir hoffen sehr, daß die Finanzierungsfragen bald vollständig geklärt und die ersten Aufträge vergeben werden können. Meine Damen und Herren, Sie wissen, daß der Gesundungsprozeß, den wir mit diesem Gesetz einleiten manche schmerzhafte Verlagerung im Bereiche der Arbeitsplätze mit sich bringen wird. Um den Bergmann gegen unvertretbare Härten abzuschirmen, haben wir mit dein Gesamtsozialplan ein geschlossenes und umfassendes System sozialer Sicherungen für den Bergmann geschaffen. Ich bin den Ausschüssen besonders dankbar dafür, daß sie diesen Gesamtsozialplan im Gesetz selbst verankert haben. Damit genießt der deutsche Bergmann einen weitgehenden Schutz gegen die Auswirkungen der Anpassungsvorgänge. Wir müssen dabei zur Kenntnis nehmen, daß wir hier sozialpolitische Sonderbedingungen schaffen. Diese Sonderbedingungen für den Bergmann sollten anderen nicht als Berufung für ähnliche Forderungen dienen. ({2}) Die deutsche Öffentlichkeit sollte diese Sonderbedingungen vielmehr als das verstehen, was sie sind - ich sage es deutlich und klar -, als die Anerkennung und die Bereitschaft, denjenigen Menschen zu helfen, die vor 20 Jahren die Grundlagen für den Wiederaufbau der gesamten deutschen Wirtschaft und damit letztlich für unseren gemeinsamen Wohlstand unter schwersten Bedingungen geschaffen haben. ({3}) Das, meine Damen und Herren, ist der letzte Beweggrund für diese sozialpolitischen Sonderbedingungen. In diesem Sinne möchte ich auch das von der Bundesregierung vorgeschlagene, jetzt im Gesetz verankerte Abfindungsgeld als eine unorthodoxe Entschädigung verstanden wissen. Dieses Abfindungsgeld, meine Kollegen von der FDP, ist marktwirtschaftlich. Es ist in der Tat ein marktwirtschaftliches Instrument, um es denjenigen zu erleichtern, die den Bergbau verlassen müssen. Meine Damen und Herren, mit der Verabschiedung dieses Gesetzes und der noch ausstehenden Zustimmung des Bundesrates im zweiten Durchgang ist die Vorbereitungsphase im Rahmen des kohle-politischen Konzepts der Bundesregierung abgeschlossen - Sie wissen, im Rahmen des DreiPhasen-Plans. Unsere Partner in der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und die Kommission haben übrigens dem Gesetzentwurf und unserem Programm ausdrücklich zugestimmt. Wir erwarten von den Partnern, daß sie es bei dieser Zustimmung nicht bewenden lassen. Wir sind der Auffassung, daß die Gemeinschaftsregelung im Kokskohlenbereich, die heute - ich glaube, von Herrn Luda - auch angesprochen wurde, über den 31. Dezember 1968 hinaus verlängert, in einer Reihe von Punkten verbessert und auch auf andere deutsche Kohlelieferungen in die Gemeinschaftsländer ausgedehnt werden muß. Es scheint mir in der Tat dringend notwendig zu sein, im Energie- und insbesondere im Kohlebereich zu einer stärkeren gemeinsamen Verantwortung der sechs Länder zu kommen. Meine Damen und Herren, mit dem Kohlegesetz herrscht jetzt Klarheit über die Bedingungen für die Unternehmenspolitik im Steinkohlenbergbau und für die anderen, neuen Industrien über die möglichen Investitionsentscheidungen in den Bergbaurevieren, und es herrscht Klarheit über die Hilfen zugunsten des Bergmanns. Jetzt kommt es darauf an, daß die Wirtschaft selbst von diesen neuen Klarheiten und von den Anreizen umfassend Gebrauch macht. Es wäre für alle Beteiligten von Vorteil, wenn die Anwendung der im Gesetz vorgesehenen finanziellen Sanktionen entbehrlich bliebe. Aber Sie können versichert sein: die Bundesregierung wird nicht zögern, auch diese Möglichkeiten des Entzugs von Subventionen anzuwenden, wenn das notwendig werden sollte. Die Strukturprobleme an Ruhr und Saar können nur durch entschlossenes Handeln aller Beteiligten gelöst werden. Meine Damen und Herren, dem Hohen Hause danke ich noch einmal für die gründliche Beratung und für die Entschlossenheit, das Gesetz jetzt in die Tat umzusetzen. Es ist gut, daß sich das Haus nicht von gewissen Verhandlungen hat beeinflussen lassen, die sehr zäh sind. Es ist gut, daß der Gesetzgeber nun ein Machtwort spricht. Damit ist der Weg für eine neue Ordnung im Steinkohlenbergbau und eine neue Zukunft der Steinkohlenbergbaugebiete freigegeben. ({4})

Erwin Schoettle (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002061

Meine Damen und Herren, der Ältestenrat, der die Zeitplanung für unsere Haushaltsberatungen durchgeführt hat, kommt mir manchmal vor wie der Kriegsrat, den Tolstoi in dem berühmten Roman „Krieg und Frieden" schildert. Dieser Rat tagte am Vorabend der Schlacht bei Austerlitz und entwickelte einen herrlichen Plan. Als er am anderen Morgen ins Werk gesetzt werden sollte, machte der erste Soldat den ersten Schritt in die falsche Richtung, und der Plan ging schief. So scheint es mir mit unserer Zeitplanung zu gehen. Ich möchte in diesem Zusammenhang noch eine Bitte aussprechen: ich weiß nicht, ob sie erfüllt werden kann. Wenn sich alle Mitglieder des Hauses und die Mitglieder der Bundesregierung gelegentlich daran erinnern würden, daß wir mit der Haushaltsberatung noch in diesem Jahre fertig werden müssen, ({0}) dann würde manches viel leichter werden. Ich muß das angesichts der Geschäftslage des Hauses leider sagen. Nun hat der Herr Abgeordnete Dr. Adolf Arndt das Wort.

Not found (Mitglied des Bundestages)

, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zur Begründung des Ihnen vorliegenden interfraktionellen Antrags Umdruck 415 *) darf ich kurz folgendes vortragen. Am 4. April 1951, also vor nunmehr 17 Jahren, hat der Bundestag beschlossen, daß die Bundesregierung als amtliche Einrichtung einen Rat für Formgebung schaffen sollte. Das ist auch geschehen. In dem Beschluß steht aber auch, daß der Rat für Formgebung mit hinreichenden öffentlichen Mitteln ausgestattet werden sollte. Das ist in den 17 Jahren nicht geschehen. Er ist vielmehr sehr stiefmütterlich behandelt worden und hat nur über das Rationalisierungskuratorium - RKW - jährlich 150 000 DM bekommen. Zusammen mit den Mitteln, die ihm aus der Wirtschaft zufließen, hat er einen Etat von 220 000 DM. Wie gering das ist, mögen Sie daran ermessen, daß die Tschechoslowakei einen mehr als viermal so großen Etat für denselben Zweck hat und daß Großbritannien aus öffentlichen Mitteln jährlich etwa 3,5 Millionen für das Council of Industrial Design ausgibt. Auch andere Nationen, besonders Japan, Italien und Israel, wenden der guten Form wesentlich mehr Augenmerk zu als wir. Der Bund ist für diese Frage zuständig, da sie von eminenter wirtschaftlicher Bedeutung ist. Ich brauche kaum auszuführen, wieviel die gute Form für den Export bedeutet - und zwar nicht nur bei Konsumgütern, sondern in wachsendem Maße auch bei In- *) Siehe Anlage 4 vestitionsgütern - und daß die gute Form über die internationale Geltung des einst so berühmten Gütezeichens „Made in Germany" mit entscheidet. Notwendig ist also ein eigener Titel im Haushalt des Bundesministers für Wirtschaft und als Programm ein Betrag von etwa 600 000 DM im Jahr, den der Haushaltsausschuß natürlich genau nachprüfen muß. Weiterer Ausführungen enthalte ich mich, um nicht den „falschen Schritt bei Austerlitz" zu tun. ({0})

Erwin Schoettle (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002061

Das Wort hat der Abgeordnete Büttner.

Fritz Büttner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000301, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will kurz den Entschließungsantrag auf Umdruck 402*) begründen und ein Wort für die Bergleute sagen, die zwar die altersmäßigen Voraussetzungen für die Knappschaftsausgleichsleistungen nach § 98 a des Reichsknappschaftsgesetzes, nicht aber die Wartezeit von 300 Beitragsmonaten erfüllt haben. Es handelt sich erstens um 55jährige und ältere Bergleute, die nach dem 31. Dezember 1948 ununterbrochen im Bergbau tätig sind, nachdem sie in vielen Fällen aus der Kriegsgefangenschaft für die Bergarbeit entlassen worden sind. Es handelt sich zweitens um solche Bergleute, die bei der Kohleknappheit in den Nachkriegsjahren dem Aufruf zur Aufnahme der Bergarbeit gefolgt sind, um ihren Beitrag am Wiederaufbau zu leisten. Ich habe die diesbezüglichen Ausführungen des Herrn Bundeswirtschaftsministers dankend zur Kenntnis genommen. Und schließlich handelt es sich drittens um jene Bergleute, die durch alliierte Besatzungskräfte in den Bergbau kommandiert worden sind. Diesem Personenkreis soll und muß - das ist das Anliegen des Entschließungsantrages - geholfen werden, wobei ich zu beachten bitte, daß es am guten Willen der Bergleute, auch in einem anderen Betrieb zu arbeiten, nicht fehlt. Die Schwierigkeit besteht darin, daß die Bergarbeiter nach 20 Jahren schwerster Berufsarbeit in diesem Alter von 55 und mehr Jahren nicht mehr vermittlungsfähig sind. Die Prüfung dieses Entschließungsantrags durch die Regierung wird ergeben, daß es sich um einen verhältnismäßig kleinen Personenkreis handelt, dem im Rahmen des Dritten Teils des Gesamtsozialplans geholfen werden soll. Heute steht schon fest, daß es um eine vorübergehende, auf einen überschaubaren Zeitraum befristete Maßnahme geht, die keine Dauerverpflichtung mit sich bringt. Deshalb bitte ich Sie sehr herzlich, den Entschließungsantrag anzunehmen. ({0}) *) Siehe Anlage 5

Erwin Schoettle (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002061

Das Wort hat der Abgeordnete Ollesch.

Alfred Ollesch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001647, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Büttner, wir würden Ihrem Entschließungsantrag gern zustimmen. Wir kennen ja das Problem, und wir meinen, es müßte durch eine Regelung aus der Welt geschafft werden, denn es ist den Betroffenen nicht zuzumuten, daß sie, die sie ihre Zeit nicht erfüllen können, Schaden erleiden. Wir würden zustimmen, wenn es im zweiten Absatz hieße: Der Deutsche Bundestag ersucht die Bundesregierung, im Gesamtsozialplan für diesen Personenkreis eine Sonderregelung zu treffen, die, falls eine Weiterbeschäftigung im Bergbau nicht möglich ist, Lohnbeihilfen bzw. Zuschüsse bei Arbeitslosigkeit vorsieht. Wir wollen es nicht unbedingt von vornherein auf den Dritten Teil abgewälzt wissen. Das wollen wir offenlassen.

Erwin Schoettle (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002061

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Schellenberg.

Dr. Ernst Schellenberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001954, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Regelung, die Herr Kollege Ollesch vorgeschlagen hat, kann man nicht zustimmen. Sie bedeutet faktisch eine neue Haushaltsbelastung und eine Erweiterung der Knappschaftsausgleichsleistung. Sie hat der Ausschuß abgelehnt.

Erwin Schoettle (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002061

Ich habe von einem Antrag nichts gehört; wenigstens ist er nicht auf dem Tisch des Hauses gelandet. Das war höchstens eine Anregung; so habe ich es verstanden. Meine Damen und Herren, wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Einzelplan 09. Zuerst müssen wir über den Änderungsantrag Umdruck 401 * der Fraktionen der SPD, CDU/CSU und FDP abstimmen. Er betrifft die „Stiftung Warentest". Ich bitte diejenigen um ein Zeichen, die diesem Antrag zustimmen. - Danke. Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei einer Anzahl Enthaltungen ist dieser Antrag angenommen. Wir stimmen nun über den Einzelplan 09 in der Fassung, die er durch die eben erfolgte Abstimmung erhalten hat, ab. Wer stimmt dem Einzelplan 09 zu? Ich bitte um ein Handzeichen. - Danke. Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei einer Reihe von Enthaltungen bei der Fraktion der FDP ist der Einzelplan angenommen. Über die Entschließungen, die begründet worden sind, stimmen wir in der dritten Beratung ab. In der zweiten Beratung des Gesetzes zur Anpassung und Gesundung des deutschen Steinkohlenbergbaus und der deutschen Steinkohlenbergbaugebiete treten wir nun, nachdem die allgemeine Aussprache stattgefunden hat, in die Einzelberatung ein. Ich rufe, da keine Änderungsanträge vorliegen, alle Paragraphen von 1 bis 44, Einleitung und Über- *) Siehe Anlage 6 schrift auf. Wer den aufgerufenen Paragraphen, Einleitung und Überschrift zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei Enthaltung der Fraktion der FDP sind die aufgerufenen Paragraphen angenommen. Wir kommen nun zur dritten Beratung. Wird das Wort in der allgemeinen Aussprache gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann kommen wir zur Abstimmung über das Gesetz im ganzen. Wer dem Gesetz zustimmen will, den bitte ich, sich zu erheben. - Danke. Die Gegenprobe! - Enthaltungen? ({0}) - Wo waren die Gegenstimmen? Darf ich das noch einmal feststellen? - Drei Gegenstimmen. Enthaltungen? - Bei einer Reihe von Enthaltungen ist das Gesetz in der Schlußabstimmung angenommen. ({1}) Wir kommen nun zur Abstimmung über Buchstaben b) des Ausschußantrages auf Drucksache 2797. Wer diesem Teil des Ausschußantrages zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Danke. Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Aber meine Herren, bitte! Die Frühjahrsmüdigkeit ist noch nicht ausgebrochen. - Also: bei Enthaltung der Fraktion der FDP ist dieser Teil des Ausschußantrages angenommen worden. Wir kommen nun zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD auf Umdruck 402. Er ist begründet worden. Wer stimmt diesem Entschließungsantrag zu? - Danke. Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Antrag ist bei einigen Enthaltungen angenommen. Damit ist dieser Punkt der Tagesordnung erledigt. Ich rufe nun auf: Einzelplan 06 Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern - Drucksache V/2706 Berichterstatter: Abgeordneter Bremer Abgeordneter Dr. Hofmann ({2}) und damit verbunden: Einzelplan 36 Zivile Verteidigung - Drucksache V/2729 Berichterstatter: Abgeordneter Wellmann Berichterstatter für den Einzelplan 06 sind die Abgeordneten Bremer und Dr. Hofmann ({3}). Wünschen die Herren Berichterstatter das Wort? - - Das Wort hat der Herr Abgeordnete Bremer als Berichterstatter.

Rolf Bremer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000259, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich mit wenigen Strichen die Änderungen skizzieren, die in diesem Einzelplan durch die Beratungen des Haushaltsausschusses eingetreten sind. Zuvor aber ein kurzer Blick auf den Gesamtplafond des Hauses, der schon im Entwurf der Regierung um 2,4 Millionen auf 1649 Millionen DM gesenkt worden ist. Durch die Beratungen im Haushaltsausschuß, bei denen insgesamt Erhöhungen von 14,7 Millionen DM und Minderungen von 22,5 Millionen DM beschlossen worden sind, ergibt sich per Saldo eine weitere Verminderung auf insgesamt 10,2 Millionen DM. Bezieht man auch noch das zweite Investitionsprogramm mit ein, so macht der Posten insgesamt 30 Millionen DM aus. Dies scheint mir ein beachtlicher Beitrag dieses Hauses zur Sanierung des Haushalts zu sein, der ausdrücklich anerkannt werden sollte. Aber nun zwei Bemerkungen zu den wesentlichen Änderungen. Die eine betrifft das Honnefer Modell. Wir haben die Ansätze um fast 10 Millionen DM auf gut 85 Millionen DM erhöhen müssen. Dies könnte den Eindruck erwecken, als ob der Förderungsmeßbetrag von 290 DM nun, wie schon lange gewünscht, endlich angehoben worden sei. Das ist leider nicht der Fall. Die Erhöhung um 10 Millionen DM geht ausschließlich darauf zurück, daß infolge der beiden Kurzschuljahre im Jahre 1968 die Zahl der Studenten sprunghaft ansteigt. Es sollte aber unser Wunsch an die Regierung sein, daß es ihr in den Verhandlungen mit den Ländern nun endlich gelingt, diesen Betrag spätestens ah 1. Januar 1969 auf mindestens 320 DM anzuheben. Wir wissen, daß es nicht an der Bundesregierung gelegen hat, wenn dies bisher nicht der Fall war. Aber es sollte nicht der Verdacht entstehen -- dem sollten sich auch die Länder nicht aussetzen -, daß wir etwa beabsichtigten, den Förderungsmeßbetrag einfrieren zu lassen. Meine zweite Bemerkung gilt der Sportförderung. Ich darf in Ihre Erinnerung zurückrufen, daß in die Sportförderungsmittel des Bundes nunmehr ab 1967 bis hin zur Olympiade 1972 auch die Vorbereitungskosten dieser Olympiade mit einbezogen werden mußten. Das Hohe Haus hat mehrfach zum Ausdruck gebracht und auch die Bundesregierung hat gesagt, daß durch diese Vorbereitungskosten die allgemeine Sportförderung, wie sie schon bisher betrieben wurde, nicht beeinträchtigt werden sollte. Das ist uns auch im Haushaltsausschuß für das Jahr 1968 noch einigermaßen gelungen. Zum einen sind die Mittel für die zentralen Maßnahmen auf dem Gebiet des Sports, also für den Goldenen Plan, um 800 000 auf 11 Millionen DM angehoben worden; zum anderen sind die Mittel für die Spitzenfinanzierung des Turn- und Sportstättenbaus von 36 auf 37 Millionen DM erhöht worden. Wir wollten damit zum Ausdruck bringen - und dieses war die allgemeine Überzeugung des Haushaltsausschusses -, daß es sich hier um eine sehr bedeutsame, auch politisch bedeutsame Aufgabe des Bundes in dem beschränkten Rahmen, soweit seine Kompetenz reicht, handelt. Was mich - und nicht mich allein - mit Sorge erfüllt, das sind aber - und das wäre zugleich eine Bitte an Sie, Herr Minister - die in der mittelfristigen Vorausschau Ihres Hauses vorgesehenen Zahlen für die Jahre 1969 und 1970. Es ist zwar anzuerkennen, daß insgesamt die Sportförderungsmittel einschließlich der Olympia-Vorbereitungskosten von in diesem Jahre 64 Millionen DM auf 74 Millionen DM im Jahre 1971 ansteigen sollen. Betrachtet man jedoch die dazwischen liegende Zeit genauer, so stellt man fest, daß im Jahre 1969 nur 52 Millionen und im Jahre 1970 nur 55 Millionen DM vorgesehen sind. Ich meine, die hier in diesem Hohen Hause wiederholt abgegebenen Bekenntnisse zur Notwendigkeit einer ausreichenden Sportförderung würden in ihrer Glaubwürdigkeit erheblich geschmälert, wenn diese Minderansätze in den Jahren 1969 und 1970 bestehenblieben. Deshalb habe ich die dringende Bitte an Sie, Herr Minister - ich weiß, es fällt nicht leicht in Ihrem Hause, und ich habe eingangs schon auf die Opfer, die Sie gebracht haben, hingewiesen -, diese Minderansätze in den Jahren 1969 und 1970 wieder zu beseitigen. ({0})

Erwin Schoettle (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002061

Ich nehme an, daß, wie bei anderen Einzelplänen, auch hier eine allgemeine Aussprache stattfindet. - Das Wort hat der Abgeordnete Dorn.

Wolfram Dorn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000409, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im Auftrag der Freien Demokraten nehme ich zum Haushaltsplan des Innenministeriums Stellung. Keine Partei kann mehr erreichen als die Durchsetzung ihrer Forderungen im Parlament. Die Freie Demokratische Partei hat am 24. März dieses Jahres auf mehreren Landesparteitagen den sofortigen Rücktritt des Bundesinnenministers Lücke gefordert. Wir haben in der Sache unser Ziel erreicht, das Thema ist damit für uns erledigt. ({0}) - Meine Damen und Herren von der ChristlichDemokratischen Union, Sie können natürlich auch etwas anderes provozieren; nur bin ich nicht sicher, ob das für Sie und für den bisherigen Amtsinhaber dann sehr glücklich wäre, wenn wir uns darüber unterhielten. Die Nachfolgefrage hat auch für uns interessante Aspekte gezeigt. Der Vorsitzende der rheinischen CDU, Herr Konrad Grundmann, forderte, daß diese Position mit einem Rheinländer, möglichst katholischer Konfession, und dann später: mit einem nordrhein-westfälischen Vertreter besetzt werden müßte. ({1}) Der Bundeskanzler ging davon aus, daß er die beste geeignete Persönlichkeit auswählen wollte.

Erwin Schoettle (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002061

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Frage? ({0})

Dr. Georg Kliesing (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001130, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Dorn, wären Sie in der Lage, dem Hohen Hause mitzuteilen, wann und wo Herr Grundmann die von Ihnen behauptete Aussage gemacht hat, und wären Sie in der Lage, den Text vorzulegen?

Wolfram Dorn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000409, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Kollege Kliesing, ich glaube nicht, daß in diesem Hause über diese Forderung Zweifel bestehen können; denn darüber gibt es in den Zeitungen viel zu viele Berichte. ({0})

Dr. Georg Kliesing (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001130, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Dorn, wären Sie dann wenigstens so liebenswürdig und entgegenkommend, den Text der betreffenden dpa-Meldung zu lesen und festzustellen, daß Ihre hier geäußerte Behauptung objektiv unwahr ist? ({0})

