Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet.
Meine Damen und Herren, nach einer interfraktionellen Vereinbarung soll die Tagesordnung ergänzt werden um die zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierungeingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Anpassung von Kostengesetzen an das Umsatzsteuergesetz vom 29. Mai 1967 - Drucksache V/2300 -, Schriftlicher Bericht des Rechtsausschusses - Drucksache V/2365 -. Darf ich fragen, ob das Haus damit einverstanden ist. - Das Haus ist damit einverstanden. Die Erweiterung der Tagesordnung um diesen Punkt ist beschlossen.
Zwei weitere amtliche Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Bundesminister der Justiz hat am 5. Dezember 1967 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Besold, Stücklen, Wagner, Dr. Hauser ({0}) und Genossen betr. Promillegrenze - Drucksache V/2211 - beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache V/2366 verteilt.
Der Bundesminister für Verkehr hat am 6. Dezember 1967 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Schmidt ({1}), Bading, Mertes und Genossen betr. Lärmproblem des Überschallverkehrs - Drucksache V/2292 - beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache V/2369 verteilt.
Zu .den in der Fragestunde der 138. Sitzung des Deutschen Bundestages am 30. November 1967 gestellten Fragen des Abgeordneten Dr. Mommer, Drucksache V/2299 Nrn. 16 und 17 *), ist inzwischen die schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Jahn vom 1. Dezember 1967 eingegangen. Sie lautet:
Die Erfolge der NPD bei den letzten Landtagswahlen sowie der Parteitag in Hannover haben im Ausland ein sehr kritisches Echo gefunden. Die nicht immer sachlichen Kommentare in Presse, Rundfunk und Fernsehen waren dem deutschen Ansehen mitunter abträglich. Es ist jedoch hervorzuheben, daß es in keinem westlichen Land an besonnenen Stimmen gefehlt hat, die den deutschen Rechtsradikalen nüchtern einschätzen und es den demokratischen Kräften in der Bundesrepublik zutrauen, mit solchen Erscheinungen fertig zu werden. Ähnlich maßvoll waren die Äußerungen der mit uns befreundeten Regierungen, soweit sie überhaupt zu dieser Frage Stellung genommen haben.
Die Bundesregierung hat die deutsche und die ausländische Offentlichkeit seit Jahren regelmäßig über die Aktivität rechtsradikaler und linksradikaler Gruppen unterrichtet. Das Bundesministerium des Innern gibt jährlich je einen umfassenden Bericht über die rechtsradikalen und linksradikalen Bestrebungen heraus. Die Pressefassungen dieser Berichte sind auch für das Ausland eine als objektiv geschätzte Informationsquelle. Darüber
*) Siehe 138. Sitzung, Seite 6999 A
hinaus verbreitet das Presse- und Informationsamt der Bundesregierung einschlägiges Material und versorgt die deutschen Auslandsvertretungen mit Publikationen, die zum Thema Rechtsradikalismus in beträchtlicher Zahl erschienen sind. Insbesondere werden bereits erschienene geeignete Artikel namhafter deutscher und ausländischer Publizisten nachgedruckt und den Auslandsvertretungen für ihre Öffentlichkeitsarbeit zur Verfügung gestellt.
Zu der in der Fragestunde der 140. Sitzung des Deutschen Bundestages am 6. Dezember 1967 gestellten Frage des Abgeordneten Dr. Rutschke, Drucksache V/2333 Nr. 10 *), ist inzwischen die schriftliche Antwort des Bundesministers Frau Strobel vom 7. Dezember 1967 eingegangen. Sie lautet:
Zur Beantwortung Ihrer Frage darf ich Ihnen in den folgenden Tabellen Messungen luftverunreinigender Stoffe in westdeutschen und in amerikanischen Großstädten gegenüberstellen.
Tabelle 1
Schwefeldioxid ({2}) - Immissionen in westdeutschen Großstädten ({3})
Stadt Langzeitwert Kurzzeitwert Max. Stundenmittel
I1 I2 mg SO2/m3
mg SO2/m3 mg SO2/m3
Mannheim 0,14 0,12 0,16 0,21 0,23 0,23 0,23 0,23 0,25 0,26 0,51 0,40 0,47 0,53 0,58 0,60 0,61 0,64 0,62 0,72 1,2 1,0 0,9 1,5 1,95 1,5 1,6 1,2 1,5 1,3
Ludwigshafen Düsseldorf Recklinghausen Dortmund
Bochum
Duisburg
Essen
Gelsenkirchen Oberhausen
Tabelle 2
Schwefeldioxid ({4}) - Immissionen in amerikanischen Städten ({5})
Stadt Jahresdurchschnitt Max. Max.
mg SO2/m3 Tagesmittel Stundenmittel
mg SO2/m3 mg SO2/m3
Cincinnati 0,084 0,14 0,29 0,04 0,19 0,10 0,40 0,57 1,2 1,25 1,83 2,5
St. Louis 0,13 0,79
Chicago 0,79 2,1
Denver 0,44 0,77
Philadelphia Washington
Die vorstehenden Konzentrationswerte in den Tabellen 1 und 2 geben Hinweise auf die Luftverunreinigung aus Industrie und Hausbrand, da Schwefeldioxid-Immissionen überwiegend aus der Verbrennung fossiler Brennstoffe stammen.
*) Siehe 140. Sitzung, Seite 7087 B
Vizepräsident Scheel
Zum Vergleich der Luftverunreinigung aus dem Kraftfahrzeugverkehr kann der Kohlenmonoxidgehalt der Atmosphäre herangezogen werden. In der folgenden Tabelle werden die Konzentrationen in Frankfurt, der Stadt mit der höchsten Fahrzeugdichte im Bundesgebiet ({6}), mit denen in amerikanischen Großstädten verglichen.
Tabelle 3
Stadt Maxim. Maxim.
Tagesmittel Stundenmittel
ppm ppm
Frankfurt 22 16 15 32 20 19 10 49 34 29 59 55 54 31
Cincinnati
St. Louis
Chicago
Denver
Philadelphia
Washington
Bei dem Vergleich der Messungen luftverunreinigender Stoffe in deutschen und amerikanischen Städten ist zu beachten, daß unterschiedliche Klimabedingungen herrschen und die Städte auch eine sehr verschiedene Ausdehnung und Lage haben. Am ehesten wären noch die Städte Cincinnati und St. Louis mit unseren westdeutschen Großstädten zu vergleichen. Dabei ist festzustellen, daß die Luftverunreinigung in unseren Städten nicht geringer ist als in den .amerikanischen.
In den Tabellen wurden nur solche Meßergebnisse aufgenommen, die mit gleichen Meßverfahren ermittelt wurden, da die Ergebnisse aus unterschiedlichen Analysen-Methoden bei den Immissionsmessungen nicht zu vergleichen sind. Da die luftverunreinigenden Stoffe nur in Spuren in der Atmosphäre enthalten sind und ihr Konzentrationsbereich zumeist unterhalb der Bestimmungsgrenze direkter chemischer Analysen-Methoden liegt, werden zur Messung die Veränderungen von physikochemischen Eigenschaften der Luftproben herangezogen, die aber nur Verhältniszahlen ergeben. Zur Bestimmung des Schwefeldioxids nach den Tabellen 1 und 2 wurde z. B. die Veränderung der Leitfähigkeit der Absorptionsflüssigkeit verwendet. Da die Leitfähigkeit nicht nur durch SO2, sondern auch durch andere Stoffe beeinflußt wird, kann mit dieser Methode SO2 nicht absolut bestimmt werden.
Auch die Auswertemethoden sind bei den einzelnen Ländern verschieden. In der Bundesrepublik werden die statistischen Kenngrößen Il ({7}) und I2 ({8}), die in der Technischen Anleitung zur Reinhaltung der Luft definiert sind, angegeben. Mit Hilfe dieser Kenngrößen kann die Verwaltung feststellen, ob die von der Bundesregierung festgesetzten Grenzwerte eingehalten werden. Die Amerikaner geben dagegen den Durchschnitt der Konzentrationen sowie die Maximalwerte für 24 Stunden, 1 Stunde und 5 Minuten an. Um dennoch einen Vergleich zu ermöglichen, wurden in der Tabelle 1 zusätzlich zu den in der Bundesrepublik üblichen Il- und I2-Werten auch noch die maximalen Stundenmittel aufgeführt.
Ich darf noch bemerken, daß Versuche zur Standardisierung der Meß- und Auswertemethoden im Rahmen der OECD zur Zeit unternommen werden. Vorläufig soll dort allerdings erst in unbelasteten Gebieten nach einheitlichen Methoden gemessen werden, um die großräumige Verteilung und Veränderung der luftverunreinigenden Stoffe in Westeuropa zu verfolgen.
Ich bin gerne bereit, falls Sie es wünschen, Ihnen weiteres Zahlenmaterial über Messungen auch anderer luftverunreinigender Stoffe zur Verfügung zu stellen.
Zu der in der Fragestunde der 140. Sitzung des Deutschen Bundestages am 6. Dezember 1967 gestellten Frage des Abgeordneten Dr. Rutschke, Drucksache V/2333 Nr. 11 *), ist inzwischen die schriftliche Antwort des Bundesministers Frau Strobel vom 7. Dezember 1967 eingegangen. Sie lautet:
Die Bundesregierung ist nicht der Auffassung, daß allein über das Lebensmittelrecht der von Ihnen geschilderten Gefahr begegnet werden könnte. Durch das Lebensmittelrecht kann nur den Gefahren begegnet werden, die durch eine gesundheitsschädliche Beschaffenheit der Lebensmittel entstehen würden. Auf falsche Kostzusammenstellung, Zubereitung der Lebensmittel oder falsche Ernährungsweise ist das Lebensmittelrecht ohne Einfluß. Hier kann nur durch breite, auf gesichertem Wissen beruhende Aufklärung der Bevölkerung über richtige Ernährung und deren Bedeutung für die Gesundheit, um die sich mein Haus insbesondere durch die Deutsche Gesellschaft für Ernährung bemüht, etwas erreicht werden.
*) Siehe 140. Sitzung, Seite 7087 B
Wir kommen zu Punkt 1 der Tagesordnung: Fragestunde
- Drucksachen V/2333, zu V/2333, Nachtrag zu V/2333 Es liegen noch 18 Fragen vor. Ich mache ausdrücklich darauf aufmerksam, daß die Fragestunde möglicherweise keine 60 Minuten ausfüllen wird. Die Fraktionen mögen das berücksichtigen.
Zunächst die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern. Ich rufe die Frage 35 des Herrn Abgeordneten Mertes auf:
Ist die Demonstration gegen die Notstandsgesetzgebung am Wohnort des Bundesinnenministers in Bensberg der einzige Anlaß für die angekündigte Prüfung von Änderungen des Versammlungsgesetzes, der etwaigen Novellierung anderer damit im Zusammenhang stehenden sicherheitsgesetzlichen Bestimmungen wie des Hausfriedensbruchs und für erneute Überlegungen über einen gesetzlichen Schutz der Privatsphäre von Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens?
Das Wort hat der Herr Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister des Innern.
Benda, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Ich würde gern, Herr Präsident, falls Herr Kollege Mertes einverstanden ist, die Fragen 35 bis 37 im Zusammenhang beantworten.
Dann rufe ich auch die Fragen 36 und 37 des Herrn Abgeordneten Mertes auf:
Welche Fälle sind der Bundesregierung bekannt, die auch ihren anderen Mitgliedern Anlaß zu der Befürchtung geben, daß die geltenden sicherheitsrechtlichen Bestimmungen für ihren Schutz nicht ausreichen?
Wie beurteilt die Bundesregierung Besorgnisse, daß Personlichkeiten des öffentlichen Lebens bei einem Schutz der Privatsphäre vor Privatpersonen bevorzugt würden?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Benda, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Das Recht der freien Meinungsäußerung und das Recht der Versammlungsfreiheit, die beide im Grundgesetz gewährleistet sind, sollen nicht angetastet werden. Hieran hat der Bundesminister des Innern nie einen Zweifel gelassen.
Die zunehmende Radikalisierung in gewissen Teilen des öffentlichen Lebens, die häufigen Störungen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung bei politischen Versammlungen und nicht zuletzt auch die Demonstration in Bensberg haben den Bundesminister des Innern veranlaßt, eine Prüfung einzuleiten, ob die geltenden Vorschriften ausreichen, zu verhindern, daß die Entscheidungsfreiheit der Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens durch Belästigungen und Bedrohungen ihres persönlichen Lebensbereichs beeinträchtigt wird. Diese Prüfung hat ergeben, daß die sachgerechte Anwendung der genannten Vorschriften bei Versammlungen und Aufzügen herkömmlicher Art hierzu ausreicht.
Parlamentarischer Staatssekretär Benda
So besteht die Möglichkeit, derartige Veranstaltungen zu verbieten oder von bestimmten Auflagen abhängig zu machen, wenn nach den konkreten Umständen des Einzelfalls die öffentliche Sicherheit oder Ordnung unmittelbar gefährdet ist. Hierzu gehört auch eine Beeinträchtigung von Leben, Gesundheit oder Freiheit eines einzelnen.
Eine andere Frage ist es, ob es ein guter und zulässiger politischer Stil ist, Demonstrationen vor der Wohnung eines Bundesministers durchzuführen, wie es in Bensberg geschehen ist. Unsere Verfassung bietet genügend andere Möglichkeiten, politische Meinungen wirksam zur Geltung zu bringen. Es ergibt sich aus der Natur der Sache, daß das Problem, von dem hier gesprochen wird, sich nur bei Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens stellt und stellen kann, wobei ich unter öffentlichem Leben keineswegs nur den politischen Bereich im engeren Sinne verstehe. An eine Bevorzugung von Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens gegenüber den sogenannten Privatpersonen denkt niemand.
Zusatzfrage bitte, Herr Abgeordneter Mertes.
Darf ich Ihrer Antwort entnehnehmen, Herr Staatsssekretär, daß keine zusätzlichen Maßnahmen gegen Demonstranten geplant sind?
Benda, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Das ist das Ergebnis der Prüfung, über das ich berichtet habe. Es sind keine Maßnahmen geplant.
Zweite Zusatzfrage.
Insofern treffen also die Erwägungen des Herrn Bundesministers des Innern nicht mehr zu?
Benda, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Das ist ein bißchen umständlich ausgedrückt, Herr Kollege Mertes. Der Herr Bundesminister des Innern hat, wie ich im einzelnen berichtet habe, Erwägungen angestellt und ist zu dem von mir dargestellten Ergebnis gekommen. Es kommt also nicht darauf an, ob die Erwägungen zutreffend sind, sondern wesentlicher ist wohl - das allein kann eigentlich die Frage sein -, ob das Ergebnis zutreffend ist, und dieser Meinung, daß das Ergebnis zutreffend ist, bin ich in der Tat.
Weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Mertes.
Es ist also nicht zu erwarten, Herr Staatssekretär, daß die Bundesregierung Entscheidungen in bezug auf Stilfragen treffen wird?
Benda, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Natürlich nicht. Die Rechte und Pflichten der Bundesregierung sind im
Grundgesetz und in den Gesetzen festgelegt; daran hält sich die Bundesregierung selbstverständlich.
Weitere Zusatzfrage.
Sind Sie der Meinung, Herr Staatssekretär, daß es sich bei Demonstrationen um Erpressungen handeln könnte, wie das in den letzten Tagen verschiedentlich zu lesen war?
Benda, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Das kann man nicht allgemein beantworten, Herr Kollege Mertes. Ich habe erwähnt - und das wissen wir natürlich alle -, daß das Grundrecht der Versammlungsfreiheit und das der freien Meinungsäußerung gewährleistet sind. Soweit es sich um Versammlungen unter freiem Himmel handelt, steht dieses Grundrecht unter einem Vorbehalt, der davon ausgeht, daß eine Demonstration im Einzelfall doch gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung verstoßen kann. Ob das der Fall ist, hängt aber von den Umständen des Einzelfalles ab und kann daher nicht allgemein beantwortet werden. Wenn diese Voraussetzungen vorliegen - so steht es auch im Versammlungsgesetz -, sind die zuständigen Behörden nicht nur berechtigt, sondern verpflichtet, mit den gesetzlich zulässigen Mitteln einzugreifen.
Wir kommen jetzt zur Frage 38 des Herrn Abgeordneten Schmitt-Vockenhausen. - Herr Schmitt-Vockenhausen ist nicht da. Dann wird die Frage schriftlich beantwortet.
Frage 39 des Herrn Abgeordneten Müller ({0}). - Herr Abgeordneter Müller ({1}) ist auch nicht im Saal. Die Frage wird dann auch schriftlich beantwortet.
Jetzt kommen wir zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung. Frage 62 des Herrn Abgeordneten Geldner:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß sich eine Reihe von Heilbädern Sorgen wegen zu erwartender Einbußen in den beiden letzten Monaten dieses Jahres machen, weil die früher von der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte ausgehende zusätzliche Winterbelegung ausfällt?
Der in Ihrer Frage, Herr Abgeordneter Geldner, dargelegte Sachverhalt ist der Bundesregierung bekannt. In der Tat ist die Zahl der Anträge auf Heilverfahren, wahrscheinlich vor allem im Zusammenhang mit der ungünstigeren Arbeitsmarktlage, seit August 1966 merklich zurückgegangen. Nachdem diese Zahl im März 1967 um 22,3 % unter den Vorjahresstand gesunken war, hat die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte die Kurverwaltungen im April 1967 vorsorglich davon unterrichtet, daß die sogenannten „Herbst-Winter-Betten", die in den Vorjahren dem Abbau des Sommerüberhangs an Heilverfahrensanträgen dienten, in diesem Jahr wahrscheinlich nicht benötigt werden würden. Die
seitherige Entwicklung hat dann tatsächlich dazu geführt, daß die Kapazität der Häuser, die der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte ganzjährig zur Verfügung stehen, zur Durchführung der Heilverfahren ausreichte. Zusätzliche Betten brauchten im Gegensatz zu den Vorjahren nicht in Anspruch genommen zu werden.
Keine Zusatzfrage? Dann die Frage 63 des Herrn Abgeordneten Maucher:
Ist der Bundesregierung bekannt, in welcher Höhe bisher Mittel für die Forschung der orthopädisch-technischen Entwicklung von der Unfallberufsgenossenschaft bereitgestellt wurden?
Herr Maucher ist im Saal. Bitte, Herr Staatssekretär!
Ich bitte, die Fragen des Herrn Abgeordneten Maucher wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantworten zu dürfen.
Dann rufe ich auch die Frage 64 des Herrn Abgeordneten Maucher auf:
Kann die Bundesregierung darüber Auskunft geben, wie hoch die Zahl der Berufsunfallgeschädigten ist, die orthopädisch zu versorgen sind?
Der Bundesregierung ist bekannt, daß die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung, insbesondere die gewerblichen Berufsgenossenschaften, laufend Mittel für Forschungsvorhaben sowohl der eigenen Einrichtungen als auch Dritter ausgeben, soweit diese Forschungen im Interesse der Versorgung der Unfallverletzten liegen. Auch an den Kosten für orthopädisch-technische Forschung haben sich die gewerblichen Berufsgenossenschaften beteiligt. In den letzten 15 Jahren haben die gewerblichen Berufsgenossenschaften für Forschungsvorhaben auf allen Gebieten etwa 31/2 Millionen DM aufgewendet. Die darin für orthopädisch-technische Forschung enthaltenen Mittel sind allerdings nicht besonders ausgewiesen.
Über die Zahl der Unfallgeschädigten, die orthopädisch versorgt werden müßten gibt es bisher keine umfassende Statistik. Nach den Erfahrungen der Versicherungsträger der gesetzlichen Unfallversicherung liegt der Anteil der orthopädisch zu Versorgenden bei 6 bis 7 °/o der Verletztenrentenempfänger. Unter Zugrundelegung dieser Erfahrungssätze ergäben sich für den Bereich der gewerblichen Berufsgenossenschaften etwa 34 000 orthopädisch zu Versorgende, für die landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften etwa 18 000 und für die gemeindlichen Unfallversicherungsträger sowie die Länder und den Bund etwa 12 000. Danach wären insgesamt von den Unfallversicherungsträgern etwa 64 000 Verletzte orthopädisch zu versorgen.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Maucher.
Herr Staatssekretär, ich kenne einen Fall, in dem die Berufsgenossenschaften für einen orthopädisch-technischen Forschungsauftrag um eine finanzielle Beteiligung von etwa 75 000 DM bereits im Frühjahr dieses Jahres gebeten wurden. Wie lange hat es gedauert, bis eine Entscheidung getroffen wurde?
Es trifft zu, Herr Abgeordneter Maucher, daß der Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften um eine finanzielle Beteiligung für einen orthopädisch-technischen Forschungsauftrag von etwa 75 000 DM im Frühjahr dieses Jahres gebeten worden ist. Der Hauptverband hat über diesen Antrag noch nicht entschieden, da zunächst seine Fachausschüsse zu dieser Frage Stellung nehmen müssen. Vor Genehmigung solcher Anträge prüft nämlich der Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften stets, ob gleiche Forschungsaufträge bereits von anderen Stellen durchgeführt werden oder ob ähnliche Forschungsaufträge im Interesse der zweckmäßigen Anwendung der Mittel aufeinander abgestimmt werden müssen. Einer finanziellen Beteiligung an dem genannten Forschungsauftrag steht der Hauptverband grundsätzlich nicht ablehnend gegenüber.
Eine weitere Zusatzfrage des Abgeordneten Maucher.
Herr Staatssekretär, wenn - wie ich aus der Antwort entnehmen muß - die Feststellung, ob bereits ähnliche Forschungsvorhaben laufen oder vergeben worden sind, so lange Zeit in Anspruch nimmt, bedarf es dann nicht dringend der Schaffung einer besseren Übersicht über die bestehenden Forschungsvorhaben auf dem gesamten Gebiet der Rehabilitation Behinderter?
Das Problem der notwendigen Übersicht über vorhandene Forschungsarbeiten und erteilte Forschungsaufträge gehört in den großen Komplex der Zusammenarbeit aller Stellen, die sich in irgendeiner Form mit Aufgaben auf dem Gebiet der Rehabilitation Behinderter beschäftigen. Das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung bemüht sich intensiv darum, auf diesem Gebiet über das bereits Erreichte hinaus die Koordinierung zu verbessern und - soweit notwendig - auch eine Verbesserung der institutionellen Voraussetzungen zu fördern.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Enders.
Herr Staatssekretär, da Forschungsaufträge für die Rehabilitation der orthopädisch zu Versorgenden in der Regel nur über ein Jahr laufen, ist es schwierig, den Erfolg dieses Auftrages für die Zukunft zu sichern. Halten Sie es deswegen nicht für vordringlich, auf diesem Gebiet länger laufende Forschungsaufträge zu erteilen?
Herr Abgeordneter, die Mittel im Haushalt sind für ein Jahr bewilligt. Wir müßten hier später vielleicht mit Bindungsermächtigungen arbeiten. Bisher hat sich die Notwendigkeit dazu noch nicht ergeben, aber wir werden die Frage prüfen.
Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Enders.
Herr Staatssekretär, da Forschungsaufträge für die genannte Rehabilitation von verschiedenen Stellen durchgeführt werden, ergibt sich die Frage, ob nicht eine Zusammenfassung aller Forschungsaufträge beim Bund von Vorteil wäre.
Das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung wird in Kürze dem Ausschuß für Sozialpolitik einen Bericht über den Stand auf dem Gebiet der Rehabilitation und die weitere Förderung von Rehabilitationseinrichtungen vorlegen. Darin wird eine Verbesserung der Richtlinien für die Vergabe von Mitteln für diesen Zweck aus dem Bundeshaushalt und eine Koordinierung der Aufgaben der an der Rehabilitation beteiligten Bundesressorts befürwortet. Außerdem soll angestrebt werden, eine gemeinnützige Institution zu gründen, welche die örtlichen Träger von Rehabilitationseinrichtungen beim Bau neuer und der Modernisierung bestehender Ausbildungsstätten beraten und bei der Durchführung und Finanzierung unterstützen soll. Die Praxis hat gezeigt, daß gerade örtliche Träger dringend einer Hilfe bedürfen.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Burger.
Herr Staatssekretär, hat die Bundesregierung auch dafür Sorge getragen, daß Forschungsergebnisse auf dem Gebiet der Rehabilitation unabhängig von der Finanzierung der Vorhaben allen Stellen zugänglich gemacht werden, die sich mit Rehabilitationsmaßnahmen befassen?
Herr Abgeordneter, wir prüfen diese Frage. Ich verstehe das Ziel, das Sie haben. Die Bundesregierung stimmt diesem Ziel zu. Wir werden uns in dieser Richtung bemühen.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Maucher!
Herr Staatssekretär, können sich die Berufsgenossenschaften auf dem Gebiet der orthopädisch zu Versorgenden nicht die Statistik und die Erfahrungen, die auf dem Gebiet der Kriegsopferversorgung gemacht worden sind, zu eigen machen?
Wir werden mit den Berufsgenossenschaften darüber sprechen, Herr Abgeordneter.
({0})
Sie hatten jetzt aber schon die vierte Zusatzfrage. Das Kontingent ist erfüllt!
({0})
- Dann muß ich meinen Zählmechanismus überprüfen. Herr Abgeordneter, Sie haben wirklich noch eine Frage. - Bitte!
Ist die Bundesregierung bereit, zu gegebener Zeit über das Ergebnis der Verhandlungen mit der Berufsgenossenschaft mir schriftlich zu berichten?
Sicher, Herr Abgeordneter.
Wir kommen jetzt zu den Fragen 65 und 66 des Herrn Abgeordneten Burger:
Trifft es zu, daß die deutschen Krankenkassen für die in Italien lebenden Familienangehörigen versicherter Gastarbeiter je anspruchsberechtigte Person einen Pauschbetrag von jährlich 421,92 DM im Jahre 1965 abzuführen hatten?
Wie beurteilt die Bundesregierung die Höhe des in Frage 65 erwähnten Kostenersatzes, nachdem in dem jetzt vorliegenden Jahrbuch der Nationalen Anstalt für Krankenversicherung Italiens die Ausgaben für Sachleistungen je anspruchsberechtigte Person bei der Versicherungskategorie Industrie, von der bei der Ermittlung der Pauschbeträge ausgegangen wird, mit 173,30 DM im Jahre 1965 angegeben werden?
Die Fragen des Herrn Abgeordneten Burger bitte ich wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantworten zu dürfen.
Nach den im Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung vorliegenden Unterlagen trifft es nicht zu, daß für in Italien liebende Familienangehörige von italienischen Gastarbeitern die deutschen Krankenkassen 1965 einen Pauschalbetrag von 421,92 DM pro Person abzuführen haben. Von den deutschen Krankenkassen abgeführt werden muß vielmehr ein Betrag von 332 DM pro Familie für diejenigen italienischen Gastarbeiter, deren Familien in Italien leben. Die Verpflichtung für die deutschen Krankenkassen zur Überweisung dieses Pauschalbetrages ergibt sich aus den diesbezüglichen EWG-Verordnungen. Hiernach müssen die deutschen Krankenkassen, denen die Krankenversicherungsbeiträge der hier beschäftigten italienischen Arbeitnehmer zufließen, den Krankenkassen im Heimatland eine Kostenpauschale erstatten, wenn die italienische Krankenversicherung die dort lebenden Familienangehörigen betreut. Diese Kostenpauschale ist auf 75 % desjenigen Betrages festgelegt, den die
italienische Krankenversicherung durchschnittlich je Familie eines Industriearbeiters aufwendet.
Der in Ihrer zweiten Frage, Herr Abgeordneter Burger, angeführte Betrag von 173,30 DM, der im Jahrbuch der Nationalen Anstalt für die Krankenversicherung Italiens angegeben wird, läßt sich mit den für die Abführungen der deutschen Krankenkassen maßgebenden Beträgen nicht vergleichen. Es handelt sich hierbei nämlich um den jährlichen Durchschnittsbetrag, den die italienische Krankenversicherung für jede von der Versicherung geschützte Person, also nicht für die Familie, aufgewendet hat. Dabei sind also die Versicherten und deren Familienangehörige einbezogen.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Burger.
Herr Staatssekretär, der angegebene Pauschbetrag differiert mit meiner Angabe über die Höhe des Kostenersatzes der südbadischen Krankenkassen.
Verehrter Herr Abgeordneter, das ist natürlich keine Frage.
Jetzt kommt der Satz - Herr Präsident, ich danke Ihnen für den Hinweis -: Gibt es hier unterschiedliche Pauschbeträge, die ersetzt werden müssen, oder ist das bundeseinheitlich geregelt?
Soweit ich unterrichtet bin, ist der Pauschbetrag bundeseinheitlich geregelt. Wenn es anders sein sollte, Herr Abgeordneter, werde ich es Ihnen schriftlich mitteilen.
Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär. Bitte noch eine weitere Frage.
Bitte, Herr Kollege!
Herr Staatssekretär, sind Sie nicht doch der Auffassung, daß die Differenz zwischen den Ausgaben der italienischen Krankenkassen für die dortigen Familienangehörigen und dem Kostenersatz .der deutschen Krankenkassen erheblich ist?
Herr Abgeordneter, wenn die Kostenpauschale auf 75 % desjenigen Betrages festgelegt ist, den die italienische Krankenversicherung durchschnittlich je Familie eines Industriearbeiters aufwendet, kann ich nicht sagen, daß die Differenz erheblich ist. Im übrigen sind wir durch die EWG-Verordnungen gebunden.
Bitte sehr, Herr Burger!
Herr Staatssekretär, im Jahre 1959 wurde auf Grund der Statistik der italienischen Krankenkassen der Durchschnittsaufwand pro versicherter Person in Italien mit 63,90 DM angegeben. Es hat sich also in den Jahren 1959 bis 1965 eine Erhöhung um 160 % ergeben. Zeigen nicht auch diese Zahlen sehr deutlich, daß die Ausgaben der italienischen Krankenkassen wahrscheinlich doch in der Prognose etwas zu hoch angesetzt waren?
Herr Abgeordneter, ich weiß nicht, ob dieser Schluß aus Ihrer Zahl zu ziehen ist. Auch in der Bundesrepublik sind die Kosten, wie Sie wissen, seit 1959 erheblich gestiegen.
Wir kommen jetzt zu den Fragen 78, 79 und 80 des Herrn Abgeordneten Schmidhuber:
Wie viele Bergarbeiter ({0}) haben infolge Stilllegung von Schachtanlagen seit dem 1. Januar 1966 ihren Arbeitsplatz im Bergbau verloren?
Wieviel Prozent der in Frage 78 erwähnten Bergarbeiter fanden einen Arbeitsplatz in anderen Wirtschaftszweigen?
Wieviel Prozent der in Frage 78 erwähnten Bergarbeiter machten von den gebotenen Umschulungsmöglichkeiten Gebrauch?
Ist der Abgeordnete Schmidhuber im Saal? - Bitte sehr, Herr Staatssekretär.
Ich darf also die drei Fragen wegen. ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantworten.
Seit dem 1. Januar 1966 sind nach Schätzungen der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung insgesamt etwa 33 000 Unter-Tage-Beschäftigte infolge von Stillegungs-, Teilstillegungs- oder Einschränkungsmaßnahmen aus dem Bergbau ausgeschieden. Davon kamen rund 30 500 Bergleute aus dem Steinkohlebergbau, 900 aus ,dem Eisenerzbergbau und etwa 1600 aus dem oberbayerischen Pechkohlebergbau.
Da in der Arbeitsverwaltung keine Beschäftigtenkartei geführt wird, können keine genauen Zahlen darüber angegeben werden, wie viele der ausgeschiedenen Bergleute andere Arbeitsplätze gefunden haben. Nach den Feststellungen der Bundesanstalt sind hierüber auch keine ausreichend fundierten Schätzungen möglich. Auch nachträgliche Erhebungen erscheinen wegen der großen Zahl der Betroffenen nicht durchführbar.
Der Hauptgrund für ,die nicht vollständige statistische Erfassung liegt vor allem darin, daß zahlreiche Arbeitnehmer neue Arbeitsmöglichkeiten auf Grund eigener Bemühungen finden oder unmittelbar nach ihrer Entlassung von anderen Unternehmen eingestellt werden, ohne daß sie vorher bei .dem für sie zuständigen Arbeitsamt vorstellig geworden sind.
Für den Eisenerz- und den Pechkohlebergbau können wegen der verhältnismäßig geringen Zahl der insgesamt von Stillegungsmaßnahmen betroffenen
Bergleute genauere Angaben gemacht werden. Von den aus dem Eisenerzbergbau ausgeschiedenen Bergleuten konnten 75,7 %, von den aus dem Pechkohlebergbau ausgeschiedenen 67,2 % auf Arbeitsplätze in anderen Wirtschaftszweigen vermittelt werden.
Zur Frage nach der Ausnutzung der gebotenen Umschulungsmöglichkeiten ist folgendes zu sagen. Von den aus dem Steinkohlebergbau ausgeschiedenen Bergleuten haben sich seit dem 1. Januar 1966 bisher etwa 2000 - das sind 6,5 % - umschulen lassen. Bei den aus dem Eisenerzbergbau Ausgeschiedenen waren es rund 280 - 31 % - und bei den aus dem Pechkohlebergbau Ausgeschiedenen rund 650 - 41 % -.
Bitte, eine Zusatzfrage!
Herr Staatssekretär, wäre es nicht zweckmäßig, im Interesse des weiteren beruflichen Schicksals der Bergarbeiter und im Hinblick auf die bedeutungsvollen Entscheidungen, die bezüglich der Sanierung des deutschen Steinkohlebergbaus anstehen, die statistischen Erhebungsmethoden zu verbessern?
Herr Abgeordneter, das ist ein generelles Problem, mit dem sich das Hohe Haus auch bei der Beratung des Entwurfs eines Arbeitsförderungsgesetzes beschäftigen wird. Ich neige dazu, Ihnen zuzustimmen, daß wir uns bemühen müssen, genauere Festellungen darüber zu treffen, wo die einzelnen Arbeitnehmer eine neue Beschäftigung gefunden haben.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Kollege Schmidhuber.
Herr Staatssekretär, wie erklären Sie sich, daß der Prozentsatz derjenigen, die von den Umschulungsmöglichkeiten Gebrauch machen, so gering ist? Hängt das etwa damit zusammen, daß die Bergarbeiter schneller einen neuen Arbeitsplatz finden, als man im allgemeinen vermutet?
Das ist im Augenblick sicher nicht der Fall. In der Vergangenheit ist es allerdings so gewesen, als auch im Ruhrgebiet eine große Zahl von Beschäftigten gesucht wurde. Aber den Unterschied zwischen dem Steinkohle-, dem Eisenerz- und Pechkohlebergbau erkläre ich mir auf Grund anderer Tatsachen. Der verhältnismäßig geringe Prozentsatz bei den aus dem Steinkohlebergbau Entlassenen - im Verhältnis zu den aus dem Eisenerz- und dem Pechkohlebergbau Ausgeschiedenen - erklärt sich vermutlich in der Hauptsache daraus, daß es sich im Eisenerz- und im Pechkohlebergbau um Totalstillegungen handelte. Infolgedessen war unter den freigestellten Kräften eine große Zahl jüngerer Arbeitnehmer, die für Umschulungsmaßnahmen naturgemäß in erster
Linie in Betracht kommen. Bei den aus dem Steinkohlebergbau Ausgeschiedenen ist der Anteil jüngerer Bergleute dagegen erheblich geringer, da die Bergbauunternehmen bemüht sind, die jüngeren Arbeitnehmer zu halten. Immerhin haben sich von den aus dem Steinkohlebergbau ausgeschiedenen Bergleuten seit Januar 1966, wie ich Ihnen schon sagte, rund 2000 Arbeitnehmer zum Teil in längerfristigen Maßnahmen zu neuen Berufen umschulen lassen. Nach letzten Berichten nimmt die Zahl der Umschulungswilligen aus dem Steinkohlebergbau weiter zu.
Am nächsten Montag wird in Düsseldorf ein Gespräch stattfinden, an dem u. a. der Herr Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen und der Herr Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung teilnehmen. Dort wird auch über die Umschulung gesprochen werden.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Kollege Schmidhuber.
Herr Staatssekretär, können Sie Angaben darüber machen, welcher Prozentsatz der über 55 Jahre alten Bergarbeiter, die durch die Stillegungen ihren Arbeitsplatz verloren haben, von der Möglichkeit Gebrauch gemacht hat, vorzeitig die Altersrente zu beziehen?
Herr Abgeordneter, diese Zahl werde ich Ihnen schriftlich übermitteln.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Könen ({0}).
Herr Staatssekretär, schließen Sie aus, daß zu den Gründen für die etwas geringere Beteiligung an den Umschulungsmaßnahmen auch die zum Teil die Familienväter etwas bedrückende, nicht besonders gute Versorgung ihrer Familien während dieser Zeit gehören kann?
Herr Abgeordneter, gerade durch Richtlinien der Nürnberger Anstalt wird dafür gesorgt, daß während der Umschulung auch die Familien ihre Einkünfte behalten. Bei der Beratung des Entwurfs eines Arbeitsförderungsgesetzes wird diese Frage erneut geprüft werden müssen. Die Bundesregierung ist der Ansicht, daß die Familien auf keinen Fall darunter leiden dürfen, wenn sich die Familienväter umschulen lassen.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Kollege Könen.
Darf ich Ihrer Antwort entnehmen, Herr Staatssekretär, daß die Nürnberger Anstalt nicht etwa warten will, bis das Gesetz verabschiedet worden ist?
So ist es.
({0})
Nun noch die Frage 81
des Herrn Abgeordneten Dr. Häfele:
Wird ,die .Bundeslegierung in dieser Legislaturperiode einen Gesetzentwurf einbringen, wodurch die gesetzlichen Krankenkassen auf dauerhaft gesunde Beine gestellt und die Selbstverantwortung des Versicherten gestärkt werden?
Der Fragesteller hat sich mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt. Die Antwort des Bundesministers Katzer vom 6. Dezember 1967 lautet:
Der Bundestag wird in diesen Tagen das Finanzänderungsgesetz 1967 verabschieden. Dieses Gesetz bringt im Rahmen der Rentnerkrankenversicherung eine Reihe von Änderungen. Insbesondere wird durch eine andere Verteilung der von den Rentenversicherungsträgern zu zahlenden Beiträge eine Entlastung der Krankenkassen erreicht', die durch einen hohen Rentneranteil am Kreis ihrer Versicherten besonders belastet waren. Außerdem werden die Krankenkassen Mehreinnahmen durch die Erhöhung der Rezeptgebühr haben. Inwieweit diese Maßnahmen zu einer dauerhaften Konsolidierung der Finanzen der Krankenversicherung ausreichen kann mit der für eine größere Reform der Krankenversicherung notwendigen Übersicht erst gesagt werden, wenn ihre tatsächlichen Auswirkungen auf die Finanzlage der einzelnen Krankenkassen deutlich werden. Dabei ist auch zu berücksichtigen, daß durch die vorgesehene Mutterschaftsgeldregelung eine zusätzliche Belastung der Krankenversicherung eintreten wird.
Die von Ihnen angeschnittene Frage der Stärkung der Selbstverantwortung der Versicherten ist 8 Jahre lang in wissenschaftlichen Gutachten und im Parlament erörtert worden. Ich erinnere daran, daß in der letzten Legislaturperiode eine Koppelung von drei Gesetzentwürfen ({0}) von der Bundesregierung dem Bundestag vorgelegt worden war. Aus diesem Paket ist nur die Änderung des Kindergeldrechtes mit der Folge der Entlastung der Wirtschaft um mehr als 1 Mrd. DM vom Bundestag verabschiedet worden, der vorgesehene Ausgleich durch das Lohnfortzahlungsgesetz, das wiederum die Basis für die Krankenversicherungsreform abgab, hingegen nicht.
Es ist der Bundesregierung ein ernstes Anliegen, daß die finanziellen Verhältnisse auch der gesetzlichen Krankenversicherung gesund sind. Sie wird daher alles Erforderliche veranlassen, um dieses Ziel zu erreichen.
Damit sind die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Herrn Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung beantwortet.
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung, Fragen 82 und 83 des Herrn Abgeordneten Kaffka:
Was ist der Bundesregierung über die neonazistische Literatur in den Bundeswehrbibliotheken bekannt?
Welchen Einfluß nimmt die Bundesregierung auf die Auswahl der Bücher für die Truppenbibliotheken?
Zur Beantwortung der Herr Staatssekretär des Bundesministers der Verteidigung.
Darf ich auf die beiden Fragen zusammen antworten, Herr Präsident?
Bitte schön.
Herr Abgeordneter, in der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit habe ich mir keinen vollständigen Überblick über ,die Zusammensetzung der Truppenbüchereien der Bundeswehr verschaffen können. Es gibt keine zentrale Gesamtkartei für diese Büchereien.
Ich darf aber Ihre zweite Frage zum Anlaß nehmen, um einige grundsätzliche Bemerkungen über die Beschaffung der Bücher für die Truppenbüchereien zu machen. Die im Handbuch „Innere Führung" im Jahre 1957 festgelegten Grundsätze lehnen Eingriffe in die Freizeit des Soldaten grundsätzlich ab. Dem folgen auch die bisher geltenden Richtlinien für Truppenbüchereien, welche die Verantwortung für die Buchauswahl auf die zuständigen Kommandeure delegieren und außerdem empfehlen, den Rat des Buchhandels und öffentlicher Büchereien in Anspruch zu nehmen. Schließlich ist den Soldaten ein Mitspracherecht durch Wunschlisten eingeräumt.
Ich beabsichtige, den verantwortlichen Kommandeuren in Zukunft eine Hilfe an die Hand zu geben, die ihnen die Buchauswahl erleichtern soll. Der Entwurf einer entsprechenden Richtlinie, die nach der Debatte über den Jahresbericht des Herrn Wehrbeauftragten in der Sitzung des Verteidigungsausschusses am 22. Juni dieses Jahres gefordert worden ist, ist in Vorbereitung.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Kaffka.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen die Veröffentlichung des „Spiegel" dieser Woche über die Bibliotheken der Bundeswehr bekannt?
Ich habe diesen Artikel gelesen, Herr Abgeordneter.
Weitere Zusatzfrage.
Ist es Tatsache, daß der Herr Kopelke Truppenbüchereireferent in Ihrem Hause ist?
Das ist zutreffend.
Weitere Zusatzfragen? - Sie müssen sich melden.
Herr Staatssekretär, welche Maßnahmen gedenkt das Verteidigungsministerium zu treffen, falls das, was in dem Nachrichtenmagazin dargestellt ist, dem wahren Sachverhalt entspricht?
Herr Abgeordneter, ich meine, ich habe diese Frage beantwortet. Es sind Richtlinien in Vorbereitung, die den Kommandeuren der einzelnen in Frage kommenden Einheiten Hilfen für die Beschaffung von Büchern für die Truppenbüchereien an die Hand geben sollen.
Noch eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, sind Sie der Ansicht, daß ein Mann wie der Referent für die Truppenbüchereien im Ministerium für die Streitkräfte eines demokratischen Staates tragbar ist?
Herr Abgeordneter, ich möchte dazu zweierlei sagen. Die Frage, ob die frühere Zugehörigkeit zu einer der nationalsozialistischen Organisationen der Verwendung eines Beamten entgegensteht, ist bei seiner Einstellung geprüft worden. Ich sehe keine Veranlassung, diese Prüfung zu wiederholen. Ich gehe davon aus, daß dieses Kapitel abgeschlossen ist. Ich beurteile den Beamten nach seinen jetzigen Leistungen. In dem Falle des von Ihnen angesprochenen Beamten habe ich keinen Anlaß, daran zu zweifeln, daß er die ihm gegebenen Richtlinnen und Weisungen für seine Arbeit loyal befolgt.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dröscher.
Herr Staatssekretär, warum hat die Bundesregierung oder das Verteidigungsministerium in diesem Fall eigentlich noch nicht versucht, die Zusammenarbeit mit den Landesfachstellen für Büchereiwesen, die doch über ausgezeichnete Erfahrungen auf diesem Gebiet verfügen, zu intensivieren?
Ich glaube, Herr Abgeordneter, daß eine solche Zusammenarbeit in den einzelnen örtlichen Bereichen besteht, bin aber bereit, das prüfen zu lassen und Ihnen darauf eine Antwort zu geben.
Herr Abgeordneter Felder,eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, Sie haben eben gesagt, daß keine Beanstandungen bei der Arbeit des Herrn Kopelke bestehen. Ist es aber nicht so, wie behauptet wird, daß der Herr Kopelke zu den Teilnehmern der Lippoldsberger Dichtertagungen gehört oder sogar zuweilen Referent dieser Tagungen im NS-Hause Grimm ist. Ist das nicht etwas, was mit seiner Tätigkeit als Hilfsreferent und Betreuer der Truppenbüchereien nicht vereinbar ist?
Herr Abgeordneter, ich kann diese Frage nicht beantworten. Ich weiß nicht, ob die Behauptung zutrifft.
Eine weitere Zusatzfrage!
Wären Sie bereit, Herr Staatssekretär, diese Frage nachzuprüfen und den ganzen Komplex im Verteidigungsausschuß zur Erörterung zu bringen?
Dazu bin ich gern bereit, Herr Abgeordneter.
Damit ist die Beantwortung der Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung beendet.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Gesundheitswesen. Die Fragen 84, 85 und 86 stellt Herr Abgeordneter Schmidt ({0}). Herr Abgeordneter Schmidt ({1}) ist nicht da, die Fragen werden von Herrn Genscher übernommen:
Hat die Bundesregierung Anhaltspunkte dafür, daß die Kritik berechtigt ist, die von der Deutschen Gesellschaft für perinatale Medizin in Berlin erhoben worden ist, wonach „das seit wenigen Jahren geltende Mutterschutzgesetz, das die Schwangerenberatung von den Kliniken auf die freie Praxis verlagert habe" mit zu einer Erhöhung der Säuglingssterblichkeit beigetragen habe?
Worauf ist nach Ansicht der Bundesregierung zurückzuführen, daß die Schwangerenfürsorge bei uns nicht so gut, insbesondere aber auch die Überwachung der Neugeborenen nicht so gründlich wie in anderen Ländern ist, in denen angeblich weniger Kinder als bei uns vor, während und nach der Geburt sterben oder an Geistesschwäche leiden?
Worauf stützt der Staatssekretär Prof. Dr. von Manger-Koenig seine in diesem Zusammenhang in Berlin geäußerte Meinung, die Zustände würden sich auch auf diesem Sektor bessern, wenn der Bund im Gesundheitswesen die einzelnen Maßnahmen stärker koordinieren könne?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Zunächst ist festzustellen, daß die Säuglingssterblichkeit auch in der Bundesrepublik von Jahr zu Jahr zurückgegangen ist und inzwischen einen Stand 'erreicht hat, der in der gleichen Größenordnung liegt wie in anderen vergleichbaren Staaten. Gleichwohl müssen noch erhebliche Anstrengungen gemacht werden, neben der Säuglingssterblichkeit auch die perinatale Sterblichkeit weiter zu senken.
Die Besorgnis, daß eine Verlagerung. der Schwangerenberatung von den Kliniken auf die freie Praxis diese günstige Entwicklung stören könnte, ist nicht von der Deutschen Gesellschaft für Perinatale Medizin vertreten, sondern bei einer Tagung dieser Gesellschaft von einem Referenten vorgetragen worden. Seine Ausführungen bezogen sich nicht auf die Bundesrepublik im ganzen, sondern auf (lie für seine Klinik bestehenden besonderen Vertragsverhältnisse.
Weder das Mutterschutzgesetz noch die dazu erlassenen Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen schließen aus, daß die Kliniken sich an der Schwangerenvorsorge beteiligen. Vertragliche Vereinbarungen hierüber sind zwischen den zuständigen Landesbehörden und den kassenärztlichen Vereinigungen zu treffen.
Von den Sachverständigen wird heute allegemein anerkannt, daß im Verlauf einer normalen Schwangerschaft eine Gesamtzahl von 10 bis 12 Vorsorge7278
untersuchungen notwendig ist. Von der Verwirklichung eines solchen Umfanges der Schwangerenvorsorge sind wir allerdings noch weit entfernt. Die Schwangerenvorsorge nach dem Mutterschutzgesetz wurde am 1. Januar 1966 eingeführt. Soweit sich dies nach einschlägigen Erhebungen aus der jüngsten Zeit beurteilen läßt, muß damit gerechnet werden, daß immer noch etwa ein Viertel der Erstgebärenden und fast die Hälfte der Mehrgebärenden die nach diesem Gesetz gewährten Vorsorgeuntersuchungen nicht rechtzeitig oder nicht ausreichend in Anspruch nehmen. Hier hat eine systematische gesundheitliche Aufklärung eine wichtige gesundheitspolitische Aufgabe zu erfüllen. Diese Aufklärung ist zum Teil durchgeführt, zum Teil vorbereitet.
Wesentlich für eine weitere Senkung der Säuglingssterblichkeit ist ferner, daß alle Frauen, bei denen mit irgendwelchen Schwierigkeiten für die Mutter oder das Kind gerechnet werden muß, zur Entbindung rechtzeitig in eine leistungsfähige - ich betone: leistungsfähige - Klinik oder Krankenhausabteilung eingewiesen werden. Zwar nimmt die Zahl der Anstaltsentbindungen erfreulicherweise ständig zu. Der erstrebte Erfolg dieser Entwicklung ist aber nur dann zu erwarten, wenn alle Entbindungsanstalten nach ihrer personellen Besetzung und nach ihrer apparativen Ausstattung modernen Erfordernissen in vollem Umfang gerecht werden.
Schließlich ist noch zu erwähnen, Herr Abgeordneter, daß Mütter- und Säuglingssterblichkeit beeinflußt werden durch eine sicher hohe Zahl verbotener Eingriffe zur Unterbrechung unerwünschter Schwangerschaften. Für eine gesundheitliche Aufklärung über die Möglichkeiten der Familienplanung ergibt sich hier eine weitere bedeutsame Aufgabe.
Nun zur letzten Frage: Ich habe in einem Podiumsgespräch in Berlin darauf hingewiesen, daß durch den weiteren Ausbau der Schwangerenvorsorgeuntersuchung unter Einbeziehung auch der nichtversicherten Frauen und durch die Einführung genereller Vorsorgeuntersuchungen der Neugeborenen unmittelbar nach der Geburt die Frühsterblichkeit der Säuglinge und körperliche und geistige Spätschäden weiter vermindert werden können und müssen. Die heute recht unterschiedlichen Untersuchungsmöglichkeiten und -methoden und das zum Teil immer noch bestehende Gefälle zwischen Stadt und Land können durch Koordination aller Vorsorgemaßnahmen ausgeglichen werden, um damit letztlich die Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse in der Bundesrepublik herzustellen.
Damit sind die Fragen beantwortet. Nun noch die Fragen 87, 88 und 89 des Herrn Abgeordneten Schlager aus ,dem Nachtrag zu Drucksache V/2333:
Teilt die Bundesregierung meine Auffassung, daß der hessische Verfassungsschutz plichtgemäß und rechtmäßig gehandelt hat, als er den Sozialistischen Deutschen Studentenbund ({0}) wegen seiner gegenwärtigen Zielsetzung. seiner inneren Verfassung und seines Auftretens in der Offentlichkeit in den Kreis seiner Beobachtungsobjekte einbezog?
Wäre für den Fall, daß die Frage 87 bejaht wird, auch eine Beobachtung durch V-Leute rechtlich zulässig?
Teilt die Bundesregierung die Besorgnis, daß die kritische Stellungnahme der hessischen Staatsregierung und ihres Ministerpräsidenten Dr. Zinn zur Frage der Beobachtung des SDS durch den hessischen Verfassungsschutz - falls sie ungerechtfertigt ist - die Wirksamkeit einer verantwortungsvollen Tätigkeit der Verfassungsschutzämter auch der anderen Länder zum Schutze unserer demokratischen Grundordnung erheblich beeinträchtigen kann?
Der Fragesteller hat sich mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt. Die Antwort liegt noch nicht vor. Sie wird nach Eingang im Sitzungsbericht abgedruckt.
Meine Damen und Herren, die Fragestunde ist damit beendet.
Es wird hier in einer - allerdings noch nicht formell erfolgten - Vereinbarung zwischen den Fraktionen der Vorschlag gemacht, die restlichen Punkte der Tagesordnung, die keine Debatte .erfordern, vorzuziehen und dann erst zu Punkt 9 zu kommen. Sind ,die Abgeordneten mit diesem Vorschlag einverstanden? Bitte, Herr Kollege Frehsee!
({1})
- Darf ich unterstellen, daß das so ist? Ich habe das unterstellt, sonst hätte ich das natürlich gar nicht vorgeschlagen. Gibt es irgendeine Regung, die anderen Punkte hier zu ,debattieren? - Das ist nicht der Fall.
Dann rufe ich Punkt 10 der Tagesordnung ,auf:
Zweite und dritte Beratung des von .der Fraklion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gewerbesteuergesetzes
- Drucksache V/1867 Schriftlicher Bericht des Finanzausschusses ({2})
- Drucksache V/2332 -Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Schmid-Burgk
({3})
Wer dem Gesetzentwurf in zweiter Beratung zuzustimmen wünscht, ,den bitte ich um das Zeichen.
- Gegenprobe! - Enthaltungen? - Damit ist der Gesetzentwurf in zweiter Beratung angenommen.
Wir kommen zur
dritten Beratung.
Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Wer dem Gesetz als ganzem zustimmen will, den bitte ich, sich zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das Gesetz ist in ,dritter Beratung angenommen.
Wir kommen zu Punkt 11 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über eine Zählung im Handel sowie im Gaststätten- und Beherbergungsgewerbe ({4})
Drucksache V/2077 -
Vizepräsident Scheel
a) Bericht des Haushaltsausschusses ({5}) gemäß § 96 .der Geschäftsordnung
- Drucksache V/2328 -Berichterstatter: Abgeordneter Westphal
b) Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Mittelstandsfragen ({6})
- Drucksache V/2325 -Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Frerichs
({7})
Wir kommen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf in zweiter Beratung. Ich rufe ,die §.§ 1 bis 10, die Einleitung und die Überschrift auf. Wer zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Angenommen.
