Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet.
Meine Damen und Herren, heute feiert der Abgeordnete Marx ({0}) seinen 65. Geburtstag. Herzlichen Glückwunsch, Herr Kollege Marx!
({1})
Die Fraktion der SPD hat mit Schreiben vom 23. Januar 1968 gebeten, für den bei der Beratenden Versammlung des Europarates ausscheidenden Abgeordneten Corterier den Abgeordneten Rinderspacher, der bisher stellvertretendes Mitglied war, zum ordentlichen Mitglied zu wählen. Als neue stellvertretende Mitglieder in der Beratenden Versammlung des Europarates werden die Abgeordneten Dr. Müller ({2}) für den Abgeordneten Rinderspacher und Dr. Schmidt ({3}) für den aus der Beratenden Versammlung des Europarates ausscheidenden Abgeordneten Schmidt ({4}) vorgeschlagen.
Das Haus ist mit diesen Vorschlägen einverstanden. Damit sind der Abgeordnete Rinderspacher als ordentliches Mitglied und die Abgeordneten Dr. Müller ({5}) und Dr. Schmidt ({6}) als stellvertretende Mitglieder in der Beratenden Versammlung des Europarates gewählt.
Meine Damen und Herren, ich habe Ihnen jetzt einen etwas seltenen Vorgang vorzutragen. Es ist eine Panne passiert, und die wollen wir heute morgen ausbügeln.
Der Deutsche Bundestag hat in seiner 149. Sitzung am 23. Januar dieses Jahres auf Grund des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Gesundheitswesen - Drucksache V/2477 - den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Durchführungsgesetzes EWG-Richtlinie Frisches Fleisch und des Fleischbeschaugesetzes gemäß den Beschlüssen des Gesundheitsausschusses verabschiedet. In der Zwischenzeit wurde folgendes festgestellt.
In der 44. Sitzung des Ausschusses für Gesundheitswesen am 29. November 1967 wurde auf Antrag des Abgeordneten Dr. Imle beschlossen, in Art. 5 dieses Gesetzes die Worte „Januar 1968" durch die Worte „Januar 1969" zu ersetzen. Dieser Beschluß ist in der Drucksache V/2477, über die wir
abgestimmt haben, nicht berücksichtigt gewesen. Der Art. 5 muß richtig lauten:
Dieses Gesetz tritt mit Ausnahme des Artikels 2 Nr. 1 und 4 am Tage nach der Verkündung in Kraft; Artikel 2 Nr. 1 und 4 tritt am 1. Januar 1969 in Kraft.
Da der Gesetzesbeschluß des Bundestages, soweit er den Art. 5 betrifft, nicht dem Ausschußbeschluß entsprach, schlage ich Ihnen vor, die Schlußabstimmung auf Grund des berichtigten Ausschußantrags, d. h. der vom Ausschuß beschlossenen Fassung des Art. 5, zu wiederholen. - Es erhebt sich dagegen kein Widerspruch. Wer dem Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Durchführungsgesetzes der EWG-Richtlinie Frisches Fleisch und des Fleischbeschaugesetzes in der berichtigten Fassung zustimmen will, der erhebe sich vom Platz. - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Es ist so beschlossen.
Die folgende amtliche Mitteilung wird ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung hat am 24. Januar 1968 die Kleine Anfrage der Fraktion der FDP betr. Finanzsituation in der knappschaftlichen Rentenversicherung - Drucksache V/2460 - beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache V/2508 verteilt.
Meine Damen und Herren, wir kommen zur Fragestunde
- Drucksachen V/2492, zu V/2492, Nachtrag zu V/2492 Zunächst eine Dringende Mündliche Anfrage aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Gesundheitswesen, Frage 1 des Herrn Abgeordneten Dr. Bechert:
Trifft es zu, daß die konsularische Vertretung der Bundesrepublik Deutschland in Sizilien am 23. Januar 1968 das Auswärtige Amt fernschriftlich darauf hingewiesen hat, daß Obdachlose aus dem typhusgefährdeten Katastrophen-Gebiet Siziliens nach Deutschland ausgereist sind oder ausreisen wollen?
Die Frage wird übernommen. - Das Wort zur Beantwortung hat der Bundesminister für Gesundheitswesen.
Herr Präsident, der deutsche Konsul in Sizilien hat dem Auswärtigen Amt am 23. Januar mitgeteilt, er habe erfahren, daß italienische Dienststellen im Erdbebengebiet an zahlreiche ausreisewillige Familien Freifahrkarten nach deutschen Städten ausgeben. Auch sollen Vorbereitungen ge7734
troffen sein, einen Kindertransport in die Bundesrepublik zu leiten.
Inzwischen hat allerdings eine italienische Dienststelle dem deutschen Konsul in Sizilien mitgeteilt, daß Kindertransporte in die Bundesrepublik Deutschland nicht beabsichtigt seien. Wieweit es sich bei den vom deutschen Konsul gemeldeten Maßnahmen um Pläne handelt oder in welchem Umfange diese schon in die Tat umgesetzt werden, ließ sich bei der Kürze der Zeit, Herr Abgeordneter, leider nicht feststellen, und wir fürchten auch, daß angesichts der Verhältnisse, die im Katastrophengebiet herrschen, das nicht leicht festzustellen sein wird, zumal die Informationsmöglichkeiten auch noch durch einen 48stündigen Telefonstreik in Italien eingeschränkt sind.
Eine Zusatzfrage, Herr Dr. Schmidt ({0}).
Frau Minister, haben Sie Informationen, inwieweit tatsächlich eine Typhusepidemie in Sizilien besteht?
Inzwischen haben, Herr Abgeordneter, die italienischen Gesundheitsbehörden, das Gesundheitsministerium, auf Rückfrage bei den betroffenen Präfekturen in Sizilien der deutschen Botschaft versichert, daß die Meldungen, im Erdbebengebiet häuften sich die Typhusfälle, unzutreffend seien. Selbstverständlich gebe es in Sizilien Einzelfälle von Typhus. Diese habe es aber schon vor der Katastrophe gegeben. Von einer Typhusepidemie könne keine Rede sein. Die von den italienischen Behörden begonnenen Typhusimpfungen seien eine reine Vorbeugungsmaßnahme. Das sind unsere neuesten Nachrichten aus Italien.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Müller.
Frau Minister, sind Sie mit mir der Meinung, daß die Ausgabe von Freifahrkarten in Sizilien eine Möglichkeit ist, die mit der Erdbebenkatastrophe verbundenen sozialen Probleme auf ein anderes Land abzuschieben?
Herr Kollege Müller, da sehe ich eigentlich keinen direkten Zusammenhang. Wenn in der Bundesrepublik Deutschland - was ja der Fall ist - Angehörige von obdachlos Gewordenen in Sizilien leben, wäre es doch verständlich, wenn die Angehörigen hier ihre betroffenen Familienmitglieder aus Sizilien in der Bundesrepublik aufnähmen. Auf welche Weise ihnen die Reise in die Bundesrepublik und möglicherweise auch in andere Länder, in denen italienische Arbeiter sind, ermöglicht wird, halte ich nun nicht gerade für ein Abschieben sozialer Maßnahmen auf ein anderes Land, wenn Italien selber die Kosten dafür übernimmt.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Dr. Müller.
Frau Minister, ist sichergestellt, daß diese Karten nur an solche ausgegeben werden, die Verwandte in Deutschland haben?
Herr Kollege Müller, ich habe bereits gesagt, daß es uns bisher nicht möglich war, festzustellen, ob diese Informationen stimmen. Wir sind dabei, das in Zusammenarbeit mit dem Auswärtigen Amt zu tun. Ich kann also Ihre Frage, ob tatsächlich und in welchem Umfange und an welchen Personenkreis Freifahrkarten ausgegeben worden sind, heute nicht eindeutig beantworten. Wir werden uns aber selbstverständlich zusammen mit dem Auswärtigen Amt in dieser Frage weiter engagieren.
Frau Minister, darf ich davon ausgehen, daß Sie die zweite Frage schon mitbeantwortet haben?
Nein, Herr Präsident.
Oder wollen Sie sie gesondert beantworten?
Ja.
Dann rufe ich die zweite Frage des Herrn Abgeordneten Dr. Bechert ({0}) auf Drucksache V/2507 auf:
Was gedenkt die Bundesregierung zu veranlassen, um ein Einschleppen von Typhus zu verhindern?
Es muß damit gerechnet werden, daß es im Katastrophengebiet zu einem Ansteigen der infektiösen Darmkrankheit kommt und daß sich somit auch eventuell unter aus dem Katastrophengebiet einreisenden Personen infizierte befinden. Ich habe daher die obersten Gesundheitsbehörden der Länder, denen die Seuchenbekämpfung obliegt, gebeten, die Gesundheitsämter auf mögliche Einreisen und das Auftreten von Erkrankungen hinzuweisen, damit diese mögliche Entwicklung die erforderliche Aufmerksamkeit findet. Ich habe ferner den Bundesminister des Innern gebeten, durch Paßkontrolle an unseren südlichen Grenzen einen Anhalt zu gewinnen, welche Größenordnung Einreisen aus dem Erdbebengebiet haben.
Ich möchte aber auch sagen, daß ich es aus menschlichen Gründen nicht für vertretbar halten würde, die Aufnahme der Erdbebenopfer durch ihre Angehörigen in der Bundesrepublik zu verhindern.
({0})
Eine Zusatzfrage, Herr Kollege Kühn.
Frau Ministerin, erlauben Sie mir in diesem Zusammenhang die Frage: Bei Gelegenheit der Erkrankungen an den Universitäten Gießen und Frankfurt sind in der Presse Vorwürfe über mangelnde seuchenpolizeiliche Vorschriften im Hinblick auf die Quarantäne erhoben worden. Ich will diesen Anlaß nur benutzen, um zu fragen, ob diese Meldungen den Tatsachen entsprechen und ob da auch vom Gesetzgeber her noch etwas geschehen muß.
Herr Kollege, wir sind zur Zeit auch vom Bundesministerium für Gesundheitswesen dabei, im Zusammenhang mit einer Reihe von Anlässen, beispielsweise auch der Einschleppung von Seuchen, die Bestimmungen insbesondere auch im Zusammenhang mit den internationalen Bestimmungen zu überprüfen. Es ist aber außerordentlich schwierig, unser Seuchengesetz hier so zu fassen, daß es den internationalen Bestimmungen und unserer eigenen rechtlichen Situation entspricht. Wir bemühen uns darum.
Eine weitere Zusatzfrage.
Frau Ministerin, ist Ihnen bekannt, in welcher Höhe und in welcher Form die Bundesrepublik für die Erdbebenkatastrophe in Sizilien Hilfe geleistet hat?
Herr Kollege, ich kann diese Frage nicht vollständig beantworten und möchte nicht unvollständig sein. Ich bitte um Entschuldigung, ich bin einige Tage wegen Erkrankung nicht im Amt gewesen.
Damit wären die Dringlichkeitsfragen erledigt.
Wir kommen jetzt zu einer Frage aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr, das ist die Frage 18 des Abgeordneten Schmidt ({0}) :
Kann die Bundesregierung darüber Auskunft geben, ob es den Tatsachen entspricht, daß sich beim obersten bayerischen Rechnungshof ein auf eingehende Quellenunterlagen sich abstützendes Gutachten befindet, das den Bau des Rhein-MainDonau-Kanals als volkswirtschaftlich und betriebswirtschaftlich untragbares Unternehmen erscheinen läßt?
Das Wort zur Beantwortung hat der Herr Staatssekretär des Bundesministers für Verkehr.
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr: Herr Kollege, ,der Bundesregierung ist die Existenz des in Ihrer Frage erwähnten Gutachtens erst vor einigen Tagen bekanntgeworden. Da es ihr nicht vorliegt, bin ich leider heute nicht in ,der Lage, die erbetene Auskunft zu geben.
Zusatzfrage, Herr Kollege Schmidt.
Herr Staatssekretär, stimmen Sie mir zu, daß es eigentlich bedauerlich ist, daß dieses Gutachten hier in Bonn bisher nicht bekannt war, nachdem ja immerhin auch Haushaltsmittel des Bundes für dieses Objekt zur Verfügung gestellt worden sind?
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr: Herr Kollege, ich glaube, daß diese Tatsache die Bundesregierung nicht zu vertreten hat.
Eine zweite Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, sind Sie bereit, .diesen Bericht dem Deutschen Bundestag zugänglich zu machen.?
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr: Selbstverständlich wird nach Prüfung des Berichts durch die Bundesregierung das Hohe Haus in geeigneter Form unterrichtet. Ich darf aber darauf hinweisen, daß auch eine Reihe von anderen Gutachten über das von Ihnen genannte Projekt vorliegt. Insbesondere steht die Beurteilung der EWG und der Europäischen Verkehrsminister-Konferenz hinsichtlich der wirtschaftlichen Bedeutung der Rhein-Main-Donau-Schiffahrtsstraße im Gegensatz zu der von Ihnen zitierten Meinung des Bayerischen Landesrechnungshofes.
Zusatzfrage, Abgeordneter Dr. Haas.
Herr Staatssekretär, ich hätte als weitere Zusatzfrage, ob Ihnen bekannt ist, daß auch der Bund der Steuerzahler behauptet, daß die Durchführung dieses Rhein-Main-Donau-Kanals ein finanziell untragbares Unternehmen sein wird.
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr: Herr Kollege, wenn ich Ihnen als Verkehrspolitiker dazu etwas sagen darf: Ich messe der Fachkenntnis der EWG und der OECD und ähnlichen Gremien mehr zu als dem Präsidium des Bundes der Steuerzahler.
({0})
Damit sind die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr erledigt.
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Familie und Jugend. Ich rufe die Fragen 66, 67 und 68 des Herrn Abgeordneten Dr. Wuermeling auf:
Ist die Bundesregierung, nachdem alle ihre im Rahmen des Finanzplanungsgesetzes 1967 geforderten Kürzungen von Familienausgleichsmaßnahmen ({0}) vom Bundestag einmütig abgelehnt worden sind, zu der Zusicherung bereit, im Sinne dieser Haltung des Bundestages künftig von weiteren derartigen Kürzungsversuchen abzusehen?
Steht die Bundesregierung vollinhaltlich zu der vom Bundeskanzler am 20. Januar 1967 vor dem Bundestag gegebenen Zusicherung, derzufolge der Wegfall der Ausbildungszulagen des Kindergeldgesetzes „künftig wettgemacht werden ({1}) im RehVizepräsident Scheel
men einer Reform des Familienlastenausgleichs, eingebettet in eine mittelfristige Finanzplanung"?
Wie oft ist der vom Bundeskabinett am 29. November 1967 gebildete Kabinettsausschuß zur Vorbereitung der Reform des Familienlastenausgleichs bisher zusammengetreten?
Der Fragesteller hat sich mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt. Die Antwort des Herrn Staatssekretärs Dr. Barth vom 24. Januar 1968 lautet:
Frage Nr. 66:
Die Bundesregierung hat nicht die Absicht, eine Einschränkung von Leistungen, die zur Entlastung der Familien gewährt werden, vorzuschlagen.
Frage Nr. 67:
Diese Frage beantworte ich mit „Ja".
Frage Nr. 68:
Der Kabinettsausschull zur Vorbereitung der Reform des Familienlastenausgleichs ist bisher einmal zusammengetreten. Seine nächste Sitzung wird durch zwei Abteilungsleiterbesprechungen vorbereitet. Die erste dieser Besprechungen hat bereits stattgefunden, die zweite und voraussichtlich letzte wird in Kürze folgen.
Wir kommen damit zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts. Ich rufe die Frage 69 des Herrn Abgeordneten Kahn-Ackermann auf:
Welche grundsätzlichen Überlegungen haben bisher dazu geführt, daß die Bediensteten von Organisationen, die im Auftrage des Bundes für die Bundesrepublik im Ausland tätig sind, nur 60 % der Auslandszulagen erhalten, die an die Angehörigen des öffentlichen Dienstes im Ausland gezahlt werden?
Das Wort zur Beantwortung hat der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen.
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Es wird angenommen, daß mit den Bediensteten der genannten Organisaionen die Kräfte des Goethe-Instituts, die Auslandslehrer und die deutschen Wissenschaftler im Ausland gemeint sind. Dieser Personenkreis wird zur deutschen Lohnsteuer nicht herangezogen. Somit ergibt die Gewährung einer Auslandszulage von 60 % Nettobezüge in etwa der gleichen Höhe, wie sie bei Gewährung der Auslandszulage in Höhe von 80 % bei Heranziehung zur Lohnsteuer gegeben wären.
Die grundsätzlichen Überlegungen, die zu dieser Regelung geführt haben, sind folgende:
Die Beamten des diplomatischen und konsularischen Dienstes haben zur Hauptaufgabe die amtliche Vertretung des deutschen Staates im Ausland und die Sorge für seine politischen Interessen, den Schutz der deutschen Staatsbürger und ihrer Interessen im Ausland. Diese Tätigkeit ist ihr Lebensberuf; sie verbringen den größten Teil ihrer Dienstzeit im Ausland, vielfach unter klimatischen Erschwerungen und schwierigen sonstigen Lebensumständen und müssen bereit sein, jederzeit einer Versetzung auf jeden beliebigen Dienstposten im Ausland zu folgen. Dieser Sachverhalt ist bei den übrigen Bundesbediensteten im Ausland nicht im gleichen Ausmaß gegeben, da sie meist nur einmalig bzw. für kürzere Zeit im Ausland - meist in Europa, Nordamerika oder nicht allzuweit entfernten Gebieten - für spezielle Aufgaben verwendet werden.
Vor allem muß ein Unterschied gemacht werden zwischen Staatsdienern, die verpflichtet sind, jeder Versetzung, auch an jeden beliebigen Ort des Auslandes, jederzeit zu folgen, und den Angehörigen der genannten Organisationen, die sich freiwillig in das Ausland melden bzw. eigens für eine bestimmte Tätigkeit für einen nicht allzu langen Zeitraum im Ausland gewonnen werden, wobei ihr Auslandsaufenthalt von dieser Tätigkeit her und nicht von der amtlichen Vertretung des deutschen Staates seine Prägung erfährt.
Herr Abgeordneter Kahn-Ackermann zu einer Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bewußt, daß Ihre Antwort zumindest in drei Punkten nicht . ganz den Tatsachen entspricht, nämlich daß
1. die Leute nicht für kürzere Zeit für den Bund im Ausland tätig sind, sondern tatsächlich genauso wie die Angehörigen des diplomatischen Dienstes in vielen Bereichen ihr ganzes Leben lang unter wesentlich schlechteren Bedingungen draußen sind, da sie all die Vorzüge des diplomatischen Dienstes nicht genießen,
2. für die Leute genau dasselbe gilt wie für die Angehörigen des diplomatischen Dienstes, die ja auch sagen können, daß sie an diesen oder jenen Ort nicht versetzt werden wollen, was auch berücksichtigt wird, wenn sie dafür zwingende Gründe haben,
3. das Argument mit der Lohnsteuer kein sehr zügiges Argument ist, weil der betroffene Personenkreis genauso wie die Angehörigen des diplomatischen Dienstes Wert darauf legt, Wahlrecht in der Heimat zu haben und zu Hause versteuert zu werden?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Herr Abgeordneter, ich bin nicht der Meinung, daß die Darstellung, die ich hier gegeben habe, von den Tatsachen abweicht. Sie haben über die grundsätzlichen Überlegungen zu den unterschiedlichen Entscheidungen in dieser Frage eine Auskunft haben wollen. Die grundsätzlichen Überlegungen sind die, die ich Ihnen vorgetragen habe. Das schließt nicht aus, daß es in Einzelfällen oder in Detailfragen auch abweichende Feststellungen geben kann. Die grundsätzlichen Überlegungen beruhen jedenfalls auf diesen Erkenntnissen und Erwägungen.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Kahn-Ackermann.
Herr Staatssekretär, darf ich dem, was Sie gesagt haben, entnehmen, daß die in diesem Hause von der Bundesregierung mehrfach gegebene Zusage, in absehbarer Zeit, wenn die finanziellen Verhältnisse es erlauben würden, auch die übrigen Bediensteten des Bundes denen des diplomatischen Dienstes und anderer
Bundesbehörden anzugleichen, damit hinfällig geworden ist?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Nein, Herr Kollege Kahn-Ackermann, das können Sie daraus nicht schließen. Sie hatten nach. den grundsätzlichen Erwägungen gefragt. Das schließt nicht aus, daß bei der weiteren Prüfung dieser, wie Sie wissen, seit sehr langer Zeit diskutierten und sehr schwer so zu regelnden Frage, daß sie von keiner Seite mehr in Frage gestellt wird, weitere Überlegungen angestellt werden, die auch dazu führen könnten, daß eine Verbesserung eintritt. Ich muß sagen: führen könnten; denn von Zusagen ist mir nichts bekannt. Das ist offenbar auch eine unterschiedliche Bewertung der Ergebnisse von Gesprächen.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Kopf.
Herr Staatssekretär, teilen Sie meine Auffassung, daß von den Angehörigen des diplomatischen Dienstes ein wesentlich höherer repräsentativer Aufwand und eine wesentlich stärkere Beteiligung an gesellschaftlichen Veranstaltungen erwartet wird als von den Bediensteten des Goethe-Instituts und daß daher auch die Aufwendungen, die ein Diplomat zu machen hat, als wesentlich höher anzusehen sind als die der Bediensteten des Goethe-Instituts?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: In der Regel trifft das wohl zu, Herr Kollege Dr. Kopf.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Gscheidle.
Herr Staatssekretär, könnten Sie Befürchtungen ganz ausschließen, die dahin gehen, daß das Auswärtige Amt, wenn es die Frage prüft, inwieweit der hier zu erörternde Personenkreis in seinem repräsentativen Aufwand dem auswärtigen Dienst gleichzustellen ist, etwas Hemmungen hat, die Dinge objektiv zu prüfen?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Das Auswärtige Amt ist eine große Behörde, Herr Kollege Gscheidle. Da ist es sicherlich nicht auszuschließen, daß der eine oder andere, der mit solchen Fragen befaßt ist, auch subjektive Wertungen in eine derartige Prüfung einbringt. Für das Auswärtige Amt in seiner Gesamtheit und für seine abschließende Meinungsbildung und Entscheidung kann ich diese Befürchtung allerdings nicht akzeptieren.
Eine weitere Frage.
Herr Staatssekretär, spricht die Tatsache, daß das Auswärtige Amt schon drei Jahre den Komplex prüft, nicht an und für sich für die von mir vorgetragene Befürchtung?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Das spricht nicht dafür, Herr Kollege Gscheidle. An der Diskussion über diese Frage beteiligen sich sehr viele, und sehr viele haben den Wunsch, Gehör zu finden. Diesem Wunsch soll Rechnung getragen werden. Sie wissen, daß gerade an diesem Punkte einige Schwierigkeiten auch formaler Art bestehen, die auszuräumen wir gerade in diesen Tagen und Wochen bemüht sind.
Eine Zusatzfrage, Herr Kollege Moersch.
Herr Staatssekretär, sind Sie nicht der Meinung, daß die von Ihnen hier vorgetragene Argumentation einschließlich der Frage des Herrn Vorsitzenden des Auswärtigen Ausschusses den Eindruck verstärkt, daß die Behauptungen von der Bedeutung der kulturellen Auslandsarbeit vom Auswärtigen Amt selbst nicht ganz ernst genommen werden?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Ich sehe nicht den mindesten Anlaß, einen solchen Eindruck hier zu bestätigen. Ich möchte im Gegenteil noch einmal bekräftigen, daß die eingehende Auseinandersetzung um diese Frage jedenfalls mir eher das Gegenteil zu beweisen scheint.