Wolfram Dorn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000409, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Kollege Kliesing, Sie können sich ja nicht auf eine dpa-Meldung beziehen, wenn ich mich nicht auf eine dpa-Meldung berufen habe. ({0}) Nach zwei Absagen - ({1}) - Ich weiß, ich weiß, daß Sie in vielen Positionen nervös werden. ({2}) - Ach ja, Herr Kollege Even, das kennen wir doch von Ihnen. - Ich werde versuchen, noch im Laufe dieses Tages an den Text dieser Zeitungsmeldungen zu kommen ({3}) und ihn dann Herrn Kliesing zu übergeben. ({4}) Mehr kann ich im Augenblick dazu nicht sagen. ({5}) -- Ich habe mich hier auf Zeitungsmeldungen berufen, wie Sie an Hand meiner Rede feststellen können, und auf mehr - ({6}) - Aber Herr Dr. Kliesing, Sie glauben doch selber nicht, daß allein dpa-Meldungen authentisch sind. ({7}) - Na ja, wenn er das sogar selber der dpa gesagt hat, dann mag sie authentisch sein. Das kann ich nicht beurteilen. ({8}) Nach zwei Absagen der Herren Stoltenberg und Kohl - ({9}) - Aber meine sehr verehrten Damen und Herren, ich habe den Eindruck, die ganzen Berichte und die Äußerungen des Herrn Bundeskanzlers in Ihrer Fraktion und die Berichte des Bundesforschungsministers, daß er lieber in seinem Amt verbleiben möchte, sind also dann genauso gefälscht wie die Meldungen, die Ihr Landesvorsitzender von Rheinland-Pfalz, Herr Kohl, an die Öffentlichkeit gegeben hat und die Ihren Parteikollegen Süsterhenn zum Rücktritt aus diesem Landesvorstand veranlaßt haben. ({10}) - Ich bitte um Entschuldigung, meine Damen und Herren, ich meinte natürlich Wuermeling. Man kann sich ja versprechen. Aber der Unterschied in dieser Frage wird ja wohl nicht sehr gravierend sein. Nun, wenn das, was diese beiden, ein amtierender Bundesminister und ein Landesvorsitzender Ihrer Partei, selbst geäußert haben und was auch - zu Ihrer Beruhigung, Herr Dr. Kliesing - über dpa gelaufen ist und damit nach Ihrer Auslegung ja authentisch sein müßte, nicht stimmt, so ist das eine Frage, die Sie innerhalb Ihrer Partei regeln müssen, die nichts mit dem zu tun hat, was wir hier sagen. ({11}) - Herr Kollege Stingl, wovon Sie leben, wollen wir lieber nicht diskutieren, denn auf das Niveau möchte ich nicht heruntersteigen. ({12}) - Meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie werden nicht erleben, daß Sie mich aus der Ruhe bringen. lei werde meine Rede so halten, wie ich sie mit meiner Fraktion abgesprochen habe, 01) es Ihnen paßt oder nicht. ({13}) Wir sehen also, daß nach den beiden Absagen der Herren Stoltenberg und Kohl nun Herr Benda Innenminister geworden ist, ({14}) und wir sehen auch ein, daß man jetzt an ihm nicht mehr vorbei konnte, es sei denn, man wollte ihn aus allen Überlegungen ausschließen. Er ist uns kein Unbekannter. Wir haben schon in der Vergangenheit manche harte Auseinandersetzung mit ihm in diesem Hause geführt, wobei die letzte am vergangenen Freitag nicht die uninteressanteste war, da hier die Diskrepanz zwischen seiner Auffassung und der Auffassung der SPD-Mitglieder im Kabinett. noch einmal sehr deutlich wurde. Aber der neue Innenminister hat Anspruch darauf, seine eigene Konzeption sichtbar zu machen, bevor wir uns ein abschließendes Urteil über seine Ministertätigkeit bilden. Dazu hat er noch nicht ausreichend Zeit gehabt. Wir Freien Demokraten werden uns daher bei der Abstimmung über seinen Haushalt im Gegensatz zum vergangen Jahr, als wir den Innenhaushalt ablehnten, der Stimme enthalten. ({15}) - Ach, Herr Rasner, auf Ihre Zwischenrufe einzugehen lohnt doch kaum noch. Wir haben auch einen besonderen und konkreten Anlaß, meine Damen und Herren, von der Christlich-Demokratischen Union, zu hoffen, daß sich in der Innenpolitik noch einiges ändern wird, da uns entsprechende Aussagen des neuen Bundesinnenministers in diesem Sinne vorliegen. Diese vom jetzigen Bundesinnenminister geäußerte Meinung läßt uns einiges hoffen. Wir sind sicher, daß wir nicht so viel hoffen dürfen, wie wir wünschen; ({16}) aber wir freuen uns über jeden Fortschritt, Herr Rasner, der über die Ausklammerung der Probleme in dieser Regierung hinausgeht und uns die Tür zu neuen Überlegungen im innenpolitischen Bereich mit öffnen hilft. Wir Freien Demokraten nehmen daher den Wechsel an der Spitze des Bundesinnenministeriums zum Anlaß, dem neuen Minister unsere Vorstellungen über die bis zum Ende der Legislaturperiode notwendigen Maßnahmen im Bereich der Innenpolitik vorzutragen. Wir wollen konstruktive Alternativvorschläge machen, und der Bundesinnenminister wird im nächsten Jahr dann danach von uns beurteilt werden, welche Politik er gemacht hat. Natürlich kann ich im Laufe meiner Ausführungen jetzt nur auf die Schwerpunkte unserer innenpolitischen Vorstellungen eingehen; aber ich meine, auch daraus kann ein mit der Innenpolitik Vertrauter, wie dieser Innenminister es ist, genau erkennen, was wir wollen. Wir sind der Meinung, Herr Bundesinnenminister, daß es dringend erforderlich ist, im Innenministerium eine Straffung der Arbeiten unter anderem auch dadurch zu erreichen, daß sich dieses Haus endlich von Aufgaben trennt, die hier nicht wirkungsvoll erledigt werden können und darüber hinaus den Innenminister dadurch, daß sie beiläufig behandelt werden müssen, solange sie als Kompetenz zu diesem Hause gehören, unnötige Zeit kosten. Ich meine, zwei Dinge könnten sofort erledigt werden. Erstens sollte sich der Herr Bundesinnenminister sofort von der Abteilung Raumordnung in seinem Hause trennen und diese ressortmäßig wieder dem Bundesminister für Wohnungswesen und Städtebau übergeben. Dort allein ist nämlich die Gewähr dafür gegeben, daß die Raumordnung den Rang erhält, der in der Zukunft diesem Problem zukommen wird, zumal sich auch eindeutig gezeigt hat, daß mit der Übernahme dieser Abteilung in das Innenministerium in der Sache keinerlei positive Ergebnisse erzielt worden sind. Im Gegenteil, durch die Übernahme dieser Abteilung in das Innenministerium sind erhebliche Fragen der Kompetenzauseinandersetzungen aufgetaucht. Durch Nichterledigung vieler anstehender dringender Probleme ist ein Zeitverlust entstanden, der in den nächsten zwei, drei Jahren kaum noch aufgeholt werden kann. Die zweite Zuständigkeitsbelastung für das Innenministerium ist die Zuordnung von Bundeskompetenzen im Bereich der Wissenschaft, Bildung und Kunst. Auch hier sollte der Innenminister dazu übergehen, diesen weiten Bereich, der zudem den Bildungsrat und den Wissenschaftsrat einschließt und der in der Verwaltung des preußischen Kulturbesitzes endet, an das Bundesministerium für wissenschaftliche Forschung abzugeben. Herr Minister, in der Vergangenheit hat sich eindeutig gezeigt, daß eine Belassung dieser Kompetenzen im Bundesinnenministerium für den gesamten Bereich von Wissenschaft, Bildung und Kunst nur nachteilige Folgen gehabt hat. Die erforderlichen Initiativen, die hier hätten ergriffen werden müssen, sind unterblieben, und die gerade in diesem Bereich dringend notwendige progressive Entwicklung ist einer weitgehenden Stagnation zum Opfer gefallen. Das Bildungswesen darf nicht in Formen und Traditionen erstarren. Positionen der Kritik und Selbstkritik, der wissenschaftlichen Kontrolle müssen durch die Reform eingebaut werden, um die erforderliche Dynamik zu gewährleisten, die das Reagieren auf neue Anforderungen erst erlaubt. In der geistigen Gestaltung in diesem Bereich ist zuwenig geschehen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wer die Arbeit in diesem Bereich in den letzten zwei Jahren aufmerksam verfolgt hat, wird zugestehen müssen, daß hier zuwenig Selbstvertrauen in eigene Initiativen spürbar gewesen ist und daß man sich einem alten politischen Rezept unterworfen hat, das da hieß „Sicherheit", das da hieß „keine Veränderung", „keine Initiativen", „keine Experimente". So kann man keine in die Zukunft gerichtete geistige Arbeit betreiben. Theodor Heuss hat einmal gesagt: Das Wesentliche ist ein Geist des wagenden Vertrauens. Wir fragen uns: Wo ist gerade auf diesem Gebiet, wo dieser Geist dringend spürbar hätte werden müssen, in den vergangenen Jahren etwas sichtbar geworden? Ralf Dahrendorf hat es dann in einer Ansprache am 6. Januar erweitert: Wagendes Vertrauen - das ist ein selbstbewußter, kräftiger, vorwärtsweisender Begriff von Sicherheit. Lassen wir ab von dem unwürdigen und gefährlichen Irrtum der Starre! Entschließen wir uns, das Wagnis des Wandels einzugehen, das allein uns befähigen kann, die Welt, in der wir leben, so zu verändern, daß sie unseren Vorstellungen entspricht! Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir müssen doch erkennen, daß von all dem nichts spürbar gewesen ist, was an bundespolitischen Maßnahmen hätte ergriffen werden können. Das Bildungswesen muß nach Auffassung der Freien Demokraten sich selbst zum Gegenstand der Forschung machen und durch Bildungsforschung die Grundlage für die Bildungsplanung mitgestalten. Der Rückstand unseres Bildungswesens schließt den Rückstand in der Bildungsforschung und -planung ein. Die Bildungsplanung ist aber eine gesamtstaatliche Aufgabe. Die Kompetenzen des Bundes in der Bildungspolitik müssen daher erweitert werden, und alle bereits vorhandenen und die künftigen bildungspolitischen Aufgaben des Bundes müssen im jetzigen Ministerium für wissenschaftliche Forschung zusammengefaßt werden. Dabei müssen die Kompetenzen der Länder und die Beteiligung der Wirtschaft in der Berufsausbildung ihre Grenze an der gesamtstaatlichen Verantwortung des Bundes finden. Bei aller Verantwortung des Staates für die Bildungspolitik muß aber die Privatinitiative geweckt und gefördert werden. Wir sind der Meinung, daß es zur Förderung dieses Anliegens eines modernen und bundeseinheitlichen Stiftungsrechts bedarf. Es ist in der Vergangenheit eindeutig erwiesen, daß die erforderliche Dynamik zur Bewältigung dieses Problems im Innenministerium nicht vorhanden war. Sie sollten daher - lassen Sie mich das noch einmal ganz deutlich sagen, Herr Minister - diesen Bereich ressortmäßig abgeben an das Ressort, in dem er entsprechend behandelt werden kann - an das Bundesforschungsministerium - und in der Vergangenheit in einer bestimmten Beziehung auch sehr positiv entwickelt worden ist. Wenn wir diese Belastungen des Hauses, die in erster Linie organisatorischer Art sind, von diesem Hause fortnähmen, würden wir eine Situation schaffen, in der sich der Innenminister dann auf die Aufgaben konzentrieren könnte, die dringend einer Lösung harren und bisher leider sträflich vernachlässigt worden sind. Wir Freien Demokraten würden es begrüßen, wenn sich der Innenminister endlich der Erfüllung des Auftrages des Art. 29 unserer Verfassung widmete und die Länderneugliederung in Angriff nähme. ({17}) Wir haben diesem Hause einen Gesetzesantrag vorgelegt, der im Rahmen einer Neugliederung des Bundes die Zusammenlegung der Länder Rheinland-Pfalz, Hessen und Saarland ermöglichen sollte. Wir wissen, daß in der Fraktionsvorsitzendenkonferenz der Christlich-Demokratischen Union ähnliche Ideen vorgetragen worden sind. Wenn die Zeitungsmeldungen über diese Fraktionsvorsitzendenkonferenz stimmen, hat gerade der rheinland-pfälzische Landesvorsitzende Kohl wie auch der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Altmeier eine Reihe sehr konkreter Vorschläge in dieser Richtung entwickelt, genauso wie der frühere nordrhein-westfälische Innenminister und spätere Ministerpräsident Franz Meyers, wenn die Zeitungsmeldungen auch stimmen, die über seine Rede berichtet haben. Wir meinen also, Herr Bundesinnenminister, daß hier auch auf der Forderungenseite der Verwaltungsreform einiges Fruchtbare geleistet werden könnte. Für derartige Initiativen werden Sie jederzeit die Unterstützung der Freien Demokraten in diesem Hause finden. Der Bundesminister möge auch prüfen, ob es nicht sinnvoll ist, dem Bundestag ein Presserechtsrahmengesetz vorzulegen, in dem durch presserechtliche Maßnahmen der Schutz der Meinungs- und Informationsfreiheit garantiert ist. Zur Informationsfreiheit gehören auch die Informationsdienste des Bundesinnenministeriums. Lassen Sie mich auch dazu ein Wort sagen. Der Dienst heißt zwar „schwarz auf weiß", aber er ist nicht so zu betrachten, wie Goethe das einmal im „Faust" gesagt hat: daß man das, was dort schwarz auf weiß stehe, getrost nach Hause tragen dürfe. Wenn man sich den sachlichen Inhalt ansieht, müssen wir sagen. wir wären dankbar, Herr Bundesinnenminister, wenn in Zukunft eine objektivere Information der Öffentlichkeit, die weder von Wunschvorstellungen noch von sachlich falschen Informationen und Argumenten getragen wird, erfolgen könnte. Ich will nicht bestreiten, meine Damen und Herren, daß auch das Recht freier Meinungsäußerung in der Auseinandersetzung in diesem Hause in den letzten Wochen mehrfach eine Rolle gespielt hat. Der amerikanische Senator Arthur Cooper hat einmal gesagt: „Das Recht freier Meinungsäußerung, das Recht der Pressefreiheit, ist das Recht, im Irrtum zu sein, was Meinungen und Überzeugungen und das Eintreten für sie betrifft." Dieses Recht der freien Meinungsäußerung sollte aber weder durch den Versuch von Ausladungen bestimmter Persönlichkeiten bei Fernsehdiskussionen beschränkt werden, noch sollte durch die Auswahl von Wissenschaftlern, die eine bestimmte vor ihrer Berufung erkennbare Auffassung vertreten, bei der Zusammensetzung von Wissenschaftler-Kommissionen oder -Beiräten die Meinungsmanipulation am Anfang stehen. ({18}) - Nein, das meine ich sicher nicht. Ich meine, wenn z. B. eine Wissenschaftler-Kommission berufen wird, um die Frage des zukünftigen Wahlrechts zu prüfen, und 80 °/o dieser Wissenschaftler sind auf Grund ihrer bisherigen Beiträge, Vorträge und Bücher, die sie geschrieben haben, eindeutig festgelegt, dann, sehr verehrter Herr Kollege, ist, meine ich, die Gefahr der Meinungsmanipulation bei dem, was als Ergebnis herauskommt, zwangsläufig herauskommen muß, doch wirklich gegeben. Wir meinen auch - um einen Problemkreis anderer Art anzusprechen -, Herr BundesinnenmiDorn nister, daß Sie die Vorlage der dritten Harmonisierungsstufe der Besoldungsreform im Rahmen des Beamtenrechts möglichst noch in diesem Jahr vorlegen sollten. Denn nur auf diese Weise kann verhindert werden, daß eine weitere Diskrepanz zwischen der allgemeinen Einkommensentwicklung und der Höhe der Einkommen im öffentlichen Dienst entsteht. Wir wären Ihnen, Herr Minister, auch dankbar - Sie wissen, daß das ein besonderes Anliegen speziell meiner Fraktion auch in den vergangenen Legislaturperioden gewesen ist; alle Fraktionen dieses Hauses haben sich, das möchte ich ausdrücklich betonen, hierüber weitgehend verständigt und gemeinsam dafür eingesetzt -', wenn die Gesetzgebung zu Art. 131 unseres Grundgesetzes möglichst mit einem Schlußgesetz endgültig abgeschlossen würde. Herr Minister, es gilt jetzt eigentlich nur noch krasse Härtefälle zu beseitigen. Das, was jetzt noch in einem abschließenden Gesetz geregelt werden sollte, ist nicht von so entscheidender finanzieller Bedeutung, weil praktisch nur noch eine kleine Gruppe davon betroffen ist. Aber wir sind der Meinung, daß es auch zur Rechtssicherheit in diesem Staat gehört, die Betroffenen durch entsprechende Regelungen in den Genuß ihrer Ansprüche kommen zu lassen, bevor sie diese Erde verlassen. Wir wären dankbar, wenn Sie hier zu einem Ergebnis kämen. ({19}) - Herr Kollege Brück, der Arbeitskreis unserer Fraktion arbeitet zur Zeit einen Entwurf zu diesem Problem aus. Dieser Problemkreis ist uns in erster Linie von dem Verband Deutscher Soldaten und einigen anderen Organisationen ans Herz gelegt worden. Es handelt sich hierbei wirklich nur noch uni Härtefälle, die geregelt werden sollten, um zu einem Abschluß zu kommen. Wir haben die Hoffnung, daß wir uns wie in der Vergangenheit auch über diese Frage interfraktionell werden verständigen können. Wir hätten aber auch gern die Unterstützung des Bundesinnenministers für diese Arbeit. Lassen Sie mich den nächsten Schwerpunkt ansprechen, Herr Bundesinnenminister. Die Frage der Verbrechensbekämpfung in unserem Lande hat in den letzten Monaten in diesem Hause, aber auch in den Publikationen, mehrfach eine große Rolle gespielt. Eine Kommission des Innenausschusses ist ja unter anderem auch in den Vereinigten Staaten gewesen, um sich moderne Methoden anzusehen, damit auch wir in einem größeren Einsatzrahmen -vielleicht bundeseinheitlich, wie wir es wünschen auf diesem Gebiet bessere Ergebnisse erzielen. Wir würden Ihnen unsere Unterstützung auch dafür anbieten, wenn Sie mit den Innenministern der Länder, auch mit dem von der FDP gestellten in Nordrhein-Westfalen, der in der Sache mit uns übereinstimmt, eine Anreicherung der Bundeskompetenz erreichen könnten, vielleicht auch eine Verstärkung der Befugnisse des Bundeskriminalamts, um eine bessere Verbrechensbekämpfung mit zentralen Einsatzmethoden durchführen zu können. ({20}) Ein anderes Problem, das sehr eng damit zusammenhängt, obwohl es nicht in diesem Ausmaß um den Tatbestand der Verbrechensbekämpfung geht, ist die Frage der Tätigkeit des Verfassungsschutzes. Der Verfassungsschutz steht in diesem Staate sowohl auf der Bundes- wie auf der Länderebene auf einer demokratischen Grundlage, und die unterscheidet ihn von vielen Organisationen ähnlicher Art in anderen Staaten. Nach unserer Auffassung wäre es aber auch möglich, Herr Bundesminister, eine größere Wirksamkeit der Maßnahmen des Verfassungsschutzes des Bundes und der Länder zu erreichen, wenn eine gemeinsame Auswertung der angefallenen Ergebnisse, vielleicht auch eine gemeinsame Verwaltung in der Spitze, soweit es nur um die Verwaltungsdinge geht, und eine gemeinsame parlamentarische Kontrolle für alle Nachrichtendienste herbeigeführt werden könnte. Wir glauben, daß man auf diesem Gebiet mehr erreichen könnte, als bisher sichtbar geworden ist. ({21}) Nun darf ich dem Kollegen Even und dem Kollegen Dr. Kliesing ein Zitat aus der „Rheinischen Post" vorn 29. März 1968 vorlesen, das mir gerade von einem Freund hier heraufgegeben wurde. Dort heißt es: Meyers und Grundmann erklärten der Rheinischen Post, - also nicht dpa; das kann ich hier nicht sagen die rheinisch-westfälische CDU werde ihre Position im Bundeskabinett verteidigen müssen. Nach Grundmanns Meinung ist die Besetzung des Innenministeriums eine nordrhein-westfälische Angelegenheit innerhalb der CDU. ({22}) - Entschuldigung, Herr Kollege Even, das ist - so hatte ich meinen Satz schon begonnen - nicht genau das, was ich vorhin gesagt habe. Aber es ist zumindest schon einmal eine Teiläußerung in dieser Richtung. Ich werde mich bemühen, Ihnen auch noch die andere Äußerung, die ich gelesen habe - denn daher weiß ich sie -, zu bringen, weiß allerdings nicht, ob es mir so kurzfristig noch während dieser Rede gelingt.

Erwin Schoettle (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002061

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Frage?

Wolfram Dorn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000409, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Bitte schön.

Erwin Schoettle (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002061

Herr Abgeordneter Mick.

Josef Mick (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001504, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Dorn, wäre es nicht zweckmäßiger gewesen, wenn Sie, wie Sie es im späteren Teil ihrer Rede getan haben, auch dem vorausgesetzt hätten: „Wenn Pressemitteilungen stimmen, dann ..."?

Wolfram Dorn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000409, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ja, gut, Herr Kollege Mick, ich bin bereit, das anzuerkennen. Daß ich mich gebessert habe oder mich bemüht habe mich zu bessern, haben Sie aus meinen späteren Formulierungen gesehen. Das Verhältnis zwischen dem Bund, den Ländern und den Gemeinden - das klang auch heute bei der Diskussion über die Fragen des Wirtschaftsministeriums wieder an - wird immer mehr zu einer Schlüsselfrage der deutschen Innenpolitik.

Erwin Schoettle (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002061

Herr Abgeordneter, ich muß Sie leider wieder unterbrechen. Herr Kollege Haas wünscht Sie etwas zu fragen.

Wolfram Dorn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000409, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Bitte schön, Herr Kollege Haas.

Dr. Christian Albrecht Haas (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000762, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Kollege Dorn, ist Ihnen nicht bekannt, daß es auch lebende Zeugen in dieser Koalitionsfraktion gibt, die uns in den kritischen Tagen gesagt haben, der neue Mann, der kommen werde, müsse bestimmt a) ein Rheinländer und b) ein Katholik sein? ({0})

Wolfram Dorn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000409, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Kollege Haas, vielleicht hilft Ihre Frage, das Erinnerungsvermögen einiger Kollegen wieder aufzufrischen. Ich darf Ihnen daher danken. Aber, meine Damen und Herren, ich würde sagen, es hat keinen Sinn, diese Frage hier jetzt weiter zu diskutieren, sondern ich bin der Meinung, wir sollten, nachdem wir, anders als im vergangenen Jahr, angefangen haben, den Haushalt des Innenministeriums hier zu behandeln, auch die anderen Vorstellungen, die wir dem Innenminister vortragen wollen, jetzt weiter zu Gehör bringen. Herr Bundesinnenminister, wir haben heute eine mächtige Bundesgesetzgebung und -verwaltung, starke Länderpositionen und nicht nur finanziell schwache Gemeinden. Richtig wäre aber eine überzeugende kommunale Selbstverwaltung unter maßvoller staatlicher Aufsicht bei zurückhaltender Legislative des Bundes. Ich weiß, daß das jetzige System der Zuweisungen von oben nach unten den geringen Spielraum der Gemeindehaushalte noch weiter bedrückt, und es gibt eine Fülle von Möglichkeiten auf diesem Gebiet der Innenpolitik. Der Bundesminister des Innern sollte sich nach unserer Meinung mit mehr Energie darauf konzentrieren, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, zu helfen, daß auch in der Zukunft nur das Bund-LänderGemeinde-Verhältnis entspannt wird, sondern daß auch in der zukünftigen Planung der bestehenden Aufgaben gemeinsame Überlegungen ohne Kompetenzschwierigkeiten durchgeführt werden können. Denn, meine sehr verehrten Damen und Herren, wir können dem Bundeskanzler nur recht geben, wenn er in seiner Rede vom 11. März im Bundestag erklärte: Der Föderalismus steht - darüber sollte sich niemand täuschen - vor seiner großen Bewährungsprobe, und wir alle müssen wissen, daß, wenn wir auf irgendeinem Gebiet versagen, die Geschichte niemandem von uns die Entschuldigung abnehmen wird, ihm habe die Kompetenz gefehlt. Meine Fraktionskollegen haben bereits heute vormittag mehrfach darauf hingewiesen, über welche Möglichkeiten der Mehrheitsbildung Sie in diesem Hause und in allen Länderregierungen verfügen. Wenn also, von der Regierungserklärung ausgehend bis zu dein, was der Herr Bundeskanzler im März dieses Jahres hier in diesem Hause erklärt hat, nichts erreicht wird, werden Sie sich den Vorwurf gefallen lassen müssen, daß Sie politisch, nicht aus Kompetenzgründen, versagt haben. Deswegen, meinen wir, wäre es notwendig, daß hier der Bundesinnenminister eigene initiative Vorstellungen entwickelt. Lassen Sie mich zum nächsten Problemkreis dieses Haushalts kommen; die Beratung des Einzelplans 06 ist ja mit der Beratung des Einzelplans 36 - zivile Verteidigung - verbunden. Meine Fraktion schlägt Ihnen auf Umdruck 427 vor, in diesem Bereich Einsparungen in Höhe von über 42 Millionen DM vorzunehmen. Ich habe bei der Haushaltsberatung im vergangenen Jahr an den Herrn Bundeskanzler die Frage gestellt, ob er nicht auch der Meinung sei - ich habe sie dann an den Herrn Bundesinnenminister wiederholt -, daß hinsichtlich der Zivilverteidigungsvorstellungen seines Hauses nach dem, was wir inzwischen nach einer ersten Welle nunmehr vor wenigen Tagen in einer zweiten Welle von Gesetzentwürfen erlebt haben, mit der die erste Welle schon wiederaufgehoben werden sollte - oder ich muß genauer sagen: mit einer dritten Welle, mit der die zweite Welle schon wiederaufgehoben wurde, nachdem wir die erste Welle hier im Bundestag fast einmütig verabschiedet haben -, inzwischen neue politische Erkenntnisse gewonnen wurden, von allen drei Fraktionen nach Beendigung der Übung Fallex 66 bestätigt. Ich meine, auch hier muß dieses Haus die Frage ernsthaft prüfen, ob nicht die Fülle der Fehlplanungen und auch des Materialverderbs in den letzten Jahren im Bereich der zivilen Verteidigung eine illusionäre Vorstellung von zivilen Verteidigungsmöglichkeiten erweckt hat. Meine sehr verehrten Damen und Herren, aus den verschiedensten Bereichen dieser Bundesrepublik liegen uns Berichte vor, die alle eindeutig besagen, daß bei der Wartung der Kraftfahrzeuge z. B. im Bereich der Zivilverteidigung in den letzten Jahren ein derartiger Materialverschleiß eingetreten ist, daß sie mit Sicherheit nur schrottreif zum Einsatz gebracht werden können. Wir alle wissen, daß das Personal fehlt, um diese Fahrzeuge zu warten. Wir alle wissen - ein anderes Beispiel, meine Damen und Herren -, daß man sich im Bereich der zivilen Verteidigung und der Organisationen, die bisher in den verschiedensten Bereichen hier tätig gewesen sind, z. B. nicht auf eine einheitliche Sanitätstasche hat einigen können, sondern daß die verschiedensten Sanitätstaschen für die verschiedensten Organisationen angeschafft worden sind, daß man keine Austauschmöglichkeiten sieht, daß man keine Ersatzmöglichkeiten in dem Umfange vorgesehen hat. All das, was sich in den letzten Jahren gezeigt hat, macht uns viel Sorge. Wir meinen, die Bundesregierung muß mit dem Parlament prüfen, ob die Möglichkeit eines wirksamen Schutzes für die Zivilbevölkerung nach früheren Vorstellungen und Überlegungen heute überhaupt noch besteht. ({0}) Wenn das aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, zweifelhaft ist, wie es uns allmählich scheint, müssen wir alle gemeinsam in diesem Hause prüfen, ob die vorgesehenen Millionenbeträge eigentlich noch sinnvoll ausgegeben werden können. Wir meinen also, der Herr Bundesinnenminister möge sehr bald prüfen, was in diesem Bereich zu geschehen hat. Ein anderer Schwerpunkt ist die Frage der Notstandsgesetzgebung. Der Herr Innenminister ist ohne Zweifel ein hervorragender Sachkenner auf diesem Gebiet. Das ist ja auch in den Kommentaren zu seiner Berufung, wenn die Presse recht hat, deutlich sichtbar geworden. ({1}) Ich meine, meine sehr verehrten Damen und Herren, die Auffassung des jetzigen Bundesinnenministers ist vielleicht - ich kann das nicht genau sagen, aber vielleicht - in der Frage der Notstandsgesetzgebung fast völlig identisch mit der seines Vorgängers. Wir haben unsere Bedenken zu dieser Regierungsvorlage vorgetragen. Wir haben einen eigenen Alternativentwurf diesem Hause vorgelegt. Die Beratungen im Ausschuß bestätigen allerdings die ernsten Sorgen, die wir haben. Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich selbst bin in der vorigen Legislaturperiode nicht zu Unrecht von sozialdemokratischen Kollegen kritisiert worden, wir hätten versucht, in der Notstandsberatung, auch in den Spitzengesprächen, vielleicht manches zu schnell noch in der vorigen Legislaturperiode zum Ende zu bringen. Ich habe bei der ersten Lesung der Notstandsgesetze hier sehr deutlich gesagt, daß es das historische Verdienst der Sozialdemokraten ist, daß wir in dieser Legislaturperiode diese Frage hier erneut behandeln können. Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren von der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion, das, was zur Zeit in den Ausschußberatungen an Tempo vorgelegt wird -- mit Beratungen in Mittagspausen und mit Ankündigung von eventuellen Beratungen in sitzungsfreien Wochen - bestätigt uns leider, muß ich sagen, daß Sie demselben Druck Ihres Koalitionspartners zu erliegen beginnen, dem auch wir in der vorigen Legislaturperiode erlegen sind. ({2}) - Natürlich steht das im Protokoll, sehr verehrter Herr Kollege. Wenn die zweite und dritte Lesung in diesem Hause in dieser Legislaturperiode stattfinden sollten, werden wir auf diesen Problemkreis nicht nur mit dem, was ich jetzt hier gesagt habe, sondern auch mit den Äußerungen Ihres leider verstorbenen Fraktionskollegen Fritz Erler zurückkommen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, Einzelheiten der Notstandsgesetzgebung will ich hier jetzt gar nicht diskutieren. Wir werden uns, wenn die zweite Lesung in diesem Jahr kommt, ausführlich darüber unterhalten. Aber ein Problem, Herr Innenminister, möchte ich an dieser Stelle jetzt schon vortragen. Es ist die Frage der Ablösungsmöglichkeit für die alliierten Vorbehaltsrechte. Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion hat genau wie die Bundestagsfraktion der Freien Demokraten erklärt, daß sie einer Verfassungsänderung nur bei Ablösung aller Vorbehaltsrechte zustimmen würde. Nun sind wir uns ja darüber einig, daß es drei Gruppen von Vorbehaltsrechten in diesem Zusammenhang gibt. Die erste Gruppe bilden die allgemeinen Vorbehaltsrechte. Ich glaube, es wird kein Problem sein, mit den Alliierten noch in dieser Legislaturperiode zu einer Verständigung zu kommen; denn die Alliierten waren schon in der vorigen Legislaturperiode bereit, auf diese allgemeinen Vorbehaltsrechte zu verzichten. Die zweite Gruppe der Vorbehaltsrechte hängt mit Art. 5 Abs. 2 des Deutschlandsvertrages zusammen; da geht es um die Post-, Telefon- und Fernschreibüberwachung. Hierzu hat die Bundesregierung ein Gesetz zu Art. 10 des Grundgesetzes vorgelegt. Die Alliierten haben uns nach der ersten Lesung dieses Gesetzes - ich glaube, es war Ende des vergangenen Jahres, Herr Kollege Even - eine Stellungnahme vorgelegt. Aus dieser Stellungnahme ist nicht eindeutig klar, ob die Alliierten bereit sind, auf diese Vorbehaltsrechte zu verzichten. Herr Bundesinnenminister, dann kommt die dritte, spezielle Aussage zu den Vorbehaltsrechten, die in dem geheimen Schriftwechsel zwischen der Bundesregierung und den Alliierten bei Abschluß des Deutschlandsvertrags enthalten ist. Es handelt sich hier um eine Konkretisierung der zweiten Gruppe. Wir meinen, Herr Bundesinnenminister, Sie sollten jetzt so schnell wie möglich klären, ob die Ablösung aller alliierten Vorbehaltsrechte erreichbar 'ist. Ich sage ihnen auch, warum. Wenn Sie nämlich nicht erreichbar ist, dann sollte die sofortige Einstellung der weiteren Beratung der Notstandsgesetze in den Ausschüssen des Bundestages Platz greifen. Der Bundestag könnte dann in seinen Ausschüssen Probleme erörtern, die sinnvollerweise noch in dieser Legislaturperiode behandelt werden sollten. Wir meinen also, daß wir hier und heute noch einmal ganz deutlich sagen sollten, Herr Bundesinnenminister: diese Frage muß im Interesse einer Lösung so schnell wie möglich geklärt werden. Lassen Sie mich zum letzten Problem kommen, nämlich zu dem Problem der Verfassungsänderungen. Ihr Herr Vorgänger, Herr Minister, wollte mehr als 80 Verfassungsänderungen erreichen. Wir alle kennen sein Zitat: daß er aus dem Taufkleid der Verfassung einen Maßanzug machen wolle. Wir hoffen, Herr Minister, daß Sie in dieser Frage eindeutig andere Vorstellungen haben. Wir wollen, was wir zu diesem Problem zu sagen haben, hier noch einmal ganz deutlich und mit besonderem Ernst allen in diesem Hause vortragen. Jede Verfassung ist ein in sich geschlossener Kompromiß. Das trifft in ganz besonderem Maße für das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland zu. Wenn hier einseitige Änderungen vorgenommen werden, bedeutet das die Beseitigung des Kompromisses, auf den sich die Verfassungsgeber geeinigt hatten. Damit, meine Damen und Herren, kann eine verfassungspolitische Situation eintreten, die zwangsläufig einen Teil nicht nur der Bundestagsabgeordneten, sondern auch der Bevölkerung in unserem Lande in einen gewissen Konflikt treibt, der dazu führen kann, daß ein verfassungsfeindlicher Angriff auf die so geänderte Verfassung verfassungspolitisch im Sinne der ursprünglichen Verfassungsgeber gegeben ist. ({3}) Wir hielten es für eine äußerst gefährliche Entwicklung gerade in unserem Volke, wenn auf diese Weise zu einer äußeren Trennung dieser Nation auch noch eine in der verfassungspolitischen Auseinandersetzung innerhalb unseres Staates käme. Der Verfassungsminister ist daher in ganz besonderem Maße darauf angewiesen, nur verfassungskonforme Entscheidungen zu treffen. Dabei, Herr Minister, können Sie immer auf die uneingeschränkte Unterstützung der Freien Demokraten in diesem Hause rechnen. Lassen Sie mich mit einem Zitat Robert Kennedys schließen: Wir wissen, daß der Mensch in seiner langen Geschichte immer wieder kämpfen mußte um ein Gesetzes- und Regierungssystem, in dem die Grundfreiheiten des einzelnen und die Durchführung des Gesetzes im Einklang stehen. Wir wissen, daß wir nicht ohne Regeln miteinander leben können, und wir wissen schließlich, daß das Recht aller gefährdet ist, wenn es einem einzigen vorenthalten wird. ({4})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Schmitt-Vockenhausen. ({0}) -- Da steht ja nun wieder in der Geschäftsordnung - das ist ja das, was den Kollegen Dichgans so ärgert-: Der Präsident bestimmt die Reihenfolge der Redner. ({1}) Das ist ein Beispiel für „Verfassungstext und Verfassungswirklichkeit". Also wer soll jetzt sprechen? Herr Kollege Even? ({2}) .letzt wollen Sie wieder anders!? ({3}) Jetzt hat der Herr Kollege Even das Wort. ({4}) Schließlich und endlich muß man sich ja für das eine oder das andere entscheiden.