Wir kommen zur
dritten Beratung.
Wer dem Gesetz als Ganzem zuzustimmen gedenkt, den bitte ich, sich zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das Gesetz ist in dritter Beratung angenommen.
Wir kommen zu Punkt 12 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Statistik der Wirtschaftsrechnungen privater Haushalte
- Drucksache V/2081 -
a) Bericht des Haushaltsausschusses ({8}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung
- Drucksache V/2329 -
Berichterstatter: Abgeordneter Westphal
b) Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Mittelstandsfragen ({9})
- Drucksache V/2326 -Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Frerichs ({10})
In der zweiten Beratung rufe ich die Art. 1, - 2, -3 - sowie Einleitung und Überschrift auf. Wer diesen Bestimmungen sowie Einleitung und Überschrift zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Bitte die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Damit ist der Entwurf in zweiter Beratung angenommen.
Wir kommen zur
dritten Beratung.
Wird dazu das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Wer dem Gesetz als Ganzem zuzustimmen gedenkt, den bitte ich, sich zu erheben. Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das Gesetz ist einstimmig angenommen.
Punkt 13 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines
Gesetzes über die Handwerkszählung 1968 ({11})
- Drucksache V/2083 -
a) Bericht des Haushaltsausschusses ({12}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung
- Drucksache V/2330 -
Berichterstatter: Abgeordneter Westphal
b) Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Mittelstandsfragen ({13})
- Drucksache V/2327 -Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Frerichs ({14})
Ich stelle zur Abstimmung die §§ 1 bis 7, Einleitung und Überschrift, wobei ich darauf aufmerksam mache, daß in § 4 Abs. 2, 1. Zeile, die Zahl „200 000" durch „150 000" zu ersetzen ist. Wer den §§ 1 bis 7, der Einleitung und Überschrift in zweiter Lesung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Bitte die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das Gesetz ist in zweiter Lesung angenommen.
Wir kommen zur
dritten Beratung.
Wird das Wort zur dritten Beratung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Gesetz als Ganzem zuzustimmen gedenkt, den bitte ich, sich zu erheben. - Die Gegenprobe bitte! - Enthaltungen? - Das Gesetz ist in dritter Lesung angenommen.
Wir kommen zu dem vonhin von mir angekündigten Zusatzpunkt:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Anpassung von Kostengesetzen an das Umsatzsteuergesetz vom 29. Mai 1967
- Drucksache V/2300 Schriftlicher Bericht des Rechtsausschusses ({15})
- Drucksache V/2365 Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Besold ({16})
Ich rufe in der zweiten Beratung auf die Art. 1 bis 6, Einleitung und Überschrift. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Bitte die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist in zweiter Lesung angenommen.
Wir kommen zur
dritten Beratung.
Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Gesetz als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Die Gegenprobe bitte! - Enthaltungen? - Das Gesetz ist angenommen.
Meine Kollegen, wir kommen jetzt zum Punkt 9 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines
Vizepräsident Scheel
Gesetzes zur Verwirklichung der mehrjährigen Finanzplanung des Bundes, II. Teil - Finanzänderungsgesetz 1967
- Drucksache V/2149 Schriftlicher Bericht des Haushaltsausschusses ({17})
- Drucksachen V/2341, zu V/2341 Berichterstatter: Abgeordneter Schoettle ({18})
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Schoettle. Wünscht der Berichterstatter das Wort? - Bitte, Herr Abgeordneter Schoettle!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Finanzänderungsgesetz 1967 ist, wie sein wahrer Titel sagt, ein entscheidender Baustein der Verwirklichung der mehrjährigen Finanzplanung. Ich glaube, man darf mit Recht sagen, daß es sich dabei um einen der wesentlichsten Gesetzgebungsakte dieser Legislaturperiode handelt, so wie die Steuergesetze, die wir in dieser Woche bereits verabschiedet haben, ebenfalls Bausteine der Verwirklichung der mehrjährigen Finanzplanung sind.
Der Inhalt des Gesetzes berührt eine große Zahl von Sachgebieten. Finanz- und haushaltspolitische Gesichtspunkte haben dazu geführt, daß der Haushaltsausschuß federführend mit der Beratung des Gesetzes beauftragt wurde. Der Sachgehalt des Gesetzes aber zwang zur Beteiligung von 13 weiteren Ausschüssen.
Die späte Vorlage des Gesetzes - ich will die Gründe hier nicht untersuchen, aber es ist darüber viel gesprochen worden -, ebenso wie auch der anderen mit der mittelfristigen Finanzplanung zusammenhängenden Gesetze und die Notwendigkeit, das Ganze mit dem Beginn des Haushaltsjahres 1968 in Kraft zu setzen, wobei die Mitwirkung des Bundesrats, die ja auch noch in dieser kurzen Frist erfolgen muß, nicht außer Betracht bleiben darf, - alle diese Umstände haben einen außerordentlichen Zeitdruck geschaffen. Alle beteiligten Ausschüsse, das muß heute festgestellt werden, haben diese Ausgangslage in vollem Umfange berücksichtigt und die fristgerechte Beratung des Haushaltsausschusses ermöglicht. Dafür soll allen beteiligten Ausschüssen an dieser Stelle Dank gesagt werden, vor allem dem Ausschuß für Sozialpolitik, der sicher das umfangreichste und schwierigste Kapitel dieses Gesetzes zu bearbeiten hatte.
Dabei war das Ziel des Gesetzes nicht aus dem Auge zu verlieren: der finanzielle Ertrag, den die Bundesregierung ihrer Planung bis zum Jahre 1971 zugrunde gelegt hatte, mußte möglichst ohne Schmälerung erreicht werden. Dies ist bis auf relativ geringe Beträge erreicht worden. Die Beratungsergebnisse der Ausschüsse, die der Haushaltsausschuß schließlich zusammenfassen mußte, bleiben hinter dem Regierungsentwurf um folgende Beträge zurück: 1968 um 6 Millionen DM, 1969 um 118 Millionen DM, 1970 um 114 Millionen DM und 1971 um 123 Millionen DM. Dabei handelt es sich zum Teil um fiktive Zahlen, um Annahmen, um
Schätzungen, wie auch ein wesentlicher Teil der Regierungsvorlage auf Schätzungen beruhte, die wahrscheinlich im Laufe der Jahre durch die tatsächlichen Ergebnisse korrigiert werden. Man darf also sagen, daß angesichts der Gesamtmasse, die hier bewegt wurde, der Rückstand gegenüber der Regierungsvorlage praktisch unbedeutend ist.
Abschließend möchte ich zu diesem Punkt feststellen, daß der Finanzrahmen der mittelfristigen Finanzplanung durch die Ergebnisse der Ausschußberatungen gewahrt blieb.
Der Haushaltsausschuß mußte, der Natur der Gesetzesmaterie gemäß, die Stellungnahme der mitbeteiligten Ausschüsse abwarten und konnte erst, nachdem ,diese vorlagen, sich seiner eigentlichen Aufgabe widmen, nämlich das Gesetz in die endgültige Form zu bringen. Er hat sich nur dort mit den materiellen Regelungen befaßt, wo die Beschlüsse der mitberatenden Ausschüsse den finanziellen Ausgleich in Frage stellen konnten. Das gilt insbesondere für den sozialpolitischen Teil, dem der Fachausschuß, der Ausschuß für Sozialpolitik, an manchen Stellen ein von der Regierungsvorlage abweichendes Gesicht gegeben hat, allerdings ebenfalls - das möchte ich hinzufügen - ohne Gefährdung des materiellen Ertrages des Gesetzes.
Für die 'Einzelheiten der geänderten Vorlage verweise ich auf den dem Hause vorliegenden Bericht des Haushaltsausschusses Drucksache V/2341.
Schließlich noch einige Bemerkungen zu dem Antrag des Ausschusses. In der Nr. 2 des Antrages legt der Ausschuß dem Hause einige Entschließungen vor, die die Bundesregierung zum Adressaten haben.
Durch Nr. 2 a) ,des Ausschußantrages soll die Bundesregierung ersucht werden, zwei Änderungen der Verordnung über die Gewährung von Trennungsentschädigungen vorzunehmen. Es wird daran die Erwartung geknüpft, 'daß sich daraus gewisse Einsparungen im Bundeshaushalt ergeben. Es handelt sich dabei um die Zahlung von Trennungsgeld. Trennungsgeld wird bekanntlich gezahlt, wenn der Beamte außerhalb seines Wohnorts verwendet wird, jedoch nur dann, wenn Dienstort und Wohnort nicht Nachbarorte sind. An die Stelle der Nachbarorte soll nun ein Gebiet treten, das einen größeren Umkreis des Dienstorts umfaßt, also ein sogenanntes erweitertes Einzugsgebiet. Ich will nicht im einzelnen auf die Konsequenzen dieses Antrages - wenn sie gezogen werden - eingehen.
Das Ersuchen an .die Bundesregierung unter Nr. 2 b) des Ausschußantrages soll die Bundesregierung veranlassen, die Möglichkeiten zu prüfen, Härten, die durch die Gesetzesänderung entstehen, bei der Heirat von Frauen zu vermeiden. Bisher konnten Frauen bei Heirat ihren an die Rentenversicherung eingezahlten Beitragsanteil zurückerhalten. Damit verloren sie aber jede erworbene Anwartschaft .auf eine Rente. Dafür erhielten die Frauen einen Kapitalbetrag, mit dem sie ihren Hausstand gründen konnten. Nachdem diese Erstattung durch den Entwurf beseitigt wird, sollte ein anderer Weg gefunden werden, und zwar sollte
mit Hilfe der Rentenversicherungsträger Ehefrauen in Zukunft ein Darlehen zur Gründung ihres Hausstandes gegeben werden.
Schließlich möchte ich noch auf folgende redaktionelle Berichtigungen in den Drucksachen V/2341 und zu 2341 hinweisen. In der Drucksache V/2341 ist auf Seite 33 rechte Spalte unter Nr. 4 b siebte Zeile am Ende das Wort „Kalen-" - es ist eine Wortverstümmelung - zu ergänzen in „Kalendermonat" ; auf Seite 34 rechte Spalte bei § 20 a hinter § 120 der Buchstabe „a" zu streichen; auf Seite 37 rechte Spalte bei § 1 a hinter die Worte „für die in § 165 Abs. 1 Nr. 3" anzufügen „der Reichsversicherungsordnung" ; auf Seite 58 rechte Spalte bei § 41 Buchstabe a wie folgt zu ändern „erhält der Satz 1 des Absatzes 1 folgende Fassung:". Auf Seite 53 sind ferner in der Tabelle alle Klammerzahlen zu streichen.
In der Drucksache zu V/2341 ist auf Seite 13 in der rechten Spalte zweiter Absatz zweite Zeile die Jahreszahl 1968 zu streichen. Auf derselben Seite in derselben Spalte muß der letzte Satz im vorletzten Absatz wie folgt geändert werden:
Dem Bundeshaushalt sollten die Rückflüsse auch wieder zufließen.
Diese Korrekturen übergebe ich dem Präsidium zur Einfügung in die Vorlage.
Meine Damen und Herren, ich glaube, mit der Beratung dieses Gesetzes schaffen wir eine wesentliche Voraussetzung dafür, daß in den kommenden Jahren die Haushaltsgesetzgebung des Bundes auf eine gesunde Basis zu stehen kommt.
({0})
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Wir werden nachher bei der Abstimmung die vorgeschlagenen redaktionellen Änderungen berücksichtigen. Ich werde dann noch einmal danach fragen. Wir können sie im Moment nicht eintragen.
Meine Damen und Herren, wir treten in die zweite Beratung ein. Wird das Wort gewünscht? - Herr Abgeordneter Dr. Schellenberg!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zur Konzentrierung des Verfahrens sind die Sprecher der Fraktionen darin übereingekommen, die einzelnen Sachgebiete, die in der Vorlage behandelt werden, zusammenhängend zu beraten. Ich werde deshalb zunächst zu den ersten Bestimmungen, nämlich unter § 1 Nrn. 01 bis 03 - Rentnerkrankenversicherung - einige Bemerkungen machen; die Vorschriften kehren dann im Übergangsrecht wieder.
Gestatten Sie mir, meine Damen und Herren, zuvor eine grundsätzliche Bemerkung. Der Ihnen vorliegende Schriftliche Bericht läßt mit seiner Gegenüberstellung von Regierungsentwurf und Ausschußbeschlüssen erkennen, daß die Vorlage der Bundesregierung in entscheidenden Punkten verändert wurde. Deshalb ist die Bemerkung, die Herr
Kollege Mischnick gestern im FDK-Tagesdienst verbreiten ließ - ich zitiere:
Die Koalitionsabgeordneten sind einfach zu
Hilfsorganen der Regierung degradiert worden
({0})
- falsch und ungerecht. Das Gegenteil ist wahr. Noch niemals ist ein Regierungsentwurf im Bereich der Sozialpolitik von den Ausschüssen - im übrigen ohne Mitwirkung des Arbeitsministers, der bei keiner Ausschußsitzung anwesend war ({1})
so wesentlich umgestaltet worden wie diese Vorlage. Allerdings haben die Beamten seines Hauses pflichtgemäß, aber mit außerordentlichem Arbeitseifer, dem Ausschuß die notwendige Formulierungshilfe geleistet. Ich möchte den Herren dafür im Namen des gesamten Ausschusses ausdrücklich danken.
Ungeachtet der vielfältigen Änderungen, die nach Auffassung meiner Fraktion Verbesserungen sind, wurde - was der Herr Vorsitzende des Haushaltsausschusses als Berichterstatter hier bestätigt hat - das Volumen der mittelfristigen Finanzplanung eingehalten. Damit ist die Zusage, die die Regierungsparteien am 6. September durch ihre Fraktionsvorsitzenden hier im Plenum abgegeben haben, erfüllt worden. Es sind Alternativen verwirklicht worden, aber der finanzielle Rahmen wurde eingehalten.
Nun zu Nr. 01 bis 03, Krankenversicherung der Rentner. Hier stehen drei wichtige Entscheidungen zur Abstimmung an.
1. Die Rentner beteiligen sich an den Ausgaben ihrer Krankenversicherung.
2. Die Rentner werden Pflichtversicherte der Krankenversicherung.
3. Die Rentenversicherung erstattet den Krankenkassen im Jahre 1968 80 0/o der Aufwendungen für die Rentnerkrankenversicherung, und von 1969 an steigen die Zahlungen der Rentenversicherung für die Krankenversicherung der Rentner im gleichen Verhältnis wie die Rentenausgaben.
Das sind drei wichtige Prinzipien, und ich möchte kurz darlegen, weshalb meine Fraktion dieser Konzeption zustimmt.
({2})
- Weil wesentliche unserer Alternativen berücksichtigt wurden, können wir dieser Regelung zustimmen.
({3})
- Ich werde Ihnen gleich sagen, worum es sich handelt.
Der Regierungsentwurf sah bekanntlich eine Beteiligung der Rentner an den Aufwendungen zur Krankenversicherung in Höhe von 4 % ihrer Rente vor. Meine Fraktion hält im Grundsatz - das haben wir immer wieder betont - einen Krankenversicherungsbeitrag nicht für sinnvoll. Aber wir haben uns schließlich mit unserem Koalitionspartner auf
den Kompromiß von 2 % geeinigt und stehen zu ihm.
Nachdem grundsätzlich ein Krankenversicherungsbeitrag beschlossen worden war, ging es darum, diese Sache verwaltungstechnisch und sozialpolitisch möglichst sinnvoll zu gestalten. Nach dem Regierungsentwurf sollte der Krankenversicherungsbeitrag allen Rentnern von der Rente abgezogen werden. Später sollten dann die Rentner, die keinen Krankenversicherungsschutz haben, den zu Unrecht einbehaltenen Beitrag auf Antrag von der Rentenversicherung und die Rentner, die anderweitig krankenversichert sind, von der Krankenkasse zurückerhalten.
Es hat sich bei den Ausschußberatungen gezeigt - ich glaube, das war der allgemeine Eindruck -, daß dieses System nicht ganz zu Ende durchdacht war. Es ist politisch aus zwei Gründen nicht zu halten:
1. Es ist schwer vertretbar, Rentnern, die nicht krankenversichert sind, dafür einen Beitrag abzuziehen und ihnen gleichzeitig aufzuerlegen, Antrag auf Erstattung eines zu Unrecht einbehaltenen Teils ihrer Rente zu stellen. Wenn schon aus verwaltungstechnischen Gründen ein Beitrag automatisch mit der Rentenanpassung einbehalten werden muß, dann müßte jedenfalls die Rückerstattung - das war gemeinsame Auffassung - von Amts wegen erfolgen.
2. Die im Regierungsentwurf vorgesehene Regelung der Rückerstattung hätte zwangsläufig dazu geführt, daß Hunderttausende, vielleicht sogar Millionen von Rentnern auf die Ämter gegangen wären. Denn nach gegenwärtigem Recht ist für die Rentner nicht klar, ob sie für eine Rückerstattung in Frage kommen oder nicht. Dann wäre folgendes eingetreten. Sobald die ersten Rückerstattungen erfolgt wären, hätten andere Rentner angenommen, auch sie hätten einen Anspruch auf Rückerstattung. Das hätte zu einer Beunruhigung der Rentner geführt und auch die Verwaltung außerordentlich beansprucht.
Deshalb ist die Angelegenheit vom Ausschuß anders geregelt worden. Alle Rentner werden in der Krankenversicherung pflichtversichert. Dann kann logischerweise auch allen Rentnern der Beitrag zur Krankenversicherung abgezogen werden. Die Rückerstattung beschränkt sich dann auf die Rentner, die bereits anderweitig als Beschäftigte oder als Arbeitslose Krankenversicherungsbeiträge zahlen. Diese Rentner werden die Rückerstattung von Amts wegen erhalten.
Meine Damen und Herren, wenn dieses System des Einzugs und der Rückerstattung des Rentnerkrankenversicherungsbeitrags eingeführt wird, um die dargelegten Mißstände zu vermeiden, so ist doch die getroffene Entscheidung von großer gesellschaftspolitischer Bedeutung. Alle Rentner haben in Zukunft Anspruch auf vollen Schutz der gesetzlichen Krankenversicherung. Die Möglichkeit, sich als Rentner von der gesetzlichen Krankenversicherung zugunsten einer privaten Krankenversicherung befreien zu lassen, bleibt erhalten. Die Regelung ist verwaltungstechnisch einfach. Die eingesparten Verwaltungskosten und der Wegfall eines großen Teils der Rückerstattung decken praktisch die Mehraufwendungen für die Ausdehnung des Krankenversicherungsschutzes.
So unerfreulich für meine Fraktion die 2%ige Belatsung der Rentner für die Krankenversicherung ist, so zeigt sich auch hier - und das ist politisch sehr bedeutsam - die große sozialpolitische Bedeutung des hart umstrittenen Systems der bruttolohn-dynamischen Rente. Trotz des 2%igen Krankenversicherungsbeitrags steigen die Renten der Arbeiter und Angestellten his 1971 um rund 30 %. Die Bruttolohndynamik ist so durchschlagend, daß sich in der Knappschaftsversicherung trotz des Krankenversicherungsbeitrags und trotz des Abschmelzens des Steigerungsbetrags auch dort die Leistungen erhöhen.
Zur Verdeutlichung habe ich mir in meiner Eigenschaft als Vorsitzender des Ausschusses für Sozialpolitik erlaubt, Ihnen dafür einige Berechnungsbeispiele überreichen zu lassen l. Diese Beispiele sind in einem Punkt sogar noch günstiger, weil wir nach eingehenden Beratungen die Leistungszuschläge und Zurechnungszeiten noch verbessert haben.
Im übrigen soll auch die Gesamtfinanzierung der Rentnerkrankenversicherung anders als nach der Regierungsvorlage geregelt werden.
Uns alle erfüllt die Entwicklung der Ausgaben für die Rentnerkrankenversicherung seit langem mit großer Sorge. Im Jahre 1957 machten die Ausgaben für !die Rentnerkrankenversicherung 7 % der Rentenausgaben aus, im Jahre 1967 11 %. Die Aufwendungen für die Rentnerkrankenversicherung sind also wesentlich schneller gestiegen als die Rentenausgaben, auch unter Berücksichtigung des Altersaufbaus. Wir halten es nicht für vertretbar, daß die Ausgaben für die Rentnerkrankenversicherung in den nächsten Jahren überproportional steigen. Deshalb sieht dieser Gesetzentwurf folgende Regelung vor, zu der wir uns bekennen:
Erstens. Die Krankenkassen erhalten im Jahre 1968 80 % der Ausgaben für die Krankenversicherung der Rentner erstattet. Da sie gegenwärtig rund 76 % erhalten, bedeutet das eine gewisse Erleichterung der Finanzlage der Krankenkassen, wenn auch deren Wünsche nicht voll befriedigt werden können.
Zweitens. Ab 1969 sollen die Leistungen der Rentenversicherung für die Krankenversicherung der Rentner in der gleichen Relation steigen wie die Rentenausgaben.
Drittens. Es wenden die unterschiedlichen Aufgaben der Krankenkassen und die unterschiedlichen Belastungen der Krankenkassen für die Rentnerkrankenversicherung ausgeglichen, und zwar nach einem System, das die Bundesregierung entwikkelt hat und das sicherstellt, daß in Zukunft jeder aktiv Versicherte unabhängig von dem Rentneranteil seiner Krankenkasse mit dem gleichen Auf-
*) Siehe Anlage 2
wand für die Krankenversicherung der Rentner belastet ist.
Ich komme zum Schluß und stelle fest:
Erstens. Durch die Gewährleistung der bruttolohnbezogenen Rente ergeben sich ungeachtet des zweiprozentigen Beitrags der Rentner zu ihrer Krankenversicherung auch für die Zukunft - einschließlich der Knappschaftsversicherung, über die nachher noch zu sprechen sein wird - beachtliche Rentensteigerungen.
Zweitens. Der Rentnerkrankenversicherungsbeitrag ist sozialpolitisch und verwaltungstechnisch in eine vernünftige Form gebracht worden.
Drittens. Der Krankenversicherungsschutz für alle Rentner ist sozialpolitisch und gesundheitspolitisch sinnvoll.
Wir werden deshalb den aufgerufenen Paragraphen zur Rentnerkrankenversicherung zustimmen.
({4})
Meine Damen und Herren, ich darf daran erinnern, daß wir uns auch heute an die Regelung der Redezeitselbstbeschränkung halten wollen. Diejenigen Damen und Herren, die sich hier zu Wort melden, bitte ich, die Länge ihrer Ausführungen im vorhinein zu bemessen und hier bei -uns anzugeben. - Als nächster Redner hat das Wort Herr Kollege Spitzmüller.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Herr Kollege Schellenberg, ich fürchte, wenn wir dieses Verfahren fortsetzen, das Sie nun begonnen haben, dann werden wir um 17, 18 oder 19 Uhr noch diskutieren. Ich habe durchaus Verständnis dafür, daß Sie zum Problem des Rentnerkrankenversicherungsbeitrages eine Grundsatzrede halten wollen, da dies für die Sozialdemokraten natürlich eine schwierige Frage ist. Aber wenn wir zu allen Punkten - Mutterschaft, Knappschaftsversicherung, totale Versicherungspflichtgrenze - zunächst drei Grundsatzreferate hören, dann, fürchte ich, kommen wir stark ins Schwimmen, und am Ende ist das Haus beschlußunfähig. Ich würde also meinen, Herr Kollege Schellenberg, daß wir versuchen sollten, im Rahmen der gestellten Änderungsanträge in Drei- oder FünfMinuten-Beiträgen das Grundsätzliche auszusagen. Letztlich haben wir -im Sozialpolitischen Ausschuß bis in die späten Abendstunden hinein unsere Meinungen ausgetauscht, und dies ist der Presse nicht unverborgen geblieben. Ich würde also bitten, zu überlegen, ob jetzt dieses Verfahren, das Sie begonnen haben, angewandt und fortgesetzt werden sollte.
({0})
Aber, Herr Kollege Schellenberg, -ich möchte jetzt auf Ihre Ausführungen kurz eingehen. Ich möchte Ihnen ausdrücklich bestätigen, daß Sie die Vorlage entscheidend geändert haben. Aber diese Änderung war doch in vielen Punkten automatisch dadurch bedingt, daß die SPD-Fraktion innerhalb der Koalition mit dem Regierungsvorschlag des 4%igen Rentnerkrankenversicherungsbeitrags nicht einig ging und die Deckung innerhalb dieses Bereichs der sozialen Sicherung wieder finden mußte.
Viele Dinge, die hier eingefügt worden sind, sind zwar entscheidende Veränderungen, aber ich behaupte auch, daß das vielfach keine entscheidenden Veränderungen im Sinne von Verbesserungen sind, sondern ich möchte ausdrücklich feststellen: was hier zusätzlich geändert worden ist, ist zum großen Teil eine weitere Ausweitung des ohnehin unübersichtlichen Paragraphendschungels der gesamten Rentenund Krankenversicherungsgesetzgebung.
({1})
Herr Kollege Schellenberg, Sie haben angeführt, daß der Herr Arbeitsminister Katzer an den Ausschußberatungen nicht teilgenommen hat. Wir als Mitglieder der Opposition haben dafür Verständnis gehabt; denn der Herr Arbeitsminister hätte bei manchen Vorschlägen, die gemacht wurden, nicht stillschweigen können, sondern als Mitglied der Regierung seine mahnende Stimme erheben müssen. Was haben Sie, Herr Kollege Schellenberg, aus diesem Rentnerkrankenversicherungsbeitrag gemacht? Sie haben dabei z. B. versucht, die Neugründung von Land-, Betriebs- und Innungskrankenkassen zu erschweren; Sie haben Dinge in dieses Finanzgesetz hineingebracht, die ausschließlich einer Krankenversicherungsreform vorbehalten bleiben müßten.
({2})
- Sie haben, Herr Kollege Schellenberg, entgegen dem Regierungsvorschlag in die Regierungsvorlage hineingeschrieben, daß die Renten aus der Höherversicherung, die eine privatrechtliche, auf Eigeninitiative beruhende Leistung sind, in den Rentnerkrankenversicherungsbeitrag einbezogen werden. Sie haben damit die Weichen gestellt, die ganz gefährlich sein können.
({3})
- Ja, für den Kinderzuschuß haben wir eine sozial gerechte Lösung gefunden. Aber, Herr Kollege Schellenberg, Sie können doch nicht sagen: Beim Kinderzuschuß haben wir eine sozial gerechtere Lösung gefunden, und bei der Höherversicherung haben wir eine Sache gemacht, die höchst bedenklich und problematisch ist, die in ihrer Auswirkung, wenn sie Folgewirkungen haben sollte, für unser ganzes soziales Leistungsrecht noch gar nicht zu übersehen ist. Zum erstenmal haben Sie damit Leistungen in den Abgabenbereich einbezogen, die auf individueller freiwilliger Beitragsleistung beruhen.
({4})
Sie haben Beitragsrahmen und Leistungsrahmen voneinander getrennt.
Nun, ich möchte es so kurz wie möglich machen. Noch ein letztes Wort zu Ihren Ausführungen, Herr
Kollege Schellenberg. Sie haben den Beamten gedankt. Ich kann den Beamten nicht danken. Denn sie waren durch die Vorstellungen und durch die Wünsche der Koalitionsfraktionen so in Anspruch genommen, daß sie eine ganze Reihe von Zahlen, die die Opposition haben wollte, einfach nicht mehr erstellen konnten. Sie konnten den zweiten Teil unserer Kleinen Anfrage, nämlich die Frage, wie sich die Situation der Rentenversicherungsträger entwickelt, wenn die Löhne nicht um 5 oder 7 %, sondern um 3 % zunehmen, nicht beantworten.
({5})
- Herr Kollege Schellenberg, ich bin Ihnen sehr dankbar. Sie sagen: Wir machen das beim Dritten Rentenversicherungs-Änderungsgesetz. Aber wie können Sie von der Opposition Alternativvorschläge verlangen, wenn die Regierung nicht bereit ist, der Opposition das dafür unbedingt erforderliche Material zur Verfügung zu stellen? Ich habe Verständnis dafür, daß die Regierung das nicht zur Verfügung stellen konnte. Denn das, was der Ausschuß und was die Sozialpolitiker der Koalitionsfraktionen den Beamten im Arbeitsministerium zugemutet haben, war eine Art von Auftragszugängen, wie sie kein Arbeitgeber seinen Angestellten zumuten würde. Das war mit einer 40-, 60- oder 70-Stunden-Woche nicht zu bewältigen; das bedeutete Tag- und Nachtarbeit für die Beamten. Aber ich möchte auch als Oppositionssprecher den Beamten meine Anerkennung aussprechen.
({6})
Ich kann Ihnen, meine Damen und Herren, nur sagen: zu Beginn jeder Sitzung wurden ganze Stöße neuer Änderungsvorschläge vorgelegt, in die man sich einarbeiten mußte und die die Beamten in Spät- und Nachtarbeit ausgearbeitet hatten.
So weit zu Ihren Ausführungen, Herr Kollege Schellenberg. Von Verbesserungen können wir in dieser Richtung nichts feststellen, sondern lediglich von einer weiteren Undurchsichtigkeit des Paragraphengestrüpps schlechthin.
Einiges zur Rentnerkrankenversicherung. Wir Freien Demokraten lehnen die Rentnerkrankenversicherung in der Form, wie sie hier vorgeschlagen wird, ab, weil wir die Lohnersatzfunktionstheorie, die hier aufgebaut worden ist und konkretisiert werden soll, in dieser Form für außerordentlich gefährlich halten. Das bedeutet nämlich wahrscheinlich eine weitere Belastung der Rentner mit Krankenversicherungsbeitragssätzen. Der Beitragssatz von 2 % wird nicht bleiben. Er wird gesteigert werden.
Meine Damen und Herren, machen wir uns nichts vor! Dieser Rentnerkrankenversicherungsbeitrag trägt zur Entlastung der Rentnerkrankenversicherung fast nichts bei, trägt nichts bei zur Beseitigung der Rentnerkrankenversicherungsdefizite. In die Ferne projiziert, bedeutet das im Hinblick auf Lohnersatzfunktion unter Umständen doch als Konsequenz, daß eine Besteuerung der Renten, und zwar nicht eine begrenzte, sondern eine absolute Besteuerung, in Frage kommen könnte. Es ist ein gefährliches Präjudiz für andere Leistungen mit Lohnersatzfunktion, so für das Arbeitslosengeld, das Schlechtwettergeld; sie haben ja auch den Charakter eines Lohnersatzes. Ja, auch die Renten auf Grund des BEG haben teilweise Lohnersatzfunktion. Was wird dort eines Tages kommen? Warum Lohnersatzfunktion bei den Rentnern mit Krankenversicherungsbeitrag und Lohnersatzfunktion bei den anderen Personengruppen, aber ohne Krankenversicherungsbeitrag?
Meine Damen und Herren, wir haben den Eindruck, daß dies nicht voll durchdacht ist.
Nun können Sie sagen, wir Freien Demokraten hätten ja andere Vorschläge machen können. Wir haben im Zusammenhang mit der Beratung des Zehnten Rentenanpassungsgesetzes darauf hingewiesen, daß wir es für ehrlicher halten würden, wenn man die Renten um 6,1 statt um 8,1 % anheben würde; denn damit hätte man die Deckung gefunden. Sie von der Koalition haben behauptet, dann würde im Verlauf der Jahre den Rentnern mehr Geld einbehalten als mit dem 2%igen Rentnerversicherungsbeitrag. Aber die Zahlen werden uns in der nächsten Woche im Ausschuß vorgelegt werden. Wir konnten, nachdem Sie das behauptet hatten, aber die Zahlen nicht vorlegten, diesbezüglich keinen Antrag stellen. Es gibt auch andere Möglichkeiten innerhalb des grundsätzlichen Rentenrechts, wenn man schon bei den Rentnern 2 % abknappern will.
Meine Damen und Herren, Sie sagen: Wenn wir jetzt diesen Rentnerkrankenversicherungsbeitrag ablehnen, entsteht bei der Kasse der Rentenversicherungsträger ein Defizit. Ich möchte darauf hinweisen, daß sowohl die Arbeitgeber wie der Deutsche Gewerkschaftsbund und die Deutsche Angestellten-Gewerkschaft der Meinung sind, daß es besser wäre, einmal ein vorübergehendes, einjähriges Defizit in Kauf zu 'nehmen, als die Weichen in eine Einbahnstraße zu stellen - Sie kommen zu diesen Ergebnissen natürlich aus unterschiedlichen Erwägungen -, aus der es kein Zurück mehr gibt.
Ich möchte meine vorgesehenen Ausführungen kürzen und mit folgendem schließen.
Sie führen mit dem Rentnerkrankenversicherungsbeitrag einen neuen Tatbestand in die neue Rentenversicherung ein, der insgesamt gesehen auf das ganze Sozialversicherungsrecht weitgehende Auswirkungen haben wird, die wir nicht genau übersehen können. Wir haben den Eindruck, ,daß Sie mit dieser Einführung ein Verschleierungsmanöver durchführen, indem Sie sagen, daß es bei der bruttolohnbezogenen Rente bleibt, aber, nachdem wir gestern die Renten um 8,1 % erhöht haben, gleichzeitig entscheiden, daß den Rentnern auf Grund dieses Beschlusses wieder 2 % weggenommen werden.
Meine Damen und Herren, dieses Verschleierungsmanöver nimmt in der Öffentlichkeit niemand ab. Sonst hätte der Deutsche Gewerkschaftsbund nicht die Schrift „Rentenversicherung in Gefahr" herausgegeben. Diese Schrift beweist, daß meine Ausführungen in der ersten Lesung hier nicht ganz
von ungefähr waren. Auch wir sind der Meinung, daß die Rentenversicherung geändert werden muß und daß sie in Gefahr ist. Aber wir sind dieser Meinung nicht erst seit heute, sondern wir haben schon im Jahre 1957 gesagt, daß man auf Dauer dieses. System nicht wird durchhalten können und daß man früher oder später an grundsätzliche Änderungen herangehen muß. Jetzt machen Sie einiges Rankenwerk, Sie knabbern da an und knabbern dort ab. Aber insgesamt gesehen wird das auf Dauer nicht halten. Das kann vielleicht fünf oder sechs, vielleicht auch noch zehn Jahre gutgehen, aber auf Dauer geht das nicht.. Diese Verschleierungstaktik machen wir nicht mit.
({7})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Krampe.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich kann es mir ersparen, zur grundsätzlichen Seite noch viele Worte zu machen. Sie sind in der ersten Lesung hier seitens des Kollegen Stingl laut geworden. Er hat allgemeine und grundsätzliche Ausführungen zum Beitrag der Rentner zu ihrer Krankenversicherung gemacht.
Wir haben uns bei den Beratungen im Sozialpolitischen Ausschuß mit den Folgerungen beschäftigt. Wir sind - das sagte Herr Kollege Stingl schon damals - zu der Überzeugung gekommen, daß dem Rentner zugemutet werden könne, sich mit einem Beitragssatz an der Finanzierung der Krankenversicherung der Rentner zu beteiligen. Wir bejahen also, um es kurz zu machen, den Beitragssatz von 2 % von der vom 1. Januar 1968 an um 8,1 % erhöhten Rentenleistung an die Rentenbezieher.
Ich gebe dabei offen zu, daß wir zunächst einmal andere Vorstellungen hatten. In den Koalitionsgesprächen sind aber dieser Weg und diese Lösung gefunden worden. Dafür mußten auf der anderen Seite einige andere Schwierigkeiten in Kauf genommen werden. Für uns erschien aber wichtig genug, daß das alles ohne Eingriff in die bestehende Rentenformel geschehen konnte. Diese Rentenformel ist ja auch für den Bereich der Arbeiter- und Angestelltenversicherung im Rahmen der mittelfristigen Finanzplanung nicht in Frage gestellt worden. Wir sind uns dabei ides Sonderproblems der Knappschaft durchaus bewußt. Das sollte am heutigen Tage und bei der Beschlußfassung gesehen und beachtet werden.
Gesehen und beachtet werden sollte aber auch, daß die Rentenhöhe zur Zeit bei 44 % des vergleichbaren Einkommens liegt. Wir sagen das deshalb noch einmal so deutlich, weil wir auf Tendenzen aufmerksam machen möchten, die sich außerhalb und vielleicht sogar jetzt innerhalb dieses Hauses zeigen, damit nämlich das Vertrauen von Millionen von Rentnern und Sozialversicherten in ihre Sozialversicherung und damit auch in unseren Staat nicht leichtfertig erschüttert werden darf.
Nun ein kurzes Wort zum Beitrag. Der Beitrag wird zunächst von allen Rentnern einbehalten, auch von den Rentnern aus der Höherversicherung. Dafür haben wir die sozialpolitische Maßnahme eingebaut, daß der Beitrag nicht vom Kindergeldzuschuß einbehalten wird. Hier ist auch der Zusammenhang zu sehen im Bereich der Versicherungspflicht hin zu
allen Rentnern, von dem die Rede war.
Ich darf aber auch darauf aufmerksam machen, daß der in der Regierungsvorlage mit 4 % angesetzte Krankenversicherungsbeitrag der Rentner auf 2 % ermäßigt wurde. Das hat Folgen, von denen wir der Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit wegen auch in diesem Hause sprechen sollten. Die Interessenquote wird sich erhöhen. Zunächst ist im Gegensatz zur Regierungsvorlage eine Erhöhung von 10 % auf 20 % vorgesehen. Das bedeutet eine stärkere Inanspruchnahme der Versicherten. Das bedeutet aber auch, daß wir zu dieser Lösung stehen. Dieser Hinweis ist aber im Interesse der Krankenversicherung und der Versicherten notwendig. Diese Interessenquote soll für 1968 angestrebt werden. Sie kann sich nach 1968 noch ändern. Wir versuchen also heute, die Interessenquote für das Jahr 1968 in den Griff zu bekommen, legen sie aber über das Jahr 1968 hinaus nicht fest.
Wir waren uns darüber schlüssig, daß die Bestrebungen in der mittelfristigen Finanzplanung dazu führen müssen, die Rentenversicherung mit ihren finanziellen Leistungen zu konsolidieren. Wir haben dann eine Lösung gefunden, die den Beitrag der Rentenversicherung zur Krankenversicherung der Rentner mit den Gesamtrentenausgaben der Rentenversicherung verbunden hat. Im Jahre 1968 muß das Verhältnis zwischen dem Beitragsaufwand der Krankenversicherung der Rentner 1968 zu den Gesamtrentenausgaben im Jahre 1968 gefunden werden. Dieses Verhältnis wird dann für die kommenden Jahre bleiben. Wer sich dazu die Ausgangsposition vor Augen führt, die 1968 bei einer Kostenbeteiligung von 80 % der Rentenversicherung durch Beiträge zur Krankenversicherung der Rentner liegt, muß bedenken, daß in den letzten Jahren dauernd und immer wieder die Kosten der Rentnerkrankenversicherung gestiegen sind. Dr. Schellenberg wies darauf hin. Mit einem weiteren Ansteigen dieser Anteile in Richtung Rentnerkrankenversicherung ist zu rechnen. Die ansteigenden Kosten der Rentnerkrankenversicherung werden also in Zukunft wesentlich der Krankenversicherung aufgebürdet werden und damit der Versichertengemeinschaft der Krankenversicherung angelastet. Das ist unangenehm. Aber das muß gesagt werden, damit sich Selbstverwaltung und Geschäftsführung der Krankenversicherung auf diese Tatsache einstellen können.
In diesem Zusammenhang ist auch der Ausgleich der unterschiedlichen Rentnerdichte bei den einzelnen Krankenkassenarten zu sehen. Sie kennen das Problem. Ich brauche es nicht noch einmal herauszustellen. Wir haben versucht, auf Grund der Regierungsvorschläge in die Beitragsformel, die das Verhältnis des Beitrags der Rentenversicherung zur Krankenversicherung regeln soll, einen Ausgleichs7286
faktor aufzunehmen. Das betrifft also jetzt nicht den Rentenempfänger unmittelbar, sondern regelt das Verhältnis der Rentenversicherungsträger zur Krankenversicherung. Damit wird dann aber erreicht, daß jeder aktive Versicherte in jeder Kasse für den Aufwand der Krankenversicherung der Rentner prozentual gleichmäßig belastet wird, unabhängig von der Rentnerdichte, unabhängig vom prozentualen Anteil der Rentner im Bereich der Krankenversicherung.
Wir müssen auch darauf hinweisen - das sollte auch einmal beachtet werden -, daß der sogenannte Beitragskürzungssatz, zunächst in der Regierungsvorlage mit 25 % vom allgemeinen Beitragssatz für Versicherte mit sofortigem Barleistungsanspruch vorgesehen, in einen Beitragskürzungssatz von 30 % geändert werden mußte. Die Gründe sind dargelegt worden. Sie liegen letzten Endes darin, daß die Versicherungspflicht grundsätzlich auf alle Rentner ausgedehnt wird. Auf der anderen Seite werden den Krankenkassen aber durch diese Regelung neue Beitragszahler zugeführt, weil diejenigen Rentenbezieher, die bislang als mitversicherte Familienangehörige echte Leistungen der Krankenversicherung erhielten, jetzt eben tatsächliche Beitragszahler werden und den Versicherten gleichgestellt werden.
Anzusprechen sind dann noch die Befreiungsmöglichkeiten. Der Ausschuß hat mit großer Mehrheit entschieden, daß ein neuer § 173 a, der im Hause umstritten ist, in die Reichsversicherungsordnung eingeführt werden soll. Damit - das steht im Zusammenhang mit den ersten Ausführungen, die ich machte - wird die Antragstellung auf Beitragsrückerstattung ebenso wie die Beitragsrückerstattung von Amts wegen vermieden. Das bedeutet letzten Endes die Sicherung der sozialen Krankenversicherung für alle Rentner, bedeutet Verwaltungsvereinfachung und Kostenersparnis. Wir sollten diese Dinge in Kauf nehmen.
Ein weiterer entscheidender Vorschlag, der gemacht worden ist, sollte angesprochen werden, und zwar die ergänzende Fassung des § 385 RVO. Diese Vorschrift besagt, daß der Beitragssatz der Rentner sich in Zukunft an dem Beitragssatz derer orientieren soll, die den Großteil der Versichertengemeinschaft in der Krankenversicherung ausmachen, d. h. daß in Zukunft kein höherer Beitrag für Rentner als für Versicherte mit vergleichbaren Leistungsansprüchen gilt. Das hat den Unmut mancher Krankenkasse hervorgerufen. Der Sozialpolitische Ausschuß hatte aber gute Gründe, als er für die gleichmäßige Behandlung der beteiligten Kassen hinsichtlich der Beitragszahlung der Rentenversicherung an die Krankenversicherung der Rentner eintrat. Wir sprechen hier die Hoffnung aus, daß die Einsicht in die Richtigkeit unserer Maßnahme nun Platz greifen wird.
Wir haben noch verschiedene andere Dinge anzusprechen, z. B. die Frage des Beitragsanteils, der von allen Rentnern einbehalten wird, die Beitragsfreiheit und dergleichen mehr. Wir wissen, daß das auch im Ausschuß zu Diskussionen führte. Der Ausschuß hat aber Regelungen gefunden, die zu einer Verwaltungsvereinfachung führen.
Wir wissen ebenfalls, daß die Drucksache V/2341 weitere Neufassungen und Ergänzungen der Reichsversicherungsordnung im Bereich der Rentnerkrankenversicherung enthält. Sie berühren die Kassenzuständigkeit, die Neuerrichtung von Kassen und die Behandlung der Rentner innerhalb der neuerrichteten Kassen. Ferner sind der nahtlose Übergang bei der Krankenversicherung und weitere Dinge geregelt worden.
Aus der Aufzählung dieser Tatsachen können Sie ersehen, daß der Sozialpolitische Ausschuß es sich nicht leicht gemacht hat. Wir sind der Meinung, daß dem Beitrag der Rentner grundsätzlich zuzustimmen ist. Wir sind weiterhin der Auffassung, daß die Rente Lohnersatzfunktion hat und daß sie durch Beitragsumlage der Versicherten aufgebracht werden soll, Sie sollte tatsächlich und immer wieder so gesehen werden. Wir sind der Meinung, daß das Vertrauen in die deutsche Sozialversicherung erhalten bleiben muß und daß wir auch dafür sorgen sollten, daß der Solidarität der Generationen über diese Maßnahme, der wir zustimmen, im Bereich der Rentnerkrankenversicherung weiterhin Raum gegeben wird.
({0})
Das Wort hat jetzt Frau Abgeordnete Kalinke.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Der Bundeskanzler hat mich gestern in einer Ansprache geradezu ermuntert, indem er darauf hinwies, daß der Preis der Freiheit - und das gilt auch besonders für die Sozialpolitik - ein „Ja" zur Konfliktgesellschaft bedeutet. Die Demokratie erfordert auch in der Großen Koalition, daß man verschiedene Meinungen haben kann, ja haben muß.
({0})
Für die Große Koalition ist es eine Frage ihrer Bewährung, ja es ist eine geradezu entscheidende Frage für die Demokratie, daß in ihr Konflikte ausgetragen werden können und müssen.
Wir sind bei diesem Gesetzwerk alle in einer überaus schwierigen Situation. Wer wollte nicht die Finanzsicherung der Haushalte? Wer wollte nicht die Stabilität der Währung? Wer wollte nicht diesen großen Fragen der Sicherheit der Kaufkraft unserer Renten, Löhne und Gehälter, der Sicherheit der D-Mark in allen Bereichen aller Einkommensbezüge den Vorrang vor Einzelfragen der Sozialpolitik geben? Das Unbehagen draußen und auch hier im Parlament ist deshalb so groß, weil wir hier in diesem Hause sozialpolitische Grundsatzfragen im Zusammenhang mit Haushaltsproblemen, mit Finanzsicherungs- und Finanzänderungsgesetzen berücksichtigen, ja beraten und über sie beschließen mußten. Die Neubesinnung auf viele Fragen der Reform ist immer dringlicher geworden. Ich fürchte, daß mit Vorschaltgesetzen oder solchen Entscheidungen, wie wir sie heute treffen, Grundsatzentscheidungen für die Reform in ungewöhnlicher Weise präjudiziert werden.
Aber das Dilemma, in dem wir uns alle befinden, ist doch der Zeitdruck, und wie in vielen Fragen, wo es um den Sachverstand geht, bin ich hier mit dem Kollegen Schellenberg durchaus einig -: Das Parlament darf und kann nicht unbesehen übernehmen, was der Haushaltsausschuß oder die Regierung oder gar besondere Gremien der Koalition beschlossen haben. Das Parlament hat das auch nicht getan, und es ist richtig, daß der Ausschuß bemüht war, auch die heißen Eisen der Krankenversicherung der Rentner offen und freimütig zu diskutieren und anzusprechen. Wenn Herr Kollege Schellenberg gesagt hat, daß er ja sagt, weil wesentliche Alternativen der SPD berücksichtigt sind, so muß ich hier sagen, daß viele meiner Freunde nicht werden ja sagen können, weil wesentliche Alternativen ihrer Grundauffassung nicht berücksichtigt sind. Es geht hier aber nicht um die Frage der finanziellen Auswirkungen, von denen wir alle meinen, daß sie Vorrang vor manchen Einzelfragen haben.
Sachverstand war nicht, wie einzelne Zeitungen schrieben, Mangelware im Parlament. Vielleicht ist Mut gelegentlich Mangelware, aber das ist eine Frage, die unsere ganze Nation angeht, und man sollte Mut nicht nur entwickeln, wenn es um die Interessen einer Gruppe geht. Rentner, meine sehr verehrten Herren und Damen, sind genauso wenig eine homogene Klasse armer Leute oder hilfsbedürftiger Leute wie etwa Angestellte oder Arbeitnehmer schlechthin schutzbedürftig sind. Sicherungsbedürftig sind sie alle!
Der Kollege Schoettle hat hier die Hoffnung ausgesprochen, daß der Haushalt ausgeglichen und in den kommenden Jahren auf gesunde Beine gestellt werden kann. Ich muß leider sagen: Diese Hoffnung habe ich bei allem Respekt vor der Weisheit des Haushaltsausschusses für den Bereich der Krankenversicherung der Rentner ganz gewiß nicht. Und bei allem Respekt vor den kraftvollen Ausführungen, aber auch Warnungen des Herrn Finanzministers meine ich, daß sich der Arbeitsminister Gedanken wird machen müssen, wie wir so schnell wie möglich zur Krankenversicherung der Rentner und zu wirklichen Reformen in der Krankenversicherung kommen können. Diese Aufgabe wird nicht mit so einfachen Vorstellungen wie dem Ruf: weg mit den Versicherungspflichtgrenzen und hinauf mit den Beiträgen! gelöst werden können.
({1}) So einfach ist das nicht.
({2})
Auch das Verlagern von einem Haushalt in den anderen, das Umverteilen oder die vielfältigen Gemeinlastexperimente lösen die Probleme mit Sicherheit nicht. Die deutsche Offentlichkeit muß wissen, daß wir alle, auch wenn wir in der einen oder anderen Frage verschiedener Meinung sind, doch dieses Ziel vor Augen haben und daß wir es gemeinsam bedauern, daß es nicht zu einer Reform gekommen ist, weil sie leider wegen so lächerlicher Dinge, wegen 1,50 DM und weniger, zerredet worden ist.
Herr Kollege Schellenberg hat gesagt, es sei schwer vertretbar, Rentnern, die gar nicht einem Krankenversicherungsträger angehören, 2 % abzunehmen. Auch darin stimme ich ihm zu, besonders dann, wenn diese 2 % nicht der Kasse oder dem Versicherungsunternehmen zugute kommen, bei dem die Rentner sich selber versichert haben. Eine Beteiligung der Rentner an den Kosten ihrer Krankenversicherung und die Zustimmung unserer sozialdemokratischen Kollegen dazu halte ich allerdings für einen sozialpolitischen Erfolg, den man auch nicht schmälern sollte, den man vielmehr im Hinblick auf künftige vernünftigere sozialpolitische Entscheidungen im Grundansatz positiv beurteilen muß.
({3})
Eine Kölner Zeitung schrieb: „Auch mit kranken Rentnern kann man Politik machen". Meine sehr verehrten Damen und Herren, solche Schlagzeilen sollten erfahrene Sozialpolitiker und -politikerinnen, wie sie diese Kölner Zeitung besitzt, eigentlich nicht benutzen. Mit kranken Rentnern sollte man weder Politik noch Geschäfte machen. Auch das, meine ich, muß in dieser Diskussion einmal gesagt werden.
Der Weg zur Einheitsversicherung, der der Christlich-Demokratischen Union in diesem Zusammenhang unterstellt wird, wird von uns nicht beschritten werden. Ich kenne keinen Beschluß meiner Fraktion, der dahin geht. Ich sehe allerdings die Gefahren, die hinsichtlich der Gemeinlast und hinsichtlich des Ausgleichs zwischen den Kassenarten drohen, vielleicht etwas differenzierter und sicher härter, als das Kollege Schellenberg tut. Wir alle wissen, daß die Rentner, wenn sie 60 oder 65 Jahre geworden sind, keine Menschen sind, die nun in ihrem Lebensbereich andere Entscheidungen treffen oder nach anderen Grundsätzen verfahren, als das vorher der Fall war. Deshalb sind wir der Meinung, daß ein hohes Maß von Freiheit und nicht ein Einheitstopf, wie er jetzt in so vielen Aufsätzen und Reden unterstellt worden ist, das Ziel sein sollte. Und wenn ich mich hier zu Wort gemeldet habe, dann gerade aus dem Grunde, um das klarzustellen. Es kann nicht das Ziel der Sozialpolitik in der Großen Koalition sein, auf Umwegen über Finanzänderungsgesetze nun schnell Einheitstöpfe zu schaffen.
({4})
Krankenversicherte sollten .auch in der Krankenversicherung der Rentner nicht nach anderen Grundsätzen behandelt werden als in der gesetzlichen Krankenversicherung überhaupt. Darum wollen wir die generelle Wahlfreiheit, und darum muß hier gesagt werden, daß auch der Sozialpolitische Ausschuß einstimmig, also mit Zustimmung auch der Kollegen der sozialdemokratischen Fraktion - ich freue mich, das bestätigen zu können -, für die Beibehaltung des Rechtsanspruchs auf den Zuschuß der krankenversicherten Rentner gestimmt hat. Wir sind einmütig der Auffassung, daß diejenigen, die selbstverantwortlich gehandelt haben, auch nicht in ein System hineingezwungen werden dürfen, das sie nicht wünschen.
Meine Kolleginnen und Kollegen in der CDU/ CSU, die ,den Antrag mit unterzeichnet haben, haben die Hoffnung, in ,der dritten Beratung - wir stellen diesen Antrag erst dann, weil wir möchten, daß der Gesetzentwurf heute verabschiedet wird - Zustimmung für die generelle Wahlfreiheit zu bekommen.
Natürlich wird dieses Gesetz nicht alle Finanzprobleme der Krankenversicherung der Rentner lösen. Aber es ist auch nicht richtig, wenn in diesen Tagen in einem Teil der Presse gesagt wurde, hier habe der Ausschuß Beschlüsse gefaßt, .die die Angestellten-Ersatzkassen töten wollten. Solche Formulierungen sollte man nicht gebrauchen. Der Ausschuß hat nach Mäglichkeiten gesucht, um einen gerechten Ausgleich zu finden, um einen Ausgleich zwischen der unterschiedlichen Belastung der einzelnen Kassenarten, auch im Interesse der aktiven Beitragszahler, zu finden. Ich bin die letzte, die die gefundene Lösung gut findet. Aber ich habe heute nacht in der Zeitschrift des Verbandes der Angestellten-Ersatzkassen
({5})
- Ja, heute nacht, - his abends haben wir ja hier getagt -, in der neuen Ausgabe, die gestern erschienen ist, gelesen, daß es doch erfreulicherweise nicht für alle Angestellten-Ersatzkassen so bedrohlich zu sein scheint. Ich bitte den Herrn Präsidenten, mir zu 'gestatten, daß ich zwei Sätze zitiere.
