Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet.
Vor Eintritt in die Tagesordnung habe ich zunächst Geburtstagswünsche auszusprechen. Heute feiern der Abgeordnete Peters ({0}) seinen 60. Geburtstag
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und der Abgeordnete Dr. Wahl seinen 65. Geburtstag.
({2})
Folgende amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Staatssekretär im Bundesministerium für Familie und Jugend hat am 28. März 1968 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Martin, Haase ({3}), Kühn ({4}), Picard und Genossen betr. Erziehungsberatungsstellen - Drucksache V/2681 - beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache V/2786 verteilt.
Der Staatssekretär im Bundesministerium des Innern hat am 28. März 1968 dic Kleine Anfrage der Fraktion der FDP betr. humanitäre Hilfe für Vietnam - Drucksache V/2683 - beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache V/2788 verteilt.
Der Staatssekretär im Bundesministerium des Innern hat am 28. März 1968 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Bauer ({5}), Dr. Müller ({6}), Dr. Meinecke und Genossen betr. Status, Beurteilung und Maßnahmen auf dem Sektor Rauschgifte und Drogen im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland - Drucksache V/2576 - beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache V/2789 verteilt.
Der Vorsitzende des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat am 26. März 1968 mitgeteilt, daß die zuständigen Ausschüsse gegen die
Verordnung des Rates über die monatlichen Erhöhungen des Marktrichtpreises, des Interventionspreises und des Schwellenpreises für Olivenöl im Wirtschaftsjahr 1967/68
keine Bedenken erhoben haben.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung soll die Tagesordnung ergänzt werden um die
Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Wirtschaft und Mittelstandsfragen ({7}) über die von der Bundesregierung beschlossene Neununddreißigste Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1967 ({8})
-Drucksachen V/2668, V/2768 - Berichterstatter: Abgeordneter Schmidhuber.
Das Haus ist damit einverstanden. Damit ist die Tagesordnung um diesen Punkt erweitert.
Wir kommen nun zum Punkt 1 der Tagesordnung: Fragestunde
- Drucksachen V/2753, zu V/2753, V/2776 Zunächst rufe ich gemäß § 111 der Geschäftsordnung die dringliche mündliche Anfrage des Abgeordneten Genscher aus dem Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts auf:
Wie will die Bundesregierung verhindern, daß es zur Vollstreckung von Todesurteilen kommt, falls das südkoreanische Gericht, bei dem die Todesstrafe für aus der Bundesrepublik Deutschland verschleppte Koreaner beantragt worden ist, diesem Antrag stattgibt?
Auch die dringlichen mündlichen Anfragen 2 und 3 aus diesem Geschäftsbereich hat der Abgeordnete Genscher gestellt.
Herr Staatssekretär Jahn, würden Sie bitte die Frage bantworten.
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Ich bitte um die Zustimmung des Herrn Präsidenten, die drei Fragen im Zusammenhang beantworten zu dürfen.
Sind Sie einverstanden?
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Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Damit bin ich gern einverstanden.
Ich beantworte jetzt also zunächst nur die erste Frage. Selbst wenn das Gericht der zweiten Instanz den Anträgen der koreanischen Staatsanwaltschaft folgen und in einzelnen Fällen auf Todesstrafe erkennen würde, so ist die Bundesregierung doch der Überzeugung, daß es in keinem Falle zur Vollstreckung von Todesurteilen kommen wird. Nach den Informationen der Bundesregierung ist außerdem nicht damit zu rechnen, daß bereits das Urteil des Gerichts zweiter Instanz rechtskräftig werden wird. Nach Auffassung der koreanischen Anwälte besteht die hohe Wahrscheinlichkeit, daß gegen das Berufungsurteil das Rechtsmittel der Revision eingelegt wird.
Herr Abgeordneter Genscher!
Verfügen Sie über verbindliche Zusicherungen, Herr Staatssekretär, daß eine Vollstreckung möglicher Todesurteile nicht erfolgen wird?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Über verbindliche Zusicherungen im förmlichen Sinne nicht. Wir haben aber Anlaß, eine solche Erwartung in dieser bestimmten Form auszusprechen.
Herr Genscher!
Herr Staatssekretär, hat die Bundesregierung die koreanische Regierung darauf hingewiesen, daß unter keinen Umständen eine Auslieferung erfolgt wäre, wenn nicht sichergestellt gewesen wäre, daß es nicht zu einem Todesurteil bzw. dessen Vollstreckung kommt?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Die Bundesregierung hat ihre Rechtsauffassung gegenüber der koreanischen Regierung und der koreanischen Botschaft in Bonn mehrfach in allen Einzelheiten und ausführlich dargelegt.
Herr Marx!
Herr Staatssekretär, ich stütze mich auf Ihre erste Antwort und frage: Hat die Bundesregierung vorsorglich Schritte unternommen, damit diese Todesurteile nicht vollstreckt werden?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Soweit das im Rahmen ihrer Möglichkeiten liegt, ja.
Welche Möglichkeiten könnten es verhindern, daß die Bundesregierung das tut?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Ich sehe keine Möglichkeit, die die Bundesregierung daran hindern könnte, das zu tun, was sie für notwendig und möglich halt.
Herr Enders!
Herr Staatssekretär, schließen Ihre Ausführungen auch den Bericht in der Zeitung „Die Welt" von heute früh ein, wonach auf Grund des Antrags der Staatsanwaltschaft auf Todesstrafe zu befürchten ist, daß die Betreffenden eventuell zum Tode verurteilt werden?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Ich bin bisher davon ausgegangen, daß sich die Fragen des Herrn
Kollegen Genscher auf Zeitungsmeldungen dieser Art stützen.
Herr Schulze-Vorberg!
Herr Staatssekretär, hat die Bundesregierung darauf hingewiesen, daß bei uns die Todesstrafe durch das Grundgesetz abgeschafft ist, daß wir also die Todesstrafe nicht haben, und wird das bei den deutsch-koreanischen Verhandlungen eine Rolle spielen, wenn es bisher noch keine Rolle gespielt hat?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Ich habe bereits darauf hingewiesen, Herr Schulze-Vorberg: die Bundesregierung hat ihre Rechtsauffassung, die natürlich auch die Beurteilung der Situation bei uns einschließt, in aller Form und mit allem Nachdruck wiederholt sowohl gegenüber der südkoreanischen Regierung unmittelbar wie auch gegenüber dem Botschafter hier zum Ausdruck gebracht.
Die nächste Frage des Herrn Abgeordneten Genscher:
Hält die Bundesregierung an ihrer Absicht fest, in allernächster Zeit Abkommen mit Südkorea zu unterzeichnen, durch die Kapitalhilfe in Höhe von 70 Millionen DM und ein Demonstrationsprojekt für Milchviehhaltung vereinbart werden sollen?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Ein Termin für die Unterzeichnung des Regierungsabkommens über das Kapitalhilfeprojekt Yongnan II ist mit der koreanischen Regierung noch nicht vereinbart worden; die Verhandlungen über das Demonstrationsprojekt sind noch nicht abgeschlossen.
Die Anträge der Staatsanwaltschaft vor dem Berufungsgericht in Seoul vom 27. März 1968 sollten nach Auffassung der Bundesregierung nicht überbewertet werden. Die deutsche Botschaft in Seoul hat hierzu berichtet, es sei üblich, daß die koreanische Staatsanwaltschaft in der Berufungsverhandlung die gleichen Strafanträge stelle wie in der ersten Instanz. Dem Urteil des Gerichts sieht die Bundesregierung mit großem Interesse entgegen. Die Bundesregierung hat jedoch vorsorglich sofort nach Bekanntwerden der Anträge der Staatsanwaltschaft die notwendigen Schritte unternommen, um sich ein Urteil über den zu erwartenden weiteren Verlauf des Verfahrens bilden zu können. Gegebenenfalls würde die Bundesregierung sich veranlaßt sehen, ihre Entscheidung über die Freigabe der Entwicklungshilfevorhaben noch einmal zu überprüfen.
Herr Genscher!
Herr Staatssekretär, würden Sie mit mir darin übereinstimmen, daß es für das Ansehen der Bundesrepublik Deutschland, insbesondere für ihre Rechtsauffassung und Rechtsgrundsätze unerträglich wäre, wenn wir eine Regierung mit Mitteln der in meiner Frage genannten Art unterGenscher
stützten, deren weisungsgebende Staatsanwaltschaft Todesurteile gegen Leute beantragt, die unrechtmäßig aus der Bundesrepublik Deutschland verschleppt sind?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Ich stimme mit Ihnen insofern überein, Herr Kollege Genscher, als die Bundesregierung sich sehr sorgfältig überlegt, in welcher Weise sie ihre Maßnahmen gegenüber der koreanischen Regierung durchführt. Ich bitte dabei aber auch zu sehen, daß im Rahmen der Entwicklungshilfe darüber hinaus der Gesichtspunkt von Bedeutung ist - nicht allein die Entscheidungsgrundlage, aber von Bedeutung -, daß das, was an Hilfe gewährt wird, nicht in erster Linie Hilfe für die Regierung, sondern Hilfe für die betroffenen Menschen ist.
({0})
Noch eine Frage, Herr Abgeordneter Genscher.
Herr Staatssekretär, finden Sie nicht auch, daß die ganze Problematik dieses Verfahrens durch die Auskunft unserer Botschaft in Südkorea geradezu erhellt wird, daß üblicherweise - ich betone: „üblicherweise" haben Sie gesagt - auch Todesurteile in zweiter Instanz noch einmal beantragt werden, wenn man sie in erster Instanz schon beantragt hat? Da haben wir - auch in anderen Ländern - schmerzliche Erfahrungen, mit denen wir nichts mehr zu tun haben wollen.
({0})
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: In diesem Punkte der Bewertung eines solchen Strafverfahrens stimme ich völlig mit Ihnen überein.
Herr Dorn!
Herr Staatssekretär, gibt es in der koreanischen Rechtsprechung ein Beispiel dafür, daß bisher schon jemand, der zum Tode verurteilt worden ist, nicht hingerichtet wurde?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Diese Frage kann ich, weil dieser Problematik bisher nicht nachgegangen worden ist, nicht beantworten. Ich bin aber gern bereit, das als Anregung aufzugreifen und auch darauf hin die koreanische Rechtsprechung noch einmal prüfen zu lassen, soweit uns das hier möglich ist.
Herr Dorn!
Herr Staatssekretär, sind Sie nicht der Meinung, daß es ungeheuer wichtig ist, daß die Bundesregierung diese Frage jetzt zumindest sofort prüft, weil sonst eventuell ein Zeitverlust eintritt, der infolge des Todes der Betroffenen nicht mehr aufgeholt werden kann?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Ich würde das etwas anders bewertet wissen wollen. Die Bundesregierung will anläßlich dieses Verfahrens ihre Auffassung zu dem gesamten Fragenkreis, der sich daraus für die deutsch-koreanischen Beziehungen ergeben hat, zur Erörterung stellen und ihre Auffassung geltend machen. Ich bin im Augenblick überfragt, aber deswegen auch nicht sicher, ob ein solches Eingehen auf spezifische koreanische Rechtsverhältnisse dabei hilfreich sein kann. Uns liegt daran, unsere Auffassung im konkreten Falle deutlich werden zu lassen.
Herr Marx ({0}) !
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß nach Mitteilungen der Presse die Staatsanwaltschaft die Anträge auf Todesurteil auf zwei weitere Angeklagte ausgedehnt hat, und halten Sie das nicht für provozierend?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Die Tatsache ist bekannt, und ich stimme mit Ihnen insofern überein, Herr Kollege Marx, als dieser Schritt doch nicht gerade ein besonderes Verständnis der koreanischen Behörden für die Ernsthaftigkeit erkennen läßt, mit der die Dinge beurteilt werden.
Herr Kiep!
Herr Staatssekretär, wird sich die Bundesregierung bei ihrer endgültigen Entscheidung auch von dem von diesem Hause im November vergangenen Jahres angenommenen Entschließungsantrag der FDP leiten lassen, wonach die Vergabe von Entwicklungshilfe allein auf Grund entwicklungspolitischer Überlegungen erfolgen solle
({0})
und die Entwicklungshilfe nicht Instrument der Außenpolitik sein könne?
({1})
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: In dieser Richtung, Herr Kollege Leisler Kiep, ist hier ja schon eine ganze Reihe von Überlegungen angestellt worden. Die Bundesregierung versucht auf der einen Seite, diesem Gedanken Rechnung zu tragen, ist sich aber durchaus bewußt, daß es nicht auf Verständnis stoßen könnte, wenn wir Zeichen freundschaftlicher Zusammenarbeit mit Korea setzen würden und auf der anderen Seite dort Entscheidungen ergingen, die das beeinträchtigte Verhältnis noch mehr belasten würden.
({2})
Herr Schmidt ({0}) !
Herr Staatssekretär, ist seitens der Bundesregierung durch einen ständigen Kontakt Tag und Nacht sichergestellt, daß bei einer Bestätigung der Todesurteile eine rasche Vollstreckung noch durch ein sofortiges Eingreifen seitens der Bundesregierung verhindert werden kann?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Das ist sichergestellt, Herr Kollege Schmidt. Die Urteile werden, soweit wir es bisher haben feststellen können, für den 13. April erwartet - vorher wird ein Urteil nicht ergehen -, und selbstverständlich wird bei uns darauf geachtet werden, daß, soweit das erforderlich ist, die notwendige Verbindung und möglichst kurzfristige Klärung entstehender Zweifelsfragen möglich bleibt.
Herr Schulze-Vorberg!
Herr Staatssekretär, widerspräche es nach Meinung der Bundesregierung geltendem Völkerrecht, wenn diese Todesurteile vollstreckt würden angesichts der Tatsache, daß bei uns die Todesstrafe abgeschafft ist?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: In diesem Falle, Herr Kollege Schulze-Vorberg, liegt zweifellos - das hat die Bundesregierung immer wieder festgestellt - eine Verletzung des Völkerrechts durch Verletzung der Souveränität der Bundesrepublik Deutschland vor.
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Herr Schulze-Vorberg!
Diese Verletzung, die Sie festgestellt haben, Herr Staatssekretär, würde noch einmal eintreten - ist das auch Ihre Meinung? -, wenn durch die Vollstrekkung ein weiterer Akt erfolgte, der deswegen als völkerrechtswidrig angesehen werden müßte, weil bei uns die Todesstrafe abgeschafft ist.
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Ob mit dieser Begründung eine solche Völkerrechtsverletzung festgestellt werden könnte, Herr Kollege Schulze-Vorberg, dessen bin ich mir im Augenblick nicht ganz sicher. Aber sicherlich wäre es eine Steigerung der bereits begangenen Völkerrechtsverletzung auf deutschem Hoheitsgebiet und der sich daraus ergebenden Folgen.
Herr Ertl!
Herr Staatssekretär, stimmen Sie mir zu, daß es sich hier um einen Fall von Menschenleben und Menschenrecht handelt und daß man keineswegs von einem außenpolitischen Fall sprechen kann?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: So hat die Bundesregierung das auch bisher verstanden wissen wollen. Sie hat sich entsprechend verhalten und ihre Maßnahmen danach ausgerichtet.
Herr Moersch!
Herr Staatssekretär, da die hier von Ihnen wiedergegebene Auffassung sich offensichtlich noch nicht bis zum Vorsitzenden des Entwicklungshilfeausschusses herumgesprochen hat, wäre die Bundesregierung bereit, darüber einmal nähere Einzelheiten mitzuteilen?
({0})
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Über welchen Teil meiner Auffassung?
Über die Frage des Zusammenhangs von Entwicklungspolitik und Menschenrecht.
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Herr Kollege Moersch, ich war eigentlich der Meinung, daß ich das bereits mit meiner Antwort getan hätte. Aber ich bin gern bereit, auf entsprechende Fragen weitere Antworten zu geben.
({0})
Herr Kiep!
Herr Staatssekretär, sind Sie mit mir der Meinung, daß in Fällen wie diesem zu erkennen ist, daß der Entzug oder die Vergabe von Entwicklungshilfe leider nur einen außerordentlich begrenzten Einfluß auf die Aktionen der Regierungen in Entwicklungsländern haben und daß die Hauptbetroffenen beim Entzug oder bei der Vergabe von Entwicklungshilfe vor allem die Menschen in den Entwicklungsländern sind?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Das hätte ich bereits vorhin zum Ausdruck gebracht, Herr Kollege Leisler Kiep. Nur, die Gewährung von Entwicklungshilfe in der vielfältigsten Form ist auch ein Ausdruck guter und freundschaftlicher Beziehungen zwischen den beteiligten Ländern, in diesem Fall zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Korea.
({0})
Auch diese Voraussetzung ist für die Beurteilung, ob in einem konkreten Fall eine günstige Entscheidung ergehen kann, eine wesentliche Grundlage und kann nicht außer acht gelassen werden.
. Herr Matthöfer!
Herr Staatssekretär, sind Sie nicht mit mir der Meinung, daß die Fragen des Herrn Kollegen Kiep für die Vertretung der deutschen Interessen in Korea wenig nützlich sind?
({0})
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Erstens, Herr Kollege Matthöfer, wissen Sie, daß es zur ständigen und, wie ich glaube, guten Übung gehört, daß man von diesem Platz aus keine Noten zu verteilen hat. Zweitens aber glaube ich, daß die Fragen des Kollegen Leisler Kiep mir eine gute Gelegenheit gegeben haben, die Auffassung der Bundesregierung vor diesem Haus darzutun.
Wir kommen zur Frage 3 des Abgeordneten Genscher:
Wird sich die Bundesregierung angesichts der von der weisungsgebundenen südkoreanischen Anwaltschaft beantragten Todesurteile an der 2. Konferenz der Weltbankberatungsgruppe für Südkorea am 16. und 17. April 1968 in Washington beteiligen?
Herr Staatssekretär, bitte!
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Die Bundesregierung gehört der Weltbankberatungsgruppe als Mitglied an. Die Beteiligung einer kleinen Delegation der Bundesrepublik an der zweiten Konferenz der Weltbankberatungsgruppe am 16. und 17. April 1968 in Washington ist beabsichtigt. Es ist jedoch nicht vorgesehen, bei dieser Sitzung irgendwelche Zusagen über künftige deutsche Leistungen auf dem Gebiet der Entwicklungshilfe an Korea abzugeben. Auch die Frage der Teilnahme an dieser Sitzung der Weltbankberatungsgruppe für Südkorea wird gegebenenfalls im Lichte der gegenwärtigen Entwicklung erneut geprüft werden.
Herr Genscher!
Herr Staatssekretär, würden Sie meine Auffassung teilen, daß die Absage unserer Teilnahme an dieser zweiten Konferenz für Südkorea ein weltweites Echo haben würde, ein weltweites Echo auf unseren Protest gegen das Verfahren gegen die aus Deutschland verschleppten Koreaner?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Diese Auffassung kann ich nicht teilen, Herr Kollege Genscher. Dies ist eine reine Fachkonferenz, die kaum erwarten läßt, daß sie sich einer besonders aufmerksamen Beobachtung durch die Weltöffentlichkeit, wie Sie sagen, erfreuen wird. Ich würde darüber hinaus diese Gelegenheit auch lieber dazu benutzt sehen, daß, wenn sich eine Gelegenheit im Rahmen dieser Konferenz ergibt - und das ist ja wohl anzunehmen -, die Bundesregierung auf die Problematik der deutsch-südkoreanischen Beziehungen mit Nachdruck hinweist. Ich hielte das für die glaubhafte und
überzeugende Geltendmachung unserer Auffassung in dieser Auseinandersetzung für nützlicher.
Herr Genscher!
Woher haben Sie noch diesen Optimismus, nachdem die südkoreanische Regierung die bisherigen Bemühungen der Bundesregierung in provokativer .Weise beantwortet hat, in der provokativen Weise nämlich, daß die weisungsgebundene Staatsanwaltschaft noch zwei Todesurteile mehr beantragt hat als in der ersten Instanz?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Dies ist nur ein Teil der Verhaltensweise der südkoreanischen Regierung. Wir haben aus dem tatsächlichen Verhalten, aus den Berichten, die wir in den letzten Tagen und Wochen bekommen haben, und einer Reihe von Entscheidungen Anlaß dazu, zu erwarten und zu hoffen, daß dies eine für die sonstige Haltung der koreanischen Regierung nicht typische Entscheidung ist.
Herr Dr. Kopf!
Herr Staatssekretär, teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß bei der Entscheidung der Frage, ob sich die Bundesrepublik an der zweiten Konferenz der Weltbankberatungsgruppe für Südkorea beteiligen soll oder nicht beteiligen soll und wie sie dabei agieren soll, nicht nur deutsche innenpolitische Gesichtspunkte, nicht nur die Frage der Verletzung der Menschenrechte
({0})
zu beurteilen sind, sondern daß auch außenpolitische Erwägungen hierbei maßgebend sind und daß insbesondere auch die Position, die Südkorea im südostasiatischen Raum einnimmt, mit zu berücksichtigen ist?
({1})
Ich bitte, die Fragestunde nicht durch Diskussionen dieser Art zu bereichern. Der Dialog spielt sich hier ab.
({0})
Das Wort hat der Herr Staatssekretär.
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Ich denke, Herr Kollege Kopf, daß für die Frage, ob sich die Bundesregierung an dieser Konferenz beteiligen soll oder nicht, in erster Linie außenpolitische Erwägungen maßgebend sein sollten. Aber eine solche Entscheidung wird bekanntlich nie getroffen werden, ohne
Parlamentarischer Staatssekretär Jahn
daß man auch die dazugehörigen innenpolitischen und sonstigen Überlegungen in die Entscheidung einbezieht.
Herr Fellermaier!
Herr Staatssekretär, um die Frage des Kollegen Kopf etwas näher einzugrenzen, frage ich Sie ganz konkret: Teilen Sie meine Auffassung, daß strategische oder militärische Überlegungen, ganz gleich, welchen Teil der Welt sie betreffen und in welchem Verhältnis sie stehen, in der politischen Beurteilung hier in dem Hohen Hause zurückzustehen haben, wenn es um einen eklatanten Fall der Verletzung von Menschenrechten geht und der Ausgangspunkt hier in der Bundesrepublik war?
({0})
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Ich meine, Herr Kollege Fellermaier, daß, wenn die Bundesregierung solche Entscheidungen zu treffen hat, sie auf alle Umstände Rücksicht zu nehmen hat, wobei selbstverständlich die verschiedenen Umstände auch ein verschiedenes Gewicht haben. Ich würde mit Ihnen der Meinung sein, daß Menschenrechtsfragen, insbesondere die Auseinandersetzung über die Beeinträchtigung oder die Verletzung von Menschenrechten, einen Vorrang vor allen anderen Fragen haben sollen.
Herr Moersch!
Herr Staatssekretär, was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um in Zusammenarbeit mit unseren westlichen Verbündeten, vor allen Dingen mit den USA, Einfluß auf die südkoreanische Regierung, die im Einflußbereich der USA liegt, zu nehmen, und zwar im Sinne der Wahrung der Menschenrechte?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Die Bundesregierung wird sicher erneut die Möglichkeiten prüfen, zu dieser Frage die Anteilnahme und das Verständnis anderer Regierungen zu erwecken. Ich muß aber hierbei darauf hinweisen, Herr Kollege Moersch, daß der Umfang und der Nachdruck und die Intensität der Auseinandersetzungen um diese Frage - und das meine ich jetzt nicht nur auf den innenpolitischen Bereich bezogen, sondern ganz besonders auf das Verhalten der Bundesregierung - in keinem anderen Land eine Entsprechung gefunden hat. Ich sage das ganz bewußt, auch im Hinblick auf die Erwartungen, die Sie möglicherweise mit Ihrer Frage verknüpfen.
Herr Moersch!
Herr Staatssekretär, halten Sie es auf Grund der vorhin gestellten äußerst mißverständlichen Fragen der Kollegen Kiep und Dr. Kopf für notwendig, daß die Bundesregierung den Begriff
der freien Welt noch einmal in der Form definiert, die ihr wirklich angemessen ist.
Die Frage hat mit dem Ausgangspunkt gar nichts zu tun.
Herr Ertl!
Herr Staatssekretär, habe ich Sie richtig verstanden, daß die Bundesregierung, wenn es um Wahrung von Menschenrechten geht, keine anderen Gesichtspunkte als einschränkend hinnimmt, sondern sich primär um die Wahrnehmung dieser Rechte bemüht?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Herr Kollege Ertl, ich muß darum bitten, sich an das zu erinnern, was ich vorhin zu einer ähnlichen Frage gesagt habe. Die Bundesregierung ist gar nicht in der Lage, ihre Entscheidungen nur aus einem einzelnen, bestimmten Aspekt heraus zu treffen. Sie muß für ihre Entscheidungen alle Umstände berücksichtigen, die von Bedeutung sind. Selbstverständlich - und das wiederhole ich - nehmen dabei Fragen der Wahrung der Menschenrechte, des Schutzes der Menschenrechte eine hervorragende Stellung ein und werden gegenüber anderen Umständen immer größeres Gewicht haben.
Damit sind diese Fragen beantwortet. Wir kommen zu den übrigen Fragen aus dem Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts auf Drucksache V/2753.
Die Frage 115 stellt der Abgeordnete Deringer:
Welche Tatsachen - und gegebenenfalls aus welchen Quellen - sind der Bundesregierung darüber bekannt, daß, wie aus Nachrichten in der deutschen Presse hervorgeht, bei dem Kampf zwischen der Zentralregierung von Nigeria und der Provinz Biafra Zehntausende von Angehörigen des Stammes der Ibo schon getötet worden seien oder dem sicheren Tode entgegensehen sollen?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Wenn Herr Deringer einverstanden ist, würde ich die drei Fragen im Zusammenhang beantworten.
Haben Sie Bedenken?
Komme ich dadurch mit meinem Fragerecht in Schwierigkeiten?
Ihr Fragerecht wird dadurch nicht beeinträchtigt.
Dann habe ich nichts dagegen.
Dann rufe ich noch die Fragen 116 und 117 des Abgeordneten Deringer auf:
Falls der Bundesregierung Tatsachen bekannt sind, welche Möglichkeiten sieht sie, ohne Verletzung des Grundsatzes der Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten Nigerias, aus humanitären Gründen das Schicksal der Ibos zu erleichtern und ihre Ausrottung abzuwenden?
Vizepräsident Schoettle
Welche finanziellen Verpflichtungen ist die Bundesregierung gegenüber der Zentralregierung von Nigeria in den letzten Jahren eingegangen?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Die blutigen Auseinandersetzungen in Nigeria begannen im Jahre 1966 mit der Ermordung des Ministerpräsidenten der Zentralregierung, der Ministerpräsidenten der Nord-und Westregion sowie zahlreicher Minister und hoher Militärs durch eine Gruppe junger Offiziere, die überwiegend aus dem Gebiet des jetzigen Biafra stammen.
Der nach der ersten Revolte einsetzende Kampf um die künftige Gestaltung der Verfassung nahm immer stärker die Form einer stammesmäßigen Auseinandersetzung an. In Nigeria gibt es drei große Stämme, die Haussas, Yorubas und Ibos, sowie viele mittelgroße und kleine Stämme; insgesamt fast 200. Im Rahmen dieser Machtkämpfe fanden im Oktober 1966 die tragischen Ausschreitungen gegen die Ibos statt, bei denen etwa 20 000 bis 30 000 Menschen im Norden getötet und über 1,5 Millionen aus ihrem Heimatgebiet vertrieben wurden.
Am 30. Mai 1967 erklärte sich die Ostregion unter dem Namen Biafra für selbständig, während die Zentralregierung von Lagos Nigeria statt bisher in vier Regionen nunmehr in zwölf Bundesstaaten einteilte, um die frühere Beherrschung der Föderation durch ein oder zwei Stämme zu verhindern. Im Rahmen dieser Neuordnung soll Biafra gemäß der stammesmäßigen Gliederung in drei Bundesstaaten aufgeteilt werden. Die Kämpfe zwischen den Truppen der Zentralregierung und den Rebellen begannen im Juli 1967 und sind zeitweise schwer und für beide Seiten verlustreich gewesen. Anklagen wegen Grausamkeiten werden von beiden Seiten erhoben. Die in der Presse gelegentlich genannten Verlustzahlen sind nicht nachprüfbar. Für längere Zeit waren die Kampfhandlungen abgeflaut, und es bestand die Hoffnung auf einen politischen Kompromiß. In den letzten Tagen hat die Zentralregierung ihre offensive Tätigkeit jedoch wieder verstärkt und mit Erfolg aufgenommen.
Die deutsche Regierung erkennt nur die Zentralregierung von Lagos an und hat daher keinen Kontakt zu Biafra. Auch das Generalsekretariat der Vereinten Nationen, die Organisation für afrikanische Einheit und das Commonwealth-Sekretariat vertreten die gleiche Haltung. Keine Regierung hat bisher Biafra anerkannt. Humanitäre Hilfsmaßnahmen zugunsten Biafras sind nicht möglich, da die Häfen von der Zentralregierung blockiert sind und der Luftraum für gesperrt erklärt wurde. Die deutsche Regierung hat jedoch wiederholt auf offizieller Ebene Lagos ihre Besorgnisse wegen der blutigen Auseinandersetzungen und ihre Hoffnung auf einen für alle Teile annehmbaren Kompromiß zum Ausdruck gebracht.
Die nigerianische Zentralregierung ist zu einem Waffenstillstand und zu Friedensverhandlungen bereit, falls die Regierung von Biafra die Sezession widerruft und die neue Einteilung der Föderation in zwölf Bundesstaaten anerkennt.
Seit 1961 besteht eine Kapitalhilfe-Rahmenzusage in Höhe von 100 Millionen DM. Hiervon werden unter anderem eine Brücke in Lagos und Landkrankenhäuser in der Nordregion gebaut. Für die Vorhaben sind jeweils die Regierungsabkommen geschlossen, die uns insoweit verpflichten. Vor Beginn des Aufstandes in Ostnigeria waren außerdem unter anderem zwei Projekte im Rahmen der Technischen Hilfe zugesagt worden, nämlich eine technische Schule und ein Vermessungszentrum, die aber wegen der Feindseligkeiten noch nicht in Angriff genommen werden konnten.
Zur Unterstützung und Ausbildung der nigerianischen Luftwaffe übernahm die Bundesrepublik Deutschland 50% der für eine zivile Technikergruppe in der Zeit vom Januar 1965 bis zum März 1967 anfallenden Personalkosten.
Herr Deringer!
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß vor einigen Wochen Herr Dr. Ibiam hier in Deutschland war, der ein führender Mann der Ibos ist, und versucht hat, die deutsche Öffentlichkeit über die Vorgänge zu informieren, und hatte er Gelegenheit, auch irgendwelche amtlichen Stellen zu sprechen?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigem Mir ist nicht bekannt, daß er das versucht hat. Ich muß aber darauf hinweisen, daß die Bundesregierung eine solche Frage sehr sorgfältig überlegen muß mit Rücksicht darauf, daß wir nur zur Zentralregierung amtliche Beziehungen unterhalten.
Herr Deringer!
Wäre es aber nicht doch sinnvoll gewesen, wenn die zuständigen Stellen, also in dem Falle das Auswärtige Amt, diese Möglichkeit genutzt hätten, einen Mann, der nicht irgendwer, sondern Mitglied des Weltkirchenrates ist, zu sprechen, um sich über die Dinge auch von anderer Seite zu informieren?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Ihre Frage setzt voraus, Herr Kollege Deringer, daß es die Möglichkeit gegeben hat, eine solche Verbindung herzustellen. Diese Unterstellung kann ich nicht teilen. Aber selbstverständlich bin ich mit Ihnen der Auffassung: jede Information, auch diese, wäre für die Erkenntnisse der Bundesregierung nützlich gewesen.
Herr Deringer!
Ich darf dann noch eine andere Frage stellen: Sieht die Bundesregierung irgendeine Möglichkeit, denjenigen Ibo-Studenten in der Bundesrepublik, die infolge dieser Vorgänge ihren wirtschaftlichen Rückhalt verloren haben, zu8546
mindest insoweit zu helfen, daß sie ihr Studium durchführen können?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: In der Bundesrepublik sind ja auch schon früher vergleichbare Fälle aufgetreten. In all diesen Fällen sind Wege gefunden worden, um den betroffenen Studenten zu helfen. Ich bin sicher, daß das auch hier möglich sein wird.
Falls Ihre Frage schon zu konkreten Überlegungen Anlaß gibt, kann ich nur darum bitten, daß uns solche Fälle mitgeteilt werden, damit diese Überlegungen aufgenommen werden und wir uns mit den Zuständigen in Verbindung setzen können, um entsprechende Regelungen treffen zu können.
Vielen Dank, ich werde es veranlassen!
Herr Deringer!
Eine letzte Frage noch. Herr Staatssekretär, wie erklären Sie es sich, daß diese Vorgänge, die sicher, was das Problem der Menschenrechte angeht, auch nicht ganz unwesentlich sind, in der deutschen Öffentlichkeit und hier in diesem Hause, insbesondere bei einem bestimmten Flügel, bisher so wenig Aufmerksamkeit gefunden haben im Gegensatz zu anderen Vorgängen?
({0})
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Das ist sicher sehr schwer zu erklären, wenn man daran nicht längere und wohl auch tiefergehende Überlegungen anknüpfen will, wozu hier nicht Raum und Gelegenheit ist. Aber ich will kein Hehl daraus machen, Herr Kollege Deringer: die Bundesregierung ist sehr dankbar dafür, daß dieses Thema hier wenigstens zur Sprache gebracht wird. Was die Verletzung der Menschenrechte und die durch den Krieg in Not geratenen Menschen anlangt, so ist dieses Thema sicher von gleicher Qualität wie viele andere Themen, über die heutzutage sehr viel eingehender und mit größerer Bereitwilligkeit in unserem Lande diskutiert wird.
({1})
Herr Bals!
Herr Staatssekretär, ist der Bundesregierung bekannt, welche Staaten der Zentralregierung militärische Ausrüstungs- und Ausbildungshilfe leisten?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Die Bundesregierung gibt keine militärische Hilfe an die Zentralregierung. Sie hat Ausbilder zur Verfügung gestellt, die aber nach Ausbruch der Feindseligkeiten zurückgezogen worden sind.
Herr Dr. Zimmermann!
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, welche Staaten Nigeria militärische Ausbildungs- und Ausrüstungshilfe geleistet und welche Waffen geliefert haben?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: An welche Seite?
An Nigeria.
Darf ich darum bitten, daß sich diejenigen Abgeordneten, die sich nicht an der Frage beteiligen, setzen, damit ich übersehen kann, wer Fragen stellen will. - Bitte, Herr Staatssekretär!
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Im einzelnen nicht. Wir wissen aber, daß neben westlichen Staaten auch osteuropäische Länder und die Sowjetunion Waffenlieferungen an die Zentralregierung von Nigeria auf deren ausdrückliches Ersuchen vorgenommen haben und wohl auch noch vornehmen.
Entgegen anderslautenden Mitteilungen ist es aber sicher, daß die Bundesregierung keine Waffen und keine militärische Ausrüstung an Nigeria geliefert hat?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Ja.
({0}) - Ausbildungshilfe ist gewährt worden.
Ich sagte „Ausrüstung".
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Der Herr Kollege Genscher hat hier noch eine halbe Zusatzfrage gestellt. Deshalb will ich darauf antworten: Ausbildungshilfe ist gewährt, aber nach Ausbruch der Feindseligkeiten eingestellt worden.
Herr Apel!
Herr Staatssekretär, vor einigen Tagen hat es einen Friedensappell des Vatikans und des Weltkirchenrats gegeben. Sehen Sie die Möglichkeit, daß die westeuropäischen Nationen, vor allem diejenigen, die Nigeria Waffenhilfe leisten, diesem Appell beitreten, um diesen Kriegs- und Gefahrenherd in Afrika auszulöschen?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Die Bundesregierung würde einen solchen Schritt begrüßen, Herr Apel. Aber das ist eine Entscheidung, die diejenigen
Parlamentarischer Staatssekretär Jahn
Länder zu treffen haben, die es angeht; die Bundesregierung gehört nicht dazu.
Herr Kiep!
Herr Staatssekretär, trifft es zu, daß sich insgesamt etwa 5000 Angehörige der Region Biafra zur Zeit in der Bundesrepublik befinden und jetzt von der Regierung aufgefordert worden sind, eine Loyalitätserklärung für die Zentralregierung abzugeben, widrigenfalls sie die Nationalität verlieren würden und damit gezwungen wären, hier in der Bundesrepublik um politisches Asyl nachzusuchen?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Dieser Vorgang ist bisher nicht bekannt. Ich will dem gern nachgehen. Die verhältnismäßig große Zahl von 5000 höre ich zum erstenmal, und ich halte sie nach allen Informationen, die wir haben, für überhöht.
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Frau Dr. DiemerNicolaus!
Herr Staatssekretär, was sagt die Bundesregierung zu Meldungen, nach denen bei der Zentralregierung eine Waffen- bzw. Munitionsfabrik mit deutschem Geld errichtet worden sei, die jetzt auch von Deutschen betrieben werde?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Ich glaube, Frau Kollegin Diemer-Nicolaus, man muß bei solchen Dingen unterscheiden zwischen dem, was von der Bundesregierung mit ihrer Unterstützung, ihrem Willen und ihrer Hilfe gewährt wird, und dem, was sich auf privatwirtschaftlichem Sektor abspielt. Dafür ist die Bundesregierung nicht verantwortlich. Wenn dort ein privates Unternehmen die Möglichkeit erhält, entsprechende geschäftliche Unternehmungen einzurichten, so ist das eine Sache, die nicht in die Verantwortung der Bundesregierung fällt. Für die Bundesregierung gilt das, was ich vorhin gesagt habe: die Bundesregierung hat in dieser Richtung keinerlei Lieferungen vorgenommen oder etwa eine Fabrik dieser Art unterstützt oder gar selber gebaut.
Herr Dr. Kopf!
Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung bereit, entsprechend einer Anregung des Auswärtigen Ausschusses bei der Erörterung des Assozierungsabkommens zwischen der EWG und Nigeria im Rate der EWG darauf hinzuwirken, daß gegenüber der Regierung von Nigeria in unzweideutiger Weise die Erwartung zum Ausdruck gebracht wird, daß in Vollzug der künftigen Auseinandersetzungen mit Biafra Vorkommnisse unterbleiben, welche eine Verletzung von Menschenrechten bedeuten würden?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Die Bundesregierung wird nicht erst diese Gelegenheit abwarten. Sie wird sie aber sicher, wenn das zu diesem Zeitpunkt notwendig ist, auch noch benutzen. Die Bundesregierung benutzt auch andere Gelegenheiten, die sich ihr bieten, um gegenüber der nigerianischen Zentralregierung ihren Wunsch deutlich zu machen, daß diesem Land und den Menschen dort möglichst bald Frieden beschert werde.