Dr. Bert Even (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000501, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Da Herr Kollege Dorn den Katalog seiner innenpolitischen Schwerpunkte, die er gewissermaßen als Kontrastprogramm der FDP bezeichnet hat, in erster Linie an den neuen Herrn Bundesinnenminister gerichtet hat, möchte ich dem Herrn Bundesinnenminister nicht vorgreifen und daher jetzt nur wenige Bemerkungen machen. Herr Kollege Dorn, ich gestehe zu, daß sich Ihre Ausführungen über einige Sachfragen - jedenfalls dem Ton nach; ich will über den Inhalt im einzelnen nicht sprechen - wohltuend von der schrillen Ouvertüre abgehoben haben. Sie können aber nicht darüber hinwegtäuschen, daß es Ihnen bis zum Augenblick nicht gelungen ist, nachzuweisen, daß der rheinische Landesvorsitzende der CDU, Konrad Grundmann, die Behauptung aufgestellt hat, die Sie ihm unterschoben haben. Ich glaube, man sollte gerade im Zusammenhang mit der Neubesetzung eines Ministeramtes nicht sofort mit einer gefährlichen Legendenbildung beginnen, die unterschwellig den Vorwurf enthält, als ob sich diese Bundesregierung, der Bundeskanzler und insbesondere die Christlich Demokratische Union nicht von rein sachlichen Erwägungen leiten ließen ({0}) bei der Besetzung eines so wesentlichen Regierungsamtes.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Dr. Bert Even (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000501, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ja, bitte sehr!

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Bitte, Herr Abgeordneter Dorn!

Wolfram Dorn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000409, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Kollege Even, sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, daß wenn der eine Teil meiner Aussage - der andere ist ja belegt -, nicht belegt wird, ich bereit bin, mich sofort für diesen Teil meiner Aussage zu entschuldigen?

Dr. Bert Even (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000501, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich danke Ihnen für dieses Teilgeständnis. ({0}) Für uns ist maßgebend gewesen, was Herr Bundeskanzler Kiesinger sofort gesagt hat, nämlich daß er sich hei der Auswahl des Nachfolgers für Herrn Minister Lücke ohne Rücksicht auf irgendwelches Proporzdenken allein am Maßstab der sachlichen Qualifikation orientieren werde. ({1})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Dr. Bert Even (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000501, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Bitte sehr!

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Bitte, Herr Abgeordneter Mertes!

Dr. h. c. Werner Mertes (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001483, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Kollege Even, sind Sie bereit, Ihren Fraktionskollegen mitzuteilen, daß diejenigen, die interessiert sind, sich bei uns Informationen dahin gehend holen können, daß wir gern bereit sind, mitzuteilen, welche Kollegen aus Ihrer Fraktion uns entsprechende Mitteilungen haben zukommen lassen?

Dr. Bert Even (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000501, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sie weichen auf einen „Nebenkriegsschauplatz" aus. Es geht um eine Behauptung, die Herrn Grundmann unterstellt worden ist, nicht irgendwelchen Kollegen. Das Ergebnis der Neubesetzung der Position des Bundesinnenministers hat die von Anfang an vom Herrn Bundeskanzler aufgestellte Richtlinie bekräftigt, denn Sie werden zugeben müssen, daß Herr Kollege Benda nicht in jenes Proporzdenken hineinpaßt, ({0}) das Sie uns unterschieben wollen. ({1}) Zweitens, Herr Kollege Dorn, haben Sie sich den Kopf zerbrochen über einige organisatorische Fragen im Rahmen der Bundesregierung. Natürlich ist ist das Ihr Recht, und wenn Sie brauchbare Vorschläge machen, werden sie sicherlich geprüft werden. Ich glaube aber, es ist nicht die Aufgabe des Parlaments, und das muß klargestellt werden, in die Organisationsgewalt der Bundesregierung einzugeifen. ({2}) Drittens: Sie haben im Zusammenhang mit der von Herrn Minister Lücke noch berufenen Wahlrechtskommission von Meinungsmanipulation gesprochen. Ich darf doch daran erinnern, daß in dieser siebenköpfigen Professorenkommission zur Wahlrechtsfrage Vertreter aller widerstreitenden Interessen gesessen haben, allerdings nicht nach dem Proporz aufgeteilt; das gebe ich Ihnen zu. Aber ich sehe darin gar keinen Nachteil. Eines, meine ich jedenfalls, sollten wir alle miteinander anerkennen: daß nämlich die Qualität des Untersuchungsergebnisses nicht gemessen werden sollte an irgendwelchen Meinungen, die die betreffenden Mitglieder der Kommission vorher schon geäußert haben, sondern allein daran, ob die Argumente, die im Gesamtbericht vorgelegt worden sind, überzeugend sind oder nicht. Das sollten Sie auch dann tun, meine Damen und Herren von der FDP, Wenn Ihnen zugegebenermaßen das Ergebnis der Kommissionsberatungen nicht gefallen hat. Viertens schließlich noch eine Bemerkung zum Verfahren der parlamentarischen Behandlung der Notstandsgesetzgebung. Ich glaube, Sie befinden sich in einer widersprüchlichen Situation, Herr Kollege Dorn. Sie haben soeben bemängelt, daß die Verhandlungen der Ausschüsse zu schnell vonstatten gingen. Ich bin ziemlich sicher: wenn wir es schleppend machten und zu keinem Ergebnis kämen, würden Sie uns vorwerfen, das sei wieder ein Versagerpunkt der Großen Koalition. ({3}) - Das ist eine andere Frage. Aber Sie würden es uns nicht als Pluspunkt anschreiben. In einem sollten wir aber doch an der bisherigen gemeinsamen Auffassung festhalten - und insoweit bin ich etwas besorgt über das, was Sie gesagt haben, Herr Kollege Dorn nämlich hinsichtlich der Stellungnahme der Alliierten zur Ablösung ihrer Vorbehaltsrechte. Wir sind mit Ihnen der Auffassung, daß natürlich eine solche Stellungnahme eingeholt werden muß. Sie wissen, daß die Bundesregierung, was ihre Entwürfe betrifft, dies auch getan hat. Aber eine difinitive Entscheidung der Alliierten können wir doch nur erwarten, wenn wir den Alliierten die Fassung des Parlaments vorlegen, wenn wir ihnen also dartun, wie höchstwahrscheinlich die Beschlußfassung des Bundestages und des Bundesrates aussehen würde. Nur das kann zu einer sinnvollen rechtlichen Festlegung der Alliierten führen. Bisher waren wir uns doch darin einig, daß dies nach der zweiten Lesung der Notstandsverfassung durch das Plenum des Bundestages erfolgen sollte. Ich meine, im Interesse der Sache sollten wir an dieser, soweit ich sehe, bisher nicht bezweifelten Verfahrensweise festhalten. Im übrigen, Herr Kollege Dorn, bin ich der Auffassung, daß eine Verfassungsänderung, die unseren Rechtsstaat in den Stand setzen soll, auch in der Stunde der größten Not die Freiheitsrechte der Bürger zu sichern, einer parteipolitischen Polemik entzogen und rein nach staatspolitischen Erwägungen entschieden werden sollte. ({4})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Schmitt-Vockenhausen.

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002033, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wer die Rede des Kollegen Dorn hier gehört hat, könnte das Gefühl haben, als ob wir in der Innenpolitik plötzlich Neuland betreten müßten. Herr Kollege Dorn, wir sind doch schon seit vielen Jahren mitten in der Arbeit! Wenn die FDP erst jetzt nach 19 Jahren im Bundestag eine Reihe von Problemen entdeckt, so ist das nicht unsere Schuld. Ich werde Ihnen im einzelnen darlegen können, wie stark wir uns in den vergangenen Jahren mit all diesen Fragen beschäftigt und sie in wichtigen Punkten einer Lösung zugeführt haben oder zuführen. Lassen Sie mich mit einem Problemkreis beginnen, der für uns immer an der Spitze gestanden hat: ich meine die Beamten- und Besoldungsgesetzgebung. Hier geht es vor allem um die Menschen, die der öffentliche Dienst braucht, damit er gut funktioniert. Trotz der schwierigen Haushaltslage hat Ihr Haus die zweite Besoldungsstufe vorgelegt. Wir wissen: das war nicht einfach und hat dadurch auch Schönheitsfehler, über die wir noch in den Ausschüssen reden müssen. Wir sind sicher, daß Sie uns dort auch deutlich machen werden, was die nächste Stufe bringen wird. Ich darf hier noch einmal daran erinnern, daß es in jeder April-Debatte des Jahres 1966 Ihr Herr Amtsvorgänger war, der eine Konzeption auch unter dem Beifall der damaligen Opposition - deren Gedanken der Kollege Gscheidle vorgetragen hatte - zu einem Consensus der Meinungen in der Frage der Beamten- und Besoldungsreform geführt hat. Das ist also nicht etwas, das erst seit heute oder gestern angesprochen werden muß, sondern wir kennen die Probleme, und wir werden versuchen, sie gut zu lösen. Ich möchte Ihr Augenmerk, Herr Minister, vor allem auf die berufliche Weiterbildung der Beamten lenken. Sie wissen, daß das eines der Probleme ist, die in den vergangenen Jahren zu kurz gekommen sind. Ihr Haus hat ja eine entsprechende Vorlage erarbeitet, und wir haben die Zusicherung Ihres Hauses, daß wir im Innenausschuß die Möglichkeit haben werden, darüber zu sprechen. Ich würde mich freuen, wenn hier Parlament und Regierung gemeinsam diese wichtige Sache gestalten und auch in Zukunft weiterführen könnten. Sie ist für den öffentlichen Dienst von entscheidender Bedeutung. Das gilt auch für die Zusammenarbeit von Parlament und Regierung auf dem Gebiet der Datenverarbeitung. Hier steht der Innenausschuß seit Jahren mit der Regierung in enger Fühlungnahme. Ich darf Sie nur daran erinnern, daß wir z. B. auf dem Gebiet der Verbrechensbekämpfung durch Anträge meiner Fraktion und aus der Mitte des Hohen Hauses wesentliche Impulse gegeben haben, die die gute Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern vertiefen werden. Meine Fraktion hat schon bei früherer Gelegenheit zum Ausdruck gebracht, daß es Minister Lücke gelungen ist, zur Behebung der Schwierigkeiten, denen das Bundeskriminalamt gegenübersteht, im letzten Jahr viel zu tun. Wir wünschen, daß diese Bemühungen weitergehen. Wir sollten überlegen, ob wir nicht einmal in einer öffentlichen Anhörungssitzung die Probleme erörtern, damit auch die Öffentlichkeit sieht, was Parlament und Regierung zur Verbesserung der öffentlichen Sicherheit in der Bundesrepublik tun. Ich hätte gern noch die Gelegenheit benutzt, um etwas über die Frage des Versammlungsgesetzes und des Schutzes der Versammlungen zu sagen, weil sich Ihr Parteifreund Weyer dazu geäußert hat; aber es genügt, wenn ich empfehle, noch einmal einen Blick in das Versammlungsgesetz zu tun, um deutlich zu machen, wo die Grenzen im Rechtsstaat liegen, gegebenenfalls würde ich die Paragraphen im einzelnen vorlesen. ({0}) Auf dem Gebiet der Informations- und Pressefreiheit sind die Frage der Konzentration und die damit zusammenhängenden Fragen der Meinungsfreiheit die wesentlichen Probleme. Ihr Haus hat mit dem Bundeswirtschaftsminister gute Vorarbeiten geleistet, die dem Parlament demnächst vorliegen werden; wir brauchen heute darüber keine Debatte zu führen. Ich will allerdings anmerken, daß ich für ein Bundes-Presserechtsrahmengesetz im Augenblick keine Notwendigkeit sehe. Es gibt überall gute Länder-Pressegesetze, und ich sehe nicht, warum, solange die Erfahrungen mit diesen Gesetzen nicht vorliegen, wir schon an ein Bundesgesetz gehen sollten. Dazu besteht gar keine Veranlassung.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Gestatten Sie eine Zwischenfrage? ({0})

Wolfram Dorn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000409, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Kollege Schmitt-Vockenhausen, sind Sie nicht der Meinug, daß die so unterschiedliche Gestaltung der Ländergesetze auf dem Pressesektor innerhalb des Bundesgebietes eine erhebliche Unruhe mit sich gebracht hat und daß wir durch ein Presserechtsrahmengesetz auf Bundesebene vieles ausräumen können, was vor allen Dingen dem Deutschen Presserat sehr am Herzen liegt?

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002033, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich halte es für möglich, daß es vielleicht gelingt, Unruhe zu schaffen, wo keine ist. Aber im Augenblick jedenfalls wüßte ich nicht, daß irgendwo solche Unruhe wäre, daß eine Regelung benötigt würde; das muß ich ganz offen sagen. ({0}) Es gibt wirklich keine Veranlassung, hier schnellstens eine solche Gesetzgebung zu schaffen. Meine Damen und Herren, ich nehme an, daß bei der Sportförderung der Schwerpunkt der Bemühungen des Ministeriums bei den Vorbereitungen für die Olympiade liegt. Der Herr Kollege Kubitza wird sicher etwas dazu sagen. Wir freuen uns, daß in gemeinsamer Arbeit von Parlament und Regierung alles getan wird, um die Vorbereitungen für die Olympiade 1972 in München zu fördern, und ich bin sicher, daß uns das, trotz aller finanziellen Sorgen, die wir haben, in gemeinsamer Arbeit gelingt. Auf ein Problem, Herr Minister, möchte ich noch Ihre Aufmerksamkeit lenken: Das Statistische Bundesamt ist als eines der besten Ämter in Europa anerkannt und leistet eine gute Arbeit. In diesen Tagen habe ich in der Presse Kritiken gefunden, als ob es trotz aller Automation etwas langsamer mit der Auswertung statistischer Zahlen auf dem Gebiet der Wirtschaft ginge. Ich weise darauf hin, damit Sie sich auch mit diesem Problem einmal beschäftigen. Zu den Fragen, die der Herr Kollege Dorn noch angeschnitten hat, lassen Sie mich nur wenige Bemerkungen machen. Meine Damen und Herren, die Fraktion der SPD ist sicher, daß der Herr Minister Benda zwischen seiner persönlichen Meinung und der als Kabinettsmitglied in einer einzelnen Rechtsfrage zu unterscheiden weiß, und ich habe gar keine Sorgen darum, daß wir auch in dieser offenen Frage in den kommenden Wochen zu einer Verständigung kommen werden. Ich will mich nicht noch mit der Frage der Zuständigkeit zwischen den Ressorts beschäftigen. Das Kabinett muß und wird sich mit dem Herrn Bundeskanzler über solche Fragen unterhalten, und wir werden dann weiter sehen. Ich halte es in dieser Stunde nicht für sehr sinnvoll, eine Debatte über die Förderung der Wissenschaft zu führen. Das haben wir in den vergangenen Jahren hier oft getan. Ich möchte allerdings doch eines bemerken. Die wenigen Zuständigkeiten, die dem Innenministerium verblieben sind, sind dort sehr ordnungsgemäß bearbeitet worden. Ich möchte, Herr Kollege Dorn, ({1}) - ja - nur an die Deutsche Bibliothek erinnern. Da ist es gelungen, das Ausscheiden der Stadt Frankfurt zu überbrücken, den Neubau zu sichern und die Voraussetzungen für die Deutsche Bibliothek als Anstalt zu schaffen. Ich möchte u. a. auch an den Ausbau der archäologischen Institute erinnern. Es ist doch nicht so, daß in vergangenen Jahren auf diesem Gebiet gewissermaßen Funkstille geherrscht habe. Diese Dinge liegen durchaus in dem Bereich, den wir in den Ausschüssen, vor allem auch von seiten meiner Fraktion, immer wieder mit Nachdruck mit dem Innenministerium erörtert haben, und ich stehe nicht an, zu sagen, daß dadurch von uns die Dinge sehr stark gefördert werden konnten. ({2}) - Herr Kollege Könen, ich komme gerade darauf, weil sich Herr Kollege Dorn hier auch zu Zivilschutzfragen geäußert hat. Ich kann mich noch an manche Auseinandersetzung über diese Frage erinnern, Herr Kollege Dorn, als Sie noch in der Regierung waren, und ich muß sagen, wenn wir damals von Fehlplanungen gesprochen haben, dann haben wir bei Ihnen dafür immer Kritik geerntet. ({3}) - Ja, das werden wir gern noch einmal überprüfen. Ich möchte nur sagen: Es hat hier sicher, ebenso wie bei der Bundeswehr und wie immer, wenn eine Sache völlig neu aufgebaut wird, Schwierigkeiten, Mängel und Fehler gegeben, und wir haben sie damals auch als Opposition aufgegriffen. Das war unser gutes Recht und unsere Pflicht, und ich stehe nicht an, hier zu sagen, ich würde auch heute nicht Fehler deswegen verteidigen, weil wir nun in der Regierung sind. Ich bin aber auch sicher, daß sich der Minister ebenso darum kümmert, daß diese Mängel und Fehler beseitigt werden. ({4}) Nun, einen HS 30 gibt es beim Zivilschutz nicht. ({5}) Herr Minister, ich würde es für gut halten, wenn Sie im Zusammenhang mit einer kürzlich stattgefundenen öffentlichen Auseinandersetzung einmal einen Bericht über diese Fragen erstellen und dem Innenausschuß erstatten würden, damit wir dort darüber sprechen können. Ich muß noch sagen, meine Damen und Herren: wir stehen nach wie vor zu der Aufgabe des Zivilschutzes, und wir halten den Entwurf des Katastrophenschutzgesetzes, wie er von der Bundesregierung vorgelegt worden ist, für eine gute Grundlage. Wir haben am Freitag der letzten Woche ausführlich darüber gesprochen. Ich glaube, wir brauchen hier heute keine zusätzliche Debatte über diesen Fragenkreis zu führen. Eine Bemerkung aber kann ich mir - dafür bitte ich um Nachsicht, Herr Kollege Dorn - in dieser Stunde nicht verkneifen, da Sie heute wieder auf den Art. 29 GG zurückgekommen sind. Neunzehn Jahre haben Sie ja von seiner Existenz als FDP keine Kenntnis genommen. Jetzt sind Sie nun also daran. Inzwischen ist ja die Neugliederung in einem gewissen Umfange nicht mehr die entscheidende Aufgabe, sondern entscheidend ist die Gestaltung des kooperativen Föderalismus, d. h. eine zeitgemäße Zusammenarbeit von Bund und Ländern. Wir haben kürzlich darüber eine Debatte geführt, und ich wäre dankbar, wenn Sie in der Richtung, wie der Innenausschuß einstimmig beschlossen hat, mithelfen würden, daß wir diese Dinge verklammern und zu Ergebnissen führen, damit der Bundesstaat wirklich funktioniert, damit der Föderalismus nicht abgewertet wird und die Probleme, die in Baden und im Raum Rheinland-Pfalz-Saar geblieben sind, in einer angemessenen Frist gelöst werden. ({6}) So viel dazu! Wir haben heute leider nicht die Zeit, alle Fragen eingehender zu erörtern. Wir tun das ja in den Ausschüssen. Ich glaube, mein Beitrag hat deutlich gemacht, daß wir mit dem Ministerwechsel nicht vor einer völlig neuen Situation stehen, sondern daß wir auf den verschiedenen Gebieten mitten in der Arbeit sind und daß die SPD auch in Zukunft dazu beitragen will, daß die von uns mitgetragene Regierung auch auf den Gebieten, die heute hier erörtert werden, in dem kommenden Jahr zu Erfolgen kommt. In diesem Sinne, meine Damen und Herren, werden wir dem Haushalt des Bundesinnenministeriums zustimmen. ({7})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Das Wort hat der Herr Bundesminister des Innern.

Prof. Dr. Ernst Benda (Minister:in)