Das ist gestattet!
Die Kaufmännische Krankenkasse Halle, immerhin keine kleine Kasse, hat geschrieben, daß sie ihre Finanzen im Jahre 1967, soweit sie das bisher übersehen kann, verhältnismäßig günstig in Ordnung hat und daß die jetzige Entscheidung des Parlaments ihr die Möglichkeit geben wird, die gegenwärtigen Beiträge beizubehalten. Und die Hamburg-Münchener Ersatzkasse hat in der vergangenen Woche durch ihren Geschäftsführer erklären lassen - das steht in derselben Ausgabe der VdAK-Zeitung -, daß das Geschäftsjahr 1967 mit einem Einnahmeüberschuß
- Sie haben richtig gehört! - abschließt. Dies sei für die Kasse, gemessen an der Gesamtsituation in der 'sozialen Krankenversicherung, eine so günstige Finanzlage, daß sie diesen Aspekt besonders betont. Diesem Bericht und der sich anschließenden lebhaften Aussprache folgte dann eine Presseerklärung, in der es - wie in anderen Erklärungen
- heißt, daß diese Kasse nicht Beitragserhöhungen bis zu 9 % nötig hat.
Ich habe mich gefragt und meine aus meiner keineswegs nicht mehr vorhandenen Zuneigung für die Angestellten doch dem Minister die Frage stellen zu müssen: Woran liegt das? Sind die einen Kassen zu groß oder sind sie zu großzügig, oder was sind die Gründe? Der Herr Arbeitsminister sollte diese Fragen sehr gründlich untersuchen, und wir sollten auch mit der Selbstverwaltung so sachlich wie möglich darüber sprechen.
Ich stimme auch dem Kollegen Krampe darin zu, daß die Frage der Interessenquote der Aktiven in der gesetzlichen Krankenversicherung spätestens nach Ablauf eines Jahres überprüft werden muß. Und ich meine außerdem, daß hier zum Schluß ein Wort für die Aktiven gesprochen werden sollte, nämlich auch für die vielen aktiven berufstätigen Frauen, die gerade als Pflichtversicherte in der gesetzlichen Krankenversicherung heute auf Heller und Pfennig ihren Pflichtbeitrag bezahlen müssen und die Last auch für Bezieher von Renteneinkommen mittragen, die weit höher sind als ihre Gehälter, die ja Brutto-Gehälter sind und erheblichen Abzügen für Lohnsteuer und Sozialversicherung unterliegen.
Ich hoffe, daß wir nicht nur Kritik, sondern am Ende von all denen, die in diesen Tagen so heftige Kritik geübt haben, Zustimmung bekommen werden, wenn wir uns bemühen, ein Stück Freiheit in der Krankenversicherung der Rentner zu bewahren. Zu diesem Zweck wollen wir - alle die Kollegen, die den Antrag mit unterschrieben haben - in der dritten Lesung das Hohe Haus bitten, die generelle Wahlfreiheit auch den Rentnern nicht zu versagen.
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Eine Bemerkung der Frau Kollegin Kalinke veranlaßt mich, die Dinge wieder geradezurücken. Sie hat gemeint, die Weisheit des Haushaltsausschusses sei - ich kann es nicht wörtlich zitieren - ({0})
- Sie ist sicherlich sehr groß, aber, Frau Kollegin, sie ist nicht so groß, wie Sie sich offenbar vorstellen. Ich muß deshalb feststellen, daß wir uns in den Fragen, die die Sozialgesetzgebung berühren, in vollem Umfange der sicher ebenso großen Weisheit des Sozialpolitischen Ausschusses bedient haben.
({1})
Das Wort hat jetzt Herr Abgeordneter Dr. Götz.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe als Mitglied des Haushaltsausschusses um das Wort gebeten, und Sie dürfen mit Recht vermuten, daß ich mich sehr kurz fassen werde. Aber ich meine, daß es bei einem Gesetzentwurf, der ja schließlich auch und in erster Linie dazu dienen soll, den Bundeshaushalt zu entlasten, d. h. die Ausgabenüberhänge der nächsten vier Jahre im Rahmen der mittelfristigen Finanzplanung zu beseitigen, nicht ungewöhnlich ist, wenn sich auch ein Mitglied des Haushaltsausschusses zu der soeben diskutierten Frage zum Wort meldet.
Meine verehrten Vorredner, mit Ausnahme unseres verehrten Vorsitzenden des Haushaltsausschusses, haben zu der Frage des Rentnerbeitrages vornehmlich - das ist ihr gutes Recht - unter sozialpolitischen Gesichtspunkten Stellung genommen. Das Motiv für die Einführung des Rentnerbeitrages
ist in erster Linie - und ich räume auch als Mitglied des Haushaltsausschusses diesem Motiv Vorrangstellung ein - die Verbesserung der Finanzlage der Rentenversicherung. Das zweite Motiv ist aber die Entlastung des Bundeshaushalts. Darüber sollte man nicht hinwegreden. Der Bundeshaushalt ist im Zusammenhang mit dem Rentnerbeitrag unmittelbar angesprochen in der knappschaftlichen Rentenversicherung; er ist mittelbar angesprochen in der allgemeinen Rentenversicherung, denn der Rentnerbeitrag ermöglicht die Kürzung des Bundeszuschusses. Wer sich nun gegen die Einführung eines Rentnerbeitrages ausspricht, der muß wissen, daß er erstens die Finanzlage der Rentenversicherung für den Planungszeitraum bis 1971 um rund 1,2 Milliarden DM verschlechtert und daß er zweitens im Bundeshaushalt eine Deckungslücke in einer Größenordnung von 338 Millionen DM aufreißt. Das wollte ich hier einmal mit nüchternen Zahlen hinzugefügt haben.
Ich meine also, wir sollten aus diesen beiden Gründen den Vorschlägen des Sozialpolitischen Ausschusses und des Haushaltsausschusses folgen.
({0})
Das Wort hat jetzt der Herr Kollege Spitzmüller.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Ich bin heute leider in der peinlichen Lage, öfter hier heraufgehen zu müssen. Ich will es so kurz wie möglich machen.
Zu Ihren Ausführungen, Herr Kollege Götz, kann ich nur feststellen, daß am 20. Oktober der Entwurf dem Parlament zuging, daß am 25./26. Oktober die erste Lesung war und daß nach dem 10. November jeder Alternativvorschlag, die Deckung anders zu lösen, als sie nun in diesem Vorschlag vorgesehen ist, bedeutet hätte, daß die erhöhten Renten erst im April, Mai oder gar Juni hätten ausgezahlt werden können. Wir sind nicht dafür verantwortlich, daß das Finanzkabinett etwas langsamer gearbeitet hat, als viele von uns es wünschten, und daß wir in diese Situation gekommen sind. Wir wissen um die Problematik, die finanziell darin steckt; aber Sie können doch nicht verlangen, daß die Opposition eine Alternative vorschlägt, wenn diese Alternative seit dem 10. November praktisch nicht mehr möglich ist, weil die Programmierung bei der Bundespost auch in diesem Jahre laufen muß wie in allen anderen Jahren.
Wir werden die Konsequenz aus dieser Zwangssituation, in die wir alle hineingestellt sind, ziehen und werden beim Dritten Rentenversicherungsänderungsgesetz den Antrag stellen, daß der Sozialbericht früher vorzulegen ist, damit wir am 1. Oktober immer gleich in die Debatte einsteigen können. Dann werden wir bei den anderen Rentenanpassungsgesetzen, die folgen, nicht mehr in dieser verzwickten Lage sein, in die wir diesmal, eigentlich zum erstenmal mit vollem Bewußtsein geraten sind. Vorher war es zwar auch immer so; aber es ist uns nie voll zum Bewußtsein gekommen.
Zu unserem Antrag auf Umdruck 331 darf ich bemerken, daß wir in § 173 a der Vorlage einen Satz herausgestrichen wissen wollen, d. h. daß die Möglichkeit der Befreiung in der Rentnerkrankenversicherung etwas großzügiger gehandhabt werden soll. Das ist auch ein Anliegen von Kollegen der CDU, die diesen Antrag allerdings erst für die dritte Lesung vorbereitet haben. Ich darf namens der FDP-Fraktion hier erklären: Wenn Sie, meine Damen und Herren von der Koalition, nur zur dritten Lesung Anträge gestellt haben, dann aus dem Bedürfnis heraus, sicherzustellen, daß nicht wegen Änderungen in der zweiten Lesung die dritte Lesung verschoben werden muß. Ich darf Ihnen für die FDP-Fraktion erklären, daß keiner unserer Kollegen von dieser geschäftsordnungsmäßigen Möglichkeit Gebrauch machen würde.
Ich bitte, unserem Antrag zuzustimmen. Er ist identisch mit dem, was die Kollegen der CDU für die dritte Lesung beantragt haben. Wenn wir jetzt nicht durchkommen, werden wir selbstverständlich in der dritten Lesung dem Antrag der CDU/CSU zustimmen.
({0})
Das Wort hat der Abgeordnete Stingl.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte Sie, den Antrag der FDP abzulehnen. Wir müssen hier in einer gewissen Kulanz gegenüber dem Bundesrat so handeln, daß nicht die Gefahr besteht, daß die dritte Lesung der Gesetze behindert wird. Wir sind in einer außerordentlichen Situation, niemand wird das leugnen. Die Arbeitsbelastung des Ausschusses für Sozialpolitik und des Haushaltsausschusses in den letzten Tagen hat Zeugnis dafür abgelegt. Der Dank von Herrn Spitzmüller an die Beamten des Hauses kann nur von jedem bestätigt werden. Sie haben wirklich eine sehr große Arbeit vollbracht.
Mich veranlaßt aber das Zitat von Frau Kollegin Kalinke aus der neuen Nummer der „Ersatzkasse", noch einmal ganz wenige grundsätzliche Punkte festzustellen. Über die Notwendigkeit eines Rentnerkrankenversicherungsbeitrags ist genug gesagt. Ich will noch einige zusätzliche Bemerkungen machen.
1. Der Ausgleich des Bundeshaushalts und die finanzielle Sicherung der Rentenversicherung genießen im Finanzänderungsgesetz den Vorrang. Die Krankenversicherung konnte nur in zweiter Linie berücksichtigt werden.
2. Der Beitragsanteil, den nunmehr die Rentner zu tragen haben, ist vergleichbar dem Beitragsanteil der in Arbeit stehenden Arbeitnehmer an dem Arbeitgeberanteil, den der Arbeitgeber abführen muß. Dieser Beitragsanteil der Rentner führt nicht zu einer prinzipiellen Erhöhung des Beitrags, den die Träger der Rentenversicherung an die Krankenkassen zu zahlen haben. Die Neuregelung bindet zudem die Ausgaben für die Rentnerkrankenversicherung an die Rentenausgaben.
3. Die Krankenkassen werden insoweit eine Entlastung erfahren, als sie Rentner, die sie bisher als Familienangehörige ohne besondere Beitragszahlung betreut haben, nunmehr als Mitglieder erhalten, für die die vollen Beiträge entrichtet werden.
4. Die Lasten aus der Rentnerkrankenversicherung werden, soweit sie auf dem unterschiedlich hohen Anteil der Rentner am Mitgliederbestand der Krankenkassen beruhen, nunmehr gleichmäßig auf alle Krankenkassen verteilt. Das Gesetz sieht keine Subvention der Ortskrankenkassen durch Kassen anderer Art vor; es werden nur Präferenzen einzelner Kassen aus dem ungleich hohen Rentneranteil beseitigt.
5. Wenn verschiedene Kassen, insbesondere die Ersatzkassen, nachdem diese im gleichen Maße wie alle Krankenkassen, insbesondere wie die Ortskrankenkassen, zu den Lasten der Krankenversicherung der Rentner herangezogen werden, erklären, sie müßten deswegen die Beiträge erhöhen, dann geben sie damit zu erkennen, in welchem Maße sie durch die bisherige Regelung der Rentnerkrankenversicherung begünstigt waren.
6. Wenn die Ersatzkassen die Beiträge bereits in den letzten Tagen oder Wochen neu festgesetzt haben, dann sicherlich nicht wegen des Finanzänderungsgesetzes, das ja erst heute verabschiedet wird, sondern wegen finanzieller Schwierigkeiten, die gewiß andere Gründe haben. Mein Hinweis soll nur die Legendenbildung verhindern, daß das Finanzänderungsgesetz und damit der Gesetzgeber der Sündenbock für Beitragserhöhungen sei.
7. Wir erwarten im übrigen in diesem Zusammenhang, meine Damen und Herren, daß die Krankenkassen - auch die Allgemeinen Ortskrankenkassen - ihre Beitragssätze neu kalkulieren, haben aber Verständnis dafür, daß dies erst im späten Frühjahr geschehen kann, wenn eine echte Kalkulation nach Kenntnis der Auswirkungen unseres Gesetzes möglich ist.
8. Wir erwarten von allen Verbänden und Krankenkassen, daß sie ihre Versicherten richtig und umfassend aufklären und nicht durch hysterische Äußerungen Unsicherheit zu den Versicherten tragen.
({0})
({1})
Meine Damen und Herren! Ich rufe auf Art. 1 § 1 Nummern 01 und 02. Keine Wortmeldungen. Wer den Nummern 01 und 02 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei einer Reihe von Enthaltungen sind diese beiden Nummern angenommen.
Zu Nummer 03 liegt auf Umdruck 331 Ziffer 1 ein Änderungsantrag der Fraktion der FDP vor. Ich frage, ob dieser Änderungsantrag begründet werden soll.
({0})
Wird dazu das Wort gewünscht?
({1}) - Dann kommen wir zur Abstimmung über den Änderungsantrag auf Umdruck 331 *) Ziffer1. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag 331 Ziffer 1 ist abgelehnt.
Wer den Nummern 03, 04 und 05 in § 1 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei einigen Enthaltungen sind diese Nummern unverändert angenommen.
Ich rufe auf die Nummern 1, 2 und 3. Keine Wortmeldungen.
({2})
- Das Wort hat Frau Abgeordnete Rudoll.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Ich möchte zu der Mutterschaftshilfe in gebotener Kürze wie folgt Stellung nehmen. Durch das Haushaltssicherungsgesetz und das Finanzplanungsgesetz wurde das Inkrafttreten eines wesentlichen Teils der Novelle zum Mutterschutzgesetz aus dem Jahre 1965 hinausgeschoben; dieser Teil soll danach bis zum 1. Januar 1969 keine Gesetzeskraft erlangen. Nunmehr sollen nach dem vorliegenden Finanzänderungsgesetz die RVO-Bestimmungen über die Mutterschaftshilfe schon am 1. Januar 1968, natürlich zum Teil in geänderter Form, in Kraft treten. Für einmalige Aufwendungen anläßlich der Geburt einschließlich Stillgeld wird in dieser Vorlage ein Pauschalbetrag von 50 DM neu festgesetzt. Die Krankenkassen sollen durch Änderung ihrer Satzungen die Möglichkeit haben, diese Pauschale auf 100 DM zu erhöhen. Von den Krankenkassen wurde uns gesagt, daß auch jetzt schon keine höheren Beträge ausgezahlt werden.
Ich bin sehr froh darüber, daß es im Sozialpolitischen Ausschuß gelungen ist, die Krankenhausentbindung als Pflichtleistung der Krankenkassen vorzusehen, und zwar für längstens zehn Tage. Das ist gegenüber der Regierungsvorlage eine Verbesserung, die sicherlich vom ganzen Hause als eine gute gesundheitspolitische Maßnahme anerkannt wird. Die Gewährung von Hilfe und Wartung durch Hauspflegerinnen für diejenigen Frauen, die zu Hause entbinden wollen, ist neu und beachtlich.
Die Aufwendungen für die Mutterschaftshilfe werden in der Vorlage neu geregelt. Der Bund wird gegenüber dem Gesetz von 1965 entlastet, indem er lediglich einen Pauschbetrag von 400 DM pro Leistungsfall gewährt. Für das von den Krankenkassen zu zahlende Mutterschaftsgeld wird ein Höchstbetrag von täglich 25 DM ebenfalls neu festgesetzt. Um die Differenz zwischen diesem Höchstbetrag und dem tatsächlichen Nettoarbeitsentgelt der Frauen auszugleichen, hat der Arbeitgeber einen entsprechenden Zuschuß zu gewähren. Dieser Zuschuß bedeutet in Abänderung der Regierungsvorlage eine Entlastung für die Krankenkassen. In den Übergangsbestimmungen wird festgelegt, daß das Mutterschaftsgeld und die Arbeitgeberzuschüsse einkommensteuerfrei sind.
*) Siehe Anlage 3
Für Familienangehörige von Versicherten wird eine entsprechende Pauschale neu festgesetzt, wobei auch hier die Krankenkassen durch ihre Satzungen diesen Betrag, der da vorgesehen ist, auf 150 DM festlegen können.
Zu begrüßen ist, daß durch die vorgesehenen Änderungen und Formulierungen bei der Berechnung des Mutterschaftsgeldes die bis dato bestehende Benachteiligung für Empfängerinnen von Kurzarbeitergeld in Wegfall kommt. Dies entspricht dem Mutterschutzgesetz von 1965. Es bleibt zu erwarten, daß sowohl für die Frauen, die von den Bestimmungen über die Mutterschaftshilfe betroffen werden, . als auch für die, die das Gesetz handhaben müssen, nunmehr die Unklarheiten, die durch die verschiedenen Änderungen des Mutterschutzgesetzes entstanden sind, z. B. durch das Wiederinkraftsetzen des alten Mutterschutzgesetzes, endgültig beseitigt werden.
Im übrigen läßt sich natürlich wie bei allen anderen Vorlagen auch hier der Rotstift des Finanzministers erkennen. Es bleibt nur zu hoffen, daß bei besserer finanzieller Lage bessere Bestimmungen, nämlich entsprechend dem Gesetz von 1965, geschaffen werden.
({0})
Das Wort hat Frau Abgeordnete Schroeder.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch meine Fraktion begrüßt die jetzt vorgelegten Gesetzesregelungen auf dem Gebiet der Mutterschaftshilfe. Lassen Sie mich in aller Kürze drei Punkte herausstellen, die uns als besonders positiv erscheinen.
Das erste ist die soeben schon angesprochene Ablösung des bisherigen Provisoriums durch eine endgültige, klare Lösung. Der sehr ungute Schwebezustand, der in weiten Kreisen zu einer Rechtsunsicherheit geführt hat, ist nun endlich am 1. Januar 1968 beendet. Ich bin sicher, daß der Herr Arbeits- und Sozialminister von der Ermächtigung, die hier vorgesehen ist, den gesamten Text neu herauszugeben, sehr bald Gebrauch machen wird, so daß dann jeder vor sich haben wird, was Rechtens ist.
Das zweite Positivum, das wir in der jetzigen Konzeption sehen, ist, daß die Ziele, die uns 1965 bei der Verabschiedung des Mutterschutzgesetzes und der Verbesserung im Leistungsrecht der Mutterschaftshilfe vorgeschwebt haben, im wesentlichen erreicht sind. Das gilt besonders auf dem Gebiet des Arbeitsschutzes und des Arbeitsrechts - ich brauche auf die Einzelheiten hier nicht einzugehen - und auch gerade im Hinblick auf den Ausgleich für die finanziellen Belastungen und Ausfälle bei den einzelnen Betroffenen. In diesem Zusammenhang begrüße ich die Regelung, die der Ausschuß in bezug auf die Pauschalierung der sogenannten sonstigen Aufwendungen bei der Entbindung in § 198 und in bezug auf das Stillgeld gefunden hat. Dadurch ist bestimmt mancher Verwaltungsbelastung und mancher Schwierigkeit für den einzelnen entgegengewirkt.
Vor allem aber geht es um die gesundheitspolitischen Ziele. Hier ging es uns darum, die Risiken für Gesundheit und Leben von Mutter und Kind einzuschränken und einen Schritt voran in der Bekämpfung der Säuglings- und der Müttersterblichkeit und im Kampf um die Früherkennung von Schäden bei Kindern zu tun. Ich verweise in diesem Zusammenhang auf die Antworten, die heute in der Fragestunde von dem Herrn Staatssekretär im Bundesgesundheitsministerium gegeben wurden. Ich begrüße auch hier die Regelung, die die Ausschüsse abweichend von der Regierungsvorlage getroffen haben, die Klinikentbindung als Pflichtleistung der Krankenkassen einzuführen. Es hat sich herausgestellt, daß dadurch keine schwerwiegenden finanziellen Belastungen entstehen werden.
Das dritte Positivum sehen wir in der vor uns liegenden klaren Aufteilung der Kosten auf Bund und Krankenkassen und - nach den Vorstellungen der mitberatenden Ausschüsse - auch auf die Arbeitgeber, die als dritte Träger der Kosten vorgesehen sind, wenn sie auch nicht sehr erheblich belastet werden. Für den Bund sind die Lasten durch den festen Zuschuß von 400 DM pro Fall klar überschaubar. Wir werden in den nächsten Jahren Belastungen von rund 220 Millionen DM jährlich haben. Das bedeutet gegenüber den Auswirkungen der früheren Konzeption eine Entlastung des Bundes ab 1969 um 330 bis 350 Millionen DM. Für die Krankenkassen ist es allerdings eine Mehrbelastung, ich glaube aber, man muß hier die gesamte Be- und Entlastung für die Krankenkassen, die das Finanzänderungsgesetz bringt, im Zusammenhang sehen, um zu einer richtigen Übersicht über die Be- und Entlastung und über die Lage der Krankenkassen zu kommen.
Lassen Sie mich also noch einmal zusammenfassen: Ablösung der Rechtsunsicherheit und des Provisoriums, Erreichung der wesentlichen Ziele unseres Mutterschutzgesetzes und klare Aufteilung der Kosten - das ist es, was wir hier begrüßen. Ich bitte deswegen um Zustimmung zu diesen Paragraphen.
Zu den Nrn. 1, 2 und 3 liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Nrn. 1, 2 und 3 sind angenommen.
Zu Nr. 3 a liegt der Änderungsantrag 331 *) Ziffer 2 der Fraktion der FDP vor. Dazu Herr Abgeordneter Spitzmüller.
({0})
- Eine Sekunde! Was wollen Sie gleich mitbegründen?
({1})
- Bitte! *) Siehe Anlage 3
Meine Damen und Herren! Es handelt sich um eine Änderung, die der Sozialpolitische Ausschuß beschlossen hat und die die Neugründung von Betriebs- und Innungskrankenkassen zum Inhalt hat. Hier wollen wir darauf hinweisen, ,daß die Nr. 3 a abgelehnt werden sollte, denn das hat mit der Finanzplanung gar nichts zu tun und hat keine finanziellen Auswirkungen.
Mit der Ziffer 3 unseres Antrages soll der Text der Regierungsvorlage wiederhergestellt werden.
Ich möchte darauf hinweisen, daß wir auch zur Nr. 3 des Gesetzentwurfs einen .Änderungsantrag hätten stellen müssen. Dort geht es um die Landkrankenkassen. Aber auch mit Nachtarbeit waren nicht mehr alle Probleme textlich zu lösen. Ich bitte also, im Sinne unserer Vorstellungen zu verfahren, denn die Erschwerung der Bildung von Betriebskrankenkassen, Innungskrankenkassen und Landkrankenkassen hat mit der Finanzplanung wirklich nichts zu tun.
({0})
Wird dazu das Wort gewünscht? Keine Wortmeldungen! Dann rufe ich noch auf die Nr. 4 mit dem Änderungsantrag 331 Ziffer 3, der soeben mitbegründet worden ist. - Keine Wortmeldungen.
Wer dem Änderungsantrag 331 Ziffer 2 der Fraktion der FDP zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. Gegenprobe! - Das letzte ist die Mehrheit. Der Änderungsantrag 331 Ziffer 2 ist abgelehnt.
Wir kommen zur Abstimmung über die Nr. 3 a in 'der Fassung des Ausschusses. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Die Nr. 3 a ist angenommen.
Wir kommen zur Abstimmung über die Nr. 4. Zunächst zum Änderungsantrag 331 Ziffer 3 der Fraktion der FDP. Wer diesem Änderungsantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Das ist wieder die gleiche Mehrheit. Der Änderungsantrag ist abgelehnt.
Wer der Nr. 4 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Die Gegenprobe! Enthaltungen? - Die Nr. 4 ist angenommen.
Zu den Nrn 4 a und 4 b liegen keine Änderungsanträge vor. Wird ,das Wort gewünscht? - Das Wort wird nicht gewünscht. - Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Die Gegenprobe! -; Enthaltungen? - Die Nrn. 4 a und 4 b sind angenommen.
Zu Nr. 5 liegt vor der Änderungsantrag 331 Ziffer 4 der Fraktion der FDP. Wird das Wort gewünscht? - Herr Abgeordneter Spitzmüller, bitte!
Bei 'diesem Paragraphen handelt es sich um einen Grundsatzparagraphen, der die Tendenz zur totalen Einheitsversicherung zum Gegenstand hat. Wir lehnen diese Tendenz ab und wollen das mit diesem Umdruck klar zum Ausdruck bringen. Deshalb haben wir diesen Änderungsantrag gestellt.
Wird dazu das Wort gewünscht? - Das Wort wird nicht gewünscht. Wer dem Änderungsantrag 331 Ziffer 4 der Fraktion der FDP zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Der Änderungsantrag 331 Ziffer 4 ist abgelehnt.
Wer der Nr. 5 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Nr. 5 in der Ausschußfassung ist angenommen.
Zu Nr. 6 liegt kein Änderungsantrag vor. Wird das Wort gewünscht? - Das Wort wird nicht .gewünscht. - Wer der Nr. 6 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Nr. 6 ist angenommen.
Nr. 7! Hierzu liegt der Änderungsantrag Umdruck 331 Ziffer 5 vor. Wird dazu das Wort gewünscht? - Herr Abgeordneter Spitzmüller!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir schlagen hier vor, die Regelung für 1969 und die folgenden Jahre auszusetzen, weil die Zahlen fehlen. Wir sind der Meinung, daß diese Frage noch nicht ganz durchdacht ist. Für 1968 könnten wir der Regelung zustimmen. Für 1969 hätten wir im Laufe des Jahres 1968 noch Zeit, die Dinge zu regeln.
Frau Kalinke hat darauf hingewiesen, daß die Ersatzkassen im Moment nicht mehr so stöhnen, wie sie es bisher getan haben.
({0})
Aber aus der Rede von Frau Kalinke kam immerhin zum Ausdruck, daß wir Beschlüsse fassen mußten, über deren finanzielle Auswirkungen auf die einzelnen Kassenarten wir nicht Bescheid wissen.
({1})
Das Wort hat der Abgeordnete Stingl.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte, auch diesen Antrag abzulehnen, und zwar aus folgendem Grunde. Mit dieser Bestimmung wird festgelegt, daß die Beiträge der Rentenversicherungsträger an die Krankenversicherungsträger adäquat zu den Rentenausgaben steigen und nicht mehr zu den Krankenverversicherungsbeiträgen. Es ist möglich, daß wir einmal bei der Krankenversicherungsreform neue Regelungen finden müssen. Wir halten aber jetzt dies für zweckmäßig und richtig.
Keine weiteren Wortmeldungen. Ich lasse über den Änderungsantrag der FDP Umdruck 331 Ziffer 5 abstimmen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Der Änderungsantrag ist abgelehnt.
Präsident D. Dr. Gerstenmaier
Wer der Nr. 7 in der Ausschußfassung sowie den Nrn. 8, 9 und 10 - soweit liegen keine Änderungsanträge vor - zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Diese Nummern sind angenommen.
Ich rufe Nr. 11 auf. Dazu liegt der Änderungsantrag der Fraktion der FDP Umdruck 331 Ziffer 6 vor. wird dazu das Wort gewünscht? - Herr Abgeordneter Spitzmüller!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Hier geht es um die grundsätzliche Frage, daß die Regierung in ihrem Finanzänderungsgesetz zwar vorgeschlagen hatte, den Bundeszuschuß zu streichen, daß aber der uns vorgelegte Gesetzentwurf noch keine Lösung enthielt, wie das gehandhabt werden soll. Wir haben im Ausschuß für Sozialpolitik erst eine Stunde vor der zu vollziehenden Abstimmung Vorschläge der Bundesregierung bekommen, wie sie glaubt, daß das Ausgleichsverfahren nunmehr erfolgen muß. Wir lehnen diese Nr. 11 ab, allein schon wegen des Verfahrens, daß die Regierung hier angewandt hat. Denn wir halten es nicht für sinnvoll - -({0})
- Herr Kollege Schellenberg, ich habe gegen das Verfahren und Verhalten der Regierung im Ausschuß protestiert. Sie hatten es nur falsch ausgelegt und meinten, ich würde gegen das Verfahren im Ausschuß protestieren. Das habe ich richtiggestellt, wenn Sie sich erinnern; denn sonst hätten Sie die Ausschußsitzung abgebrochen. Diesen Schwarzen Peter ließ ich mir aber von Ihnen nicht zuschieben.
Wir müssen also diese Regelung aus den genannten grundsätzlichen Erwägungen heraus ablehnen, weil wir das von der Regierung angewandte Verfahren für unzumutbar halten.
Herr Abgeordneter Dr. Götz!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn ich den Kollegen Spitzmüller richtig verstanden habe, lehnt er die Regelung vornehmlich aus formellen Gründen ab. Sachliche Gründe gibt es meines Erachtens dafür auch nicht.
({0})
Vor Jahren ist zur Entlastung der Bergbau-Berufsgenossenschaft und zur Entlastung der Bergbauunternehmen ein Bundeszuschuß an die BergbauBerufsgenossenschaft eingeführt worden. Damit sollte aber das Problem nicht endgültig dahin gelöst sein, die Einflüsse der wirtschaftlichen Strukturveränderung auf die Unfallversicherung zum Teil im Bundeshaushalt aufzufangen. Im Zusammenhang mit der Streichung des § 723 Abs. 2 wurde im Art. 2 ein § 4 eingefügt, der die mit dem Ausfall des Bundeszuschusses verbundene Mehrbelastung der BergbauBerufsgenossenschaft auf die gewerblichen Berufsgenossenschaften verlagert. Damit haben sich die gewerblichen Berufsgenossenschaften einverstanden erklärt. Die Streichung der Nr. 11 würde eine Mehrbelastung des Bundes in Höhe von 140 Millionen DM, jährlich steigend, zur Folge haben. Aus diesem Grunde empfehle ich, den Antrag der FDP abzulehnen.
Keine weiteren Wortmeldungen.
Wir stimmen über den' Änderungsantrag der Fraktion der FDP Umdruck 331 Ziffer 6 betreffend Nr. 11 ab. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Der Antrag Ziffer 6 ist abgelehnt.
Wer der Nr. 11 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - In der Ausschußfassung angenommen.
Zu Nr. 11 a liegt ebenfalls ein Änderungsantrag der Fraktion der FDP vor: Antrag Umdruck 331 Ziffer 7. Wird das Wort gewünscht? - Herr Spitzmüller!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Wir schlagen vor, dieser Vorschrift nicht zuzustimmen und sie so zu belassen, wie sie bisher im Gesetz steht.
Hier werden zum erstenmal der Beitragsrahmen und der Leistungsrahmen voneinander gelöst. Das ist eine Folge der Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze nicht um 100 DM, wie es der Regierungsentwurf vorsah, sondern um 200 DM. Das hat wiederum zur Folge, daß hier eine neue Rentenkappung eingeführt wird. Die Höchstrente steigt damit im nächsten Jahr nicht auf 1200, sondern nur auf 1150 DM. Wir haben durchaus Verständnis dafür, daß man das so machen will. Wir kennen alle Argumente, die man dafür anführen kann. Aber wir halten es für höchst bedenklich, wenn man Beitragsbemessungsgrenze und Leistungsbemessungsgrenze voneinander trennt. Denn damit, meine Damen und Herren, bewegen wir uns in der Sozialversicherung von einem Grundsatz, den wir bisher hatten, weg. Sie können diese Streichung nämlich dann vornehmen, wenn Sie bereit sind, die Änderung, die der Sozialpolitische Ausschuß gegenüber der Regierungsvorlage vorgenommen hat, rückgängig zu machen, d. h. daß die Beitragsbemessungsgrenze nicht von 1400 auf 1600 DM, sondern, wie die Regierungsvorlage vorgeschlagen hatte, von 1400 auf 1500 DM steigt. Das ist eine Auswirkung des neuen Wortbegriffs „nach oben abrunden", wenn es in diesem Text auch nicht steht. Aber dieser neue Begriff hat in die Sozialpolitik Eingang gefunden. Wir sind der Meinung, das ist keine gute Lösung.
({0})
Das Wort hat der Abgeordnete Stingl.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Erst zu dem Begriff „nach oben abrunden" . Herr Kollege Spitzmüller, es war ein bißchen mein Hobby, im Ausschuß immer darauf hinzu7294
weisen. Ich habe mich aber an einen älteren Duden gehalten. Ich bekenne also freimütig: Jetzt steht im im Duden bereits „aufrunden" als gebräuchlich. Wir können also auf Grund der neuesten Ausgabe anders formulieren.
Zur Sache: Meine Damen und Herren, wir haben das Aufrundungsverfahren bei der Beitragsbemessungsgrenze neu eingeführt. Die Einführung eines neuen Aufrundungsverfahrens - ich muß das Wort immer wieder verwenden, es kommt mir schwer über die Lippen - hätte, wenn wir nicht auch diese Bestimmung ändern, zur Folge, daß in Wirklichkeit ehemalige Versicherte, die keineswegs so hohe Beiträge geleistet haben wie heute Versicherte, über 200 % der allgemeinen Bemessungsgrundlage als Rente bekommen könnten. Wir halten das nicht für angemessen und bitten, den Antrag abzulehnen.
Keine weitere Wortmeldung.
Wir stimmen über den Änderungsantrag der FDP Umdruck 331 Ziffer 7 betreffend Nr. 11 a ab. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Der Änderungsantrag ist abgelehnt.
Ich rufe Nrn. 11 a, 11 b, 11 c, 11 d in der Ausschußfassung auf. Wird das Wort gewünscht? - Herr Abgeordneter Spitzmüller!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Die Freien Demokraten werden sich bei der Abstimmung hierüber der Stimme enthalten. Wir müssen darauf hinweisen, daß hier ein Abbau der kumulativen Leistungen erfolgt. Das ist im Prinzip eine Abwendung vom Versicherungsprinzip in Richtung auf ein versorgungsähnliches Bedarfsprinzip. Es wird nicht mehr die kausale, sondern die finale Betrachtungsweise des Systems der sozialen Leistungen in den Vordergrund gestellt. Meine Damen und Herren, wir haben durchaus Verständnis dafür, daß man sagt: Wenn zwei soziale Leistungen zusammenkommen, werden sie gegeneinander aufgerechnet. Aber hier erfolgt eine totale Aufrechnung.
Ich möchte Sie auf die Sozialenquete hinweisen, die von den Sozialdemokraten immer dann gern zitiert wird. wenn sie sich mit ihren Ideen trifft. Dort sind auf Seite 58 über das Prinzip des verfassungsmäßigen Eigentumsschutzes eine ganze Reihe grundsätzlicher Aussagen gemacht. Darin kommt zum Ausdruck, daß eine totale Aufrechnung im Widerspruch zu Art. 14 des Grundgesetzes zu stehen scheint.
Ich will die Sitzung nicht länger aufhalten und hier alles zitieren. Ich wollte nur darauf aufmerksam machen, daß wir gerade hier auf Grund der Feststellung der Sozialenquete Bedenken haben und uns deshalb der Stimme enthalten müssen; ein Zeichen dafür, wie notwendig es gewesen wäre, daß wir etwas mehr Zeit für die Beratung des Gesetzes gehabt hätten.
Keine weitere Wortmeldung. Abstimmung! Wer den aufgerufenen Nummern 11 a bis e zuzustimmen wünscht, gebe bitte ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei einer Reihe von Enthaltungen sind die Nummern angenommen.
Ich rufe Nummer 12 auf. Hier liegt der Änderungsantrag der Fraktion der FDP auf Umdruck 331 unter Ziffer 8 vor. Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Frau Abgeordnete Funcke.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Die Begründung zu diesem Punkt schließt gleichzeitig die Begründung zu dem Antrag zu § 83 des Angestelltenversicherungsgesetzes und zu § 96 des Reichsknappschaftsgesetzes ein, weil die Problematik in allen Fällen gleich ist.
Es handelt sich darum, daß nach dem Beschluß des Ausschusses die Erstattung an die heiratenden jungen Frauen aufgegeben werden soll. Damit bleibt die Frau auf der einen Seite in der Versicherungsanwartschaft. Das ist gut. Aber auf der anderen Seite verliert sie die für die Gründung des Ehestandes notwendigen Mittel, weil die Beitragserstattung entfällt. Wir stimmen dem Grundsatz zu, daß die Versicherungsrechte nicht mehr abgelöst werden sollten. Wir müssen aber zugleich sehen, daß so die Gründung des Hausstandes für die jungen Ehepaare ungeheuer erschwert wird. Hier stellt sich ein sozial- und familienpolitisches Problem. Der Beginn einer Ehe entweder mit einem völlig unzureichenden Hausstand oder einem Schuldenberg zu belastenden Bedingungen und möglicherweise zweifelhaften Kreditgebern belastet eine junge Ehe sehr, zumal dann, wenn die Kinder kommen und eine schnelle Abtragung in größeren Raten nicht möglich ist.
Ich hatte bereits in der ersten Lesung vorgetragen, daß wir den Antrag stellen würden, den jungen Ehepaaren aus der Versicherung einen Anspruch auf ein günstiges Darlehen zu geben, das etwa bis zu der Höhe der bisherigen Auszahlungsansprüche reicht. Die jungen Ehepaare haben sich ja bisher auf die Auszahlung verlassen können. Damals hat Herr Kollege Killat durch eine Zwischenfrage zum Ausdruck gebracht, wir alle in diesem Hause seien uns darin einig und brauchten dazu gar nicht mehr zu reden.
Meine Damen und Herren, ich habe vergeblich im Gesetz gesucht, wo das nun steht. Aus der angeblichen sachlichen Übereinstimmung ist nichts Konkretes geworden. Das einzige, was Sie getan haben, ist, die Regierung zur Prüfung der Frage aufzufordern. Nun, wir alle wissen, welch verschiedenen Realitätsgrad solche Aufträge an die Regierung zur Prüfung haben.
({0})
- Nein, Herr Kollege, wenn ich an die Mitbestimmungsfragen denke, habe ich den Eindruck, daß das
auch ein bißchen auf die lange Bank geschoben und
nicht mit dem Ziel baldiger Realisierung behandelt wird.
({1})
Es gibt Aufträge zur Prüfung in der tatsächlicher. Absicht, daß bald etwas geschehen soll. Aber es gibt auch Aufträge zur Prüfung, die deswegen gestellt werden, weil man sich nicht entscheiden und die Dinge auf die lange Bank schieben möchte. Tatsache ist aber, daß wir nicht mehr warten können. Vom 2. Januar an wird in der Bundesrepublik geheiratet. Und da hilft keine Prüfung, sondern nur eine klare Gesetzesbestimmung. Denn junge Leute können keine Küche kaufen mit dem bloßen Hinweis auf einen solchen Antrag des Bundestages, daß die Regierung prüfen möge, ob sie Geld bekommen oder nicht.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Bitte schön!
Frau Kollegin, sollten wir nicht darin einig sein, daß nichts gefährlicher wäre, als soziale Versprechen zu geben, deren Finanzierung und Realisierung, sogar schon am 2. Januar, wie Sie sich vorstellen, unklar ist? Widersprechen Sie hier nicht Ihrer eigenen Diktion, indem Sie etwas gefährden, was Sie doch gerade immer wollen?
Nein, Frau Kollegin, das sehe ich nicht. Wenn Sie unseren Antrag annehmen; ist es nicht nur ein Versprechen, sondern ist ein gesetzlicher Anspruch da. Von daher können die jungen Ehepaare dann planen.
({0})
- Ja, Frau Kollegin, .da kommen Sie eben auf jenen Punkt, den wir bedenklich finden. Eine sozialpolitische Regelung wie die der Nicht-mehr-Auszahlung nur deswegen einzuführen, weil man im Augenblick ,das Geld der jungen Frauen für die Rentenversicherung braucht, ist eine schlechte Begründung.
({1})
- Herr Kollege, wir müßten mal ausrechnen, welches Verlustgeschäft das für die jungen Frauen ist. Denn es ist ein Verlustgeschäft. Darüber haben wir uns ja schon in der ersten Lesung unterhalten. Denn diese jungen Frauen erhalten doch nichts als einen sehr vagen, möglichen Invaliditätsanspruch, der von den allermeisten Frauen nicht realisiert wird, weil Frauen in ihrem Haushalt im allgemeiner nur in seltenen Fällen für die Aufgaben einer Hausfrau berufsunfähig werden. Ein Anrecht auf eine
Altersrente ergibt sich ja im allgemeinen bis zur Eheschließung nicht.
({2}) Darum ist das ein glattes Verlustgeschäft.
Die Frage der Frau Kollegin Kalinke machte es doch deutlich: man will das Geld für andere Zwecke haben, und die Frauen haben damit das Nachsehen: Das möchten wir nicht. Wir möchten es jedenfalls nicht so, daß sie nicht einmal die darlehensmäßige Anwartschaft hätten. Es soll ja Geld sein, das zurückfließt. Was wir jetzt einmal ausgeben, wird schon vom nächsten Jahr an wieder zurückkommen. Es ist also nur eine einmalige Jahresquote, die auf die Dauer als Liquiditätsverlust bei den Rentenanstalten entsteht.
Wenn Sie dem nicht zustimmen, meine Herren und Damen, erregen Sie in der Tat den Verdacht, daß Sie hier auf Kosten der jungen Ehepaare Sanierungen in der Rentenversicherung vornehmen wollen.
({3})
Hier sollten gerade die Familienpolitiker unter uns sorgfältig hinhören. Denn ein Beginn einer Ehe mit unzureichendem Hausstand oder hohen Zins- und Tilgungsbelastungen ist kein guter Start für die Ehe.
({4})
Das Wort hat Frau Abgeordnete Eilers.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch ich möchte zu dem von Frau Kollegin Funcke behandelten Paragraphen sprechen, der die Nicht-mehr-Auszahlung der eigenen Beiträge .der Frauen bei Heirat beinhaltet. Ich glaube, daß diese Maßnahme eine der wirklich erfreulichen ist, die in der mittelfristigen Finanzplanung enthalten sind. Einige werden sich nicht restlos damit einverstanden erklären und werden nicht sehr glücklich sein, wenn sie - in der ersten Phase - davon betroffen sind. Aber hier ist doch eine Möglichkeit geschaffen, ,den Frauen, die heute weit mehr als früher berufstätig bleiben oder zu irgendeinem anderen Zeitpunkt in ihrem Eheleben wieder berufstätig werden, eine Chance zu geben, den einmal aufgebauten Versicherungsschutz zu erhalten und weiter auszubauen. Ich glaube, das ist eine wichtige und notwendige Maßnahme.
({0})
Die Frau hat nicht nur zu erwarten - wie Frau Kollegin Funcke sagte - , daß sie vielleicht einmal bei Invalidität eine Kleinstrente erhalten kann, sondern sie hat auch den Schutz hinsichtlich Kuren und weiteren Maßnahmen und vor allen Dingen das einmal erworbene Recht, wenn sie wieder einmal berufstätig wird. Ich glaube, das ist eine Selbstverständlichkeit. Diese Erfahrungen haben wir aus der Frauenenquete erhärtet bekommen: daß immer mehr Frauen doch auf diesem
Stock, den sie einmal erworben haben, wieder aufbauen.
Aber heute sind viele junge Eheleute, wie Frau Kollegin Funcke durchaus zutreffend sagte, nicht in der Lage, ohne weiteres ihre Ehe ohne Sorgen aufzubauen. Viele haben leider die Auszahlung ihrer Sozialbeiträge als ein Ehedarlehen angesehen. Weil wir das nicht für möglich und notwendig und gut halten, möchten wir in einem Entschließungsantrag die Bundesregierung auffordern, zu prüfen - und dem Bundestag darüber zu berichten -, ob und inwieweit Versicherten zwecks Gründung eines Hausstandes ,ein Darlehen aus dem Vermögen der gesetzlichen Rentenversicherung in Zusammenarbeit mit den Banken und Sparkassen gewährt werden kann. Wir hoffen, daß dieser Bericht dazu führen wird, schon Rahmen des Dritten Rentenversicherungs-Änderungsgesetzes die Möglichkeiten ausbauen zu können, den jungen Familien echte Darlehen anzubieten.
Ich glaube, daß ,es in diesem Zusammenhang auch wichtig ist, auf den Antrag Umdruck 336*) aufmerksam zu machen. Hier geht es darum, daß wir denjenigen - und wir verzeichnen ja interessanterweise einen Boom an Heiraten -, die bis zum 30. Dezember die Ehe schließen, die Möglichkeit geben, den Antrag zur Auszahlung der Arbeitgeberanteile noch bis zum 31. Januar einzureichen. Damit sie nicht auf Grund ihrer heutigen gesetzlichen Möglichkeiten in irgendeine Verdrückung geraten, halten wir es für notwendig und gut, daß ihnen diese Möglichkeit angeboten wird. Ich möchte das Hohe Haus bitten, diesem Antrag zuzustimmen.
({1})
Das Wort hat Frau Abgeordnete Kalinke.
Ich möchte nach den Ausführungen meiner Kollegin Funcke nur noch dies sagen: Durch die Entscheidung verlieren die Frauen nicht 500 Millionen DM, sondern sie gewinnen die 500 Millionen DM an Arbeitgeberanteil, die sonst im Falle der Beitragserstattung verloren wären.
({0})
Sie selber haben sich an ,dieser Stelle so oft für eine Hausfrauenversicherung eingesetzt. Auf diesem Wege bekommen alle Ehemänner eine Chance, mit ihren Ehefrauen die Hausfrauenversicherung zu planen. Und schließlich haben Sie sich für die Teilzeitbeschäftigung ausgesprochen. Die teilzeitbeschäftigten Frauen, die kurze Zeit ihren Beruf ausgeübt haben und - falsch beraten - dann ausscheiden, sind diejenigen, denen wir hier entscheidend helfen wollen.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Spitzmüller.
') Siehe Anlage 4
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen, meine Herren! In der Sozialpolitik gibt es gelegentlich Verwechslungen. Frau Kollegin Kalinke, wir wollen ja nicht, daß die Frauen das weiter ausbezahlt bekommen, sondern wir wollen nur, daß sie in der Versicherung bleiben, aber daneben ein Darlehen bekommen können.
({0})
Zur Liquiditätsfrage, die hier in einem Zuruf angesprochen worden ist, nur eines. Meine Damen und Herren, wir haben auch etwas Sorge, ob die Liquidität ausreicht. Aber wir hatten erwartet, daß die Regierung zu diesem Antrag hier wenigstens Stellung nimmt und die Behauptung zurücknimmt, die in Berlin 'in der Sitzung des Sozialpolitischen Ausschusses seitens der Regierung aufgestellt wurde, nämlich 'daß, wenn die mittelfristige Finanzplanung nun verabschiedet würde, wie sie hier vorliegt, jährlich 1,8 Milliarden DM Rückflüsse von Vermögensanlagen der Versicherungsträger zu erwarten sind und daß 'das Vermögen der Rentenversicherungen in .den nächsten vier Jahren nicht aufgezehrt, sondern daß das Vermögen der Rentensicherungsträger gleich 'bleiben würde.
Schließlich darf ich darauf hinweisen, daß im Dritten Rentenversicherungs-Änderungsgesetz ausdrücklich vorgesehen ist, daß die Träger das Geld bevorzugt für soziale Zwecke einzusetzen haben. Wir sind der Meinung, daß, wenn wir hier schon etwas 'im Finanzänderungsgesetz regeln können, wir es dann nicht ins Dritte Rentenversicherungs-Änderungsgesetz aufnehmen sollten, sondern, nachdem hier so vieles aus diesem Gesetz bereits eingebaut worden ist, daß wir auch dies hier schon regeln sollten. Wir haben Verständnis, wenn Sie da gewisse Hemmungen haben, aber, meine Damen und Herren, wir gehen bei unserem Antrag. von der Liquiditätssituation aus, wie sie uns im Sozialpolitischen Ausschuß in Berlin von .der Bundesregierung angegeben worden ist: 1,8 Milliarden DM Rückflüsse jährlich. Diese Rückflüsse würden dann für andere Anlagen zur Verfügung stehen, und hier wäre eine sinnvolle soziale Anlage.
({1})
Keine weitere Wortmeldung.
Abstimmung über Ziffer 8 des Änderungsantrags der Fraktion der FDP Umdruck 331. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Zeichen. - Gegenprobe! - Dieser Änderungsantrag ist abgelehnt.
Ich rufe die Nrn. 12 und 13 der Ausschußfassung
auf. Hierzu liegen keine Änderungsanträge vor.
Wer zuzustimmen wünscht, gebe bitte ein Zeichen.
Gegenprobe! - Enthaltungen? - Angenommen.
Nr. 14 der Ausschußfassung. ' Hierzu liegt ein Änderungsantrag der Fraktion der FDP auf Umdruck 331 - Ziffer 9 - vor. Wird das Wort gewünscht? - Herr Abgeordneter Spitzmüller! Begründen Sie auch gleich Ziffer 10?
Leider haben wir da einen anderen Kollegen vorgesehen.
Das ist eine Abwechslung!
({0})
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Mit diesem Vorschlag bekennen wir uns zu den Beitragssätzen, wie sie die Regierung festgelegt hat, obwohl wir die Befürchtung haben, daß sie unter Umständen nicht ausreichen könnten. Was wir wünschen, ist, daß Buchstabe b in der Fassung des Ausschußbeschlusses gestrichen wird. Hier geht es nämlich um die Frage der Beitragsbemessungsgrenze. Der Beitrag steigt von 1400 DM auf 1600 DM. Das geschieht durch eine Einfügung, die der Sozialpolitische Ausschuß gemacht hat. Es erbringt zwar kurzfristig jährlich 50 Millionen DM, aber langfristig betrachtet ist das kein Geschäft.
({0})
- Doch, Herr Kollege Stingl, das paßt schon zusammen. Kurzfristig gibt das für die Versicherungsträger ein Einnahmegeschäft, aber langfristig werden aus diesen höheren Beiträgen natürlich auch höhere Renten zu bezahlen sein. Insofern ist das für die Rentenversicherungsträger zwar eine Frage der kurzfristigen Finanzplanung, aber langfristig wird es für die Rentenversicherungsträger wieder teuer. Es ist ja überhaupt manchmal das Problem bei diesen sozialpolitischen Fragen, daß man kurz- oder mittelfristig plant, langfristig aber wieder neue, größere Löcher aufreißt. Ich sage gelegentlich: Kurzfristig stopfen wir hier die Löcher, und in 20 Jahren gehen wir barfuß.
({1})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Becker.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich muß Sie bitten, diesen Antrag des Kollegen Spitzmüller abzulehnen. Herr Kollege Spitzmüller, Herr Kollege Stingl machte schon in einem Zwischenruf darauf aufmerksam, daß Sie im Gegensatz zu Ihren vorherigen Anträgen die Sache diesmal als etwas zu weitgehend ansehen. Herr Kollege Spitzmüller, wir alle, die wir uns mit der Sozialpolitik beschäftigen, haben uns bei der Umstellung sehr eingehend über die Frage der Rentenhöhe und der Rentenkappung unterhalten. Wir sind darauf gekommen, daß wir bei 200 % der allgemeinen Bemessungsgrundlage eine Kappung vornehmen müssen. Sie wissen, meine verehrten Damen und Herren, daß derjenige, der 200 %, also den höchsten Beitrag von 196 monatlich in diesem Jahr bezahlt, trotzdem nicht auf 200 % der allgemeinen Bemessungsgrundlage kommen kann, sondern im Augenblick etwa auf 160, 165 oder 168 %. Ich möchte meinen, daß wir diesen Unterschied doch allmählich ausgleichen müssen. Die Gefahr, die Sie hier vorgetragen haben, sehe ich nicht.
Ich möchte Sie bitten, es bei der Ausschußvorlage zu belassen.
Weitere Wortmeldungen? Das ist nicht der Fall. Wir stimmen über den Änderungsantrag der FDP auf Umdruck 331 Ziffer 9 ab. Wer zustimmt, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Der Änderungsantrag ist abgelehnt.
Nr 14 in der Fassung des Ausschusses! Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Nr. 14 ist angenommen.
Nr. 15! Hierzu liegt ein Änderungsantrag der Fraktion der FDP auf Umdruck 331 Ziffer 10 vor. Bitte sehr.
Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Mit dieser Bestimmung wollen die Bundesregierung und die Koalitionsfraktionen die Arbeitgeber erneut verpflichten, für beschäftigte Rentner und Pensionäre einen Arbeitgeberanteil zu entrichten, ohne daß die betreffenden Beschäftigten dafür auch nur einen Pfennig als Gegenleistung im Risikofalle beanspruchen können. Damit erhält die Abgabe den Charakter einer Sondersteuer. Wir wissen, daß die Sonderabgabe als arbeitsmarktpolitisches Instrument bereits bestanden hat. Die Bundesregierung hat jedoch im Sozialpolitischen Ausschuß zu keinem Zeitpunkt eine Andeutung darüber gemacht, daß sie in Zukunft mit einem solchen Ausmaß von Arbeitslosigkeit rechnet, daß aus Gründen der Wettbewerbsneutralität zwischen Rentnern und Pensionären und sonstigen Arbeitsuchenden die Wiedereinführung dieser Sondersteuer gerechtfertigt wäre.