Wir kommen zur Frage 70 des Herrn Abgeordneten Kahn-Ackermann:
Welche Gründe haben das Auswärtige Amt veranlaßt, dem Leiter des Goethe-Instituts in Stockholm zu untersagen, in einer Sendung des Schwedischen Rundfunks, in der auch der Leiter des Kulturinstituts der DDR interviewt wurde, mitzuwirken?
Das Wort zur Beantwortung hat der Herr Staatssekretär.
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Die Frage bezieht sich auf eine Sendung des Schwedischen Rundfunks vom 20. Dezember 1967 über das Thema „Gibt es zwei deutsche Kulturen?" Der Leiter des GoetheInstituts in Stockholm hat aus freien Stücken seine Mitwirkung an der Sendung nach Rücksprache mit der deutschen Botschaft in Stockholm mit der Begründung abgelehnt, daß die Sendung einen politischen Akzent habe, Goethe-Institute sich aber politischer Betätigung enthalten sollten. Das Auswärtige Amt hat ihm die Teilnahme an der Sendung nicht untersagt.
Eine Zusatzfrage, Herr Kahn-Ackermann.
Herr Staatssekretär, dann ist es also nicht zutreffend, daß das GoetheInstitut, in dieser Frage von dem Leiter des Instituts in Stockholm angegangen, ausdrücklich entschieden hat, daß der Leiter des Goethe-Instituts an einer derartigen Sendung nicht teilnehmen soll, für die er anfänglich eine Zusage gegeben hatte?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Eine solche Zusage ist nicht gegeben worden, Herr Kollege Kahn-Ackermann. Ich habe gesagt, es war eine freie Entscheidung des Leiters des dortigen Goethe-Instituts aus den erwähnten Gründen.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ich will Ihre Aussage nicht in Zweifel ziehen. Aber sind Sie bereit, diesen ganzen Vorgang noch einmal sehr sorgfältig zu prüfen?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Ich bin bereit dazu, obwohl ich Ihnen jetzt schon sagen kann, Herr Kollege Kahn-Ackermann, daß das nicht zuletzt im Zusammenhang mit Ihrer Frage geschehen ist. Ich habe keinen Anlaß zu der Annahme., daß eine nochmalige Prüfung andere Ergebnisse bringen wird.
Wir kommen damit zur Frage 71 des Herrn Abgeordneten Schmitt-Vockenhausen:
Welche konkreten Maßnahmen sind vorgesehen, um der deutschen Sprache für Ausländer - im Sinne des Bundesaußenministers - den „Schrecken des Schweren" zu nehmen?
Bitte sehr, Herr Staatssekretär!
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Die konkreten Maßnahmen, die vorgesehen sind, um der deutschen Sprache den Schrecken des Schweren zu nehmen, sind in dem vom Auswärtigen Amt dem Bundestag am 23. November 1967 vorgelegten Bericht, auf den sich die Anfrage bezieht, selbst dargelegt.
Im Rahmen der Vorschläge des Auswärtigen Amts zur Förderung der deutschen Sprache im Ausland heißt es unter Absatz a) : „Modernisierung und Erleichterung des Sprachunterrichts durch Erarbeitung eines Grunddeutsch ({0}) als Grundlage für die Herausgabe neuer Sprachlehrbücher für Schulen, Universitäten, Kulturinstitute und Selbstunterricht". Mit diesen Aufgaben sind das Institut für Deutsche Sprache in Mannheim und die Arbeitsstelle für Sprachmethodik des Goethe-Instituts in München betraut.
Eine Zusatzfrage, Herr Kollege Schmitt-Vockenhausen.
Läßt sich über den Zeitpunkt von Lösungen schon etwas sagen?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Das kann ich im Augenblick noch nicht sagen. Aber soviel kann ich sagen - das wird Ihnen nicht sehr viel weiterhelfen -: wir stehen erst am Anfang dieser Arbeit.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Kahn-Ackermann. Bitte sehr!
Herr Staatssekretär, wie erklären Sie sich in diesem Zusammenhang die Tatsache, daß im Zuge der Erneuerung unserer Lehrbücher kürzlich eine ganze Serie dieser Lehrbücher von denselben Autoren herausgekommen ist, die seit mehreren Jahren wegen ihrer Unzulänglichkeit der wiederholten Kritik der Fachausschüsse dieses Hauses unterworfen worden sind?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Herr Kollege Kahn-Ackermann, wenn auf der einen Seite der Bedarf an solchen Büchern besteht und wenn auf der anderen Seite etwas von Grund auf Neues geschaffen werden soll, dann scheint es mir nicht die beste denkbare, aber die praktikabelste Lösung zu sein, wenigstens das zur Verfügung zu stellen, was im Augenblick tatsächlich vorhanden ist. Das ist möglicherweise besser, als gar nichts zu geben und darauf zu warten, daß in einer mehr oder weniger langen Zeit etwas Besseres zur Verfügung steht.
Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Kollegen Kahn-Ackermann.
Herr Staatssekretär, stimmen Sie mit mir überein, daß es für diese außerordentlich wichtige Operation einer mehrjährigen sorgfältigen Planung bedarf, und könnten Sie dem Hause vielleicht sagen, welche Mittel hierfür in diesem Jahr bereitgestellt worden sind und welche Mittel im nächsten Jahr dafür vorgesehen sind?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Ich stimme mit Ihnen überein, daß diese Frage natürlich einer sorgfältigen Vorüberlegung und Planung bedarf. Weil ich über diese Unterlagen im Augenblick nicht verfüge, kann ich Ihnen nicht sagen, welche Mittel dafür vorhanden sind. Ich bin aber gern bereit, das nachzuholen und es Ihnen schriftlich mitzuteilen.
Damit .sind die Fragen für den Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes erledigt.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern, zunächst zur Frage 72 des Herrn Abgeordneten Gscheidle:
Welche mit den Bundesländern abgestimmten Pläne über die zukünftige Ausrüstung aller statistischen Ämter ,hat die Bundesregierung, um die Kompatibilität aller Latenverarbeitungsanlagen in diesem Anwendungsbereich sicherzustellen?
Das Wort zur Beantwortung hat der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister des Innern.
Benda, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Das Statistische Bundesamt und die Statistischen Landesämter arbeiten außerordentlich eng zusammen. Dies zwingt dazu,
Parlamentarischer Staatssekretär Benda
sich bei der Beschaffung von Datenverarbeitungsanlagen für diese Ämter abzustimmen. Bei der ersten Ausrüstung der Statistischen Ämter mit Datenverarbeitungsanlagen ist dies auch geschehen. Von einem einzigen Landesamt abgesehen, sind Maschinen des gleichen Herstellers beschafft worden. Auch dieses restliche Landesamt hat eine Maschine beschafft, die mit denen der anderen Ämter kompatibel ist, d. h. daß ohne besondere Schwierigkeit die Ergebnisse aus einer Maschine von der Maschine eines anderen Amtes weiterverarbeitet werden können. Außerdem ist dadurch ein Programmierverbund möglich. Das für die Maschine eines Amtes geschriebene Programm kann also von den anderen Ämtern ebenfalls benutzt werden. Diese Vorteile einer abgestimmten Ausrichtung sind so groß, daß weder der Bund noch ein Land die Statistischen Ämter mit Maschinen ausstatten könnte, die sich nicht in den Arbeitsverbund einfügen. Feste förmliche Absprachen mit den Ländern hierüber bestehen zwar nicht, sie scheinen mir aber auch nicht notwendig zu sein; denn sämtliche Beteiligten sind auch ohne förmliche Absprache der Auffassung, daß die Maschinen der Statistischen Ämter untereinander kompatibel sein müssen.
Wir kommen jetzt zu der Frage 74 des Abgeordneten Raffert, die ich vorziehen möchte, um anschließend die Frage 73 beantworten zu lassen:
Aus welchen Gründen hält es die Bundesregierung für sinnvoll, im Entwurf des Haushaltsplans des Bundesministers des Innern für das Rechnungsjahr 1968 ({0}) eine für 1969 vorgesehene Ersatzbeschaffung einer Großrechenanlage unter Angabe der Namen der Lieferfirmen zu erläutern?
Bitte sehr, Herr Staatssekretär!
Benda, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Nach § 6 Abs. 14 der Reichswirtschaftsbestimmungen sollen die Erläuterungen zu den Zweckbestimmungen den Verwendungszweck der Anforderungen mit ausreichender Bestimmtheit erkennen lassen und eine geeignete Unterlage für deren sachgemäße Nachprüfung bieten. Um den parlamentarischen Institutionen diese Nachprüfung zu ermöglichen, hat es der Bundesminister des Innern in dem von Ihnen erwähnten Fall für erforderlich gehalten, die für die Ersatzbeschaffung vorgesehene Großrechenanlage genau anzugeben. Dabei ist zu berücksichtigen, daß der Firmenname ein Bestandteil der Typenbezeichnung ist.
Ich darf Sie noch darauf hinweisen, Herr Kollege Raffert, daß Sie auch bei anderen Beschaffungen, z. B. bei Kraftfahrzeugen, oft neben den technischen Daten jeweils die entprechenden Fabrikate finden werden.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Raffert.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen klar, daß im Unterschied zur Ersatzbeschaffung bei Kraftfahrzeugen, wo die Markennennung allgemein üblich ist - was ich zugestehe -, bei der Ersatzbeschaffung von Maschinen in diesem Bereich, die sich noch in einer solch rasanten Entwicklung befinden, die Nennung des Namens einer Firma, deren Produkt abgeschafft werden soll, für diese Firma nicht gerade erfreulich sein kann?
Benda, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Ich glaube das eigentlich nicht, Herr Kollege. Ich möchte Ihrer Ansicht nicht zustimmen.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, würden Sie mir nicht doch darin zustimmen, daß bei Ersatzbeschaffungen dieser Art, bei der Typen genannt werden, insbesondere Typen von Firmengruppen, für deren Forderung sich die Bundesregierung auch bei anderen Gelegenheiten einsetzt, der Zweifel daran auftreten kann, ob es sich hier um eine Ersatzbeschaffung nach den Notwendigkeiten des zu beliefernden und damit auszustattenden Amtes handelt oder um eine Förderungsmaßnahme für eine bestimmte Gruppe im Rahmen der Industrie?
Benda, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Ich fürchte wirklich, Herr Kollege, daß Sie die Problematik nicht ganz zutreffend sehen. Ihre ursprüngliche Frage ist ja, ob es sinnvoll und zweckmäßig ist, im Entwurf des Haushaltsplans die Type anzugeben, die beschafft werden soll. Je präziser diese Angabe ist, desto leichter ist es doch für die Beteiligten, insbesondere die Mitglieder etwa des Haushaltsausschusses und der übrigen mit der Sache befaßten Ausschüsse dieses Hohen Hauses, die Frage und auch die Gesichtspunkte, die Sie hier im einzelnen hervorheben, zu prüfen. Je präziser die Angabe ist, desto genauer und leichter ist die Nachprüfung möglich.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Kollege Geiger.
Herr Staatssekretär, ist sichergestellt, daß bei der Beschaffung dieser Anlage nur die Wertigkeit der Anlage trotz ihres höheren Preises eine Rolle spielt und nicht auch andere Gesichtspunkte?
Benda, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Wenn Sie gestatten, werde ich gleich im Zusammenhang mit der nächsten Frage in großen Zügen auf das System der Beschaffung eingehen. Ich nehme an, daß sich Ihre soeben gestellte Zusatzfrage damit erledigt oder daß Sie dort dann mit einer entsprechenden Frage anknüpfen können.
Wir kommen jetzt zur Beantwortung der Frage 73 des Abgeordneten Lohmar:
Stimmt die Bundesregierung der vom Präsidenten des Bundesrechnungshofes als Bundesbeauftragter für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung vertretenen Auffassung zu, daß die bewährten Beschaffungsmethoden, besonders Ausschreibungen und korrekte Bewertung an objektiven Maßstäben auch für die Beschaffung von Datenverarbeitungsanlagen gelten sollten?
Vizepräsident Scheel
Die Frage wird von dem Abgeordneten Raffert übernommen. - Herr Staatssekretär, bitte!
Benda, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Ich beantworte Ihre Frage mit Ja. Hinsichtlich der Art der Ausschreibungen verweise ich aber auf die Besonderheiten, auf die in der Antwort der Bundesregierung vom 10. August 1966 - Drucksache V/871 - auf eine Kleine Anfrage der SPD - Drucksache V/804 - hingewiesen worden ist. Nach dieser Antwort geht in der Regel der Beschaffung einer EDV-Anlage - einer elektronischen Datenverarbeitungsanlage - keine öffentliche Ausschreibung gemäß § 3 Nr. 1 der Verdingungsordnung für Leistungen voraus, weil der Markt auf der Anbieterseite überschaubar ist und der mit einer öffentlichen Ausschreibung verbundene Mehraufwand keinen Vorteil bringt. Vielmehr wird regelmäßig von der beschränkten Ausschreibung nach § 3 Nr. 2 der Verdingungsordnung Gebrauch gemacht, zumal die an eine EDV-Anlage zu stellenden Anforderungen vielfach sehr spezieller Natur und in der bei einer öffentlichen Ausschreibung geforderten Beschreibung häufig nicht von vornherein erfaßbar sind, so daß ein echter Leistungsvergleich nicht möglich ist. In der Regel ist es vielmehr so, daß erst nach der Angebotsabgabe mit den Bietern über die zahlreichen Einzelheiten einschließlich der Preise verhandelt werden kann, wobei sich vielfach weitere Modifizierungen auch der technischen Einzelheiten ergeben. Erst wenn diese Verhandlungen geführt sind, liegen die objektiven Beurteilungsmaßstäbe vor.
Eine Zusatzfrage, Herr Kollege Raffert.
Herr Staatssekretär, ich gehe davon aus, daß das auch in diesem Fall geschehen ist, und frage Sie, ob man sicher sein kann, in einem so frühen Zeitpunkt wie der Aufstellung des Haushaltsplans, der ja sehr weit vor dem Zeitpunkt liegt, zu dem wir ihn in den Händen haben, schon zu wissen, daß die Maschine zu dem Zeitpunkt, zu dem sie geliefert werden muß, auch den dann notwendigen Anforderungen des Statistischen Bundesamtes zu genügen in der Lage sein wird.
Benda, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Dies war in dem konkreten Fall, auf den Sie abzielen, der Fall. Es ist an sich auch selbstverständlich, daß dies der Fall sein muß; denn der Erwerb einer so komplizierten und entsprechend teuren Anlage wird natürlich sehr sorgfältig nach objektiven Merkmalen überlegt werden müssen. Das ist in dem von Ihnen erwähnten Falle auch geschehen.
Herr Kollege Geiger, eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, sind durch Ihre Antwort jetzt die bisherigen Kriterien zur
Beschaffung solcher Anlagen, nämlich daß auch „die deutsche Industrie" gefördert werden soll, überholt?
Benda, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Nein, es handelt sich nicht um ein Gegeneinander dieser Kriterien, sondern um den Versuch, in einer optimalen Form die verschiedenen Kriterien zu verbinden. Erste Voraussetzung ist natürlich die Qualität der Anlage, gemessen an dem Preis, der dafür aufzuwenden ist. Daneben sollen und werden auch volkswirtschaftliche Gesichtspunkte etwa der Art, wie Sie sie erwähnen, berücksichtigt. Aber man kann weder dem einen noch dem anderen Gesichtspunkt ausschließlich den Vorrang geben, sondern muß versuchen, beide in optimaler Weise zu kombinieren.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Kollege Geiger.
Herr Staatssekretär, darf ich damit unterstellen, daß Sie alle in Deutschland ansässigen und produzierenden Firmen, die darüber hinaus große Forschungsinstitute unterhalten und einen hohen Exportanteil haben, als solche deutsche Firmen betrachten?
Benda, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Das ist eine Frage, die ich im Augenblick nicht abschließend beantworten möchte. Ich darf nur noch einmal sagen: § 24 der Verdingungsordnung besagt, daß das wirtschaftlichste Angebot unter Abwägung aller Umstände anzunehmen ist. Zu diesen Umständen gehören auch diese Elemente und Momente, auf die Sie anspielen.
Wir kommen damit zur Beantwortung der Frage Nr. 75 des Abgeordneten Bühler:
Gehort der Lenin-Friedenspreis zu den ausländischen Auszeichnungen, deren Annahme vom Bundespräsidenten genehmigt werden muß?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Benda, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Der Internationale Lenin-Preis „für die Festigung des Friedens zwischen den Völkern", wie die Zweckbestimmung lautet - 1956 aus dem früheren Stalin-FriedensPreis hervorgegangen -, wird alljährlich durch das Komitee für die Internationalen Lenin-Preise verliehen. Er darf mit dem Lenin-Orden nicht verwechset werden. Der Lenin-Friedens-Preis ist als Auszeichnung für - wie es im Stiftungsprotokoll heißt - „hervorragende Verdienste im Kampf um die Festigung des Friedens in der Welt" bestimmt. Die Preisträger erhalten das Lenin-Preis-Diplom, eine Geldprämie von 10 000 Neuen Rubeln und eine goldene Medaille mit dem Bilde Lenins. Es handelt sich dabei weder um einen Titel noch um einen Orden oder ein Ehrenzeichen im Sinne des § 5 des Gesetzes über Titel, Orden und Ehrenzeichen vom 26. Juli 1957. Eine Ausnahmegenehmigung durch den Herrn Bundespräsidenten nach § 5 des Ordensgesetzes ist daher nicht notwendig.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Burger.
Herr Staatssekretär, nach welchen Grundsätzen werden ausländische Auszeichnungen in genehmigungspflichtige und nicht genehmigungspflichtige eingeteilt?
Benda, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Das ist keine Frage der Grundsätze, Herr Kollege, sondern eine Frage der Begriffsbestimmung. Ich habe am Beispiel des Preises, auf den sich der Herr Fragesteller bezogen hat, erläutert, warum und daß dies also kein Orden, kein Titel oder Ehrenzeichen ist. Was Orden, Titel und Ehrenzeichen sind, ist in dem entsprechenden Gesetzeswerk, das ich genannt habe, im einzelnen bezeichnet. Der Kürze halber darf ich mir erlauben, darauf zu verweisen.
Jetzt kommen wir zur Frage 76 des Herrn Abgeordneten Bühler:
Beabsichtigt die Bundesregierung, in der gegenwdrtigen finanziellen Situation Beamte, die aus Gesundheitsrücksichten vorzeitig aus dem Dienst ausgeschieden sind, nach Besserung ihres Gesundheitszustandes zur Wiederaufnahme ihres Dienstes vorzusehen?
Bitte sehr, Herr Staatssekretär!
Benda, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Nach § 45 des Bundesbeamtengesetzes kann ein Beamter, der wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt worden ist, nach Wiederherstellung seiner Dienstfähigkeit erneut in das aktive Beamtenverhältnis berufen werden, solange er das 62. Lebensjahr noch nicht vollendet hat. Sind seit der Versetzung in den Ruhestand fünf Jahre vergangen, so ist die Wiederberufung nur mit seiner Zustimmung zulässig.
Verlangt der Beamte vor Ablauf dieser Fünfjahresfrist die Wiederberufung selbst, so muß diesem Verlangen entsprochen werden, falls nicht zwingende dienstliche Gründe entgegenstehen.
Hieraus ergibt sich, Herr Kollege Bühler, daß der Gesetzgeber selbst den Rahmen für die Reaktivierung von Bundesbeamten gesetzt und hierbei das beiderseitige Interesse wohl abgewogen hat. Über die Wiederberufung im Rahmen dieser gesetzlichen Regelung kann nur individuell von Fall zu Fall entschieden werden. Dabei wird selbstverständlich auch die finanzielle Situation des Bundes berücksichtigt. Es ist nicht beabsichtigt, darüber hinaus weitere allgemeine Regelungen zu treffen.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Bühler.
Liegen Ihnen Zahlen vor, wie viele Ruhestandsbeamten in Beracht kämen oder wie viele Ruhestandsbeamte überhaupt im Augenblick vorhanden sind?
Benda, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Solche Zahlen liegen mir hier an Ort und Stelle nicht vor. Ich möchte annehmen, daß die Zahl derjenigen, bei denen die Frage aktuell wird, ob sie reaktiviert werden sollen, verhältnismäßig klein ist. Ich glaube nicht, daß die Zahl sehr groß sein wird.
Eine weitere Zusatzfrage.
Ist die Aufnahme einer anderen Tätigkeit für einen Ruhestandsbeamten genehmigungspflichtig?
Benda, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Nein. Wenn er einmal im Ruhestand ist, kann er jeder Tätigkeit nachgehen, so, wie er will.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Weigl.
Herr Staatssekretär, ist es zutreffend, daß Beamte, die aus Gesundheitsgründen vorzeitig aus dem Dienst ausgeschieden sind, nach Wiederherstellung ihrer Gesundheit des öfteren eine gut bezahlte Tätigkeit in der freien Wirtschaft aufnehmen?
Benda, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Dies kommt sicherlich gelegentlich vor.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Kollege Weigl.
Herr Staatssekretär, wäre es - im Sinne der Frage des Kollegen Bühler - nicht zweckmäßiger, die Frage der Reaktivierung dieser Beamten stärker in Erwägung zu ziehen?
Benda, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Herr Kollege Weigl, ich muß wiederholen, daß der Rahmen durch den Gesetzgeber selbst gezogen ist. Er ist relativ eng; ich halte ihn aber dennoch für richtig. Wenn ein Beamter einmal aus dem öffentlichen Dienst ausgeschieden ist und eine Reihe von Jahren vergangen ist, dann muß man sehr wohl abwägen, ob es noch zweckmäßig ist, ihn wieder zu reaktivieren. Dagegen können im Einzelfall unter Umständen sehr beachtliche Gründe sprechen.
Jetzt eine Zusatzfrage des Kollegen Kempfler.
Herr Staatssekretär, erscheint es nicht zweckmäßig, dieses Problem in die Überlegungen einzubeziehen, die einem on-dit zufolge im Bundesministerium des Innern über den Gesamtkomplex der Altersgrenze der vorzeitigen Pensionierung usw. augenblicklich angestellt werden?
Benda, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Herr Kollege Dr. Kempfler, das Problem, über das wir hier im Augenblick reden, ist eines der Probleme, über die wahrscheinlich immer diskutiert werden wird. Das schließt künftige Überlegungen nicht aus, sondern wahrscheinlich ein.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Kollege Kempfler.
Erscheint es nicht zweckmäßig, bei diesem ganzen Komplex auch die neuesten Erkenntnisse der Gesellschaft für Gerontologie - ein etwas fataler Ausdruck - einzubeziehen?
Benda, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Ich möchte doch annehmen, daß das geschieht, Herr Kollege Dr. Kempfler.
Eine Zusatzfrage, Herr Kollege Strohmayr.
Herr Staatssekretär, glauben Sie nicht, daß es Pflicht der Regierung wäre, Beamte, die vorzeitig ausgeschieden sind, dann aber wieder gesund werden, zu zwingen, wieder in den Staatsdienst zurückzukehren?
Benda, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Herr Kollege, das, was Recht und Pflicht der zuständigen Regierungsstellen ist, bestimmt § 45 des Bundesbeamtengesetzes, das der -Gesetzgeber verabschiedet hat. Der Gesetzgeber zieht den Rahmen, wie ich bereits gesagt habe. Die Regierung ist selbstverständlich gehalten, sich innerhalb dieses Rahmens pflichtgemäß zu bewegen.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Kollege Strohmayr.