Herr Dr. Kopf!
Ist die Bundesregierung der Auffassung, daß gerade die Erörterung des Assoziierungsabkommens zwischen der EWG und Nigeria Anlaß dazu geben könnte, gegenüber der Regierung von Nigeria diese Erwartung in klarer Weise zum Ausdruck zu bringen?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Austwärtigen: Natürlich wird das ein weiterer Anlaß sein, Herr Kollege Dr. Kopf.
Herr Czaja!
Herr Staatssekretär, darf ich im Hinblick auf Ihre Auskunft, daß von 1965 bis 1967 für zivile Luftfahrtzwecke Technikergruppen mit Förderung der Bundesregierung in Nigeria waren, und im Hinblick darauf, daß die zivile Luftfahrt in diesem Falle offensichtlich auch für kriegerische Auseinandersetzungen und für Handlungen benutzt worden ist, die nach Ihren Darstellungen an den Tatbestand des Völkermords, des Genocids grenzen, und daß dieser Völkermordstatbestand schon eine lange Zeit währt, fragen, wann diese Technikergruppen abberufen worden sind und ob sichergestellt ist, daß in Zukunft keine Hilfe geleistet wird, die unter der Bezeichnung Ausrüstungshilfe läuft, aber zu solchen menschenrechtswidrigen Zwecken verwendet werden könnte, und darf ich weiter fragen, ob im Hinblick auf Art. 17 der Europäischen Menschenrechtskonvention die Bundesregierung auch bei sonstigen Lieferungen prüft, ob dadurch Handlungen gesetzt werden, die zur Einschränkung oder Minderung von Menschenrechten führen.
Meine Damen und Herren, darf ich bitten, Fragen so zu formulieren, daß sie nicht einem Leitartikel nahekommen.
({0})
Schließlich blockieren Sie durch solche Fragen die ganze Fragestunde.
Herr Staatssekretär, vielleicht folgen Sie meinem Rat.
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Ich versuche es, Herr Präsident.
Zum ersten Teil Ihrer Frage: In dem Augenblick, als für die Bundesregierung oder für die Deutschen,
Parlamentarischer Staatssekretär Jahn
die dort tätig waren, die Gefahr erkennbar wurde, daß sie in den inneren Auseinandersetzungen dort in eine Parteisituation geraten könnten, sind die gewährten Hilfeleistungen eingestellt worden. Im übrigen achtet die Bundesregierung sehr genau darauf, daß von ihrer Seite nicht nur kein Beitrag, sondern, soweit das möglich ist, auch nicht der Anschein eines Beitrags geliefert wird, der als Unterstützung der einen oder anderen Seite bei den Auseinandersetzungen in Nigeria ausgelegt werden könnte.
Herr Abgeordneter Maucher!
Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung bereit, in der Frage der Entwicklungshilfe an Nigeria die gleichen Grundsätze anzuwenden, wie sie sich bereits gegenüber Südkorea entwickelt haben?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Das sind zwei verschiedene Tatbestände. Man kommt da sicher nicht weiter, wenn man versucht, die Erfahrungen, Erkenntnisse und Notwendigkeiten, die im Verkehr mit einem bestimmten Land zu beachten sind, auf ein völlig anderes Gebiet zu übertragen. Jedes muß selbständig beurteilt werden.
Herr Dr. Hofmann!
Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung bereit, im Zusammenhang mit der Prüfung unserer Möglichkeiten, eine Verletzung der Menschenrechte in Biafra und in Nigeria zu verhindern, auch die Vorgänge im Sudan weiter zu prüfen?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Die Bundesregierung ist dazu bereit. Ich muß nur darauf hinweisen, daß die Möglichkeiten der Bundesregierung dabei nicht sehr groß sind. Was sie dennoch tun kann, hat sie getan, tut sie und wird sie weiter tun.
Herr Franke!
Herr Staatssekretär, wird die Bundesregierung weitere finanzielle Verpflichtungen in nahex Zukunft gegenüber der Zentralregierung eingehen?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Weitere finanzielle Verpflichtungen?
({0})
- Im gegenwärtigen Zeitpunkt, glaube ich, werden die Voraussetzungen dafür ganz besonders sorgfältig geprüft werden. Ich halte es aber für übereilt, jetzt generell mit Ja oder Nein zu antworten.
Herr Genscher.
Herr Staatssekretär, teilen Sie meine Auffassung, daß die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft nicht nur ein wirtschaftlicher Interessenverband ist, sondern eine Gemeinschaft von Staaten mit gleichen Grundüberzeugungen, und daß deshalb eine Assoziierung nicht in Frage kommen kann, bevor nicht diese ungeheuerlichen Vorgänge, die wir hier eben erörtert haben, abgestellt sind?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Herr Kollege Genscher, eine sachgerechte - die Betonung möchte ich dabei auf „gerecht" legen - Beurteilung der inneren Vorgänge in Nigeria ist außerordentlich schwierig. Was wir von dort hören, erfahren und was wir erkennen können, ist, daß eine Vielzahl von schrecklichen und unsere Vorstellungskraft sehr strapazierenden, militanten Auseinandersetzungen zwischen verschiedenen Stämmen vor sich geht.
Inwieweit es gerechtfertigt ist, aus diesen inneren Auseinandersetzungen Schlußfolgerungen für unser Verhältnis zum Bundesstaat Nigeria zu ziehen, ist nicht mit einer einfachen Aussage zu beantworten. Gehen Sie aber bitte davon aus, daß sich die Bundesregierung dieser Zusammenhänge durchaus bewußt ist und selbstverständlich genau prüfen muß, wie ihre Stellungnahme dann sein wird, wenn sich eine solche Frage konkret stellt.
Herr Petersen.
Herr Staatssekretär, wäre die Bundesregierung bereit, trotz der Schwierigkeiten, die Sie geschildert haben, ihre Bemühungen um humanitäre Hilfe wenigstens im Bereich dieser Auseinandersetzungen zu intensivieren?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Sie wird ihre Bemühungen fortsetzen. Wieweit sie da überhaupt Hilfsmaßnahmen ergreifen kann, ist eine Frage, auf deren Schwierigkeiten ich schon hingewiesen habe und bei der man deutlich sehen muß: da gibt es Grenzen, die durch Intensivierung unserer Bemühungen nicht überwunden werden können.
Die letzte Frage, die ich zu diesem Komplex zulasse, stellt der Abgeordnete Schmidt ({0}).
Herr Staatssekretär, nachdem vorhin nicht so ganz klar wurde, ob private deutsche Firmen dort Beiträge zur Errichtung von Munitions- oder Waffenfabriken geliefert haben: Wären Sie bereit, diese Frage nochmals ernsthaft zu prüfen und - falls sie bejaht wird -auch ganz ernsthaft auf diese Firmen einzuwirken, ihnen klarzumachen, daß solche Handlungen aus menschlichen und moralischen Gründen nicht gut sind?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Die Bundesregierung wird da, wo sie rechtliche Möglichkeiten dazu hat, von ihrer Auffassung Gebrauch machen und niemanden über diese Auffassung im unklaren lassen. Ob es allerdings möglich ist, mit solchen Überlegungen geschäftlichen Überlegungen erfolgreich zu begegnen, halte ich für zweifelhaft. Dennoch bin ich bereit, dieser Frage noch einmal nachgehen zu lassen.
Wir kommen zu den Fragen des Abgeordneten Dorn. Ich rufe die Fragen 118 und 119 auf:
Hat die Bundesregierung um die Jahreswende 1956/67 die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zu Ungarn verpaßt?
Bei Bejahung der Frage 118: Aus welchen Gründen?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Die Antwort lautet: Nein.
Herr Dorn!
Darf ich daraus schließen, Herr Staatssekretär, daß die in der Presse gemeldeten Ausführungen des Fraktionsvorsitzenden der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion, Helmut Schmidt, auf dem Nürnberger Parteitag damit nach Auffassung der Bundesregierung nicht den Tatsachen entsprechen?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Herr Schmidt als Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion steht mit dieser Auffassung, wie mir bekannt ist, nicht allein. Solche Bewertungen gibt es gelegentlich von dritter Seite. Die Bundesregierung kann nach ihren Unterlagen und nach bisherigen Erkenntnissen diese Auffassung jedenfalls nicht bestätigen.
Herr Dorn.
Heißt das also, Herr Staatssekretär, daß die Ausführungen, die der Kollege Schmidt in Nürnberg gemacht hat - daß der Bundeskanzler vor der SPD-Fraktion eine solche Erklärung abgegeben habe -, nach Auffassung der Bundesregierung nicht zutreffen?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Die Bundesregierung beurteilt hier einen Vorgang, der ja nicht zu einer Entscheidung geführt hat, anders, als er von dritter Seite offenbar beurteilt wird. Solche Beurteilungsdifferenzen sind nichts Ungewöhnliches
({0})
und rechtfertigen darüber hinaus aber auch gar keine Bewertung des Gesamtvorganges. Da kann man sowohl dieser wie auch jener Meinung sein.
Ich kann hier für das Auswärtige Amt und damit insoweit für die Bundesregierung nur feststellen: nach unseren Unterlagen, nach unseren amtlichen
Erkenntnismöglichkeiten gibt es keinen Anlaß, sich dieser Beurteilung anzuschließen. Wenn Dritte über andere Erkenntnismöglichkeiten verfügen, - unserer Beurteilung liegen sie nicht zugrunde, müssen deswegen aber nicht falsch sein.
Herr Dr. Müller-Hermann!
Herr Staatssekretär, teilen Sie meine Auffassung, daß an sich schon das Stellen einer solchen Frage, die im Grunde nur von Historikern zu beantworten wäre, alles andere als geeignet ist, die sehr ernsthaften Bemühungen zu unterstützen, die wir alle unternehmen, um zu einer Normalisierung der Beziehungen zu den osteuropäischen Staaten und speziell zu Ungarn zu kommen?
({0})
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Wenn ich dieser Auffassung wäre, hätte ich die Frage nicht beantwortet, Herr Kollege Müller-Hermann.
({1})
Herr Dr. Haas!
Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung nicht im Hinblick auf jüngsten und noch im Fortschreiten begriffenen Entwicklungen in der Tschechoslowakei bereit, die vom Kollegen Dorn gestellte Frage für die Jetztzeit einer sehr sorgfältigen und genauen Prüfung zu unterziehen?
({0})
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Mir ist nicht ganz deutlich, was Sie mit dieser Frage meinen, Herr Kollege Haas. Die Bundesregierung ist - wenn das hinter Ihrer Frage stecken sollte - ständig bemüht, ihre Bereitschaft zur Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit allen ost- und südosteuropäischen Ländern gegenüber allen Beteiligten deutlich zu machen und darüber nicht den mindesten Zweifel zu lassen. Das ist in diesem Hause im Rahmen von Regierungserklärungen mehrfach und eindeutig gesagt worden, zuletzt im Rahmen des Berichts über die Lage der geteilten Nation. Diese Auffassung der Bundesregierung ist bekannt. Die Bundesregierung kann darüber hinaus ihrerseits nur aufmerksam nach jeder Möglichkeit suchen, darüber mit den Partnern auch ins Gespräch zu kommen.
Herr Moersch!
Herr Staatssekretär, sind Sie der Meinung, daß Fragen, die vor der Fraktion der Sozialdemokratischen Partei vom Bundeskanzler
angeschnitten werden und die auf dem SPD-Bundesparteitag angeschnitten worden sind, auch in diesem Hohen Hause ohne Schaden für das deutsche Volk erörtert werden können, im Gegensatz zu der Meinung von Herrn Müller-Hermann?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Ich war der Meinung, Herr Kollege Moersch, ich hätte meine Auffassung dazu bereits vorhin unmißverständlich gesagt.
Herr von Wrangel!
Herr Staatssekretär, halten Sie es für richtig und im Interesse der Beziehungen zwischen der Bundesrepublik und den osteuropäischen Staaten für gut, wenn die Vorgänge dort mit Spekulationen und manchmal lautstark von seiten der Bundesrepublik begleitet werden?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Die Bundesregierung hätte es in der Tat häufiger gern gesehen, wenn manche Erörterungen über außenpolitische Vorgänge, insbesondere im Verhältnis zu osteuropäischen Staaten, mit mehr Ruhe und weniger spekulativ behandelt worden wären. Aber das ist wohl der Preis eines demokratischen Landes, daß auch die Freiheit, sich in jeder Weise zu äußern, dann in Kauf genommen werden muß, wenn die Bundesregierung oder sonstige amtliche Stellen es lieber anders sähen.
({0})
Herr Weigl!
Herr Staatssekretär, sind Sie tatsächlich der Meinung, daß die Position der Bundesregierung für künftige Verhandlungen über die Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit Ostblockländern dadurch verstärkt wird, daß man offensichtlich auch in diesem Hause die Geduld verliert und in einer Weise drängt, die nicht im Interesse unseres Landes liegen kann?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Ich habe nicht den Eindruck, Herr Kollege, daß dies die Auffassung des Hauses ist. Die Bundesregierung hat mehrfach zum Ausdruck gebracht, sie sei sich der Tatsache bewußt, daß hier ein langwieriger Vorgang vorliegt, der sehr viel Geduld und Ruhe auf unserer Seite erfordert, und sie hat mit dieser Auffassung die Zustimmung des Hauses erfahren. Ich sehe keinen Anlaß, das anders zu bewerten.
Herr Moersch hatte sich gemeldet, aber offenbar ist er nicht mehr interessiert. - Herr Ertl!
Herr Staatssekretär, können Sie sich vorstellen, daß der Fragesteller Baron von Wrangel,
als er von „spektakulären Äußerungen" sprach, den Herrn Bundeskanzler und den Fraktionsvorsitzenden der SPD meinte?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Herr Kollege Ertl, ich habe es immer bedauert, nicht über Ihr Maß an Phantasie zu verfügen. Meine Phantasie läßt mich auch in diesem Fall im Stich.
({0})
Frage 120 des Abgeordneten Richter:
Wird die Bundesregierung im Sinne der Empfehlung 520 der Beratenden Versammlung des Europarates vom 20. Februar 1965 im Ministerkomitee des Europarates sich dafür einsetzen, daß der Europarat einen Sonderbeitrag für die Palästinaflüchtlinge zur Verfügung stellt?
Herr Staatssekretär, bitte!
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Die Bundesregierung hat die Beratungen im Rahmen des Europarats über das Flüchtlingsproblem im Nahen Osten aufmerksam verfolgt. Die Empfehlung Nr. 520 der Versammlung dieses Rates entspricht unserer Einstellung zu dieser Frage. Von amtlicher wie von privater deutscher Seite wurden bereits erhebliche finanzielle Leistungen für die Flüchtlinge im Nahen Osten erbracht. Ich erinnere an die Angaben, die ich hierzu schon in der Fragestunde des Deutschen Bundestages vom 30. Juni 1967 gemacht habe. Seither hat die Bundesregierung eine neue Soforthilfe von 5 Millionen DM für die arabischen Flüchtlinge bereitgestellt und die Durchführung eines besonderen Hilfsprogramms für die Flüchtlinge in Höhe von 50 Millionen DM beschlossen. Für weitere Beiträge zu multilateralen Maßnahmen stehen der Bundesregierung gegenwärtig leider keine Mittel zur Verfügung.
Herr Staatssekretär, darf ich fragen, ob Sie politische Möglichkeiten sehen, auf die Lage der Flüchtlinge in Israel einzuwirken.
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Die Möglichkeiten der Einflußnahme der Bundesrepublik Deutschland auf die Verhältnisse im Nahen Osten sind nicht sehr groß. Die Bundesregierung hat mehrfach ihren Wunsch betont, daß diese Probleme im Rahmen einer auch für diesen Raum von uns für wünschenswert gehaltenen Friedensordnung ihre befriedigende Lösung finden. Sie muß sich aber mit ihren unmittelbaren Aktionen darauf beschränken, das Maß an humanitärer Hilfe zu leisten, zu dem sie imstande ist.
Herr Dröscher!
Herr Staatssekretär, in welcher Weise sind positive Reaktionen der arabischen Regierungen auf diese doch recht kräftige Hilfe der Bundesregierung abzusehen?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Die Bundesregierung hat bisher den Eindruck, daß ihre Bereitschaft, gerade diesem Problem besondere Aufmerksamkeit und besondere Maßnahmen zuzuwenden, in der Mehrzahl der arabischen Länder ein gutes Echo gefunden hat.
Herr Staatssekretär, gibt es in dieser Frage ständige Kontakte auch mit den arabischen Regierungen, oder geht das über die vermittelnde Tätigkeit des Europarats?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Es gibt eine Vielzahl von Kontakten, die auch schon deswegen notwendig sind, weil es ja keine offiziellen amtlichen Kontakte gibt. Aber aus allen diesen Verbindungen haben wir .diesen Eindruck gewonnen, und wir hoffen, daß es nicht nur dabei bleibt, sondern daß noch deutlicher erkennbar wird, wie ernsthaft wir dieses Problem hier bewerten und wie ernsthaft unsere Anstrengungen gemeint sind, unseren Beitrag zu einer Linderung der Not dort zu leisten.
Frau Dr. Maxsein!
Herr Staatssekretär, glauben Sie, daß es für die gute Sache förderlich ist, wenn nicht weniger als vier verschiedene Organisationen, die in der Empfehlung Nr. 520 namentlich erwähnt sind, sich gleichzeitig um das Wohl der Palästinaflüchtlinge bemühen und sich in die zur Verfügung stehenden Mittel teilen, oder besteht eine ausreichende Koordinierung dieser vier Organisationen?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Der Bundesregierung sind bisher keine Beanstandungen über Schwierigkeiten oder Mißhelligkeiten irgendwelcher Art bekanntgeworden. Aus diesem Grunde besteht kein Anlaß, an dem bestehenden Zustand irgend etwas zu ändern. Sollten sich Schwierigkeiten erkennen lassen, wird man darüber erneut nachdenken müssen.
Darf ich fragen, ob eine Koordinierung der Arbeiten der einzelnen Organisationen - es sind ja eine Reihe - besteht.
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Herr Präsident, ich bitte sehr um Entschuldigung. Die Fragen sind trotz Mikrophons akustisch nahezu nicht mehr zu verstehen.
Das hängt damit zusammen, daß so starke Unruhe herrscht, die beseitigt werden könnte, wenn sich die Damen und Herren nicht im Saal unterhalten, sondern ihre Unterhaltungen draußen führen würden.
({0})
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Ich bitte um Entschuldigung, ich habe die letzte Frage nicht verstanden, Frau Dr. Maxsein.
Frau Dr. Maxsein, würden Sie Ihre Frage wiederholen?
Herr Staatssekretär - nur als Ergänzung zu der ersten Frage, die Sie zum Teil schon beantwortet haben -, besteht eine Koordinierung dieser vielfältigen Organisationen, oder hat man wegen der Nachteile, die sich aus der Zersplitterung ergeben, wenigstens versucht, von der Sache her oder auch finanziell zu koordinieren?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Ein gewisses Maß an Zusammenarbeit ergibt sich aus der Natur dieses Vorgangs. Darüber hinaus ist es nicht Sache der Bundesregierung, solange keine Anstände auftauchen, ihrerseits in die freiwillige Tätigkeit dieser Organisationen einzugreifen. Sollten Mißhelligkeiten auftauchen, wird die Bundesregierung selbstverständlich versuchen, das an Schwierigkeiten auszuräumen, was notwendig ist.
Herr Kuntscher!
Herr Staatssekretär, sind auch Zeichen vorhanden, daß die von uns geleistete Hilfe von den arabischen Staaten entsprechend gewürdigt wird?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Ja.
Herr Geiger!
Herr Staatssekretär, hat die Bundesregierung darüber Nachricht, ob die gewährten Mittel für die arabischen Flüchtlinge auch zur Seßhaftmachung und zur Arbeitsplatzbeschaffung verwendet werden?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Ein Teil der Mittel, die die Bundesregierung zur Verfügung stellt, ist für solche Zwecke gedacht.
Herr Dr. Kopf!
Herr Staatssekretär, können Sie bestätigen, daß der vom Auswärtigen Ausschuß gebildete Unterausschuß „Nahosthilfe" unter dem Vorsitz des Herrn Kollegen Mattick sich mit den gestellten Fragen eingehend beschäftigt hat, daß er sich auch bemüht hat, eine Koordinierung der zahlreichen karitativen Organisationen herbeizuführen, die sich mit Nahosthilfe befassen, und daß er nach einem Besuch Jordaniens Anregungen an die Bundesregierung herangetragen hat mit dem Ziel,
einen nicht unerheblichen Betrag für eine SofortNahosthilfe zur Verfügung zu stellen?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Ja.
Ich habe noch bekanntzugeben, daß folgende Fragen zurückgezogen sind - ich nenne sie nicht ganz in der richtigen Reihenfolge -: 127, 128, 133, 134, 135, 111, 112, 113, 50, 51, 52, 108, 109, 110. Die anderen nicht erledigten Fragen werden schriftlich beantwortet. Damit ist die Fragestunde beendet.
Ich rufe Punkt 13 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Protokoll Nr. 4 vom 16. September 1963 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, durch das gewisse Rechte und Freiheiten gewährleistet werden, die nicht bereits in der Konvention oder im ersten Zusatzprotokoll enthalten sind
- Drucksache V/1679 Schriftlicher Bericht des Rechtsausschusses ({0})
- Drucksachen V/2740, zu V/2740 - ({1})
Der Herr Berichterstatter, der Abgeordnete Bauer ({2}), verweist auf seinen Schriftlichen Bericht.
Ich eröffne die zweite Beratung. Das Wort hat der Abgeordnete Czaja.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Jahr der Menschenrechte, das dieses Haus würdig zu begehen beschlossen hat, und darin Kenntnisse zu verbreiten über die Menschenrechte und die hohe politische Bedeutung des vierten Zusatzprotokolls zur Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten für jedermann, auch für alle Deutschen, veranlaßt mich, einige Ausführungen zu machen.
Anders als bei der allgemeinen Deklaration der Menschenrechte vom 10. Dezember 1948, die nur eine Erklärung ist, handelt es sich bei der Europäischen Konvention um Vertragsrecht, um uns, die Regierung und die Behörden nach der Ratifizierung bindendes überstaatliches Vertragsrecht. Grundgesetz und Vertragstext veranlassen uns also zur Wahrung der Menschenrechte gegenüber jedermann, nicht nur gegenüber deutschen Staatsangehörigen auf Grund des Grundgesetzes oder gegenüber Angehörigen der Vertragsstaaten, sondern gegenüber jedermann, der sich legal im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland aufhält.
Die Bundesrepublik Deutschland unterwirft sich damit der obligatorischen internationalen Gerichtsbarkeit bezüglich der Anwendung der Menschenrechte in ihrem eigenen Souveränitätsbereich. Aber andererseits stellt sich unser Volk auch betont und bewußt in den Schutz der hier als verbindliche Norm präzisierten Menschenrechte. Keine Verbrechen einzelner gegen die Menschlichkeit, keine Haftungspflicht der Staatsnation für Irrtümer und Vergehen ihrer politischen Führung können die Angehörigen unseres Volkes und seiner Gruppen des Schutzes der Menschenrechte entkleiden.
Der Herr Bundesjustizminister hat vor einiger Zeit in einem von tiefem Ernst getragenen Artikel im Bulletin ausgeführt, daß die moderne Demokratie ohne die Grundlagen überpositiven Rechts nicht existieren könne. Durch dieses Ratifikationsgesetz werden abermals in Erweiterung der bisherigen Verträge Regeln des Völkerrechts von den Vertragsstaaten in feierlicher Weise präzisiert und zur verbindlichen Effektivität im Vertragsbereich, also auch bei uns, gemacht. Ihre Anwendung wird einer Kontrolle unterworfen, die der Einzelperson als Rechtssubjekt im Völkerrecht den Weg der Individualbeschwerde an internationale Instanzen ermöglicht.
Mit der Ratifikation durch die Bundesrepublik wird wohl die Zahl der Vertragsstaaten erreicht werden, deren Ratifikationen Voraussetzung für das Inkrafttreten des gesamten vierten Protokolls sind. Obwohl gerade dieses Protokoll für uns Deutsche von größter Bedeutung ist, haben wir uns zeitlich nicht vorgedrängt. Unsere zuständigen Stellen haben sehr sorgfältig, geprüft, ob dabei uns betreffende Rechtspositionen gewahrt sind, und vor allem, ob sichergestellt ist, daß bedeutende Menschenrechte von den Vertragsstaaten als bereits früher geltende Normen des Völkerrechts anerkannt oder ob sie erst vom Inkrafttreten des Protokolls an als wirksam bezeichnet werden. Nachdem durch den umfassenden Bericht der Sachverständigenkommission des Europarates, der als authentischer Kommentar gelten kann, in wichtigen Punkten, insbesondere beim Vertreibungsverbot, festgestellt wurde, daß das jetzige Inkrafttreten des Vertragsrechts in keiner Weise als Rechtfertigung vergangener Verstöße gegen diese Normen ausgelegt werden kann, brachte die Bundesregierung das Ratifikationsgesetz ein.
Mit der politischen Bedeutung des Protokolls hat sich der Auswärtige Ausschuß eingehend befaßt. Neben anderem werden in das Schutzsystem der Europäischen Menschenrechtskonvention ausdrücklich durch das vierte Protokoll einbezogen das Recht auf Freizügigkeit, einschließlich des Rechtes, jedes Land verlassen zu können, das Verbot der Ausweisung des einzelnen und von Gruppen aus ihrem Heimatgebiet und dem Staatsterritorium ihres Heimatstaates, das Recht, in das Staatsgebiet des Heimatstaates jederzeit zurückkehren zu können, und das Verbot der Kollektivausweisung von Ausländern.
Das Recht auf Freizügigkeit und der freien Ausreise wird durch einen fest umgrenzten Tatbestand des gemeinen Wohls und der öffentlichen Sicherheit begrenzt. Meine Damen und Herren, im Zeitalter der Mauer, der Stacheldrahtverhaue und der Todesstreifen, die die Völker und auch unser Volk trennen, wird die Zusammengehörigkeit und Freizügigkeit der Deutschen auf ihrem Staatsgebiet durch
dieses feierliche Bekenntnis vieler europäischer Staaten gestützt. Die Freizügigkeit und die Familienzusammenführung wird dadurch noch nicht erreicht; aber es wird einer Reihe europäischer Staaten ein neuerlicher, feierlicher Rückhalt gegeben, ohne den unsere Politik zur Durchsetzung der Menschenrechte auf weite Sicht nicht bestehen könnte, auf weite Sicht vereinsamt wäre.
Durch die Ratifikation tritt aber noch ein weiteres ein. Nicht nur durch das Grundgesetz und durch eigene politische Entscheidung, sondern durch internationale vertragliche Verpflichtung sind wir gehalten, alles zur Durchsetzung der Freizügigkeit, zur Durchsetzung der Wohnsitz- und Entfaltungsrechte zu tun. Alle politischen Bemühungen unsererseits stehen dadurch im ausdrücklichen Schutz der Vertragsrechte. Wenn wir dies nicht kontinuierlich verträten, wenn wir uns mit der Beschränkung oder Minderung abfänden, würden wir auch gegen unsere internationalen Verpflichtungen verstoßen und sie verletzen. Noch ist nicht ganz Europa unter dem wirkungsvollen Konventionsrecht. Gerade dort, wo wir die obligatorische Gerichtsbarkeit anrufen möchten, geht es noch nicht. Trotzdem ist die Konvention ein politischer Rückhalt wenigstens bei unseren westlichen Nachbarn, wenn wir uns immer wieder auf den Vertretungsanspruch für die Menschenrechte aller Deutschen berufen und auf ihm beharren.
Und ein weiteres. Im Zeitalter der großen Massenvertreibungen ist dem freien Europa erst präsent geworden, was durch lange Zeiten in großen Teilen Europas eigentlich eine unbeachtete und nicht allzu oft gestörte Selbstverständlichkeit war: daß jeder in seinem rechtmäßig innegehabten Wohnsitz verbleiben, sich persönlich und in der sozialen und nationalen Gruppe entfalten, sein Heimatgebiet verlassen und frei dahin zurückkehren kann. Das millionenfache Durchbrechen dieses Wohnsitzrechtes durch Massendeportation und Massenvertreibung hat dazu gedrängt, im zwanzigsten Jahrhundert diese Selbstverständlichkeit in völkerrechtliche Normen zu fassen. Die 2. Haager Friedenskonferenz von 1907, der Artikel 49 des Genfer Abkommens zum Schutz von Zivilpersonen und mehrere andere internationale Akte haben diese frühere Selbstverständlichkeit zur präzisen Norm machen müssen.
Nachdem das vierte Zusatzprotokoll zur Europäischen Menschenrechtskonvention das Verbot der Einzel- und Kollektivausweisung vom eigenen Staatsgebiet und der Kollektivausweisung auch Fremder nochmals feierlich in das europäische Vertragsrecht einbezogen hat, nicht ohne daß es auch gleichzeitig als bereits vorher bestehende Norm des Völkerrechts erklärt wurde, kann uns niemand des Widerspruchs zu verbindlichen Menschenrechten und unveränderbarem überpositivem Recht. bezichtigen, wenn wir eintreten für die ungestörten Wohnsitz- und Entfaltungsrechte auch der Deutschen, unabhängig von allen territorialen Fragen und Grenzregelungen, für das Recht des einzelnen, für das Recht der Familie und des Familienverbandes einschließlich der Nachkommen und auch der durch das Verbot von Gruppenausweisungen geschützten
Gruppe, der der einzelne sich verbunden fühlt. Niemand kann uns des Widerspruchs zu dem bei den freien europäischen Völkern anerkannten Normen des Völkerrechts bezichtigen, wenn wir dort, wo das Recht auf ungestörten Wohnsitz verletzt ist, die Wiedereinsetzung in dieses Recht für alle fordern, die dies wünschen, für sie, für ihren Familienverband und ihre Gruppen, denen sie sich zugehörig fühlen. Im Gegenteil: durch dieses überstaatliche Vertragsrecht ist jeder für die Bundesrepublik Deutschland politisch Handelnde nach Artikel 17 der Menschenrechtskonvention verpflichtet, alles zu unterlassen, was diese Rechte beschränken oder mindern oder sie gar in Frage stellen könnte. Niemand kann mehr auftreten und sagen, das Recht auf den angestammten Wohnsitz, im deutschen Sprachgebrauch oft als das Recht auf die Heimat bezeichnet, sei in großen Teilen Europas nicht nach Inhalt und Umfang fest umrissen und anerkannt. Dies zu belächeln oder zu bagatellisieren bedeutet, die Menschenrechte selbst in Frage zu stellen und zu verletzen und damit leider einem Faustrecht die Bahn zu öffnen.
Noch ist es nicht so weit, daß es dort durchsetzbares Recht ist, wo wir es besonders wünschen würden. Aber der S chutz einer Reihe europäischer Staaten steht auch hinter diesem Anspruch auf Wiederherstellung der freien Wohnsitz- und Entfaltungsrechte der Deutschen ohne Rücksicht auf Grenzen. Dieser Anspruch besteht im Rahmen des Grundgesetzes und unserer vertraglichen Verpflichtungen. Vollmacht, darauf zu verzichten, d. h. auf Menschenrechte und auf unabdingbares überpositives Recht zu verzichten, hat an Stelle der Betroffenen niemand.
In der Präambel hat sich der Entwurf der Beratenden Versammlung des Europarates dabei ausdrücklich auf das gemeinsame Erbe an Rechts- und geistigen Gütern und die gemeinsame Auffassung von Demokratie in Europa berufen. Durch den Sachverständigenbericht wird jede Rechtfertigung von Kollektivausweisungen auch in der Vergangenheit einmütig abgelehnt. Besondere Beachtung verdient, daß die Konvention nicht nur das einzelne Individuum, sondern auch seine Verbindung mit anderen in der Gemeinschaft und Gruppe sieht und schützt und so Menschen- und Gruppenrechte jeder Person zuspricht. Denn niemand soll wegen der Zugehörigkeit zu einer sprachlichen, nationalen, geschichtlich gewordenen Gruppe ausgewiesen werden.
Das neue feierliche Bekenntnis der europäischen Staaten zu den von jeder Staatsangehörigkeit und Grenze unabhängigen Menschen- und Gruppenrechten kann vielleicht auch ein Baustein einer dauerhaften, auf lange Sicht vorzubereitenden und wachsenden europäischen Friedensordnung werden, in der, wie unser Bundesaußenminister am 2. Juli 1967 erklärt hat, es auf praktizierte, nicht auf deklarierte Menschenrechte ankommt, in der, wie er meinte, die Grenzen ihre übertriebene Bedeutung verlieren und an den Schnittpunkten der Völker wirksame europäische Volksgruppenrechte Gegensätze lösen können.
Praktizierte Menschenrechte müssen durch zähe, kluge politische Alltagsarbeit mit langem Atem er8554
reicht werden. Sie fallen uns nicht in den Schoß. Doch muß man sich ihres Umfangs und Inhalts immer bewußt sein und sie immer vertreten. Man darf den geschichtlichen Ablauf an Möglichkeiten zur Verwirklichung nicht übersehen und an den geschichtlichen Möglichkeiten nicht vorbeigehen. Wenn wir uns aber in den Schutz der Menschenrechte stellen, wenn wir sie für alle Deutschen fordern, dann müssen wir mit peinlichster Sorgfalt gegenüber jedermann in unserem eigenen Staatsbereich die Menschenrechte wahren und verteidigen.
Trotz der politischen Sorgen sollten wir die Ratifikation dieses vierten Zusatzprotokolls nicht als einen zerstörerischen Schritt, sondern als eine aufbauende Hoffnung sehen und sie als einen unsere Rechte festigenden Schritt auf dem Wege zu einer auf lange Sicht anzustrebenden europäischen Friedensordnung begrüßen, betrachten und würdigen.
({0})
Das Wort hat der Abgeordnete Rehs.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es bedarf gewiß keiner besonderen Empfehlung mehr, um der Vorlage zur Annahme zu verhelfen. Aber ich möchte die Eingangsausführungen des Kollegen Czaja aufgreifen. Der große moralische und vorwärtsweisende Wert dieser Kodifikation, deren Ratifizierung mit der jetzigen Vorlage durch das Hohe Haus erfolgt, und die vorbildliche Initiative und Leistung hervorragender internationaler Juristen und Politiker, die zu der Gestaltung dieses Protokolls geführt haben, lassen es meines Erachtens auch für uns als ein nobile officium erscheinen, dazu ein besonderes Wort der Würdigung zu sagen.
Die deutsche Delegation der Beratenden Versammlung des Europarates hatte in der Drucksache V/2666 in einer Adresse an die Mitglieder des Hohen Hauses unter anderem aufgeführt:
Im Jahr der Menschenrechte will die Beratende Versammlung des Europarates die Frage der Menschenrechte besonders eindringlich behandeln; sie hat ihre Mitglieder deshalb aufgefordert, in den nationalen Parlamenten ihre Forderungen und Proteste zu unterstützen.
Die Ratifizierung des 4. Zusatzprotokolls zur Europäischen Menschenrechtskonvention in diesem Augenblick gibt dem Hohen Hause Gelegenheit, unbeschadet aller sonstigen geplanten Maßnahmen für das Jahr der Menschenrechte, durch die Vollziehung eines gesetzgeberischen Aktes nicht nur einen beträchtlichen Schritt für die weitere Entwicklung der Menschenrechte zu tun, eine Entscheidung zu treffen, die eine unmittelbare praktische Wirkung für die Realisierung der hohen menschenrechtlichen Ziele der Konvention hat, sondern auch vor aller Welt darzutun, daß wir uns nicht auf Deklarationen beschränken, sondern ernstlich gewillt sind, zu unserem Teil zu der Verwirklichung und dem weiteren Ausbau der Menschenrechte in jeder Weise beizutragen.
Herr Kollege Czaja hat mit Recht auf die besondere Bedeutung des Art. 3 des 4. Zusatzprotokolls hingewiesen. Die zehn Regierungen, die mit uns unterzeichnen, und die skandinavischen Staaten, die bereits ratifiziert haben, helfen uns in einer Auseinandersetzung, die lang und mühsam gewesen ist. Wir helfen, wenn wir ratifizieren und das Zusatzprotokoll in Kraft treten lassen, zahllosen Menschen auf der ganzen Welt.
Das Verbot, Menschen aus ihrem Staat zu vertreiben, ist sowohl an den Staat, dem sie angehören, als auch an jeden anderen Staat gerichtet. Verboten ist also die Austreibung der politisch Andersdenkenden nach einer Revolution oder einem Staatsstreich, aber auch die Austreibung der Bevölkerung eines im Kriege besetzten Gebietes durch die Besatzungsmacht. Verboten ist die Austreibung der Bevölkerung aus einem Gebiet, das ein fremder Staat erobert hat und sich einverleiben will.
Dieser Artikel bestätigt also das, was die deutschen Vertriebenen und alle, die guten Willens waren, immer gesagt haben, daß Vertreibungen überall und auch die Vertreibungen am Ende des letzten Krieges völkerrechtliches Unrecht sind und bleiben. Mit dem Artikel - das darf ich wiederholen - wird nicht etwa neues Recht geschaffen. Die Verbote an den eigenen Staat und an die Besatzungsmacht sind hier nur niedergeschrieben, haben aber schon längst bestanden.
Das sagt auch der Sachverständigenbericht, der den Entwurf des 4. Zusatzprotokolls vorbereitet hat und in der vorliegenden Drucksache mitgeteilt ist. Seine Nr. 33 verhindert jeden Rückschluß dahin, als ob das Vertreibungsverbot neues Recht wäre und die Erlaubheit von Vertreibungen in der Vergangenheit beweisen könnte. Es heißt dá:
Es bestand Einverständnis darüber, daß die Annahme dieses Artikels und des Artikels 3 Abs. 1 in keiner Hinsicht im Sinne einer Rechtfertigung der in der Vergangenheit getroffenen Kollektivausweisungsmaßnahmen ausgelegt werden kann.
Der Vorspruch des Zusatzprotokolls hatte das auch mit den Worten sagen wollen, daß die Unterzeichner entschlossen sind - wörtlich -, „die kollektiven Garantien der Konvention auf andere bürgerliche und politische Rechte auszudehnen, die ebenfalls Teil ihres gemeinsamen Erbes an Geistes- und Rechtsgütern und ihrer gemeinsamen Auffassung von der Demokratie sind".
Dieser Vorspruch ist nur deshalb weggeblieben - man kann das in der Drucksache nachlesen -, weil das erste Zusatzprotokoll auf einen ausführlichen Vorspruch verzichtet hat. Maßgebend aber ist der Vorspruch der Europäischen Menschenrechtskonvention vom 4. November 1950 selbst, der den tiefen Glauben an die Grundfreiheiten, „welche die Grundlage der Gerechtigkeit und des Friedens in der Welt bilden", bekräftigt und das gemeinsame geistige Erbe der europäischen Staaten in Erinnerung bringt.