Wir Freien Demokraten würden diese Sondersteuer mit unserem jetzigen System für vereinbar halten, wenn die Beschäftigten für diese Abgabe der Rentenversicherung in bestimmten Risikofällen auch entsprechende Ansprüche hätten. Diese Probleme sind im Sozialpolitischen Ausschuß des Bundestages erkannt und auch angesprochen worden, aber zur sachgemäßen Beratung ist es aus den bekannten Gründen nicht gekommen.
({0})
Wir bitten deshalb, durch Zustimmung zu unserem Antrag die Entscheidung über diesen Punkt auszusetzen. Er kann im Zusammenhang mit dem Dritten Rentenversicherungs-Änderungsgesetz sachgemäß beraten werden.
({1})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Götz.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte, den Antrag der FDP abzulehnen. Mit der in der Regierungsvorlage vorgeschlagenen Bestimmung, für die sich auch der Sozialpolitische Ausschuß und der Haushaltsausschuß aus7298
gesprochen haben, wird praktisch der Zustand wiederhergestellt, der vor Inkrafttreten des Ersten Renten versicherungs-Änderungsgesetzes im Jahre 1965 bestanden hat. Die Gründe, die damals dafür gesprochen haben, die Arbeitgeberbeiträge für beschäftigte Rentner wegfallen zu lassen, liegen heute nicht mehr vor.
Wenn man dem Antrag der FDP folgt, ergibt sich daraus für die Rentenversicherung ein Einnahmeausfall im Jahre 1968 von 236 Millionen DM, für den gesamten Planungszeitraum bis 1971 ein Einnahmeausfall von über einer Milliarde; genau: 1019 Millionen DM. Ich hätte bei der Größenordnung dieses Einnahmeausfalls eigentlich erwartet, daß die Antragsteller auch einen Deckungsvorschlag gemacht hätten.
({0})
Er ist nicht gemacht worden.
Im Interesse der Finanzlage der Rentenversicherungen sollten wir den Antrag der FDP ablehnen.
({1})
Keine weitere Wortmeldung. Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der FDP Umdruck 331 Ziff. 10. Wer zustimmt, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Das letzte war die Mehrheit; der Änderungsantrag ist abgelehnt.
Wir stimmen ab über Nr. 15. Wer dieser Nummer in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Nr. 15 ist angenommen.
Nummern 16, - 17, - 18, - 19, -! Keine Wortmeldung. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen.
Nr. 20! Auch dazu kein Änderungsantrag, keine Wortmeldung. Wer zuzustimmen wünscht, gebe bitte ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Angenommen!
Ich rufe § 2 auf. Dazu liegt ein Änderungsantrag der Fraktion der FDP auf Umdruck 335 *), Ziff. 1, vor. Wird das Wort zur Begründung gewünscht? -Herr Abgeordneter Genscher!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben bei dem Vorschlag der Bundesregierung, § 4 Abs. 1 Nr. 1 und § 5 des Angestelltenversicherungsgesetzes zu streichen, einen der Kernpunkte der Vorlage vor uns. Hier wird der Versuch unternommen, mit haushaltsrechtlichen Argumenten eine gesellschaftspolitische Neuorientierung herbeizuführen. Deshalb sagen wir nein zu diesem Antrag der Bundesregierung und zu dem Beschluß des Ausschusses.
Die Argumente für diesen Streichungsantrag, das heißt, für die Einbeziehung aller Angestellten in die Versicherungspflicht, sind vielfältig. Es wird behauptet, die Nichtversicherten hätten den Wunsch,
*) Siehe Anlage 5
einbezogen zu werden, und in dem Propagandablatt der Bundesregierung heißt es sogar, das sei notwendig, um eine gesicherte Altersversorgung zu garantieren.
({0})
- Herr Kollege Winkelheide, ich werde dazu ja gleich Stellung nehmen. Wenn Sie sagen, das sei ganz klar, dann nähren Sie damit unseren Verdacht, daß die Politik dieser Regierungskoalition darauf gerichtet ist, in Zukunft nur noch diese Form der Altersversorgung als eine sichere Möglichkeit zu behandeln und alle anderen Formen weiter zu diskriminieren. Ich glaube, diese Entscheidung muß jeder sehen, der heute über die Vorlage der Regierung abstimmt. Es ist eine Diffamierung aller anderen Bestrebungen, für sein Alter und für die Wechselfälle des Lebens vorzusorgen, wenn die Einbeziehung aller Angestellten in die Versicherungspflicht sozusagen als die einzig mögliche Form, eine gesicherte Altersversorgung herbeizuführen, dargestellt wird.
Die Regierung hat es hier in ihrem Propagandablatt mitgeteilt, und da heißt es dann: „Die Richtung stimmt". Für Sie, Herr Winkelheide, steht das vorn auf der ersten Seite in schwarz, und für die andere Seite des Hauses ist es in rot auch noch einmal aufgeschrieben.
Das dritte Argument ist die Behauptung, die Einbeziehung sei zwangsweise durch das Umlagesystem bedingt. Wie sieht es in Wahrheit aus? Wenn Sie schon die Wünsche derjenigen, die heute nicht pflichtversichert sind, erhören wollten, dann hätten Sie früher Gelegenheit gehabt, unseren Vorschlägen zuzustimmen, nämlich unter bestimmten Voraussetzungen die gesetzliche Rentenversicherung zu öffnen. Das haben Sie nicht getan, da haben Sie sich uns nicht angeschlossen.
({1})
Ihre Behauptung schließlich, daß man eine gesicherte Altersversorgung schaffen müsse, heißt doch im Grunde, daß diejenigen, die bisher bereit waren, selbst wirksam für ihr Alter vorzusorgen, unmündig sind und daß sie sozusagen über den Weg der Gesetzgebung auf den richtigen Weg gebracht werden müssen. Herr Stingl, das ist doch ganz unbestritten. Die Möglichkeit, in der Übergangszeit auszuscheiden, ist keine reale Möglichkeit, sie ist eine Farce, weil Sie bestimmte Rechte nehmen, die die Betroffenen bisher hatten, so daß sie sich zwangsweise werden entscheiden müssen, von diesem Ausscheidungsrecht keinen Gebrauch zu machen.
Nein, meine Damen und Herren, hier geht es darum, in der Frage der gesetzlichen Rentenversicherung die Stunde der Wahrheit noch ein wenig zu verschieben. Ein wenig ist ja die Decke über dieser Frage schon gelüftet worden. Allen Ankündigungen zum Trotz, daß die Regierungsbeteiligung der Sozialdemokratischen Partei eine Veränderung im System der gesetzlichen Rentenversicherung verhindern werde, hat man sich in der KnappschaftsGenscher
versicherung schon zu einer nachteiligen Veränderung entschlossen.
Ich glaube, Sie sollten klar erkennen, daß der Versuch, alle Angestellten zwangsweise in die gesetzliche Rentenversicherung einzubeziehen, am Ende nur der Versuch ist, auf Kosten dieser Angestellten, als eine Art Volkssturm zur Rettung der gesetzlichen Rentenversicherung, bestimmte Entscheidungen noch ,einmal um wenige Jahre hinauszuschieben.
(Beifall bei der FDP. - Lachen bei der
({2})
Das ist das letzte Aufgebot. Das hat mit dem Umlagesystem überhaupt nichts zu tun; denn Sie müßten dazusagen, meine Damen und Herren, daß Sie im gleichen Atemzug die Bundeszuschüsse kürzen wollen, und das soll eben zu Lasten derjenigen geschehen, die Sie heute zwangsweise in die gesetzliche Rentenversicherung hineinschieben wollen. Sie sollten klar erklären, daß Sie hier eine andere gesellschaftspolitische Konzeption vertreten, und Sie sollten dabei nicht mit haushaltsrechtlichen Argumenten und mit dem Argument, man müsse hier jemanden zu seinem Glück führen, argumentieren.
Meine Damren und Herren, wir sagen nein zu diesem Versuch, Menschen, die im Vertrauen auf die bisherige Gesetzgebung sich für eine private Form der Altersvorsorge entschieden haben, jetzt zwangsweise zur Umstellung ihrer Lebensplanung zu zwingen. Denken Sie ungeachtet Ihrer Einstellung zu den Fragen im einzelnen daran, daß auch der Gesetzgeber dem Gebot des Vertrauensschutzes unterliegt.
({3})
Herr Abgeordneter Genscher, sind wenn Ziffer 1 Ihres Antrages abgelehnt wird, dann die Ziffern 2 und 3 erledigt?
({0})
Das Wort hat der Abgeordnete Killat.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Genscher hat zu Recht erklärt, daß es bei diesen Paragraphen über die Pflichtversicherung um eine Kernfrage der heutigen Entscheidung geht. Herr Präsident, ich bitte, gleichzeitig zu den Vorschriften sprechen zu dürfen, die im Zusammenhang mit der Versicherungspflicht das Problem der Befreiung oder die Maßnahmen der Nachversicherung, der Halbdeckung, und was damit im Zusammenhang steht, behandeln. Das erspart es uns, nachher zu den einzelnen Anträgen noch Stellung zu nehmen. Es sind also Art. 1 § 2, Art. 2 - § 4 a -, § 5 a und § 54 a.
Sie hatten sich auch noch zu § 2 gemeldet, Herr Abgeordneter. - Sie können jetzt sprechen, wozu Sie wollen, wenn das in einem Sachzusammenhang steht.
Meine Damen und Herren, die Versicherungspflicht für die Angestellten hat ihre Ursache nicht zuletzt darin, daß wir nunmehr zu einem absoluten Umlageverfahren in der Rentenversicherung übergegangen sind. Anders ausgedrückt: Das Herauslassen bestimmter Teile der Angestelltenschaft aus der Versicherungspflicht rührte noch aus der Zeit, als wir ein Kapitaldeckungsverfahren und später ein Anwartschaftsdeckungsverfahren mit gewissen individuellen Deckungen hatten, die in dem Stadium, in dem wir uns heute befinden, nicht mehr zeitgemäß sind. Bei einem Umlageverfahren aber ist es ausgeschlossen, daß einzelne Gruppen etwa noch individuelle Auslese betreiben. Denn bei einer Pflichtversicherung, die alle Arbeitnehmer umfaßt, haben wir es mit einer Sicherungseinrichtung zu tun, in der die arbeitende Generation durch ihren Konsumverzicht, durch ihren Beitrag Verpflichtungen erfüllt und Leistungen erbringt, für die in der Vergangenheit - das ist nachweisbar - niemals Beiträge in der Anzahl oder der Höhe geleistet worden sind, wie wir sie heute nach der Rentenreform vergüten.
Es ist nachgewiesen, daß sich bisher als einzige Form der sozialen Sicherung das absolute Umlageverfahren bewährt hat, diese Solidarhaftung, ich möchte sagen: die Generationshaftung, die über alle Kriege hinweg, über alle Inflationen und Währungsumstellungen hinweg funktioniert hat, ja, so gut funktioniert hat, daß der Gesetzgeber in der Lage war, den Rentenversicherungsträgern neue Personenkreise zuzuführen, neue Leistungsverpflichtungen aufzuerlegen. Ich erinnere nur an das große Werk des Fremdrenten- und Auslandsrentengesetzes, mit dem wir alle Deutschen, die irgendwann einmal irgendwo im Ausland tätig waren und niemals in unserem Lande Beiträge geleistet haben oder sogar überhaupt nicht versichert waren, weil es draußen solche Einrichtungen nicht gab, in die Solidargemeinschaft aller Beschäftigten aufgenommen haben. Sie erhalten ihre Leistungen nicht auf Kosten des Bundes, sondern von den Rentenversicherungsträgern aus den Beiträgen der Arbeiter und Angestellten.
Bei dem Umlageverfahren, das wir heute anwenden, gibt es auch keine engeren Beziehungen etwa zwischen den Beiträgen der Versicherten und den Rentenleistungen. Es gibt nur, ich möchte es so ausdrücken: einen Schuldtitel, den der Versicherte mit seinem Beitrag an die öffentlich-rechtliche Institution „Rentenversicherung" oder die Versichertengemeinschaft erwirbt. Bei einer solchen Betrachtungsweise ist es ausgeschlossen, weiterhin bei der Regelung zu bleiben, daß nach der Rosinentechnik eine Gruppe, insbesondere eine Gruppe von höher verdienenden Angestellten, von dieser Verpflichtung ausgenommen wird.
Ich möchte weiter darauf aufmerksam machen, daß viele nicht nur wirtschaftlich, sondern auch schicksalhaft und politisch bedingte Umstände dazu geführt haben, daß wir Leistungsverpflichtungen zu erfüllen haben - ich will nur das Schlagwort vom Rentenberg nennen, der uns in zunehmendem Maße noch bis 1974/75 befassen wird -, die nicht erfüllt
werden können, wenn die Versichertengemeinschaft nicht geschlossen bleibt.
Der Gesetzgeber geht von der Tatsache aus, daß bei den in abhängiger Arbeit Beschäftigten - und das gilt auch für die leitenden Angestellten bzw. die höher verdienenden Angestellten - die Quelle ihres Einkommens nur ihre Arbeit ist; sie haben kein Vermögen oder sonstigen Besitz, von dem sie, wie mancher Selbständige, ausgehen können. Die Quelle der Sicherung ist ihre Arbeit. In dem Augenblick, in dem diese Arbeitskraft wegen Arbeitslosigkeit, wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit oder wegen Krankheit nicht eingesetzt werden kann, setzen Sicherungsmaßnahmen ein, für die wir in diesem umfassenden Sozialwerk die Grundlagen besitzen.
Ich muß aber auch darauf hinweisen, daß wir nach der Rentenreform 1957 und in noch stärkerem Maße durch die Härtenovelle von 1965 in der Rentenversicherung aus einer zwingenden Notwendigkeit heraus pauschalierte Leistungen haben einführen müssen, die durch Beiträge nicht gedeckt sind. Ich denke an Ausfallzeiten, an Ersatzzeiten, an Zurechnungszeiten. Bei den Ausfallzeiten können vier Jahre Oberschule und fünf Jahre Studium gutgeschrieben werden, ohne daß ein Beitrag bezahlt worden ist. Es können sonstige Zeiten gutgeschrieben werden, Zeiten des Wehrdienstes, des Kriegsdienstes usw. Wir können die Leistungen dafür nur erfüllen, wenn wir ein nahtloses Deckungssystem haben, das für einen sozial gerechten Finanzausgleich sorgt und verhindert, daß individuell manipuliert werden kann.
Damit komme ich zu dem Punkt, der in der Öffentlichkeit eine gewisse Rolle spielt: zur Frage der Halbdeckung. Zuvor noch ein Hinweis: Unsere Renten sind nach der Ausarbeitung eines Referenten des Arbeitsministeriums zu 60 % beitragsbezogen und zu 40% pauschaliert. Würde man den Bundeszuschuß einbeziehen, hätten wir 50 % pauschalierte und 50 % beitragsbezogene Leistungen. Diese Zahlen sind auf das normale Arbeitsleben bezogen. Das bedeutet, daß ein Versicherter, der von der Halbdeckung Gebrauch macht, nur noch ein Viertel der Leistungen durch Beiträge deckt, aber die Ausfall-, Ersatz- und Zurechnungszeiten voll angerechnet erhält. Das ist ein Zustand, den wir auf die Dauer nicht vertreten können.
Nun können Sie sagen, daß die sonstigen freiwillig Versicherten ja auch von der Halbdeckung Gebrauch machen, Selbständige, Unternehmer, Beamte, Hausfrauen. Meine Damen und Herren, das stimmt mit einer Ausnahme: Diese freiwillig Versicherten haben keinen Anspruch auf Anrechnung von Ausfall- und Zurechnungszeiten, wenn nicht ihre Gesamtversicherungszeit mindestens zur Hälfte mit Pflichtbeiträgen belegt ist. Das heißt, wir haben eine unterschiedliche Behandlung von freiwillig Versicherten, Selbständigen usw., und von Angestellten, die wegen Überschreitens der Jahresarbeitsverdienstgrenze zwar freiwillig versichert
sind, deren freiwillige Beiträge aber nach den Vorschriften des Gesetzes als Pflichtbeiträge anzurechnen sind. Diese Bestimmung ist in der Erwartung gefaßt, daß sich die Angestellten, wie es früher dei Fall war, stets weiter versichern werden.
Meine Damen und Herren, das darf ich vielleicht einmal auf unseren Personenkreis, auf die Abgeordneten, beziehen. In diesem Hause haben wir zweierlei Recht. Die Beiträge von Abgeordneten die noch ein Arbeitsverhältnis als leitende Angestellte haben und freiwillig ihre Beiträge weiterzahlen, werden als Pflichtbeiträge berechnet, obwohl sie freiwillig Beiträge zahlen und freiwillig Versicherte sind. Abgeordnete in der gleichen Position, die aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden sind, haben nicht mehr die Möglichkeit, daß ihre weiter gezahlten Beiträge als Pflichtbeiträge anerkannt werden. Das gilt nämlich nur für Bei träge von beschäftigten Angestellten, deren Einkommen die Beitragsgrenze übersteigen.
Sie werden schon an diesem Beispiel erkennen, daß hier ein Ausnahmerecht geschaffen wurde. Dieses Ausnahmerecht führt dann zu einem völligen Mißbrauch, wenn nunmehr, wie bei der Härtenovelle geschehen, mit einer großzügigen Propaganda die Möglichkeiten dargelegt werden, wie man nicht nur mit einer „Halbdeckung", sondern daz noch mit nur sechs Beiträgen à 14 DM im Jahr der gleichen Effekt wie mit Höchstbeiträgen von in Zukunft 240 DM erzielen kann, nämlich die Aufrechterhaltung der Ausfall- und Zurechnungszeiten. So sind wir zu der Überzeugung gekommen, daß wir im Hinblick auf die Gleichbehandlung von Pflichtversicherten und von freiwillig Versicherten nicht mehr in der Lage sind, dieses Unrecht bestehen zu lassen.
Hinzu kommt, meine Damen und Herren, daß die Dynamisierung in der Rentenversicherung, die jährliche Anhebung der Renten - jetzt um 8,1 % - nur möglich ist, wenn die Einkommen und damit verbunden die Beiträge der Versicherten steigen. Aber die freiwillig Versicherten, die nur die halben Beiträge oder gar nur Beiträge à 14 DM monatlich zahlen, tragen nicht zu dieser Dynamisierung bei. Sie sind bei dieser Dynamisierung nur Nutznießer auf Kosten der Pflichtversicherten.
({0})
Noch ein Wort zur Frage der „Zwangsversicherung", daß nun die Angstellten unter das Joch einer Zwangsversicherung gestellt werden.
Erstens haben die Sozialwissenschaftler nicht nur in der Sozialenquete, sondern auch beim Hearing darauf hingewiesen, daß eine Versicherung dieser Art nur bestehen kann, wenn alle Versicherten, ganz gleich welcher Art, voll ihren Beitrag leisten, d. h. pflichtversichert sind.
Weiter wurde beim Hearing - deswegen spreche ich die Kollegen aus dem Sozialpolitischen Ausschuß an - über die Frage einer Selbständigenversicherung deutlich, daß auch eine Versicherung von Selbständigen in einem besonderen Versorgungswerk wie z. B. den ärztlichen und den zahnärztlichen Versorgungswerken oder dem Versorgungswerk der Journalisten nur funktionieren kann, wenn - und so steht es in den Gesetzen - ein
Zwang zum Beitritt und zur laufenden Zahlung von Abgaben und Beiträgen verankert ist. Ich wundere mich, daß sich hier jemand hinstellt und behauptet, daß nur die Pflichtversicherung in der Rentenversicherung der Arbeiter und der Angestellten ein Zwangssystem sei, daß aber alle anderen notwendigen und bestehenden Pflichtversicherungen in den von mir zitierten Versorgungswerken eine „Versicherung höherer Art" seien. Nicht zuletzt möchte ich darauf hinweisen, daß beim Verlassen auf betriebliche Versorgungszulagen und ähnliche Versprechungen im Zeitalter der ständigen technischen Entwicklung, die zu strukturellen Veränderungen führt, so mancher Betrieb, ja vielleicht so manche Betriebsgruppe in Situationen geraten kann, in denen der Versicherte dann nicht mehr in den Genuß dieser Leistung kommt, weil er mit dem Ausscheiden aus dem Betrieb jeden Anspruch verliert. Wir sind deshalb der Meinung, daß im Interesse der Mobilität auch der höherverdienenden Angestellten, aber auch im Interesse ihrer absoluten sozialen Sicherung sie in die Pflichtversicherung einbezogen werden sollen.
Um dieses Problem abzurunden, haben wir sogar die Auffassung, daß erst die Pflichtversicherung in einer Angestelltenversicherung diesem Personenkreis die absolute Freiheit in der Wahl des Arbeitsplatzes verschafft.
({1})
Sie ermöglicht es ihnen, mobil zu bleiben und sich den günstigsten Arbeitsplatz auszusuchen, während sie bei einer branchenmäßig oder betrieblich gebundenen Versicherung an den Betrieb gebunden sind, wenn sie nicht ihren Anspruch verlieren wollen.
Wir sind allerdings auf der anderen Seite der Meinung, daß die Angestellten, die davon betroffen sind, keinen Schaden erleiden, wenn sie sich schon bisher zum Höchstbetrag versichert haben. In Zukunft müssen sie nur noch den halben Beitrag bezahlen, nämlich zwölf Monatsbeiträge à 120 DM, und die anderen 12 X 120 DM werden vom Arbeitgeber übernommen. Ich bin der Meinung, wenn der Angestellte eine höhere Sicherung haben will, dann sollte er sich mit den eingesparten Anteilen aus dem Arbeitgeberanteil zusätzlich in einer privaten Lebensversicherung absichern.
Meine Damen und Herren, wir haben - das darf ich pauschal sagen - in diesem Vorschlag auf Einbeziehung aller Angestellten in die Pflichtversicherung einige Befreiungsvorschriften, aber auch einige Vorschriften zur Nachversicherung eingebaut; ich will sie im einzelnen nicht begründen. Beispielsweise können Angestellte, die wegen Erreichens der fünf Pflichtversicherungsjahre nicht die freiwillige Weiterversicherung betreiben konnten - wir haben diese Klagen öfters gehört -, jetzt wieder in die Versicherung eintreten, wenn sie ihre Beiträge nachentrichten. Haben sie sich ihre Beiträge auszahlen lassen, können sie die alten Beiträge zu den damaligen Bedingungen wieder einzahlen und erwerben einen neuen Versicherungsanspruch. Das gilt für die Zeit ab 1956.
Wer sich für diesen Vorgang entscheidet, wird die Möglichkeit haben, bis 1970 die Entscheidung darüber zu treffen und die Beiträge einzuzahlen.
Abschließend noch einige Worte zur Frage der Halbdeckung. Diejenigen Angestellten, die sich trotzdem befreien lassen wollen, sollen nicht mehr das alte Sonderrecht erhalten, beliebige Beiträge - und zwar sechs Beiträge in der niedrigsten Klasse - zu zahlen, sondern in Anlehnung an die Handwerkerversicherung sollen sie neun Monatsbeiträge à 120 DM zahlen; das ist der Durchschnittsbeitrag aller Versicherten. Damit decken sie wenigstens zum Teil die Pauschalleistungen ab, die ihnen später zugute kommen. Wir glauben, daß mit diesem Vorschlag allen Betroffenen - je nach Wunsch - Rechnung getragen wind und daß damit eine Abrundung unserer Rentenversicherung erfolgt, durch die garantiert wird, daß in Zukunft die Solidarhaftung, die Generationshaftung, lückenlos funktioniert. - Ich danke Ihnen.
({2})
Das Wort hat der Abgeordnete Weigl.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In diesem Hause sind sich wohl alle einig, daß es sich bei dem Vorschlag, die Pflichtversicherungsgrenze bei Iden Angestellten zu beseitigen, um eine Zentralfrage der deutschen Sozialpolitik handelt. Ich möchte aber von vornherein gleich eines sagen: ich kann dieses harte Wort, Herr Kollege Genscher, daß die Einbeziehung aller Angestellten in die Pflichtversicherung eine Diffamierung aller anderen Formen der Altersversorgung bedeute, nicht im Raume stehenlassen. Wenn Sie mit den Betroffenen selbst reden, werden Sie feststellen, daß viele Angestellte die Einbeziehung in die gesetzliche Rentenversicherung einfach als Grundsicherung empfinden und von daher auch beurteilen.
Auch das, was der Kollege Killat hier ausführte, dürfte nicht unumstritten sein. Ich möchte es mir aber versagen, darauf näher einzugehen. Frau Kalinke wird dazu noch einiges ausführen.
({0})
Ich bekenne hier ganz offen: in den vergangenen Jahren habe ich immer zu .denjenigen gehört, die der Auffassung waren, die freiheitlichste und damit beste Lösung des Problems der Versicherungspflichtgrenze in der Rentenversicherung der Angestellten bestehe darin, dem Arbeitnehmer auch dann seinen Arbeitgeberbeitrag zu gewähren, wenn er die Versicherungspflichtgrenze von jetzt 1800 DM überschreitet, ganz gleich ob der Betreffende durch freiwillige Weiterversicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung bleibt oder ob er auf andere Weise für sein Alter vorsorgt.
({1})
Ich bitte deshalb die Damen und Herren von der
eigenen Fraktion, die etwas anderer Auffassung
sind, um Verständnis, wenn ich hier erkläre, daß
ich einige Sympathien für den FDP-Vorschlag habe.
In dem Zusammenhang darf ich mit Genehmigung des Herrn Präsidenten den FDP-Vorschlag zu § 113 zitieren:
Angestellte, die auf Antrag nach Artikel 2 § 1 Buchstabe b des Angestellten-Versicherungsneuregelungsgesetzes von der Versicherungspflicht befreit worden sind, haben gegen den Arbeitgeber während der Dauer der Prämienzahlung Anspruch auf die Hälfte der Beiträge bis zur Höhe des Beitragsanteils, die der Arbeitgeber entrichten müßte, wenn der Angestellte versicherungspflichtig wäre.
Leider, meine Damen und Herren von der FDP, muß es bei den Sympathien für Ihre Grundgedankengänge bleiben. Ich darf Ihnen dafür auch die Gründe nennen.
Es gibt eine unverbindliche Empfehlung der Arbeitgeberverbände, die, man darf wohl sagen, in den letzten Jahren sehr zaghaft befolgt worden ist, nämlich jene Empfehlung, daß die Arbeitgeber freiwillig den Beitrag an die Arbeitnehmer bezahlen sollten. Das ist in den wenigsten Fällen befolgt worden. Es ist also eine Tatsache, daß von daher eine Entwicklung eingetreten ist, die nicht in die richtigen Bahnen geleitet wurde. Was gegen Ihren Vorschlag, meine Damen und Herren von der FDP, spricht, ist die Tatsache, daß man die Frage der Arbeitgeberanteile für die leitenden Angestellten nicht durch ein Gesetz regeln kann, sondern daß das in die Tarifverträge gehört. Wir wissen sehr genau, daß natürlich zum Abschluß von Tarifverträgen und zu einer Lösung dieser Frage zwei Partner gehören, und da möchte ich ganz offen sagen: wir haben keine Unterstützung durch den DGB für diese Vorstellungen erwartet, aber wir hätten zumindest erwartet, daß von der Arbeitgeberseite her eine etwas stärkere Initiative in der Richtung entwickelt worden wäre, daß die Arbeitgeber ihren leitenden Mitarbeitern die Freiheit erhalten hätten, die Versorgung für das Alter selbst zu treffen, ohne daß dabei nun eine Benachteiligung für den betreffenden Angestellten herausgekommen wäre.
Dadurch, daß wir offensichtlich viele Jahre versäumt haben, sind die Angestellten mißmutig geworden. Mit Recht ist von vielen Angestellten die Frage gestellt worden, ob es denn vertretbar sei, daß sie nach Erreichung der Versicherungspflichtgrenze von 1800 DM auf einmal schlechtergestellt sind als vor Erreichung der Versicherungspflichtgrenze. Nachdem die Betroffenen des langen Wartens müde sind und die Tatsache, daß man den Arbeitgeberbeitrag in vielen Fällen nicht bezahlt hat, dazu geführt hat, daß sich die Angestellten benachteiligt fühlen, bin ich der Meinung, daß wir heute den anderen Weg gehen müssen.
Ich habe mich, meine sehr geehrten Damen und Herren, sehr genau erkundigt, bevor ich sage: Die Arbeitgeberseite ist in nicht vielen Fällen der Empfehlung der Verbände gefolgt. Deshalb sind wir der Meinung, daß nun der andere Weg gegangen werden sollte, daß sämtliche Angestellten in die Pflichtversicherung einzubeziehen sind.
({2})
- Das ist nicht so merkwürdig; Herr Kollege Ruf; denn ich will damit sagen, daß der Zug im Grunde genommen abgefahren ist. Wir sind der Meinung - das betone ich ausdrücklich -, daß viele Angestellte, die heute nicht in die Versicherungspflicht einbezogen sind, diese Tatsache als eine soziale Ungerechtigkeit empfunden haben.
Nun kommt noch ein anderer Gesichtspunkt hinzu. Ich habe mich bei den Betroffenen selbst, bei den Angestellten, erkundigt und bin dabei auf die interessante Feststellung gestoßen, daß gerade gutverdienende Angestellte, solche, die 2000, 3000 oder 4000 DM verdienen, größten Wert auf die Einbeziehung in die gesetzliche Rentenversicherung legen. Dem sollten Sie Rechnung tragen - das habe ich vorhin schon zu Herrn Kollegen Genscher gesagt -, weil sie die Einbeziehung in die gesetzliche Rentenversicherung als Grundsicherung empfinden, zu der sie selbstverständlich noch andere Formen der Altersversorgung hinzunehmen. Hier ist also von einem Schutzbedürfnis, besser gesagt, von einem Sicherungsbedürfnis der leitenden Angestellten zu sprechen.
Ich darf das, was der Herr Bundesarbeitsminister am 26. Oktober in diesem Hause gesagt hat, nur unterstreichen. Nicht voll unterstreichen - weil es zwei Seiten hat - darf ich das, was Herr Kollege Killat hier zum Umlageverfahren ausdrückte. Es ist in der Tat so, daß diese Aussage richtig und zugleich falsch war. Richtig ist natürlich, daß die Zahl der Rentner und die Zahl der Versicherten in einem ausgewogenen Verhältnis stehen müssen. Auf der anderen Seite ist aber festzuhalten, daß durch die Einbeziehung dieser Angestellten nun die Belastung für kommende Generationen - denn man zahlt ja einen Beitrag, um später dafür etwas zu erhalten - natürlich entsprechend größer wird.
Ich möchte also ganz deutlich sagen, Herr Kollege Killat: Manchmal werde ich den Eindruck nicht los, daß man hier Entscheidungen fällt - besonders mutig, wie ich einmal sagen möchte -, weil man sich vielleicht sagt, daß diejenigen, die in 20 oder 30 oder 40 Jahren die Verantwortung tragen, mit den Problemen, die wir hier in dieser oder jener Weise entschieden haben, schon fertig werden. Ich möchte ausdrücklich betonen, daß wir nicht nur eine Verantwortung für die jetzt lebende Generation haben, sondern auch eine sehr hohe Verantwortung für die Entscheidungen tragen, die wir im Blick auf kommende Generationen fällen.
Wir sollten diese Dinge sehr ernst nehmen, und weil wir sie sehr ernst nehmen, sollten wir uns auch bemühen, Entscheidungen zu fällen, die man später guten Gewissens vertreten kann. Weil jede andere Lösung, vor allem die Lösung über die Bezahlung des Arbeitgeberanteils nach Tarifverträgen, im Laufe der letzten Jahre nicht zustande kam - das scheint mir ein ganz wichtiges Argument zu sein - und weil die Angestellten heute in ihrer Mehrheit selbst ein Sicherungsbedürfnis gerade bei der sich abzeichWeigl
nenden rasanten technischen Entwicklung empfinden, bitte ich den Vorschlag der Freien Demokratien abzulehnen.
({3})
Frau Abgeordnete Kalinke!
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Was ich zu Beginn der Debatte über die Krankenversicherung der Rentner und den beabsichtigten umfassenden Versicherungszwang sagte, brauche ich hier nicht zu wiederholen. Gerade in der Großen Koalition werden mit der Behandlung des Themas der Grenzen der staatlichen Sozialpolitik, der Grenzen des modernen Wohlfahrtsstaates in der Industriegesellschaft alle heißen Eisen angerührt; sie berühren die sozialethische Begründung der Selbstverantwortung jedes einzelnen, der Pflichten oder Rechte der Person wie des Staates, sie reichen bis hin zu den großen finanziellen Fragen unseres sozialen Sicherungssystems.
({0})
- Darauf komme ich noch.
({1})
Von der Entscheidung heute hängen nicht nur die 638 Millionen DM Mehreinnahmen ab, welche die einen schätzen und erwarten, oder die 400 Millionen DM, welche die anderen annehmen. Ich möchte hier ein großes Fragezeichen setzen und mich zu denen rechnen, die sich nicht als Weissager verstehen wollen. Denn niemand weiß, wie sich die Beitragszahler nach den Entscheidungen, die das Parlament heute trifft, verhalten werden. Darum ist es kein Wunder, daß auf die fatalen Konsequenzen des totalen Versicherungszwanges in so unerhört vielen Eingaben an das Parlament, in einer solch aktiven Pressediskussion immer wieder mit viel Sachverstand hingewiesen worden ist.
Bei der Währungsreform begann ja jene unglückliche Situation, in der es viele Menschen als Unrecht empfunden haben, daß die Sozialversicherungsmark anders behandelt wurde als die Sparmark oder die Mark, die für Eigentumsbildung und individuelle Sicherungsmaßnahmen jeder Art ausgegeben oder zurückgelegt wurde. Von hierher rührt auch der Einfluß auf das, was Kollege Weigl eben aussprach und was sicher für viele meiner Kollegen der CDU/CSU gemeinsam mit vielen Staatsbürgern gilt. Alle Kollegen, die mit mir von der Notwendigkeit eines hohen Maßes an freiheitlicher Einscheidungsbereitschaft und -möglichkeit für alle Staatsbürger überzeugt sind, wissen, daß unser Volk ebenso dringend Bürger mit einem hohen Maß an Risikobereitschaft braucht, - wenn wir die Freiheit bewahren wollen.
({2})
- Ich komme noch auf die Solidarität, Herr Kollege!
({3})
Sie sollten sich nicht aufregen. Ich kenne sehr genau den Unterschied zwischen dem, wozu man frei sein muß, und dem, was es bedeutet, wenn jemandem diese Freiheit genommen wird.
({4})
Unsere Generation hat eine Zeit erlebt, in der die Freiheit kaum noch die geringste Gasse hatte. Wir sind in der Auseinandersetzung mit den Wörtern „Freiheit" und „Zwang" daher behutsam geworden. Wir sollten in der Diskussion redlich sein,
({5})
auch mit dem Begriff der Solidarität oder der Gesellschaftspolitik, der heute im Zeichen wortschöpferischer Neuheiten, im Zeichen großer konzertierter Aktionen, die auch Mißtöne haben können, doch immer ein sehr ernster Auftrag bleibt. Ich bin dankbar dafür, daß es uns im Ausschuß gelungen ist, durch Verbesserungen eine Reihe von Sorgen zu beseitigen und den Eingriff in die Rechtsansprüche, die in der Vergangenheit erworben sind, von denen die Kollegen von der FDP gesprochen haben, weitgehend zu verhindern. Jener Eingriff in Rechte, die in gutem Glauben an den Staat und seine Gesetze begründet worden sind, ist nach dem Vorschlag des Bundesrates nicht erfolgt. Ich meine, daß es wichtig für die Demokratie ist, daß der Staatsbürger dem Staat und dem Parlament vertrauen muß.
({6})
Er muß also darauf vertrauen können, daß das, was im Gesetz steht, auch gilt. Darum, Herr Kollege Killat, dürfen Sie doch nicht davon sprechen, daß jemand zu Unrecht manipuliert oder sich zu Unrecht einen Vorteil verschafft hat, den der Gesetzgeber, der Sie auch waren, gestattet hat.
({7})
Das gilt für die Steuerpolitik genauso wie für die Sozialpolitik.
Sie haben mich 1957 ausgelacht, als ich gesagt habe, auch Herr Storch und jeder Bürger werde einen Rentenberater brauchen, um genau zu wissen, wie er sich verhalten müsse. Leider ist es so - und nur insofern stimme ich mit Ihnen überein -, daß Gesetze nicht gut sind, die nicht jeden gleichbehandeln und ihm nicht das gleiche Maß an Rechten geben.
({8})
Das durfte aber niemals rückwirkend geplant werden, wie der Bundesrat es uns vorgeschlagen hat. Ich sehe es als einen Vorzug an, daß wir das gemeinsam im Ausschuß beseitigt haben.
Zweifellos wären die Ausführungen zur Beseitigung der Versicherungspflichtgrenze von allen Seiten sehr viel sorgfältiger diskutiert, Überlegungen gründlicher angestellt und die Konsequenzen besser bedacht worden, wenn wir bei einem Rentenänderungsgesetz oder bei einer Novelle zur Rentenreform Zeit gehabt hätten, diese wichtige Frage zu diskutieren. Es gibt viele Freunde in meiner Fraktion, die einer Dynamisierung ,der Grenze heute zu7304
gestimmt hätten. Aber es gibt viele, die mit großen Bedenken und mit sehr ernster Sorge sehen, daß solche Grundsatzentscheidungen wie die Beseitigung der Versicherungspflichtgrenze in einem Finanzänderungsgesetz getroffen werden sollen. Die einen sagen: weil es aus finanziellen Gründen nötig ist. Der Herr Arbeitsminister war ehrlicher. Er hat in sehr vielen Diskussionsbeiträgen gesagt, daß er es aus gesellschaftspolitischen Gründen für nötig hält. Diese Auffassung kann man vertreten. Ich teile sie nicht. Das ist ein Punkt, in dem wir verschiedener Meinung sind. Aber hier ist in der Tat die Gesellschaft angesprochen, und nicht nur die Angestellten, Kollege Killat, auch nicht nur 'diejenigen, die jetzt Beiträge bezahlen sollen oder werden. Hier sind viele angesprochen, z. B. die freien Berufe und die Selbständigen. Wir werden heute ,am Ende der Debatte einen Entschließungsantrag anzunehmen haben, der deutlich macht, welche Konsequenzen der erste Schritt für die Zukunft hat. Sie beziehen sich auf die Versorgungswerke der freien Berufe, auf die betriebliche Sozialpolitik und auf individuelle Formen der Lebens- und Alterssicherung.
Viele in diesem Hause wünschten die Öffnung der Rentenversicherung, die die Freien Demokraten angesprochen haben. Aber es ist eine ganz ernste Frage an uns alle, ob diese Öffnung noch mit einem hohen Maß von Freiwilligkeit möglich ist oder ob das nur durch Zwang gellt. Die einen sagen: das ist freiwillig nicht möglich. Ich sage: das wäre sehr wohl möglich,
({9})
wenn sich Gruppen mit Mehrheit für diese Freiheit entscheiden und dann natürlich auch die Konsequenzen übernehmen, nämlich Beiträge einkommensgerecht zu zahlen.
({10})
- Da, Herr Killat, kann die Selbstverwaltung uns manches vorexerzieren. Wir sprechen noch sehr bald über dieses Thema. Aber diese großen Fragen der Gesellschaftspolitik sind es eben, die so erregenden Zündstoff in die Debatten geworfen haben, weil die Beseitigung der Versicherungspflichtgrenze in ,einem Gesetz, das natürlich nicht vollkommen sein kann, und in der mittelfristigen Finanzplanung, die nach idem Stabilitätsgesetz nur für ein Jahr beschlossen werden kann, ein unerhört heißes Eisen ist. Es 'ist nicht so, daß keine Bereitschaft bestünde, über diese Frage in der Großen Koalition zu Kompromissen zu kommen. Aber es ist nach meiner Auffassung nicht gut, wenn wir hier beim Finanzgesetz eine Entscheidung treffen, die nie wieder zu reparieren ist.
({11})
Denn das werden Sie mir alle zugeben: in der Sozialpolitik ist jeder Weg zurück unsagbar schwer, ja fast unmöglich. Es müßte schon ein Tabula-rasaStadium der ersten Stunde eintreten - nach einem großen Zusammenbruch, den wir uns niemals wieder wünschen wollen -, in dem man vielleicht eine Möglichkeit hat, solche Überlegungen einer Reform von Grund auf anzustellen, wie sie hier angedeutet werden, was die FDP lange geträumt hat: eine
Grundsicherung für alle. Diese kann es nach unserem System und nach den Rechtsansprüchen, die wir nach dem Versicherungsprinzip begründet haben, in diesem Zusammenhang nicht geben. Leider sind die Weichen anders gestellt!
Gestern hat unser Kollege Professor Balke, anläßlich der Tagung der Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände gesagt - und ich stimme ihm und allen, die ihm Beifall geklascht haben, darin voll zu -: Vertrauen in die Zukunft - das soll ja auch dieses Gesetz schaffen - soll die Sicherung aller Haushalte schaffen. Vertrauen in die Zukunft, das ist einer der wichtigsten Aspekte unseres sozialen Sicherungssystems, und hier zeigen sich eben Perspektiven, die wir mit großer Sorge sehen. Sicher gibt es, wie Herr Kollege Weigl gesagt hat, viele Angestellte - wir haben ja die Eingaben der Angestellten aus der chemischen Industrie bekommen -, die in die Sozialversicherung hinein wollten. Sie haben sich das aber - das kann ich Ihnen als leitende Angestellte versichern - ein wenig anders vorgestellt, als es nun aussieht.
Es scheint so - das hat Kollege Balke gestern mit Recht beklagt -, daß die Bereitschaft vieler Menschen, in der industriellen Massengesellschaft selbstverantwortlich Risiko zu tragen, in Zukunft abnimmt und daß der Ruf nach dem Staat - wer wollte das bestreiten? - zunimmt. Das ist eine Situation, die wir alle gemeinsam beklagen sollten. Sie sagen, der Zug sei abgefahren. Er mag heute abfahren, aber es wäre ein Versäumnis, in diesem Hause nicht mit allem Ernst und allem Verantwortungsbewußtsein zu sagen, was jeder verantwortet, der dieser Entscheidung zustimmt. Hier kann uns Abgeordnete niemand von der Pflicht entbinden, Sachverstand, auch wenn er gelegentlich unbequem ist, Grundsatzhaltung, auch wenn sie nicht immer beliebt ist, und die Gewissenskonflikte mit dem Handaufheben auszutragen.
({12})
Natürlich gibt es für jeden Bürger ein Sicherungsbedürfnis. Wer wollte es bestreiten? Aber ich bestreite, daß das Sicherungsbedürfnis der wirklich leitenden Angestellten - nicht derjenigen, die nur mehr verdienen und jetzt über 1800 DM bekommen, sondern der Angestellten, die in der Wirtschaft Tätigkeiten verrichten, die sie mit den selbständigen Wirtschaftenden gemeinsam haben - ein anderes ist als das der letzteren. Ich meine, daß die Schichtung der leitenden Angestellten von der unteren Grenze über das mittlere Management bis hin zu denjenigen, die an den Hebeln der Spitzen der Wirtschaft Verantwortung tragen, doch bei Gott sehr unterschiedlich ist. Wir sollten mit großem Ernst zur Kenntnis nehmen, daß die soziale Marktwirtschaft und alle Bemühungen um wirtschaftliches Wachstum - darin sind wir uns heute erfreulicherweise in diesem Haus einig -, die einzigen Voraussetzungen sind, um auch morgen soziale Sicherheit zu schaffen. Und natürlich tragen die leitenden Angestellten auch jetzt schon ein Großteil dazu bei, Kollege Killat. Sie haben sich ja nicht aus der Pflicht, Steuern zu zahlen, herausgedrückt. Sie sind doch diejenigen, die entscheidend die Mehrsteuern
aufbringen müssen und die damit auch die Staatszuschüsse finanzieren.
({13})
- Das ist keine Schwarzweißmalerei. Wenn Sie schon die Wahrheit nicht hören wollen, doch dies: Aus diesem Personenkreis hat sich selbstverständlich eine große Zahl freiwillig weiterversichert und wird das auch in Zukunft tun. Und natürlich gehört dazu - darüber sind wir uns doch hoffentlich in der Großen Koalition jetzt einig -, daß beide Kirchen und alle Gruppen der Gesellschaft das Eigentum und die Förderung des Eigentums anerkennen. Das ist eine der wichtigsten Forderungen der Christlich Demokratischen Union und der CSU. Wir wollen Eigentum auch in den Händen der Arbeitnehmer sehen. Wer aber 240 oder 300 DM Beiträge monatlich bezahlen muß und nicht wählen kann, kann nicht zu gleicher Zeit die Mittel für Eigentumsbildung, Sicherung und Ausbildung seiner Kinder und selbstverantwortliches Handeln aufbringen, jedenfalls können es sehr viele nicht zu gleicher Zeit bezahlen.
Der Kollege Genscher hat gesagt, dies wäre eine der Stunden der Wahrheit im Parlament. Nein, meine Freunde, ich fürchte, es ist noch nicht die Stunde der letzten Wahrheit im Parlament. Dieses Parlament ist von solchen Entscheidungen nicht befreit. In der modernen Industriegesellschaft, in einer Gesellschaft, die sich nur behaupten kann, wenn sie eine Leistungsgesellschaft ist, dürfen nicht die Kräfte abwandern, die es noch mit der Freiheit halten. Wenn Sie aus den Erfahrungen in den modernen Industriestaaten England,. Frankreich und Schweden lernen wollten, und wenn Sie aus den bitteren Erfahrungen und Irrtümern lernen, müssen wir nicht den gleichen Preis bezahlen.
Herr Kollege Killat, lassen Sie mich als Letztes, weil so wenig Aufmerksamkeit für diese Einsichten bei Ihnen vorhanden ist, folgendes sagen. Für Sie ist der umfassende Versicherungszwang eine Grundsatzfrage; für viele von uns ist er genau die Stelle, an der wir „nein" sagen müssen. Für die Koalition ist das eine Kernfrage und ein sehr heißes Eisen, so haben Sie gesagt, Herr Kollege Killat, aber eben doch nicht das Evangelium, von dem ihr Bestand abhängt. Ich glaube, sie hat größere Aufgaben im Finanzänderungsgesetz zu erfüllen, als nur diese Frage zu lösen. Darum sage ich Ihnen das, Herr Killat. Dem Versorgungswerk des ganzen Volkes, das Sie in Ihrem Rundbrief und in Ihren verschiedenen Zeitungsartikeln empfohlen haben, diesem Versorgungswerk, in das heute die Angestellten, morgen die Beamten, übermorgen die Minister
({14})
und, wie einige Zeitungen schrieben, vor allen Dingen Sie selber hinein sollten, setzen wir die Forderung nach mehr Freiheit entgegen, setzen wir den Wunsch entgegen nach weniger Eingriffen in die persönliche Sphäre, nach weniger tiefgreifenden Einschnitten in die finanzielle Planung der vielfältigen Sicherungsbedürfnisse der Bürger und ihrer Familien, setzen wir auch den Wunsch entgegen,
daß die Subsidiarität, lieber Kollege Winkelheide, nicht mit dem Schlagwort der Solidarität restlos beseitigt wird.
({15})
Ich sage Ihnen - ich will hier niemanden angreifen -, daß wir Christen beider Konfessionen hier sehr ernst zu bedenken haben - auch wenn Sie, Herr Russe, eine so seltsame andere Stellung beziehen -,wohin die Reise gehen soll!
({16})
Wir haben Bedenken wegen dem, was auf dem Spiele steht, und auf dem Spiele steht viel mehr als vielleicht 300 oder 400 Millionen DM, die durch die Beseitigung der Versicherungspflichtgrenze in der Angestelltenversicherung für eine Zeit mehr eingezahlt werden!
({17})
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Arbeit.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte zuerst klarstellen, daß es sich hier um einen Vorschlag der Bundesregierung handelt, dem der Ausschuß seine Zustimmung gegeben hat. Verehrte Frau Kollegin Kalinke, es könnte aus Ihren Ausführungen der Eindruck entstehen - er war sicherlich nicht beabsichtigt, aber er könnte entstehen -, als wenn es hier um eine Frage ginge, die zwischen den Koalitionsfraktionen kontrovers wäre, als wenn die eine Fraktion dafür und die andere dagegen wäre. Dem ist nicht so. Die Bundesregierung hat Ihnen einstimmig diesen Vorschlag gemacht, der hier zur Beratung ansteht.
Lassen Sie mich ein Zweites sagen, Frau Kollegin Kalinke! Ich habe in der ersten Lesung im Oktober hier sehr ausführlich über die gesamte Problematik besonders dieses Punktes gesprochen. Sie haben mir attestiert, daß ich mich nicht hinter finanzpolitischen Erwägungen versteckt, sondern gesagt hätte, daß ich das gesellschaftspolitisch für erforderlich und wünschenswert hielte. Wahr ist natürlich beides. Wahr ist - denn wir beraten ein Finanzänderungsgesetz -, daß das Finanzielle und das Gesellschaftspolitische hier miteinander übereinstimmen.
Ich gebe Ihnen zu, Frau Kalinke: Es handelt sich hier um eine entscheidende und grundsätzliche Frage. Ich sage ehrlich - und ich wiederhole das hier -, ich persönlich war etwas Glücklich darüber, daß wir nicht nur immer wieder neue finanzpolitische Gesetze zur Ordnung der Finanzen hier beschließen, sondern im sozialpolitischen Feld dann diese finanzpolitischen Gesetze auch dazu benutzen, unsere sozialpolitischen Vorstellungen für die Zukunft weiterzuentwickeln.
({0})
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wie Sie alle bedauere ich die Zeitnot und den Zeitdruck, unter denen wir stehen, aber wir haben sie uns alle miteinander - wir haben das x-mal gesagt - selber zuzuschreiben.
({1})
- Genau! Alle miteinander! Denn die Regierung, Herr Kollege Schellenberg, der Arbeitsminister und sein Haus und seine Mitarbeiter, das wissen Sie wie kaum ein anderer, haben ja nicht erst in den letzten vier Wochen, sondern seit Juli dieses Jahres unter einem ständigen unerhörten Druck gestanden, um das zu erfüllen, was letztlich der Finanzminister und was wir alle zur Sicherung der Finanzen hier zu erfüllen haben.
Ich bin in der schwierigen Lage, daß ich jetzt nicht sehr lange sprechen kann, da wir die Beratungen fortsetzen müssen; ich weiß, unter welchem Druck die Kollegen stehen, die weiter weg wohnen. Aber eines, Frau Kollegin Kalinke, lassen Sie mich mit allem Freimut sagen; dafür ist mir der Punkt zu wichtig. Bisher hat man gesagt: „Es geht um 300 oder 400 Millionen." Das war die große Diskussion vor acht, neun Wochen. Das ist jetzt weg. Gott sei Dank! Jetzt sagt man: „Es geht um eine ganz große gesellschaftspolitische Entscheidung." Hier sage ich: Jawohl, und mit Recht! Und wir wissen das. Wir wollen uns doch nicht hinter finanzpolitischen Erwägungen verstecken, sondern wir wissen das und wir wollen das.
({2})
Ich bin glücklich, daß wir uns in der Sache schon sehr viel sachlicher auseinandersetzen können, auch über solch einen zentralen Punkt. Aber ein Wort betrübt mich. Es geht, glaube ich, nicht an, daß man sagt: „Totaler Versorgungszwang". Erstens ist es, wie Sie besser wissen als ich, keine Versorgung,
({3})
sondern eine Versicherung. Zweitens, Frau Kollegin Kalinke, ist es doch gar nicht denkbar, den Eindruck zu erwecken, als würde hier etwas gegen den Willen der Beteiligten geschehen. Das ist doch einfach nicht wahr!
({4})
Wahr ist doch, daß 'die Beteiligten in ihrer übergroßen Mehrheit das wollen und bejahen, und wahr ist doch - wir haben die Ergebnisse der neuesten Umfragen -, daß große Bereiche der Selbständigen den gleichen Willen, und wie ich glaube, mit Recht, haben.
({5})
Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Herr Minister, würden Sie mir die Frage beantworten: Ist es so, daß die Angestellten, die nicht den Wunsch haben, in die Sozialversicherung zu gehen, nur ein einziges Mal noch, nämlich bis zum 30. Juni 1968, eine Entscheidungsfreiheit haben, aber alle, die später in eine solche Lebenssituation hineinwachsen, nie mehr zwischen der einen und der anderen Sicherungsart wählen können?
({0})
Ich bin Ihnen sehr dankbar, daß Sie diesen Tatbestand aufzeigen. Das ist natürlich richtig und wird von niemandem bestritten.
({0})
- Herr Mischnick, Sie haben einmal eine staatsbürgerliche Grundversorgung angesprochen.
({1})
Das ist doch im Grunde nichts anderes als das, was wir tun wollen, nämlich, daß wir das Recht der Menschen anerkennen, für sich und ihre Familien für das Alter vorzusorgen. Das ist der Punkt, der hier zur Diskussion steht, und nicht die Frage der Möglichkeit der Befreiung.