Herr Staatssekretär, glauben Sie nicht, daß es dann zweckmäßig wäre, das Beamtengesetz in diesem Punkt zu ändern?
Benda, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Nein, ich glaube nicht. Ich habe schon in der Antwort auf eine Zusatzfrage gesagt, daß der Rahmen - wenn Sie so wollen - relativ eng ist. Er läßt aber für mein Empfinden einen genügenden Spielraum für eine individuelle Abwägung der für oder gegen eine solche Regelung im Einzelfall sprechenden Umstände.
Eine Zusatzfrage, Herr Kollege Dr. Klepsch.
Herr Staatssekretär, wäre die Bundesregierung bereit, die Erkenntnisse der Medizin, die eigentlich auf eine gleitende Pensionierungsgrenze hindeuten, einmal in ihre Überlegungen einzubeziehen?
Benda, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Die Bundesregierung ist nicht nur dazu bereit, Herr Kollege Dr. Klepsch, sondern diese Überlegungen werden einbezogen. Das ist ein Problem, .das auch im Bundesinnenministerium seit längerer Zeit erkannt worden ist. Entsprechende Überlegungen und Erörterungen werden dort angestellt.
Dann kommen wir zur Beantwortung der Frage 77 -des Herrn Abgeordneten Kubitza:
Zu welchem Ergebnis haben die von Staatssekretär Ernst noch für die Zeit vor dem Jahreswechsel 1967/68 angekündigten Verhandlungen zwischen Bund und Ländern über eine endgültige Regelung des Rundfunkgebührenwesens geführt?
Bitte sehr, Herr Staatssekretär!
Benda, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Die seit Oktober 1967 laufenden schriftlichen Erörterungen konnten noch nicht, wie vorgesehen, in mündliche Verhandlungen übergeleitet werden. Der Verhandlungsführer der Länder hierfür war erkrankt. Ich hoffe, daß es im Laufe des Februar zu einem Termin kommt. Die Verhandlungen sind -erfahrungsgemäß sehr schwierig, und Ergebnisse werden kaum vor Ende 'dieses Jahres zu erwarten sein.
Eine Zusatzfrage, Herr Kollege Kubitza.
Herr Staatssekretär, ist vorgesehen, daß bei den kommenden Verhandlungen auch die Frage einer Neuordnung des Rundfunkwesens einbezogen wird?
Benda, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Ich glaube, daß mit einem sehr hohen Grad an Wahrscheinlichkeit diese Frage erörtert wird, weil sie natürlich in einem Zusammenhang mit der Gebührenfrage steht.
Wir kommen damit zur Beantwortung der Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen. Ich rufe zunächst die Frage 78 des Herrn Abgeordneten Dröscher auf:
Hat die Bundesregierung Anhaltspunkte dafür, daß die Gesamteinnahmen an Branntweinsteuer durch die Steuererhöhung abgefallen sind?
Der Fragesteller hat sich mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt. Die Antwort des Bundesministers Dr. h. c. Strauß vom 23. Januar 1968 lautet:
Das Steueraufkommen aus dem Branntweinmonopol hat sich in den Jahren 1965 bis 1967 wie folgt entwickelt:
1965 1 508 139 535 DM
1966 1 779 202 441 DM
1967 1 828 100 000 DM ({0})
Da sich im Anschluß an die Branntweinsteuererhöhung vom 1. 1. 1966 eine Nachversteuerung des Branntweins, der sich im steuerrechtlichen freien Verkehr befand, durchgeführt wurde, eignet sich der Vergleich zwischen dem Steueraufkommen der Jahre 1966 und 1967 wenig. Bei einem Vergleich der beiden „Normaljahre" 1965 und 1967 ergibt sich ein Zuwachs der Einnahmen von 21,2 v. H. Das entspricht etwa der Steuererhöhung vom 1. Januar 1966, die 20 % betrug. Damit haben sich die Erwartungen der Bundesregierung, die sie mit der Steuererhöhung verknüpft hat, erfüllt.
Vizepräsident Scheel
Dann kommen die Fragen 79, 80 und 81 des Herrn Abgeordneten Lenders:
Ist die Bundesregierung bereit, für die Erhöhung des steuerfreien Essenszuschusses von gegenwärtig 1,50 DM pro Tag eine gesetzliche Regelung anzustreben?
Bei Bejahung der Frage 79: wann ist mit einer Vorlage für die Erhöhung des gegenwärtigen Satzes von 1,50 DM für steuerfreie Essenszuschüsse zu rechnen?
Ist sich die Bundesregierung darüber im klaren, daß der geltende Satz von 1,50 DM für steuerfreie Essenszuschusse den gegenwärtigen Preisen für Mittagessen und den tatsächlich gezahlten Zuschüssen nicht mehr entspricht?
Auch hier hat sich der Fragesteller mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt. Die Antwort des Bundesministers Dr. h. c. Strauß vom 23. Januar 1968 lautet:
Nach den Grundsätzen des Lohnsteuerrechts gehört der Wert der Mahlzeiten, die ein Arbeitgeber seinen Arbeitnehmern gewährt, zum steuerpflichtigen Arbeitslohn des einzelnen Arbeitnehmers, soweit die Mahlzeiten unentgeltlich oder verbilligt verabreicht werden. Das gleiche gilt, wenn der Arbeitgeber Barzuschüsse zur Verbilligung der Mahlzeiten gewährt oder Essenmarken ausgibt, die zur Einnahme des Essens innerhalb oder außerhalb des Betriebs berechtigen. Aus Vereinfachungsgründen ist jedoch zugelassen worden, daß unentgeltliche oder verbilligte Mahlzeiten oder die dafür gewährten Barzuschüsse oder Essenmarken lohnsteuerfrei bleiben, soweit der geldwerte Vorteil für den Arbeitnehmer arbeitstäglich 1,50 DM nicht übersteigt ({1}). Durch diese Maßnahmen sollen kleinliche Untersuchungen im Einzelfall, ob und inwieweit ein steuerpflichtiger geldwerter Vorteil vorliegt, vermieden werden. Eine auf Vereinfachungsgründe gestützte Maßnahme erscheint nur dann vertretbar, wenn die Toleranzgrenze, bis zu der ein steuerpflichtiger geldwerter Vorteil verneint wird, sich in engen Grenzen hält. Mein Haus hat deshalb in der Vergangenheit eine Erhöhung dieses in den Lohnsteuer-Richtlinien vorgesehenen Betrages allein aus dieser Überlegung abgelehnt.
Zu der Frage, ob man eine gesetzliche Regelung verbunden mit einer Erhöhung des fraglichen Betrages anstreben sollte, darf ich folgendes bemerken:
Seit Jahren wird aus mittelständischen Kreisen darüber Klage geführt, daß Arbeitnehmer in zunehmendem Maße zu kapitalstarken Unternehmen der Großindustrie und größeren Handelsunternehmen abwandern, weil diese Unternehmen wegen ihrer erheblichen freiwilligen Sozialleistungen einen nicht zu unterschätzenden Anreiz für einen Arbeitsplatzwechsel bieten. Dadurch gehen den kleingewerblichen und mittelständischen Unternehmen, die aus wirtschaftlichen Gründen solche Leistungen in ähnlichem Umfang nicht gewähren können, wertvolle Arbeitskräfte verloren. Es müßte befürchtet werden, daß steuerliche Begünstigungen für freiwillige Sozialleistungen über den derzeitigen Umfang hinaus zu einer weiteren Verschärfung der bestehenden Wettbewerbsverhältnisse auf dem Arbeitsmarkt führen würden.
Des weiteren wäre zu bedenken, daß die Erweiterung der steuerlichen Begünstigung von Sozialleistungen sich als Maßnahme darstellen würde, die nur einer begrenzten Gruppe von steuerpflichtigen zugute käme, nämlich nur solchen Arbeitnehmern, die tatsächlich derartige Leistungen erhalten. Diese Auswirkung ließe sich mit dem Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung nicht vereinbaren.
Im übrigen bin ich der Meinung, daß nach den in der jüngsten Vergangenheit vorgenommenen einschneidenden Änderungen auf dem Gebiet des Steuerrechts, insbesondere auf dem Gebiet des Ertragsteuerrechts, in dieser Legislaturperiode keine grundsätzlichen Änderungen mehr vorgenommen werden sollten. Im Interesse der Steuerpflichtigen und der Verwaltung sollte in dieser Legislaturperiode vielmehr Ruhe an der Steuerfront eintreten.
Im einzelnen beantworte ich die Fragen wie folgt: Zu Frage 79:
Die Bundesregierung beabsichtigt nicht eine Erhöhung des in Abschnitt 15 der Lohnsteuer-Richtlinien vorgesehenen steuerfreien Betrages von 1,50 DM arbeitstäglich für die Gewährung von unentgeltlichen und verbilligten Mahlzeiten sowie Essenszuschüsse durch eine gesetzliche Regelung anzustreben.
Zu Frage 80:
Da die Frage zu 79 verneint ist, entfällt eine Beantwortung der Frage zu 80.
Zu Frage 81:
Die in den Lohnsteuer-Richtlinien vorgesehene Regelung stellt lediglich eine Vereinfachungsmaßnahme dar. Eine Anpassung des steuerfreien Betrages an etwa geänderte Preisverhältnisse erscheint nicht erforderlich. Eine Erhöhung des Betrages würde zu einer Störung der Gleichmäßigkeit der Besteuerung führen, weil nur ein Teil der Arbeitnehmerschaft in den Genuß dieser Steuerbegünstigung kommen würde.
Und nun die Fragen 82 bis 84 des Herrn Abgeordneten Maucher:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß nach dem Erlaß von Kraftfahrzeugsteuer für Körperbehinderte nach § 3 Kraftfahrzeugsteuergesetz insofern gemäß Ziffer 6 eine Härte entsteht, als die Vergünstigung den Personen nicht zugute kommt, die ihr Fahrzeug für gewerbliche Zwecke nur ein- bis zweimal in der Woche benötigen?
Ist die Bundesregierung bereit, in den in Frage 82 erwähnten Fallen dieselbe Ausnahme zuzulassen wie in Ziffer 6 b des Merkblattes?
Ist die Bundesregierung gegebenenfalls bereit, die in Frage 82 erwähnte Härte durch eine Änderung der Rechtsverordnung oder, wenn notwendig, durch eine Änderung des Gesetzes zu beseitigen?
Bitte sehr, Herr Staatssekretär!
Leicht, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Ich möchte die Fragen des Kollegen Maucher wegen des inneren Zusammenhangs zusammen beantworten.
Die Bundesregierung, Herr Kollege Maucher, hat zwar Verständnis dafür, daß die Beschränkungen, denen die Benutzung eines nach § 3 des Kraftfahrzeugsteuergesetzes begünstigten Personenkraftfahrzeuges unterliegt, von den betroffenen Körperbehinderten in manchen Fällen als Härte empfunden werden. Dem könnte aber im Ergebnis nicht dadurch abgeholfen werden, daß eine dem Steuererlaß entgegenstehende Benutzung künftig als unschädlich angesehen würde, wenn sie nur ein- bis zweimal in der Woche stattfindet. Eine Verschiebung 'der nach geltendem Recht bestehenden Grenzen würde vielmehr neue Grenzfälle schaffen und damit zu neuen Klagen über gesetzliche Härten Anlaß geben. Die Bundesregierung ist deshalb der Auffassung, daß die Möglichkeiten für einen Steuererlaß nach § 3 des Kraftfahrzeugsteuergesetzes nicht erweitert werden sollten.
Zusatzfrage, Herr Maucher.
Herr Staatssekretär, sind Sie nicht der Meinung, daß wenigstens eine Regelung in dem Sinne erfolgen könnte, wie sie in Ziffer 6 b ,des Merkblattes behandelt ist, daß man nämlich einen Teil versteuert, das heißt, wenn er ein- bis zweimal in der Woche das Kraftfahrzeug in Anspruch nimmt, daß man sagen könnte, daß etwa drei Monate im Jahr aus diesen Gründen die Kraftfahrzeugsteuer erlassen werden könnte? Dann wäre es eine sinngemäße Anwendung.
Leicht, Parl amentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Ich glaube nicht, daß diese Möglichkeit gegeben ist. Aber sicherlich werden wir bei den Überlegungen, die in diesem Zusammenhang sowieso angestellt werden, diese Frage erneut prüfen.
Eine Zusatzfrage, bitte sehr!
Herr Staatssekretär, sind Sie nicht auch der Meinung, daß es, insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung, gerecht wäre, dem Anliegen stattzugeben, da ja auch behinderte Arbeitnehmer, die einen Pkw zur Ereichung des Arbeitsplatzes benutzen, diese Vergünstigung erhalten?
Leicht, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Herr Kollege, über diese Frage wurde in diesem Hohen Hause schon eingehend gesprochen. Wenn ich mich recht erinnere, wurde 1955 die Trennung nach einer Aussprache in diesem Hohen Hause vorgenommen. Bei den Überlegungen, die im Augenblick gerade hierzu, wie ich eben schon andeutete, angestellt werden, werden wir diese Frage erneut prüfen und eventuell eine andere Entscheidung treffen.
Eine weitere Frage, Herr Kollege Hilbert.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß schon das Mitführen kleiner Anhänger für Familienfahrten, Familienurlaubsfahrten, für Kriegsgeschädigte steuerschädlich ist, und zwar nur dadurch, daß ein kleiner Anhänger am Pkw mitgeführt wird?
Leicht, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: An sich dürfte das nicht steuerschädlich sein. Herr Kollege Hilbert, ich wäre dankbar, wenn Sie mir solche Fälle nennen könnten.
({0})
Wir kommen nun zu den Fragen 85 und 86 des Herrn Abgeordneten Dr. Hofmann ({0}) :
Entsprechen Presseberichte den Tatsachen, wonach den in der nationalsozialistischen Zeit zwangssterilisierten Menschen bis zum heutigen Tage keinerlei Entschädigung gezahlt worden ist?
Bei Bejahung der Frage 85: was gedenkt die Bundesregierung 7u tun, um diesem unverständlichen Tatbestand abzuhelfen?
Der Fragesteller hat sich mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt. Die Antwort des Herrn Bundesministers Dr. h. c. Strauß vom 23. Januar 1968 lautet:
Sind Personen aus rassischen oder anderen Verfolgungsgrunden sterilisiert worden, so erhalten sie Entschädigung nach den Vorschriften des Bundesentschädigungsgesetzes ({1})
Personen, die nicht aus Verfolgungsgründen, aber auf Grund des Beschlusses eines Erbgesundheitsgerichts sterilisiert worden sind, erhalten nach geltendem Recht eine Entschädigung für eingetretene Schäden nur dann, wenn eine Amtspflichtverletzung des Gerichts oder der beteiligten Ärzte vorliegt oder wenn die Sterilisation zu besonderen gesundheitlichen Schäden geführt hat, dem Betroffenen also durch die Sterilisation ein Sonderopfer im Sinne des Aufopferungsrechts ({2}) auferlegt worden ist.
Die Sach- und Rechtslage, die für die Beurteilung einer Entschädigung der in der Zeit von 1933 bis 1945 Zwangssterilisierten von Bedeutung ist, ist in einem umfangreichen Bericht des Bundesministers der Finanzen an den Wiedergutmachungsausschuß vom 1. Februar 196t dargestellt und von diesem Ausschuß in mehreren eingehenden Beratungen ({3}) erörtert worden.
Die Bundesregierung sieht hiernach zu bundesgesetzlichen Maßnahmen, die über das geltende Recht hinausgehen, keine Möglichkeit. Sie ist insbesondere der Ansicht, daß eine allgemeine Entschädigungsregelung, durch die allen Sterilisierten darüber hinaus neue Entschädigungsansprüche gewährt werden wurden, nicht in Betracht kommt und auch nicht sinnvoll wäre. Wenn Verfolgten für die körperlichen und seelischen Schmerzen schon aus finanziellen Gründen kein Schmerzensgeld gewährt werden kann, dann ist es nicht vertretbar, Personen, die wegen einer Erbkrankheit sterilisiert worden sind, also Nichtverfolgten, eine solche Entschädigung zu zahlen.
Bei unserer derzeitigen Haushaltslage bin ich der Meinung, daß eine solche Maßnahme auch finanziell nicht zu verantworten ware. Da im Bundesgebiet heute etwa 175 000 bis 200 000 Zwangssterilisierte leben dürften, würde sich eine finanzielle Belastung von fast 1 Milliarde DM ergeben, wenn man jedem der Betroffenen auch nur eine Entschädigung von 5000 DM gewähren würde, Gegen eine Pauschalabfindung spricht überdies
noch, daß von dem gesamten Entschädigungsbetrag von fast 1 Milliarde DM bis zu 60 % an Geisteskranke, Schwachsinnige oder schwere Alkoholiker gezahlt werden würden.
Jetzt kommen wir zur Beantwortung der Frage 87 - diesmal Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft - des Herrn Abgeordneten Dr. Hofmann ({4}) .
({5})
- Hier ist keine Frage mehr.
({6})
- Nachgereichte Fragen werden nicht beantwortet. Es geht hier der Reihe nach. Es kommt jetzt die Frage des Herrn Abgeordneten Dr. Hofmann ({7}) :
Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um einem starken Rückgang des amerikanischen Tourismus in Deutschland entgegenzuwirken, insbesondere wenn in den Vereinigten Staaten dem Appell Präsident Johnsons gesetzliche Maßnahmen zur Dämpfung der amerikanischen Auslandsreisen folgen sollten?
ist Herr Hofmann im Saal? - Die Frage wird von Herrn Josten übernommen. Sie wird für den Herrn Bundesminister für Wirtschaft von dem Herrn Parlamentarischen Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft beantwortet. Bitte, Sie haben das Wort, Herr Staatssekretär!
Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Glücklicherweise ist .ein starker Rückgang des amerikanischen Tourismus in Deutschland zur Zeit nur eine Befürchtung und noch kein Faktum. Es wäre daher verfrüht, an spezielle Maßnahmen zu denken.
Zusatzfrage!
Herr Staatssekretär, wird die Bundesregierung die Entwicklung gerade des amerikanischen Tourismus sehr sorgfältig verfolgen?
Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Wir werden das sehr sorgfältig verfolgen. Wir teilen auch die Sorgen des Fremdenverkehrsgewerbes. Aber zur Zeit ist es noch zu früh, an spezielle Maßnahmen zu denken.
Eine Zusatzfrage, Herr Kollege Rollmann.
Herr Staatssekretär, ist nicht die Bundesregierung überhaupt der Meinung, daß angesichts der negativen Bilanz im Touristenverkehr von seiten der Regierung mehr für die Förderung des Touristenverkehrs nach Deutschland getan werden müßte?
Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Nein, dieser Meinung sind wir nicht, Herr Kollege Rollmann. Wir können nicht versuchen, auf allen Wirtschaftsgebieten und in allen Gewerbezweigen zu positiven HanParlamentarischer Staatssekretär Dr. Arndt
delsbilanzen zu kommen. Bei Bananen würden wir es sowieso nie ganz schaffen.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Kollege Geldner.
Herr Staatssekretär, können Sie mir sagen, welchen Anteil an den Ausländerübernachtungen die amerikanischen Touristen in den letzten Jahren stellten?
Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: 1,3 %. Es gibt natürlich lokale Ballungen. 1,3% ist der Bundesdurchschnitt. In Berlin, München, längs des Rheins ist der Anteil natürlich höher.
Eine weitere Frage, Herr Kollege Franke.
Herr Staatssekretär, wie hoch, befürchten Sie, könnte der Ausfall für unsere Handels- bzw. Touristenbilanz durch das Ausbleiben der amerikanischen Touristen sein?
Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Ich glaube, es ist neulich eine Zahl von einer halben Milliarde DM genannt worden.
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung. Frage 88 des Herrn Abgeordneten Dr. Klepsch:
Trifft es zu, daß nach einer Entscheidung des Bundessozialgerichtes die Ausbildung zum Offizier nicht als eine Ausbildung für den späteren Lebensberuf anzusehen ist?
Das Wort zur Beantwortung hat der Herr Staatssekretär.
Ich bitte, beide Fragen des Herrn Abgeordneten Dr. Klepsch zusammen beantworten zu können.
Bitte sehr. Ich rufe auch Frage 89 des Herrn Abgeordneten Dr. Klepsch auf:
In welcher Weise gedenkt die Bundesregierung die sich aus einer Bejahung der Frage 88 ergebende Benachteiligung von Bewerbern für den Offiziersberuf auszuschalten?
Bei der Entscheidung des Bundessozialgerichts, auf die Sie Bezug nehmen, handelt es sich offenbar um das Urteil vom 29. November 1967. Nach diesem Urteil des Bundessozialgerichts befinden sich Offizieranwärter, weil sie als Soldaten auf Zeit Dienstbezüge nach dem Bundesbesoldungsgesetz erhalten, nicht im Sinne von § 44 Satz 2 des Angestelltenversicherungsgesetzes in der Berufsausbildung; sie haben aus diesem Grunde keinen Anspruch auf Waisenrente über die Vollendung des 18. Lebensjahres hinaus. Darin liegt keine Benachteiligung der Bewerber für den Offiziersberuf; denn Waisenrente aus der Sozialversicherung wird über das 18. Lebensjahr hinaus nur mit dem Ziele gewährt, den Lebensunterhalt während einer Ausbildung sicherzustellen. Ist der Lebensunterhalt jedoch durch Lohn- oder Gehaltszahlung - wie das bei einem Offizieranwärter der Fall ist - sichergestellt, dann fällt der Grund für die Gewährung der Waisenrente weg.
In Anbetracht dieser Rechtslage hat das Bundessozialgericht meines Erachtens zutreffend den Anspruch auf Waisenrente über das 18. Lebensjahr hinaus verneint. Die Ausbildung zum Offizier als Ausbildung für einen vollwertigen Beruf ist damit nicht in Frage gestellt. Wenn das Bundessozialgericht in dem erwähnten Urteil ausführt, daß der Offiziersanwärter seinen Beruf - als Soldat - bebeitserreicht habe und daß sich infolgedessen seine Ausbildung im Rahmen eines bereits erreichten Berufes vollziehe, so beschränkt sich diese Aussage allein auf die Auslegung und Anwendung von § 44 Satz 2 des Angestelltenversicherungsgesetzes.
Keine Zusatzfrage. Dann kommen wir zur Beantwortung der Frage 90 des Abgeordneten Strohmayr:
Welche Pläne hat die Bundesregierung, um die Personen, die Altersgeld nach dem Gesetz über die Altershilfe für Landwirte erhalten, in die Krankenversicherung nach der Reichsversicherungsordnung einzubeziehen?
Das Wort zur Beantwortung hat der Herr Staatssekretär.
Nach dem Gesetz über die Altershilfe für Landwirte erhalten derzeit rund eine halbe Million Personen Altersgeld. Hiervon sind nach neueren Untersuchungen etwa 40 v. H. in der gesetzlichen Krankenversicherung und etwa 30 v. H. in der privaten Krankenversicherung versichert; etwa 30 v. H. sind nicht gegen Krankheit versichert. Der Anteil der in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherten Altenteiler kann sich ab 1. Januar 1968 etwas erhöhen, weil auf Grund des Finanzänderungsgesetzes 1967 sämtliche Bezieher einer Rente aus der Arbeiter- und der Angestelltenrentenversicherung krankenversicherungspflichtig geworden sind. Allerdings bleibt ein nicht unbeträchtlicher Teil der Altersgeldempfänger gegen das wirtschaftliche Risiko der Krankheit ungeschützt.