Aus dem humanitären Kriegsrecht kennen wir das Vertreibungsverbot, seitdem sich der Grundsatz
durchgesetzt hat, daß der Krieg nur zwischen bewaffneten Heeren, nicht gegen die Zivilbevölkerung geführt wird. Die Instruktion der Nordstaaten an die Armee im amerikanischen Bürgerkrieg - also 1863 - verbot in einem Art. 23 ausdrücklich die Deportation der Zivilbevölkerung. Als 1907 auf der zweiten Haager Friedenskonferenz - Herr Kollege Czaja hat darauf hingewiesen - beantragt wurde, die Internierung und Ausweisung der feindlichen Ausländer aus einem kriegführenden Staat zu verbieten, wurde es als selbstverständlich angesehen, daß die Besatzungsmacht die Bevölkerung des besetzten Gebietes weder internieren noch ausweisen dürfe. Eine Übereinstimmung hierüber wurde ausdrücklich im Protokoll des 1. Unterausschusses des 2. Ausschusses festgehalten. Im ersten Weltkrieg sind Deportationen der Zivilbevölkerung als Verstöße gegen das Kriegsrecht gebrandmarkt und in die Listen der Kriegsverbrechen aufgenommen worden. Im deutsch-französischen Waffenstillstand vom 22. Juni 1940 wird die Rückführung der aus Nordfrankreich geflüchteten Bevölkerung geregelt. Polen hat 1942 nicht nur die Rückführung der aus den dem Reich eingegliederten Ostgebieten vertriebenen Polen verlangt, sondern auch die Entfernung der von der deutschen Besatzungsmacht angesetzten Neusiedler. Die Rot-Kreuz-Konvention von 1949 zum Schutz der Zivilbevölkerung verbietet in Art. 49 Abs. 1 die Vertreibung.
Der Satz, der mit dieser Ratifikation kodifiziert wird, ist also langhergebracht. Wenn nun das Recht auf die Heimat im Kriege geachtet werden muß, so doch nur, weil es als allgemeines Grundrecht aufgefaßt wird. Man wird im Krieg nicht mehr Rechte geben, als man im Friedensrecht findet.
Wir haben in der öffentlichen Erörterung hierüber zuweilen die Schwierigkeit gehabt, daß die fremden Sprachen die Vokabel „Heimat" nicht haben, mit dem wir Deutschen sehr kurz den Sachverhalt bezeichnen, den die anderen Völker nicht weniger kennen und achten, wenn sie ihn auch umschreiben. Daraus sind viele Fehlschlüsse gezogen und viele Mißdeutungen in der öffentlichen Diskussion, in der politischen und der wissenschaftlichen Diskussion bei uns entstanden. So ist in der Menschenrechtsdeklaration der Vereinten Nationen von 1948 der Sache nach das Recht auf die Heimat enthalten, wenn die Ausbürgerung untersagt und das Recht eines jeden, in seinen Staat zurückzukehren, bestätigt wird. So ist es auch in den Texten, die die Generalversammlung am 16. Dezember 1966 angenommen hat und die durch die Ratifikation der Staaten förmlich verbindliches Recht werden.
Ich schließe ab und wiederhole: was wir jetzt ratifizieren, sind also keine neuen Bestimmungen, sondern nur Bestätigungen eines Rechts, das ebenso alt und würdig ist wie die klassischen Grundrechte der überlieferten Kataloge. Dieses mit allem Nachdruck bei dieser Gelegenheit auszusprechen, hat sich aus dem Gang der öffentlichen Diskussionen leider als notwendig erwiesen. Wir, die Vertriebenen, die wir immer schon besonders auf dieses Recht, auf das Recht auf die Heimat, hingewiesen haben, wir, die wir es nicht nur für uns gefordert und die wir
uns auf dieses Recht nicht nur für uns berufen haben, sind deswegen nicht nur von der östlichen Propaganda, sondern auch von vielen Schreibern bei uns im Lande angegriffen und geschmäht worden, als ob wir einem Phantasiegebilde nachjagten oder eine Erfindung ad hoc für unsere eigenen Zwecke aufstellten. Dem wird nun Einhalt geboten.
In dem Text, dem wir mit diesem heutigen Gesetz unsere Zustimmung geben, wird eine breite Grundlage geschaffen, die Bekräftigung und Formulierung eines alten Rechtes im Krieg und im Frieden, eines Rechtes, das leider in der ganzen Welt seit 50 Jahren an Millionen Menschen verletzt worden ist, dessen Sicherung aber eine entscheidende Voraussetzung für Frieden und Freiheit in dieser Welt sein wird.
({0})
Das Wort hat der Abgeordnete Ertl.
Herr Präsident! Mein Damen und
Es handelt sich hier bei der Beratung eines Zusatzprotokolls zur Konvention der Menschenrechte um einen sehr wichtigen Bestandteil freiheitlich-demokratischer Politik und Verhaltensweise. Um so merkwürdiger finde ich es, daß sich bei einem solchen Beratungspunkt kein Mitglied der Regierung im Parlament befindet;
({0})
denn das ist eigentlich die Visitenkarte unserer
Politik, und zwar bei Freund und Feind.
({1})
Weder der Kanzler noch der Außenminister noch der Justizminister ist bei der Beratung anwesend. Ich sehe zu meiner Freude wenigstens den Entwicklungshilfeminister kommen und die Regierung vertreten.
({2})
Ich möchte daraus nicht schließen, so wie es heute in der Fragestunde war, daß die Regierung in der Wahrung der Menschenrechte nicht immer mit der nötigen Vitalität und dynamischen Verhaltensweise reagiert, sondern unterstellen, daß die Regierung heute andere Sorgen hat. Dafür könnte ich noch Verständnis haben. Es geht aber nicht an, daß die Regierung bei einem solchen wichtigen Punkt - ich möchte beinahe sagen - durch Zufall vertreten Ist.
({3})
- Jawohl, ein gewichtiger Zufall, würde ich mal sagen.
Die Freien Demokraten begrüßen dieses Dokument, weil sie glauben: nur wenn nach diesen Grundsätzen Politik gemacht wird, können auf die Dauer Frieden, Freiheit und Rechtsstaatlichkeit gesichert werden. Das sind die wesentlichen Maximen einer Politik, die das Leben sichern will und die allen Menschen ein menschenwürdiges Dasein
sichern will. Das bedeutet allerdings, daß sich Unrecht, wie es in vielfältiger Form in diesem Jahrhundert geschehen ist, nie wiederholen darf, und daß Unrecht, das geschehen ist, auch nicht einfach vom Tisch gefegt werden kann.
({4})
- Das muß, Kollege Ehnes, Grundlage einer Politik für alle sein. Ich würde sogar sagen: wer den Frieden in der Welt sichern will, kann nur auf dieser Basis Politik machen.
({5})
Und es ist auch ein Punkt der Glaubwürdigkeit der Demokratie. Hier ist von meinem Vorredner darauf hingewiesen worden, daß es sich hier natürlich auch um das Problem handelt, zu beweisen, ob unsere demokratische Politik echt ist, und zwar in dem Sinne, daß Menschen wirklich ohne Furcht in dieser Welt leben können und auch ohne Furcht ihre angestammte Kultur aufrechterhalten können.
({6})
- Auch in Südtirol! - Das ist eine Frage der Glaubwürdigkeit des Westens und seiner Prinzipien. Der Frieden und die Freiheit und das Recht werden eines Tages in Europa sicherlich nur dann gesichert sein, wenn der Westen' und unsere Freunde und die Unterzeichner mit Nachdruck darauf hinweisen können: Wir haben in unseren Staaten diesen Prinzipien zum Durchbruch verholfen; bei uns wird auf der Basis dieser Prinzipien Politik gemacht. Ich glaube, dann wird sich niemand in der Welt diesen Tatsachen entziehen können. Dann wird die Unfreiheit eines Tages ein Ende nehmen. Es ist sehr wichtig, daß die kulturelle Freiheit gesichert wird, auch für Minderheiten, und daß eines Tages die Minderheiten, die heute noch in Unfreiheit leben müssen, das Recht bekommen, in Freiheit von den Grundsätzen der Selbstbestimmung Gebrauch zu machen.
All das möchte ich hier in Kürze hinzufügen. Hier sind Grundsätze geschaffen worden, die in der Tat dazu dienen können, eine bessere Gesellschaft zu formen, einen besseren Ausgleich unter den Völkern herbeizuführen, die es aber auch ermöglichen, sich in Selbstachtung besser miteinander zu vertragen. Was könnten wir uns heute mehr wünschen als die Aussöhnung, die Aussöhnung auf der Basis des Rechts!
({7})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Mommer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Erfreulichste in den politischen Grundsätzen der Fraktionen dieses Hauses scheint mir darin zu liegen, daß wir alle einig sind, wenn es um die Menschenrechte und die demokratischen Grundfreiheiten geht. Wir haben dem in unserem Grundgesetz Rechnung getragen. Dieses Grundgesetz gibt den Menschenrechten und demokratischen Freiheiten den Rang Nr. 1 unter allen
politischen Werten. Ich finde, daß es notwendig ist, das angesichts einer Propaganda, die sich im Innern entwickelt und die seit langem draußen gegen unser Staatswesen anbrandet, in Erinnerung zu rufen und immer wieder zu unterstreichen, daß es in diesem Lande nichts so Heiliges gibt wie die Menschenrechte und die demokratischen Freiheiten.
({0}) Damit beginnt unser Grundgesetz:
Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.
Das deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten ...
So lautet der Art. 1 unseres Grundgesetzes, und das müssen wir herausstellen. Wenn man sich, wie ich es kürzlich tun mußte, weil man mir einen Vortrag über die Menschenrechte und UNO-Konventionen aufgebürdet hatte, einmal ein wenig darin vertieft und auch einen Vergleich zwischen unserer Verfassung und anderen, auch guten demokratischen Verfassungen anstellt, kommt man zu dem Schluß, daß wir allen Grund haben, auf unser Grundgesetz, auf unsere demokratischen Einrichtungen stolz zu sein.
({1})
Wir haben außer der Vorlage, die wir hier behandeln, auch noch einen anderen Anlaß, die Gelegenheit zu nutzen, ein paar Worte über Menschenrechte zu sagen. Im anderen Teil Deutschlands, den man auch den eingemauerten Teil Deutschlands nennen kann, soll es eine neue Verfassung geben. Am 6. April werden die Menschen dort mit 99,9 % dieser neuen Verfassung zustimmen.
({2})
Ich habe gesagt: zustimmen. Wir wissen aus dem „Dritten Reich" sehr wohl, wie Zustimmungen von 98 und 99 % zustande kommen. Wo es das gibt, ist von vornherein der Beweis des totalitären Staatswesens ohne jede Freiheit geliefert.
Nun, meine Damen und Herren, der Deutsche Bundestag sollte sich eigentlich einmal mit dieser neuen Verfassung der „DDR" beschäftigen. In dem noch geltenden alten Text stehen manche Freiheiten, die auf dem Papier standen. In dem neuen Text werden auch diejenigen, die nur auf dem Papier standen, zum größten Teil noch gestrichen. Ich erinnere auch an ein Recht, das hier in dieser Zusatzkonvention enthalten ist, das Recht auf Auswanderung: im jetzigen Text drüben enthalten, im neuen Text nicht mehr enthalten. Das Streikrecht, das theoretische: im alten Text enthalten, im neuen gestrichen.
Weil das so ist, weil in Deutschland die Menschenrechte eine so hervorragende Rolle spielen müssen - nach dem, was bei uns vorgefallen ist und noch vorfällt -, in Deutschland, für das wir uns in diesem Hause verantwortlich fühlen,
({3})
müssen wir davon reden und auch sehen, was wir tun können, um einerseits der Welt klarzumachen, was die Menschenrechte für uns hier bedeuten, und um ihr andererseits zu zeigen, wie sie in dem anderen Teil Deutschlands, wo die totalitäre Diktatur herrscht, mit Füßen getreten werden. Darüber müssen wir reden.
Darum meine ich auch, daß die Bundesregierung dem Rechnung tragen und da, wo eine Handlungsmöglichkeit besteht, handeln muß.
Gut, wir ratifizieren jetzt dieses Zusatzprotokoll. In der vom Rechtsausschuß beschlossenen Fassung - Drucksache V/2740 - ist vorgesehen, die Bundesregierung zu ermächtigen, die Zuständigkeit der Kommission für Menschenrechte und die obligatorische Gerichtsbarkeit des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte für die Individualbeschwerde anzuerkennen. Das ist eine Ermächtigung. Ich frage die Bundesregierung - und möchte eine Antwort darauf haben -, wann sie von dieser Ermächtigung Gebrauch machen wird. Wir sind es unserem Ruf schuldig, daß sie uns zusagt, unverzüglich davon Gebrauch zu machen.
({4})
Ein weiterer Punkt, der mir in diesem Jahr der Menschenrechte, wie es die UNO benannt hat, sehr am Herzen liegt: Im Dezember 1966 sind in der UNO zwei Konventionen und ein Fakultativprotokoll angenommen und in den Ratifikationsprozeß der Staaten hineingegeben worden. Ich hatte dazu heute die Frage Nr. 126 gestellt, um von der Bundesregierung zu erfahren, wann sie diese Konventionen der Vereinten Nationen den gesetzgebenden Körperschaften zur Ratifikation zuleiten wird. Soviel ich bei meinem - nicht allzu gründlichem - Studium habe erkennen können, steht in diesen Konventionen nichts, was nicht schon in unserem Grundgesetz enthalten wäre. Wenn das so ist - und ich glaube, daß es so ist -, dann sehe ich nicht ein, weshalb wir fünf Jahre brauchen sollen, um zur Ratifikation dieser Konventionen zu kommen.
({5})
Ich meine, die Bundesregierung sollte den Ehrgeiz haben, diese Konventionen noch in diesem Jahr der Menschenrechte zu ratifizieren und in Kraft treten zu lassen.
({6})
Nachdem die UNO diese gute Idee hatte; durch die Erklärung des Jahres 1968 zum Jahr der Menschenrechte die ganze Menschheit auf die Bedeutung der Menschenrechte und Grundfreiheiten - und dazu gehören auch die sozialen Rechte - hinzuweisen, könnten wir noch etwas Zusätzliches tun. Man ist ja durch die Vereinten Nationen angesprochen und könnte eine Antwort geben, und was wäre dafür schöner, Herr Entwicklungsminister, der Sie hier allein die Bundesregierung vertreten, als dies: erstens, daß wir von der von mir zitierten Ermächtigung schnell Gebrauch machten, zweitens, daß wir die Ratifikation schnellstens vornähmen, und drittens, daß wir ein Memorandum über die Menschenrechte in Deutschland an die Vereinten Nationen
schickten?! Ich habe gesagt: Memorandum über die Menschenrechte in Deutschland, nicht nur in der Bundesrepublik Deutschland, sondern in beiden Teilen Deutschlands. Es wäre eine großartige Gelegenheit, eine vergleichende Studie über die theoretischen und praktischen Menschenrechte, über das auf dem Papier stehende und das einklagbare und eingeklagte Menschenrecht, zu machen und sie den Vereinten Nationen zuzuleiten, um der Propaganda, die dort tagtäglich gegen uns betrieben wird, entgegenzuwirken. Diese Propaganda stellt uns doch als einen halbfaschistischen Staat dar, der die Last des „Dritten Reiches" weiter mit sich schleppe und auf dem Weg zu einem vierten Reich, ähnlich der Art des „Dritten Reiches", sei. So lautet doch die Propaganda. Es ist doch ein elementares Interesse dieses Landes, dem entgegenzutreten. Also: Bitte ein Memorandum über die Menschenrechte in Deutschland an die Vereinten Nationen richten!
({7})
Herr Bundesminister, wenn es den Ämtern der Bundesregierung gelänge, dafür auch noch eine dem Durchschnittsmenschen verständliche Sprache zu finden, würde ich empfehlen, dieses Memorandum in Millionenauflage zu drucken und auch in unserem Lande zu verbreiten, vor allem an unseren Universitäten.
({8})
Das Wort der Herr Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte die hier gemachten Vorschläge sofort aufgreifen. Die Bundesregierung teilt die hier vorgetragene Meinung, daß die Konvention der Menschenrechte der Vereinten Nationen dem Hohen Hause so bald wie irgend möglich zur Ratifikation vorgelegt werden sollte. Ich glaube, daß das Jahr 1968, das Jahr der Menschenrechte, dafür ganz besonders geeignet ist. Es wäre gut, wenn es nicht nur hier im Hohen Hause, sondern überall in der Welt und insbesondere in der Bundesrepublik eine große öffentliche Diskussion über diese Frage gäbe.
Ich bin besonders dankbar für die Anregung, den Vereinten Nationen ein Memorandum über die Frage der Menschenrechte in Deutschland, in beiden Teilen Deutschlands, vorzulegen. Die Bundesregierung wird Ihre Anregung, Herr Kollege Dr. Mommer, aufgreifen.
({0})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
Wir treten in die Einzelberatung ein. Ich rufe zunächst den Art. 1 auf, zu dem der Rechtsausschuß die Anfügung eines Abs. 2 beantragt hat, den Sie im Antrag des Ausschusses auf Drucksache V/2740 finden. Dieser Abs. 2 soll lauten:
Die Bundesregierung wird ermächtigt, die Zuständigkeit der Kommission für Menschenrechte
Vizepräsident Schoettle
und die obligatorische Gerichtsbarkeit des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte für die Artikel 1 bis 4 des Protokolls nach dessen Artikel 6 Abs. 2 anzuerkennen.
Wer diesem so erweiterten Art. 1 zustimmt, den bitte ich um ein Handzeichen. - Danke. Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das ist einstimmig beschlossen.
Ich rufe Art. 2, 3, Einleitung und Überschrift auf.
Wer zustimmt, den bitte ich um ein Handzeichen. - Danke. Gegenprobe! - Enthaltungen? - Auch diese Bestimmungen sowie die Einleitung und die Überschrift sind einstimmig angenommen. Damit ist die zweite Beratung beendet.
Wir kommen zur
dritten Beratung.
Wird in der dritten Beratung das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Wir kommen dann zur Schlußabstimmung.
Wer dem Gesetz in der jetzt durch die zweite Beratung erreichten Fassung zustimmen will, den bitte ich, sich zu erheben. - Danke. Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das Gesetz ist einstimmig verabschiedet.
Ich rufe den Punkt 18 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des von den Abgeordneten Gewandt, Wieninger, Dr. Frerichs, Lampersbach, Burgemeister, Dr. Luda, Porten und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb
- Drucksache V/2324 ({0}) Soll der Gesetzentwurf begründet werden? - Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Frerichs.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Gruppenantrag aus der CDU/CSU-Fraktion zur Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb verfolgt das Ziel, den Schutz gegen unlautere Wettbewerbs- und Werbepraktiken zu verstärken, um damit den lauteren Wettbewerb zu fördern und den Verbraucher besser und schneller als bisher vor Täuschungen und Irreführungen bei seinen Kaufentscheidungen zu bewahren. Der Zweck des Entwurfs ist also - auf einen kurzen Nenner gebracht - die Reform des rechtlichen Instrumentariums zur Sicherung des lauteren und fairen Wettbewerbs in der deutschen Wirtschaft. Der Zweck ist nicht - wie fälschlicherweise behauptet worden ist - eine Beschränkung dynamischer Wettbewerbsmethoden.
Die Überlegungen, die zu diesem Antrag geführt haben, sind verbraucherfreundlich und streben einen weiteren Ausbau unserer marktwirtschaftlichen Ordnung an. Es ist kein Geheimnis, daß in den letzten Jahren zunehmend eine Verwilderung der Wettbewerbssitten zu verzeichnen ist, durch die auch viele leistungsfähige Betriebe, insbesondere der mittelständischen Wirtschaft, in arge Bedrängnis geraten
sind. Aus diesem Grunde ist es verständlich, wenn in mittelständischen Kreisen Unruhe darüber herrscht, daß der Gesetzgeber 'einer solchen Entwicklung untätig zusieht, obwohl bekannt ist, daß das jetzige, in vieler Hinsicht so bewährte Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb nicht mehr ausreicht, um neu auftretende Mißstände angreifen zu können. Der bestehende Rahmen des Gesetzes soll also erweitert werden.
Die Antragsteller sind der Meinung, daß dieses aufgezeigte Ziel in doppelter Hinsicht erreicht werden kann: erstens durch eine Ergänzung des in § 3 UWG generell ausgesprochenen Verbots täuschender Werbung mittels einer Reihe kasuistisch gefaßter Sondertatbestände und zweitens durch eine Erleichterung der gerichtlichen Verfolgung von Wettbewerbsverstößen mit Hilfe einer Änderung verfahrensrechtlicher Vorschriften des UWG. Es hat sich fast immer gezeigt, daß in erster Linie die Wettbewerbsmethoden beanstandet wurden, die in ihrem Wesensgehalt zur Täuschung geeignet sind. Zum Teil bestehen aber auch ,erhebliche Schwierigkeiten, bei Wettbewerbsstreitigkeiten die Unrichtigkeit der Werbeangaben nachzuweisen, weil die erforderlichen Beweismittel in der Regel in der Hand dessen liegen, der die Werbung betreibt.
Bevor ich Ausführungen zur Begründung im einzelnen mache, möchte ich für die Antragsteller aus der CDU/CSU-Fraktion erklären, daß wir Änderungen in materiell- und verfahrensrechtlicher Hinsicht voll aufgeschlossen gegenüberstehen, aber den Wunsch haben, daß die Beratungen im federführenden Ausschuß, dem Rechtsausschuß, und im Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen möglichst bald beginnen und zum Abschluß gebracht werden können. Wir jedenfalls werden mithelfen, eine möglichst praktikable und justitiable Fassung dieser UWG-Novelle zu finden.
Nun noch ganz kurz einige Bemerkungen zu den Einzelfragen des vorliegenden Entwurfs. Ziel der Neufassung des Abs. 1 des § 3 UWG ist es in erster Linie, die Beweislast umzukehren, so daß in Zukunft derjenige, der eine für sich günstige Behauptung aufstellt, diese auch beweisen muß. Man sollte diesem Anliegen nicht entgegenhalten, daß damit die zulässige Werbung eingeschränkt werde. Die Werbung - darüber sind wir uns einig - muß unter dem Grundsatz der Klarheit und Wahrheit stehen.. Es kann aber nicht als Verlust angesehen werden, wenn solche Werbemaßnahmen nicht mehr möglich sind, deren Wahrheitsgehalt vom Werbenden selbst nicht nachgewiesen werden kann. Bei der öffentlichen Diskussion über diese Änderung ist mit Recht darauf hingewiesen worden, daß dies eine wichtige und sehr sorgfältig zu prüfende Frage unserer zivilen Prozeßordnung sei. Sie gehöre also nicht in das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, sondern praktisch zu den Überlegungen über eine Reform unserer Zivilprozeßordnung. Wir werden uns bei den Ausschußberatungen im einzelnen darüber zu unterhalten haben, aber die Antragsteller sind der Auffassung, daß die Frage der Beweislastumkehrung bei flagranten Wettbewerbsverstößen neu überdacht werden muß, insbesondere auch deshalb,
weil die höchstrichterliche Rechtsprechung bereits in diese Richtung zielt.
Der Abs. 2 des von uns beantragten § 3 regelt sieben Tatbestände, die in Kreisen der Kaufmannschaft schon seit Jahren, zum Teil sogar seit Jahrzehnten als unlauter empfunden werden. Die Rechtsprechung hat hier jedoch häufig in Verkennung der wirtschaftlichen Zusammenhänge das Unlautere dieser Wettbewerbsmethoden nicht erkannt. Es kommt deshalb für die Beurteilung des Entwurfs nicht darauf an, ob nicht eventuell theoretisch die Möglichkeit bestünde, solche Tatbestände z. B. gemäß § 1 des UWG für unlauter zu halten. In der Praxis sind derartige Theorien eben durch die Rechtsprechung widerlegt. Ohne Gesetzesänderung kann eine Änderung der Rechtsprechung nicht erwartet werden. Es steht aber auch nicht zu befürchten, daß durch die Aufführung dieser Einzeltatbestände nunmehr in verhältnismäßig kurzer Zeit immer wieder eine Ergänzung des Gesetzes notwendig wird. Diese Einzeltatbestände sind von so grundsätzlicher Bedeutung, daß sie nicht in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der normalen Fortentwicklung des Wettbewerbs stehen. Sie sind trotz ihrer Aussage so allgemein wirksam, daß neue, vergleichbare unlautere Wettbewerbsmethoden durch die Rechtsprechung in ihrem Unlauterkeitsgehalt sicherlich erkannt werden können.
Mit § 3 Abs. 2 Nr. 1 soll nach dem Antrag sichergestellt werden, daß niemand seinen Vertragspartner in einer Weise täuschen kann, daß dieser annehmen muß, der Anbieter verwende nur die von ihm vorgelegten Preislisten. Es besteht für die derzeit weit verbreitete Praxis der wahrheitswidrigen Behauptung, man verwende nur eine Preisliste, kein Schutzbedürfnis.
Zu § 3 Abs. 2 Nr. 2: Dieser Tatbestand steht in einem gewissen Zusammenhang mit der soeben erwähnten Nr. 1. Es geht hier darum, daß der Anbieter zwar nicht mehrere Preislisten verwendet, jedoch den Eindruck zu erwecken versucht, er kläre seinen Vertragspartner über seine gesamten Konditionen auf, obwohl er ohne sachlich gerechtfertigten Grund andere Abnehmer günstiger beliefert hat.
Nr. 3 des Abs. 2 betrifft die sogenannten Lockvogelangebote, ein Tatbestand, der bei den Beratungen am meisten umstritten sein wird. Meine Damen und Herren, Lockvogelangebote wurden bereits bisher unter bestimmten Voraussetzungen von der Rechtsprechung als sittenwidrig im Sinne des § 1 UWG angesehen. Die Rechtsprechung hat jedoch einen gewissen Wandel des Begriffs Lockvogelangebot nicht übernommen, so daß es notwendig erscheint, durch den Gesetzgeber die grundsätzliche Bedeutung dieser Wettbewerbsform unmittelbar im Gesetz hervorzuheben. Die Antragsteller sind sich im klaren darüber, wie schwierig die begriffliche Fassung des sogenannten Lockvogelangebots ist, und darüber, daß über das mögliche Verbot von Lockvogelangeboten sehr unterschiedliche Meinungen auch in diesem Hohen Hause bestehen. Wir sind jedoch der Ansicht, daß jetzt der Zeitpunkt gekommen ist, wo sich der Gesetzgeber ernsthaft mit
dieser Wettbewerbsmethode auseinandersetzen sollte.
Zu Abs. 2 Nr. 4: Die Aufklärung der Verbraucherschaft über wirtschaftliche Tatbestände und Zusammenhänge hat bisher nur - geben wir es offen zu! - geringe Erfolge gehabt. Die Nachkriegsentwicklung hat in weiten Bereichen eine Art Pseudowissen entstehen lassen, weil, nicht zuletzt durch die Schwarzmarktzeit, der allgemeine Wunsch entstand, über Beziehungen günstiger einzukaufen. Damit wurde aber nicht nur die sogenannte Rabattsucht heraufbeschworen, sondern es wurde von vielen Seiten versucht, den Verbraucher davon zu überzeugen, daß die Absatzwirtschaft in ihrer Struktur eigentlich überholt sei und man zweckmäßigerweise unmittelbar beim Fabrikanten oder Großhändler kaufen müsse.
Wie bei der Rabattsucht die Angabe der Prozentsätze den Kaufentschluß herbeiführt, so wird in anderen Fällen die Entscheidung im wesentlichen dadurch beeinflußt, daß die Preise als Fabrik- oder Großhandelspreise bezeichnet werden. Die Kritik des Verbrauchers wird hierdurch ausgeschaltet, und damit wird sein sonst natürliches Bestreben, die Preise zu vergleichen, ebenfalls ausgeschaltet. In seiner laienhaften Vorstellung geht er eben davon aus, daß solche Preise wesentlich unter den Preisen des Einzelhandels liegen müssen, und verzichtet auf echte konkrete Preisvergleiche. Nur so ist es erklärlich, daß er auch zu Preisen einkauft, die häufig höher liegen als die üblichen Einzelhandelspreise.
Zu Nr. 5. Die gleiche unterschwellige Werbewirkung wie bei dem eben aufgeführten Tatbestand geht von der Verwendung der Bezeichnungen wie „Großhandel", „Fabrikauslieferungslager" oder „Fabrik" aus. Solche Werbemethoden beruhen auf der Ausnutzung der unrichtigen Vorstellung bei der Verbraucherschaft, daß bestimmte Betriebsformen oder auch ganz bestimmte Vertriebsmethoden günstigere Preise bedingen. Das ist falsch. Es ist genauso unrichtig, zu glauben, daß nur in einer bestimmten Betriebsform oder einer bestimmten Vertriebsart der jeweils günstigste Preis erzielt werden kann. Dafür sorgt schon der Wettbewerb, daß hier nach Möglichkeit die günstigste Preisgestaltung in allen Bereichen erreicht werden kann.
Aus diesem Grunde muß in der Werbung alles vermieden werden, was das Preisbewußtsein des Verbrauchers - ich wiederhole es: das Preisbewußtsein des Verbrauchers - beeinträchtigen könnte.
({0})
Zu Nr. 6. Der sogenannte Kaufscheinhandel ist kein neues Vertriebssystem, sondern nur das System einer unlauteren Werbung. Jeder Unternehmer ist bestrebt, seine Ware an einen möglichst großen Kundenkreis abzusetzen. Er erweckt falsche Vorstellungen, wenn er in seiner Werbung behauptet, er wolle nur an bestimmte Berechtigte verkaufen oder er sei auf einer Wirtschaftsstufe tätig, auf der er grundsätzlich keinen Verkehr mit dem Letztverbraucher betreiben wolle. Er baut demnach für seinen eigenen Betrieb eine psychologische Schranke auf, die nur dem Zweck dient, daß der Inhaber des Kauf8560
seheins den persönlichen Eindruck gewinnen muß, er würde hier besondere Vorteile genießen; denn weshalb sollte er sonst zum Einkauf einer Berechtigung bedürfen? Auch diese Werbemethode stellt es deshalb auf die Ausschaltung des kritischen Preisbewußtseins beim Verbraucher ab.
Ein besonderes absatzwirtschaftliches System kann andererseits im Kaufscheinhandel nicht gesehen werden. Die zwischen 6 und 15 % liegenden Provisionssätze für Kaufscheinausgeber überschreiten in der Regel wesentlich den prozentualen Anteil der gesamten Werbeaufwendungen entsprechender Einzelhandelsunternehmen, so daß, volkswirtschaftlich gesehen, eine echte Verbilligung dieses Vertriebswegs durch die Art der Werbung tatsächlich gar nicht eintreten kann.
Zu Nr. 7. In immer größerem Umfang werden Arbeitgeber, Verbände, Personal- und Betriebsräte in den Warenabsatz eingeschaltet. In der Regel erhalten diese zwar keine Vergütung für ihre Mitwirkung, sie tragen aber dazu bei, daß ihre Betriebsangehörigen oder die Mitglieder die Auffassung gewinnen, das Angebot müsse besonders günstig sein, obwohl die Betreffenden dies weder geprüft haben noch überhaupt haben prüfen können. Zugleich nutzt eine solche Werbung persönliche Bindungen aus. Häufig wird sich der einzelne Betriebsangehörige oder das einzelne Mitglied dem Vermittler gegenüber persönlich verpflichtet fühlen und die angeblich günstige Einkaufsquelle in Anspruch nehmen.
Meine Damen und Herren, die weiteren Vorschriften des Entwurfs dienen in erster Linie dazu, das prozessuale Verfahren wirksamer zu gestalten und das Kostenrisiko auf ein zumutbares Maß zu begrenzen.
Besondere Bedeutung kommt der Ergänzung des § 27 a UWG zu. Damit soll eine Intensivierung der Tätigkeit der Einigungsstellen erreicht werden.
Abschließend darf ich noch einmal sagen, daß dieser Gruppenantrag aus der CDU/CSU-Fraktion die Diskussion im Parlament über die Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb eröffnen soll und daß die Antragsteller besseren Formulierungen gegenüber absolut aufgeschlossen sind.
Ich bitte Sie, meine Damen und Herren, namens der Antragsteller um Überweisung der Vorlage an den Rechtsausschuß - federführend - und an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen zur Mitberatung.
({1})
Damit ist der Gesetzentwurf begründet. Wir treten in die Aussprache ein. Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Reischl.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nachdem Herr Kollege Dr. Frerichs bei der Einbringung des Gesetzentwurfs bereits eine gewisse Selbstkritik geübt hat, kann ich mich wohl kurz fassen. Es wurde ja ausdrücklich das Angebot gemacht, besseren Formulierungen, die in den Ausschüssen gefunden werden, zu folgen.
Ich darf für die SPD-Fraktion zu diesem Gesetzentwurf folgendes erklären. Hinsichtlich des Grundanliegens des Entwurfs stimmen wir völlig mit Ihnen überein. Wir sind schon immer für eine Verstärkung des Verbraucherschutzes eingetreten. Dieser Frage haben wir sogar einmal eine ganze Juristentagung gewidmet. Wir sind froh, daß nun ein Anstoß gegeben ist, eine Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb in dieser Richtung vorzunehmen.
Allerdings zeigt schon die Geschichte des jetzt eingebrachten Entwurfs, daß es sehr, sehr schwierig ist, die verbraucherschützenden Maßnahmen allein durch eine Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb zu erreichen. Es wird sehr sorgfältiger Beratungen in den beiden Ausschüssen bedürfen, um hier eine wirklich brauchbare und wirklich verbraucherschützende Regelung zu erreichen.
Ich will nur wenige Punkte kritisch ansprechen. Außerordentlich problematisch ist die Umkehrung der Beweislast. Ich will mich jetzt gar nicht näher darauf einlassen, ob das in die Zivilprozeßordnung oder ob es als Ausnahmevorschrift für den speziellen Bereich des UWG ins UWG gehört. Wir haben im Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb auch andere zivilprozessuale Vorschriften. Das ist nicht der entscheidende Punkt.
({0})
Entscheidend ist aber, daß durch eine solche Vorschrift jedermann die Möglichkeit gegeben wird, eine einstweilige Verfügung zu beantragen, ohne daß er die darin enthaltenen Behauptungen näher substantiieren muß. Da liegt eine große Gefahr. Ich kenne das aus meiner eigenen richterlichen Erfahrung in Wettbewerbssachen. Die große Schwierigkeit liegt darin, daß das letztlich nicht zu einem Schutz für den kleinen Einzelhändler und für den Verbraucher, sondern zu einem Kampfmittel der Großunternehmen im Rahmen des Wettbewerbs wird. Außerdem liegt in einer solchen einstweiligen Verfügung ein enormes Kostenrisiko. Dazu kommt noch die Kostenvorschußpflicht. Hier wird sich also gerade der kleine Mann, der Verbraucher und der kleine Einzelhändler sehr schwer tun. Wenn wir also das hier so stehenlassen, fürchte ich, daß der Entwurf, um den es hier geht, keinen Erfolg haben wird.
Im übrigen habe ich Zweifel, ob eine Regelung in dieser generellen Form wirklich notwendig ist. In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes wurde ja in dem bekannten Bärenfangurteil schon der Grundsatz aufgestellt, daß im Einzelfall, wenn die Umstände es erfordern, die Beweislast auch umgekehrt werden kann. Es ist immer problematisch, die Rechtsprechung einfangen zu wollen. Mit einer starren Klausel im Gesetz würde man die Flexibilität, die die Rechtsprechung in den neueren Urteilen gerade in der Frage der Beweislast gezeigt hat, wieder nach der anderen Richtung hin umkehren. Wir werden uns das also sehr sorgfältig überlegen müssen. Ich möchte mich auf diese wenigen Bemerkungen zu dieser Frage beschränken.
Was zu § 3 Abs. 2, den Herr Kollege Dr. Frerichs eingehend begründet hat, allgemein zu sagen ist, ist dies: Es wird hier weiter der Versuch gemacht, die Generalklausel des § 1 in einigen wichtig erscheinenden Fällen zu konkretisieren. Ich verkenne nicht, daß da, wo die Rechtsprechung die Generalklausel konstant anders ausgelegt hat, eine gewisse Berechtigung besteht, durch Konkretisierungen die wir ja auch bisher schon in einem gewissen Umfange haben - weitere bestimmte Richtlinien zu setzen. Aber auch hier muß ich sagen, daß große Vorsicht geboten ist, vor allem um die Rechtsprechung nicht in eine andere Richtung zu lenken. Je mehr wir nämlich spezialisieren, desto mehr entwerten wir die Generalklausel. Wir müssen uns also bei der Fassung sehr sorgfältig überlegen, wie wir erreichen können, daß die Rechtsprechung sie nicht so auslegt, als sollten durch diese Konkretisierungen bestimmte andere Dinge aus dem Bereich der Generalklausel ausgeschlossen werden und als solle die Rechtsprechung nun stärker an Einzelbestimmungen gebunden werden. Denn darin liegt die Gefahr, daß der Versuch, die Rechtsprechung flexibel immer wieder an die neue Wettbewerbslage anzupassen, gar nicht mehr in dem Ausmaß unternommen wird, wie das bisher der Fall ist. Man muß also bei den Fassungen sehr darauf sehen, daß diese Richtlinie erhalten wird.
Ein kurzes Wort zu den Kostenbestimmungen und überhaupt zu dem § 22 a. Hier bestehen ganz große Bedenken. Der Verzicht auf Abmahnung, meine Damen und Herren, widerspricht wirklich allen rechtsstaatlichen Grundsätzen; ich bitte um Verzeihung, wenn ich das so hart sage. Daß jemand mit einem Prozeß soll überzogen werden können, ohne daß ihm vorher Gelegenheit gegeben wird, sein gesetzwidriges Verhalten einzustellen, ist einfach nicht annehmbar.
Ähnlich ist es mit der Kostenbestimmung. Soll sie bloß bedeuten, daß es sich um die Kosten der Abmahnung handelt? So kann man es auslegen. Dann ist die Bestimmung eigentlich überflüssig; denn diese Kosten gehören automatisch zu den Prozeßkosten, wenn der Abgemahnte den Prozeß verliert. Soll sie aber bedeuten, daß er die Abmahnungskosten selbst dann tragen muß, wenn er an sich mit seiner Werbung im Recht war, so widerspricht das wieder den rechtsstaatlichen Grundsätzen, und wir können die Bestimmung in dieser Form nicht stehenlassen. Das gleiche ist zu der Kostenbestimmung des § 23 a zu sagen.