Ich will aber einen letzten Satz noch hinzufügen, weil ich nicht möchte, daß wir diese Diskussion etwa unter den Gesichtspunkt stellen: Wer freiheitlich gesonnen ist, der ist gegen diese Regelung; wer für diese Regelung ist, der ist also unfreiheitlich gesonnen. Nein, meine Damen und Herren! Ich halte es für ganz ausgeschlossen, eine solche Zuspitzung zu bringen. Hier möchte ich einen Satz des Kollegen Killat aufgreifen. Er sprach etwas an, was in der modernen industriellen Arbeitswelt von höchster Bedeutung ist: Wenn wir die Mobilität der Arbeitskräfte fordern - und nächsten Mittwoch sprechen wir in diesem Hohen Hause gottlob darüber -,
({2})
dann müssen wfr auch dafür sorgen, daß sie nicht eng gebunden sind, sei es betrieblich oder überbetrieblich, sondern daß sie eine Sicherung haben für sich und - darum geht es ja in Wahrheit mehr noch - für ihre Familien für den Fall, daß sie selber ausfallen sollten.
({3})
Ich möchte nur bitten, daß man jetzt diese letzte Bastion, die da noch aufgerichtet wird: hie Freiheit - hie Unfreiheit, nicht weiter vertieft, sondern daß man im Gegenteil das anerkennt, was wir beim Beamten als selbstverständlich ansehen. Denn dort sagen wir ja umgekehrt: damit er frei ist, müssen er und seine Familie gesichert sein.
({4})
Ich vermag nicht einzusehen, daß das in diesem Falle nicht auch Gültigkeit haben sollte.
({5})
Das Wort hat der Abgeordnete Spitzmüller.
Präsident D. Dr. Gerstenmaier
Meine Damen und Herren, ich gebe bekannt, daß eine interfraktionelle Vereinbarung darüber erfolgt ist, daß keine Mittagspause gemacht werden soll. Auf der anderen Seite bitte ich Sie aber, sich zu vergegenwärtigen, daß wir noch eine ganze Reihe von Änderungsanträgen vorliegen haben und daß für die dritte Lesung wiederum eine ganze Reihe von Änderungsanträgen vorgelegt sind.
Bitte, Herr Abgeordneter Spitzmüller!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Nach der sicherlich sehr mutigen Rede der Frau Kollegin Kalinke und den temperamentvollen Ausführungen des Herrn Bundesarbeitsministers möchte ich beiden für ihr Bekenntnis zu ihrer Auffassung danken - dem Herrn Bundesarbeitsminister dafür, daß er die ganze Frage nicht unter finanzpolitische, sondern unter gesellschaftspolitische Gesichtspunkte gestellt hat. Hier kann man eben unterschiedlicher Meinung sein, was recht oder was nicht recht sein kann.
Mit dieser Vorschrift, die das Kabinett vorgeschlagen hat, ist der Weg in eine Einbahnstraße eingeleitet, in der wir immer weiterfahren müssen.
({0})
Wenn Herr Kollege Killat von der Solidarhaftung der Generationen gesprochen und dabei auf die Zurechnungs- und Ausfallzeiten Bezug genommen hat, muß ich noch einmal kurz das vertiefen, was Frau Kollegin Kalinke schon angesprochen hat. Diese Solidarhaftung für die Anrechnung von Ausfall- und Zurechnungszeiten ist ja durch den Bundeszuschuß bereits gegeben. Der Bund leistet nach dem Text des Gesetzes einen Zuschuß zu den Leistungen, die nicht der Altersversicherung dienen, und in diesen Bundestopf zahlen in Form von Steuern eben alle Angehörigen unseres Volkes, ja, darüber hinaus auch noch alle anderen, die hier ihren Aufenthalt haben, beispielsweise auch die ausländischen Arbeitskräfte. Damit ist also die Solidarhaftung für diese Dinge bereits gegeben. Nun entsteht aber doch gerade durch dieses Gesetz der eminent wichtige Vorgang, daß sich der Bund aus seinen Verpflichtungen, die er im Jahre 1957 eingegangen ist, zwar nicht voll, aber doch zum Teil zurückzieht, so daß man mit der Argumentation, die Herr Kollege Killat hier vorgetragen hat, bezüglich der Frage der freiwilligen Weiterversicherung und der Anrechnung von Zurechnungs- und Ausfallzeiten nicht operieren kann.
Meine Damen und Herren, ich möchte auch auf das eingehen, was Herr Bundesarbeitsminister Katzer hier angeführt hat. Er sprach davon, daß er diese Entscheidung als ein gesellschaftspolitisches Ziel verfolge. Wir haben uns zwar über diese Frage schon oft unterhalten; aber wir haben noch nicht genügend Gelegenheit gehabt, uns einmal umzusehen, wie es in anderen Staaten ist.
Wir hatten in Berlin eine Anhörung von Sachverständigen zur Sozialenquete, und ich will daraus nicht viel vortragen, darf aber doch mit Genehmigung des Herrn Präsidenten einige ganz kleine Hinweise geben. Frau Professor Liefmann-Keil von der
Universität Saarbrücken hat uns dort vor Augen gestellt, daß es sich bei dieser Frage der Ausdehnung des Versicherungsschutzes in erster Linie um eine politische Entscheidung handelt, und ich glaube, es ist deutlich geworden, daß es darum heute geht. Frau Professor Liefmann-Keil hat aber auch darauf hingewiesen, daß eine Art Substitutionsmöglichkeit zwischen verschiedenen Versicherungsformen durchaus in Frage kommen kann, so läßt z. B. England öffentliche, private und betriebliche Altersversicherungen zu, und dort Wird dieses Problem von den Versicherten als gut gelöst angesehen. Sie hat auch darauf hingewiesen, daß man in England auf Grund dieser Substitutionsmöglichkeiten, dieser Wahlmöglichkeiten, jetzt neue Untersuchungen durchgeführt und folgendes festgestellt hat - hier darf ich zitieren -:
Man hat Sachverständige beauftragt, einmal festzustellen, wie es mit der Mobilität bei der betrieblichen Altersversorgung tatsächlich steht. Man hat festgestellt, daß im Grunde genommen die Behinderung der Mobilität sehr gering ist. So das Ergebnis dieser Untersuchung, die 1966 herausgekommen ist. Eis lautet, man könne zwar noch einiges verbessern, aber im Grunde könne man nicht davon sprechen, daß irgendeine Behinderung eintrete.
Das sind Erfahrungen aus einem Land, meine Damen und Herren, in dem die Labour-Regierung schon mehr als einmal über ganze Strecken allein regiert hat. Dort hat man diese Auswahlmöglichkeit. Ich glaube, man muß sich das noch einmal vor Augen führen, damit nicht der Weg in die totale Einbahnstraße einer einseitig vorgeschriebenen Verpflichtung gegangen wird, sondern damit wir auf diesem Weg in dem von mir vorgetragenen guten Sinne vorangehen.
Meine Damen und Herren, wir sind uns bewußt, daß der Zug heute abgefahren ist. Wir sind uns bewußt, daß ,der Zug mit der Geschwindigkeit eines Trans-Europa-Expreß fährt und vor der nächsten Haltestelle nicht mehr halten wird, wenn das überhaupt noch möglich ist.
({1})
- Herr Kollege Schellenberg, wenn es um Grundsätzegeht, muß man es noch einmal feststellen.
Weil wir wissen, daß 'die grundsätzliche Meinung der Mehrheit ides Plenums anders ist als unsere, stellen wir unter Ziffer 2 den Antrag, eine einkommensbezogene, generelle, kontinuierliche Befreiungsmöglichkeit auch über das Jahr 1968 hinaus zu schaffen. Das ist der Unterschied, meine Damen unid Herren: die Versicherungspflicht oder die Pflicht zur Sicherung. Das ist der ganze Streitpunkt, um den es geht. Auch wir sind für eine Pflicht zur Sicherung, aber wir sind für Wahlfreiheit.
({2})
Meine Damen und Herren, wenn Sie das wollen, erreichen Sie es, indem Sie unserem Alternativantrag folgen, mit dem wir eine gleitende Versicherungspflichtgrenze vorschlagen. Wir ,empfinden das
nicht als ideal. Diese gleitende Versicherungspflichtgrenze entspricht in etwa dem, wofür die Sozialdemokraten im Jahre 1957 stark gekämpft haben, wofür sie aber nicht mehr kämpfen wollen. Die gleitende Versicherungspflichtgrenze würde einem Argument Rechnung tragen, das nicht ganz weggewischt werden kann, dem Argument, daß der Kreis der Versicherten unter bestimmten Umständen in etwa immer derselbe sein muß. Wenn Sie diese gleitende Versicherungspflichtgrenze einführen, dann ist der Kreis der Versicherten in etwa gleich. Dann kann das Problem, daß der Kreis der Versicherten ausgehungert wird, gar nicht eintreten. Von daher gesehen, ist unser Antrag immerhin eine Mittellösung zwischen dem, was Sie vorschlagen, und dem, was uns als Idealvorstellung vorschwebt.
Ich bitte Sie, meine Damen und Herren, damit ich nachher nicht mehr viel sagen muß, es mit diesen Worten von mir sein Bewenden haben zu lassen. Mit Einverständnis .des Herrn Präsidenten werde ich bei den einzelnen Änderungsanträgen Ihnen nur noch in einem Satz das Stichwort zurufen, damit jeder weiß, um was es geht, beispielsweise das Stichwort „Halbdeckung alter Art" oder „Halbdekkung neuer Art mit dem Beitrag von mindestens der Hälfte ides Höchstbeitrages". Ich glaube, so könnten wir uns, auch was die Zeit betrifft, rationell verständigen.
({3})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Exner.
Herr Präsident! Meine verehrten Damen und Herren! Es war nicht anders zu erwarten, als daß die Aufhebung der Pflichtversicherungsgrenze heute morgen der Mittelpunkt unserer Debatte sein würde. In den letzten Wochen und Monaten haben wir ja ,alle erlebt, daß diese Debatte nicht nur hier im Haus stattfand, sondern daß die Frage über das Haus hinaus in der Öffentlichkeit selber grundsätzlich diskutiert worden ist. In diesem Zusammenhang hat eine besondere Rolle die Frage gespielt, wie die freiwilligen Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung künftig im Zusammenhang mit der Halbdeckung berücksichtigt werden sollen. Der Herr Kollege Spitzmüller hat die Frage bereits angeschnitten. Gestatten Sie mir, daß ich hierzu noch einige Bemerkungen mache.
Wir haben es nach dem heute gültigen Recht mit folgendem Tatbestand zu tun: Es gibt Angestellte, die in der Zeit von 1957 bis heute durch die Einkommensentwicklung aus der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht herausgewachsen sind. Von diesen Angestellten hat bisher ein großer Teil seine Mitgliedschaft in der gesetzlichen Rentenversicherung freiwillig fortgesetzt. Ihre Beiträge wurden als Pflichtbeiträge gewertet, das heißt sie wurden zur sogenannten Halbdeckung herangezogen. Ähnlich ist man bei jenen Angestellten verfahren, die im Jahre 1957 bei der großen Rentenreform einen Befreiungsantrag gestellt haben, die damals also den Wunsch geäußert haben, nicht mehr Mitglied der gesetzlichen Rentenversicherung zu sein, die aber ihre Beitragsleistung fortgesetzt haben. Auch bei diesem Personenkreis hat man die Beiträge als Pflichtversicherungsbeiträge gelten lassen, sie also auch zur Halbdeckung herangezogen.
Nun noch ein Wort zur Halbdeckung. Halbdeckung heißt, daß die Zeit vom Eintritt in die Versicherung bis zum Eintritt des Versicherungsfalles zur Hälfte mit Beiträgen belegt sein muß. Nur in diesem Fall bekommen die freiwillig Weiterversicherten die sogenannten Ausfall- und Zurechnungszeiten rentensteigernd angerechnet. Das Problem, um das es dabei geht, ist also im Grunde das, wie beitragslose Zeiten berücksichtigt werden sollen. Die Angestellten, die uns heute bedrängen, ihnen die freiwilligen Beiträge zur Rentenversicherung auch künftig auf die Halbdeckung anzurechnen, sie also als Pflichtbeiträge anzurechnen, wollen erreichen, daß ihnen Zeiten rentensteigernd angerechnet werden, für die sie keine eigenen Beiträge geleistet haben. Das muß man einmal ganz deutlich aussprechen.
({0})
Nun wird gesagt, jetzt habe man eine Änderung vor - ich werde gleich noch erklären, in welcher Form diese Änderung beabsichtigt ist -, und diese Änderung sei praktisch ein Eingriff in gewachsenes Recht, sei praktisch eine Enteignung. Was man in der Offentlichkeit hierüber alles gesagt hat, war zum Teil alles andere als erfreulich. Ich darf in diesem Zusammenhang nur einmal auf folgendes hinweisen: Wenn man schon davon spricht, daß hier ein Eingriff in eine Vorleistung erfolge oder eine Enteignung stattfinde, dann muß man auch darauf hinweisen, daß im Rahmen der mittelfristigen Finanzplanung etwa bei den knappschaftlichen Rentenleistungen ganz erhebliche Beschneidungen vorgenommen werden sollen, daß beispielsweise auch in der gesetzlichen Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten in den kommenden vier Jahren die Beiträge um nicht weniger als 3 % angehoben werden sollen. Man kann aus diesem Kreise also sehr wohl auch folgendermaßen argumentieren und sagen: Wir haben unsere Rentenversicherung auf der Annahme aufgebaut, mit einem vierzehnprozentigen Beitrag auszukommen. Nun wird den Versicherten eine dreiprozentige Beitragssteigerung abverlangt, wohlgemerkt, meine Damen und Herren, eine Beitragssteigerung, für die sie später keine Mehrleistungen an Rente zu erwarten haben.
Der Sozialpolitische Ausschuß hat als Übergangsregelung folgendes vorgesehen. Denjenigen Angestellten, die wirklich Wert darauf legen, daß ihnen die Möglichkeit der freiwilligen Weiterversicherung eingeräumt wird, und die Wert darauf legen, den Anspruch auf die Zurechnung der Ausfall- und der Ersatzzeiten zu haben, wird die Auflage gemacht, für die Zeit vom 1. Januar 1968 bis zum Eintritt des Versicherungsfalls mindestens drei Viertel der Zeit mit der Hälfte der Höchstbeiträge zu belegen.
Meine Damen und Herren, wenn man diese Dinge nüchtern überprüft - und wir haben das im Ausschuß sehr gründlich getan -, dann wird man nicht anders können, als zuzugeben, daß hier ein Entgegenkommen gegenüber einem Personenkreis geExner
zeigt wird, der bisher sehr erhebliche Vergünstigungen in Anspruch genommen hat. Ich glaube, der Gesetzgeber hat sehr wohl das Recht,
({1})
wenn er schon insgesamt Beschneidungen vornimmt, gewisse Eingriffe vornimmt, auch für diesen Kreis, der bisher ein Kreis der Begünstigten war - ich möchte das ganz deutlich sagen -, diese Einschränkung vorzunehmen. Die vorgesehene Regelung ist selbstverständlich zunächst einmal eine Beeinträchtigung der Leistungen, die man bisher gehabt hat.
Ich glaube deshalb, meine Damen und Herren, daß wir gut beraten sind, wenn wir diesem Beschluß des Sozialpolitischen Ausschusses zustimmen.
Nun lassen Sie mich noch ein paar allgemeine Bemerkungen zu den Ausführungen von Herrn Kollegen Spitzmüller und zu einem Problem machen, das auch von der Frau Kollegin Kalinke angesprochen wurde. Beide Redner haben durchblicken lassen, man müsse doch in der gesetzlichen Rentenversicherung auch das Element der Freiwilligkeit beibehalten und nach Möglichkeit noch ausbauen. Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang eines ganz unmißverständlich sagen. Es kann keinen Zweifel darüber geben, daß bei der Struktur unserer gesetzlichen Rentenversicherung, wie wir sie heute haben, die freiwillige Weiterversicherung ein Fremdkörper ist. Lassen Sie mich das ruhig so deutlich aussprechen. Damit möchte ich natürlich nicht so verstanden sein, daß wir von unserer Seite auch nur daran denken würden, die heute gültige Freiwilligkeit etwa aufzuheben oder einzuengen. Ich bitte aber, auch Verständnis dafür zu haben, wenn wir uns nicht bereit erklären können, die Möglichkeit der freiwilligen Weiterversicherung noch weiter auszudehnen, als wir sie heute bereits haben.
In diesem Zusammenhang spielt natürlich immer wieder auch die Frage der Alterssicherung bei den privaten Einrichtungen eine Rolle. Ich glaube, man muß in diesem Zusammenhang sehr nüchtern und sehr deutlich hervorheben, daß die Aufhebung der Versicherungspflichtgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung für Angestellte, wie sie heute hier im Hause hoffentlich beschlossen wird, natürlich in letzter Konsequenz bedeutet, daß damit praktisch für alle in abhängiger Tätigkeit Beschäftigten auf die Dauer gesehen eine gesetzliche Basisversicherung gegeben ist. Alle privaten Einrichtungen werden daher künftig ihr Augenmerk darauf richten müssen, diejenigen in ihre Versicherung hereinzubekommen, die mit einer gesetzlichen Rentenversicherung, mit einer gesetzlichen Alterssicherung nur eine Basissicherung haben. Das muß man so deutlich sagen. Die Entwicklung in den kommenden Jahren wird uns das bestätigen.
Zum Abschluß möchte ich noch. auf die Sozialenquete-Kommission hinweisen, die sich zur Frage der Aufhebung der Versicherungspflichtgrenze ebenfalls sehr deutlich geäußert hat. Ich bin der Auffassung, daß das, was die Wissenschaftler - es waren namhafte Repräsentanten dieses Fachbereichs - gesagt haben, im Zusammenhang mit der Debatte um diese Frage einfach nicht untergehen und nicht unausgesprochen bleiben darf. Sie haben nämlich auf den interessanten Tatbestand hingewiesen, daß sich in der Einstellung vor allem der jüngeren Angestellten zur gesetzlichen Rentenversicherungspflicht in den letzten Jahren ein merklicher Wandel vollzogen hat. Sie haben sinngemäß gesagt, daß es dieser Personenkreis in der Vergangenheit vielfach als einen Zwang angesehen hat, wenn man die Versicherungspflichtgrenze erhöhte und damit weitere Angestellte in die Versicherungspflicht einbeziehen wollte. Heute, so sagen die Wissenschaftler in der Sozialenquete, sei es geradezu umgekehrt: diese jüngeren, höherverdienenden Angestellten fühlten sich geradezu als die Ausgeschlossenen.
Wenn wir die Zeichen der Zeit richtig verstehen, dann wird die Entscheidung, zu der der Beschluß des Sozialpolitischen Ausschusses hier aufruft - die Aufhebung der Versicherungspflichtgrenze - der Schritt sein, der für eine Fortentwicklung unseres Systems sozialer Sicherheit in der Bundesrepublik Deutschland der allein richtige ist.
({2})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir kommen zur Abstimmung, und zwar zunächst über den Änderungsantrag 335 Ziffer 1 der Fraktion der FDP. Wer diesem Änderungsantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Das letzte ist die Mehrheit; der Änderungsantrag ist abgelehnt.
Es liegen noch Änderungsanträge vor, und zwar betreffend eine neue Nr. 1 a und eine neue Nr. 1 b. Dabei handelt es sich um den Änderungsantrag 335 Ziffer 2 und Ziffer 3 der Fraktion der FDP. Zur Begründung Herr Abgeordneter Spitzmüller, bitte!
Meine Damen und Herren! Bei der Nr. 1 a geht es um § 7, d. h. um die generelle Befreiungsmöglichkeit bezogen auf ein sehr hohes Gehalt. Wer dieses Gehalt im Vorjahr überschritten hat, soll die Möglichkeit haben, sich befreien zu lassen. Der Antrag auf eine neue Nr. 1 b enthält die Gleichstellung der kommunalen Verbände, die Versorgungswerke haben, mit den Landesversicherungsanstalten der Bundesversicherungsanstalt. Das ist ein Anliegen, das auch der Innenausschuß geäußert hatte.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Exner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Spitzmüller, ich muß Ihnen sagen, daß wir Ihrem Antrag nicht folgen werden. Ich möchte das Hohe Haus dazu aufrufen, den Antrag der FDP abzulehnen. Nach der Regierungsvorlage können lediglich diejenigen Arbeitgeber, die öffentlich-rechtlichen Charakter haben, von der Möglichkeit Gebrauch machen, die betreffenden Angestellten von der Versicherungspflicht zur gesetzlichen Rentenversicherung zu befreien. Wir sind der Auffassung, daß diese Regelung bestehenbleiben soll.
Jetzt wollen die Gemeindeverbände und kommunalen Unternehmen gewissermaßen eine Sonderregelung haben. Wir sind uns völlig darüber im klaren: wenn wir diesem Ansinnen folgten, würden weitere Versorgungseinrichtungen an uns herantreten. Dann würde sich das gar nicht halten lassen.
Aus diesen Gründen möchte ich das Hohe Haus im Namen der CDU/CSU-Fraktion bitten, den Antrag der FDP abzulehnen.
Wird zum Änderungsantrag Umdruck 335 Ziffer 2 noch das Wort gewünscht? - Sie wollten zu Ziffer 3 sprechen? Bitte sehr, ich habe nichts dagegen; ich lasse dann hintereinander abstimmen. Das Wort hat der Abgeordnete Schmitt-Vockenhausen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die FDP hat eine Reihe von Wünschen gesammelt. Das ist das gute Recht der Opposition. Aus den Koalitionsfraktionen ist zur dritten Lesung mit Umdruck 344 ein Antrag zu diesem Problem eingebracht worden. Er grenzt die Probleme eindeutiger ab und wird bei Annahme in der dritten Lesung ohne Konsequenzen bleiben. Wir bitten um Verständnis dafür, daß wir daher dem FDP-Antrag in der zweiten Lesung nicht zustimmen können.
({0})
Keine weiteren Wortmeldungen. Wir stimmen ab über den Änderungsantrag Umdruck 335 Ziffer 2. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen.
- Gegenprobe! - Das ist die Mehrheit; der Änderungsantrag ist abgelehnt.
Abstimmung über den Änderungsantrag Umdruck 335 Ziffer 3! Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Das ist die Mehrheit; auch dieser Antrag ist abgelehnt.
Wir kommen jetzt zur Abstimmung über die Nr. 1 des § 2 in der Ausschußvorlage. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Nr. 1 des § 2 ist angenommen.
Zur Nr. 2 liegen keine Änderungsanträge vor. Wer dieser Nr. 2 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Nr. 2 ist angenommen.
Nr. 2a!
({0})
- Der Antrag auf Streichung der Nr. 2 a ist erledigt?
({1})
Wird zur Nr. 2 a das Wort gewünscht? - Das Wort wird nicht gewünscht. Wer der Nr. 2 a zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Gegen zahlreiche Gegenstimmen angenommen.
Zur Nr. 3 liegen die Änderungsanträge Umdruck 335 Ziffern 5 und 6 vor. - Zur Begründung Herr Abgeordneter Spitzmüller.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Unter Ziffer 5 schlagen wir Ihnen vor, die alte Halbdeckung im Gesetz zu belassen, also das Gesetz nicht zu ändern. Alternativ schlagen wir unter Ziffer 6 vor, die alte Halbdeckung für die Zukunft mit dem halben Höchstbeitrag zu machen. Dasselbe gilt auch für den § 37. Da geht es um dasselbe Problem.
Wird das Wort gewünscht? - Herr Abgeordneter Exner!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich darf auf meine Ausführungen, die ich soeben zu dem Problem gemacht habe, verweisen. Im Namen unserer Fraktion bitte ich, die Anträge der FDP abzulehnen.
Keine weiteren Wortmeldungen. Wir stimmen über den Änderungsantrag Umdruck 335 Ziffer 5 ab. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen.
- Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist abgelehnt.
Wir stimmen jetzt über den Eventualantrag der FDP unter Ziffer 6 ab. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe!
- Enthaltungen? - Bei einer Reihe von Enthaltungen ist dieser Änderungsantrag ebenfalls abgelehnt.
Ich lasse jetzt über Nr. 3 der Vorlage abstimmen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Nr. 3 ist angenommen.
Wird zu dem Änderungsantrag Umdruck 335 Ziffer 7 und zu dem Eventualantrag Umdruck 335 Ziffer 8 das Wort gewünscht? - Keine Wortmeldung.
Wir stimmen über den Änderungsantrag Umdruck 335 Ziffer 7 ab. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Dieser Änderungsantrag ist ebenfalls abgelehnt.
Wer dem Eventualantrag der FDP Umdruck 335 Ziffer 8 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei einer Reihe von Enthaltungen ist auch dieser Eventualantrag abgelehnt.
Wir stimmen über die Nr. 4 in der Ausschußfassung ab. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Das erste war die Mehrheit; Nr. 4 ist angenommen.
Zu den Nrn. 4 a, 4 b, 4 c und 4 d liegen keine Änderungsanträge vor. Wird dazu das Wort gewünscht? - Es wird nicht gewünscht. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei einer Reihe von Gegenstimmen und einigen Enthaltungen sind die Nrn. 4 a bis 4 d angenommen.
Präsident D. Dr. Gerstenmaier Antrag Umdruck 335 Ziffer 8!
({0})
Antrag Umdruck 335 Ziffer 9!
({1})
Zu den Nrn. 5, 6 und 7 liegen keine Änderungsanträge vor. Wird das Wort gewünscht? - Es wird nicht gewünscht. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei zahlreichen Enthaltungen sind die Nrn. 5 bis 7 angenommen.
Ich rufe Nr. 8 auf. Dazu liegen die Änderungsanträge Umdruck 335 Ziffern 10 und 11 vor. Zur Begründung hat Herr Abgeordneter Spitzmüller das Wort.
Herr Präsident, wenn ich richtig sehe, hat sich der Antrag bereits erledigt. Es gibt ja in Zukunft keine freiwillig Versicherten mehr. Dadurch hat er sich erledigt.
Meine Damen und Herren, da sehen Sie, daß also auch exakter Sachverstand dazugehört.
Keine Änderungsanträge mehr.
Wir kommen zu den Nrn. 8, 9, 10 und 11 in der Ausschußfassung. Dazu liegen keine Änderungsanträge vor. Wird das Wort gewünscht? - Es wird nicht gewünscht. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei einer Reihe von Gegenstimmen und Enthaltungen sind diese Bestimmungen angenommen.
Ich rufe die Nrn. 12 und 13 auf. Keine Wortmeldungen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei einer Anzahl von Gegenstimmen und Enthaltungen sind die Nrn. 12 und 13 angenommen.
Nun kommen wir zu § 3. Hierüber muß nachher einzeln abgestimmt werden. Dazu liegen Änderungsanträge vor.
({0})
- Das sind also die Anträge Umdrucke 337 *) und 338 **), die sich erledigt haben.
({1})
ist erledigt!)
Nun frage ich den Herrn Abgeordneten Büttner, der sich gemeldet hat, ob er das Wort wünscht? Möchten Sie dazu sprechen? - Bitte sehr, Herr Abgeordneter!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin nicht der Mei-
*) Siehe Anlage 6 **) Siehe Anlage 7 ***) Siehe Anlage 8 nung, die der Kollege Spitzmüller zu Eingang der Diskussion zu diesem Thema geäußert hat, daß wir hierüber nicht sprechen sollten. Wir verabschieden ein Gesetz mit so weitgehenden sozialpolitischen Konsequenzen
({0})
daß wir es zumindest den Kolleginnen und Kollegen, die nicht dem Ausschuß für Sozialpolitik angehören, schuldig sind, einige aufklärende Bemerkungen zu machen.
Bei der Betrachtung des Gesetzes könnte ich mit dem Dichter sagen:
Unser Herz ist eine Harfe,
eine Harfe mit zwei Saiten,
in der einen wohnt die Freude,
und der Schmerz wohnt in der zweiten.
Wir stehen im Zwang zur Bewährung, und wir wollen auch sozialpolitisch unseren Beitrag leisten, daß der Arbeitsplatz und auch die Stabilität der Währung gesichert sind. Aus diesem und aus keinem anderen Grunde haben wir uns im Ausschuß für Sozialpolitik entschlossen, das Gesetz positiv zu beurteilen. Ich empfehle Ihnen auch zu diesem Punkte die Annahme.
Ich sprach von der Freude und möchte dieser Freude bei einigen Punkten Ausdruck verleihen.
1. Die Knappschaft ist als eine Sonderversicherung für die Bergleute, die seit Jahrhunderten besteht, erhalten geblieben.
2. Die Errichtung einer Bundesknappschaft ist aus verwaltungsorganisatorischen und, so hoffe ich, aus Gründen zur Minderung der Verwaltungskosten erforderlich.
3. Die Trennung der Untertagearbeiter nach Schichtlöhnern und nach Gedingearbeitern ist in Fortfall gekommen. Praktisch besteht also die Hauerverordnung in diesem Sinne nicht mehr.
4. Auch die Übertagearbeiter bleiben in der knappschaftlichen Rentenversicherung, ein sachlich durchaus begründeter Tatbestand.
5. Es besteht eine Versicherungsmöglichkeit für alle Angestellten, die Möglichkeit, Versicherungslücken aus der Vergangenheit zu schließen und sich auch unter Umständen von der Versicherungspflicht befreien zu lassen.
6. Entgegen der Regierungsvorlage wird der Steigerungssatz bei Berufsunfähigkeitsrenten nicht um 0,4 v. H., sondern nur um 0,2 v. H. auf 1,8 v. H. herabgeschmolzen.
7. Die Knappschaftsausgleichsleistung bleibt mit einem Steigerungssatz in Höhe von 2 % erhalten, allerdings mit der Einschränkung, daß der Leistungszuschlag nicht mehr gewährt wird.
8. Die Voraussetzungen für die Gewährung des Leistungszuschlages werden geändert. Bisher wurde er vom 11. Jahr der Untertagetätigkeit an mit einem Steigerungssatz von 1 v. T. gewährt. Jetzt beginnt dieser Leistungszuschlag schon vom 6. Jahre an, d. h. daß er sich dann auch für die folgenden De7312
kaden vom 11. bis 20. Jahr und vom 21. bis 30. Jahr ändert. Der Bergmann, der 30 Jahre unter Tage gearbeitet hat, kommt früher in den Genuß des Steigerungsbetrages von 3 v. T.
9. Für die Bestandsrentner ist wichtig, daß vom 1. Januar 1971 an die volle Anrechnung der Zurechnungszeiten erfolgt, anstatt bisher zu 2/3.
10. Die Defizithaftung des Bundes nach § 128 des Reichsknappschaftsgesetzes bleibt vorerst bestehen. Eine endgültige Regelung wird bei der Beratung des Dritten Rentenversicherungsänderungsgesetzes bzw. bei der Verabschiedung des Gesetzes zur Errichtung der Bundesknappschaft erfolgen.
11. Die Beiträge zur knappschaftlichen Rentenversicherung, die ohnehin mit 23,5 % hoch genug sind, werden nicht weiter erhöht.
12. Schließlich ist auch eine Lösung gefunden worden - das ist hier heute morgen schon zum Ausdruck gebracht worden -, wie ein interner Finanzausgleich zwischen den gewerblichen Berufsgenossenschaften erfolgen kann.
Dann sprach ich vom Schmerz. Ganz kurz dazu einige Bemerkungen. Mich bedrückt auch jetzt noch, daß die Knappschaftsruhegelder bzw. die Erwerbsunfähigkeitsrenten von 2,5 v. H. auf 2 v. H. herabgeschmolzen werden. Tröstlich ist dabei, daß dann, wie ich eingangs schon erwähnte, ab 1971 eine Umrechnung wegen des Leistungszuschlages erforderlich ist.
Ich weiß nicht genau, ob die Regelung - 8,14 Beiträge für Arbeiter und 18,82 für Bergarbeiter - mit den Artikeln 3 und 14 des Grundgesetzes in Einklang steht. Das ist auch noch einmal zu prüfen.
Was nicht schön ist und uns allen sicherlich keine Freude macht, ist der Beitrag zur Krankenversicherung der Rentner auch für die knappschaftlich Rentenversicherten. Aber dazu ist schon genügend gesprochen worden.
Was für die Betroffenen stark in die Papiere geht, ist das Zusammentreffen mit dem Arbeitslosengeld, die Regelung, daß dann nur die höhere Leistung gewährt werden kann.
Das sind die Bemerkungen, die ich dazu zu machen habe.
Ich sage, es ist keine reine Freude, wenn ich hier erkläre - nachdem ich mir einige Mühe gemacht habe, Ihnen allen den Sachverhalt früher schon bekanntzugeben -, es ist keine reine Freude, aber unter ,dem Obergedanken, den Arbeitsplatz zu sichern, die Mark stabil zu halten, schlage ich für meine Freunde vor, dem Gesetzentwurf, auch in diesem Punkt die Zustimmung zu geben.
Ich bedanke mich bei allen Kolleginnen und Kollegen im Ausschuß für Sozialpolitik unter dem Vorsitz von Professor Dr. Ernst Schellenberg für die vielen, vielen geleisteten Arbeitsstunden. Der Berichterstatter, Dr. Götz, hat sich überzeugen können, wie schwierig die Materie ist und wie schwer es ist zu folgen. Ich möchte aber auch meinen Kolleginnen und Kollegen draußen - weil die Regelung den Rentenversicherungsträgern wieder eine erhebliche Mehrarbeit bringen wird - schon von dieser Stelle aus sehr herzlich dafür danken, daß sie sich mit dem Bergmann verbunden fühlen und versuchen werden, wie in der Vergangenheit die Ansprüche, die gestellt werden, auch in einer angemessenen Zeit zu befriedigen, damit die Bergleute nicht zu lange auf die Bescheide zu warten brauchen.
({1})
Das Wort hat der Abgeordnete Russe.
Meine Damen und Herren! Der Trend in diesem Hohen Hause geht dahin, möglichst schnell fertig zu werden. Ich will es daher sehr kurz zu machen versuchen.
Niemand von uns kann im Grunde genommen von der Regelung begeistert sein, die in diesem Sektor, den wir jetzt beraten, in Aussicht genommen worden ist. Jeder von uns weiß, was unsere Bergleute in der Vergangenheit an Leistungen vollbracht haben. Jeder weiß, was diesbezüglich für den Wiederaufbau der deutschen Wirtschaft auf ihr Konto geht. Um so problematischer, um so schwieriger ist es für jeden einzelnen von uns, nun einer solchen Regelung zuzustimmen, wie wir sie jetzt zu verabschieden haben.
Es darf nicht die Meinung aufkommen, daß wir damit eine mangelhafte Anerkennung oder sogar eine Rücknahme der bisherigen Anerkennung der Leistungen der deutschen Bergleute für unser Volk, für unsere Wirtschaft, für unseren Staat zum Ausdruck bringen wollten. Unter den schwierigen Voraussetzungen, unter denen wir finanzpolitisch stehen, mußten wir zu dieser Gesamtvorlage unser Ja sagen, wenn auch nicht verkannt werden darf, daß in der ursprünglichen Vorlage der Regierung einige Änderungen nötig geworden sind.
Erlauben Sie mir in diesem Sachzusammenhang, von diesem Platze aus doch einmal eine Meinung zu revidieren, die hier und da in der deutschen Öffentlichkeit zum Ausdruck gekommen ist, nämlich die, daß es sich um die Vorlage ,des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung handele und daß man es auch, wie es hier und da zum Ausdruck gekommen ist, möglich gemacht habe, dieser Vorlage des Bundesarbeitsministers die Giftzähne zu ziehen. Ich zitiere hier eine Stellungnahme, die des öfteren in der Presse erschienen ist. Hier muß noch einmal um der Wahrheit willen festgestellt werden, daß die ursprüngliche Vorstellung des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung auch zu diesem Sachbereich eine andere gewesen ist und daß es lediglich durch die Gesamtberatungen im Kabinett dann zur bekannten einstimmigen Beschlußfassung im Kabinett hinsichtlich der Vorlage, die uns überreicht worden ist, gekommen ist.
Wir haben es dann in einer wirklich echten und gutwilligen Diskussion bei den Beratungen in den Ausschüssen in diesem Hohen Hause möglich machen können, Verbesserungen zu erreichen. Die Details dieser Verbesserungen hat Herr Kollege BüttRusse ({0})
ner dankenswerterweise schon vorgetragen. Ich will darauf im einzelnen nicht mehr eingehen. Es bleibt dabei, daß unseren Kumpels selbstverständlich ein Opfer zugemutet wird, ein Opfer, das nicht ganz einfach ist. Aber ich bin trotzdem der Auffassung - und meine Fraktion erklärt deshalb ihre Bereitschaft, dieser Vorlage im Bereich der Knappschaftsversicherung zuzustimmen -, daß dieses Opfer im Verlaufe der Beratungen geringer geworden ist. Wir sind darüber erfreut, daß wir einiges haben verbessern können, wenn auch, wie gesagt - da stimme ich mit dem Kollegen Büttner vollkommen überein -, auf der anderen Seite ein leichter Wehmutstropfen zurückbleibt.
Wir werden also der Ausschußvorlage zustimmen, wenn wir auch nicht verkennen wollen, daß das, was das Opfer angeht, nur deshalb geschehen kann, weil im Rahmen der mittelfristigen Finanzplanung insgesamt dieses Opfer nun einmal notwendig ist.
({1})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Ollesch.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Herr Kollege Büttner hat hier dargetan, wie glimpflich doch die Knappschaftsversicherung bei den beabsichtigten Kürzungen auf Grund der finanziellen Lage davongekommen sei. Obschon nicht verkannt werden darf, daß im Ausschuß gegenüber der Regierungsvorlage erhebliche Verbesserungen durchgesetzt wurden, muß doch hier und heute festgestellt werden, daß mit der beabsichtigten Kürzung des Steigerungssatzes in der Knappschaftsrentenversicherung erstmalig in das Leistungsrecht unserer Rentenversicherung eingegriffen wird,
({0})
und zwar in einer Höhe, die für die Betroffenen schmerzlich sein wird, nämlich in einer Höhe von 20 %.
({1})
- Nein, das ist nicht unterschiedlich. Letzlich und endlich ist es eine Höhe von 20 %. Diese Höhe kann auch nicht damit begründet werden, daß demnächst die Rentenanpassung in etwa die Kürzung wieder wettmachen könnte. Die Rentenanpassungen sind in ihrer Höhe für die Zukunft nicht vorausschaubar und müssen auch nicht unbedingt eintreten. Es hat sich wiederholt erwiesen, daß unsere Befürchtungen, die wir in der Vergangenheit bezüglich der Finanzierung unserer Rentenversicherung geäußert haben, ihre volle Berechtigung hatten. In der nächsten Zeit werden sicherlich neben dem begrenzten Kreis der Knappschaftsversicherten auch die Versicherten der allgemeinen Rentenversicherung in voller Höhe betroffen werden, auch diejenigen, die Sie heute nach den Abstimmungen mit Gewalt in die gesetzliche Rentenversicherung hineinholen wollen. Das muß
an dieser Stelle hier und heute deutlich festgestellt werden.
({2})
Keine weiteren Wortmeldungen.
Zu den Nrn. 1 bis 14 dieses Paragraphen liegen keine Änderungsanträge vor. Kann über diese Nrn. 1 bis 14 zusammen abgestimmt werden? - Kein Widerspruch.
Wer § 3 Nrn. 1 bis 14 zuzustimmen wünscht, gebe bitte ein Zeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen?
- Bei einer Anzahl von Enthaltungen sind die Nrn. 1 bis 14 angenommen.
Nr. 15. Änderungsantrag - ({0}) - Um so besser.
Wird zu den Nrn. 15 bis 22 das Wort gewünscht?
- Keine Wortmeldungen.
Wer den Nrn. 15 bis 22 zuzustimmen wünscht, gebe bitte ein Zeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei einer Anzahl von Enthaltungen sind auch diese Nummern angenommen.
Wir kommen zu Art. 2. Hier liegt ein Änderungsantrag vor.
({1})
- Kein Änderungsantrag. Was ist mit dem Änderungsantrag Umdruck 339?*) Bleibt der bestehen?
({2})
- Also zunächst die Nrn. 1 und 2. Hierzu liegen keine Änderungsanträge vor. - Keine Wortmeldungen. Wer zuzustimmen wünscht, ,den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen.
Zu Nr. 3 liegt ein Änderungsantrag der Fraktion der FDP auf Umdruck 339 Ziffer 2 vor. - Herr Abgeordneter Spitzmüller!
Es handelt sich um die Möglichkeit, Beiträge später noch nachzuentrichten. Die Koalitionsfraktionen haben für die dritte Lesung im Prinzip den gleichen Antrag vorgelegt.
({0})
Wird das Wort dazu gewünscht? - Keine Wortmeldungen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Antrag ist, in zweiter Lesung jedenfalls, abgelehnt.
({0})
Nr. 3 in der Ausschußfassung. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Ge-
*) Siehe Anlage 9
Präsident D. Dr. Gerstenmaier
genprobe! - Enthaltungen? - Bei Enthaltungen und Gegenstimmen angenommen.
§ 2. Hierzu liegt ein Änderungsantrag der Fraktion der FDP auf Umdruck 341 *) vor.
({1})
- Und der Änderungsantrag Umdruck 340 **) Ziffer 1? - Herr Abgeordneter Spitzmüller zur Begründung.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Dieser Antrag von uns sieht vor, daß die neue Dreivierteldeckung durch eine neue Halbdeckung ersetzt wird. Ich glaube, die Fachleute wissen, um was es geht.
({0})
Wird das Wort gewünscht? - Keine Wortmeldungen. Abstimmung! Wer dem Änderungsantrag der FDP auf Umdruck 340 Ziffer 1 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist abgelehnt.
Wir kommen zu den Nrn. 1, 1 a und 1 b. Hierzu liegen keine Änderungsanträge vor. - Keine Wortmeldungen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ,ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei einer Reihe von Enthaltungen und Gegenstimmen angenommen.
Nr. 2. Hierzu liegt ein Änderungsantrag - ({0})
- Lassen Sie mich doch ausreden! Die Schriftführer zeigen mir, was und wo ich lesen soll. Die Sachverständigen wissen es ohnehin viel besser. Aber ich gehe eisern nach meiner Vorlage vor; dann weiß ich wenigstens, daß nichts übersehen wird. Deshalb werden auch in .der Sache schon erledigte Anträge aufgerufen, damit ganz gewiß nichts übersehen wird.
Zu Nr. 2 liegt ein Änderungsantrag der Fraktion der FDP auf Umdruck 340 Ziffer 2 auf Einfügung einer Nr. 2 a vor.
({1})
- Also Nr. 2 in der Ausschußfassung. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen.
- Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei einer Anzahl von Gegenstimmen und Enthaltungen angenommen.
Nr. 3. Was ist mit dem Änderungsantrag auf Umdruck 340 Ziffer 3?
({2})
Nr. 3 in der Ausschußfassung. - Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. -
*) Siehe Anlage 8
**) Siehe Anlage 10
Gegenprobe! - Enthaltungen? - Nr. 3 ist angenommen.
§ 3. Kann man den § 3 im ganzen aufrufen?
({3})
Er läuft bis Seite 35. - Wer dem § 3 zuzustimmen
wünscht - Änderungsanträge liegen nicht vor -,
den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe!
- Enthaltungen? - Bei einer Anzahl von Gegenstimmen und Enthaltungen ist § 3 angenommen.
§ 4. - Herr Abgeordneter Spitzmüller!
Zu Umdruck 342 *) ! Wir bitten, in Art. 3 § 5 nach den Worten „der freien Wohlfahrtspflege" die Worte einzufügen: „und Privatkrankenanstalten, die nach der Gemeinnützigkeitsverordnung die Voraussetzung für die Steuerbegünstigung erfüllen". Wir haben bei der Regelung der Altlast des Bergbaus in letzter Stunde noch die karitativen Anstalten hineingenommen und dabei übersehen, daß es daneben auch noch gemeinnützige Privatkrankenanstalten gibt, die demselben Personenkreis dienen und denselben gesetzlichen Vorschriften bezüglich der Preisgestaltung unterliegen. Wir sind der Meinung, daß hier eine Gleichstellung vorgenommen werden sollte, nachdem wir das einige Jahre nicht tun konnten, weil dieses Gesetz nie aufgerufen war. Am Ausschuß ist dazu gesagt worden, daß das Anliegen berechtigt ist. Ein entsprechender Entschließungsantrag - mindestens der CDU, soweit ich es übersehen kann - liegt vor.
Wir wären Ihnen dankbar, wenn Sie der beantragten Einfügung zustimmten.
Damit ist der Änderungsantrag Umdruck 342, den ich noch nicht aufgerufen hatte, begründet. Wird zu diesem Änderungsantrag das Wort gewünscht? - Keine Wortmeldung. Wir stimmen ab. Wer dem Änderungsantrag Umdruck 342 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe!
- Enthaltungen? - Bei Gegenstimmen und Enthaltungen ist dieser Änderungsantrag abgelehnt.
Wir stimmen über § 4 in der Ausschußfassung ab. Wer zustimmt, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei Gegenstimmen und Enthaltungen angenommen.
Art. 3. Dazu liegen keine Änderungsanträge vor. Wir das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Wer Art. 3 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, gebe bitte ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei einer Anzahl Enthaltungen ist dieser Artikel angenommen.
Änderungsantrag der Fraktion der FDP Umdruck 327 **). Es wird beantragt, einen Art. 3 a einzufügen. Wird der Antrag begründet? - Bitte sehr!
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Durch die Aufhebung der Versicherungspflichtgrenze ist bei § 4
*) Siehe Anlage 11 **) Siehe Anlage 12
Deutscher Bundestag - 5. Wahlperiode - 1421 Sitzung. Bonn, Freitag, den 8. Dezember 1967 7315
Schmidt ({0})
Abs. 2 des Betriebsverfassungsgesetzes eine Unsicherheit entstanden, weil der Personenkreis, der dem Betriebsverfassungsgesetz nicht unterliegt, nicht mehr abgegrenzt ist. Um diese Unsicherheit von vornherein beseitigen zu können - es liegt ja zur dritten Lesung ein Antrag der CDU/CSU und der SPD in ähnlicher Form vor -, legen wir Ihnen auf Umdruck 327 einen Änderungsantrag vor, der ganz klar den Personenkreis abgrenzt, der in Zukunft in § 4 Abs. 2 des Betriebsverfassungsgesetzes ausgenommen sein soll. Dort heißt es in der geltenden Fassung: Es ist ausgenommen, wer nicht angestelltenversicherungspflichtig ist. Jetzt sind alle leitenden Angestellten versicherungspflichtig. Wir müssen aber den leitenden Keis in den Betrieben ausnehmen. Das sieht ja auch Ihr Antrag zur dritten Lesung vor.
Wir bitten daher, unserem Änderungsantrag Umdruck 327, der eine klare Abgrenzung dieses Personenkreises enthält, zustimmen.
Wird das Wort gewünscht? - Bitte sehr!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist richtig, daß auf Grund des Finanzänderungsgesetzes und der Aufhebung der Versicherungspflichtgrenze für die Angestellten das. Betriebsverfassungsgesetz in § 4 Abs. 2 geändert werden muß. Aber die hier von den Freien Demokraten vorgeschlagene Änderung ist eine Änderung anderer Art; sie gehört in die Novellierung des Betriebsverfassungsgesetzes schlechthin hinein, und nicht in dieser Form. Ich möchte sagen, daß auch wir eine Änderung des § 4 Abs. 2 wünschen - ich meine jetzt, außer der notwendigen Regelung nach dem Finanzänderungsgesetz -, aber auf keinen Fall, das möchte ich Ihnen jetzt schon sagen, in der Richtung, wie Sie es hier vorschlagen. Denn das ist nach wie vor unklar, das bringt keine Klarstellung und keine Abgrenzung des betroffenen Personenkreises, das beseitigt auf keinen Fall die jetzt schon bestehende Rechtsunsicherheit, sondern trägt dazu bei, auf diesem Gebiet des Arbeitsrechts die Rechtsunsicherheit weiterhin bestehen zu lassen. Wir werden die Änderung des § 4 Abs. 2 in einer ganz anderen Richtung vornehmen.
Ich bitte daher, den Antrag der FDP abzulehnen.
({0})
Keine weiteren Wortmeldungen. Wir stimmen über den Änderungsantrag der FDP Umdruck 327 ab. Wer zuzustimmen wünscht, gebe bitte ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist abgelehnt.
Es folgt der Art. 4. Dazu sind keine Änderungsanträge gestellt. Wer zuzustimmen wünscht, gebe bitte ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Art. 4 ist angenommen.
Wir kommen zu Art. 5. Dazu liegt der Änderungsantrag der FDP auf Umdruck 326 *) vor.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Schmidt ({0}) .
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Erlauben Sie mir, daß ich zu dem Art. 5 und zu dem von uns dazu vorliegenden Antrag einige Worte mehr sage, weil dieser Artikel wohl die größte Odyssee auf dem Wege vom Regierungsentwurf bis zu dem Kompromiß, der im Haushaltsausschuß gefunden wurde, erlitten hat.
Als die Bundesregierung vorschlug, den erst im vorigen Jahr eingeführten § 56 mit der Berichtspflicht für die Kriegsopferversorgung wieder zu streichen, wandte sich als erster bereits der Bundesrat ganz klar dagegen. Als zweites wurde im Kriegsfolgenausschuß auf Antrag der FDP einstimmig festgestellt, daß es nicht notwendig sei, den § 56 zu streichen, weil mit der Berichtspflicht keinerlei finanzielle Auswirkungen verbunden sind, also innerhalb der mittelfristigen Finanzplanung keinerlei Schwierigkeiten auftauchen können, wenn der § 56 bestehenbleibt.
Der Haushaltsausschuß suchte nun eine Kompromißlösung zwischen der Entscheidung des Kriegsfolgenausschusses und dem Vorschlag der Bundesregierung. Dieser Kompromiß sieht, wie Sie wissen, vor, die Berichtspflicht beizubehalten, sie der Bundesregierung aber erst zum 31. Dezember 1970 aufzuerlegen statt, wie vorgesehen und im vorigen Jahr einstimmig von diesem Hause beschlossen, schon für das Jahr 1969. Das heißt, daß mit diesem Kompromiß die Berichterstattung über die Kriegsfolgengesetzgebung und ihre Diskrepanz zu den anderen sozialpolitischen Entwicklungen über das Bundestagswahljahr 1969 hinausgeschoben werden soll
Wir Freien Demokraten sind der Meinung - der sich der Kriegsfolgenausschuß einstimmig angeschlossen hatte -, daß die Beibehaltung des § 56, also die Beibehaltung der Berichtspflicht im Jahre 1969, das einzig Richtige ist, was dieses Hohe Haus beschließen kann. Darüber hinaus hat sich in den letzten Tagen bereits ergeben, daß die Sozialminister der Länder dem Bundesrat die Empfehlung geben werden, in dieser Frage den Vermittlungsausschuß anzurufen, wenn nicht die Beibehaltung des § 56, wie es der Bundesrat in erster Lesung vorgeschlagen hat, von diesem Hohen Hause beschlossen wird.
Aus all diesen Gründen darf ich Sie bitten, unserem Antrag auf Umdruck 326, nämlich der Streichung des neuen Art. 5 und damit der Beibehaltung der Berichtspflicht in der alten Fassung des Bundesversorgungsgesetzes, zuzustimmen.
({0})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Götz.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Annahme des Antrags der
*) Siehe Anlage 13
FDP bedeutet die Wiederherstellung des § 56 in der Fassung .des Dritten Neuordnungsgesetzes. Danach wäre ,die Bundesregierung verpflichtet, erstmals im Jahre 1969 einen Bericht vorzulegen, aus dem hervorgeht, inwieweit es unter Berücksichtigung der Entwicklung ,der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und des realen Wachstums möglich ist, die Leistungen der Kriegsopferversorgung zu ändern, d. h. nach Maßgabe des gestiegenen Bruttosozialprodukts zu erhöhen.
Niemand wird auf den Gedanken kommen, daß es mit dem Bericht getan sei, sondern man erwartet dann natürlich, daß die Bundesregierung in den Jahren 1970 und 1971 die entsprechenden Beträge einsetzt. Das bedeutet, daß für 1970 und 1971 je 650 Millionen DM in die Finanzplanung eingesetzt werden müßten.
({0})
Ich bin der Meinung, daß mit der Zustimmung zur Wiederherstellung des § 56 des Dritten Neuordnungsgesetzes bei den Kriegsopfern Hoffnungen erweckt werden, ,die sich im Jahre 1970 nach Lage der Dinge nicht realisieren lassen. Ich meine, wir sollten mit den Kriegsopfern wie in der Vergangenheit redlich und ehrlich darüber reden. Die Regierungsvorlage hat die Streichung des § 56 vorgesehen. Die beiden Koalitionsparteien - ich betone: die beiden! - haben sich dem Regierungsvorschlag nicht angeschlossen. Sie finden im Bericht des Ausschusses das Datum des 31. Dezember 1970, zu dem die Regierung erstmals den Bericht vorlegen soll, der dann natürlich auch seine finanziellen Konsequenzen für 1971 haben wird.
Die Frage ist: Ist das den Kriegsopfern zumutbar? Ich meine, daß man die Frage eindeutig mit Ja beantworten kann. Ich möchte daran erinnern - das sollte man nicht vergessen, und die Kriegsopfer haben es auch nicht vergessen -, daß wir mit dem Dritten Neuordnungsgesetz zu einer Zeit, in der wir bereits in einer finanziellen Krise waren, die Leistungen für die Kriegsopfer um 880 Millionen DM verbessert haben. Ich glaube, die Kriegsopfer anerkennen heute noch die Haltung des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung zu jenem Zeitpunkt in diesen Fragen.
Ich möchte auch einmal daran erinnern, daß jetzt im Rahmen der mittelfristigen Finanzplanung niemand daran gedacht hat, wie in anderen Bereichen auch hier die Leistungen zu verkürzen. Es bleibt bei den Leistungen. Lediglich ,das Datum für die Berichtsvorlage soll geändert werden. Ich bin sicher, .daß die Kriegsopfer in richtiger Würdigung der Situation, in der wir sind, dafür Verständnis haben. Daher bitte ich, den Antrag der FDP abzulehnen.