Politiker ID: 11000139

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dies ist für mich die erste Gelegenheit, in der neuen Eigenschaft als Bundesminister des Innern zu Ihnen zu sprechen. Ich bitte um Ihr Verständnis, wenn ich den Wunsch geäußert habe, an dieser Stelle der Diskussion zu sprechen, vor allem die Kollegen, die sich nach mir gemeldet haben, die sich nach meinem Eindruck noch zu einigen Spezialfragen äußern wollen. Es scheint mir gut zu sein, an dieser Stelle der Debatte in dem Versuch einer möglichst kurzen Zusammenfassung das zu sagen, was aus meiner Sicht jetzt gesagt werden sollte. Ich darf - wenn Sie diese sehr persönliche Bemerkung mir gestatten - die Gelegenheit benutzen, mich sehr herzlich für die guten Wünsche, die ich von sehr vielen Kollegen aus diesem Hause und von außerhalb bekommen habe, zu bedanken. Ich werde mich bemühen, die Erwartungen, die viele jetzt in meine Tätigkeit setzen - worüber ich mich freue und was mich verpflichtet , zu erfüllen. Ich bedanke mich ausdrücklich bei dem Kollegen Dorn, der sich, soweit es meine Person anlangt, in einer sachlichen Weise mit dem Umstand auseinandergesetzt hat, daß ich nun hier stehe. Erst am vergangenen Freitag habe ich Ihnen gesagt, daß Sie mich hier noch öfter sehen werden, Herr Kollege Dorn, und das ist nun also so. Ich werde zu dem einen oder anderen Punkt sprechen, auf den Sie gekommen sind. Ich glaube nicht, daß die Zeit, die Sie mir billigerweise hier einräumen, ausreicht, zu allen Punkten zu sprechen. Sie selber wissen, Herr Dorn, daß einige der Punkte, zu denen Sie gesprochen oder die Sie nur angedeutet haben, so sind, daß man einen ganzen Nachmittag über sie reden könnte. Niemand von uns wird dazu Lust haben. ({0}) - Das Angebot der Stimmenthaltung ist natürlich unlogisch, Herr Kollege Dorn. Ich wollte das gerade sagen. Wenn Sie, wie Sie gesagt haben, dem neuen Minister Anspruch auf eine eigene Konzeption geben, d. h. eine Schonzeit, eine Bewährungsfrist, dann müssen Sie ihm natürlich auch das Geld geben, damit er sie durchsetzen kann. ({1}) Insofern würde es logischer sein, wenn Sie mir das Geld freundlicherweise geben wollten. Aber immerhin, wir kommen langsam voran, und wir werden dem Ziel schon näherkommen. Ich wollte mich bei Ihnen auch deswegen bedanken, Herr Dorn, weil das, was Sie gesagt haben, für mich viel wohltuender war als die Ausführungen des Herrn V isus - ich weiß nicht, wer das ist in der Freien Demokratischen Korrespondenz von gestern. Herr Visus ist offenbar der Mann, der das Visier richtet, damit man sich auf den Neuen einschießen kann. Der hat geschrieben, ich pflegte als Nachfolger von Herrn Minister Lücke ein anderes Hobby. Herr Minister Lücke habe das Wahlrechtshobby gepflegt, ich pflegte ein anderes Hobby: die Notstandsgesetzgebung. „Aber auch Bendas Traum von einer perfekten Regelung für alle möglichen Notstände wird nicht leicht Wirklichkeit werden." Ich darf an dieser Stelle sagen - und das meine ich schon ganz ernst, Herr Kollege Dorn und meine Damen und Herren -, die Vorstellung, man könne ausgerechnet Notstand als Hobby pflegen, hat etwas Makabres. ({2}) Niemand, der auch nur ein wenig davon weiß -- und Sie, Herr Dorn, wissen ja eine ganze Menge davon -, kann auf den Gedanken kommen, daß jemand, der seine fünf Sinne beisammen hat, so etwas sozusagen aus Spaß macht. Ich will auch nicht verhehlen ich sage das mit einem Augenblinzeln auf die Zuständigkeiten, von denen Sie meinen, daß ich sie ganz gern los werden sollte -, wenn Sie mich nach meinen sozusagen amtlichen Hobbys fragen: Meine persönliche Neigung - um es einmal mit einem Beispiel zu sagen gehört sehr viel mehr als den spröden Materien des Notstandes z. B. dem jungen deutschen Film oder gehört den Berliner Festwochen, in denen ich als stellvertretender Vorsitzender des Kuratoriums schon in meiner bisherigen amtlichen Eigenschaft tätig gewesen bin. Ich hoffe, daß es mir trotz der anderen Belastungen, die auf mich zukommen, möglich sein wird, das weiterzumachen. Ich will hierfür nicht den Ausdruck „Hobby" verwenden. Das ist jedenfalls viel, viel schöner, viel befriedigender als die anderen Dinge. ({3}) - Ich sage Ihnen das nur. Das kommt ja von Ihrer Seite. Im übrigen ist es interessant, daß Sie uns vorhin mitgeteilt haben, die SPD stehe in der Notstandsfrage unter dem Druck ihres Koalitionspartners, also wohl der CDU/CSU, während das, was Sie hier geschrieben haben, wohl eher den umgekehrten Schluß rechtfertigt, - nicht Sie, Herr Dorn, Sie sind, glaube ich, nicht Herr Visus, aber wer immer es ist. ({4}) - Gut, lassen wir das. So wichtig ist es in der Tat nicht. Wenn wir uns alle abgewöhnen könnten, die parteiamtlichen Korrespondenzen zu lesen, dann wäre man ein gutes Stück weiter und würde viel Zeit sparen. ({5}) Ich würde nun recht gern einmal, soweit es mir zukommt, auf das zurückkommen, was Herr Kollege Scheel und einige andere Herren gestern zu der interessanten Frage gesagt haben: Kann jemand, der Parlamentarischer Staatssekretär bei einem Bundesminister war, der dann aus eigenem Entschluß zurücktritt, dessen Nachfolger werden? Ich nehme diese Frage durchaus ernst, und ich möchte versuchen, mit wenigen Worten darauf einzugehen, wobei ich um Ihr Verständnis bitte, daß ich die Frage natürlich nicht aus meiner persönlichen Sicht, sondern sozusagen nur abstrakt, wie Herr Scheel gesagt hat, beantworten kann. Ich erkenne auch insoweit dankbar und gern an, daß Herr Scheel - er hat es mir auch in einem Gespräch noch einmal gesagt - sich in keiner Weise da mit meiner Person hat auseinandersetzen wollen. sondern auf eine Sachfrage hat aufmerksam machen wollen. Ich will versuchen, sie zu beantworten. Ich bin natürlich nicht in der Lage, jetzt etwa in die Überlegungen des Herrn Bundeskanzlers, die zu meiner Berufung geführt haben, einzugreifen oder diese zu kommentieren. Da möchte ich auch am Rande - zu dem Vorgang, der vorhin eine Rolle spielte - sagen: Meine Damen und Herren, was soll's? Die Entscheidung ist gefallen. Wir alle so oder so davon Betroffenen werden uns damit auseinanderzusetzen haben. Niemand von uns, der auch nur einige Jahre in einer politischen Partei tätig ist, wird wohl so naiv sein, nicht zu wissen, daß es bei der Frage „wer hat die Eignung zu einem Amt?" alle möglichen Meinungen gibt. Das, was wir nur nicht gelernt haben - und deshalb erwähne ich diesen Punkt; er hat vielleicht allgemeine Bedeutung auch für unsere Arbeit in diesem Hause -, was wir lernen müssen, ist etwas, was neu ist: daß beinahe alle fünf Minuten die Beobachter der Presse, die meistens ja das Ohr ziemlich dicht daran haben - dichter, als vielen von uns lieb ist - und in der Lage sind - und mit den modernen technischen Mitteln auch davon Gebrauch machen ---, das dann weiterzugeben, so daß beinahe jede Überlegung, erst recht also jedes Wort und jede Tätigkeit jemandes, der in einer verantwortlichen Position ist, beobachtet und kommentiert wird. Das mußte eigentlich einen ganz anderen Stil der politischen Arbeit zur Folge haben. Jedenfalls müßte man sich darauf einstellen. Auf diesen Punkt werde ich nachher in einem anderen Zusammenhang - ich schweife von meinem Ressort etwas ab, wie Sie sehen, aber nur scheinbar -vielleicht noch zurückkommen, wenn die Zeit reicht, nämlich zu dem Thema, um es mit einem Oberbegriff zu sagen, Verwaltungsreform oder, wie ich lieber sagen würde: Modernisierung der Verwaltung. Da tauchen nämlich ähnliche Fragen auf, und, wie gesagt, ich werde versuchen, darauf zu kommen. Nun also zunächst zu unserem Thema! Um es einmal zu sagen, Herr Kollege Moersch: Sie irren völlig, wenn Sie annehmen Sie haben es jedenfalls gestern gesagt -, ich hätte auf das Gesetz über die Rechtsstellung der Parlamentarischen Staatssekretäre maßgebenden Einfluß genommen. Ich war damals noch nicht im Amt; natürlich, das Gesetz mußte ja erst einmal dasein, bevor die Betreffenden berufen werden konnten. Ich habe überhaupt keinen Einfluß darauf genommen und konnte es auch gar nicht. Dafür zuständig war zunächst einmal die Bundesregierung - der gehörte ich nicht an, in keiner Eigenschaft - und dann das Parlament. Ich habe mich selbstverständlich - nachdem ich mich auf Bitten von Minister Lücke entschieden hatte, für den Fall, daß er mich fragen würde, in dieses Amt zu gehen - jeder Beteiligung an den Beratungen in den Ausschüssen enthalten, wie es einzig möglicher Stil in einer solchen Frage ist, wenn man persönlich davon betroffen ist. ({6}) Ich bitte also, das doch zur Kenntnis zu nehmen, denn es war so. Ich sage das auch deswegen, weil ich nun ein Jahr - es fehlen 12 Tage an einem Jahr - in dieser Sache Erfahrungen gemacht habe, die übrigens für mich persönlich in der Zusammenarbeit mit meinem verehrten Amtsvorgänger menschlich sehr befriedigend waren. Diese Erfahrungen möchte ich gern verwerten. Ich bin nämlich gar nicht der Meinung, daß man in dieser Sache im Augenblick etwas machen soll. Ich bin aber wohl der Meinung, daß man, wenn vielleicht ein weiteres Jahr - Neubeginn einer Wahlperiode wäre vielleicht ein gegebener Anlaß -, wenn eine weitere Zeit vergangen ist, sagen sollte: Wie sind die Erfahrungen, die guten und die weniger guten?, und daraus sollte man Konsequenzen ziehen. In dem Zusammenhang komme ich zu dem Sachpunkt. Ich habe in der Tat immer, wie Herr Kollege Mischnick, wenn ich mich nicht täusche - ich habe das hier, aber ich will es jetzt nicht nachblättern -, sagte, die Tätigkeit eines Parlamentarischen Staatssekretärs in erster Linie als die des engsten politischen Beraters und Mitarbeiters des Bundesministers gesehen. Ob man das Juniorminister nennt oder wie immer, das ist eine Frage des Geschmacks oder des Stils; darauf kommt es mir nicht an. Ich glaube, daß das die richtige Funktion ist. Das Gesetz beantwortet die Frage nicht ganz eindeutig, sondern es sagt eigentlich nur: Dem Bundesminister wird - so ist, glaube ich, die Formulierung des Gesetzes - ein Parlamentarischer Staatssekretär zur Seite gestellt, zur Verfügung gestellt, beigegeben, oder wie die Formulierung lautet. Dann muß sich das entwickeln. Das ist eine Sache der beteiligten Persönlichkeiten, zu denen in diesem Zusammenhang auch die beamteten Staatssekretäre zu zählen sind. Das ist die Gruppe: der Minister, der Parlamentarische Staatssekretär, die beamteten Staatssekretäre, einer oder mehrere, je nach dem Ressort. Dann muß sich das, wie gesagt, entwickeln. Wir wissen alle, wenn wir uns das einmal ein wenig ansehen: Das entwickelt sich in gewisser Beziehung in den einzelnen Ressorts unterschiedlich. Ich halte das - vielleicht im Gegensatz zu dem Kollegen von der Opposition - nicht für einen Fehler, solange es sich innerhalb der selbstverständlichen, korrekten Grenzen der Zuständigkeiten, die hier ja auch bestimmte klare Grenzen setzen und auch setzen müssen, hält. Ich bin der Meinung, daß man in einer solchen Frage, in der wir Neuland betreten haben - ich erwähne sie wegen ihres exemplarischen Wertes -, einmal den Mut haben sollte, so etwas auszuprobieren. Wir sind dabei; wir machen bestimmte Erfahrungen und wollen uns zu gegebener Zeit dann auch zusammensetzen, um diese Erfahrungen zu verwerten. Ihre Meinungen dazu sind genauso wie zu den anderen Punkten willkommen. Die Frage, ob der Parlamentarische Staatssekretär Nachfolger werden kann - bleiben kann er ja kraft Gesetzes nicht -, wenn der Minister aus politischen Gründen, die achtenswert sind, die ich in dem konkreten Fall voll respektiere, zurücktritt, würde ich wie folgt beantworten: In diesem Fall, den ich im einzelnen wie Sie verstehen werde, nicht erörtere, sind der bisherige Bundesminister und der jetzige Bundesminister selbstverständlich gehalten, das nach besten Kräften durchzuführen, was in dem Regierungsprogramm der Großen Koalition steht, auch zur Frage des Wahlrechts. Das, was Bundeskanzler Kiesinger in der Regierungserklärung gesagt hat, ist die Richtlinie. Insofern gibt es überhaupt keine Unterschiede. Daran hat sich Herr Bundesminister Lücke gehalten, und daran werde ich mich halten. Das ist selbstverständlich Wenn der bisherige Bundesminister dann eine Entscheidung trifft, wie es hier der Fall gewesen ist, würde ich es für eine Frage der menschlichen und politischen Loyalität zwischen dem Bundesminister und dem Parlamentarischen Staatssekretär, die für mein Empfinden mit der Beendigung des Amtsverhältnisses beider Personen nicht aufhört, halten - und ich habe es für eine Frage der Loyalität gehalten -, so zu handeln. Ich werde mich jedenfalls daran erinnern. Ich sage Ihnen in aller Offenheit, daß ich dieses Amt nicht angetreten hätte, wenn mein verehrter Amtsvorgänger nicht voll der Meinung gewesen wäre und mir das auch gesagt hätte, daß er es für richtig halte, wenn ich, falls die Entscheidung des Herrn Bundeskanzlers so ausfiele, sein Nachfolger würde. Das ist selbstverständlich. Alles andere wäre auch für mein Empfinden ein grober Bruch der Loyalität, die zwischen beiden bestehen muß. Wenn man das berücksichtigt, sehe ich hier überhaupt keine Schwierigkeiten, so zu handeln. Ich werde mich - ich wiederhole es - genauso wie Herr Bundesminister Lücke an die Grundsätze der Regierung halten, und die ergeben sich aus der Regierungserklärung. Ich darf jetzt vielleicht in aller Kürze einige wenige Bemerkungen zu Einzelpunkten machen. Sie, Herr Dorn, und auch Herr Kollege Schmitt-Vockenhausen haben mich auf Fragen der Besoldungsneuregelung angesprochen. Ich greife diesen Punkt wegen seiner besonderen Wichtigkeit und auch deswegen auf, weil das Hohe Haus hier selbst eine Mitverantwortung hat und mir etwas dabei helfen kann, weil es damit auch den Beamten helfen kann, hier voranzukommen. Ich glaube, die Frage auch von Herrn Dorn betraf die dritte Stufe der Besoldungsneuregelung, ob es möglich sei, hier noch etwas zu tun. Die Antwort lautet, daß der Bundesinnenminister vorbehaltlich der Entscheidung der Bundesregierung in der Lage sein wird, in diesem Jahr den Entwurf eines Dritten Besoldungsneuregelungsgesetzes, also der dritten Stufe, vorzulegen, allerdings unter der Voraussetzung, daß das Zweite Besoldungsneuregelungsgesetz, daß dem Hohen Hause gegenwärtig zur Beratung und Beschlußfassung vorliegt, durch den Bundestag rechtzeitig verabschiedet wird, d. h. angesichts der begrenzten Zeit, die zwischen dem Ende der Sommerpause und Weihnachten zur Verfügung steht, bis zum Ende der Sommerpause. Damit verbunden war die Problematik, daß Voraussetzung der Verabschiedung des Zweiten Besoldungsneuregelungsgesetzes, wie Sie wissen, die Verabschiedung des Entwurfs zu Art. 75 des Grundgesetzes ist. Insoweit, meine Damen und Herren, besteht also eine Mitverantwortung von uns allen. Wenn diese Voraussetzung erfüllt werden kann, würde ich keine Schwierigkeiten sehen, dem Wunsch, der von beiden Herren an mich herangebracht worden ist, zu entsprechen. Ich würde sehr hoffen, daß die Bundesregierung, wenn dieser Entwurf von mir vorgelegt würde, aus entsprechende Beschlüsse fassen kann. Zu Zuständigkeitsfragen möchte ich mich über das hinaus, was ich vorhin sehr vorsichtig gesagt habe, nicht äußern. Ich glaube nur, Herr Kollege Dorn, daß die Frage, wer innerhalb der Bundesregierung welche Dinge bearbeitet, an sich noch keine klare Alternative zu den Sachfragen ist. Denn es kommt zunächst nicht so sehr darauf an, wer es macht, sondern wie es gemacht wird und ob es richtig gemacht wird. Wir sollten uns also bei Gelegenheit - die hoffentlich bald kommt - einmal über die Sachfragen unterhalten. Ausdrücklich bedanken, Herr Dorn, möchte ich mich für Ihren Einsatz in den Fragen des Verfassungsschutzes. Es ist sehr notwendig, auch hier und vor der Öffentlichkeit zu sagen, daß das Bundesamt für Verfassungsschutz und die Landesämter für Verfassungsschutz Einrichtungen eines demokratischen Rechtsstaates sind, ({7}) daß es Ämter sind, die das Grundgesetz verteidigen und schützen und daß sie jede Unterstützung in ihrer Arbeit verdienen, die nach Gesetz und Recht zulässig ist. Ich freue mich darüber, daß wir in dieser Frage offenbar übereinstimmen. Was an praktischen Fragen damit zusammenhängt, werden wir bei anderer Gelegenheit durchaus bereit sein zu diskutieren. Die Frage der Verbrechensbekämpfung und der Tätigkeit des Bundeskriminalamts möchte ich zum Anlaß nehmen, Herr Kollege Dorn, um zu sagen, daß aus meiner Sicht - und dies wird eine konkrete Überlegung und wohl auch eine konkrete Tätigkeit von mir sein - das Verhältnis zwischen den Herren Innenminister der Länder und dem Bundesinnenminister vielleicht noch enger in der praktischen Arbeit sein könnte und sein sollte, als es heute erfreulicherweise schon ist. ({8}) Es besteht an sich ein erfreulich gutes Verhältnis zwischen den Innenministern der Länder und dem Bundesinnenminister, nebenbei gesagt, ohne Rücksicht auf Parteizugehörigkeit jeweils. Ich weiß aber, daß gerade in Kreisen der Herren Innenminister der Länder durchaus der Wunsch und die Bereitschaft bestehen, diese Zusammenarbeit weiter zu intensivieren. Das wird konkrete Auswirkungen auf den Gebieten haben, die hier mit dem Stichwort Verbrechensbekämpfung angeschnitten worden sind. Ich meine also, daß man durchaus etwas tun kann und etwas tun sollte. Zur Zivilverteidigung nur in aller Kürze. Ich bin jedenfalls nicht der Meinung, Herr Kollege Dorn - ich sage das gleich im Hinblick auf den nachher zur Beratung anstehenden Antrag Umdruck 427 -, daß man auf dem Gebiet der Zivilverteidigung sinnvollerweise überhaupt noch etwas tun kann, wenn man nun mit Anträgen oder gar mit Beschlüssen daran geht, die ohnehin äußerst knappen Mittel auf diesem Gebiet immer weiter zu reduzieren. Wir sind heute mit dem Gesamtplafond der Zivilverteidigung von rund 450 Millionen DM im Jahr an der unteren Grenze dessen angelangt, was eine auch nur einigermaßen sinnvolle Zivilverteidigung erfordert. Würde man da weiter heruntergehen, würde in der Tat ein Punkt kommen, an dem man zu dem Ergebnis kommen müßte, daß es keinen Sinn mehr hat, sich darüber zu unterhalten. Nur muß ich die Frage stellen: Wer wollte die Verantwortung dafür übernehmen, daß auf diesem Gebiet jede Vorsorge, die vernünftigerweise getrieben werden kann, ganz unterbleibt? Ich möchte mich kurz fassen. Ich habe vielleicht schon etwas zu lange gesprochen. Ein letztes Wort aber zu der Frage, die ich vorhin angeschnitten habe, was der Parlamentarische Staatssekretär tun kann, was er bisher getan hat, wie man Erfahrungen verwerten sollte. Ich glaube, daß der Herr Bundeskanzler gestern mit vollem Recht in seinen Ausführungen die Frage angesprochen hat, wie man unsere Verwaltung reformieren und modernisieren kann. Jemand, der wie ich aus einem freien Beruf kommt und der mit einer guten Portion Unbefangenheit und mit einer bei den Herren Beamten nicht immer willkommenen Vorurteilslosigkeit an die Dinge herangeht, ist zunächst einmal erstaunt über die Dinge, die er komisch finden muß, weil er, wenn er seinen freien Beruf so führte, wie es dort geschieht, ihn gar nicht führen könnte, weil nämlich die finanziellen Grundlagen fehlen würden. ({9}) Nicht immer ist es so, daß man dann, wenn man es näher angesehen hat, dabei bleibt, es sei komisch. Manchmal hat es einen guten Sinn, den man zunächst nicht erkennt. Aber es ist gesund, zunächst einmal zu fragen, ob das eigentlich so sein muß. Und manches ist wirklich komisch. ({10}) Ich darf nur eine Geschichte erzählen. Ich könnte aus den Erfahrungen eines Jahres schon ein Buch schreiben. Ich sitze hier im Bundeshausrestaurant und habe da so eines dieser gelben Mäppchen bei mir, in dem irgend etwas - ich weiß nicht mehr, was es war - gelegen hat. Darauf steht: „Bundesministerium des Innern", und darüber steht: „Eilt sehr!". Ein Journalist - es war ein amerikanischer Herr - wollte mich ansprechen. Er stutzte aber, erschrak förmlich, als er diese Mappe sah, und sagte: „Mein Gott, Sie haben aber ganz was Dringendes. Ich werde Sie um Gottes willen nicht stören." Ich habe ihm natürlich wahrheitsgemäß sagen müssen: „Wissen Sie, das hat überhaupt nichts zu bedeuten. Wir haben überhaupt nur solche Mappen. Da steht auf der einen: ,Eilt', dann haben wir eine Kategorie: ,Eilt sehr!', dann haben wir eine: ,Sofort!', und dann haben wir noch eine, da wird ein Überkleber gemacht: ,Sofort vorlegen!' oder ,Sofort auf den Tisch!. Andere haben wir gar nicht." ({11}) Das führt natürlich dazu, daß man diese Rubriken und Aufschriften überhaupt nicht mehr beachtet, so daß also der ursprüngliche Zweck, Prioritäten in der Erledigung von Sachfragen zu schaffen - und das ist doch der ernste Hintergrund dieser Sache -, in sein Gegenteil verkehrt wird durch den Versuch, es möglichst perfekt zu machen. Das gilt auch - ich sage es an einem harmlosen Beispiel - für manche anderen Fragen. Herr Kollege Dichgans, ich sehe Sie gerade vor mir. Sie haben heute mittag in einer für mich interessanten Rede über Fragen aus der Sicht der Kollegen des Hauses gesprochen. Das Problem stellt sich für einen, der in einem Ministerium arbeitet, zumal auf der Etage des Parlamentarischen Staatssekretärs oder Ministers, ja nicht leichter. Ich möchte Sie bei der Gelegenheit von der Illusion befreien, als ob es etwa auf dieser Ebene leichter wäre. „Der hat einen herrlichen Apparat", sagen die Kollegen. Ja, das ist überhaupt kein Problem. Das ist wahr: der hat einen Apparat. Wissen Sie, was der Apparat hauptsächlich tut? - Der bringt solche Berge Akten auf den Tisch, die man lesen soll. Bei aller Hilfe des Apparats, für die ich dankbar bin, aber das, was Sie gesagt haben, gilt da genauso. Und es ist keineswegs so, daß sich alle Arbeit sozusagen von selber erledigt, und man braucht bloß so da zu sitzen und zu denken, und dann fällt einem was Geniales ein. Ich weiß nicht, Herr Dorn, ob Sie diese Vorstellung haben, aber so ist das nicht. Es ist sehr viel schwieriger, mit dem Kram fertig zu werden. Das ist also die Frage der Reorganisation des Führungsapparats in der Bundesregierung. ({12}) Diese Frage gilt natürlich auf den unteren Ebenen in gar keinem anderen Maße. Ich könnte also wirklich - wenn wir mehr Zeit hätten, würde ich die Gelegenheit benutzen, um das zu erzählen - solche Erfahrungen hier vortragen, welche zeigen, daß sich die Art, wie es gemacht wird, für mein Empfinden vielfältig erklärt aus Traditionen, die nun einmal bestehen. Sie kennen dieses Motto - ich will all diese Mottos hier gar nicht wiederholen -: „Haben wir immer schon gemacht" usw.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Prof. Dr. Ernst Benda (Minister:in)

Politiker ID: 11000139

Gern. Bitte schön, Herr Sanger.

Fritz Sänger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001914, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister Benda - ich freue mich, Sie zum erstenmal als Minister anreden zu können -, bei ihren Erfahrungen mit den Akten im Ministerium darf ich fragen: Würden Sie vielleicht einmal Zeit finden, die Memoiren eines Ihrer Vorvorvorgänger, nämlich des früheren Reichsministers und preußischen Innenministers Karl Severing, zu lesen, der dort erzählt, wie ihm in den ersten Tagen Berge von Akten aus dem Ministerium deshalb auf den Tisch gelegt wurden -- wie er dann bald merkte -, damit er nicht mehr zu politischen, sondern nur noch zu Verwaltungsentscheidungen kam? ({0})

Prof. Dr. Ernst Benda (Minister:in)

Politiker ID: 11000139

Wenn meine Herrn Mitarbeiter im Hause mir Zeit geben, das zu lesen, werde ich das mit dem größten Vergnügen tun. Ich habe eben diese Erfahrung schon in meiner bisherigen Tätigkeit selber gemacht. Meine Damen und Herren, ich sage das alles einmal so ganz leichthin. Natürlich erfaßt das nicht im entferntesten die Ernsthaftigkeit des Problems, und natürlich könnte man darüber sehr viel feierlicher reden. Aber ich wollte es einmal so unbefangen sagen, ({0}) weil ich glaube, daß dies vielleicht die richtige Methode wäre, an diese Frage heranzugehen. Hierfür braucht man z. B. Parlamentarische Staatssekretäre. Sie sollen für mein Empfinden nicht aus dem Apparat kommen. Sie haben also die Funktion, die unbefangenen Fragen zu stellen, den Leuten, wenn es sein muß, auf die Nerven zu gehen, und natürlich dem Minister zu helfen, daß er dann mit den Sachen fertig wird. Ich meine, daß das hier eine gute Chance auch für einen Minister ist, der nur eine sehr begrenzte Zeitspanne hat, hier wenigstens Ansätze zu machen, um voranzukommen. Ich möchte meinen, daß es eine der Aufgaben sein wird, die in der knappen Zeit, die mir zur Verfügung steht, angepackt werden sollte. Ich bin entschlossen, hier etwas zu tun. ({1}) - Was war das, Herr Dorn? ({2}) - Ach, das geht also ganz gut voran, Herr Moersch. Es kommt - out put sagt man ja wohl - bei Gelegenheit schon. Ich komme zum Schluß und darf hier etwas tun, was der Herr Kollege Helmut Schmidt auch einmal gemacht hat, darf ich das vielleicht auch tun. Es ist ketzerisch, aber ich wage es. Ich habe viele freundliche Telegramme bekommen. Darunter war eines, das mich amüsiert hat. Ich möchte es vorlesen. D Absender fällt unter das Post- und Fernmeldegeheimnis, das wir wahren wollen. Lieber Herr Benda, zu Ihrer Berufung ein Wort des Vorsitzenden Mao: Hab Mut zu kämpfen, hab Mut zu siegen. Kein schlechtes Motto, meine Damen und Herren! ({3})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Westphal.

Heinz Westphal (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002489, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach diesem unkonventionellen Plädoyer für moderne Dinge in einer Bundesverwaltung weiß ja mindestens einer hier im Raum, von dem wir noch nicht genau den Namen wissen, von dem wir aber wissen, daß er in der CDU/CSU-Fraktion sitzt, wie seine künftige Aufgabe als Parlamentarischer Staatssekretär zu verstehen sein wird. Ich habe es etwas einfacher als der neue Minister. Ich kann mir einen Punkt aus der Fülle der Tätigkeiten eines Innenministers und Innenministeriums herausgreifen, der in dieser späten Abendstunde fünf Minuten füllen darf und den ich nach meiner Neigung aussuchen kann. Ich möchte gern ein paar Worte zu dem Thema Studentenförderung sagen, nachdem Herr Bremer als Berichterstatter des Einzelplans 06 dazu schon einführende Bemerkungen gemacht hat. Es ist ja der interessante Vorgang, daß wir einen Titel im Bundeshaushaltsplan des Innenministeriums um immerhin 9,6 Millionen DM aufgestockt haben, allerdings offensichtlich nicht mit der Erfüllung des Zwecks, den wir uns alle, als wir an die Beratung des Haushalts damals herangingen, gewünscht hatten. Das, was ich hier sagen möchte, richtet sich eigentlich nicht so sehr an die Regierungsbank als vielmehr an die leider wieder leere Bank des Bundesrates. Denn die Kritik, die in diesem Felde der Studentenförderung anzubringen ist, richtet sich diesmal eindeutig an die Adresse der Länder. Ich muß das nachher ein wenig differenzieren. Aber ich möchte das zunächst einmal so sagen. ({0}) Der Vorgang, den wir hier vor uns haben, ist so zu verstehen - Herr Bremer wies darauf hin -, daß infolge der zwei Kurzschuljahre in diesen Jahren eine wesentlich höhere Zahl von Abiturienten als sonst üblich auf die Hochschulen kommt und dadurch natürlich auch unser System der Studentenförderung in einem stärkeren Maße beansprucht wird. Deswegen war es erforderlich, Mittel zu erhöhen. In diesem Zuge gab es leider nur ganz geringfügige inhaltliche Verbesserungen für die Studentenförderung, nämlich erstens eine Verbesserung der Anfangsförderung durch Pauschalförderung von neun Monaten - früher war sie nur für sieben Monate vorgesehen -; zweitens die erweiterte Darlehensmöglichkeit bei Härtefällen, insbesondere für unverschuldete Überalterung; drittens die Aufnahme von Absolventen des zweiten Bildungsweges, wenn diese über 40 Jahre alt sind, in den Bereich der Förderung. Das alles kostet zusammen, und zwar für Bund und Länder, nach den Schätzungen des Innenministers, etwa 4 Millionen DM. Davon hat der Bund die Hälfte, also 2 Millionen DM zu tragen. Wenn Sie die Aufstockung von 9,6 Millionen DM für diesen Titel sehen, wissen Sie, daß diese Dinge nicht zu der Erhöhung geführt haben, sondern eben die größere Zahl der in Anspruch nehmenden Studenten. Was wir gern gehabt hätten, wäre die Veränderung der Richtsätze des Honnefer Modells gewesen, also dort, wo es darum geht, den Förderungsmeßbetrag von jetzt 290 DM monatlich auf 320 DM zu erhöhen. Wir wissen zwar, daß uns schon im Jahre 1965 die Fachleute auf diesem Gebiet gesagt haben: Der richte Förderungsmeßbetrag wäre eigentlich 350 DM. Nun gut, alle müssen ein wenig zurückstecken. Insofern ist diese Forderung eine von denen, die wir leider zurückstellen müssen. Aber wir haben gesehen, daß das Bundesinnenministerium und damit die Bundesregierung hei den Entwürfen des Haushalts 1968 wenigstens vorgesehen hatte, in der zweiten Hälfte des Jahres 1968 diesen Förderungsrestbetrag auf 320 DM aufzustocken. Es konnte diesen Plan nicht verwirklichen, und wir konnten im Haushaltsausschuß unser Plazet dazu nicht geben. Die Möglichkeit war dazu nicht da, weil in der Zwischenzeit die Länder --- so hatte ich es gesagt - ihre Mitwirkung an der Verwirklichung dieser Absicht leider versagt hatten. „Die Länder" ist, wie ich vorhin schon anmerkte, zu pauschal. In diesem Zusammenhang muß man nämlich ein positivs Urteil über die Kultusminister der Länder sagen. Die Kultusminister haben dem Gedanken der Erhöhung zugestimmt. Sie haben sich gegenüber den Finanzministern der Länder aber nicht durchsetzen können. Es waren die Länderfinanzminister, die die Zustimmung zu diesem Plan versagten. Dabei muß man doch wohl sagen - ich nehme an, der Herr Bundesfinanzminister wird mir zustimmen -, daß in diesem Haushalt eine ganze Reihe von Dingen getan werden, um den Ländern zu helfen. Ich sage das der Kürze wegen jetzt einmal so pauschal. Ich muß also mein Bedauern aussprechen, daß noch keine Verbesserung der Studentenförderung in diesem Jahr erfolgt. Wir haben keine Entschließungen und auch keine Anträge zu dem Thema vorgelegt. Das käme uns fast ein wenig komisch vor; denn wir haben in all den letzten Jahren darauf gedrängt. Wir möchten hier gern sagen, daß die Regierung wissen muß: Es ist die Auffassung des Hauses -ich glaube, das ist quer durch alle Fraktionen der Fall daß die Studentenförderung aufgestockt werden muß, daß dieses Problem im Auge behalten werden muß und, so möchte ich abschließend sagen - Herr Moersch, dann ist es schon geschafft; vielleicht melden Sie sich anschließend

Karl Moersch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001526, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Nur zur Präzisierung, Herr Kollege Westphal: Sie sagten, die Kultusminister wollten, die Finanzminister wollten nicht. Ist es ganz fair, es so zu sagen? Wäre es nicht richtig, zu sagen, daß die Länderkabinette und vor allem deren Chefs so entschieden haben, daß das in ihren Etats nicht unterzubringen sei? Wollen Sie denn die nachteiligen Dinge einem einzelnen Minister aufbürden und die Vorteile jeweils dem Ministerpräsidenten zukommen lassen?