Ich darf abschließend sagen, daß unsere Fraktion daran mitarbeiten wird, daß eine Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb erfolgt. Ich habe aber diese kritischen Bemerkungen jetzt bewußt gemacht. Auch wir haben schon seit Monaten Überlegungen angestellt, bis jetzt aber bewußt noch keinen Gegenentwurf eingebracht, weil wir, je mehr wir in die Sache eingestiegen sind, immer mehr gemerkt haben, wie schwierig es ist, durch gesetzgeberische Maßnahmen Peine Rechtsprechung in bestimmte Bahnen zu lenken. Das ist nämlich das Kernproblem des Entwurfs. Ich bin aber überzeugt, daß wir in den Ausschußberatungen - wenn der Wirtschaftsausschuß, der ja mitberatend ist und sein
Votum zuerst abgeben muß, schnell arbeitet, wird der Rechtsausschuß, für den ich als sein stellvertretender Vorsitzender erklären kann, daß er keineswegs überlastet ist, sondern jederzeit in der Lage ist, einen solchen Gesetzentwurf zu behandeln, ebenfalls schnell arbeiten - zu einem guten Ergebnis kommen werden.
({1})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Staratzke.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es war wohl nicht die Absicht, in der ersten Lesung so weit auf diesen Antrag einzugehen; da es aber nun geschehen ist, müssen wir uns, glaube ich, zu ein paar Fragen noch äußern.
Ich darf zunächst bemerken, daß meine Freunde von der Fraktion der Freien Demokraten und ich diesen Antrag grundsätzlich unterstützen werden. Der Herr Kollege Dr. Frerichs hat" ja schon bemerkt, daß er und seine Freunde in der Beratung aufgeschlossen sein werden. Die Tatsache, daß es sich um einen Gruppenantrag handelt, läßt in etwa schon darauf schließen, daß es eben nicht so einfach ist, mit dieser Materie rechtlich fertig zu werden.
Meine Damen und Herren, trotz der Bedenken hinsichtlich der formaljuristischen und prozessualen Fragen - etwa die im Entwurf vorgeschlagene Umkehr der Beweislast - sollten wir nicht eine zu negative Note hineinbringen. Wir werden uns darüber im Wirtschaftsausschuß und im Rechtsausschuß sehr genau unterhalten müssen. Aber diese Bedenken gegen die formaljuristische Seite sollten uns nicht daran hindern, im Kampf gegen den unlauteren Wettbewerb eine gute Tat zu vollbringen.
Man darf sich nicht darüber hinwegtäuschen, daß die mit dem Entwurf angestrebte Novellierung unseres Rechtes gegen den unlauteren Wettbewerb unumgänglich ist. Denn in die Praxis des Einzelhandels, überhaupt des werbenden Handels, haben sich schreckliche Dinge eingeschlichen. Die Gesetzesinitiative trägt einigen in weiten Kreisen der Wirtschaft geäußerten Wünschen nach einer Verstärkung des Schutzes gegen unlauteren Wettbewerb und unlautere Wettbewerbspraktiken Rechnung. Wir sollten daher - ich betone das noch einmal - nicht in den Fehler verfallen, aus rein prozessualen Bedenken diese erforderliche Novellierung etwa zurückzustellen oder langsam zu bearbeiten.
Die Initiatoren haben mit Recht, meine ich, versucht, einen Katalog von Sondertatbeständen herauszustellen, die in der Praxis zu heftiger Kritik geführt haben, und sie haben vor, diese Sondertatbestände in das UWG einzubauen. Hierzu gehören nach meiner Meinung - ich will nichts wiederholen, sondern dies nur noch einmal betonen - vor allem die Fälle täuschender Behauptung bei der Verwendung von Preislisten, die Verbraucherwerbung mit Lockvogelangeboten, die irreleitende Werbung mit der Angabe, Fabrik oder Großhandel zu sein oder zu Fabrik- oder Großhandelspreisen zu verkaufen.
Herr Kollege Frerichs hat auf diese Dinge aufmerksam gemacht. Mißstände sind aber unseres Erachtens besonders auch in der Ausnutzung der in manchen Verbraucherkreisen leider immer noch vorhandenen Bezugscheinmentalität zu finden. In der Ausstellung von sogenannten Kauf- und Berechtigungsscheinen liegt nach unserer Auffassung mehr oder minder ein Trick, mit dem dem Verbraucher ein Sondervorteil vorgespiegelt wird. Richtigerweise müssen wir also überlegen, ob wir in das UWG einen Sondertatbestand einbauen sollen, der Fälle von sittenwidriger Täuschung, fälschlicher Zusicherung der Verbindlichkeit einer Preisliste oder auch nur des Vorhandenseins einer Preisliste umfaßt.
Besonders wichtig erscheint mir - darüber werden wir in beiden Ausschüssen ausführlich sprechen müssen -, in diesem Gesetz eine Abgrenzung zu treffen zwischen legitimen reinen Lockpreisen und unzulässigen, weil täuschenden, Lockvogelangeboten. Die Abgrenzung ist sicher nicht leicht. Aber sie muß getroffen werden. Die Antragsteller - so wurde schon ausgeführt - sind sich in dieser Frage wohl auch einig.
Wir werden diesen Antrag grundsätzlich unterstützen. Wir werden zwar noch sehr viel erörtern müssen, sind aber bereit, im Rechtsausschuß und im Wirtschaftsausschuß mitzuarbeiten.
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Keine weiteren Wortmeldungen.
Meine Damen und Herren, diese Vorlage soll an den Rechtsausschuß als federführenden Ausschuß und an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen zur Mitberatung überwiesen werden. - Kein Widerspruch; es ist so beschlossen.
Nun rufe ich, das Einverständnis des Hauses voraussetzend, die Punkte 19 bis 23 der Tagesordnung zusammen auf:
19. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über Rechte an eingetragenen Schiffen und Schiffsbauwerken, der Schiffsregisterordnung und des Gesetzes über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung
- Drucksache V/2674 -20. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung von Vorschriften der Kostenordnung über den Geschäftswert
- Drucksache V/2738 -21. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 10. Juli 1967 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Thailand zur Vermeidung der Doppelbesteuerung bei den Steuern vom Einkommen und vom Vermögen
- Drucksache V/2629 - 22. Erste Beratung des von den Abgeordneten Dr. Jungmann, Frau Dr. Hubert, Frau Blohm, Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein, Dr. Hammans, Dr. Schmidt ({0}), Lange, Dr. Meinecke und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Arzneimittelgesetzes
- Drucksache V/2572 -23. Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs 'eines Gesetzes zur Änderung des Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetzes
- Drucksache V/2676 -Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Nach den Überweisungsvorschlägen des Ältestenrates sollen die Punkte 19 und 20 an den Rechtsausschuß, der Punkt 21 an den Finanzausschuß, der Punkt 22 an den Ausschuß für Gesundheitswesen und der Punkt 23 an den Innenausschuß überwiesen werden. Einverstanden? - Kein Widerspruch. Die Überweisungen sind so beschlossen.
Ich rufe den Punkt 24 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Entwicklungshelfer-Gesetzes ({1})
- Drucksache V/2696 Zur Einbringung hat das Wort der Herr Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Hohe Haus hat die Bundesregierung am 14. Juni 1967 durch gemeinsame Entschließung aller Fraktionen ersucht, den Entwurf eines Entwicklungshelfer-Gesetzes vorzulegen. Diesem Ersuchen ist die Bundesregierung besonders gern nachgekommen, weil sie dem Dienst von freiwilligen Helfern im Rahmen der deutschen Entwicklungshilfe eine ganz besondere Bedeutung beimißt. Ich benutze deshalb dankbar die Gelegenheit, einige Überlegungen zur Aufgabe der Entwicklungsdienste anzustellen, bevor ich kurz auf die Grundzüge des Gesetzentwurfs zu sprechen komme.
Die annähernd 3000 Entwicklungshelfer, die einen mehrjährigen Dienst in Übersee leisten oder geleistet haben, erfüllen eine für uns alle wichtige Aufgabe. Sie setzen durch ihr Beispiel und die Weitergabe ihres fachlichen Wissens die Menschen in diesen Ländern in den Stand, die Lösung ihrer Probleme selbst in die Hand zu nehmen. Sie leisten damit Hilfe zur Selbsthilfe. Sie tun das, wie wir wissen, mit großem Verantwortungsgefühl und oft unter ungewöhnlich schwierigen Bedingungen. Im Namen der Bundesregierung möchte ich auch an dieser Stelle allen Entwicklungshelfern Dank und Anerkennung für ihre Arbeit aussprechen.
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Der Gedanke des Entwicklungsdienstes verdient aber noch aus einem anderen Grund unsere AufBundesminister Wischnewski
merksamkeit und nachhaltige Beteiligung. Die Jugend in unserem Land - wie in allen Ländern - drängt zur verantwortungsvollen Mitwirkung an der Gestaltung der Gesellschaft. Ihr Drängen artikuliert sich noch in Demonstrationen und Protesten. Wir neigen zu leicht dazu, ihr dabei Unklarheit und Ziellosigkeit vorzuwerfen, ohne uns mit ihr über Zielvorstellungen ernsthaft auseinanderzusetzen. Hier ist eine Aufgabe, die den Wandel unserer Welt, den Wandel unserer Gesellschaften zum Ziel hat, eine wahrhaft revolutionäre Aufgabe, die Protest und Tat verbindet. Ich appelliere deshalb an unsere Jugend, sich an diesem Ziel zu messen; ich appelliere an ihre Bereitschaft zum persönlichen Engagement für den Frieden.
Die Mitwirkung an der Entwicklung der Dritten Welt ist keine einfache Aufgabe. Unsere Beiträge zu ihrer Entwicklung sind weder Wohltätigkeit an armen Nachbarn noch Intervention in unbefriedigende Verhältnisse. Wie immer aber wir unsere Konzepte gestalten, sie müssen sich auszeichnen durch Achtung vor der Würde des Partners und der Eigengesetzlichkeit von Wandlungsprozessen in fremden Kulturen. Wir dürfen keine Mißverständnisse über unsere Motive zulassen. Sie müssen glaubwürdig sein. Diese Glaubwürdigkeit aber ist meßbar an den Menschen, die die Entwicklungshilfe tragen, hier in unserem Land selbst, vor allen Dingen aber draußen.
Das ist das Wesen der personellen Entwicklungshilfe, daß sie eine tragfähige Brücke des Vertrauens schafft, über die beide Seiten zu gehen vorbehaltlos bereit sind. Das ist der besondere Auftrag der Entwicklungshelfer. Hier in der menschlich unmittelbaren Nähe zum Partner bewähren sie sich als das, was ein Afrikaner einmal mit Bezug auf unsere Entwicklungshelfer „das neue Gesicht des weißen Mannes" genannt hat.
Die Idee des Entwicklungsdienstes hat eine erstaunliche Resonanz und Ausbreitung in der Welt gefunden. In über 20 Ländern der freien Welt bestehen mit finanzieller Unterstützung der Regierungen Entwicklungsdienste, die mehrere zehntausend Freiwillige in fast hundert Länder Afrikas, Asiens und Lateinamerikas entsandt haben. Manche Zeichen deuten an, daß sich auch die Länder des Ostblocks bald engagieren werden. In wenigen Jahren ist der Anteil der qualifizierten Freiwilligen an der Gesamtzahl der mit Entwicklungshilfeaufgaben betrauten Kräfte so gestiegen, daß die internationalen Organisationen der Tätigkeit der Freiwilligendienste nicht nur große Aufmerksamkeit schenken, sondern mit ihnen auch sehr ernst zusammenzuarbeiten beginnen. Auch die nationalen Dienste, die, nicht zuletzt durch das Beispiel angeregt, in den Entwicklungsländern selbst entstehen, gehören in dieses Bild.
Im Jahre 1972 wird der Anteil der Jugendlichen unter 15 Jahren in den Entwicklungsländern bei etwa 50 % liegen. Wenn wir unser Vertrauen bei dieser Jugend nicht verspielen, kann die internationale. Solidarität in der Solidarität der Jugend Wirklichkeit werden. Das Wort des Generalsekretärs der Vereinten Nationen, U Thant, der da gesagt hat: „Wir hoffen auf den Tag, da die Jugend aller Länder einen freiwilligen Beitrag zur Entwicklung eines Landes in Übersee oder einer zurückgebliebenen Gegend der eigenen Heimat als normalen Bestandteil der eigenen Bildung und Reifung versteht.", wird dann bald seine Erfüllung finden.
Personelle Entwicklungshilfe ist keine Einbahnstraße. Wir geben nicht nur, sondern wir nehmen auch, und wir sollten uns nicht scheuen, das auszusprechen. Unsere Entwicklungshelfer draußen stehen in einem Abschnitt ihres Lebens, in dem sie ganz besonders aufnahmebereit sind, in dem sie lernen wollen. Wir haben an Rückkehrern erlebt, wie sie diese Chance genutzt haben, wieviel bewußter und reifer sie geworden sind. Sie denken in größeren Zusammenhängen und haben neue Maßstäbe für ihr Urteil gewonnen. Unsere Gesellschaft gewinnt mit ihnen mündigere Bürger. Was wir für die Entwicklungsdienste tun, ist deshalb eine Investition in unsere eigene Gesellschaft.
Aber unsere Erwartungen richten sich nicht nur auf die Entwicklung nach innen. Unser Volk hat noch nicht voll in sein Bewußtsein aufgenommen, daß sich in der Welt von morgen niemand mehr in eine Zuschauerrolle zurückziehen kann. Noch ist nicht allen deutlich, wie eng diese Erde geworden ist, und noch stehen der Erkenntnis von der gegenseitigen Abhängigkeit Ablehnung, Unwissen und Vorurteile gegenüber. Wenn wir unseren Teil dazu beitragen wollen, künftige Katastrophen abzuwenden und den Frieden zu erhalten, brauchen wir Menschen, die uns mit der Glaubwürdigkeit ihrer Gesinnung und der Autorität ihrer Erfahrung helfen, unser ganzes Volk davon zu überzeugen, daß wir handeln müssen. Wir wissen, daß wir dabei auf unsere Entwicklungshelfer bauen können.
Diese Vorstellungen, meine sehr verehrten Damen und Herren, haben die Bundesregierung bei dem Entwurf eines Entwicklungshelfer-Gesetzes geleitet, das Ihnen jetzt zur Beratung vorliegt. Die Bundesregierung sieht die Bedeutung dieses Entwurfs aber vor allem auch darin, daß zum erstenmal in unserer Geschichte die Tätigkeit eines Personenkreises auf dem Gebiet der Entwicklungshilfe auf eine gesetzliche Grundlage gestellt wird. Das wird von all denen als ein echter Fortschritt bewertet, die sich seit vielen Jahren für die Aufgaben der Entwicklungshilfe persönlich engagieren.
Die Bundesregierung hat bei dem Entwurf vor allem einen Grundsatz berücksichtigt, der in dem bereits angesprochenen Verhältnis der Partnerschaft mit den Entwicklungsländern wurzelt. Ausgangspunkt für die Mitarbeit von Entwicklungshelfern kann immer nur der echte Bedarf der Entwicklungsländer sein; ihre Notwendigkeiten liefern uns die Maßstäbe. Mit vollem Recht ist an anderer Stelle einmal davor gewarnt worden, die Entwicklungsländer in erster Linie als „Exerzierplatz" für eine Erprobung unserer Jugend zu betrachten. Sie bedeutet vor allem, daß die Entwicklungshelfer eine abgeschlossene Berufsausbildung haben sollten, die sie in die Lage versetzt, einen wirklichen Beitrag zur Entwicklung des Gastlandes zu leisten. Auch sollten
wir nach den in der Praxis gewonnenen Erfahrungen nicht an dem Mindestalter von 21 Jahren rütteln. Bei allen Trägerorganisationen liegt das durchschnittliche Lebensalter der Entwicklungshelfer sogar wesentlich höher. Wir haben weiterhin gelernt, daß die Mitarbeit in Übersee überhaupt nur dann einen Erfolg verspricht, wenn sie sich über einen längeren Zeitraum erstreckt, der als unterste Grenze mindestens zwei Jahre beträgt.
Die Aufgaben, die die Entwicklungshelfer erfüllen, liegen im öffentlichen Interesse. Oft wird ihre Tätigkeit von politischen Erwägungen beeinflußt. Deswegen hätte es nahegelegen, ihnen einen öffentlich-rechtlichen Status zu geben. Das hätte dazu geführt, daß eigentlich alle materiellen Fragen in dem Entwurf leichter lösbar gewesen wären, weil das besser in „unser System" gepaßt hätte. Ich darf nur auf das Problem der Anrechenbarkeit der Entwicklungshelferzeit im Bereich des öffentlichen- Dienstes hinweisen, die nach dem Entwurf nur für die wehrpflichtigen Entwicklungshelfer vorgesehen ist, eine Regelung, die z. B. der Bundesrat verbessert haben möchte.
Die Rechtsstellung der Freiwilligen ist nicht zu trennen von der rechtlichen Struktur und der gesellschaftspolitischen Zielsetzung der Organisationen, die diese Arbeit tragen. Sowohl der Deutsche Entwicklungsdienst als auch die den beiden Kirchen nahestehenden Einrichtungen sind privatrechtlich strukturiert. Der Deutsche Entwicklungsdienst ist als Modell für die verantwortliche Zusammenarbeit zwischen privaten Kräften und Staat konzipiert worden, deren politische Bedeutung nicht nur auf dem Gebiet der Entwicklungshilfe wächst und die wir deshalb mit allen Kräften fördern sollten. Für diese Struktur spricht aber auch die weitere Erwägung, daß unsere Freiwilligendienste Einrichtungen lebendiger Auseinandersetzungen bleiben oder werden sollten. Sie sind kein Sprachrohr der Regierung, sondern ein Partner, der auch dem kritischen entwicklungspolitischen Engagement der jungen Generation Ausdruck und Wirkungsmöglichkeit geben könnte. Der Gesetzentwurf geht deshalb von einem privatrechtlichen Verhältnis der Entwicklungshelfer zu den Trägerorganisationen aus, einem Rechtsverhältnis eigener Art, das vor allem geprägt ist durch die Motive des Entwicklungshelfers, der seine Arbeit nicht in Erwerbsabsicht leistet und auch keine Leistung erhält, die dem wirtschaftlichen Wert seiner Tätigkeit entspricht. Darin, meine sehr verehrten Damen und Herren, liegt zugleich auch die außerordentlich wichtige Abgrenzung des Entwicklungshelfers von allen anderen Personen begründet, die entweder Aufgaben im Rahmen der Entwicklungshilfe oder in privatwirtschaftlichen Unternehmen in Übersee erfüllen.
Im Zusammenhang mit dieser Abgrenzungsfrage muß ich darauf hinweisen, daß die Bundesregierung leider keinen verfassungsrechtlichen Weg. gesehen hat, das Wahlrecht auch den Entwicklungshelfern zu ermöglichen, die ihren Wohnsitz nach Übersee verlegen.
Die Verantwortung, die die Träger des Entwicklungsdienstes vor allem gegenüber den Entwicklungshelfern zu tragen haben, ist außerordentlich groß. Deshalb können nach dem Entwurf nur solche Organisationen als Träger anerkannt werden, die sich auf diese Aufgaben konzentrieren und die Gewähr dafür bieten, daß sie dieser Verantwortung tatsächlich gerecht werden. Da die Träger nach dem Entwurf mit erheblichen Leistungen des Bundes rechnen können, sollen sie sich auch verpflichten, Entwicklungshelfer nur in solche Vorhaben zu entsenden, die zumindest mit den Grundlinien unserer Entwicklungspolitik im Einklang stehen; dabei werden wir selbstverständlich die besondere Aufgabenstellung der einzelnen Dienste ebenfalls zu berücksichtigen haben.
Im Mittelpunkt .des Gesetzentwurfes steht die soziale Sicherung der Entwicklungshelfer, die deshalb besondere Probleme aufwirft, weil das System der deutschen Sozialversicherung grundsätzlich auf Beschäftigungsverhältnisse im Inland zugeschnitten ist. Der Entwurf strebt diese soziale Sicherheit in einem System an, in ,dem verschiedene Formen aufeinander abgestimmt und zusammengefaßt werden. Der Entwicklungshelfer soll im Ergebnis so gestellt werden, wie es b einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis im Inland ,der Fall wäre. Darüber hinaus aber - und hier liegt eine entscheidende Verbesserung - soll er auch gegen jene Risiken gesichert werden, die für die Entwicklungsländer typisch sind und für ihn eine besondere Gefahr tauch im privaten Bereich darstellen. Der Alltag des Entwicklungshelfers kann kaum vom dienstlichen Bereich getrennt werden, zumal sich der Entwicklungshelfer gerade um den persönlichen Kontakt zur Bevölkerung bemühen soll.
Der Gesetzentwurf sieht vor, daß Entwicklungshelfer nicht zum Wehr- oder Ersatzdienst herangezogen werden, wenn sie Entwicklungsdienst leisten; sobald sie mindestens zwei Jahre Entwicklungsdienstgeleistet haben, soll ihre Pflicht erlöschen, Grundwehr- oder Ersatzdienst zu leisten. Darüber hinaus sollen nach .dem Entwurf künftig auch Wehrpflichtige oder anerkannte Kriegsdienstverweigerer schon vor Vollendung ,des 21. ,Lebensjahres unter bestimmten Voraussetzungen nicht herangezogen werden. Für ,die Annahme und Vorbereitung dieser Bewerber werden wir gemeinsam mit den Trägerorganisationen Grundsätze und Richtlinien anwenden, die sicherstellen, ,daß diese Bewerber nicht nur wesentlich länger und besser vorbereitet werden können, als es seither der Fall war, sondern später auf Grund der tatsächlichen - auch finanziellen - Möglichkeiten nach Übersee entsandt werden können. Je nach den Erfahrungen, die wir dabei gewinnen, werden wir gemeinsam mit dein Hohen Haus zu prüfen haben, ob und inwieweit wir ,diese Möglichkeiten künftig stärker ausweiten wollen. Der Entwurf räumt aber niemandem einen Anspruch ein, Entwicklungsdienst alternativ zum Wehr- oder als Ersatzdienst zu leisten. In jedem Falle müssen die persönliche und fachliche Eignung für die Aufgab e ausschlaggebend, die Trägerorganisationen ihrer Entscheidung über die Annahme eines Bewerbers frei bleiben. Die Träger dürfen auch nicht etwa in die Versuchung geführt werden, ihren Standard um der Erreichung größerer Zahlen willen zu senBundesminister Wischnewski
ken. Ausgangspunkt aller Überlegungen muß auch hier der wirkliche und geprüfte Bedarf der Gastländer bleiben.
Lassen Sie mich abschließend noch auf das Problem ,der Rückgliederung der Entwicklungshelfer zu sprechen kommen, das mir seit Übernahme meines Amtes ganz besonders am Herzen liegt. Nach dem Entwurf sollen die Entwicklungshelfer den vertraglichen Anspruch auf Zahlung einer angemessenen und steuerfreien Wiedereingliederungsbeihilfe erhalten. Diese finanzielle Ausstattung allein wird unzureichend sein, wenn es nicht gelingt, insgesamt die Voraussetzungen für eine möglichst qualifizierte Rückgliederung zu verbessern, die es den Rückkehrern erlaubt, ,die in Übersee gewonnenen Erfahrungen und Kenntnisse bei Wiederaufnahme der Tätigkeit in der Bundesrepublik auch beruflich zu nutzen. Daran besteht ein allgemeines Interesse.
Gerade unter diesem Gesichtspunkt haben wir davon Abstand genommen, eine Regelung ähnlich dem Arbeitsplatzschutzgesetz zu treffen, die dem Entwicklungshelfer lediglich eine Rückkehr zum alten Arbeitsplatz garantiert hätte, ganz abgesehen von der Belastung, die eine solche Bindung vor allem für die kleinen und mittleren Unternehmen der Wirtschaft mit sich bringen würde. Es gilt vielmehr, ganz allgemein in Deutschland die leider noch weit verbreitete Auffassung abzubauen, daß eine längere Tätigkeit im Ausland eigentlich zu nichts Rechtem nutze.
Die Bundesregierung wird sich darum bemühen, für die vor uns liegenden Aufgaben auf dem Gebiet der personellen Entwicklungshilfe schrittweise eine vorausschauende Personalplanung aufzubauen, bei der die Entwicklungshelfer den Grundstock bilden sollen. Wir werden auch der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung empfehlen, dieser Problematik besondere Aufmerksamkeit zu schenken.
Allerdings werden wir nicht darauf verzichten können, daß sich die Entwicklungshelfer selbst auf ihre Rückkehr vorbereiten. Ein Auslandsaufenthalt allein kann ihnen später die Tore nicht wieder öffnen. In unserer Leistungsgesellschaft werden sie auch nach ihrer Rückkehr so wie in Übersee ihre Qualität immer wieder unter Beweis zu stellen haben. Der bloße Anspruch auf bessere berufliche Chancen genügt nicht.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Durch Ihr Ersuchen an die Bundesregierung, diesen Gesetzentwurf vorzulegen, haben Sie selbst zum Ausdruck gebracht, welche Bedeutung und Dringlichkeit Sie der Sache beilegen. Die Bundesregierung würde sich freuen, wenn das Entwicklungshelfer-Gesetz vom Deutschen Bundestag bald verabschiedet werden könnte. Wie die Diskussionen dieser Tage zeigen, geht es der jüngeren Generation darum, ihren Idealismus in Aktionen umzusetzen. Dieser Gesetzentwurf setzt einen Rahmen, der eine freie Entfaltung dieser Kräfte ermöglicht.
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Sie haben die Einbringung dieses Entwurfs gehört. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat die Abgeordnete Frau Dr. Wolf.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Die CDU/CSU-Fraktion begrüßt die Einbringung des EntwicklungshelferGesetzes, das in wesentlichen Punkten dem Auftrag an die Bundesregierung vom 14. Juni 1967 entspricht. Wir sind ebenso wie Herr Minister Wischnewski der Ansicht, daß die Entwicklungshelfer eine außerordentliche Bedeutung haben und daß es notwendig ist, ihre Stellung durch ein solches Gesetz zu sichern.
Beim Vergleich zwischen diesem Auftrag und dem vorgelegten Gesetzentwurf ist festzustellen, daß die beiden ersten Punkte des Auftrags, nämlich die Abgrenzung des Personenkreises und der Tätigkeiten, die unter die Bestimmungen des EntwicklungshelferGesetzes fallen, und die sozialrechtliche Regelung der Behandlung der Freiwilligen, besonders sorgfältig ausgearbeitet sind. Ich glaube, es ist richtig, daß die Abgrenzung der Entwicklungshelfer gegenüber anderen Personen, die in der Entwicklungshilfe tätig sind, so geregelt wird, wie das in § 1 vorgesehen ist, nämlich daß die Personen, die ohne Erwerbsabsicht Entwicklungshilfe leisten, besonders geschützt werden sollen. Allerdings wird es notwendig sein, die Formulierung „ohne Erwerbsabsicht" sehr genau abzugrenzen.
Auch die Bezeichnung der Träger des Entwicklungsdienstes erscheint sinnvoll. Es bleibt allerdings zu fragen, ob es - wie es zur Zeit der Fall ist - nur juristische Personen des privaten Rechts sein sollten oder ob man nicht für die Zukunft auch schon an juristische Personen des öffentlichen Rechts, z. B. an Stiftungen, denken sollte. Aber das wird eine Frage der Beratung sein.
Es ist sicher auch richtig, daß die Entwicklungshelfer in Projekten tätig sein sollen, die mit den Förderungsmaßnahmen der Bundesrepublik für die Entwicklungsländer in Einklang stehen. Meines Erachtens geht es aber zu weit, daß - wie es in der Begründung heißt - diese Vorschrift dahin gehend ausgelegt werden soll, daß entwicklungspolitische und außenpolitische Gründe entscheidend sein müssen; denn es kann sehr wohl sein, daß Entwicklungshelfer gerade dort tätig werden, wo aus außenpolitischen Gründen eine gewisse Zurückhaltung geboten erscheint. Ich darf hier an den Einsatz der Entwicklungshelfer in Tansania erinnern, die in einer Zeit der Meinungsverschiedenheiten zwischen den Regierungen hervorragende Arbeit geleistet haben. So wurde mir bei einem Besuch in Daressalam gesagt, die Entwicklungshelfer des DED und auch die anderen hätten dort das Ansehen Deutschlands in dieser Zeit besonders hochgehalten.
Wichtig ist die Regelung, daß die Träger der Projekte nicht mit den Trägern des Entwicklungsdienstes identisch zu sein brauchen, sondern auch Organisationen im Entwicklungsland sein können.
Außerordentlich wertvoll sind alle Vorschriften über die soziale Sicherung der Entwicklungshelfer. Es sollen ihnen nicht nur dieselben Rechte wie einem Arbeitnehmer im Inland gewährt werden, sondern sie müssen auch vor den typischen Risiken der Entwicklungsländer geschützt werden. Damit werden Unsicherheiten beseitigt, die zur Zeit den Entwicklungsdienst belasten.
Allerdings muß ich nun sagen, daß nach meiner Überzeugung dem dritten Auftrag - Maßnahmen zur Förderung der Wiedereingliederung, der Weiterbildung und des Aufstiegs im Berufsleben nach Beendigung des Dienstes in Entwicklungsländern - etwas weniger gut entsprochen wurde. Herr Minister Wischnewski hat zwar eben hervorgehoben, wie außerordentlich wichtig die Rückgliederung ist, aber die Vorschriften in dem Gesetzentwurf entsprechen dem meines Erachtens nicht. Es gibt eine Bestimmung über die Wiedereingliederungsbeihilfe, aber wir sind uns wohl darüber im klaren, daß diese Beihilfe nicht - oder nicht an erster Stelle - der Wiedereingliederung in den Beruf dienen soll, sondern einen gewissen Nachholbedarf befriedigen muß, den die Entwicklungshelfer bei ihrer Rückkehr erfahrungsgemäß haben, z. B. bezüglich der Beschaffung von Kleidern, Wohnung und ähnlichem.
Meines Erachtens ist es notwendig, daß außer der Bestimmung in § 12, daß dem Entwicklungshelfer Arbeitslosengeld zu zahlen ist, wenn er keine Arbeit findet, eine allgemeine Bestimmung in dem Gesetz enthalten ist, wodurch die Arbeitsverwaltung verpflichtet wird, den Rückkehrern alle Möglichkeiten der Wiedereingliederung und der Berufsförderung zu gewähren. Eine Sicherung des Arbeitsplatzes wäre aus den von Minister Wischnewski genannten Gründen in der Tat nicht sehr sinnvoll, weil die Erfahrungen, welche die Entwicklungshelfer gesammelt haben, ihr Wissen und ihre charakterlichen Eigenschaften in den meisten Fällen so bereichert haben, daß sie eine verantwortungsvollere Tätigkeit übernehmen können.
Die Frage der Rückgliederung beschäftigt aber nicht nur die Entwicklungshelfer selbst in außerordentlichem Maße schon in den letzten Monaten ihrer Tätigkeit im Ausland, sondern unsere ganze Gesellschaft. Ich meine, daß sich an der Art, wie wir alle diese Rückgliederung bewältigen werden, zeigen wird, ob unsere Gesellschaft in dem Entwick lungsdienst die Erfüllung einer Aufgabe sieht, die einem Industrievolk gegenüber den Entwicklungsvölkern aufgegeben ist, oder ob - wie es manchmal den Anschein hat - in dem Entwicklungsdienst nur die Möglichkeit zur Befriedigung persönlicher Wünsche oder sogar einer gewissen Abenteuerlust gesehen wird.
Außerdem ist es meines Erachtens notwendig, daß für gewisse Berufssparten - ich denke hier besonders an die Landwirte - Möglichkeiten geschaffen werden, die ihnen den Durchgang zu anderen im Ausland arbeitenden Organisationen ermöglichen. Dabei denke ich z. B. an die FAO oder auch an die GAWI. Wir haben aus den Debatten der letzten Tage über die Landwirtschaft erfahren, daß die Beschäftigungsmöglichkeiten in der Landwirtschaft bei uns im Inland ständig abnehmen, während wir wissen, daß die Landwirtschaft in den Entwicklungsländern auf Jahre hinaus noch Priorität haben wird.
Dem letzten Auftrag, nämlich das Wahlrecht bei den Wahlen im Geltungsbereich des Grundgesetzes für die Entwicklungshelfer zu sichern, hat nicht entsprochen werden können. Wir haben die Gründe gehört. Sie liegen in dem Bundeswahlrecht, das es anscheinend unmöglich macht, eine solche Vergünstigung einem Personenkreis unter allen im Ausland lebenden Deutschen zu geben.
In der öffentlichen Diskussion scheint die Bestimmung besonders wichtig genommen zu werden, daß Wehrpflichtige, die mindestens zwei Jahre Entwicklungsdienst leisten, von der Verpflichtung zum Grundwehrdienst befreit werden. Es ist richtig, daß damit Forderungen entsprochen wird, die in den letzten Jahren immer wieder vorgebracht wurden und ihren besten Ausdruck in dem Wort gefunden haben, daß Entwicklungsdienst ein Beitrag zum Frieden ist. Ich meine aber, daß es notwendig ist, daß wir ebenso wie Herr Minister Wischnewski hier unterstreichen, daß diese Möglichkeit nur besteht, wenn ein Vertrag zwischen einem Träger des Entwicklungsdienstes und einem Bewerber zustande gekommen ist, weil dadurch gesichert wird, daß die bisherige strenge Auswahl der Entwicklungshelfer aufrechterhalten wird. Im Sinne der partnerschaftlichen Zusammenarbeit mit den Entwicklungsländern ist eine solche Begrenzung absolut notwendig, weil aus der Sicht der Entwicklungsländer eine Hilfe nur gegeben werden kann durch Personen, die dazu fachlich und charakterlich in der Lage sind. Die Einbeziehung der anerkannten Kriegsdienstverweigerer erscheint gerechtfertigt.
Einer Änderung - das ist mein letzter Vorschlag - bedarf allerdings die Vorschrift des § 14, nach der die Anrechnung des Entwicklungsdienstes auf den öffentlichen Dienst nur für Wehrpflichtige möglich ist. Denn damit wären Berliner und alle Frauen von dieser Vergünstigung ausgenommen. Anscheinend hat die Bezugnahme auf das Wehrpflichtgesetz die Einsicht behindert, daß eine solche Anrechnung für jeden Entwicklungshelfer gegeben werden sollte.
Ich schließe mich dem Vorschlag an, den Entwurf an den Ausschuß für Entwicklungshilfe - federführend -, an den Ausschuß für Sozialpolitik und an den Ausschuß für Arbeit zur Mitberatung sowie an den Haushaltsausschuß gemäß § 96 der Geschäftsordnung zu -überweisen.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Kahn-Ackermann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Vorlage dieses Gesetzentwurfs ist für meine Freunde der Anlaß einer großen Erleichterung. Wir sind erleichtert darüber, daß unser Wunsch, der seit den Tagen bestanden hat, als die ersten Entwicklungshelfer ausgereist sind - der Wunsch, für diese jungen Leute das notwendige
Maß an sozialer Sicherung zu schaffen -, nunmehr in Erfüllung gegangen ist.
Ich möchte darüber hinaus der Bundesregierung meinen Dank darüber ausdrücken, daß sie einem Auftrag der Fraktionen dieses Hauses relativ rasch nachgekommen ist, obwohl ursprünglich große Befürchtungen bestanden, daß die für diesen Gesetzentwurf notwendigen Konsultationen zwischen zahlreichen Ressorts der Bundesregierung möglicherweise sehr lange hätten dauern können.
Allerdings wollen wir dabei auch nicht vergessen - ich muß das hier sagen -, daß unter der Mithilfe einer Reihe von Kollegen dieses Hauses im Schoße der Arbeitsgemeinschaft „Lernen und helfen in Übersee" ein Konzept für dieses Gesetz bereits seit langer Zeit vorgelegen hat, und ich freue mich, daß dieses Konzept in der Vorlage, die wir vor uns haben, im wesentlichen erhalten geblieben ist, natürlich gestrafft und auch mit den notwendigen Ergänzungen versehen.
Neben der Erfüllung der den jungen Freiwilligen gegenüber bestehenden Pflicht, dafür zu sorgen, daß ihnen das notwendige Maß an sozialer Sicherung gewährt wird, erwarten wir von diesem Gesetz noch eine andere Wirkung, Herr Minister. Es ist ja kein Geheimnis, daß der ursprüngliche, durch Begeisterung und Idealismus genährte Zustrom an Freiwilligen für den Entwicklungsdienst draußen durch die Erfahrungen nicht nur derjenigen, die zurückgekehrt sind, sondern auch durch Erfahrungen überhaupt, die gesammelt worden sind, ein wenig nachgelassen hat, auch auf Grund der Unvollkommenheit, mit der das Ganze bisher behaftet war. Wir hoffen also, daß die Bestimmungen dieses Gesetzes nunmehr dazu beitragen werden, daß niemand mehr jene Bedenken und Befürchtungen haben muß, die zuweilen, besonders im vergangenen Jahr, von jungen Leuten gehegt worden sind, wenn sie der Gedanke bewegt hat, diese Form von Friedensdunst zu leisten.
Lassen Sie mich aber bei dieser Gelegenheit sagen, daß es auch einige Schwierigkeiten gibt, die wir durch dieses Gesetz nur unvollkommen oder vielleicht gar nicht lösen können. Der in der Hand der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung liegende Prozeß der Rückgliederung zurückgekehrter Entwicklungshelfer in unser Wirtschaftsleben ist ein wenig schwerfällig, um mich vorsichtig auszudrücken. Es ist nicht gut, wenn die jungen Menschen so lange warten müssen, wie das augenblicklich noch der Fall ist, bis sie mit ihren zweifellos wertvollen Erfahrungen wieder in unseren Wirtschaftsprozeß eingegliedert werden können und bis sie diese Erfahrungen an ihrem Arbeitsplatz sich nutzbringend auswirken lassen können.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Herr Kollege, kennen Sie denn eine andere Institution in der Bundesrepublik, die schneller, besser und sachgerechter Arbeitsuchende vermitteln kann, als es die Bundesanstalt tut?