({1})
Das Wort hat der Abgneordnete Glombig.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der § 56 ,des Bundesversorgungsgesetzes ist, wie soeben richtig gesagt wurde, erst mit dem Dritten Neuordnungsgesetz zur Kriegsopferversorgung vom 29. Dezember 1966 in dieses Gesetz eingegliedert worden. Die Bestimmung hat damals nicht den ungeteilten Beifall aller Kräfte dieses Hauses gefunden. Wir hatten damals gemeint, diese Anpassungsklausel, die in Wirklichkeit gar keine Anpassungsklausel, sondern nur eine Klausel über die Berichtspflicht der Bundesregierung ist, werde für den Bereich der Kriegsopferversorgung nicht ausreichen. Wir meinten, damals bereits sollte eine Angleichung an ähnliche Bestimmungen der Rentenversicherung und der Unfallversicherung vorgenommen werden. Dieser Gedanke hat sich damals auf seiten der FDP nicht durchgesetzt. Wir sind dann bei der Berichtspflicht stehengeblieben, die jetzt in § 56 des Bundesversorgungsgesetzes ihren Niederschlag gefunden hat. Es ist allerdings auch nach Vorlage des Finanzänderungsgesetzes 1967 niemals die Auffassung der sozialdemokratischen Fraktion gewesen, daß mit diesem Finanzänderungsgesetz die Konzeption des Bundesversorgungsgesetzes - im Grunde genommen auf kaltem Wege - wieder geändert werden sollte.
Diesem Ziel sollte der Regierungsentwurf dienen. Daraufhin hat sich die Regierungskoalition geeinigt, daß das abgewehrt wird und daß es im Grunde bei dem § 56 des Bundesversorgungsgesetzes bleibt. Der einzige Unterschied besteht darin, daß an Stelle der Jahreszahl „1969" der „31. Dezember 1970" gesetzt werden soll, weil damit - wie es in dem Schriftlichen Bericht des Haushaltsausschusses heißt -„die Möglichkeit, einen Gesetzentwurf aufzustellen, der Rentenerhöhungen vorsieht, auf das Jahr 1971 verschoben wird und somit allenfalls erst für 1972 höhere Mittel erforderlich werden". Es ist möglich, daß - wie Herr Dr. Götz als Berichterstatter für diesen Artikel des Gesetzentwurfs gesagt hat - unter Umständen aber bereits für 1971 finanzielle Konsequenzen erwachsen können. Ich möchte darauf hinweisen, daß es eine Entscheidung der Regierung und des gesamten Parlaments ist, ob Konsequenzen erwachsen, wenn der Bericht vorgelegt wird und wenn auf Grund des Berichts die Voraussetzungen erfüllt sind, die in § 56 niedergelegt worden sind. Dabei wollen wir bleiben. Ich glaube, daß mit einer solchen Änderung des Bundesversorgungsgesetzes alle beteiligten Kreise zufrieden sein können.
({0})
Das Wort hat der Abgeordnete Schmidt ({0}).
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin dem Kollegen Glombig sehr dankbar, daß er einiges zur Klärung der Dinge beigetragen hat. Ich glaube aber doch, daß es notwendig ist, zwei Dinge noch einmal deutlich herauszustellen.
Der Bericht, den die Bundesregierung nach dem ihr im vorigen Jahr erteilten Auftrag zum erstenmal im Jahre 1969 vorlegen soll, kann morgen oder übermorgen oder im nächsten Jahr durch eine Kleine Anfrage aus der Mitte dieses Hauses verlangt werden, Herr Dr. Götz. Es wird also gar nicht so sein,
Schmidt ({0})
daß Sie die Dinge bis 1970 und damit über die Bundestagswahl hinweg vom Tisch haben. Auf der anderen Seite würde man bei den Kriegsopfern nicht etwa Hoffnungen erwecken, wie Sie sagen, sondern man würde sie sehr enttäuschen. Nachdem wir gestern in diesem Hause ein Rentenanpassungsgesetz für einen anderen Bereich unserer Rentner beschlossen haben, würde ein Schnitt zwischen den einzelnen Gruppen gemacht, die von Renten zu leben haben - auch davon gibt es in der Kriegsopferversorgung eine ganze Menge -, wenn wir jetzt nicht bereit wären, die Berichterstattung der Bundesregierung, die keine direkten finanziellen Folgen hat, in zwei Jahren, 1969, zu verlangen. Das würde bei den Kriegsopfern eine berechtigte Enttäuschung auslösen.
Deshalb sind wir Freien Demokraten der Meinung, daß diese Berichtspflicht bleiben sollte. Wir sind uns darüber im klaren, daß sich, wenn sich infolge der finanziellen Situation Schwierigkeiten bei der Erfüllung der Berichtspflicht und den sich aus ihr ergebenden Maßnahmen ergeben sollten, dieses Haus zusammensetzen muß, wie es das schon mehrere Male getan hat,. um zu überlegen, wie die Verpflichtung den Kriegsopfern gegenüber auch materiell im Rahmen der Möglichkeiten erfüllt werden kann. Wir können die Sache aber nicht um zwei Jahre verschieben - jedenfalls sind wir Freien Demokraten nicht dazu bereit, uns einfach darum herumzudrücken -, während wir jedes Jahr für andere Bereiche ein Rentenanpassungsgesetz verpflichtend verabschieden. Ich glaube, das mußte noch einmal deutlich gesagt werden, ehe die Entscheidung über den Art. 5 fällt.
({1})
Das Wort hat der Abgeordnete Maucher.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich weiß, es gibt Unmut zu dieser späten Zeit. Aber ich glaube, wir sind es den Kriegsopfern schuldig, daß wir auch ihrem Kapitel heute wenigstens entsprechende Zeit widmen. Ich werde mich ganz kurz fassen. Aber die Ausführungen von Herrn Kollegen Schmidt, nicht nur seine zweimaligen Ausführungen heute, sondern auch die, die er bei der ersten Lesung zu Protokoll gegeben hat, veranlassen mich doch, einige Bemerkungen zu machen.
Zunächst muß ich feststellen, daß auch wir, die wir im Kriegsopferausschuß seit Jahren tätig sind, sehr wohl wissen, was wir zu tun haben, welche Aufgaben wir haben und wie wir sie erfüllen. Weil wir das wissen und weil wir den Kriegsopfern helfen wollen, nicht nur für heute und morgen, sondern auch übermorgen, wissen wir, daß der Vorschlag zur mittelfristigen Finanzplanung, der uns vorliegt, nicht zu umgehen ist. Dazu haben wir uns bekannt. Aber wir haben uns ebenso dafür eingesetzt - die Koalitionsfraktionen haben das gemeinsam entschieden -, daß der § 56 erhalten bleibt. Damit ist auch die Weiterentwicklung des Kriegsopferrechts bestimmt.
Herr Kollege Schmidt, wenn ich jetzt an die Ausführungen denke, die gestern Herr Genscher an dieser Stelle gemacht hat, und wenn ich an die Ausführungen denke, die Sie gemacht haben, dann muß ich eigentlich sagen: Das heißt, wenn man gegenüber dem Steuerzahler spricht, weniger, wenn man gegenüber den sozialen Kreisen spricht, mehr.
({0})
Sagen Sie mir doch: Wie soll man das tun? Haben Sie diesen Wunderknaben, der es fertigbringt, dann dennoch den Haushalt auszugleichen?
Ich muß Ihnen ein Weiteres sagen. Es ist falsch, wenn Sie behaupten, in der Kriegsopferversorgung geschehe nichts. Lesen Sie doch bitte das Dritte Neuordnungsgesetz! Dann wissen Sie ganz genau, daß bereits im Jahre 1968 infolge der Anpassung der Anrechnungsbestimmungen und der Änderung des Berufs- und Schadensausgleichs 91 Millionen DM mehr, im Jahre 1969 180 Millionen DM mehr, im Jahre 1970 280 Millionen DM mehr und im Jahre 1971 375 Millionen DM mehr gegeben werden. Ich bitte, das zu beachten. Man kann die Dinge nicht auf den Kopf stellen. Ich bin der Meinung, wenn wir dafür Sorge tragen, daß der Haushalt absolut ausgeglichen ist und die Finanzen gesund werden, haben wir auch den Kriegsopfern auf die Dauer einen guten Dienst erwiesen.
Gestatten Sie eine Frage, Herr Abgeordneter?
Herr Kollege Maucher, stimmen Sie mir zu, daß Ihre Ausführungen, die Sie jetzt über das gemacht haben, was in den nächsten Jahren in der Kriegsopferversorgung geschehen wird, eigentlich sogar dazu anreizen müssen, daß der Bericht jedes Jahr kommt? Warum lehnen Sie dann den Bericht ab, wenn alles so klar und deutlich ist, wie Sie es eben gesagt haben?
Ich darf Ihnen sagen, wenn Sie das Kriegsopferecht kennten, dann wüßten Sie ganz genau, um was es jetzt geht. Diese Frage, die Sie hier stellen, trifft den Kern überhaupt nicht.
Nun möchte ich in diesem Zusammenhang der Bundesregierung herzlich dafür danken, daß sie das ursprüngliche Vorhaben, die Grundrenten irgendwie zu kürzen, nicht verwirklicht hat. Ich glaube, wir können auch in der heutigen Diskussion feststellen, daß die Regierungskoalition in dieser Angelegenheit in Verbindung mit der Regierung eine klare Haltung eingenommen hat. Das darf ich Ihnen sagen. So wie Sie, die FDP, es heute dargestellt haben, ist es so, als ob Sie diejenigen wären, die mehr geben wollen. Ich erinnere Sie an den Vorschlag Ihres Parteivorsitzenden Mende vor einem Jahr, der die Erhöhung der Grundrenten um 30 und 40 % nicht vornehmen wollte. Diese Dinge müssen Sie auch sagen.
({0})
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich möchte auf Grund der Situation, in der wir uns be7318
finden, darum bitten, den Antrag des Haushaltsausschusses anzunehmen.
({1})
Keine weiteren Wortmeldungen. Wir kommen zur Abstimmung über den Streichungsantrag auf Umdruck 326 *). Wer stimmt diesem Antrag zu? - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Antrag ist abgelehnt.
Wir stimmen über den Art. 5 selbst ab. Wer stimmt dem Art. 5 zu? - Danke. Gegenprobe! Enthaltungen? - Art. 5 ist mit großer Mehrheit angenommen.
Ich rufe Art. 6 auf. Dazu liegt ein Antrag auf Umdruck 328 **) vor. Wird der Antrag begründet? - Herr Abgeordneter Reichmann.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich darf .den Änderungsantrag der Fraktion der FDP auf Umdruck 328
begründen. Hier geht es um eine Grundsatzentscheidung bezüglich der Entwicklung der agrarsozialen Maßnahmen. Gestatten Sie mir deshalb, einige grundsätzliche Ausführungen zu machen.
Die Beiträge für die landwirtschaftlichen Alterskassen wurden bereits 1966 zweimal erhöht, und zwar um zwei Drittel, und nur im dritten Änderungsgesetz sind Leistungsverbesserungen erfolgt. Nun sollen nach dem Vorschlag der Regierung mit Artikel 6 wiederum Beitragserhöhungen um 40 % ohne Leistungsverbesserungen vorgenommen werden. Dankenswerterweise hat der Sozialpolitische Ausschuß diese Oberforderung erkannt und vorgeschlagen, die Beiträge nur um jeweils 4 DM zu erhöhen.
Durch diese Beitragserhöhung will die Bundesregierung nur vor der Defizithaftung ausweichen ohne Rücksicht auf die wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse und ohne Rücksicht auf die Opfer, welche die Landwirtschaft aus gesamtpolitischen Gründen bereits erbracht hat. Die vorgesehenen Beitragserhöhungen sind besonders deshalb ungerechtfertigt, weil keine Leistungsverbesserungen erfolgen, weil die Leistungen in diesem Bereich nicht wie in den meisten anderen sozialen Bereichen dynamisiert sind und weil die Beiträge trotz der schlechteren Einkommensverhältnisse in der Landwirtschaft erhöht werden sollen.
Auch ohne die von der Bundesregierung vorgeschlagenen Beitragserhöhungen kann das Problem durch die Alterskassen sachgemäß gelöst werden. Im Jahre 1968 ist unter Berücksichtigung der Kosten und der finanziellen Entwicklung der Alterskassen überhaupt keine Erhöhung notwendig. Erst 1969 ist ein .kleines Defizit von 10 Millionen DM zu erwarten. Dies kann durch eine bescheidene Erhöhung des Bundeszuschusses ausgeglichen werden.
Wir halten es für unverantwortlich, schon jetzt für .die siebziger Jahre derartige Beitragserhöhun-
*) Siehe Anlage 13 **) Siehe Anlage 14 gen zu beschließen, weil die Landwirtschaft an die Entwicklung der EWG gekettet ist und deshalb nicht vorausschaubar ist, wie die Einkommens- und Lebensverhältnisse der Landwirtschaft in den siebziger Jahren sein werden. Die in Aussicht genommene Erhöhung des Bundeszuschusses an die landwirtschaftlichen Alterskassen mit 20 Millionen DM ist nur eine fiskalische Manipulation, denn sie wird durch Kürzung um 20 Millionen DM bei den Berufsgenossenschaften gedeckt. Das lehnen wir ab.
Es ist notwendig, aus diesem Anlaß noch einige Worte zum Verhältnis Bundeszuschuß und Eigenleistung der Landwirtschaft zu sagen. Die irreführende Legende, daß die Landwirtschaft nur eine Eigenleistung von 30 % erbringt, während der Bundeszuschuß 70 % beträgt, muß durch Richtigstellung und Klarstellung endlich ausgeräumt werden. Diese Klarstellung ist um so notwendiger, als sich der Herr Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung in ,der Fragestunde des Bundestages auf meine diesbezügliche Anfrage diese Argumentation selber zu eigen machte. Tatsächlich erfolgt die Eigenleistung der Landwirtschaft durch die Beiträge in Höhe von 200 Millionen DM, aber auch durch die Altenteilleistungen an 600 000 Personen gegenüber 490 000 Altersgeldempfängern, durch Kost, Wohnung, Gesundheitsrisiko und auch Barleistungen.
Geht man hier nur von dem Pauschbetrag, den das Finanzministerium mit monatlich 150 DM für Kost und Wohnung der Fremdarbeitskräfte zugrunde legt, mit einem entsprechend bescheidenen Zuschlag für alle übrigen Leistungen aus, so kommt man zu dem Ergebnis, daß die Landwirtschaft mit den direkten Altenteilleistungen mindestens 1,1 Milliarden DM aufbringt.
({0})
- Das sind Tatsachen; die muß man einmal herausstellen, Kollege Dr. Schmidt.
Nimmt man die Eigenleistung durch Beiträge und die direkten Leistungen zusammen, so ergibt sich die Tatsache, daß die Landwirtschaft 1,3 Milliarden DM gegenüber einem Bundeszuschuß von 512 Millionen DM erbringt. In der Tat ist es also genau umgekehrt: die 'Eigenleistung beträgt 70 %, und der Bundeszuschuß beträgt 30 %.
Bei dem Problem darf die alte Last nicht unberücksichtigt bleiben. 550 000 Betriebe sind aufgelöst worden. Diese alte Last, die sich aus dem Strukturwandel ergibt, muß mitgetragen werden, weil es in der Landwirtschaft keine Stillegungsprämie und auch kein Übergangsgeld wie im Bergbau gibt. Dort ist es selbstverständlich, daß der Strukturwandel durch den Sozialplan ergänzt wird. In der Landwirtschaft dagegen versucht man die sozialen Verhältnisse zu verschlechtern. Die vorgesehene Beitragserhöhung bei den Alterskassen ohne Leistungsverbesserung wird von der Bundesregierung und auch in anderen Kreisen damit begründet, daß in der heutigen Situation auch die Landwirtschaft Opfer bringen müsse. Dieses Argument ist haltlos und ungerecht. Abgesehen von der inneren Disparität mit 33 % sind die direkten und indirekten Auswirkungen besonders der EWG und der EinkommensReichmann
verluste größer als die ganzen agrarsozialen Hilfen des Bundes überhaupt.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Wörner? - Bitte!
Herr Kollege, entschuldigen Sie die Zwischenfrage. Aber halten Sie es für richtig, daß Sie entgegen den Bestimmungen der Geschäftsordnung ohne Genehmigung des Präsidenten offensichtlich eine vorbereitete Erklärung verlesen?
Herr Wörner, das ist keine vorbereitete Erklärung, sondern das ist ein Konzept, wie es hier allgemein benützt wird. Die übrigen Redner haben sich ebenfalls an ihr Konzept gehalten.
({0})
Ich darf fortfahren. Nachdem die deutsche Landwirtschaft nun an die EWG gekettet ist und dadurch in den Verdrängungswettbewerb mit der EWG gekommen ist, müssen auch die agrarsozialen Verhältnisse in der EWG mit berücksichtigt werden. Während in Frankreich die agrarsozialen Leistungen verbessert werden, werden sie bei uns verschlechtert und eingeschränkt.
({1})
Dabei besteht die Gefahr, daß die agrarsozialen Maßnahmen zu einem Instrument im Verdrängungswettbewerb zum Nachteil unserer Landwirtschaft benützt werden. Zusammengenommen muß man deshalb feststellen, daß die Absicht der Bundesregierung, die Beiträge zur Alterskasse zu erhöhen, die Bundesmittel für die Berufsgenossenschaften zu kürzen und sich von der Defizithaftung zu befreien, eine Weichenstellung ist, die zu einer Verschlechterung der sozialen Lage der Landwirtschaft führt. Jetzt sind wir vor die Entscheidung gestellt - auch Sie, meine Damen und Herren von der CDU/CSU und von der SPD -, die agrarsozialen Verhältnisse zu verbessern oder zu verschlechtern. Entscheiden Sie sich für die Verbesserung, und stimmen Sie unserem Änderungsantrag Umdruck 328 zu!
({2})
Zu der Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Wörner möchte ich bemerken, daß es schwer ist, zwischen Konzept und Manuskript zu unterscheiden; die Grenzen sind fließend.
({0})
Das Wort hat der Abgeordnete Röhner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf zunächst einige kurze Bemerkungen zu dem machen, was Herr Kollege Reichmann vorgebracht hat. Er beschäftigte sich ausführlicher mit dem Verhältnis des Bundeszuschusses zur Eigenleistung in den landwirtschaftlichen Alterskassen. Er wies darauf hin, daß sich ein schräges Bild ergibt, wenn man bei der Eigenleistung der landwirtschaftlichen Altersversorgung die sonstigen Eigenleistungen - Auszug usw. - mit heranzieht. Ich persönlich bin der Meinung, das ist ein nicht gängiger und nicht möglicher Vergleich. Es handelt sich hier um ein in sich geschlossenes Gesetzeswerk, dessen Erfüllung einerseits durch das Beitragsaufkommen und andererseits durch den durch Gesetz festgelegten Bundeszuschuß finanziert wird. Nur durch eine Gegenüberstellung dieser beiden Größenordnungen, durch ein In-Relation-Bringen von Bundeszuschuß und Eigenleistung kann man erkennen, ob sich eine Verschlechterung dieses Verhältnisses ergeben hat oder nicht.
Ich darf den Herrn Kollegen Reichmann auf das Ergebnis der Kleinen Anfrage der FDP hinweisen. Ich habe die Drucksache leider nicht hier. Sie ist erst einige Wochen alt. Die FDP hat darin gefragt, wie es sich einerseits im Rahmen der mittelfristigen Finanzplanung mit den Zuschüssen im sozialen Bereich, auch bei der landwirtschaftlichen Alterskasse, verhält und wie andererseits diese Zuschüsse zu den jeweils zu erwartenden Eigenleistungen ins Verhältnist gesetzt werden können. Gerade die Beantwortung dieser Kleinen Anfrage der FDP hat ergeben, daß hier im Rahmen des Zeitraums der mittelfristigen Finanzplanung nahezu keine Verschiebung des Verhältnisses zwischen Eigenleistung und Bundeszuschuß eintritt.
Ein Zweites wäre hinzuzufügen. Der Kollege Reichmann wies darauf hin, daß durch Art. 6 des Finanzänderungsgesetzes eine Beitragserhöhung eingeführt werden wird, ohne daß deswegen die Leistungen erhöht werden. Das trifft zu, allerdings mit der Einschränkung, daß sich im Rahmen dieses Finanzänderungsgesetzes, das nun wiederum in die mittelfristige Finanzplanung hineingestellt ist, im Laufe der nächsten vier Jahre der Bundeszuschuß von derzeit 535 auf 555 und 565 Millionen DM erhöht. Auch das ist effektiv eine Steigerung der Beteiligung des Bundes. Das muß um der Gerechtigkeit und der Objektivität willen mit erwähnt werden.
Der Kollege Reichmann wies drittens darauf hin, daß mit dieser Gesetzesänderung die Defizithaftung des Bundes quasi aufgehoben wird. Ich glaube, es ist sehr bedeutsam, daß durch diese Defizithaftung sicherlich das Ausgabenvolumen begrenzt wird, daß aber die gesetzlich gegebene, fundierte Defizithaftung nicht aufgehoben wird. Im Interesse der Landwirtschaft muß man über die Bestimmung der Defizithaftung froh sein.
Lassen Sie mich nunmehr, meine Damen und Herren, noch einige Bemerkungen als Berichterstatter des Haushaltsausschusses zu der vorgesehenen Gesetzesänderung machen.
Bekanntlich schlägt der federführende Haushaltsausschuß zu Art. 6 des Finanzänderungsgesetzes insofern eine Änderung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung, wie er in der Bundestagsdrucksache V/2149 enthalten ist, vor, als er die dort vorgesehene
Beitragserhöhung von viermal 2 DM, verteilt auf den Zeitraum der mittelfristigen Finanzplanung, für nicht zwingend notwendig hält und meint, daß eine zweimalige Beitragserhöhung von je 2 DM, verteilt auf die Jahre 1969 und 1970, ausreichend sei.
Der Haushaltsausschuß ist damit den entsprechenden Empfehlungen der mitberatenden Ausschüsse, nämlich des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten und des Ausschusses für Sozialpolitik, gefolgt. Der Haushaltsausschuß lehnte damit gleichzeitig - auch das möchte ich erwähnen - den Vorschlag des Bundesrates ab, wonach eine noch größere Beitragserhöhung, als im Regierungsentwurf vorgesehen war, empfohlen wurde, wobei außerdem gleichzeitig der Bundeszuschuß auf der bisherigen Höhe von 535 Millionen DM pro Jahr wie im Haushaltsjahr 1967 belassen werden sollte. Maßgebend für die Entscheidung des Haushaltsausschusses war eine erneute Prüfung der Schätzungsgrundlagen, die die Annahme bekräftigte, daß eine zweimalige Beitragserhöhung innerhalb der mittelfristigen Finanzplanung von je 2 DM in den Jahren 1969 und 1971 auch im Hinblick auf den in der mittelfristigen Finanzplanung auf 555 Millionen DM bzw. 565 Millionen DM aufgestockten Bundeszuschuß für die Gesamtfinanzierung unserer landwirtschaftlichen Alterskassen ausreichen kann.
Um jedoch - jetzt komme ich auf einen Ergänzungsvorschlag des Haushaltsausschusses kurz zu sprechen - Schätzungsrisiken zu begegnen und die einschlägigen Ansätze der mittelfristigen Finanzplanung nicht zu gefährden und auf jeden Fall zu gewährleisten, schlägt der Haushaltsausschuß in Abänderung des Regierungsvorschlages die Einführung eines § 13 a in das Gesetz über eine Altershilfe für Landwirte vor. Durch diese neue Bestimmung erhält die Vertreterversammlung des Bundes verbandes der Landwirtschaftlichen Alterskassen das Recht, dann einen zusätzlichen Beitrag zur Dekkung des Gesamtaufwandes festzusetzen, wenn Bundeszuschuß, gesetzlicher Beitrag und sonstige Einnahmen der Landwirtschaftlichen Alterskassen keine Deckung mehr brächten. Die Meinung der Fachleute des Bundesverbandes der Landwirtschaftlichen Alterskassen und der beteiligten mitberatenden Ausschüsse ging überwiegend dahin, daß es zu einer solchen zusätzlichen Beitragsschöpfung kaum kommen dürfte.
Namens des Haushaltsausschusses bitte ich deshalb das Hohe Haus, der vorgeschlagenen Neufassung des i§ 12 des Gesetzes über eine Altershilfe für Landwirte und der Ergänzung des Gesetzes durch die neue Bestimmung des § 13 a zuzustimmen. Gleichzeitig bitte ich namens der Koalitionsfraktionen, den Änderungsantrag der FDP auf Umdruck 328 abzulehnen.
({0})
Keine weiteren Wortmeldungen.
Wir kommen zunächst zur Abstimmung über den Antrag auf Umdruck 328 *), wonach Art. 6 gestri-
*) Siehe Anlage 14 chen werden soll. Wer stimmt diesem Antrag zu?
- Danke. Die Gegenprobe! - Das letzte ist die Mehrheit. Der Antrag ist abgelehnt.
Wir stimmen über Art. 6 in der Ausschußfassung ab.
({0})
- Einen Moment. Hier wird vorgeschlagen, über den Artikel nach Nummern abzustimmen. Ich widerspreche diesem Vorschlag nicht. Ich entspreche ihm.
Wir stimmen also zunächst über Nr. 1 ab, die Festsetzung der Beiträge. Wer stimmt Nr. 1 zu? -Danke. Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Eine Enthaltung, soweit ich sehe. Nr. 1 ist angenommen.
Wir stimmen dann über Nr. 2 ab, § 13 a. Wer stimmt dem zu? - Danke. Gegenprobe! - Das erste war die Mehrheit. Auch Nr. 2 ist angenommen.
Damit ist der ganze Art. 6 beschlossen.
Ich rufe nun Art. 7 auf. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Häussler.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit der Entscheidung, das Leistungsförderungsgesetz jetzt außer Kraft zu setzen, geben wir einem Gesetz den Abschied, das einen großen und reichen Erfolg hatte. Ich möchte an diese Entscheidung nur in aller Kürze die Erwartung knüpfen, daß hoffentlich der § 4 - nach dem die Rechte und Pflichten aus dem Sondervermögen jetzt auf den Bund übergehen - auch künftighin für die Leistungsförderung in Anspruch genommen wird. Wir hoffen, daß das Arbeitsförderungsgesetz dem seitherigen Anliegen dann voll Rechnung trägt.
({0})
Keine weiteren Wortmeldungen.
Wir kommen zur Abstimmung über Art. 7. Wer ihm zustimmt, den bitte ich um ein Handzeichen. Danke. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das ist einstimmig beschlossen.
Ich rufe nun den Art. 8 auf. Das Wort dazu hat die Frau Abgeordnete Pitz-Savelsberg. - Sie verzichtet. Der Abgeordnete Hauck hat ebenfalls ums Wort gebeten. - Er hat das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In der öffentlichen Diskussion um die mittelfristige Finanzplanung hat der Familienlastenausgleich eine entscheidende Rolle gespielt. Von allen Seiten wurde auf die schweren Belastungen hingewiesen, die auf unsere Familien zukommen. Es erschien zunächst schwer verständlich, daß neben dem Wegfall der Ausbildungszulage beim Kindergeld eine Einkommensgrenze festgesetzt werden sollte und - als diese fiel - eine Kürzung des Kindergeldes vom dritten Kind ab um 3 DM vorgesehen war. Wir begrüßen es daher ausdrücklich, daß nach der Vorlage genauer Berechnungen und nach intensiven Ausschußberatungen heute erreicht wurde,
daß beim Kindergeld vom dritten Kind an weder eine Einkommensgrenze besteht noch eine Kürzung des Betrages erfolgt ist.
Wenn man weiter berücksichtigt, daß in diesem Finanzänderungsgesetz auch andere Verschlechterungen zu Lasten der Familien beseitigt wurden, z. B. beim Wohngeld, so muß man anerkennen, daß man sich in diesem Hohen Haus der Verpflichtung gegenüber unseren Familien durchaus bewußt ist.
({0})
Wir sehen in der Familienpolitik nicht eine Institution der Fürsorge, sondern einen wesentlichen Beitrag zu einer modernen Gesellschaftspolitik mit dem Ziel der Verbesserung der gesellschaftspolitischen Chancengleichheit unserer Familie.
({1})
An dieser Ziessetzung muß aber auch die Regierung mitwirken. Wir erinnern daher an die Regierungserklärung vom 20. Januar 1967, in der der Herr Bundeskanzler eine Reform des Familienlastenausgleichs angekündigt hat. Wir verstehen darunter eine Harmonisierung der nach bisherigem Recht gewährten indirekten Steuerleistungen und direkten Geldleistungen. Da das bisherige System unübersichtlich ist und auch zu ungerechten Auswirkungen führt, hoffen wir, daß der am 29. November dieses Jahres gebildete Kabinettsausschuß für eine Reform des Familienlastenausgleichs dem Hohen Haus recht bald einen Vorschlag vorlegen wird. Das entspricht im übrigen einer Forderung, die in Form eines Entschließungsantrages anläßlich der dritten Beratung des Haushaltsgesetzes im Juni dieses Jahres vom deutschen Bundestag angenommen worden ist.
Gestatten Sie mir noch eine letzte Bemerkung. Da die Ausbildungszulage jetzt weggefallen ist, möchte ich die Herren auf der Regierungsbank bitten, nun die Initiative zu ergreifen und baldmöglichst eine Regelung für eine umfassende Ausbildungsförderung in unserem Land vorzulegen. Diese Möglichkeit ist jetzt gegeben. Damit hilft man auch unseren Familien.
({2})
Das Wort hat die Abgeordnete Frau Pitz-Savelsberg.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hätte gern mit Rücksicht auf Ihre langsam ermüdenden Kräfte auf meine Wortmeldung verzichtet, aber nun muß ich mich doch noch einmischen und noch einige Worte dazu sagen. Wir freuen uns auch, daß es gelungen ist, das Kindergeldrecht vor der Einführung einer Einkommensgrenze zu bewahren. Wir freuen uns weiter, daß das auch ohne die Hinnahme einer Kürzung der Kindergeldleistung möglich war. Ich freue mich ganz besonders über die offenbare Einstimmigkeit, die hier im ganzen Hause über unsere familienpolitischen Erfolge herrscht.
({0})
Aber ich muß noch einen Tropfen Wermut in den Wein gießen. Wir haben über eine lange Zeit hinweg keine Entwicklung auf dem Gebiet des Familienlastenausgleichs gehabt, und auch eine Anpassung, wie sie auf vergleichbaren anderen Gebieten überall geschehen ist, ist nicht erfolgt. Die mittelfristige Finanzplanung umfaßt einen Zeitraum von vier Jahren. Es muß aber gelingen, innerhalb einer kürzeren Zeit - ich möchte sagen: noch innerhalb dieser Legislaturperiode -, zu einer Reform des Familienlastenausgleichs zu kommen.
Ein Hoffnungsschimmer ist der Kabinettsausschuß, der schon angesprochen worden ist. Es darf nicht mehr dazu kommen - wie das jetzt bei den Beratungen um die mittelfristige Finanzplanung geschehen ist -, daß die Familienleistungen plötzlich durch kurzfristige Planungen, die darüber hinaus lediglich von der gegenwärtigen finanziellen Enge diktiert sind, in Schwankungen geraten. Die Familienpolitik bedarf einer gleichmäßigen und langfristigen Planung. Das ist das, was wir von einer Reform erhoffen. Wir erwarten von der Regierung recht bald eine entsprechende Vorlage.
Es wurde auch die Einbuße, die die Familienpolitik durch den Wegfall der Ausbildungszulage hat hinnehmen müssen, angesprochen. Leider ist es so, daß die letzte Stufe des Abbaus dieser Ausbildungszulage keinen Anschluß an eine Ersatzlösung gefunden hat. Auf dem Gebiet der individuellen Ausbildungsförderung besteht zur Zeit überhaupt nichts, wenn man von der Kategorienförderunq, von der Hochbegabtenförderung, von der Studentenförderung absieht. Meine Damen und Herren, das ist eindeutig zu wenig. Auch auf dem Gebiet erstreben wir in Bälde eine gute Lösung. Die individuelle Ausbildungsförderung als Gemeinschaftsaufgabe zwischen Bund und Ländern wäre diese ideale Lösung. Ich sage das in Richtung auf die Regierungsbank. Es gibt auch andere Möglichkeiten, aber dies ist die Möglichkeit, die zunächst vor uns liegt; es ist ein Weg, den wir beschreiten sollten. Wir erwarten also auch hier bald eine Vorlage, und angesichts der Einmütigkeit, die hier eben zum Ausdruck gekommen ist, glaube ich, daß sich das Hohe Haus sicherlich gern und schnell an die Arbeit begeben und eine solche Vorlage zügig zu Ende beraten wird.
({1})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Spitzmüller.
Ich möchte Frau Kollegin Pitz-Savelsberg gegenüber- auch akustisch unterstreichen, daß hier im Hause Einstimmigkeit besteht.
({0})
- Auch in den Taten. Ich möchte mit einem leichten Schmunzeln hinzufügen, daß insoweit also die Ankündigung des Herrn Bundeskanzlers in der Regierungserklärung vom 13. 12. 1966 nicht verwirklicht worden ist. Offensichtlich war der Herr Bundes7322
kanzler damals noch nicht genug in die gesamte Problematik der Familienpolitik eingedrungen, als er die Frage der Festsetzung von Einkommensgrenzen in der ersten Regierungserklärung verankert hat.
Wir freuen uns. über den Kompromiß, der gefunden worden ist, und stimmen ihm zu.
({1})
Keine weiteren Wortmeldungen. Änderungsanträge liegen nicht vor.
Wir stimmen über Art. 8 ab. Wer stimmt dem Artikel zu? - Danke. - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Dieser Artikel ist bei einer Enthaltung angenommen.
Wir kommen zu Art. 9. Dazu liegen Wortmeldungen vor. Herr Abgeordneter Schultz hat das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Fraktion der Freien Demokratischen Partei wird diesem Art. 9 nicht zustimmen können. Die Begründung für unsere Ablehnung leiten wir u. a. aus der gestrigen und vorgestrigen Debatte über die Wehrpolitik und die dabei gegebene Regierungserklärung ab. In der Regierungserklärung war als ein Ziel, das angestrebt werden sollte, angekündigt worden, das Verhältnis zwischen Wehrpflichtigen und Zeit- und Berufssoldaten, das zur Zeit 47 % Wehrpflichtige und 53 % Zeit- und Berufssoldaten umfaßt, in Richtung auf eine Senkung des Anteils der Wehrpflichtigen auf 40 % und eine Erhöhung des Anteils der Zeit- und Berufssoldaten auf 60 % zu verändern. Mir scheint, daß der Weg, ,der hier mit dem Finanzänderungsgesetz beschritten wird, durchaus nicht zu dem in ,der vorgestrigen Regierungserklärung aufgezeigten Ziel führen kann. Deswegen scheint mir ein erheblicher Widerspruch zwischen dem zu bestehen, was vorgestern gesagt worden ist, und dem, was heute hier von Ihnen beschlossen werden wind. Wir sind der Auffassung, daß die notwendigen Einsparungen bei den Sachkosten innerhalb des Verteidigungsministeriums hätten vorgenommen werden müssen.
Wir verzichten darauf, hier Änderungsanträge zu stellen, weil wir wissen, daß ihnen angesichts der hier gegebenen Mehrheitsverhältnisse kein Erfolg beschieden sein würde.
({0})
Das Wort hat der Abgeordnete Hörmann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In aller Kürze nur ein Hinweis auf Art. 9 § 3: Unterhaltssicherungsgesetz! Im Finanzplanungsgesetz 1967 wurde ja auch für den Bereich der Bundeswehr einiges geändert. Das Finanzplanungsgesetz 1967 brachte gewisse Verbesserungen und auch gewisse Einschränkungen bisheriger Leistungen. Wir haben im Haushaltsausschuß, den Vorschlägen des Verteidigungsausschusses folgend, positive Korrekturen, vor allem im Unterhaltssicherungsgesetz, vorgenommen. Wir bedauern aber sehr, daß in einigen Regierungsbezirken - die Durchführung des Unterhaltssicherungsgesetzes ist Sache der Länder - bereits jetzt Wehrpflichtige und ihre unterhaltsberechtigten Angehörigen in den letzten Wochen, also vor Verabschiedung dieses Finanzänderungsgesetzes in diesem Hause, Vordrucke zugesandt erhielten, die auf die geplante Regelung hinwiesen und eine Einstellung der Unterhaltszahlung ab 31. Dezember 1967 ankündigten, ohne daß man wußte, wie nun die Regelung im Finanzplanungsgesetz endgültig aussehen wird. Wir wissen aus Erfahrung, daß es sehr lange dauert, bis nach den erforderlichen Neuberechnungen. die Zahlungen wieder anlaufen. Wir hätten deshalb, insbesondere an den Bundesrat, der heute leider hier nicht mehr vertreten ist, die Bitte 'gehabt, daß die Länder alles tun, um entstehende Härten auf ein Mindestmaß zu beschränken und einen vernünftigen Ubergang zu schaffen.
({0})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Klepsch.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will mich im Hinblick auf die vorgerückte Zeit sehr beschränken. Aber ich glaube, den Worten des Kollegen Schultz müssen wenigstens in zwei Punkten einige Bemerkungen folgen.
Das Erste. Es ist bei der Beratung dieses Gesetzentwurfs hier nicht die Aufgabe, die zweitägige Verteidigungsdebatte, die soeben stattgefunden hat, fortzusetzen und jetzt etwa darüber zu sprechen, ob man im Rahmen dieses Gesetzes über Begrenzung von Sachausgaben und die Verlagerung der Einsparungen auf irgendwelche Teile des Verteidigungsressorts hätte diskutieren sollen.
({0})
Ich muß ein Zweites hinzufügen. Herr Kollege Schultz, wenn Sie diesen Entwurf ablehnen, verschlechtern Sie wegen einiger Bestimmungen die Lage der Wehrpflichtigen.
({1})
Sie wissen sehr wohl, daß die neue Anlage zur Tabelle für die Wehrpflichtigen wesentliche Verbesserungen enthält. Wenn sich die Freie Demokratische Partei also jetzt zu einer Ablehnung entschließen sollte, 'dann muß sie sich darüber klar sein - diese Bemerkung richte ich an Ihre Kollegen, Herr Schultz -, daß sie hier für einen Antrag stimmt, der für die Wehrpflichtigen eine Verschlechterung bedeutet. Ich kann hier für meine Fraktion nur sagen, daß wir an der Vorlage festhalten werden.
({2})
Das Wort hat der Abgeordnete Schultz ({0}).
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe mich, Herr Kollege Klepsch, mit dem Problem der Wehrpflichtigen und der Unterhaltssicherung in dem, was ich gesagt habe, gar nicht beschäftigt - wenn Sie das haben wollen, kann ich das auch noch tun -; ich habe mich nur mit ,den Änderungen in bezug auf die Zeit- und Berufssoldaten befaßt.
Wenn Sie nun sagen, wir würden, wenn wir den Artikel ablehnten, die Situation der Wehrpflichtigen verschlechtern, dann mag das nach Ihrer Meinung richtig sein. Aber es ist doch so, daß durch den Entwurf des Finanzänderungsgesetzes ganz generell die Lage der Wehrpflichtigen - Unterhaltssicherung usw. - verschlechtert worden ist. Denn das, was durch die bessere Tabelle hineingekommen ist, ist auf der anderen Seite durch den Wegfall von Sondervergünstigungen wieder in die andere Tasche gesteckt worden. Das wollen Sie doch nicht übersehen.
Wenn die erste Fassung der Vorlage durch den Haushaltsausschuß bzw. auf Wunsch des Verteidigungsausschusses verändert worden ist, so ist das selbstverständlich eine Verbesserung. Aber damit können Sie doch nicht begründen, daß man jetzt dem Art. 9 des Finanzänderungsgesetzes zustimmen sollte. Diese Argumentation also, Herr Kollege Klepsch, ist, möchte ich sagen, nicht ganz fair und ordentlich.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Althammer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als Berichterstatter möchte ich ein ganz kurzes Wort zur Situation sagen. Ich glaube, es muß noch einmal deutlich klargestellt werden, daß in Zusammenarbeit zwischen dem Verteidigungsausschuß und dem Haushaltsausschuß wesentliche Verbesserungen des Regierungsentwurfs durchgesetzt worden sind.
({0})
Gerade auf dem Sektor, von dem Sie gesprochen haben, Herr Schultz, ist es immerhin der bedeutsamste Punkt, daß Vergünstigungen für die Wehrpflichtigen erhalten bleiben.
Schließlich, Herr Kollege Schultz: Wenn man auf der einen Seite bei der FDP immer, wenn die Frage entsteht: „Wie sollen denn Kürzungen vorgenommen werden, um z. B. Steuererhöhungen zu vermeiden?", auf den Verteidigungsetat verwiesen wird, dann wird man auch Verständnis dafür haben müssen, daß wir uns gegenüber der Regierung an die Verpflichtung gehalten haben, im Rahmen der vorgesehenen Einschränkungsmaßnahmen zu bleiben, d. h. also, hier nicht auszuweichen, nicht zu sagen: „Uns interessiert nicht die Abschlußbilanz; es ist uns egal, ob es hier möglich ist, Kürzungen echt durchzusetzen." Wir haben uns in diesem Rahmen gehalten, haben aber bessere Vorschläge gefunden als die, die die Regierung gemacht hat.
Ich meine, das, was uns hier heute zur Abstimmung vorliegt, verdient unter diesen Gesichtspunkten absolute Zustimmung.
({1})
Herr Abgeordneter Klepsch!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kollegen! Ich werde es ganz kurz machen; ich habe leider vergessen, es als Zwischenfrage anzubringen.
Herr Kollege Schultz möge doch zur Kenntnis nehmen: Es trifft zwar zu, daß der Regierungsentwurf einerseits Verbesserungen, andererseits Verschlechterungen für die Wehrpflichtigen mit sich gebracht hätte; aber es ist festzuhalten, daß durch die Änderungen, die der Verteidigungsausschuß und der Haushaltsausschuß in die Vorlage hineingebracht haben und die das Hohe Haus jetzt beschließen möge, generell die Lage der Wehrpflichtigen verbessert wird.
({0})
Jetzt liegen aber wirklich keine weiteren Wortmeldungen vor. Wir kommen zur Abstimmung über Art. 9. Wer dem Art. 9 in der Ausschußfassung zustimmt, den bitte ich um ein Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Gegen die Stimmen der FDP ist Art. 9 angenommen.
Ich rufe Art. 10 auf. Dazu liegen keine Änderungsanträge und keine Wortmeldungen vor. Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Art. 10 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Keine Enthaltungen. Der Artikel ist einstimmig angenommen.
Ich rufe den Art. 11 auf. Dazu liegt auf Umdruck 319 *) ein Streichungsantrag vor. Wird er begründet? - Herr Abgeordneter Peters ({0}) hat das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf den Antrag der FDP auf Streichung des Art. 11 ganz kurz begründen.
Dieses Hohe Haus hat vor Jahren, nachdem die Agrarpreissenkung in der EWG beschlossen war und als Marktordnungen in der EWG beschlossen wurden, die von der Landwirtschaft als preisdrückend zu betrachten sind, den gesetzlichen Ausgleich beschlossen. Jetzt Wollen Sie entscheidende Positionen dieses EWG-Anpassungsgesetzes annullieren. Dagegen wenden wir uns. Deshalb schlagen wir vor, den Art. 11 zu streichen.
Es handelt sich um zwei entscheidende Komplexe, einmal um 260 Millionen DM innerhalb der 1030 Millionen DM EWG-Anpassungshilfe und zum anderen um den sogenannten Getreidepreisausgleich von
*) Siehe Anlage 15
Peters ({0})
560 Millionen DM. Sie haben zwar im Jahre 1968 vorgesehen, die 770 Millionen DM Grundbetrag aus den 1030 Millionen DM zu zahlen; aber gleichzeitig wollen Sie für die beiden späteren Jahre 1969 und 1970 auch hier freie Bahn für weitere Streichungen haben. Wir schlagen Ihnen als Deckung für diese 260 Millionen DM den Titel Gasölbeihilfe 1968 vor. Hier sind 300 Millionen DM als Steuerausfall etatisiert worden. Das ist ein Verfahren - das habe ich schon vor Wochen hier im Hohen Hause gesagt, und das haben wir in den Ausschüssen dargelegt -, das in keinem anderen Etat, an keiner anderen Stelle praktiziert wird. Wir halten es für ungerechtfertigt, daß das hier bei der Landwirtschaft gemacht wird.
({1})
- Wir haben kein Gesetz beschlossen, Herr Kollege Schmidt, wir haben uns der Stimme enthalten.
({2})
- Das Gesetz gilt für uns; aber Sie selber haben ja im Finanzausschuß und auch in anderen Ausschüssen gesagt, daß Sie das von uns vorgeschlagene Verfahren für besser halten und daß Sie darauf zurückkommen wollen. Darauf hebe ich ab.
({3})
- Ob es 1969 wird oder ob es im Laufe von 1968 geschieht, das wird sich zeigen - wie schnell die Gesetzesmaschinerie hier laufen wird. Wir sind jedenfalls der Meinung, daß diese 300 Millionen zur Deckung zur Verfügung stehen und daß ein wesentlicher Teil echt einkommen würde, wenn neben dem Diesel für die Landwirtschaft leichtes Heizöl gefärbt würde. Darüber gibt es genug Aussagen, daß dann ein Steuerausfall von 100 bis 150 Millionen DM nicht entstehen würde, der einzubringen ist, wenn unserem Weg gefolgt würde.
Ich will Ihnen bei dieser Gelegenheit auch gleich sagen wie wir die 260 Millionen DM für die Landwirtschaft verwenden wollen. Die getreidebauende Landwirtschaft ist durch die Getreidepreissenkung getroffen worden, und sie soll den Ausgleich nach der Fläche bekommen. Wir sind nun der Meinung, daß durch die Marktordnung für Rinder und durch das Verhalten der Bundesregierung die Viehwirtschaft so geschädigt worden ist, daß diese 260 Millionen DM für die Grünlandnutzung nach der Fläche verwendet werden sollten. Sie werden sagen: nach der Gießkanne. Ich sage Ihnen: Wer nach der Gießkanne geschädigt wird, soll am besten auch nach der Gießkanne entschädigt werden.
({4})
Bei dem zweiten Komplex handelt es sich um die 560 Millionen DM Getreidepreisausgleich, der im Haushalt 1968 für dieses Jahr enthalten ist, aber für die weiteren Jahre 1969 und 1970 sind - das ist die Änderung in diesem Gesetz - verminderte Beträge von 385 Millionen DM und von 185 Millionen DM vorgesehen, also eine Degression. Wir sind der Meinung, daß diese Degression nicht stattfinden darf, und die können Sie haushaltsmäßig am besten dadurch auffangen, daß sich die Bundesregierung dafür einsetzt, daß die Preise in den EWG-Marktordnungen schnellstens geändert werden. Sie werden mir zugestehen, daß das für das Wirtschaftsjahr 1969 möglich ist. Wenn dann über EWG-Marktordnungen der alte deutsche Getreidepreis, Rinder- und Schweinepreise, die wir in Deutschland schon vor zwei bis drei Jahren gehabt haben, hergestellt werden, dann entfällt in dieser Position der Grund der Entschädigung.
Wir schlagen Ihnen aus diesen Gründen die Streichung des Art. 11 vor.
({5})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Röhner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu dem Vorbringen von Herrn Kollegen Peters ganz kurz einige Bemerkungen. Der Art. 11 - die Änderung des EWG-Anpassungsgesetzes im Rahmen des Finanzänderungsgesetzes - stellt für die gesamte Landwirtschaft einen schmerzhaften Einschnitt dar. Das ist nicht verkannt worden. Trotzdem haben sich der Fachausschuß, der Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, und der Haushaltsausschuß entschlossen, bei der Regierungsvorlage zu bleiben. Der Grund dafür liegt in den sattsam bekannten Verhältnissen im Rahmen der Finanz- und Haushaltspolitik, über die weitere Ausführungen hier nicht gemacht zu werden brauchen.
Der Deckungsvorschlag, den Herr Kollege Peters im Zusammenhang mit der Dieselkraftstoffverbilligung aufzeigte, ist kein Deckungsvorschlag. Wir haben erst vor wenigen Tagen ein einschlägiges Gesetz beschlossen. Es ist beschlossen. Außerdem stellt die von ihm apostrophierte Summe von 300 Millionen DM, die im Haushaltsansatz nicht erscheint, aber trotzdem gebraucht wird, um diese Verbilligung zu bewirken, ob im Haushalt ausgewiesen oder nicht, einen echten Einnahmeausfall für den Staatshaushalt dar und steht deshalb nicht zweimal zur Verfügung.
Der Herr Kollege Peters behauptet, über die Rinderorientierungspreise von Brüssel sei durch das Verschulden der Bundesregierung das verlorengegangen, was hier benötigt werde. Ich darf vielleicht auch die FDP daran erinnern, daß die Preisfestsetzung in Brüssel nicht eine einseitig deutsche Angelegenheit ist, sondern Sache der Brüsseler Behörde und daß deutscherseits nur ein Beitrag und nur eine Stimme abgegeben werden kann.
Alles in allem schlage ich vor, den Antrag der FDP auf Umdruck 319 abzulehnen.
Herr Abgeordneter Scheel, bei Zwischenfragen ist es immer sehr schwer für den amtierenden Präsidenten - Sie werden das gelegentlich auch merken -, den Punkt des Einsatzes zu finden. - „Ohne Strich und Komma", wie Sie sagten, aber das gilt für viele.
Vizepräsident Schoettle
Ich habe keine weiteren Wortmeldungen mehr.
Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion der FDP auf Umdruck 319, Art. 11 im ganzen zu streichen. Wer stimmt diesem Antrag zu?
- Danke. Die Gegenprobe! - Das letztere ist die übergroße Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Wir stimmen über den Art. 11 selbst ab. Werstimmt dem Art. 11 zu? - Danke. Die Gegenprobe!
- Gegen die Stimmen der Fraktion der FDP und einiger anderer ist Art. 11 angenommen.
Ich rufe Art. 12 auf. Dazu liegen keine Änderungsanträge und auch keine Wortmeldungen vor.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer stimmt dem Art. 12 zu? - Danke. Die Gegenprobe! - Zwei Gegenstimmen. Der Art. 12 ist angenommen.
Der Art. 13 ist aufgerufen. Dazu liegen weder Wortmeldungen noch Änderungsanträge vor.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer stimmt dem Art. 13 zu? - Danke. Die Gegenprobe! - Der Artikel ist einstimmig beschlossen.
Ich rufe Art. 14 auf. Dazu liegen keine Änderungsanträge vor. Wortmeldungen erfolgen nicht. Wir stimmen ab. Wer stimmt dem Art. 14 zu? - Danke. Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Weder Gegenstimmen noch Enthaltungen. Der Art. 14 ist einstimmig angenommen.
Ich rufe den Art. 15 auf. Auch hier liegen keine Änderungsanträge vor. Das Wort wird ebenfalls nicht gewünscht. Wir stimmen ab. Wer stimmt dem Art. 15 zu? - Danke. Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Eine Enthaltung. - Es verschönert die Landschaft, Herr Kollege Klepsch!
Ich rufe den Art. 16 auf. Dazu liegt auf Umdruck 318 *) ein Änderungsantrag der Fraktion der FDP vor. Wird dieser Antrag begründet? - Herr Abgeordneter Dr. Emde!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich begründe kurz. In dem Regierungsentwurf waren die noch nicht erledigten Anträge am Schluß der Liste aufgeführt. Der Ausschuß hat die unerledigten Anträge mit den übrigen Dingen gleichgesetzt. Wir bitten mit unserem Antrag, die unerledigten Anträge an die Spitze der Dringlichkeitsliste zu setzen. Wir stellen diesen Antrag auf der Basis rechtlicher Überlegung, damit die Leute, die Anträge gestellt haben, auch als erste zum Zuge kommen.
Wird das Wort gewünscht? - Der Herr Abgeordnete Baier.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte, wenn es gestattet ist, zu diesem Änderungsantrag, aber auch zu dem Grundsätzlichen dieses Artikels einiges sagen. Die finanziellen Auswirkungen des Art. 16 Zweites Wohnungsbaugesetz - betreffen im Grunde nur § 19 Abs. 1, wo der Betrag von 210 Millionen DM um
*) Siehe Anlage 1660 Millionen DM auf. jährlich 150 Millionen DM gekürzt wird; in der Vorlage heißt es, daß dieser Betrag „nach Maßgabe des jeweiligen Haushaltsplanes" zur Verfügung gestellt wird.
Ich möchte für meine Fraktion, die CDU/CSU-Fraktion, jedoch feststellen, daß wir in den anderen Änderungsvorschlägen zu dem Art. 16 verschiedene Probleme sahen, die uns in den letzten Wochen erhebliche Sorgen machten. Es ging um die Leistungshöhe der Familienzulagen, es ging um die Gewichtung der Komponenten bei der Verteilung an die Kontingentsträger - das ist der Antrag zu § 30, den der Kollege Dr. Emde für die FDP eben begründet hat -, und es ging weiter um die teilweise Abkehr von der bisherigen wohnungspolitischen Zielsetzung. Die Sorge meiner Fraktion war, daß so gravierende Punkte des Zweiten Wohnungsbaugesetzes nicht in einem Bündel im Rahmen des Finanzänderungsgesetzes, sondern ausgiebig behandelt und beraten werden sollten. Nach unserer Meinung geht es bei den Änderungen um erhebliche gesellschaftspolitische Fragen. Ich darf in diesem Zusammenhang feststellen, ,daß die Eigentumspolitik im Wohnungsbau für .die CDU/CSU nach wie vor einen sehr hohen Rang hat, und ich darf feststellen, daß die Wohnungsbauförderung auch stets unter raumordnerischen Gesichtspunkten gesehen werden muß. In den Beratungen innerhalb der beiden Koalitionsfraktionen war es möglich, einen Kompromiß zu finden, der eine für alle Teile erträgliche Lösung darstellt. Der entscheidende Punkt ist der, den die FDP in ihrem Änderungsantrag angesprochen hat, nämlich ,den unerledigten Anträgen zur Förderung des Familienheimbaus den gleichen Vorrang einzuräumen wie dem Bedarf in Gebieten mit erhöhtem Wohnungsbedarf.