Zur Deckung der Ausgaben für eine Versicherung sämtlicher Empfänger von Altersgeld für Landwirte in der gesetzlichen Krankenversicherung wäre nach überschlägigen Schätzungen ein Gesamtbetrag von etwa 270 bis 300 Millionen DM erforderlich. Würden nur diejenigen Altersgeldempfänger in die gesetzliche Krankenversicherung einbezogen, die bisher weder in der gesetzlichen Krankenversicherung noch in einer privaten Krankenversicherung versichert sind, wäre ein Betrag von etwa 80 bis 90 Millionen DM erforderlich. Die erforderlichen Mittel müßten entweder von den Altersgeldempfängern selbst oder von der öffentlichen Hand - etwa durch einen Bundeszuschuß - oder von den Mitgliedern der landwirtschaftlichen Alterskassen durch erhöhte Beiträge
aufgebracht werden. Falls die Empfänger von Altersgeld die erforderlichen Mittel selbst aufbringen müßten, bedeutete dies eine monatliche Belastung für jeden Altenteiler von 45 bis 50 DM. Dies erscheint kaum zumutbar. Auch sind in der mehrjährigen Finanzplanung des Bundes bis 1971 keine Mittel für diesen Zweck eingesetzt. Schließlich ist bei den Beratungen des Finanzänderungsgesetzes 1967 in diesem Hohen Haus deutlich geworden, daß eine Erhöhung der Beiträge zu den landwirtschaftlichen Alterskassen über den nunmehr festgesetzten Betrag von 24 DM monatlich hinaus als nicht tragbar angesehen wird.
Unter diesen Umständen sieht sich die Bundesregierung zur Zeit nicht in der Lage, einen Gesetzentwurf über die Einbeziehung sämtlicher Altersgeldempfänger in die gesetzliche Krankenversicherung vorzulegen.
Eine Zusatzfrage des Herrn Kollegen Strohmayr.
Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung bereit, das Problem wenigstens eingehend zu untersuchen und festzustellen, ob doch Möglichkeiten bestehen, die landwirtschaftlichen Altersrentner in die Krankenversicherung einzubeziehen?
Herr Abgeordneter Strohmayr, die Bundesregierung ist selbstverständlich bereit, diese Frage weiter zu prüfen. Dem Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung ist darüber hinaus bekannt, daß stich Abgeordnete beider Koalitionsfraktionen zusammen mit den Beteiligten um Vorschläge zur Lösung des Problems, insbesondere auch im Hinblick auf die finanziellen Fragen, bemühen. Konkrete Ergebnisse dieser Bemühungen sind uns allerdings noch nicht bekanntgeworden.
Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Kollegen Strohmayr.
Herr Staatssekretär, glauben Sie nicht, daß die Möglichkeit besteht, die landwirtschaftlichen Altersrentner ebenfalls mit einer Beitragsbeteiligung in die Krankenversicherung einzubeziehen, genauso wie beispielsweise die Sozialrentner eine Beitragsbeteiligung von 2 % zahlen müssen?
Herr Abgeordneter, ich habe vorhin gesagt, daß wir das geprüft haben. Wir haben aber die Sorge, daß die Belastung für die Betroffenen zu hoch wird. Wir werden diese Frage jedoch weiter prüfen.
Zu einer weiteren Zusatzfrage Herr Abgeordneter Berberich.
Herr Staatssekretär, sind Sie nicht mit mir der Meinung, daß sich dieses Problem nur im Zusammenhang mit einer allgemeinen Versicherung der Landwirtschaft auf berufsständischer Ebene lösen läßt?
Herr Abgeordneter, ich bin in der Tat der Ansicht, daß das Problem nur in größerem Zusammenhang gelöst werden kann.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Kollege Berberich.
Sind Sie mit mir der Meinung, daß man den heutigen Allgemeinen Ortskrankenkassen und den Landkrankenkassen die Altenteiler nicht ohne weiteres zuweisen kann?
Herr Abgeordneter, ich möchte annehmen, daß Sie recht haben.
Eine Frage, Kollege Kohlberger.
Herr Staatssekretär, glauben Sie nicht auch, ,daß außer den Landwirten noch weitere Personengruppen das gleiche Anliegen haben und daß ,das über die finanziellen Verhältnisse hinausgeht?
Herr Abgeordneter, Sie haben vermutlich recht.
Nun rufe ich noch die Frage 91 .des Herrn Abgeordneten Dr. Marx ({0}) auf:
Ist die Bundesregierung bereit, entsprechend einem Schreiben des rheinland-pfälzischen Sozialministers Dr. Geißler an Bundeskanzler Kiesinger bei evtl. künftigen Gesprächen mit Vertretern der Sowjetzonenbehbrden über Erleichterungen für Menschen im geteilten Deutschland darauf hinzuwirken, daß die verantwortlichen Behörden geflüchteten ehemaligen Bewohnern der SBZ die dort zurückgelassenen notwendigen Versicherungsunterlagen oder Krankenversicherungspapiere auf Anforderung in ihren gegenwärtigen Wohnort zustellen?
Der Fragesteller hat sich mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt.. Die Antwort des Bundesministers Katzer vom 25. Januar 19,68 lautet:
Die Bundesregierung begrüßt jede Erleichterung, die für die Menschen im geteilten Deutschland erreichbar ist. Wenn es zu Gesprächen über die Verwirklichung solcher Erleichterungen kommt, wird jede sich bietende Möglichkeit genutzt werden, um auch die von Ihnen dargelegten Probleme zu besprechen.
Meine Damen und Herren, ich möchte Ihnen mitteilen, daß die Fragen 113, 114 und 115 aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zurückgezogen worden sind.
Die Fragestunde ist damit beendet. Die übrigen Fragen, die heute auf der Tagesordnung stehen, werden schriftlich beantwortet.
Vizepräsident Scheel
Wir kommen dann zum Punkt 13 der Tagesordnung:
Erste Beratung ,des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Abgeltung von Reparations-, Restitutions-, Zerstörungs- und Rückerstattungsschäden ({0})
- Drucksache V/2432 Die Bundesregierung bringt das Gesetz ein. Das Wort für die Bundesregierung hat der Bundesminister der Finanzen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit diesem Gesetzesvorhaben, das heute im Bundestag zur Behandlung ansteht, nämlich dem Gesetz zur Abgeltung von Reparations-, Restitutions-, Zerstörungs- und Rückerstattungsschäden, soll das Werk der Liquidation der Schäden aus der Zeit des NS-Regimes und des Krieges zum Abschluß gebracht werden. Dieses Werk geht in seinen Grundgedanken auf die Zeit vor der Währungsreform zurück. Man war sich damals darüber im klaren, daß es eine Reihe typischer Schadenskategorien geben würde - Kriegsopfer, Verfolgungsschäden, Vertreibungsverluste, Kriegssachschäden, Währungsverluste, Reparationsschäden -, die in einem großen Ausgleich der durch Krieg und NS-Herrschaft eingetretenen Verluste und Schäden einbezogen werden müßten.
Es ist im Laufe von nunmehr 20 Jahren eine Fülle von Gesetzen geschaffen worden, die die eingetretenen Schäden abgelten oder jedenfalls mildern sollten. Ich erinnere an das Lastenausgleichsgesetz, an das Bundesversorgungsgesetz, an das 131 er-Gesetz, an die Wiedergutmachungsgesetze, an das Kriegsgefangenenentschädigungsgesetz, an das Allgemeine Kriegsfolgengesetz. Ein einziger Komplex aus dem damals aufgestellten Katalog ist bis zum heutigen Tage unberücksichtigt geblieben: das sind die Schäden, die der vorliegende Entwurf behandeln will.
Der Entwurf steht unter dem Sammeltitel „Reparationsschädengesetz". Er sieht eine Entschädigungsregelung für Verluste vor, die durch die Enteignung deutschen Vermögens im Ausland, durch die Demontage von Anlagen im Inland oder durch die zwangsweise Rückführung von Gütern entstanden .sind, die im zweiten Weltkrieg aus den besetzten Gebieten nach Deutschland verbracht worden waren. Der Entwurf berücksichtigt ferner Schäden, die durch Zerstörungsmaßnahmen im Zuge der Entmilitarisierung oder der Demontage eingetreten sind. Er behandelt schließlich auch die Schäden der Rückerstattungsverpflichteten, die bei dem Erwerb jüdischer Werte in gutem Glauben gehandelt haben.
Der Entwurf ist zwangsläufig in seiner Technik leider recht kompliziert. Er konnte aber nicht einfacher gestaltet werden, weil sich die in ihm getroffenen Lösungen in die Vielzahl der bereits getroffenen Regelungen einpassen müssen. In seinem materiellen Gehalt ist der Aufbau des Entwurfs einfach. Er folgt in einer Reihe wichtiger Fragen den Gedanken, die das Werk des Lastenausgleichs tragen. In einzelnen Punkten weicht er auch davon ab. Darauf komme ich noch zu sprechen.
Eine Entschädigung wird - ebenso wie im Lastenausgleich - nur an natürliche Personen gewährt. Berechnungsgrundlagen sind die Einheitswerte. Dabei wird bei Betriebsvermögen ein Schaden nur berücksichtigt, wenn das Vermögen 1948 in bestimmtem Umfange das Vermögen von 1939 unterschreitet. Der so ermittelte Schaden wird nach einer degressiven Tabelle entschädigt, die für Kleinschäden eine Quote von 100%, für Großschäden eine Degression bis zu einer Quote von 6,5 % vorsieht. Wie im Lastenausgleichsgesetz wird auch die so errechnete Entschädigung nicht ausbezahlt, wenn damit der Berechtigte auf einen bestimmten Bruchteil seines Friedensvermögens angehoben würde.
Sie sehen, der Entwurf folgt damit im wesentlichen dem Regierungsentwurf, den mein Amts vorgänger, Kollege Dr. Dahlgrün, 1963 in diesem Hause bereits eingehend begründet hat. Sie wissen, daß dieser Entwurf von dem federführenden Lastenausgleichsausschuß in eingehender und zügiger Beratung behandelt worden war, daß aber die mitberatenden Ausschüsse damals aus Zeitnot nicht in der Lage waren, den Entwurf noch zu verabschieden. So mußte er jetzt neu eingebracht werden. Die mit der Regierungsumbildung, vor allem auch mit der mittelfristigen Finanzplanung und mit der Klärung gewisser rechtlicher Probleme verbundenen Fragen haben es mit sich gebracht, daß sich die Einbringung des Entwurfs länger hingezögert hat, als es auch mir erwünscht gewesen wäre.
Gegen den Entwurf werden, von Einzelheiten abgesehen, zwei Haupteinwände erhoben. Es gibt eine Gruppe von Geschädigten - es sind vor allem die Kriegsgefangenen und Heimkehrer und die Zonengeschädigten -, die aus Gründen, denen ich volles, großes Verständnis entgegenbringe, meinen, es sei unvertretbar, daß für die Reparationsgeschädigten Gelder aufgewendet werden, solange im Rahmen der mittelfristigen Finanzplanung dringendere soziale Vorhaben zurückgestellt werden müßten, solange vor allem keine Mittel bereitstünden, ihren Forderungen Rechnung zu tragen.
Die andere grundsätzliche Einwendung gegen den Gesetzentwurf geht dahin, daß eine Entschädigung nach Enteignungsgrundsätzen gewährt werden müsse, daß also eine Entschädigungsregelung, die sich an den Grundsätzen des Lastenausgleichs ausrichte, rechtsstaatliche Grundsätze verletze.
Lassen Sie mich zunächst zu diesem zweiten Punkt etwas sagen. Ungeachtet einer Reihe von Rechtsgutachten, in denen ein Rechtsanspruch auf Entschädigung der Reparationsgeschädigten nach Enteignungsgrundsätzen begründet wird, hält die Bundesregierung - ich betone, die ganze Bundesregierung - an der von ihr vertretenen Ansicht fest, daß der Gesetzgeber zwar sowohl aus dem Gesichtspunkt des Gleichheitsgrundsatzes wie auch im Hinblick auf die Verpflichtungen aus dem Überleitungsvertrag rechtlich gehalten ist, eine Regelung zu treffen, daß aber für den Inhalt dieser Regelung nicht die Grundsätze einer Entschädigung für
7748 Deutscher Bundestag 5. Wahlperiode Bundesminister Dr. h. c. Strauß
Enteignung maßgebend sind, das insoweit vielmehr dem Gesetzgeber ein weiter Spielraum des Ermessens eingeräumt ist.
Was nun den Einwand anderer Geschädigtengruppen anlangt, die vorgesehene Regelung dürfe nicht erfolgen, solange nicht die für sie geltenden Entschädigungsregelungen getroffen oder entscheidend verbessert seien, so verkennen diese Einwendungen die besondere Situation, die hinsichtlich der Reparationsschäden gegeben ist. Ich habe schon betont, daß eine rechtliche Pflicht besteht, eine Regelung zu treffen. Bei keinem der sonst in Betracht kommenden Gebiete der Liquidation ist jetzt noch eine gleiche Lage gegeben. Wer nun allerdings glaubt, daß ihn bei der Verfolgung seiner Interessen solche rechtlichen Gesichtspunkte nichts angingen, der stellt sich in Wahrheit außerhalb der rechtlichen Ordnung, die wir bei der Regelung dieses Komplexes -auf dem Boden der Verfassung getroffen haben. Er könnte von diesem meiner Auffassung nach nicht vertretbaren Standpunkt aus beispielsweise auch sagen, er sei gegen die Zahlung von Gehältern, gegen die Zahlung von Schulden oder gegen die Erfüllung sonstiger rechtlicher Verpflichtungen des Bundes, solange nicht für ihn und für seine besonderen Wünsche Mittel zur Verfügung gestellt würden.
Es wird in diesem Zusammenhang offenkundig oder unterschwellig auch die These ausgestreut, es sollten mit diesem Gesetzentwurf Großgeschädigte der Wirtschaft Geschenke erhalten, die sie überhaupt nicht mehr benötigten. Ich habe vorher in kurzen Zügen die Grundsätze, auf denen der Entwurf aufbaut, dargelegt. Ich kann Ihnen nach diesen wenigen Grundgedanken versichern, daß nach Gesamttendenz und Gesamtgestaltung des Entwurfes so wie im Lastenausgleich praktisch nur kleinere und mittlere Geschädigte bei der Entschädigungsregelung zum Zuge kommen. Jede andersgeartete Darstellung ist entweder Unwissenheit oder zum Teil demagogische Irreführung.
Darf ich auch ein Wort zu den verständlichen Wünschen der Zonengeschädigten sagen, die gerade in Zusammenhang mit der Einbringung dieses Entwurfs erneut zur Diskussion gestellt werden. Es war von Anfang an einer der Leitsätze unserer Liquidationspolitik, wenn ich mich so ausdrücken darf, daß wir nur Schäden berücksichtigen können, die eine gewisse territoriale Beziehung zum Bundesgebiet haben. Dieser Leitgedanke berücksichtigt die Tatsache, daß uns das Wirtschaftspotential der sowjetischen Besatzungszone nicht zur Verfügung steht. Wir müssen uns darüber im klaren sein, daß eine Aufgabe dieses Leitgedankens schlechthin zu einer Gesamtrevision unserer Entschädigungspolitik führen könnte, einer Gesamtrevision, deren finanzielle Last nach dem vollen Gleichheitsgrundsatz berechnet, sich in Milliardenbeträgen auswirken würde. Sie wissen aus den Beratungen zur mittelfristigen Finanzplanung, daß für solche Lösungen eine Deckungsgrundlage nicht gefunden wurde und auch nicht gefunden werden konnte, wollte man nicht - ich komme noch darauf zurück - lebenswichtige Aufgaben anderer Art schlechthin vernachlässigen.
Auf Einzelheiten dieses Gesetzentwurfs will ich nicht eingehen. ich halte es für denkbar, daß sich im Zuge der Beratung in einzelnen technischen Fragen Verbesserungen ergeben werden. Lassen Sie mich aber in Deutlichkeit eines zum Ausdruck bringen: Der Entwurf hat sich bemüht, Lösungen zu finden, die verwaltungstechnisch mit einem möglichst geringen Personal- und Sachaufwand zu meistern sind. Wir hätten sehr wohl da oder dort perfektere Regelungen finden können. Ich weiß zum Beispiel, daß man da und dort glaubt, wir seien in dem Entwurf hinsichtlich der Erfordernisse an die Gutgläubigkeit eines Rückerstattungsverpflichteten zu großzügig verfahren, wir würden wegen dieser Großzügigkeit manchem eine Entschädigung zukommen lassen, der genau gewußt habe, daß er unrechtmäßig jüdisches Gut erwerbe. Sie werden bei der Einzelberatung dieser Frage sehen, daß dem Wunsch nach einer möglichst perfekten Lösung von der Praxis der Wahrheitsfindung her heute, mehr als zwei Jahrzehnte nach dem Ablauf der Tatsachen, oft unüberwindbare Schranken gesetzt sind, daß man sich hier und an anderen Stellen des Entwurfs mit gröberen Lösungen abfinden muß, will man nicht einen Verwaltungsaufwand verursachen, der in keinem Verhältnis mehr zu der Entschädigungssumme steht.
Gegenüber dem Entwurf 1963 bleibt der neue Entwurf leider in einigen Punkten zurück. In unserer veränderten Finanzsituation war es nicht mehr möglich, einen Endzeitpunkt für die Abwicklung der in ihm vorgesehenen Leistungen gesetzlich festzulegen, wie dies im Lastenausgleichsgesetz mit dem Endzeitpunkt 1979 geschehen ist. Die Durchführung soll vielmehr im Rahmen der jeweils im Haushalt zu bestimmenden Ansätze in der Rangordnung der sozialen und wirtschaftlichen Dringlichkeiten und Prioritäten erfolgen. Der neue Entwurf sieht außerdem - entgegen dem Lastenausgleichsgesetz und dem früheren Regierungsentwurf - eine Verzinsung der Entschädigungsbeträge nicht mehr rückwirkend ab 1. Januar 1953, sondern nur noch für die Zukunft, und zwar entsprechend dem Vorschlag des Bundesrates ab 1. Januar 1968 vor. Die Bundesregierung sieht sich zu einer solchen Abweichung von, der Lastenausgleichsregelung nicht nur aus finanziellen Gründen veranlaßt, sondern sie glaubt, das wegen der veränderten Situation des Jahres 1968 gegenüber 1952 auch sachlich rechtfertigen zu können.
Auch eine Reihe von Verbesserungsvorschlägen, die der damalige Lastenausgleichsausschuß zum Entwurf von 1963 empfohlen hatte, konnte der neue Regierungsentwurf bedauerlicherweise nicht übernehmen. Er beschränkt sich auf das nach Auffassung der Bundesregierung Notwendige und Mögliche.
Alles das war - ich möchte das nicht unerwähnt lassen - schon von meinem Vorgänger, Kollegen Dahlgrün, vorbereitet und auf Grund seines Votums vom damaligen Kabinett beschlossen worden. Ich bitte im übrigen, bei den Beratungen sowohl den Gesamtzusammenhang dieses Gesetzesvorhabens mit dem Gesamtwerk der Kriegs- und NS-FolgenLiquidation im Auge zu behalten als auch an unsere finanzielle Gesamtsituation zu denken. Alle Ausweitungstendenzen würden an der Unmöglichkeit
einer Finanzierung der Mehrausgaben scheitern. Sie würden aber auch .das Gesamtwerk ,entweder ins Wanken bringen oder überhaupt gefährden.
Auf einen Punkt möchte ich noch eingehen, der auch bei der Haushaltsdebatte über den früheren Regierungsentwurf behandelt worden war, nämlich auf den Ausschluß der juristischen Personen von der Entschädigungsregelung des Gesetzes. Hier darf ich darauf verweisen, daß auch das Lastenausgleichsgesetz. eine Entschädigung der. juristischen Personen nicht vorsieht. Das Bundesverwaltungsgericht hat in mehreren Beschlüssen und Entscheidungen festgestellt, daß dieser Ausschluß zulässig ist und nicht gegen verfassungsrechtliche Normen verstößt. Es erscheint daher auch der jetzigen Bundesregierung nicht angängig, hier eine vom Lastenausgleichsgesetz abweichende Regelung zu treffen. Denn das würde mit Sicherheit nicht übersehbare, jedenfalls nicht berechenbare finanzielle Auswirkungen auf andere Gesetze nach sich ziehen.
Ich muß an Sie die Bitte richten, die Beratung .des Gesetzentwurfs auch in den Ausschüssen mit der gebotenen Dringlichkeit vorzunehmen. Im Allgemeinen Kriegsfolgengesetz war vorgesehen, daß bis zur Verabschiedung dieses Gesetzes Leistungen wegen der in ihm behandelten Schäden nicht verlangt wenden können. Dieser sogenannte Klagestopp war damals nach seinem Wortlaut unbefristet. Er ist vor einem Jahr zur Beseitigung rechtlicher Bedenken bis zum 31. März 1968 befristet worden. Eine nochmalige Verlängerung dieser Frist, die sich die gesetzgebenden Körperschaften selbst gesetzt hatten, wäre aus verschiedenen Gründen kaum vertretbar, auch verfassungsrechtlich wohl nicht zulässig. Die Gerichte, die 'in ihren Entscheidungen wiederholt und ernsthaft an den baldigen Erlaß des Reparationsschädengesetzes erinnert haben, erwarten von Regierung und Parlament, daß mit Ernst und Dringlichkeit an die Verabschiedung dieses Gesetzes herangegangen wird.
Ich habe am Anfang darauf hingewiesen, daß mit diesem Gesetzesvorhaben der Schlußstein im Gesamtaufbau der Schadensliquidation gelegt wird. Lassen Sie mich darauf nur noch kurz zurückkommen. Die Kriegs- und NS-Folgen-Liquidation hat bisher - ohne die Aufwendungen aus der Reichsmarkzeit - einen Gesamtaufwand der öffentlichen Hand in Höhe von mindestens 400 Milliarden DM erfordert.
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Davon hatte der Bund etwa 70 % zu tragen. Die Restdurchführung der bestehenden Gesetze wird mindestens weitere 200 Milliarden DM erfordern und in das nächste Jahrhundert oder Jahrtausend hineinreichen. Ich meine, diese Zahlen zeigen sehr drastisch, welches ungeheure Werk hier insgesamt - und das auf dem Boden eines Trümmerhaufens, eines Scherben- und Ruinenhaufens - unternommen worden ist. Nur allzu leicht ist der einzelne Geschädigte aus menschlich verständlichen Gründen geneigt, die Gesamtbetrachtung dessen, was insgesamt die deutsche Volkswirtschaft aller Gruppierungen und Kategorien aufgebracht hat, aus. dem Auge zu verlieren. Fragen wir uns doch einmal, wie
es überhaupt möglich war, diese ungeheure Leistung zu erbringen! Sicherlich nur deshalb, weil wir in unserer gesamten Finanzgebarung viele Jahre hindurch den Aufgaben, die der Liquidation des schrecklichen Erbes von 1945 gewidmet waren, die absolute Priorität gegeben haben, und ich sage: damals zu Recht. Ich will an dieser Stelle nicht darüber streiten, ob wir dieses Werk, von dem übrigens das Ausland nur mit höchster Bewunderung spricht, zu perfektionistisch und zu vollkommen angelegt haben. Man steht hier wohl immer zwischen zwei Polen, die ich im einzelnen nicht darzustellen brauche. Wer kann schon über seinen Schatten springen? Aber über eines müssen wir uns im klaren sein: es 'ist völlig undenkbar, daß wir auch noch weiterhin auf unabsehbare Zeit den Blick nur in die Vergangenheit richten und wesentliche, für uns alle lebensentscheidende Aufgaben der Zukunft deshalb vernachlässigen, weil wir alle verfügbaren Mittel nur in die Bewältigung der Vergangenheit hineinstecken.