Herr Kollege Haase, ich könnte mir Möglichkeiten vorstellen, daß das schneller und sachgerechter gemacht wird. Ich will aber nicht leugnen, daß sich die Bundesanstalt große Mühe gibt. Aber es ist auch nicht die Tatsache vom Tisch zu bringen, daß dieser Prozeß noch etwas schwerfällig ist. Ich will Ihnen auch gleich sagen, warum er so schwerfällig ist. Das liegt daran, daß sich in unserem Lande die Erkenntnis leider noch unvollkommen verbreitet hat, daß diese jungen Leute für unsere Wirtschaft einen großen Gewinn darstellen. Es ist also nicht so, wie vielfach geglaubt wird, daß diese Menschen, weil sie draußen in Übersee gearbeitet haben, eine Reihe von Techniken möglicherweise nicht so gut beherrschen wie jene, die die ganze Zeit zu Hause geblieben sind. In dieser Hinsicht müssen viele unserer Unternehmungen noch etwas zulernen. Sie müssen lernen, daß es, wenn sie auf den internationalen Märkten mit anderen konkurrieren wollen, außerordentlich wertvoll ist, sich der Erfahrungen solcher junger Leute bedienen zu können.
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Zwischenfrage!
Wäre es, wenn man Ihrer richtigen These folgt, nicht notwendig, die, Praxis, jemanden, der 50 Jahre am gleichen Arbeitsplatz ausgehalten hat, mit einem Bundesverdienstkreuz zu dekorieren, zugunsten der Praxis zu ändern, diejenigen zu dekorieren, die mobil gewesen sind, und nicht mehr diejenigen, die besonders seßhaft waren?
Herr Kollege Moersch, meine persönliche Meinung ist, daß Orden überhaupt überflüssig sind. Ich würde in keinem der beiden Fälle eine solche Auszeichnung vornehmen.
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Sie mögen eine andere Meinung darüber haben; ich bleibe bei dieser Meinung.
Jedenfalls glaube ich, daß, wenn sich dieser Prozeß des Umdenkens in unserer Wirtschaft weiter ausgebreitet haben wird, die Arbeit der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung auch etwas zügiger vor sich gehen wird.
Wir sollten dabei - das möchte ich in diesem Zusammenhang noch einmal ganz deutlich sagen - nicht unterschätzen, ,daß ,das Wirken dieser, wie ich einmal sagen möchte, neuen Repräsentanten unseres Landes draußen in der Berührung mit Menschen, die mit Deutschen normalerweise nicht Kontakt haben können, eine sehr positive Wirkung für unser Land hat. Sie korrigieren in der Berührung mit der Bevölkerung ein, wie Sie wissen, häufig ins Positive und Negative verzerrtes und oft arg schillerndes Deutschlandbild und vermitteln einen Eindruck unseres Landes so, wie es wirklich ist.
Das vorliegende Gesetz beseitigt auch einen anderen Schönheitsfehler nicht, über den der Minister
selbst gesprochen hat und den auch meine Kollegin Frau Dr. Wolf hier kurz berührt hat, den ich aber für gravierend halte. Die jungen Leute draußen dürfen, wie Sie eben gehört haben, nicht wählen. Wenn man sich den Wortlaut dieses Gesetzes vergegenwärtigt, in dem steht, daß sie Friedensdienst für unser Land vernichten - und das erwarten wir ja auch von den Beamten und Angestellten, die draußen für den Bund tätig sind und die wählen dürfen -, ist das eine ungute Sache. Sie teilen ses Los - das möchte sich bei dieser Gelegenheit sagen - mit allen Deutschen, die Angestellte sogenannter Zuwendungsempfänger sind. Ich empfinde es eigentlich als unsinnig, daß wir es uns immer noch erlauben, Grundrechte aus Gründen - wenn wir der Sache wirklich nachgehen - der Steuersystematik zu entziehen. Dass ist nämlich der eigentliche Grund, der sich hinter dieser Wahlrechtsbestimmung verbirgt. Ich Linde, die Bundesregierung sollte sich so bald wie möglich etwas einfallen lassen, um diese unsinnige Diskriminierung überall da, wo sie gegenwärtig noch besteht, zu beseitigen.
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Meine Damen und Herren, dies ist das erste Gesetz, mit dem wir einige notwendige Dinge für eine bestimmte Gruppe von Mitbürgern in Übersee regeln, die nicht nur für unser Land, sondern auch für eine Aufgabe tätig sind, die letztlich nur durch internationale Solidarität bewältigt werden kann.
Einige weitere gesetzliche Bestimmungen - Herr Minister, lassen Sie mich das an dieser Stelle sagen - müßten wohl folgen. Denn ich glaube, daß die Voraussetzung für weitere Gruppen von Mitbürgern, die in mittel- und unmittelbarem Auftrag unseres Landes und seiner Regierung in Übersee tätig sind, höchst unbefriedigend ist und daß die bisherigen Vorstellungen verwaltungstechnischer Art mehr den traditionellen Vorstellungen unserer innerdeutschen Verwaltung entsprechen, aber nicht den Notwendigkeiten, vor die sich die Bundesregierung nun einmal gestellt sieht, wenn sie unser partnerschaftliches Verhältnis zu anderen Ländern so effektiv wie möglich gestalten will. Das Problem ist hier angeklungen. Ich glaube, Herr Minister, es richtig gehört zu haben, daß Sie es in einem Punkt selber erwähnt haben.
Wir werden uns also nicht bloß überlegen müssen, ob diejenigen Entwicklungshelfer, die sich draußen bewährt haben, ihre Erkenntnisse in diesem unmittelbaren Partnerschaftsdienst nutzbringend auch weiter werden verwenden können, sondern wir müssen auch überlegen, ob andere Kategorien von Kräften, die auf dem Gebiet der Entwicklungshilfe tätig sind, besser und systematischer eingeordnet werden können, damit sie nicht laufend der Bedrückung und der Befürchtung ausgesetzt sind, was werden wird, wenn ihre meist kurzfristigen Verträge auslaufen.
Lassen Sie mich noch einmal sagen, Herr Minister: Wir sind sehr froh, daß dieser Gesetzentwurf nunmehr vorgelegt worden ist. Sie haben vorhin die Erwartung ausgedrückt, daß wir die Sache in diesem Hause rasch durchberaten. Sie können versichert sein, daß wir uns das angelegen sein lassen werden.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Freiherr von Gemmingen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nachdem dieser Gesetzentwurf schon eine geraume Zeit anliegt, nachdem er von Herrn Minister Wischnewski in ausgezeichneter Weise kommentiert worden ist, nachdem die Kollegin Frau Wolf und der Kollege Kahn-Ackermann schon das gesagt haben, was auch ich sagen wollte, da also hier eine seltene Einmütigkeit innerhalb der Fraktionen besteht, erlaube ich mir, um nicht noch mehr kostbare Zeit in Anspruch zu nehmen, meine Ausführungen zu Protokoll zu geben.
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Meine Damen und Herren, keine Wortmeldungen mehr in dieser Aussprache. Überweisung an den Ausschuß für Entwicklungshilfe - federführend -, den Ausschuß für Sozialpolitik, den Ausschuß für Arbeit mitberatend und den Haushaltsausschuß gemäß § 96 GO. - Kein Widerspruch; es ist so beschlossen.
Der Punkt 25 wird wegen dienstlicher Abwesenheit des Herrn Bundesaußenministers abgesetzt; er soll nächste Woche beim Einzelplan 05 behandelt werden.
Punkt 26:
Beratung des Mündlichen Berichts des Haushaltsausschusses ({0})
betr. Entlastung der Bundesregierung wegen der Bundeshaushaltsrechnung für das Rechnungsjahr 1964 auf Grund der Bemerkungen des Bundesrechnungshofes
- Drucksachen V/1603, V/2578 Das Wort hat der Herr Abgeordnete Gierenstein als Berichterstatter.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will Ihnen in wenigen Bemerkungen einige Erläuterungen zu der Ihnen vorliegenden Drucksache V/2578 geben, in der die Entlastung der Bundesregierung für das Rechnungsjahr 1964 vorgeschlagen wird.
In Punkt 1 dieser Vorlage empfiehlt der Haushaltsausschuß, die Bundesregierung für das Rechnungsjahr 1964 zu entlasten. Dieses Hohe Haus hat nach Art. 114 des Grundgesetzes die Verpflichtung, für jedes Rechnungsjahr eine Entscheidung über die Entlastung zu treffen. Wenn diese Entscheidung auch diesmal positiv ausfällt, so bedeutet das zunächst nur, daß die Bundesregierung - in diesem Falle der Herr Bundeskanzler und die Bundesminister - nach Vorliegen der Bundeshaushaltsrechnung und der Prüfungsergebnisse des Bundesrechnungshofes keinen Vorwurf wegen der tatsächlichen Wirtschaftsführung erhalten sollen.
Es liegt dem Ausschuß zwar fern, zu verschweigen, daß im unteren Bereich von einzelnen Bediensteten Fehler gemacht worden sind. Die Bereinigung dieser im untergeordneten Bereich festgestellten Fehler wird in Zukunft von den Bundesministern selber in ihrem Bereich vorzunehmen sein. Es ist nicht die Aufgabe unseres Ausschusses, das von uns aus zu tun. Die möglichen Konsequenzen reichen von disziplinarischen Maßnahmen über Schadensersatzforderungen bis zu strafrechtlicher Verfolgung. Der Rechnungsprüfungsausschuß wird sich mit den noch nicht zufriedenstellend abgeschlossenen Fällen in der Zukunft noch befassen und sie aufmerksam beobachten.
Nun zu einigen Vorbehalten, die wir bei der Entlastung gemacht haben. Da bleiben zunächst einmal die Gebiete vorbehalten, auf denen der Bundesrechnungshof seine Prüfungen noch nicht abgeschlossen hat. Das bedeutet die Erwähnung des § 108 Abs. 2 der Reichshaushaltsordnung im Text des Beschlußentwurfs.
Ein weiterer Vorbehalt soll durch die ausdrückliche Bezugnahme auf den Punkt 3 des Vorschlags zum Ausdruck kommen, wonach dem 1. Untersuchungsausschuß zum Komplex Schützenpanzer HS 30 nicht vorgegriffen werden soll. Man kann verschiedener Meinung darüber sein, ob dieser Vorbehalt zur Entlastung für das Rechnungsjahr 1964 notwendig ist, da die Entlastung sich nach Art. 114 des Grundgesetzes nur auf die Bemerkungen des Bundesrechnungshofs, nicht jedoch auf die Denkschrift des Präsidenten des Bundesrechnungshofes gründet. Um auch allerletzte Zweifel auszuräumen, daß die vorgeschlagene Entlastung dem Untersuchungsausschuß nicht vorgreifen will, hat der Ausschuß auch diesen Vorbehalt einstimmig in den Entlastungsbeschluß eingefügt.
In Punkt 2 der Empfehlung des Haushaltsausschusses ist eine Bestätigung der bereits im vergangenen Mai von diesem Hohen Hause vorbehaltlich erteilten Genehmigung der vom Bundesminister der Finanzen mitgeteilten über- und außerplanmäßigen Ausgaben des Rechnungsjahres 1964 enthalten. Nachdem die Prüfung des Bundesrechnungshofs keine abweichenden Feststellungen zu den Sachverhalten ergab, besteht für uns keine Veranlassung,-die endgültige Genehmigung zu versagen. Soweit der Bundesrechnungshof zusätzliche Ausgaben dieser Art festgestellt hat, handelt es sich teils um nur formelle Fehler und ist auch im übrigen dem Bund kein Schaden entstanden. Eine nachträgliche Genehmigung ist auch hier unbedenklich.
Punkt 3 des Vorschlags enthält den von mir bereits erwähnten Vorbehalt zu den Teilen der Denkschrift, die sich mit dem Schützenpanzer HS 30 befassen.
Mit Punkt 4 des Vorschlages will der Ausschuß deutlich machen, daß aus Fehlern der Vergangenheit insbesondere Folgerungen für die Zukunft gezogen werden müssen. Neben der nachträglichen Rechnungskontrolle legt der Ausschuß auf diese Zukunftswirkung ganz besonderen Wert.
Die bedauerliche Feststellung, daß die Verwirklichung der vom Bundesrechnungshof gegebenen und vom Haushaltsausschuß gutgeheißenen Anregungen keine Selbstverständlichkeit ist, hat gerade die vorliegende Denkschrift wieder einmal gezeigt.
So hatte der Bundesrechnungshof bereits in einer früheren Denkschrift, im Jahre 1962, auf die Notwendigkeit einer verstärkten Aufsicht über das Haushaltsgebaren der Knappschaften hingewiesen. Bei der Beratung dieser Denkschrift hatte der Rechnungsprüfungsausschuß in seiner Sitzung vom 8. März 1963 festgestellt, daß die Tatsache, daß der Bund das volle Defizit der knappschaftlichen Rentenversicherung tragen müsse und aus dieser Defizithaftung bereits mehr als die Hälfte ihrer Ausgaben decke, es dringend erforderlich erscheinen lasse, daß eine Änderung der gesetzlichen Vorschriften erfolge, die dem Bund eine Einflußnahme auf das Haushaltsgebaren der Versicherungsträger der knappschaftlichen Rentenversicherung gewährleisten müsse. Der Ausschuß hatte damals die Bundesregierung aufgefordert, bis Mitte 1964 einen entsprechenden Gesetzentwurf vorzulegen. Die Angelegenheit wurde bei der Bundesregierung leider nicht mit dieser notwendigen Dringlichkeit behandelt.
Eine erneute Prüfung bei den Knappschaften, über die die vorliegende Denkschrift berichtet, bestätigt um so mehr, daß die Rechnungslegung der Knappschaften erhebliche Mängel aufweist. Verschiedene Fehler bei der Abrechnung der Bundeszuschüsse mit der zufälligen Tendenz, die Zuschüsse über den gesetzlichen Rahmen hinaus zu erweitern, haben den Bund Millionenbeträge gekostet. Erst in letzter Zeit, nämlich im Rahmen des Finanzänderungsgesetzes 1967, wurde ein Anfang für eine organisatorische Neuordnung gemacht. Das Gesetz sieht die Bildung einer Bundesknappschaft vor. Noch fehlt aber das dazugehörige Organisationsgesetz, und eine Reform des Ersten Buches der Reichsversicherungsordnung, durch die der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung ermächtigt werden soll, das Haushalts-, Kassen- und Rechnungswesen der Knappschaften verbindlich zu regeln, ist bisher nur in der Planung des Ministeriums vorhanden. Wir halten diese Gesetze für so dringend notwendig, daß alles daran gesetzt werden sollte, sie noch in dieser Legislaturperiode zu verabschieden.
Ich möchte schließlich Ihre Aufmerksamkeit noch auf drei Punkte lenken und wenige Bemerkungen dazu machen.
Ein konkreter Fall gibt uns Veranlassung, die Praxis der Landbeschaffung neu zu überdenken. Die Erfahrung hat gezeigt, daß derjenige, der den längeren finanziellen Atem hat, in der Regel bei einer Enteignung besser fährt, als der andere, der diese finanziellen Mittel nicht besitzt. Es kommt also darauf an, hier eine neue Regelung zu finden. Wenngleich diese Anregung nicht geeignet ist, dem Bund Ausgaben zu ersparen, erscheint es aus sozialen Gründen doch, glaube ich, gerechtfertigt, diese Bemerkung hier im Zusammenhang mit der Rechnung 1964 zu machen.
Was ich Ihnen hier vorgetragen habe, waren im wesentlichen die Anliegen, die ihre Regelung durch Gesetz erfahren müssen. Die Folgerungen aus anderen Bemerkungen können kraft der eigenen Organisationsgewalt der Bundesregierung von der Verwaltung selbst verwirklich werden. Hier geht es um Dinge wie das Ausräumen von rechtlichen Meinungsverschiedenheiten unter den Ressorts, die organisatorische Vereinigung unnötig zweigleisig laufender Verwaltungsaufgaben und den Erlaß neuer Richtlinien oder die Verbesserung beistehender Richtlinien. Es würde zu weit führen, alle diese Fälle zu erläutern. Aber auf diese Punkte wollte ich hinweisen, weil ich der Meinung bin, daß sie hier im Hohen Hause besprochen werden sollen.
Der Bundesrechnungshof hat uns mit dieser Vorlage wiederum eine Fülle von Erkenntnissen und Anregungen gegeben. Es ist unser Wunsch, daß die Bundesregierung zur Steigerung der Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung dieses Material sorgfältig auswertet:
Ich bitte das Hohe Haus, dem Ausschußbeschluß beizutreten und der Bundesregierung für das Jahr 1964 in der Form des Ihnen vorliegenden Beschlusses die Entlastung zu erteilen.
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Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat Herr Abgeordneter Jürgensen.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zwischen dem Schluß des Haushaltsjahres 1964 und der heutigen Beratung über die Entlastung der Bundesregierung liegen wieder mehr als drei Jahre. Der Rechnungsprüfungsausschuß des Haushaltsausschusses hat sich laufend bemüht, eine möglichst zeitnahe Beratung und Verabschiedung zu erreichen. Eine noch schnellere Behandlung im Plenum scheint aber nach den bisherigen Erfahrungen kaum möglich zu sein. So hat beispielsweise der Herr Bundesminister der Finanzen die Haushaltsrechnung für das Jahr 1964 dem Bundesrechnungshof erst im Jahre 1966 zuleiten können. Die Prüfung durch den Bundesrechnungshof, die Erstellung des Berichts und die Beratung der Prüfungsergebnisse im Rechnungsprüfungsausschuß erfordern ihre Zeit. Viel schneller wird es also nicht gehen. Schließlich glaube ich feststellen zu können, daß wir gegenüber den vorhergehenden Jahren doch schon einige Monate erreicht haben.
Bei früheren Beratungen ist immer wieder gesagt worden, daß die prophylaktische Wirkung der Prüfung eine sehr große Bedeutung hat. Ich glaube, die vorbeugende Wirkung ist größer als die Ergebnisse, die sich in Mark und Pfennig ausdrücken lassen. Dafür möchte ich nur ein ganz kurzes Beispiel anführen. In früheren Jahren hat der Bundesrechnungshof immer wieder die aufwendige und unzweckmäßige Planung und Durchführung von größeren Bundesbauten beanstandet. Der Rechnungsprüfungsausschuß hat sich diesen Beanstandungen mit großem Nachdruck angeschlossen. Der Erfolg ist nicht ausgeblieben. Wir haben solche Beanstandungen beispielsweise in der Haushaltsrechnung 1964 nicht mehr zu verzeichnen.
Meine Damen und Herren, aus der Fülle der Beanstandungen des Bundesrechnungshofes möchte ich nur einen einzigen, besonders schwerwiegenden Fall herausgreifen, der u. a. auch in einer vertraulichen Sitzung des Rechnungsprüfungsausschusses behandelt worden ist. Ich habe mir sehr reiflich überlegt, ob ich zu dieser Frage hier im Plenum sprechen sollte. Nachdem aber der Bundesrechnungshof sich geäußert hat, nachdem auch die Presse, wie ich anerkennen möchte, in sehr zurückhaltender Weise sich mit dieser Frage beschäftigt hat, meine ich, daß das Plenum nicht so tun kann, als ob nichts passiert wäre. Ich bin also zu dem Ergebnis gekommen, daß auch im Plenum über diesen Fall ein offenes Wort gesprochen werden sollte. Ich werde mich bemühen, das behutsam und mit aller gebotenen Zurückhaltung zu tun, die schon im Interesse der Betroffenen erforderlich ist.
Um was geht es? Seit 1965 - in dem Prüfungsbericht des Rechnungshofes für 1964 ist darüber nur ein kurzer Absatz enthalten - ermitteln die Zollfahndungsstellen in Hamburg, in Kiel, in Bremen und in Hannover gegen leitendes Personal der Bundesmarine. Von den Ermittlungen sind fast alle jüngeren Offiziere und etwa die Hälfte der Bootsmänner der Bundesmarine betroffen. Die Ermittlungen haben ergeben, daß auf fast allen Schiffen der Bundesmarine zoll- und steuerfreie Waren, darunter insbesondere Zigaretten und Spirituosen, bestimmungswidrig verwendet werden. Die Einzelheiten sind mir bekannt. Ich möchte es mir aber versagen, sie näher darzulegen. In einigen Fällen werden auch Vermögensdelikte zu Lasten des Bundes vorliegen. Darüber werden aber nicht die Behörden der Zollverwaltung, sondern die ordentlichen Gerichte zu entscheiden haben.
Ich meine, daß die Beamten der Zollfahndung für ihre schnelle und, wie ich .glaube, lückenlose Aufklärung dieser Fälle Anerkennung verdienen. Das sollten auch die Angehörigen der Bundesmarine einsehen. Wenn sich nämlich die Aufklärung noch weiter verzögert hätte, wären die finanziellen und strafrechtlichen Folgen für die Betroffenen noch viel schwerer gewesen, als sie es heute ohnehin sind. Meine Damen und Herren, vor dem Gesetz sind alle Staatsbürger gleich. Die Angehörigen der Bundesmarine werden also die Steuer-, die zollrechtlichen und in Einzelfällen auch die strafrechtlichen Folgen ihrer Handlungsweise zu ertragen haben. Sie sind insoweit nicht besser zu behandeln als zivile Steuersünder.
Wir müssen aber auch erkennen, daß es sich bei den Angehörigen der Bundesmarine, also bei den jungen Offizieren und bei den Mannschaften, nicht um professionelle Steuersünder und Schmuggler handelt. Sie sind also auch nicht schlechter zu behandeln als zivile Täter. Man muß dabei wissen, daß es in einzelnen Fällen zu Kurzschlußhandlungen gekommen ist, also zu einer menschlichen Tragödie.
Ich begrüße es deshalb ausdrücklich, daß sich das Bundesverteidigungsministerium und das Bundesfinanzministerium in verständnisvoller Zusammenarbeit bemüht haben, die Folgen für die Betroffenen in erträglichen Grenzen zu halten. Dem Gesetz muß selbstverständlich Genüge getan werden. Man sollte sich aber weiter bemühen, die Vernichtung der bürgerlichen Existenzen und unter Umständen auch die Störung der Laufbahn bei der Marine zu verhindern. Ich bin der Auffassung, daß die bisherigen Bemühungen fortgesetzt werden sollten, die ohnehin sehr schwere Lage der Betroffenen menschlich zu erleichtern.
Ich möchte mich zu diesem Komplex, zu dem noch sehr viel mehr zu sagen wäre, mit diesen wenigen Ausführungen begnügen.
Nun zu der Frage der Entlastung. Herr Kollege Gierenstein hat als Berichterstatter schon darauf hingewiesen, daß die Bundesregierung für den Komplex Schützenpanzer HS 30 keine Entlastung bekommt. Das war die einstimmige Auffassung des Rechnungsprüfungsausschusses. Das war auch die Auffassung des Haushaltsausschusses. Insoweit können wir also beruhigt sein, daß dieser Komplex von der Entlastung ausgenommen ist.
Aber, meine Damen und Herren, die sozialdemokratische Fraktion stand zu der Bundesregierung des Jahres 1964 in Opposition. Es ist deshalb nur folgerichtig, daß wir der damaligen Bundesregierung für das Jahr 1964 die Entlastung nicht erteilen können. Weil aber unter Umständen die jetzige Bundesregierung eine Verweigerung der Entlastung durch das Parlament auszubaden hätte, sind wir bereit, uns bei dieser Abstimmung der Stimme zu enthalten.
Das Wort hat der Herr Abgeordneter Althammer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als Vorsitzender des Rechnungsprüfungsausschusses muß ich einen Punkt richtigstellen, den mein Vorredner soeben erwähnt hat. Der Kollege Jürgensen hat nämlich gesagt, daß für den Teil Schützenpanzer HS 30 keine Entlastung erteilt worden sei. Ich muß hier feststellen, daß sich dieser Teil nicht in den Bemerkungen befindet, auf Grund deren Entlastung zu erteilen ist, sondern lediglich in den Erläuterungen außerhalb der eigentlichen Entlastung, so daß keine Veranlassung bestanden hat, über die Frage der Entlastung oder Nichtenlastung in diesem Zusammenhang zu befinden. Ich glaube, diese Richtigstellung war notwendig.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Moersch.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei der Sache, um die es hier geht - Herr Dr. Althammer hat sie soeben aufgegriffen -, nämlich der Frage der Entlastung für die Beschaffung des Schützenpanzers, handelt es sich im Gegensatz zu der Meinung, die hier von dem Kollegen der SPD vorgetragen worden ist, nicht um eine Sache des Jahres 1964 - das ist der Bericht, auf den sich die Sache bezieht -, sondern die Beschaffungsvorgänge, die der Untersuchungsausschuß zu klären hat - und vielleicht nicht klären kann -, liegen in den Jahren 1958 und 1957 in der Amtszeit des Ministers Strauß, des Staatssekretärs Rust und am Anfang auch des Ministers Blank, also in einer Zeit, als die FDP der Regierung ebensowenig angehörte wie die SPD. Das möchte ich hier nur zur Richtigstellung sagen, damit keine falschen Eindrücke entstehen.
Ich möchte hinzufügen, daß damals im Unterausschuß Beschaffungswesen die Regierungsmehrheit, der weder die SPD noch die FDP angehört haben, dieser Beschaffung zugestimmt hat, und zwar unter Voraussetzungen, bezüglich deren Fragwürdigkeit die Klärung noch herbeigeführt werden muß, über die eine zureichende Klärung noch nicht erreicht ist. Ich sage das, damit hier zur Geschichtsschreibung nichts Falsches beigetragen werden kann; denn es handelt sich tatsächlich um einen so langen Zeitraum, daß wir mehr von Geschichtsschreibung als von aktueller Prüfung sprechen müssen. Leider, das bedauern wir. Aber es war notwendig, das hier ganz deutlich zu sagen, nachdem sich auch Herr Dr. Althammer veranlaßt fühlte, ein milderes Licht auf die Vorgänge zu werfen, als es der Kollege von der SPD tat.
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- Sie haben von der Entlastung gesprochen. Da der Bundesrechnungshof ziemlich deutlich die Frage des Regreßanspruchs aufgeworfen hat, muß hier das Wort Entlastung entsprechend relativiert werden. Das wollte ich hier getan haben.
({1})
Keine weiteren Wortmeldungen. Abstimmung über den Antrag des Ausschusses. Wer zuzustimmen wünscht, gebe bitte ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Antrag des Ausschusses ist bei einer Anzahl von Enthaltungen angenommen. Die Entlastung ist damit erteilt.
Ich rufe Punkt 27 der Tagesordnung auf:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Innenausschusses ({0}) über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Rawe, Windelen, Hermsdorf, Opitz, Dr. Pohle, Franke ({1}), Dr. Rinsche, Lampersbach und Genossen zur dritten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1967
hier: Haushaltsgesetz 1967
- Umdruck 270, Drucksache V/2680 Ich frage den Herrn Berichterstatter, Herrn Abgeordneten Gscheidle, ob er das Wort wünscht. - Er verzichtet.
Ich eröffne die Aussprache. Wird das Wort gewünscht? - Das Wort wird nicht gewünscht.
Präsident D. Dr. Gerstenmaier
Wer dem Antrag des Ausschusses zuzustimmen wünscht, gebe bitte ein Zeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen.
Ich rufe Punkt 28 der Tagesordnung auf:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für das Bundesvermögen ({2}) über den Antrag des Bundesministers der Finanzen
betr. nachträgliche Mitteilung über die Veräußerung des Steinbruchs Kälberberg in Recke ({3}) an die Firma Hollweg, Kümpers und Co. in Rheine ({4})
- Drucksachen V/2530, V/2734 Ich frage den Herrn Berichterstatter, Herrn Abgeordneten Strohmayr, ob er das Wort wünscht. - Der Herr Berichterstatter verzichtet.
Wird das Wort gewünscht? - Keine Wortmeldungen.
Wer dem Antrag des Ausschusses zuzustimmen wünscht, gebe bitte ein Zeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen.
Ich rufe Punkt 29 der Tagesordnung auf:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ({5})
über den Antrag der Abgeordneten Wächter, Dr. Effertz, Logemann, Reichmann, Peters ({6}) und Genossen und der Fraktion der FDP
betr. Exportförderung von Milcherzeugnissen
über den Antrag der Fraktion der FDP
betr. Erzeugerrichtpreis für Milch
über den Antrag der Abgeordneten Wächter, Dr. Effertz, Logemann, Ertl, Sander, Reichmann, Walter und Genossen und der Fraktion der FDP
betr. Gemeinsame Marktordnung für Milch und Milcherzeugnisse
- Drucksachen V/1866, V/1967, V/2100 ({7}), V/2741, zu V/2741 -Berichterstatter: Abgeordneter Ehnes
in Verbindung damit
Bericht des Haushaltsausschusses ({8}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung
über den Antrag der Abgeordneten Wächter, Dr. Effertz, Logemann, Reichmann, Peters ({9}) und Genossen und der Fraktion der FDP
betr. Exportförderung von Milcherzeugnissen - Drucksache V/2742 Berichterstatter: Abgeordneter Röhner
Ich frage den Berichterstatter Herrn Abgeordneten Röhner, ob er das Wort wünscht. - Der Herr Berichterstatter verzichtet.
Ich frage den Berichterstatter Herrn Abgeordneten Ehnes, ob er das Wort wünscht. - Herr Berichterstatter Ehnes verzichtet.
In der allgemeinen Aussprache hat der Herr Abgeordnete Dr. Rinderspacher das Wort.
Herr Präsident, meine Damen und Herren, im Auftrag der Fraktion der Sozialdemokratischen Partei habe ich folgende Erklärung abzugeben. Für die Fraktion der Sozialdemokratischen Partei ist es selbstverständlich, daß sie alle Maßnahmen und Bestrebungen unterstützt, die der deutschen Milchwirtschaft förderlich sind. Dazu wurde im Rahmen der Debatte über die Große Anfrage der sozialdemokratischen Fraktion zur Milchpolitik Mitte November vorigen Jahres von uns eine ganze Anzahl konkreter Vorschläge vorgetragen. Leider fanden sie nicht die nötige Beachtung und wurden sachlich kaum diskutiert. Allerdings hat die FDP-Fraktion dann zu diesem Thema drei Anträge gestellt, die im Ausschuß in einem Antrag Drucksache V/2741 zusammengefaßt wurden. Der Beschluß des Ausschusses findet, soweit er realistisch ist, unsere volle Zustimmung. Andererseits wird aber, wie unter Punkt 3 a, der Bundesregierung eine Verpflichtung auferlegt, von der jeder Einsichtige weiß, daß die Bundesregierung sie nicht erfüllen kann. Die SPD-Fraktion ist nicht bereit, weiter Hoffnungen der Milchwirtschaft zu pflegen, von denen man bei realistischer Prüfung der Sachlage erkennen muß, daß sie unerfüllbar sind.
Es ist unseres Erachtens heute dringend geboten, verschwundenes Vertrauen in die deutsche Agrarpolitik zurückzugewinnen. Mit solchen Anträgen ist das aber nicht möglich. Der deutschen Milchwirtschaft kann nur dienlich sein, wenn sie sich in nüchterner Erkenntnis der Wettbewerbssituation nach dieser ausrichtet.
Die Fraktion der Sozialdemokratischen Partei wird sich aus diesen Gründen bei der Abstimmung der Stimme enthalten.
Herr Abgeordneter Ertl!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir hätten das Wort zu diesem Tagesordnungspunkt nicht ergriffen, wenn der Kollege Rinderspacher hier nicht diese Erklärung abgegeben hätte. Ich möchte gleich noch zu diesem Punkt 3 a Stellung nehmen. Es heißt hier in dem Bericht:
keiner Regelung zuzustimmen, die zu einer ersatzlosen Aufhebung des im Milch- und Fettgesetz vom 28. Februar 1951 verankerten Systems der Festsetzung von Einzugs- und Absatzgebieten der Molkereien führt, ...
Wir sagen nicht, daß das unbedingt beibehalten
werden muß, sondern sagen, daß keine ersatzlose
Aufhebung erfolgen sollte. Das ist eine Lösung für
ein sehr wichtiges Problem, die wir im Interesse der Verbraucher wie der Erzeuger finden müssen. Diese Lösung hat sich bewährt. Herr Kollege Rinderspacher, das ist ein Auftrag an die Bundesregierung. Das entspricht im übrigen auch einer Zusage des Herrn Bundesministers Höcherl, der wiederholt darauf hingewiesen hat - auch in der Antwort auf Ihre Anfrage -, daß er sich hier um eine Lösung bemühen will und dafür einsetzen will, die nicht zu einem neuen Chaos auf dem Milchmarkt führt. Und wenn Sie sich die Frage überlegen und an die Erfahrungen aus den dreißiger Jahre denken, müssen Sie erkennen, daß der Verbaucher und der Erzeuger ein Interesse an stabilen Marktverhältnissen haben. Ich glaube, es kann nicht der Sinn einer EWG-Milchmarktpolitik sein, zu chaotischen Marktzuständen zu führen. Das wollen wir nicht. Daher ist dieser Passus berechtigt.
Im übrigen darf ich namens meiner Fraktion den anderen Fraktionen danken, daß sie sich im Ausschuß weitgehend unserer Meinung angeschlossen haben. Sie sehen, daß die Opposition durchaus in der Lage ist, zu einer gemeinsamen Basis zu führen, damit der Bundesernährungsminister in Brüssel gute Agrarpolitik machen kann. Das war der Sinn unserer Initiative. Wir glauben, daß diese Initiative notwendig war; wir begrüßen diese gemeinsame Haltung und werden deshalb den Anträgen und dem Bericht zustimmen.
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Keine weiteren Wortmeldungen. Abstimmung. Wer diesem Antrag des Ausschusses zuzustimmen wünscht, gebe bitte ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei zahlreichen Enthaltungen ist dieser Antrag angenommen.
Punkt 30 der Tagesordnung:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Arbeit ({0}) über die von der Bundesregierung vorgelegten
1. Übereinkommen 125 über die Befähigungsnachweise der Fischer
2. Übereinkommen 126 über die Quartierräume an Bord von Fischereifahrzeugen
3. Empfehlungen 126 betreffend die berufliche Ausbildung der Fischer
4. Empfehlungen 127 betreffend die Rolle der .Genossenschaften in der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung der Entwicklungsländer
- Drucksachen V/2422, V/2699 Ich frage den Berichterstatter, Herrn Abgeordneten Kohlberger, ob er das Wort wünscht. - Der Herr Berichterstatter verzichtet. Ich bedanke mich.
Wortmeldungen zur Aussprache? - Keine Wortmeldungen. Wer dem Antrag des Ausschusses zuzustimmen wünscht - das ist Drucksache V/2699 -, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das ist einstimmig angenommen.
Ich rufe Punkt 31 auf:
Beratung des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft und Mittelstandsfragen ({1}) über die von der Bundesregierung erlassene Dreiunddreißigste Verordnung zur Änderung der Einfuhrliste - Anlage zum Außenwirtschaftsgesetz -- Drucksachen V/2537, V/2659 Berichterstatter ist Herr Dr. Serres. Ich frage den Herrn Berichterstatter, ob er das Wort wünscht. - Der Herr Berichterstatter verzichtet.
Allgemeine Aussprache. Meine Damen und Herren, hier handelt es sich nicht um eine Beschlußfassung, sondern um eine Kenntnisnahme, soweit nicht ein Antrag aus der Mitte des Hauses vorliegt. Ein solcher Antrag liegt mir nicht vor. - Das Haus hat Kenntnis genommen.
Das gleiche gilt für den Tagesordnungspunkt 32:
Beratung des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft und Mittelstandsfragen ({2}) über die von der Bundesregierung erlassene Neunundzwanzigste Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1967 ({3})
- Drucksachen V/2545, V/2660 Ich frage den Berichterstatter, Herrn Abgeordneten Schmidhuber, ob er das Wort wünscht. - Er verzichtet.
Das Haus nimmt ohne Antrag von diesem Bericht Kenntnis.
Ich rufe die Punkte 33 bis 35 auf:
33. Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ({4}) über den von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der Kommission der Europäischen Gemeinschaften für eine Verordnung des Rats zur Änderung der in Frankreich während des Milchwirtschaftsjahres 1967/1968 geltenden Schwellenpreise für bestimmte Milcherzeugnisse sowie der Verordnung Nr. 1039/67/EWG
- Drucksachen V/2520, V/2641 Berichterstatter: Abgeordneter Wächter
34. Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ({5}) über den von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der Kommission der Europäischen Gemeinschaften für eine Richtlinie des Rats über die Durchführung der von der FAO empfohlenen allgemeinen Landwirtschaftszählung
- Drucksachen V/2418, V/2642 Berichterstatter: Abgeordneter Blume
Präsident D. Dr. Gerstenmaier
35. Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ({6}) über den von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der Kommission der Europäischen Gemeinschaften für eine Verordnung des Rats betreffend die Finanzierung der Ausgaben für Interventionen auf dem Binnenmarkt im Wirtschaftsjahr 1967/1968 auf dem Zuckersektor
- Drucksachen V/2517, V/2643 - Berichterstatter: Abgeordneter Lemp
Es handelt sich um Berichte über EWG-Vorlagen. Wünscht einer der Berichterstatter das Wort? - Das ist nicht der Fall. Wird das Wort zur Aussprache gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Das Haus ist damit einverstanden, daß wir über die Ausschußanträge - Drucksachen V/2641, V/2642 und V/2643 - gemeinsam abstimmen. Wer dafür ist, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen.
Ich rufe Punkt 36 auf:
a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Erweiterung des Katastrophenschutzes
- Drucksachen V/2585 -
b) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Ernährungssicherstellungsgesetzes
- Drucksache V/2361 -
c) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Sicherstellung von Arbeitsleistungen für Zwecke der Verteidigung einschließlich des Schutzes der Zivilbevölkerung ({7})
- Drucksache V/2362 -
d) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Wirtschaftssicherstellungsgesetzes
- Drucksache V/2387 -
e) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Sicherstellung des Verkehrs
- Drucksache V/2388 Bevor ich die Sache weiter aufrufe, gebe ich das Wort zur Tagesordnung dem Herrn Abgeordneten Dorn.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im Auftrag der Fraktion der Freien Demokratischen Partei beantrage ich, den Punkt 36 heute von der Tagesordnung abzusetzen.
Wir haben einen Innenminister, der seinen Rücktritt erklärt hat. Sein Rücktrittsgesuch ist vom Bundeskanzler akzeptiert worden. Der Innenminister ist heute nicht in der Lage, vom Herrn Bundespräsidenten seine Entlassungsurkunde entgegenzunehmen. Deswegen ist sein Parlamentarischer Staatssekretär noch im Amt und heute hier. Wir wissen aber nicht, ob dieser Parlamentarische Staatssekretär noch morgen im Amt ist.
({0})
- Aber, Herr Rasner, daß diese Bundesregierung auf Gedeih und Verderb bis 1969 hierbleibt, ist uns bekannt.
({1})
Insoweit glauben wir auch der Zusage des Bundeskanzlers. Die Frage ist aber, ob eine so entscheidende Beratung von einfachen Notstandsgesetzen in diesem Hause in Abwesenheit des dafür in der Regierung die Verantwortung Tragenden stattfinden kann.