Herr Kollege Dr. Emde, wir haben das in dem Ausschuß so beschlossen, daß ein absolut gleicher Rang bei der Bedienung unerledigter Anträge für Familienheime und bei der Bedienung von Anträgen für Gebiete mit erhöhtem Wohnbedarf gegeben ist. Sie haben mit Ihrem Antrag im Grunde nichts anderes gewollt. Sie haben lediglich umgestellt, was vor und nach dem „und" steht. Ich möchte meinen, ob wir sagen „Kraut und Rüben" oder „Rüben und Kraut", ist letztlich auch vom Rechtlichen her gesehen völlig gleich. Wir haben uns mit dem Wohnungsbauminister darüber noch einmal abgestimmt. Dem ist so. Deshalb haben wir keinen Anlaß, die im Haushaltsausschuß beschlossene Fassung heute noch einmal zu ändern.
Eine Bitte, Herr Wohnungsbauminister, haben wir von der CDU/CSU-Fraktion in diesem Zusammenhang. Sie betrifft die Förderung des Wohnungsbaus für kinderreiche Familien. Die Familienzusatzdarlehen haben stets eine wertvolle Hilfe bei der Wohnungsbauförderung dargestellt. Sie waren nach dem jetzt geltenden Recht sehr großzügig bemessen, für das zweite Kind 2000 DM, bis zum sechsten Kind 6000 DM pro Kind. In der Regierungsvorlage wurden diese Beträge herabgesetzt. Es sollten pro Kind lediglich 2000 DM gegeben werden. Wir haben in den Beratungen der Fachausschüsse festgelegt, daß für das zweite Kind 2000 DM und für jedes weitere
Kind 3000 DM Familienzusatzdarlehen gewährt werden sollen. Wir haben das deshalb getan, weil für die kinderreichen Familien, bei denen zweifellos die dringendsten Wohnungsnotfälle gegeben sind, wenn sie wohnungsmäßig nicht versorgt sind, hier Hilfe gegeben werden muß.
Aber wir wissen, daß diese Familienzusatzdarlehen, die wir jetzt beschlossen haben, in vielen Fällen nicht ausreichen. Deshalb bitten wir, daß die Aktion „Große Familie", die früher bestand, wonach auf Antrag zusätzlich 6000 DM für ein Wohnungsbauvorhaben gewährt wurden, wieder eingeführt wird, da sie eine nicht unerhebliche Finanzierungserleichterung darstellen kann.
({0})
Ich darf feststellen, daß diese Aktion „Große Familie" bestand, bevor diese großzügige Regelung, die bis heute galt, eingeführt wurde. Da diese Regelung jetzt wieder reduziert wird, ist Anlaß, die Aktion „Große Familie" wieder einzuführen, um wenigstens in Härtefällen einigermaßen einen Ausgleich beim Wohnungsbau für kinderreiche Familien zu schaffen. Herr Minister Lauritzen, die CDU/CSU-Fraktion erwartet daher, daß die Aktion „Große Familie" zur Vermeidung von Härten bei kinderreichen Familien alsbald eingeführt wird. Die Finanzierung kann im Rahmen des Einzelplans 25 gefunden werden.
Meine Fraktion wird aus übergeordneten Gesichtspunkten dem hier gefundenen Kompromiß, den der veränderte Art. 16 darstellt, zustimmen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Jacobi ({0}).
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es bedarf nur weniger Bemerkungen. Aber sie sind leider unerläßlich, weil der Kollege Baier mit seinen Ausführungen hier möglicherweise Irrtümer erregt hat.
Er hat davon gesprochen, daß sich die Koalitionsparteien bei der Beratung des Art. 16 zu einem Kompromiß entschlossen hätten. Das ist richtig. Nicht richtig ist jedoch, daß es ein Streit um die Zielsetzung gewesen wäre. Die Zielsetzung stand nicht zur Diskussion.
({0})
Es- ging nicht um ein Ja oder Nein zur Eigentumsförderung, sondern es ging darum, wie die verminderten Mittel, die für die öffentliche Förderung zur Verfügung stehen, am rationellsten und dort eingesetzt werden können, wo der dringendste Bedarf besteht. Auf dieser Basis haben wir uns verständigt. Ich möchte hier doch auf die Feststellung Wert legen, daß es nicht um Prinzipien gegangen ist, sondern um praktische Lösungen und um die Anstände, die auch von den Ländern dem Bund gegenüber geltend gemacht worden sind. Die Regelung soll in der Praxis der Länder eine gewisse Elastizität ermöglichen. Dem entsprechen die Vorschläge, die der Ausschuß Ihnen unterbreitet hat. Damit ergibt sich auch, daß keine Notwendigkeit
besteht, dem FDP-Antrag zuzustimmen. Er stellt nichts anderes als einen Versuch der verbalen Kosmetik dar. Er ist eine kleine Schönheitsreparatur bei der Formulierung; in der Sache aber besteht zwischen dem Antrag und dem, was der Ausschuß Ihnen vorschlägt, kein Unterschied.
Das Wort wird nicht weiter begehrt. Wir kommen zur Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der FDP auf Umdruck 318. Wer stimmt diesem Antrag zu? - Meine Herren, nicht so müde! - Die Gegenprobe! - Der Antrag ist abgelehnt.
Wir kommen zur Abstimmung über den Art. 16 in der Fassung, die ihm der Ausschuß gegeben hat. Wer stimmt diesem Art. 16 zu? - Danke. Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Ohne Enthaltungen, bei Gegenstimmen der Fraktion der FDP ist der Art. 16 angenommen.
Ich rufe den Art. 17 auf. Dazu liegen Änderungsanträge nicht vor, Wortmeldungen ebenfalls nicht. Wir stimmen ab. Wer stimmt dem Art. 17 zu? - Danke. Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Bei Stimmenthaltungen ist der Art. 17 angenommen.
Der Art. 18 entfällt.
Der Art. 18 a wird vom Ausschuß neu vorgeschlagen. Wird dazu das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Wir stimmen über Art. 18 a ab. Wer ihm zustimmt, den bitte ich um ein Handzeichen. - Danke. Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig beschlossen.
Die Art. 19 und 20 kann ich zusammen aufrufen; es handelt sich um die Berlin-Klausel und das Inkrafttreten. Wer stimmt diesen beiden Artikeln zu? - Danke. Die Gegenprobe! - So beschlossen.
Einleitung und Überschrift sind noch zu beschließen. Wer stimmt ihnen zu? - Danke. Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Mit Enthaltungen bei der Fraktion der FDP so beschlossen.
Meine Damen und Herren, damit sind wir am Schluß der zweiten Beratung des Finanzänderungsgesetzes 1967.
Wir treten in die
dritte Beratung
ein. Übungsgemäß werden nur diejenigen Artikel aufgerufen, zu denen Änderungsanträge vorliegen. Ich denke, daß wir die allgemeine Aussprache nicht jetzt, sondern erst am Schluß durchführen.
Zu Art. 1 § 1 Nr. 03 liegt ein Änderungsantrag auf Umdruck 324 ({0}) *) vor. Soll der Antrag begründet werden? - Bitte, Frau Abgeordnete Kalinke!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Keine Sorge; ich habe bereits in der Debatte der zweiten Lesung auf diesen Antrag hingewiesen. Ich möchte damit nur zum Ausdruck bringen, daß meine Freunde, die diesen Antrag unterzeichnet haben, und ich damit die Wahlfreiheit
*) Siehe Anlage 17
für alle Rentner in der Krankenversicherung, ihre Kasse selbst zu wählen, begründen möchten. Ich bitte Sie, diesem Antrag zuzustimmen.
Herr Abgeordneter Spitzmüller!
Die FDP-Fraktion wird diesem Antrag zustimmen. Er entspricht dem, was wir in der zweiten Lesung schon einmal vorgeschlagen haben.
Keine 'weiteren Wortmeldungen. Wir stimmen über den Änderungsantrag Umdruck 324 ({0}) ab. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Danke. Die Gegenprobe!
({1})
- So schnell schießen auch hier die Preußen nicht. Wir müssen die Abstimmung wiederholen. Wer dem Änderungsantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Danke. Die Gegenprobe! - Meine Damen und Herren, ich kann schon am Geräusch feststellen, daß das letzte die Mehrheit ist; der Antrag ist abgelehnt. Es bleibt also bei der Fassung, die der Paragraph in der zweiten Beratung erhalten hat.
Zu § 1 Nr. 18 liegt ein Änderungsantrag auf Umdruck 333*) vor. Soll dieser Antrag begründet werden?
({2})
- Dann lasse ich abstimmen. Wer dem Änderungsantrag Umdruck 333 Ziffer 1 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Danke. Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Gegen einige Stimmen ist dieser Änderungsantrag angenommen.
Zu § 2 Nr. 1 liegt ein Änderungsantrag der Fraktion der FDP auf Umdruck 347 **) vor. Soll dieser Antrag begründet werden? - Das Wort hat der Abgeordnete Spitzmüller.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen, meine Herren! Hier geht es noch einmal um die Grundsatzfrage, ob eine totale Versicherungspflicht eingeführt werden soll oder nicht. Das ist der Alternativantrag, den ich schon in der zweiten Lesung angekündigt habe. Der achtzehnfache Betrag der Beitragsbemessungsgrenze bedeutet 28 800 DM im Jahre 1968. Dieser Betrag steigt auf über 30000 DM im Jahre 1969 usw. Er handelt sich also um einen Antrag mit gleitender Grenze.
Wird dazu weiter das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Antrag auf Umdruck 347 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Danke. Die Gegenprobe! - Das letzte war die große Mehrheit; der Antrag ist
*) Siehe Anlage 18 **) Siehe Anlage 19 abgelehnt. Es bleibt also bei der in zweiter Lesung beschlossenen Fassung.
Zu § 2 liegt noch ein Änderungsantrag auf Umdruck 344 *) vor. Dazu hat das Wort der Herr Abgeordnete Freiherr von Vittinghoff-Schell.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens einer Anzahl von Kollegen der CDU/CSU-Fraktion möchte ich das Hohe Haus um Zustimmung zu diesem Antrag bitten, um den kommunalen Spitzenverbänden eine meiner Meinung nach wenig sinnvolle Doppelbelastung zu ersparen. Ich verstehe bis zu einem gewissen Grade die Bedenken, die Herr Exner vorhin vorgetragen hat. Aber das ist wohl eine Frage der Bewertung der Konsequenzen. Ich persönlich sehe keine Gefahr.
Noch ein Wort zu der Frage der Umwandlung der kommunalen Spitzenverbände in Körperschaften des öffentlichen Rechts. Sie wird den Verbänden immer wieder empfohlen, um der Doppelbelastung auszuweichen. Eine solche Umwandlung kann nur durch Gesetz geschehen. Dabei erhebt sich natürlich die Frage, wer zuständig wäre, ein solches Gesetz zu erlassen. Die Frage ist im Bundesinnenministerium geprüft worden, bleibt aber nach wie vor ungeklärt. Denn das Ergebnis war - in kurzen Worten - dies: Der Landesgesetzgeber ist unzuständig, weil die Spitzenverbände auf Bundesebene tätig sind, und der Bundesgesetzgeber ist unzuständig, weil der Bund jeder kommunalen Kompetenz ermangelt.
Ich fürchte also, daß auch auf diese Weise eine Lösung des Problems nicht zu finden ist; daher darf ich bitten, dem Änderungsantrag Umdruck 344 zuzustimmen. Er entspricht im übrigen einem einstimmigen Votum des Innenausschusses.
Das Wort hat der Abgeordnete Stingl.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Niemand wird leugnen, daß man viel Verständnis für diesen Antrag aufbringen kann. Dennoch empfehle ich Ihnen seine Ablehnung. Allerdings glaube ich im Namen mindestens der CDU/ CSU-Mitglieder des Ausschusses und, ich glaube, auch der anderen Mitglieder sprechen zu können, wenn ich sage, daß sich der Sozialpolitische Ausschuß sehr intensiv mit den Fragen beschäftigt hat. Wenn Sie diesen Antrag jetzt annehmen, können wir nicht übersehen, welche anderen Spitzenverbände noch hineingenommen werden müßten, die eine Dachorganisation für Körperschaften des öffentlichen Rechts sind.
Ich empfehle Ihnen jetzt Ablehnung mit der Zusicherung, daß diese Frage im Gesetzgebungsverfahren zum Dritten Rentenversicherungs-Änderungsgesetz von uns eingehend geprüft wird.
({0})
*) Siehe Anlage 20
Herr Abgeordneter Schmitt-Vockenhausen hat das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist nach wie vor so, daß den kommunalen Spitzenverbänden auf Bundesebene dieser Weg versperrt bleibt. Der Wechsel von der Praxis zu den Kommunen und umgekehrt wird wesentlich erschwert, und es entstehen sozialpolitisch unerwünschte Doppelversorgungen. Wir bitten daher um Annahme des Antrags. Wenn wider Erwarten noch etwas zu reparieren wäre, könnten Sie das bei anderen Gesetzen, so bei dem von dem Kollegen Stingl genannten Gesetz, tun.
Das Wort hat der Abgeordnete Spitzmüller.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Wir bitten, dem Antrag zuzustimmen; denn wir sind der Meinung, wenn es jetzt nicht repariert wird, wird es nie repariert.
({0})
Keine weiteren Wortmeldungen.
Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag Umdruck 344. Wer stimmt diesem Antrag zu? - Danke. Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das erste war die Mehrheit; der Antrag ist angenommen.
Zu § 2 Nr. 11 liegt ein Änderungsantrag auf Umdruck 333 unter Ziffer 2 vor. Soll er begründet werden? - Er wird nicht begründet.
Wir kommen gleich zur Abstimmung. Wer dem Änderungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU, SPD auf Umdruck 333 Ziffer. 2 zustimmt, den bitte ich um ein Handzeichen. - Danke. Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Bei Enthaltung der Fraktion der FDP ist dieser Antrag angenommen.
Zu Art. 1 § 3 Nr. 1 liegt ein Änderungsantrag auf Umdruck 325 ({0}) *) vor. Soll er begründet werden? - Das ist nicht der Fall. .
Dann kommen wir zur Abstimmung. Wer stimmt diesem Antrag zu? - Danke. Gegenprobe! - Enthaltungen? - Dieser Antrag ist einstimmig angenommen.
Zu Art. 1 § 3 Nr. 13 b liegt ein Änderungsantrag auf Umdruck 346 ({1}) **) vor. Soll er begründet werden? - Ebenfalls nicht.
Wir stimmen ab. Wer stimmt dem Antrag Umdruck 346 ({2}) zu? - Danke. Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Auch dieser Antrag ist einstimmig angenommen.
Meine Damen und Herren, nachdem in der dritten Beratung zu Art. 1 eine Reihe von Änderungen be-
*) Siehe Anlage 21 **) Siehe Anlage 22 schlossen wurden, müssen wir hier über Art. 1 abstimmen. Wer stimmt Art. 1 in der neuen Fassung zu? Ich bitte um ein Handzeichen. - Danke. Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Gegen die Stimmen der Fraktion der FDP und eine CDU-Stimme, die ich im Augenblick nicht identifizieren kann, ist Art. 1 angenommen worden.
Ich rufe Art. 2 auf. Dazu liegt ein Änderungsantrag zu § 1 vor, und zwar auf Umdruck 320 ({3}) *) unter Ziffer 1. Soll dieser Antrag begründet werden?
({4})
- Nein.
Dann kommen wir gleich zur Abstimmung. Wer stimmt diesem Antrag zu? - Danke. Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Antrag ist, soweit ich sehe, einstimmig beschlossen.
§ 2 Nr. 1. Änderungsantrag auf Umdruck 332 **). Zur Begründung Herr Abgeordneter Dr. Wörner.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es geht bei diesem Antrag um das Bordpersonal der Zivilluftfahrt. Dieses Bordpersonal wurde 1965 in die Rentenversicherung aufgenommen und wünscht nun die gleiche Befreiungsmöglichkeit eingeräumt zu erhalten, wie sie alle anderen Angestellten von einer bestimmten Grenze ab zugebilligt erhalten. Dieser Antrag unterstützt dieses Anliegen aus dem Gedanken heraus, daß damit diesem Personenkreis nicht mehr, aber auch nicht weniger Chancen eingeräumt werden als den anderen Angestellten, die mit ihrem Einkommen über einer bestimmten Grenze liegen.
Ich darf nur noch eines dazu bemerken. Dieser Personenkreis hat aus gesundheitlichen Gründen ein erhöhtes Risiko. Zum zweiten muß er mit 55 Jahren ohnehin aus dem fliegenden Dienst ausscheiden. Beide Risiken deckt die Versicherung nicht ab, so daß es gerechtfertigt wäre, diesem Personenkreis jene Chance einzuräumen. Wesentliche finanzielle Auswirkungen hat dieser Antrag nicht. Ich bitte Sie daher namens einiger Kollegen in der CDU/CSU, diesem Antrag zuzustimmen.
.({0})
Das Wort hat der Abgeordnete Exner.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bitte Sie darum, diesem Antrag nicht zuzustimmen, und zwar aus folgenden Gründen. Herr Kollege Wörner hat mit Recht gesagt, das fliegende Bordpersonal sei erst 1965 in die Versicherungspflicht hereingenommen worden. Sein Antrag zielt praktisch darauf hin, den Rechtszustand von 1965 wieder herbeizuführen. Meine Damen und Herren, ich bin der Auffassung, daß man so keine Gesetzgebungsarbeit machen kann.
*) Siehe Anlage 23 **) Siehe Anlage 24
Wir haben diesen Personenkreis 1965 auf eigenen Wunsch - auf Grund der Initiative von LufthansaLeuten - in die Versicherungspflicht hereingenommen. Wir können jetzt nicht die gleiche Maßnahme rückgängig machen.
Zu dem Hinweis ,des Herrn Kollegen Wörner auf das besondere Risiko kann ich nur hervorheben, daß -es auch in der normalen Berufswelt zahlreiche Berufe gibt, die ein besonderes Risiko in bezug auf Gesundheit und Invalidität haben.
Ich bitte also noch einmal darum, den Antrag abzulehnen.
Das Wort hat der Abgeordnete Spitzmüller.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Wir unterstützen das Anliegen, das Herr Kollege Wörner vorgetragen hat. Wir haben dazu in der zweiten Lesung auch schon einen Antrag gestellt.
Es entspricht nicht den gegebenen Tatsachen, daß die Flugkapitäne und das Bordpersonal im Jahre 1965 auf eigenen Wunsch in die Pflichtversicherung gekommen sind. Der Ausschuß ist vielmehr einem Wunsch des Bundesrates gefolgt.
({0})
Es gab damals noch gar keine Vereinigung des fliegenden Personals. Sie wurde erst später gegründet. Zwar hatte dieser Personenkreis im Jahre 1965 sechs Monate die Möglichkeit, sich zu entscheiden. Da man sich aber bei der Debatte zur Härtenovelle im Jahre 1965 gar nicht mit dieser Frage auseinandersetzte, befaßte man sich publizistisch damit, so daß nichts darüber bekannt wurde. Deshalb war die Frist für die Befreiung weitgehend abgelaufen, ehe diese Personen überhaupt merkten, daß sie in die Versicherungspflicht einbezogen worden waren.
Zum letzten meine ich, daß die Regelung, die wir bisher hatten und in Zukunft wieder haben, zum Teil dazu führt, daß diese Arbeitskräfte nicht mehr so mobil sind, wie wir das eigentlich wünschen. Denn wenn sie von einer deutschen Fluggesellschaft weg und zu einer anderen wollen, dann haben sie hier Versicherungsbeiträge für eine Versicherung gezahlt, die sie unter Umständen nicht einmal mehr fortsetzen können oder die sie neben der ausländischen fortsetzen müssen. Man sollte diesen Personen also im Interesse einer Gleichbehandlung jetzt noch einmal die Möglichkeit der Entscheidung einräumen, wie sie allen denen, die über 1800 Mark verdienen, eingeräumt worden ist.
Ich bitte auch zu bedenken, daß dies damals einer von vielen Punkten gewesen ist, die hier nicht einmal debattiert worden sind, so daß die Betroffenen wirklich nicht wissen konnten, was damals mit diesem Gesetz auf sie zugekommen ist, und die Ausnahmemöglichkeit nicht in Anspruch nehmen konnten, die heute für alle gilt, die über 1800 DM verdienen. Jetzt haben die Zeitungen schon über Wochen recht kräftig über diese Dinge
berichtet. Das war damals nicht der Fall. Deshalb ist es fair, wenn wir diesen Leuten die Möglichkeit der Befreiungs-Versicherung noch einmal einräumen.
({1})
Wortmeldungen liegen nicht mehr vor.
Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag Wörner und Genossen auf Umdruck 332. Wer stimmt diesem Antrag zu? - Die Gegenprobe! - Das Präsidium ist der Meinung, daß das letzte die Mehrheit sei und daß der Antrag abgelehnt sei. Ich stelle das hiermit fest.
Zu § 2 liegt ein Antrag auf Umdruck 320 ({0}) - Ziffer 2 - zu Nr. 2 a vor, ein Änderungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD. Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann kommen wir zur Abstimmung. Wer stimmt diesem Antrag - Ziffer 2 des Umdrucks -
zu? - Die Gegenprobe! - Das erste war die Mehrheit; der Antrag ist angenommen.
Zu Nr. 3 liegt ein Antrag auf Umdruck 343 *) vor. - Zur Begründung der Abgeordnete Spitzmüller!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und meine Herren! Wir sind der Meinung, wenn Sie das Halbdeckungsverfahren schon so grundsätzlich ändern, daß ein DreiviertelDeckungsverfahren entsteht, und wenn der Herr Kollege Killat davon sprach, daß wir bisher bei der freiwilligen Weiterversicherung zweierlei Recht gehabt haben, dann sollten wir bei dieser grundsätzlichen Änderung
({0})
auch zum gleichen Recht übergehen und sollten ab jetzt, ab 1. Januar 1968, die Freiwilligen-Beitragsmarken der Selbständigen denen der freiwillig weiterversicherten Angestellten gleichstellen.
Herr Kollege Killat, Sie waren es, der in der zweiten Lesung auf das unterschiedliche Recht, das bisher bestand, hingewiesen hat. Hier haben Sie eine Möglichkeit, dafür zu sorgen, daß diesem Ihrem Anliegen auf gleichmäßige Behandlung stattgegeben wird.
({1})
Das Wort wird weiter nicht gewünscht. Wir kommen zur Abstimmung. Wer stimmt dem Antrag auf Umdruck 343 zu? - Gegenprobe! - Das letzte ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Schließlich liegt noch ein Antrag der Fraktion der FDP auf Umdruck 345 **) zu § 2 vor. Wird der Antrag begründet? - Herr Abgeordneter Spitzmüller!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und meine Herren! Es handelt sich
*) Siehe Anlage 25 **) Siehe Anlage 26
noch einmal um die Einbeziehung der gemeinnützigen Privatkrankenanstalten in die Befreiung innerhalb des Umlagesystems in der Unfallversicherung.
Wir stellen diesen Antrag in der dritten Lesung noch einmal, weil wir Verständnis dafür hatten, daß Sie in Sorge um die dritte Beratung in der 2. Lesung nicht zustimmen konnten. Ich glaube, das Problem ist (erkannt. Mindestens die Damen und Herren der CDU sollten eigentlich geneigt sein, zuzustimmen, denn dieses Anliegen ist berechtigt.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Wörner.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte diesen Änderungsantrag der Fraktion der Freien Demokraten unterstützen. Es geht um die privaten Krankenanstalten mit gemeinnützigem Charakter, d. h. also nach der gesetzlichen Definition um Krankenanstalten, die im besonderen Maße der minderbemittelten Bevölkerung zur Verfügung stehen. Diese Krankenanstalten stehen im Wettbewerb mit den öffentlichen Krankenanstalten und mit denen der freien Wohlfahrtspflege. Der Staat bezahlt keinerlei Zuschüsse; sie erhalten keine Spenden. Es wäre unbillig, wenn man ihnen hier gegenüber den öffentlichen und den freien Wohlfahrtsorganisationen zusätzliche Lasten aufbürden würde. Das vermag ich nicht einzusehen. Das entspricht nicht unserer gesellschaftspolitischen Auffassung und auch nicht der wichtigen Aufgabe, die diese Anstalten haben. Sie ersparen dem Staat Millionen von Mark und dienen, wie gesagt, auch und gerade der minderbemittelten Bevölkerung.
Darum bitte ich Sie ebenso herzlich wie dringend, dem Antrag der FDP zuzustimmen. Für den Fall, daß dieser Antrag keine Mehrheit findet, haben die Fraktionen der CDU/CSU und der SPD auf Umdruck 334 einen Entschließungsantrag vorgelegt, den ich damit als begründet ansehen möchte.
({0})
Herr Abgeordneter Stingl!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Niemand im Hause wird sich der Argumentation entziehen können, daß man für die gemeinnützigen Krankenanstalten etwas tun sollte. Es geht hier um eine Lastenverteilung. Wenn Sie aber aus die gemeinnützigen Krankenanstalten von der Ausgleichszahlung nehmen, warum dann nicht die gemeinnützigen Altersheime, warum nicht die gemeinnützigen Kindergärten? Das Problem ist also so vielschichtig, daß ich Ihnen empfehle, den Antrag heute abzulehnen und das Problem mit einem Entschließungsantrag zur weiteren Bearbeitung zu überweisen. Es ist hier der Selbstverwaltung eine gute Möglichkeit gegeben, dazu Vorschläge zu erarbeiten und uns zu unterbreiten. Ich weise zudem darauf hin, daß selbstverständlich auch gemeinnützige Krankenanstalten von der Ausgleichsleistung ausgenommen sind, wenn ihre Jahreslohnsumme das Fünffache der allgemeinen Bemessungsgrundlage nicht übersteigt. Also die kleinen Anstalten sind auch entlastet.
({0})
Keine weiteren Wortmeldungen.
Wir kommen zur Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der FDP. Wer stimmt ihm zu? Danke. - Die Gegenprobe! - Das letztere war die Mehrheit. Der Antrag ist abgelehnt.
Damit sind die Änderungsanträge zu Art. 2 erledigt. Wir stimmen über Art. 2 ab; einige Änderungsanträge sind ja angenommen worden. Wer stimmt dem Art. 2 in der so geänderten Fassung zu? - Danke. - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei einer Anzahl Enthaltungen ist Art. 2 in der neuen Fassung angenommen.
Ich rufe Art. 3 auf. Dazu ist zunächst zu sagen, daß in § 3 eine Korrektur vorgenommen werden muß. In § 3 ist ein sehr bemerkenswerter Irrtum enthalten. Anstatt „Mark" muß es nämlich in § 3 Abs. 1, vierte Zeit von unten, auf Seite 38 der Drucksache V/2341 „Pfennig" heißen, was einen beträchtlichen Unterschied ausmacht. Der Satz heißt:
Die einbehaltenen Beträge sind auf 10 Deutsche Mark,
- es muß heißen „Pfennig" -
bei Pfennigbeträgen von 1 bis 4 nach unten, bei Pfennigbeträgen von 5 bis 9 nach oben abzurunden.
Aus dem Zusammenhang ergibt sich, daß es nicht „Mark" heißen kann. Das Haus ist mit dieser Korrektur einverstanden.
Dann kommen wir zum Änderungsantrag Umdruck 336 *) zu § 12. Es ist ein Änderungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD. Wird dieser Antrag begründet? Offenbar soll er nicht begründet werden.
({0})
Wir kommen dann gleich zur Abstimmung. Wer stimmt diesem Änderungsantrag zu? - Danke. - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei zwei Enthaltungen ist dieser Änderungsantrag angenommen.
Wir müssen dann über Art. 3 in der veränderten Fassung abstimmen. Wer stimmt Art. 3 jetzt zu? - Danke. Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei Enthaltung der Fraktion der FDP ist Art. 3 angenommen.
Ich rufe Art. 3 a auf. Dazu liegt ein Änderungsantrag auf Umdruck 321 **) vor. - Der Abgeordnete Müller ({1}) hat das Wort.
*) Siehe Anlage 4
**) Siehe Anlage 27
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst darf ich mir einen redaktionellen Hinweis erlauben. In diesem Änderungsantrag muß in der letzten Zeile das Komma zwischen dem Wort „sind" und dem Wort „und" gestrichen werden.
Zur Sache folgendes! Meine Damen und Herren, Sie haben in der zweiten Lesung mit Recht einen Änderungsantrag der FDP auf Umdruck 327 abgelehnt. In der Tat hat sich der Ausschuß für Arbeit, soweit die Fragen in seine Zuständigkeit fallen, mit ihnen befaßt, und dabei auch mit der Frage, was in bezug auf .das Betriebsverfassungsgesetz geschehen soll, wenn die Versicherungspflichtgrenze aufgehoben wird. Der Ausschuß für Arbeit ist ebenso wie der Ausschuß für Wirtschaft einhellig zu dem Ergebnis gekommen, empfehlen zu sollen, 'die in unserem Antrag aufgeführten Worte: „nicht angestelltenversicherungspflichtig sind und" zu streichen, damit draußen Klarheit besteht, daß damit in keiner Weise der persönliche Geltungsbereich des Betriebsverfassungsgesetzes geändert wird. Das wäre nicht der Fall gewesen, wenn Sie dem Antrag der FDP zugestimmt hätten.
Es sei mir erlaubt, zum Vergleich den augenblicklich geltenden Text vorzulesen, den Sie dann mit dem Antrag der FDP vergleichen können. In § 4 Abs. 2 Buchst. c heißt es:
Als Arbeitnehmer im Sinne dieses Gesetzes gelten nicht die leitenden Angestellten, wenn sie zur selbständigen Einstellung und Entlassung von im Betrieb oder in der Betriebsabteilung beschäftigten Arbeitnehmern berechtigt sind oder wenn ihnen Generalvollmacht oder Prokura erteilt ist oder wenn sie nicht angestelltenversicherungspflichtig sind und Aufgaben wahrnehmen, ...
Zwischen den einzelnen Alternativen muß man sich immer wieder hinzudenken: Leitende Angestellten, wenn sie nicht angestelltenversicherungspflichtig sind und ... Ich glaube, ich kann mir das weitere Zitat ersparen.
Was leitende Angestellte sind, ist ja längst durch namhafte Arbeitsrechtler definiert worden. Leitende Angestellte sind Arbeitnehmer, die für den ganzen Betrieb oder doch einen wesentlichen Aufgabenbereich des Betriebs in eigener Verantwortung Arbeitgeberfunktionen mit einer gewissen Selbständigkeit wahrnehmen. Dieser Begriff ist als Oberbegriff im Betriebsverfassungsgesetz vorgegeben. Er wird dann noch einmal definiert und umfaßt drei Personengruppen. Die letzte dieser Personengruppen ist eben dadurch gekennzeichnet, daß die Angestellten nicht versicherungspflichtig sind und ihnen besondere Aufgaben gestellt sind.
Durch die Streichung der in unserem Antrag aufgeführten Worte wird der Charakter .der Vorschrift nicht geändert. Damit tritt also auch weder eine Ausdehnung noch eine Einengung des persönlichen Geltungsbereichs des Betriebsverfassungsgesetzes ein. Ich bitte, diesem Antrag Ihre Zustimmung zu geben.
Wird noch das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Wir kommen zur Abstimmung über den Änderungsantrag auf Umdruck 321. Wer stimmt dem Antrag zu? - Danke. Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Antrag ist einstimmig angenommen.
Wir kommen nun zu dem Antrag auf Umdruck 322 *). Es handelt sich um einen Änderungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und der SPD, nach dem ein neuer Art. 3 b in die Vorlage eingefügt werden soll. Soll dieser Antrag begründet werden? - Das Wort hat der Abgeordnete Jaschke.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zur Rentnerkrankenversicherung war ein Alternativvorschlag gemacht und angenommen worden, den Doppelbezug von Altersruhegeld und Arbeitslosengeld zukünftig zu verhindern. Bei der Durchforstung dieser sozialpolitischen Bestimmungen sind wir auf eine Härte gestoßen, die seit langem bekannt ist und auch zu sehr vielen Petitionen geführt hat, die Härte, daß ein Versicherungspflichtiger unter Umständen keine soziale Leistung bekommt. Diese Härte entsteht, wenn einem Erwerbsgeminderten Berufsunfähigkeit nicht zuerkannt wird, er aber andererseits beim Arbeitsamt als nicht vermittlungsfähig angesehen wird. Dann bekommt er weder Berufsunfähigkeitsrente noch Arbeitslosengeld.
Durch den Antrag Umdruck 322 soll diese Härte beseitigt werden; es soll bestimmt werden, daß in einem solchen Falle zumindest Arbeitslosengeld gezahlt werden soll. Die folgenden Ziffern sehen vor, daß ein Erwerbsgeminderter, der infolge von Ausallzeiten oder dadurch, daß er wegen seiner Erwerbsminderung eine Beschäftigung übernehmen mußte, die weniger Geld einbringt als seine vorhergehenden Beschäftigungen, ein niedrigeres Arbeitsentgelt erzielt hat, sein volles Durchschnittsarbeitslosengeld erhält.
Ich bitte, dem Antrag zuzustimmen.
Wird das Wort weiter gewünscht? - Das ist nicht ,der Fall. Wir kommen zur Abstimmung über den Änderungsantrag
der Fraktionen der CDU/CSU und der SPD Umdruck 322. Wer stimmt diesem Antrag zu? - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Antrag ist einstimmig angenommen. Damit ist ein neuer Artikel 3 b in .die Vorlage eingefügt.
Damit sind alle diejenigen Artikel behandelt, die Änderungen erfahren haben.
Wir treten nun in die allgemeine Aussprache ein. Dias Wort hat der Herr Bundesminister der Finanzen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Namen der Bundesregierung darf ich Dank und Genugtuung darüber zum Ausdruck bringen, daß der Entwurf des Finanzänderungsgesetzes vom Haushalts-
*) Siehe An] age 28
ausschuß und den beteiligten Fachausschüssen des Deutschen Bundestages so schnell behandelt worden ist, und zwar so schnell, daß das termingerechte Inkrafttreten des Gesetzes möglich sein wird. Welches Maß an Arbeit von allen Beteiligten geleistet worden ist, wird deutlich, wenn man sich vergegenwärtigt, ,daß dieses umfangreiche und viele Einzelbereiche berührende Gesetz erst am 24. Oktober hier eingebracht werden konnte. Ich weiß auch, daß sich die Fachausschüsse zum Tell in langen Nachtsitzungen mit den Bestimmungen dieses Entwurfs beschäftigt haben, um zu einem sinnvollen und sachgerechten Ergebnis zu kommen.
Ich habe bereits bei der Einbringung des Entwurfs keinen Zweifel daran gelassen, daß die Bundesregierung die einzelnen Bestimmungen nicht als der Weisheit letzten Schluß ansieht und sicherlich in Einzelpunkten bessere Lösungen gefunden werden könnten. Ich habe allerdings auch darauf hingewiesen, daß die möglichen Alternativlösungen in jedem Fall dasselbe finanzielle Einsparungsergebnis erbringen müßten, wie es mit dem Entwurf in Aussicht genommen war. Es ist heute bei der abschließenden Beratung des Entwurfs nicht mehr notwendig, darauf hinzuweisen, daß das Finanzänderungsgesetz eine der tragenden Säulen der Finanzplanung und damit des Gesamtprogramms zur langfristigen Konsolidierung der Bundesfinanzen ist. Hierauf ist in der zweiten Lesung des Gesetzentwurfs wiederholt von verschiedenen Seiten hingewiesen worden, und dieser Punkt hat auch bei den Beratungen in den Ausschüssen durchweg die erforderliche Berücksichtigung gefunden. Insbesondere muß es als Verdienst des Haushaltsausschusses hervorgehoben werden, daß er sich trotz der vielfachen und zahlreichen Änderungsanträge der Fachausschüsse in erster Linie an dem finanziellen Ergebnis und an den Notwedigkeiten der Finanzplanung orientiert hat.
({0})
Die Vorschläge der Fachausschüsse haben in allen Fällen einen sachlich berechtigten und anerkennenswerten Kern. Es liegt aber in der Natur der Sache - wenn ich mir erlauben darf, das zu sagen -, daß nur mit einem Teilbereich befaßten Fachausschüssen der Gesamtüberblick über die finanziellen Möglichkeiten des Bundes fehlt und daß insoweit die entscheidende Koordinierung eben nur im Haushaltsausschuß vorgenommen werden kann. Daß dies mit einem anerkennenswerten Ergebnis geschehen ist, vermerke ich mit besonderem Dank.
Für den Bundesfinanzminister ist in erster Linie bemerkenswert, ob das finanzielle Ergebnis des Regierungsentwurfs erhalten geblieben ist. Betrachtet man daraufhin die Vorschläge des federführenden Haushaltsausschusses, so kann man feststellen, daß dies für 1968 ohne Einschränkungen der Fall ist. Erlauben Sie mir aber trotzdem den Hinweis, daß dies kein Grund ist, sich mit' dem Erreichten voll zufrieden zu geben. Denn die Einsparungsvorstellungen der Regierung sind gerade für das Jahr 1968 im großen und ganzen erreicht, während für die Jahre ab 1969 wiederum gewisse Lücken bleiben, die uns in der Folgezeit zu neuen Überlegungen zwingen werden. Es ist bedauerlich, daß die Regierungsvorschläge in aller Regel als Maximum dessen betrachtet werden, was an Einsparungen erreicht werden muß. Man glaubt dann, schon mit der ungefähren Erreichung dieses Ergebnisses sich zufriedengeben zu können.
Demgegenüber möchte ich in aller Deutlichkeit darauf hinweisen, daß die Ausschüsse des Bundestages nicht in erster Linie ihr Augenmerk darauf richten sollten, wie die „Härten" einer vorgesehenen Regelung abgeschliffen oder vermieden werden können. Sie sollten vielmehr gerade aus ihrer fundierten Fach- und Sachkenntnis heraus Möglichkeiten und Wege aufzeigen, die es uns erlauben, zusätzliche Deckungsmittel freizustellen, nicht zuletzt mit dem Ziel, Finanzmittel zu gewinnen, die für eine wachstumsfördernde Wirtschafts- und Finanzpolitik eingesetzt werden können.
Das ist um so notwendiger, als das mit dem Finanzänderungsgesetz angestrebte Einsparungsergebnis von vornherein nur das Minimum dessen war, was zur Verwirklichung der Finanzplanung für die Jahre bis 1971 erforderlich ist. Bereits heute läßt sich absehen, daß im Jahre 1968 in manchen Bereichen ein im Haushaltsentwurf bisher nicht berücksichtigter Mehrbedarf entstehen wird, für den noch ein Ausgleich gefunden werden muß. Auch mit der Erreichung des Einsparungsergebnisses des Finanzänderungsgesetzes sind wir infolge des raschen Fortschreitens der Ereignisse und des Wandels der Verhältnisse aus dem Zwang zur Entscheidung noch nicht entlassen. Ich weise in diesem Zusammenhang nur auf den Mehrbedarf hin, der sich aus der Erweiterung bestimmter sozialer Maßnahmen im Steinkohlenbergbau sowie bei der knappschaftlichen Rentenversicherung in einer Größenordnung von voraussichtlich rund 400 Millionen DM im Jahre 1968 ergeben wird. Auch ein Mehr an Einsparungen bei den gesetzlich festliegenden Ausgaben wäre deshalb in keinem Falle ein Zuviel gewesen. Darüber hinaus muß immer wieder bemerkt werden, daß jeder Schritt, den wir heute zur Sanierung der Bundesfinanzen einleiten, auch die Fortschreibung der Finanzplanung im nächsten Jahr erleichtert.
Die Einschränkungsmaßnahmen des Finanzänderungsgesetzes sind nach dem Ergebnis der Ausschußberatungen weitgehend entschärft worden. Ich erwähne in diesem Zusammenhang nur einige besonders problematische Fragen, die in der Diskussion eine große Rolle gespielt haben, so die Beteiligung der Rentner an den Lasten der Krankenversicherung, die Erhöhung der Beiträge in der landwirtschaftlichen Altershilfe, die Einschränkung des Kindergeldes sowie die Wohngeldregelung. Man kann es begrüßen, daß das finanzielle Ergebnis des Finanzänderungsgesetzes auch ohne einschneidende Maßnahmen in diesen Bereichen ermöglicht wird.
Auf der anderen Seite erscheint diese Behandlung der Regierungsvorschläge jedoch nicht ganz unbedenklich und es stellt sich die Frage, ob damit nicht die Einsicht in weiten Teilen unserer Bevölkerung über die Notwendigkeit gewisser Opfer unterschätzt worden ist. Es sollte in jedem Falle der Eindruck vermieden werden, daß einmal Geschaffenes oder
Bestehendes schlechthin und für immer unantastbar ist.
Auf Grund der Bemühungen der Regierung der Großen Koalition um eine langfristige Sanierung der Bundesfinanzen ist - das glaube ich feststellen zu dürfen - in unserem Volke die Bereitschaft gewachsen, um des allgemeinen Wohles willen auch Opfer hinzunehmen. In dieser Situation sollten gegenüber notwendigen Eingriffen nicht dadurch neue Empfindlichkeiten gezüchtet werden, daß bei Bekanntwerden aller Gegenvorstellungen gegen eine geplante Maßnahme ein ängstliches Bemühen um eine entschärfte Regelung einsetzt, auch wenn diese nur wie in manchen Fällen vorübergehend Erleichterung bringt. Damit könnten wir weder dem in unserem Volke vorhandenen Gefühl von Mitverantwortlichkeit noch den haushaltspolitischen Notwendigkeiten gerecht werden.
Ich möchte gerade angesichts der Diskussion .der letzten Tage darauf hinweisen, daß es bei dem Finanzänderungsgesetz nicht darum geht, in Verfolgung einer unmodernen, restaurativen, traditionellen und konservativen, gar ängstlichen, im allgemeinen fiskalistisch genannten Haushaltspolitik die Ausgaben sozusagen gewaltsam um jeden Preis zurückzudrängen. Es geht vielmehr um die Schaffung einer soliden Grundlage für eine konjunkturgerechte und an den Zielen der Finanzplanung orientierte Finanzpolitik, mit der allein der Fortschritt von morgen und für morgen möglich und erreicht werden wird. Ein Festhalten an überkommenen Regelungen um jeden Preis kann für die Betroffenen eine durchaus zweifelhafte Wohltat sein, wenn damit der Spielraum für eine in die Zukunft gerichtete Politik weiter eingeengt würde.
Aus diesen Gründen verbinden sich auch mit den Vorschlägen der Ausschüsse dieses Hohen Hauses zum Finanzänderungsgesetz für den Bundesminister der Finanzen einige Sorgen. Die Vorschläge führen in den Jahren 1969 und 1970 zu Mehrbelastungen von mehr als 100 Millionen DM und im Jahre 1971 sogar zu einer erheblich größeren Mehrbelastung, je nachdem wozu die Beibehaltung des § 56 des Kriegsopfergesetzes führen wird.
Ich erspare es mir, auf Einzelheiten der Beschlüsse des Haushaltsausschusses, die ja hier genügend erörtert worden sind, einzugehen. Ich werde mir erlauben, bei gegebener Gelegenheit darauf zurückzukommen.
Angesichts der Schwierigkeiten beim Ausgleich des Haushalts 1968, der den Haushaltsausschuß und dieses Haus noch weidlich in Anspruch nehmen wird, und angesichts der sehr hohen Kreditaufnahme im Jahre 1968 in Höhe von 9,9 Milliarden DM ohne Einrechnung eventueller Kassendefizite habe ich die eindringliche Bitte, .daß der Entwurf des Finanzänderungsgesetzes in der Form der heute erreichten Beschlüsse auf der Basis der Beschlüsse des Haushaltsausschusses erhalten bleibt. Die langfristige Sanierung der Bundesfinanzen würde sonst noch erheblich erschwert werden. Die Beratungen über das jetzt vorliegende Gesetz wie auch die weiteren Beratungen zum Haushalt 1968 müssen bereits die finanziellen Gegebenheiten in den Jahren 1969 und folgende berücksichtigen, damit auf dieser
Grundlage eine aktive, wachstumsfördernde und
zukunftsorientierte Politik aufgebaut werden kann.
Mit dem Ergebnis der heutigen Beschlußfassung werden die Bundesregierung und das Parlament bereits im nächsten Jahr konfrontiert, wenn die Finanzplanung nach § 9 an die zwischenzeitliche Entwicklung und damit auch an die heute gefaßten Beschlüsse unter gleichzeitiger Einbeziehung auch des Jahres 1972 anzupassen und zu ergänzen sein wird. In diesem Zusammenhang möchte ich nur kurz darauf hinweisen, welche Schwierigkeiten sich bereits dann auch für die Jahre bis 1971 ergeben können.
Im Jahre 1968 wird, wie bereits erwähnt, ein Mehrbedarf in einer Größenordnung von 400 Millionen DM für knappschaftliche Rentenversicherung und soziale Maßnahmen im Steinkohlenbergbau ohne Einrechnung der möglichen Kosten der Ausfallbürgschaft für eine Einheitsgesellschaft anfallen. Es wird im Jahre 1969 das Defizit des Jahres 1967 abzudecken sein, das nach dem heutigen Stand infolge von Mindereinnahmen, bereits im Juni an dieser Stelle angekündigt, und infolge von Mehrausgaben, wie gestern dargestellt, mit etwa 1,5 Milliarden DM angenommen werden muß.
({1})
Außerdem wird es notwendig sein, für die Jahre ab 1972 Lösungsmöglichkeiten für alle Bereiche aufzuzeigen, für die im Finanzänderungsgesetz eine Regelung nur bis 1971 gefunden worden ist. Das gilt vor allem auch für den sehr bedeutsamen Sozialbereich einschließlich Familienlastenausgleich.
Diese kurzen Hinweise mögen genügen, um zu verdeutlichen, daß nicht nur bei den Haushaltsberatungen 1968, sondern auch in der Folgezeit die Finanzlage des Bundes und die Ausgabengestaltung mit allergrößter Disziplin gehandhabt werden muß, wenn die endgültige Sanierung der Bundesfinanzen gelingen soll.
Bei der endgültigen Sanierung der Bundesfinanzen handelt es sich nicht um die Erfüllung eines traditionellen Anspruchs oder um eine konservative Haushaltspolitik, sondern es handelt sich auch um ein eminent wichtiges Problem, nämlich um die Wiedergewinnung und um die dauernde Erhaltung der politisch-psychologischen Grundlagen für ein wirtschaftlich rationales Verhalten sowohl der Produzenten wie der Konsumenten. Es ist nicht allein damit getan, in einer - wie ich gestern in meiner Rede ausführte - rein antizyklisch orientierten Finanzpolitik eine um jeden Preis zu betreibende Expansion des Haushalts der öffentlichen Gemeinden vorzusehen, sondern jede expansive Finanzpolitik kann nur auf der Grundlage konsolidierter Finanzen erfolgen, und jede expansive Finanzpolitik muß darauf sehen, daß die Stabilität unserer Währung gewährleistet bleibt.
In Zukunft wird es nicht mehr vorkommen, daß man in einer kurzsichtigen oder einseitigen Betrachtungsweise Stabilitätspolitik und Wachstumspolitk gegeneinander ausspielen kann. Was heute
zur Verabschiedung ansteht, ist ein echtes Stück Stabilitätspolitik, das seinerseits wieder Voraussetzung für eine weitere, auf der Basis einer gesunden Währung sich vollziehende Wachtumspolitik sein kann.
Wir werden deshalb auch - ich möchte dem endgültigen Bericht der Bundesregierung nicht vorgreifen - das Gutachten der Sachverständigen sorgfältig prüfen. Ich habe dazu gestern hier wie an anderer Stelle einige Ausführungen gemacht. Ich mache kein Hehl aus meiner Meinung, daß eine Erhöhung der Investitionen der öffentlichen Haushalte im Jahr 1968 um insgesamt 30 % und im Jahre 1969 auf der dann erhöhten Basis um weitere 25 % für den Bund nur möglich wäre mit einer weiteren Verschuldung um 2 bis 3 Milliarden DM im Jahre 1968 und in allen öffentlichen Haushalten, Bund, Länder, Gemeinden, mit einer Gesamtmehrverschuldung um 10 bis 11, unter Umständen um 12 Milliarden DM. Ich begrüße einerseits mutige Vorschläge, aber ich habe mich gestern bemüht aufzuzeigen, wo die Grenzen zwischen wissenschaftlicher Beratung wie natürlich auch das Recht der Fehlentscheidung und des Irrtums einerseits und der politischen Entscheidung und Verantwortung andererseits liegen.
Aus diesem Grunde kann die Bundesregierung auch nicht den Vorschlägen folgen, jetzt Steuersenkungen oder Beitragsverminderungen oder den Verzicht auf Beitragserhöhung in einer Größenordnung von jährlich 4 bis 5 Milliarden DM vorzunehmen; denn dieser Verzicht würde zunächst eine erhebliche Einnahmeminderung bedeuten. Mit dieser Einnahmeminderung ginge bei einer expansiven Haushaltspolitik durch die Steigerung der öffentlichen Nachfrage eine weitere Erhöhung der Deckungslücke Hand in Hand, so daß Einnahmeverzicht für 1968 plus Kreditmehrfinanzierung für Bund, Länder und Gemeinden zusammengenommen zu Größenordnungen führen würden, bei deren Abdeckung wir von der Bundesbank nicht unterstützt werden würden. Es würde außerdem zu einer Anspannung der Kreditdecke und zu einer Belastung der öffentlichen Meinung führen, so daß das, was an vermeintlichem Vorteil erreicht werden kann, durch allgemeine Unsicherheit, Unruhe, Mangel an Vertrauen in eine stabile Zukunftsentwicklung wieder mehr als kompensiert, nämlich verlorengehen würde.
Deshalb bin ich diesem Hohen Hause für die rasche Verabschiedung, für die wirksame Unterstützung der Stabilisierungspolitik der Bundesregierung von Herzen dankbar. Ich bin dankbar für die sachkundige, fleißige und zielstrebige Mitarbeit und darf hoffen, daß mit der Verabschiedung dieses Gesetzes ein wesentlicher Schritt vorwärts getan worden ist, um die beiden großen Ziele unserer Wirtschafts- und Finanzpolitik - Konsolidierung der öffentlichen Finanzen und permanente Wachstumspolitik - im Rahmen einer vernunftgemäßen Größenordnung von nun an sozusagen im ruhigen Fluß der Dinge sicherzustellen. Die Bundesregierung wird die weitere Entwicklung sorgfältig verfolgen. Sie wird neue Maßnahmen ergreifen, wenn sie notwendig sind. Sie wird aber an bewährten, gesunden Prinzipien festhalten, wenn keine Notwendigkeit besteht, diese aufzugeben.
({2})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Windelen.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Gestatten Sie mir im Namen meiner Fraktion eine kurze Erklärung zur dritten Lesung.
Wir stehen vor der Schlußabstimmung über das Finanzänderungsgesetz. Über die Einzelheiten brauche ich hier keine weiteren Aussagen mehr zu machen. Das ist in der zweiten Lesung und auch in den letzten Wochen reichlich geschehen. Aber lassen Sie mich doch, da es hier um ein Gesetz mit einem Volumen von vielen Milliarden DM geht, einige Worte zur Gesamtproblematik sagen.
Mit dem Finanzänderungsgesetz wird ein erster, entscheidender Schritt zur Umstrukturierung der Ausgabenseite des Bundeshaushalts getan. Das Gesetz greift in die Bereiche der konsumtiven Ausgaben des Bundes ein und schneidet sie zurück. Es erfolgt eine Anpassung an die finanziellen Möglichkeiten und an die zukunftsorientierten Investitionen. Die stark gewachsenen Ausgaben müssen langfristig wachsenden Einnahmen angeglichen werden. Hierin liegt die entscheidende Bedeutung dieses Gesetzes.
Dieses Gesetzgebungswerk besteht aus Konjunkturförderungsmaßnahmen, aus Einnahmeerhöhungen und aus Ausgabensenkungen. In der Sprache der Musik ist das also ein Dreiklang, der die drei Zielsetzungen verkörpert, die zur gleichen Zeit erreicht werden müssen. Heute schlagen wir den dritten Ton dieses Akkords an.
Manche Kritiker meinen allerdings, daß dieser Akkord nicht ganz der Harmonielehre entspreche, sondern Mißtöne zeige. Nun, darauf läßt sich einiges erwidern. Während der parlamentarischen Beratung sind bereits einige Dissonanzen, die manchen nicht gut im Ohr geklungen haben, ausgemerzt worden. Dies geschah bei der Kindergeldregelung, bei der Eigenheimförderung, bei der Berichtspflicht hinsichtlich der Kriegsopferversorgung und bei den Beiträgen zur Altershilfe der Landwirtschaft. Diese Melodie wird also das Parlament nicht so verlassen, wie sie von der Regierung komponiert worden ist.
Der andere Gesichtspunkt betrifft allgemeine finanzpolitische Fragen. Das von der Bundesregierung konzipierte und während der Beratungen im Hohen Haus im Prinzip akzeptierte Finanzänderungsgesetz hält die Ausgabenkürzungen auf einer mittleren Linie. Damit erfüllen wir natürlich weder die Erwartungen derjenigen, die nach Mitteln und Wegen sannen, jeder Kürzung aus dem Wege zu gehen, noch allerdings die hochgesteckten Forderungen derer, die mit härtesten Abstrichen, sozusagen einer „Symphonie mit dem Paukenschlag", alle Haushaltsprobleme auf einmal lösen wollten. Bei denjenigen, deren Erwartungen so hochgeschraubt sind, muß das Ergebnis natürlich mißtönend erscheinen. Wer jedoch nüchtern die reale
Lage des Möglichen einzuschätzen wußte, der dürfte mit dem vorliegenden Ergebnis einer angestrengten, mühsamen und intensiven Arbeit zufrieden sein.