Heinz Westphal (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002489, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich habe von den Ministerpräsidenten in diesem Zusammenhang nicht gesprochen. Aber es ist wohl deutlich geworden, daß es an den Finanzen gescheitert ist, und da haben die Finanzminister natürlich ein sehr entscheidendes Wort gesagt, auch in den Konferenzen, die zu diesem Thema stattgefunden haben.

Karl Moersch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001526, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Entschuldigen Sie, Herr Kollege Westphal, es ist doch so, daß die Gesamtpolitik in den Länderkabinetten festgelegt wird und der Finanzminister der Ausführende, aber nicht der Diktator ist.

Heinz Westphal (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002489, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Dem will ich nicht widersprechen. Aber mir ging es ganz besonders darum, deutlich zu machen, daß es in diesem Fall wohl möglich und notwendig ist, einmal ein positives Wort über die sonst so oft - manchmal mit Recht - kritisierten Kultusminister zu sagen.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Zwischenfrage!

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002033, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Halten Sie es für möglich, daß die Zwischenfrage des verehrten Kollegen Moersch damit in Verbindung steht, daß die FDP in einzelnen Ländern Finanzminister stellt ({0}) und keinen Ministerpräsidenten?

Heinz Westphal (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002489, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich habe mir das natürlich gedacht. Aber, Herr Kollege Schmitt-Vockenhausen, man muß ja die späte Abendstunde nicht auch noch dazu benutzen, jemand Kleinem wehzutun. Ich möchte zum Schluß kommen, und es war ja die Absicht, hier kurz und schnell zu sprechen. Mir liegt daran, daß die Bundesregierung weiß - darin stimmt dieses Haus wohl überein : Es geht weiter darum, die Studentenförderung zu verbessern. Dazu sind auch in diesem Jahr, vorbereitend für 1969, Verhandlungen mit den Ländern erforderlich und wieder neue Ansätze für das Jahr 1969, wenn es um die Vorbereitung des nächsten Haushalts geht. ({0})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Moersch.

Karl Moersch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001526, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Kollege Schmitt-Vockenhausen irrt, wenn er das unterstellt, was er eben in seiner Frage zum Ausdruck gebracht hat. Herr Schmitt-Vockenhausen, es geht hier darum, (laß wir uns angewöhnen, nicht einzelne schuldig zu sprechen oder zu loben, sondern die Politik der Kabinette im ganzen zu sehen. Sie, meine Damen und Herren von der SPD, haben ja als Opposition mit Nachdruck die 1 Erhöhung des Honnefer Modells vertreten. Ich wundere mich deswegen ein bißchen, wie milde gestimmt Herr Westphal hier heute ist. In Wahrheit ist das, was er gesagt hat, kein Lob für die Kultusminister, sondern die leider zutreffende Feststellung, daß die 8760 Moersch Kultusminister außerordentlich schwache Mitglieder in ihren Kabinetten sind, weil sie sich in solchen Dingen bisher nie durchgesetzt haben. Das ist deswegen so bedeutsam, weil die Kultusminister nun einmal die wichtigste Funktion in der Landespolitik wahrzunehmen haben. Ich glaube, wir sollten nicht verkennen, daß genau diese Diskrepanz zwischen den schönen Formulierungen, die Kultusminister gelegentlich finden, und der Realität der Länderpolitik mit zu jenem Spannungsverhältnis zwischen Politik und Universität, Politik und Studentenschaft, das wir alle beklagen, beigetragen hat. Ich wünschte mir, daß die Herren Kultusminister künftig in der Lage wären, ihre richtigen Erkenntnisse in ihren Kabinetten in die Tat umzusetzen oder, wenn sie das nicht können, daß sie dann ihren Hut nähmen. Jedenfalls sollten sie nicht weiter die Verantwortung tragen, wenn ihnen Dinge, die sie angeblich für richtig gehalten haben, abgelehnt worden sind, und zwar nicht vom Finanzminister, sondern vom Ministerpräsidenten. Ich habe Anlaß, das so zu sagen, denn wir haben in Baden-Württemberg Erfahrung mit dieser Methode. Wir haben Erfahrung damit, daß die unangenehmen Dinge vom Kultusminister dem Finanzminister in die Schuhe geschoben worden sind, daß aber das Verdienst an der Gründung von Hochschulen, die den Finanzminister später 'in große Schwierigkeiten gebracht hat, der damalige Ministerpräsident für sich in Anspruch genommen hat. Als es dann an die Abrechnung der Kosten ging, war er allerdings nicht mehr da. Deswegen bin ich dafür, daß wir hier nicht den Kultusminister und auch nicht den Finanzminister herausheben, sondern von der Politik der Kabinette sprechen und daß wir uns gemeinsam überlegen, wie es eigentlich möglich ist, daß die Herren Kultusminister in der Öffentlichkeit so gut wegkommen, wenn sie sich zu Hause niemals durchsetzen. ({0})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Zu Umdruck 427 *) hat der Herr Abgeordnete Wellmann das Wort.

Hans Wellmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002469, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte einige kurze Bemerkungen zu dem Änderungsantrag der Fraktion der FDP zum Einzelplan 36 machen. Der Einzelplan 36 hat schon von Regierungsseite eine Kürzung um rund 40 Millionen DM erfahren und kann nur noch als Minimalprogramm angesehen werden. Trotzdem haben die Berichterstatter und der Haushaltsausschuß nochmals sehr sorgfältig nachgeforscht, ob weitere Streichungen in diesem Einzelplan möglich sind. Sie sind zu einer Reduzierung des Ansatzes um weitere rund 13,5 Millionen DM gekommen. Im Haushaltsausschuß haben die Vertreter der FDP lediglich die Streichung des Tit. 301 und des Tit. 950 in Kap. 3604 beantragt. Heute kommt die FDP mit einer Reihe von Anträgen zur Reduzierung ) Siehe Anlage 7 von einzelnen Ansätzen. Lassen Sie mich bitte ganz kurz sagen, ohne daß ich auf die einzelnen Titel eingehen möchte, daß es sich hier rundweg um Titel handelt, die die Erhaltung von Luftschutzmaterial und die Wartung dieses Materials bzw. die Bevorratung für die ärztliche Versorgung und vor allem Positionen, die vertraglich festgelegt sind, von denen wir einfach nicht mehr herunter können, betreffen. Ich habe den Eindruck, daß es sich hier lediglich um einen Scheinantrag der FDP handelt, damit die etwas spektakulären Anträge zum Einzelplan 10 gedeckt werden können. Ich möchte Sie eindringlich darum bitten, diesen Antrag abzulehnen. ({0})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Keine weiteren Wortmeldungen. Abstimmung über den Änderungsantrag Umdruck 427 zum Einzelplan 36. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Antrag ist abgelehnt. Abstimmung über den Einzelplan 36. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei einer Anzahl von Enthaltungen ist Einzelplan 36 angenommen. Nun zurück zum Einzelplan 06. Hier liegen zwei Entschließungsanträge vor. Wünschen die Herren Antragsteller, diese Anträge jetzt zu begründen? -Dann muß ich das Wort zunächst dem Herrn Abgeordneten Könen ({0}) geben zu dem Entschließungsantrag 392. t)

Willy Könen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001156, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Tatsache, daß dieser Antrag von den drei Fraktionen des Hauses unterschrieben worden ist, läßt es wohl als sicher erscheinen, daß er auch angenommen wird. Desungeachtet möchte ich doch einige kurze Bemerkungen zu dem Antrag machen. Das Bundessozialhilfegesetz, das das moderne Fürsorgerecht in der Bundesrepublik installierte, hat einige Jahre das Bundesverfassungsgericht beschäftigt. Der Spruch dieses Gerichtes ist ergangen. Ein großer Teil der Praktiker draußen hat nach diesem Gesetz unbekümmert gearbeitet und hat nicht darauf gewartet, daß der Streit beendet wurde. Der Streit ist jetzt beendet, und ich bin der Auffassung, daß damit auch die Durchführung dieses Gesetzes in einer Form, die man immer so schön „echte Partnerschaft" nennt, möglich ist. Unser gemeinsamer Antrag, nunmehr eine Novelle zu diesem Gesetz vorzulegen - das möchte ich denjenigen hier im Haus sagen, die nicht allzu sehr mit dieser Materie vertraut sind -, ist nicht etwa nur so zu verstehen, daß hier oder dort die Leistungsseite verbessert werden soll. Dieses Gesetz ist in der Praxis von den Leuten, die danach arbeiten müssen, sehr gut beurteilt worden. Deshalb ist es für uns *) Siehe Anlage 8 sehr wichtig, daß wir das, was diese Leute, die dieses Gesetz für ein gutes Gesetz halten, an kritischen Bemerkungen gesagt haben, an Hinweisen auf Schwächen in diesem Gesetz, sehr, sehr ernst nehmen und in einer Novelle bereinigen. Das sind wir diesen Praktikern schuldig. Das betrifft nicht nur die Leistungsseite, sondern man wird sich auch mit Auswirkungen beschäftigen müssen, die gezeigt haben, daß es verwaltungsseitig schwerfällig ist, diese oder jene Dinge zu handhaben, die gezeigt haben, daß dieses Gesetz da oder dort zu Ungereimtheiten gegenüber anderen Rechtsvorschriften führt und ähnliches. Ich darf als Sozialdemokrat sagen, daß wir bereits 1961 darauf hingewiesen haben, daß die Länder, die Landschaftsverbände und die Gemeinden hier eine finanzielle Belastung auf sich zukommen sahen, die uns davon abhielt, weitere Leistungsverbesserungen zu fordern, und daß wir heute wissen, daß diese Belastungen tatsächlich von Jahr zu Jahr größer werden, nicht zuletzt deshalb, weil die Leute draußen, und zwar diejenigen, die die Hilfen haben wollen, wie auch diejenigen, die sie zu gewähren haben, immer mehr die Technik dieses Gesetzes richtig anzuwenden erlernt haben. Wir müssen also auch darauf achten! Das hat auch etwas mit der Finanzreform zu tun, nur nicht in dem Sinne, daß man, wie bei anderen Gesetzen - ich denke an ein ganz bestimmtes, wo man das seit über zehn .Jahren sagt -, etwa den Standpunkt einnehmen dürfte: Nun wollen wir erst die Finanzreform abwarten. Eine sehr wichtige Frage muß entschieden werden: die Meldepflicht. Sie wissen das alle. Wir müssen auch noch einmal die Stellung des Hilfesuchenden hei bestimmten Vorschriften des Gesetzes überprüfen. Nun wissen wir ja, daß das Bundesinnenministerium bzw. die dafür zuständigen Beamten im Ministerium eine sehr fleißige Vorarbeit geleistet haben. Ich hoffe sehr, daß wir recht bald die Vorlagen bekommen werden und möchte Sie herzlich bitten - das ist ja jetzt nur eine Entschließung -, wenn es nachher zum Schwur kommt, mitzuschwören. ({0})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Das Wort zur Begründung des Antrags Umdruck 398 *) hat der Herr Abgeordnete Kubitza.

Werner Kubitza (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001236, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ehe ich den Antrag der Freien Demokraten auf Umdruck 398 kurz begründe, darf ich Sie bitten, folgende Korrektur vorzunehmen. Der erste Satz in Ziffer 1 muß lauten: Der Bund trägt allein die Kosten für die Errichtung der Leistungs-, Forschungs- und Trainingszentren für den Sport und kommt auch für die Unterhaltung und personelle Besetzung auf. *) Siehe Anlage 9 Das Wort „Trainingszentren" muß also eingefügt werden. Als im Jahre 1964 zwischen der Bundesregierung und dem Deutschen Sportbund eine Konzeption für die zukünftige Förderung des Leistungssports entwickelt wurde, zielten die neuen Überlegungen darauf ab, den Spitzensportlern durch Schaffung von Leistungs-, Forschungs- und Trainingszentren sowie durch Anstellung von Trainern optimale Vorbereitungsmöglichkeiten für Welt- oder Europameisterschaften und für die Olympischen Spiele 1968 zu geben. Dabei ging es um eine Intensivierung der Trainingsarbeit bei verkürzten Wegen des Athleten zur Übungsstätte und zum Trainer. Auf diesem Wege ist man in den vergangenen Jahren um einiges vorangekommen. Insgesamt muß aber festgestellt werden, daß sich der Kerngedanke der Zentralisation aller fördernden Maßnahmen kaum erfüllt hat, da die gute Idee frühzeitig durch die ehrgeizigen Wünsche der einzelnen Träger aufgesplittert wurde. Das gilt in finanzieller und ideeller wie aber auch in methodischer und organisatorischer Hinsicht. Wir fordern deshalb das Innenministerium auf, eine genaue Kostenaufstellung für die inzwischen fertiggestellten, noch im Bau befindlichen oder bereits genehmigten Projekte und darüber hinaus eine Stellungnahme zu den noch geplanten Trainingszentren der Verbände zu geben. Der Bund beteiligte sich bisher nur an den Baukosten, nicht aber an den Unterhaltungskosten. Diese wurden auf Land, Gemeinde, Sportverbände, Trägergemeinschaften oder andere abgewälzt, was bedeutet, daß dadurch diesen einzelnen Trägern weniger Mittel für den Sportstättenbau und die allgemeine Sportförderung zur Verfügung stehen. Um hier klare Zuständigkeiten zu schaffen, fordern wir den Bund auf, daß er erstens nicht nur die Baukosten für die Zentren trägt, sondern bei den zentralen Bundeseinrichtungen auch für die Unterhaltung und die personelle Besetzung der Anlagen aufkommt. Das würde viel Ärger und Reibungsflächen aus der Welt schaffen. Zweitens ist in einer geordneten Konzeption auch eine Rangfolge für die einzelnen Projekte festzulegen, die in die Gesamtaufgaben des Sports - einschließlich der Olympiade 1972 - zu integrieren ist. In der mehrjährigen Finanzplanung sind an Mitteln für den Sport vorgesehen: für 1968 64 Millionen DM - die Korrektur hat vorhin Kollege Bremer vorgebracht -, für 1969 52 Millionen DM, für 1970 55 Millionen DM und 1971 74 Millionen DM. Davon entfallen auf die Spitzenfinanzierung des Turn- und Sportstättenbaus - wozu die bundesanteiligen Mittel für den Goldenen Plan gehören -: 1968 37 Millionen DM - nach der Korrektur -, 1969 23 Millionen DM, 1970 23 Millionen DM und 1971 25 Millionen DM. Es werden aber nach dem zweiten Memorandum zum Goldenen Plan vom Bund für den Sportstättenbau 140 Millionen DM pro Jahr erwartet. In der Sportdebatte sprach der Bundesinnenminister von der überragenden Funktion des Sports, und er sagte, daß die Bundesregierung voll hinter dem Goldenen Plan stehe. So wertvoll auch diese ideelle Unterstützung ist - die Spanne von 37 Millionen DM, oder erst gar von den 23 Millionen im nächsten Jahr, zu den erwarteten 140 Millionen DM ist einfach zu groß. Ich sehe hier einen Widerspruch zwischen den verbalen Beteuerungen und den tatsächlichen Leistungen. Ich unterstreiche das, was Kollege Bremer dazu bereits gesagt hat, und schließe mich der Auffassung an, daß für die Jahre 1969 und 1970 die Beträge für die Sportförderung zu gering angesetzt sind. Ich darf abschließend sagen, daß der Ihnen vorliegende Antrag nicht zuletzt darauf abzielt, Sportfragen auch in diesem Parlament zu behandeln und sie nicht nur der Behandlung zwischen der Regierung und den Sportverbänden zu überlassen. ({0})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Herr Minister!

Prof. Dr. Ernst Benda (Minister:in)

Politiker ID: 11000139

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte nicht im einzelnen in die Sache einsteigen - das würde sehr lange dauern -, sondern nur zwei ganz kurze Bemerkungen machen. Erstens. Die Eingangsformel des Entschließungsantrages Umdruck 398 lautet: „Der Bundestag wolle beschließen: Zur besseren Abgrenzung der Zuständigkeiten von Bund, Ländern und Gemeinden wird folgende Aufgabenteilung vorgenommen . . ." Ich kann nur sagen: Schön wär's, wenn der Deutsche Bundestag per Umdruck 398 einen solchen Beschluß fassen könnte. Ohne mich jetzt mit dem Inhalt auseinanderzusetzen: ich verstehe das so - und die Ausschußberatungen werden Gelegenheit geben, die Eingangssätze anders zu formulieren , daß in Richtung der sachlichen Ziele, die Sie im einzelnen aufzeigen, gearbeitet werden soll. Zweite Bemerkung: Spitzenfinanzierung. Herr Kollege Kubitza, wir sehen, daß die Problematik in den Jahren ab 1969 da ist. Ich will nur die Gelegenheit benutzen, den Grund dafür zu sagen; oder genauer gesagt: zwei Gründe. Zum einen haben wir natürlich ein Konkurrenzverhältnis mit zwangsläufigen finanziellen Auswirkungen zwischen der Frage: Was soll zur Durchführung der Olympiade getan werden? und dieser Sache. Das ist eine Frage des insgesamt zur Verfügung stehenden Finanzvolumens. Der zweite Punkt aber, auf den ich hinweisen möchte, weil er bisher nicht zur Sprache gekommen ist, ist der Umstand, daß leider, zu meinem großen Bedauern, die Spitzenfinanzierung der Turn- und Sportstätten nicht in dem Katalog der Gemeinschaftsaufgaben steht, wie es die Bundesregierung angestrebt hat. Das ist der zweite Grund, und das macht die Dinge so schwierig.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Meine Damen und Herren, ich empfehle den Antragstellern in der Tat, die Eingangsformel in dem Umdruck 398 entsprechend zu formulieren. Die Abstimmung über Entschließungsanträge findet ohnehin erst nach der dritten Lesung statt. Keine weiteren Wortmeldungen zu Einzelplan 06. Abstimmung! Wer dem Einzelplan 06 in zweiter Lesung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei einigen Enthaltungen ist der Einzelplan 06 in zweiter Lesung angenommen. Ich rufe den Einzelplan 07 auf: Einzelplan 07 Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz - Drucksache V/2707 Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Tamblé Ich frage, ob der Herr Berichterstatter das Wort wünscht. - Der Berichterstatter verzichtet. Ich eröffne die Beratung in zweiter Lesung. Wird das Wort gewünscht? - Frau Abgeordnete Dr. Diemer-Nicolaus!

Dr. Emmy Diemer-Nicolaus (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000387, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Herr Bundesjustizminister! Meine sehr verehrten Kollegen und Kolleginnen! Es wäre an sich reizvoll, im Rahmen einer Haushaltsberatung einmal über die grundsätzliche Frage zu sprechen, wie ein moderner Rechtsstaat gestaltet sein muß, wie die Reform wichtiger Gesetze erfolgen muß, damit sie auch unseren veränderten gesellschaftlichen Verhältnissen entsprechen. Der Anfang dazu ist allerdings gemacht. Ich werde mich nur in Anbetracht der vorgerückten Stunde nicht sehr lange dazu äußern, sondern mich auf wenige Anmerkungen beschränken. Zunächst darf ich das eine sagen, Herr Justizminister: Wenn ich mir überlegt habe, was das Justizministerium im letzten Jahr geleistet hat, wozu wir als Freie Demokraten ein Ja sagen können, wenigstens im Grundsätzlichen, so darf ich insofern auf Ankündigungen hinweisen, die Sie in letzter Zeit gemacht haben. Ich darf hier erwähnen - als Mitglied des Sonderausschusses interessiert mich das natürlich besonders -, daß die Vorlage eines Kastrationsgesetzes angekündigt ist. Ich weiß zu gut aus Veranstaltungen, welche Sorge gerade auch bei den Müttern hinsichtlich der Triebverbrecher herrscht und daß etwas getan werden muß. Ich begrüße es, daß, wie ich aus einer Veröffentlichung im Bulletin entnommen habe, die sehr schwierigen Fragen der Sterilisation in diesem Gesetz nicht enthalten sein sollen. Wir werden uns, wenn uns ein entsprechendes Gesetz vorliegt, über diese Frage noch eingehend unterhalten müssen. Als zweites begrüßen wir Freie Demokraten, daß die Forderung, die wir schon längere Zeit erhoben hatten, auf Vorlage einer Reform des Unehelichenrechts erfüllt worden ist. Wir hoffen nur, daß der Rechtsausschuß, von dem ich ja zu meiner größten Überraschung in der letzten Woche gehört habe, er sei nicht überlastet - das wurde von einem Vertreter der Regierungskoalition gesagt -, noch Zeit findet, diese sehr schwierige Materie eingehend zu beraten. Ich darf aber in diesem Zusammenhang auf eines aufmerksam machen: Für diese Reform lagen entsprechende Vorarbeiten schon aus der Zeit vor, als unser Parteifreund Bucher Justizminister war. Diese Vorarbeiten waren doch auch eine wesentliche Erleichterung für Sie, Herr Bundesjustizminister, wenn Sie natürlich auch Ihre eigene Handschrift in diese Vorlage hineingeschrieben haben. Ich begrüße weiterhin, daß Sie die Strafvollzugskommission berufen haben. Daß gleichzeitig mit dem Sonderausschuß diese Kommission berät, ist eine wesentliche Hilfe und Ergänzung für unsere Beratungen im Sonderausschuß für die Strafrechtsreform. Weiter begrüße ich, daß auch ein Straftilgungsgesetz angekündigt ist. Sie hatten ja schon aus unserer Anfrage vor einigen Wochen entnommen, für wie dringend notwendig wir Freien Demokraten eine Reform dieser gesetzlichen Bestimmungen erachten. Denn es nutzt uns nichts, daß wir jetzt bei der Strafrechtsreform die besten Reformen im kriminalpolitischen Teil vornehmen, wenn nachher selbst bei geringfügigen Verurteilungen das „vorbestraft" zehn Jahre lang - nach fünf Jahren noch mit einer beschränkten Auskunftspflicht - derartigen Verurteilten wie ein Klotz am Bein hängt. Nach der Osterpause werden wir uns im Plenum mit dem Staatsschutzrecht befassen. Die Mitarbeiter des Bundesjustizministeriums haben uns im Sonderausschuß Strafrecht eine sehr qualifizierte Hilfe geleistet, so daß die Ausschußvorlage sich ganz wesentlich von der ursprünglichen Regierungsvorlage unterscheiden wird. Wenn ich soeben die Pluspunkte genannt habe, so kommen jetzt natürlich auch einige Wermutstropfen. Gerade wenn ich an das Staatsschutzrecht denke, bedaure ich, daß es nicht möglich gewesen ist, eine Lösung für drei Probleme zu finden, die für uns Freie Demokraten von Bedeutung sind, nämlich einmal für die Frage, inwieweit Zeitungen und Zeitschriften, die in der DDR regelmäßig erscheinen, in gleicher Weise auch in der Bundesrepublik gekauft werden können. Ich bedaure, daß die Frage des illegalen Staatsgeheimnisses bisher im Ausschuß noch nicht eine Lösung gefunden hat, die von uns im vollen Umfang akzeptiert würde. Ein ganz großes Bedauern bezieht sich darauf, Herr Bundesjustizminister, daß die Probleme, die wir mit unserer Großen Anfrage angeschnitten hatten - nämlich die Notwendigkeit, in allen politischen Verfahren eine Rechtsmittelinstanz zu haben -, nicht zusammen mit der Reform des materiellen Strafrechts gelöst werden. Wir bedauern ebenso, daß die indirekten Zeugen nach wie vor keine gesetzliche Regelung finden und daß auch das Sachverständigenproblem ungelöst bleibt. Ich denke weiter an andere Fragen, bei denen wir noch Vorbehalte haben und zu denen Sie eine Gesetzesvorlage angekündigt haben. Ich verweise insofern auf die Ausführungen, die Sie am letzten Samstag in Karlsruhe bei der Einführung des neuen Präsidenten des Bundesgerichtshofs gemacht haben, insbesondere auf Ihre Ausführungen zu dem Entwurf eines Gesetzes zur Entlastung des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen. Wir verkennen keineswegs, daß der Bundesgerichtshof nicht zu groß sein darf, um die Einheitlichkeit der Rechtsprechung zu erhalten. Aber es muß doch sehr sorgfältig überlegt werden, ob diese Reformvorschläge mit der Absicht, ein derartiges Zeitgesetz zu machen, sich als richtig erweisen werden. Ich darf jetzt einmal etwas in aller Offenheit sagen, Herr Bundesjustizminister. In der letzten Legislaturperiode, als die SPD noch in der Opposition war, haben wir uns sehr eingehend darüber unterhalten, wie eine Revision in Zivilsachen ausgestaltet werden sollte, ob die Streitwertrevision erhalten bleiben sollte - die SPD war dagegen - oder ob es ausschließlich zu einer Grundsatzrevision kommen sollte. Ich habe den Eindruck, daß in den fünf Jahren dieses Zeitgesetzes die SPD den Wunsch hat, mit Ihnen als Justizminister das zu erreichen, was damals für die Gestaltung der Revision abgelehnt worden ist. Was wir Freien Demokraten schon lange gefordert haben, dafür setzen auch Sie sich nun ein, nämlich dafür, daß Familiengerichte geschaffen werden. Nun, Herr Justizminister, diese Gerichte beim Amtsgericht zu bilden, deutet darauf hin, daß von unserem viergliedrigen Aufbau abgewichen werden und es zu dem auch von der SPD gewünschten dreigliedrigen Aufbau kommen soll. Nach 1945, als das Gerichtswesen wiederaufgebaut wurde, hatten wir in Baden-Württemberg auch bei den Landgerichten nur ein en Richter. Wir waren dann froh, als wieder Kammern gebildet wurden. Noch ein anderes: Wir Freien Demokraten haben eine Reform des § 48 Abs. 2 des Ehegesetzes gefordert. Es ist eine Eherechtskommission gebildet worden. Wir haben nichts gegen diese Eherechtskommission. Aber uns bedrückt, daß der Ausschuß für Familien- und Jugendfragen die Bildung dieser Kommission zum Anlaß genommen hat, die Behandlung unseres Antrags für nicht notwendig zu erklären, ihn als durch diese Familienrechtskommission erledigt zu betrachten, und daß es uns im Rechtsausschuß nicht gelungen ist, zu erreichen, daß diese Reform überhaupt in absehbarer Zeit auf die Tagesordnung gesetzt wird. Genauso geht es mit einer anderen Forderung von uns, die sich auf das Zeugnisverweigerungsrecht für die Presse bezieht. Herr Kollege Schmitt-Vockenhausen hat vorhin gemeint, ein Rahmengesetz des Bundes sei nicht notwendig. Da aber in den verschiedenen Landespressegesetzen die Frage unterschiedlich behandelt wird, zeigt sich, wie dringend notwendig es ist, daß das Zeugnisverweigerungsrecht eine einheitliche Regelung erfährt. Herr Justizminister, Sie können natürlich jetzt einwenden - ({0}) - Ich will im Augenblick die Sache nicht vertiefen, Herr Kollege. - Sie können mir natürlich einwenden: Das sind Dinge, die liegen jetzt in der Hand des Bundestages. Aber, Herr Justizminister, ich bin der Auffassung, daß Sie bei dem Ansehen, das Sie hei den beiden Koalitionspartnern haben, bei den Abgeordneten der beiden Koalitionsparteien dahin wirken können, daß auch diese beiden noch dringlich notwendigen Reformen in dieser Legislaturperiode behandelt werden, und daß Sie dann auch offene Ohren finden. Ich würde es bedauern, wenn diese zwei Reformen andernfalls unter dem Motto erledigt - bzw. nicht erledigt - würden: Worüber wir nicht einig sind, das klammern wir aus. Jetzt kommt zum Schluß ein sehr großes Bedenken bei uns, Herr Justizminister. Was mich so außerordentlich verwundert hat, ist die Hartnäckigkeit, mit der versucht wird, jetzt die 0,8-Promille-Grenze für die Strafbarkeit einzuführen. Da können Sie wieder sagen: „Warum sprechen Sie das jetzt bei dem Justizministerium an? Das ist ja nicht mehr zuständig. Federführend ist das Verkehrsministerium." - Aber ausgegangen ist es zuerst einmal vom Bundesjustizministerium. Das Bundesjustizministerium hat sich doch wiederholt in den vergangenen Monaten, und zwar bereits außerordentlich ausführlich, mit diesem Problem befaßt. Ich verweise insofern auf die Kleine Anfrage, die in Drucksache V/2366 auf nicht weniger als sieben Seiten in einer außerordentlich ausführlichen Weise beantwortet wurde. Zuerst bestand wohl auch im Bundesjustizministerium die Absicht, einen strafbaren Tatbestand zu schaffen. Aber dann kamen die Bedenken, daß das nicht möglich sei. Selbst der Herr Kollege Müller-Emmert hat es als einen „kriminalpolitischen Unfug" bezeichnet. Das spricht doch Bände. Dann wurde ausgewichen, dann wurde gesagt: „Nein, nicht mehrstrafbar, aber eine Ordnungswidrigkeit." - Aber, Herr Justizminister, die Bedenken, die gegen eine derartige Regelung - auch als Ordnungswidrigkeit - bestehen, sind doch nach wie vor vorhanden. Es wäre reizvoll, schon heute ganz ausführlich dazu Stellung zu nehmen - nicht so ausführlich, wie Sie es in der Beantwortung der Kleinen Anfrage taten -; aber es kommt dafür ein späterer Zeitpunkt. Ich möchte nur auf die wichtigsten Gesichtspunkte hinweisen. Es muß doch gerade Ihnen als einem so qualifizierten Juristen außerordentlich zu denken geben, daß zwei so maßgebliche Professoren wie Herr Bockelmann und Herr Schröder gegen eine derartiges Gefährdungsdelikt sind. Sie haben ganz außerordentlich starke Bedenken, und zwar vom Rechtsdogmatischen her. Die Verkehrsdelikte einschließlich der Trunkenheitsdelikte sind im Rahmen unseres gesamten Rechtssystems zu sehen. Wir können nicht eine Strafrechtsreform machen, bei der wir uns gegen die kurzfristige Freiheitsstrafe wenden, bei der wir von erfolgsqualifizierten Delikten absehen, bei der wir vom Schuldstrafrecht ausgehen und nur eine der Schuld entsprechende Strafe aussprechen wollen, und dann ausgerechnet bei dem Personenkreis, der normalerweise eingeordnet ist, der sich aber im Verkehr etwas zu schulden kommen läßt, auf einmal alles das zu vergessen, was an modernen strafrechtswissenschaftlichen Forderungen sonst aufgestellt wird. Man setzt die Strafe nicht zur Bewährung aus. Man verhängt kurzfristige Freiheitsstrafen in einem außerordentlichen Umfang. Man schafft abstrakte Gefährdungstatbestände - ob als Straftatbestände oder als Ordnungswidrigkeit. Herr Justizminister, da grundsätzlich auf die konkrete, die individuelle Schuld abgestellt wird, ist ein derartiges abstraktes Gefährdungsdelikt nur zu verantworten, wenn tatsächlich einwandfrei nachgewiesen ist, daß dann weitaus überwiegend ein sozial schädliches Verhalten - nämlich Fahruntüchtigkeit - vorliegt, das nicht geduldet werden kann. Wie steht es damit? Wie steht es mit der Grenze von 0,8 Promille? - Sehen Sie, ich komme aus Baden-Württemberg, einem Land, in dem der Wein sehr regelmäßig getrunken wird. In der „Motorwelt" heißt es, daß ein gesunder Mann mit normalem Körpergewicht - natürlich nicht mit leerem Magen, nicht übermüdet und nicht überstürzt trinkend - schon nach einem Viertel Weißwein oder nach zweieinhalb kleinen Gläsern Bier 0,5 Promille hat. Wie schnell sind dann 0,8 Promille erreicht, und wie viele sind dann noch fahrtüchtig. Ein sozial schädliches Verhalten ist aber doch dann gegeben, wenn Fahruntüchtigkeit vorliegt. Diese kann schon bei einem geringeren Promillesatz bestehen, wenn z. B. jemand auf nüchternen Magen morgens etwas trinkt und es nicht vertragen kann oder wenn jemand nicht an Alkohol gewöhnt ist. Wenn Sie die Grenze bei 0,8 Promille festsetzen, werden Sie nicht damit rechnen können, daß ein solches Gesetz überhaupt eingehalten wird. Was ist nun eigentlich von den Statistiken zu halten, den Statistiken, die auch in Ihrer ausführlichen Antwort enthalten sind, um nachzuweisen, daß die überwiegende Mehrheit tatsächlich schon bei 0,8 Promille nicht mehr fahrtüchtig ist? Der Herr Verkehrsminister Leber hat bei der Pressekonferenz, auf der er den Gesetzentwurf vertreten hat, ausgeführt, daß das Risiko, daß ein Mensch durch einen Unfall getötet oder verletzt werde, bei 0,8 Promille viermal größer sei als sonst. Diese Meinung stützt sich, wie auch die Antwort auf die Kleine Anfrage, auf eine Ausarbeitung von Freudenberg „Die Gefährlichkeit des Kraftfahrers nach dem Grade seiner Blutalkoholkonzentration". Die Berechnungen von Herrn Freudenberg beruhen auf statistischem Material aus Toronto in Kanada aus dem Jahre 1955, Evanston in den USA aus dem Jahre 1938 und auf Material aus Preßburg aus dem Jahre 1958. Verschieden sind nicht nur die Länder und die Jahreszahlen, sondern es kommt noch folgendes hinzu: Für diese drei Statistiken, aus denen Herr Freudenberg seine Schlußfolgerungen zieht und auf die sich auch das Justizministerium und das Verkehrsministerium stützen, sind die Fahrer ganz zufällig ausgewählt und auf ihren Blutalkoholgehalt untersucht worden. Gegenübergestellt wurden Unfallschuldige aus Toronto, Unfallverletzte aus Evanston und Unfallbeteiligte aus Preßburg. Solche Statistiken sind doch unbrauchbar. Außerdem hat die Diskussion um die Promille-Grenze dazu geführt, daß von zwei Wissenschaftlern gesagt wird: Für die Fahruntüchtigkeit ist nicht der Blutalkohol ausschlaggebend, sondern der Alkoholspiegel im Gehirrn. Ich möchte deshalb bitten, sehr zu überlegen, ob es wirklich richtig ist, dem Hohen Hause ein derartiges Gesetz vorzulegen. Das Kabinett hat es wohl verabschiedet, aber erhalten habe ich es noch nicht.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Eine Zwischenfrage.

Dr. Paul Kübler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001239, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr verehrte Frau Kollegin, bezweifeln Sie auch die Statistiken, die besagen, daß nach der Verschärfung unserer Bestimmungen am 1. Januar 1965 die tödlichen Unfälle in der Bundesrepublik, die durch Alkoholverkehrssünder verursacht wurden, zurückgegangen sind? Das sind nämlich sehr große Zahlen. Bezweifeln Sie auch diese Zahlen?

Dr. Emmy Diemer-Nicolaus (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000387, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Kollege, ich habe dies damals sehr genau verfolgt, weil ich erhebliche Bedenken gegen die Strafverschärfungen hatte, die im Zweiten Straßenverkehrssicherungsgesetz vorgenommen wurden. Zuerst, am Anfang des Jahres, kam ein Rückgang der Zahlen. Da habe ich mir gesagt: Aha, es scheint doch generalpräventiv zu wirken. Aber, Herr Kollege, diese Erfahrung ist längst dahin. Leider hat es sich gezeigt, daß mit scharfen Strafbestimmungen nicht die Verkehrssicherheit auf den Straßen erreicht werden kann, die wir alle wollen. Mir kommt es auf die bessere Verkehrssicherheit an. Es ist zu überlegen, welche Maßnahmen dafür geeignet sind. In den Landkreisen Aibling und Rosenheim hat man mit einem Aufwand von rund 250 000 DM eine vorbildliche Verkehrserziehung bei Erwachsenen und bei Kindern durchgeführt. Ich würde Ihnen raten, sich einmal eingehend mit den Unterlagen darüber zu befassen. Man hat hier für nur 250 000 DM verkehrsgerecht und psychologisch richtige Maßnahmen ergriffen. Diese „Aktion Nr. Sicher", wie sie heißt, hat zu dem Ergebnis geführt, daß die Zahl der Straßenverkehrsunfälle dort um 13 % zurückging. Die Zahl der Getöteten - das ist noch viel wesentlicher - ging um 23% zurück und die der Schwerverletzten um über 8%. Das zeigt, daß Sie die Verkehrssicherheit wesentlich besser erreichen, wenn Sie den guten deutschen Glauben, man brauche dazu nur scharfe Strafbestimmungen, fallenlassen und sich wirklich verkehrsgerechte Erziehungsmaßnahmen einfallen lassen und bessere Straßenverhältnisse schaffen.

Dr. Paul Kübler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001239, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr verehrte Frau Kollegin, ist Ihnen entgangen, daß in dieser „Aktion Nr. Sicher" das absolute Alkoholverbot als die beste Verkehrserziehung dargestellt wurde, so daß „0,8 pro mille" nur eine Ausnahmeerlaubnis von „überhaupt kein Alkohol" ist?

Dr. Emmy Diemer-Nicolaus (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000387, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Kollege, ich bin durchaus bereit, eine entsprechende Propaganda zu unterstützen. Ich stelle z. B. fest, daß es für junge Leute, die jetzt mit 18 oder 19 Jahren den Führerschein machen, viel selbstverständlicher ist, vollkommen auf den Alkoholgenuß, auch auf nur ein Glas Bier, zu verzichten, bevor sie sich an das Steuer des Wagens setzen. Es ist aber eine ganz andere Frage, oh bei 0,8 pro mille eine Ordnungswidrigkeit vorliegen soll, die mit Geldbuße und Fahrverbot gesühnt werden soll, auch wenn der Fahrer nicht fahruntüchtig ist. Man sollte auch keine Gesetze machen, deren Einhaltung man nicht auch nur einigermaßen überwachen kann. Wieviel Polizei würde wohl gebraucht, um stets oder auch nur am Wochenende zu kontrollieren, ob die 0,8 pro mille nicht überschritten werden! Noch etwas anderes! Der Fehlerkoeffizient bei der Zurückrechnung ist nach wie vor außerordentlich groß. Je geringer der Promille-Gehalt ist -0,8 pro mille -, um so schwieriger ist es, den Gehalt richtig festzustellen. Weiterhin müssen Sie auch bei einer Ordnungswidrigkeit von der Schuld ausgehen. Der Betreffende muß also vorsätzlich oder fahrlässig gehandelt haben; es muß ihm nachgewiesen werden, daß er tatsächlich wußte oder wissen mußte, daß er 0,8 pro mille hatte, was oft schwierig sein wird. Ich will die Frage im Augenblick nicht vertiefen. Was mich sehr bedrückt, ist die Frage, wie ein derartiges Gesetz wirken wird. Ich halte es durchaus für richtig, daß jemand, der fahruntüchtig ist - nämlich bei 1,3 pro mille und mehr -, verurteilt wird. Hierzu hat ein erfahrener Strafrichter in der „Neuen Juristischen Wochenschrift" vom 7. März 1968 über die psychologische Wirkung derartiger Verurteilungen in einer Anmerkung zu der Entscheidung Nr. 19 auf Seite 462 folgendes gesagt: Entgegengetreten soll hier lediglich dem zum Dogma erstarrten Grundsatz werden, daß bei Trunkenheitsdelikten im Straßenverkehr der Zweck der Spezial- und Generalprävention die Verhängung einer Gefängnisstrafe ohne Strafaussetzung erfordere. Ich muß das vorausschicken. Etwas später heißt es dann weiter: Diese Verhaltensweise besagt lediglich etwas über die Wirkung auf das Gerechtigkeitsempfinden des Verurteilten, nichts dagegen über die Wirkung der Strafe. Viel eher hätte die vom OLG erwähnte Tatsache der Wirkungslosigkeit der bisherigen Praxis - nämlich der strengen Bestrafung zum Nachdenken Veranlassung geben ...

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Manfred Schulte (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002101, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Kollegin, ist das Ihr antizipierter Beitrag zur ersten Lesung dieses Gesetzes?

Dr. Emmy Diemer-Nicolaus (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000387, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Nicht nur, Herr Kollege. ({0}) - Ich komme sofort zum Abschluß. Aber es ist hier ganz wesentlich, sich bei einer so grundsätzlichen Frage einmal die Grenzen klarzumachen, bis zu denen eine derartige Pönalisierung erfolgen soll. ({1}) - Man sollte sich doch auch über die unguten psychologischen Wirkungen einmal klar werden. Der zitierte Richter sagt, - ({2}) - Wenn Sie mich unterbrechen, dauert es um so länger. - Noch eine Zwischenfrage?

Manfred Schulte (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002101, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Befürchten Sie, daß Sie in der ersten Lesung dieses Gesetzes nicht reden dürfen, gnädige Frau?

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Frau Abgeordnete, es ist die vornehmste Pflicht des Präsi deuten, hier die Redefreiheit zu schützen. Und bei dieser Haushaltsberatung geht es, insbesondere in der zweiten Beratung, sowieso querbeet. Dennoch, verehrte Frau Kollegin, wäre Ihnen das Haus zu Dank verpflichtet, wenn Sie sich in Anbetracht der späten Stunde, sagen wir mal, in der programmatischen Kürze, die Ihnen sonst zur Verfügung steht, fassen wollten. ({0})

Dr. Emmy Diemer-Nicolaus (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000387, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident, ich sagte schon, daß ich am Schluß meiner Ausführungen war. Sie wären jetzt schon zu Ende gewesen, wenn keine Zwischenfragen gekommen wären und keine Unterbrechung erfolgt wäre. Der von mir zitierte Richter sagt weiter, was ihn so tief beeindrucke, sei, daß die Scheu vor dem Gefängnis, die Scham wegen einer Verurteilung allmählich in Wegfall komme, vor allen Dingen auch bei den Jugendlichen. Er sagt wörtlich: Darüber hinaus hat diese Praxis in hohem Maße zur Steigerung der Kriminalität - nicht nur der Verkehrskriminalität beigetragen. Das Gefängnis hat seinen Schrekken verloren, Scheu und Scham schwinden immer mehr. Insbesondere Jugendliche und Heranwachsende sehen nicht die Tat als solche, sondern lediglich die Strafe. Ob sie wegen einer Fahrlässigkeitstat oder wegen einer vorsätzlichen Tat, wegen Diebstahls, Körperverletzung oder Betruges „sitzen" müssen, ist ihnen gleichgültig; es gereicht ihnen sehr zum Trost, daß auch der Rechtsanwalt, der Arzt, der Kaufmann, vielleicht sogar der eigene Vorarbeiter im Betrieb oder der Lehrmeister im Handwerk, der sich bemüht hat, ihm Anständigkeit und Ehrlichkeit beizubringen, jetzt „sitzen" muß, . . . Er fährt nachher fort: Fast stereotyp kam die Bemerkung: „Was heißt Gefängnis? Der Herr Sowieso sitzt auch, ist nichts Besseres als ich." Ich mußte auf diese Sache hinweisen, um zu zeigen, wie gefährlich ein derartiger Weg werden kann. Ich glaube, es liegt in unserem Interesse, nicht nur bei der Strafrechtsreform, sondern überhaupt, daß wir uns auch bei den Verkehrsstraftaten auf das kriminalpolitisch unbedingt Notwendige beschränken, daß wir auf der anderen Seite aber alle Maßnahmen treffen, die möglich sind - auch außerhalb der Gesetze -, um tatsächlich zu erreichen, daß die Verkehrssicherheit gewahrt wird. Herr Bundesjustizminister, das war natürlich der herbste Tropfen, was die Arbeit Ihres Ministeriums und die Entscheidung des Kabinetts in der letzten Woche betrifft. ({0}) Ich hielt es aber für notwendig, diese Problematik aufzuzeigen. Im übrigen haben Sie meinen Worten entnehmen können, daß wir die positive Arbeit, die von Ihnen und Ihren sehr qualifizierten Herren im Ministerium geleistet wird, auch als Opposition, die stets konstruktiv auch in den Ausschüssen mitarbeitet, durchaus anerkennen. ({1})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Das Wort hat der Herr Bundesminister der Justiz.

Dr. Dr. Gustav W. Heinemann (Minister:in)

Politiker ID: 11000848

Frau Kollegin, ich bedanke mich in aller Weise für die Pluspunkte, die Sie dem Bundesjustizministerium gegeben haben. Natürlich kann auch im Bundesjustizministerium nicht alles so ideal sein, daß die Opposition nicht noch Wünsche hätte. Sie haben u. a. aufgeführt, daß das Hereinlassen von Zeitungen aus dem anderen Teil Deutschlands nicht in der Freizügigkeit vonstatten gehen wird, wie Sie es wünschen. Das beklage ich mit Ihnen. ({0}) Das illegale Staatsgeheimnis zu regeln, ist nun in der Tat eine Aufgabe, die jetzt nur noch von dem zuständigen Ausschuß - Sie sind Mitglied darin - bewältigt werden kann. Das Ministerium hat dazu Vorlagen hingelegt. Warum wir im politischen Strafrecht bis jetzt nicht die Zweiinstanzlichkeit erreichen konnten, habe ich auf eine frühere Anfrage aus Ihren Kreisen hier ausführlich beantwortet. Ich möchte der gedrängten Zeit wegen darauf Bezug nehmen. Das Thema indirekte Zeugen, Zeugen vom Hörensagen, zu bewältigen, ist nach wie vor ein Gesprächsgegenstand zwischen mir und den Herren Justizministern und -senatoren der Länder und wird gerade in einiger Kürze wiederum dort zur Sprache stehen. Sie haben das im Anmarsch auf den Bundestag befindliche Gesetz zur Entlastung des Bundesgerichtshofes erwähnt. Ich versichere Ihnen hier, daß die Charakterisierung dieser Vorlage als eines auf fünf Jahre gedachten Zeitgesetzes nichts mit irgendwelBundesminister Dr. Dr. Heinemann chen Hintergedanken zu tun hat, nämlich zu dem Streit, ob die Zulassung von Revisionen zum Bundesgerichtshof künftig eine Zulassung nach Streitwerten oder nach der Grundsätzlichkeit der Frage sein soll, die sich in dem oberlandesgerichtlichen Urteil darstellen mag. Das ist, von mir aus gesehen, völlig offen. Ich halte aber die Entlastung des Bundesgerichtshofes zeitlich für so drängend, daß ich in den alten - ich möchte beinahe sagen: weltanschaulichen - Streit um Revision so oder so nicht eintreten mochte, auch angesichts der zeitlich begrenzten Möglichkeit, in diesem Bundestag überhaupt noch etwas zur Erledigung zu bringen. Was die Familiengerichte anlangt, so habe ich volle Sympathie dafür, daß die mit einer Ehescheidung zusammenhängenden Fragen - Sorgerecht, Unterhaltspflicht, Aufteilung der Möbel, wenn ein Haushalt sich auflöst - möglichst in eine Hand kommen sollten. Ich bin offen für eine Regelung über das Amtsgericht wie auch für eine Regelung über das Landgericht. Das ist eine Frage der letztendlichen Ordnung des Zivilprozesses überhaupt. Sie haben dann beklagt, daß der Antrag, der von Ihnen und Ihren politischen Freunden zu dem § 48 des Familienrechtsänderungsgesetzes von 1961 eingebracht worden ist, in dem hier zuständigen Bundestagsausschuß liege und nicht vorankomme. Sie haben daran appelliert, ich möge das herbeiführen. Verehrte Frau Diemer-Nicolaus, ich persönlich halte eine Detailregelung mit Bezug auf diesen § 48 nicht für eine gute Sache. Ich habe, als wir die Familienrechtskommission eröffneten - Sie waren dankenswerterweise zugegen -, dargelegt, was meines Erachtens im Zusammenhang geprüft und vorgearbeitet werden soll, ehe wir an gesetzgeberische Schlüsse kommen. Bei diesem Standpunkt möchte ich bleiben. Zu dem Thema Pressezeugnisverweigerungsrecht kann ich im Augenblick nicht Stellung nehmen. Das mag neu geprüft werden. Da habe ich keinen fixierten Standpunkt. Nun kommt das letzte. Sie haben, als hier einer der Herren Kollegen dazwischenfragte, schon so etwas ähnliches wie eine erste Lesung des Gesetzentwurfs „0,8" voraufgehen lassen. Ausgangspunkt dieser Vorlage ist die Konferenz der Verkehrsminister europäischer Länder. Ich bin aber gern und mit viel Initiative in dieses Thema eingetreten, weil ich in der Tat eine Hürde im Vorfeld vor 1,3 pro mille als der absoluten Fahruntüchtigkeit für dringlich geboten erachte. Die Gründe lege ich jetzt nicht dar. Sie waren so freundlich, an meine Beantwortung einer Anfrage zu erinnern, deren Umfang sogar sieben Druckseiten ausmachte. Im übrigen werden wir das bei der ersten Lesung hier ausführlich darzustellen haben, sowohl Herr Kollege Leber, der die Vorlage jetzt zu vertreten hat, wie auch ich. Ich komme gerade aus Baden-Württemberg von Wahlversammlungen. Mir sind die Ohren in den Gegenden, wo man Winzerfeste veranstaltet, vollgeklagt worden. Anwesende Polizisten wurden schon im voraus ermahnt, daß sie, wenn das nächste Winzerfest stattfindet, zu gegebener Zeit aus der Landschaft zu verschwinden hätten. Dann habe die Polizei sozusagen freies Geleit für die Teilnahme an den Winzerfesten zu geben. Nur eines, verehrte Frau Kollegin, möchte ich hier klargestellt wissen. Den Hinweis darauf, daß die mit 0,8 Promille vorgesehene Ordnungswidrigkeit Reformgedanken des allgemeinen Strafrechts tangiere, kann ich nicht teilen. Die kurze Freiheitsstrafe, die Sie hier anklingen ließen, kommt doch in der Vorlage die sich auf 0,8 Promille bezieht, überhaupt nicht vor. 0,8 Promille als Ordnungswidrigkeit sollen mit Geld und einem zeitweiligen Fahrverbot zur Buße stehen - gar nichts von Freiheitsstrafe! Was die Hinweise darauf angeht, daß die persönliche Schuld klar sein müsse, ehe überhaupt etwas geahndet werden kann, so unterstreiche ich, daß es sich hier um einen Gefährdungstatbestand handelt. Wer im Walde raucht, gefährdet den Wald. Er kann Waldbrand auslösen. Er wird deshalb gebüßt oder gebußt; ich weiß nicht, wie man das genau nennt. Da kommt es auch nicht darauf an, ob einer sagt, er könne so sicher rauchen und seine Pfeife oder Zigarre so abschirmen, daß dabei nichts passiert. Gefährdung ist Gefährdung, und darauf allein wird abgestellt. Die Statistik wollen wir in aller Ruhe prüfen. Auch die ärztlichen Gutachten, die man sich hier gegenseitig hin- und herschiebt, wollen wir in aller Ruhe prüfen. Für mich ist ausschlaggebend, daß wir im Jahresdurchschnitt auf unseren Straßen 17 000 Tote haben, daß wir im Jahresdurchschnitt auf unseren Straßen zwischen 450 000 und 500 000 Verletzte haben, manche darunter als Krüppel bis zum Lebensende, und daß wir im Jahresdurchschnitt auf unseren Straßen einen Sachschaden zwischen 6 und 7 Milliarden DM haben. An all den Unfällen, wo es Tote, Verletzte und Sachschaden gibt, sind mindestens zu einem Viertel alkoholisierte Fahrer beteiligt. Das genügt mir, um hier mitzuhelfen, daß ein Riegel vorgeschoben wird. ({1}) Sie zeigten Ungeduld, daß Sie die Vorlage des Kabinetts hier noch nicht haben. Das hängt lediglich damit zusammen, daß sie auf dem ordentlichen Weg anmarschiert, nämlich zunächst über den Bundesrat. ({2})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Weitere Wortmeldungen? - Herr Müller-Emmert, bitte sehr, Sie haben das Wort.

Dr. Adolf Müller-Emmert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001568, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gestatten Sie, daß auch ich einige ganz kurze Anmerkungen mache. Die erste ist die, daß ich die Besorgnis von Frau Kollegin Diemer-Nicolaus bezüglich des politischen Strafrechts in keiner Weise teile. Ich bin der Auffassung, daß die beiden großen Fraktionen dieses Hauses auch in der Frage der Lösung des illegalen Staatsgeheimnisses einen wesentlichen Schritt vorangekommen sind. Schließlich und letztlich hat vor einer Woche im Ausschuß eine Abstimmung stattgefunden, die eine Lösung erbrachte - Sie wissen dies, Frau Kollegin Diemer-Nicolaus -, mit der wir wohl alle zufrieden sein können und die, wie ich meine, auch alle Fraktionen schließlich und endlich akzeptieren werden. Ich darf noch sagen, daß dank der guten Zusammenarbeit des Justizministeriums mit dem Strafrechtsausschuß die Reform des politischen Strafrechts in erheblicher Weise beschleunigt werden konnte und daß wir mit aller Sicherheit - es sei denn, daß etwas dazwischenkommt, was niemand voraussehen kann - im Mai dieses Jahres das politische Strafrecht im Hause in Form der Achten Strafrechtsnovelle verabschieden werden. Diese Feststellung muß hier schon deshalb gemacht werden, weil der Strafrechtsausschuß seine Arbeit mehr im Hintergrund erledigt, gar nicht so sehr Gelegenheit hat, an die Öffentlichkeit zu treten und markante Reden zu halten, aber die ganzen Jahre über, immerhin schon seit 1963, bis heute - ich darf dies wohl sagen - in bienenfleißiger Arbeit vieles geleistet hat. Viele Kollegen wissen leider nicht, daß die Reform des Strafrechts ein sehr schwieriges Gebiet ist. Seit dem 1. Januar 1900 ist kein größeres Gesetzgebungswerk als die Reform des Strafgesetzbuches in einem deutschen Parlament eingebracht worden. Dieses Gesetzgebungswerk umfaßt immerhin 700 Seiten und, wenn Sie auch das wissen wollen, meine sehr geehrten Damen und Herren Kollegen, es wiegt drei Pfund. Das bloß am Rande. Ich benutze die Gelegenheit, um dem Hohen Hause mitzuteilen, daß der Strafrechtsausschuß in seiner Arbeit sehr gut vorangeschritten ist und daß wir, wie gesagt, einen sehr wesentlichen Teilabschnitt, nämlich die Reform des politischen Strafrechts, im Mai dieses Jahres verabschieden werden. Ich möchte noch ganz kurz zu einem weiteren Punkt Stellung nehmen in dem Wissen, daß wir heute keine erste Lesung irgendeines Gesetzgebungswerks durchführen. Aber wenn schon Frau Kollegin Dr. Diemer-Nicolaus und der Herr Justizminister einen Punkt angesprochen haben, der in der Öffentlichkeit sehr Aufsehen erregt hat, meine ich, wäre es unvollständig, wenn nicht auch jemand, der sich bisher mit diesen Problemen beschäftigt hat, ebenfalls in der gebotenen Kürze seine Meinung sagte. Ich meine das Problem der 0,8-PromilleGrenze. Hier bin ich nicht hundertprozentig mit dem Herrn Bundesjustizminister einer Meinung. Ich möchte hierzu nur ganz kurz sagen, daß die ursprünglichen Vorstellungen der zuständigen Ministerien immerhin dahin gingen, daß derjenige, der 0,8 Promille Alkohol und mehr im Blut hat, zukünftig mit einer Strafandrohung bis zu einem Jahr Gefängnis belegt werden sollte, wozu auch noch eine Geldstrafenandrohung bis zu 10 000 DM und schließlich auch noch das Fahrverbot kommen sollten. Auf diese Weise wären sehr viele Bürger mit einer diskriminierenden Strafe belegt worden, wiewohl nicht festgestanden hätte, daß sie wirklich und erstlich fahruntüchtig gewesen sind. Ich begrüße insofern, daß der Herr Bundesjustizminister und der Herr Bundesverkehrsminister in diesem Punkt, was die Einteilung, die Klassifizierung dieses Deliktes in strafmäßiger Hinsicht betrifft, die Kritik in der Öffentichkeit akzeptiert haben und ihre ursprünglichen Vorstellungen zurückgenommen haben und nunmehr dafür sind, daß die Trunkenheit am Steuer, besser gesagt: eine Blutalkoholkonzentration von 0,8 Promille und mehr, ohne daß eine Fahruntüchtigkeit nachgewiesen worden ist, nicht als ein diskriminierendes Vergehen, sondern zukünftig als Verwaltungs-, als Ordnungsunrecht geahndet wird. Das erachte ich für sehr richtig.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Dr. Adolf Müller-Emmert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001568, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Bitte schön.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Herr Dr. Mommer!