({2})
Wir halten das für völlig unmöglich. Deswegen sind wir der Meinung, daß der Tagesordnungspunkt 36 heute abgesetzt werden soll, damit wir dann mit dem neuen Innenminister, der ja ohne Zweifel in wenigen Tagen vom Bundeskanzler zur Ergänzung seines Kabinetts ernannt werden wird, diese Fragen diskutieren können. Denn wir haben eine Fülle von Fragen in diesem Zusammenhang an die Bundesregierung zu stellen. Auf der Regierungsbank
({3})
sitzen viele geschätzte Kollegen, Herr Rasner, aber leider kein Minister dieser Regierung. Deshalb sehen wir uns außerstande, die erforderliche Diskussion mit der Bundesregierung zu führen. Wir beantragen also Absetzung.
({4})
Präsident b. Dr. Gerstenmaier: Das Wort hat der Herr Abgeordnete Schmitt-Vockenhausen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im Namen der Koalitionsfraktionen widerspreche ich dem Antrag der Fraktion der FDP.
({0})
Meine Damen und Herren, ich habe es als selbstverständlich angenommen, daß der Herr Kollege Dorn dem scheidenden Innenminister heute einen kurzen parlamentarischen Nachtritt geben wird.
({1})
Die Vorlagen sind Kabinettsvorlagen. Es handelt sich um sechs Vorlagen, die aus sechs verschiedenen Ressorts stammen, und nur eine Vorlage ist eine Vorlage des Bundesinnenministeriums. Sämtliche Vorlagen werden vom gesamten Kabinett vertreten,
({2})
und die Bundesregierung ist hier vertreten. Dafür haben wir ja die Institution der Parlamentarischen Staatssekretäre.
({3})
Meine Damen und Herren, dafür haben wir - mit Ihrer Zustimmung - die Institution der Parlamentarischen Staatssekretäre geschaffen,
({4})
damit die Herren hier gegebenenfalls die Minister voll verantwortlich vertreten können.
({5})
- Aber Herr Kollege Mischnick, Sie haben ja jederzeit die Möglichkeit, noch das eine oder andere Ressort hinzuzubitten, wenn Sie Auskünfte brauchen.
({6})
Ich weiß, daß die Bundesregierung dazu selbstverständlich bereit ist.
Meine Damen und Herren, die Sache verlangt es, daß diese Fragen heute und hier behandelt werden. Es würden sich dafür in der nächsten Woche auch keine anderen Aspekte bieten.
({7})
Abstimmung über den Antrag auf Vertagung dieses Tagesordnungspunktes. Wer diesem Antrag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Der Vertagungsantrag ist abgelehnt.
Dann treten wir in die Beratung ein. Wird das Wort zur Einbringung gewünscht? - Das Wort hat der Parlamentarische Staatssekretär des Bundesinnenministeriums.
Benda, Parlamentarischer Staatssekretär des Bundesministers des Innern: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die unter Tagesordnungspunkt 36 zusammengefaßten fünf Zivilverteidigungsgesetze bilden thematisch eine Einheit. Die Herren Bundesminister Höcherl, Katzer, Professor Dr. Schiller und Leber haben daher den für die Koordinierung der zivilen Verteidigung zuständigen Bundesminister des Innern gebeten, auch ihre Gesetzentwürfe, soweit es um die allgemeinen Gesichtspunkte geht, zu vertreten. Ich darf daher mit Ihrer Erlaubnis den Komplex der Notstandsgesetzgebung im Zusammenhang vortragen.
Der Bundesminister des Innern hat am 29. Juni des vergangenen Jahres von dieser Stelle aus bereits seinen Entwurf einer Ergänzung des Grundgesetzes für den Notstandsfall begründet. Der Zweck dieses Entwurfs, so sagte Herr Bundesminister Lücke damals, ist es, sicherzustellen, daß unsere freiheitliche demokratische Grundordnung auch in der Stunde der Not unangetastet bleibt und daß die verfassungsmäßigen Organe in den Stand versetzt werden, mit dieser Zielsetzung auch unter den erschwerten Bedingungen eines Notstands zu wirken.
Wie Sie alle wissen, meine Damen und Herren, ist der Regierungsentwurf zur Notstandsverfassung in der Zwischenzeit Gegenstand sehr gründlicher und auch sehr offener Auseinandersetzungen mit den maßgebenden politischen Kräften sowohl innerhalb als auch außerhalb des Parlaments gewesen. Durch die vom Rechtsausschuß und vom Innenausschuß des Deutschen Bundestages durchgeführten öffentlichen Anhörungsverfahren ist die deutsche Öffentlichkeit in weitestem Umfang über die Vorstellungen der Bundesregierung und über die Auffassungen der zur gutachtlichen Äußerung gebetenen Persönlichkeiten unterrichtet worden.
In (den bisherigen Beratungen der beteiligten Parlamentsausschüsse sind zu wichtigen Einzelfragen Änderungsvorschläge gemacht worden. Es ist zu hoffen, daß diese Beratungen in naher Zukunft zu einem Abschluß gebracht werden können. Dann wird in absehbarer Zeit die Notstandsverfassung hier in diesem Hohen Hause verabschiedet werden können. Die Bundesregierung ist der Zuversicht, daß das Parlament dabei zu Entscheidungen gelangen wird, die eine rechtsstaatliche und für den Ernstfall brauchbare Regelung beinhalten.
Mit der sogenannten Notstandsverfassung sind die erforderlichen legislativen Vorkehrungen für den Notfall doch nur zu einem Teil getroffen. Damit ist zwar das Wichtigste und zugleich das Schwierigste geschaffen. Wir alle waren uns aber von vornherein darüber im klaren, daß weitere, die sogenannten einfachen Notstandsgesetze, diese Verfassungsregelung ergänzen müssen. In dem durch das Grundgesetzgezogenen Rahmen sollen sie die Pflichten aktualisieren und die Maßnahmen präzisieren, die zur Bewältigung eines Notstands ermöglicht und gefordert werden müssen. Diese Gesetze dienen dem Schutz und der Versorgung der Bevölkerung ebenso wie der Unterstützung der Streitkräfte. Dabei lassen sich - und das muß deutlich gesagt werden - auch solche Maßnahmen nicht vermeiden, die den (Staatsbürger belasten. Wenn aber unser Volk sein Recht und seine Freiheit auch in der Stunde der Gefahr erhalten und die im Kriege unvermeidlichen Verluste und Schäden soweit wie möglich begrenzen will, muß es zu den Belastungen und Opfern bereit sein.
Ihnen liegen heute fünf einfache Notstandsgesetze vor. Ich wende mich zunächst dean Gesetz über die Erweiterung des Katastrophenschutzes zu. Anlaß für diesen Gesetzentwurf war die Erkenntnis, daß in einem Verteidigungsfall weder die Selbsthilfe des einzelnen noch (die Kräfte (des friedensmäßigen Katastrophenschutzes, also die Feuerwehren, das Technische Hilfswerk und die Sanitätsorganisationen, ausreichen, um die Bevölkerung auch nur einigermaßen vor den Gefahren und Schäden zu schützen, die in einem modernen Krieg drohen. Aus diesem Grunde ist es zum einen notwendig, den Willen und vor allem auch (die Fähigkeit des Bürgers zur Selbsthilfe zu fördern, zum anderen müssen (die vorhandenen Kräfte des Katastrophenschutzes, dessen Stärke, Ausrüstung und Ausbildung zur Zeit nur den Bedürfnissen des Friedens entsprechen, verstärkt und ergänzt werden. Beides soll mit (dem erwähnten Gesetzentwurf erreicht werden.
Für die Förderung des Selbstschutzes und den Aufbau eines behördlichen Hilfsdienstes für den Verteidigungsfall war bisher, wie Sie wissen, das
Parlamentarischer Staatssekretär Benda
erste Gesetz über Maßnahmen zum Schutz der Zivilbevölkerung vom Oktober 1957 maßgebend. Nach diesem Gesetz gilt für den Selbstschutz ,das Prinzip der Freiwilligkeit, das heißt, es war der freien Verantwortung dies einzelnen überlassen, ob und inwieweit er für sich und seine Familie Vorsorge für den Verteidigungsfall treffen wollte. En späterer Versuch, den Selbstschutz zu einer Pflicht des Bürgers zu machen, ist wieder aufgegeben worden. Damit ist das Gesetz über den Selbstschutz vom 9. September 1965, das ja ohnehin, wegen des Haushaltssicherungsgesetzes und des Finanzänderungsgesetzes nicht in Kraft getreten ist, inhaltlich überholt.
Der vorliegende neue Gesetzentwurf über den erweiterten Katastrophenschutz beläßt es beim Prinzip der Freiwilligkeit. Das heißt, nach wir vor muß der Bürgerselbst entscheiden, ob er schon im Frieden Selbstschutzmaßnahmen ergreifen will und welche das sein sollen. In Anlehnung .an ,das Selbstschutzgesetz von 1965 soll jedoch künftig die Gemeinde für die Förderung des Selbstschutzes verantwortlich werden. Sie soll sich bei der Aufklärung und der Ausbildung der Bevölkerung im Selbstschutz der Fachleute der am Katastrophenschutz mitwirkenden Organisaionen bedienen, insbesondere des Bundesiluftschutzverbandes, der bisher schon diese Aufgabe erfüllt hat.
Kernstück des Gesetzentwurfs ist die Neuorganisation der örtlichen Hilfsdienste. Zur Verstärkung der vorhandenen Katastrophenschutzkräfte wurde seit 1958 auf der Grundlage des ersten Gesetzes über Maßnahmen zum Schutz der Zivilbevölkerung der Luftschutzhilfsdienst eingerichtet, ein Teil auf örtlicher Basis in 97 besonders gefährdet erscheinenden Gemeinden, ein anderer Teil für Hilfeleistungen im überörtlichen Einsatz.
Entgegen ursprünglichen Erwartungen konnte auf diese Weise eine effektive Verstärkung nur in geringem Umfang erreicht werden, denn die meisten der bisher geworbenen 90 000 Helfer des Luftschutzhilfsdienstes waren zugleich vorher schon aktive Helfer einer Katastrophenschutzorganisation. Wirklich zusätzliche Kräfte konnten daher nur in einer geringen Zahl geworben werden.
Der Hauptzweck des heute vorliegenden Gesetzes ist es, dieses Nebeneinander von Organisationen zu beseitigen, von denen die einen hauptsächlich im Frieden und die anderen nur im Verteidigungsfall für Rettung und Hilfeleistung zuständig sind. Das Ziel ist also die Einheit von Katastrophenschutz und Zivilschutz in diesem Bereich. Dieses Ziel wird dadurch erreicht, daß Einheiten und Einrichtungen des friedensmäßigen Katastrophenschutzes - Feuerwehren, Technisches Hilfswerk und Sanitätsorganisationen - auch im Verteidigungsfall Rettung und Hilfeleistung übernehmen. Für Friedenskatastrophen und Zivilschutz soll es künftig nur noch ein gemeinsames Instrument geben.
Der friedensmäßige Katastrophenschutz wird, um auch im Verteidigungsfall wirksam Hilfe leisten zu können, auf Kosten des Bundes durch zusätzliche Kräfte verstärkt und ergänzt werden. Er wird eine den Bedürfnissen des Zivilschutzes entsprechende
1 zusätzliche Ausbildung erhalten. Ferner wird ihm vom Bund zusätzliche Ausrüstung zur Verfügung gestellt werden, wobei zunächst auf die Bestände des Luftschutzhilfsdienstes zurückgegriffen wird.
Ein wesentlicher Vorteil der neuen Konzeption wird darin liegen, daß die zusätzlichen Kräfte und die zusätzliche Ausrüstung den Trägern des Katastrophenschutzes auch bei Friedenskatastrophen zur Verfügung stehen werden. Künftig wird es keine Helfer und keine Ausrüstung mehr geben, die nur im Verteidigungsfall eingesetzt werden dürfen.
Träger des gemeinsamen Katastrophen- und Zivilschutzes sollen die kreisfreien Städte und Landkreise sein. Diese Verwaltungsebene ist am besten geeignet, funktionsfähige Einheiten und Einrichtungen mit regional begrenztem Auftrag zu schaffen. Die vorhandenen Einheiten und Einrichtungen des Luftschutzhilfsdienstes - des örtlichen wie des überörtlichen - sollen in der Substanz erhalten bleiben, aber in den neuen gemeinsamen Katastrophenschutz auf Kreisebene eingegliedert werden. Es wäre unvernünftig, hier zu zerstören, was mit sehr viel Idealismus, sehr viel Mühen und nicht zuletzt auch Geld aufgebaut worden ist.
Die Bündelung aller bestehenden Katastrophenschutz-Kräfte in der Kreisebene wird zu nennenswerten Kostenersparnissen führen. Andererseits wird aber damit der überörtliche Bereich gänzlich von Helfern entblößt. Hier stellt sich eine Frage, die das Zivilschutzkorps lösen kann. Den Auftrag für die Aufstellung des Zivilschutzkorps hat der Gesetzgeber mit dem Gesetz über das Zivilschutzkorps vom 12. August 1965 bereits grundsätzlich erteilt. Die Aufstellung des Korps ist zwar aus finanziellen Gründen zunächst durch das Haushaltssicherungsgesetz und dann durch das Finanzänderungsgesetz noch zurückgestellt worden. Sobald aber das Ihnen heute vorliegende Katastrophenschutzgesetz in Kraft tritt und durch die damit vorgesehene Rationalisierung im Helferbereich zusätzliche Mittel frei werden, sollte die Sperre des Finanzänderungsgesetzes fallen.
Der vorliegende Gesetzentwurf über die Erweiterung des Katastrophenschutzes hat nicht nur die grundsätzliche Zustimmung der Länder und der kommunalen Spitzenverbände gefunden. Er ist auch - abgesehen von abweichenden Vorstellungen zu Einzelfragen - von den Organisationen begrüßt worden, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, im Falle einer Katastrophe, gleichgültig, ob sie im Frieden oder im Verteidigungsfall eintritt, der Bevölkerung Rettung und Hilfe zu bringen.
Ich darf Sie, meine Damen und Herren, bitten, diesen Entwurf, der von allen Beteiligten als ein wesentlicher Fortschritt angesehen wird, möglichst bald zu beraten und ihm Ihre Zustimmung zu geben.
Ich wende mich dann dem Entwurf des Arbeitssicherstellungsgesetzes - Tagesordnungspunkt 36 c - zu. Dieses Gesetz soll in allen Bereichen der Verteidigung die erforderlichen zivilen Arbeitskräfte sicherstellen. Er ist damit von ganz besonderer Tragweite. Arbeitskräfte werden einerseits für die Wahrnehmung zusätzlicher, nur im Kriege erforParlamentarischer Staatssekretär Benda
derlicher Aufgaben benötigt, z. B. im Zivilschutz und im Gesundheitswesen. Neue Arbeitskräfte werden aber auch die Lücken füllen müssen, die durch die Einberufung von Wehrpflichtigen aus wichtigen Funktionen gerissen werden.
Ich selbst habe über die Frage des voraussichtlichen Kräftebedarfs in der öffentlichen Informationssitzung des Rechtsausschusses und des Innenausschusses ausführlich und unter Angabe der einzelnen Zahlen vorgetragen. Aus Zeitgründen darf ich mir erlauben, auf Seite 2 ff. des Protokolls dieser Anhörungssitzung, das Ihnen zugänglich ist, zu verweisen.
Der Entwurf des Arbeitssicherstellungsgesetzes geht davon aus, daß der Bedarf an Arbeitskräften in erster Linie durch Freiwillige zu decken ist. Der freie Arbeitsmarkt soll damit auch im Verteidigungsfall so lange und so weit wie möglich aufrechterhalten werden. Gewiß werden Menschen am meisten leisten, wenn sie eine Aufgabe freiwillig, ohne Zwang übernehmen.
({0})
Es ist daher richtig, der freiwilligen Verpflichtung den Vorrang vor dem gesetzlichen Muß zu geben.
Andererseits wäre es unrealistisch, anzunehmen, daß die Deckung des notwendigen Kräftebedarfs allein auf den Grundsatz der Freiwilligkeit gegründet werden könne.
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Der Entwurf des Arbeitssicherstellungsgesetzes sieht daher sekundär ein Arbeitsplatzwechselverbot vor. Auf Grund dieses Verbots dürfen Männer und Frauen ihr Arbeitsverhältnis nur mit Zustimmung des Arbeitsamtes lösen. Für den Fall, daß auch das Arbeitsplatzwechselverbot nicht ausreicht, etwa weil an bestimmten Stellen zusätzlich Arbeitskräfte benötigt werden, soll das Gesetz die Möglichkeit vorsehen, daß Wehrpflichtige unter bestimmten Voraussetzungen in ein Arbeitsverhältnis verpflichtet werden.
Selbst bei diesem eng gezogenen Rahmen schränkt der Entwurf die Zulässigkeit von Eingriffen in das Grundrecht des Art. 12 des Grundgesetzes noch weiter ein, nämlich auf bestimmte Personenkreise und auf die Deckung des Bedarfs in nur bestimmten lebens- und verteidigungswichtigen Behörden und Betrieben. Im einzelnen hängen freilich die Voraussetzungen für die Anwendung des Arbeitssicherstellungsgesetzes noch von der endgültigen Fassung des Art. 12 des Grundgesetzes durch die Notstandsverfassung ab. Darüber wird zur Zeit in den mit dieser Frage befaßten Ausschüssen des Bundestages beraten. Die Damen und Herren Kollegen insbesondere aus dem Rechtsausschuß wissen ja, daß der Rechtsausschuß des Deutschen Bundestages sich gerade in seiner gestrigen Sitzung eingehend mit dieser Problematik beschäftigt hat.
Die Praktizierung des Gesetzes soll grundsätzlich den Behörden der Arbeitsverwaltung überlassen werden. Durch den Verpflichtungsbescheid im Falle einer Dienstverpflichtung wird in aller Regel ein
Arbeitsverhältnis begründet. Das heißt, daß auf verpflichtete Personen somit die im Frieden bewährten arbeitsrechtlichen Gesetze, Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen Anwendung finden. Es gilt lediglich die Einschränkung, daß zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses die Zustimmung des Arbeitsamtes erforderlich ist. Die Begründung öffentlich-rechtlicher Dienstverhältnisse soll im wesentlichen nur beim Zivilschutzkorps, den übrigen Zivilschutzorganisationen und für polizeiliche Aufgaben zulässig sein.
Aus dieser wesentlichen Grundentscheidung des Gesetzentwurfs für privatrechtliche Arbeitsverhältnisse folgt zugleich, daß die Arbeitskampffreiheit nicht beeinträchtigt wird. Nach Auffassung der Bundesregierung, die mit der überwiegenden Meinung der Rechtsprechung und Rechtswissenschaft übereinstimmt, sind Arbeitskämpfe zulässig, sofern sie nicht im Einzelfall überwiegende Interessen des Gemeinwohls beeinträchtigen. In einem Verteidigungsfall müßten natürlich auch die elementaren Interessen der Verteidigung einschließlich des Schutzes der Zivilbevölkerung gewahrt bleiben. Die Bundesrepublik Deutschland ist der Staat mit den wenigsten Streiks von allen vergleichbaren Staaten der westlichen Welt. Die Gewerkschaften verdienen daher das Vertrauen, daß sie auch im Verteidigungsfall ihre Rechte verantwortungsbewußt handhaben werden.
Ich empfehle Ihnen, meine Damen und Herren, auch dieses Gesetz zur baldigen Beratung und Verabschiedung.
Ich komme damit zu den drei Gesetzen, durch die die schon existierenden Sicherstellungsgesetze für Ernährung, Wirtschaft und Verkehr geändert werden sollen. Die Bundesregierung hat bereits vor einem Jahr öffentlich ihre Absicht bekundet, diese Gesetze einer Revision zu unterziehen. Das Ergebnis liegt Ihnen in den drei Änderungsgesetzen vor, die in ihrer Zielsetzung und Systematik weitgehend übereinstimmen. Wo es Unterschiede gibt, erklären sie sich aus der verschiedenen Sachlage.
Die Ihnen vorliegenden Gesetzentwürfe sollen die Sicherstellungsgesetze in dreifacher Richtung ändern.
Erstens. Sie beschränken die bestehenden Eingriffsmöglichkeiten. Das geschieht, da die Sicherstellungsgesetze nur Rahmengesetze sind, durch Streichung von Verordnungsermächtigungen, die bisher vorgesehen waren. Auf Regelung für friedensmäßige Versorgungskrisen wird im Wirtschafts- und im Verkehrssicherstellungsgesetz verzichtet, desgleichen auf die nur im Verkehrssicherstellungsgesetz enthaltenen Übungsermächtigungen.
Zweitens. Die Änderungsgesetze werden eine Entlastung der Wirtschaft bewirken. Unmittelbar wird das allerdings nicht möglich sein, weil die Sicherstellungsgesetze keine unmittelbaren Eingriffe in die Rechtssphäre des Bürgers und in die Wirtschaft vorsehen. Die Reduzierung von Ermächtigungen wirkt sich aber mittelbar entlastend aus.
Drittens. Das Parlament soll künftig stärker an den bewirtschaftenden und lenkenden Maßnahmen
Parlamentarischer Staatssekretär Benda
beteiligt werden. Bisher war es allein Sache der Exekutive, im Rahmen der Gesetze und des pflichtmäßigen Ermessens zu entscheiden, wann von welchen Ermächtigungen Gebrauch gemacht werden solle. Künftig werden außerhalb des Verteidigungsfalles jedenfalls die gravierenden Ermächtigungen nur mit Zustimmung des Parlaments angewendet werden können.
Ich bitte Sie, auch diese drei Gesetzentwürfe den Ausschüssen zur baldigen Erledigung zu überweisen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Bundesregierung glaubt, daß die Vorlage der fünf von mir in den Grundzügen erläuterten Gesetzentwürfe wesentliche Fragen der Vorsorge für den Notstandsfall regeln und zugleich Material liefern, das auch die Beratungen der Notstandsverfassung fördern wird. Die Bundesregierung hofft, daß dieses bedeutsame Gesetzgebungswerk in absehbarer Zeit verabschiedet werden kann.
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Meine Damen und Herren, ich eröffne die Aussprache, und zwar die verbundene Aussprache für alle diese Vorlagen. Das Wort gebe ich zunächst dem Sprecher der Opposition, dem Herrn Abgeordneten Busse.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren!
({0})
- Ich weiß nicht, mit wem Sie sprechen. Wenn mit mir, dann bitte ich, etwas lauter zu sprechen, damit ich verstehen kann, was Sie sagen.
Herr Abgenordneter Busse, hier kommen Zurufe, in denen die Verwunderung darüber zum Ausdruck gebracht wird, daß Ihre Fraktion Ihnen nicht die Ehre antut, Sie mit anzuhören, sondern zu schwach vertreten ist.
Ich danke Ihnen für diese Hinweise, Herr Präsident. Aber, ich glaube, das sollten Sie unserer Fraktion überlassen, wie wir uns damit auseinandersetzen. Denn in der Tat, meine Damen und Herren - um dazu gleich etwas zu sagen -, wollte ich damit anfangen, welche Bedeutung die hier vorliegenden Gesetze haben. Welche Bedeutung sie haben, ist aus den Ausführungen des Herrn Staatssekretärs Benda mit einer Eindeutigkeit klargeworden, daß ich sie hier nicht noch einmal zu unterstreichen brauche.
Um so erstaunlicher ist es, daß diese Gesetze entgegen allen Gepflogenheiten genauso dringend und plötzlich verabschiedet werden sollen, wie es anscheinend auch bei anderen Gesetzen angestrebt wird. Hier ,sollen ohne Rücksicht auf das Bedürfnis nach einer Mittagspause und ähnliches die Dinge nun zur Beratung anstehen.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Würden Sie mir darin zustimmen, daß wir sie heute nicht verabschieden, sondern in erster Lesung beraten, damit sie in den Ausschüssen eingehend erörtert werden können?
Von mir aus beraten werden sollen. Aber an der Sache wird dadurch nichts geändert. Das Entscheidende ist doch, daß die Dinge hier von einem heute noch amtierenden Staatssekretär vorgetragen werden und erörtert werden. Aber das haben wir ja eben gehört, als wir den Vertagungsantrag stellten; das will ich nicht wiederholen.
Nur eines, Herr Schmitt-Vockenhausen! Wenn die Aufzählung ganz einfacher, feststehender Tatsachen ohne Anfügung irgendeiner Kritik, irgendeines Urteils hier ein Tritt gegen einen bestimmten Mann sein soll,
({0})
wenn man nicht einmal Tatsachen als Tatsachen hier darstellen darf, dann weiß ich nicht, wie wir in diesem Hause künftig verfahren sollen.
({1})
Meine sehr verehrten Damen und Herren, nun aber zur Sache selber. Wir haben hier eine Reihe von Gesetzentwürfen vorliegen, von denen einige, insbesondere einige der Sicherstellungsgesetze, „alte Bekannte" sind. Diese „alten Bekannten" sind zwar geringfügig neu auskostümiert - es ist richtig, einige schon früher vorgesehene Ermächtigungen sind heute gestrichen, einige andere, strengere Voraussetzungen für den Erlaß der Rechtsverordnungen sind in diese Gesetze eingefügt -, aber wenn man von diesen, wie Sie ({2}) vielleicht sagen würden, Schönheitspflästerchen - vielleicht würden Sie ({3}) hier sagen: leider entstellenden Pflästerchen - absieht, so sind es dieselben Damen, die heute wieder vor uns stehen, über die wir uns schon einmal in der vorigen Legislaturperiode unterhalten haben.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Matthöfer?
Herr Abgeordneter Busse, erinnern Sie sich daran, daß damals die sozialdemokratische Bundestagsfraktion wegen verfassungsrechtlicher Bedenken die Absetzung von der Tagesordnung beantragt und daß die große Mehrheit Ihrer Fraktion diesem Antrag damals leider nicht zugestimmt hat?
Herr Matthöfer, ich wollte das alles gleich schön ausführen, genau in dem Sinne, wie Sie es jetzt vorgetragen haben, freilich mit einigen Bemerkungen. dazu. Darum eben diese Einleitung, daß wir im letzten Grunde hier wieder dieselben Damen vor uns stehen haben. Der Sinn war
Busse ({0})
nämlich, das zunächst einmal klarzustellen. Gegen diese Damen, meine Damen und Herren, wurden in der vorigen Legistlaturperiode erhebliche Bedenken geltend gemacht.
Ich habe das Protokoll über die damalige Sitzung vor meinen jetzigen Ausführungen noch einmal durchgelesen, damit ich nicht Erinnerungsfehlern oder ähnlichem erliege. Damals war es der Kollege Dorn, der für einen großen Teil meiner Fraktionsfreunde verfassungsrechtliche Bedenken anmeldete. Und damals war es der Kollege - ({1})
- Mein Gott, es war ein großer Teil. Wollen wir denn wirklich über die Zahl streiten? Ich kann Ihnen die Zahl auch gleich sagen. Es war etwa ein Drittel unserer Fraktion, das gegen diese Gesetze aus verfassungsrechtlichen Bedenken gestimmt hat. Damals war es der Kollege Jahn - ({2})
- Sollen wir denn nun wirklich noch in diese genaue Detailrechnung eintreten? Ist das das Wesentliche, was zu erörtern ist? Oder soll mit solchen Dingen nur Störfeuer gegeben werden? Lassen Sie mich das doch ruhig zu Ende führen.
Damals war es der Kollege Jahn, der - und das 'ist wichtiger - für die geschlossene Fraktion der SPD erklärte, daß die SPD den von Herrn Dorn geäußerten Bedenken beitrete und diese Bedenken teile und daher mit für den Absetzungsantrag stimme. Das war die Situation, die wir damals hatten. Ich glaube, ich habe sie so objektiv wie möglich geschildert. Soll ich nun noch die einzelnen Namen vorlesen, wer dafür oder dagegen gestimmt hat? Ich glaube, das ist doch wohl klar.
Wir haben dieser Tage hier sehr eindrucksvolle Ausführungen des Herrn Kollegen Schmidt von der SPD-Fraktion gehört über die eigentümliche Situation, den Situationswechsel, besser gesagt, in dem man steht, je nachdem, ob man frei in der Opposition oder ob man in der Koalition steht. Diese Ausführungen sollten sich an dieser Stelle gerade diejenigen vergegenwärtigen, die immer so mahnend den Finger erheben und sagen: Damals waren es
- wie viele waren es, Herr Schmitt-Vockenhausen?
- 50 oder wie viele von eurer Fraktion, die so, und 16 oder 17, die so gestimmt haben. Diejenigen, die das heute sagen, sollten sich sehr wohl an diese Worte von Herrn Schmidt erinnern.
Die Meinung in unserer Fraktion über die hier zur Erörterung stehende Frage war damals wie heute einmütig. Es gab aber eine Reihe von Mitgliedern bei uns in der Fraktion, die meinten, sich den Notwendigkeiten fügen zu müssen, die sich aus der Koalition ergäben und die gerade von Herrn Schmidt so brav und redlich vorgetragen worden sind. Ich bin einmal gespannt, wie das nach den Erklärungen, die wir nachher hören werden, nunmehr bei der SPD-Koalitionspartei ausgehen wird, ob sich das Schauspiel wiederholt, das wir - lassen Sie mich das ganz deutlich sagen - jetzt am laufenden Band im Rechtsausschuß erleben. Ich will das nicht tadeln. Ich habe Verständnis dafür, daß manchmal Grundsätze aufgegeben werden, die man aus Koalitionstreue heute glaubt nicht mehr vertreten zu können.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Hirsch.
Herr Kollege Busse, würden Sie so freundlich sein, mir zu sagen, welche Grundsätze die SPD in den Beratungen im Rechtsausschuß aufgegeben hat? Das möchte ich gern etwas konkreter wissen.
Sie möchten das gern etwas konkreter hören. Ich komme gleich auf einige Beispiele, nämlich den berühmten Art. 12, den wir in diesem Zusammenhang werden erörtern müssen. Aber in einem muß ich mich berichtigen: Die Grundsätze der SPD im einzelnen, die sie heute vertritt, kenne ich noch gar nicht; sie hat wohlweislich davon abgesehen, solche Grundsätze zu verkünden. Das hat sie aus wohlüberlegten Gründen getan. Nach der entscheidenden Fraktionssitzung ist der Offentlichkeit mitgeteilt worden, daß man von einer Beschlußfassung im einzelnen abgesehen habe, um den Verhandlungen Raum zu lassen. Es sind früher einige Dinge von Ihnen vertreten worden und es werden heute von vielen Mitgliedern der SPD-Fraktion einige Dinge vertreten, die mit dem, was sich bisher im Rechtsausschuß entwickelt hat, jedenfalls nicht im einzelnen übereinstimmen. Dazu dürfen wir gleich kommen.
Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage?
Herr Busse, darf ich Sie fragen, ob Sie es als eine ungeheure Zumutung betrachten würden, wenn ich Sie bitte, sich einmal die Parteitagsbeschlüsse der SPD anzusehen, und zwar die von Köln, Karlsruhe, Dortmund und Nürnberg, und würden Sie mir recht geben, daß darin die Grundsätze stehen und daß es Ihnen deswegen möglich war, sie zur Kenntnis zu nehmen?
Wir kommen auf diese Dinge im einzelnen noch zurück; es wird ja hier sowieso noch etwas dauern. Gerade zu Ihren Parteitagsbeschlüssen wird mein Kollege Dorn noch einiges auszuführen haben. Ich habe von den nicht vorhandenen Beschlüssen der Fraktion hier im Bundestag gesprochen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, unser Grundgesetz hat in dem immer wieder zitierten Art. 80 Grundsätze festgelegt, die bei Gesetzen, die zum Erlaß von Rechtsverordnungen ermächtigen, nun einmal eingehalten werden müssen. Nach wie vor bestehen gegen die vorgelegten Gesetze die gleichen Bedenken, die damals bestanden haben. Ich weiß, man kann über diese Begriffe „Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung" streiten, und immer wieder ist das Bundesverfassungsgericht damit beschäftigt, das im einzelnen festzulegen. Man
Busse ({0})
wird es aber nur im einzelnen Fall genau präzisieren können, ebenso wie hier die genaue Konkretisierung überhaupt erst in den Beratungen erfolgen kann. Ich bin mir dieser Problematik durchaus bewußt. Aber ich könnte Ihnen jetzt einzelne Bestimmungen vorlegen, bei denen ich nur zu fragen brauchte: „Wissen Sie jetzt, was die Regierung im Wege der Rechtsverordnung machen kann?" Ich kann nur sagen: sie kann alles machen, was in diesen Rahmen fällt, und der ist so weit, daß von einer Präzisierung des Inhalts dessen, was die Regierung machen kann, beim besten Willen nicht geredet werden kann. Natürlich, andere Kautelen, das gebe ich zu, sind eingeschaltet, zum Teil jedenfalls; so in zeitlicher Hinsicht: wann von den Rechtsverordnungen Gebrauch gemacht werden kann; es sind Generalklauseln darin, daß nur vernünftiger Gebrauch gemacht werden soll und ähnliches. Aber das sind alles nicht die Voraussetzungen, die Art. 80 des Grundgesetzes nun einmal verlangt und die beachtet werden müssen.
Ich sage das nicht nur, um unsere Meinung darzutun, daß hier der Rahmen, der durch Art. 80 zwingend vorgeschrieben ist, nicht eingehalten ist. Nein, ich sage das noch aus einem viel weiterreichenden Grunde und ich meine, das sollte selbst die zum Nachdenken zwingen, die in der juristischen Beurteilung mit mir nicht einer Meinung sind. Diese Gesetze werden für eine Situation geschaffen, die alles andere verträgt als Rechtsunsicherheit. Wenn in der kritischen Situation, in der Zwangssituation; die sich ergibt, Gesetze, Rechtsverordnungen da sind, deren Grundlage auch nur problematisch ist, so kann das zu Ergebnissen führen, die keiner von uns hier im Hause will.
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Diese Ungewißheit allein, die durch derart abstrakte, allgemeine Gesetze hervorgerufen wird, ist in dieser Situation unvernünftig; und gerade darum eine Empfehlung meiner Fraktion an alle Ausschüsse, die sich damit beschäftigen: Sorgen Sie mit dafür, daß die Konkretisierung in einem Maße erfolgt, daß auch der kritische Leser nicht mehr sagen kann: „Hier ist etwas außerhalb der Legalität gemacht worden." Denn das würde mehr schaden, als der Erlaß der Gesetze unter Umständen nützen würde.
Die Gesetze sind nunmehr eingebracht. Gott sei Dank, sage ich; denn sie zeigen im gewissen Umfange, was die Regierung sich vorstellt. Sie zeigen es bei der Erweiterung des Katastrophenschutzes, sie zeigen es beim Arbeitssicherstellungsgesetz. Sie zeigen es aber nicht beim Wirtschaftssicherstellungsgesetz, beim Ernährungssicherstellungsgesetz und beim Verkehrssicherstellungsgesetz. Das sind der äußeren Form nach reine Ermächtigungsgesetze. Der materielle Inhalt dieser Gesetze würde erst durch die Verordnungen, zu denen ermächtigt werden soll, klargestellt werden und erkennbar sein.
Ich meine, wir sollten auch hier bei all diesen Gesetzen daran denken, wenigstens die Vorstellungen der Regierung zu erfahren, also nicht nur einen Generalkatalog zu haben, sondern zu erfahren, was die Regierung für die Sicherstellung der Ernährung, für die Sicherstellung der Wirtschaft, für die Sicherstellung des Verkehrs konkret im einzelnen tun will. Erst dann wird man zu einer abschließenden Beurteilung dieser Gesetze kommen können.
Ich sage: so wünschenswert und so erfreulich es ist, daß diese Dinge jetzt vorgelegt sind - auf der anderen Seite sind sie ganz offensichtlich zu früh vorgelegt worden. Als Beispiel nehme ich einmal das Arbeitssicherstellungsgesetz. Daß dieses Gesetz - ich glaube, Herr Staatssekretär Benda hat es soeben angedeutet - entscheidend von dem beeinflußt werden wird, was wir jetzt im Rechtsausschuß zu Art. 12 bzw. Art. 12 a beraten, wird jedermann hier im Hause, der die Materie kennt, völlig klar sein.
Nun ist gestern im Rechtsausschuß eine Reihe von Beschlüssen gefaßt worden, die selbst von der Regierungsvorlage doch nicht unerheblich abweichen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn das Rechtens wird - darf ich das hier doch einmal anführen, damit Sie sehen, welche Probleme dahinterstehen -, soll künftig nicht nur für die Wehrmacht dienstverpflichtet werden können, wie das auch bisher üblich war, sondern es sollen genau wie für die Wehrmacht auch für den Bundesgrenzschutz und für das Zivilschutzkorps Verpflichtungen ausgesprochen werden können; und das ist eine Ausweitung gegenüber der bisherigen Rechtslage - denn diese Verpflichtungsmöglichkeiten sollen uneingeschränkt nach dem Grundgesetz bestehen und durch ein einfaches Gesetz festgelegt werden können -, deren Bedeutung im einzelnen in diesem Hause wohl noch wird erörtert werden müssen.
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Ich denke weiter an eine Regelung, die jedenfalls der Rechtsausschuß beschlossen hat, daß anders als nach dem Regierungsentwurf künftig Dienstverpflichtungen auch für Frauen sollen ausgesprochen werden können, nämlich dann, wenn es sich um das Sanitätswesen sowohl ziviler wie militärischer Art, hier freilich beschränkt auf die stationäre Lazarettorganisation, handelt. Immerhin, in diesem Rahmen sollen nicht nur, wie es früher war, Kündigungsbeschränkungen möglich sein, sondern Dienstverpflichtungen ausgesprochen werden können. Das sind doch Fragen, die nachher weitestgehend in dieses Gesetz eingreifen und die eine verfassungsmäßige Grundlage ganz anderer Art ergeben, als es bisher vorgesehen war.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn man das berücksichtigt, muß man sagen: Man wird das Arbeitssicherstellungsgesetz erst abschließend beraten können, wenn der Art. 12 bzw. Art. 12 a seine endgültige Fassung gefunden hat. Das bedeutet bei Gott, daß wir es vor den Osterferien hier im Parlament nicht mehr hinkriegen, obgleich es im Ausschuß vielleicht noch einige Anstrengungen in dieser Richtung geben wird. Wenn wir weiter in Betracht ziehen, daß hier im Parlament das Verfassungsänderungsgesetz jedenfalls nur bis zur zweiten Lesung gebracht werden soll, damit dann
Busse ({3})
die Entscheidung der Alliierten herbeigeführt wird, ob sie auf dieser Basis auf ihre Vorbehaltsrechte zu verzichten bereit sind, wenn wir bedenken, daß die Alliierten wahrscheinlich nicht eine Sonderkommission eingerichtet haben, die uns dann innerhalb von 24 Stunden die notwendigen Erklärungen gibt, so werden wir erkennen, daß dieses Gesetz, so wünschenswert es vielleicht für viele wäre, nicht so eilig ist, wie manchmal gesagt wird. Soviel als allgemeine Bemerkung.