Nicht nur das Musikempfinden, sondern auch der Standort des Lauschenden ist von Bedeutung. Viele der angepackten Probleme sind einfach zu kompliziert, sei es von der Sache her, sei es von der politischen Konstellation her, als daß sie mit einem Ruck gelöst werden könnten. So ist dieses Gesetz hier, um in dem Bild zu bleiben, sicher. kein „Lied an die Freude" geworden, sondern eher eine „Unvollendete". Es ist heute schon zu sehen, daß weitere Maßnahmen werden folgen müssen. Einige Probleme blieben ungelöst, z. B. die finanziellen Schwierigkeiten bei den Krankenkassen, der Rentenberg usw.
Ein weiterer Gesichtspunkt ist die Haushaltslage 1967. Hier müssen wir nach den vorliegenden Zahlen mit einem Defizit von 1,5 Milliarden DM rechnen. Für 1968 ist schon heute eine Deckungslücke von mehr als 400 Millionen DM erkennbar. Die mittelfristige Finanzplanung wird damit bereits heute in einem Umfang von ca. 2 Milliarden DM vorbelastet und muß entsprechend aktualisiert werden. Das spricht sich so einfach aus. Ich glaube, ich brauche hier nicht zu sagen, was es heißt, diesen Rahmen um 2 Milliarden DM zu aktualisieren.
Konsequenzen aus dieser finanziellen Situation sind unausweichlich, es sei denn, das Wunder höherer Steuereingänge als erwartet bricht in den kommenden Jahren über uns herein. Ich fürchte, diese „Gefahr" ist nicht sehr groß einzuschätzen. Das alles mag durchaus einleuchtend sein, es wird in den Ohren mancher aber dennoch nicht gut klingen. Nun, man kann es eben nicht jedem recht machen, und wenn man sich an den Grundsatz hält, daß Politik die Kunst des Möglichen ist, dann muß man wohl mit dem Ergebnis noch zufrieden sein.
Für den Haushaltsausschuß. als federführenden Ausschuß war es eine besonders schwierige Aufgabe, die sich in der kurzen zur Verfügung stehenden Zeit mit den unterschiedlichen Regelungen einer Vielzahl von Sachbereichen auseinanderzusetzen. Die Bewältigung dieser Aufgabe wäre ohne die Hilfe der mitberatenden Ausschüsse nicht möglich gewesen, und so fühle auch ich mich im gleichen Maße wie der Herr Vorsitzende, Vizepräsident Schoettle, berechtigt, an dieser Stelle den übrigen Ausschüssen des Hauses den Dank für die geleistete Arbeit auszusprechen.
In den meisten Fällen hat ,das Bemühen der Fachausschüsse darin bestanden, die sich aus den Regelungen der Regierungsvorlage ergebenden Belastungen für die Betroffenen zu mildern. Bei einer Verwirklichung aller Anregungen der Fachausschüsse würde sich allerdings eine sehr beträchtliche Verringerung der Beträge ergeben haben, die für die Haushaltsentlastung notwendig sind, und zwar in folgenden Größenordnungen: für 1968 ein Fehlbetrag von 160 Millionen DM, 1969 von 335 Millionen DM 1970 von 980 Millionen DM und 1971 von gleichfalls 980 Millionen DM.
Ich bitte also um Verständnis, wenn wir den Wünschen und Vorschlägen der Fachausschüsse insoweit nicht voll folgen konnten. Für den Haushaltsausschuß mußte die Aufgabe in erster Linie darin bestehen, unter Würdigung der gegenüber der Regierungsvorlage geltend gemachten Gesichtspunkte das angestrebte Einsparungsergebnis so weit wie irgend möglich zu erhalten. Mancher Vorschlag der Fachausschüsse konnte nur deswegen nicht übernommen werden, weil eine hinreichende anderweitige Deckung nicht angeboten wurde und auch vom Haushaltsausschuß nicht gefunden werden konnte. Der Haushaltsausschuß hat sich bei seinen Beratungen von der Finanzplanung des Bundes, die auch von diesem Haus als Richtschnur akzeptiert worden ist, leiten lassen. Denn Einbrüche in diese Planung würden nicht nur für den Haushaltsausgleich 1968, sondern auch für die Finanzen 'des Bundes in den kommenden Jahren große Gefahren gebracht haben.
Es ist weitgehend gelungen, die Vorstellungen der Fachausschüsse mit den finanziellen Erfordernissen in Einklang zu bringen. Für 1968 ist das finanzielle Ergebnis des Finanzänderungsgesetzes indem notwendigen Umfang sichergestellt, wie inzwischen auch ,der Finanzminister hier festgestellt hat. In den Folgejahren allerdings werden wir merken, 'daß wir hier eine „unvollendete Symphonie" geschaffen haben.
Lassen Sie mich auf die Bereiche kurz eingehen, in denen in wesentlicher Weise vom Regierungsentwurf abgewichen worden ist.
Dies gilt zunächst für den Bereich der Kriegsopferversorgung. Ich glaube, auch die Finanzplanung bietet keinen Anlaß, auf eine Anpassung der Kriegsopferversorgung für alle Zeit zu verzichten. Andererseits dürften durch die Verschiebung der erstmaligen Berichtspflicht der Bundesregierung über die bestehenden Anpassungsmöglichkeiten auf den 31. Dezember 1970 die Finanzen deis Bundes bis 1971 unberührt bleiben. Bei dieser Entscheidung ist der Haushaltsausschuß davon ausgegangen - hier unterscheide ich mich vielleicht ein wenig von meinem Kollegen, dem Berichterstatter Dr. Götz -, daß vor 1972 eine Anpassung der Kriegsopferversorgung nach der augenblicklichen Lage aus finanziellen Gründen kaum möglich sein wird.
Bereits bei der ersten Beratung des Finanzänderungsgesetzes habe ich darauf hingewiesen, daß die Einschränkungen im Bereich des Familienlastenausgleichs für uns zu den schmerzlichsten. Eingriffen gehören würden. Auf Grund der Entwicklung der Kindergeldzahlungen im laufenden Jahr ist die Annahme berechtigt, daß von einer Einschränkung der Kindergeldleistungen zunächst ganz 'abgesehen werden kann, da im Jahre 1968 voraussichtlich ein Minderbedarf entsteht, der die beabsichtigten Einsparungen in diesem Bereich voll decken wird. Das gibt der Bundesregierung im übrigen den nötigen Spielraum, um ihre neuen Vorstellungen zum Familienlastenausgleich zu entwickeln, worauf nun mit allem Nachdruck hingearbeitet werden sollte. Es muß allerdings bereits heute Klarheit darüber bestehen, daß eine Neuregelung nicht durch eine höhere Haushaltsbelastung erfolgen kann.
Auf Einschränkung konnte auch beim Wohngeld verzichtet werden. Hier ergibt sich im Jahre 1968 ebenfalls ein Minderbedarf, und zwar ebenso wie beim Wohngeld auch bei den Wohnungsbauprämien, der die vorgesehene Einsparung voll ausgleicht. Die weitere Beibehaltung der uneingeschränkten Wohngeldleistungen in den Folgejahren hat allerdings zur Voraussetzung, daß die notwendigen Deckungsmittel im Rahmen des Einzelplans 25 frei gemacht werden. Eine Überschreitung der in der Finanzplanung vorgesehenen Ausgaben für den konsumtiven Bereich muß jedenfalls ausgeschlossen bleiben.
Die Beratungen über die einzelnen Bestimmungen des Finanzänderungsgesetzes haben mit aller Eindringlichkeit deutlich gemacht, welche Aufgaben in vielen Bereichen noch vor uns liegen, die einer dauerhaften und befriedigenden Lösung harren.
Ich muß jedoch wiederholen: Es wäre ein Trugschluß, wollte man meinen, daß nunmehr für die Jahre bis 1971 ein für allemal Ruhe herrschte und weitere Maßnahmen zur Erhaltung stabiler Bundesfinanzen nun nicht mehr erforderlich sind. Ich nenne hier nochmals den Sozialbereich, in dem noch viele Fragen offen sind und der weiterhin an ,den Bundeshaushalt erhebliche Anforderungen stellt. Trotz der Bemühungen des Ausschusses für Sozialpolitik, zu langfristigen Lösungen zu kommen - die wir ausdrücklich anerkennen -, werden hier in Zukunft neue Überlegungen unabdingbar sein, und zwar nicht nur aus haushaltspolitischen, sondern wohl auch aus sozialpolitischen Erwägungen heraus. Es erscheint mir nicht berechtigt, Überlegungen für eine bessere Abstimmung der Sozialleistungen mit den volkswirtschaftlichen Möglichkeiten nur deswegen zu verdammen, weil sie von Finanzpolitikern und Haushaltspolitikern kommen. Mit diesem Hinweis soll nicht die sozialpolitische Diskussion in der ersten Beratung des Finanzänderungsgesetzes erneut angefacht werden. Man wird über diese Probleme aber sehr bald wieder sprechen müssen, weil im Rahmen ,der Fortschreibung der Finanzplanung, die uns bereits im nächsten Jahr beschäftigen wird, auch die Fortentwicklung der Sozialpolitik berührt werden wird.
Mit dem Finanzänderungsgesetz liegt erstmals ein Gesetz vor, das zu einer langfristigen Entlastung des Bundeshaushalts führt und in eine Phase der endgültigen Sanierung ,der Bundesfinanzen überleitet. Dennoch muß es als ein Mangel dieses Gesetzes erscheinen, daß ein großer Teil der Regelungen auf die Jahre bis 1971 beschränkt ist. Ich möchte deswegen an die Bundesregierung die dringende Bitte richten, bei künftig notwendig werdenden Maßnahmen Dauerregelungen vorzusehen, weil es nur auf diese Weise möglich ist, die Entwicklung der konsumtiven Ausgaben wieder fest in den Griff zu bekommen.
Abschließend möchte ich für die Fraktion der CDU/CSU erklären, daß wir dem Finanzänderungsgesetz in der vorliegenden Fassung zustimmen.
({0})
Das Wort hat der Abgeordnete Hermsdorf.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bevor ich im Namen meiner Fraktion eine Erklärung zu dem hier zu verabschiedenden Finanzänderungsgesetz abgebe, lassen Sie mich bitte mit einigen Sätzen auf die Schlußausführungen des Herrn Bundesministers Strauß zurückkommen.
Natürlich ist auch dieser Meilenstein, der hier mit Hilfe des Finanzänderungsgesetzes für eine Regelung unserer Finanzlage gesetzt wird, nicht der Weisheit letzter Schluß, und natürlich ist die ganze mittelfristige Finanzplanung nicht so fest, daß sie für die nächsten vier Jahre sozusagen unabänderlich das Volumen der einzelnen Haushalte in den einzelnen Ressorts festlegen könnte. Es ist klar, daß wir Erweiterungen haben werden, daß wir heute schon Erweiterungen im Ausbau des Volumens beim Bergbau und in ähnlichen Bereichen sehen. Es ist deshalb klar, daß wir trotz der mittelfristigen Finanzplanung von Jahr zu Jahr innerhalb des Haushalts versuchen müssen, die Sache wieder in die volkswirtschaftliche und finanzielle Situation einzubauen. Ich bin allerdings davon ausgegangen - und halte das auch heute noch für richtig -, daß der Finanzminister, wenn er ein Gesetz zur Bereinigung der Finanzen vorlegt, meist ,eine Maximumgrenze setzt. Ich kann mir schlecht einen Finanzminister vorstellen, der sagt: Erst einmal die Hälfte, den Rest wird das Parlament schon machen. - Ich glaube nicht, daß es das gibt. So hat er die Frage des Maximums sicher auch nicht gesehen.
Ich wollte nur sagen: Es ist nicht gut, wenn das Parlament da, wo von der Regierung eingebrachte Gesetze und vorgebrachte Vorschläge Lücken aufweisen, einspringen soll und entsprechende Kürzungen von sich aus vorschlagen muß. Das ist nicht Sache des Parlaments. Bei solchen Vorschlägen sollte man sich auch auf das Maximum beziehen.
Der Minister hat Ausführungen zum Sachverständigengutachten gemacht. Ich möchte mich heute dazu nicht äußern. Erstens ist bei der Behandlung des Steueränderungsgesetzes dazu gesprochen worden. Zweitens bin ich der Meinung, daß dieses Parlament, bevor das Sachverständigengutachten in der Regierung behandelt ist, noch nicht darüber reden sollte, zumal es noch keine offizielle Stellungnahme der Bundesregierung zu dem Sachverständigengutachten gibt.
Nun lassen Sie mich für meine Fraktion zum Gesamtprojekt des Finanzänderungsgesetzes folgendes erklären.
Wir haben gestern in diesem Hause den ersten Teil eines Gesetzes zur Verwirklichung der mehrjährigen Finanzplanung des Bundes für die Einnahmeseite verabschiedet. Heute haben wir über den zweiten Teil der Ausführungsgesetze Beschluß zu fassen und von der Ausgabenseite her mit einer Vielzahl gesetzlicher Maßnahmen die Finanzplanung dauerhaft zu sichern. Der strukturelle Ausgabenüberhang im Bundeshaushalt wird damit bis 1971 um rund 15 Milliarden DM - ich wiederhole: um
rund 15 Milliarden DM - verringert, und zwar um 2,5 Milliarden DM für 1968, um 3,6 Milliarden DM für 1969, um 4,7 Milliarden DM für 1970 und um 4,3 Milliarden DM für 1971.
Das Finanzänderungsgesetz stopft dem Volumen nach rund ein Viertel der gesamten Deckungslücke im Bundesetat 1968 bis 1971, die Bundeskanzler Kiesinger vor dem Bundestag in der Sondersitzung am 6. September mit insgesamt 64 Milliarden DM bezifferte. Ein weiteres Viertel dieser Gesamtlücke, also weitere rund 15 Milliarden DM, wird im Rahmen der mittelfristigen Finanzplanung anderweitig am Ausgabenbedarf bis 1971 in den einzelnen Bundeshaushalten eingespart.
Auf der Einnahmenseite tragen in diesem Zeitraum rund 14 Milliarden DM ordentliche Mehreinnahmen aus Steuerrechtsänderungen und rund 20 Milliarden DM aus Kreditmitteln zum Etatausgleich bei. Diese Kombination von Entscheidungen, verbunden mit den flankierenden Maßnahmen zur Wiederbelebung der Wirtschaft, machen die Finanzen des Bundes wieder überschaubar und funktionsfähig. Für das Vertrauen aller Gruppen von Staatsbürgern - von Arbeitnehmern und Unternehmern, von Konsumenten und Produzenten - in die Solidität der öffentlichen Finanzgebarung wird eine neue Grundlage geschaffen, und die Kreditwürdigkeit des demokratischen Staates wird wieder gefestigt. Dies war eine sehr dringende und sehr schwierige Aufgabe für die Große Koalition. Damit sind nun die wesentlichen Voraussetzungen für eine störungsfreie und stetige Entwicklung der Gesamtwirtschaft gegeben, in der die neue Wirtschaftspolitik ihre Zielsetzungen verwirklichen kann.
Lassen Sie mich hier einen kleinen Hinweis zur FDP machen, die zum Steueränderungsgesetz eine Reihe von Behauptungen aufgestellt und gemeint hat, hier seien keine Leistungen vollbracht worden. Meine Damen und Herren, alles in allem genommen - Finanzänderungsgesetz, Steueränderungsgesetz, Haushaltskürzungen und andere Maßnahmen seit Beginn der neuen Regierung - muß ein Volumen von 64 Milliarden DM neu gesetzt werden. Ich verstehe nicht, daß das nicht zur Kenntnis genommen wird. 64 Milliarden DM bis zum Jahre 1971 zu versetzen ist in der heutigen Zeit wirklich eine Leistung, vor der man den Hut abnehmen sollte. Man sollte nicht nur verkleinernd die Negativliste aufzeigen.
({0})
Meine Damen und Herren, das alles, das Steueränderungsgesetz, das Finanzänderungsgesetz, die Kürzungen in den einzelnen Haushalten, müssen Sie als ein System von kommunizierenden Röhren sehen. Dieses Finanzänderungsgesetz ist ein sehr wichtiges Glied für unsere finanzielle Ordnung. Sein Charakter ist - im Gegensatz zu den politischen Entscheidungen, die der mittelfristigen Finanzplanung oder dem Konjunktur- und Strukturprogramm der Bundesregierung zugrunde liegen - vorwiegend fiskalischer Natur. Das heißt, dieses Gesetz ist geprägt vom Zwang zum Haushaltsausgleich.
Darin ist der Kern unserer parlamentarischen Beratungen zu sehen.
Die Koalitionsfraktionen hatten am 6. September 1967 in einer Sondensitzung dieses Hohen Hauses grundsätzlich dem Gesamtumfang der mittelfristigen Finanzplanung hinsichtlich der Einnahmen- und Ausgabenseite und der Aufteilung auf die Einzelpläne zugestimmt. Sie hatten sich jedoch - das sage ich besonders für meine Fraktion - die Überprüfung der von der Bundesregierung noch vorzulegenden Ausführungsgesetze im einzelnen und gegebenenfalls auch eine Umschichtung für Einzelpläne vorbehalten.
Unter dieser Marschroute begannen sofort die konkreten Einzelberatungen zum Finanzänderungsgesetz, nachdem die Bundesregierung ihren Entwurf am 20. Oktober dem Bundestag zugeleitet hatte. Nur mit äußerster Selbstdisziplin des Parlaments ist es uns gelungen, daß die sehr schwierige und umfangreiche Gesetzesmaterie heute fristgerecht mit Inkrafttreten zum 1. Januar 1968 und in dem vorgezeichneten finanziellen Rahmen, auf dem bereits der Entwurf des Bundeshaushaltsplans 1968 aufbaut, verabschiedet werden kann.
Die vorgenommenen Änderungen und materiellen Verbesserungen des Regierungsentwurfs bewirken eine gerechtere Lastenverteilung, z. B. beim Rentnerbeitrag zur Krankenversicherung, bei den Knappschaftsleistungen, beim Wohn- und Kindergeld und beim Unterhaltssicherungsgesetz. Diese Änderungen bedeuten keine Störung - auch das sage ich an die Adresse der FDP - für den Bundeshaushalt und die mittelfristige Finanzplanung.
Nach Berechnungen des Bundesfinanzministeriums können sich möglicherweise fiskalische Verschlechterungen gegenüber dem Regierungsentwurf ergeben im Umfange von 6 Millionen DM für 1968, von 118 Millionen DM für 1969, von 114 Millionen DM für 1970 und von 123 Millionen DM für 1971.
Die geringfügigen Abweichungen von der mittelfristigen Planung der Regierung betragen nur rund 0,1 v. H., bezogen auf das jährliche Etatvolumen. Sie sind ohne Schwierigkeiten bei den jährlichen Anpassungen der Planung und bei der Etatberatung auszugleichen. Die genannten Verschlechterungen sind zudem nur theoretischer Natur, da unseres Erachtens die bisherigen Bedarfsschätzungen für das Kindergeld wesentlich zu hoch gegriffen sind, und zwar wegen einer überhöhten Geburtenquote und eines Rückgangs der Zahl der Gastarbeiter.
Nun zu Sachfragen! Ich sagte vorhin schon, daß das Finanzänderungsgesetz unter dem Zwang der Ordnung und Sanierung der Staatsfinanzen steht. Wir mußten also in vertretbarem Maße am vorhandenen Leistungsrecht vorwiegend im konsumtiven Bereich Veränderungen vornehmen. Für die Sozialdemokratische Partei standen bei diesen unbequemen, aber notwendigen Entscheidungen die Grundsätze der sozialen Gerechtigkeit und der Belastung nach Maßgabe der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit an der Spitze.
({1})
Wir waren uns klar darüber, daß die Maßnahmen, mit denen das von der früheren Regierung übernommene Erbe beseitigt werden mußte, auf allen Gebieten Opfer erforderte, also auch im Bereich des Sozial- und des Verteidigungshaushalts. Allerdings durften nach unserer Auffassung bestimmte Grenzen nicht überschritten werden.
So begrüßen wir es nachdrücklich, daß als Ergebnis eingehender Beratungen zwischen den Koalitionspartnern in Regierung und Parlament der Regierungsentwurf des Finanzänderungsgesetzes weder eine Änderung der dynamischen, brutto-lohnbezogenen Rentenformel von 1957 noch eine Streichung der Grundrenten der Kriegsopferversorgung noch eine Kürzung des steuerlichen Arbeitnehmerfreibetrages enthielt. Das letzte auch wieder an die Adresse der FDP. Wir sehen darin wesentliche gesellschaftspolitische Entscheidungen der neuen Regierung unter Beteiligung der Sozialdemokraten. Es wäre sehr bedauerlich, wenn der Blick für eine solche positive Entscheidung getrübt würde durch die leider viel stärker ins Licht der Öffentlichkeit gerückte sogenannte Negativ-Liste des Finanzänderungsgesetzes, obwohl dieses - und das muß noch einmal ausdrücklich gesagt werden - keineswegs in die Nähe der sozialen Demontage zu rücken ist.
Das Schwergewicht der sozialdemokratischen Alternativen für die parlamentarische Beratung des Regierungsentwurfs lag eindeutig bei zwei sozialpolitischen Bereichen, und zwar erstens bei der Rentnerkrankenversicherung und zweitens bei den Leistungen der Knappschaftsversicherung. Über die Einzelheiten und die ihnen innewohnenden Grundsätze sozialer und gesellschaftspolitischer Vorstellungen ist in der zweiten Beratung von meinen Fraktionskollegen alles Notwendige gesagt worden. Ich kann mich daher zusammenfassend auf folgende Feststellungen zum Finanzänderungsgesetz beschränken:
Erstens. Es wird kein vierprozentiger, sondern nur ein zweiprozentiger Rentnerbeitrag zur Krankenversicherung erhoben. Alle Rentner erhalten künftig die Vorteile einer Krankenpflichtversicherung. Die Finanzierung der Rentnerkrankenversicherung wird neu geregelt, und unter den Krankenkassen erfolgt ein Ausgleich der Ausgaben für die Krankenversicherung der Rentner.
Zweitens. In der knappschaftlichen Rentenversicherung wird zwar der Steigerungsbetrag für das Knappschaftsruhegeld und die Knappschaftsrente wegen Erwerbsunfähigkeit schrittweise von 2,5 auf 2 v. H. herabgesetzt, aber der Steigerungsbetrag für Knappschaftsausgleichsleistung bleibt bei 2 v. H. entgegen der beabsichtigten Herabsetzung auf 1,6 v. H.
Drittens. Die Bundeszuschüsse zur gesetzlichen Rentenversicherung werden in dem durch die mittelfristige Finanzplanung festgelegten Ausmaß gekürzt. Sie betragen künftig 1968 9,5 Milliarden DM, 1969 9,9 Milliarden DM, 1970 10,2 Milliarden DM und 1971 10,7 Milliarden DM.
Viertens. Die Versicherungspflicht in der Rentenversicherung - und das halten wir für einen sehr wichtigen Punkt - wird künftig auf alle Angestellten ausgedehnt. Damit ist ein wesentlicher Durchbruch in Richtung auf eine allgemeine Volksversicherung erfolgt und gelungen.
Fünftens. Die Novelle zum Mutterschutzgesetz 1965, deren Inkraftreten durch das Haushaltssicherungsgesetz und das Finanzplanungsgesetz zweimal hinausgeschoben wurde, soll nunmehr grundsätzlich vom 1. Januar 1968 an Gesetzeskraft erhalten. Damit wird endlich die Krankenhausentbindung als Pflichtleistung der Krankenversicherung gewährt.
Sechstens. Der § 56 des Bundesversorgungsgesetzes wird entgegen dem Regierungsentwurf nicht gestrichen. Die Bundesregierung hat ihrer Berichtspflicht über die wirtschaftlichen Voraussetzungen einer Anpassung der Kriegsopferversorgung bis zum Dezember 1970 nachzukommen.
Siebentes. Die Beiträge zur Altershilfe für Landwirte von gegenwärtig 20 DM werden entgegen der Regierungsvorlage bis 1971 nicht auf 28, sondern nur auf 24 DM erhöht.
Achtens. Das Kindergeld wird in keiner Weise eingeschränkt. Weder wird die in der Regierungsvorlage vorgesehene Einkommensgrenze für drei und mehr Kinder eingeführt, noch erfolgt eine Kürzung des Drittkindergeldes um 3 DM, wie es zunächst einmal aus Gründen des Etatausgleichs beabsichtigt war.
Neuntens. Die Leistungen für das Wohngeld werden nicht verschlechtert.
Zehntens. Die in der Regierungsvorlage enthaltenen Einschränkungen des 2. Wohnungsbaugesetzes für Familienzusatzdarlehen beim Bau von Eigenheimen und für die Bemessung der Einkommensgrenzen von Angehörigen im öffentlich geförderten Wohnungsbau wurden spürbar abgemildert.
Elftens. Die Bestimmungen des Soldatenversorgungsgesetzes und des Unterhaltssicherungsgesetzes konnten gegenüber der Regierungsvorlage verbessert werden.
Zwölftens. Unverändert blieben die Bestimmungen der Regierungsvorlage zum EWG-Anpassungsgesetz und zum Bundesvertriebenengesetz.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum Schluß kommen. Wägt man objektiv einerseits die getroffenen Entscheidungen der Bundesregierung und des Parlaments hinsichtlich der mittelfristigen Finanzplanung einschließlich des Zweiten Steueränderungsgesetzes 1967 und des Finanzänderungsgesetzes 1967 und andererseits die harten Realitäten der wirtschafts- und finanzpolitischen Situation gegeneinander ab, dann ist die vorliegende Lösung ein zufriedenstellender Kompromiß, dann ist weder der Vorwurf der Opposition berechtigt, daß die Ausgaben nicht radikal genug gekürzt worden seien - wobei wir allerdings bis jetzt vergeblich auf die konkreten Alternativen der FDP gewartet haben - noch der Vorwurf, daß die „Abschleppkosten" ungerecht verteilt worden sind. Vielmehr wird dieses Gesetz die Basis dafür sein, daß nach der bereinigten Übergangsphase eine zukunftsorientierte rationale Politik
gestaltet werden kann, in der die Gesellschaftspolitik einen wichtigen Platz einnimmt.
Die sozialdemokratische Fraktion stimmt diesem Gesetzentwurf zu.
({2})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Mischnick.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe die Absicht, meine Ausführungen in eine Erklärung einmünden zulassen. Ich sage das, um eventuellen Zwischenfragen schon vorzubeugen. Der späte Termin zwingt natürlich dazu, einige Punkte vorher schriftlich festzulegen, wenn man nicht den Eindruck erwecken will, als sei die Opposition im Hause überhaupt nicht mehr zu Wort gekommen, und diesen Eindruck will ja niemand erwecken.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich würde mich gern kurz fassen. Aber es sind natürlich eine Reihe von Punkten zu berücksichtigen, die hier gesagt werden müssen. Mit Recht ist darauf hingewiesen worden, 'daß die Ausschüsse eine schwierige Arbeit zu leisten hatten, weil die Bundesregierung den Gesetzentwurf erst am 20. Oktober eingebracht hat. Das heißt doch schlicht, daß das Verlangen der Freien Demokraten nachträglich gerechtfertigt ist; wir haben bereits im Juli eine Sitzung des Bundestages verlangt, um bereits zu diesem Zeitpunkt die entsprechenden Unterlagen zu erhalten. Das haben Sie damals abgelehnt. Sie haben sich damit selbst die Zeit für die Beratung beschnitten.
Ein zweiter Punkt. Wenn man eine ganze Reihe großer Veränderungen in einem Finanzänderungsgesetz unterbringen will und, wie es heute in der Debatte gesagt worden ist, gesellschaftspolitische Umstellungen vornehmen will, stellt es denjenigen, die diese Umstellungen vornehmen wollen, kein gutes Zeugnis aus, wenn sie praktisch in sechs Wochen im. Galopp dazu die Entscheidungen in den Ausschüssen fällen. Es ist darüber hinaus leider zu bemerken, daß die Orientierung in den Ausschüssen auf konkrete Fragen der Opposition zum Teil sehr mangelhaft war. Eine ganze Reihe Anfragen der Freien Demokraten sind bis zur Stunde nicht beantwortet worden. Und wir müssen darüber hinaus berücksichtigen, daß die gesamte Grundlage dieses Finanzänderungsgesetzes, nämlich für die nächsten vier Jahre, wenn ich ab 1968 rechne, eine Zuwachsrate von jährlich 5 % zu unterstellen, außerordentlich schwankend ist.
Schon die Tatsache, daß man bei den Tarifverhandlungen im öffentlichen. Dienst von einem Angebot von 2 und 21/2 % ausgegangen ist und dann bei 31/2 % abschließt, macht deutlich, daß die Leitlinien, die man sich für das Jahr 1968 gegeben hat, mit Sicherheit nicht erreicht werden und demzufolge rechnerische Voraussetzungen für die mittelfristige Finanzplanung nicht in Erfüllung gehen können.
Es war sehr interessant, daß dei Herr Bundesfinanzminister vorhin in seinen Ausführungen darauf hinwies, man müsse in der Öffentlichkeit den Eindruck vermeiden, daß einmal Geschaffenes unantastbar sei. Das zielt genau in die Richtung, in der mein Kollege Spitzmüller in der ersten Lesung hier die Frage gestellt hat: Was ist denn nun Besitzstand? Ist Besitzstand das, was im Augenblick gilt? Ist Besitzstand das, was man für morgen erworben hat? Ist Besitzstand das, was vielleicht gestern erworben war, aber heute nicht mehr gelten soll? Diese Frage ist bis zur Stunde nicht endgültig beantwortet worden. Ihre Beantwortung ist aber eine wesentliche Voraussetzung für alle diejenigen, die sich neben gesetzlichen Sicherungseinrichtungen auch noch freiwilliger Versicherungen bedienen. Sie müssen wissen, was in Zukunft unter sozialem Besitzstand zu verstehen ist.
Herr Kollege Hermsdorf sagte hier, es sei doch eine große Leistung, daß man 64 Milliarden DM bewegt habe. Natürlich ist das eine sehr große Zahl; da ist gar kein Zweifel. Ob das aber ein Beweis für Qualität ist, daß ist noch die große Frage, und das wird sich erst noch herausstellen müssen.
In der Schlußbemerkung wurde noch einmal gesagt, es fehlten die großen Alternativen. Dieser Vorwurf scheint mir doch ein bißchen makaber zu sein, wenn man sich ins Gedächtnis zurückruft, wie z. B. im Sozialpolitischen Ausschuß zu Beginn der Beratungen festgelegt werden mußte, daß man die Regierung ermächtige, Vorbereitungen zu treffen, als sei alles schon beschlossen worden. Damit war doch deutlich gesagt: Opposition, du kannst beantragen, was du willst; wir werden alles ablehnen. Das ist doch der Maßstab gewesen, mit dem Sie gearbeitet haben.
({0})
- Das war nicht nur die Rentnerkrankenversicherung. Das war auch noch eine Reihe anderer Punkte.
Herr Kollege Spitzmüller hat heute hier - offensichtlich haben das einige von Ihnen nicht mitbekommen - in zwei Punkten große Alternativen vorgetragen. Die erste war, daß man den Faktor von 1,5 % verändern kann. Das wäre eine Möglichkeit. Zweitens hat Herr Kollege Spitzmüller darauf hingewiesen, daß man die Anpassungsquote von 8,1 % niedriger ansetzen könnte. Diese Überlegungen sind natürlich nur zu verwirklichen, wenn man sich wirklich die Zeit nimmt, in den zuständigen Ausschüssen Einzelfragen und Änderungsvorschläge zu prüfen, und wenn man sie nicht pauschal, wie das heute in der zweiten Lesung geschehen ist, alle einfach ablehnt.
Meine Damen und Herren, denken Sie nur daran, daß im Sozialpolitischen Ausschuß innerhalb von 16 Stunden über mehr als 100 Änderungsanträge beraten und entschieden werden mußte, daß man zum Teil bei Beträgen in Höhe von 140 Millionen DM überhaupt nur eine Stunde Zeit hatte, die Dinge zur Kenntnis zu nehmen! Das ist doch ein Verfahren, das sie alle, meine sehr verehrten Damen und Herren von der Koalition, angehen muß, ebenso wie die Opposition,
({1})
weil es die Arbeitsfähigkeit des gesamten Parlaments beeinträchtigt. Sie sagen: je nach Masse. Lieber Herr Kollege Stingl, selbstverständlich sind unter den 100 Anträgen auch einige gewesen, die nicht so bedeutsam waren. Aber Sie müssen doch zugeben, daß es auch für die Kollegen im Sozialpolitischen Ausschuß nur schwer möglich war, alle Punkte bis zum Letzten zu übersehen. Andernfalls wäre es nicht notwendig gewesen, hier auch aus Ihren Reihen in dritter Lesung eine Reihe von Änderungsanträgen zu stellen. Auch Sie haben es also im Ausschuß einfach nicht mehr rechtzeitig schaffen können. Das ist doch ein Beweis dafür.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir stellen am Abschluß der Beratung des Finanzänderungsgesetzes fest, daß - bis auf den gesellschaftspolitischen Einbruch, daß es in der Angestelltenversicherung keine Versicherungsfreiwilligkeit mehr gibt - wirklich keine echte Reform zustande gekommen ist. Mit Recht ist gestern darauf hingewiesen worden, daß die Finanzreform eine wesentliche Voraussetzung dafür sein wird, die Finanzpolitik in der Bundesrepublik bei Bund, Ländern und Gemeinden insgesamt in eine sinnvollere Ordnung zu bringen. Wir hoffen, daß die Versprechungen, daß hier bald entsprechende Vorlagen kommen, erfüllt werden.
Wir wissen aber auch ein Weiteres. Wäre nicht ein solches Finanzänderungsgesetz Gelegenheit gewesen, ernsthaft an die Fragen der Verwaltungsreform heranzugehen? Warum ist für viele Kollegen in diesem Hause all das, was mit laufenden Ausgaben für die Verwaltung zusammenhängt, eine Art Tabu? Warum geht man hier nicht heran, obwohl doch auch hier Millionen- und Millionenbeträge Jahr für Jahr steigen?
Der Herr Bundesfinanzminister hat gestern die Opposition gefragt, wo Alternativvorschläge seien. Wir haben einige genannt. Interessant ist nur, daß die Diskrepanz zwischen Ihnen von der CDU/CSU und Ihnen von der SPD und dem Bundesfinanzminister von der ersten bis zur dritten Lesung nicht geklärt werden konnte. Denn der Bundesfinanzminister sprach davon, daß Reformen notwendig seien, und von den Koalitionsfraktionen wurde erklärt: nein, das wolle man nicht.
Wenn ich mir nun allerdings ansehe, was in dem netten Propagandablättchen, das mein Kollege Genscher schon zitiert hat, der Öffentlichkeit vorgelegt wird, stelle ich fest, daß auch das recht bemerkenswert ist. Unter der Überschrift „Keine soziale Demontage" heißt es: „Das Kabinett beschließt: Die Leistungen in den Rentenversicherungen der Arbeiter und Angestellten werden nicht angetastet". Das scheint mir ein Meisterstück der Formulierungskunst zu sein. „Das Kabinett beschließt: ... werden nicht angetastet." Das heißt doch schlicht: Wenn doch eine Veränderung geschieht - und wenn ich an die Knappschaft denke, muß ich feststellen: da ist doch einiges passiert -, dann ist das nicht das Kabinett gewesen, dann war es der Bundestag, dann waren das die Abgeordneten.
({2})
- Wenn nur die FDP gemeint war, kann ich nur sagen: wenn die Bundesregierung unsere Kraft so hoch einschätzt, daß wir allein die Dinge bewirken können, dann kommt das zwar den Tatbeständen wahrscheinlich sehr nahe, nur die Abstimmungszahl fehlt hier, weil Sie sich nicht unserer Einsicht beugen. Das ist der Punkt. - Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn man sagt: „Das Kabinett beschließt: Es wird nicht angetastet", dann macht das doch deutlich, daß man die Verantwortung auf das Parlament schieben und den Eindruck erwekken will, daß die Bundesregierung diejenige ist, die nichts antastet. Das scheint mir kein guter Stil zu sein. Hier sollte man klipp .und klar sagen, daß auch durch die Vorschläge der Regierung Eingriffe in das Leistungsrecht vorgenommen werden, daß die Leistungen eben doch angetastet werden. Wenn man gemeint hat, .das, was im Augenblick gezahlt wird, werde nicht angetastet, so ist das zum großen Teil richtig, aber nicht bis zum letzten für jeden einzelnen.
Ich wäre dankbar, wenn 'die Koalitionsfraktionen sich noch einmal mit ihren Ministern oder dem Bundespresseamt darüber unterhielten, ob es richtig ist, in dieser Art und Weise die Verantwortung, wenn etwas Schlechtes kommt, auf das 'Parlament abzuschieben.
Lassen Sie mich nunmehr ein paar Bemerkungen zu einigen Punkten machen, die in der Debatte eine große Rolle gespielt haben.
Wir haben es abgelehnt, den Artikeln 6 und 11 zuzustimmen. Denn hier ging es darum, einen Bereich, die Landwirtschaft, obwohl man da praktisch zu einem Einkommensstopp gekommen ist, mit neuen Lasten zu belegen. Das EWG-Anpassungsgesetz hat die grundsätzlichen Fragen unserer Agrarpolitik berührt. In diesem Gesetz sind Zusicherungen gegeben worden. Wir müssen feststellen, daß ,die Einkommensminderungen, die wir befürchtet haben, eingetreten sind. Wir sind bei unserer Zusage geblieben, während Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren von der Koalition, Ihre Zusage von damals nicht einhalten.
Wenn ich an den Terminbericht zur Kriegsopferversorgung denke: Hier ist versucht worden, diese Verlegung zu verbrämen, und es ist gesagt worden, man habe ja keine Eingriffe vorgenommen. Meine Damen und Herren, das ist doch eine Grundsatzfrage, die wir .entscheiden müssen, nämlich die Grundsatzfrage: Wollen wir bestimmte Bereiche der Kriegsfolgengesetzgebung, wie es hier gesagt worden ist, bis 1972 unverändert lassen, während wir in anderen Bereichen - Rentenversicherung, Unfallversicherung, Wiedergutmachung - ständig steigende Leistungen haben? Wenn man sich zu dem einen bekennt, muß man sich auch zu dem anderen bekennen und muß für beides eine mittlere Lösung finden.
({3})
Es ist schon sehr viel über die Frage gesprochen worden, daß mit der Einbeziehung aller Angestellten in die Versicherungspflicht ein entscheidender gesellschaftspolitischer Schritt getan wäre. Eines hat
mich bei dieser ganzen Argumentation doch etwas verwundert: Auf der einen Seite wird immer gesagt, alle, die noch nicht in der Versicherungspflicht sind, wollten hinein. Warum muß man sie dann unbedingt dazu zwingen? Wenn sie wirklich alle hinein wollen, würden sie auch ,die Möglichkeit, selbst hineinzugehen, wählen, dann würden sie von sich aus diesen Weg gehen, dann braucht man keinen gesetzlichen Zwang.
({4})
- Darauf komme ich ja gleich, Herr Kollege Killat.
- Völlig unlogisch ist es aber gewesen, die FDP-Forderung abzulehnen, auch den freiwillig Versicherten auf jeden Fall den Arbeitgeberanteil zu geben. Das ist dann doch unlogisch, und Ihren Zwischenruf hätten Sie sich ersparen können, Herr Kollege Killat. Hier ist man eben bewußt nur den Weg gegangen: Zwangsversicherung um jeden Preis, keine Entscheidungsfreiheit für den einzelnen mehr. Das ist ein Weg, den wir ablehnen müssen.
({5})
- Auch da wären wir jederzeit bereit, über die Frage zu sprechen, hier Entscheidungsfreiheit zu schaffen. In unseren Grundvorstellungen ist das auch enthalten, nur haben Sie sie offensichtlich noch nicht richtig gelesen.
Wenn davon gesprochen worden ist, wir träumten von einer Grundversorgung, so ist das ein Irrtum. Wir träumen nicht von einer Grundversorgung, sondern wir haben diese Grundversorgung hier mehrfach zur Debatte gestellt. Nur sieht sie ein wenig anders aus, als hier in der Diskussion gesagt worden ist. Es würde zu weit führen, sie hier noch einmal zu erklären. Die Interessierten mögen bitte nachlesen, was dazu in der ersten Lesung von uns gesagt worden ist.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, als Ergebnis der gemeinsamen Bemühungen am Ende dieser Beratung des Finanzänderungsgesetzes müssen wir feststellen:
1. Die wirkliche Umstellung des Haushalts, von der auch hier die Redner der Koalition gesprochen haben, ist unterblieben, von einer Neuorientierung der Gesamtpolitik kann keine Rede sein.
2. Die Regierung und die Koalitionsfraktionen haben nicht den Mut gehabt, bei Ausgaben und Subventionen den Rotstift so anzusetzen, wie es notwendig ist.
({6})
- Dann denken Sie einmal daran, daß wir im November 1966 Vorschläge von insgesamt 2,6 Milliarden DM für ein Jahr gemacht haben. Wenn Sie das mit Ihrer Finanzplanung mal vier nehmen, sind es auch über 10 Milliarden DM.
3. Die Große Koalition türmt einen Schuldenberg vor 'sich auf. Der Haushalt des Jahres 1971 - und darüber muß sich jeder in diesem Hohen Hause im klaren sein - sieht bereits 5,25 Milliarden DM an Zins- und Tilgungsleistungen vor. Das sind fast 6 % des vorgesehenen Ausgabenvolumens. Diese Beträge steigen dann nach dem, was man bisher übersehen kann, 1972 auf 11,5 %. Offenbar scheinen sich hier Koalition und Regierung noch gar nicht im klaren darüber zu sein, daß damit die Zuwachsraten, die wir für diese Zeit erwarten können, völlig für Zins- und Amortisationsleistungen verbraucht werden und keinerlei Möglichkeit besteht, andere Ausgaben, die auch steigen sollen, abzudecken.
4. Die Reformwerke, die bisher angekündigt wurden, sind nicht sichtbar. Wir haben ein Flickwerk vor uns, und es ist von den Rednern der Koalition zugegeben worden, daß das nicht der Weisheit letzter Schluß sei.
5. Die gesamte Vorlage beruht auf der Hypothese, daß die Zahlenwerke, die Sie auf 5 % Zuwachs berechnet haben, richtig sind. Die Kleinen Anfragen der Freien Demokraten vom 15. September und vom 11. August 1967, mit denen wir wissen wollten, wie denn die Bundesregierung die Einkommensentwicklung schätzt - denn sie braucht man ja, um eine langfristige Überlegung insbesondere in der Rentenversicherung anstellen zu können -, sind in den wesentlichen Punkten bis heute nicht beantwortet. Interessant ist es nur, daß zur gleichen Zeit, als das Arbeitsministerium keine Antwort gab, aus einem anderen Ressort Zahlenmaterial an Wirtschaftsjournalisten absichtlich oder unabsichtlich gelangt ist. Aus diesem Zahlenmaterial geht hervor, daß die Grundlagen doch etwas anderes aussagen. Wir müssen fragen: Sind diese aus dem Wirtschaftsministerium zufällig oder bewußt herausgespielten Zahlen Grundlagen für die mittelfristige Finanzplanung oder sind sie es nicht?
6. Für den Bereich der Sozialpolitik steht zumindest eines fest: Nach Mitteilungen des Finanzministeriums im Sozialpolitischen Ausschuß wird für das Jahr 1967 in der knappschaftlichen Rentenversicherung ein Defizit von zusätzlich 280 Millionen DM und für das Jahr 1968 von 400 Millionen DM erwartet. Das ist in dem gesamten Zahlenwerk nicht enthalten. Man hat hier wieder den Eindruck, daß nach dem Motto verfahren wird: „daß nicht sein kann, was nicht sein darf". Allein in diesem Versicherungsbereich - darüber müssen Sie sich im klaren sein, wenn Sie jetzt die Entscheidung fällen - sind rund 700 Millionen DM auch nach den Beschlüssen ungedeckt.
Außer der Bundesregierung gibt es keine Institution - weder die zuständigen Rentenversicherungsträger noch der Verband der Rentenversicherungsträger noch das Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin noch die Bundesvereinigung der Arbeitgeber -, die etwa zu dem Ergebnis kommt, daß die totale Zwangsversicherung aller Angestellten in den nächsten vier Jahren 3 Milliarden DM zusätzlich bringt. Die. Berechnungen liegen alle niedriger. Auch hier also eine Hypothese, die nach Meinung vieler Sachverständiger nicht richtig ist.
In diesem Bereich wird es schließlich noch fragwürdiger, wenn man die Gesamtentwicklung betrachtet, wenn man die Behauptung der Bundes7342
regierung, mit diesen Maßnahmen komme man zu einem Ausgleich, der Tatsache gegenüberstellt, daß die genannten Institutionen des Defizit gleichzeitig noch auf 8,5 Milliarden DM schätzen.
7. Die Bundesregierung hat es unterlassen, in den vorgesehenen Drucksachen zur mittelfristigen Finanzplanung und zum Finanzänderungsgesetz, in den Anlagen oder in der Begründung, zumindest rechnerische Nachweise zu bringen, daß die von ihr vermuteten Defizite durch ihre Vorschläge beseitigt sind. Für eine ganze Reihe Punkte liegt nicht einmal ein Anhalt vor.
8. Alles, was über das Jahr 1968 hinausgeht, wird nach den Beratungen - das ist ganz deutlich - fragwürdig. Alles, was das Jahr 1968 betrifft, muß von dem einzelnen mehr oder weniger nach eigener Beurteilung entschieden werden. Wer sich auf das Zahlenmaterial der Bundesregierung verlassen will, ist verlassen, weil es das vielfach überhaupt nicht gibt. Die Koalitionsfraktionen müssen so tun, als hielten sie die vorgelegten Entwicklungstendenzen für wahrscheinlich. Es bleibt ihnen auch gar nichts übrig, weil sie sonst überhaupt nichts mehr hätten, woran sie sich bei ihrer Entscheidung klammern könnten.
({7})
- Wollen Sie bestreiten, daß für weite Bereiche keine Zahlenangaben vorliegen? Ich habe sie zum großen Teil genannt, ich will sie jetzt nicht wiederholen. Wir Freien Demokraten halten so lange jegliche Diskussion über politische Entscheidungen über das Jahr 1968 hinaus für fragwürdig, solange diese Unterlagen nicht vorhanden sind.
Jeder einzelne von uns und auch die Wirtschaft wird gut daran tun, sich in erster Linie auf sich selbst zu verlassen, die eigene Entscheidung ,als das Richtige zu nehmen und sich nicht etwa auf das zu verlassen, was die Regierung verspricht. Ich denke nur an die unterschiedlichen Aussagen in bezug auf Steuererhöhungen innerhalb von wenigen Monaten. Alle grundsätzlichen Probleme sind langfristig betrachtet nach wie vor offen. Wer das weiß und sieht, wird sich selbst vor Fehlentscheidungen bewahren.
Wir lehnen das Finanzänderungsgesetz .ab, weil wir die Befürchtung haben, daß die Wirkung all dessen, was hier beschlossen wird, sein wird: Mit der mittelfristigen Finanzplanung in eine langfristige Finanzpleite!
({8})
Meine Damen und Herren! Es liegen keine Wortmeldungen mehr vor. Die Beratung ist abgeschlossen.
Wir kommen zur Schlußabstimmung über das Finanzförderungsgesetz.
({0})
- Ich bin so abgelenkt worden, daß ich es für eine Förderung gehalten habe!
Meine Damen und Herren! Schlußabstimmung über das Finanzänderungsgesetz 1967. Wer dem Gesetz in der jetzt vorliegenden Fassung als Ganzem zustimmen will, den bitte ich, sich zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Bei einigen Enthaltungen und gegen eine Minderheit ist das Gesetz angenommen.
Meine Damen und Herren, wir müssen jetzt über die Punkte 2 und 3 des Antrages des Ausschusses abstimmen. Der Antrag des Ausschusses befindet sich auf der ersten Seite der Drucksache V/2341. Wer dem Antrag des Ausschusses - Punkt 2 und 3 - zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe bitte. - Enthaltungen? - Der Antrag des Ausschusses ist angenommen.
Jetzt müssen wir über die Entschließungsanträge abstimmen, zunächst über den Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und der SPD auf Uridruck 323 *). Wird das Wort gewünscht? - Der Abgeordnete Spitzmüller, bitte!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen, meine Herren! Leider begründen die Antragsteller ihren Antrag nicht.
Ich möchte darauf hinweisen, daß wir im Ausschuß für Sozialpolitik einmütig der Meinung gewesen sind, daß die Betroffenen nicht gegen ihren Willen in die 'gesetzliche Pflichtversicherung einzubeziehen sind. Nachdem aber mit diesem Antrag die Bundesregierung ersucht werden soll, aus Anlaß der Einbeziehung aller Angestellten einen Gesetzentwurf vorzulegen, der zum Inhalt haben soll, daß Selbständige und die Angehörigen freier Berufe in die gesetzliche Sozialversicherung einzubeziehen sind; und nachdem Herr Kollege Hermsdorf im Zusammenhang mit der Einbeziehung aller Angestellten vom Durchbruch zur Volksversicherung gesprochen hat, ist dieser Entschließungsantrag eigentlich nur in einem Sinne interpretationsfähig, nämlich in dem Sinne, daß die Koalitionsfraktionen wünschen, daß an das Ministerium eine Aufforderung ergeht, die Angehörigen der freien Berufe und die Selbständigen total in die gesetzliche Pflichtversicherung einzubeziehen. Ich habe die Hoffnung, daß das nicht so gemeint ist, aber so, wie der Antrag vorliegt, läßt er nach allem, was heute hier gesagt wurde, nur diese Interpretation zu. Ich habe den Eindruck, .daß das eigentlich nicht dem entspricht, was die CDU mindestens bis vor wenigen Tagen in der Sozialpolitik noch vertreten hat.
Wir sind der Meinung, 'daß man sich im Ausschuß bemühen sollte, eine Formulierung zu finden, die nicht eine so einseitige Interpretation zuläßt, und ich bitte deshalb, den Antrag an den Ausschuß für Sozialpolitik zu überweisen.
Sie haben den Antrag gehört. Wird noch das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich lasse über den Antrag der FDP abstimmen, den Antrag auf Umdruck 323 an den Ausschuß für Sozialpolitik zu überweisen. Wer für
*) Siehe Anlage 29
Vizepräsident Scheel
diesen Antrag ist, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer ist dagegen? - Ich möchte die Abstimmung wiederholen; wir sind hier oben nicht ganz einig. Wer für diesen Antrag ist - Ausschußüberweisung heißt das -, den bitte ich, sich von den Plätzen zu erheben. - Wer ist gegen diesen Antrag? - Das letzte ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Dann kommen wir zur Abstimmung über den Antrag Umdruck 323 selbst. Wer dem Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, SPD auf Umdruck 323 zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das erste war die Mehrheit. Der Antrag Umdruck 323 ist damit angenommen.
Wir kommen jetzt zum Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU, SPD auf Umdruck 329 ({0}) *). Es wird vorgeschlagen, den Antrag dem Haushaltsausschuß zur Beratung zu überweisen. Wer diesem Vorschlag zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Antrag ist dem Haushaltsausschuß überwiesen.
Wir kommen zum Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU, SPD auf Umdruck 330 **). Wird das Wort gewünscht? - Bitte sehr.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf in aller Kürze den Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU, SPD Umdruck 330 begründen.
Wir haben in dem eben beschlossenen Finanzänderungsgesetz bei Art. 12 den § 46 des Bundesvertriebenengesetzes in der Weise geändert, daß wir im wesentlichen die Finanzierungsmittel für die ländliche Siedlung gestrichen haben. Wir bitten in dem Entschließungsantrag die Bundesregierung, der Deutschen Siedlungs- und Landesrentenbank die Auflage zu geben, Kapitalmarktmittel bis zu 200
*) Siehe Anlage 30 **) Siehe Anlage 31
Millionen DM aufzunehmen, um die ländliche Siedlung fortzuführen. Eine Belastung des Bundeshaushalts tritt dadurch nicht ein.
Ich meine, daß dies ein sehr friedlicher Antrag am Schluß des heutigen Tages ist. Ich beantrage Überweisung an den Haushaltsausschuß und zur Mitberatung an den Ausschuß für Heimatvertriebene und Flüchtlinge.
Meine Damen und Herren! Sie haben den Antrag gehört, den Entschließungsantrag auf Umdruck 330 an den Haushaltsausschuß - federführend - und zur Mitberatung an den Ausschuß für Angelegenheiten der Heimatvertriebenen und Flüchtlinge zu überweisen. Wer diesem Antrag zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Es ist so beschlossen.
Wir kommen jetzt zum letzten Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU, SPD auf Umdruck 334 *). Hierzu möchte ich darauf aufmerksam machen, daß sich ein sinnentstellender Druckfehler eingeschlichen hat. In der dritten Zeile muß es statt „Seegenossenschaft" richtig „Seeberufsgenossenschaft" heißen. Mit dieser Änderung wird dieser Antrag jetzt zur Abstimmung gestellt. Wortmeldungen liegen nicht vor.
Wer diesem Entschließungsantrag zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe bitte! - Enthaltungen? - Der Antrag ist einstimmig angenommen.
Meine Damen und Herren, damit ist die heutige Sitzung beendet. Es wird Sie vielleicht interessieren, daß die Diskussion von insgesamt 95 Sprechern bestritten worden ist. - Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages für Mittwoch, den 13. Dezember, 9 Uhr, ein.