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Bei der Behandlung der mittelfristigen Finanzplanung haben wir wohl alle gesehen, wohin eine Finanzpolitik und eine Finanzwirtschaft führen muß, die den gegebenen Notwendigkeiten nicht klar und nüchtern ins Auge sieht. Wir haben uns entschlossen, den entscheidenden Aufgaben der Zukunft - ich nenne nur die Förderung von Forschung und Wissenschaft, den Ausbau unserer Verkehrswege - die Bedeutung einzuräumen, die ihnen zukommen muß. Sie sind gewachsen angesichts der ständigen Beschleunigung der menschlichen Entwicklung, die sich besonders auf wissenschaftlichem, technologischem, wirtschaftlichem Gebiet auswirkt. Das heißt aber, daß wir nun nicht unentwegt, wie das durch Jahre hindurch - ich sage: mit Recht - geschehen ist, zugleich auch an dem Werk der Liquidation der Vergangenheit immer herumbasteln können. Ich sage es mit aller Deutlichkeit: Mit diesem Gesetz muß die Liquidation der Vergangenheit auf diesem Gebiet - auf diesem Gebiet, auf dem Gebiet der Entschädigung; verschiedene Tatbestände! - zu Ende kommen. Es wird ohnehin nach unseren Berechnungen bis etwa in das Jahr 2008 dauern. Es ist sicher so, daß in dem Gesamtgebäude da und dort Risse und Spalten sind, daß nicht alles ganz harmonisch aufeinander abgestimmt ist, daß Unzweckmäßigkeiten und Ungereimtheiten, vielleicht auch manche Härten und Widrigkeiten in ihm enthalten sind. Theoretisch wäre es erwünscht, ein vollendetes, in sich konsistentes, logisches, harmonisiertes, allen Rechnung tragendes und alle mit dem Gefühl der absoluten Gerechtigkeit erfüllendes Werk geschaffen zu haben. Aber das ist auf Erden nicht möglich. Bei dem ungeheuerlichen Ausmaß der Katastrophe - das sollte man anerkennen - ist eine in jeder Beziehung befriedigende Lösung schlechthin unmöglich. Wir könnten noch Jahre an dem Gesamtwerk herumexperimentieren - wohlgemerkt: ausschließlich zu Lasten der lebenswichtigen Aufgaben unserer Zukunft -, wir würden doch nicht zu einer alle Gesichtspunkte und alle Betroffenen voll befriedigenden Lösung kommen können. Ich glaube, daß man sich darüber gerade an Hand dieses nicht
unbedingt . befriedigenden Entwurfs Rechenschaft geben muß.
Erlauben Sie mir bitte ein abschließendes Wort. Hinter dem riesengroßen Betrag, der für die Liquidation der Schäden des Krieges und des NS-Regimes aufgewendet worden ist und noch aufgewendet werden muß und an dem die heutige und die kommende Generation noch zahlen werden, steckt aber noch ein viel ernsteres allgemeines Problem. Die Größenordnung der Liquidationsregelungen - 400 Milliarden DM bis jetzt, 200 Milliarden DM mindestens noch bevorstehend, 600 Milliarden DM innerhalb von sechs Jahrzehnten zu zahlen - sollte uns ein Erinnerungszeichen sein.
Hinter den Zahlen und hinter dem ganzen Werk steckt persönliches, menschliches Leid von unübersehbaren Ausmaßen im Inland und im Ausland. Es übertrifft alle bisher dagewesenen Erfahrungsfälle der Geschichte. Die Katastrophe von 1945 hat dieses Leid und Elend von Millionen Menschen rücksichtslos bloßgelegt. Vergessen wir aber nicht, daß zu diesem Leid und zu diesem Elend, zu dieser Katastrophe eine Straße geführt hat, die mit der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten im Jahre 1933 ihren Anfang genommen hat. Die ältere Generation, wir, unsere Generation, hat das Leid und das Elend in unmittelbarster persönlichster Erfahrung kennengelernt. Es ist nur allzu menschlich, daß über die vielen Jahre hinweg der schreckliche Eindruck, der damals auf uns allen gelastet hat, verblaßt. Es ist vielleicht eine natürliche Abwehrreaktion der menschlichen Natur auf diese Schrecken.
Die jüngere Generation hat die fürchterlichen Zeiten nicht miterlebt. Man kann ihr das auch nicht vorhalten oder vorwerfen. Jede Generation muß ihre eigenen Erfahrungen machen. Aber sie soll auch von den Erfahrungen und bitteren Erlebnissen der vorhergehenden Generation, um sich das gleiche zu ersparen, einiges in ihrem ureigensten Interesse mitbekommen. Keine Erzählung und keine Schilderung kann den rechten Eindruck vom Ausmaß der damaligen Katastrophe vermitteln. Vergessen wir deshalb nicht die Ursachen dieser Katastrophe! Vergessen wir nicht, wohin es führen muß, wenn in einem Volke Millionen von Bürgern die politische Geduld verlieren, wenn sie glauben, das Heil und die Rettung läge bei einigen Demagogen, wenn sie sich aus wirtschaftlicher Not. und sozialem Elend, aus der Verzweiflung heraus der Verblendung hingeben. Dann blüht der Weizen der Demagogen, die frei von Verantwortung auf allen Gebieten goldene Berge versprechen. Einige Miniaturausgaben dieser Erscheinungen hat es immer gegeben, gibt es auch heute bei uns an dieser oder jener extremen Ecke der Landschaft der Bundesrepublik. Das Mühen um die Bewältigung der Vergangenheit, das sich besonders dieser Bundestag zur Aufgabe gestellt hat und das er in zwei Jahrzehnten immerhin gesetzgeberisch beinahe abgeschlossen und durch eine Wirtschafts-und Sozialpolitik entscheidend gefördert hat, war ein unendlich mühsames und schwieriges Werk.
Keine Aufgaben in unserer Gemeinschaft lassen sich ohne eine ständige aufreibende Kleinarbeit
meistern. Ich glaube, daß wir diese Stunde, in der wir zum Schlußakt schreiten, benutzen sollten, solchen allgemeinen Gedanken wenigstens in einigen Sätzen Raum zu geben.
Ich sagte, daß die Liquidation mit dem vorliegenden Gesetzesvorhaben ihren Abschluß' finden soll. Ich meine damit die interne finanzielle Seite des ganzen Problems. Wir wissen, daß die Ereignisse von 1933 bis zur Katastrophe von 1945 zu Problemen, Gestaltungen und Entwicklungen geführt haben, daß wir mit dieser finanziellen Seite der Bewältigung der Vergangenheit noch lange nicht die Vergangenheit in ihrer Gesamtheit gemeistert haben. Ich erinnere an die Spaltung unserer Heimat, an die Belastungen, denen ob der fürchterlichen Geschehnisse von damals noch heute der deutsche Name überall in der Welt ausgesetzt ist. Ich denke an die Notwendigkeit, unserem Volke die Lebensform eines freiheitlich-demokratischen Staates zu erhalten. An diesen Aspekten einer Liquidation des Krieges und der NS-Herrschaft werden wir noch viele Jahre zu arbeiten haben, bis weit in die nächste Generation hinein.
Wir sollten aber keine Zweifel daran haben und daran lassen, daß wir auch diese großen politischgeistigen Fragen einer Lösung zuführen können, wenn wir geduldig und beharrlich den Weg weitergehen, den wir bisher beschritten haben - ich meine damit auch den Weg der Gewaltabsage -, wenn wir eisern festhalten an den Prinzipien von Freiheit und Recht, wenn wir eisern festhalten an dem Grundsatz, zur Durchsetzung politischer Ziele nicht Gewalt anzuwenden. Auch das ist ein Teil der Bewältigung der Vergangenheit. Dessen sollten wir uns bewußt sein.
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Meine Damen und Herren! Wird das Wort zur Beratung gewünscht? - Das ist der Fall. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Mick.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Dies ist die Gelegenheit, bei der man zunächst einmal ein paar bissige Gedanken loswerden kann, nämlich ein paar bissige Gedanken über dieses Parlament und seine Arbeit. Bei dieser Gesetzesmaterie überkommt das Haus das große Gähnen, weil es sich in tausend Einzelheiten verlieren muß und weil diese Materie eine minutiöse Arbeit erfordert, gegen die das Studieren von Steuertabellen usw. geradezu das Studium schöner Literatur darstellt.
Das ist jetzt auch die Stunde derer, die im allgemeinen nicht an diesem Rednerpult stehen und die nach der ersten Lesung dieses Gesetzes für Monate in die Ausschußräume verschwinden, um das Gesetz zu beraten. Und wenn dieses Gesetz beraten ist, dann wird diesen Kollegen und Kolleginnen von sehr hochwohllöblichen Leuten gesagt, die AbgeMick
ordneten sollten sich nur um die großen Dinge kümmern und nicht um jede Einzelheit.
Wenn Sie diesen Gesetzentwurf auch nur einmal oberflächlich studieren, dann merken sie, daß hinter jeder, auch der kleinsten Einzelheit menschliche Schicksale stehen, wie das auch bei anderen gesetzlichen Vorschriften der Fall ist, die in den Bereich des Ausschusses für Kriegs- und Verfolgungsschäden fallen. Ich meine, man sollte sich in diesem Hause einmal einer etwas anderen Terminologie bedienen, auch für die, die sich in sehr aufopferungsvoller Kleinarbeit der Lösung solcher Probleme widmen.
Aber nun zur Sache, meine sehr verehrten Damen und Herren. Mit diesem Gesetzentwurf begegnet uns ein guter alter Bekannter, zumindest ein alter Bekannter, der in den Diskussionen dieses Hauses, angesprochen und nicht angesprochen, eine große Rolle gespielt hat und der in viele gesetzliche Bereiche hinein Argumente geliefert hat. Ich glaube, die Hauptargumente für oder gegen bestimmte Gesetze, die von diesem Reparationsschädengesetz herkamen, sind gar nicht ausgesprochen worden; aber das waren die bedeutendsten.
Dieser Gesetzentwurf hat seine barocken Formen verloren, und es ist eine sehr schlanke, vielleicht schon überschlanke Person daraus geworden, der man ansieht, daß sie sich strenger Diät unterzogen hat, um auf das Gewicht zu kommen, das wir hier noch auf die finanzielle Waage legen dürfen. Trotzdem muß man sich vergegenwärtigen, daß auch die Durchführung dieses Entwurfs runde 1,2 Milliarden DM kosten wird, von denen der Herr Finanzminister allerdings sagte, daß sie bis in das Jahr 2000 hineinreichen werden. Das ist eine Frage, die wir politisch und nach unseren finanziellen Möglichkeiten zu entscheiden haben. Wir müssen die Frage prüfen, ob wir es uns erlauben können, die Entschädigung so weit hinauszuschieben, daß wir bestenfalls noch einige Erben derer bedenken können, die den eigentlichen Schaden davongetragen haben.
Der Herr Finanzminister hat sich sehr vornehm ausgedrückt, als er sagte, daß das Gesetz aus Zeitgründen im 4. Deutschen Bundestag nicht mehr zum Zuge gekommen sei. Nun, Herr Finanzminister, ich bin der Meinung, wenn der 4. Deutsche Bundestag bei der Beratung dieses Gesetzes das Mögliche und nicht das Unmögliche angestrebt hätte, wäre dieses Gesetz im 4. Deutschen Bundestag wahrscheinlich verabschiedet worden, zum Nutzen derer, die unter den Nachwirkungen der Schäden, deren Ausgleich das Gesetz regeln soll, am meisten zu leiden haben. Mit Worten läßt sich trefflich streiten, mit Worten ein System bereiten. Das kennen Sie alle. Mir klingen noch so viele der juristischen Gründe in den Ohren, die bei der Begründung des Gesetzentwurfs in der vorigen Legislaturperiode vorgetragen worden sind. Jeder dieser Gründe war vom Juristischen her durchschlagend - ich habe wenigstens keinen einzigen gefunden, bei dem das nicht der Fall war -, und die meisten der vorgebrachten Gründe waren auch vom Menschlichen her nicht unberechtigt. Trotzdem waren wir alle erschrocken angesichts der astronomischen Größe der Zahlen, die mit jenen
Vorstellungen verbunden waren. Natürlich haben wir die Pflicht, hier gutzumachen, aber wenn wir an diesen Gesetzentwurf wieder in derselben Haltung herangehen, wie das im 4. Deutschen Bundestag bei der Beratung vor allem - ich sage das in Offenheit - im Rechtsausschuß der Fall gewesen ist, werden wir auch hier am Unmöglichen scheitern und das Mögliche wiederum nicht getan haben. Ich muß mich darauf verlassen können, daß dieser Gesetzentwurf mit dem Grundgesetz in Einklang steht, daß er das Grundgesetz nicht verletzt, daß er eben das tut, was möglich ist.
Ich bin mir klar darüber, daß auch hier wieder die Regulierung mancher Schäden, die entstanden sind, begründet werden kann. Aber ich meine, wer Schäden nur noch mit einem Erinnerungsposten von einer Mark zu Buche stehen hat und im übrigen in der Nachkriegszeit eine glänzende wirtschaftliche Entwicklung genommen hat, der sollte hier weniger auf seinem Rechtsstandpunkt bestehen als vielmehr froh darüber sein, daß er es doch wieder geschafft hat.
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Aber es ist dann ja sehr oft so wie auch sonst im Leben: Wenn man es geschafft hat, hat man es auf Grund der eigenen Tüchtigkeit geschafft, trotz denen in Bonn - dabei nehme ich den Ausdruck „denen in Bonn" hier summarisch -, und wenn man es vielleicht nicht so geschafft hat, dann sind die in Bonn auch schuld gewesen.
Ich gestehe, daß bei der Vorberatung dieser Gesetzesvorlage in unserer Fraktion auch wieder Debatten darüber stattgefunden haben, ob man es in diesem Gesetzentwurf bei natürlichen Personen belassen könne, ob man nicht auch juristische Personen einbeziehen müsse. Diese Debatte ist in meiner Fraktion mit großem Ernst geführt worden. Es sind Beispiele gebildet worden, die ich nicht in den Bereich der reinen Interessenpolitik und der Wahrnehmung reiner Interessenstandpunkte verweisen möchte, sondern die auch von sehr starken sozialethischen und sozialpolitischen Gedanken getragen waren.
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Wir werden bei der Beratung auch diese Frage genügend berücksichtigen müssen, um wirklich zu einem bestmöglichen Ergebnis zu kommen. Allerdings gestehe ich auch in Offenheit, daß es mich schwindelt, wenn ich mir den Gesetzentwurf des Abgeordneten Dr. Weber ({2}) aus der vergangenen Legislaturperiode ansehe. Hier drückt z. B. ein Katalog, der die Schadensgruppen von 1 bis 5 umfaßt, aus, daß die erste Schadensgruppe bis zu 50 000 DM - natürliche und juristische Personen - zu 100 % abgefunden werden soll und daß Schäden über 15 Millionen DM immerhin noch mit 20 % abgefunden werden sollen. Daneben soll eine Verzinsung mit 4 % - wenn ich es recht im Kopf habe - vom 5. Mai 1955 an erfolgen.
Ich glaube, daß das doch in die Nähe - ich möchte hier nicht das Wort des Staatsbankrotts gebrauchen - einer Finanzkrise führen könnte, die wir weiß Gott nicht verantworten können. Der Ge7752
setzentwurf sieht vor, daß die Verzinsung der Schäden ab 1. Januar 1968 erfolgen soll. Die Bundesregierung hat sich hier der Stellungnahme des Bundesrates angeschlossen. Die Verzinsung soll vierteljährlich 1 % - also 4 % jährlich - betragen. Das klingt bedeutend realistischer. Wenn Schäden bis zu 4800 DM voll entschädigt werden sollen, so sind das sicherlich bescheidene Zahlen. Ich höre weiter, daß die Entschädigung in der Tabelle bei 214 750 DM Wiedergutmachung für 2 Millionen DM Schaden endet; was diesen Betrag überschreitet, soll mit 6,5% - also praktisch 6,50 DM für 100 DM - entschädigt werden. Man kann also wirklich nicht davon reden, daß hier fürstliche Entschädigungen gewährt werden. Außerdem werden natürlich Vorausleistungen - Darlehen, Existenzaufbaudarlehen usw. - von diesen Summen abgezogen.
Es ist vor allem bei denen, die sich mit der Materie schon in der vergangenen Legislaturperiode befaßt haben, nicht unbekannt, daß die Schadensfeststellung eine nicht unumstrittene Angelegenheit ist. Das ist wohl verständlich; denn vom System der Feststellung des Schadens hängt ja auch nachher die Höhe der Entschädigung ab. Wir werden sehr wohl zu überlegen, zu beraten haben, nach welchen Regelungen die Festsetzung der Einheitswerte nun erfolgen soll, um wenigstens von hier aus zu einem möglichst gerechten Ergebnis zu kommen.
Es ist bekannt, meine verehrten Damen und Herren, daß der verehrlichen Bundesregierung das Bundesgericht etwas im Genick sitzt, denn der Klagestopp, der in diesem Punkt eingeführt war, reicht bis zum 31. März 1968. Es kann gewiß keine Rede davon sein, daß die Regierung diesen Gesetzentwurf etwa zu früh eingereicht hat.
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Ich möchte auch keine Garantie dafür übernehmen, daß es dem Parlament und dem zuständigen Ausschuß möglich sein wird, bis zum 31. März 1968 diesen Gesetzentwurf in die zweite Lesung zu bringen. Ich glaube hier aber sagen zu können, daß wir uns im Ausschuß bemühen werden, saubere Arbeit zu leisten, und daß wir auch unsere Zeit so ökonomisch wie möglich darauf verwenden werden, dieses Gesetz einer schnellen Verabschiedung entgegenzuführen.
Die schlechtesten Nachwirkungen der Behandlung dieser Materie im 4. Deutschen Bundestag scheinen mir die Ressentiments zu sein, die dieses Gesetz, ausgehend vom 4. Deutschen Bundestag, in der deutschen Öffentlichkeit hervorgerufen hat, Ressentiments, die ich zu einem großen Teil als nicht berechtigt ansehen muß, die aber vielleicht auch das Gute hatten, daß sie den Inhalt des Gesetzes auf ein lesbares Maß zurückgeführt haben. Ich halte nichts davon, wenn man nun in einen edlen Wettstreit darüber eintritt, wer nun noch nicht, warum, wenn ich noch nicht, warum der schon usw. Man muß irgendwo anpacken. Es hat meiner Meinung nach wenig Sinn - nein, es ist sogar sinnlos -, Dinge zurückzustellen, die aus Gründen des Rechts getan werden müssen, weil anderes noch nicht restlos gelöst ist.
Die Schrecksekunde liegt weit hinter uns. Es wären - jedenfalls habe ich diese Befürchtung -allzu viele in unserem Volk bereit, Dinge, die noch nicht geregelt sind, ruhen, schlafen zu lassen, aus begangenem Unrecht über 20 Jahre nach der Schrecksekunde keine Konsequenzen zu ziehen. Einer solchen Praxis zu folgen, würde meiner Meinung nach nur bedeuten, unser Volk der Versuchung auszusetzen, zu glauben, daß begangenes Unrecht ja nicht so schwer wiegt, daß man letzten Endes doch die Konsequenzen dafür nicht zu tragen braucht, daß man nur danach trachten muß, einen großen zeitlichen Abstand davon zu gewinnen, und daß man dann um die Folgen herumkommt. Das ist das, was wir am allerwenigsten tun dürfen.
Ich verstehe, daß dieses Gesetz - der Minister hat es ja auch angesprochen - anderen Gruppen unseres Volkes Anlaß gibt, laut zu werden, Gruppen, die einigen Grund dazu haben, die auch nicht ohne weiteres mit der Formulierung einverstanden sein werden, daß mit diesem Gesetz ein Schlußstein gesetzt werden soll. Wenn ich diesen Schlußstein als Schlußstein in einem logischen Gedankenzusammenhang betrachte, dann mag 'das hingehen. Das kann aber nicht hingehen, wenn ich die Leistung als Maßstab für diesen Schlußstein nehme. Für mich ist dieser Schlußstein erst dann gelegt, wenn der letzte Pfennig bezahlt ist, der von uns begangenes und durch uns hervorgerufenes Unrecht begleicht.
Ich habe mit großem Interesse heute morgen die Mündliche Anfrage meines sehr verehrten Kollegen Weigl zur Kenntnis genommen:
Sieht die Bundesregierung einen Zusammenhang zwischen der Regulierung von Reparationsschäden und der Erbringung von Reparationsleistungen durch Millionen ehemaliger deutscher Kriegsgefangener?
Meines Wissens ist diese Frage durch die Bundesregierung noch nicht beantwortet worden. Diese Frage harrt einer Beantwortung, auf das Problem der Heimkehrer muß eine Antwort gegeben werden.
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Ich gestehe offen, daß man mit dieser Personengruppe etwas allzu leichtfertig umgesprungen ist.
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Schon bei anderen Gelegenheiten habe ich gesagt - ich sehe hier keine Fraktion, keine bestimmten Personen an -, daß man doch etwas allzu leichtfertig mit Versprechungen umgegangen ist, die man nachher nicht zu realisieren vermochte und bis zur Stunde auch noch nicht realisiert hat.
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Ich sage das, meine Damen und Herren, nicht nur an Ihre Adresse, ich sage das auch an meine eigene Adresse.
Wir alle sollten über die ungelösten Fragen der Heimkehrer nachdenken. Wir alle werden dabei feststellen, daß es leichter ist, auch einmal auf Massenversammlungen zu widerstehen und nichts Nettes zu sagen, wenn wir wissen, daß wir später perMick
manent an Versprechungen erinnert werden, die nachher nicht gehalten werden können
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und die man doch .einmal honorieren muß. Dabei ist es völlig gleichgültig, ob man sagt, das habe ja keinen Rechtsgrund gehabt, das sei nicht verbindlich gewesen, das sei irgendwie eine Äußerung usw. gewesen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, für den einfachen Mann ist das, was ein Abgeordneter sagt, mehr als die Äußerung irgendeines Privatmannes. Ich persönlich bin der Meinung, daß dieses Parlament, aus dessen Mitte so viel zu den Forderungen der Heimkehrer gesagt worden ist, die Verpflichtung hat, diese Angelegenheit vom Tisch zu bringen, natürlich im Rahmen der Möglichkeiten, die uns hier bei Anspannung aller unserer Kräfte gesetzt sind.
Ich hielte es allerdings für schädlich, wenn man die Verabschiedung des Reparationsschädengesetzes zum Anlaß nähme, hier eine Gruppe gegen die andere auszuspielen. Es kann nicht heißen: hie Reparationsgeschädigte, hie Heimkehrer und hie Sowjetzonenflüchtlinge. Hier kann man nur das ganze Problem sehen, das .auch insgesamt angegangen werden muß. Daß ich in .diesem Zusammenhang froh darüber wäre, wenn wir in absehbarer Zeit das im Haushaltsausschuß liegengebliebene Altsparergesetz für Zonenflüchtlinge wieder flott bekämen, soll nur eine Erinnerung sein.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir wollen - da bin ich wohl mit dem ganzen Hause einig - dieses Gesetz so behandeln, daß es möglich wird. Wir wollen nicht wieder der Versuchung unterliegen, Unmögliches anzustreben; damit würden wir wieder Schiffbruch erleiden. Wir werden zügig an die Arbeit gehen, wie ich Ihnen schon sagte, aber auch mit der notwendigen Sorgfalt die von der Regierung vorgelegten Bestimmungen untersuchen. Dazu sind wir verpflichtet, weil eben hinter jeder Bestimmung lebendige Menschen stehen und zum Teil entsetzlich geschlagene Menschen.