Dr. Karl Mommer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001529, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich glaube, die Korrektur ist schon erfolgt. Der Minister - habe ich ihn recht verstanden? - hat doch gesagt, daß Geldstrafe und Führerscheinentzug die Buße seien, die auferlegt werden soll, und nichts anderes.

Dr. Adolf Müller-Emmert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001568, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Es ist sehr schwer, Herr Kollege Mommer, ist in dieser Frage juristisch so auszudrücken, daß es richtig ist. ({0}) Hier geht es darum, daß zunächst einmal das Bundesjustizministerium und das Bundesverkehrsministerium vorgesehen hatten, daß derjenige, der Alkohol genossen und über 0,8 Promille im Blute hat, ohne daß seine Fahruntüchtigkeit nachgewiesen ist, wenn er erwischt wird, mit einem Vergehen belegt werden sollte, mit einer Verurteilung, die in das Strafregister eingetragen wird, so daß man demnach sogar vorbestraft ist. Diese ursprüngliche Vorstellung hat das Bundesjustizministerium - ich darf mich insofern wiederholen auf Grund dieser Zwischenfrage - zurückgenommen und tritt nunmehr auf Grund der Kritik in der Öffentlichkeit dafür ein, daß derjenige, der 0,8 Promille und mehr Alkohol im Blut hat, dessen Fahruntüchtigkeit aber nicht bewiesen ist - darauf kommt es wesentlich an -, nicht mit einem Vergehen belegt wird, sondern als Betroffener im Rahmen des Ordnungswidrigkeitengesetzes behandelt wird, also nur eine Geldbuße und keine Strafe erhält. Der Unterschied zwischen Geldbuße und Strafe ist klar. ({1}) - Entschuldigen Sie, wenn fünf auf einmal eine Frage stellen, kann man schwerlich antworten, weil man es ja auch gar nicht verstehen kann. Ich habe leider eine Zwischenfrage nicht verstanden. Nunmehr geht es im Augenblick in der öffentlichen Diskussion darum, ob die Grenze 0,8 Promille die richtige sei oder ob man auf 1,0 Promille hochgehen muß. ({2}) Und hier in diesem Punkt darf ich von meiner Seite aus, das ist meine persönliche Ansicht, Kritik anmelden und dart sagen, daß ich grundsätzlich mit der Lösung, wie sie das Bundesjustizministerium vorschlägt, einverstanden bin, daß ich aber die Auffassung vertrete, die ich wohl zur gegebenen Zeit hier noch eingehend zu begründen haben werde, daß nicht 0,8 Promille, sondern 1,0 Promille die richtige Grenze sei. ({3}) Das hat mit Perspektive aus einem Weinland gar nichts zu tun. Hier geht es darum: Wenn man einen abstrakten Gefährdungstatbestand, wie der juristische Begriff heißt, schafft, dann muß man diesen abstrakten Gefährdungstatbestand immerhin so anlegen, daß er tunlichst auch in der Mehrheit die Schuldigen trifft. Wenn man aber einen abstrakten Gefährdungstatbestand, wie in diesem Falle, bei 0,8 Promille schafft, obwohl die Wissenschaft sagt, daß bei 0,8 Promille nicht hundertprozentig bewiesen ist, daß alle, die 0,8 Promille haben, fahruntüchtig sind, dann sollte man tunlichst aus kriminalpolitischen Erwägungen auf eine Grenze hochgehen, die uns in etwa die Garantie gibt, daß diejenigen, die 1,0 Promille haben, wirklich in erheblicher Weise auch bezüglich ihrer Person eine Gefahr darstellen. Darum geht es in diesem Falle. Darüber kann man verschiedene Auffassungen haben. Die Mehrheit dieses Hauses wird schon sicher das Richtige finden. Ich bitte um Entschuldigung, daß ich in diese Frage auch noch kurz eingestiegen bin, aber auf Grund der vorhergehenden Diskussion mußte dies wohl auch geschehen. ({4})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Ich sehe niemanden mehr, der sich über 0,8 oder 1,0 Promille äußern will. Ich muß jetzt dafür sorgen, daß wir noch drei Einzelpläne verabschieden. Ich sehe keine Wortmeldungen mehr. Die Aussprache ist geschlossen. Wir stimmen ab über den Einzelplan 07 - Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz -. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einzelplan 07 ist einstimmig angenommen. ({0}) Ich rufe auf: Einzelplan 13 Geschäftsbereich des Bundesministers für das Post- und Fernmeldewesen - Drucksache V/2713 Berichterstatter: Abgeordneter Müller ({1}) Ich frage den Herrn Berichterstatter, ob er das Wort wünscht. - Der Berichterstatter verzichtet. Ich frage, ob das Wort gewünscht wird. - Keine Wortmeldungen. Wir stimmen ab über den Einzelplan 13. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - In zweiter Lesung angenommen. Wir kommen zu Einzelplan 26 Geschäftsbereich des Bundesministers für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte - Drucksache V/2721 - Berichterstatter: Abgeordneter Baier Dazu liegt der Änderungsantrag der Fraktion der FDP Umdruck 417 *) vor. Wird das Wort zur Begründung gewünscht? Herr Abgeordneter Schmidt!

Hansheinrich Schmidt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002006, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bedaure, daß wir zu so später Stunde noch zu einem Haushalt kommen, der eigentlich einer intensiveren Beratung bedürfte. Andererseits habe ich aber volles Verständnis dafür, daß das Haus nach diesen eingehenden Beratungen nicht mehr so gefüllt sein kann. Ich will mich deshalb weitgehend auf die Begründung der von uns vorgelegten Änderungs- und Entschließungsanträge beschränken, darf mir aber einige Vorbemerkungen erlauben, die sich einfach aus dem Studium des Einzelplans 26 und einem Vergleich mit den Haushalten der Vergangenheit, aber auch aus einem Vergleich mit dem jetzigen Haushalt und der seinerzeit von dieser jetzigen Bundesregierung abgegebenen Regierungserklärung ergeben. Damals hieß es: Keine Leistungen für die Vergangenheit mehr aus Bundesmitteln. Uns Freien Demokraten, aber auch allen Betroffenen draußen in der Öffentlichkeit schien es damals so, als ob mit dem Antritt der neuen Bundesregierung eine Zäsur zwischen den vom Kriege besonders Geschädigten, die in den besseren Haushaltsjahren noch ihre notwendigen gesetzlichen Regelungen bekamen, und denjenigen, für die diese Gesetze doch nicht vorlagen, erfolgen sollte. Daran hat sich leider in den anderthalb Jahren nicht viel geändert. Die von uns im Frühjahr vorigen Jahres eingebrachte Große Anfrage zur Kriegsfolgengesetzgebung wurde ohne eine Konzeption beantwortet, was uns besonders deshalb gewundert hat, weil im Koalitionsprogramm des sozialdemokratischen Partners der Großen Koalition immerhin der forsche Satz stand und, wie ich annehmen möchte, doch wohl noch steht - ich darf zitieren, Herr Präsident -: Wir müssen zu jeder Zeit den sozialen Verpflichtungen gerecht werden, die aus Krieg, Flucht und Vertreibung erwachsen sind. Das steht dort unter Nr. 8 b. Trotzdem beantwortete die Bundesregierung unsere Anfrage ohne eine Konzeption. Allerdings stand dort der verheißungs- *) Siehe Anlage 10 Schmidt ({0}) volle Satz - unterschrieben vom jetzigen Bundesfinanzminister -: die noch zu klärenden Dinge seien im Rahmen der mittelfristigen Finanzplanung einzuplanen. Das war ein Hoffnungsschimmer, den auch wir als Opposition begrüßten. Als die mittelfristige Finanzplanung auf dem Tisch des Hauses lag, sah es anders aus. Auch hier wieder keine Leistungen für die Sowjetzonenflüchtlinge, keine Leistungen für die Vergangenheit aus der mittelfristigen Finanzplanung. Und so sieht es heute auch mit dem Einzelplan 26 aus. Während wir im Jahre 1966 noch einen Haushalt in Höhe von 268 Millionen DM für dieses Ministerium hatten, erfolgte 1967 eine Kürzung um 53% auf 125 Millionen DM. Für das Jahr 1968 liegt ein Haushalt mit einem Volumen von 96 Millionen DM vor. Das bedeutet noch einmal eine Absenkung um 23%, und das obwohl in diesem Bereich noch zahlreiche Gesetzgebungen vorzunehmen sind, obwohl es unter den vom Kriege besonders Geschädigten noch eine ganze Reihe von Härten gibt und obwohl im Haushaltsausschuß dieses Hauses vom Kriegsfolgenausschuß einstimmig beschlossene Gesetze vorliegen, die angeblich wegen Mittelmangel nicht weitergegeben worden sind. Auf diese Gesetze beschränken sich im wesentlichen unsere Anträge, die ich kurz begründen darf. Im Umdruck 417 *) beantragten wir, in Kap. 26 02 Tit. 604 den Ansatz von 7,5 Millionen DM um 1 Million DM zu senken, um den Leertitel „Währungsausgleich", der im Haushalt vorhanden ist, mit 1 Million DM wenigstens besetzen zu können und dadurch zu ermöglichen, daß der Haushaltsausschuß diesem Gesetz nunmehr freien Lauf gibt und das Plenum dieses Hauses dem einstimmigen Votum des Kriegsfolgenausschusses folgen kann, so daß wengistens Härtefälle im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten bereits im Jahre 1968 erledigt werden können. In dem Entschließungsantrag Umdruck 420 **) ersuchen wir die Bundesregierung, zu prüfen, ob es nicht möglich ist, der ebenfalls im Haushaltsausschuß vorliegenden Änderung der Einkommensgrenze in § 7 des Flüchtlingshilfegesetzes nunmehr doch grünes Licht zu geben. Wir haben für diese Prüfung eine sehr gute Begründung. Als im vorigen Jahr der Haushaltsausschuß diesen Gesetzentwurf aufhielt, waren wir der Meinung, daß die vorliegenden Mittel im Haushalt bereits ausreichen würden, um den Gesetzentwurf in Kraft treten lassen zu können. Der Haushaltsausschuß und die Bundesregierung waren anderer Meinung. Am Ende des Jahres stellte sich heraus, daß von den angesetzten 15 Millionen DM für den Titel Einrichtungshilfe 7 Millionen DM übrigblieben und unter den Tisch fielen. Man hätte also im vorigen Jahr den Gesetzentwurf in Kraft setzen können, denn diese 7 Millionen DM hätten gereicht. Aus diesem Grunde bitten wir nunmehr, zu prüfen, ob dieses Inkrafttreten geschehen kann, damit wenigstens durch die Anhebung der Einkom- *) Siehe Anlage 10 **) Siehe Anlage 11 mensgrenze wieder ein Schritt weiter getan werden kann. Der Antrag Umdruck 421*) betrifft eine Situation, die in den letzten Tagen eingetreten ist. Nachdem die von der Bundesregierung vorgelegte 20. Novelle zum Lastenausgleichsgesetz, die sehr mager war und viel weniger Fleisch hatte, als ursprünglich zugesagt worden war, im Kriegsfolgenausschuß und in Gesprächen mit der Bundesregierung um einige notwendige Dinge, isnbesondere für die ehemals selbständigen Sowjetzonenflüchtlinge, ausgeweitet worden war und nachdem wir durch die Aussagen des Bundesausgleichsamtes feststellen konnten, daß diese Ausweitungen 'nicht auf den Bundeshaushalt zukommen würden, hat der Kriegsfolgenausschuß sich diesen Ausweitungen generell angeschlossen. Der Haushaltsausschuß hat vor wenigen Tagen auf Einspruch der Bundesregierung die Verabschiedung der 20. Novelle aufgehalten mit dem angeblichen Hinweis - so wurde uns gesagt -, die Bundesregierung gedenke eventuell in diesem Falle von Art. 113 des Grundgesetzes Gebrauch zu machen. Meine Damen und Herren, zunächst einmal ist -vielleicht hätte es mal geschehen sollen! - noch nie in dieser Form von diesem Artikel Gebrauch gemacht worden. Wenn Sie - das möchte ich an die Herren der Bundesregierung sagen - das ausgerechnet bei der 20. Novelle tun wollen, die nach allen Berechnungen für die Bundesregierung bis 1985 45 Millionen DM kostet, weil, wie das Gutachten des Ausgleichsamtes eindeutig sagt, die übrigen Kasten aus dem Ausgleichsfonds getragen werden und nicht damit zu rechnen ist, daß die Bundesregierung in irgendeiner Form hinterher eintreten muß, dann muß ich sagen, ist das eine Anwendung des Art. 113, die wir in keiner Weise verstehen können. Deshalb bitten wir die Bundesregierung auf Grund der Überprüfungen mit dem Bundesausgleichsamt, von ihren Bedenken abzugehen, und wir bitten das Hohe Haus, diese Bedenken nicht zu teilen, sondern der 20. Novelle mit ihren notwendigen Verbesserungen für den Kreis der heimatvertriebenen Flüchtlinge grünes Licht zu geben. Der Entschließungsantrag Umdruck 422 **) ist sozusagen die zweite Auflage unseres Entschließungsantrages in der dritten Lesung des Haushalts 1967. Wir sahen uns damals wegen der gleichen ablehnenden Haltung der Bundesregierung gezwungen, diese zu ersuchen, vier Gesetzesvorlagen für den Bereich der Kriegsfolgengesetzgebung anzufordern: einmal die 20. Novelle - deren Schicksal ich Ihnen eben dargelegt habe -, zweitens ein Abschlußgesetz zum Häftlingshilfegesetz - das inzwischen zum Jahresende von der Bundesregierung, allerdings, glaube ich, nicht ganz in der notwendigen Größe, aber darüber werden wir im Ausschuß reden, vorgelegt wurde -; Darüber hinaus beantragten wir damals die Vorlage eines Leistungsgesetzes für Sowjetzonenflüchtlinge und eines Abschlußgesetzes zum Kriegsgefangenenentschädigungsgesetz. *) Siehe Anlage 12 *) Siehe Anlage 13 Schmidt ({1}) Im Entschließungsantrag Umdruck 422 haben wir die beiden noch ausstehenden Vorlagen erneut angemahnt, und wir bitten das Hohe Haus unter Berufung auf einen Bundestagsbeschluß aus dem Jahre 1952, nun endlich dem Leistungsgesetz den nötigen Nachdruck zu verschaffen, damit, wie die Bundesregierung es ursprünglich zugesagt hatte, in wenigen Wochen eine solche Vorlage erfolgen kann. Das sollte nämlich, wie uns der Ressortminister in einer Ausschußsitzung mitteilte, im Frühjahr dieses Jahres geschehen. Ich darf diesen Beschluß des Bundestages vom 16. Mai 1952 verlesen, damit Ihnen allen klar wird, wie lange die Sowjetzonenflüchtlinge darauf warten, daß dieses Hohe Haus seinen damaligen Beschluß realisiert. Er stammte nicht von uns, ich war damals auch noch nicht in diesem Hause; es war aber ein Beschluß dieses Hauses. ({2}) - Entschuldigen Sie, ich möchte ihn doch noch einmal verlesen, da mancher unter den Anwesenden sein mag, der ihn nicht kennt. Er lautet: Da die deutschen Staatsbürger, die ihre Wohn- und Arbeitsstätten in der sowjetisch besetzten Zone und in Ostberlin ... verlassen mußten, im Lastenausgleichsgesetz nicht berücksichtigt werden konnten, wird die Bundesregierung ersucht, dem Bundestag baldigst einen Gesetzentwurf vorzulegen, der den Flüchtlingen aus der sowjetisch besetzten Zone, die in der Bundesrepublik oder in Westberlin Aufnahme gefunden haben, Leistungen gewährt, die unter Berücksichtigung der besonderen Lage dieser Flüchtlinge den Leistungen des Lastenausgleichsgesetzes entsprechen. Wir schreiben jetzt 1968; sechzehn Jahre liegt diese Entschließung des Bundestages vor. ({3}) - Ich habe mich jetzt an das ganze Hohe Haus gewandt. Sie stammte nicht von uns. Ich stelle fest, daß es in diesen Fragen immer Schwierigkeiten gegeben hat. Wir waren aber der Meinung, daß zumindest, nachdem die SPD in der Opposition sich für diese Dinge sehr stark gemacht hatte und nun als beinahe gleichwertiger Partner - wir waren ja leider in der Größenordnung nicht so gleichwertig - in diese Bundesregierung eingetreten ist, etwas mehr Nachdruck in diese Fragen kommen würde. Deshalb unsere Aufforderung an Sie, die nicht nur von der Opposition erfolgt, sondern die in den letzten Tagen auch noch einmal durch die beiden großen Konfessionen in der Bundesrepublik unterstrichen wurde, die in einem Schreiben an den Herrn Bundeskanzler, das sich mit diesen Dingen auseinandersetzt, folgenden Satz geprägt haben: Die rechtsstaatliche Ordnung verträgt es auf die Dauer nicht, daß wegen des verständlichen Wunsches, zusätzliche finanzielle Belastungen zu vermeiden, die Rechtstitel dieser Gruppe von Geschädigten weniger berücksichtigt werden. Bei unserem Entschließungsantrag handelt es sich erstens um diesen Kreis der Sowjetzonenflüchtlinge. Zweitens handelt es sich um die vielfach von allen Fraktionen, von allen Parteien zugesagte Abschlußnovelle zum Kriegsgefangenenentschädigungsgesetz, die von diesem Hohen Hause einfach noch verabschiedet werden muß, wenn wir nicht in der Öffentlichkeit und bei den Betroffenen unglaubwürdig werden wollen. Die Entwicklungen der letzten anderthalb Jahre, die Rückgänge der Haushaltsansätze und die mangelnde Konzeption in diesen Fragen veranlassen uns, die Bundesregierung mit unseren Entschließungsanträgen noch einmal sehr erst auf diese Dinge hinzuweisen. Sie veranlassen uns allerdings auch, diesen Haushalt abzulehnen. ({4})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Das Wort hat Frau Abgeordnete Korspeter.

Lisa Korspeter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001183, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Der Einzelplan 26 des Bundesministeriums für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegssachgeschädigte veranlaßt mich, im Auftrage meiner Fraktion einige kurze grundsätzliche Ausführungen über den Personenkreis zu machen, der von diesem Ministerium seit nunmehr fünfzehn Jahren betreut wird. Dabei ist sicher interessant, sich daran zu erinnern, daß die Eingliederung der Vertriebenen und Flüchtlinge durch das am 19. Mai 1953 in Kraft getretene Bundesvertriebenengesetzbundesgesetzlich geregelt wurde, während es vorher nur in einigen Ländern Gesetze gab, die unterschiedlich waren. Ein Jahr vorher, bei der Verabschiedung des Lastenausgleichsgesetzes am 16. Mai 1952, hatte auf die Initiative meiner Fraktion der 1. Deutsche Bundestag der Bundesregierung den klaren Auftrag gegeben, baldmöglichst für die Vorlage eines Gesetzes zu sorgen, das den Flüchtlingen Leistungen entsprechend dem Lastenausgleich gewähren soll. Ich finde es angesichts der späten Stunde eine sehr schöne Geste, daß der Vertreter der Opposition unseren damaligen Antrag, den wir im Interesse der Flüchtlinge gestellt haben, selbst erwähnt hat. Im Grunde hat er sich, da ja die jetzige Opposition lange in der Regierung gesessen hat, damit aber selbst ins Gesicht geschlagen. Denn diesen Antrag haben die früheren Bundesregierungen bisher nicht erfüllt; er ist heute noch immer gültig. Der Herr Bundeskanzler hat in seiner Regierungserklärung vom 13. Dezember 1966 zum Ausdruck gebracht, daß die Gesetzgebung über die Abwicklung von Kriegs- und Nachkriegsfolgen abgeschlossen werden soll, und in einem Schreiben vom 26. Januar 1968 an die beiden christlichen Konfessionen, die sich in dankenswerter Weise wegen der Gleichstellung der Flüchtlinge mit den Heimatvertriebenen an ihn gewandt hatten, hat er die Prüfung der Möglichkeit einer rechtlichen Gleichstellung der Sowjetzonenflüchtlinge mit den Heimatvertriebenen zugesagt. Nun hoffen die Flüchtlinge selbstverständlich, daß sich das Bundeskabinett in Kürze mit diesen Grundsatzfragen eingehend befassen wird. Deshalb können auch - ich muß das trotz der späten Stunde in diesem Zusammenhang heute abend noch sagen - die Worte des Bundesfinanzministers nicht unwidersprochen bleiben, die er in der ersten Beratung des Reparationsschädengesetzes geäußert hat: daß mit diesem Reparationsschädengesetz die Liquidation der Schäden aus der Zeit des NS-Regimes und des Krieges abgeschlossen sei. Darauf sind bereits damals bei der Einbringung des Reparationsschädengesetzes alle Fraktionssprecher eingegangen. Diese Äußerungen des Herrn Bundesfinanzministers Strauß haben in Flüchtlingskreisen tiefe Bestürzung ausgelöst. Sie widersprechen eindeutig der Auffassung aller Fraktionen dieses Hohen Hauses, die sich am Ende der vierten Legislaturperiode für eine rechtliche Gleichstellung ausgesprochen haben. Sie widersprechen auch der verständnisvollen Haltung, die der Bundeskanzler bei dem Gespräch mit der Aktionsgemeinschaft der Flüchtlingsverbände im November gezeigt hat. Gestatten Sie mir, von dieser Stelle aus auch ein Wort an Herrn Minister von Hassel, den zuständigen Ressortminister, zu richten. Herr Minister von Hassel, auf Ihrem Haus ruht jetzt die große politische Verantwortung, und die große Hoffnung der Flüchtlinge richtet sich auf Sie. Sie müssen jetzt die Sache der Flüchtlinge fest in die Hand nehmen und den Menschen aus Mitteldeutschland und Ostberlin den Glauben an Recht und Gerechtigkeit wiedergeben, den sie, weil sie so lange auf die Gleichstellung der Flüchtlinge mit den Heimatvertriebenen warten mußten und warten müssen, eigentlich verloren haben. Im Sinne des Auftrags vom 16. Mai 1952 und auch im Sinne der Erklärung des Bundeskanzlers vom 13. Dezember 1966 bedeutet das, Herr Minister von Hassel, daß Sie dafür Sorge zu tragen haben, daß ein Leistungsgesetz vorgelegt wird, daß dem Währungsausgleichsgesetz im Bundestag Fortgang verschafft wird und daß die nicht anerkannten deutschen Flüchtlinge im Flüchtlingshilfegesetz den anerkannten deutschen Flüchtlingen gleichgestellt werden. Wir kennen, Herr Minister, die Schwierigkeiten der Finanzierung. Wir wissen auch, daß wir den Bundeshaushalt im Rahmen der mittelfristigen Finanzplanung nicht neu belasten und damit durcheinanderbringen können. Aber ich möchte einen Appell an die Länder richten. Wir wären den Ländern zu großem Dank verpflichtet, wenn sie für die Konzeption ihr Einverständnis gäben, die Sie, Herr Minister von Hassel, in Zusammenarbeit mit den Flüchtlingsverbänden entwickelt haben, nämlich die Finanzierung in Form einer Verlängerung der Geltungsdauer der Regelung über den 0,25%igen Vermögensteueranteil für weitere 6 Jahre, der bis zum 31. März 1979 dem Ausgleichfonds zufließt. Nun noch einige Bemerkungen zur 20. Novelle zum Lastenausgleichsgesetz. Es wurden - ich darf das mit allem Nachdruck sagen - in verantwortungsvoller Zusammenarbeit aller Fraktionen in den zuständigen Ausschüssen längst fällige Korrekturen in den Regierungsentwurf eingebaut. Wir waren in den Ausschüssen der Meinung, daß Sie die Verbesserungen im Regierungsentwurf auf ein vertretbares Maß beschränkt hatten. Ich persönlich - ich nehme an, auch Herr Schmidt als Vertreter der Flüchtlinge - war besonders froh, daß es uns gelungen war, für die alten, ehemals selbständigen Flüchtlinge die Gleichstellung der Alterssicherung mit den Heimatvertriebenen herbeiführen zu können, da uns allen gerade diese Schlechterstellung der alten selbständigen Flüchtlinge ganz besondere Sorgen gemacht hat. Nunmehr hat aber - Herr Kollege Schmidt hat schon darauf hingewiesen - auf Grund der Tatsache, daß der Finanzminister eventuell im Kabinett vorschlagen würde, wegen der Ausweitung des Regierungsentwurfs den Art. 113 anzuwenden, der Haushaltsausschuß von einer Weiterberatung des Gesetzentwurfs abgesehen und die Regierung um eine Stellungnahme gebeten. Ich persönlich bin der Auffassung - lassen Sie mich das in diesem Zusammenhang auch einmal sagen, weil es der Eindruck des gesamten federführenden Ausschusses war -, das bezüglich dieser eventuellen Gefahr bereits dem federführenden Ausschuß eine entsprechende Erklärung vom Finanzministerium hätte gegeben werden sollen. Denn durch diese Methode ergibt sich nun eine Verzögerung, die sehr wahrscheinlich hätte vermieden werden können. Wir sind auch der Hoffnung - da die Verbesserungen zum größten Teil vom Ausgleichsfonds getragen werden -, daß sich im Kabinett eine positive Entscheidung herbeiführen läßt, damit wir unmittelbar nach der Osterpause die Beratungen wieder aufnehmen und zu einem erfolgreichen Abschluß kommen können. Im übrigen -

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

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Lisa Korspeter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001183, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Entschuldigen Sie, einen Augenblick, sofort, Herr Kollege Schmidt! - Die FDP hat vier Anträge vorgelegt, einen Änderungsantrag und drei Entschließungsanträge. Wir können dem Änderungsantrag Umdruck 417 nicht zustimmen, und zwar, aus folgendem Grunde, Herr Kollege Schmidt. Durch die 20. Novelle, von der wir hoffen, daß sie vom Kabinett positiv entschieden wird, ist eine Verbesserung der Alterssicherung für die ehemals selbständigen Flüchtlinge vorgesehen. Wir wissen, daß für die Verbesserung der Alterssicherung der Selbständigen Mittel in Anspruch genommen werden müssen. Weil wir noch nicht übersehen, wieviel Mittel gebracht werden, können wir diesem Antrag nicht zustimmen. Bitte sehr, Herr Schmidt!

Hansheinrich Schmidt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002006, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Kollegin, könnten Sie mir vielleicht Auskunft darüber geben, wie das Kabinett über die 20. Novelle positiv entscheiden soll, da doch hier im Hause darüber entschieden werden muß?

Lisa Korspeter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001183, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich meinte die Stellungnahme der Bundesregierung an den Haushaltsausschuß. Entschuldigen Sie, das war etwas anderes! Sie wissen genau, daß der Haushaltsausschuß eine Stellungnahme der Bundesregierung erwartet hat. Ich gebe zu, hier handelt es sich um ein Novum. Sonst wurde immer nur davon gesprochen, den Art. 113 anzuwenden, wenn das Gesetz vom Plenum schon verabschiedet war. In diesem Fall aber war der Haushaltsausschuß, dessen Vorsitzender noch hier sitzt, vorsichtig. Er wollte versuchen, eine Stellungnahme der Bundesregierung zu bekommen. Ich hoffe, daß diese Stellungnahme positiv ausfallen wird. Bitte sehr!

Hansheinrich Schmidt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002006, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Kollegin Korspeter, stimmen Sie mit mir darin überein, daß die Methode, die 20. Novelle im Haushaltsausschuß aufzuhalten, einen irgendwie daran erinnert, daß so etwas vielleicht schon einmal vorgekommen ist, und daß wir darauf in Zukunft etwas mehr aufpassen müssen?