Ähnliche Probleme ergeben sich selbstverständlich auch bei den übrigen Sicherstellungsgesetzen. Im Rechtsausschuß haben wir jetzt intensivst über die Einschaltung des Parlaments bei Regierungsentscheidungen beraten, etwa in den Fällen, die in diesen Sicherstellungsgesetzen immer wieder angesprochen werden: daß es zur Herstellung der erhöhten Verteidigungsbereitschaft erforderlich ist usw. Alles das hängt mit der Notstandsgesetzgebung, die wir beraten, aufs engste zusammen, und von den Entscheidungen, die dort getroffen werden, wird sie weitestgehend beeinflußt werden. Alles das muß bei der Behandlung dieser Gesetze gesehen werden. Alles das ist beachtlich.
Zusammenfassend noch einmal: Wir fürchten, daß die Gesetze mindestens in der jetzigen Form einer erheblichen verfassungsrechtlichen Kritik unterliegen werden, einer Verfassungskritik, die dann, wenn es die Stunde gebietet, die Gesetze zu praktizieren, Unsicherheiten mit sich bringt, die einfach nicht vertreten werden können. Schon dieser Gesichtspunkt zwingt zu einer sehr sorgfältigen Überprüfung und Konkretisierung. Erst die Konkretisierung wird dem einzelnen den Einblick ermöglichen, der notwendig ist, damit er entscheiden kann, ob und in welchem Umfang er zu diesen Gesetzen ja sagen kann.
Wenn etwa das, was gestern im Rechtsausschuß beschlossen worden ist - es ist noch nicht Gesetz, und ich weiß nicht, ob sich die Dinge noch anders entwickeln werden -, Inhalt des Arbeitssicherstellungsgesetzes werden sollte, glaube ich nicht, daß wir einem solchen Gesetz unsere Zustimmung würden geben können. Aber das mag abgewartet werden.
Im übrigen noch einmal: Das Wichtigste ist, bei den entscheidenden Gesetzen eine hinreichende Konkretisierung zu treffen, damit jeder hier im Hause weiß, was er mit den vorgelegten Gesetzen tatsächlich beschließt.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Picard.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir sind uns wieder einmal wie zwar nicht jeden Tag, aber ab und zu doch .auch mit der Opposition einig, und zwar darin, daß diese. Gesetze einer gründlichen Beratung bedürfen. Nicht einig sind wir mit Ihnen, Herr Busse, wenn Sie meinen, daß von vornherein verfassungsrechtliche Bedenken angemeldet werden sollten. Wir sind im
Gegenteil der Auffassung, wenn überhaupt gegen die seither vorliegenden Sicherstellungsgesetze solche Bedenken geltend gemacht werden konnten, konnten sie mit (den Vorlagen, die wir heute haben, ausgeräumt werden.
Lassen Sie mich für die Fraktion der CDU/CSU einige allgemeine Bemerkungen machen. Es wurde eben gesagt, daß diese Gesetze, soweit sie Änderungsgesetze sind, nur in einem anderen Kostüm vor uns stünden. Ich glaube, das ist nicht der Fall. Wir sehen ganz erhebliche - und zwar zugunsten (des Parlaments vorgenommene - Änderungen in der Regierungsvorlage, indem nämlich sowohl die Kontrolltätigkeit des Parlaments verstärkt wird wie auch die Entscheidungsmöglichkeit des Parlaments bei dem Treffen von notwendigen Feststellungen., bevor eine Anwendung möglich ist, durch die Gesetze geschaffen wird. Das sind zwei entscheidende Punkte, die wir begrüßen.
Die Sicherstellungsgesetze oder auch einfachen Notstandsgesetze lagen, vom 4. Bundestag mit unterschiedlicher Mehrheit gebilligt, vor. Sie enthielten das, was zur Kritik Anlaß bot, nämlich sehr weitgehende Vollmachten für die Regierung bzw. die Exekutive. Hier setzte, glaube ich, mit Recht die Kritik an. Allerdings muß man sich bei dieser Gelegenheit wohl daran erinnern, daß der Bundestag im Sommer 1965 nicht in der Lage war, eine eigentliche Notstandsverfassung zu verabschieden.
Nun befinden wir uns heute in einer Situation, die dadurch gekennzeichnet ist, daß wir neben der Beratung der eigentlichen Grundgesetzänderung in die Beratung dieser fünf Gesetze eintreten werden. Da gibt es tatsächlich einige untrennbare Zusammenhänge. Wir begrüßen diese Vorlagen, weil wir der Auffassung sind, daß es Aufgabe des Staates und damit auch dieses Parlamentes ist, soweit wir dazu in der Lage sind, für ernste und krisenhafte Entwicklungen eine Vorsorge zu treffen, damit die Lebenschance unseres Volkes erhalten bleibt. Hierin ist auch begründet, daß wir nach einer zehn Jahre dauernden Beratung über diese Problematik endlich zu Entscheidungen kommen müssen. Das Parlament würde vor sich selbst und vor der deutschen Öffentlichkeit eine beschämende Rolle spielen, wenn wir nach Monate und Monate währenden Beratungen wiederum nicht zu einem Ende kämen. So möchte ich meinen, daß es richtig war, was Herr Staatssekretär Benda für die Bundesregierung vorgetragen hat, nämlich ,daß wir zu einer möglichst zügigen Beratung kommen sollten.
Es gehört zu einer genügenden Vorsorge, daß man die Sicherheit, die staatliche Ordnung und die Aufrechterhaltung der Versorgung der Bevölkerung gewährleisten kann, und das unter der Voraussetzung, daß .die parlamentarische Kontrolle erhalten bleibt und die Entscheidung beim Parlament liegt, soweit das irgend möglich ist. In einer ersten Lesung kann man noch nicht in allen Details Stellung beziehen. Soweit man das aber heute sagen kann - und Sie berücksichtigen, Herr Kollege Busse, die Zusammenhänge mit den Beratungen im Rechtsausschuß -, wird dem Rechnung getragen, d. h. wird die Position des Parlaments gestärkt.
Natürlich, zwischen Art. 12 bzw. 12 a und .dem Arbeitssicherstellungsgesetz besteht ein sehr enger Zusammenhang - ich werde nachher bei einem Problem noch einmal darauf zu sprechen kommen -, aber auch zwischen den anderen Gesetzen und etwa dem Art. 53 a, also der Frage, inwieweit das Parlament oder der Gemeinsame Ausschuß unid ab wann und in welcher Form tätig wird. Ich kann daher nur wünschen, daß die Beratungen im Rechtsausschuß möglichst bald zu einer konkreten Formulierung führen.
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Was wir bis jetzt erleben, meine Damen und Herren, ist insofern unbefriedigend - lassen Sie mich das aussprechen -, als wir wiederum, soweit ich das als Nichtmitglied dieses Ausschusses zu überblicken vermag, bei diesen Beratungen sehr weitgehend, wenn nicht überhaupt völlig andere nicht nur Formulierungen, sondern auch Grundzüge der eigentlichen Notstandsverfassung finden werden. Ich drücke mich vorsichtig aus. Ich bin nicht Mitglied dieses Ausschusses. Aber soweit ich das in der Diskussion vernehmen kann, ist das so. Das erschwert hier die Beratungen.
Deshalb meine dringende Bitte als Mitglied des Innenausschusses an die Kollegen des Rechtsausschusses, die Beratungen dort möglichst bald, wenigstens in diesen beiden Punkten, zu einem Abschluß zu bringen.
Herr Kollege Busse hat darauf abgehoben, daß die seither vorliegenden Gesetze mindestens fragwürdig gewesen seien, soweit es die Verfassungsmäßigkeit angeht. Ich messe dem keine allzu große Bedeutung mehr bei. Ich möchte nur meinen, daß das ein Streit war, von dem wir bisher nicht der Meinung waren, daß er wohlbegründet sei. Ich sehe jedenfalls darin keine Begründung für die Neuvorlage durch die Bundesregierung. Ich meine vielmehr, daß wir bei den langen Beratungen über eben dieses Thema alle miteinander - das hat sich in den Hearings erwiesen, und das hat sich auch in den inzwischen abgelaufenen Beratungen gezeigt - in einigen Punkten zu einer besseren, praktikableren Regelung gefunden haben, weil wir nämlich zu einer anderen Einsicht gekommen sind. Meine Damen und Herren, wenn Beratungen nicht mehr zu einer besseren Einsicht führen, könnten wir sie uns ja überhaupt schenken.
Lassen Sie mich nun zu den einzelnen Gesetzen ein paar Bemerkungen machen. Ziel aller Gesetze ist es, erstens die Sicherheit, die Versorgung, die staatliche Ordnung, kurz: die Lebensgrundlage der Bevölkerung aufrechtzuerhalten und zweitens Entscheidungsfreiheit und Kontrolle durch das Parlament, soweit möglich, zu gewährleisten.
Beim Katastrophenschutzgesetz begrüßen wir das Ziel, für den Selbstschutz der Bevölkerung und für eine Ergänzung durch örtliche Hilfsverbände eine neue gesetzliche Grundlage zu schaffen, nach der wir in Zukunft nur noch ein einheitliches Instrument - zum Beispiel keinen Luftschutzhilfsdienst mehr daneben - haben. Wir begrüßen weiterhin, daß durch dieses Gesetz zusätzliche Kräfte und zusätzliche Ausrüstung auch im Frieden für den Katastrophenschutz zur Verfügung gestellt werden können. Es scheint uns einer Prüfung zu bedürfen, ob die im Gesetz vorgesehene Zuständigkeit, daß Kreis- und kreisfreie Städte als Träger in Erscheinung treten, die Ideallösung darstellt. Ich glaube, es sollte durch die Länder von der Möglichkeit, die das Gesetz bietet, Gebrauch gemacht werden, mehrere Kreise zu Regionaleinheiten zusammenzufassen. Sonst wäre, glaube ich, eine gute Funktionsfähigkeit dieser Katastrophenschutzeinheiten nicht gewährleistet.
Bund und Länder tragen die Kosten gemeinsam. Das zwingt zu einer sehr engen Kooperation. Ich habe die Hoffnung, daß sich diese Kooperation automatisch einstellen wird.
Der Selbstschutz nach dem Gesetz ist nach wie vor freiwillig. Die Aufenthaltsregelung ist sehr zurückhaltend; soweit sie im Gesetz enthalten ist, aber unbedingt notwendig.
Das Gesetz bringt insgesamt ein großes Vertrauen in die freiwillige Bereitschaft der Bürger zum Ausdruck. Meine Damen und Herren, in den Notstandshearings hat diese Frage der Freiwilligkeit eine große Rolle gespielt. Wir werden es auch beim Arbeitssicherstellungsgesetz noch einmal mit der Diskussion darüber zu tun haben. Wir begrüßen diese Tendenz ausdrücklich, und wir haben die feste Überzeugung, daß dieses Vertrauen, das das Parlament in unsere Bevölkerung und in die freien Organisationen setzt, nicht enttäuscht wird.
Nun liegen von einigen dieser Organisationen, die der Gesetzentwurf, wie ich meine, nicht ganz zutreffend und ganz glücklich als private Einrichtungen bezeichnet - vielleicht wird es uns gelingen, hier eine bessere Bezeichnung zu finden; das Deutsche Rote Kreuz als eine private Einrichtung zu bezeichnen, widerstrebt mir eigentlich ein bißchen -, konkrete Stellungnahmen vor, die schon in der Vorberatung bis zur ersten Lesung erarbeitet wurden. Wir erkennen dankbar an, daß diese privaten Einrichtungen sich der Frage des Katastrophenschutzes bis jetzt schon so eingehend angenommen haben. Wir werden die entsprechenden Stellungnahmen wohlwollend zu prüfen haben und gegebenenfalls auch berücksichtigen.
Zum Arbeitssicherstellungsgesetz - das hat der Kollege Busse zutreffend und ausführlich gesagt - kann man erst konkret Stellung nehmen, wenn die eigentliche Beratung der Grundgesetzänderung wenigstens insoweit abgeschlossen ist. Wir begrüßen es, daß die Voraussetzung der Anwendung des Gesetzes eine Feststellung der Bundesregierung mit Zustimmung des Bundestages - im Gesetz steht: des Gemeinsamen Ausschusses - ist und daß dieses Gesetz nur für Zwecke der Verteidigung und des Zivilschutzes angewandt werden kann. Der Diskussion scheint uns zu bedürfen - und damit spreche ich etwas an, was strittig ist -, daß im Entwurf bei der Frage der Beschränkung des Rechts, das Arbeitsverhältnis zu beenden, für Frauen nur die Beschränkung enthalten ist, aber keine Möglichkeit der Verpflichtung, auch nicht z. B. im Sozialoder im Sanitätsbereich. Ich bin im Gegensatz zu
dem, was Herr Kollege Busse eben vorgetragen hat, der Meinung, man sollte die Änderung, die der Rechtsausschuß inzwischen vorgenommen hat, in der Tendenz bejahen und in dieses Gesetz aufnehmen.
({1})
- Bitte sehr, Herr Kollege!
Zwischenfrage!
Die Frage, die ich stellen wollte, hat sich jetzt durch Ihre letzten Ausführungen geklärt.
Ich sage, diese Frage ist strittig. Es muß aber darüber gesprochen werden, und ich neige zu dem, was ich eben hier vorgetragen habe.
Ein Arbeitsverhältnis, das durch eine Verpflichtung entstanden ist, ist nach dem Gesetzentwurf ein arbeitsrechtliches Verhältnis mit der Folge, daß für den verpflichteten Arbeitnehmer ebenso wie für die übrigen Arbeitnehmer die arbeitsrechtlichen Bestimmungen, Rechte und Pflichten, gelten. Wir begrüßen ausdrücklich diese Bestimmung des Gesetzes. Im übrigen entspricht dieses Gesetz auch insoweit unserer Auffassung, als die notwendigen Bestimmungen zur Wahrung der Rechte des Parlaments darin gegeben sind.
Lassen Sie mich zu den drei Gesetzentwürfen zur Änderung bestehender Sicherstellungsgesetze in aller Kürze die Genugtuung meiner Fraktion zum Ausdruck bringen, und zwar darüber, daß die Regierung gleichzeitig am Grundsatz der Notwendigkeit von Eingriffsmöglichkeiten festgehalten hat. Meine Damen und Herren, man muß sich grundsätzlich darüber im klaren sein: Wenn man eine wirksame Notstandsgesetzgebung gestalten will und nicht nur nach draußen ein Firmenschild zeigen möchte, hinter dem sich etwas ganz anderes verbirgt, wenn wir also wirklich unserer Bevölkerung die Möglichkeit geben wollen, gesichert zu werden, und wenn wir damit das Vertrauen in diesen Staat nicht enttäuschen wollen, müssen wir auch notwendige Einschränkungen verankern. Ich glaube, daß die. notwendigen Einschränkungen, wenn auch mit einiger Zurückhaltung, in den Gesetzen vorhanden sind, daß sie aber auf ein Mindestmaß beschränkt sind, daß Belastungen herabgesetzt wurden und daß das Parlament in die vorgesehenen Feststellungen eingeschaltet wird, die vor ihrer Anwendung zu treffen sind. Insoweit meine ich, daß sich die drei Änderungsgesetzentwürfe wesentlich von dem unterscheiden, was wir seither in diesen Bereichen der Ernährung, der Wirtschaft und des Verkehrs als einfache Notstandsgesetze vor uns haben.
Lassen Sie mich bei dieser Gelegenheit ein Wort zur deutschen Landwirtschaft sagen. Ich glaube, wir können mit Befriedigung feststellen, daß wir heute in einem Ernstfall in der Lage wären, auf geringerem Raum bei größerer Bevölkerung die Ernährung dieser Bevölkerung aus eigener Erzeugung besser zu sichern, als das z. B. vor 30 Jahren der Fall war. Ich bin, das wissen Sie, kein Landwirtschaftspolitiker, nicht im geringsten; ich meine nur, daß man mit der Beratung eines solchen Gesetzes durchaus auch einmal darüber nachdenken sollte, ob nicht diese Ernährungsgrundlage erhalten werden muß.
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Meine Damen und Herren, die Fraktion der CDU/ CSU wünscht, daß die Beratungen zügig, wenn auch gründlich, vorankommen, um eine baldige Verabschiedung dieser fünf vorliegenden Gesetzentwürfe zu gewährleisten. Wir halten sie im Interesse unserer Bevölkerung für notwendig.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Schmitt-Vockenhausen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die heutige Lesung vor allem der Sicherstellungsgesetze und des Katastrophenschutzgesetzes führt uns noch einmal in die Debatten des Sommers 1965 zurück.
Was die Sicherstellungsgesetze anbetrifft, so hat damals mein Fraktionskollege Gerhard Jahn für die SPD-Fraktion unsere Ablehnung des Wirtschafts-, des Verkehrs- und des Ernährungssicherstellungsgesetzes begründet. Wir mußten diesen Gesetzen unsere Zustimmung versagen, weil ihre Anwendung nicht an die Sicherungen gebunden war, die in der geplanten Verfassungsergänzung vorgesehen waren. Zum anderen hatten wir erhebliche Bedenken, ob die Gesetze in der vorgelegten Form überhaupt mit Art. 80 des Grundgesetzes vereinbar waren.
Heute liegen dem Parlament Änderungsentwürfe der Regierung vor, die unseren Forderungen im Grundsatz entgegenkommen. Der größte Teil der Bevollmächtigungen wird an die Voraussetzungen gebunden, die in der vorgesehenen Notstandsverfassung selbst für die Anwendung „einfacher" Notstandsgesetze aufgestellt werden. Der Katalog von Vollmachten ist in mehreren Gesetzen gekürzt worden.
Die neuen Fassungen der Sicherstellungsgesetze werden von uns in den Ausschußberatungen einer eingehenden Prüfung unterzogen werden, und zwar in der gleichen Zielrichtung, die wir in den Beratungen von 1965 deutlich gemacht haben. Es wird besonders darauf geachtet werden, daß die Verordnungsermächtigungen den Erfordernissen des Art. 80 des Grundgesetzes genau entsprechen.
Die Ausgestaltung der Sicherstellungsgesetze hängt aber entscheidend davon ab, wie in der Verfassungsänderung selbst die Vorkehrungen für die Spannungszeit aussehen werden. Der heutige Stand der Beratungen im Rechtsausschuß rechtfertigt die Hoffnung, daß es darüber zu einer Einigung kommen wird und daß damit auch die Sicherstellungsgesetze, mit den erforderlichen rechtsstaatlichen Sicherungen versehen, in Übereinstimmung mit der Grundgesetz8584
änderung neu gestaltet und verabschiedet werden können.
Zu dem vorliegenden Entwurf eines Arbeitssicherstellungsgesetzes gibt es zahlreiche Anregungen und kritische Einwände, die auch in den öffentlichen Anhörungssitzungen ihren Niederschlag gefunden haben. Auch die Fassung dieses Gesetzes hängt von dem Wortlaut der Verfassungsänderung, die jetzt in einem Art. 12 a vorgesehen ist, ab. Wenn es gelingt, in den Ausschußberatungen den Art. 12 des Grundgesetzes bzw. einen Art. 12 a für den Verteidigungsfall entsprechend unseren Grundsätzen zu gestalten - nämlich daß Dienstverpflichtungen nur vorgenommen werden dürfen, wenn der Personalbedarf nicht mehr durch Freiwillige gedeckt werden kann, daß Verpflichtungen nur im Verteidigungsfall oder nach einem Beschluß des Bundestages mit qualifizierter Mehrheit erfolgen dürfen und daß der arbeitsrechtliche Charakter der Dienstverhältnisse gewährleistet ist -, dann wird auch das Arbeitssicherstellungsgesetz in einer guten und akzeptablen Form verabschiedet werden können.
Besonders wichtig erscheinen mir neben anderen kritischen Einwänden, die hier noch zu berücksichtigen sind, vor allem die Anregungen einer entsprechenden Ergänzung der §§ 4 und 11 dieses Gesetzentwurfs, damit auch die gewählten Vertreter der Belegschaften, die Betriebs- und Personalratsmitglieder, ihren Dienst für die Menschen im Betrieb leisten können. Wir hoffen, daß in dieser wichtigen Frage eine gemeinsame Grundlage gefunden wird.
Was den Zivilschutz in engerem Sinne betrifft, so läßt sich das, was in vielen Jahren nicht aufgebaut, sondern versäumt worden ist, natürlich nicht mehr aufholen. Ich will heute nicht die Erinnerung an zahlreiche parlamentarische Auseinandersetzungen über diese Fragen wachrufen. Aber es hat zu lange gedauert, bis ein wirkliches Konzept vorlag. Dieses Konzept - wir haben daran mitgearbeitet - ist damals in der vierten Legislaturperiode sehr wesentlich nach den Vorstellungen über den Zivilschutz in den skandinavischen Ländern gestaltet worden. Bedenken wegen der Finanzierung der zahlreichen Maßnahmen wurden damals von dem Bundesfinanzminister Dahlgrün nicht geteilt. Nach der Wahl von 1965 stand dann fest, daß das gesamte Programm im Hinblick auf unsere Haushaltslage nicht mehr verwirklicht werden konnte. Manchmal kann man aber auch aus einer Not eine Tugend machen: Einmal hat sich inzwischen gezeigt, daß auch in den skandinavischen Ländern vieles von dem nicht mehr verwirklicht wird, was man in den 50er Jahren noch für unumstößlich notwendig und richtig gehalten hatte. Ich denke z. B. nur an das Schutzbauprogramm. Zum anderen zwingt die finanzielle Situation dazu, die Organisationsformen und die personellen Probleme sorgfältig zu überprüfen. Ich habe deshalb bereits am 9. Dezember 1965 für meine Fraktion ein Mindestprogramm gefordert, um wenigstens die notwendigsten Vorkehrungen möglichst effektiv treffen zu können. Dieses Mindestprogramm kann nunmehr im Zusammenhang mit dem Katastrophenschutzgesetz und dem noch vorzulegenden Bericht der Bundesregierung beraten werden.
Damit komme ich zu dem Entwurf eines Gesetzes über die Erweiterung des Katastrophenschutzes. Das Gesetz ist - wie übrigens auch in den öffentlichen Anhörungssitzungen von dem Vorsitzenden des DGB festgestellt worden ist - in seiner Grundanlage richtig. Die bisherige Zweigleisigkeit von ziviler Verteidigung und Katastrophenschutz wird beseitigt. In Zukunft sollen die Vorkehrungen für den friedensmäßigen Katastrophenschutz und für den Schutz der Zivilbevölkerung in Kriegszeiten einheitlich auf örtlicher Ebene getroffen werden. Hierdurch wird ein wirksamerer Einsatz der nun einmal begrenzten finanziellen Mittel möglich werden.
Die erste Stufe werden immer die einzelnen Staatsbürger bilden, die sich freiwillig im Selbstschutz haben ausbilden lassen und nicht organisiert sind. Ihre Ausbildung wird auch weiterhin wohl vorwiegend durch den Bundesluftschutzverband vorgenommen werden. Dann kommen die Basisorganisationen, die im wesentlicheneigene Ausbildungseinrichtungen haben. Als überörtliche Reserve soll schließlich das Zivilschutzkorps dienen.
Zu all dem gibt es noch Wünsche und Vorstellungen. Ingesamt ist die Bundesregierung auf dem richtigen Weg, und mit dem weiteren von der Regierung vorzulegenden Programm werden wir dann im Parlament die Einzelheiten zu beraten und zu entscheiden haben. Das Katastrophenschutzgesetz findet jedenfalls in seinen Grundzügen unsere Zustimmung. Selbstverständlich werden die Einzelfragen in den Ausschüssen noch sorgfältig erörtert werden.
Es hat hinsichtlich der Vereinfachung der Organisationsstrukturen auch manche Sorgen und manche Kritik gegeben, wie auch manche Hoffnungen auf einen großzügigeren Aufbau des Zivilschutzes enttäuscht wurden. Wir hoffen und glauben, daß alle, die bisher im Zivilschutz mitgearbeitet haben, sich auch weiterhin dafür einsetzen werden. Die Frage der Organisation sollte für alle diejenigen, für die Solidarität und Hilfe für den Nächsten ein Anliegen ihrer Arbeit sind, von untergeordneter Bedeutung sein.
Wir benutzen die Gelegenheit, all denen für ihre bisherige Arbeit zu danken, die hier tätig geworden sind, und bitten sie, auch auf der neuen Grundlage der freiwilligen Mitarbeit der Basisorganisationen mitzuhelfen. Gerade die großen Hilfsorganisationen haben im Katastrophenschutz in den zurückliegenden Jahren eine so große Bewährungsprobe abgelegt, daß wir mit Recht davon ausgehen können, daß sie auch die ihnen jetzt zugedachten Aufgaben meistern werden.
Um einige Mißverständnisse auszuräumen, möchte ich hier noch betonen, daß durch den vorliegenden Gesetzentwurf nichts an der Trägerschaft der Basisorganisationen geändert wird. Sie gehen nicht, wie aus der Fassung einer Bestimmung irrtümlich geschlossen worden ist, auf die Stadt- und Landkreise über. Vielmehr sollen die verschiedenen Kräfte des Katastrophenschutzes auf dieser Verwaltungsebene organisatorisch zusammengefaßt und koordiniert werden, um so gemeinsam und möglichst wirksam
auch für den Schutz der Zivilbevölkerung im Verteidigungsfall Vorkehrungen treffen zu können.
Die uns heute vorliegenden „einfachen" Gesetze stehen in unmittelbarem sachlichen Zusammenhang mit der geplanten Verfassungsänderung. Beim Arbeitssicherstellungsgesetz handelt es sich sogar um ein Ausführungsgesetz zu einer Regelung der Notstandsverfassung, Herr Kollege Busse. Da das Gesamtpaket dieser Regelungen zusammen gesehen und beurteilt werden muß, werden diese Gesetze bei der endgültigen Beratung der Notstandsverfassung in ihren Grundzügen festliegen müssen und zusammen mit der Grundgesetzänderung verabschiedet werden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, heute geht es nicht um eine Entscheidung, heute geht es um die erste Beratung dieser Gesetzentwürfe, damit die Ausschüsse zügig ihre Arbeit aufnehmen können. Ich darf noch einmal sagen, daß wir im Hinblick auf das Kohleanpassungsgesetz und auf die Tatsache, daß im Mai mehrere Große Anfragen beantwortet werden müssen, heute den Tag nutzen müssen, um die erste Beratung dieser Gesetze vorzunehmen.
Und lassen Sie mich noch ein Letztes sagen. Meine Damen und Herren, die Sozialdemokraten haben diese Fragen immer auf der Grundlage ihrer Parteitagsbeschlüsse beraten. Herr Kollege Busse, wir sind ja sehr froh darüber, daß Sie von den Grundsätzen, unter denen Sie früher diesen Gesetzen gegenüber angetreten waren, abgerückt sind und heute auf unserer Grundlage die Sicherstellungsgesetze mit beraten. Insofern vielen Dank und die Hoffnung, daß wir die Gesetze auch wirklich gut und zügig verabschieden können.
({0})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Matthöfer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte einige Worte zum Arbeitssicherstellungsgesetz sagen.
Erst einmal eine Bemerkung zu Herrn Picard. Es ist in der Tat erfreulich, daß hier eine Zustimmung des Parlaments vorgesehen ist. Weniger erfreulich ist allerdings, daß nach den gestern im Rechtsausschuß gefaßten Beschlüssen auch einige Hintertürchen offengelassen werden, mit denen es sehr wohl möglich sein wird, diese Zustimmungsnotwendigkeit des Parlaments zu unterlaufen.
({0})
- Ob mich der Beifall besonders freuen soll, weiß ich nicht.
({1})
- Vielleicht aber, Herr Moersch, werden Sie mir dann auch Beifall klatschen, wenn es darum geht,
das Streikrecht der Arbeitnehmer in diesem Zusammenhang zu sichern.
({2})
- Danke schön.
Der Regierungsentwurf, mit dem wir es hier zu tun haben, regelt ausschließlich privatrechtliche Dienstverhältnisse, die durch Dienstverpflichtungen begründet werden können. Er besagt aber nicht, ob überhaupt und gegebenenfalls unter welchen Bedingungen öffentlich-rechtliche Dienstverhältnisse begründet werden. Er enthält zwar in § 38 eine allgemeine Verweisung auf die für die jeweiligen Dienstverhältnisse geltenden Bestimmungen des Bundesoder Landesrechts. Das ist jedoch recht unbefriedigend, da die entscheidende Frage, ob und für welche Zwecke öffentlich-rechtliche Dienstverhältnisse begründet werden, eben nicht geregelt wird.
Wenn man bei der Änderung des Art. 12 des Grundgesetzes oder - nach der neuesten Geschäftslage - nach Einfügung eines Art. 12 a zu dem Ergebnis kommt, daß man in beschränktem Umfang auch öffentlich-rechtliche Dienstleistungsverhältnisse begründen kann, dann ist es doch wohl eine der entscheidenden Aufgaben dieses Gesetzes, derartige Fälle klar und unmißverständlich zu regeln. Der jetzige § 38 ist nach meiner Meinung völlig undiskutabel, da er es der Exekutive überläßt, darüber zu entscheiden, ob und in welchem Umfang öffentlich-rechtliche Dienstverhältnisse begründet werden sollen.
Ich darf in diesem Zusammenhang auf die Bemerkung des Herrn Staatssekretärs Benda eingehen. Er sagt, die Begründung öffentlich-rechtlicher Dienstverhältnisse solle im wesentlichen nur beim Zivilschutzkorps, den übrigen Zivilschutzorganisationen oder für polizeiliche Aufgaben möglich sein. Hier kommt es natürlich darauf an, wie man das „im wesentlichen" eigentlich verstehen soll.
Über die näheren Voraussetzungen, unter denen Dienstverpflichtungen begründet werden können, kann man jetzt eigentlich noch nicht sprechen, da sich die Bestimmungen natürlich danach ausrichten müssen, wie die entsprechende Regelung des Art. 12 aussehen wird.
Ich möchte hier auch zur Unterrichtung von Herrn Busse einmal vorlesen, welchen Beschluß in diesem Zusammenhang unser Parteitag in Nürnberg gefaßt hat. Es heißt dort:
Von der Möglichkeit der Dienstverpflichtung darf nur dann Gebrauch gemacht werden, wenn der Personalbedarf durch Freiwillige nicht mehr gedeckt werden kann.
Jetzt kommt die entscheidende Passage:
Dienstverpflichtungen dürfen jedoch nur im Verteidigungsfall oder für Zwecke der Verteidigung nach mit qualifizierter Mehrheit ausgesprochener vorheriger Zustimmung des Bundestages erfolgen. Der arbeitsrechtliche Charakter des Dienstverhältnisses ist im Grundgesetz zu gewährleisten.
Es wird also noch darüber zu reden sein, inwieweit dieser Beschluß die vom Rechtsausschuß getroffenen Regelungen noch deckt.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Bitte schön!
Herr Kollege Matthöfer, sehen Sie nicht in der Bedingungen des ersten Satzes des § 38 „Soweit es im öffentlichen Dienst erforderlich ist ..." eine sehr wesentliche Einschränkung des Bereichs, in dem überhaupt nur öffentlich-rechtliche Dienstverpflichtungen vorgenommen werden können?
Ich sehe das sehr wohl, Herr Picard, aber das reicht mir eben nicht hin. Ich möchte eine ganz genaue, konkrete Spezifizierung haben. Insbesondere - ich werde darauf gleich noch zu sprechen kommen - kann ja auch durch einfache Verordnung der Anwendungsbereich dieses Gesetzes ausgedehnt werden.
Die Feststellung, daß eine richtige Beratung noch nicht möglich ist, gilt auch in bezug auf die im jetzigen Regierungsentwurf vorgesehene Möglichkeit der Verpflichtung zu Ausbildungsveranstaltungen. Sie wird selbstverständlich ebenfalls davon abhängig sein, ob überhaupt eine entsprechende verfassungsrechtliche Ermächtigung an den Gesetzgeber erteilt wird. Ich persönlich werde mich jedenfalls ganz entschieden dagegenwenden.
Bereits der Bundesrat hat in seiner Stellungnahme gerügt, daß die vorgesehenen Möglichkeiten, durch Rechtsverordnung - jetzt komme ich darauf, Herr Picard - den Anwendungsbereich dieses Arbeitssicherstellunggesetzes zu erweitern, einzuschränken oder abzugrenzen, nicht tragbar und auch mit Art. 80 des Grundgesetzes kaum vereinbar sein dürften. Ich stimme insofern den Ausführungen von Herrn Busse und auch den Ausführungen meines Kollegen Schmitt-Vockenhausen, der ebenfalls darauf hingewiesen hat, daß noch einmal überprüft werden muß, ob das alles mit dem Art. 80 vereinbar ist, völlig zu.
Eine Kritik an Einzelregelungen des Zweiten Abschnitts des Gesetzes, der auf der verfassungsrechtlichen Ermächtigung zu einem Arbeitsplatzwechselverbot beruht, sollte man überhaupt erst üben, wenn klargestellt ist, ob diese verfassungsrechtliche Bestimmung des Entwurfs erhalten bleibt. Ich glaube jedenfalls nicht, daß es zu einer solchen Regelung kommen wird, - insbesondere auch deshalb nicht, weil wir ja inzwischen in der Fassung des Rechtsausschusses in Art. 12 a Abs. 4 eine Verpflichtung für die Frauen im Bereiche des militärischen und zivilen Sanitäts- und Heilwesens vorgesehen haben.
In der Offentlichkeit wurde verschiedentlich heftige Kritik daran geübt, daß die Arbeitsämter praktisch mit der Durchführung des Arbeitssicherstellungsgesetzes betraut und zu Verpflichtungsbehörden gemacht werden sollen. Man sollte diese Frage ebenfalls noch einmal sehr genau erörtern und überlegen, ob man nicht doch noch eine bessere und andere Lösung finden kann.
Rechtlich bedenklich und wohl auch sachlich kaum geboten erscheint die Bestimmung des § 26 Abs. 4, die die Berufung bei Rechtsstreitigkeiten aus dem Gesetz in bestimmten Fällen nicht zuläßt. Auch bei einer Klage gegen eine Dienstverpflichtung ist eine solche Bestimmung nicht notwendig, da Widerspruch und Anfechtung nach der ausdrücklichen Bestimmung des § 26 Abs. 3 keine aufschiebende Wirkung haben. Selbst dann, wenn eine verfassungsrechtliche Ermächtigung zur Heranziehung zu Ausbildungsveranstaltungen geschaffen werden sollte, was ich, wie gesagt, persönlich für ausgeschlossen halten möchte, muß die Bestimmung des § 28 geändert werden.
Die äußerst wichtige Frage, für welche Aufgaben überhaupt Ausbildungsveranstaltungen durchgeführt werden können, sollte nicht dem Verordnungsgeber vorbehalten bleiben. Nach dem jetzigen Wortlaut soll im Rahmen von Ausbildungsveranstaltungen offenbar grundsätzlich ein öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis bestehen, da dort pauschal auf die Vorschriften über Wehrübungen verwiesen wird. Auch das dürfte sicherlich nicht notwendig sein und sollte daher geändert werden.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Frau Dr. Diemer-Nicolaus? .
Bitte schön!
Herr Kollege Matthöfer, ich hatte mich zu Wort gemeldet, als Sie auf die Rechtswegvorschriften, auf den § 26, zu sprechen kamen. Ich wollte Sie in diesem Zusammenhang fragen: Teilen Sie meine Auffassung, daß auch der Abs. 3 - Sie hatten auf den Abs. 4 abgestellt -, nach dem Widerspruch und Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, doch sicherlich so lange keine Berechtigung hat, als es sich nur um Verwaltungsakte in bezug auf die Ausbildungsfragen handelt, und daß man hier mindestens einen Unterschied zwischen Verteidigungsfall und normalen Zeiten machen muß?
Ich würde Ihnen da gern zustimmen, gnädige Frau.
In § 32 wird gerade von seiten der Gewerkschaften die Formulierung in Abs. 1 „ohne einen anerkennenswerten Grund" kritisiert, weil damit nicht klargestellt sei, ob das Streikrecht ausreichend garantiert sei. Ob und in welchem Umfang man diese Bestimmung präzisieren muß, hängt auch davon ab, inwieweit verfassungsrechtliche Garantien für das Streikrecht eingebaut werden.
Herr Staatssekretär Benda hat in seiner Einbringungsrede gesagt - ich hoffe, ich habe das richtig mitbekommen -, die Arbeitskampffreiheit solle nicht beeinträchtigt werden.
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Ob Streikrecht und Arbeitskampffreiheit, - darüber wird man noch reden müssen, aber auf das „nicht beeinträchtigt", Herr Staatssekretär Benda, darauf werden Sie ich wohl festlegen lassen müssen.
Problematisch erscheint auch das Verfahren beim Erlaß von Bereithaltungsbescheiden nach § 29 des Entwurfs. Es ist dort überhaupt nicht gesagt, zu welchem Zeitpunkt derartige Bereithaltungsbescheide erlassen werden können.
Lassen Sie mich zum Schluß noch sagen, daß man allgemein beim Problem der Dienstverpflichtung zu beachten haben wird, daß die Heranziehung weitgehend nicht nur Zwecken der Verteidigung, sondern in unserem Wirtschaftssystem eben auch der Gewinnerzielung privater Unternehmer dient. Es wäre gut, wenn man .das bei der weiteren Beratung dieses Gesetzes sorgfältig im Auge behielte.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dorn.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Staatssekretär Benda hat in seiner Rede zur Einbringung der Gesetze gesagt: Auch in der Stunde der Not muß die freiheitliche demokratische Grundordnung erhalten bleiben.
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Wir stimmen dem voll zu, selbst wenn wir uns heute hier darüber unterhalten müssen, in welchem Umfang wir diese Grundordnung einschränken müssen. Die Gesetze, die wir hier behandeln, sollen doch die Einschränkung dieser Grundordnung im Einzelfall regeln; daran kommen wir doch insgesamt nicht vorbei.