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Das Wort hat Herr Abgeordneter Hirsch.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich kann mich erfreulicherweise sehr kurz fassen; denn der Herr Bundesfinanzminister und der verehrte Kollege Mick haben das Wesentliche zu dem Gesetz bereits gesagt, und es hat keinen Sinn, Wiederholungen zu bringen.
Eines ist ja merkwürdig mit diesem Gesetz - auch das ist eigentlich in der bisherigen Aussprache schon sehr deutlich geworden -: keiner freut sich eigentlich daran. Es gibt viele, die sehr ärgerlich über das Gesetz sind und meinen, das Geld, das man hier aufwendet, sollte man eigentlich ganz anderen Leuten geben. Vom Herzen her würde ich an sich auch meinen: wenn man das Geld für die Menschen ausgeben könnte, die im Verlauf des
Krieges und der Nachkriegszeit an ihrem Leben und an ihrer Gesundheit geschädigt worden sind, wäre es vielleicht besser angewendet. Aber was nutzt das! Wir sind festgelegt. Es handelt sich mit Sicherheit um ein Gesetz, das nicht freiwillig irgend jemand etwas gibt, sondern um ein Gesetz, das in Wirklichkeit gewisse Ansprüche, die sich aus normalem Recht ohne weiteres ergeben würden, einschränkt, abwägt, pauschaliert; um ein Gesetz also, das eigentlich dazu beiträgt, daß wir erheblich weniger zahlen müssen, als wir zu zahlen hätten, wenn es das Gesetz nicht gäbe. Gar kein Zweifel! Auf der anderen Seite freut sich auch keiner recht über das Gesetz, nicht einmal diejenigen, die etwa eine Milliarde oder mehr aus diesem Gesetz bekommen sollen; denn die sagen verständlicherweise: „Eigentlich hätten wir viel mehr zu beanspruchen."
Der Finanzminister freut sich natürlich schon gar nicht; denn 1,2 Milliarden DM sind eine Menge Geld, und er könnte es auch für andere Zwecke verwenden. Er hat ja einiges über die Zukunftsaufgaben gesagt.
Das macht also jede Überlegung über dieses Gesetz etwas unerfreulich, würde ich sagen, und dieser Komplex wird immer unerfreulich bleiben. Aber wir müssen das Gesetz schaffen. Ich muß es aber doch noch einmal sagen, das kann man sich ja bei dieser Materie nicht verkneifen, Herr Mick hat es auch schon angedeutet: Dieses Haus wäre gut beraten gewesen, wenn es die Regierungsvorlage aus dem Jahre 1964 so angenommen hätte, wie sie zuletzt von den zuständigen Ausschüssen gestaltet war. Dann hätten die Betreffenden mehr bekommen. Das hätte natürlich den Steuersäckel entsprechend belastet; aber wir bräuchten uns nicht heute noch, so viele Jahre nachdem das entstanden ist, mit dieser Materie zu befassen. Wenn die Betreffenden also das nicht bekommen, was sie damals bekommen sollten, dann verdanken sie das eben diesen sehr ehrenwerten Mitgliedern dieses Hauses - nebenbei gesagt, ein Sozialdemokrat war nicht dabei -, die aus formaljuristischen Überlegungen gemeint hatten, Juristerei zu Tode hetzen zu müssen, und nicht erkannt haben, daß es eben Grenzen der Juristerei gibt, die mindestens in den Grenzen der Zahlungsfähigkeit des Schuldners, in diesem Falle der Zahlungsfähigkeit der Bundesrepublik, begründet sind. Ich erinnere mich noch sehr deutlich an die ausgezeichnete Rede, die der Kollege Windelen damals, vor ziemlich genau vier Jahren, zu diesem Thema hier gehalten hat. Er hat damals das Erforderliche gesagt. Aber es war ja so, daß die betreffenden über hundert Kollegen in diesem Hause es nicht glauben wollten, daß sie etwas Unmögliches begehrten, und daß sie damals geglaubt hatten, man müsse die Verabschiedung des Gesetzes im Rechtsausschuß verhindern, in der Hoffnung, daß man vielleicht in einem neuen Bundestag mehr bekommen würde. Das Ergebnis ist jetzt dieses Gesetz, in dem es eben noch weniger geworden ist, und ich sehe gar keine Chancen, etwa bei der Beratung des Gesetzes zu höheren Entschädigungen auf diesem Gebiet zu kommen. Wir sind insofern an die mittelfristige Finanzplanung gebunden und werden über ihre Grenzen nicht hinweg7754
kommen. Das ist ein bedauernswertes Ergebnis. Aber diejenigen, die damit in vielfacher Hinsicht benachteiligt sind, sollen sich bei denjenigen beklagen, die sie damals auf einen falschen Weg führen wollten.
Natürlich kann man bei den unzähligen Einzelheiten dieser schwierigen Gesetzesvorlage Wünsche anbringen, Akzente setzen usw., und ich meine, es ist einiges an der Regierungsvorlage verbesserungsbedürftig. Das kann aber nur in einer Verschiebung mancher Akzente in dem Gesetz bestehen. Darüber brauchen wir im einzelnen hier nicht zu reden, das ist die Aufgabe des Ausschusses. Aber vielleicht ein paar Anmerkungen in dieser Hinsicht!
Zunächst eine Anmerkung, was das finanzielle Volumen anbetrifft. Ich habe ja bereits gesagt, man wird es kaum überschreiten können. Es wäre aber gut, Herr Bundesfinanzminister, wenn im Rahmen der Ausschußberatungen einmal geklärt werden könnte, wieviel eigentlich die Bundesrepublik Deutschland oder richtiger gesagt der Lastenausgleichsfonds inzwischen dadurch gespart hat, daß von den gesperrten deutschen Vermögen in Amerika auf dem Umweg über das amerikanische Entschädigungsgesetz indirekt Gelder wieder in die Kasse des Lastenausgleichsfonds geflossen sind und weiterhin fließen. Es ist doch so, daß die Amerikaner das Geld, das sie beschlagnahmt haben, im wesentlichen für die Bildung eines Fonds verwandt haben, aus dem sie Kriegsentschädigung für Amerikaner zahlen, die in Europa Vermögensverluste gehabt haben, u. a. auch an deutsche Verfolgte. Diese Zahlungen, die sie aus dem amerikanischen Fonds bekommen, werden ihnen auf ihre Lastenausgleichsansprüche angerechnet, so daß indirekt über diese Ersparnisse - das muß einmal, glaube ich, sehr genau geklärt werden - doch wieder in den Lastenausgleichsfonds aus diesen beschlagnahmten deutschen Konten in Amerika Mittel hereinkommen. Darüber wird man im Augenblick sehr schwer zahlenmäßige Feststellungen treffen können, weil das alles noch im Gange ist; aber man muß es bei den finanziellen Überlegungen irgendwie mit ins Kalkül ziehen und darf nicht einfach meinen, diese Gelder in Amerika seien völlig weg. Auf dem Wege dieser indirekten Verrechnung sind sie uns doch wieder indirekt zugute gekommen.
Zum zweiten meine ich, daß es bei Wahrung des Volumens des Gesetzes vielleicht doch die Möglichkeit gibt, ein etwas sozialeres Ergebnis zu erreichen. Man wird prüfen müssen, ob es nicht einige Punkte in dem Gesetz gibt, wo man tatsächlich noch sparen kann, wo tatsächlich die Vorlage der Regierung etwas zuviel gewähren will. Andeutungsweise: Ich meine, daß in dem Kapitel der Rückerstattungsgeschädigten einige Luft sein könnte. Wir sollten uns darüber einig sein, daß im Grundsatz jemand, der in jenen Jahren von einem Juden etwas erworben hat, hätte wissen müssen, daß das kein reeller und anständiger Erwerb war, daß er hätte wissen müssen, daß das im allgemeinen - alle Ausnahmen bestätigen auch da wieder nur die Regel - Vermögenswerte waren, die nur unter Druck oder wenigstens unter dem allgemeinen Druck der damaligen Verfolgungssituation erworben werden konnten. Es
waren also Vermögenstransaktionen, die von vornherein für jeden denkenden und anständigen Menschen mit einem Zweifel behaftet waren. Oder anders ausgedrückt: jeder hätte wissen müssen, daß ein solches Geschäft mit Risiko verbunden ist. Es ist daher nicht unbedingt einzusehen, daß der Staat jetzt in einem so weitgehenden Umfange, wie das die Regierungsvorlage vorsieht, dieses Risiko abdecken will. Jeder von uns, der die Materie kennt, weiß aber, daß es auf der anderen Seite tatsächlich Fälle gibt, in denen über die sogenannte Arisierung und nachher die Rückerstattung schweres Unrecht geschaffen worden ist, das man in etwa; wenn auch in beschränkterem Maße, als hier allgemein gemeint, entschädigen muß.
Da ist nun aber wieder etwas Merkwürdiges. Im Rahmen des gesamten Rückerstattungsrechts der Alliierten konnte jedermann, der verpflichtet war, dem Verfolgten etwas zurückzugeben, der es aber nicht von dem Verfolgten direkt, sondern aus zweiter Hand erworben hatte, sich voll und ganz an den Zweiterwerber - wenn er der Dritterwerber war -halten. Hat aber jemand vom Staat ein arisiertes Grundstück oder dergleichen erworben, hatte er bisher kein Rückgriffsrecht. Ich vermag es nicht einzusehen, warum Leute, die zum Teil gar nicht wissen konnten, daß das ein illegaler Erwerb war - woher sollten sie es manchmal wissen in der Großstadt? -, auch nur die beschränkte Entschädigung bekommen sollen, obgleich in ihrem Fall der Staat nach normalen Gesetzen voll schadensersatzpflichtig wäre. Haben die Betreffenden von einem Privatmann erworben, haben sie vollen Ersatz bekommen. Haben sie vom Staat erworben, bekommen sie nur diese beschränkte Entschädigung. Ich möchte das hier doch bemerken, weil ich das für ungerecht halte.
Genauso wird man im Ausschuß darüber reden müssen, ob die Entschädigung, die hier für das berühmte Sonderproblem der Traktateigentümer vorgesehen ist, gerecht ist. Wer das nicht wissen sollte: Es ist ein Problem der holländisch-deutschen Grenzbevölkerung, wo gewisse Grundstücke nach Kriegsende beschlagnahmt und von den Holländern enteignet worden sind. Im weiteren Gang der Dinge ist ein Teil dieser Grundstücke dann zurückgegeben worden. Ein Teil ist zurückgekauft worden. Was jetzt noch als Rest bleibt, soll wiederum mit dieser Quote entschädigt werden. Auch das erscheint mir nicht sonderlich gerecht. Es ist vielleicht eine wenige Leute betreffende Einzelfrage. Aber man sollte versuchen, im Rahmen dieses Gesetzes doch für etwas mehr Gerechtigkeit in Einzelfragen zu sorgen.
Zum dritten möchte ich darauf hinweisen, daß es eine Personengruppe gibt, die nach den Beratungen dieses Gesetzes in der letzten Legislaturperiode nicht nur hinsichtlich des finanziellen Volumens, sondern auch hinsichtlich der Einzelregelung ganz erheblich besser und gezielter bedient worden wäre. Das sind diejenigen, die mehr oder weniger nur aus technischen Gründen ihre Entschädigung nicht aus dem Lastenausgleichsgesetz bekommen, sondern aus diesem Gesetz, mit .anderen Worten, eine bestimmte Gruppe von Vertriebenen, die nicht in den formellen Rahmen des Lastenausgleichs gebracht werden konnHirsch
ten, deren Situation aber haargenau die gleiche wie die der Lastenausgleichsberechtigten ist und die jetzt eine Entschädigung über das Reparationsschädengesetz bekommen sollen. Im letzten Bundestag hat der zuständige Ausschuß - der Lastenausgleichsausschuß war es wohl - dafür gesorgt, daß dieser Personengruppe wie ihren völlig gleichgelagerten Leidensgenossen, die qua Lastenausgleichsrecht befriedigt werden, Renten, Hausratsentschädigung, Ausbildungshilfen und Aufbaudarlehen gewährt worden wären. Man sollte noch einmal sorgfältig prüfen, ob man diese Ungerechtigkeit, daß das jetzt wieder wegfallen soll, nicht beseitigen kann, indem man die Mittel innerhalb des Gesamtvolumens etwas besser und etwas gerechter verteilt.
Es geht dabei - darauf möchte ich hinweisen - im wesentlichen um alte Menschen, die dieses Geld dringend brauchen würden, um einigermaßen menschenwürdig leben zu können, und bestimmt nicht um die Bereicherung von Großkopfeten, die auf diese Weise noch ein paar Mark mehr in ihren großen Sack bekommen würden. Ich bin sicher, daß der zuständige Ausschuß - Herr Mick, wir verstehen uns da wohl - stark in diese Richtung hin beraten wird. Ich würde es sehr begrüßen, wenn da eine Lösung gefunden werden könnte.
Es gibt noch eine Menge Einzelprobleme, die merkwürdig geregelt sind, etwa das Problem der sogenannten volksdeutschen Vertriebenen und das Problem der Leute, die einmal in Österreich waren. Das ist ein perfektioniertes Rankenwerk, das man vielleicht auch noch etwas durchforsten könnte.
Endlich muß in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen werden, daß natürlich manche Fragen dieses Gesetzes in einem sehr starken Zusammenhang mit dem noch nicht gelösten Problem des Leistungsgesetzes für unsere mitteldeutschen Flüchtlinge stehen. Hier ist es wiederum so, daß viele von ihnen an sich etwas aus dem Reparationsschädengesetz bekommen müßten, aber, weil ihre Vermögensverluste in Mitteldeutschland eingetreten sind, nach einer Ausnahmebestimmung doch nichts kriegen. Daher sollte man eigentlich bei dem Reparationsschädengesetz, Herr Minister, nicht von einem Schlußstein sprechen. Im Grundsatz bin ich durchaus der Meinung, man muß da bald einmal den Schlußstein hinsetzen. Aber er ist noch nicht gesetzt, solange dieses Gebiet Mitteldeutschland offensteht und damit eben noch eine große Lücke in dem Gebäude vorhanden ist, durch die der Wind pustet und so lange pusten wird, bis man auch für die Flüchtlinge aus der Sowjetzone etwas getan hat. Das wiederum hängt in vieler Hinsicht mit diesem Gesetz zusammen. Ich kann mir vorstellen, daß sich manche unserer mitteldeutschen Freunde wundern müssen, wenn sie feststellen, daß für sie wiederum Ausschlußbestimmungen vorgesehen sind, durch die ihnen das genommen wird, was Leuten in genau derselben Situation, die vielleicht neben ihnen wohnen und die sie gut kennen, gegeben wird.
Nun hoffe ich ja nach all dem, was man weiß, daß das Leistungsgesetz für die Mitteldeutschen demnächst kommen wird, und zwar auf eine Weise, durch die der Bundeshaushalt nicht belastet wird. Ich möchte aber auch in diesem Zusammenhang auf die ersparten Gelder - Lastenausgleich qua Enteignung in Amerika - hinweisen, die man unter Umständen für die Befriedigung der Mitteldeutschen hinzurechnen müßte, um auf diese Weise vielleicht doch einen Weg zu finden, auch das finanzielle Volumen im Lastenausgleich etwas besser und etwas gerechter zu berechnen.
Es gäbe noch eine Unzahl anderer Dinge, über die man im Ausschuß reden müßte. Es hat keinen Zweck, sie jetzt zu erörtern. Ich wollte durch die Beispiele eigentlich nur klarmachen, wie schwierig das alles ist, wie wenig befriedigend es sein muß und wie dringend notwendig es ist, diese Fragen endlich zu lösen.
Es wäre - das hat der Herr Minister bereits angedeutet - natürlich unendlich viel besser gewesen, wenn der Gesetzgeber nach dem Kriege, als er sich an die Regelung der Kriegs- und Nachkriegsschäden und an die Regelung der Verfolgungsschäden heranmachen mußte, das alles in einem Gesetz gemacht hätte. Wenn wir es heute machen könnten, würden wir es natürlich erheblich besser machen. Aber der Herr Minister hat mit Recht gesagt: Nachher ist man immer klüger, und in dem Stadium, als man das beraten mußte, konnte man das alles noch nicht übersehen und nicht wissen. Man mußte eine gewisse Rangfolge innehalten, weil man nicht alle auf einmal befriedigen konnte, weil dafür die finanziellen Mittel nie da sein konnten.
Der Jammer ist eben, daß wir zwar gemäß den sehr eindrucksvollen Zahlen des Herrn Ministers auf diesem Gebiet fürwahr eine einmalige Leistung, eine stattliche Leistung, erbracht haben, daß jedoch, weil die Gewichte innerhalb dieser Gesamtleistung zum Teil nicht ganz richtig gesetzt worden sind, weil manche viel zuviel, andere zu wenig und manche gar nichts bekommen, von denjenigen, die eigentlich durch dieses Gesamtwerk zu ihrem Recht kommen sollten, so gut wie keiner bereit ist, zuzugeben, daß das eine große Leistung war, so daß es eigentlich im Gesamtergebnis nach wie vor mehr Unzufriedene als Zufriedene gibt. Das werden wir nicht ändern können. Aber es ist ein bedauerliches Ergebnis trotz dieser - das möchte ich noch einmal sagen - ungeheuren Leistung unseres Volkes, auf die es auch einmal stolz sein darf und die, glaube ich, nichts Vergleichbares in der Welt aufzuweisen hat. Man war eben doch bereit, denjenigen, die aus dem großen Schlamassel mit größeren Opfern hervorgegangen waren, einen gewissen Ausgleich auf Kosten all der anderen selbstverständlich zu geben, die mehr aus dem Schlamassel gerettet hatten.
Wie gesagt, bedauerlich ist nur, daß dieser Ausgleich im ganzen nicht so gerecht ist, wie er hätte sein können. Aber was nutzt es? Wir werden nicht mehr in der Lage sein, all diese Mängel im einzelnen zu bereinigen, sondern wir können nur versuchen, an eine gerechte Lösung heranzukommen. Ich hoffe, daß die Beratung auch dieses Gesetzes zu etwas mehr ,Gerechtigkeit auf diesem Gebiet führt. Ich möchte ferner hoffen, ,daß auch die Aus7756
zahlung der sich .aus dem Gesetz ergebenden Leistungen so schnell wie möglich erfolgen kann. Hier gibt es ja noch ein großes Fragezeichen hinsichtlich der Auszahlungsbestimmungen: „nach Maßgabe der Möglichkeiten des Haushalts". Wollen 'wir hoffen, daß der Haushaltsausschuß in keinem Jahr sagen muß: Wir haben keine Möglichkeit dazu. Dann würden wir nämlich jetzt unter Umständen Leistungen beschließen, die praktisch nicht erbracht würden, und 'das würde uns unglaubwürdig machen. Denn wir müssen daran 'denken, daß der größte Teil derjenigen, die nach diesem Gesetz etwas bekommen sollen, nicht gerade zu den Jüngsten gehört. Wir müßten ja doch eigentlich erreichen, daß die Geschädigten das Geld bekommen und nicht ihre Erben. Denn es ist nicht für die Erben bestimmt, sondern für diejenigen, die tatsächlich vor über zwanzig Jahren Opfer für unser Volk gebracht haben. Also: wir müssen schnell beraten und müssen dafür sorgen, daß diejenigen, die auf Grund des Ergebnisses oder Beratungen dann etwas bekommen, es auch so schnell wie irgend denkbar bekommen, damit verhindert wird, daß die Erben die Nutznießer sind. Wenn man zynisch ist, muß man natürlich, wenn man sich mit diesem Gesetz befaßt, eigentlich doch sagen: Den Letzten beißen die Hunde!
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Das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. Diemer-Nicolaus.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kollegen und Kolleginnen! Es gibt Gesetzesvorlagen, die einen im Bundestag immer wieder verfolgen. Eines dieser Gesetze ist nun einmal das jetzt vorliegende. Ich bin jetzt elf Jahre im Bundestag und erinnere mich noch sehr gut, wie ich gleich zu Anfang der dritten Legislaturperiode interfraktionelle Besprechungen mit Vertretern des Finanzministeriums - ich darf übrigens daran erinnern: damals waren wir auch in der Opposition - und mit entsprechenden Verbänden, Organisationen geführt habe, die, was Herr Dahlgrün in der letzten Legislaturperiode bei der Einbringung des Gesetzentwurfs ausdrücklich anerkannt hat, für die Regelung dieser Verpflichtungen wertvolle Hilfe geleistet haben. Ich möchte Ihnen jetzt keinen historischen Rückblick geben, seit wann - von Anfang an - und in welchem Umfang sich die FDP dafür eingesetzt hat, daß dieses Problem so schnell wie möglich erledigt wird, und zwar schon gleich nachdem die völkerrechtlichen Verpflichtungen im Jahre 1951 übernommen worden sind.
Herr Kollege Hirsch, ich gebe Ihnen durchaus recht, es ist ein unerfreuliches Gesetz, und Sie haben auch durchaus recht, wenn Sie geschlossen haben: „Den Letzten beißen die Hunde!" Das ist tatsächlich so. Es ist deswegen so unerfreulich, weil im Zusammenhang mit der Wiedererlangung unserer Souveränitätsrechte Verpflichtungen übernommen wurden, die bis heute noch unerledigt geblieben sind. Und es ist unerfreulich, weil sich in der Zwischenzeit leider unsere finanzielle Situation
nicht verbessert hat und weil vielfach Verpflichtungen übernommen worden sind, für die nicht eine derartige rechtliche Verpflichtung bestand wie nun einmal bei der Entschädigung der hier angesprochenen Personengruppen. Es zeigt sich das eine: je länger Sie Probleme vor sich herschieben, die einmal gelöst werden müssen, desto schwieriger wird es. Die Zeit erleichtert nicht die Lösung, sondern die Zeit erschwert sie.
Ich will nicht auf die gesamte Problematik eingehen, und, Herr Kollege Hirsch, ich will jetzt auch nicht auf Ihre Vorwürfe darüber eingehen, daß in der letzten Legislaturperiode eine Reihe von Abgeordneten, zu denen auch ich gezählt habe, eine andere Lösung als die der damaligen Regierungsvorlage als Rechtens angesehen hat. Ganz so einfach, wie man aus den wenigen Worten, Herr Bundesfinanzminister, die Sie zu den rechtlichen Problemen geäußert haben, schließen könnte, wird die Beratung nicht verlaufen. Ich glaube, wir sind uns darin einig, daß ein Gesetz gefunden werden muß, das auch einer Nachprüfung durch das Bundesverfassungsgericht standhält. Geht man davon aus, dann kann man auch nicht an den Ausführungen vorbeigehen, die seinerzeit der Herr Kollege Wahl, der ein anerkannter Rechtswissenschaftler ist, auch auf internationalem Gebiet, zu der völkerrechtlichen Situation gemacht hat. Man kann nicht an dem vorbeigehen, was die Bundesregierung seinerzeit in ihren Stellungnahmen gegenüber dem Bundesverfassungsgericht gesagt hat. Man kann nicht an dem vorbeigehen, was schon höchstrichterliche Rechtsprechung geworden ist, und daran, welche Grundsätze insofern verkündet worden sind.