Lisa Korspeter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001183, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich habe es Ihnen doch aber schon gesagt! Haben Sie eigentlich nicht zugehört, Herr Kollege Schmidt? ({0}) Im übrigen, Herr Kollege Schmidt, möchte ich Ihnen - speziell Ihnen - noch etwas sagen. Manchmal muß ich mit viel Bitterkeit daran denken, daß wir über die Probleme der Flüchtlingsgesetzgebung überhaupt nicht mehr zu reden brauchten, wenn sich die FDP damals unseren wohlüberlegten Anträgen angeschlossen hätte. ({1}) Darüber brauchten wir heute überhaupt nicht mehr zu reden, Herr Kollege Schmidt. ({2}) Wir können - damit fasse ich noch einmal zusammen - diesem Antrag, aus einem Titel etwas wegzunehmen, von dem wir noch gar nicht wissen, wieweit wir ihn durch die 20. Novelle zur Verbesserung der Alterssicherung der Sowjetzonenflüchtlinge in Anspruch nehmen müssen, wegen seiner Gefährlichkeit nicht zustimmen. Darüber hinaus habe ich die Meinung der SPD-Fraktion zu den drei Entschließungsanträgen der SPD bereits zum Ausdruck gebracht. ({3})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Baier. Als Berichterstatter, Herr Abgeordneter? ({0}) - Nicht aufgerufen? - Dann frage ich Sie jetzt, ob Sie das vielleicht noch nachholen wollen. ({1}) Bitte sehr

Fritz Baier (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000081, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wieder einmal in letzter und später Stunde am Abend und angesichts der Ungeduld aller Kolleginnen und Kollegen ({0}) danke schön! -, wird der Einzelplan 26 hier behandelt. Ich finde es nicht gut, daß die Einzelpläne mit den hohen Ziffern in der Regel am Schluß immer in eine solche zeitliche Bedrängnis kommen, obwohl auch in diesen Einzelplänen sehr wichtige Probleme stecken, über die einmal diskutiert werden müßte. Vielleicht wird man sich in den kommenden Jahren im Präsidium einmal überlegen, ob man nicht einmal umstellt und mit den Plänen, die eine hohe Ziffer haben, zuerst beginnt, um auch hier die Möglichkeit zu einer etwas ausführlicheren Aussprache zu geben. Ich darf auf die Änderungs- rind Entschließungsanträge in der gebotenen Kürze eingehen. Der erste Antrag auf Umdruck 417 ist, meine sehr geehrten Herren von der FDP, ein alter Bekannter, der auch im vorigen Jahr bier auf dem Tisch gelegen hat. Ich möchte dazu folgendes sagen. Durch den Leertitel 302 ist im Grunde eine haushaltsrechtliche Möglichkeit geschaffen, um die Vermögensschäden aus Reichsmarksparguthaben zu berücksichtigen, sobald die finanziellen Mittel für diese Leistungsgesetze im Rahmen der mittelfristigen Finanzplanung bewilligt sind. Vorher ist das nicht möglich, und deshalb haben wir dieses Gesetz im Haushaltsausschuß aus den bekannten Gründen anhalten müssen. Auch in der mittelfristigen Finanzplanung sind, wie Sie wissen, im Augenblick noch keine Mittel dafür enthalten. Ihr Deckungsantrag, Herr Kollege Schmidt, für dieses Jahr 1 Million DM aus den Beihilfen zum Lebensunterhalt der SBZ-Flüchtlinge zu nehmen, ist einfach nicht realistisch. Denn zum ersten wird das aus einer Pflichtausgabe des Bundes herausgenommen, und zum zweiten müssen wir nicht nur an das Jahr 1968, sondern auch an die kommenden Jahre denken. Wir schätzen, daß der Währungsausgleich 180 Millionen DM erfordern wird. Herr Kollege, wir haben es uns hoffentlich alle angewöhnt, daß wir nicht mehr in Haushaltsjahren denken, sondern berücksichtigen, welche finanzielle Belastung heute und in den kommenden Jahren auf uns zukommt. ({1})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

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Fritz Baier (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000081, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Bitte.

Hansheinrich Schmidt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002006, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Kollege Baier, darf ich aus Ihrer vorigen Feststellung, daß der Leertitel erst dann gefüllt werden kann, wenn die Mittel Schmidt ({0}) dafür in der mittelfristigen Finanzplanung festliegen, entnehmen, daß die Bundesregierung ihre Meinung geändert hat, die bei der Vorlage der mittelfristigen Finanzplanung expressis verbis gesagt hatte: keine Mittel für das Währungsausgleichsgesetz?

Fritz Baier (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000081, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Das habe ich damit nicht gesagt. Ich werde darauf im Gesamtzusammenhang noch zu sprechen kommen. Sie können einfach nicht die Federn einzeln herausrupfen. Sie müssen das gesamte Paket sehen. ({0}) Wir können nicht ins Blaue hinein beschließen. Sonst wird man uns mit Recht an den alten gemeinsamen Fehler dieses Hauses erinnern. Ich hoffe, wir alle haben in den letzten Jahren etwas dazugelernt. Der Antrag ist nicht vom Tisch. Aber wir müssen auch auf die präjudiziellen Auswirkungen dabei achten. In einer Prüfung im Zusammenhang mit den übrigen Leistungen aus den Entschädigungsgesetzen für SBZ-Flüchtlinge wird auch dieses Problem anzusprechen sein. Es wird dann auch eine Frage der Prioritäten sein, was von den einzelnen wünschenswerten Maßnahmen möglich ist und was hintanstehen muß. Ihr Entschließungsantrag, der sich mit der Erhöhung der Einkommensgrenze in § 7 des Flüchtlingshilfegesetzes von 500 auf 700 DM befaßt, zielt darauf ab, den interfraktionellen Gesetzentwurf auf Erhöhung der Einkommensgrenze bei den Voraussetzungen zur Gewährung der Einrichtungshilfe nach § 7 zu verabschieden. Der Fachausschuß hat seinerzeit auch diese Gesetzesvorlage abschließend beraten. Aber auch hier erlebten wir ähnlich wie bei dem soeben von mir genannten Gesetz, daß der Haushaltsausschuß seine Beratungen hierüber zurückstellen mußte, weil die Mittel nach der mehrjährigen Finanzplanung im Bundeshaushalt nicht gegeben sind und ein Deckungsvorschlag auch von Ihnen bislang nicht gemacht werden konnte. Die Gesamtkosten für die Verbesserung dürften bei etwa 100 Millionen DM liegen. Zur 20. Novelle zum Lastenausgleichsgesetz haben Sie, Herr Kollege Schmidt, auf den Art. 113 hingewiesen und gesagt: Ausgerechnet bei diesem Gesetz will ihn die Bundesregierung anwenden. Ich hoffe mit Ihnen, daß das nicht der Fall sein wird. Aber ist es nicht in diesem Haus immer so gewesen, wenn irgendwo die Bundesregierung ernst machen und den Art. 113 anwenden wollte, daß dann irgend jemand sagte: Ausgerechnet hier wird das gemacht? Ich glaube, das muß Ihnen bei Ihrer Argumentation hier entgegengehalten werden. ({1}) Ich darf nur eines dazu sagen. Nach Abschluß der Beratungen im Fachausschuß hat die Bundesregierung Überlegungen hinsichtlich der Konsequenzen der durch den Fachausschuß beschlossenen Verbesserungen angestellt. Wir müssen feststellen: die Regierungsvorlage machte 735 Millionen DM aus, die Verbesserungen im Fachausschuß 835 Millionen DM. Ich persönlich gehe davon aus - und das wünschen wir alle -, daß die Bundesregierung bald eine Entscheidung trifft. Dabei wird die Regierung sicher abzuwägen haben, ob bei den besonders wichtigen sozialen Regelungen die ab 1969 zu erwartenden Mehrbelastungen für den Bundeshaushalt wirklich 2 bis 5 Millionen DM jährlich betragen und etwa die Anwendung des Art. 113 oder die Anrufung des Vermittlungsausschusses durch den Bundesrat rechtfertigen werden.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Fritz Baier (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000081, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Bitte, Herr Kollege Mick.

Josef Mick (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001504, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Baier, wollen Sie bei Ihrer Darstellung nicht besonderen Wert auf die Feststellung legen, daß die im Ausschuß beschlossenen Mehrausgaben nicht bzw. nur zu einem ganz beschränkten Teil auf den Bundesetat zukommen? Sonst könnte hier ein falsches Bild entstehen.

Fritz Baier (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000081, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Mick, ich habe soeben darauf hingewiesen, daß der Bundeshaushalt dadurch eine echte Belastung in Höhe von etwa 2 bis 5 Millionen DM jährlich erfahren würde. Es ist sicher nicht möglich, alle Auswirkungen auf den Bundeshaushalt unter dem Gesichtspunkt der Ausfallhaftung präzise auszurechnen. Nach meinen Informationen - und ich habe mich sehr genau informiert - dürfte die sogenannte Ausfallhaftung, wenn überhaupt, erst nach 1985 in Betracht kommen, und ich hoffe, daß die gewissenhaften Prüfungen der Bundesregierung zu dem Ergebnis führen werden, daß isie für diese 20. Novelle grünes Licht geben kann. Vor allen Dingen hoffen wir, daß diese Entscheidung sehr bald fällt, damit das Gesetz auch rechtzeitig in Kraft treten kann. Der letzte Entschließungsantrag der FDP betrifft das Leistungsgesetz, die Gleichstellung der Flüchtlinge. Über die politische Notwendigkeit - das sage ich auch zu den Damen und Herren der SPD - zur Gleichstellung dürfte es in diesem Hause keine Zweifel geben. Der Bundestag hat ja im Zusammenhang mit der Verabschiedung des Lastenausgleichgesetzes im Jahre 1952 nahezu einstimmig eine Entschließung verabschiedet, die im Prinzip diese Gleichstellung erklärt. Seitdem haben wir diese Frage häufig diskutiert, auch in jüngster Zeit, und wie Sie mit Recht sagten, haben die Fraktionen dieses Hauses auch bei der Einbringung des Reparationsschädengesetzes darauf hingewiesen. Ich möchte hier die Gründe nicht näher erläutern, die die Verwirklichung dieses Anliegens bisher nicht möglich gemacht haben. Es gibt auch einige sehr stichhaltige Gründe für das ständige Hinausschieben, auch gesamtdeutsche Aspekte, später dann die sogenannte Sogwirkung. Inzwischen wissen wir, daß hier andere Maßstäbe gelten, und auch Bundesminister von Hassel hat in dem zuständigen Ausschuß erklärt, daß dieses Gesetz seine Realisierung finden sollte, freiBaier lieh unter der Prämisse, daß die gesamten Staatsfinanzen - und das muß auch ich hier dazusagen - keinen Schaden leiden. Den Vorschlag, den Frau Kollegin Korspeter hier aufgegriffen hat, hat Bundesminister von Hassel vor einiger Zeit einmal behandelt. Eine Verlängerung der Vermögensabgabe würde uns vielleicht doch die Gelegenheit geben, auch hier noch gute Leistungen zu vollbringen. Das Letzte betrifft das Kriegsgefangenenentschädigungsgesetz. Es trifft zu, daß alle politischen Parteien dieses Hauses vor der Bundestagswahl diesbezügliche Versprechungen abgegeben haben, die nicht gehalten wurden. Das ist sicher schlecht gewesen.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Gestatten Sie noch eine Zwischenfrage des Abgeordneten Mick?

Josef Mick (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001504, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Baier, es ist Ihnen doch wie mir gewiß bekannt, daß in Sachen Kriegsgefangenenentschädigungsgesetz dem zuständigen Ausschuß noch ein Antrag der FDP mit demselben Wortlaut vorliegt? An Sie die Frage: Ist es üblich, obwohl ein Antrag vorliegt, und noch in der Beratung, also noch gar nicht erledigt ist, einen selben Antrag zu stellen?

Fritz Baier (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000081, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Das ist sicherlich nicht üblich, Herr Kollege Mick, und das ist auch nicht der Stil dieses Hauses. Nun, das wurde eben seitens der Opposition heute noch einmal auf den Tisch gelegt. Es gibt vielleicht Gründe dafür, das zu tun, die ich aber zu dieser Stunde hier nicht näher beleuchten möchte. - Herr Kollege Schmidt!

Hansheinrich Schmidt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002006, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Kollege Baier, da ich annehmen darf, daß Sie meinen Ausführungen zugehört haben, darf ich Sie bitten, dem Herrn Kollegen Mick zu sagen, daß ich ausdrücklich darauf hingewiesen habe, daß das der Rest unseres seinerzeitigen Entschließungsantrages aus der letzten Haushaltsberatung im Jahre 1967 ist und daß wir diesen Antrag neu vorgelegt haben, weil da nichts geschehen ist.

Fritz Baier (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000081, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sie haben es gehört, Herr Kollege Mick, es ist alles wieder klar. Lassen Sie mich nur das eine sagen, um auch Ihrem Einwurf zu begegnen, Herr Kollege Schmidt. Die Versprechungen, die dieses Haus gemacht hat, sind sicher nicht gut gewesen; sie waren schlecht, weil wir sie nicht einhalten konnten. Ich muß aber hier auch einmal in aller Offenheit die Frage stellen, ob es dieser vielgepriesenen Glaubwürdigkeit der Demokratie diente, die in diesem Zusammenhang so oft beschworen wurde, als nämlich diese politischen Parteien vor der Bundestagswahl zu Versprechungen animiert wurden mit dem Hinweis, daß die Antworten in Zeitungen veröffentlicht werden, die nachher einem großen Wählerkreis zugänglich gemacht werden. ({0}) - Jawohl, und das ist leider der Stil gewesen, den wir in vielen Bereichen erlebt haben. Ich hoffe, daß wir uns auch im kommenden Jahr der Bundestagswahlen, wenn diese Dinge wieder auf uns zukommen, darüber einig sind, daß wir uns darauf gemeinsam aus der Gesamtverantwortung nicht wieder einlassen. ({1})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Schmidt ({0}).

Hansheinrich Schmidt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002006, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Kollege Baier, entschuldigen Sie, wenn ich Sie noch einmal frage. Darf ich Sie bitten, davon Kenntnis zu nehmen, daß nach der Bundestagswahl während der Beratungen der mittelfristigen Finanzplanung der zuständige Ressortsminister als Mitglied der Bundesregierung diese Zusage erneuert hat.

Fritz Baier (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000081, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Schmidt, mir ist von einer Zusage nichts bekannt, sondern lediglich davon, daß sich der Bundesminister dafür ausgesprochen hat, sich für diese Sache einzusetzen. ({0})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Zwischenfrage der Frau Abgeordneten Korspeter.

Lisa Korspeter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001183, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege, wären Sie so freundlich, die SPD-Fraktion, die bereits 1962 den Entwurf eines umfassenden Flüchtlingsgesetzes eingebracht hat, aus dieser Ihrer Bemerkung auszunehmen? Da hatten wir nämlich gerade die Wahl hinter uns und hatten noch lange Zeit bis zur Neuwahl.

Fritz Baier (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000081, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Gnädige Frau, ich habe eben über das Kriegsgefangenenentschädigungsgesetz gesprochen. ({0}) Da waren wir uns in diesem Hause offensichtlich alle einig. Ich möchte nur abschließend für meine Fraktion feststellen, daß wir alles tun werden, um zu Lösungen zu kommen, daß wir aber auf Grund der Erfahrungen früherer Jahre glauben, daß es im Sinne der Glaubwürdigkeit des demokratischen Staates richtiger ist, so lange von Versprechungen und klaren Zusagen abzusehen, solange man ihre Realisierbarkeit nicht eindeutig übersieht. Die drei Entschließungsanträge müssen in einem Gesamtzusammenhang gesehen werden. Deshalb plädiere ich dafür, daß der Änderungsantrag zum Währungsausgleichsgesetz abgelehnt wird, daß die Entschließungsanträge dem Fachausschuß und dem Haushaltsausschuß überwiesen werden. Wir wollen uns ein Gesamtbild über die finanziellen Belastungen künftiger Haushalte machen. Wir werden im Rahmen der zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel dann die Prioritäten schaffen, die ,es zu schaffen gilt. Am guten Willen wird es dabei nicht fehlen. Ein abschließendes Wort zum Gesamthaushalt des Bundesministers für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte, der auch von dem Kollegen Schmidt eingangs angesprochen wurde. In diesem Ministerium gibt es noch viele Aufgaben. Die Wunden des Krieges und der Nachkriegszeit sind noch nicht geheilt. Die wirtschaftliche Eingliederung ist bis auf den harten Kern im wesentlichen abgeschlossen. Wir haben die gesellschaftliche Eingliederung noch nicht gemeistert. Die Erhaltung und Wahrung ostdeutschen Kulturerbes sowie viele andere Aufgaben stehen ebenfalls an. Zum Haushaltsvolumen darf ich feststellen, daß der Haushalt 1968 nach den abschließenden Beratungen des Haushaltausschusses im ordentlichen und außerordentlichen Haushalt 96 384 400 DM beinhaltet. Das sind 28,7 Millionen DM weniger als im Vorjahr. Das ist zum Teil zwangsläufig, weil Aufgaben auslaufen; gleichzeitig sind aber in diesem Haushalt gezielte Verbesserungen enthalten. Alles in allem darf ich für meine Freunde feststellen, daß die Politik der Vertriebenen, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigten in guten Händen ist. Bundesvertriebenenminister von Hassel hat sich gut eingearbeitet. Wir alle haben in ihm einen hervorragenden Anwalt und Sachverwalter für die Belange seines Hauses. Dafür wollen wir ihm hier Dank sagen. ({1})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Rutschke.

Dr. Wolfgang Rutschke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001909, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Ausführungen des Kollegen Baier veranlassen mich, hier noch einige Worte zu sagen, und zwar zu dem Komplex der Versprechungen, die gemacht worden sind, aber nicht eingehalten wurden. Herr Kollege Baier argumentierte so, daß er sagte, die Verbände seien sozusagen selber daran schuld, daß dies so sei. Vor den Wahlen suchten sie irgendwelche Versprechungen mit dem Druckmittel zu bekommen, daß sie die Antworten veröffentlichen würden. Hier müßten dann diejenigen Parteien, die angesprochen seien, darauf zwangsläufig eine positive Entscheidung geben, weil sie sonst Furcht haben müßten, bei den Wahlen entsprechend schlecht abzuschneiden. Das war, glaube ich, das, was Sie sagten. Oder habe ich Sie falsch verstanden?

Fritz Baier (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000081, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Rutschke, wenn Sie gestatten, möchte ich Sie fragen, ob Sie nicht gehört haben, daß ich darauf hingewiesen habe, daß auch ich es als einen schlechten demokratischen Stil ansehe, wenn Verbände in der Nervosität der Vorwahlzeit an die politischen Parteien herantreten, sie zu Versprechungen animieren mit dem Hinweis, daß sie dies dann einer großen Wählerschicht zugänglich machen würden? Mehr habe ich nicht gesagt.

Dr. Wolfgang Rutschke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001909, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Die logische Folgerung ist dann natürlich zweifellos, daß Sie damit Versprechen, die später nicht eingehalten werden, entschuldigen; denn sonst ist doch Ihr Hinweis völlig unnötig. Aber, Herr Kollege Baier, Sie befinden sich da in absolut guter Gesellschaft. Dasselbe hat nämlich neulich Herr Minister von Hassel bei der Einbringung der 20. Novelle gesagt. Er sagte fast wörtlich, daß die Verbände selbst daran schuld seien, wenn sie solche Forderungen vor den Wahlen stellten; denn die Parteien ließen sich naturgemäß vor einer Wahl leicht zu Versprechungen hinreißen, und nach der Wahl sehe es dann eben anders aus. Ich habe das seinerzeit bei der Einbringung der 20. Novelle schon beanstandet, weil ich meine, daß derjenige, der so etwas propagiert, damit die Axt an die Wurzeln der Demokratie legt. Die Parteien und die Regierung werden unglaubwürdig, wenn von einem Vertreter der Bundesregierung derart ungeschminkte Ausführungen gemacht werden. Sie verspielen damit das Vertrauen, das in der Demokratie notwendig ist. Sie sehen selbst, daß die Menschen den Parteien und der Regierung dann einfach nichts mehr glauben können. Sie sagen dann: Na ja, das ist eben so, vor den Wahlen versprechen die alles, und dann wird nichts gehalten. Wenn Sie das selbst bestätigen - so habe ich Sie auch verstanden, Herr Baier -, ({0}) so muß ich sagen, gehen wir herrlichen Zeiten entgegen. ({1})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Das Wort hat der Herr Bundesvertriebenenminister. von Hassel, Bundesminister für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die fortgeschrittene Zeit, die vielen Stunden der Debatte und die Konzentration vor allen Dingen bei den Vorrednern veranlassen mich, nur ganz wenige Bemerkungen zu machen, obwohl es mich reizen würde, gerade den letzten Punkt erneut aufzugreifen. Vielleicht darf ich Ihnen, Herr Kollege Rutschke, mit ein paar Bemerkungen in Erinnerung rufen, was ich damals sagte. Der Vorwurf von Ihnen, von einem Mann, der aus den Verbänden kommt, an mich und an die Parteien hier in diesem Hohen Hause war, wir hätten etwas vor der Wahl versprochen und es nicht gehalten. Daraufhin habe ich repliziert und ge- sagt, ob es denn besonders demokratische Gepflogenheit ist, wenn Verbände in der Situation einer Vorwahlzeit mit all der Nervosität, der Hoffnung der Parteien, möglichst viele Wähler anzusprechen, diese Situation nutzen und die Parteien ganz präzise fragen: Was sagt ihr zu den Punkten 1, 2, 3 und 4? Wir werden das veröffentlichen und unseren Wählern sagen. - Ich meine, daß die Glaubwürdigkeit der Demokratie unseres Staates sicher nicht dadurch Bundesminister von Hassel gefestigt wird, daß die Verbände zu diesen Methoden greifen. Mein Eindruck war damals, daß das Hohe Haus diese meine Auffassung, die Antwort an Sie, teilte ({0}) und daß wir alle, sowohl die politischen Parteien als auch die Verbände, für das Jahr 1969 daraus lernen wollten. Nun möchte ich nur drei ganz kurze Bemerkungen zu den Ausführungen der Sprecher der drei Fraktionen machen, und zwar im wesentlichen zu zwei Punkten. Erstens zu der Frage, was eigentlich - Frau Korspeter hat es angeschnitten - der Herr Bundesfinanzminister gemeint hat, als er bei der Einbringung des Reparationsschädengesetzes darauf verwies, daß das nunmehr der letzte Komplex sei, der noch zur Regelung kommen müßte. Ich gebe zu, Frau Kollegin Korspeter, daß das in der interessierten Öffentlichkeit, die sehr stark untersucht, wie es gemeint sein könnte, vielleicht falsch aufgefaßt worden ist. Aber es ist sehr deutlich gemacht worden, daß es sich hier um einen völlig neuen Komplex handelt, und daß es der letzte neue Komplex ist, der aufzunehmen ist, während der Herr Finanzminister ausdrücklich erklärte, daß das Thema Gleichstellung der Flüchtlinge ja, wie es auch heute hier zum Ausdruck gekommen ist, als ein vom Grundsatz zu lösendes Prinzip bereits aus dem Jahre 1952 übernommen worden ist, und damit also nicht etwas völlig Neues in der Gleichstellung der Flüchtlinge mit den Vertriebenen zu sehen ist. Das Zweite, Frau Kollegin Korspeter, haben Sie und auch der Kollege Schmidt von den Freien Demokraten angesprochen. Es ist die Frage nach der 20. Novelle. Herr Kollege Schmidt sagte, das wäre seinerzeit doch eine sehr dürftige Vorlage gewesen; sie wäre zu knapp und sie wäre zu gering, knapper und geringer als früher zugesagt. Ich meine, daß das Konzept, das ja ursprünglich schon vor Jahresfrist, in einer ganz besonders schwierigen Situation des Jahres 1967, formuliert wurde, nach den damaligen Maßen ein ordentliches Konzept war. In der Zusammenarbeit im Ausschuß auch mit den Vertretern der Regierung sind dann diese Verbesserungen erwirkt worden. Ich habe persönlich - das möchte ich deutlich sagen - Verständnis dafür, wenn man im Bundesfinanzministerium die Konsequenzen, die die Verbesserungen bringen können, unter dem Gesichtspunkt nicht nur des eigenen Haushalts, sondern auch der Möglichkeit, daß z. B. der Bundesrat durch Anrufung des Vermittlungsausschusses, wie früher geschehen, die ganze Novelle verzögert oder vielleicht sogar verhindert, untersucht. Ich bin überzeugt, Frau Kollegin Korspeter und Herr Schmidt, daß die Bundesregierung diese 20. Novelle bei der Untersuchung der Auswirkungen passieren lassen wird. Das ist nicht eine Frage, die ich entscheide, sondern das tut die Bundesregierung selber. Das wird in den allernächsten Tagen geschehen. Das Dritte ist eine kurze Antwort auf die Darstellung des Sprechers der Freien Demokraten. Es wird von Ihnen, Herr Kollege Schmidt, ein bißchen kritisiert, daß die Vorlage des Leistungsgesetzes oder der Fortgang des Währungsausgleichsgesetzes so lange auf sich warten lasse. Sie bezogen sich auf meine Äußerungen im Zusammenhang mit der mittelfristigen Finanzplanung. Der historische Ablauf, Herr Kollege Schmidt, ist doch so, daß wir versuchten, in der mittelfristigen Finanzplanung diese Gleichstellung im Prinzip im Haushalt zu verankern. Das ist bei der Gesamtlage der Staatsfinanzen nicht möglich gewesen. Daraufhin habe ich versucht, eine Lösung zu konzipieren, die weder die Länderhaushalte noch den Bundeshaushalt in Anspruch nimmt. Ein solches Konzept ist etwas Neues. Es muß lange durchdacht werden. Man muß sich selber klarwerden. Man muß es mit Kollegen absprechen, man muß es mit dem Herrn Bundeskanzler, seinen Kollegen aus dem Kabinett erörtern, weiterhin mit anderen Politikern der Fraktionen, die für diese Fragen zuständig sind. Man muß es auch mit den Verbänden erörtern, und man muß es schließlich, Herr Kollege Schmidt, auch mit denen, die Wesentliches dazu mit zu sagen haben, nämlich mit den Regierungschefs in den Ländern, besprechen und für diesen Gedanken Freunde finden. Ich glaube, Sie werden verstehen, daß das alles lange Zeit braucht. Man muß sondieren, man muß das, was man dabei erfahren hat, neu durchdenken, überprüfen. Man muß versuchen, Alternativen zu finden, wenn irgendwo Widerstände auftreten, weil wir alle, auch die Regierung, wirklich das Ziel haben, einen Abschluß der Gesetzgebung, eine Lösung der aus den Folgen dieses zweiten Weltkrieges sich ergebenden Fragen zu erreichen. Wir glauben, Herr Kollege Schmidt und Frau Kollegin Korspeter, durch die Arbeit der letzten 12 Monate haben wir soviel Fundament geschaffen, daß die Bundesregierung in der Lage ist, vor der Sommerpause eine endgültige Entscheidung zu treffen. Bei der Auffassung des Hohen Hauses glaube ich, daß wir uns darin einig sind, daß wir alles versuchen werden - aber, bitte, ohne daß das Staatsganze, die Staatsgesamtfinanzen dabei in Unordnung kommen -, eine vernünftige Lösung auch dieses Teiles der Folgen des zweiten Weltkrieges zu erreichen. ({1})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Keine weiteren Wortmeldungen. Die Aussprache ist geschlossen. Ich lasse abstimmen über den Änderungsantrag der Fraktion der FDP Umdruck 417. Wer diesem Änderungsantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag Umdruck 417 ist abgelehnt. Über die Entschließungsanträge werden wir nach der dritten Lesung abstimmen. Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 26, Geschäftsbereich des Bundesministers für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Präsident D. Dr. Gerstenmaier Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? -Gegen eine Anzahl von Gegenstimmen ist dieser Einzelplan in zweiter Lesung angenommen. Ich unterstelle das Einverständnis des Hauses, daß wir nunmehr aufhören. Wir werden morgen nach der Fragestunde mit dem Einzelplan 08 fortfahren und dann in der in der gedruckten Tagesordnung aufgeführten Reihenfolge hoffentlich die zweite Lesung beenden können. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages ein auf Donnerstag, den 4. April 1968, 9 Uhr. Die Sitzung ist geschlossen.