Nun meinte der Kollege Picard im Gegensatz zu dem, was der Kollege Matthäfer und auch der Kollege Schmitt-Vockenhausen vorgetragen haben, daß bei der CDU/CSU-Fraktion kein Grund für verfassungsrechtliche Verbesserungen bei den Sicherstellungsgesetzen gesehen worden sei, weil die Bedenken, die zu Art. 80 des Grundgesetzes in der vorigen Legislaturperiode von einem Teil meiner Fraktion und mir selbst sowie von der SPD erhoben worden seien, von der CDU/CSU nicht geteilt würden.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Herr Kollege Dorn, darf ich Sie daran erinnern, daß ich nicht von verfassungsrechtlichen Verbesserungen, die vielleicht notwendig seien, gesprochen habe, sondern daß ich gesagt habe, wir sähen keine Begründung für die Wiedervorlage wegen verfassungsrechtlicher Bedenken. Daß trotzdem verfassungsrechtliche Verbesserungen vorgenommen werden können, wenn ich auch vorher keine Bedenken hinsichtlich der Verfassungsgemäßheit hatte, darüber sind wir uns, glaube ich, doch einig.
Ich glaube, das ist doch mehr eine dialektische. Formulierung, Herr Kollege Picard.
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- Natürlich. Ich wehre mich ja gar nicht gegen dialektische Bemerkungen, ich meine nur, wir beide sind uns darüber klar, daß das eine mehr dialektische Bemerkung war.
Die Bemerkung, die der Kollege Schmitt-Vockenhausen tin diesem Zusammenhang gemacht hat, war schon viel vorsichtiger. Er hat gesagt: Diese Gesetze, die die Bundesregierung uns jetzt vorgelegt hat, kommen uns im Grundsatz entgegen. Das ist immerhin schon ein Fortschritt gegenüber dem, was die SPD in der vorigen Legislaturperiode an Bedenken hatte, es zeigt aber auch, daß die Bedenken nicht ganz ausgeräumt sind. Das wurde ja auch bei den Ausführungen nicht nur meines Fraktionsfreundes Hermann Busse, sondern auch bei dem, was der Kollege Matthöfer vorgetragen hat, sichtbar.
Herr Kollege Schmitt-Vockenhausen hat eine weitere Bemerkung angeknüpft und gesagt: Die SPD ist froh, daß die FDP bei der Beratung der Sicherstellungsgesetze inzwischen den früheren Vorstellungen der SPD gefolgt ist. Nun, Herr Kollege Schmitt-Vockenhausen, mein Freund Hermann Busse hat hier schon gesagt, warum ein Teil unserer Fraktionskollegen in der vorigen Legislaturperiode der Regierungsvorlage trotz vieler Bedenken zugestimmt hat. Ich glaube, Sie selber werden in einer Koalition manchmal auch in der gleichen Lage sein. Daraus kann man also nicht unbedingt seinen Grundsatz machen.
Trotzdem haben Sie in einigen Punkten recht; das will ich gern zugestehen. Die Diskussion um die Notstandsgesetzgebung war ja seit 1965 nicht einem Stillstand unterworfen. In allen Fraktionen hat es neue Überlegungen gegeben, auch in der CDU-Fraktion; ich nehme keine aus. Das haben wir bei dem, was wir nun hier vorliegen haben, bei allen Einzelgesetzen und auch bei der Verfassungsgesetzesvorlage, gespürt. Wir begrüßen es, daß durch die intensive Diskussion der letzten Jahre alle Fraktionen Gelegenheit gehabt haben, sich erneut Gedanken zu machen.
Wir begrüßen es auch - lassen Sie mich das an dieser Stelle sagen -, daß die Kollegen der SPD-Fraktion - ich weiß jetzt nicht, wieviel es sind; bei Ihnen werden immer unterschiedliche Zahlen genannt -, die ihre neuen Vorstellungen in der Fraktion vorgetragen haben, bei der Verfassungsgesetzgebung gegenüber der Regierungsvorlage in vielen Punkten mit dem übereinstimmen, was wir als Initiativgesetzentwurf unserer Fraktion hier eingebracht haben. Das sollten wir uns nicht gegenseitig vorrechnen. Auch wir sind froh darüber, daß hier manche neuen Gesichtspunkte von Ihnen aufgegriffen werden.
Nun, meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie mich einiges zu dem Katastrophenschutzgesetz sagen. Wir alle haben einem Teil der Zivilschutzgesetze, die in der vorigen Legislaturperiode verabschiedet wurden, in diesem Haus unsere einmütige Zustimmung gegeben. Ich will jetzt nicht
auf das eingehen, was hier damals unstrittig gewesen ist. Ich meine, wir werden uns auch über die Frage des Schutzbaues und ähnliche Dinge an Schutzmaßnahmen für die Zivilbevölkerung in den Ausschußberatungen noch unterhalten müssen. Aber eines sollte man am dieser Stelle auch sagen: daß der bisherige Aufbau der Zivilschutzorganisationen nur mit einem unendlichen Idealismus der in ihnen Tätigen möglich gewesen ist. Die große Sorge, die wir haben, ist, daß vieles von diesem Einsatzwillen, von dieser Einsatzbereitschaft nach dem, was uns jetzt als Regierungsvorlage vorliegt, nicht mehr vorhanden sein wird.
Selbst die Bundesregierung ist zu dieser Auffassung gekommen, denn sonst könnte man die Sätze, die in der Begründung Drucksache V/1158 zu finden sind, nicht verstehen. Es heißt dort u. a. - ich darf wenige Sätze daraus mit Genehmigung des Herrn Präsidenten vorlesen -:
Die Folgen sind schwerwiegend; so haben die zur Durchführung der Gesetze berufenen Behörden der Länder und vor allem der Gemeinden viele Vorbereitungen eingestellt; das Vertrauen der Offentlichkeit zu einer Zivilschutzplanung des Bundes geht mehr und mehr verloren. Zudem muß in steigendem Umfang eine Resignation der ehrenamtlichen Helfer aller Bereiche ... festgestellt werden.
Hier zeigt sich doch eindeutig, was inzwischen versäumt worden ist.
Ich bin auch nicht ganz sicher, daß das, was nunmehr im Katastrophenschutzgesetz angesprochen wird - auch mit der organisatorischen Lösung -, der Weisheit letzter Schluß ist; denn die Mehrgleisigkeit, die hier auf uns zukommt, ist doch zu deutlich spürbar. Auf der einen Seite gibt man den Organisationen die Möglichkeiten der Ausbildung; und auf der anderen Seite beschneidet man ihre Chancen bei der Organisation dessen, was angestrebt werden soll. Hier werden wir zu erheblichen Belastungen kommen.
Paradox ist nach unserer Auffassung auch die Bestimmung des § 8 des Entwurfs, wonach derjenige, der seiner Verpflichtung zur Dienstleistung im Katastrophenschutz zuwiderhandelt, in eine Ordnungsbuße genommen werden kann, wenn man bedenkt, daß alle Helfer des Katastrophenschutzes freiwillige Helfer sind, sich freiwillig verpflichtet haben.
Ich glaube auch,- daß in den letzten Monaten im Innenministerium eine Fülle von Fehlentscheidungen getroffen worden ist. Meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie mich nur einmal etwas aus den Organisationen des Bundesluftschutzverbandes hier im Regierungsbezirk Köln sagen. Da sind die Kreisstellen Siegkreis, Rheinisch-Bergischer Kreis und Oberbergischer Kreis mit einem ehrenamtlichen Helfer besetzt. Den Kreisstellen Siegkreis und Oberbergischer Kreis stehen je vier hauptamtliche Mitarbeiter zur Verfügung, bei der Kreisstelle Rheinisch-Bergischer Kreis ist es nur ein hauptamtlicher Mitarbeiter. Nun ist zur Straffung der Organisation die Entlassung von rund 60 hauptamtlichen Kräften hier im Lande Nordrhein-Westfalen erfolgt.
Nach welchem Schlüssel das geschieht, ist völlig undurchsichtig, und in der Sache scheint es uns auch ungerechtfertigt zu sein. Von den Kreisen, die ich vorhin angesprochen habe, erhalten zwei je fünf hauptamtlich Tätige, aber einem Kreis wird der einzige dort hauptamtlich Tätige entzogen. Wir meinen also, daß das, was bisher an Organisation im Innenministerium spürbar geworden ist, die Dinge eher noch verworrener gestaltet hat, als daß es zu vernünftigen Regelungen geführt hat.
Lassen Sie mich ein sehr ernstes Wort zu dem Teil des Katastrophenschutzgesetzes sagen, der sich mit dem Aufenthaltsregelungsgesetz befaßt. Dieses Aufenthaltsregelungsgesetz ist uns in der vorigen Legislaturperiode im Rahmen des Notstandspaketes als ein Einzelgesetz vorgelegt worden. Das Gesetz war so schlecht, daß nicht ein einziger Ausschuß dieses Parlaments, der für die Beratung und Mitberatung vorgesehen war, auch nur eine Minute seiner Zeit für die Beratung dieses Gesetzes verschwendet hat.
Dann passierte etwas, was uns hinsichtlich der Behandlung der Schubladengesetze mißtrauisch gemacht hat. Nachdem dieses Gesetz von allen Fraktionen des Parlaments einmütig abgelehnt worden war, wurde der Gesetzentwurf als Schubladengesetz Bestandteil des Verteidigungsbuchs der Bundesregierung. Nachdem wir davon Kenntnis genommen haben, haben wir gemeint, daß man so einfach nicht verfahren könne.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Herr Kollege Dorn, sind Sie nicht auch der Meinung, daß der Begriff „Schubladengesetze" die Bevölkerung draußen irreführen könnte, weil es sich nicht um Gesetze, sondern höchstens um Entwürfe gehandelt hat?
Herr Kollege Matthöfer, verfassungsrechtlich ist das so richtig. Nur wissen wir beide sehr genau - und das wissen auch die anderen Mitglieder des Hauses -, daß schon nach der bisher geltenden Notstandsregelung mit den alliierten Vorbehalten die Bundesregierung in die Lage versetzt werden konnte, die Gesetzentwürfe praktisch ohne eine Gesetzesberatung - so ist es auch in Ihrem Pressedienst geschrieben worden - zum Gesetz, zu einer Verordnung zu machen. Ich meine, es hat keinen Sinn, daß wir uns in diesem Zusammenhang über den Wert des Entwurfs oder des Gesetzes streiten. Nach der bisherigen Rechtssituation hätten aus diesen Entwürfen von heute auf morgen Gesetze werden können. Das ist unstreitig.
Nun kommt das nächste Problem. Jetzt finden wir diesen alten Bekannten wieder in dem Katastrophenschutzgesetz. Ich sage Ihnen: ich begrüße das, weil ich der Meinung bin, daß mit der Verhaltensweise des Innenministeriums bei der Behandlung der Schubladengesetze ein völlig falscher Weg beschritten worden ist. Ich halte es auch für falsch, daß die Gesetze durch Geheimerlaß vernichtet worden sind. Denn mit Sicherheit hat man einige Kopien noch
als Arbeitsmaterial in den Akten dieses Hauses liegen. Ich wäre glücklicher, wenn diesem Haus die Gesetzentwürfe zur parlamentarischen Behandlung überwiesen worden wären.
Ein Wort zum Zivilschutzkorps! Carlo Schmid hat auf der Tagung des Sozialdemokratischen Hochschulbundes am 20. Januar 1967 gesagt: Das Zivilschutzkorps wird auf keinen Fall aufgestellt werden. Wir wissen nicht, ob es nun aufgestellt wird oder nicht. Nach den Vorstellungen des früheren Innenministers sollte es wohl aufgestellt werden. Ob es dazu kommt, kann im Augenblick keiner sagen. Wenn man sich allerdings die Entscheidung des Rechtsausschusses mit der Verpflichtungsmöglichkeit für das Zivilschutzkorps ansieht, könnte man fast befürchten oder annehmen, daß es jetzt doch aufgestellt werden soll. Aber diese Frage scheint mir im Augenblick noch nicht diskussionsreif zu sein.
Und nun, meine sehr verehrten Damen und Herren, muß ich auf die 165. Sitzung des Deutschen Bundestages vom 18. Februar 1965 zurückkommen, auf eine Rede, die die Kollegin Renger gehalten hat. Sie hat auf eine Rede Bezug genommen, die der damalige Bundesinnenminister auf dem Verteidigungspolitischen Kongreß der CSU in Nürnberg gehalten hatte, und daraus folgendes zitiert - ich bitte, Herr Präsident, auch diese wenigen Sätze aus dem Protokoll des Bundestages vorlesen zu dürfen -:
Vorsorge zum Schutz der Zivilbevölkerung in Notzeiten ist ein Gebot der Menschlichkeit. Wer diese Vorsorge ablehnt oder gar bekämpft, versündigt sich an seinen Mitmenschen.
Dann fuhr die Frau Kollegin Renger fort:
Das waren sehr große und sehr überzeugende Worte. Der Herr Bundeskanzler sagte 1964 auf dem Helfertag in Hamburg: Die Bundesregierung ist sich ihrer großen Verantwortung auch auf diesem Gebiet bewußt.
Dann kommt ein Zuruf des Herrn Kollegen Schmitt-Vockenhausen - der genauso gern wie ich in diesem Hause Zwischenrufe macht -: „Die Regierung ist aber kraftlos!" Dann fährt Frau Kollegin Renger fort:
Ja, was kann man tun? Dann muß man sie ablösen. Die Haushaltsansätze beim Einzelplan 36 zeigen eine ständige Abwärtsentwicklung.
Meine Damen und Herren, die Regierung ist inzwischen abgelöst. Die Konsequenz, die sich daraus ergeben müßte, wäre ja, daß sie jetzt kräftiger ist, weil sie damals kraftlos war, und die Haushaltsansätze beim Einzelplan 36 eine Aufwärtsentwicklung zeigen müßten. Sehr verehrter Herr Kollege Schmitt-Vockenhausen, genau das Gegenteil ist eingetreten. Wir fragen Sie: Ist diese Regierung also nach der Argumentation noch kraftloser als die damalige Regierung?
Antwort in Form einer Zwischenfrage!
Herr Kollege Dorn, meinen Sie nicht mit mir, daß man die heutigen Ansätze im Lichte der hinter uns liegenden Finanzmisere sehen muß?
({0})
Ich meine, daß diese Finanzlage durch Beschlüsse aller drei Fraktionen in diesem Hause so geworden ist, darüber gibt es gar keinen Zweifel, sehr verehrter Herr Kollege; auch durch Anträge, die Ihre Fraktion
({0})
gestellt hat, darüber haben wir uns mehrfach unterhalten. Ich brauche nur an die Rede des Kollegen Althammer zu erinnern, in der er Ihnen großartig all die Beträge vorgehalten hat, die von Ihnen beantragt wurden, die zum Teil von der Mehrheit dieses Hauses auch akzeptiert wurden, die insgesamt zu der augenblicklichen Finanzlage geführt haben. Es ist aber müßig, uns darüber zu streiten, wer, welche Fraktion oder welche Regierung, prozentual mehr Anteil an der heutigen Finanzlage hat.
In diesem Zusammenhang ist aber - damit leite ich über zu dem letzten Gesetz, zu dem ich Stellung nehmen möchte, zum Arbeitssicherstellungsgesetz - nicht uninteressant, was der Herr Kollege Hirsch im SPD-Pressedienst am 31. Oktober 1967 zu diesem ganzen Fragenkomplex ausgeführt hat. Ich darf noch einmal um Genehmigung bitten, Herr Präsident, ein Zitat zu bringen. Der Kollege Hirsch hat damals ausgeführt:
Seit der Verabschiedung jener Gesetze
- es ging um die Sicherstellungsgesetze, Herr Kollege Hirsch hat die SPD darum gekämpft, sie wieder zu beseitigen. Und man muß es als einen wesentlichen Erfolg der Großen Koalition verbuchen, daß dieses Ziel schon mit der Vorlage der jetzigen neuen Entwürfe erheblich näher gerückt ist:
Die Gesetze sind ganz entscheidend besser geworden - was noch nicht heißt, daß sie gut sind!
Schon die Vorlage der neuen Entwürfe enthebt uns des ewigen Trauerspiels, die endgültige Inkraftsetzung der alten Gesetze - die zwar verabschiedet, aber noch nicht rechtswirksam gemacht worden waren - mit dem bezeichnenden Argument des Geldmangels
- Herr Kollege Schmitt-Vockenhausen immer wieder hinauszuschieben. Und mehr noch: die SPD-Mitglieder im Kabinett und der Druck der SPD-Bundestagsfraktion haben erreicht, daß gleichzeitig mit der Kabinettsverabschiedung der neuen Entwürfe die berüchtigten „Schubladengesetzentwürfe" endgültig vernichtet wurden.
Ein mannhaftes Wort, Herr Kollege Hirsch!
({1})
Nur hat es leider nicht den Vorzug, mit dem Zeitablauf der Vernichtung der Schubladengesetze übereinzustimmen. Denn wenn wir dem Bundesinnenminister, der bis gestern amtierte, glauben dürfen, sind die Schubladengesetze am 31. Oktober 1967 noch nicht vernichtet worden. Sie wissen ja selbst, daß Anfang dieses Jahres Ihr Parteifreund Zinn Ihnen mitgeteilt hat, daß der Geheimerlaß über die Vernichtung der Schubladengesetze ihm erst Anfang dieses Jahres mitgeteilt worden ist.
({2})
- Anfang November hier im Haus? Da kann ich Ihnen nur sagen, Herr Kollege Hirsch, daß genauso wie ich auch Ihr Kollege Strohmayr im Besitz von Informationen war, daß in bestimmten regionalen Bereichen der Bundesrepublik sich das Anfang dieses Jahres bis zu den Stellen, die diese Schubladengesetze aufbewahrten, noch nicht durchgesprochen hatte.
({3})
Meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie mich noch wenige Worte zu dem Arbeitssicherstellungsgesetz sagen. Herr Kollege Hirsch hat am 29. Juni 1967 im Plenum darauf hingewiesen, daß die Problematik des Art. 12 in seiner Gesamtheit nur dann richtig beurteilt werden kann, wenn die einzelnen Gesetze, die sich mit diesem Problemkreis befassen, vorliegen. Man muß an dieser Stelle aber auch sagen, daß in beiden Richtungen eine untrennbare Verbundenheit vorhanden ist. Es genügt nicht, zu sagen, der Art. 12 müsse nach den Vorstellungen, die Sie in Nürnberg noch einmal verdeutlicht haben, geändert werden, sondern gerade bei diesem Gesetz, das mit einfacher Mehrheit jederzeit abänderbar ist, ist es von entscheidender Bedeutung, daß die verfassungspolitischen Grundsätze, von denen Sie auf Ihren Parteitagen gesprochen haben, unveränderlicher Bestandteil der Verfassungsänderung sind; denn mit der Hereinnahme in dieses Einzelgesetz können Sie dieses Problem nicht lösen. In Ziffer 6 Ihrer Saarbrücker Beschlüsse und in Ziffer 4 Ihrer Beschlüsse von Köln haben Sie eindeutig ausgeschlossen, daß eine Einschränkung oder Drosselung der demokratischen Grundrechte im gewerkschaftlichen und betrieblichen Bereich unter dem Vorwand des Notstandes praktiziert werden dürfe. Sie haben mit Friedrich Schäfer in seinem Buch ebenfalls auf diese Problematik hingewiesen. Ich betone ausdrücklich, daß meine Fraktion die Bedenken, die Sie, Herr Kollege Matthöfer, vorhin vorgetragen haben, teilt. Ich will sie deswegen jetzt nicht wiederholen.
Ich möchte nur noch einmal auf einen Punkt eingehen, in dem ein Widerspruch zu bestehen scheint zwischen dem, was Herr Staatssekretär Benda heute vorgetragen hat, und dem, was er in der Zeitschrift „Der Arbeitgeber" am 20. Juli 1967 geschrieben hat. Angesichts dieser Diskrepanz muß geklärt werden, welche Haltung die Bundesregierung wirklich einnimmt. Wenn die Bundesregierung das, was Herr Benda heute in diesem Haus ausgeführt hat, als ihre Richtlinie ansieht, ist es genau das Gegenteil von dem, was Herr Staatssekretär Benda am 20. Juli 1967 geschrieben hat. An dieser Frage kann man nicht vorbeigehen. Das muß geklärt werden.
Es muß auch die Frage geklärt werden, ob in der Beratung und Verabschiedung des Art. 12 oder im Zusammenhang mit seiner Behandlung den Forderungen der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion auf Verankerung des Streikrechts, auch des politischen Streikrechts - so war davon in Nürnberg die Rede -, Rechnung getragen wird, ob das Streikrecht expressis verbis hineingenommen werden soll oder ob es genügt, wie wir meinen, daß die in Art. 9 garantierte Koalitionsfreiheit von Anfang an davon ausgeht, daß das Streikrecht nicht verhindert werden darf.
In diesem Zusammenhang wird die Bundesregierung an der Beantwortung folgender Fragen nicht vorbeikommen, auch das Parlament nicht, vor allen Dingen diejenigen nicht, die gewerkschaftlich organisiert sind oder sich den Gewerkschaften verbunden fühlen. In § 32 des Arbeitssicherstellungsgesetzes heißt es folgendermaßen:
({4}) Wer als Arbeitnehmer, der in das Arbeitsverhältnis verpflichtet ist oder zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Zustimmung des Arbeitsamtes bedarf, ohne einen anerkennenswerten Grund
1. seine Arbeitsstelle verläßt oder ihr fernbleibt und vorsätzlich oder fahrlässig länger als drei volle Kalendertage abwesend ist oder
2. sich beharrlich weigert, eine ihm aufgetragene und zumutbare Arbeit zu verrichten, die Zwecken der Verteidigung dient,
wird mit Gefängnis bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.
Dann folgt, wer auch sonst noch bestraft wird.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist eine sehr entscheidende Frage, die für die Regelung der Verfassungsänderung von großer Bedeutung ist. Denn wenn in, der Verfassungsänderung die Problematik nicht so geregelt wird, wie es z. B. die Kollegen Matthöfer, Gscheidle und andere vorgetragen haben, werden Sie im Endergebnis vor derselben Frage stehen, vor der ich in der vorigen Legislaturperiode für meine Fraktion stand, als ich die Frage des Streikrechts hier im Plenum ansprechen wollte. Sie erinnern sich, daß damals zum Notstandspaket unter anderem auch das Zivildienstgesetz gehörte. Da war eine ähnliche Formulierung wie hier - noch extensiver auslegbar, gebe ich zu - vorhanden. Der damalige Innenminister Höcherl hat, als ich ihm sagte, ich wollte dieses Problem ansprechen, mir gesagt: Um Gottes willen, tun Sie das nicht; denn wenn Sie diese Frage behandeln, dann erleben wir eine Auseinandersetzung hierüber, die uns in eine völlig falsche Bahn bringt. Ich habe ihm gesagt:
Aber man muß sich irgendwie dazu äußern. Ich bin der Meinung, es wäre besser, wenn man das Streikrecht so nicht garantiert haben will und es auch auf Grund der Bestimmungen des Zivildienstgesetzes nicht akzeptieren kann, den Arbeitnehmern zu sagen
- ich habe das auch in einem Gespräch mit ungefähr 30 Gewerkschaftsjournalisten mit meinem Freund Thomas Dehler zusammen gesagt -: Du kannst während des Verteidigungsfalles - „äußerer Notstand" hieß es damals noch - nicht streiken. Da hat Herr Höcherl mir gesagt: Das wäre total verkehrt, wenn Sie das machen und sich auf diese Diskussionsebene einlassen; denn wir haben ein viel einfacheres Mittel. Wir haben das Zivildienstgesetz. Wenn gestreikt wird, werden die Streikenden zivildienstverpflichtet, und dann ist das ganze Problem des Streiks erledigt.
({5})
- Eben, Herr Kollege Schmitt-Vockenhausen. Deswegen bin ich der Meinung, daß man diesen Weg auf keinen Fall gehen kann.
Nun frage ich Sie ernsthaft, ob nicht durch das, was hier im Arbeitssicherstellungsgesetz an Möglichkeiten der Ausweitung und Veränderungen mit einfacher Mehrheit, von denen wir uns alle vorstellen können, wie sie aussehen, enthalten ist, im Endergebnis das, was Sie selbst und Ihre Freunde verfassungspolitisch und verfassungsrechtlich wollen, doch nicht erreicht wird. Das ist die letzte Frage, die wir hier von der Bundesregierung beantwortet haben müssen. Dieses Parlament wird durch seine Entscheidung diese Frage ebenfalls beantworten müssen.
Wir meinen also - damit lassen Sie mich schließen -, daß in diesen heute vorgelegten Gesetzen eine Fülle verfassungsrechtlicher und verfassungspolitischer Bestimmungen enthalten sind. Wir können sie vielleicht zügig beraten. Aber wir sollten uns auch nicht unter Zeitdruck setzen lassen. Denn sonst wird hier mit Sicherheit ein Ergebnis gezeitigt, das wir dann in der nächsten Legislaturperiode vielleicht alle für politisch bedenklich halten.
({6})
Der Herr Staatssekretär des Bundesinnenministeriums hat das Wort!
Benda, Parlamentarischer Staatssekretär des Bundesministers des Innern: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hätte bei manchen interessanten Bemerkungen der verschiedenen Herren, die sich hier geäußert haben, keinen Anlaß genommen, noch einmal das Wort zu nehmen. Aber eine Ausführung des Herrn Kollegen Dorn veranlaßt mich doch dazu. Ich bin an sich nicht unglücklich darüber, daß es nun auch Herr Dorn für immerhin lohnend hielt, sich mit mir hier auseinanderzusetzen, nachdem es vor zwei Stunden noch so etwa hieß: Ach, das lohnt doch eigentlich gar nicht, hier zu reden; der sitzt
hier nur noch, wer weiß, wie lange. - Dazu will ich weiter nichts sagen.
({0})
- Ich sagte eben: Ich will nichts dazu sagen, Herr Kollege Dorn; denn das ist hier gar nicht unser Thema.
({1})
- Herr Moersch, ich muß Sie enttäuschen. Von diesem Platz, an dem ich im Augenblick stehe, werden Sie jedenfalls noch manches Mal das Vergnügen, oder wie immer Sie es nennen mögen, haben, mich zu hören. Das ist ja wohl sicher.
({2})
- Dann sind wir uns ja einig.
Herr Dorn, nun aber kommt der Punkt, bei dem ich Ihnen zum zweitenmal, weil Sie es im Verlauf der öffentlichen Anhörungsverfahren schon einmal versucht haben, sagen muß, daß Sie in einem Punkt, in dem Sie mich zitieren, mit einer Methodik arbeiten, die ich nicht für, um es so auszudrücken, zweckmäßig halten kann. Sie fragen nach der Auffassung der Bundesregierung zu den Fragen des Streikrechts, der Arbeitskampffreiheit - ich will in der Sache jetzt gar nichts sagen - und sagen dann: Der Herr Staatssekretär Benda hat ja im „Arbeitgeber" etwas gesagt - dann haben Sie zitiert -, was damit nicht in Einklang zu bringen sei. Das haben Sie bei den Hearings schon einmal gemacht, und zwar in der Sitzung am 14. Dezember 1967. Ich möchte diese Methode schlicht und einfach zurückweisen,
({3})
weil ich sie für eine sehr unfaire Methode - ich darf das einmal so offen sagen - halte. Ich werde gleich versuchen, das zu begründen. Es geht sehr schnell.
Ich habe in diesem Anhörungsverfahren am 14. Dezember 1967 zu der von Ihnen aufgeworfenen Frage ausdrücklich 'für die Bundesregierung eine Auffassung vorgetragen, die ich in der Sache jetzt gar nicht zu wiederholen brauche. Das steht auf Seite 5 des Protokolls der 62. Sitzung des Rechtsausschusses, 77. Sitzung des Innenausschusses. Dann kam Herr Dorn mit diesem Artikel in einer Zeitschrift, auf den er sich heute wieder bezogen hat. Herr Dorn hat heute wie damals unterschlagen, daß ich in diesem Artikel ausdrücklich gesagt habe, daß die Bundesregierung der und der Auffassung ist, und dann bemerkt habe - jetzt zitiere ich mich aus diesem von mir damals verfaßten Artikel in der Zeitschrift -: „Ich persönlich habe in mehreren Äußerungen in der Literatur" - es folgen in der Fußnote die entsprechenden Literaturstellen - „hierzu" - d. h. zu der Auffassung der Bundesregierung in dem Regierungsentwurf - „eine Meinung vertreten, die zwar nicht im praktischen Ergebnis, wohl aber in der rechtlichen Begründung von der Auffassung des Regierungsentwurfs abweicht." Ich habe also ganz klar und ausdrücklich gesagt: Ich vertrete hier als Autor in einer wissenschaftlichen oder jedenfalls
Parlamentarischer Staatssekretär Benda
fachlichen Form, in einer Fachzeitschrift eine Fachmeinung - die Sie für richtig oder falsch halten mögen; das ist hier von mir aus nicht zu erörtern -, die von der Auffassung der Bundesregierung in diesem Punkte, so wie ich damals argumentiert habe, abweicht.
Warum unterschlagen Sie das, Herr Kollege Dorn, und stellen dann die rhetorische Frage, wie denn nun die Auffassung der Bundesregierung sei? Ich vermag - ich wiederhole es - diese Methode nicht als eine faire Methode anzusehen.
({4})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dorn.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und. Herren! Es ging mir nicht darum, Ihnen gegenüber hier unfair zu sein, Herr Staatssekretär; das möchte ich ausdrücklich betonen.
({0})
Es ging mir vielmehr darum, daß die Äußerungen, die heute hier von Ihnen für die Bundesregierung gemacht wurden, im Zusammenhang mit den Äußerungen in Ihrem Artikel geprüft werden sollten. Ich möchte jetzt die beiden Passagen vorlesen - einmal die Ausführung, die Sie für die Regierung gemacht haben, und die andere, die Ihre eigene Meinung enthält --, damit das klar wird. Es kam uns darauf an, zu klären - denn das ist ja nicht immer leicht, wenn in einem Artikel unter zwei verschiedenen Gesichtspunkten vom gleichen Autor völlig widersprechende Meinungen geäußert werden-, was er nun als Staatssekretär sagt oder was er als MdB Benda sagt.
({1})
- Nun, ja, Herr Kollege Damm, ich möchte mich dazu nicht äußern.
Ich möchte das jetzt vorlesen:
Die Bundesregierung hat in ihrer Begründung zu dem Regierungsentwurf und bei anderer Gelegenheit ihre Auffassung dahin geäußert, daß das in Artikel 9 Absatz 3 des Grundgesetzes gewährleistete Recht der Koalitionsfreiheit auch die Institution des echten Arbeitskampfes umschließe, insoweit also insbesondere ein Streikrecht gewährleiste. Dies bedeute aber nicht ein absolutes Arbeitskampfrecht in dem Sinne, daß gesetzliche Beschränkungen überhaupt nicht denkbar seien. Vielmehr könne und müsse unter bestimmten, allerdings sehr engen Voraussetzungen dem Staat die Befugnis bleiben, Arbeitskämpfe rechtlich zu regulieren oder im Falle einer schwerwiegenden Gefährdung des Gemeinwohls ganz - auf Zeit - zu unterbinden.
Herr Staatssekretär, das ist doch Ihre Meinung, die Sie als Vertreter der Bundesregierung gesagt haben?
({2})
- Ja, nun frage ich, ob das die Meinung der Bundesregierung ist. Das darf man doch wohl an dieser Stelle. tun; denn ich bin der Meinung, daß mit Sicherheit von ganz entscheidenden Mitgliedern der Bundesregierung zumindest der zweite Absatz dieser Ihrer Äußerung, die Sie im Namen der Bundesregierung gemacht haben, nicht mit getragen werden kann. Ich halte das für völlig ausgeschlossen. Und wenn ich Äußerungen der Kollegen Ihres Koalitionspartners dazu höre - mir ist das in vielen Podiumsdiskussionen der Kollegen der SPD-Fraktion bestätigt worden -, kann das nicht die Meinung der SPD-Mitglieder im Kabinett sein. Das wollte ich hier geklärt haben.
Nun zu der Äußerung, die Sie für sich persönlich gemacht haben und die viele Absätze später kommt.
Da heißt es dann:
Für den Zustand der äußeren Gefahr würde dann an sich Arbeitskampffreiheit wie im Frieden gelten. Aber der Gesetzgeber oder Notgesetzgeber wäre nach meiner eigenen Überzeugung
- nach meiner eigenen Überzeugung unter dem Druck der tatsächlichen Verhältnisse wahrscheinlich gezwungen, im Interesse der Aufrechterhaltung der elementaren Bedürfnisse der Zivilbevölkerung und der militärischen und der zivilen Verteidigung Arbeitskämpfe zu beschränken oder sogar ganz zu verbieten.
Sie kommen also in beiden Fällen, einmal bei dem, was Sie als Meinung der Bundesregierung geäußert haben, und einmal bei dem, was Sie als Abgeordneter geäußert haben, in diesem Artikel zu dem Ergebnis, Arbeitskämpfe ganz einzuschränken oder zu verbieten. Nun mögen Sie mir bitte klarmachen, was ein normaler Abgeordneter dabei noch für einen Unterschied feststellen soll. Deswegen wollte ich hier an dieser Stelle geklärt haben, ob das die Meinung der Bundesregierung ist oder das, was Sie heute hier vorgetragen haben.
({3})
Keine weiteren Wortmeldungen. Die Aussprache ist geschlossen.
Meine Damen und Herren, es liegen folgende Überweisungsvorschläge vor:
der Entwurf eines Gesetzes über die Erweiterung des Katastrophenschutzes an den Innenausschuß - federführend - sowie an den Rechtsausschuß und an den Haushaltsausschuß gemäß j 96 GO,
der Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Ernährungssicherstellungsgesetzes an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten - federPräsident D. Dr. Gerstenmaier
führend - sowie an den Innenausschuß und den Rechtsausschuß,
der Entwurf eines Gesetzes zur Sicherstellung von Arbeitsleistungen für Zwecke der Verteidigung einschließlich des Schutzes der Zivilbevölkerung an den Ausschuß für Arbeit - federführend - sowie an den Innenausschuß, den Rechtsausschuß und an den Haushaltsausschuß gemäß § 96 GO,
der Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Wirtschaftssicherstellungsgesetzes an den Ausschuß für Wirtschafts- und Mittelstandsfragen - federführend - sowie an den Innenausschuß und den Rechtsausschuß,
der Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Sicherstellung des Verkehrs an den Verkehrsausschuß - federführend - sowie an den Innenausschuß und den Rechtsausschuß.
Zu dem Entwurf eines Gesetzes über die Erweiterung des Katastrophenschutzes ist mir ein Schreiben des Vorsitzenden des Verteidigungsausschusses zugegangen. Er bittet im Namen des Verteidigungsausschusses, diesen Entwurf zur Mitberatung an den Verteidigungsausschuß zu überweisen. Das ist begründet.
({0})
- Wollen Sie dazu etwas sagen?
({1})
- Allgemein zur Überweisung.
Meine Damen und Herren, ich schlage vor, daß dieser Entwurf eines Gesetzes über die Erweiterung des Katastrophenschutzes auch noch dem Verteidigungsausschuß zur Mitbereatung überwiesen wird.
Bitte sehr, Herr Abgeordneter Könen!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte nur darum, mir zu bestätigen, ob es richtig ist, daß folgende Vereinbarung besteht - ich erinnere an unliebsame Vorkommnisse in der Vergangenheit -: sämtliche Ausschüsse, die jetzt hier nicht als mitberatende Ausschüsse bestimmt werden, können als gutachtliche Ausschüsse tätig werden.
Ich verstehe nicht ganz. Alle anderen Ausschüsse sollen als gutachtliche Ausschüsse gehört werden?
Herr Präsident, mir ist erklärt worden, ich brauchte keine Sorge zu haben; denn sämtliche Ausschüsse, die sich aus der Sache heraus mit einem bestimmten Gesetz beschäftigen möchten, hätten dazu insofern Gelegenheit, als der federführende Ausschuß sie als gutachtlich tätige Ausschüsse ansehe. Das muß irgendwo, im Ältestenrat oder sonstwo, vereinbart sein, und das hätte ich gerne bestätigt.
Ja, im Ältestenrat gab es schon mehrfach solche Absprachen.
Man muß sich die praktische Seite der Sache vergegenwärtigen. Sie besteht darin, daß ein Ausschuß, wenn er der Meinung ist, er müsse dazu gehört werden, sich rechtzeitig an den Vorsitzenden des federführenden Ausschusses wendet und ihm sagt: Bitte, wir haben aus diesem oder jenem Grunde den dringenden Wunsch, gehört zu werden. In diesem Fall erwarten wir, daß sich der federführende Ausschuß mit einem solchen Petitum fair auseinandersetzt. Mehr kann ich dazu im Augenblick nicht sagen.
Meine Damen und Herren, wird dem Überweisungsvorschlag mit dem Zusatz, daß der Entwurf eines Gesetzes über die Erweiterung des Katastrophenschutzes auch dem Verteidigungsausschuß - mitberatend - überwiesen werden soll, zugestimmt? - Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 37 auf:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Verkehrsausschusses ({0}) über den Antrag der Abgeordneten Ramms, Wendelborn, Schmidt ({1}) und Genossen
betr. Sicherheit im Verkehr
- Drucksachen V/1573, V/2512 - Berichterstatter: Abgeordneter Tönjes
Ich frage den Berichterstatter, ob er dazu das Wort wünscht. - Der Herr Berichterstatter verzichtet; ich bedanke mich.
({2})
- Einen Augenblick. Ich muß doch zumindest die Aussprache eröffnen und fragen, ob sonst noch jemand etwas dazu sagen will. - Keine Wortmeldungen. Die Aussprache ist geschlossen. Zur Abstimmung hat das Wort der Herr Abgeordnete Frehsee.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Angesichts einer Anzahl gutachtlicher Stellungnahmen, die noch nach Abgabe des Schriftlichen Ausschußberichts ergangen sind, haben mehrere Mitglieder des Ausschusses darum gebeten, ihnen die Gelegenheit zu einer nochmaligen Beratung zu geben. Ich beantrage daher gemäß § 82 der Geschäftsordnung die Rücküberweisung dieses Punktes an den Verkehrsausschuß.
Der Antrag ist zulässig. Ich frage, ob diesem Antrag zugestimmt wird. - Kein Widerspruch; die Vorlage ist an den Verkehrsausschuß zurückverwiesen.
Wir kommen zum letzten Punkt, um den die Tagesordnung heute morgen ergänzt wurde:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Wirtschaft und Mittelstandsfragen ({0}) über die von der Bundesregierung beschlossene Neununddreißigste Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1967 ({1})
- Drucksachen V/2668, V/2768 - Berichterstatter: Abgeordneter Schmidhuber
Präsident D. Dr. Gerstenmaier
Ich frage den Berichterstatter, ob er das Wort wünscht. - Der Herr Berichterstatter verzichtet.
Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Keine Wortmeldungen. Wer dem Antrag des Ausschusses zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Dieser Antrag ist angenommen.
Damit, meine Damen und Herren, sind wir am Ende der heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages ein auf Dienstag, den 2. April 1968, 14.30 Uhr.
Die Sitzung ist geschlossen.