Herr Bundesfinanzminister, Sie haben im Zusammenhang mit der Frage, was beim Lastenausgleichsgesetz für die juristischen Personen Rechtens sei, das Bundesverwaltungsgericht angezogen. Wenn Sie das nicht getan hätten, hätte ich hier eine Entscheidung nicht zitiert. Jetzt muß ich das tun. Es ist eine Entscheidung, die sich nicht mit der Frage, wieweit juristische Personen durch das Lastenausgleichsgesetz ausgeschlossen werden können, befaßt, sondern mit der Personengruppe, um die es hier geht. Das ist die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 20. Juni 1956, in der folgende Ausführungen enthalten sind:
Dem von einer Requisition Betroffenen steht kraft Bundesgewohnheitsrecht ein Aufopferungsanspruch besonderer Art zu, der auf eine angemesse Entschädigung gerichtet ist.
... Angemesesn ist in der Regel nur Entschädigung, die dem Grundsatz gerecht wird, daß Besatzungslasten von allen Bürgern der Bundesrepublik im Rahmen des Möglichen gleichmäßig zu tragen sind. Der unmittelbar von Maßnahmen der Besatzungsmacht Betroffene muß seinen materiellen Schaden so ersetzt erhalten, daß er gegenüber dem nicht unmittelbar betroffenen Bürger weder eine materielle Einbuße erleidet noch einen materiellen Vorteil erwirbt.
Daran kann man bei dem Problem der juristischen Personen nicht vorbeigehen.
Als die Bundesregierung völkerrechtliche Verträge unterzeichnete, um Souveränitätsrechte zurückzuerhalten, wurde der Überleitungsvertrag geschlossen. Die Bundesregierung hat sich damals bei diesen Verrtagsverhandlungen mit Recht geweigert, anzuerkennen, daß der Griff der Alliierten auf privates deutsches Vermögen im Ausland und auch in Deutschland während des Krieges und nach dem Kriege dem Völkerrecht entsprochen hat. Man darf doch diese politische Situation nicht übersehen. Ich muß sagen: dieser Rückgriff entgegen den völkerrechtlichen Grundsätzen auf privates Vermögen hat dem Völkerrecht nicht gedient; er hat nicht dazu gedient, heute die Sicherheit zu geben, die doch eigentlich wieder nötig ist, wenn nicht nur von Deutschen, sondern auch von jemandem in einem anderen Land der Welt privates Vermögen investiert wird. Die Sicherheitsgarantie für privates Eigentum sollte im Völkerrecht wieder als selbstverständlich erachtet werden. Damals ist das leider nicht der Fall gewesen.
Zur Problematik will ich nur noch einmal anführen: die Alliierten, die durch das Völkerrecht verpflichtet gewesen wären, eine Entschädigung für das beschlagnahmte und liquidierte private deutsche Vermögen zu leisten, haben damals gefordert, daß die Bundesregierung diese Verpflichtung übernimmt. Die Divergenz bei den Verhandlungen war, daß die Alliierten entsprechend ihren Grundsätzen eine Übernahme der Entschädigungen mit 100 %_ forderten, während die Bundesregierung seinerzeit gesagt hat: Unsere Entschädigungsbestimmungen sind in Art. 14 des Grundgesetzes verankert, und das be- deutet nicht immer eine hundertprozentige Entschä digung, sondern eine angemessene Entschädigung. Was jetzt als eine angemessene Entschädigung zu betrachten ist, wird auch bei diesem Gesetz die Frage sein.
In Art. 5 des Sechsten Teils des Überleitungsvertrages heißt es - der Herr Kollege Scheel hat darauf schon in der 71. Sitzung des Bundestages im Jahre 1955 ausdrücklich hingewiesen -:
Die Bundesrepublik wird Vorsorge treffen, daß die früheren Eigentümer der Werte, die auf Grund der in Artikel 2 und 3 dieses Teiles bezeichneten Maßnahmen beschlagnahmt worden sind, entschädigt werden.
Ich darf in diesem Zusammenhang auf Art. 19 unseres Grundgesetzes verweisen, der auch den juristischen Personen die Grundrechte - auch Art. 14 - gewährt. Das ist nun einmal der Unterschied in der rechtlichen, auch der völkerrechtlichen Situation bei den Reparationsgeschädigten.
Noch ein Wort zu der Frage, ob man die juristischen Personen überhaupt restlos ausschließen soll. Bei dem Wort „juristische Personen" wird meistens gleich an Großkapitalismus gedacht. Das ist aber doch gar nicht der Fall. Ich denke nur an die frühere französisch besetzte Zone. In Baden-Württemberg wurde z. B. während des Krieges während eines Urlaubs eine Erbengemeinschaft in eine juristische Person umgewandelt. Familienunternehmen sind dort - je nachdem - Personengesellschaften oder juristische Personen. Man kann nicht rein von der Gesellschaftsform herleiten, wer vom Gesetz erfaßt werden soll und wer nicht. Aus den Aufstellungen geht hervor, daß es sich vielfach nicht um Großkapitalisten, sondern um kleinere und mittlere Personenunternehmen handelt. Wenn sonst vom Mittelstand gesprochen wird, herrscht hier im Hause immer Einigkeit. Denken Sie daran, daß gerade auch die mittelständische Industrie, das mittelständische Gewerbe teilweise sehr hart betroffen worden ist, gerade auch noch nach dem Kriege durch Demontage usw. Wir müssen daher überlegen, wie wir zu einer anderen Abgrenzung kommen können, als es jetzt mit dem volkkommenen Ausschluß der juristischen Personen der Fall ist.
Es wurde gesagt, Entschädigungen könnten nur noch nach Lastenausgleichsgrundsätzen geleistet werden. Da muß es überraschen, daß in dem Regierungsentwurf sogar noch Schlechterstellungen im Vergleich zu den bisherigen Lastenausgleichsberechtigten erfolgen. Das ist es, was Herr Kollege Hirsch gesagt hat: Die Letzten beißen die Hunde. Das sind die Personen, die noch gar nichts bekommen haben und deren Ansprüche jetzt gegebenenfalls verzinst werden müssen. Hier ist die Verzinsung wesentlich schlechter als bei den übrigen Lastenausgleichsberechtigten. Wenn man also gleichstellen will, muß man die Konsequenz ziehen und auch in diesem Punkte gleichziehen. Das gilt nicht nur bezüglich der Zinsen, das gilt genauso für den Endtermin. Man kann nicht auf der einen Seite einen Endtermin festsetzen und auf der anderen Seite nicht.
Der Herr Bundesfinanzminister hat auf die außerordentlich hohen Entschädigungen hingewiesen, die bereits gezahlt worden sind: bisher insgesamt 400 Milliarden DM, in Zukunft noch 200 Milliarden DM. Demgegenüber handelt es sich bei den Verpflichtungen nach der Regierungsvorlage nur um 1,2 Milliarden DM. Es muß jedoch dem Art. 3 des Grundgesetzes, dem Gebot der Gleichbehandlung, in einer besseren Weise Rechnung getragen werden.
Ohne daß ich die Probleme vertiefen will, muß ich auch noch eine Gleichbehandlung in anderer Hinsicht erörtern. Im Anschluß an den Überleitungsvertrag hat die Bundesrepublik Verträge mit neutralen Staaten abgeschlossen, z. B. mit der Schweiz. Auch dort mußte das deutsche Auslandsvermögen beschlagnahmt werden, und dafür ist in dem Vertrag eine Regelung getroffen worden. Ob man insofern allerdings eine volle Gleichziehung erreichen kann, bezweifle ich bei der heutigen Vermögenslage. Man kann aber die Fälle nicht so unterschiedlich regeln, wie es die Regierungsvorlage vorsieht.
Herr Kollege Hirsch hat weiter auf die Traktatgrundstücke im Zusammenhang mit diem Vertrag mit den Niederlanden hingewiesen. Daran habe auch ich gedacht. Hier zeigt sich nämlich, wie sich die Zeit auswirkt, je nachdem, wann diese Beschlagnahmen erfolgten und wann das Vermögen geopfert werden mußte.
Mit all den anderen Einzelproblemen, auf die Herr Kollege Hirsch eingegangen ist, will ich mich jetzt nicht weiter befassen. Soweit es sich um Rückerstattungsgeschädigte handelt - das weiß jeder,
der mit diesen Fragen zu tun hat -, waren die Verhältnisse außerordentlich unterschiedlich gelagert. Das Gesetz gibt schon nur dann einen Anspruch, wenn es sich um eine sogenannte loyale Rückerstattung handelt. Es ist aber nicht richtig, daß alle Verkäufe immer gleich mit einem Risiko belastet waren. Ich kenne aus meiner eigenen Praxis Fälle, wo sich der Verkauf zwischen jüdischen und nichtjüdischen Freunden abgespielt hat. Die jüdischen Freunde haben damals ihren Freund, der nichtjüdisch ist, gebeten, ihr Haus zu erwerben, damit sie mit diesem Geld die Möglichkeit hatten, aus Deutschland auszuwandern. Ich habe diese Verhältnisse damals natürlich bedauert und bedaure auch heute, daß so etwas überhaupt einmal in Deutschland möglich war. Es wird unsere Aufgabe sein, in den Fachausschüssen zu überlegen, wie man zu möglichst gerechten Lösungen kommen kann.
Zum Schluß noch etwas anderes: Herr Bundesfinanzminister, ich habe es bedauert, daß Sie im Zusammenhang mit diesem Gesetz auf die Radikalisierung zu sprechen gekommen sind. Dieses Gesetz gibt keinen Anlaß dazu, die Gefahr einer Radikalisierung aufzuzeigen.
Ganz so einfach, wie Sie es sich vorstellten, als Sie sagten, mit diesem Gesetz müsse jetzt der Schlußstein gesetzt werden, ist es nicht. Die Vorredner haben schon auf andere Gruppen hingewiesen, und ich glaube, daß die Probleme der Heimkehrer, der Kriegsgefangenen und der Zonenflüchtlinge doch so schwerwiegend sind, daß man sie nicht mit einem Satz abtun kann, indem man sagt, damit müsse jetzt der Schlußstein für immer und für ewige Zeiten gesetzt sein. Diese Probleme erfordern vielmehr eine eingehende besondere Erörterung.
Wir als Freie Demokraten sind daran interessiert und wünschen, daß das Gesetz noch in dieser Legislaturperiode verabschiedet wird. Wir werden uns sehr loyal und sehr intensiv an den Ausschußberatungen beteiligen. Wir sind auch damit einverstanden, daß der Kriegsfolgenausschuß dafür federführend ist. Wir halten es aber für notwendig, daß mit dem Gesetz nicht nur der Rechtsausschuß befaßt wird - die juristische Prüfung muß nun einmal erfolgen , sondern wir halten es für notwendig, daß sich auch der Wirtschaftsausschuß mit dieser Materie befaßt; denn hier stehen doch auch erhebliche wirtschaftliche Probleme mit zur Diskussion.
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Das Wort hat der Abgeordnete Büttner.
büttner ({0}) : Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Parlamentarische Beirat des Heimkehrerverbandes hat sich in der vergangenen Woche mit dem Reparationsschädengesetz befaßt. Ich darf feststellen, daß die Mitglieder des Parlamentarischen Beirats, die sich aus allen Fraktionen rekrutieren, der Meinung waren, daß entstandener Sachschaden repariert werden muß, und zwar so gut wie möglich und soweit es finanziell möglich ist. Die Beiratsmitglieder waren aber auch der Meinung, daß, wenn diese Entschädigung für Sachschaden juristisch begründet wird oder begründet werden kann, dieser Entschädigung die Abgeltung solcher Schäden voranzugehen hat, die an Personen entstanden sind, die oft durch eine mehrjährige Kriegsgefangenschaft, durch menschenunwürdige Unterbringung, durch Freiheitsentzug, durch mangelhafte Ernährung körperliche und seelische Qualen erlitten haben. Dieser Schaden müßte zum Teil bevorzugt wiedergutgemacht werden. Dabei ist hin-. sichtlich der Kriegsgefangenenentschädigung zu bemerken, daß es sich gar nicht um eine Entschädigung, sondern höchstens um eine Anerkennungsgebühr für durchgestandenes Leid handeln könnte.
Bei diesem Gesetz ist von unterschiedlichen Zahlen gesprochen worden. Einmal wurden 2 Milliarden DM, zum anderen wurden 1,3 Milliarden DM genannt. Wenn ich 1,3 Milliarden DM zugrunde lege, so ist das genau der Betrag, auf den die Heimkehrer aus der Gefangenschaft einen berechtigten Anspruch zu haben glaubten. Diesen Betrag von 1,25 Milliarden DM haben die Heimkehrer auf 250 Millionen DM reduziert, verteilt auf fünf Jahre.
Die Heimkehrer haben gerade bei der Beratung der mittelfristigen Finanzplanung erkannt, daß es um die Staatsfinanzen nicht so gut bestellt ist. Sie haben gesagt: Wir sind bereit, auf vier Fünftel unserer berechtigten Ansprüche zu verzichten, um die Sicherheit des Arbeitsplatzes und die Stabilität der Mark zu garantieren, weil es auch uns selber zugute kommt, wenn der Arbeitsplatz gesichert und die Mark stabil gehalten wird. Aber ganz zu verzichten sind die Heimkehrer nicht bereit und können sie nicht bereit sein. Deshalb scheint ihnen gerade die Beratung dieses Gesetzes jetzt der geeignete Zeitpunkt zu sein, ihre Ansprüche in die Erinnerung zurückzubringen und durch mich - es werden aber auch noch andere Kollegen dazu sprechen - sagen zu lassen: Bei dem, was war erlebt haben, bei den Schäden, die unsere Kameraden an der Gesundheit erlitten haben, haben wir einen Anspruch darauf, berücksichtigt zu werden.
Wir machen das - um auf das zu sprechen zu kommen, was Herr Kollege Mick hier vorgetragen hat - aber nicht zur Conditio sine qua non oder auf Biegen und Brechen. Gewalt liegt den Heimkehrern nicht; sie mußten ja die Gewalt über sich ergehen lassen, und deshalb wissen sie, was die Freiheit in einer Demokratie bedeutet. Deshalb machen wir in unserem Verband Staatsbürgerkunde im besten Sinne des Wortes zum Schutze dieser Demokratie, weil wir nicht wollen, daß eine nachfolgende Generation noch einmal das erlebt, was wir erleben mußten. Bei dieser staatsbürgerlichen Einstellung der Heimkehrer glaube ich, zumindest für meine politischen Freunde, wahrscheinlich aber auch für alle Mitglieder des Parlamentarischen Beirats diesen Zeitpunkt und diese Gelegenheit der Beratung dieses Gesetzes benutzen zu dürfen, um noch einmal sehr deutlich an das zu erinnern, was die Vertreter aller Parteien schon jahrelang zu den Heimkehrern gesagt haben, daran zu erinnern, daß die Vertreter aller Parteien den Heimkehrern nicht nur in Dankbarkeit ihre staatsbürgerliche Haltung bescheinigt,
sondern auch versprochen haben: Sobald sich die Gelegenheit bietet, sind wir, die wir politische Verantwortung tragen, bereit, einen. Teil dessen, was ihr Heimkehrer ertragen mußtet, wiedergutzumachen. An dieses Versprechen möchte ich erinnern. Wir haben zu entscheiden zwischen juristisch begründeter oder juristisch angedrohter Sachentscheidung und dem Wert politischer Aussagen namhafter Politiker.
Ich möchte den Kollegen Mick als Vorsitzenden des zuständigen Ausschusses sehr herzlich und sehr dringend bitten, das Kriegsgefangenen-Entschädigungsgesetz in seinem Ausschuß auf die Tagesordnung zu setzen. Ich möchte ihn sehr herzlich bitten, in seinem Ausschuß darüber beraten zu lassen; denn ein solch schwieriger Fragenkomplex, ein solch heißes Eisen wird nicht dadurch kälter, daß man es weiter auf Eis liegen läßt. - Bitte schön!
Herr Kollege Büttner, ist Ihnen nicht bekannt, daß ein Kriegsgefangenen-Entschädigungsgesetz bzw. ein Entwurf dazu dem Ausschuß gar nicht vorliegt, der Ausschuß also über etwas, was nicht vorliegt, nicht beraten kann?
Herr Kollege Mick, dann muß ich zu meinem Bedauern sagen, daß ich einer Fehlinformation zum Opfer gefallen bin.
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Gestatten Sie eine zweite Zwischenfrage des Abgeordneten Mick?
Zu dem Zwischenruf darf ich vielleicht eine Bemerkung machen. Ich habe mich noch nie zu den Abgeordneten gezählt, die alles wissen. Einer, der alles weiß, ist nicht immer klug.
Herr Kollege Büttner, es ist Ihnen sicher entgangen, daß nur ein Antrag der FDP vorliegt, der die Regierung auffordert, einen entsprechenden Gesetzentwurf vorzulegen. Hier wird Ihnen eine Verwechslung passiert sein, für die ich übrigens volles Verständnis habe; das kann jedem passieren.
Herr Abgeordneter Mick, ich bitte, doch Fragen zu stellen und nicht Feststellungen zu treffen, selbst wenn sie so liebenswürdig sind.
Sehr geehrter Herr Kollege Mick, ich darf mich sehr herzlich für die Belehrung bedanken. Wenn die Zwischenfrage nicht gekommen wäre -
({0})
- Für die Aufklärung. Es ist egal, wie man es ausdrückt. Aber Herr Kollege Mick weiß, wie ich es gemeint habe.
Ich war vor der Zwischenfrage bereits am Ende meiner Ausführungen. Ich habe nur noch einmal die herzliche Bitte an die Kollegen aller Fraktionen, dieses Thema im Auge zu behalten. Ich freue mich, daß Heimkehrer in dieser Debatte erwähnt worden und anscheinend noch nicht vergessen sind. Ich meine, es sollte unsere gemeinsame Aufgabe sein, den Heimkehrern zu ihrem Recht zu verhelfen.
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Das Wort hat der Abgeordnete Josten.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Kollege Büttner erwähnte gerade, daß das Problem der Heimkehrer heute hier angesprochen wurde. Um so mehr ist es eigentlich zu bedauern, daß Herr Finanzminister Strauß bei unserer ersten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Abgeltung von Reparations-, Restitutions-, Zerstörungs- und Rückerstattungsschäden nicht das Problem der Heimkehrerentschädigung angeschnitten hat. Jedenfalls wären wir sehr dankbar, wenn in diesem Fall auch von unserem zuständigen Finanzminister heute ein Wort gesagt würde.
Wir sind ein Rechtsstaat und müssen dazu beitragen, daß unsere junge Demokratie glaubhaft bleibt. Wir alle hier im Hause wissen, daß der Kollege Büttner mit seinen Ausführungen durchaus recht hat. Sprecher aller Fraktionen dieses Hauses haben früher dazu Erklärungen abgegeben. Herr Kollege Büttner hat durchaus recht mit seinem Hinweis, daß diese Dinge im Rahmen des Parlamentarischen Beirats erneut besprochen wurden.
Lassen Sie mich nur noch einen kurzen Hinweis geben. Der Deutsche Bundestag hat sich ja schon öfter mit dieser Frage eines Abschlußgesetzes bezüglich der Kriegsgefangenenentschädigung befaßt. Es ist daher selbstverständlich, daß diesem Haus am heutigen Tag die Möglichkeit gegeben wird, ein Versäumnis nachzuholen. Mit dem vorliegenden Gesetz der Bundesregierung über die Regelung der Reparationsschäden müssen wir nun auch die Frage der Kriegsgefangenenentschädigung ansprechen. Ich glaube, daß der Kollege Mick heute morgen die entscheidende Formulierung gefunden hat, als er sagte: Wir müssen das Problem vom Tisch bekommen. Ich würde sagen: anständig und so, daß wir draußen mit unseren Heimkehrern dieses Gespräch entsprechend führen können. Nachdem ja im Jahre- 1965 - es war also bereits vor der letzten Bundestagswahl - die Kriegsgefangenenentschädigung verbessert wurde, jedoch mit dem ausdrücklichen Hinweis, daß es sich hierbei nicht um eine abschließende Regelung handelt, müssen wir jetzt zu diesem Abschlußgesetz kommen.
Nun, Herr Kollege Büttner erwähnte vorhin die Summen. Der damals vorgesehene Betrag von über 400 Millionen DM wurde bereits auf etwa 200 Millionen DM reduziert. Es ist somit festzustellen, daß dieses Haus eine Abschlußregelung in Aussicht gestellt hat. Somit ließ der Bundestag damals praktisch
eine klar erkennbare Verpflichtung noch offenstehen. Wir sind daher jetzt aufgerufen, zu dem Problem Stellung zu nehmen. Sicherlich werden viele - und besonders unser Finanzminister - den gegenwärtigen Zeitpunkt für ungünstig halten. Niemand wird jedoch bestreiten, daß man bei dem Vorhaben, die Regelung der Reparationsschäden abschließend zu behandeln, auch die Frage der Kriegsgefangenenentschädigung lösen muß.
Vorhin sagte Herr Kollege Büttner, die Vertreter aller Parteien hätten auch die entsprechenden Zusicherungen gegeben. Er nannte die Summe von 250 Millionen DM. Wir wollen uns heute hier nicht an eine bestimmte Zahl klammern. Ich glaube aber, daß die Heimkehrer und die Organisationen sehr wohl wissen, daß ihre Forderung .von über 1 Milliarde DM nicht zu verwirklichen ist. Das hat man schon lange erkannt, und die Diskussionen mit diesen Zahlen sind draußen auch schon lange nicht mehr im Gange. Sie werden es aber als eine gebührende Anerkennung betrachten, wenn man das Problem mit einem Volumen von etwa 200 bis 250 Millionen DM als endgültige Regelung abschließt. Aus diesem Grunde möchte ich jetzt an die Bundesregierung, besonders an unseren Finanzminister, die Aufforderung richten, in der mittelfristigen Finanzplanung die entsprechenden Mittel vorzusehen und gleichzeitig einen entsprechenden Gesetzentwurf zur abschließenden Entschädigung der Heimkehrer vorzulegen. Es wurde. schon darauf hingewiesen, daß selbst vom Verband der Heimkehrer an eine Regelung in einem Zeitraum von fünf Jahren gedacht war.
An Sie, Herr Bundesfinanzminister, geht also besonders unsere Bitte, bald ein klares Wort zu diesem Problem zu sagen und uns in unserem Anliegen zu unterstützen.
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Das Wort hat der Abgeordnete Schmidt ({0}).
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf auch zunächst mit einigen Worten des persönlichen Dankes, aber auch des Dankes seitens .der Opposition an einige meiner Vorredner beginnen. Ich darf persönlich und namens .der FDP-Fraktion dem Kollegen Mick als Vorsitzendem des .Bundestagsausschusses für Kriegs- und Verfolgungsschäden sehr herzlich für die Worte danken, .die er - im Gegenatz zu vielen bisherigen Äußerungen der Bundesregierung zu Fragen der Kriegsfolgen - für die beiden Personenkreise gefunden hat, die eben noch nicht mit in den Katalog der Entschädigungsleistungen einbezogen sind und die natürlich heute mit Recht auf dieses Haus schauen, weil ein neues Kriegsfolgengesetz, ein neues Gesetz für einen Personenkreis hier in erster Lesung beraten wird. Ich denke an die Sowjetzonenflüchtlinge und die Kriegsgefangenen, die noch auf ihre - wenn ich es so sagen darf - Reparationsentschädigung für das, was sie geleistet haben, warten. Sie mußten im letzten Jahr sehr häufig den Eindruck bekommen, als ob seit der neuen Zusammensetzung der Bundesregierung ihre
Sorgen nicht mehr so sehr wie in der Vergangenheit von der Bundesregierung getragen würden.
Ich bin ,dem Kollegen Mick namens der Opposition sehr dankbar, weil die FDP im vergangenen Jahr - ich darf ,das nur noch einmal in die Erinnerung zurückrufen - in vielen Debatten und Anfragen, auch in dem schon angesprochenen Entschließungsantrag, immer wieder sowohl die Bundesregierung als auch dieses Hohe Haus daran erinnert hat, daß hier noch Dinge zu bereinigen sind, daß hier noch ein Blick in die Vergangenheit getan werden muß, auch wenn das manchmal finanziell etwas schwieriger wird, als das in der Vergangenheit der Fall war.
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- Ich werde gleich dazu etwas sagen.
Ich bin auch den beiden Vorrednern vom Parlamentarischen Beirat des Heimkehrerverbandes sehr dankbar dafür, ,daß sie hier bereits so deutlich aus der Sicht der Heimkehrer Stellung genommen haben, so daß ich es mir als Vorsitzender des Parlamentarischen Beirats des Heimkehrerverbandes ersparen kann, diese Dinge hier noch einmal deutlich anzusprechen. Ich möchte daher den Kollegen Büttner und Josten danken, wobei ich allerdings gleich sagen möchte, daß über die Einbeziehung in die nächste mittelfristige Finanzplanung noch zu reden wäre. Denn ich glaube nicht, daß man noch einmal vier oder fünf Jahre mit einer Gesetzesvorlage warten kann, auf die die Heimkehrer auf Grund der vielen Versprechungen, der vielen Zusagen - Zusagen, die noch gemacht worden sind, als man bereits eine mittelfristige Finanzplanung seitens der Bundesregierung schuf -, Zusagen von seiten des Ressortministers in Essen warten. Ich glaube nicht, daß man jetzt von dem, was damals Herr von Hassel als der zuständige Ressortminister in Essen den Heimkehrern auf ihrem Verbandstag gesagt hat, behaupten kann, damit sei die nächste mittelfristige Finanzplanung gemeint gewesen.
Aber ich bin auch namens der Opposition dem Herrn Bundesfinanzminister sehr dankbar. Er hat immerhin in seinen Ausführungen dargelegt, daß das Reparationsschädengesetz - ich nenne es einmal nur so; ich will nicht den ganzen Titel aufzählen, um Zeit zu sparen -, ein Kriegsfolgengesetz ist. Er hat damit deutlich gemacht, daß die Bundesregierung, als sie vor über einem Jahr die Regierungserklärung abgab, mit ihrer damaligen Aussage „keine Leistungen für die Vergangenheit" doch wohl etwas zu vorschnell und zu einseitig geurteilt hatte. Ich könnte mir vorstellen, daß die Mahnungen der FDP-Fraktion, von denen ich vorhin schon einmal sprach, vielleicht dazu beigetragen haben, daß der Herr Bundesfinanzminister heute, auch wenn es Geld kostet, wieder einen Blick in die Vergangenheit zu tun gedenkt.
Ich möchte allerdings namens der Opposition vor etwas warnen. Ich hoffe, daß der Blick in die Vergangenheit nicht nur getan wird, wenn das Damoklesschwert des Bundesverfassungsgerichtes über der Bundesregierung hängt und das Gericht sie zu einer
Schmidt ({1})
Regelung auffordert. So allerdings sehe ich die für die Sowjetzonenflüchtlinge und Kriegsgefangenen nötigen Lösungen nicht, daß man wartet, bis vielleicht einmal das Bundesverfassungsgericht sagt: „Wenn ihr nicht bis dann und dann, dann." So, meine Damen und Herren, so, meine Herren Vertreter der Bundesregierung, sehen wir Freien Demokraten die noch notwendigen Lösungen nicht. Wir erwarten von der Bundesregierung, daß sie während der Beratungen des Reparationsschädengesetzes ihre Anstrengungen verdoppelt, um das bereits in Gesprächen auch mit dem Herrn Bundeskanzler angekündigte, zugesagte Leistungsgesetz und auch das im Auftrage des Herrn Bundeskanzlers im Ressortministerium in Vorbereitung befindliche Abschlußgesetz zum Kriegsgefangenenentschädigungsgesetz in dieser Zeit auf den Tisch des Hauses zu legen. Ich sage das sehr bewußt, weil in beiden Fällen nicht nur ein Zusammenhang aus dem allgemeinen Kriegsfolgenbereich besteht, sondern weil ganz klare Querverbindungen bestehen.
Noch im Sommer vergangenen Jahres hat Herr Bundesvertriebenenminister von Hassel auf der Tagung des Gesamtverbandes der Sowjetzonenflüchtlinge in Saarbrücken wortwörtlich erklärt - ich darf zitieren -:
Ich glaube, daß die Auffassung der Bundesregierung inzwischen völlig klar ist: wenn es ein Reparationsschädengesetz geben würde, daß es nur dann eines für alle gibt oder gar keines.
Meine Damen und Herren, der Gesetzentwurf, der uns heute vorliegt, klammert in § 12 die Sowjetzonenflüchtlinge aus. Nun gut, das mag bei der Bundesregierung so entschieden worden sein. Das verlangt aber, daß im Sinne der Gleichheit, im Sinne der Notwendigkeit, auch diese Dinge zu regeln, das Leistungsgesetz auf den Tisch des Hauses kommt, damit dort der in der Vorlage nicht geregelte Reparationsschaden geregelt werden kann.
Ich darf in diesem Zusammenhang auch darauf hinweisen, daß die beiden bei der Bundesregierung tätigen Vertreter der großen Konfessionen in einem sehr eindringlichen Schreiben vom 8. Januar 1968 an den Herrn Bundeskanzler darauf hingewiesen haben, daß hier dringend noch Dinge zu bereinigen sind. In diesem Schreiben, das von Herrn Bischof Kunst für die Evangelische Kirche und von Herrn Weihbischof Tenhumberg für die Katholische Kirche unterzeichnet worden ist, heißt es wortwörtlich:
Heute erscheint es uns eine Forderung der Gerechtigkeit zu sein, daß die übrigen in der Bundesrepublik lebenden durch die Kriegsfolgen Geschädigten mit ihren berechtigten Forderungen nicht länger zurückstehen sollten.
Es heißt weiterhin - ich darf noch einmal zitieren, Herr Präsident -:
Bei diesen Gesetzesvorlagen
- hier sind das Leistungsgesetz für Sowjetzonenflüchtlinge und auch die Ergänzungen zum Flüchtlingshilfegesetz angesprochen handelt es sich nicht nur um eine finanzielle Frage,
- Herr Bundesfinanzminister; Herr Kollege Schlager, Sie fragten vorhin danach die auch außerhalb des Bundeshaushalts eine Lösung finden könnte, sondern um die Anerkennung des Grundsatzes, daß analoge Tatbestände eine analoge Gesetzgebung erfahren sollten.
So zunächst einmal zwei wörtliche Zitate aus den Stellungnahmen der beiden Kirchen an den Herrn Bundesanzler.
Aber nicht nur zum Bereich der Zonenflüchtlinge und damit zum Leistungsgesetz ist durch den § 12 ein konkreter Zusammenhang, eine konkrete Querverbindung gegeben; auch zu dem anderen Bereich, der bereits von meinen Vorrednern angesprochen wurde, bestehen ganz klare konkrete Querverbindungen. Deshalb, Herr Kollege Josten, kann ich Ihren Vorstellungen nicht zustimmen, Reparationsentschädigung für Aufbauleistungen, die mit körperlichen und gesundheitlichen Schäden erfolgt sind, vielleicht in die mittelfristige Finanzplanung ab 1972 hineinzunehmen; ich glaube, in dem Augenblick, wo man materielle Reparationsschäden in einem Gesetz zu entschädigen gedenkt, muß man auch die noch ausstehenden Entschädigungen für körperliche Reparationsleistungen, für Aufbauleistungen mit in die Überlegungen und damit auch in die finanziellen Möglichkeiten einbeziehen. Denn es handelt sich ja bei all den Dingen, die in dieser 200- oder 250-Millionen-DM-Abschlußnovelle noch zu erwarten sind und noch vorgesehen sind, um Leistungen an solche Kriegsgefangene, die über den völkerrechtlichen Gefangenschaftszeitraum hinaus festgehalten wurden und mit ihrer Gesundheit, mit ihrem Körper, mit ihren Kräften Aufbauleistungen, praktisch Reparationen, erbringen mußten. Man kann also nicht sagen: Die Reparationsschäden materieller, sächlicher Art werden jetzt geregelt, die anderen werden wir in die nächste mittelfristige Finanzplanung einbeziehen. Man muß diese Dinge in einem Zusammenhang sehen.
Ich glaube auch, daß jetzt für dieses Hohe Haus der Zeitpunkt gekommen ist, den vorhin in einer Zwischenfrage bereits angesprochenen Entschließungsantrag der FDP-Fraktion, der in der dritten Beratung des Haushalts 1967 durch einstimmigen Beschluß an den Ausschuß für Kriegs- und Verfolgungsschäden überwiesen wurde, weiter zu beraten. Wenn Sie an all das denken, was meine Vorredner zu diesen Fragen gesagt haben, und vielleicht das mit einbeziehen, was ich dazu sagen durfte, wird, glaube ich, deutlich, daß wir alle die Verantwortung haben und daß wir auch der Bundesregierung Schützenhilfe leisten können, noch über gewisse Hürden, die sich aufbauen, zu kommen, indem wir den Entschließungsantrag --- Herr Kollege Mick, ich darf sehr darum bitten - im Ausschuß und auch in den Fraktionen beraten und dann in diesem Hohen Hause beschließen, um deutlich zu machen, daß die notwendigen Lösungen für die Sowjetzonenflüchtlinge und die Heimkehrer nicht isoliert, nicht unab7762 Deutscher Bundestag 5. Wahlperiode Schmidt ({2})
hängig oder abseits von dem vorliegenden Reparationsschädengesetz gesehen werden dürfen und daß wir eine Regelung dieser Dinge in Gesetzesvorlagen der Bundesregierung vorgelegt bekommen müssen.
Ich möchte noch einmal davor warnen, Herr Bundesfinanzminister, Ihren Blick in die Vergangenheit nur unter dem Blickpunkt Bundesverfassungsgericht zu tun. Wir alle haben die Verantwortung gegenüber diesen beiden Personenkreisen, den Sowjetzonenflüchtlingen und den Heimkehrern, oft genug in Worten, oft genug in Versprechungen, oft genug in Entschließungen bekundet. Das Parlament und die Bundesregierung - die ja von denselben Parteien getragen wird, die die Versprechungen gemacht haben - müssen diese Versprechungen nunmehr auch in die Tat umsetzen. Wir erwarten daher von der Bundesregierung die entsprechenden Vorlagen. Wir erwarten von der Bundesregierung eine klare Antwort, wann sie ein Leistungsgesetz für Sowjetzonenflüchtlinge, wann sie eine Abschlußnovelle für die Kriegsgefangenen vorzulegen gedenkt.
Wir teilen - damit darf ich schließen - in vollem Umfange die Auffassung, die auch in dem Brief der beiden Kirchen an den Herrn Bundeskanzler zum Ausdruck gebracht ist: „Die rechtsstaatliche Ordnung verträgt es auf die Dauer nicht, daß wegen des verständlichen Wunsches, zusätzliche finanzielle Belastungen zu vermeiden, die Rechtstitel dieser Gruppen von Geschädigten weniger berücksichtigt werden als andere.
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Die Rednerliste ist erschöpft. Ich schließe die Aussprache.
Ich schlage Ihnen vor, den Gesetzentwurf zu überweisen an den Ausschuß für Kriegs- und Verfolgungsschäden - federführend - sowie zur Mitberatung an den Rechtsausschuß und an den Haushaltsausschuß, an diesen auch gemäß § 96 der Geschäftsordnung. - Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 14 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des von den Abgeordneten Frau Pitz-Savelsberg, Frau Schanzenbach, Frau Funcke und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Förderung eines freiwilligen sozialen Jahres
- Drucksache V/2384 -Das Wort zur Begründung des Gesetzentwurfs hat Frau Abgeordnete Pitz-Savelsberg.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nachdem das Gesetz zur Förderung eines freiwilligen sozialen Jahres etwa dreieinhalb Jahre in Kraft ist, stellt sich erneut ein Problem, das auch schon bei den ersten Beratungen eine Rolle gespielt hat. Es ist das Problem des Eintrittsalters. Das Eintrittsalter ist siebzehn Jahre, und es war immer die Klage der Lehrer
der zehnklassigen Schulen, der Realschulen, daß die Entlaßschülerinnen aus diesen Schulen keinen Anschluß an einen freiwilligen sozialen Dienst haben, obschon gerade die mittleren Schulen ja die Voraussetzung für die Berufsausbildung zu den sozialen Berufen sind. Es zeigt sich auch an der Zusammensetzung des Kreises der Teilnehmerinnen, daß die Schülerinnen zu einem weit geringeren Teil darin enthalten sind als etwa junge Berufstätige, die für ein Jahr ihre Berufstätigkeit unterbrechen.
Wir haben uns deshalb entschlossen, und zwar Abgeordnete aus allen drei Fraktionen, zu beantragen, das Alter auf 16 Jahre herunterzusetzen. Wir befinden uns damit auch im Einvernehmen mit den Trägern, die auf ihrer Jahreskonferenz im Bundesministerium für Familie und Jugend auch in diesem Sinne votiert haben.
Die Sache wird noch dadurch einigermaßen dringend, daß durch die Zurückverlegung des Schulanfangs um ein halbes Jahr die jetzt aus den Schulen entlassenen Schülerinnen ja noch jünger sind, als sie es bisher waren, und die Spanne zwischen der Schulentlassung und dem möglichen Eintritt in den Dienst mit dem 17. Lebensjahr noch größer geworden ist.
Der Schulausschuß der Kultusministerkonferenz ist den Schülerinnen ebenfalls entgegengekommen, indem er in seiner 113. Sitzung - ich bitte, Herr Präsident, das zitieren zu dürfen - einstimmig eine Empfehlung an das Plenum der Kultusministerkonferenz gegeben hat, die folgendermaßen lautet:
Im Hinblick auf den Beitrag, den das Freiwillige Soziale Jahr zur Vermittlung beruflicher Erfahrungen zu leisten vermag, vereinbaren die Kultusminister der Länder, daß das Freiwillige Soziale Jahr auf die für die folgenden Berufsausbildungsgänge geforderten berufspraktischen Aufnahmevoraussetzungen voll angerechnet wird: Sozialpädagogen, Sozialarbeiter, Hauswirtschaftliche Betriebsleiterinnen, Erzieher, Kindergärtnerinnen, Hortnerinnen, Wirtschafterinnen, Hauswirtschaftsleiterinnen.
Es wird natürlich das Bemühen sein, die Liste dieser Berufe auszudehnen, weil ja auch auf diesem Gebiet eine ständige Fortentwicklung stattfindet. Sie sehen, daß auch die Kultusministerkonferenz - und zwar hat sich der Schulausschuß der Kultusministerkonferenz in mehreren Sitzungen damit befaßt - versucht, eine Brücke zu der sozialen Berufsausbildung zu schlagen, indem das freiwillige soziale Jahr als Vorpraktikum anerkannt wird.
Ich bitte im Namen der Antragsteller, diesen Antrag an den Ausschuß für Familien- und Jugendfragen zu überweisen.
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Das Wort hat Frau Abgeordnete Funcke.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Die zahlreichen Unterschriften von Abgeordneten der FDP unter diesem Antrag machen
deutlich, daß die FDP voll hinter dem Anliegen dieser Änderung des Gesetzes zur Förderung eines freiwilligen sozialen Jahres steht. Worum es geht, hat Frau Kollegin Pitz-Savelsberg soeben deutlich gemacht. Mir scheint, daß während der Zeit, in der es überhaupt ein freiwilliges soziales Jahr gibt, und während der Zeitspanne, in der wir diese Bemühungen, auf freiwilliger Basis junge Menschen zu einem sozialen Engagement zu bringen, auch durch das Gesetz unterstrichen haben, uns doch zwei wesentliche Erkenntnisse zugewachsen sind.
Die eine Erkenntnis ist die, daß es in unserer heutigen Jugend, auch wenn es nicht so scheint, eine sehr verbreitete latente Bereitschaft zu einem sozialen Engagement gibt. Es liegt nur, so scheint mir, ein wenig an uns und unserer Gesellschaft, daß wir es nicht in der rechten Weise ansprechen und wecken können.
Deshalb scheint es uns notwendig zu sein, daß sowohl die Regierung wie auch die allgemeine Publizistik sich dieser latenten Bereitschaft stärker annehmen und sich Gedanken machen, wie sie ebenso deutlich gemacht werden kann wie manche lautstarken Äußerungen unserer Jugend heute. Denn, für so berechtigt ich die bohrende Frage unserer jungen Generation hinsichtlich der Lebensweise und der Lebensgestaltung der heute die Gesellschaft bestimmenden Generationen auch in Demonstrationen halte, so scheint es mir ebenso notwendig zu sein, daß wir auch die andere Antwort, die unsere junge Generation auf Fragen unserer Gesellschaft gibt, in aller Deutlichkeit bekanntmachen. Sie gehören zusammen, diese bohrende Frage nach dem Sinn und nach der Stellung des Menschen in der Gesellschaft und die mögliche Antwort, die im eigenen Tun und im eigenen Engagement liegt. Sicher ist die Zahl derer klein, die im sozialen Jahr tätig sind, doch ist ihre Antwort darum nicht weniger intensiv und wichtig. Darum wünschte ich mir eine größere Publizität auch dieser Antwort in unseren Massenmedien. Mir scheint, sie ist gar nicht so wenig interessant, wie es vielleicht manche, die in der Publizistik tätig sind, meinen mögen.
Die zweite Erkenntnis, die aus dem freiwilligen sozialen Jahr erwachsen ist, ist die, daß das Lebensalter für die jungen Menschen, die sich für andere einsetzen wollen, nicht erst mit 17 Jahren angesetzt zu werden braucht. Unsere jungen Menschen sind belastbarer, als es uns seinerzeit erschienen ist. Es ist erwiesen, daß sie auch schon im Alter von 16 Jahren eine Sache verantwortlich übernehmen und voll durchstehen können. Gerade das letzte scheint mir sehr wesentlich zu sein. Wir sollten uns alle einmal eine Frage vorlegen: Nach der Erkenntnis aus der Jugendbewegung, daß der junge Mensch noch im Werden ist und deswegen eine eigene Form des Lebens hat und sein Leben anders gestaltet, und nach den psychologischen Erkenntnissen des Jahrhunderts des Kindes müssen wir uns fragen, ob wir in den Folgerungen nicht einen Schritt zu weit gegangen sind mit dem Ergebnis, daß wir die Heranwachsenden und Heranreifenden aus dem gesellschaftlichen Engagement unserer Zeit herausisoliert haben.
Wenn wir uns einmal klarmachen, wie wenig heute insbesondere die jungen Menschen auf den Schulen mit dem wirklichen Leben verbunden sind, so scheint mir die Frage berechtigt zu sein: Wo geben wir hinreichende Möglichkeiten, um Erfahrungen und Erkenntniswerte zu sammeln? Können wir uns dann wundern, daß die 20- und 25jährigen etwas konturenlose Forderungen stellen und demonstrieren, ohne mitunter auch nur den Schein einer Antwort geben zu können?
Hier wird von den jungen Menschen im freiwilligen sozialen Jahr eine beachtliche Antwort gegeben in der schlichten Erfüllung einer Verantwortung, die wir nicht jedem in diesem Alter zugetraut hätten. Aber weil sie uns in der Bewährung gezeigt haben, daß sie auch schon mit 16 Jahren - unter der Hand ist ja bereits die Mindestgrenze unterschritten worden -, also zum Zeitpunkt des Erwachsenwerdens, wie Erwachsene angesprochen werden können und wollen, scheint mir diese Frage über das Gesetz und den Einzelantrag zu einem Gesetz hinausgehend von entscheidender Bedeutung für das Verständnis unserer Jugend und der Jugendpolitik überhaupt zu sein. Auch in diesem Sinne bitte ich, den Antrag zu verstehen.
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Das Wort hat Frau Abgeordnete Eilers.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es handelt sich hier um einen Initiativantrag, der aus allen drei Fraktionen kommt. Wir Sozialdemokraten haben uns ihm besonders unter dem Gesichtspunkt angeschlossen, daß durch die Kurzschuljahre eine Lücke entstanden ist, weil ein nahtloser Übergang aus dem Schulsystem und ein Hinüberwechseln in die Leistungen des freiwilligen sozialen Jahres nicht möglich ist.
Ich gehe mit der Frau Vorrednerin nicht ganz einig, wenn sie sagt, wir hätten uns damals hinsichtlich des Reifungsgrades unserer jungen Menschen verschätzt. Ich glaube, daß uns dazu noch nicht genug gesichertes Material vorliegt, um das als ein Faktum ansehen und hier darstellen zu können. Ich glaube aber, daß wir uns, um den Gegebenheiten der Kurzschuljahre Rechnung zu tragen und keine Lücke in der Zahl der am freiwilligen sozialen Jahr Interessierten auftreten zu lassen, diesen Vorstellungen anschließen müssen.
Es ist erfreulich, daß wir im Verhältnis zu 1965 im Jahre 1966 eine erhebliche Steigerung der Zahl der Interessenten, nämlich um rund 30 %, zu verzeichnen haben. Ich freue mich, daß die Initiative der Jugend hier so beredt herausgestellt worden ist. Ich darf aber auch darauf hinweisen, daß meine Fraktion die Hoffnung hegt, daß sich durch die Möglichkeit, die wir jetzt auch jüngeren Menschen geben, ein freiwilliges soziales Jahr abzuleisten, von den über drei Millionen junger Mädchen in dieser Altersstufe noch mehr dazu bereit finden, als das bisher der Fall war. Es wurde von einer kleinen Minderheit gesprochen, die, auch von den Eltern initiiert, hier einen Weg gefunden hat - wir haben es damals im
Gesetz so gesagt -, einen Reifungsprozeß durchzumachen, den sie sonst vielleicht in dem Alter nicht in gleichem Maße durchmachen könnte. Wir hoffen, daß mehr .als bisher diese Gelegenheit ergreifen.
Wenn man sieht, daß von über drei Millionen junger Mädchen - man betrachte parallel dazu die nur wenig größere Zahl junger Männer - nicht ganz 2000 für ein freiwilliges soziales Jahr gewonnen werden können, so ist das für uns alle und für die Gesellschaft eine Aufforderung, mehr zu tun, um jungen Menschen im Dienste am Nächsten auf freiwilliger Basis doch eine Befriedigung zu geben, indem sie einen Schritt tun, der ihnen selbst auch später im Leben weiterhelfen kann.
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Es liegen keine Wortmeldungen mehr vor. Ich schließe die Aussprache.
Es ist beantragt worden, den Gesetzentwurf an den Ausschuß für Familien- und Jugendfragen zu überweisen. Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.
Meine Damen und Herren, ich darf Ihnen mitteilen, daß der Herr Präsident die Anwesenheitsliste ab 12.30 Uhr auslegen läßt.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Mittwoch, den 7. Februar, 9 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen.