Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet.
Meine Damen und Herren, ich rufe Punkt 10 der, Tagesordnung auf:
a) Große Anfrage der Fraktion der CDU/CSU betr. Studienreform
- Drucksache V/1742 -
b) Große Anfrage der Fraktion 'der SPD
betr. Wissenschaftsförderung und Wissenschaftsplanung
- Drucksache V/2132 Ich erteile im Zusammenhang damit dem Abgeordneten Dr. Dichgans das Wort zur Geschäftsordnung.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen, meine Herren! Gemäß § 39 der Geschäftsordnung stelle ich folgenden Antrag. Erstens: der erste Redner jeder Fraktion hat 30 Minuten Redezeit. Zweitens: alle folgenden Redner aus dem Hause haben je 15 Minuten. Drittens: Die Praxis, Manuskripte 'zu Protokoll zu nehmen, soll dadurch nicht eingeschränkt werden.
Wegen der Begründung beziehe ich mich auf meine Ausführungen bei der ersten Lesung des Haushalts 1968.
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Herr Abgeordneter Schulte.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben bereits vor kurzem, wie Herr Kollege Dichgans gerade ausführte, seinen Antrag gehört. Ich mußte ihm damals widersprechen, weil wir der Auffassung waren, es sei ein ungeeignetes Objekt. Ich möchte heute nicht versäumen, zu erklären, daß ich dem Grundanliegen von Herrn Dichgans hier zustimme. Wir
erklären uns deshalb heute mit ihm einverstanden und werden für diesen Antrag stimmen.
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Das Wort hat der Abgeordnete Moersch.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die wohlgemeinten Bemühungen des Kollegen Dr. Dichgans werden, wenn ich mir die heutige Besetzung der Regierungs- und Bundesratsbank ansehe, leider das Ergebnis haben, daß die Opposition bei der heutigen Debatte in unfairer Weise benachteiligt werden wird.
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- Entschuldigen Sie, Sie werden es erwarten können. Erstens haben die Regierungsvertreter auf Grund der Vorschriften des Grundgesetzes ein außerordentliches Übergewicht im Parlament. Zweitens haben die Koalitionsfraktionen ein Übergewicht gegenüber der Opposition. Wir werden uns Mühe geben, keiner von uns wird länger als 15 Minuten sprechen, Herr Dr. Dichgans; verlassen Sie sich darauf. Aber wir bitten um Fairneß und bitten, die Entscheidungsfreiheit der Opposition nicht in dieser Weise einschränken zu wollen.
Ich bitte diesmal darum, diesen Antrag abzulehnen.
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Meine Damen und Herren, ich darf zuerst einmal klarstellen: ich vermute, daß sich der Antrag allein auf die Aussprache nach der Beantwortung der Großen Anfrage, nicht auf die Begründung der Großen Anfrage, bezieht; auf die Antwort sowieso nicht.
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Ist das so ,gemeint, Herr Abgeordneter Dichgans? Oder wollen Sie auch die Redezeit bei der Begründung beschränken?
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- Ah so! Das bedeutet, daß die Fraktionen, die begründet haben, nachher nur noch Redner mit
Vizepräsident Dr. Jaeger
15 Minuten Redezeit heraufschicken können, während die Fraktion, die nicht begründet, nachher einen Redner mit 30 Minuten Redezeit heraufschikken kann.
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Das muß nur klargestellt sein, damit wir wissen, was wir beschließen. So lautet also der Antrag. - Wer ihm zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Gegen wenige Stimmen angenommen.
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Meine Damen und Herren, wir kommen nunmehr zur Begründung der Großen Anfrage der Fraktion der CDU/CSU. Ich erteile das Wort der Abgeordneten Frau Dr. Wex.
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich habe ,die Ehre, die Grolle Anfrage der CDU/CSU-Fraktion zur Studienreform zu begründen. Sie liegt Ihnen in der Bundestagsdrucksache V/1742 vor.
Mit unserer Großen Anfrage bitten wir die Bundesregierung um Antwort auf folgende Fragen:
Erstens möchten wir wissen, welche Möglichkeiten die Bundesregierung für die Verwirklichung der vom Wissenschaftsrat empfohlenen Studienreform sieht und - im Zusammenhang damit - welche Bedeutung sie der statistisch errechneten Entwicklung der Studentenzahlen beimißt.
Zweitens möchten wir wissen, wie die Bundesregierung die Zusammenarbeit von Bund und Ländern beim Hochschulausbau und Hochschulneubau beurteilt.
Drittens möchten wir wissen, wie die Bundesregierung die Möglichkeiten einer mehrjährigen Finanzplanung auf diesem Gebiet beurteilt.
Der Großen Anfrage gingen im Jahre 1966 die Empfehlungen des Wissenschaftsrats zur Neuordnung des Studiums voraus, ferner am 25. November 1966 in einer Aktuellen Fragestunde dieses Hohen Hauses eine Debatte über die Studienreform. Kurz nach der Anfrage vom Mai 1967 hat der Wissenschaftsrat seine Empfehlungen zum Aufbau und Ausbau der wissenschaftlichen Hochschulen bis 1970 vorgelegt. Die sonstigen Veröffentlichungen, Stellungnahmen und Vorschläge über die Reform von Universität und Studium sind fast unübersehbar. Alle Betroffenen und Interessierten - und wer gehörte nicht dazu, wenn es sich um Ausbildung und Bildung handelt - haben sich einzeln oder in Gruppen zu Wort gemeldet. Trotz ernsthafter Bemühungen von vielen Seiten und an vielen Stellen ist weder auf dem Gebiet der Studienreform noch auf dem des Hochschulausbaus ein Ende der zur Zeit so schwierigen und unbefriedigenden Situation abzusehen. Wir verkennen nicht, daß in den letzten Jahren der Ausbau unserer Universitäten und der Bau neuer Universitäten große Fortschritte gemacht hat. Wir bestreiten auch nicht, .daß der Wissenschaftsrat, die Westdeutsche Rektorenkonferenz, die Kultusminister und die zahlreichen Vertreter der
akademischen Selbstverwaltung, wozu ich auch die studentischen Vertreter rechne, auf den verschiedensten Ebenen nicht nur die Diskussion um die Studienreform fortgeführt, sondern zum Teil auch schon mit der Verwirklichung wichtiger Reformen begonnen haben.
Aber all das kann und darf nicht darüber hinwegtäuschen, daß nicht nur die noch wachsende Überfüllung unserer Universitäten - wir werden darauf noch zu sprechen kommen -, sondern auch die Beantwortung der Frage nach der gesellschaftlichen Funktion der Universität uns vor wachsende Schwierigkeiten stellt. Es handelt sich hierbei nicht nur um Probleme, die sich auf den Innenbereich der Hochschulen beziehen, sondern auch um Probleme, die die Zukunft unseres Volkes entscheidend bestimmen.
In dieser Lage halten wir uns für berechtigt, an die Bundesregierung Fragen zu stellen, die sich auf die Bildungspolitik und das Hochschulwesen in der Bundesrepublik beziehen. Wir begeben uns damit ohne Zweifel auf ein Gebiet, auf dem die Länder ihre Zuständigkeit haben. Nicht umsonst erfreuen wir uns heute der Anwesenheit so zahlreicher Vertreter der Länder.
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Wir sind aber der Überzeugung, daß die Kompetenzverteilung nach dem Grundgesetz diesem Hohen Hause nicht das Recht verwehrt, eine für die Zukunft der Gesamtnation so entscheidende Frage zu diskutieren,
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ja, daß wir geradezu die Verpflichtung haben, elementare Lebensfragen unseres Volkes in diesem Hause zu behandeln.
Dazu gehört, daß sichergestellt wird, daß der wissenschaftlich vorgebildete Nachwuchs, ohne den eine moderne Gesellschaft nicht zu existieren vermag, im erforderlichen Umfang und in der erforderlichen Qualität zur Verfügung steht. Es muß in kürzester Zeit Klarheit darüber geschaffen werden, welche Maßnahmen erstens an der Hochschule selbst nötig sind und welche Maßnahmen zweitens auf dem Gebiet der staatlichen Planung von Bund und Ländern zu treffen sind. Das ist nicht zuletzt darum für uns in diesem Hause so entscheidend, da wir mit der von uns gebilligten mittelfristigen Finanzplanung und den im Gesetz beschlossenen Stabilisierungsmaßnahmen die Finanzlage von Bund und Ländern - und sie ist für den Ausbau von Wissenschaft und Forschung entscheidend - in einen außerordentlich starken inneren Zusammenhang gebracht haben. Wie wird er sich auf die Lösung dier Probleme von Wissenschaft, Forschung und Bildung auswirken?
Wie immer man zu den Aktionen verschiedener studentischer Gruppen an unseren Universitäten auch stehen mag, sie sind unter anderem auch ein Symptom für die kritische Situation an unseren Universitäten, und sie haben uns auf dringliche Nöte der Gegenwart weiter aufmerksam gemacht. So reizvoll es wäre, den Leistungen und den Versäumnissen der Vergangenheit nachzugehen, so unergiebig wäre das auch. Denn entscheidend ist, welche Planungen
- und das darf nur heißen, welche realisierbaren Planungen - Bund und Länder jetzt für die Zukunft vorlegen können, und darauf zielt unsere Frage.
Ich brauche hier kaum zu sagen, daß die Debatte über die Studienreform, daß überhaupt die Diskussion über die Fragen, die uns hier beschäftigen, nicht erst in jüngster Zeit in Gang gekommen sind. In der Öffentlichkeit entsteht zuweilen der Eindruck, erst die Studenten hätten die Verantwortlichen auf die derzeitigen Unzulänglichkeiten und Mängel an unseren Hochschulen aufmerksam gemacht. So verhält es sich nicht. Die Unruhe der Studenten ist vielmehr auch eire Reaktion auf die Verzögerung der längst fälligen Entscheidungen von einem Monat, von einem Jahr zum anderen.
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Es wäre verhängnisvoll, sollte es uns nicht gelingen, die Studenten von der Ernsthaftigkeit der Absichten zu überzeugen. Es wäre verhängnisvoll, wenn wir ihnen nicht helfen könnten, wo sie etwas Richtiges vorzuschlagen haben, und wenn wir sie nicht da, wo wir ihnen nicht folgen können, mit überzeugenden Gründen widerlegten. Andererseits weigern wir uns aber, denen zuzustimmen, die von Ungeduld beherrscht sind, weil sie die differenzierte Problematik eines Bildungswesens in einem demokratischen Staat verkennen und ihre Kritik an sicher nicht idealen Zuständen einer Universität als Ventil benutzen, um antiparlamentarischen Gefühlen Luft zu machen.
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Die Erfahrungen in Diskussionen mit Studenten lassen hoffen, daß durch entschiedenes Handeln vieles wieder ins Lot zu bringen ist. Es ist aber der Augenblick gekommen, in dem die Schwächen der Universität zu Schäden der Gesamtgesellschaft zu werden drohen. Wir können uns nicht länger darauf verlassen, daß immer wieder durch die Initiative einzelner Hochschullehrer die konstitutionellen Mängel des Ganzen hier und da ausgebessert werden. Aber wir wollen auch nicht, daß der Staat dirigistisch ein bestimmtes Hochschulmodell dekretiert, sondern wir wollen die äußeren Voraussetzungen dafür schaffen, daß die Universität in Unabhängigkeit die innere Reform als Leistung ihrer eigenen Autonomie in die Gesellschaft einbringen kann. Dazu müssen alle Beteiligten wissen, mit welchen finanziellen Mitteln sie zu rechnen haben, und dann müssen wir hier fragen dürfen, was die Universität tut, um sich den Erfordernissen der Gegenwart zu stellen. Eine isolierte Autonomie der Universitäten ist ein Unding für eine Gesellschaft,
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die 70 % der Kräfte, die in ihr Führungsaufgaben übernehmen sollen, dieser Institution anvertraut.
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In den Publikationen über unser Hochschulwesen bezeichnen die Prognosen über die voraussichtliche Entwicklung der Studentenzahlen den eigentlich kritischen Punkt: Wir wissen, daß wir mit einem sprunghaften Ansteigen dieser Zahlen in allernächster Zukunft zu rechnen haben. Diese Prognosen treffen mit der deutlich gewordenen Begrenzung der Finanzmittel zusammen. Der Wissenschaftsrat ging bei seiner Stellungnahme aus dem Jahre 1960/61 davon aus, daß es möglich sei, durch den Ausbau der bestehenden Universitäten, ergänzt durch einige Neugründungen, genügend Studienplätze bereitzustellen. Man nahm an, die Schere zwischen Abiturientenzahlen und Studienplätzen werde sich schließen. Jetzt steht fest, daß das nicht der Fall ist. Der Bedarf ist durch die derzeitige Planung unter gar keinen Umständen zu decken. Der Ausbau der Universitäten allein kann das Problem nicht lösen.
Zugleich ist eine gründliche Neuordnung des gesamten Studienwesens nötig. Diesem Zweck sollten die Empfehlungen des Wissenschaftsrats dienen. Durch Straffung des Studiums und durch Verkürzung glaubte man Abhilfe schaffen zu können. Diese Bestrebungen wird man gutheißen können. Eine endgültige Lösung ist von ihnen aber nicht zu erwarten; denn sie können, wenn sie nicht durch andere Maßnahmen ergänzt werden, den Augenblick, zu dem die generelle Einführung eines Numerus clausus an den Universitäten für alle Fächer nötig wird, schwerlich hinauszögern.
Angesichts dieser Tatsache mußten nach der Veröffentlichung der Empfehlungen des Wissenschaftsrats neue Überlegungen angestellt werden. Diesen Überlegungen liegt die Auffassung zugrunde, die wir bereits in der aktuellen Stunde vertreten haben, daß über Studienreform nicht geredet werden kann, wenn nicht zugleich das Ganze des Bildungsgangs ins Auge gefaßt wird. Das scheint uns wichtig zu sein.
Es ist bekannt, daß das Land Baden-Württemberg einen Gesamthochschulplan vorgelegt hat, auf den ich hier nicht im einzelnen eingehen will. So erfreulich dieser Plan als Ausdruck eines energischen Willens zur Bildungsexpansion auch ist, er wirft die Frage auf, ob es nicht für die gesamte Universitätsplanung problematisch ist, wenn Hochschulpläne nur für ein Land verwirklicht werden, ohne daß entsprechende Pläne auch in anderen Ländern vorliegen. Angesichts der Tatsache, daß es sich gerade bei den Universitäten um überregionale Institutionen handelt, ist diese Frage für einen Bundesstaat von besonderer Dringlichkeit.
Der von Dahrendorf entwickelte Plan des Landes Baden-Württemberg geht überdies von der Überzeugung aus, daß es möglich ist, die ständig steigenden Abiturientenzahlen im Rahmen eines Gesamthochschulverbandes aufzufangen. Diesem Plan hat vor einigen Monaten der frühere Kultusminister von Nordrhein-Westfalen, Mikat, eine Konzeption gegenübergestellt, die die Schaffung einer Akademiereife vorsieht, den Ausbau von Fachakademien anstrebt, gleichzeitig aber auch eine Überprüfung des starren Laufbahnrechts empfiehlt und die Hochschulreform mit einer unumgänglich notwendigen Schulreform verbindet. Diese Konzeption geht davon aus, daß die Oberstufe des Gymnasiums wieder funktionsfähig für die Universitäten gemacht werden muß, daß es aber irreal ist, zu glauben, es sei in absehbarer Zeit möglich, die steigende Zahl von höheren Schülern, so erfreulich diese anstei6898 Deutscher Bundestag - S. Wahlperiode Frau Dr. Wex
gende Zahl für uns alle auch ist - eine Entwicklung, die wir nicht etwa hemmen wollen -, dereinst geschlossen auf die Hochschulen zu führen. Eine Fächerung müßte bei sorgfältiger Beratung von Schülern und Eltern schon in der Schule geschehen. Dazu könnte die Einführung einer Akademiereife helfen.
Wie ich Pressemitteilungen entnehme, hat der hessische Kultusminister Schütte die Schaffung einer Akademiereife begrüßt, und die Kultusminister haben auf ihrer letzten Sitzung wichtige Beschlüsse in dieser Hinsicht gefaßt. Wir wären der Bundesregierung dankbar, wenn auch sie sich zu diesem Problem äußerte. Dabei wäre es von größter Wichtigkeit, zu erfahren, ob die Bundesregierung die Möglichkeit sieht, einmal den Bedarf der gesamten Volkswirtschaft an qualifizierten Kräften in Zusammenarbeit mit den Ländern feststellen zu lassen, weil das eine wichtige Voraussetzung für sinnvolle Planung wäre, einmal dafür, in welche Richtung die Kultusminister ihre Bemühungen richten sollen, und zweitens auch dafür, wie und wo bei Neugründungen oder beim Ausbau der Universitäten die Schwerpunkte liegen sollen. Alles dieses ist nur in gemeinsamer Arbeit zu lösen, muß schneller und effektiver gelöst werden als bisher. Uns bleiben vielleicht noch ein paar relativ ruhige Jahre, um weitschauend zu planen. Dann erst wird deutlich werden, ob wir diese Jahre genützt haben oder ob unser Bildungs-und Ausbildungswesen ausschließlich mit Numerus clausus-Verfügungen gelöst werden muß.
Glaubt die Bundesregierung in diesem Stadium nicht, es sei jetzt an der Zeit, die Ministerpräsidenten der Länder in partnerschaftlicher Form an einen Tisch zu bringen und so lange mit ihnen zu verhandeln, bis ein einheitliches Konzept erarbeitet ist, mit der Absicht, gemeinsam ein Gremium zu schaffen, das entscheidungsfähig ist. Wir hoffen, daß das möglich ist.
Ich erinnere an den Hinweis des Kollegen Dichgans auf das Europäische Parlament, wo die Beratungen durch das Gewicht der Argumente und durch die Persönlichkeiten, die sie dort und dann in ihren Länderparlamenten vertreten, Einfluß bekommen haben.
Es ist hier wie dort ein mühseliger Prozeß, weil wir es mit gewachsenen Eigenständigkeiten in Landschaft und Konfession zu tun haben, und es ist darum ein mühseliger Prozeß, weil ein materielles Leitbild - ein ideelles ist leichter zu formulieren - für Europa - wie auch für die Bildung - sehr schwer zu erstellen ist. Aber keiner wird bestreiten, daß Einsicht und Können auch in einem so langwierigen Prozeß zu Erfolgen führen können, und auf dem Gebiet, auf das sich unsere Fragen beziehen, muß bald ein Erfolg herbeigeführt werden, damit nicht unter dem Druck der Unzufriedenheit vieler Seiten Maßnahmen ergriffen werden müssen, die der Sache im ganzen nicht gerecht werden.
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Wer sich die Debatten, die in der Vergangenheit in diesem Hohen Hause über Forschung, Ausbildung und Bildung geführt worden sind, an Hand der Protokolle noch einmal vergegenwärtigt, wird feststellen - und darüber sollten wir sehr froh sein -, daß es in der gemeinsamen Zielsetzung zwischen den Fraktionen dieses Hauses keine Differenzen gibt. Es ist auch schon mehrfach von Sprechern aller drei Fraktionen die Priorität der Ausgaben für Forschung, Wissenschaft und Bildung hier postuliert worden.
Wir wissen alle, daß wir nichts Unmögliches fordern können, aber wir wollen mit unserer Anfrage Klarheit über das schaffen, was bei Anstrengung aller Kräfte und bei Bejahung der Priorität von Forschung, Wissenschaft und Bildung möglich ist. Nur wenn diese Klarheit auch über den finanziellen Rahmen, der uns in den nächsten Jahren gesetzt ist, besteht, werden wir hoffen können, die innere und äußere Reform unseres Hochschulwesens voranzutreiben.
Welche Wege sieht also die Bundesregierung, über das bisher Versuchte hinaus, die Beteiligten und zuständigen Stellen zur Zusammenarbeit zu führen, den von ihr mitgeschaffenen Gremien Wissenschafts- und Bildungsrat zu größerer Wirksamkeit zu verhelfen, und welche Kräfte könnte sie für diese Zusammenarbeit noch gewinnen? Einen „Befehl" in die Verfassung aufzunehmen, diese Überlegung müßte durch die Qualität und den Erfolg der Zusammenarbeit aller Beteiligten überflüssig werden. Wir hoffen, daß das möglich sein wird, und wir werden nicht aufhören, nach Fortschritten und nach Ergebnissen dieser Zusammenarbeit zu fragen.
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Ich darf der erst vor kurzem in den Deutschen Bundestag eingetretenen Frau Kollegin zu ihrer parlamentarischen Jungfernrede herzlich gratulieren.
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Das Wort zur Begründung der Großen Anfrage der Fraktion der SPD hat der Abgeordnete Dr. Meinecke.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir, zur Begründung der Großen Anfrage der Fraktion der SPD einleitend bitte zwei Bemerkungen:
Erstens. Jeder feiert das zehnjährige Bestehen des Wissenschaftsrats auf seine Weise, durch Fernbleiben oder Protest oder durch Dasein oder durch die kritische Würdigung der Empfehlungen dieses Rats und die Abwägung der Möglichkeiten ihrer Realisierung. Der Deutsche Bundestag hat seine Chance immer schon genutzt, alle Probleme der Wissenschaftsförderung auf Grund der vorliegenden Empfehlungen regelmäßig politisch hier zu durchleuchten, und setzt heute diesen Dialog fort. Neue Empfehlungen liegen vor. Welche Folgen zieht die Bundesregierung aus diesen neuen Empfehlungen bis zum Jahre 1970?
Um die heutige Diskussion zu kürzen und zu straffen, gewissermaßen die Art, solche Gespräche
hier zu führen, ein wenig zu reformieren, beschränken wir uns auf die ersten drei Punkte unserer Großen Anfrage. Die weiteren Fragen kommen zu einem späteren Termin auf die Tagesordnung.
Zweitens muß ich Sie bitten, sich gedanklich vorzustellen, daß vor Ihnen auf den Pulten die anderen bereits früher vorgelegten Empfehlungen des Rates, die Berichte der Bundesregierung über den Stand der Maßnahmen auf dem Gebiete der Bildungsplanung, der Ausbildungsförderung und der Bundesbericht Forschung II liegen, Berichte, die ihre Vorlage vorwiegend sozialdemokratischen Initiativen verdanken! Das Ausmaß der vorliegenden Daten ist also imponierend. Ein Informationsspeicher mit direktem Zugriffsverfahren müßte uns zur Verfügung stehen.
Bei dieser Gelegenheit sei der deutschen Presse auf ihre immer wieder stereotyp gestellten Fragen, ob die Abgeordneten eigentlich solche Berichte auch lesen, zugesichert: die Abgeordneten fordern diese Berichte, sie lesen sie, und sie ziehen daraus ihre Konsequenzen.
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Meine Damen und Herren, eine Analyse der Wissenschaftsdebatten in diesem Hause seit dem letzten Jahr läßt ein vielfarbiges Bündel untereinander verfilzter Fragen erkennen. Diese konzentrieren sich im wesentlichen auf die folgenden Themen: Gesetz zur Förderung der Forschung auf Grund der Kompetenzverteilung im Grundgesetz - ja oder nein? Verwaltungsabkommen zwischen Bund und Ländern einerseits und unter den Ländern andererseits; Planungsmöglichkeiten, Schwerpunktbildung, Ausbildungs- und Studienreformfragen, Bedarfsschätzung, Studentenzahlen, ferner Finanzierungsmöglichkeiten im Zeichen der Depression. Als Hauptthema der letzten beiden Jahre ist aber hier immer wieder die Betonung der Interdependenz der Ziele der Wirtschafts- und Sozialpoiltik mit denen der Bildungs- und Wissenschaftspolitik aufgetreten. Kurz, die gesellschaftspolitischen Fragen haben sich in der letzten Zeit in den Vordergrund gedrängt, und zumindest seit dem Jahre 1964 trägt man, wie der Herr Kollege Strauß es damals gesagt hat, in diesem Haus „Hochschulreform". Nun, ich glaube, dieser Look ist noch nicht unmodern geworden, jedoch das Kostüm platzt aus den Nähten!
Das Bild der hochschulpolitischen und wissenschaftspolitischen Landschaft hat sich nun gewandelt. Früher kontrovers betrachtete Alternativen sind umstritten geworden, neue Entwicklungen zeichnen sich ab, Prioritäten haben sich bereits durchgesetzt. Manche Fragen sind jedoch brennender geworden wie auch leider unlösbar geblieben. Was ist neu in dieser Landschaft? Lassen Sie mich versuchen, es knapp zu skizzieren.
Das „Ertragreiche" der Förderung der Forschung in Schlüsselbereichen der technischen Entwicklung, wie der Elektronik, der Atomkernenergie und der Weltraumforschung, für die Zukunft der Gesamtwirtschaft und damit für das Wohl unseres Volkes betonte der Herr Bundeskanzler in seiner Regierungserklärung vom vergangenen Jahr. Das finanzielle Bekenntnis zu weiteren Schwerpunktgebieten, wie der Meeresforschung, der Errichtung von Großrechenzentren, neuen umwelthygienischen Aufgaben sowie biologisch-naturwissenschaftlichen Forschungsgebieten, liegt bereits vor. Wir sehen, daß die Ressortforschung mehr und mehr in die Bewältigung großer Zukunftsaufgaben einbezogen wird. Wir müssen aber erkennen, daß die Tendenz zur betonten Förderung einer zielgerichteten Grundlagenforschung, daß die Betonung ökonomisch-legitimer Staatsinteressen nur die eine Seite einer Medaille ist, deren andere Seite geprägt bleiben muß durch Freiheit und damit auch durch Zweckfreiheit, ja durch Blindheit der Grundlagenforschung. Hier drohen für die Zukunft gewisse Gefahren.
Zweitens. Die Internationalisierung der Forschung und damit auch eine langfristige finanzielle Bindung haben für uns bereits den europäischen Raum überschritten; unsere Partnerschaften liegen in den Vereinigten Staaten, und Partner unserer Partner, wie unserer französischen Freunde, sind die UdSSR geworden. Das heißt: die Kommunikation der Forschung des ganzen Erdballs verdichtet sich in rasanter Weise. Diese Entwicklung dient dem Frieden!
Warum diese übergreifende Schau? werden Sie mich fragen. Weil hier klargemacht werden muß, daß in der Suprastruktur unserer Forschung und Wissenschaft bereits klare Vorstellungen über eine sich anbahnende Gesamtplanung bestehen, daß das Element der Planung, der zielgerichteten Verteilung der Mittel bereits für die nächsten Jahrzehnte auf diesen Sektoren existiert.
Drittens. Die früheren Empfehlungen des Wissenschaftsrates haben das leider nicht sehr erfolgreiche Prinzip der Schwerpunktbildung einiger Disziplinen an den Universitäten nicht durchsetzen können und jetzt erneut konkrete Vorschläge für Sonderforschungsgebiete entwickelt, deren Pflege jeweils auf eine oder mehrere Hochschulen beschränkt bleiben sollte. Hier sollte die erwünschte Konzentration der Kräfte und die Förderung der Kooperation durch Abstimmung mit der Deutschen Forschungsgemeinschaft und durch das Entgegenkommen der freien Wirtschaft flankierend unterstützt werden.
Das Blaue Gutachten aus dem Jahre 1960 betonte noch, ein System einer Hochschulreform zu entwickeln, sei nicht die Aufgabe des Rates. Zwar wurde damals noch vor hierarchischer Entartung gewarnt - soweit diese Warnung damals noch angebracht war -, und es wurden Schlagworte geprägt wie das von der „Monokratie und der Oligarchie der Ordinarien". Doch im Grunde genommen stand damals Dringlicheres zur Diskussion. Der Irrtum, unsere Universitäten würden sich selbst reformieren, war als solcher damals noch nicht klar genug erkannt worden. So ist das Problem der Hochschulreform also gewiß nicht neu, jedoch der Aggregatzustand hat sich verdichtet. Der Rat ist jedenfalls jetzt mutiger geworden. Anregungen zur demokratischen Institutsverfassung, Bedenken gegen das etablierte Habilitationsverfahren und die Betonung der Möglichkeit, Berufungen in bestimmten Disziplinen auch ohne Habilitation auszusprechen, wie auch insbesondere die leider nur sehr, sehr vor6900
sichtigen Äußerungen über die Heranziehung aller Gruppen der „Lehrenden und Lernenden" in die. Selbstverwaltung sollten von diesem Hause nachdrücklichst bekräftigt werden.
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Eine unterschiedliche Lösung nur dieses kleinen Katalogs in den verschiedenen deutschen Universitätsverfassungen und -gesetzen, meine Damen und Herren, ist zwar zweifellos legitim, aber für die weitere Entwicklung in unserem Lande völlig sinnlos.
Viertens: Was ist noch neu? Neu ist leider die resignierende Distanzierung von den Thesen des Blauen Gutachtens zum Thema der Zulassungsbeschränkungen. Den damals noch mit verfassungsrechtlichen und bildungspolitischen Argumenten gestützten Aussagen, keine Beschränkung des Zugangs zu,, den Hochschulen einzuführen, stellt sich das durch Erläuterung der Rechtslage fundierte Bekenntnis zur Unvermeidbarkeit des „numerus clausus" gegenüber. Hinzu kommen ganz einfach eben leider neue Zahlen; ich muß hier sagen: korrigierte Zahlen. Und nun, meine Damen und Herren, wird's brennend, nun wird es ernst: Allein schon um die mögliche Fehlerbreite geschätzter vorweg berechneter oder ermittelter Zukunftszahlen auch für künftige Debatten einmal in ihrem Ausmaß zu erkennen, muß hier doch noch einmal kurz ergänzt und dargelegt werden, daß die letzten Vorausschätzungen des Rates aus dem Jahre 1964 bezüglich der zu erwartenden Abiturientenzahlen für den Zeitraum von 1966 bis 1970 um 38%, d. h. um 100 000 Abiturienten, zu niedrig, für die Spanne von 1971 bis 1975 um 112 000 zu niedrig lagen. Das heißt: die Gesamtschätzung der Jahre 1963 bis 1980 lag um 350 000 Abiturienten zu niedrig.
Nun werden Sie mir sagen: Was nützt das schon? Ich meine dennoch, hätten wir damals vor zwei, drei Jahren diese Zahlen gewußt und hätte die deutsche Öffentlichkeit sich diese Zahlen ins Bewußtsein drängen lassen, dann wären wir möglicherweise beispielsweise beim Ausbau der neuen Universitäten heute weiter und hätten deren Kapazität möglicherweise anders veranschlagen können.
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Im übrigen ist in Anbetracht der warnenden Äußerungen Eddings und ,der wohlfundierten Voraussetzungen des Herrn Scheidemann aus dem damaligen Innenministerium, dem dafür heute von diesem Platz aus einmal ein großes Kompliment gemacht werden muß, mir persönlich diese Fehleinschätzung völlig schleierhaft.
Was, meine Damen und Herren, haben wir nun daraus zu erkennen? Erstens, daß bei der Abfassung von Statistiken niemals Wunschvorstellungen als variable Größen eingesetzt werden dürfen. Zweitens, daß, wenn die Zahl der Studienanfänger eine etwa 85%ige Funktion der gleichzeitigen Abiturientenzahl bleibt, wir weder ,die Gegenwart meistern noch unter den gegebenen Umständen überhaupt die Zukunft bewältigen können. Das hat
meine Vorrednerin schon klar gesagt. Drittens, daß mehr als 'bisher für politische Alternativen im Gesamtbereich der Bildungspolitik „Regelkreise mil Rückkopplungseffekt" zu erkennen sind, d. h. wer in diesen Funktionskreisen eine Variante ändert, wer z. B. den Zugang zu den höheren Schulen erhöht, wer die Abgangsquote aus ,den höheren Schulen senkt, muß vorher alle Konsequenzen durch Veränderung der Variablen durchrechnen. Er muß wissen, wenn er das „Bürgerrecht auf Bildung" verwirklichen will, wenn er die Begabungsreserven mobilisieren will, weiterführende Schulen eröffnen will, daß er die sich .daraus ergebenden Konsequenzen vorher in Betracht ziehen muß.
Wir sollten nunmehr, ohne weiter in die Vergangenheit zu blicken, das für die Zukunft ganz klar sehen. Es sind neue Konzeptionen zu durchdenken. Darauf beziehen sich heute die Fragen der CDU/ CSU einerseits, darauf beziehen sich andererseits die von uns vor einem Jahr in der Aktuellen Stunde bereits vorgetragenen Argumente 'für eine ehrliche Lösung des Problems „Abitur". Auch wenn diese Lösung vielleicht unpopulär ist, habe ich das Gefühl, daß der Jugend eine ehrliche unpopuläre,, aber klare Lösung lieber ist als die Anwendung technischer Tricks über Jahre hinaus. Hinzuzuziehen sind natürlich bei unseren Betrachtungen die Pläne aus Baden-Württemberg, zu einer „differenzierten Gesamthochschule" zu kommen. Genau wie meine Vorrednerin möchte ich aber davor warnen, jetzt isoliert in einem Bundesland ein solches Modell durchzuspielen.
Meine Damen unid Herren, ich fürchte, wir haben bisher die deutschen Studenten als Kollektiv, gewissermaßen nur als ein zu verkraftendes Zahlenbündel, als ,Subventionsempfänger, besser vielleicht: als Investitionsempfänger betrachtet. Wir müssen aber ganz klar sehen, daß der gesellschaftspolitische Kraftsektor der Studentenschaften natürlicherweise zur Staatsverdrossenheit führen muß, wenn wir diese Probleme nicht im nächsten Jahr lösen.
Die Lösungen aber müssen sich in der Zusammenarbeit von Wissenschaftsrat und Bildungsrat, insbesondere da Bund und Länder in diese integriert sind, finden lassen. Wir fragen also nach der Möglichkeit, gemeinsam eine Art Gesamtvorstellung zugrunde zu legen, wobei heilige Kühe zumindest einmal theoretisch, im Modell, geschlachtet werden müssen. Welche Chancen, fragen wir, hat die Neuformulierung des am 31. Dezember 1966 abgelaufenen Abkommens zwischen den Ländern und dem Bund, in dessen Förderungsmaßnahmen auch die Finanzierung der Deutschen Forschungsgemeinschaft und der Max-Planck-Gesellschaft einbezogen ist? Wir fragen: Einigt man sich, ,das „Honnefer Modell" den Realitäten anzupassen, insbesondere natürlich dann, wenn Studienreformen zu einer Inanspruchnahme auch in den Semesterferien zwingen werden? Sind dem Bund und den Ländern die Stellungnahmen der Deutschen Forschungsgemeinschaft über die jetzt gepflogenen Finanzierungsmodalitäten bekannt, die auf die Aussage hinauslaufen: Das jährliche Hickhack über relativ kleine Beträge im Rahmen von KompetenzüberspitDr. Meinecke
zungen muß aufhören, da dieser Arbeitsaufwand nicht den Erfolg gerecht wird.
Das Königsteiner Abkommen läuft 1968 aus. Was wird geschehen? Der Bund konnte bis jetzt dem Verwaltungsabkommen der Länder über den Ausbau der neuen Hochschulen nicht beitreten. Wie stehen die Chancen eines Beitritts des Bundes zu diesem Abkommen?
Nun, wir wollen nicht verhehlen - das muß heute auch noch einmal erwähnt werden -: Neu. ist die sich anbahnende Einigung über Gemeinschaftsaufgaben im Rahmen der Finanzreform. Werden alle diese Abkommen, die ich eben erwähnt habe, für die Zukunft auf einen Nenner gebracht werden können? Neu ist auch - mein Vorredner hat das schon betont - die Durchsetzungskraft .des Prinzips der mittelfristigen Finanzplanung mit bereits festgelegten Plafondzahlen bis zum Jahre 1971 in den Einzelhaushalten. Entsprechende verpflichtende Festlegungen seitens der Länder liegen - soweit ich informiert bin; ich lasse mich gern korrigieren - bis jetzt nur seitens Hamburgs und Baden-Württembergs vor.
Ein Wort zum Schluß: Ebenfalls neu sind prospektive Betrachtungen und Berechnungen über den künftigen Bedarf an qualifizierten Arbeitskräften und an Akademikern. Diese Bemühungen verdienen große Aufmerksamkeit und Anerkennung. Aber solche Voraussagen dürfen nicht im Sinne einer verfassungswidrigen Berufslenkung mißbraucht werden. Sie müssen dagegen zu weitaus intensiverer Berufsberatung und aufklärung führen.
Ich hoffe, meine Damen und Herren, Ihnen die Bedrängnis, die hinter unseren Fragen steht, eindeutig klargemacht zu haben.
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Das Wort zur Beantwortung der beiden Großen Anfragen hat der Bundesminister für wissenschaftliche Forschung.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich beantworte die Großen Anfragen für die Bundesregierung wie folgt.
Die Fragen unserer Hochschulen, ihrer inneren Organisation und Leistungskraft, ihrer Stellung im Bildungssystem, in Staat und Gesellschaft beschäftigen die deutsche Öffentlichkeit seit einiger Zeit mit großer Eindringlichkeit.
Das Bild der deutschen Hochschulen fist nicht frei von Widersprüchen. Es ist durch einen bemerkenswerten Aus- und Neubau bestimmt, ihre Ausstattung mit modernen wissenschaftlichen Geräten und Hilfsmitteln, die großzügige Bereitstellung von neuen Forschungskapazitäten und viele andere Verbesserungen. Die Gesamtleistungen der Länder und des Bundes für die wissenschaftlichen Hochschulen erhöhten sich von 1,100 Milliarden DM im Jahre 1960 .auf 3,300 Milliarden DM im Jahre 1966, also in sechs Jahren auf 300 %.
Auf der anderen Seite steigen die Studentenzahlen schneller, als der Ausbau nachkommt. Die Studienzeiten verlängern sich ständig. Ausbildungsmethoden und Ausbildungsziele werden in Frage gestellt. Die Verfassung und Struktur der Hochschulen, die Zusammensetzung des Lehrpersonals, seine Funktion und das Studium selbst sind ein Problem geworden.
Das lebhafte Interesse der Öffentlichkeit ist voll berechtigt. Die Hochschulen bilden nicht nur unseren gesamten akademischen Nachwuchs aus, an ihnen findet auch etwa 80 % der Grundlagenforschung statt.
Die Aufgaben, um die .es hier geht, sind groß, schwierig und vielgestaltig. Es gibt in der aktuellen Diskussion - wir haben es in den Begründungen gehört - eine Fülle von Überlegungen, von Vorschlägen und Plänen zur Hochschulreform und auch zahlreiche Ansätze zur Verwirklichung. Besondere Bedeutung haben hierbei und im Hinblick auf den Wortlaut der beiden Großen Anfragen die Empfehlungen des Wissenschaftsrats vom Mai 1966 zur Neuordnung .des Studiums. Sie, meine Damen und Herren, kennen die leitenden Gedanken dieses Reformvorschlags und die wichtigsten Stellungnahmen. Ich brauche sie deshalb nur kurz zu skizzieren.
Das Studium ist heute vorwiegend zur Berufsvorbereitung geworden. Die Einheit von Forschung und Lehre kann somit nur in einer neuen, differenzierten Form aufrechterhalten werden. Der bedenklichen Tendenz zur zeitlichen Verlängerung des Studiums und der Ausbildung insgesamt muß entschieden entgegengewirkt werden.
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In mehreren Fakultäten ist es notwendig, die nicht befriedigende Erfolgsquote zu erhöhen. Der Wissenschaftsrat empfiehlt deshalb, die akademische Ausbildung in ein Studium für alle Studenten, ein Aufbaustudium und ein Kontaktstudium zu gliedern. Das Studium für alle Studenten soll in vier Jahren zu einer die Berufsfähigkeit bestätigenden Prüfung führen. Das Aufbaustudium dient der Vertiefung der Lehre und der unmittelbaren Beteiligung der Studenten an der Forschungsarbeit, und mit dem Kontaktstudium soll dem im Berufsleben stehenden Akademiker Gelegenheit gegeben werden, sein Wissen auf den neuesten Stand zu bringen.
Die Bundesregierung hat, wie bereits mehrfach betont wurde, im Wissenschaftsrat an den Reformplänen mitgewirkt und bejaht diese Vorschläge. Sie hat darauf hingewiesen, daß es nach unserer Verfassung und Rechtsordnung vor allem Sache der Länder und der wissenschaftlichen Hochschulen selbst sein wird, die Neuordnung zu verwirklichen. Ich habe bereits am 29. Juni 1966 vor diesem Hohen Hause gesagt, daß der Bundesgesetzgeber nur dort, wo er die Voraussetzungen für die Ausübung eines akademischen Berufes zu regeln hat - beispielsweise bei den Prüfungsordnungen für die Heilberufe oder bei einer Tätigkeit in der Justiz und in der Bundesverwaltung -, unmittelbar die Verwirklichung
der Empfehlungen sichern kann, indem er die Studiendauer entsprechend festsetzt.
Die Kritik an diesen Empfehlungen richtete sich vor allem gegen die sogenannte Verschulung und gegen die schematische Zweiteilung des Studiums. Es wurde gesagt, daß in Deutschland zum Studium auch die akademische Lernfreiheit gehöre. Die vorgeschlagene straffe Führung des Studiums, so wurde gemeint, gehe auf Kosten der Universalität und der Persönlichkeitsbildung. Mit der Zweiteilung des Studiums, so hieß es, mache der Wissenschaftsrat die von ihm propagierte Einheit von Forschung und Lehre wieder zunichte.
Einige wichtige Beiträge zu dieser Diskussion kamen von der Westdeutschen Rektorenkonferenz. Sie hat auf ihrer Plenarsitzung im Februar dieses Jahres das sogenannte Anfangsstudium bis zur Zwischenprüfung beraten und diesen Teil der Empfehlungen positiv aufgenommen. Im übrigen bieten die Hochschulen in dieser Beziehung kein teinheitliches Bild. Die Stellungnahmen der verschiedenen Fakultäten, vertreten durch ihre Fakultätentage, sind unterschiedlich. Während die Natur- und Ingenieurwissenschaftler, die Mediziner mit Ausnahme der Promotionsvorschläge, die landwirtschaftlichen Fakultäten und die Theologen die empfohlene Studienreform bejahen und zum Teil schon verwirklicht haben, äußern die Juristen, die Geisteswissenschaftler und in gewissem Umfang auch die Wirtschafts- und Sozialwissenschaftler verschiedene Bedenken.
Viele Äußerungen und Entscheidungen der Hochschulen sind von einem klaren und realistischen Remormwillen bestimmt. Aber, meine Damen und Herren, sie müssen auch ihrerseits das starke Drängen der Öffentlichkeit auf schnelle, wirkungsvolle Veränderung verstehen, weil sonst eine unerträgliche Lage zu entstehen droht.
Die Kritik an den Vorschlägen zur Neuordnung verkennt, daß eine gewisse Straffung des Studiums und eine bewußte Beratung und Führung der Studenten noch keine Verschulung und noch kein Einpauken bedeuten. Viele Beispiele in Deutschland und im Ausland zeigen, daß ein derartiges System nicht zu einer Beeinträchtigung der wissenschaftlichen Leistungen und Ergebnisse führen muß. Es geht einfach nicht an, daß man einer bedrohlichen Entwicklung untätig zusieht. So ist beispielsweise in den Geisteswissenschaften bei einer Mindeststudiendauer von 8 Semestern die Zahl der tatsächlichen absolvierten Fachsemester erneut von 10,3 im Jahre 1960 auf 11,8 im Jahre 1965 gestiegen. In der Volkswirtschaft ging die Steigerung - bei einer Mindeststudiendauer von 8 Semestern - von 9 im Jahre 1960 auf 10,1 Semester im Jahre 1965. Gegenüber dem Anfang der fünfziger Jahre ergibt sich in diesen Fächern eine Verlängerung von durchschnittlich 1 bis 1112 Jahre. Dagegen nahm von 1960 bis 1965 die Studiendauer in den straffer gegliederten Fächern nur geringfügig zu.
Es ist unbestritten, daß die Verwirklichung der Studienreform eine weitere beträchtliche Verstärkung der Lehrkörper voraussetzt. Hierzu hat der Wissenschaftsrat im Sommer 1967 detaillierte Vorschläge gemacht. In vielen Fakultäten kann heute und morgen der qualifizierte Nachwuchs freilich nur dann in genügender Zahl gewonnen werden, wenn den befähigten Kräften des sogenannten Mittelbaus ein größeres Maß an wissenschaftlicher Verantwortung und an Mitwirkung in den akademischen Gremien übertragen wird.
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Auch die Rechtsstellung der Assistenten muß überprüft und verbessert werden.
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Außerdem bedarf die Habilitationspraxis weithin einer Veränderung. Besonders qualifizierte Persönlichkeiten mit hervorragenden beruflichen Fähigkeiten und Erfahrungen sollten auch ohne Habilitation wesentlich zahlreicher als bisher in die Lehrkörper aufgenommen werden.
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Schließlich ist eine einheitliche und wirkungsvollere Ausbildungsförderung notwendig, um den Studenten eine von starken materiellen Sorgen freie Konzentration auf ihr Studium zu ermöglichen.
In den letzten beiden Jahren ist uns mit voller Schärfe bewußt geworden, wie stark die künftige Gestalt und Leistungskraft unserer Universitäten von allgemeinen bildungspolitischen Entscheidungen beeinflußt wird. Wir erleben in einem positiven Wettstreit der Bundesländer eine dynamische Ausweitung des weiterführenden Schulwesens in einem nicht vorhergesehenen Tempo; man spricht bereits von einer Bildungsexplosion. Staatliche Entscheidungen, vor allem aber die Hinwendung breiter, in ihrem sozialen Status gehobener und geistig lebendig gewordener Volksschichten zu einer qualifizierten Ausbildung ihrer Kinder kommen zusammen.
In einzelnen Bundesländern haben 1967 erstmals mehr als 50 % der Elfjährigen den Übergang zu einer weiterführenden Schule erreicht, davon im Durchschnitt zu gleichen Teilen in die Gymnasien und die Realschulen. Dies wird zu einer weiteren erheblichen Steigerung der Abiturientenzahlen führen. Die letzten Schätzungen gehen von etwa 71 000 Abiturienten im Jahre 1970 und etwa 96 000 im Jahre 1975 aus, gegenüber rund 51 000 im Jahre 1966 und rund 31 000 im Jahre 1950.
Dieser Prozeß ist von eminenter bildundgspolitischer, gesellschaftspolitischer und wirtschaftspolitischer Bedeutung. Er zeigt die Dynamik unserer freiheitlichen Gesellschaftsordnung und die Fähigkeit unseres gegliederten Schulsystems zu Reformen ohne abrupte Brüche. Aber hier werden nun zugleich tiefgreifende Reformentscheidungen ganz unumgänglich, die sowohl die Abschlußjahrgänge und -zeugnisse als auch den gesamten Bereich der Hochschulen und höheren Fachschulen einbeziehen müssen.
Die Ausbildungskapazität der wissenschaftlichen Hochschulen für 1966 wird nach den Erhebungen des Wissenschaftsrates auf rund 207 000 Studenten veranschlagt; tatsächlich studierten jedoch rund 263 000 Studenten an diesen Hochschulen. Man rechnet, daß
die zur Zeit geplanten und im Bau befindlichen neuen Hochschulen und neuen Fakultäten in den siebziger Jahren einen Zuwachs der Ausbildungskapazität von etwa 30 000 Plätzen bringen werden. Ohne die erforderlichen bildungspolitischen Reformen, also bei unveränderten Bedingungen, würden nach den vorliegenden Schätzungen für die achtziger Jahre etwa 400 000 bis 500 000 Studenten an den wissenschaftlichen Hochschulen zu erwarten sein. Angesichts dieser in der Tat gefährlichen, bedrohlichen Perspektiven zeichnen sich folgende Lösungen ab.
Erstens. Der zügige Ausbau der bestehenden Hochschulen und der Neubau von Hochschulen muß mit allem Nachdruck fortgesetzt werden. Wie Sie wissen, will der Bund für den Ausbau der bestehenden Hochschulen in den kommenden Jahren erhebliche Beträge zur Verfügung stellen, die sich von Jahr zu Jahr um 100 Millionen DM steigern: 1968 630 Millionen und 1969 730 Millionen DM. Die Verwendung dieser Mittel wird auf der Grundlage eines für mehrere Jahre geltenden Bauplanes geschehen, so daß isolierte, nicht in den gesamten Hochschulausbau eingepaßte Maßnahmen künftig unmöglich sein werden.
Wir müssen aber deutlich erkennen, daß selbst unter optimalen Bedingungen für ihren Ausbau und ihre innere Entwicklung die wissenschaftlichen Hochschulen nicht in der Lage sein werden, wie bisher 80 bis 90 % der Abiturienten aufzunehmen. Der Neubau einer wissenschaftlichen Hochschule für 10 000 Studenten kostet heute ohne Kliniken über 2 Milliarden DM.
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Zweitens. Durch die Verwirklichung der Studienreform wird eine spürbare Entlastung eintreten. Die durchschnittliche Verlängerung der Studienzeit um mindestens 2 Semester in den letzten 15 Jahren führt schon heute zu einer zusätzlichen Inanspruchnahme von etwa 40 000 Studienplätzen ohne eine entsprechende Vergrößerung der Zahl der Hochschulabsolventen.
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Wer also in Deutschland weiterhin gegen eine Verkürzung der Studienzeiten, weiterhin gegen Zwischenprüfungen und verbindlichere Studiengänge im Namen der individuellen oder akademischen Freiheit opponiert, nimmt stillschweigend oder ausdrücklich eine erhebliche Verminderung der Plätze für Studienanfänger und damit eine weitere Verschärfung des numerus clausus in Kauf, der leider heute schon in einigen Fakultäten als Übergangsmaßnahme unvermeidlich geworden ist.
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Dies gilt für die Äußerungen sowohl einiger Professoren als auch großer studentischer Organisationen.
Es genügt nicht, wenn in dieser ernsten Situation Regierungen, Professoren und Studenten die Reform des jeweils anderen fordern würden. Alle müssen
sich diesen harten Notwendigkeiten stellen und
auch die Konsequenzen für sich selbst akzeptieren.
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Wenn dies nicht geschieht und die Adresse der Reformvorschläge immer nur der andere ist, dann bleiben die kühnsten Parolen und eingreifendsten Forderungen unglaubwürdig, schal und leer.
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Drittens. Der Ausbau der wissenschaftlichen Hochschulen und die Neuordnung und Verkürzung des Studiums sind unentbehrliche Voraussetzungen für jede künftige Lösung. Dennoch reichen sie nicht aus, wie mit Recht in den Begründungen der beiden Großen Anfragen betont wurde. In Deutschland gehen zur Zeit etwa 80 bis 90 % der Abiturienten an die wissenschaftlichen Hochschulen. Die entsprechenden Zahlen für unsere Nachbarländer zeigen, daß sich in Frankreich rund 80 %, in Großbritannien 75 % und in Belgien sogar nur 64 % der Sekundarschulabsolventen bei den wissenschaftlichen Hochschulen einschreiben lassen. Es gibt keinen zwingenden Grund dafür, daß in Deutschland auch in Zukunft ein derad hoher Prozentsatz der Gymnasialabsolventen das Studium an einer wissenschaftlichen Hochschule beginnen muß.
Um hier eine Änderung zu schaffen, ist es allerdings nötig, die Funktion des Abiturs zu überdenken und zu klären.
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Das Abitur vermittelt nicht nur die Berechtigung zu einem Studium an einer wissenschaftlichen Hochschule, sondern erlaubt auch den Zugang zu einer ganzen Reihe anderer Ausbildungsgänge. Eine mögliche Lösung des Problems besteht darin, daß neben die Ausbildungsgänge, die vorwiegend auf die Gewinnung wissenschaftlichen Nachwuchses gerichtet sind, andere, neue treten, die eine spezialisierte Ausbildung für nichtwissenschaftliche Berufe und eine erweiterte allgemeine Bildung vermitteln und die ihren Platz außerhalb der wissenschaftlichen Hochschulen haben müßten. In Wirtschaft und Verwaltung besteht ein besonderer, zunehmender Bedarf an qualifiziertem Nachwuchs, der in der Lage ist, sich die für seine Arbeit erforderlichen Spezialkenntnisse in der Praxis oder einer praxisbezogenen Ausbildung anzueignen. Durch die neue Art der Ausbildung kann zudem eine erhebliche Senkung der Ausbildungskosten erreicht werden. An derartigen Ausbildungsstätten, wo die Studenten rascher zum Abschluß geführt werden, weniger Studenten das Studium ohne Examen abbrechen und keine kostspielige Forschung betrieben wird, kostet ein Absolvent die öffentliche Hand, wenn man den Durchschnitt aller Fachgebiete nimmt, nur etwa den dritten bis fünften Teil dessen, was ein Absolvent der entsprechenden Fachrichtung einer wissenschaftlichen Hochschule erfordert.
Ich möchte nicht falsch verstanden werden. Sicher brauchen der Staat und die Gesellschaft von morgen mehr Akademiker als gestern und heute. Wir erkennen jedoch deutlich, daß dies nicht für alle Disziplinen gleichmäßig gilt, daß in manchen Bereichen
der Fehlbedarf an Absolventen von höheren Fachschulen schon jetzt größer ist, die Nachfrage schon jetzt stärker als für Hochschulabsolventen der gleichen Fachrichtung.
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Von dieser Problemstellung gehen nun mehrere neue wichtige Beiträge zur Hochschul- und Bildungsreform aus. Ich nenne als Beispiel den schon zitierten Hochschulgesamtplan für Baden-Württemberg und die ebenfalls schon erwähnten Vorschläge des früheren nordrhein-westfälischen Kultusministers Professor Mikat. Der Plan für Baden-Württemberg sieht alle Hochschulen des Landes im Zusammenhang und unterscheidet innerhalb dieses „differenzierten Gesamthochschulbereiches" den „Allgemeinen Hochschulbereich", der etwa den gegenwärtigen wissenschaftlichen Hochschulen entspricht, und den „Fachhochschulbereich", der weitgehend mit den derzeitigen Ingenieurschulen und höheren Fachschulen gleichzusetzen ist. Daneben entwickelt der Plan mehrere „Studiengänge", von denen insbesondere das Kurzstudium, das drei Jahre dauern und zu einem berufsqualifizierenden Abschluß führen soll, und das Langstudium, das nach vier bis fünf Jahren beendet sein soll, charakteristisch sind.
Nach den Vorschlägen von Professor Mikat soll das Abitur und damit die Hochschule demgegenüber dadurch entlastet werden, daß auf der Ebene der mittleren Führungskräfte die Fachakademien besonders stark ausgebaut werden. Voraussetzung für die Aufnahme in die Fachakademien soll der Abschluß der Realschule oder beim Besuch der Gymnasien die erfolgreiche Beendigung des elften Schuljahres, also eine Art „Akademiereife", sein. Für die auf dem Gymnasium verbleibenden Schüler soll dann in den letzten zwei Jahren vor dem Abitur eine intensivere Vorbereitung auf das Studium möglich sein.
Beide Modelle, meine Damen und Herren, werfen eine Reihe von Fragen auf, die noch einer gründlichen Prüfung bedürfen. Deshalb ist eine abschließende Stellungnahme zur Zeit nicht möglich. Isolierte Lösungen im Bildungs- und Hochschulbereich sind bedenklich, wenn sie die Einheitlichkeit der wesentlichen Strukturen und damit in unserer immer mobileren Gesellschaft die Freizügigkeit über die Ländergrenzen hinweg bedrohen.
Dies kann allerdings keine Rechtfertigung für Untätigkeit oder eine langfristige Vertagung der notwendigen Entscheidungen sein.
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Dies kann allerdings keine Rechtfertigung für tragen nach unserer Verfassung ein besonderes Maß an Verantwortung. Wichtige Einzelfragen sind in Hochschulgesetzentwürfen der Länder in Angriff genommen; andere bedürfen dringend einer abgestimmten Initiative. Die Bundesregierung ist durch ihre Aufgaben in der Wissenschafts- und Gesellschaftspolitik, durch die zentrale Bedeutung der Bildungsfragen für die wirtschaftliche und soziale Ordnung von morgen zur tatkräften Mitwirkung verpflichtet.
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Mit dem Wissenschaftsrat und idem Bildungsrat haben sich Bund und Länder gemeinsame Beratungs-und Planungsorgane geschaffen, deren Voten zu den neuen weitergehenden Problemen jetzt erarbeitet werden müssen, um die staatlichen Entscheidungen vorzubereiten, Die künftigen Empfehlungen müssen durch reformerischen Willen und Realitätssinn, durch die Bereitschaft zur Veränderung, aber auch den Willen zur Kontinuität und die realistische Berücksichtigung des ökonomisch und finanziell maximal Möglichen bestimmt sein.
Ob wir in Deutschland diese großen Aufgaben überzeugend zu meistern vermögen, ist in der Tat ein schicksalhafter Testfall für die Fähigkeit zur Zusammenarbeit im Bundesstaat, den viel zitierten „kooperativen Föderalismus", aber auch für die geistige Kraft ,des Staates, der wissenschaftlichen Selbstverwaltung und der demokratischen Gesellschaft.
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Ich nehme jetzt zu der Ziffer 2 der Großen Anfrage ,der CDU/CSU und der Ziffer 3 ,der Großen Anfrage der SPD Stellung.
Im Wissenschaftsrat arbeiten Bund und Länder vor allem beim Ausbau und Neubau der wissenschaftlichen Hochschulen zusammen. Wie bereits erwähnt, liegen jetzt die Empfehlungen des Wissenschaftsrats zum Ausbau der wissenschaftlichen Hochschulen bis 1970 vor. In diesen Empfehlungen erscheinen alle Bauvorhaben der überkommenen wissenschaftlichen Hochschulen, deren Abschluß oder Inangriffnahme der Wissenschaftsrat bis 1970 für notwendig hält. Für die zeitliche Durchführung sind bestimmte Prioritäten festgelegt. An der Spitze dieser Prioritätenskala stehen vorrangig die Bauvorhaben, die der Verwirklichung der Studienreform dienen. Für die Zeit nach 1970 wird der Wissenschaftsrat sehr bald mit längerfristigen Gesamtplanungen des Hochschulbaus beginnen.
Daneben gibt der Wissenschaftsrat sogenannte Jahresempfehlungen zur Verwendung der für den Ausbau der Hochschulen in einem Haushaltsjahr bei Bund und Ländern bereitstehenden Mittel. Auf dieser Grundlage werden Bund und Länder ihre Zusammenarbeit im Hochschulbau fortsetzen.
Das Verwaltungsabkommen zur Förderung von Wissenschaft und Forschung vom 4. Juni 1964, das sich mit dem gemeinsamen Ausbau der wissenschaftlichen Hochschulen befaßt, ist zunächst mit dem 31. Dezember 1966 abgelaufen. Nach längeren Vorverhandlungen haben die beauftragten Kommissionen beider Seiten am 21. September 1967 einen gemeinsamen Text für die Neufassung des Abkommens vereinbart. Deshalb ist nach der jetzt bevorstehenden abschließenden Behandlung in der Ministerpräsidentenkonferenz ,der Länder mit seiner formellen Erneuerung in Kürze zu rechnen.
Eine besonders wichtige Aufgabe für die Entwicklung von Forschung und Lehre kommt den neuen Hochschulen zu. Von ihnen wird eine Erhöhung der Ausbildungskapazität erwartet; ferner sollen sie neue Modelle zur Hochschul- und Studienreform entwickeln und erproben.
Die Errichtung neuer Hochschulen ist leider wesentlich langsamer vorangegangen als erwartet; zur Zeit verfügen sie nur über etwa 5000 Studienplätze; bis 1970 dürfte sich diese Zahl nach den Schätzungen der Länder auf etwa 13 000 erhöhen.
Wie Ihnen bekannt ist, haben die Länder am 4. Juni 1964 ein Abkommen über die Finanzierung der neuen Hochschulen in Bochum, Bremen, Dortmund, Konstanz und Regensburg ohne Beteiligung des Bundes an den Verhandlungen geschlossen. Dem Bund ist später die Möglichkeit angeboten worden, dem Abkommen beizutreten. Über die Modalitäten einer solchen Beteiligung wird seit längerem verhandelt. Bereits jetzt fördert die Bundesregierung durch entsprechende vom Bundestag gebilligte Haushaltstitel im Vorgriff auf eine spätere Vereinbarung die Errichtung der Medizinischen Akademien Hannover, Lübeck und Ulm, die in das Förderabkommen der Länder nicht einbezogen waren. In diesem Jahr sind hierfür 39 Millionen DM vorgesehen.
Von entscheidender Bedeutung für eine künftige und sachgerechte und wirkungsvolle Regelung wird die Finanzverfassungsreform sein. Nach dem Vorschlag der Bundesregierung sollen der Neubau und. der Ausbau von wissenschaftlichen Hochschulen eine „Gemeinschaftsaufgabe" sein. Die Gespräche zwischen Bund und Ländern sind, wie Sie wissen, noch nicht abgeschlossen. Die Ministerpräsidenten der Länder haben jedoch schon jetzt ihre Bereitschaft bekundet, in diesem Punkt einer Verfassungsänderung zuzustimmen, die zu einer gemeinsamen Rahmenplanung und Finanzierung führen wird.
({14})
Dieses grundsätzliche Einvernehmen eröffnet die Chance für ein erweitertes, noch erfolgreicheres Zusammenwirken und eine baldige Beteiligung des Bundes am Neubau von wissenschaftlichenn Hochschulen und damit die Meisterung dieser großen Aufgabe.
Die Bundesregierung hat ferner einen neuen Art. 91 b des Grundgesetzes vorgeschlagen, der Bund und Ländern die Möglichkeit eröffnen soll, auch in anderen Bereichen von Wissenschaft und Forschung zusammenzuwirken. Dies würde eine Bestätigung und Festigung der bewährten Kooperation bei der Förderung der großen wissenschaftlichen Organisationen Max-Planck-Gesellschaft und Deutsche Forschungsgemeinschaft bedeuten, ferner die verfassungsrechtliche Grundlage für die gemeinsame Absicht, das neue wichtige Programm der Sonderforschungsbereiche an den Hochschulen nach den Vorschlägen des Wissenschaftsrats vereint in Angriff zu nehmen. Die Bundesregierung hat bereits im Haushalt für 1968 Mittel hierfür vorgesehen. Sie hofft, daß die Länder zu ähnlichen Entscheidungen für 1968 kommen. Dies kann auf dem Forschungssektor langfristig zu einer weiteren indirekten Entlastung der Länder für ihre hohen und schnell steigenden laufenden Ausgaben an den wissenschaftlichen Hochschulen führen.
Von der Finanzverfassungsreform erwarten wir eine wesentliche institutionelle und tatsächliche
Festigung der Zusammenarbeit von Bund und Ländern. Ihre Bedeutung, meine Damen und Herren, auch für die Wissenschaftspolitik kann gar nicht hoch genug veranschlagt werden.
({15})
Ich habe bereits auf die große Bedeutung der Empfehlungen des Wissenschaftsrates und des Bildungsrates für die Koordinierung der staatlichen Wissenschafts- und Bildungspolitik hingewiesen. Sobald der Vorschlag der Gemeinschaftsaufgaben verwirklicht ist, wird es notwendig sein, durch Institutionen von Bund und Ländern eine gemeinsame Rahmenplanung sicherzustellen, die nicht etwa den Eingriff in jedes administrative Detail bedeutet. Diese Fragen werden gegenwärtig in den regelmäßigen Besprechungen des Bundeskanzlers mit den Ministerpräsidenten der Länder und der zuständigen Bundes- und Landesminister behandelt.
Die Frage 3 der Großen Anfrage der CDU/CSU und die Frage 2 der Großen Anfrage der SPD beantworte ich wie folgt.
Die Bundesregierung hat am 6. Juli 1967 die mehrjährige Finanzplanung des Bundes bis 1971 beschlossen. Sie hat sich bei der notwendigen Festlegung von Prioritäten, der Kürzungen und der neuen Schwerpunkte davon leiten lassen, daß eine Erhöhung des Anteils der Investitionsausgaben an den Gesamtausgaben des Bundes zur Sicherung unserer wirtschaftlichen, sozialen und politischen Zukunft geboten ist. Im Zuge dieser Umstrukturierung wurde als besonderer Schwerpunkt die Förderung von Wissenschaft und Forschung herausgearbeitet. Die Mittel für den Etat des Bundesministers für wissenschaftliche Forschung sollen von 1967 bis 1971 um rund 16% jährlich zunehmen gegenüber einer durchschnittlichen Steigerung der Gesamtausgaben um 6 %.
Auf der Grundlage dieser Zuwachsraten wird aus heutiger Sicht der Einzelplan 31 von 1 602 000 000 DM im Jahre 1967 auf 2 940 000 000 DM im Jahre 1971 ansteigen. Die Gesamtleistung des Bundes für Wissenschaft, Forschung und technische Entwicklung dürfte dann einschließlich des Verteidigungshaushalts fast 5 Milliarden DM betragen.
({16})
Davon entfallen auf den Ausbau der wissenschaftlichen Hochschulen und den Neubau Medizinischer Akademien 1967 554 Millionen DM, 1968 655 Millionen DM, 1969 763 Millionen DM, 1970 770 Millionen DM und 1971 790 Millionen DM. Zu diesen Summen treten, wie Sie wissen, 1967 Sondermittel aus den beiden Investitionshaushalten und Bindungsermächtigungen im Vorgriff auf die kommenden Jahre hinzu.
Falls die entsprechenden Bund-Länder-Vereinbarungen auf der Grundlage der Finanzverfassungsreform rechtzeitig erreicht werden, soll der Betrag für 1970 und 1971 durch Umschichtungen im Etat zugunsten der neuen Hochschulen weiter erhöht werden. Die Begrenzung der Bundesleistungen auf 50 % und die Bestrebungen der Länder, auch ihrerseits zu einer mittelfristigen Finanz- und Sachplanung zu
kommen, rechtfertigen die Erwartung, daß auch ihre Leistungen trotz der gegenwärtigen Finanzschwierigkeiten ebenfalls angemessen steigen werden.
Die Bundesregierung hat bereits mehrfach ihre Absicht ausgesprochen, durch eine Reform des Haushaltsrechts zu einem flexibleren Verfahren und zu mehrjährigen Investitionsplänen zu kommen. Die erforderlichen Verhandlungen mit den Ländern werden gegenwärtig vom Bundesminister der Finanzen geführt. Es kann damit gerechnet werden, daß die neuen Gesetzentwürfe noch in dieser Legislaturperiode den gesetzgebenden Körperschaften fristgerecht zugehen.
Bereits heute geben Bund und Länder für den Bau und die Erstausstattung an wissenschaftlichen Hochschulen über 1,5 Milliarden DM im Jahr aus. Diese großen Summen und die noch größeren Anforderungen der Zukunft verlangen ein sparsames wirtschaftliches Bauen, das den optimalen Wirkungsgrad der Investitionen sichert.
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Dieser Gesichtspunkt ist nach manchen bedenklichen Erscheinungen aufwendigen Bauens im öffentlichen Bereich allgemein und auch im Hochschulbau in den letzten beiden Jahren aus der Finanznot und der besseren Einsicht heraus erfreulicherweise wieder bestimmend geworden. Die Bundesregierung tritt im Wissenschaftsrat für die weitere Förderung und breite Anwendung moderner kostensparender Baumethoden ,ein.
Längerfristige Analysen unter Nutzen-Kosten-Gesichtspunkten müssen durch eine ständige Verwendungs- und Erfolgskontrolle unterstützt werden. Nur so kann garantiert werden, daß die Planungen im Einklang mit den aktuellen und längerfristigen Erfordernissen bleiben und Fehlinvestitionen vermieden werden.
Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluß. Die Forderungen an die Universität von morgen sind mannigfach, in vielen Erwartungen durchaus widerspruchsvoll und auch im sachlich Unbestrittenen nur mit großer gestaltender Kraft zu verwirklichen. Die gesellschaftliche und politische Relevanz hochschulpolitischer Entscheidungen wurde in den letzten Jahren mit Recht wieder stärker betont. Dennoch gilt es, die Unabhängigkeit von Lehre und Forschung zu bewahren. Die Formen akademischer Selbstverwaltung wandeln sich. Die Autonomie der Institute und Lehrstühle muß vor den Notwendigkeiten der interdisziplinären Zusammenarbeit, der Schwerpunktbildung und der abgestimmten Studienpläne zurücktreten.
({18})
Dennoch bleiben auch im Zeitalter der Gruppenarbeit 'und übergreifenden Projekte wesentliche schöpferische Leistungen individuell. Sie verlangen die Chance zur Einsamkeit und Freiheit.
Die Frage der Mitwirkung der Studenten in den Organen der Hochschulen wird zur Zeit lebhaft diskutiert. Die Bundesregierung begrüßt die Bemühungen der Lander, in ihren Hochschulgesetzen
und die Bemühungen der wissenschaftlichen Organisationen um sachgerechte konstruktive Lösungen.
Diese Debatten über die Reform unserer Universitäten werden gegenwärtig durch Aktionen einer kleinen Minderheit gestört, von der die Ordnung unseres freiheitlichen Rechtsstaats mißachtet und antidemokratische Ideen nicht nur verkündet, sondern auch praktiziert werden.
({19})
Radikale Umsturzparolen und die Gefährdung des freien kritischen Dialogs durch gewaltsame Aktionen können den notwendigen Fortschritt hemmen und die nach 1945 wiedergewonnene und im Grundgesetz verankerte Freiheit von Wissenschaft und Publizistik beeinträchtigen. Sie erfordern deshalb eine entschiedene Zurückweisung.
({20})
Es gilt freilich, meine Damen und Herren, genau zu unterscheiden. Neue studentische Jahrgänge sind stärker durch ein betont politisches Engagement bestimmt. Wir haben alle miteinander in den letzten 20 Jahren oft die Klagen über mangelnde politische Anteilnahme und ein zu starkes Erfolgsdenken der studentischen Jugend gehört. Deshalb sollten wir die erkennbare Hinwendung vieler Studenten zu den Fragen des Staates und der Gesellschaft als einen Fortschritt begrüßen, auch wenn uns manche Aussagen einseitig und unausgeglichen erscheinen.
({21})
Aus der geistigen Auseinandersetzung und Konfrontation erwachsen für alle Beteiligten neue Einsichten. Der Respekt vor der Überzeugung anderer, die Bereitschaft zum Gespräch, aber auch die Kraft zu neuen Erkenntnissen und die Entschlossenheit, sie trotz aller Widerstände zu verwirklichen, sind jetzt notwendig. Nur so können wir die großen Aufgaben der Reform unserer Hochschulen und der Neuordnung des Studiums im Gesamtsystem unseres Bildungswesens meistern, in der Tat eine schicksalhafte Frage für Deutschlands Zukunft!
({22})
Das Haus hat die Antwort der Bundesregierung entgegengenommen. Aus der geschäftsordnungsmäßigen Abstimmung zu Beginn der Sitzung kann ich schließen, daß das Haus eine Aussprache über diese Antwort wünscht. Für die Aussprache ist festgesetzt, daß nur noch der erste Redner der Freien Demokratischen Partei eine Redezeit von 30 Minuten hat. Alle übrigen Redner haben eine Redezeit von nur noch 15 Minuten. Das gilt natürlich nicht für die Vertreter des Bundesrates.
Das Wort hat der Abgeordnete Moersch.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die freie demokratische Opposition hat zunächst die Pflicht, die Kollegin Frau Dr. Wex zu ihrer heutigen Jungfernrede zu beglückwünschen.
({0})
Wir haben sie aus mehreren Gründen mit Wohlgefallen gehört, vor allem, weil wir daraus schließen, daß es durchaus möglich sein wird, die Opposition in diesem Hause auch aus den Reihen der CDU künftig etwas zu verstärken, und das tut uns wohl.
({1})
Frau Dr. Wex, Sie haben einige dieser Punkte bereits kritisch beleuchtet, die in der Tat kein Ruhmesblatt für die Regierung des Bundes und für die Länderregierungen sind. Das erleichtert, glaube ich, auch den Ausgangspunkt dieser Debatte. Ich glaube, wir werden im Verlauf der Debatte noch bei mehreren Punkten der Meinung sein können, daß es hier eine Hauptverantwortung des Parlaments gibt, wenn Regierungen zwar sehr viele Reden in der Öffentlichkeit halten, aber relativ wenig handeln.
({2})
Der Herr Bundesminister für wissenschaftliche Forschung, um mich damit diesem Punkt zuzuwenden, hat in seiner Antwort auf die Großen Anfragen in einem kurzen Hinweis auf die unruhigen Studenten ein wenig spät, aber doch nicht zu spät im Namen der Bundesregierung gesagt, daß die erkennbare Hinwendung vieler Studenten zu Fragen des Staates und der Gesellschaft ein Fortschritt sei. Wir Freien Demokraten hoffen, daß künftig alle Mitglieder des Bundeskabinetts von der Erkenntnis ausgehen, daß - und hier zitiere ich - „aus der geistigen Auseinandersetzung und Konfrontation für alle Beteiligten neue Einsichten erwachsen". Die demokratische Opposition wird darauf drängen, daß die Bundesregierung bei der bevorstehenden oder von den Koalitionsfraktionen zumindest angekündigten Debatte über politische Bildung genügend deutlich macht, wo nach ihrer Ansicht die tieferen Ursachen für die vielfältigen Proteste gerade der jungen Generation liegen. Darüber hat nämlich der Herr Bundeswissenschaftsminister geschwiegen. Wir fragen uns: war dies ein Zeichen von Klugheit, oder gehört die Verbreitung solcher Erkenntnisse in die Kompetenz des für Bildungsfragen zuständigen Bundesministers des Innern, oder wollte das Bundeskabinett ganz einfach nicht zulassen, daß die bevorstehenden publizistischen Jubelveranstaltungen der Regierung Kiesinger-Brandt durch selbstkritische Beiträge im Bundestag gestört werden?
({3})
Denn Selbstkritik, meine Damen und Herren, wäre in der Tat notwendig, wenn ein Vertreter dieser Regierung - ({4})
- Herr Schmidt, Sie können beruhigt sein: wir können uns durchaus im freien Gespräch hier messen.
({5})
- Es kommt auf die Qualität Ihrer Zwischenrufe an, Herr Schmidt.
({6})
Selbstkritik wäre in der Tat notwendig, Herr Schmidt - auch bei Ihnen und nicht nur bei der Regierung -, wenn ein Vertreter dieser Regierung bei der Erörterung der veränderten Situation in der studentischen Jugend tiefer schürfen wollte. Die Praxis dieser Koalition ist es nämlich, die unsere junge Generation zum Protest herausfordert.
({7})
Wollen Sie das bestreiten, Herr Dr. Martin? ({8})
- Ich spreche von unserer jungen Generation. Glauben Sie, daß die junge Generation in Amerika keinen Grund hat, gegen die Vietnampolitik des Präsidenten Johnson zu protestieren?
({9})
Die Praxis dieser Koalition selbst ist es nämlich - ich sage es noch einmal -, die unsere junge Generation zum Protest herausfordert, der immer wieder zu beobachtende Gegensatz zwischen großen Worten und kleinen Taten, die permanente Selbstbeweihräucherung, die unserem Bundeskanzler zu eigen ist, sein Talent zu pseudopolitischer Lyrik und zur Erbauungsliteratur bei gleichzeitig gering entwickelter Fähigkeit zum Handeln und Entscheiden. i
({10})
Oder glaubt die Regierung vielleicht, sie könne etwas anderes als Skepsis bei den Studenten erzeugen, wenn der Bundeskanzler beim Jubiläum des Wissenschaftsrates Philosophien wie diese vorträgt
- ich zitiere-:
Die geitig-seelischen Kräfte, aus denen schöpferische Leistungen stammen, dürfen nicht zugunsten einer fachlichen Ausbildung vernachlässigt werden.
({11})
- Ja, vor allen Dingen sehr gehaltvoll! Hinter solchem Wortgeklingel wird doch nur verborgen, daß sich die Bundesregierung bis heute nicht schlüssig geworden ist, wie sie den oft zitierten Vorrang der Bildungspolitik und Wissenschaftsförderung in die Tat umsetzen will.
Die vorhin genannten Zahlen über Zuwachsraten im Wissenschaftsetat des Bundes sollen nicht verkleinert werden. Ihre Bedeutung relativiert sich jedoch erheblich im Vergleich mit den anderen Zahlen, die der Wissenschaftsminister über die Explosion unseres Bildungswesens vorgetragen hat. Die Schwierigkeiten an unseren Hochschulen und Schulen sind nicht geringer geworden, sie sind gewachsen, und sie werden zunehmend bedrohlicher.
Der Herr Bundesminister für wissenschaftliche Forschung hat selbst im Forschungsbericht II den6908
jenigen unter seinen Parteifreunden eine Antwort gegeben, die immer noch der irrigen Ansicht sind, der Staat solle von sich aus lenkend und damit bremsend eingreifen, könne den Wunsch nach qualifizerter Bildung eindämmen und auf diese Weise z. B. die Hochschulen entlasten. - Herr Dr. Martin schweigt. Ich nehme sein Schweigen als Zustimmung.
({12})
Denn Sie, Herr Dr. Martin, hatten uns ja in der Vergangenheit durchaus das Gegenteil von dem vorgetragen, was heute der Minister hier vorgetragen hat. Das wollen wir doch einmal festhalten.
({13})
- Herr Dr. Althammer, die Betroffenen wissen sehr genau Bescheid, sie brauchen keine flankierende Hilfe von Ihnen.
({14})
Im Forschungsbericht wird auf die große industrielle Leistungsfähigkeit der USA lobend verwiesen, und als eine der Ursachen dafür wird genannt
- ich zitiere -:
Hinzu kommt das im Vergleich zu Westeuropa größere Angebot an Personen mit Sekundarschul- und Hochschulbildung.
Meine Damen und Herren, wenn dieser Satz im Forschungsbericht einen Sinn haben soll - und ich unterstelle das -, dann kann er nur als Mahnung selbst verstanden werden. Wir hätten freilich vom Wissenschaftsminister gern konkret erfahren, was hier und jetzt geschehen soll und geschehen wird, um ohne weiteren Verzug jene Reform unseres ganzen Bildungswesens zu verwirklichen, die gewiß - da sind wir Freien Demokraten mit dem Minister einig - notwendig ist, wenn wir nicht zum Gespött unserer fortschrittlicheren und entscheidungsfreudigeren Nachbarn und Konkurrenten werden wollen.
Herr Dr. Stoltenberg hat sich wieder einmal in diesem Hause als ein Meister im Darstellen und Aufzeigen von Schwierigkeiten erwiesen, als ein weiser, überlegener Analytiker. Wir hörten von ihm wohlabgewogene Sätze etwa der Art: „Isolierte Lösungen" - gemeint sind die Reformvorschläge der Professoren Mikat und Dahrendorf; 'den Namen Dahrendorf hat er allerdings hier nicht genannt, ich muß das hinzufügen;
({15})
er hat nur von dem Hochschulgesamtplan gesprochen, er versteht etwas von Werbung, wie Sie wissen - „im Bildungs- und Hochschulbereich sind bedenklich, wenn sie die Einheitlichkeit der wesentlichen Strukturen und damit die Freizügigkeit über die Ländergrenzen hinweg in unserer immer mobileren Gesellschaft bedrohen." Aber, so hörten wir staunenden Parlamentarier weiter: „dies kann allerdings keine Rechtfertigung für Untätigkeit oder eine langfristige Vertagung der notwendigen Entscheidungen sein. Die Kultusminister und Kabinette der Länder tragen ein besonderes Maß an Verantwortung." - Soweit ,der Herr Bundesforschungsminister.
({16})
- Er hat sehr recht. Auch das ist nämlich wahr, Herr Raffert. Nur ist es diese Sorte von bedächtigem Hinweis, die temperamentvollere Mitglieder dieses Hauses als der Herr Bundesminister - ich denke etwa an unseren verehrten Kollegen Dr. Dichgans
- möglicherweise demnächst zu Attentätern werden lassen könnte.
({17})
Schließlich ändern auch die Erwähnung des Wissenschaftsrates und des Bildungsrates und das Wort vom „schicksalhaften Testfall für die Fähigkeit zur Zusammenarbeit im Bundesstaat" nichts an der Tatsache, daß der Bund eine gesamtstaatliche Verantwortung besitzt, (die er endlich wirklich praktizieren muß. So wie bisher geht es jedenfalls nicht weiter und so darf es nicht weitergehen.
({18})
- Herr Schulze-Vorberg, Sie sind etwas früh dran, wenn ich mir 'diese Anmerkung gestatten darf. Diese zahlenmäßig große Koalition, diese Regierung Kiesinger-Brandt hat ihre bildungs- und wissenschaftspolitische Bewährungsprobe nicht bestanden.
(Beifall bei ({19})
Dafür nur ein bezeichnendes Beispiel: Immer der, auch heute wieder, vertröstet uns der Wissenschaftsminister - und .er muß es wohl tun -, indem er behauptet, das Abkommen mit den Ländern über den Neubau von Hochschulen werde alsbald realisiert. Als die SPD noch nicht in der Regierung war - manche sagen, sie sei natürlich auch nicht in der Opposition gewesen -.
({20})
konnten wir mit einiger Berechtigung annehmen, es seien parteitaktische Gründe dafür vorhanden, daß ,die Bundesregierung durch die de facto bestehende, aber verfassungsrechtlich und verfassungspolitisch unzulässige Ländergemeinschaft von der Mitwirkung und Mitberatung ausgeschlossen werde. Sogar die Skeptiker glaubten vor einem Jahr, daß eine CDU/ CSU-SPD-Bundesregierung, in der immerhin drei Parteivorsitzende mehr oder weniger friedlich miteinander vereint am Kabinettisch sitzen, mit BundLänder-Rivalitäten und Eifersüchteleien, kurzum, mit unserem ausgiebig praktizierten Provinzialismus in der Bildungspolitik Schluß machen werde. Diese Tat hätte in den Augen mancher guten Demokraten Ihre Koalition, meine Damen und Herren, sogar ein wenig gerechtfertigt. Heute haben wir nun erfahren, daß der Wissenschaftsminister keinerlei Änderung am Grundkonzept seiner früheren Reden vornehmen mußte, in der Ausdrucksweise aber bezeichnenderweise wesentlich vorsichtiger geworden ist, was ich jedoch nicht als Symptom für eine zunehmende Abgeklärtheit verstanden wissen möchte.
({21})
Mit anderen Worten: Wir sind nicht auf dem Weg
nach vorn, hier wird der Rückwärtsgang eingeMoersch
schaltet und wird ständig mit dem Rückwärtsgang gefahren. Wiederholte Beschwörungsformeln, Herr Minister, sind kein Ersatz für entschiedenes Handeln.
Täusche ich mich denn? Sind die hier auf der Bundesratsbank versammelten Mitglieder der Länderregierungen nicht allesamt Angehörige der CDU, der CSU und der SPD? Sind denn diese drei Parteien nicht in der Lage, in Bund und Land gemeinsame Ziele anzustreben und zu verwirklichen? - Sie sind es nicht!
Der Hinweis auf die bevorstehende Finanzreform, Herr Minister Stoltenberg, den Sie als Hoffnungspille für Ihre eigenen Freunde wieder einmal gut dosiert verabreicht haben, überzeugt uns Freie Demokraten und auch die deutsche Öffentlichkeit sicherlich nicht. Die ehrenwerten Herren Zaunkönige und Stammesherzöge,
({22})
die sich in einer nicht verfassungsgemäßen Institution, der „Konferenz der Ministerpräsidenten", vereint haben, sind bislang immer stärker gewesen als die bildungspolitische Vernunft, die sich an der gesamtstaatlichen Verantwortung orientieren müßte.
({23})
Die Bundesregierung aber wagt es nicht, die klare Entscheidung in den parlamentarischen Gremien, im Bundesrat und im Bundestag, zu erzwingen. Sie verlangt von ihren provinziellen Parteifreunden kein klares Ja oder Nein zu den dringend notwendigen Verpflichtungen und Ergänzungen unserer bundesstaatlichen Verfassung. Sie glaubt an ein Wunder, an die Wirksamkeit außerparlamentarischer Beratungsgremien, die keiner demokratischen Kontrolle unterliegen und, streng genommen, auch niemandem verantwortlich sind. Nein, ich denke, sie glaubt es nicht, sie tut nur so, als ob sie es glaubte. Ich nehme dies wenigstens zugunsten der betroffenen Kabinettsmitglieder an.
Wir Freien Demokraten wissen, daß nicht wenige unserer Kolleginnen und Kollegen in der ChristlichDemokratischen Union und in der Sozialdemokratischen Partei - die CSU möchte ich ausnehmen, damit in München demnächst niemand vor das Parteigericht zitiert wird - mit uns der Ansicht sind, daß dieses Grundgesetz ergänzt und geändert werden sollte, daß die Kompetenzen geklärt werden müßten. Wir von der FDP haben deshalb einen Antrag zur Ergänzung der Gründgesetzartikel 74 und 75 in dieser Woche eingebracht. Wir wollen dem Bund eine konkurrierende Gesetzgebungskompetenz für die Organisation der Forschung und für das Hochschulwesen verschaffen, und wir möchten dem Bund die Möglichkeit zur Rahmengesetzgebung in der Bildungsgesetzgebung geben.
({24})
- Er steht nicht auf der Tagesordnung. Ich erwähne das hier nur, weil wir glaubten, aus Ihrer Vorbereitung für diese Debatte schließen zu müssen, daß dieser Antrag fällig sei. Wir hatten zunächst damit
gerechnet, daß Sie etwas Ähnliches tun und daß wir es gemeinsam tun.
({25})
- Das werde ich gleich noch einmal sagen, Ihre Neugier kann befriedigt werden. Das sind vorsichtige, aber notwendige Vorschläge. Wir haben in ihm eine konkurrierende Gesetzgebung für die Organisation der Forschung und für das Hochschulwesen vorgesehen - ich sagte es schon einmal - sowie eine Rahmengesetzgebungskompetenz für die Bildungsplanung. Die zwei Artikel, die ich zitiert habe, Art. 74 und Art. 75, sollen entsprechend ergänzt werden. Ich sage noch einmal: Es sind vorsichtige, aber notwendige Vorschläge. Wir tasten damit die bundesstaatliche Ordnung nicht an, sondern wir glauben, daß wir sie damit stärken können, weil die Klärung der Kompetenzen erst den viel beredeten, aber wenig praktizierten kooperativen Föderalismus wirksam werden läßt.
Die Wissenschaft, meine verehrten Kolleginnen und Kollegen - das wissen Sie -, ist ihrer Natur nach international.
({26})
Um so gefährlicher ist es, wenn die Wissenschafts-und Hochschulpolitik provinziell bleibt.
({27})
- Herr Dr. Martin, es ist vielleicht doch nützlich, es hier zu sagen. Denn es ist ja doch oft anders verfahren worden, gerade von den betroffenen Herren des Bundesrates hier. Oder wollen Sie das etwa bestreiten? Erklären Sie sich einverstanden und zufrieden mit dem, was bisher gewesen ist? Das ist doch die Frage, die man beantworten muß.
Herr Abgeordneter Moersch, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Bitte!
Herr Kollege Moersch, wenn Ihrer Beurteilung nach das Verhältnis zwischen Bund und Ländern so katastrophal ist, warum zieht dann die FDP nicht eine Konsequenz in der Weise, daß sie sofort sämtliche Minister aus diesen Landesregierungen zurückzieht?
Herr Dr. Althammer, ich kann Sie sehr beruhigen. Die Kabinette, die die großen Schwierigkeiten machen, sind keine Kabinette, in denen die FDP vertreten ist.
({0})
Daß Sie aus Bayern diese Frage stellen, zeigt mir, daß Sie entweder heute morgen noch nicht genau die Richtung der Debatte erkannt haben oder ;daß Sie eine völlig andere Auffassung von der bisherigen Wirksamkeit unserer Bildungs- und Wissenschaftspolitik haben. Das kann ich aber kaum annehmen, da Sie im Haushaltsausschuß eigentlich gut orientiert sein sollten.
Herr Abgeordneter Moersch, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Schmidt ({0})?
Wenn es nicht von der Redezeit abgezogen wird, die Sie hier gemeinsam beschlossen haben.
Ich habe schon angewiesen, die Uhr zu stoppen.
Der Freude Ausdruck gebend, Herr Moersch, daß Sie sich inzwischen vom Konzept ,gelöst haben, möchte ich Sie fragen, ob Sie glauben, daß die Bemerkung, die Sie soeben machten - die Wissenschaft sei international -, hinsichtlich ihres Erkenntniswertes wirklich über demjenigen steht, was Sie vorhin aus dem Munde des Bundeskanzlers abfällig zitiert haben.
Herr Schmidt, da Sie ein gewisses Talent zum Zensor haben, will ich es Ihnen
genau beantworten. Ich habe ausdrücklich vorweg gesagt, daß ich Ihnen das nicht zu sagen brauche - vielleicht haben Sie nicht genau zugehört -, .daß ich aber glaube, es den Vertretern der Länder und auch des Bundeskabinetts gelegentlich ins Gedächtnis zurückrufen zu müssen.
({0})
Ich habe die Kollegen des Hauses hier ausdrücklich ausgenommen, und Sie sollten sich nicht getroffen fühlen, wo Sie nicht gemeint sind.
Die Antwort des Wissenschaftsministers auf die Großen Anfragen und sein Forschungsbericht II haben Ihnen und uns stichhaltige Argumente für den Vorschlag zur Verfassungsergänzung geliefert. Insofern, Herr Bundesminister, sind wir Ihnen sehr dankbar.
Weil wir Demokraten sind, kommt es uns darauf an, ein so wichtiges Gebiet wie die Bildungsplanung und Forschungspolitik in möglichst großem Umfang der parlamentarischen Verantwortung zu unterwerfen. Staatsverträge und Verwaltungsabkommen sind auf die Dauer und allein keine geeigneten Instrumente demokratischer Politik. Sie zementieren nicht nur ein Veto-System einzelner Länder, Herr Dr. Althammer, sondern entziehen wichtige Gegenstände der öffentlichen Diskussion der freien, vom Wähler kontrollierbaren Abstimmung, Mit einem solchen System der Abkommen und Verträge und der daraus resultierenden Räte und Beiräte, die keinem Verfassungsorgan fest zugeordnet sind, werden Sie, meine Damen und Herren von der Koalition, kaum erreichen, daß die Bildungspolitik im Bewußtsein der Bürger den Rang erhält, den sie auch nach Meinung dieser Bundesregierung haben sollte.
Wir Freien Demokraten fordern Sie, Herr Minister, und Sie, meine Kolleginnen und Kollegen von den Koalitionsfraktionen, auf, aus dieser Debatte die Konsequenzen zu ziehen, die wir Ihnen in einem besonderen Gesetzesantrag vorschlagen.
({1})
Das Wort hat der Herr Bundeskanzler.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nicht die intellektuelle Leistung, die soeben vorgelesen wurde, sondern eine Bemerkung zu den Ausführungen, die ich gestern anläßlich der Zehnjahresfeier des Wissenschaftsrates gemacht habe, veranlaßt mich, das Wort zu nehmen. Ich freue mich, daß diese Ausführungen zitiert worden sind, und hoffe, daß die Mitglieder des Hohen Hauses Gelegenheit nehmen werden, sie nachzulesen; man wird sie ja wahrscheinlich im Bulletin der Bundesregierung wiederfinden können. Mir ist aber genau die Stelle, die hier zitiert wurde - übrigens falsch zitiert, aber inhaltlich richtig -, wichtig genug, um einiges dazu zu sagen.
({0})
- Herr Moersch, auch wenn sie falsch zitiert wurde, ist sie trotzdem inhaltlich noch richtig.
({1})
Herr Moersch findet sie lächerlich. Nachdem ich den Vortrag gehalten hatte, haben mich eine Reihe von führenden Persönlichkeiten des Wissenschaftsrates gerade auf diese Stelle äußerst zustimmend angesprochen.
Bei dem, was ich gestern vor dem Wissenschaftsrat ausgeführt habe - und dies ist auch ein Beitrag zu der Debatte, die wir heute in diesem Hause führen -, geht es um folgendes. Der Wissenschaftsrat hat sich in einer interessanten Entwicklung mit der Frage des Bildungsauftrages unserer Universität befaßt. Er hat in einer ersten Stellungnahme - ich glaube, es war im Jahre 1962 - bezweifelt, ob der Umgang mit der Wissenschaft noch Weisheit vermittle. Er hat dies in seinen neuesten Darlegungen ganz entschieden verneint. Ich habe darauf Überlegungen vorgetragen, wie man in unserer Zeit den großen Gedanken Wilhelm von Humboldts, daß nämlich die Universität auch die Aufgabe der Bildung der Persönlichkeit habe, retten könne. Dazu habe ich ausgeführt, man müsse die Gefahren abwehren, die unsere Kulturkritik heute deutlich sieht, die Gefahr dessen, was man nach einem seit Wilhelm von Humboldt in der deutschen Kulturkritik gängigen Wort Entfremdung genannt hat und was Schiller so formuliert hat: daß derjenige, der ewig nur an ein Bruchstück des Ganzen gefesselt sei, sich selber nur zum Bruchstück ausbilden könne. Es ist die Gefahr der persönlichkeitsverkümmernden Wirkung des Prinzips der Arbeitsteilung auch in der Wissenschaft, auch an unseren Universitäten. Meine Damen und Herren, das ist eine der größten Sorgen unserer Zeit überhaupt, in allen Ländern der Welt.
({2})
Bundeskanzler Dr. h. c. Kiesinger
Wir alle wissen, daß die Menschheit angewiesen ist auf einen ungeheuren Wissensfundus, den wir brauchen, um diese Welt bewältigen zu können. Aber wir werden auch eines unheimlichen Vorgangs gewahr, daß - um nun einen Modernen zu zitieren, Max Born - ein ungeheurer Wissenbesitz der Gesamtheit, an dem der einzelne verurteilt ist, einen immer kleineren Anteil zu haben, „sehr wohl mit einer Verflachung und Verdummung des Individuums einhergehen" könne. Es ist also die Frage, wie wir diese Gefahr des Verkümmerns abwehren.
Ich habe festzustellen versucht, wie das auf der Universität selber geschehen könnte. Darauf komme ich gleich noch zu sprechen, möchte aber jetzt schon sagen, daß der Prozeß der Abwehr viel früher einsetzen sollte. Professor Leussink, der Vorsitzende des Wissenschaftsrates, hatte etwas scherzhaft gesagt, die Aufgabe beginne sozusagen im Kindergarten und ,ende bei der Habilitation.
Ich wies darauf hin, daß die großen schöpferischen Leistungen nicht so sehr aus dem Intellekt geboren würden als aus jenen geistig-seelischen Kräften, die in unserer Lernschule und deren rationalistischem Bildungsverständnis weithin verkümmern. Damit stehe sich wahrhaftig nicht allein, und was Herr Moersch als eine Dummheit des Bundeskanzlers ansah, ist die Meinung vieler, die sich mit den Bildungs- und Erziehungsproblemen unserer Zeit auseinandersetzen.
({3})
Ich darf an die Spitze dieser Überlegungen ein Wort Eduard Sprangers stellen. Er sagte einmal, daß, wenn die produktive Einbildungskraft beim Menschen verkümmere, dadurch alle höheren Kulturleistungen in Frage gestellt würden, auch die Erfindungen und Entdeckungen auf dem Gebiet der Naturwissenschaft, also gerade auf ,dem Gebiet, um dessentwillen unser Schulsystem glaubt die Entwicklung dieser geistig-seelischen Kraft vernachlässigen zu dürfen. Hier liegt eines der schwierigsten Probleme unseres Schul- und Bildungswesens.
Ich habe dazu bei den Essener Musiktagen vor einigen Jahren als Ministerpräsident von Baden-Württemberg Stellung genommen und habe dazu ein starkes Echo bekommen. Herr Moersch wird wieder sagen, die Erwähnung dieses Echos sei Selbstbeweihräucherung.
Das ist gewiß keine Zuständigkeit ides Bundes, es geht die Länder an. Ich hoffe aber, daß die Herren Ministerpräsidenten und die Herren Kultusminister mir meine Ausführungen nicht als unziemliche Einmischung .auslegen werden. Schließlich sind wir ja alle Diener eines Ganzen, und es wird dem Bundeskanzler sicher gestattet sein, auch zu diesen ernsten Fragen seine Sorgen vorzutragen. Wenn es uns nicht gelingt, den Typus der Lernschule, in der vorwiegend Wissen und Schärfung des Intellekts angestrebt werden, zu verändern in einen neuen Typus, in dem eben jene produktive Einbildungskraft genährt und gestärkt wird, aus der die großen Gedanken und die großen schöpferischen Leistungen
kommen, dann wird auch die höhere Schule und die Universität nicht nachholen können, was in der Jugend versäumt worden ist.
({4})
Ich habe darauf hingewiesen, daß sich diese Erkenntnis paradoxerweise schon in einigen östlichen Nachbarländern durchgesetzt hat. Ich habe meine gestrige Hörerschaft auf einen interessanten Bericht des ungarischen Instituts für pädagogische Wissenschaften aufmerksam gemacht, in dem folgendes zu lesen ist. Dort wird auf die etwa hundert in Ungarn bestehenden musischen Volksschulen hingewiesen, in denen vor allem dem musikalischen Unterricht eine besondere Bedeutung eingeräumt ist. Es wird gesagt, daß die Kinder dieser Schulen auch in den übrigen Fächern den anderen voran seien und daß sich dies besonders beim Übergang auf das Gymnasium zeige.
Meine Damen und Herren, was ich hier sage, können Sie aus dem Munde vieler unserer führenden Naturwissenschaftler hören. Ich habe im Anschluß an den Vortrag mit einem unserer jüngsten Nobelpreisträger diese Frage durchgesprochen und aus seinem Munde eine nachdrückliche Bestätigung erfahren.
Es wäre doch beschämend für ein Land des freien, des nichttotalitären Bereichs, wenn wir hinter den pädagogischen Erkenntnissen zurückblieben, die in einigen Ländern des Ostens erworben worden sind. Daher sollten wir diesem ernsten Problem unsere ganze Aufmerksamkeit widmen.
Übrigens hat der Deutsche Ausschuß für das Erziehungs- und Bildungswesen diese Auffassung ebenfalls vertreten. Nur hat er nach meiner Meinung leider viel zu früh die Flinte ins Korn geworfen. Er hat schlicht erklärt, so etwas lasse sich an den heutigen Höheren Schulen nicht durchsetzen. Wenn man von der Notwendigkeit einer solchen Änderung unseres Schulwesens tief überzeugt ist, dann muß man eben auch die Wege finden, um diese Änderung durchzuführen.
({5})
Vielleicht darf ich Ihnen, Herr Moersch, eine Lektüre dessen empfehlen, was Franz Schnabel in seiner Geschichte des 19. Jahrhunderts über unser höheres Schulwesen, über das Gymnasialschulwesen schrieb. Sie würden dabei lesen, daß dieser bedeutende Historiker die Entwicklung des deutschen Gymnasiums beklagt, weil sich auch im Gymnasium die Entwicklung zur bloßen Lernschule durchsetze. Er weist darauf hin, daß vielfach in den Gymnasien nicht der humanistische Erzieher - er versteht Humanismus hier in einem weiteren Sinne und meint nicht nur den Altsprachler, sondern den erziehenden Lehrer schlechthin - zu finden sei, sondern Spezialisten, Altphilologen, Neuphilologen, Chemiker, Physiker usw., daß also die Arbeitsteilung in einer Schule stattfinde, die doch ursprünglich ein ganz anderes Erziehungsziel gehabt habe.
Ich habe dann gefragt, was denn die Universität heute noch dazu beitragen könne, um der Bildung
Bundeskanzler Dr. h. c. Kiesinger
der Persönlichkeit zu dienen., auch wenn wir die Persönlichkeit heute gewiß anders auffassen als zur Zeit Goethes. Soll man es ganz einfach bei der Negierung der Meinung Wilhelm von Humboldts belassen und sagen, der Umgang mit der Wissenschaft führe nicht mehr zu wahrer Bildung? Oder soll man - ich verweise auf den in seiner Art großartigen Plan für die Universität Bremen - der Universität einen besonderen, außerwissenschaftlichen Bildungsauftrag geben?
Ich will den letzten Gedanken hier nicht behandeln; es würde zu weit führen. Die bestehende Universität jedenfalls, das ist meine feste Überzeugung, kann immer noch sehr viel zur Persönlichkeitsbildung beitragen - auch bei den neuen Plänen des Wissenschaftsrates für ein gekürztes und gestrafftes Studium -, sie soll nicht nur tüchtige Spezialisten heranbilden, sondern dazu beitragen, daß die Studenten in den Jahren, in denen sie auf der Universität sind, einen reichen menschlich-persönlichen Gewinn mit ins Leben nehmen
({6})
und daß sie dadurch in den Stand gesetzt werden, sich selbst gegen die Spezialisten-Verkümmerung zu wehren.
Die Universität ist gewiß nicht mehr für den einzelnen in der Universalität des Wissens erfahrbar. Aber sie gibt die reichen Möglichkeiten der Kommunikation der Angehörigen der verschiedenen Disziplinen, seien es Studenten, seien es Lehrer. Das ist eine große Chance.
Ich habe gelegentlich bei Festen studentischer Korporationen, deren Existenzberechtigung ja heute immer noch umstritten ist, .darauf hingewiesen, sie sollten doch begreifen, daß gerade hier für sie eine großartige Rechtfertigung ihrer Existenz liege. Wenn sie nämlich begriffen, daß gerade bei ihnen, im Beieinandersein der Angehörigen der verschiedensten Fakultäten jene geistige Kommunikation möglich ist, die erlaubt, das Eigene zu überprüfen und das Fremde zu verstehen, so würde niemand mehr ihnen die Existenzberechtigung abzusprechen wagen.
({7})
Dies war einfach eine Aufforderung, unter den gegebenen schwierigen Umständen mit einem männlichen Trotz gegen die Schwierigkeiten anzugehen, jetzt schon - bevor es zu institutionellen Reformen kommt - eine Aufforderung, die Gefahr zu sehen und die Möglichkeiten zu nutzen, mit denen man ihr entgegentreten kann.
Ich bin zutiefst davon überzeugt, wir können alles andere mit organisatorischen Maßnahmen schaffen, wir können die Mittel aufbringen, um unser Bildungswesen und unsere wissenschaftliche Forschung zu sichern, das Entscheidende aber wird uns nur gelingen durch eine richtige Einsicht in das Wesen und die Aufgabe des Menschen in dieser Welt, wenn wir entschlossen sind, nicht nur die Probleme quantitativ zu sehen, sondern wenn wir uns gemeinsam auf das Bildungsideal unserer Zeit besinnen.
Dieses Bildungsideal kann nur eingeschlossen sein in den Satz, den ich in diesem Hause vor kurzem aussprach: Es ist Aufgabe der Politik, unser Volk fähig zu machen, die Welt von morgen zu bestehen. Das ist nicht nur materiell zu begreifen. Wir werden die Welt von morgen nur bestehen, wenn wir nicht zu Termiten geworden, sondern wenn wir Menschen geblieben sind.
({8})
Am schönsten, finde ich, ist dieses Ziel in einem kurzen Satz ausgedrückt.
({9})
So gewaltig und bedrängend die Werke des Menschen in unserer Zeit auch sind: Der Mensch muß größer bleiben als seine Werke.
({10})
Das Wort hat der Erste Bürgermeister Dr. Weichmann, Präsident des Senats der Freien und Hansestadt Hamburg.
Dr. Weichmann, Erster Bürgermeister der Freien und Hansestadt Hamburg: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch ich halte vor diesem Bundestage - freilich ohne so charmant wie die Vorrednerin zu sein - eine Jungfernrede, und ich fühle mich ein bißchen befangen.
Aber vielleicht erlauben Sie mir, aus der kritischen Sicht eines geplagten Landesvaters, der vor der Aufgabe steht, Forderungen in Wirklichkeiten umzusetzen, auch einige kritische Anmerkungen zu machen, teils zu dem, was gesagt worden ist, teils zu dem, was in dem Entschließungsantrag steht. Ich entschuldige mich im voraus dafür, wenn ich hierbei nicht das Wohlwollen aller finden werde, wenn ich aus dem Makrokosmos des Herrn Bundeskanzlers nun ein bißchen in den Mikrokosmos der harten und handfesten administrativen Politik zurückkehren muß.
({0})
- Meine Freunde klatschen mir Beifall; das macht mich noch ängstlicher.
({1})
Meine Damen und Herren, wir haben hier mehrfach gehört, wie das Wort von dem „gebührenden Vorrang der Bildungsaufgaben" unterstrichen wurde. Aber was ist nun eigentlich der „gebührende Vorrang der Bildungsaufgaben" ? Prägt sich der gebührende Vorrang der Bildungsaufgaben vielleicht in der starken Besetzung dieses Hauses aus, in dem die Bundesratstribüne voll ist?
({2})
- Eben! Aber wir sind dem Ruf gefolgt. Wir haben gewußt, worum es sich handelt.
({3})
- Aber vielleicht sollten Sie sich doch auch diese nachdenkliche Anmerkung freundlichst entgegenhalten lassen.
Erster Bürgermeister Dr. Weichmann
Was ist der „gebührende Vorrang der Bildungsaufgaben", um mich einen Augenblick dem Herrn Redner der FDP zuzuwenden? Ich habe seinerzeit - es war noch vor den Wahlen - vor der Tribüne des Bundesrates bei der Behandlung der verschiedenen Fragen gesagt - und wir hatten damals Konjunktur -: „Es ist unerträglich, daß wir in einem reichen Land, in einer reichen Wirtschaft, einen armen Staat haben. Wir brauchen das Geld für die Bildung und für die Bildung und nochmals für die Bildung." Die Antwort des damaligen Herrn Finanzministers Dahlgrün oder „Wahlgrün", wie Sie sagen wollen, war eine Steuersenkung, eine Steuersenkung, die zum Ceterum censeo - ich muß es leider und mit Schmerz sagen - der Politik der FDP geworden ist und bei der nichts anderes - wenn ich die Entwicklung richtig betrachte - einen so gebührenden Vorrang hatte als eben der Wunsch, Steuern zu senken und dem Staat die Mittel zu nehmen, die er nun einmal zur Durchführung seiner Bildungsaufgaben braucht.
({4})
Aber gebührender Vorrang! Auch da muß ich nur beispielsweise gegenüber ,den Sozialpolitikern ein Fragezeichen machen. Ich habe gerade in den letzten Tagen von einem etwas abenteuerlichen Plan, auch in Kreisen der Bundesregierung, gehört, nämlich .daß die 1979 auslaufende Vermögensteuer in dem Bereich, in dem 25 % dem Lastenausgleich zufließen sollen, von 1979 bis 1985 um weitere sechs Jahre perpetuiert werden soll, um mit diesem 20%igen Anteil Kredit- oder Bankinstituten die Möglichkeit zu geben, die Entschädigungen vorzeitig und höher zu zahlen. Die Sozialpolitiker vertreten die Auffassung, daß diese Aufgabe den gebührenden Vorrang genießt. Auch wenn ich die Frage stellte, ob es heute noch entscheidend wichtiger ist, die Vergangenheit zu bewältigen, anstatt .die Zukunft zu gestalten, würde ich aus solchen Bereichen wahrscheinlich das Wort hören, das die Finanzminister, das die Ministerpräsidenten und das auch die Bundesregierung immer hören: Ja, hier, gerade hier dürft ihr aber nicht streichen, um es einer anderen Masse zuzuführen.
Den gebührenden Vorrang legen Sie und auch wir durch die Finanzplanung jetzt fest. Die mittelfristige Finanzplanung ist der gebührende Rahmen. Aber dann sollte derjenige, der Sonderwünsche stellt, hier immer vor die Verantwortung gestellt werden, zu wissen und zu sagen, daß etwas, was nicht in dieser Planung enthalten ist und hineinkommen soll, Kürzungen an anderen Stellen bedeutet. Das ist dann die Stunde des Parlaments.
Zu diesen vielfältigen und, erlauben Sie mir, es zu sagen: etwas generalisierenden Appellen, die ich in diesem Hohen Hause gehört habe, zu diesen schönen, aber doch zum Teil noch zu substantiierenden Forderungen möchte ich nun eben einige Substantiierungen vornehmen. Schulreform und Hochschulreform sollen als Einheit behandelt werden. Das heißt wirklich ein großes Wort gelassen aussprechen. Welche Schulreform, welche Studienreform? Jede für sich ist ein unerhört differenzierter Komplex, der schon Gegenstand ernsten Nachdenkens, neuer Versuche, aber auch sehr ernst zu nehmender streitiger Auffassungen- ist. Auf dem Gebiet der Schulreform handelt es sich um Fragen wie Auftrag und Dauer der Schulzeit, Ausleseprüfung oder Förderstufe, differenzierter Unterricht und Leistungskurse, Durchlässigkeit zwischen Grundschule und weiterbildenden Schulen, zwischen diesen wiederum additive und integrierte Gesamtschulen. Hierbei handelt es sich beispielsweise um Fragen der Lehrerbildung. Wir sind in Hamburg auf dem Gebiete der Lehrerbildung vorgeprellt. Wir haben die Studienreferendare auch für .die Volksschullehrer geschaffen und wir haben dafür heftige Prügel auf Bundesebene einstecken müssen. Schulreform kann sich schließlich nicht nach dem langsamsten Schiff im Geleitzug richten. Schulreform darf nicht eine Nivellierung nach unten bedeuten. So sehen Sie also, wie schwer dieses Problem Schulreform allein schon auf einen Nenner zu bringen ist, der genau zu sagen weiß, welche Schulen, welchen Schultyp wir haben müssen. Ich frage mich und ich frage Sie, ob sich nicht gerade auf diesem Gebiet das föderative System .als Vorzug erwiesen hat, weil es immer wenigstens einigen Ländern die Gelegenheit gegeben hat, den Pionier eines modernen Schulwesens zu bilden.
Nicht minder komplex und kompliziert ist das Gebiet der Studienreform, über die wir uns gestern bis in die Nachtstunden auch noch im Wissenschaftsrat unterhalten haben. Was ist denn nun eigentlich die rechte Universität, geistig und organisatorisch? Ich möchte es nur einmal endlich wissen. Ich weiß einiges davon. Ich bin auf eine deutsche Universität gegangen, ich bin auf eine amerikanische Universität gegangen. Wollen Sie ein Kurzstudium, ein Langstudium und ein Aufbaustudium? Wollen wir nur ein Kurzstudium und ein Langstudium? Wollen wir die Universität mit einem Normalstudium oder mit einem Aufbaustudium? Wollen wir die Universität als höhere Berufsschule, oder wollen wir sie als wissenschaftliche Anstalt und Forschung? Oder wollen wir sie nach beiden Richtungen organisieren? Wie sollen die Fakultäten aussehen? Wie schaffen wir die fachliche Interdependenz bei den Fakultäten? Soll es eine Departmentsverfassung, eine Abteilungsverfassung, eine Organisation des Teamworks unter den Fakultäten geben? Wie soll die Studienstraffung und die Studiendauer gehandhabt werden?
Lassen Sie mich bei der Studiendauer ganz nebenbei eine Anmerkung über einen Gesichtspunkt machen, der noch nicht erörtert worden ist. Es ist nur e i n kausaler Faktor, meine Damen und Herren. Aber die veränderte Gesellschaftsbildung unserer Zeit, nämlich die 40-Stunden-Woche und das geheiligte zweitägige Wochenende, mußten auch einen Einfluß auf die Studiendauer nehmen. Denn wenn Sie vier oder fünf Stunden am Sonnabend wegfallen lassen, so entspricht das bereits etwa der Studienzeit, die noch ich und die noch Sie in alten Tagen in einem Jahr aufwenden mußten.
Wie sollen das Prüfungsverfahren und die Examensproblematik gemeistert werden? Sollen wir zu dem System der Mitt- Term- und der final examinations kommen? Sollen wir die Zwischen6914
Erster Bürgermeister Dr. Weichmann
prüfung unter einem Verzicht auf eine Abschlußprüfung einführen? Sollen wir vor das Studium eine Zulässigkeitsprüfung setzen? Sollen wir das französische System des Wettbewerbs um die Zulassung zu dien Grandes Ecoles einführen, um überhaupt den Korpus der Elite zu selektionieren, die wir heranzüchten wollen? Wieweit sind wir finanziell überhaupt in der Lage, ein Kontaktstudium einzuführen? Meine Damen und Herren, ich pflege zu sagen: Wir alle, auch mit grauen Haaren, lernen nicht aus. Vielleicht wird die Gesellschaft an uns sehr schnell die Anforderung herantragen, nicht nur ein Kontaktstudium, sondern für nichtstudierte Kräfte mit Hochschulreife in reiferen Jahren ein Studium einzuführen, damit diese Leute in diesem brutalen Wettbewerb der Welt ihren Mann stehen können.
Herr Bürgermeister, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Herr Erster Bürgermeister, meinen Sie nicht, daß es Aufgabe des Bundesrates wäre, Antworten auf die Fragen zu geben, die Sie uns stellen?
({0})
Dr. Weichmann, Erster Bürgermeister der Freien und Hansestadt Hamburg: Die Notwendigkeit der Antwort habe ich mir natürlich überlegt, und ich werde auch darauf zurückkommen. Aber Sie müssen mir erlauben, daß ich Ihnen sage: Fragen stellen, Postulate formulieren ist etwas leichter, als die Antworten zu geben.
({1})
Die Träger des politischen Willens sind wir beide, Legislative und Exekutive. Wir sind beide zur konstruktiven Lösung mit sachgemäßen harten Antworten verpflichtet.
Gestatten Sie, Herr Bürgermeister, eine Zwischenfrage?
Herr Erster Bürgermeister, darf ich Sie fragen, ab Sie nicht überzeugt sind, daß wir uns Ihre Fragen genauso gestellt haben, ehe wir zu den von Ihnen so genannten „Postulaten" gekommen sind?
Dr. Weichmann, Erster Bürgermeister der Freien und Hansestadt Hamburg: ,Ich will ja sanft bleiben. Aber ich meine, zu diesen Fragen hätte ich nicht herzukommen brauchen.
({0})
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zu der Frage des sogenannten Bedarfs an Bildung sprechen.
(Fortgesetzte Zurufe ¡von ({1})
Was ist denn dieser Bedarf an Bildung für ein
schillernder Begriff! Ist der Bildungsplanung - das
ist ein ganz ernstes Problem - die Nachfrage nach
Studienplätzen zugrunde zu legen, die Nachfrage dies Konsumenten, also dessen, der zur Universität strebt, oder ist der sogenannte gesellschaftliche Bedarf an Akademikern zugrunde zu legen? Das sind zwei ganz verschiedene Dinge. Oder ist dier Bedarfsplanung vielleicht aus der Not dier Zeit überhaupt nur der gegenwärtig verfügbare oder zu mobilisierende Kader an Lehrkräften zugrunde zu legen? Oder ist eine rationellere Organisation des Bildungswesens ein Mittel, den Bedarf einzufangen?
Je nach der Antwort, die Sie geben, kann es sein, daß Sie, wenn Sie vom Konsumenten aus planen, einen Überhang an Akademikern schaffen. Dann wird es wieder Redner geben, die sagen: Wie konnte die Regierung ein akademisches Proletariat schaffen! Warum hat sie nicht anders geplant? - Man ist ja immer klüger, wenn man vom Rathaus kommt.
Oder sollen wir eben den gesellschaftlichen Bedarf zugrunde legen? Dann heißt das Zulassungsbeschränkungen in dieser oder jener Form, in scharfen Examen, in vorangegangenen Prüfungen oder eben in der Gestaltung eines scharfen Leistungswettbewerbs.
Meine Damen und Herren, zu dem Verwaltungsabkommen hat der Bundeswissenschaftsminister schon gesprochen. Der Ausbau der bestehenden Hochschulen funktioniert ja. Es ist nicht ein Stein dadurch weniger gebaut worden, weil Idas Abkommen formal noch nicht erneuert worden ist. Es ist angewandt worden, und in wenigen Tagen wird es auch formal erneuert werden. Ebenso funktioniert ja das Abkommen unter den Ländern über den Ausbau neuer Hochschulen.
({2})
Es funktioniert ja, nur ist hierbei noch nicht die Bundesbeteiligung unter Dach und Fach gekommen, weil wir dieses gemeinsam als einen Komplex der Finanzreform anerkennen.
Nun werden ein Landeshochschulgesetz und Auflockerung im System des Lehrkörpers der Fakultäten und der Institute gefordert. Ich bejahe diese Forderung vollkommen. Ich betone ausdrücklich, daß ich es für notwendig halte, auf diesem Gebiet voranzukommen. Aber, meine Damen und Herren, vielleicht sollten wir uns doch auch nicht schlechter machen, als wir alle sind. Die erste Phase, die wir nach dem Krieg zu bestehen hatten, mußte doch notwendigerweise die Phase eines restaurativen Aufbaus, die Phase eines Verlustausgleichs hei all den Trümmern, in denen wir standen, sein. Die zweite Phase ist dann mit dem Wissenschaftsrat und mit unser aller Hilfe energisch in Angriff genommen worden, nämlich die systematische Fortschrittsplanung und der Ausbau unseres Hochschulwesens über dien Wissenschaftsrat. Die dritte Phase ist die, in der wir jetzt stehen. Sie ist überhaupt erst dadurch ermöglicht worden, daß wir mit Restauration und Ausbau so weit gekommen sind, daß wir uns diese dritte Phase leisten können, nämlich die Vertiefung des Bewußtseins über die Notwendigkeit der Hochschulreform, die Gestaltung des geistigen Gesichts unserer neuen Hochschule.
Erster Bürgermeister Dr. Weichmann
Meine Damen und Herren, hier waren und sind zwei Felder der Legitimation für die Hochschulreform gegeben. Vom Staate her gesehen mußte es zunächst Aufgabe der Selbstverwaltung, Aufgabe der Universitäten, Aufgabe des Wissenschaftsrats sein, das ihre dazu zu tun. Diese Aufgabe hat doch schließlich in zahlreichen Gutachten des Wissenschaftsrats und in zahlreichen sonstigen Gutachten eine geistige Vorbereitung gefunden, die es uns heute erst ermöglicht, die Dinge etwas schärfer in den Griff zu bekommen.
Aber wenn nun subsidiär der Gesetzgeber angerufen wird, so steht auch der Gesetzgeber vor schwierigen Fragen. Wenn Sie die konkurrierende Gesetzgebung hätten, ständen Sie vor der Frage, was Sie eigentlich wollen: Rektoratsverfassung, Direktorialverfassung, Präsidialverfassung, Fachbereiche oder Departemente. Wie steht es mit der Instituts- und Seminarverfassung, mit dem Mittelbau, mit der Mitbestimmung der Studenten? Auf jede dieser Fragen gibt es viele Antworten.
Ein Gesetz hat sich die Antwort sehr leicht gemacht. Ein Gesetz hat in etwa formuliert: Dieses ist das Hochschulgesetz. Das Nähere bestimmt die Satzung. In § 2 hätte noch dabeistehen können: Seid nett zueinander! Das ist keine Lösung. Es ist eine sehr unvollkommene Lösung, die in Wirklichkeit vom Gesetzgeber die Verantwortung wieder auf die Selbstverwaltung überträgt. Meine Damen und Herren, lassen Sie mich sagen, es ist das die Stunde der Gesetzgebung. Was ich als junger Mann in der Schrift von Savigny „Vom Beruf unserer Zeit für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft" gelesen habe, ist schon richtig.
Aber, meine Damen und Herren, eine Gesamtplanung der Hochschulen wird ja als solche im Moment schon über den Wissenschaftsrat praktiziert. Sie kann im Grunde nur Finanzplanung sein, sie kann nur Volumensplanung sein. Wenn die Lösung jetzt darin gesucht wird, daß man die Kinder bereits mit fünf Jahren einschult, so möchte ich sagen: auch das ist keine Lösung. Die Pädagogen sind zwar heute der Auffassung, daß die -Kinder schon mit fünf Jahren eingeschult werden können. Aber die Lehre, die in diesem Alter vermittelt werden muß, ist eine andere als die, die sechsjährigen Kindern zu vermitteln ist. Infolgedessen kann man nicht sagen: 5 plus 13 gleich 18. Dann haben sie nämlich inhaltlich nicht im 13. Jahr, im Gymnasialjahr, die Vorbereitung auf die Universität, die die Schüler tatsächlich haben müssen, um hochschulreif zu werden. Sie sehen also, daß es außerordentliche Schwierigkeiten bereitet, Antworten zu finden.
Ich möchte es auch meinerseits begrüßen, daß unter den Studenten eine Unruhe herrscht. Sie sind ein geschichtsloses, ein traditionsloses Element, dem man zudem als transitorischem Element nicht die Verantwortung für die permanente Gestaltung der Hochschulen zuschieben kann. Aber sie sind ein anregendes Element, sie sind bis zu einem gewissen Grade ein leidendes Element und haben von daher durchaus die Legitimation des Impulses, des Mahnens und einer sorgfältig abgewogenen Mitbestimmung. Aber, meine Damen und Herren, die Gesetzgebung - und Sie sind das Gesetzgebungsorgan - ist unerhört schwer in einer Zeit, die zuweilen schneller läuft, als der Gesetzgeber mit allen seinen Beinen laufen kann. Sie sehen es ja aus den statistischen Schätzungen des Wissenschaftsrats: noch im Jahre 1960 hat er mit einer Abnahme von 5 % in den Jahren 1966/67 gerechnet; in Wirklichkeit ist eine Zunahme von 70% eingetreten.
Meine Damen und Herren, diese Wechselfalt, diese Schwierigkeit des Universitätstypus, den wir suchen, von der Gesamtuniversität bis zur „graduate faculty" oder so etwas sollte Sie, glaube ich, auch ein Fragezeichen dahintersetzen lassen, ob diese Materie ein Gegenstand der konkurrierenden Gesetzgebung sein kann. Wir werden in Deutschland, so meine ich, nicht die normierte, sondern die differenzierte Universität zu schaffen haben unter Aufrechterhaltung der Möglichkeit, daß jeder Student an jeder Universität studiert. Aber wir werden hier, so meine ich, gerade wegen der föderativen Struktur eine reichere, eine angereichertere Landschaft der Universitätstypen schaffen und schaffen können als mit der Normierung einer konkurrierenden Gesetzgebung.
In diesem Sinne darf ich sicherlich für alle Länder das Bemühen um Fortschritt begrüßen und Ihnen am Ende für Ihre Monitor-Tätigkeit dankbar sein.
({3})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Schmidt ({0}).
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In diesem Haus habe ich bisweilen den Ruf nach einem deutschen Bildungsparlament ertönen hören. Mir war immer nicht ganz klar, was diejenigen, die diesen Ruf ertönen ließen, sich darunter vorgestellt haben; denn ich habe gemeint, es gibt ja ein deutsches Parlament, und das ist dieses hier, und ich habe gemeint, es sei die Aufgabe dieses Parlaments, sich um Fragen der Bildung, der Wissenschaft, der Forschung, der Universität zu kümmern.
({0})
Ich habe in den letzten Tagen mit Erstaunen gemerkt, daß es in den Staatskanzleien unserer Länder einige hochgelahrte Juristen gibt, die sich überlegten, ob sie nicht heute ihren Chefs empfehlen sollten, idem Bundestag sogar das Recht zur Diskussion über diese Dinge abzusprechen. Nun, das ist nicht geschehen und wird auch nicht geschehen, wie die Einlassung des Ersten Bürgermeisters der Freien Hansestadt soeben anzudeuten scheint. Im Gegenteil, man sollte es wohl begrüßen, daß hier, wenn auch an einem Freitagmorgen und vor gelichteten Reihen des Parlaments, doch einmal so etwas wie der Versuch eines Gesprächs zwischen Bundesparlament, Regierung und Ländern über diese Dinge offiziell und für die Öffentlichkeit transparent in Gang kommt. Allerdings - wenn ich mir diese kleine Fußnote gestatten darf, auf die beiden allrusehr erhöhten Bänke hier in diesem Hause gerichtet -:
({1})
Schmidt ({2})
die Verfassung gibt ja denjenigen, die auf diesen Bänken sitzen, das Recht, jederzeit und so lange, wie sie wollen, hier zu sprechen. Aber es wäre doch gut, wenn die Herren, die auf den erhöhten Bänken sitzen, zunächst einmal hören würden, was denn das Parlament zu sagen hat, ehe sie antworten oder ehe sie beweisen, daß das Parlament vielleicht noch nicht einmal die richtigen Fragen gestellt habe.
({3})
Herr Kiesinger hat vom Bildungsideal unserer Zeit gesprochen. Ich möchte ausdrücklich einen Gedanken unterstreichen - wenn ich ihn bei seinen Darlegungen richtig mitbekommen habe, es ist meine Wortwahl und nicht seine, aber ich glaube, es ist ein Gedanke, der ihm am Herzen lag -, seine Betonung der Notwendigkeit, die kreative Phantasie in jungen Leuten nicht durch Stoffhuberei zu ersticken, die schöpferische Fähigkeit vielmehr sich entwickeln zu lassen. Das entspricht - ich sage dies nicht für meine Fraktion - sehr meinen persönlichen Vorstellungen. Aber der Bundeskanzler muß sich von seinem Persönlichen Referenten sagen lassen, daß ich auch eine kritische Bemerkung zu seiner Rede hier heute zu machen habe; von seinem Persönlichen Referenten deshalb, weil er ja einen Briefträger braucht, nachdem er es selber nicht hören kann.
({4})
- Die Doppelsinnigkeit, Herr Martin, haben Sie unterlegt; aber ich will sie nicht ausstreichen.
({5})
Der Herr Bundeskanzler hat gesagt: „Wir können mit finanziellen Mitteln, mit organisatorischen Maßnahmen alle diese Probleme lösen. Aber ...". Und dann kam die gute Sache, die ich die „kreative Phantasie" nenne. Der Vordersatz aber ist fragwürdig. Hat der Bundeskanzler recht, wenn er sagt: „Wir können mit finanziellen Mitteln und mit organisatorischen Maßnahmen alle diese Probleme lösen" ? Ich sehe bisher nur - und ich vermute, wenn Herr Goppel anschließend spricht, wird er ähnlich sprechen wie Herr Weichmann -, daß wir das eben bisher nicht konnten, sondern nur wissen, daß hinter einer Frage die nächste Frage auftaucht und dahinter die dritte.
Nun soll bitte niemand von der Regierungsbank oder der Länderbank uns Abgeordneten sagen, wir hätten kein Recht, Fragen zu stellen, wenn wir selber die Antwort nicht wüßten. Wir sind hier nicht die Regierenden, wir vertreten das Volk, und das hat Fragen zu stellen.
({6})
Und weil das so ist, deswegen bin ich von der Rede des Bundeskanzlers keineswegs sehr befriedigt gewesen, bis auf diesen einen Punkt, bei dem mir wirklich am Herzen liegt, zu unterstreichen, daß ich mit ihm übereinstimme. Ich muß sagen - und das spreche ich im Namen meiner Fraktion aus -: Glückwunsch zu der konkreten Substanz, die Herr Stoltenberg dargeboten hat.
({7})
Das, muß ich sagen, hat mir jedenfalls imponiert. Das war zwar sehr dicht, und es ist schwer, einem verdichteten, schriftlich aufgeschriebenen Vortrag dann auch noch akustisch und von der Situation her, in der man sich befindet, zu folgen. Aber darin war vieles - fast alles -, was wir gern unterschreiben möchten. Das möchte ich dem Herrn Bundeswissenschaftsminister hier ausdrücklich bestätigen.
({8})
Herr Weichmann hat recht, wenn er von dem Resolutionsentwurf als von einem Fragenkatalog oder vielmehr Punktekatalog spricht. Er hat nur den der CDU/CSU gesehen. Inzwischen liegen drei solche Resolutionsentwürfe auf dem Tisch des Hauses. Wo ist eigentlich unserer?
({9})
- Er ist inzwischen verteilt. Den hatte er noch nicht gesehen, glaube ich. Herr Weichmann hat recht, wenn er sagt: Es stecken viele Fragen noch dahinter. Aber wir sind hier weder der Wissenschaftsrat, noch sind wir die Max-Planck-Gesellschaft, noch sind wir die Rektorenkonferenz. Wir sind nur die Anwälte der gequälten Eltern und der gequälten Kinder und der gequälten Studenten. Wir sind mit der gegenwärtigen Situation wirklich unzufrieden.
({10})
Wir wissen genau - wir haben uns auch mit all diesen Fragen beschäftigt, wir haben alle die Fachleute gehört, wir haben mit allen unsere Gespräche geführt -, daß hinter jedem dieser Punkte weitere Punkte und Fragen stecken. Aber wir Abgeordneten sind nicht mit großen Ministerien ausgestattet und können nicht alles selbst erarbeiten. Dazu haben wir uns ja in den Ländern und in der Bundesregierung Minister und Ministerien geschaffen. Wir können verlangen, daß uns nach 20 Jahren endlich wenigstens ein Anfang von zureichenden Antworten gegeben wird.
Nachdem ich hier die Rolle des Parlaments so herausgestrichen habe, will ich aber doch gleichzeitig auch das, was man modernerweise Selbstkritik zu nennen sich angewöhnt hat, nicht unterlassen. Das Parlament muß sich vorwerfen, daß es nicht in der Lage gewesen ist, an diesem Tage .in den elementaren Fragen seine Position einheitlich und gemeinsam vorzutragen, obwohl das möglich gewesen ist. Das ist offensichtlich an regional akzentuierten Eitelkeiten und Besonderheiten gescheitert.
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- Ich komme darauf zurück. Es wäre für die wissenschaftlichen Assistenten unserer drei Fraktionen interessant, den Text der drei Resolutionen zu vergleichen, die hier SPD, CDU und FDP vorgelegt haben. Von der FDP will ich nicht erst reden, das ist das Dünnste, das sind nur fünf oder sechs Punkte, die aber alle übereinstimmen mit den 15 Punkten der CDU, und die stimmen wieder mit den 17 Punkten der SPD überein, nur daß bei dem einen immer noch mehr weggelassen ist als bei dem anderen.
Schmidt ({12})
Jetzt will ich mal unsere Partei loben. Ich habe immer gemeint, Wissenschafts- und Bildungs- und Universitätspolitik sei eine verdammt wichtige Sache. Deswegen habe ich gedacht: Ich bin zwar kein Fachmann auf dem Gebiet, aber man muß sich vielleicht auch als Fraktionsvorsitzender einmal drei oder vier Wochen darum kümmern, wenn eine solche Debatte wie heute morgen hier bevorsteht. Ich habe mich gekümmert auf die Initiative eines hamburgischen Industriellen hin, dem hier gedankt werden muß, und auf die Initiative von Herrn Dichgans, von Herrn Martin und von Herrn Lohmar; Herr Mischnick hat sich auch einmal eine Zeitlang beteiligt.
Wir haben gehofft, es werde möglich sein, eine gemeinsame Plattform in einer Reihe von Fragen zustande zu bringen. Wir hatten sie auch zustande gebracht. Aber dann ging es in die Fraktionen, und dann kamen die großen taktischen Begabungen. Da sagte jemand von der FDP: Wir akzeptieren von dem, was ihr da ausgehandelt habt, nur noch ein Drittel. Auch die CSU hatte vieles zu streichen; sie hat offensichtlich ein kulturpolitsches Vetorecht in der anderen Regierungsfraktion. Wir waren die einzigen, die sich an die gemeinsame Verabredung gehalten haben. Was Ihnen, meine Damen und Herren, als Resolutionsentwurf der Sozialdemokraten auf den Tischen liegt, entspricht den gemeinsam getroffenen Verabredungen. Da ist kein Wort hinzugesetzt oder weggenommen. Wenn wir allein etwas vorzuschlagen hätten, wären wir weitergegangen. Aber wir wollten ja etwas Gemeinsames schaffen!
({13})
Wenn Sie in diesem Parlament den Bildungs- und Wissenschaftspartikularismus der deutschen Länder anklagen, seien Sie dabei bitte nicht allzu selbstgefällig, meine Damen und Herren! Wenn es hier, nach sorgfältigen Unterhaltungen, aus taktischen Gründen am Schluß nicht einmal möglich ist, das, worüber man sich geeinigt hat, auch gemeinsam vorzutragen, dann hat sich dieser Bildungspartikularismus und Wissenschaftspartikularismus schon ganz schön auch in Bonn durchgefressen.
Vor ein paar Tagen habe ich auf einer diesem Thema eigentlich nicht gewidmeten Bundeskonferenz meiner Partei meinen Parteivorsitzenden reden hören, der ja in diesem Hause nur als Außenminister reden kann, genau wie der Bundeskanzler in diesem Haus nur als Bundeskanzler reden kann,. was er bei einer Agrardebatte der letzten Tage wohl ein wenig vergessen hat.
({14})
Brandt hat also dort auf jener Veranstaltung ,als Parteivorsitzender geredet und nicht als Außenminister.
({15})
Wenn es witzig war, was Sie sagten, Herr Moersch, müssen Sie es mir noch erklären.
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- Gut, jawohl, ich habe kapiert, was Sie meinen. Lassen Sie mich von Brandt reden und nicht von dem, was Sie sonst noch apostrophiert haben.
Brandt hat in einer Rede über das ganze Panorama der aktuellen politischen Probleme dieses Landes der gegenwärtigen und der nächsten Jahre eigentlich mehr am Rande eine Bemerkung gemacht, ,die sich mit dem Bildungspartikularismus, dem Schul- und Hochschulpartikularismus der deutschen Länder beschäftigte. Und was niemand erwartet hatte - ich glaube, er selbst hat einen Schrecken bekommen -: er kriegte den spontanen Beifall von achthundertundsoundsoviel Sozialdemokraten im Saal. Das war der spontane Ausdruck der Unzufriedenheit von über achthundert Sozialdemokraten mit einem Tatbestand, der mit ,dem Thema der Versammlung eigentlich kaum etwas zu tun hatte.
Heute soll nun insbesondere von Hochschulen die Rede sein. Die Schulen, die Hochschulen, die Universitäten befinden sich in Deutschland seit 1945 in einer mit Kritik zu betrachtenden Situation. Bürgermeister Weichmann hat eben gesagt: zunächst mußte man doch rein physisch aus den Trümmern wieder etwas aufbauen. Da hat er gewiß recht; aber das ist nun lange her. Wir haben 22 Jahre nach Kriegsende. 22 Jahre nach Kriegsende hat Herr Dahrendorf - ich zitiere ihn durchaus gern, Herr Moersch; Sie haben es vorhin vermißt - gesagt, immer noch litten wir in Deutschland an dem „Modernitätsrückstand", daß Arbeiterkinder an deutschen Universitäten nur eine verschwindend geringe Rolle einnehmen könnten.
Es fängt doch an 'bei der unzureichenden Ausschöpfung der Bildungsreserven und geht weiter über die rückständige Verfassung unserer Hochschulen bis zur ineffizienten Organisation von Forschung und Lehre. Übrigens, der Bundeskanzler hat vorhin gesagt, wir könnten das finanziell und organisatorisch alles bewältigen. Ich habe meine Fragezeichen dahinter gesetzt. Ich darf hier nur sacien: Studienreform und Reform der Universitätsverfassung, meine Herren Finanzminister, kostet keinen Pfennig Geld, es kostet nur Entschlußkraft und Durchsetzungsvermögen.
({17})
Ich sage es noch einmal: Studienreform im Sinne etwa der Vorschläge des Wissenschaftsrates ist keine Finanzfrage, sondern ist eine Frage der Entschlußkraft der rückständigen Fakultätentage in Deutschland, der Rektorenkonferenz und der Kultusminister, die im übrigen ja auch ein Erlaß- und Verordnungsrecht auf diesem Gebiet haben.
({18})
Ich sagte, auch die Reform der Universitätsverfassung ist nicht eine Frage der Finanzierung, sondern der Konzipierung.
({19})
Vielleicht darf ich einmal vorlesen, was vor einiger
Zeit der Vorsitzende des - übel beleumdeten, wie
Schmidt ({20})
ich in den Zeitungen lese - Sozialistischen Deutschen Studentenbundes dazu gesagt hat:
Angesichts der berechtigten Vorwürfe, die die Gesellschaft heute der Universität zu machen hat, kehren einige Akademiker den Spieß um und fordern, daß der Staat gefälligst nur das Geld zu liefern habe und daß ihn sonst die Universitäten und die Verfassung nichts angingen. Nun hat die Autonomie der Universitäten, besonders in der Erinnerung an die Bevormundung der Wissenschaft durch den Nazi-Staat, erhebliche Vorzüge, und es wäre gegen die Autonomie nichts einzuwenden, wenn man hoffen dürfte, ,daß die Universitäten aus eigener Kraft ihre gegenwärtigen Schwächen überwinden könnten. Das ist aber nicht ,der Fall, und wir haben sicherlich keine nur annähernd befriedigende Hochschulreform zu erwarten, wenn wir nur abwarten würden und die Sache ausschließlich den Professoren überließen.
Sie wundern sich sicher über die gemäßigte Sprache. Das klingt gar nicht nach SDS. Das war der Bundesvorsitzende des SDS heute vor 20 Jahren; ich war es selbst. Es ist ja neuerdings in diesem Hause erlaubt, sich selbst zu zitieren.
({21})
Das war schon vor 20 Jahren richtig; das was damals von jungen Leuten ausgesprochen wurde, die heute 50 sind, ist heute noch genauso richtig. Es hat sich inzwischen nichts geändert, nur daß inzwischen an den Universitäten die Talare und Baretts angeschafft wurden und die Anreden „Magnifizenz" und „Spektabilität" wieder eingeführt wurden. Was hätten wir Soldaten gelacht, als wir aus dem Krieg nach Hause gekommen sind, wenn wir uns zu dieser Anrede hätten bequemen sollen! Das alles hat sich jetzt wieder ausgebreitet.
Meine Damen und Herren, ich fürchte, wir haben Grund, unseren Kollegen in den Landesparlamenten zu sagen, sie sollten sich - bei allem Respekt für das Humboldtsche Bildungsideal - nicht täuschen lassen. Die .gegenwärtige Universitätsverfassung ist keine Restauration zurück auf Humboldt. Die Humboldtsche Universität hatte eine sehr viel freiere innere Verfassung als manches, was wir heute sehen.
({22})
Herr Kollege, so gern wir Ihnen noch zuhören möchten, die Zeit ist jetzt um.
Das ist schade. Eine freie Rede dauert manchmal länger als eine Rede, die man ablesen kann. Da kann man schnell haspeln.
Lassen Sie mich noch ein paar Sätze sagen, Herr Präsident!
Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Herr Kollege Schmidt??
Gern.
Herr Kollege Schmidt, ziehen Sie aus diesem Vorfall mit mir den Schluß, daß die Begrenzung der Redezeit, die Sie gegen unser Veto :vorgenommen haben, geradezu dazu zwingt, Manuskripte auszuarbeiten, um die Zeit einhalten zu können?
Wissen Sie, ich habe dieser Begrenzung deshalb zugestimmt, weil mir die seit zwei Jahren andauernden Bemühungen des Kollegen Dichgans im Grunde zutiefst sympathisch sind. Und heute morgen war einmal eine Gelegenheit, ihnen zu entsprechen. Wahrscheinlich bleibt das allerdings ein einmaliger Tageserfolg.
Ich muß hier bekennen, daß ich durch den Ablauf meiner Redezeit nicht entfernt das ausdrücken konnte, was mir eigentlich am Herzen liegt. Das war nur ein kleiner Anfang, ein ganz kleiner Anfang. Wir sollten vielleicht häufiger miteinander reden, und es wäre gut, wenn auch der Bundesrat häufiger hier wäre
({0})
nicht nur, um uns zu belehren, sondern auch, um uns zuzuhören, auch, um sich mit uns zu streiten, uns auseinanderzudividieren. Wir haben ja verschiedene Meinungen in verschiedenen Fragen.
So nützlich es sein mag, daß die FDP jetzt einen sehr begrenzten und - wie ich es verstehe - vorsichtigen Antrag - leider ist ,er noch nicht auf dem Tisch - einbringen will, wir sind uns bewußt, daß im Grunde letztlich niemand an der Kompetenzverteilung des Grundgesetzes etwas ändern kann. Wir jedenfalls wollen es eigentlich auch nicht.
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Wir werden es wohl auch in Zukunft eigentlich nicht wollen. Wir sind aber sehr skeptisch, ob die gegenwärtige Kompetenz bei den Stellen, denen sie zugemessen ist, überall den richtigen Gebrauch erfährt.
Darf ich zum Schluß eine Bemerkung über das deutsche Bildungsparlament machen, meine Damen und Herren? Ich bin ganz stolz darauf, daß der Bundestag es in den letzten 14 Tagen durch die sogenannten Public Hearings - ein richtig schöner deutscher Ausdruck dafür fehlt ja wohl noch - in Sachen Notstand fertiggebracht hat, die kritische Aufmerksamkeit eines großen Teils der öffentlichen Meinung auf dieses Notstandsproblem zu lenken, das uns schon viele Jahre lang bedrückt und gedanklich und intellektuell beschäftigt. Vielleicht wäre es ganz gut, wenn wir z. B. unter den kontroversen Stichworten der Finanzverfassungsreform, die uns demnächst bevorsteht, Public Hearings mit Fernsehen und großer Aufmerksamkeit der deutschen öffentlichen Meinung zu den Fragen veranstalteten, die wir hier heute nur andeutungsweise behandeln können. Es wäre vielleicht ganz gut, wenn sich die Herren Kultusminister der Länder in einem solchen Public Hearing den bohrenden Fragen der unzufriedenen Öffentlichkeit stellen müßten.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Martin.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte wieder zur Sache zurückkommen und die 15 Minuten eigentlich gern dazu verwenden. Wir hatten uns ja vorgenommen, hier möglichst in freier Rede zu sprechen und vor allem miteinander zu diskutieren und aufeinander zu hören.
Herr Schmidt, ich muß Ihnen leider widersprechen. Die Durchführung der Studienreform kostet Geld, und zwar erheblich Geld.
({0})
Sie denken wohl an andere Maßnahmen. Das muß hier klargestellt werden, damit nicht ein anderer Eindruck entsteht.
Etwas betroffen haben mich die Ausführungen von Herrn Weichmann, der nach flüchtiger Lektüre, wie ich fürchte, unserer Entschließung das als „generalisierende Appelle" und als Aussagen abqualifizierte, die im Grunde genommen doch substanzlos seien. Ich will das hier nicht mit Schärfe zurückweisen, weil ich das Gespräch mit den Kultusministern suche, möchte es aber doch der Ordnung halber anmerken und dann gleich fortfahren: Herr Weichmann, Sie haben als Begründung den Satz unserer Entschließung „Schulreform und Hochschulreform müßten als Einheit betrieben werden" zitiert, und haben dann in den Saal gefragt, was das denn eigentlich bedeute. Da muß ich Ihnen sagen, Herr Bürgermeister: das ist genau der wunde Punkt, um den es geht.
Wir beobachten in unserem Land seit Jahren einen elementaren Vorgang der Bildungsausweitung, den wir alle begrüßen. Aber wir stehen doch heute vor der Tatsache, daß unsere Universitäten nicht in der Lage sind, diesen Bildungsstrom aufzunehmen. Deshalb fordern wir, daß Schulreform und Hochschulreform aufeinander bezogen werden. Die Frage nach der Struktur richtet sich nicht nur an die Universität, sondern genauso an die Schulen. Das wollten wir klarmachen, Herr Bürgermeister. Ich glaube nicht, daß das ein leeres Wort ist; das ist vielmehr eine sehr ernste Tatsache. Man kann und muß sagen, daß die Überlegungen hinsichtlich der Bildungsausweitung in den Schulen und der Ausweitung in den Universitäten mindestens in der Tat und in der Wahrheit nicht zur Deckung gebracht worden sind.
Wir sind jahrelang davon ausgegangen, daß wir die Studentenzahlen mit dem Ausbau und dem Neubau von Universitäten meistern könnten. Das, was uns der Wissenschaftsrat jetzt gesagt hat, zeigt, daß das nicht möglich ist, daß weder die finanziellen Mittel für eine solche Ausweitung zu beschaffen sind, noch daß das personell, administrativ, politisch und zeitlich erledigt werden kann. Das heißt auf deutsch, daß wir heute vor einem kritischen Punkt der Kulturpolitik im Bund und in den Ländern stehen.
Wir würden, glaube ich, im Bundestag nicht auf der Höhe der Diskussion sein - die Frankfurter Allgemeine Zeitung wäre uns mit ihrer heutigen Ausgabe voraus -, wenn wir dieses Problem nicht diskutieren wollten. Frau Wex hat hier sehr klar ausgeführt, worum es geht. Dazu steht auch meine Fraktion. Wir müssen eine prinzipielle Entscheidung fällen, was aus den Abiturienten wird. Es 'ist nicht damit getan, steigende Zahlen von Abiturienten zu haben, ohne daß die sozialpolitischen Forderungen, die an das Abitur geknüpft werden, erfüllt werden können. Man kann doch nicht nur auf das Abitur zugehen, ohne überhaupt den Bedarf der Gesellschaft an Akademikern zu kennen; das muß klargestellt werden.
({1})
Das habe ich hier schon einmal gesagt.
Wir müssen davon ausgehen, daß das Anwachsen des Bildungsstromes ein elementarer Vorgang ist, der nicht zu bremsen ist und der auch nicht gebremst werden darf. Die Frage ist nur, wie er zu kanalisieren ist. Die Franzosen haben das gleiche Problem, die gleiche Diskussion um Universität und um Abitur.
Ich möchte in dieser Diskussion gern folgendes klarmachen. Wir bejahen den Bildungsstrom mit Entschiedenheit, wir müssen ihn aber schon auf der Schule nach Maßgabe der Bedürfnisse, die diese Gesellschaft hat, und nach Maßgabe der Möglichkeiten umleiten, die in den einzelnen Menschen angelegt sind. Nur wenn wir das erreichen, können wir dem Abitur seine ursprüngliche Gestalt wiedergeben, können wir die Universität effektiv entlasten, können wir wieder zu den Ideen zurückkehren, die hier von der Universität verlangt werden.
Herr Weichmann hat mich etwas verwirrt, als er sagte, er möchte gern wissen, was eine Universität sei, und er sei auf dem Wege zu einem Typus, den er suche. - Das ist natürlich eine Sache, die einem nachgeht. Ich glaube nicht, daß man Bildungspolitik ohne eine Bildungsidee betreiben kann oder daß man das überhaupt tun darf. Mit nur quantitativen Vorstellungen sind die Dinge hier nicht gemacht.
Das regt mich jetzt dazu an, zu sagen: Wenn wir in dem ausgeführten Sinne den Strom der Bildungswilligen umleiten und zu vernünftigen Verhältnissen kommen, dann wird es vielleicht auch wieder möglich sein, über die Universität entsprechend nachzudenken. Wenn also die Universität durch Fachhochschulen entlastet ist, wenn das Gymnasium nicht nur das Abitur, sondern eine Akademiereife bietet, dann, glaube ich, kann das Ziel sein, sich wieder ernsthaft mit der Bildungsidee der Universität auseinanderzusetzen.
Ich glaube nicht, daß es richtig ist, zu sagen, die Humboldtsche Idee sei erledigt. Ich halte das für einen grundlegenden Irrtum. Es ist sehr bezeichnend, daß einer meiner Kollegen jetzt ein Buch geschrieben hat, in dem ausdrücklich gesagt wird, daß die komplette Verwissenschaftlichung des modernen Lebens erst die Chance für die Realisierung
dieser Idee gibt. Ich will einmal aufzählen, um was es sich da handelt: „Einheit von Forschung und Lehre", „Bildung durch Wissenschaft", „Sinn und Antrieb für das Ganze", „Einheit von Denken und Handeln", von „Vernunft und Praxis", eine kritisch verstandene „akademische Freiheit" und eine durch Vernunft vermittelte Persönlichkeitsbildung.
Universität kann nicht nur Ausbildungsstätte sein, sie muß Menschen bilden, und zwar in einem intensiven Sinne dieses Wortes.
({2})
Das war die Funktion der Universität und muß es bleiben. Derjenige, der die Studentenunruhen, die hier dauernd angesprochen werden, wirklich kennt, weiß, daß der Protest in Amerika und vielen anderen Ländern und in Deutschland gerade dagegen geht, das alles reglementiert wird, daß alles verschult wird, daß der Sinn für das Ganze nicht mehr vorhanden ist. Die Studenten fürchten zum großen Teil, daß ihr Menschsein bedroht wird und daß sie sich in einer Institution befinden, die nur einen Output von Studenten und Funktionären der Gesellschaft braucht.
Ich glaube, daß wir davon abkommen müssen. Wenn ich die Entlastung der Universität in diesem Sinne vorschlage, dann gerade auch um dieser Dinge willen. Wir werden den Fragen nicht gerecht, wenn wir das nicht tun. Mit anderen Worten - ich möchte meine Zeit nicht überschreiten -, wir müssen eine gewichtige kulturpolitische Entscheidung in Deutschland fällen. Wir müssen sie fällen auf der Grundlage des festen Willens, die Bildung in Deutschland auszuweiten, das Gesamtniveau zu heben, die Bildungsexpansion also nicht zu stoppen. Wir müssen das tun mit dem festen Willen, das Bildungswesen nicht kopflastig werden zu lassen, sondern den Strom der Bildungswilligen dahin zu leiten, wohin Fähigkeit und Neigung der Individuen und die Bedürfnisse der Gesellschaft auf der anderen Seite sie führen.
({3})
Das ist das Grundprinzip.
Ich glaube, daß für diese Entscheidung nicht mehr viel Zeit ist. Sie muß sorgfältig überlegt werden. Ich möchte Herrn Bürgermeister Weichmann und den Herren Kultusministern noch sagen - wir können das in einer Viertelstunde nicht zum Ausdruck bringen -: gehen Sie bitte davon aus, daß dieser Bundestag und seine Kulturpolitiker die Differenziertheit des Bildungswesens, die Schwierigkeit der Vorgänge und ihre Gewichtigkeit genau kennen, daß wir versuchen, mit Ihnen nachzudenken, und daß wir inzwischen auch eine ganze Menge gelernt haben. Was wir möchten, ist, daß ein Gespräch zwischen den Kultusministern und uns über diese Fragen in Gang kommt. Denn die Verantwortung ist eine gemeinsame. Ich will keine Phrase wiederholen, aber doch sagen: von der Funktionsfähigkeit unseres Bildungswesens hängt die materielle und die geistige Zukunft unseres Volkes ab.
({4})
Das Wort hat der Ministerpräsident Goppel.
Dr. h. c. Goppel, Ministerpräsident des Landes Bayern: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich hätte möglicherweise das Wort nicht ergriffen, wenn Sie, Herr Schmidt, mich nicht so liebenswürdig apostrophiert hätten. Aber ich fühle mich als „alter" Innenminister direkt herausgefordert, mich jetzt zu äußern.
Ich möchte auf viele Dinge nicht eingehen. Eines möchte ich vorweg gleich behandeln, den Antrag auf Einführung einer konkurrierenden Gesetzgebung betreffend das Hochschulwesen und die Wissenschaft. In den vorgelegten Entschließungsanträgen - ich weiß im Moment nicht, in welchen -, aber auch in den vorhergehenden Ausführungen, wurde die Einheit des ganzen Bildungswesens angesprochen. Wer über die Wissenschaft Gesetze geben will, muß unweigerlich dann auch die Gesetzgebung über die vorausgehenden Schulzüge in die Hand nehmen; sonst steht er allein. Das, meine ich, dürfte jetzt schon - ohne daß wir uns drüben auf der anderen Bank abgesprochen hätten - klar sein: die Grundgesetzkompetenzen, wie sie jetzt sind, Herr Schmidt - Sie haben gesagt, Sie wollten sie „letztlich" nicht angreifen -, würden in einem entscheidenden Maße beeinträchtigt. Das wollte ich zu der „konkurrierenden Gesetzgebung" sagen.
Das, meine sehr verehrten Damen und Herren, bedeutete dann auch noch etwas ganz anderes. Herr Schmidt hat uns auch gefragt, was denn geschehen sei. Ich möchte einmal - ich habe jetzt die Unterlagen; die lese ich nun vor - an die Berichte erinnern, die Bund und Länder vorgelegt haben. In den Berichten steht alles drin. Ich darf trotzdem einmal zitieren. Für den Bereich des Hochschulwesens ist dort folgendes festgestellt und festzustellen:
Der Wissenschaftsrat wurde 1957 errichtet. Er hat 1960 seine ersten großen Empfehlungen zum Hochschulwesen vorgelegt. Sie waren im wesentlichen keine Reform-, sondern Ausbauempfehlungen, die dem Nachholbedarf der Nachkriegszeit genügen sollten. Diese Empfehlungen sind von den Ländern und dem Bund in den ersten fünf Jahren dieses Jahrzehnts getreulich erfüllt worden. In den Jahren nach 1960 hat sich dann der Wissenschaftsrat zunehmend mit Empfehlungen über Strukturänderungen befaßt. Dazu zählen die sogenannten Mittelbauempfehlungen, die Anregungen zur Gestalt neuer Hochschulen, die Studienreformempfehlungen von 1966.
Diese Ratschläge, meine Damen und Herren, einer gemäßigten Hochschulreform bedeuten mehr Evolution als Revolution. Mittlerweile hat sich das dann so weiterentwickelt. Aber was ist nunmehr geschehen? Der Wissenschaftsrat hat seinen letzten Bericht im Mai 1966 vorgelegt. Er ist jetzt eineinhalb Jahre alt. Darin sind die wesentlichen Vorschläge für eine Hochschulreform enthalten, wenn auch nicht alle. Die Durchführung der Empfehlungen zur Studienreform ist inzwischen auf dem besten Wege. Die Länder, die Hochschulen, ;die Westdeutsche RektorenkonfeMinisterpräsident Dr. h. c. Goppel
renz bemühen sich darum, und zwar in nicht weniger als 30 Fachausschüssen der beiden Kommissionen für Studien- und Prüfungsordnungen, für akademische und für Staatsprüfungen.
Parallel dazu geht die Schaffung des Mittelbaus, seine akademische Neustrukturierung und die schon erwähnte entscheidende Vermehrung der Assistenstellen. Der Unterricht in kleinen Gruppen und der Einsatz der Tutoren für Lehrveranstaltungen kommen hinzu. Aber .es wäre natürlich ungerecht, zu verlangen, daß die Umstellung der „Elite-Hochschule" Humboldts auf die Massenuniversität des 20. Jahrhunderts nun in einem Zuge in kürzester Frist durchgeführt wird. Wer von uns würde die Forderung, daß (die Studienempfehlungen des Wissenschaftsrats und die Hochschulreform unverzüglich durchgeführt werden, nicht bejahen? Wer von uns würde die Empfehlungen für die Art der Hochschulreform nicht bejahen? Darüber müßte man schon länger debattieren. Über Iden Weg dahin werden wir uns morgen noch nicht im klaren sein. Auch das muß dazu gesagt werden.
Was ist in diesen 20 Jahren noch geschehen, Herr Schmidt? Ich kann es nur von Bayern sagen. Unsere vier Universitäten einschließlich der Technischen Hochschule waren fast total zerstört. Eine einzige Hochschule ohne Medizinische Fakultät aufzubauen, kostet 2 Milliarden DM. Das hat eben der Herr Wissenschaftsminister selber vorgetragen. Wir geben im Augenblick in unserem Etat allein für den Kultusbereich nahezu 30% des ganzen Haushalts aus. Wir geben 50 % und mehr allein an Personalausgaben im Kultusetat aus, weil nämlich jede neue Klasse, jedes neue Gymnasium, jede neue Hochjeder neue Mittelbau und jedes neue Institut nicht bloß im Moment Geld kosten, sondern weil das laufend unheimlich viel Geld kostet. Ich darf Ihnen sagen: die viel umstrittene zweite Medizinische Fakultät an der Technischen Hochschule in München verursacht nach unserer mittelfristigen Vorausschau und Planung in fünf Jahren eine Betriebsausgabe von ungefähr 300 Millionen DM. Ich muß das einmal sagen, damit man die Maßstäbe hat. Lassen Sie mich noch eine Zahl nennen; dann will ich schon aufhören. Unsere mittelfristige Vorausschau für fünf Jahre bringt allein Kultusausgaben in Höhe von fast 13 Milliarden DM bei Gesamteinnahmen von 48 Milliarden DM.
Was ist also geschehen? Was ist mit diesem so viel zitierten und Beschimpften Bildungspartikularismus? Den treiben wir nicht. Wir glauben aber -und da wollen wir wirklich im Gespräch sein -, daß es doch leichter ist, wenn die universitätsnahen und schulnahen Ministerien diese Fragen behandeln, als wenn wir das hier in diesem Hohen Hause mit dieser Besetzung im einzelnen tun. Lassen Sie die Herren mit Ihnen und miteinander sprechen! Die Direktoren, unsere fünf, die kennen wir noch. Wir kennen fast die ganzen Dekane - ich will nicht sagen: die Spektabilitäten; das ist ein Wort, das wir nie gebraucht haben; das ist erst nach dem Kriege aufgekommen.
({0})
- Nicht alle. Wenn Sie ein bißchen weiter nach rechts schauen, dann stimmt es nicht mehr. Aber dieses Wort müssen w ir um der Kinder und der Jugend willen, für die Sie wie wir, für die wir alle da sind, eigentlich ablehnen.
Wenn es schon besser ist, gewisse Dinge in den Gemeinden zu behandeln, dann soll es auf einmal gut sein, wenn man hier in diesem Hause anfängt, diese Reform zu betreiben? Wie? Herr Dr. Martin hat vorhin gesagt: Wir müssen kulturpolitische Entscheidungen treffen. Ich darf einmal fragen: in welcher Form werden solche kulturpolitischen Entscheidungen hier im Hause wie in unseren Häusern getroffen? Doch lediglich in der Form von Gesetzgebung und in der Form von irgendwelchen Rechtsverordnungen, d. h. mit Gesetzesbefehlen. Ja, und nun muß ich sagen: ich wünsche Ihnen viel Glück, mit den Herren Professoren dann alles das auszuhandeln, was wir schon in kleinen Besprechungen nicht fertigbringen.
({1})
- Nicht nur bei Berufungen, auch beim Hochschulgesetz, bei der Autonomie, bei der Selbstverwaltung. Am letzten Samstag haben wir die neue Universität Regensburg eröffnet. Da hat der akademische Festvortrag im wesentlichen darin zentriert, daß der Vortragende sagte: Ja, was ist eine Universität? Sie ist eine Societas leonina, das heißt, eine Gesellschaft, bei der bloß der eine gibt und der andere nimmt. So darf man sie nicht nennen. Aber der Staat hat zu dienen; auch wir haben zu dienen. Doch hineinzureden hat der Staat eigentlich nichts. - Das ist die Frage, die die westliche, die abendländische Universitätsauffassung trifft, und die können wir heute und hier oder morgen oder übermorgen nicht so schnell aus dem Felde schlagen; denn da geht es um heilige Rechte.
Und wenn wir schon immer nach der Öffentlichkeit fragen, Herr Kollege Schmidt, - ich habe mir neulich wieder das Ergebnis einer demoskopischen Umfrage geben lassen. Der meistgeschätzte Stand in diesem Lande sind danach die Professoren. Ich freue mich also, wenn Sie mit denen die Klingen wechseln.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Herr Ministerpräsident? - Bitte.
Herr Ministerpräsident Goppel, darf sich Ihren letzten Ausführungen entnehmen, daß Sie trotz der enormen Wertschätzung für (den Professorenstatus, wie .er bei ;den Emnid-Umfragen und dergleichen zum Ausdruck kommt, im Grunde der Meinung sind, daß der Landesgesetzgeber, auch der bayerische Landesgesetzgeber, vielleicht wahlberaten wäre, wenn er die Autonomie der Universität nicht mit unbedingt dem gleichen Respekt oder ider gleichen Scheu betrachtete, wie es bisher geschah?
Dr. h. c. Goppel, Ministerpräsident des Landes Bayern: Dazu möchte ich Ihnen sagen: ich bin mit Ihnen der Überzeugung; aber im bayerischen Par6922
Ministerpräsident Dr. h. c. Goppel
lament sitzen 204 Abgeordnete wie hier über 500. Ich darf Sie bitten, dies dann damit auszumachen.
({0})
Das Wort hat Herr Minister von Heydbreck.
von Heydebreck, Minister des Landes Schleswig-Holstein: Herr Präsident! Hohes Haus! Im Rahmen dieser Diskussion über die beiden hier behandelten Großen Anfragen ist ,es für mich eine sehr angenehme Pflicht, als Sprecher der Länder und nun in meiner Eigenschaft als gegenwärtiger Präsident der Kultusministerkonferenz das Wort zu ergreifen. Ich möchte damit den Versuch machen, einige konkrete Informationen ¡aus der Sicht der Länder und insonderheit natürlich aus der Sicht der Kultusminister der Länder zu dieser Diskussion beizutragen.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Herr Minister, von Herrn Abgeordneten Moersch?
Herr Minister, habe ich Sie richtig verstanden: Sagten Sie eben, Sie sprächen ,als Vertreter der Länder? Oder ist es richtig, daß sie hier als Mitglied eines Bundesorgans, nämlich des Bundesrates, sprechen?
von Heydebreck, Minister des Landes Schleswig-Holstein: Nein, ich spreche als Vertretereines Bundesorgans. Denn anders kann ich, Herr Abgeordneter Moersch, in diesem Hohen Hause, soweit ich unterrichtet bin, gar nicht sprechen.
({0})
Ich glaube aber, daß ,das Hohe Haus - das ging aus den Ausführungen aller Fraktionen hervor - doch Wert darauf legt, daß wir in diesen Fragen der Bildung und der Wissenschaftspolitik zu einem echten Gespräch kommen. Ich glaube deshalb, dazu berechtigt zu sein, hier zum Ausdruck zu bringen, daß ich nicht nur ein Kultusministereines Bundeslandes bin, sondern im Augenblick zugleich der Präsident der Kultusministerkonferenz, und aus dieser Eigenschaft heraus dem Hohen Hause gleich noch einige vielleicht brauchbare Informationen zu liefern.
Ich bin mir, meine Damen und Herren, völlig darüber im klaren, daß ich ebensowenig wie der Herr Erste Bürgermeister von Hamburg nun namens des Bundesrates auf alle hier gestellten Fragen ohne weiteres eine Antwort geben kann. Namens des Bundesrates können diese Antworten natürlich nicht gegeben werden, Herr Abgeordneter Moersch, weil der Bundesrat ein Bundesorgan ist. Aber wir haben nun einmal in der Konferenz der Kultusminister eine Institution, die in der Lage ist, auf die Fragen unserer Wissenschafts- und Bildungspolitik, die die Länder gemeinsam behandeln, und über die sie sich geeinigt haben, eine gemeinsame Antwort zu geben.
Ich weiß auch nicht, Herr Abgeordneter Moersch, ob es mir gelingen wird, Sie nach Ihren früheren Ausführungen davon zu überzeugen, daß in der Kultusministerkonferenz nun wirklich ganz ohne Rücksicht auf die parteipolitische Zusammensetzung der jeweiligen Landesregierung zu sehr wesentlichen, hier heute angesprochenen Fragen im Laufe der Jahre gemeinsame Auffasungen erarbeitet worden sind.
Es geht heute in erster Linie um die Neuordnung der Studien an den wissenschaftlichen Hochschulen. Diese Frage wirft sofort ein doppeltes Problem auf. Es ist auf der einen Seite ein organisatorisch-strukturelles Problem, und es ist auf der anderen Seite - da muß ich dem Herrn Abgeordneten Schmidt widersprechen - natürlich auch ein finanzielles Problem. Denn, meine Damen und Herren, keine Rationalisierung ist durchführbar, ohne daß man in die Rationalisierungsmaßnahme auch zunächst einmal etwas hineinsteckt. Das ist in der Wirtschaft so, und das wird auch in der Bildungspolitik immer und überall so sein.
({1})
Herr Minister, gestatten Sie eine Frage des Herrn Abgeordneten Schmidt?
Darf ich Ihnen die Frage stellen, Herr von Heydebreck, wieso und in welcher Größenordnung etwa eine Verkürzung und eine andere Einteilung der Studiengänge, die der Wissenschaftsrat zur Debatte gestellt hat, zusätzliche finanzielle Aufwendungen erfordern, und zweitens die Frage, wieso eine Reform der Universitätsverfassung zusätzliche finanzielle Aufwendungen erfordert, abgesehen natürlich von den Kosten für das Papier, auf denen das gedruckt werden muß?
von Heydebreck, Minister des Landes Schleswig-Holstein: In der ersten Frage kann ich es ziemlich klar beantworten. Wir schätzen, daß die Studienreform in allen Ländern jährlich etwa 100 bis 120 Millionen DM kosten wird.
({0})
- Zusammen in allen Ländern 100 bis 120 Millionen DM jährlich.
({1})
Das sind die Mittel für die Bereitstellung des Lehrpersonals des Mittelbaus, den man braucht, um in den der Studienreform angemessenen Gruppen unterrichten zu können. Diese Schätzung wird ziemlich zutreffen. Das ist die Antwort auf die eine Frage.
Die andere Frage, ob man wirklich ohne einen Pfennig Kosten Hochschulgesetze verabschieden kann, kann man nicht generell beantworten. Es wird wahrscheinlich davon abhängen, was in den Hochschulgesetzen zu lesen steht. Auch solche Gesetze können Kostenfolgen haben. Darüber unterhalten wir uns auch in den Ländern regelmäßig mit unseren Finanzministern, die jeden unserer GesetzMinister von Heydebreck
entwürfe mit Recht kritisch beurteilen. Wenn also durch ein Gesetz etwa die Position oder die Besoldung der Hochschullehrer angesprochen ist oder wenn die Selbstverwaltung in kostenerweiternder Weise ausgedehnt wird, dann kann auch das finanzielle Folgen haben. Ich möchte aber zugeben, daß das wohl die geringere Summe sein wird.
Darf ich die Zusatzfrage stellen, Herr von Heydebreck: Würden Sie nicht in beiden Fällen zugeben müssen - auch im ersten Fall, wo Sie Größenordnungen genannt haben, die für alle Länder gemeinsam in der „enormen" Summe von 120 Millionen DM pro Jahr gipfelten -, daß das Größenordnungen sind, die in keiner Weise mit den finanziellen Größenordnungen verglichen werden können, die allerdings den Ausbau des Hochschulwesens entscheidend behindern, und daß es infolgedessen mit finanziellen Argumenten im Augenblick kaum zu vertreten ist, die Studienreform weiter auf sich warten zu lassen?
von Heydebreck, Minister des Landes Schleswig-Holstein: Herr Abgeordneter Schmidt, in manchen Ländern spielt der prozentuale Anteil an den 100 bis 120 Millionen DM eine erhebliche Rolle. Ich brauche nur von meinem Land zu sprechen. Es sind 4 bis 5 Millionen DM, die irgendwo herausgenommen werden müssen. 5 Millionen DM spielen - meinetwegen im Baufonds der Universität - eine erhebliche Rolle. Wenn ich die 5 Millionen DM hinzusetze, die ich dann vom Bund zusätzlich bekommen kann, dann sind das 10 Millionen DM.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Martin?
Sind Sie nicht der Meinung, Herr Minister, daß die Einrichtung des Mittelbaus an den Universitäten eine Maßnahme der Studienreform ist? Und ist das nicht ein Beispiel für die Kosten? Können Sie einmal die Höhe angeben und sie zusammennehmen mit den Kosten, die Sie eben genannt haben?
von Heydebreck, Minister des Landes Schleswig-Holstein: Ich habe bisher die Kosten genannt, die durch die Personalvermehrung entstehen. Sie detailliert auf die einzelnen Länder aufzuschlüsseln, wird mir im Augenblick nicht möglich sein, Herr Abgeordneter Martin.
Herr Minister, würden Sie auch noch eine Zwischenfrage von Herrn Dr. Lohmar erlauben?
Erlauben Sie mir, Herr von Heydebreck, die Frage von Herrn Schmidt dahin zu ergänzen, ob nicht das Problem, ob Mittel in der von Ihnen bezeichneten Größenordnung vorhanden sind, weniger eine Angelegenheit der insgesamt verfügbaren finanziellen Mittel der Länder ist als eine Sache der Rangordnung der Verwendung der Mittel, "die den Ländern zur Verfügung stehen, und
insoweit genau die gleiche Problemlage besteht, mit der es die Bundesregierung zu tun hat.
von Heydebreck, Minister des Landes Schleswig-Holstein: Sicherlich ist das auch eine Frage der Rangordnung im einzelnen Land. Aber es wird immer auch die Prioritätenfrage in Bund und Ländern aufgeworfen werden müssen. Ich habe oft auch in meinem Landesparlament sagen müssen: Ich mag das Wort von den Prioritäten gar nicht mehr hören, wenn nicht gleichzeitig auch die Posterioritäten auf den Tisch gelegt werden.
({0}) Das ist außerordenlich schwierig.
Ich darf, meine Damen und Herren, jetzt das finanzielle Problem der Studienreform verlassen und etwas zum organisatorisch-strukturellen Teil der Studienreform vortragen. Dabei möchte ich mich bemühen, mich auf die sachliche Information zu beschränken. Studienreform ist immer gleichzeitig Prüfungsreform; denn jedes Studium wird letztlich durch den Stoff bestimmt, der dem Studenten einmal am Tage der Prüfung abverlangt wird. Die etwa 35 000 Abschlußprüfungen, die an den deutschen Hochschulen jährlich abgelegt werden, sind zu zwei Fünfteln - ich glaube, das ist nicht ganz unwichtig - akademische und zu drei Fünfteln Staatsprüfungen. Aber Konstruktion und Ablauf der akademischen Prüfungen sind nun weitgehend in die Autonomie der Hochschulen selbst gestellt. Die Kultusministerien haben dabei mehr oder weniger nur eine genehmigende Funktion im Sinne einer Rechtsaufsicht zu erfüllen. Auch die Staatsprüfungen werden fast ausschließlich von Hochschullehrern abgehalten. Deshalb ist bei der Reform der Prüfung und damit des Studienwesens ein enges Zusammenwirken zwischen den Ländern und den Hochschulen erforderlich. Kultusminister und Universitäten, Hochschulrektoren, haben zwei eigene Kommissionen für die akademischen und für die staatlichen Prüfungsordnungen eingesetzt, die in 30 Fachausschüssen - Herr Ministerpräsident Goppel erwähnte das schon - für die verschiedensten Wissenschaftsgebiete von der Theologie bis zur Technik arbeiten und die modernen Musterprüfungsordnungen für die einzelnen Disziplinen erstellen.
Meine Damen und Herren, da gibt es aber zwei Tendenzen, die sich nicht leicht unter einen Hut bringen lassen; die zunehmende Stoffülle der modernen Wissenschaft, hervorgerufen durch die allgemein bekannte Ausweitung des menschlichen Erkennens, auf der einen Seite und das Bemühen, diesen Wissensstoff beispielhaft zu ordnen und zu kürzen auf der anderen Seite. Welche Schwierigkeiten dabei entstehen, mag einmal an einem Beispiel erläutert werden. In einem wichtigen naturwissenschaftlichen Fachgebiet, dessen Erkenntnisse die Welt in den letzten zwei Jahren umgestaltet haben, tritt ein deutscher Nobelpreisträger, den Sie alle kennen, nachdrücklich für die Verkürzung der Studiendauer auf acht Semester ein. Auf der anderen Seite will der aus sieben hervorragenden Gelehrten bestehende Fachausschuß eine Studiendauer von zehn bis elf Semestern haben. Es würde nun
Minister von Heydebreck
sehr wenig nützen, wenn die Kultusministerkonferenz, die ja Musterprüfungsordnungen beschlossen hat, dem Rat des Nobelpreisträgers, so sympathisch dieser Rat uns auch ist, folgend, eine Studiendauer von acht Semestern dekretieren wollte. In diesem Falle würden nämlich die Fakultäten, die die Prüfungsordnungen ausarbeiten, die dann vom jeweiligen Kultusminister genehmigt werden müssen, einen Antrag auf eine Studien- und Prüfungsordnung für acht Semester gar nicht stellen. Das eben illustriert diese Notwendigkeit, mit den Hochschulen, mit den Rektoren zu verhandeln, um zu einer Zusammenarbeit zwischen den Ländern und Hochschulen zu kommen. Hier muß das Bedürfnis der wissenschaftlichen Entwicklung eines Faches mit der Lenkungs- und Ordnungsfunktion des Staates in Übereinstimmung gebracht werden. Nicht jeder, meine Damen und Herren, der mit vollem Recht nach der Studienreform ruft, kennt diese Schwierigkeiten ihrer Verwirklichung.
Es ist nicht immer möglich und es widerspricht auch den Vorschriften unseres Grundgesetzes, im Verhältnis von Staat und Wissenschaft ohne weiteres den staatlichen Zwang anzuwenden. Deshalb ist das Problem mitunter so schwierig zu lösen. Die Empfehlungen des Wissenschaftsrates zur Studienreform von 1966 aber haben - wir wissen es alle - bei Hochschullehrern und bei der Studentenschaft ein unterschiedliches Echo gefunden. Die Westdeutsche Rektorenkonferenz hat - und dies ist vom Herrn Bundesminister für wissenschaftliche Forschung heute ja mit Recht gewürdigt worden -sehr wichtige Beiträge zur Diskussion über die Studienreform geleistet, und sie hat im Februar 1967 auch positive Beschlüsse zum ersten Teil des Studiums bis zur Zwischenprüfung gefaßt.
Vor allem aber ist dieser Teilaspekt der Zwischenprüfungen in der letzten Zeit von der Ungeduld der Fakultäten wie auch von der Ungeduld der Öffentlichkeit erfaßt worden. Die mit der Schaffung von Zwischenprüfungen jedem einzelnen Fach gestellte Aufgabe ist damit angesprochen. Es müssen aber immer auch die rechtliche Seite und die Bedeutung der Zwischenprüfung für (den Fall des Nichtbestehens einer solchen geklärt und geprüft werden, bevor man solche auf formalen Kriterien beruhenden Ordnungen über die Zwischenprüfungen verabschiedet.
Es ist ganz selbstverständlich, daß sich die Kultusminister auch allen anderen vorgeschlagenen Maßnahmen zur Intensivierung des Studiums, wie etwa der Studienberatung für Anfangs- und Examenssemester, der besseren Ausnutzung der Räumlichkeiten und des Ausbildungspersonals in den vorlesungsfreien Zeiten, der verstärkten Einschaltung des sogenannten Mittelbaus zur Teilung überfüllter Lehrveranstaltungen und ,der Offenhaltung der Bibliotheken, Seminare rund Publikumsräume, widmet. Das alles sind Maßnahmen, die zu einer raschen Studienzeitverkürzung notwendig sind.
Die Empfehlungen des Wissenschaftsrates, die von den Vertretern des Bundes und der Länder im Wissenschaftsrat ja mitbeschlossen wurden und die die Kultusministerkonferenz ausdrücklich begrüßt
hat, haben bei den Studenten - auch das wissen wir - überwiegend Beunruhigung hervorgerufen. Diese Beunruhigung beruht meines Erachtens auf einem Mißverständnis, nämlich auf dem Mißverständnis, daß die Empfehlungen des Wissenschaftsrats rein administrativ gemeint sein könnten und somit zu einer Regulierung des Studiums und des Andrangs zu den Hochschulen durch mehr oder weniger verschleierte Zwangsmaßnahmen des Staates führen könnten. Die Befristung der Studiendauer ebenso wie die Zwischenprüfungsordnungen erscheinen damit den studentischen Kritikefn als ein Versuch, die Probleme der Hochschule einseitig auf dem Rücken der Studentenschaft auszutragen, ohne das Studium wirklich zu reformieren und neu zu strukturieren. Diese Interpretation, meine ich, läuft aber zweifellos den Intentionen des Wissenschaftsrats selbst zuwider. Sie sollte uns allen aber Anlaß zu neuen Überlegungen geben, in welcher Weise Gang und Inhalt des Studiums organisiert werden müssen, damit einerseits das wissenschaftliche Niveau des akademischen Nachwuchses. erhalten bleibt, andererseits ein unerträglicher Druck auf die Studierenden vermieden wird.
Die schon erwähnte Tätigkeit der Kommission für Studien- und Prüfungsordnungen, die seit 1947 von der Kultusministerkonferenz und von der Westdeutschen Rektorenkonferenz gemeinsam unterhalten wird, ist nach unserer Auffassung ein Beispiel dafür, daß es einer unendlichen Mühsal bedarf, diese auf das einzelne Fach bezogene Reformtätigkeit nun wirklich effektiv zu machen.
Meine Damen und Herren, die Sinngebung einer solchen Reform kann also nicht administrativer Art, sondern sie muß inhaltlicher Art sein, und sie muß sich an einer eingehenden Prüfung sowohl der Anforderungen der Wissenschaft wie auch der akademischen Berufe in dieser sich ständig ändernden Berufswirklichkeit orientieren. Deshalb hat sich auch die Tätigkeit der Kommission bisher vor allem auf die ingenieurwissenschaftlichen, die mathematischnaturwissenschaftlichen und die wirtschafts- und sozialwissenschaftlichen Fächer konzentriert. Sie wird in Zukunft durch die Tätigkeit der neugebildeten Kommission für die Staatsprüfung des gymnasialen Lehramts in den großen Lehramtsfächern ergänzt werden, die in diesem Monat ihre Tätigkeit aufgenommen hat.
In den Ausführungen des Herrn Bundesministers für wissenschaftliche Forschung glaube ich auf der einen Seite eine positive Einschätzung der Anstrengungen der Länder zum Ausbau der weiterführenden Schulen, zum andern aber auch einen Hinweis auf die Sorge der verantwortlichen Kulturpolitiker über die unvorhergesehenen Zuwachsraten in den Oberstufen der höheren Schulen und bei den Studienbewerbern zu erkennen. Herr Minister Stoltenberg sprach in diesem Zusammenhang von der Bildungsexpansion. Ich darf sagen, daß diese Bildungsexpansion ja nicht ein spezifisch deutsches Problem ist, sondern ein seit längeren Jahren in ganz Westeuropa beachtetes Phänomen. Die Kultusminister der Länder haben eben, unterstützt durch die Beschlüsse ihrer Parlamente und Regierungen, seit den
Minister von Heydebreck
frühen sechziger Jahren ganz bewußt diesen Ausbau des weiterführenden Schulwesens mit dem Ziel auch einer Erhöhung der Abiturientenquoten betrieben. Tendenziell kann man also eigentlich nicht von einem Überraschungseffekt sprechen. Überraschend aber ist das Tempo der Steigerung der Zuwachsraten wohl für uns alle gewesen. Das ist eben die Konsequenz der gemeinsamen Bildungspolitik der Länder, der Verbesserung von Inhalt und Methodik des Unterrichts und der daraus resultierenden besseren Erfolgsquoten.
Die Kultusministerien haben im Mai dieses Jahres einen Vergleich der Vorschätzungen des Schülerbestandes von 1970, wie er sich in den Jahren 1962 und 1966 nach den jeweils zu beobachtenden Trends ermitteln ließ, vorgenommen.
Herr Minister, gestatten Sie eine Frage des Herrn Abgeordneten Genscher?
von Heydebreck, Minister des Landes Schleswig-Holstein: Bitte sehr!
Herr Minister, würden Sie mir zustimmen, wenn ich sage, daß es ein Gebot der Fairneß wäre, wenn auch die Mitglieder des Bundesrates sich an die Selbstbeschränkung der Redezeiten hielten, die das Parlament sich auferlegt hat?
({0})
von Heydebreck, Minister des Landes Schleswig-Holstein: Sehr gern, Herr Abgeordneter Genscher, tue ich das. Auf der anderen Seite glaube ich aus der heutigen Diskussion herausgehört zu haben, daß das Hohe Haus, wenn es sich heute mit dieser Frage beschäftigt, ja Antworten auf die gestellten Fragen und damit die Informationen haben möchte, die ich ihr zu geben bereit bin.
({1})
Wenn das nun etwas über die hier festgesetzefür die Abgeordneten festgesetzte - Redezeit hinausgeht, bedauere ich das natürlich. Aber wir haben als Minister der Länder nicht so häufig Gelegenheit, vor diesem Hohen Hause diese Antworten zu geben.
({2})
Meine Damen und Herren, ich sollte doch noch wenigstens etwas zur Zahl der Sekundarschulabschlüsse sagen, die zum Hochschulstudium berechtigen. Sie stieg im Zeitraum von 1960 bis 1965 z. B. in Frankreich durchschnittlich um 12 %, in den Niederlanden um 8,5 %, in Norwegen 16,6 %, in Schweden um 15,2 %. Sie ist also in der Bundesrepublik keineswegs außerordentlich hoch gestiegen und wird auch in den nächsten Jahren nicht in einem so dramatischen Umfang steigen, wie das manche Katastrophenmeldungen der letzten Zeit glauben machen können.
Der Herr Bundesminister Stoltenberg hat aus den letzten Empfehlungen des Wissenschaftsrates Schätzungen über die voraussichtliche Entwicklung der Abiturientenzahlen zitiert, nach denen für 1970 etwa 70 000 Abiturienten - gegenüber 51 000 im Jahre 1966 - erwartet werden. Man muß aber hier ergänzen, daß bereits 1963 die Zahl der Abiturienten über 60 000 lag, also nur um 10 000, das heißt, rund 9 % niedriger war als vermutlich sieben Jahre später. Alle diese biologischen Schwankungen müssen bei den immer mit Vorsicht zu beurteilenden Schätzungen berücksichtigt werden.
Wir müssen davon ausgehen, daß es bei einem entschiedenen Fortsetzen des Ausbaus unseres Hochschulwesens, so wie es ,geplant wird, auch 1970 möglich sein wird, die erwarteten Studierenden - von den Schwierigkeiten in bestimmten Bereichen ab gesehen - unterzubringen.
({3})
- Ja, doch. Gegen Mitte der siebziger Jahre - bis 1970 wird es nicht so problematisch, wie es gemeinhin angenommen wird - wierden die einschneidenden Erhöhungen in den Abiturientenzahlen eintreten.
Hier liegt ein universales Problem vor, ein Problem, das nicht nur !auf unsere Länder beschränkt ist. Die in Ost und West lancierten Bemühungen zur Demokratisierung des Bildungswesens führen überall zu ähnlichen Erscheinungen - ich sagte das schon - und zum Teil zu einer noch viel größeren Diskrepanz zwischen Studienberechtigung und Kapazität unseres Hochschulwesens. Ich erinnere an das Beispiel Frankreich, dessen Nationalversammlung unlängst in einer heftigen Debatte die Nöte diskutiert hat, die dort durch die Überfüllung der Hochschulen und die zum Teil äußerst erschwerten Studienbedingungen entstanden sind. Auch Länder mit zentraler Kompetenz im Bildungswesen und mit einer vollintegrierten Bildungsplanung - das muß hier gesagt werden - haben also mit den gleichen Problemen zu ringen wie wir.
Der berechtigte Ruf nach einer Verbesserung dieser Bildungsplanung verkennt mitunter, daß der Andrang auf die Sekundarschulen und die Erhöhung der Abiturientenquoten in einem Land nicht so perfekt gesteuert werden können, daß ,einerseits das Riecht auf Bildung materiell garantiert, andererseits die Kapazität der verschiedenen Bildungseinrichtungen auf den Zustrom der Bewerber in den verschiedenen Zweigen optimal abgestimmt ist.
({4})
- Es wird allgemein nie möglich sein, .die Studienplätze im voraus für viele Jahre genau auf 1000
oder eine andere Zahl Studienbewerber abzustellen.
Ich meine, recht verstandene Demokratisierung bedeutet zunächst Freisetzung und materielle Ermöglichung verbesserter Ausbildungschancen. Sie muß in allen modernen Gesellschaften, sofern sie nicht, wie etwa die Vereinigten Staaten, von der Tradition her über ein Einheitsschulsystem verfügen, für eine längere Übergangszeit von sicher 15 bis 20 Jahren zu beträchtlichen Anpassungsschwierigkeiten führen.
Auch heute war mehrfach die Rede von der Notwendigkeit einer Überprüfung der künftigen Funk6926
Minister von Heydebreck
lion des Abiturs. Vor allem wird dabei eine Differenzierung (des Abiturs empfohlen, einmal in Richtung ,auf eindeutigen Nachweis der Hochschulreife und Studierfähigkeit, zum anderen als Nachweis eimer abgeschlossenen Schulausbildung als Voraussetzung einer weiteren Ausbildung nicht hochschulmäßiger Art oder der unmittelbaren Aufnahme eines Berufs. Diese mehr strukturellen Überlegungen, die sicher berechtigt sind, haben in ihrer Mehrheit einen wenig adäquaten, nämlich rein statistischen Anlaß: die Zunahme der Abiturienten und Studienbewerber.
Demgegenüber möchte ich aus der Sicht der Kultusminister zweierlei bemerken. Die Kultusministerien haben als Ergebnis sehr eingehender eigener Überlegungen und Gespräche mit Hochschulen, ihren hier wichtigsten Partnern, bereits 1960 durch die Saarbrückener Rahmenvereinbarung die Oberstufe des Gymnasiums in einer Weise reformiert, die eine gewisse Differenzierung innerhalb des zur allgemeinen Hochschulreife führenden Abiturs ermöglicht, andererseits aber gerade Raum gibt für eine intensivere Vorbereitung der Gymnasiasten auf ihre späteren Fachstudien und damit ihren späteren Beruf. Sie haben erst unlängst wieder eindeutig und mit Nachdruck erklärt, daß sie darauf bestehen müssen, daß jedes Abitur eines deutschen Gymnasiums die volle Hochschulreife und Studierberechtigung garantiert und daß Engpässe in einzelnen Fächern oder Fakultäten in aller Regel nicht durch eine nachträglich vorgenommene Auswahl unter Abiturienten pariert werden können. Ihre Empfehlungen und Vereinbarungen, zunächst zur Straffung der Oberstufe des Gymnasiums und, darauf fußend, auch der Unter-und Mittelstufe des Gymnasiums, zielen immer wieder auf die Erhaltung des Niveaus des Abiturs unter Anpassung an die veränderten Verhältnisse ab.
Wenn also seitens der Lehrerschaft der höheren Schule und auch in der Öffentlichkeit darüber geklagt wird, daß eine Realisierung dieser Empfehlungen, deren Bedeutung allgemein anerkannt wird, aus Mangel an Lehrern, Klassenräumen, Lehrmitteln nicht in dem wünschenswerten Tempo geschehen kann, so kann ich vom Standpunkt der Kultusminister dem nur zustimmen.
Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Dr.. Martin?
Herr Minister, könnten Sie die Frage des Abiturs etwas mehr aktualisieren? Wir haben heute von Herrn Stoltenberg und in weiteren Ausführungen gehört, daß es um zwei Modelle geht, über die man nachdenken muß. Ich möchte gern einmal wissen - da die Gelegenheit selten ist -, wie die Gedankenentwicklung in Ihrem Kreise ist. Das wäre für dieses Haus wichtig zu wissen.
von Heydebreck, Minister des Landes Schleswig-Holstein: Sie haben vielleicht gehört, daß die Kultusministerkonferenz in Zusammenhang mit der Frage der Neugestaltung des Ingenieurschulwesens eine besondere Kommission beauftragt hat, sich gerade auch mit der Frage der Akademiereife zu befassen, die der Herr Bundesminister hier angesprochen hat. Ich darf darauf hinweisen, daß es schon immer das Bestreben der Kultusminister war, eben nicht nur auf eine Steigerung der Abiturientenzahlen hinzuwirken, sondern auch auf eine Steigerung der Zahl der Absolventen unseres Realschulwesens, die dann in die bisherigen Ingenieurschulen und Höheren Wirtschaftsfachschulen - künftig Akademien - einmünden. Wir meinen aber, daß der umgekehrte Weg, immer nur soviel Abiturienten entstehen zu lassen, wie der Kapazität der wissenschaftlichen Hochschulen entspricht, ein gefährlicher Weg wäre, der dem so oft aufgestellten Prinzip des Bürgerrechts auf Bildung diametral entgegengesetzt sein würde. Zwischen diesen beiden Prinzipien müssen wir einen Ausgleich zu finden versuchen.
Die von den Unterrichtsverwaltungen bewußt vorgenommene Differenzierung in der Oberstufe der Gymnasien hat natürlich zu Klagen darüber geführt, daß der Zugang zu naturwissenschaftlichen und technischen Studienrichtungen durch diese Abwahlmöglichkeit bestimmter Schultypen, besonders im sprachlichen Gymnasium, negativ beeinflußt würde.
Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Herr Minister, wie würden Sie denn das Bürgerrecht auf Bildung interpretieren, wenn bei steigenden Abiturientenzahlen nachher für diese Abiturienten an den bestehenden Hochschulen nichtgenügend Möglichkeiten für das Absolvieren eines ordnungsgemäßen Studiums gegeben sind?
von Heydebreck, Minister des Landes Schleswig-Holstein: Wir haben davon gesprochen, daß ein Mittel zunächst einmal die Studienreform ist. Ein weiteres Mittel ist der notwendige weitere Ausbau der bestehenden und der Neubau von Hochschulen. Ein drittes Mittel ist die Hinführung eines erheblichen Teils der Besucher unserer weiterführenden Schulen zu den Bildungswegen der Akademien, über deren Gestaltung noch diskutiert werden muß.
Gestatten Sie eine weitere Frage?
Herr Minister, werden Sie im Laufe Ihrer weiteren Ausführungen dann noch präzisieren, wie diese Studienreform im einzelnen aussehen soll, damit der Massenandrang, der nach den Schätzungen des Wissenschaftsrates zu erwarten ist, bewältigt werden kann?
von Heydebreck, Minister des Landes Schleswig-Holstein: Herr Abgeordneter, ich glaube, es würde die Geduld des Hohen Hauses ein wenig überstrapazieren, wenn ich die gesamten Prinzipien der Studienreform, die man ja in den Empfehlungen des Wissenschaftsrates nachlesen kann, hier wiederholen wollte.
Gestatten Sie eine Frage von Herrn Dr. Lohmar?
Herr Minister, darf ich mir zur Vereinfachung des Verfahrens unserer Debatte die Frage erlauben, ob es nicht in unserem beiderseitigen Interesse sinnvoll wäre, auf eine Einladung des Wissenschaftsausschusses dieses Hauses an den Bundesratsausschuß für Kulturfragen zurückzukommen, um solche Fachfragen gelegentlich einmal wirklich gemeinsam, außerhalb dieses Plenums, zu erörtern.
({0})
von Heydebreck, Minister des Landes Schleswig-Holstein: Ich halte diese Anregung für ausgezeichnet.
({1})
- An die Kultusministerkonferenz?
({2})
- Dieser Antrag oder diese Bitte ist mir nicht gegenwärtig, weil sie vor meiner Amtszeit als Vorsitzender dieses Ausschusses eingegangen sein muß. Wohl aber ist mir bekannt, Herr Abgeordneter Dr. Lohmar, daß zwischen Ihnen und der Kultusministerkonferenz eine Absprache zu einer solchen Zusammenkunft besteht. Darüber haben wir in der Kultusministerkonferenz gesprochen. Ich glaube, Sie sind auch gebeten worden, mit Terminvorschlägen an uns heranzutreten. Jedenfalls geht die mir erteilte Information dahin.
Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Abelein?
Ich habe noch eine, aber diesmal die letzte Frage. Sie sprechen hier ja in Ihrer Eigenschaft als Mitglied des Bundesrates, aber zugleich doch auch, wenigstens informell, in Ihrer Eigenschaft als Präsident der Kultusministerkonferenz, und da würde mich folgendes interessieren. Sie sagten, man könne diese Dinge ja in der Veröffentlichung des Wissenschaftsrats nachlesen. Sind Sie und Ihre Kollegen der Ansicht, daß das die Vorschläge für die Studienreform sein sollten? Diese Frage erhebt sich doch, da es ja auch noch andere Vorschläge, z. B. aus Baden-Württemberg, gibt.
von Heydebreck, Minister des Landes Schleswig-Holstein: Herr Abgeordneter, ich habe bereits gesagt, daß die Kultusministerkonferenz in ihrer Gesamtheit die Empfehlungen des Wissenschaftsrates zur Studienreform begrüßt hat. Ich habe aber, wenn ich mich nicht irre, auch gesagt, daß auch der Wissenschaftsrat diese Empfehlungen nun nicht als ein bis auf den letzten I-Punkt in jeder Lage und überall zu erfüllendes Gesetz ansieht, sondern daß diese Empfehlungen die Richtung angeben und durchaus auch differenzierter Lösungen fähig sind.
Der Ausbau der Oberstufe des Gymnasiums - wenn ich noch einmal auf diese Frage zurückkommen darf - kann quantitativ wie auch qualitativ
nur sinnvoll gestaltet werden, wenn - wie dies etwa auch Dahrendorf zum Ausdruck gebracht hat; ich sagte es auch soeben schon einmal auf eine Zwischenfrage - neben der Erhöhung der Abiturientenquote gleichzeitig die Zahl der Realschulabsolventen erhöht würde und ein intensiver Austausch des Systems der Grund- und Hauptschulen und auch der Sonderschulen stattfände.
Das alles kann man nicht getrennt voneinander behandeln, das gehört mit in die Fragen der Studienreform hinein. Die Kultusminister haben sich bei ihren schulpolitischen Maßnahmen in dieser Richtung bemüht. Sie haben sich bemüht, nicht die einzelne Schulart oder die Universität oder vielleicht die Akademien einzeln zu sehen, sondern immer das gesamte Bildungswesen im Griff zu behalten und die Beziehungen seiner einzelnen Typen und Formen aufeinander zu verstärken. Die Probleme der Hochschule und der Studienreform und die Entwicklung der Abiturientenzahlen können deshalb nicht von der Entwicklung des allgemeinbildenden, aber auch des berufsbildenden Schulwesens gesehen werden. Das gilt besonders für den Bereich der Fachschulen und der höheren Fachschulen. In der öffentlichen Debatte, meine Damen und Herren, wird das alles häufig in sehr allgemeiner Form angesprochen.
Ich möchte betonen, daß den Kultusministern der Länder die heute hier angesprochenen Probleme allgemeiner und spezieller Natur natürlich bewußt sind und daß sie sich in den letzten Jahren immer wieder bemüht haben, in gemeinsamer Arbeit zahlreiche Maßnahmen nicht nur vorzubereiten, sondern auch durchzuführen, die einer organischen und differenzierten Anpassung des allgemeinen und berufsbildenden Schulwesens an neue gesellschaftliche und individuelle Bedürfnisse dienen. Die Kultusminister
- davon sind wir überzeugt, und das kann ich im Namen meiner Kollegen hier vortragen - werden das auch in Zukunft tun und sich dabei von dem Geist der Kooperation leiten lassen, der sich, so glaube ich sagen zu können, auch heute in der Debatte dieses Hohen Hauses ausgedrückt hat.
({0})
Meine Damen und Herren Kollegen! Im Hinblick auf die Zwischenbemerkungen und die Frage, die Herr Kollege Genscher gestellt hat, darf ich noch einmal darauf hinweisen, daß die Mitglieder der Bundesregierung und des Bundesrates das Recht haben, so oft und so lange zu reden, wie sie wollen. Aber die Herren der Bundesregierung und des Bundesrates werden mir sicherlich verzeihen, wenn ich erläuternd hinzufüge: daraus sollte natürlich nicht die Pflicht gelesen werden, lange Reden zu halten.
({0})
- Nicht unbedingt, Herr Kollege.
Als nächster hat das Wort der Herr Abgeordnete Dr. Mühlhan. Er gehört zu der Gruppe der Kurzredner.
({1})
Vizepräsident Scheel
Ich weiß nicht, ob das sein freier Wille ist. Aber wir haben das ja vereinbart.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe zunächst einer Pflicht zu genügen, die dieses Hohe Haus hat und die ich trotz der Beschränkung meiner Redezeit mir erlaube wahrzunehmen. Es wurden heute verschiedene Berichte über die kulturpolitische Tätigkeit der Bundesrepublik erwähnt, unter anderem auch der Bundesbericht Forschung II des Wissenschaftsministeriums, ferner der Bericht der Bundesregierung über die Maßnahmen der Bildungsplanung. Ich darf in diesem Zusammenhang auf die Empfehlung des Wissenschaftsrates hinweisen, die etwas früher erschienen ist, auf den Bericht über die Kulturpolitik der Länder und auf den Erfahrungsbericht der Deutschen Forschungsgemeinschaft, der über das Jahr 1966 berichtet hat. Ich darf den Verfassern und denjenigen an dieser Stelle herzlich danken, die für diese Arbeiten federführend waren. Sie haben ein grundlegendes neues Material aufbereitet, das jeden, der sich damit beschäftigen will, in den Stand setzt, sich bestens zu informieren.
({0})
Weiterhin habe ich mich doch noch mit der Beschränkung der Redezeit auseinanderzusetzen. Ich darf feststellen, daß in diesem Hause Wirtschaftsdebatten, Sozialdebatten, Agrardebatten, Haushaltsdebatten und alles mögliche andere ohne Anträge auf Beschränkung der Redefreiheit gehalten werden. Ich muß mich wundern - und hier wende ich mich vor allem an die Kollegen aus Ihrer Gruppe, Herr Dr. Lohmar -, daß ausgerechnet in der Kulturdebatte dieses Hauses - eine große Kulturdebatte findet jetzt seit Februar 1966 zum zweitenmal statt - die Beschränkung der Redezeit verhängt wird. Ich halte das für keine gute Entscheidung; denn dadurch kann in der Öffentlichkeit der - wenn auch nur äußere - Anschein entstehen, daß den wissenschaftlichen und kulturpolitischen Dingen geringeres Gewicht beigemessen werden könnte als anderen Arbeitsbereichen.
({1})
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage, zunächst des Herrn Abgeordneten Dr. Abelein? Nachher kommt dann Herr Dr. Lohmar.
Herr Kollege, Sie reden immer von einer Debatte. Verstehen Sie denn unter einer Debatte, daß in diesem Hause stundenlang seit Wochen vorbereitete Reden verlesen werden?
({0})
Herr Abelein, diese Reden werden in den sozialpolitischen Auseinandersetzungen verlesen, sie werden in allen Debatten verlesen. Ich kann Ihnen auf diese Frage auch gar keine Antwort geben, weil meine Redezeit beschränkt ist. Nehmen Sie das zur Kenntnis,
({0})
und auch Sie, meine Herren, haben ja diesem Antrag zugestimmt.
Erlauben Sie eine Frage des Kollegen Lohmar?
Herr Kollege Mühlhan, darf ich Ihnen versichern, daß uns nichts ferner gelegen hat, als Ihnen die Möglichkeit der freien Rede zu beschränken, aber darf ich hinzufügen, ob es Ihnen nicht vielleicht wie mir leichter fällt, diese 15 Minuten mit Gelassenheit zu ertragen, wenn Sie sich an den Satz des Kollegen Dichgans erinnern, daß manchmal auch nur eine Viertelstunde schwer mit originellen und neuen Argumenten zu füllen ist.
Erlauben Sie noch eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Wörner.
Nein, jetzt nicht mehr, jetzt komme ich zur Sache.
({0})
Den Dank an die Bearbeiter dieser Berichte habe ich mit einem lachenden Auge erstattet. Mein weinendes Auge mußte sich auf eine andere Tatsache richten, die in diesem Bericht zum Ausdruck kam: das lose Nebeneinander der in der deutschen Kulturpolitik tätigen Aufgabenträger. Bund und Länder haben in der Wissenschafts- und Studienförderung, in der Bildungsplanung - auf gemeinsamer Ebene arbeitend - getrennte Berichte entstehen lassen. In beiden Berichten sind zahlreiche Wiederholung nachzuweisen, die deutlich werden ließen, daß jedenfalls in dieser Hinsicht von einem kooperativen Föderalismus auf kulturpolitischer Ebene nicht die Rede sein kann.
({1})
Vielmehr wurde im Gegenteil Zeugnis davon abgelegt, daß nach wie vor im Land-Bund-Verhältnis eine unbefriedigende Lage in diesen drei Aufgabenbereichen besteht.
In diesem Zusammenhang war ,die Stellungnahme der Deutschen Fonschungsgemeinschaft zu der Zusammenarbeit zwischen (Bund und Ländern in dier Wissenschaftsförderung von besonderer Bedeutung: Zwar sei die kuriose oder, richtiger gesagt, tragikomische Tatsache festzustellen, daß Bund, Länder und Wissenschaften über die fundamentalen Ziele einig seien; ,alle seien nämlich davon überzeugt, daß in dem klein gewordenen Westdeutschland mit seinen kleinst gewordenen Ländern bezüglich der Wissenschaft im .Gemeinschaftsinteresse zugleich auch das wohlverstandene Eigeninteresse aller Mitglieder gewahrt sei. Offenbar habe aber dier föderalistische Staat noch keine zeitgemäße Form der Gemeinschaftsfinanzierung der Wissenschaft gefunden, so daß die wechselseitigen Gespräche ein fast undurchdringliches Gestrüpp geschaffen hätten.
Hier wurde nun eindeutig die Forderung erhoben - das darf ich zitieren -, daß durch anachronistische regionale Prestige- und Traditionsüberlegungen über formal verbriefte Zuständigkeiten die staatDr. Mühlhan
liche Leistung für ,die Wissenschaft nicht beeinträchtigt werden dürfe. Wenn man weiß, daß vor 13 Jahren der damalige Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft in der Deutschen Studentenzeitung die gleichen Feststellungen traf, die gleichen Forderungen erhob, in der gleichen Weise den „Mischen Föderalismus" kritisierte, dann erhebt sich die bedrückende Frage, ob überhaupt Entwicklungsmöglichkeiten bestehen, wenn innerhalb einer dreizehnjährigem Entwicklung am Anfangs- und Endpunkt die gleichen bestehenden Rechtsverhältnisse den Fortschritt erschwert bzw. unmöglich gemacht haben.
Der Antrag der Freien Demokraten, der sich auf die Forschungsförderung und auf eine präzisierte Wahrnehmung der Forschungsförderung von seiten der Bundesregierung erstreckt, soll eine Rechtslage schaffen, die durch das Gestrüpp der Zuständigkeiten einen gangbaren Weg bahnen soll, ahne gewachsene und zweckmäßige öffentliche Einrichtungen, ohne das Recht der Länder überhaupt zu beeinträchtigen.
Der Bundesbericht Forschung II unterstützt mit den bedeutendsten Argumenten unser Vorhaben. Jeder Leser findet ohne viel Mühe heraus, daß der Großforschung, der angewandten Forschung, der verwaltungsbezogenen Forschung, kurz den Forschungsaufgaben, wo der Bund allein zuständig ist und sich nicht mit den Ländern die Zuständigkeit teilen muß, der weitaus größere Raum gegeben ist als der Grundlagenforschung, deren Zentren die wissenschaftlichen Hochschulen sind, die zwar von der Forschungsförderung des Bundes profitieren können, als Einrichtungen der Länder diesen Profit aber nur mit Zustimmung ihrer Hoheitsträger genießen sollen.
Jedermann kennt die schwierige Lage der wissenschaftlichen Hochschulen in ,der Bundesrepublik Deutschland, besonders der Universitäten. Wer sie nicht gekannt hat, dem ist sie in den letzten Monaten durch die Studentendemonstrationen bewußt geworden. Die Schulreform der Länder, die Bildungswerbung der Bundesrepublik, die Erschließung neuer Bildungswege haben Abiturientenzahlen in nicht vorhergesehenem Ausmaß ansteigen lassen. 80% von ihnen, mehr als 260 000, strömten auf die westdeutschen wissenschaftlichen Hochschulen, deren Zahl nach der Abtrennung der verhältnismäßig zahlreicheren ostdeutschen wissenschaftlichen Hochschulen 'gemäß den heutigen Einwohnerzahlen 'geringer ist als vor dem Krieg.
Die wissenschaftlichen Hochschulen waren für etwa 60 000 Studenten eingerichtet, so daß der inzwischen erfolgte Ausbau, der von 1958 'bis 1966 durch Leistungen des Bundes und der Länder in Höhe von etwa 4 1/4 Milliarden DM erfolgt ist, keineswegs ausgereicht hat, um die vierfache Zahl von Studenten in einen geordneten Studiengang überführen zu können. Dieser Ausbau kam höchstens der Neugründung dreier neuer wissenschaftlicher Hochschulen gleich, schuf aber keineswegs so viel neue Studienplätze, wie durch drei neue Universitäten zur Einrichtung gelangt wären. So wurden die Forschungs- und Lehrverhältnisse an den wissenschaftlichen Hochschulen der Bundesrepublik
Deutschland angesichts der katastrophalen Überfüllung unerträglich. Das ordnungsgemäße Studium litt durch die überbelegten Studienplätze und wurde in allen Fakultäten unausweichlich um mehrere Semester gegenüber der Studiendauer früherer Jahrzehnte verlängert, nicht durch .die Schuld der Studenten, sondern durch ,die ungewöhnlichen Studienverhältnisse, durch die nicht mehr zu verantwortende Beeinträchtigung der Lehre.
Die Forschung geriet angesichts dieser Spannungszustände ganz ins Hintertreffen. Sämtliche Universitäts- und Hochschulverfassungen erwiesen sich angesichts der durch den Studentenandrang bewirkten, ins Ungemessene gewachsenen Größenverhältnisse als überfordert. Heute wird ihre behauptete Rückständigkeit als Prügelknabe benutzt. Alle organisatorischen oder institutionellen Einrichtungen der Universitäten und der wissenschaftlichen Hochschulen einschließlich der wissenschaftlichen Institute platzten aus den Nähten.
Es ist ganz offensichtlich, daß Bund und Länder - nicht zuletzt durch die Kompetenzgegensätze beider Gewalten - dieser Entwicklung nicht" Herr geworden sind. Diese strittigen Kompetenzverhältnisse vornehmlich auf 'dem Gebiet der Wissenschaftsförderung haben sich, soweit sie die wissenschaftlichen Hochschulen als die Hauptsitze der Forschung betrafen, alsein wirksames Ferment der Dekomposition der kulturpolitischen und der geistigen Entwicklung der Bundesrepublik Deutschland erwiesen. Sie bedrohen auf die Dauer die demokratische Grundordnung unseres Staatswesens.
An dieser Stelle muß ich daher einer Feststellung des Bundesforschungsberichts II widersprechen, daß nämlich der am Ende des zweiten Weltkrieges bestehende gewaltige Nachholbedarf an Forschungseinrichtungen inzwischen weitgehend befriedigt sei. Ich darf Sie, Herr Bundesminister, in diesem Zusammenhang auf einen aufschlußreichen Umstand hinweisen. Im Jahre 1960 schlug der Wissenschaftsrat die Neugründung von fünf neuen wissenschaftlichen Hochschulen vor. Die Universität Bochum ist inzwischen fertiggestellt. Die Gründung der Universität Bremen ist zu einer kulturpolitischen Farce geworden. Die Universität Regensburg blickt auch auf eine wechselvolle Geschichte zurück, ohne daß sie bislang irgendeinen Studienplatz freigemacht hätte. Ganze 8000 neue Studienplätze sind in sieben Jahren bundesdeutscher Kulturgeschichte geschaffen worden, in der Tat ein Tropfen auf den heißen Stein.
Was hat der Bund zu diesen Neugründungen, zu den vom Wissenschaftsrat vorgesehenen Neugründungen, beigetragen? In den sieben Jahren im ganzen 83 Millionen DM. 1967 waren für Neugründungen 39 Millionen DM bewilligt. 1968 stehen noch 25 Millionen DM zur Verfügung. Man ist im Fortschritt der Gründung von neuen Hochschulen sozusagen von der Schnecke auf den Krebs umgestiegen. Wie unterschiedlich wäre heute die Lage, wenn diese fünf Neugründungen nun tatsächlich in den sieben Jahren vorgenommen worden wären. Die personellen Schwierigkeiten wären im Laufe der Jahre ausgeglichen gewesen. Das Problem der Wissenschaft6930
lerauswanderung wäre weniger bedeutend geworden. Alle aufgetretenen Schwierigkeiten wären abgemildert worden. An den neuen Universitäten hätten neue Organisations- und Verwaltungsformen probemäßig eingeführt werden können.
Die Neugründungsfrage erweist sich tatsächlich als ein Schlüsselproblem aller Wissenschaftspolitik in der Bundesrepublik, dem darum ohne Rücksicht auf mögliche Kompetenzschwierigkeiten die Aufmerksamkeit aller Beteiligten gebührt. Die am meisten Betroffenen, Professoren und Studenten, sind jedenfalls der Ansicht, daß der Aufbau neuer wissenschaftlicher Hochschulen als entscheidendes Problem vorangetrieben werden muß. Ich gehe in dieser Auffassung mit den Auffassungen der Rektorenkonferenz einig.
Herr Kollege, darf ich darauf aufmerksam machen, daß Ihre Redezeit beendet ist. Aber Sie haben noch anderthalb Minuten nach, weil die Zwischenfragen abgezogen werden.
Herr Bundesminister, ich darf Sie daran erinnern, welche große Bedeutung Ihr Vorgänger dieser Frage beigemessen hat. Er hat unablässig mit den Ländern verhandelt, um zu einem klaren Ergebnis zu kommen, zu einem Beteiligungsmodus, der nach dem 50 : 50-Status Bund und Länder auf einer arbeitsfähigen Basis zusammengeführt hätte. Ich weiß nicht, warum diese Verhandlungen, die an sich vor dem Abschluß standen, bis heute noch nicht abgeschlossen sind. Soviel ist jedenfalls sicher: wenn es brennt, kann derjenige, der über das Wasser verfügt, den Feuerwehrleuten nicht sagen, wo sie das Wasser hinspritzen und wie sie das Wasser verteilen sollen. Und an den Universitäten brennt es. Deswegen ist Übereinkunft zwischen Wissenschaftsministerium und Ländern eine der wichtigsten Aufgaben, die in der nächsten Zeit erfüllt werden müssen.
({0})
Ich darf wieder an unseren Antrag erinnern, der die Rechtslage in der Wissenschaftsförderung .präzisiert hat. Dieser Antrag soll für Sie ein Hilfsmittel sein, um tatsächlich schneller zum Ziele zu kommen.
Nun, Herr Präsident, darf ich mit Ihrer Genehmigung noch ein anderes Problem anschneiden.
({1})
Ich darf die Frage an den Herrn Bundeskanzler richten.
Vizepräsdeint Scheel: Die Genehmigung kann ich Ihnen leider nicht geben. Ihre Redezeit - Dr. Mühlhan ({2}) : Aber ich treffe den Herrn Bundeskanzler nie wieder, um ihm das zu sagen.
({3})
Leider geht es nicht, wiewohl es eine Freude für uns wäre, wenn Sie sich
mit dem Herrn Bundeskanzler auseinandersetzen könnten.
({0})
Es geht um die Vereinheitlichung der Kompetenzen auf Bundesebene.
({0})
Herr Abgeordneter, Ihre Redezeit ist jetzt aber auch unter Berücksichtigung der Zwischenfragen leider zu Ende.
Meine Damen und Herren Kollegen, ich darf Ihnen mitteilen, daß der Herr Abgeordnete Jung seine beabsichtigten Interventionen zu Protokoll gegeben hat.
({0})
Ich brauche Ihr Einverständnis, daß ich Sie zu Protokoll nehmen darf. Ich nehme an, daß Sie das mit Vergnügen tun. Es könnte in diesem Fall anregend für andere Kollegen wirken, die dazu noch etwas bemerken möchten. - Bitte sehr!
Darf ich eine Frage stellen, Herr Präsident?
An den Präsidenten gibt es keine Fragen.
Zur Geschäftsordnung!
Ich kann Ihnen zur Geschäftsordnung das Wort erteilen. Aber Sie können nicht von Ihrem Platz aus sprechen.
({0})
- Wollen Sie das Wort zur Geschäftsordnung? - Bitte sehr!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich wäre sehr dankbar, wenn ich Antwort darauf bekommen könnte, wie man eine Rede zu Protokoll geben kann, die man doch nur, wie es in unserer Geschäftsordnung vorgesehen ist, mit Stichworten vorbereitet hat.
Ich weiß nicht, wie die Abgeordneten das technisch machen.
({0})
Aber ich muß unterstellen, daß das möglich ist. Immerhin trägt es zur Beschleunigung unseres Verfahrens bei. Die Gesichtspunkte kann ich natürlich gar nicht beurteilen, weil ich das nicht durchlesen kann. Aber nach der Geschäftsordnung ist das, wie Sie wissen, üblich und möglich.
Meine Damen und Herren, jetzt hat das Wort als Vertreter des Bundesrates Herr Minister Professor Schütte, wenn ich davon ausgehe, daß sich die beiVizepräsident Scheel
den Herren, die hier bei mir zu Wort gemeldet sind, auf diese Reihenfolge geeinigt haben. - Dann hat das Wort Herr Minister Dr. Vogel.
({1})
- Herr Dr. Vogel hat das Wort.
Dr. Vogel, Minister des Landes Rheinland-Pfalz: Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin. mit einem etwas eigenartigen Gefühl heute morgen hierhergekommen, weil ich bei der letzten Debatte zu diesem Thema noch als Abgeordneter gesprochen habe und es heute nun als einer der Kultusminister tun soll. Aber auch diese Medaille hat ihre Kehrseite. Für mich gehört dazu, daß ich erleben durfte, daß ein wesentlicher Unterschied darin besteht, daß die Kulturpolitik und der Kultusminister eines Landes für seine Probleme in den Landesparlamenten wesentlich aufmerksamere Zuhörer findet, daß er dort volle Abgeordnetenplätze findet und auch ungeteilte Aufmerksamkeit und relativ rasche Entscheidungen der Parlamente findet.
Aber ich habe mich gemeldet, meine Damen und Herren, weil meines Erachtens der Herr Kollege Dichgans recht hat, daß man zu Problemen, die die gesamte Bevölkerung in dem Ausmaße betreffen wie die. hier diskutierten, vor dem Forum der Nation, d. h. vor dem Deutschen Bundestag, sprechen sollte. Ich stimme in diesem Punkt auch mit Herrn Schmidt ({2}) völlig überein.
Nur meine ich, meine Damen und Herren, daß wir heute morgen den Schwarzen Peter ein wenig zuviel herumgeschoben und nach dem Schuldigen gesucht haben, daß wir zuviel Fragen gestellt, aber zuwenig Antworten gefunden haben. Ich meine, der eigentliche Grund liegt darin, daß der hier Erstzuständige, nämlich die deutsche Hochschule, bisher selbst keine Antwort auf die Grundfrage gefunden hat. Ich denke allein an die Disskussion des Wissenschaftsrates von gestern nachmittag. Dort haben eine Menge kluger Leute eine Menge kluger Ideen geäußert und dafür Beifall gefunden. Aber diese Ideen paßten nicht zusammen und gaben als Ganzes kein Konzept. Ich glaube nicht, daß der Föderalismus oder die Zuständigkeiten der eigentliche Grund sind, sondern ich glaube, die eigentliche Ursache liegt darin, daß die Hochschule selbst, daß die Wissenschaft selbst, die den Anspruch erhebt, uns in unserer Zeit in allen Fragen helfen zu können, auf diese Frage keine Antwort gefunden hat.
Ich meine, daß in einer solchen Diskussion - und damit stimme ich mit einigen Rednern von heute morgen überein - keine andere Möglichkeit besteht, als an die Stelle weiterer, neuer Gutachten und weiterer, neuer Konzeptionen Entscheidungen treten zu lassen.
Ein Zweites. Heute vormittag war für meinen Eindruck zu wenig von den Studenten die Rede. Sie sind zwar wegen ihrer Unruhe gelobt und wegen gewisser extremer Vorgänge kritisiert worden, aber der eigentliche Grund ihrer Unruhe ist
vielleicht nur bei Herrn Kollegen Schmidt ({3}) einmal angeklungen. Der Grund der Unruhe ist nämlich, daß die Hochschule selbst nicht in der Lage war, ,die notwendigen Reformen zu formulieren und auch schrittweise durchzuführen.
Wir haben in der Schulpolitik in allen Ländern in den letzten 20 Jahren entscheidende Reformen durchgeführt. Die Hochschule aber ist im Grunde in ihrem alten Gewand geblieben. Wenn die Studienreform hierfür erste Ansätze gegeben hat, dann ist das, was sich hier im vergangenen Jahr getan hat, vielleicht ein ganz erfreulicher Auftakt.
Es ist allerdings falsch, zu meinen, daß diese Studienreform. wie vorhin gesagt wurde, keinen Pfennig koste. Diese Studienreform ist eine außerordentlich teure Angelegenheit. Denken Sie beispielsweise nur daran, daß wir dann für intensiver Studierende auch mehr Dozierende, insbesondere einen wesentlich weiter ausgebauten Mittelbau, brauchen.
Dann ist über die Zahl der Studenten gesprochen worden. Meine Damen und Herren, niemand wird nicht Freude darüber empfinden, daß sie so entscheidend angestiegen ist. Aber es darf auch mahnend gesagt werden, daß ein Denkfehler zugrunde liegt, wenn man meint, der Bildungsstand eines Volkes lasse sich nur an der Anzahl seiner Abiturienten abmessen. Wenn wir für die Rettung des Gymnasiums nicht entscheidende Schritte unternehmen, werden wir es nicht nur schwächen, sondern ihm das Lebenslicht ganz ausblasen. Das Gymnasium, meine ich, kann nur gerettet werden, wenn ihm konkurrenzfähige und attraktive Schulsysteme gegenüberstehen, wenn wir frühzeitiger mit vernünftigen qualifizierten Abschlüssen einsetzen, wobei jeder dieser Abschlüsse jeweils neue, weiterführende Bildungsmöglichkeiten eröffnen soll, so wie wir es in meinem Land jetzt vorgesehen haben. Es ist nämlich vorgesehen, daß die Hauptschule mit der Berufsreife, daß die Realschule bzw. das zehnte Schuljahr mit der Akademiereife und das Gymnasium wie bisher mit der Hochschulreife schließen soll, die dann aber auch die Berechtigung und Befähigung zum Studium ausspricht.
Meine Damen und Herren, ich bedaure ein wenig, daß eine Diskussion um die Frage entstanden ist, ob Herr Kollege Schütte oder ich zuerst sprechen sollte. Wir beide hatten uns auf unseren Sitzen recht friedlich darüber verständigt. Ich glaube nicht, daß darüber irgendeine Schwierigkeit entsteht.
Worauf es mir ankommt, ist, zusammenfassend zu sagen: Ja, wir brauchen mehr Geld. Ja, wir brauchen eine bessere Einsicht der Bevölkerung in diese Notwendigkeiten. Ja, wir brauchen mehr Kooperation. Das alles zusammen macht es aber nicht allein, sondern wir müssen uns, wenn .es geht, mit den Universitäten und, wenn .es nicht geht, notfalls mit Ihnen zu klaren Entscheidungen durchringen, und seien ,es Entscheidungen, die von einer Reihe von Leuten bestritten werden müssen. Pläne, meine ich, sind inzwischen genug gedrechselt. Entscheidungen sind es, was in dieser Stunde nottut.
({4})
Ich möchte mich einmal mit Herrn Minister Professor Schütte darüber einigen, ob jetzt er oder Herr Abgeordneter Lohmar sprechen soll. Hatten Sie sich darüber verständigt, daß jetzt Herr Professor Schütte spricht?
({0})
- Das habe ich zur Kenntnis genommen. Dann hat jetzt Herr Abgeordneter Lohmar das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bedaure den Entschluß von Herrn Schütte trotz der fortgeschrittenen Zeit. Es war nicht der Sinn der Bemerkungen oder des Mienenspiels im Plenum dieses Hauses, das zu provozieren. Uns geht es darum, daß wir zu einer genauer aufeinander bezogenen Form der Diskussion zwischen Bundestag und Bundesrat kommen.
({0})
Ich darf noch einmal auf die beinahe zwei Jahre zurückliegende Einladung des Wissenschaftsausschusses zu sprechen kommen. Sie ist bis heute weder vom Kulturausschuß des Bundesrates noch von der Kultusministerkonferenz offiziell beantwortet worden. Ich höre von der einen Seite, die Kultusminister würden es ablehnen, als Gäste in den Wissenschaftsausschuß des Bundestages zu kommen und sich dort „verhören" zu lassen. Ich höre auf der anderen Seite, es sei nicht möglich, dies in einem Bundesratsausschuß zu machen. Dann hört man wieder, der eine oder andere Minister - gleich ob CDU oder SPD - sei dafür. Geschehen ist nichts. Ich meine, wir sollten uns deswegen mit sehr viel Sympathie dessen annehmen, was Herr von Heydebreck heute morgen gesagt hat: er begrüße es, daß wir den Entschluß nach wie vor aufrechterhielten. Meine Herren Kultusminister, seit beinahe zwei Jahren sind aber Sie am Zuge. Es wäre gut, wenn wir in naher Zukunft Gelegenheit finden könnten, die mehr sachbezogenen Fragen in einem kleineren Kreis zu diskutieren, um uns das Vorlesen von Referentenarbeiten hier im Plenum des Deutschen Bundestages zu ersparen.
({1})
Ich möchte an die nach Meinung meiner Fraktion entscheidende bildungspolitische Frage anknüpfen, die in den Bemerkungen von Herrn Stoltenberg einerseits und Herrn von Heydebreck andererseits zum Ausdruck kam. Herr Stoltenberg hat uns gesagt, er rechne mit einer Studentenzahl von 400 000 bis 500 000 bis 1980. Herr von Heydebreck hat hinzugefügt, 1975 und danach beginne der Engpaß wirklich schlimm zu werden. Meine Damen und Herren, wenn wir uns an die Fristen erinnern, die wir in den letzten 15 Jahren gebraucht haben, um uns auf neue Situationen einzustellen und von ähnlichen Fristen in der Zukunft ausgehen, ist diese Zeit bis 1975 sehr schnell vorbei. Das bedeutet, daß wir dann an unseren Hochschulen genau 100 % mehr Studenten aufnehmen müßten, gemessen an der Studentenzahl, auf die die Universitäten heute
vorbereitet sind. Können Sie sich vorstellen, was darin nicht nur an bildungspolitischen Problemen steckt? Stellen Sie sich vor, wir hätten in sieben bis acht Jahren 100 000 bis 120 000 Studenten, die keinen Studienplatz an unseren Universitäten finden können. Was das an politischer Problematik für unseren gesamten Staat bedeuten kann! Was wir heute an Demonstrationen an manchen Universitäten erleben können, wäre ein Kinderspiel gegenüber dem, was dann zu erwarten sein würde, wenn es uns nicht gelingt, rechtzeitig die notwendigen Entscheidungen zu treffen, um diese sonst mit Sicherheit eintretende Entwicklung aufzufangen.
Hier knüpfe ich an das an, was Herr Schmidt, unser Fraktionsführer, gesagt hat. Der Bundestag hat nicht nur die Pflicht, er hat das Recht darauf, eine Antwort von den Institutionen zu verlangen, die für die Planungen zuständig sind. Er hat das Recht, vom Wissenschaftsrat zu verlangen, vom Bildungsrat zu vierlangen, von der Westdeutschen Rektorenkonferenz zu verlangen: Welche Antwort schlagen Sie den politisch verantwortlichen Instanzen vor, um dieser Springflut von Abiturienten, gemessen an dem Engpaß an den Universitäten, zu entgehen? Wir haben ein Riecht und wir haben eine Pflicht dazu, die Kultusministerkonferenz, die Landesregierungen insgesamt und die Bundesregierung zu fragen, was sie ihrerseits tun wollen, um in einer sehr kurzen Zeit zu Entscheidungen zu kommen. Herr Vogel hat ganz sicher recht mit seiner Bernerkung, daß der Pläne igenug auf dem Tisch liegen und daß es jetzt darum geht, wirklich zu Entscheidungen zu kommen.
Hier, bei den institutionellen Vorschlägen der Freien Demokraten, setzt meine Skepsis an. Herr Kollege Moersch, Herr Kollege ,Mühlhan, ich glaube nicht, daß uns die Grundgesetzdebatte in der Sache weiterbringen würde. Wir haben .die Institutionen, die wir zur Kooperation brauchen, ja längst da. Wir haben ,den Koordinierungsausschuß zwischen Bildungsrat und Wissenschaftsrat. Wir haben unter der Ägide des politisch etwas in den Hintergrund gerückten früheren Bundeskanzlers Professor Erhard einen Ausschuß für Wissenschaft und Forschung, eine ständige Kommission für diese Bereiche zwischen Bund und Ländern, gegründet. Den Vorsitz in der Delegation des Bundes führt der Regierungschef, in der der Länder der Vorsitzende der Ministerpräsidentenkonferenz.
Man muß sich alerdings in der Tat fragen, warum der Bundeskanzler angesichts bekannten Tatsachen, die heute hier nur noch einmal ausgebreitet worden sind, dieses einzige auf der höchsten Ebene vorhandene Kooperationsorgan zwischen Bund und Ländern seit seiner Konstituierung nicht ein einziges Mal ,einberufen hat. Dann kann man sich nicht wundern, Herr Bundeskanzler, wenn solche Anträge wie die von der FDP kommen angesichts der Tatsache, daß wir .die vorhandenen Instrumente nicht nutzen, insbesondere das Instrument, das zu gleichen Teilen in Ihrer politischen Verantwortung und in der dies Vorsitzenden der Ministerpräsidentenkonferenz liegt.
Zweite Bemerkung! Herr Bundeskanzler Kiesinger und Herr Kollege Martin haben davon .gesprochen,
daß es nicht nur um die Quantität, sondern auch um die Qualität geht. Wir sind darin einig. Nur, meine Damen und Herren, wenn man einmal die Frage ausklammern will, um welchen Bildungsbegriff es sich denn heute 'handeln .soll, etwa um dien des Herrn Bundeskanzlers oder um den des Herrn Kollegen Martin, den dieser einmal in der Zeitschrift „Die politische Meinung" entwickelt hat, oder um den bei Herrn Vogel angedeuteten oder um welchen sonst - das wäre ja noch zu prüfen -:
({2})
die deutschen Universitäten sind heute ja nicht einmal mehr in der Lage, ihre Ausbildungsfunktion ordentlich zu erfüllen. Wieso sollen wir uns dann hier um ihre Bildungsfunktion streiten, wenn sie in vielen Fächern und Disziplinen nicht einmal die Vorstufe, nämlich die Ausbildungsaufgabe, ordentlich erfüllen können?
Bei der Entwicklung, von der ich eben gesprochen habe, wird es in den nächsten zehn Jahren noch schwieriger werden. Kurzum, ich meine, wir sollten diese Bereitschaft zur Durchführung der Studienreform mit allen Mitteln und Möglichkeiten stärken. Mir liegt daran, bei dieser Gelegenheit den Professoren und Studenten zu danken, die sich dieser Aufgabe in den letzten Jahren angenommen haben mit oft vielen Enttäuschungen in ihren Fakultäten und woanders bei diesen Versuchen. Es hat keinen Sinn, die Professoren und die Studenten in einen Topf zu werfen und zu sagen: es ist alles beim alten geblieben. Das ist es nicht. Es gibt sehr viele, nicht nur jüngere Hochschullehrer, die genau wissen, daß sie Studienreform ein Kernstück unserer Universitätspolitik ist, und man sollte sie ermuntern und sie nicht mit den konservativen Traditionalisten in einen Topf werfen. Das gleiche gilt für die Studenten.
Meine Damen und Herren, wer die Parteihochschule als Universität neuen Typs, die sich dann auch noch „Kritische Universität" nennt, vermeiden will,
({3})
der hat als einzige Alternative dazu eine entschlossene Reform der bestehenden Hochschulen. Der konservative Tiaditionalismus unserer Universitäten hat die KU in Berlin provoziert, und er wird andere provozieren, wenn wir nicht die politischen Entscheidungen durchsetzen mit und, wenn es sein muß, gegen Teile der Universitäten, die diesen Bestrebungen den Boden entziehen.
({4})
Letzte Bemerkung! Ich bin Herrn Ministerpräsidenten Goppel dankbar für seine dezidierte Absage an den Provinzialismus in der Wissenschafts- und Bildungspolitik. Ich halte auch nichts - um an Herrn Weichmann anzuschließen - von undifferenzierten Werturteilen über die Qualität der Zusammenarbeit von Bund und Ländern in diesem Bereich. Sie ist gut gewesen in den letzten Jahren - ein Erfolg - im Wissenschaftsrat. Sie ist gut gewesen beim Bundesbericht Forschung II. Beides sind, glaube ich, Resultate der Zusammenarbeit von Bund und Ländern, die man vorzeigen kann und die beide mit Stolz und mit Genugtuung vorzeigen können. Es ist schlecht gewesen, negativ gewesen beim Bericht - dem gemeinsamen, oder, wenn Sie so wollen, nur in der Drucksache gemeinsamen - Bericht über die Bildungsplanung. Was zu dem Teil der Bundesregierung kritisch zu bemerken ist, werden wir in den Beratungen der Ausschüsse zum Ausdruck bringen; was den Ländern zu sagen ist, ist auch wieder differenziert. Von den elf Kultusministern haben sich ganze drei oder vier an das gehalten, was ihr eigenes Generalsekretariat sehr richtig, sehr gut, sehr durchdacht unter „Bildungsplanung" vorab dargestellt hat, während sieben der Kultusminister entweder das Thema völlig verfehlt haben oder sich auf einen Erfolgsbericht über ihre großen Leistungen in der Vergangenheit beschränkt haben. Das ist nicht Gegenstand der Bildungsplanung, sondern der Bildungshistorie, wenn Sie so wollen. Darum ging es bei diesen Berichten nun eben nicht! Das war also eine Fehlleistung.
Eine Fehlleistung ist auch, glaube ich, das Verfahren der Länder und des Bundes - aber mehr der Länder als des Bundes - in der Frage der neuen Universitäten. Warum ist es bis heute nicht möglich gewesen, ein Abkommen mit dem Bund über die gemeinsame Finanzierung der neuen Universitäten abzuschließen?
Die Bedingungen der Bundesregierung liegen seit Jahren auf dem Tisch. Man kann sie für richtig halten oder für falsch; aber man muß dazu Stellung nehmen, und zwar so, daß man in der Sache weiterkommt.
({5})
Ich kann dem Herrn Ersten Bürgermeister von Hamburg auch nicht folgen, wenn er sagt, daß es mit dem Ausbau der neuen Universitäten gut vorangegangen sei. Herr Mühlhan hat recht in diesem Punkt: Ganze 5000 neue Studienplätze sind seit der Vorlage der Empfehlungen des Wissenschaftsrates durch die neuen Universitäten geschaffen worden. Gemessen an der Entwicklung, die auf uns zukommt, ist das Tempo beim Ausbau der neuen Universitäten, das wir in den letzten Jahren beobachtet haben, unendlich viel zu langsam. Und warum sollte man nicht hier mit dem Bund nun wirklich rasch zu einer Vereinbarung kommen? Kurzum, meine Damen und Herren: was meine Fraktion angeht, so lag und liegt uns mit unseren Entschließungsanträgen daran, nicht zu generalisierenden Postulaten zu kommen, von denen wir genauso wenig halten wie diejenigen, die sie in dieser Debatte kritisiert haben, sondern durch einige Kernsätze, Kernthesen auf die Punkte hinzuweisen, von denen wir meinen, daß sie nicht nur der besonderen Aufmerksamkeit in der bildungs- und wissenschaftspolitischen Diskussion bedürfen, sondern entschieden werden müssen. Das war der Grund, weshalb wir sie in die Resolutionsentwürfe aufgenommen haben. Alle, die es angeht, mögen die darin genannten Themen in dem Sinne mitnehmen. Wir, die sozialdemokratische Fraktion des Bundestages, möchten wissen: Was soll geschehen? Wann soll es geschehen? Und wenn beides nicht gesagt werden kann: Warum kann nicht etwas getan werden in den Fragen, die wir in unseren Resolutionen formuliert haben?
Das ist der Grund, weshalb wir die gemeinsame Aussprache mit der Bundesregierung und den Vertretern des Bundesrates herbeiführen wollten. Bei solchen Gelegenheiten müssen, darüber sind wir uns klar, alle Beteiligten große Geduld miteinander haben. Ich möchte aber sagen, daß diese Debatte insoweit ein Erfolg gewesen ist, wenn sie zu diesen klaren Entscheidungen führt.
({6})
Herr Kollege Dr. Lohmar, der Bundesrat ist von Ihnen angeregt worden, jetzt doch zu reden. Herr Professor Schütte, bitte, Sie haben das Wort.
Dr. Schütte, Minister des Landes Hessen: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Diskussionsbeitrag von Herrn Dr. Lohmar reizt mich nun doch, in dieses parlamentarische Gespräch - ganz kurz, haben Sie keine Sorge! - einzugreifen. Ich möchte zugleich gern auch noch - wiederum sehr kurz - Herrn Dr. Martin antworten. Beide Abgeordneten haben ja mit großer Entschiedenheit und großer Präzision die zentrale Frage der Kulturpolitik von heute gestellt: Was wird aus unseren Abiturienten? Meine Damen und Herren, Sie können sicher sein, daß uns diese Frage arg bedrückt, möglicherweise, weil sie uns ja unmittelbar angeht, noch mehr als Sie.
Aber es ist andererseits - und das finde ich auch merkwürdig - in dieser Debatte nicht zum Ausdruck gekommenn, daß diese Frage noch zwei weitere Fragen enthält und umgreift, nämlich die Fragen, die fast wie ein Postulat klingen: Wie sollen wir unsere Hochschulen ausbauen, nach dem Bedarf, oder gilt die Nachfrage? Diese Alternative hat es auch finanziell in sich. Diese Alternative birgt auch noch die andere Frage, auf die (der Herr Bundeskanzler heute früh eindrucksvoll verwiesen hat, die Frage nach den Fundamenten der Bildung. Wir können vernünftigerweise unsere Hochschulen der Nachfrage gemäß nur dann ausbauen, wenn wir überzeugt sind, daß sich Bildung auch durch Wissenschaft ereignet, daß also, abgesehen vom Bedarf in den Berufen, das Studium auch einen personalen Sinn hat. So weit reichen diese Fragen. Sie sind klar gestellt, und niemand entzieht sich diesen Fragen. Aber ich appelliere auch in diesem Hohen Hause an Ihr Verständnis 'dafür, wie schwer darauf Antworten zu finden sind.
Wiederum sage ich: merkwürdigerweise haben Herr Lohmar und Herr Martin von der Bildung und der Ausbildung als einem Gegensatz gesprochen.
({0})
- Dann habe ich Sie falsch verstanden, Herr Lohmar. Sie sagten eben - 'das habe ich doch richtig im Gedächtnis? -, daß die Universitäten von heute nicht einmal die Ausbildung treiben könnten, wenn sie auch noch den Auftrag der Bildung hätten. Ich meine, wir könnten dieses Problem schnell erledigen. Es ist eine falsche Alternative. Walter Dirks hat einmal gesagt, es sei eine reaktionäre These.
Aber es ist doch wohl so: Wenn wir nach den Fundamenten unserer Bildung fragen, so billigen wir doch denen, die mit literarischen und philosophischen Sachverhalten mehr jonglieren als argumentieren, nicht die Bildung zu. Wir sind doch heute der Meinung, daß wir in die tiefere Ebene der Bildung nur gelangen, wenn Sachverhalte, konkrete, gewichtige Dinge unseres Lebens, Sachen unserer Existenz, auch in ihren Grundlagen begriffen werden.
({1})
- Ich sage nur noch einen Satz, Herr Lohmar, dann stelle ich mich gern Ihrer Frage. Dieser Satz lautet: Max Weber, der universalste Geist unseres Jahrhunderts, hat immer wieder gemahnt, eine gute Leistung sei heute eine spezielle Leistung. Er hat damit den Gedanken verbunden, daß es zum Auftrag der Bildung gehöre, die Ursachen, das innere und untere Geflecht solcher Spezialleistungen) mit zu begreifen. Das scheint mir der neue, der moderne Ansatz der Bildung zu sein.
Sie gestatten offenbar eine Frage des Herrn Abgeordneten Lohmar.
Erlauben Sie mir bitte, Herr Minister - nur in Form einer Frage -, die Klärung eines Sachverhalts: Sind Sie nicht mit mir der Auffassung, daß die Überfüllung mancher Massenfächer, wie wir uns angewöhnt haben zu sagen, an den Universitäten jede Möglichkeit, wirklich Bildungsgehalte durch Teilnahme an der Forschung zu vermitteln, einfach von der Zahl der Studenten her verschüttet und daß es daher erst einmal notwendig ist, von der Quantität her an die Dinge heranzugehen, bevor wir uns wieder über die Qualität ernsthaft unterhalten können?
Dr. Schütte, Minister des Landes Hessen: Herr Abgeordneter, soweit Sie Ihre Frage auf die Teilnahme an der Forschung beziehen und die adäquaten Bildungselemente meinen, stimme ich Ihnen zu, sonst nicht. Ich meine schon, daß auch in einem Seminar, in dem Sachverhalte sehr spezieller Art zur Debatte stehen - ({0})
- Es tut mir leid, daß hier immer die Zahl 200 erscheint. Warum soll man nicht auch an die sehr zahlreichen anderen Beispiele der Seminare mit 20 denken? Aber das ist ja nicht kontrovers. Was die 200 angeht, bin ich Ihrer Meinung.
Herr Minister, gestatten Sie eine Frage?
Herr Minister, muß man die Frage nicht noch differenzieren? Ihnen ist sicher bekannt, daß Hegel 1800 Zuhörer hatte und Fichte gelegentlich auch; und diese Studenten waren nachher sehr gebildete Menschen.
({0})
Dr. Schütte, Minister des Landes Hessen: Herr Moersch, diese Frage kann man wohl nicht mit einem Zwischenruf erledigen. Ich glaube, er ist der universalste Philosoph, nicht nur der deutsche universale Philosoph.
Ich bin Ihrer Meinung, Herr Martin. Ich bin vielleicht in der Gefahr, die aus der Massenstruktur folgenden Nöte zu unterschätzen. Aber ich sage auch immer gern, daß ich starke geistige und Bildungsanregungen in großen Massenvorlesungen von Professoren empfangen habe, mit denen ich nie ein Wort gesprochen habe. Das ist immerhin auch heute noch eine reelle Chance unserer Universität.
({1})
Das Folgende scheint mir fast noch wichtiger. Wenn wir von Hochschulreform sprechen, sollten wir uns von dem Dogma der Einheitlichkeit der deutschen Universität lösen. Indem ich das sage, wiederhole ich eigentlich nur einen Satz, den der Herr Vorsitzende des Deutschen Bildungsrates immer wieder formuliert: Das Dogma von der Einheitlichkeit der Universitäten narrt uns gelegentlich alle. Die Abkehr vom klassischen Schema ist geboten. Leider - wenn Herr Abgeordneter Schmidt da wäre, hätte ich ihm das gern noch selbst gesagt - genügt dazu nicht ein Erlaß des Kultusministers. Ich käme mit Art. 5 Abs. 3 des Grundgesetzes in argen Konflikt, wollte ich solche Rechte - ich meine schon: zu so edlem Zwecke - in Anspruch nehmen. Aber die Neugründungen haben eine Chance. Und zu Ihrer Information möchte ich Ihnen sagen, daß wir von der Kultusministerkonferenz auch den Vorschlag des Wissenschaftsrates, Sonderforschungsbereiche in unseren Universitäten zu begründen, sehr ernst nehmen. Ich selbst habe für 1968 im hessischen Haushalt entsprechend dem Ansatz des Bundeshaushalts - im Bundeshaushalt stehen 5 Millionen DM - eine halbe Million dafür ausbringen können; das wäre etwa der hessische Anteil. Das ist deshalb notwendig, damit wir über allgemeine Sentenzen hinaus konkret weiterkommen.
Das Prinzip der Sonderforschungsbereiche bedeutet, daß nicht mehr alle Universitäten alles machen. Hier ist auf konkrete Weise eine Tür geöffnet, und ich bin sicher, die Kultusminister werden diese Möglichkeit, wenn sie vom Wissenschaftsrat gegeben wird, auch ergreifen. Wir sollten auch nicht vor dem von universitärer Seite oft vorgetragenen Argument kapitulieren, es käme dann zu Qualitätsunterschieden im Gefüge unserer Universitäten. Vielleicht kommt es dazu.
({2})
Aber das amerikanische System ist ja doch weithin eben durch solche Qualitätsunterschiede gekennzeichnet. Dieses Problem hat für die Hauptfrage: was geschieht mit denen, die auf eine Universität wollen?, eine ganz besondere Bedeutung. Auch das, glaube ich, gehört mit in die Überlegungen hinein, wenn wir von Hochschulreform sprechen.
Noch schnell dies: Die Relativität der Studienziele zu bedenken, ist uns neu aufgegeben. Das Studium von heute ist nicht mehr so eindeutig auf einen Beruf bezogen, wie noch vor einem Menschenalter. Wir müssen ja nicht nur an unseren Hochschulen, sondern ganz besonders auch an unseren Berufsschulen, überhaupt im Schulwesen, heute schon für Berufe ausbilden, die es noch gar nicht gibt. So paradox ist die Lage, so schwierig, meine Damen und Herren, ist aber auch das Geschäft der Kulturpolitik heute.
Noch eine letzte Bemerkung! Von dem Prinzip der Einheit von Forschung und Lehre war natürlich heute in einer so wichtigen Debatte, in deren Mitte die Thematik Hochschulreform stand, .die Rede. Ich würde immer wieder betonen wollen und würde beinahe meinen, es wäre gut, wenn das auch in die Empfehlungen des Bundestages einginge: Das Prinzip der Einheit von Lehre und Forschung ist richtig. Aber in diesem Prinzip steckt doch, daß der Universitätsprofessor nicht nur ein Forscher sein muß, sondern auch ein Lehrer. Ich sage immer und ernte damit manchmal in universitären Kreisen Kritik und auch Zorn: Ein Forscher, der nicht lehren kann, der also nicht über die adäquaten didaktischen Mittel verfügt, verstößt gegen das Prinzip der Einheit von Forschung und Lehre. Es wäre sicher gut, wenn man sich im politischen Raum, also über die Ländergrenzen hinaus auch in diesem Hohen Hause, einmal auf solche Grundsätze einigen könnte; denn nur dann finden sie ja doch auch ins öffentliche Bewußtsein. Und Bewußtseinssperren abzubauen, ist so wichtig.
Die Reform des Berufungsverfahrens, auf die Herr Abgeordneter Dichgans immer wieder mit so viel Leidenschaft und Sachkenntnis hinweist, ist ein gewichtiges Thema. Das Ausschreiben der Stellen - verzeihen Sie, wenn mir auch noch diese Einzelheit in den Sinn kommt - ist heute zur Ergänzung der Lehrkörper sicher geboten. Ich komme nur deshalb darauf, weil die Technische Hochschule Darmstadt mit diesem Prinzip schon außerordentlich gute Erfahrungen gemacht hat. Der Rektor hat mir gelegentlich berichtet, daß man einige ganz hervorragende Männer gewonnen hat, auf die man nie gekommen wäre, hätte man sich nicht dieses modernen Prinzips der Ausschreibung bedient. Meines Erachtens muß auch geprüft werden, was Herr Dichgans über die Bewährungszeiten gesagt hat. Das sind Themen, die als Frage an sich sehr .scharf gestellt sind. Man muß aber nicht gleich von einem Versagen der Kulturpolitik reden, wenn so gewichtige Dinge nicht sofort die adäquate Antwort erhalten.
Ich möchte ,dem Herrn Bundesminister Stoltenberg noch Dank sagen für seine Antwort und besonders dafür, daß er mit solchem Nachdruck auf den Unfug - bei ihm steht das natürlich sehr viel höflicher -der übersteigerten Studienzeiten hingewiesen hat. Wenn gefragt wird, Herr Dr. Martin, Herr Dr. Lohmar: Was machen wir mit unseren Studenten?, dann muß man heute sagen: Wir hätten 40 000 Studienplätze mehr - Herr Stoltenberg hat das ausgeführt -, wenn es zu einer vernünftigen Regelung in dieser Frage käme.
({3})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Althammer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Kollege Helmut Schmidt hat heute vormittag hier etwa die Auffassung vertreten, daß dieses Hohe Haus eigentlich dazu da sei, die Meinung im Volk zu artikulieren und hier zu vertreten. Ich glaube, man muß hier etwas Wesentliches hinzusetzen: Das Parlament hat auch das Recht, die Mittel zu bewilligen. Insofern kann es nicht nur der Regierung - sei es nun die Bundesregierung oder seien es die Länderregierungen - die Frage stellen, wie diese die anstehenden Aufgaben bewältigt, sondern es ist in einem sehr konkreten und direktem Maße in diesen Prozeß mit einzuschalten.
({0})
Vielleicht geben die Zahlen, um die es sich hier handelt, eine konkrete Auskunft darüber, wie dieser Weg nun weitergehen soll. Der Bund hat bereits seit dem Jahre 1961 die Hochschulförderung und alle Bereiche von Wissenschaft und Forschung zum Schwerpunkt erklärt und daraus die finanziellen Konsequenzen gezogen. Die steigenden Raten im Bundeshaushalt dieser Jahre - nachzulesen im Forschungsbericht II - sprechen eine deutliche Sprache; die Steigerung betrug: 1962 26,2 %, 1963 über 20 %, 1964 ebenfalls über 20 %, und 1965/66 hatten wir dann einen Rückgang auf unter 20 %. Wir sind dabei, in der mittelfristigen Finanzplanung bis zum Jahre 1971 eine Quote von 15 bis 16 % des Bundeshaushalts einzukalkulieren. Wenn man weiß, wo hier die Grenzen sind, die uns einfach finanziell vorgeschrieben sind, dann wird man auch ganz klar erkennen, wo fruchtbare Lösungsmöglichkeiten liegen.
Meine Herren von der Opposition, ich verspreche mir gar nichts davon, diese Debatte nun fast ausschließlich unter dem Gesichtspunkt zu führen: Wie hat denn das System des föderalistischen Aufbaus in dem Zusammenhang hier funktioniert? Ich möchte mich als Abgeordneter des Deutschen Bundestages ganz eindeutig dagegen verwahren, daß der Versuch unternommen wird, die Länder wegen dieser Entwicklung zum Prügelknaben zu machen.
({1})
Die Länder haben in den vergangenen Jahren die Last der finanziellen Leistungen getragen.
Wir halten uns im Bunde sehr viel darauf zugute, wie wir seit 1952 unsere Leistungen gesteigert haben. Das ist keineswegs etwa ein illegitimes Kind der damaligen Koalition; das sollten und können wir mit aller Deutlichkeit betonen. Die Länder haben aber in den Jahren, wo der Bund seine Mittel so enorm gesteigert hat, das Tempo mitgehalten. Sie stehen heute nach wie vor bei 60 % der Ausgaben, und der Bund steht bei etwa 40 %.
Von dem letzten Redner der FDP ist gefragt worden, wie es mit der Gründung neuer Universitäten sei. Er hat darauf hingewiesen, daß der Bund hinsichtlich der Zusammenarbeit wohl im Verzuge
sei. Auf der anderen Seite wird man aber sagen müssen, daß sich die Masse der Mittel - wer auch immer diese Dinge finanziert - dadurch keineswegs vermehrt. - Bitte schön, zu einer Frage. Wenn das nicht von meiner Redezeit abgeht.
Es geht nicht ab.
Herr Kollege Althammer, sind Sie mit Ihrer Kollegin Wex und mit uns einer Meinung, daß die bisherigen Regelungen nicht befriedigt haben, und wenn ja, was 'ist nach Ihrer Ansicht die Ursache?
Herr Kollege, genau auf diesen Punkt wollte ich jetzt kommen. Ich bin der Auffassung, daß es angesichts der Widerstände gegen die notwendige Reform, die hier heute vormittag vorgetragen worden 'ist, verheerend wäre, wenn die Frucht dieser Debatte wäre, daß hier ein neuer Gegensatz zwischen Bund und Ländern herauskäme. Der Weg kann doch nur der sein, daß die beiden Hauptbeteiligten auf diesem Gebiet - Bund und Länder - sich noch stärker zusammenschließen, um diese Widerstände zu überwinden.
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Gestatten Sie noch eine Zusatzfrage?
Noch einen Satz: Ich bin sehr dankbar, daß von seiten der Bank des Bundesrates immer wieder auf die Notwendigkeit der Steigerung und der Intensivierung dieser Zusammenarbeit hingewiesen worden ist. - Bitte schön, Herr Kollege!
Herr Kollege Althammer, darf ich aus Ihren letzten Ausführungen entnehmen, daß Sie im Gegensatz zum Kollegen Schulze-Vorberg nicht der Meinung sind, daß es sich bei uns um einen Besatzungsföderalismus handelt?
Herr Kollege Ertl, ich glaube, diese ollen Kamellen, muß ich nun schon sagen, könnten wir wirklich beiseite lassen. Es geht hier um .ein sehr ernstes Problem. Ich möchte jetzt keine weiteren Zwischenfragen mehr beantworten,
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weil ich nun die konkreten Punkte ansprechen muß.
Wir haben gesehen - die Sprache der Zahlen ist klar -, daß bei all dem, was in den nächsten Jahren an höheren Ansätzen beim Bund und bei den Ländern ausgebracht wird, auf keinen Fall der Andrang der Abiturienten bewältigt werden kann. Also kann die Antwort nur lauten, daß durch eine Reform des Studienganges den anstehenden Schwierigkeiten einigermaßen gesteuert werden muß.
Ich darf noch ein Wort zum Verhalten der Länder sagen. Wir stellen die zentrale Frage: Was soll mit den Abiturienten des Jahres 1975 geschehen? Ich
stelle die Gegenfrage: Woher kommen denn diese vielen Studenten im Jahre 1975? Sie kommen doch daher, daß die Länder es in einer gewaltigen Anstrengung vermocht haben, die Zahl der Oberschüler, die Zahl der Leute an den weiterführenden Schulen so sehr zu steigern.
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Herr Kollege Schmidt, Sie haben hier den Verdacht geäußert, die CSU habe innerhalb der CDU/CSU die Aufgabe, nun, meinetwegen, gemeinsame Resolutionen zu verhindern. Ich darf Ihnen entgegenhalten: Wenn die CSU in diesem Bundestag eine besondere Aufgabe sieht, dann ist es die, jeden und auch den letzten Beitrag dazu zu leisten, daß es zu diesem Zusammengehen kommt.
Hier stehen nun ganz konkrete Aufgaben unmittelbar vor uns, nämlich das Problem der Finanzreform. Ich meine deshalb, daß es nicht sachdienlich ist, wenn die Opposition jetzt plötzlich neue Verfassungsänderungen zur Debatte stellt. Ich freue mich, daß ich mich hier in Übereinstimmung mit unserem Koalitionspartner befinde. Die Antwort, die in den nächsten Monaten uns allen - Bund und Ländervertretungen - abverlangt wird, ist die Antwort auf die Frage, ob es im Rahmen eines kooperativen Föderalismus möglich sein wird, neue, moderne Formen zu finden, im Rahmen der Verfassungsreform diese Dinge nun noch besser und intensiver zu gestalten, als das möglich war.
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Mit Recht ist auch von einem Vertreter des Bundesrates darauf hingewiesen worden, daß die Uniformität der Verwaltungen und der Kompetenzen keineswegs das Zaubermittel sein kann, diese Probleme zu bewältigen. Es ist der Blick auf Frankreich gerichtet worden - ich glaube, sehr zu Recht -: es ist uns immerhin gelungen, das französische Niveau zu erreichen und heute vergleichbare Leistungen auf allen Sektoren von Wissenschaft und Forschung auf die Beine zu stellen und das, obwohl die Zerstörungen des Krieges bei uns unvergleichlich höher waren.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Gerne, ja.
Herr Kollege Althammer, ich wollte der CSU keine besondere Aufgabe in dem Sinne unterstellen, wie Sie sie eben genannt haben, aber vielleicht darf ich doch die Frage stellen, warum -entgegen einer vorher möglich erschienenen Übereinstimmung 2. B. in der Resolution der CDU/CSU die folgende Formulierung wegfallen mußte:
Um den Ausbau und die -Neugründung von Hochschulen und Fachschulen mit dem Bedarf, mit den Berufswünschen und mit der Ausbildungskapazität abstimmen zu können, isst eine gemeinsame Beratung und Planung im Koordinierungsausschuß von Wissenschaftsrat und
Bildungsrat nötig. Bund und Länder sollten diese Institution in Zusammenarbeit miteinander und zugleich mit Wissenschaftlern, Pädagogen und Wirtschaftlern stärker nutzen, um zu einem Gesamtkonzept für den Ausbau aller Institutionen für Bildung und Wissenschaft zu kommen.
Das ist .eine der Streichungen -in Ihrer Fraktionsresolution, -die mich faszinierten, weil ich nicht begreifen kann, warum so etwas gestrichen werden muß.
Herr Kollege Schmidt, eine ausgezeichnete Zwischenfrage! Ich will Ihnen auch 'die Antwort geben: ganz einfach deshalb, weil wir es ablehnen, Selbstverständlichkeiten in eine Resolution hineinzuschreiben, die dann meinetwegen drei Seiten lang wird. Das sehen nicht als den Sinn einer Resolution an.
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Denn die Dinge, die Sie eben angeführt haben, sind ja längst praktiziert.
Gestatten Sie noch eine Zusatzfrage von Herrn Kollegen Schmidt.
Sie spüren, Herr Althammer, daß ich nicht polemisiere und auch polemische Antworten nicht erwarte.
Darf ich die zweite Frage stellen! Warum mußte ein Passus gestrichen werden, der von der Förderung der Forschung und der Methode und der Form dieser Förderung spricht und dann fortfährt:
Di-e Zusammenarbeit des Bundes mit den Ländern darf nicht zugunsten von Regelungen aufgegeben werden, die nur noch ein Zusammenwirken des Bundes mit je einem Bundesland ermöglichen würden. Wenn die Wissenschaftsförderung im Sinne der Verhandlungen zwischen Bund und Ländern eine Gemeinschaftsaufgabe vo-n Bund und Ländern werden soll, dann muß dies in einer Weise geschehen, die ein Zusammenwirken der Gesamtheit der Länder mit :dem Bund sichert.
Würden Sie auch hier sagen, daß das nur deshalb gestrichen worden ist, weil es ,eine Selbstverständlichkeit sei?
Herr Kollege Schmidt, Sie sind nun in -der Tat ,auf eine kleine Explosionsmine geraten. Ich darf Ihnen nur soviel sagen. Es isst uns bekannt, daß man von seiten der Bundesverwaltung aus wohlerwogenen Gründen über eine solche Formulierung nicht ganz glücklich ist. Aber, meine sehr verehrten Kollegen von dier SPD, ich glaube, wir sollten diese Fragestunde hinsichtlich der Einzelheiten dieser Resolution abbrechen. Es ging ja im Prinzip nur darum, diese - wenn ich es einmal etwas übertrieben .sagen darf - meterlange Resolution in ein vernünftiges knappes Gewand zu bringen. Wir sollten hier keine Haarspalterei betreiben, obwohl, Herr Kollege Schmidt - das gebe ich Ihnen gerne zu -, gerade Ihre letzte
Frage gezeigt hat, daß in der Materie durchaus Dinge liegen. Vielleicht denken Sie einmal einen Augenblick darüber nach, was es für die Bundesverwaltung bedeutet, wenn Sie ihr diese Möglichkeit verlegen wollen.
Gestatten Sie eine Frage von Herrn Dr. Lohmar?
Dr. Althammer /CDU/CSU) : Bitte schön!
Herr Kollege Althammer, darf ich meiner Verwunderung darüber Ausdruck geben, welche Qualifizierung Sie den Texten, die Herr Schmidt vorgelesen hat, hier haben angedeihen lassen, angesichts der Tatsache, daß zwischen der Fraktion der SPD einerseits und den Verhandlungsführern Ihrer Fraktion, Herrn Wagner, Herrn Dr. Martin und Herrn Dr. Dichgans andererseits gestern morgen in einem abschließenden Koalitionsgespräch genau der heute von der SPD vorgelegte Text vereinbart worden ist?
Herr Kollege Lohmar, ich muß gestehen, daß die Einwendungen gegen Länge, Umfang und zum Teil auch inhaltliche Ausführungen dieses Resolutionsentwurfs speziell von der CSU ausgehen. Ich glaube - wir können uns gern einmal privat darüber unterhalten -, daß gute Gründe dafür sprechen, daß wir für eine Kürzung und Straffung des Textes gewesen sind.
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- Ich möchte um Verständnis bitten, wenn ich wegen der vorgerückten Zeit jetzt fortfahren möchte. Es hat wenig Sinn, jetzt hierüber noch so lange zu sprechen.
Das wird natürlich von Ihrer Redezeit abgezogen, Herr Dr. Althammer.
Herr Präsident, ich möchte angesichts der vorgerückten Stunde zum Schluß wirklich nur noch einen Gedanken anfügen, der heute vormittag noch nicht aufgetaucht ist.
Wir machen uns Gedanken darüber, wie wir den internationalen Anschluß auf allen Sektoren wieder erreichen können, und wir machen gewaltige finanzielle Anstrengungen beim Bund und bei den Ländern. Angesichts der verfügbaren Mittel wird über das hinaus, was wir uns in der mittelfristigen Finanzplanung vorgenommen haben, wenn nicht Unvorhergesehenes geschieht, nicht Wesentliches mehr möglich sein. Man wird aber, wenn wir vom Jahre 1975 und 1980 sprechen, auch seinen Blick darauf richten müssen, daß ganz einfach der Vergleich mit den USA und meinetwegen auch mit der Sowjetunion nur dann wirklich ausgehalten werden kann, wenn wir über die innerdeutschen Probleme, über das Zusammenwirken von Ländern und Bund, von Wissenschaftsrat, Forschungsgemeinschaft usw. hinaus das Problem der europäischen Zusammenarbeit sehen. Dieses Europa mit seiner großen Tradition in Bildung, Wissenschaft und Forschung wird diesen Vergleich mit den USA, mit der Sowjetunion und mit anderen Kontinenten nur bestehen können, wenn es bereit und willens ist, sehr schnell auch auf dem europäischen Sektor zu viel größeren Schwerpunktbildungen zu kommen, als das heute der Fall ist.
In diesem Sinne, glaube ich, müssen wir unsere Anstrengungen nicht nur innerhalb der Bundesrepublik, sondern darüber hinaus noch innerhalb des europäischen Rahmens verstärken.
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Das Wort hat der Herr Bundesminister für wissenschaftliche Forschung.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Versuch eines kurzen Resümees nach dieser fünfstündigen Debatte ist schwierig. Wir haben zu diesem großen Thema eine Vielfalt an Äußerungen gehört. Wir haben auch eine Vielfalt von Temperamenten erlebt; wenn ich das so sagen darf. Immerhin glaube ich, daß es zu einem intensiven Gespräch zwischen Bundestag, Bundesregierung und Bundesrat - und damit auch den Länderkabinetten - gekommen ist, mit bestimmten Ergebnissen, wenn auch nicht mit einer Übereinstimmung in allen wichtigen Fragen.
Ich möchte zu dieser späten Mittagsstunde nur noch wenige Bemerkungen von seiten der Bundesregierung machen und verzichte bewußt auf eine vollständige Würdigung aller Argumente und Gesichtspunkte.
Weniges nur zur Kritik der Opposition. Die Opposition hat - ich bedanke mich dafür - auch einige Worte der Anerkennung gefunden, etwa für Arbeiten der Bundesregierung wie den Bundesforschungsbericht II. Sie hat die Regierungserklärung immerhin als eine sehr gute analytische Leistung bezeichnet, was sich von der meines Erachtens nicht angemessenen Heftigkeit einiger anderer, polemischer Äußerungen besonders angenehm abhebt.
Aber sie hat die Forderung nach einem entschiedeneren und schnellen Handeln in bezug auf die Regierung und diese Erklärung vertreten und gemeint, hier werde mehr gesprochen als getan. Herr Kollege Mühlhan hat gemeint, das müsse ohne Rücksicht auf mögliche Kompetenzfragen geschehen. Ich muß sagen, daß mich dies doch verwundert. Wir bejahen die Notwendigkeit des Handelns, und wir handeln ja auch in unseren Finanz- und Sachentscheidungen, die wir eingehend dargelegt haben. Aber wir handeln im Respekt vor der Verfassungsordnung und der Verfassungswirklichkeit.
Hier ist doch ein Widerspruch; denn gerade die liberale Opposition versteht sich doch in anderen wichtigen Fragen, die in diesem Hause anstehen, gleichsam als Wächter der Verfassung und des Rechts. Sie erhebt doch eigentlich den latenten Vorwurf oder die latente Verdächtigung der mangelnden Achtung vor Gesetz und Verfassung. Dann kann man nicht andererseits in dieser Form die
Aufforderung laut werden lassen, ohne Rücksicht auf Kompetenzen und Verfassungsbestimmungen zu agieren.
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Weil Handeln notwendig ist und weil wir aus Unzulänglichkeiten und Unzuträglichkeiten Folgerungen zu ziehen haben, deshalb ist allerdings auch die Weiterentwicklung unserer Verfassung und Rechtsordnung so notwendig. Ich unterstreiche noch einmal die zentrale Bedeutung der Finanzverfassungsreform auch für diesen Themenbereich. In einer etwas anderen Bewertung einiger Äußerungen, die wir mit allem Respekt von seiten der Vertreter des Bundesrates gehört haben, möchte ich hier sagen, daß die Finanzverfassungsreform doch von größerer tatsächlicher Bedeutung für die künftige Wissenschafts- und Hochschulpolitik ist, als es hier teilweise anklang. Wenn wir etwa die Frage der Neugründung der Hochschulen in der Entwicklung nicht befriedigend gemeistert haben -5000 Studenten im Jahre 1967 und 13 000 Studenten im Jahre 1970 sind nicht befriedigend -, so liegt es eben auch daran, daß wir bisher nicht die rechtlichen Grundlagen für ein wirkungsvolles Zusammenwirken von Bund und Ländern finden konnten. Der Vorwurf gegen die Bundesregierung, Herr Kollege Mühlhan, stößt völlig ins Leere; denn auch die FDP-Minister in den 6 Landeskabinetten, in denen sie vertreten sind, haben sich eben 1964 mit entschieden, diese Aufgabe zunächst ohne den Bund in Angriff zu nehmen. Das ist die Rechtslage, von der wir ausgehen müssen.
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Wir brauchen jetzt in der Tat eine neue solide Basis für die Bewältigung dieser großen Aufgabe. Sicher können wir den Weg der Verwaltungsabkommen weitergehen. Aber wir kennen ja alle auch die rechtlichen, die haushaltsmäßigen, die politischen Grenzen und die Imponderabilien solcher Abkommen. Wenn wir das nun wirklich als eine Gemeinschaftsaufgabe auf Dauer ansehen - ich begrüße dankbar die Übereinstimmung mit den Vertretern der Länderregierungen -, dann sollten wir auch die Konsequenzen in der Verfassungsentwicklung daraus ziehen.
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Vom Herrn Bürgermeister Weichmann ist gesagt worden, die Gesamtplanung werde schon im Wissenschaftsrat praktiziert. Ich glaube, daß das seit . kurzer Zeit für die überkommenen Hochschulen zutrifft. Es trifft aber noch nicht zu für die neuen Hochschulen, an deren Planung der Wissenschaftsrat auch im Detail bis jetzt nicht genügend beteiligt ist. Auch das ist ein Grund dafür, daß wir uns in der Finanzverfassungsreform hier die feste rechtliche Grundlage zu schaffen haben.
Lassen Sie mich noch etwas zu den weiteren Themen der Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern sagen. Herr Kollege Lohmar, Sie verkennen in Ihrer Kritik, die Sie hier am Bundeskanzler und an den Ministerpräsidenten der Länder geübt haben, daß Bundeskanzler und Ministerpräsidenten seit dem Anfang dieses Jahres in einer ständigen Verhandlung sind. Denn ein Hauptthema der Bund-Länder-Kommission, in der sich auf Einladung des Bundeskanzlers Vertreter der Bundesregierung und die Ministerpräsidenten treffen, sind diese Fragen der Wissenschaftspolitik und des Hochschulausbaus, die mit jenem Verwaltungsabkommen aus dem Jahre 1964 gemeint sind. Sie sind in der ständigen Erörterung, und wir werden die richtige institutionelle Form für die Fortführung der Zusammenarbeit und die Rahmenplanung finden, wenn wir in der Finanzverfassungsreform die Ergebnisse des parlamentarischen Beschlußverfahrens von Bundestag und Bundesrat haben, die notwendig sind.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Herr Bundesminister.
Sehr gern.
Herr Minister Stoltenberg, darf ich davon ausgehen, daß der Herr Bundeskanzler gestern die Forderung nach einem Gesamtbildungsplan, der die Wissenschaft und die Hochschulen einbezieht, vor dem Wissenschaftsrat zu Recht gestellt hat, und daran die zweite Frage knüpfen, ob nicht für die gemeinsame Erörterung dieses Gesamtthemas zwischen Bundesregierung und Bundesländern die Kommission zur Finanzreform, auf die Sie sich eben bezogen haben, in ihrer Themenstellung viel zu eng ist und daß die ständige Kommission aus dem Bundeskanzler und dem Vorsitzenden der Ministerpräsidentenkonferenz das adäquate Organ wäre, um eine so weitgefaßte Themenstellung kooperativ zu erörtern und in der Entscheidungsrichtung vorzubereiten?
Das Verwaltungsabkommen von 1964, auf das Sie sich bezogen haben, Herr Kollege Lohmar, erstreckt sich in der Tat lediglich auf die Wissenschaftsförderung und den Bereich der wissenschaftlichen Hochschulen. Der Bereich der Bildung, in dem die rechtliche und die verfassungsmäßige Zuständigkeit eindeutig bei den Ländern liegt, in dem allerdings auch eine rechtliche und tatsächliche Mitverantwortung und Zuständigkeit des Bundes für wichtige Einzelgebiete wie etwa die Berufsausbildung - um ein Thema zu nennen - gegeben ist, wird im Zusammenhang mit dem Bildungsrat durch die Verwaltungskommission zwischen Bund und Ländern erörtert. Hier stehen wir am Anfang. Ich stimme Ihnen darin zu, daß man im Rahmen .der Neuordnung der Beziehungen von Bund und Ländern auf Grund der Ergebnisse der Finanzverfassungsreform auch diese Frage in eine Prüfung einbeziehen muß. Ich glaube aber nicht, daß man von einer augenblicklich zu beklagenden mangelnden Kontaktnahme auf der Ebene des Bundeskanzlers, der Ministerpräsidenten oder der Regierung sprechen kann.
Meine Damen und Herren, ich möchte nur noch wenige Worte zur Studienreform, dem eigentlichen Hauptthema, sagen. Es ist hier mit Recht gerade
auch von seiten der Länder, die eine ganz besondere und schwere Verantwortung im Alltag tragen, auf eine Fülle von Schwierigkeiten und Problemen hingewiesen worden. Ich glaube, daß wir das ernst nehmen müssen. Aber ich unterstreiche, was hier von vielen Sprechern gesagt wurde, daß wir in der Tat nicht mehr viel Zeit zu verlieren haben.
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Denn die Länder haben - das ist ein Verdienst, wie der Kollege Althammer zum Schluß noch betont hat - gerade durch ihre politischen Entscheidungen jene dynamische Bewegung entfaltet, die zu diesem starken Ausbau des weiterführenden Schulwesens und zu der Verdoppelung der Abiturientenzahlen in der vor uns liegenden Zeit erneut führen wird.
Aber die Gefahr, vor der wir jetzt stehen - ich möchte das doch noch einmal gegenüber manchen etwas zu harmonisierenden Bemerkungen sagen -, ist doch, daß wir, gerade die Länder, aber auch der Bund, insgesamt zu einem tragischen und aussichtslosen Wettlauf zwischen der Mittelsteigerung auf der einen Seite und den noch schneller steigenden Zahlen der Studenten oder der Studienbewerber auf der anderen Seite kommen können. Das ist die unerhörte Gefahr, vor der wir stehen, die wir alle, gerade die Ministerpräsidenten und die Kultusminister der Länder in ihrer täglichen Arbeit, spüren und die für uns zu einer schweren Last geworden ist. Deshalb müssen wir rückblickend, vielleicht auch mit einer gewissen Selbstkritik, sagen, daß diese von uns allen begrüßte Bildungsexpansion ohne genügende Klarheit über ihre Folgen für die weiterführende Ausbildung an den wissenschaftlichen Hochschulen und den Fachschulen eingeleitet wurde und erfolgt. Das sollte für uns alle - ich sage das auch gerade im Hinblick auf die Verantwortung der Länder - eine Warnung sein, daß wir nicht noch einmal grundlegende Veränderungen in der Struktur unseres Bildungswesens punktuell einleiten, ohne die Gesamtkonsequenzen zu übersehen.
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Aber nachdem uns das jetzt vielleicht etwas spät völlig bewußt geworden ist, dürfen wir nicht die Versäumnisse der Vergangenheit beklagen, sondern müssen das Notwendige tun. Es ist nicht so, meine Damen und Herren, daß wir uns hier nur mit Fragen konfrontiert sehen. Nein, es gibt erste Antworten, es gibt klare Erkenntnisse, und es gibt auch erste Entscheidungen. Wir haben klare Vorstellungen, die Wissenschaftler, ebenso die Hochschulen wie die Kultusminister der Länder, wie die beteiligten Stellen des Bundes, der Wissenschaftsrat, über die Neuordnung des Anfangsstudiums. Diese Entwicklung mit der Einführung von Zwischenprüfungen ist im Gange. Wir haben erste Ergebnisse. Wir müssen weiter vorangehen. Wir müssen Widerstände, wenn sie wirklich durch bessere Einsichten überwunden sind, auch tatsächlich überwinden. Wir dürfen nicht stehenbleiben. Der Prozeß muß weitergehen.
Mit Recht ist gesagt worden, daß die Studienreform Geld kostet. Jawohl, sie kostet Geld. Die notwendige Verstärkung der Lehrkörper und, wie ich
übrigens auch in der Regierungserklärung betont habe, die Vereinheitlichung und Verbesserung der Ausbildungsförderung sind gleichsam Korrelate oder Bedingungen für eine Verkürzung des Studiums ohne Qualitätsverlust. Aber ich füge dem, was hier gesagt wurde, hinzu: es ist das am wirkungsvollsten, am effizientesten ausgegebene Geld, das wir uns in den nächsten Jahren vorstellen können.
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Ich möchte ein Zweites sagen. Wesentliche Maßnahmen der Hochschulreform im engeren Sinne - in der Neuordnung der Fakultäten, in der Stellung des Mittelbaus und der Assistenten - können in der Tat ohne nennenswerte finanzielle Aufwendungen durchgeführt werden.
Ich will nicht viel zu der Kontroverse über die Entschließung sagen; das ist Sache des Bundestages. Aber, Herr Kollege Schmidt, in einem Punkt muß ich Ihnen widersprechen. Es gibt ein sachliches Interesse der Wissenschaftspolitik des Bundes und der Länder, daß wir Vereinbarungen etwa auch im Bereich der Gemeinschaftsaufgaben oder Verwaltungsabkommen mit einzelnen Ländern treffen können, daß wir nicht an die Gesamtheit der Länder gebunden sind. Es gibt Bereiche, in denen die Gesamtheit der Länder mitwirken sollte und will. Es gibt andere, in denen der Natur der Sache nach einzelne Länder die Partner des Bundes sein können,
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etwa auf dem Gebiet der Meeresforschung, wo unsere natürlichen Partner die vier Küstenländer sind.
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- Nein, ich weiß im Augenblick nicht, worum es Ihnen genau geht. Ich habe es so verstanden. Gut, wir sind uns einig, und ich kann hier abbrechen.
Meine Damen und Herren, die Debatte hat, glaube ich, nicht in allem schon eine klare und eindeutige Übereinstimmung erbracht. Aber sie hat wichtige Sektoren der Übereinstimmung ergeben, auch der beiderseitigen Bereitschaft zum Handeln. Wir sollten das begrüßen. Wir sollten uns freihalten von einem lähmenden Pessimismus, der uns nicht weiterbringt. Ich glaube, die Regierungserklärung ist davon frei gewesen. Wir sollten uns auch von einer bloß administrativen, formalen Behandlung der Dinge frei machen, weil das nicht ausreicht.
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Hier ist politische Phantasie notwendig. Hier müssen die verantwortlichen Politiker in Bund und Ländern in der Lage sein, sich über zu stark wirkende administrative und formale Betrachtungsweisen, die es bei aller Qualität unserer Mitarbeiter gibt, hinwegzusetzen. Hier ist ein entschiedener Reformwille notwendig. Es gilt, in kurzer Zeit das Notwendige zu tun.
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Meine Damen und Herren, ich darf Ihnen noch mitteilen und Ihr Einverständnis voraussetzen, daß die Abgeordneten Dr. Rau *) und Dr. Hammans **) je eine Rede zu Protokoll gegeben haben.
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Die Rednerliste ist erschöpft. Wir haben einige Anträge vorliegen ***). Mir ist mitgeteilt worden, daß beantragt wird, diese Anträge dem Ausschuß für Kulturpolitik zu überweisen. Die FDP-Fraktion hat darum gebeten, zu ihrem Antrag eine kurze Begründung vortragen zu dürfen. Das Wort hat der Abgeordnete Moersch.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe mich zur Antragsbegründung deshalb zu Wort gemeldet, weil hier von dem Abgeordneten Schmidt eine Behauptung aufgestellt wurde, der ich widersprechen muß. Die Länge einer Resolution sagt nichts über ihren Gehalt aus, und wir haben gesagt, daß diese Resolution von uns im Zusammenhang mit einem vor zwei Tagen inzwischen im Bundestag eingebrachten Antrag zur Verfassungsergänzung zu verstehen ist. Ich bitte, das hierbei zu berücksichtigen. Wir stimmen in weiten Teilen mit der sozialdemokratischen Resolution überein. Deswegen haben wir es nicht noch einmal hineingeschnieben.
Lassen Sie mich bitte ein Zweites bemerken. Ich möchte die Behauptung des Herrn Bundeswissenschaftsministers, mein Kollege Mühlhan habe hier einer nicht verfassungsmäßigen Handlungsweise das Wort geredet, zurückweisen. Wir werden bei der Beratung unseres Antrages Gelegenheit haben, an Hand des Protokolls diese Frage noch einmal zu erörtern. Die Freien Demokraten lassen sich in der Beachtung des Grundgesetzes hier von niemandem übertreffen und lassen sich auch nicht in diesem Hause Institutionen einreden, die es in der Verfassung nicht gibt, auch wenn sie hier ständig genannt werden. Das möchte ich hier noch einmal ausdrücklich feststellen.
Im übrigen noch einen persönlichen Dank an Herrn Minister Schütte. Ich hätte mir gewünscht, daß er die erste Rede vom Bundesrat aus gehalten hätte. Dann wäre die Debatte vielleicht gehaltvoller verlaufen.
({0})
Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Ich wiederhole, daß die Anträge dem Ausschuß für Kulturpolitik überwiesen werden sollen. Wenn Sie damit einverstanden sind, ist es so beschlossen. Damit ist der Tagesordnungspunkt 10 erledigt.
Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 1: Fragestunde
- Drucksachen V/2268, zu V/2268 -
*) Siehe Anlage 6 **) Siehe Anlage 5 ***) Siehe Anlagen 2, 3 und 4
Zu beantworten sind Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr. Wir beginnen mit der Frage 37 des Herrn Abgeordneten Weigl:
Trifft es zu, daß die in Frage 36 genannten Mehrkosten dem bayerischen Kontingent aus dem erhöhten Mineralölsteueraufkommen entnommen werden sollen, also unter Benachteiligung aller anderen Gebiete Bayerns?
Bitte, Herr Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr!
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr: Herr Kollege, das trifft nicht zu. Die Zuweisung von Mitteln aus dem erhöhten Mineralölsteueraufkommen für Großprojekte des öffentlichen Personennahverkehrs, also auch für das Münchener U-Bahnprojekt, erfolgt nicht nach Länderkontingenten.
Eine Zusatzfrage, Herr Weigl.
Herr Staatssekretär, ganz nehme ich Ihnen diese Antwort nicht ab. Trifft es zu, daß die Länder die Mittel aus dem erhöhten Mineralölsteueraufkommen nach der Zahl der zugelassenen Kraftfahrzeuge zugewiesen erhalten, so daß man also doch im weitesten Sinne von Länderkontingenten sprechen kann?
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr: Nein; ich nehme an, daß hier eine Verwechslung vorliegt. Es geht darum, daß 60 % der Mittel für den Gemeindestraßenbau u. a. nach den Kriterien, von denen Sie gesprochen haben - Zahl der Kraftfahrzeuge -, ausgegeben werden, daß aber 40 % des Gesamtkontingents für den öffentlichen Personennahverkehr nach anderen Kriterien ausgegeben werden.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Weigl.
Herr Staatssekretär, würden .Sie mir vielleicht - wenn es hier nicht möglich ist, dann schriftlich - Zahlen darüber geben, in welcher Höhe Bayern Mittel aus dem erhöhten Mineralölsteueraufkommen erhalten hat, unid zugleich ausweisen, welcher Betrag davon auf München entfallen ist?
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr: Dazu bin ich gern bereit. Ich bitte aber um Verständnis, daß ich das schriftlich machen muß.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ich .darf mich bei meiner Zusatzfrage auf den Passus „unter Benachteiligung aller anderen Gebiete Bayerns" beziehen. Herr Staatssekretär, vertritt die Bundesregierung mit mir den Standpunkt, daß Mün6942
chen bei voller Wahrung der berechtigten Interessen anderer Gebiete Bayerns weit über Bayern hinaus ein 'besonderer Rang im Hinblick auf die Olympiade zukommt und ,daß es in unser aller und des ganzen Volkes Interesse liegt, diesem Rang gerecht zu werden?
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr: Natürlich, diese Meinung teilt die Bundesregierung.
Eine weitere Zusatzfrage, Abgeordneter Geisenhofer.
Herr Staatssekretär, wird die Bundesregierung in Anbetracht möglicher weiterer Mehrkosten zusätzliche private Förderungsmaßnahmen zur Entlastung des Steuerzahlers bei der Finanzierung der Olympia-Vorhaben begrüßen?
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr: Ich würde das so formulieren, Herr Kollege: Diese Frage steht nicht unbedingt in engem Zusammenhang mit der vorhergehenden; aber grundsätzlich sind der Möglichkeit der privaten Initiative im Zusammenhang mit der Förderung der Olympiade keine Grenzen gesetzt.
Wir kommen zur Frage 94 des Herrn Abgeordneten Weigl:
Welche Überprüfungsmaßnahmen hat die Bundesregierung eingeleitet, um Projekte und Planungen Münchens, die mit Hilfe des Bundes erstellt werden, endlich auf ein verantwortungsvolles Maß zu begrenzen?
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr: Herr Kollege, soweit es sich bei den der Frage zugrunde liegenden Projekten um Verkehrsbaumaßnahmen der Stadt München handelt, setzt die Bewilligung eines Zuschusses aus dem erhöhten Mineralölsteueraufkommen die Überprüfung der geplanten Maßnahme gemäß § 3 der Richtlinien in technischer und wirtschaftlicher Hinsicht voraus. Auf dieser Grundlage erfolgt zunächst die Genehmigung gemäß § 11 der Richtlinien durch die oberste Baubehörde des Landes Bayern, in diesem Zusammenhang also das Bayerische Staatsministerium der Finanzen im Einvernehmen mit dem Bayerischen Staatsministeriums für Wirtschaft und Verkehr. Als Voraussetzung für die Bewilligung bedarf es dann der Zustimmung des Bundesministers für Verkehr, der im Zusammenwirken mit dem Bundesminister der Finanzen darauf zu achten hat, daß die Genehmigung durch die oberste Baubehörde dem Gebot der Wirtschaftlichkeit der Maßnahme entspricht.
Soweit die Frage sich auf die Baumaßnahmen bezieht, die im unmittelbarem Zusammenhang mit der Ausrichtung der Olympischen Spiele stehen, möchte ich in Übereinstimmung mit den Bundesministern des Innern und der Finanzen folgendes ausführen:
Alle Maßnahmen werden auf der Grundlage eines Konsortialvertrages vorbereitet und durchgeführt, der zwischen dem Bund, dem Freistaat Bayern und
der Stadt München abgeschlossen wurde. Die Organe einer besonderen Olympia-Baugesellschaft fühlen sich der hohen Bedeutung der Spiele, aber auch dem Gebot größtmöglicher Wirtschaftlichkeit verpflichtet.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Weigl.
Da zur Zeit ja mehrere Verkehrsprojekte der Stadt München mit Hilfe dies Bundes erstellt werden, darf ich mir die Zusatzfrage erlauben, ob Sie mir sagen können, bei welchen dieser Projekte bis heute Kostenüberschreitungen festzustellen sind.
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr: Herr Kollege, soweit uns bekannt ist - ich darf daran erinnern, daß ich dazu gestern schon einiges ausgeführt habe -, ist bei der Olympia-Stichlinie, diesem einen U-BahnProjekt, damit zu rechnen, daß sich gegenüber den Schätzungen aus diem Jahre 1965 Mehrbelastungen ergeben können, die einmal durch die Erhöhung der Baupreise seit der Schätzung, zum anderen aber auch durch die Einrechnung der Umstellung auf das Mehrwertsteuersystem und durch größeren Wasserandrang, den ich gestern schon m einem anderen Zusammenhang erwähnte, bedingt sind. Mir ist mitgeteilt worden, daß mögliche Projektverbesserungen, die mit dem technischen Auslastungsgrad dieser Linie zusammenhängen, erst noch diskutiert werden müssen. Das heißt, es steht noch in der Entscheidung der zuständigen Gremien, ob man diese Kosten in Kauf nehmen oder aber die Linie so bauen will, daß sie dem bisher vorausgesetzten Auslastungsgrad entspricht. Das ist aber, wie gesagt, eine Entscheidung, die den Gremien obliegt, die dafür in München verantwortlich sind.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Weigl.
Herr Staatssekretär, können Sie mir verbindlich sagen, daß die z. B. im nächsten Jahr vorgesehene Einstellung des Ausbaus der Schnellstraße B 15 und anderer Maßnahmen im bayerischen Grenzland auf keinen Fall darauf zurückzuführen ist, daß alle nur verfügbaren Mittel jetzt in den Verkehrsausbau von München gesteckt werden müssen?
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr: Auf Grund der uns vorliegenden Informationen kann ich sagen, daß das nicht in engem Zusammenhang mit den Fragen steht, die hier eben genannt wurden.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Geisenhofer.
Herr Staatssekretär, hat die Bundesregierung Anlaß, zu bezweifeln, daß die Regierung von Oberbayern als DienstaufsichtsGeisenhofer
Behörde für die Stadt München die ordnungsgemäße Prüfung der Beanstandungen vornehmen wird und daß auf parlamentarischer Ebene die CSU in München ihre Kontrollfunktion im Interesse des Steuerzahlers wahrzunehmen entschlossen ist?
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr: Herr Kollege, ich möchte es so formulieren: wir haben keinen Grund, an der Bereitschaft und dem pflichtgemäßen Tun der bayerischen Behörden zu zweifeln. Im Gegenteil, ich habe gestern schon betont, die Zusammenarbeit ist hervorragend, und ich würde jetzt, nachdem Sie die Frage etwas erweitert haben, auch sagen, daß ich überzeugt bin, daß sich alle demokratischen Parteien in Bayern ihrer Kontrollfunktion voll bewußt sind.
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Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, sind Sie mit mir der Meinung, daß das Grundwasser, von dem Sie gesprochen haben und das ,die Ursache der Erhöhung der Kosten ist, ,auch schon vorher in München vorhanden war?
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr: Selbstverständlich nehme ich an, daß die örtlichen Behörden über das mögliche Auftreten von Grundwasser informiert waren. Nur, in welchen Mengen es auftritt, weiß man immer erst dann, wenn mit dem Ausheben der Baugrube angefangen worden ist. Ich muß also sagen: hier gibt es Grenzen der wissenschaftlichen Erkenntnis, ,die man den Architekten zuguterechnen muß.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Gleissner.
Herr Staatssekretär, welche Möglichkeiten hat .die Bundesregierung in Fällen wie in diesem Falle München, technisch überzogene, überspannte und finanziell kaum verantwortbare Planungen rechtzeitig überprüfen zu lassen und den Steuerzahler auch auf anderen Gebieten, die auf Bundiesmittel angewiesen sind, vor unzumutbaren Belastungen zu bewahren?
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr: Herr Kollege, ich möchte dazu sagen, daß der Gesichtspunkt der Wirtschaftlichkeit bei allen Projekten, die hier genannt wurden, sowohl von ,den bayerischen Behörden als auch von den entsprechenden Behörden des Bundes mit aller Schärfe geprüft worden ist und daß kein Anlaß besteht, hier an dieser Prüfung zu zweifeln.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Genscher.
Herr Staatssekretär, sind Sie angesichts der Spezialität und Spezialisierung der Einzelfragen, die gerade zu Ihrem Geschäftsbereich permanent gestellt werden, mit mir der Meinung, daß wir schleunigst einmal die Richtlinien für die Fragestunde überprüfen sollten?
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr: Herr Kollege, ich habe bereits gestern betont, daß es mir nicht zusteht, an irgendeiner Fragestellung des Hohen Hauses Wertungen anzubringen. Ich darf mich darauf beziehen.
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Keine weiteren Zusatzfragen. Frage 38 des Herrn Abgeordneten Fritsch ({0}) :
Welches ist der gegenwärtige Stand der Planung der Bundesautobahn Regensburg-Passau?
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr: Herr Kollege, für die geplante Bundesautobahn Regensburg-Passau wird in Kürze das Verfahren nach § 16 des Bundesfernstraßengesetzes durchgeführt. Dabei wird im Einvernehmen mit den an der Raumordnung beteiligten Bundesministern und im Benehmen mit der Landesplanungsbehörde des Landes Bayern die Linienführung der Autobahn festgelegt. Im Anschluß daran kann die bayerische Straßenbauverwaltung den RE-Entwurf aufstellen.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, wird bei diesem Verfahren berücksichtigt, daß nunmehr - mindestens nach Pressemeldungen - die Anschlußmöglichkeit nach Osterreich durch österreichische Stellen festgelegt sein soll, ein Punkt, der nicht unerhebliche Schwierigkeiten bei der bisherigen Planung der Autobahn Regensburg-Passau verursacht hat?
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr: Wir sind über eine solche Entwicklung sehr glücklich, Herr Kollege.
Zweite Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, gestatten Sie die Frage, ob der gegenwärtige Stand der Planung der Autobahn Regensburg-Passau die termingemäße Inangriffnahme des Bauvorhabens gewährleistet, das heißt also, ob die Vorarbeiten so weit vorangetrieben werden können, daß im Anschluß an die Fertigstellung der Autobahn Nürnberg-Regensburg unverzüglich der Bau von Regensburg bis Passau fortgesetzt werden kann, mit der Überlegung, ob nicht ein partieller Ausbau der Bundesautobahn mindestens in den Bereichen, die verkehrswichtig sind, vorweggenommen werden könnte.
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr: Herr Kollege, wir haben die feste Absicht, die Planungen so zu beschleunigen, daß hier ein reibungsloser Übergang der Baumaßnahmen in dem Bereich von Ostbayern, von dem Sie sprechen, erfolgen kann. Ich darf aber darauf hinweisen, daß bei der Schwierigkeit der Fragen, die hier anstehen, die Planer die nötige Zeit haben müssen; denn eine gute Planung verkürzt die reine Bauzeit. Ich möchte mich heute nur insoweit festlegen: Wir hoffen zuversichtlich, daß mit dem Bau nach 1971 an mehreren Stellen begonnen werden kann. Alles, was vorher getan werden muß, ist eine vernünftige Planung, die die Gesichtspunkte der Raumordnung mit beinhaltet. Davon, inwieweit diese Planung und der Grunderwerb durchgeführt werden können, wird es abhängen, ob die von mir genannten Ziele eingehalten werden können.
Frage 39 des Abgeordneten Josten:
Wie steht es mit der Fertigstellung der Bundesstraße 416 zwischen Lehmen und Winningen an der Mosel?
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr: Herr Kollege, die B 416 ist zwischen Koblenz und Treis ({0}) bis auf den kurzen Restabschnitt zwischen Lehmen und Gondorf in den letzten Jahren ausgebaut worden. Zwischen Lehmen und Gondorf ist mit den Erdarbeiten und Brückenbauarbeiten begonnen worden. Wegen der Schwierigkeiten im Bereich des Wasserschlosses bei Gondorf, das von der Baumaßnahme unmittelbar beeinträchtigt wird, haben sich die Bauarbeiten verzögert. Inzwischen sind die Pläne für die bauliche Änderung des Wasserschlosses fertiggestellt, so daß auch mit diesen Arbeiten begonnen werden wird. Hierfür ist voraussichtlich eine Bauzeit von zirka drei Jahren notwendig, so daß mit der Fertigstellung des Abschnittes zwischen Lehmen und Gondorf 1970 gerechnet werden kann.
Keine Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 40 des Herrn Abgeordneten Dr. Freiherr von Vittinghoff-Schell auf:
Welche Investitionsvorhaben hat die Bundesregierung auf Grund der Entscheidung des Ministerrates der EWG vom 28. Februar 1966 angemeldet, weil sie von gemeinschaftlichem Interesse für die EWG sind?
Herr Dr. Dichgans übernimmt die Frage.
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr: Herr Kollege, gemäß Art. 1 der Entscheidung des Rates der Europäischen Gemeinschaften vom 28. Februar 1966 hat die Bundesregierung der Kommission bisher folgende Investitionsvorhaben von gemeinschaftlichem Interesse für die EWG mitgeteilt: 1. Autobahn Saarbrücken/ Ost nach Metz, 2. Nordumgehung Aachen in Richtung holländische Grenze, 3. Autobahn Karlsruhe nach Saarlouis in Verbindung mit dem Ausbau der Bundesstraße 406 Saarbrücken-Remig, 4. Bundesautobahn Montabaur-Koblenz-Trier in Richtung luxemburgische Grenze, 5. Bundesstraße 207 Lübeck-Fehmarn als Teilstück der sogenannten Vogelfluglinie, 6. Bundesautobahn A 15, Teilstrecke Nürnberg-Regensburg in Verbindung mit dem Ausbau der Bundesstraße 8 Regensburg-Passau.
Das erstgenannte Projekt ist in Verbindung mit dem französischen Vorhaben einer Anschlußstrecke nach Metz bereits in der Konsultationssitzung vom 14. April 1967 beraten worden. Die übrigen, unter Nrn. 2 bis 5 genannten Projekte werden Gegenstand der nächsten Konsultationssitzung sein, deren Datum allerdings noch nicht feststeht.
Zusatzfrage!
Herr Staatssekretär, halten Sie die Intensität auf dem Gebiete der europäischen Zusammenarbeit in der Verkehrsplanung für ausreichend?
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr: Herr Kollege, das ist eine sehr umfassende Frage. Ich darf Ihnen sagen, daß insbesondere das Gespräch mit unserem französischen Nachbarn sehr intensiv ist. Gerade gestern und heute hatten wir die Freunde, Herrn Minister Chamant hier in Bonn zu begrüßen. Im Rahmen dieser Gespräche sind natürlich auch die Fragen des Straßenverkehrs zwischen beiden Ländern erörtert worden. Natürlich wäre es wünschenswert - das wird angestrebt -, alle diese Vorhaben mit unseren westeuropäischen Nachbarn noch mehr zu intensivieren.
Ich rufe die Frage 41 des Herrn Abgeordneten Dichgans auf:
Will die Bundesregierung weiterhin tatenlos zusehen, daß die Bundesstraße 9 in Richtung nach Süden im Bereich ,der Stadt Bad Godesberg in ein Dschungel mündet?
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr: Herr Kollege, für die Ortsdurchfahrt Bad Godesberg im Zuge der B 9 ist vorgesehen, als Sofortmaßnahme den bestehenden Straßenzug auszubauen und anschließend den zur endgültigen verkehrlichen Neuordnung erforderlichen Verkehrsraum durch einen zusätzlichen plankreuzungsfreien vierspurigen Straßenzug entsprechend der großräumigen Konzeption zu schaffen.
Für diese im Einvernehmen zwischen dem Bund, dem Land Nordrhein-Westfalen als Auftragsverwaltung und der Stadt Bad Godesberg erarbeitete Grundsatzlösung ist die haushaltsmäßige Voraussetzung bzw. die entsprechende Vorsorge im laufenden Vierjahresplan bereits geschaffen worden.
Zur Zeit laufen die Bauarbeiten für die neue Unterführung unter der Bundesbahn südlich der Wurzerstraße. Hieran anschließend wird der Abschnitt zwischen der Germanenstraße und dem sogenannten Ännchen vierspurig verbreitert.
Hieraus können Sie ersehen, daß die Bundesregierung keineswegs so untätig ist, wie es in Ihrer Fragestellung zum Ausdruck kam, wenn ich mir diese Bemerkung erlauben darf.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, können Sie schätzen, wann diese vierspurige Durchfahrt betriebsfähig sein wird?
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr: Herr Kollege Dr. Dichgans, ich möchte Ihnen dazu sagen: Der Bundesminister für Verkehr baut am liebsten Fernstraßen, und zwar dort, wo die Leute sich einig sind. Das Bemühen, hier sehr schnell zu einer modernen Verkehrslösung zu kommen, ist in engem Zusammenhang zu sehen mit der Bereitwilligkeit, Grundstücke abzutreten, auf liebgewordene Vorgärten zu verzichten und unseren Straßenbauern den Weg freizumachen. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie entsprechenden Einfluß auf kommunale Freunde geltend machen könnten, um diese Dinge zu fördern.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Schulze-Vorberg.
Herr Staatssekretär, glauben Sie nicht, daß der Ausbau dieser Bundesstraße durch Bad Godesberg durch die Entwicklung bereits überholt ist und daß zumindest Planung und Durchführung einer Umgehungs-B 9 um Bad Godesberg herum zusätzlich erforderlich sind?
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim
Bundesminister für Verkehr: Herr Kollege, alle diese Fragen stehen in engem Zusammenhang mit Überlegungen, die die kommunalpolitische Entwicklung im Großraum Bonn betreffen. Unsere Straßenbauvorhaben sind sehr abhängig vom Willen der Bürgerschaft im dem betroffenen Gebiet. Wir haben nicht die Absicht, irgend jemanden zu bevormunden, freuen uns aber immer, wenn moderne Straßenverkehrslösungen auch auf die Resonanz der kommunalen Stellen und der Bürgerschaft der betroffenen Gemeinden stoßen.
Zweite Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, machen es sich hier die Behörden nicht einfach, wenn sie auf den Willen der Bevölkerung abstellen, und glauben Sie nicht, daß es der eindeutige Wille der Bevölkerung ist, daß die unmöglichen Verkehrsverhältnisse im Raum Bad Godesberg durch eine zügige Umgehungsstraße gemildert werden?
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr: Ich möchte sagen, das liegt in der verantwortlichen Meinungsbildung von kommunalen Gremien, die sich dazu auch schon in der Vergangenheit geäußert haben. Ich freue mich über den Fortschritt, der in den letzten Jahren in der Abstimmung zwischen dem Bund, dem Land Nordrhein-Westfalen und den betroffenen Kommunen erzielt wurde.
Wir kommen nun zu der 'nächsten Frage,
({0})
- Meine Damen und Herren, erstens mache ich darauf aufmerksam, daß noch viele Fragen zu beantworten sind. Zweitens weise ich darauf hin, daß kein Rechtsanspruch darauf besteht, weitere Zusatzfragen zustellen. Wir wollen nach Möglichkeit durchkommen. Ich muß den Kollegen eine Priorität zuerkennen, die ihre Fragen rechtzeitig eingebracht haben. Ich bitte deshalb um Verständnis, Herr Kollege Frerichs. Mir fällt natürlich ein, daß Sie hier lokal besonders kompetent sind, aber ich bitte dennoch um Ihr Verständnis, damit wir mit dieser Fragestunde rund kommen.
Ich rufe die Fragen 42 und 43 des Herrn Abgeordneten Fellermaier auf :
Werden die Planungen zur Verlegung der Bundesstraße 10 bei Burlafingen und Nersingen so rechtzeitig abgeschlossen sein, daß 1968 mit dieser Baumaßnahme begonnen werden kann?
Ist bei der in Frage 42 erwähnten Planung vorgesehen, daß die neutrassierte Bundesstraße 10 bereits vor der Gemeinde Pfuhl wieder in die alte B 10 eingeführt wird, oder soll die B 10 südlich von Pfuhl mit einem künftigen Anschluß an die geplante Südumgehung im Raume des Stadtkreises Neu-Ulm vorbeigeführt werden?
Der Fragesteller hat sich mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt. Die Antwort des Bundesministers Leber vom 15. November 1967 lautet:
Die Planungen der bayerischen Straßenbauverwaltung sehen zunächst die Beseitigung des höhengleichen Bahnüberganges bei Burlafingen vor. Das geplante Überfuhrungsbauwerk für den Kfz.-Verkehr muß wegen der vorhandenen Bebauung vom jetzigen Bahnübergang abgerückt werden. Die Planungen werden Anfang des Jahres 1968 abgeschlossen sein. Ob jedoch die Verhandlungen mit der Gemeinde Burlafingen und der Bundesbahn sowie die Durchführung des Planfeststellungsverfahrens und des Grunderwerbs so zeitgerecht zu einem Ergebnis führen, daß noch 1968 mit dem Bau begonnen werden kann, läßt sich noch nicht übersehen.
Die Führung der Südumgehung von Neu-Ulm steht in keinem unmittelbaren Zusammenhang mehr mit der Beseitigung des Bahnüberganges Burlafingen. Die Gestaltung des überörtlichen Straßennetzes östlich von Neu-Ulm liegt noch nicht fest. Es besteht die Möglichkeit, die alte und die neue Bundesstraße 10 entweder zwischen Pfuhl und Burlafingen oder zwischen Neu-Ulm und Burlafingen zu verbinden.
Wir kommen zu der Frage 44 des Abgeordneten Dr. Jahn ({1}). - Er ist nicht im Saal. Die Frage wird schriftlich beantwortet.
Ich rufe die Frage 45 Ides Abgeordneten Opitz auf:
Wann gedenkt die Bundesregierung den auf Grund des Bundestagsbeschlusses vom 12. Mai 1965 gewünschten „Bericht über das Prüfungsergebnis der Frage der Aufnahme der Kosten der durch den Straßenbau verursachten Veränderungen von Versorgungsanlagen wie auch von Anlagen des öffentlichen Nahverkehrs in die zuschußfähigen Baukosten" vorzulegen?
Die Frage wird von Herrn Abgeordneten Genscher übernommen. Bitte, Herr Staatssekretär!
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr: Die Bundesregierung hat entsprechend dem Wunsch des Hohen Hauses durch Schreiben des Bundesministers für Verkehr vom 21. Juli 1965 - Bundestagsdrucksache IV/3773 - berichtet, daß die „Vorläufigen Richtlinien für die Gewährung von Bundeszuwendungen zu Straßenbaumaßnahmen von Gemeinden und Gemeindeverbänden" entsprechend den Empfehlungen des Deutschen Bundestages in seinem Beschluß vom 12. Mai
Parlamentarischer Staatssekretär Börner
1965 - Bundestagsdrucksache IV/3300 - geändert worden sind. Die Zuschußmöglichkeiten für den kommunalen Straßenbau sind dadurch erweitert worden.
Der Deutsche Bundestag hatte bei seinen damaligen Beratungen die Einbeziehung der Vorsorgungsanlagen und Anlagen des öffentlichen Personennahverkehrs in die zuschußfähigen Kosten abgelehnt.
Nach den neuen „Richtlinien für Bundeszuwendungen zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse in den Gemeinden", die dieses Jahr auf Grund der 660 Millionen DM aus dem Aufkommen der Mineralölsteuer mit den Ländern vereinbart wurden, können nunmehr auch Zuwendungen für die Verlegung von Verkehrswegen des öffentlichen Personennahverkehrs auf eigenen Bahnkörpern gewährt werden, weil die Mittel, die aus der Erhöhung der Mineralölsteuer nach dem Steueränderungsgesetz 1966 zur Verfügung stehen, besonders auch für die Verbesserung der Verkehrsverhältnisse des öffentlichen Personennahverkehrs bestimmt sind. Müssen aus Anlaß von Straßenbauarbeiten Anlagen des öffentlichen Personennahverkehrs in sonstiger Weise verlegt oder Versorgungsleitungen geändert werden, so sind diese Aufwendungen nur dann zuschußfähig, wenn der Träger der Straßenbaulast rechtlich verpflichtet ist, sie zu tragen. Besteht dagegen für die Unternehmen des öffentlichen Personennahverkehrs und der Versorgungswirtschaft die sogenannte Folgepflicht, so sind die Aufwendungen nicht zuschußfähig.
Keine Zusatzfrage.
({0})
- Sie müssen nicht Zusatzfragen stellen, Herr Genscher.
({1})
- Leider haben Sie ein Recht - im Unterschied zu den anderen, die nicht die betreffende Frage gestellt oder übernommen haben.
Herr Staatssekretär, ich wollte auf die Frage zurückkommen: Wann wird die Bundesregierung den Bericht vorlegen?
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr: Ich habe Ihnen ja angedeutet, daß hier schon eine Änderung insofern erfolgt ist, als die Richtlinien in diesem Jahr praktisch die Berichterstattung zu einem Teil erfüllten. Aber ich bin gern bereift, den weiteren Fragestellungen des Herrn Kollegen Opitz durch eine persönliche Unterhaltung Raum zu geben, wenn er hier zur Verfügung steht. Ich darf bemerken, daß mit den Ländern vereinbart wurde, die jetzige Rechtslage, die ja auf langen und schwierigen Absprachen mit den Ländern beruht, könne erst Ende nächsten Jahres wieder neu diskutiert werden.
Eine weitere Zusatzfrage.
Würden Sie mit mir übereinstimmen, daß eine persönliche Unterhaltung dem Kollegen Opitz ebensowenig wie mir einen Bericht der Bundesregierung ersetzen kann?
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr: Ich bin gerne bereit, das zuzugeben. Ich habe aber den Eindruck gehabt, aus meiner soeben gegebenen Antwort sei deutlich geworden, daß wir in der Sache ein Stück weitergekommen sind. Sie kennen ja die Vorgeschichte dieser Richtlinien, die nicht ganz leicht war. Wir hoffen, daß das jetzt getroffene Agreement zwischen den Ländern und dem Bund über die Verwendung dieser Mittel bis Ende nächsten Jahres doch die Möglichkeit gibt, im Sinne der Entschließungen des Deutschen Bundestages sehr viel Vernünftiges für die Verbesserung der Verkehrsverhältnisse in den Gemeinden zu tun.
Die Fragen des Herrn Abgeordneten Dr. Lenz ({0}) :
Sind der Bundesregierung die Gefahren bekannt, die den Benutzern und Anliegern der Bundesstraßen 44 und 47 im Bereich der Ortsdurchfahrt Bürstadt infolge des großen Durchgangsverkehrs drohen?
Ist die Bundesregierung bereit, der in Frage 46 geschilderten Gefahrenlage dadurch abzuhelfen, daß sie den Bau von Umgehungsstraßen in den dritten Vierjahresplan für Straßenbau aufnimmt?
Ist die Bundesregierung bereit, dem Antrag der Stadt Bürstadt zu entsprechen, mit der Durchführung der Baumaßnahmen im Jahre 1968 zu beginnen?
werden im Einvernehmen mit den Fragestellern schriftlich beantwortet.
Die Antwort des Bundesministers Leber vom 15. November 1967 lautet:
Die Verkehrsverhältnisse in den stark befahrenen Ortsdurchfahrten in Bürstadt sind der Bundesregierung bekannt. Sie ist daher bestrebt, Ortsumgehungen zu bauen.
Die Umgehungsstraße Bürstadt im Zuge der B 44/47 ist im 3. Vierjahresplan ({1}) für den Ausbau der Bundesfernstraßen ab 1970 eingeplant. Das Bauvorhaben kann 1968 noch nicht begonnen werden, da die Bauvorbereitungsarbeiten noch nicht abgeschlossen sind. Ob dies 1969 möglich sein wird, läßt sich z. Z. nicht übersehen. Eine Vorziehung der Umgehungsstraße Bürstadt dürfte nur unter Zurückstellung eines anderen Bauvorhabens möglich sein.
Ich rufe die Frage 120 des Herrn Abgeordneten Schmidt ({2}) aus dem Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramtes auf:
Welche Ideen und Reformpläne glaubt die Bundesregierung durch den für 1968 vorgesehenen Einsatz eines sechsköpfigen Beraterstabes beim Bundeskanzleramt und die dafür vorgesehenen 1,2 Millionen DM zusätzlichen Etatmittel zu erhalten?
Die Frage wird durch Herrn Abgeordneten Genscher übernommen. Zur Beantwortung!
Freiherr von und zu Guttenberg, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundeskanzler: Ich darf die Frage wie folgt beantworten. Die Bundesregierung hat für das Jahr 1968 einen Betrag von rund 1,2 Millionen DM angefordert, der für die Inanspruchnahme von Sachverständigen für den Planungsstab im Bundeskanzleramt zur Verfügung stehen soll. Hierbei handelt es sich jedoch nicht nur - wie Kollege Schmidt als Fragesteller zu vermuten scheint - um die Kosten für die Beschäftigung von sechs festen Mitarbeitern, sondern weit darüber hinaus auch um die Kosten für die
Parlamentarischer Staatssekretär Freiherr von und zu Guttenberg
Tätigkeit eines wissenschaftlichen Sachverständigengremiums und für die Erstellung von ad hoc anfallenden Gutachten und Forschungsaufträgen.
Um auf die Frage nach Ziel und Aufgaben des Planungsstabs eine klare Auskunft zu geben, darf ich noch folgendes ausführen. Der Planungsstab im Bundeskanzleramt wurde in der ersten Hälfte dieses Jahres ins Leben gerufen. Seine Zusammensetzung und seine Zielsetzung gehen zurück auf ein Gutachten, das der Präsident des Bundesrechnungshofs und Bundesbeauftragte für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung am 22. November 1966 dem damaligen Bundeskanzler unterbreitet hat. Demnach ist der Planungsstab ein Instrument ohne Entscheidungsbefugnis. Er hat u. a. die Aufgabe, Problembereiche, die für die Gestaltung unserer politischen, wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und technologischen Zukunft von Bedeutung sind, zu analysieren, Empfehlungen für eine mögliche künftige Gestaltung auszuarbeiten und auf diese Weise die politischen Entscheidungen des Regierungschefs vorzubereiten.
Auf all diesen Gebieten wurde die Arbeit aufgenommen. Der Schwerpunkt liegt jetzt und für die nächste Zeit auf der Prüfung deutscher Aktionsmöglichkeiten im Rahmen einer europäischen Friedensordnung. Im Bereich der inneren Politik stehen angesichts der stürmisch fortschreitenden Entwicklungen auf allen Gebieten Struktur-, Ordnungs- und Bildungsfragen im Vordergrund.
Ich bitte um Verständnis dafür, daß ich die Arbeit des Planungsstabes thematisch nicht im einzelnen ausbreiten kann. Politische Planung ist Stabsarbeit, die sich ihrem Wesen nach nicht vor der Öffentlichkeit vollzieht.
Zusatzfrage!
Herr Staatssekretär, können Sie dem Hohen Hause verraten, in welchen Einzelpunkten die Arbeit des Planungsstabes die Politik der Bundesregierung schon günstig beeinflußt hat?
Freiherr von und zu Guttenberg, Parlamentarischer Staatssekeretär beim Bundeskanzler: Ich darf darauf hinweisen, Herr Kollege Genscher, daß ich soeben gesagt habe, politische Planungsarbeit sei Stabsarbeit, die sich ihrem Wesen nach nicht vor der Öffentlichkeit vollziehe. Wenn sich also hier Beamte des Kanzleramtes Lorbeeren um ihre Stirn winden könnten, dann sollten sie es nicht vor der Öffentlichkeit tun.
Zweite Zusatzfrage!
Herr Staatssekretär, könnten Sie uns ganz generell sagen, ob Sie schon positive Ergebnisse des Planungsstabes zu verzeichnen haben?
Freiherr von und zu Guttenberg, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundeskanzler: Ich glaube, daß ich hier die Erfahrung bekanntgeben darf, daß der Planungsstab in der Tat, insbesondere hinsichtlich längerfristiger Planungen, bereits in der Lage war, dem Bundeskanzler erstklassige Gutachten vorzulegen.
({0})
Meine Damen und Herren, ich rufe die restlichen Fragen aus dem Geschäftsbereich Ides Bundesministers für Verkehr auf. Die Frage 125 des Herrn Abgeordneten Dr. Hofmann ({0}) ist zurückgezogen.
Frage 126 der Abgeordneten Frau Freyh:
Treffen Pressemeldungen zu, daß die Bundesregierung für den Frankfurter Flughafen Rhein-Main eine Steigerung des Verkehrsaufkommens erwartet, die die bisher dem weiteren Ausbau zugrunde gelegten Planungen übersteigt und deshalb eine stärkere Auffächerung des Lang streckenverkehrs auf andere deutsche Flughäfen erforderlich machen soll?
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr: Frau Kollegin, die Frage wird mit Nein beantwortet. Die mir bekannten Planungen 'berücksichtigen die vorausschaubare Kapazitätsentwicklung. Soweit die Bundesregierung in ihrem Verkehrspolitischen Programm die Beteiligung des Bundes an mehreren dem Langstreckenverkehr dienenden Flughäfen vorsieht, wird dadurch den strukturellen Verhältnissen der verschiedenen Teile der !Bundesrepublik Rechnung getragen.
Darf ich Sie fragen, Herr Staatssekretär, ob die Bundesregierung im Rahmen ihrer Möglichkeiten dafür eintreten wird, daß für den Flughafen Frankfurt zunächst und soschnell wie möglich leine Kapazitätsauslastung ermöglicht wind.
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr: „Kapazitätsauslastung" darf ich doch wohl so verstehen, daß Sie das Fluggast- und Frachtaufkommen meinen. Nach unseren Erfahrungen vollzieht sich diese Entwicklung durch die Zunahme des internationalen Luftverkehrs schneller, als die Bodenorganisation damit fertigwerden kann. Das ist gerade der Grund, weshalb die Abfertigungsanlagen in sehr schnellem Tempo den Bedürfnissen des nächsten, des übernächsten und der darauf folgenden Jahre angepaßt werden müssen.
Eine zweite Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, wieweit sind die in der Frankfurter Tagespresse aufgetauchten Erörterungen zutreffend, die im Zusammenhang mit einer Meinungsäußerung angestellt wurden, die Ihnen dort zugeschrieben wird, die Anlaß zu meiner Frage waren und die sich auf einen zweiten Flughafen für Frankfurt bezogen, den die Bundesregierung für andere deutsche Städte vorgesehen habe?
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr: Frau Kollegin, hier
Parlamentarischer Staatssekretär Börner
handelt es sich um eine Fehlinterpretation eines Teils eines Referates, das ich vor einem Kreis von flugsachverständigen Herren gehalten habe. Sie wissen, daß im Verkehrspolitischen Programm der Bundesregierung mehrere Flughäfen aus der Sicht der allgemeinen Verkehrspolitik der Bundesrepublik Deutschland in den Katalog der zu fördernden Flughäfen aufgenommen wurden bzw. in ihm verbliebensind. Wir haben ,die Absicht, nach Maßgabe der Mittel, die das Hohe Haus zur Verfügung stellen kann, und entsprechend den Notwendigkeiten der technischen Entwicklung den im Verkehrspolitischen Programm genannten Flughäfen im Rahmen unserer Beteiligung an den entsprechenden Flughafengesellschaften (das zukommen zu lassen, was sie bedürfen.
Die Fragen 127 und 128 des Herrn Abgeordneten Dr. Tamblé:
Teilt die Bundesregierung die Auffassung des ADAC, daß es der Verkehrssicherheit und dem Verkehrsfluß dienlich wäre, wenn für alle vierspurigen Umleitungen an längeren Autobahnbaustellen eine einheitliche Geschwindigkeitsbegrenzung auf 80 km/h eingeführt würde?
Ist der Bundesregierung bekannt, daß im Lande Nordrhein-Westfalen mit der Sonderregelung, die 80 km/h an entsprechend ausgebauten Umleitungen vorsieht, gute Erfahrungen gemacht wurden?
können im Einvernehmen mit dem Fragesteller schriftlich beantwortet werden. Die Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Börner vom 17. November 1967 lautet:
Die Bundesregierung teilt die Ansicht des ADAC nicht. Aus Gründen der Verkehrssicherheit ist es nicht vertretbar, an allen Autobahnstellen die Geschwindigkeitsbegrenzung von 60 km/h auf 80 km/h anzuheben. Nach der Straßenverkehrs-Ordnung ist aber die Anordnung von Geschwindigkeitsbegrenzungen eine Angelegenheit der Straßenverkehrsbehörden der Länder. Diese können daher in Einzelfällen eine höhere Geschwindigkeit als 60 km/h zulassen, wenn sie diese Maßnahmen nach gewissenhafter Prüfung aller Umstande für erforderlich halten. An einigen wenigen Baustellen im Bereich des Landes Hessen ist dies versuchsweise bereits geschehen. Dagegen ist nach Auskunft der für den Straßenverkehr zuständigen obersten Landesbehörde von Nordrhein-Westfalen bisher an keiner Autobahnbaustelle des Landes eine Geschwindigkeit von 80 km/h zugelassen.
Damit sind die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr erledigt.
Wir kommen zurück zum Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung. Die Frage 9 des Abgeordneten Schwabe ist zurückgezogen. Ich rufe die Frage 10 des Abgeordneten Peiter auf:
Ist der Bundesverteidigungsminister bereit, die Möglichkeiten zu prüfen, wie künftig Tiefflüge von Düsenflugzeugen über den deutschen Heilbädern im Interesse der dort Erholung und Genesung Suchenden unterbleiben können?
Der Fragesteller hat sich mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt. Die Antwort liegt noch nicht vor. Sie wird nach Eingang im Sitzungsbericht abgedruckt.
Ich rufe die Frage 11 des Abgeordneten Schultz ({0}) auf:
Welche Sicherheitsmaßnahmen hat die Bundesregierung ergriffen, um sicherzustellen, daß sich ein Vorfall, wie der auf dem Flugplatz Neuburg ({1}), wo ein Flugkörper vom Typ Sidewinder gestohlen wurde, nicht wiederholt?
- Die Frage wird übernommen.
Darf ich die beiden Fragen des Herrn Abgeordneten Schultz zusammen beantworten?
Bitte sehr, Frage 12 des Abgeordneten Schultz ({0}) :
Hat das in Frage 11 erwähnte Verschwinden des Flugkörpers in Neuburg bereits disziplinare Folgen für die Verantwortlichen gehabt?
Zur Vermeidung von Vorfällen der von Ihnen, Herr Abgeordneter, angesprochenen Art, ist für die gesamte Bundeswehr verstärkter Einsatz und vermehrte Kontrolle der Wachen, insbesondere bei Munitions- und Waffendepots, befohlen worden. Für den ,Bereich des Fliegerhorstes Neuburg wurden folgende zusätzliche Maßnahmen angeordnet: Neuordnung der Wachorganisation, Verstärkung des Zaunes, Verstärkung der mechanischen Sicherungen. Auf längere Sicht beabsichtigt das Bundesministerium der Verteidigung, in großem Umfange elektrische Sicherheitssysteme einzuführen, durch die die Sicherheit wesentlich erhöht und außerdem Personal eingespart werden kann.
Die Untersuchungen des konkreten Vorfalles, der in Ihrer Frage angesprochen worden ist, sind noch nicht abgeschlossen. Über zu treffende disziplinare oder disziplinarrechtliche Maßnahmen kann somit erst später etwas gesagt werden.
Keine Zusatzfrage.
Die Fragen des Herrn Abgeordneten Sander sind zurückgezogen, ebenso die Fragen des Herrn Abgeordneten Schmidt ({0}).
Wir kommen zu den Fragen 18 und 19 des Abgeordneten Dr. Enders. - Der Herr Abgeordnete ist nicht im Saal. Die Fragen werden schriftlich beantwortet.
Ich rufe die Frage 20 des Abgeordneten Schultz ({1}) auf:
Warum hat die Bundesregierung nicht - entsprechend einer Empfehlung des Verteidigungsausschusses - den Bericht des Ausschusses ({2}) über die Hintergründe des Rücktritts der Generäle Trettner und Panitzki an die Truppe bis zu den Bataillonen verteilt?
Die Frage wird von Herrn Abgeordneten Dr. Imle übernommen.
Der Deutsche Bundestag hat in seiner 116. Sitzung (am 28. Juni 1967 den Bericht des Verteidigungsausschusses über die Beratungen anläßlich der Rücktrittsgesuche des damaligen Generalinspekteurs, General Trettner, und des damaligen Inspekteurs der Luftwaffe, Generalleutnant Panitzki, zur Kenntnis genommen. Ein Antrag dies Verteidigungsausschusses an den Deutschen Bundestag, der Bundesregierung die Verteilung dieses Berichts innerhalb der Bundeswehr zu empfehlen, ist dem Deutschen Bundestag nicht vorgelegt worden. Auch der Verteidigungsausschuß hat einen solchen Antrag nicht verabschiedet. Es ist mir aber bekannt, daß im Verteidigungsausschuß von verschiedenen Seiten der Wunsch geäußert wurde, dem
Bundesministerium der Verteidigung die Verteilung des Berichts bis zur Ebene der Bataillonskommandeure nahezulegen.
Wie der Berichterstatter des Ausschusses aber in seinem mündlichen Bericht am 28. Juni 1967 hier .erklärte, ist über den eben zitierten Wunsch kein Beschluß gefaßt worden, weil man der Meinung war, - ich darf jetzt wörtlich zitieren -, „das könne man nicht tun, das würde praktisch nicht in die Geschäftsordnung hineinpassen".
Ich darf daher feststellen: weder in formeller noch in materieller Hinsicht liegt eine Empfehlung des Deutschen Bundestages oder eines seiner Organe vor. Ich habe gleichwohl den tim Verteidigungsausschuß geäußerten Wunsch nach Verteilung dieses Berichtes innerhalb der Bundeswehr eingehend geprüft und bin zu folgendem Ergebnisgekommen: Der Trettner/Panitzki-Bericht ist als Drucksache des Deutschen Bundestages jedermann zugänglich. Er kann von jedermann an Angehörige der Bundeswehr geschickt werden. Die deutsche Presse hat über diese Drucksache des Deutschen Bundestages ausführlich berichtet. Unter diesen Umständen bedarf es nicht noch einer amtlichen Verteilung von seiten des Bundesministeriums der Verteidigung.
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Familie und Jugend. Frage 49 der Abgeordneten Frau Frey ist zurückgezogen.
Die Fragen 50, 51 und 52
Welcher Pro-Kopf-Betrag an Kindergeld entfällt im statistischen Durchschnitt auf Arbeitnehmer in der Bundesrepublik, die deutscher, und solche, die anderer Nationalität sind?
Welche Höchstbeträge an Kindergeld werden in Einzelfällen gezahlt?
In welchem Umfang werden die gesetzlichen Bestimmungen über das Kindergeld mißbraucht?
des Abgeordneten Dr. Mommer werden schriftlich beantwortet. Die Antwort des Bundesministers Heck vom 15. November 1967 lautet:
Nach den Erhebungen, die die Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung für den Zahlungszeitraum Sept./Okt. 1967 angestellt hat, entfallen auf jeden Kindergeldberechtigten, der seinen Wohnsitz in der Bundesrepublik hat, durchschnittlich 99 DM an Kindergeld pro Monat und auf jeden Kindergeldberechtigten, der seinen Wohnsitz außerhalb der Bundesrepublik hat, durchschnittlich 109 DM an Kindergeld pro Monat. In der ersten Gruppe ({0}) sind nicht nur Arbeitnehmer, sondern auch selbständig tätige und nichterwerbstätige Kindergeldberechtigte erfaßt. Erhebungen, die in dieser Hinsicht unterscheiden, werden von der Bundesanstalt nicht angestellt. Bei der zweiten Gruppe ({1}) handelt es sich nur um ausländische Arbeitnehmer.
Von den ausländischen Kindergeldberechtigten erhielten im Zahlungszeitraum Sept./Okt. 1967 die
Italiener durchschnittlich 106 DM pro Monat
Griechen durchschnittlich 83 DM pro Monat
Spanier durchschnittlich 108 DM pro Monat
Türken durchschnittlich 118 DM pro Monat
Portugiesen durchschnittlich 121 DM pro Monat
Niederländer durchschnittlich 133 DM pro Monat
Im Zahlungszeitraum Sept./Okt. 1967 haben die ausländischen Arbeitnehmer im Höchstfalle folgenden Kindergeldanspruch gehabt:
Italiener 765,- DM pro Monat ({2}),
und zwar in 1 Fall,
Griechen 625,- DM pro Monat ({3}),
und zwar in 2 Fällen,
Spanier 695,- DM pro Monat ({4}),
und zwar in 3 Fällen,
Türken 835,- DM pro Monat ({5}),
und zwar in 1 Fall,
Portugiesen 695,- DM pro Monat ({6}),
und zwar in 1 Fall,
Niederländer 905,- DM pro Monat ({7}), und zwar in 1 Fall,
Franzosen 765,- DM pro Monat ({8}),
und zwar in 1 Fall,
Belgier 485,- DM pro Monat ({9}),
und zwar in 1 Fall.
Umfassende Erhebungen über den Mißbrauch der gesetzlichen Bestimmungen über das Kindergeld werden von der Bundesanstalt nicht angestellt. Ich kann daher nur Angaben darüber machen, in wieviel Fällen im Jahre 1966 die Bundesanstalt gegen ausländische Arbeitnehmer Strafanzeige wegen versuchten oder vollendeten Betruges, der bei der Beantragung oder beim Bezug von Kindergeld begangen worden ist, erstattet hat. Es handelt sich um 26 Strafanzeigen wegen versuchten und um 71 Strafanzeigen wegen vollendeten Betruges.
Die Frage 53 des Abgeordneten Freiherr von Gemmingen wird von Frau Funke übernommen:
Bis wann ist die Vorlage des Berichtes über die Lage der Familien in der Bundesrepublik zu erwarten?
Herr Abgeordneter, der Bericht über die Lage der Familien wird Mitte Dezember fertiggestellt und unmittelbar nach Neujahr dem Hohen Hause vorgelegt werden.
Frage 54 des Herrn Abgeordneten Kubitza wird vom Auswärtigen Amt beantwortet.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts. Frage 65 stellt Herr Abgeordneter Müller ({0})::
Hält die Bundesregierung an dem in der Drucksache V/2059 dargelegten Rechtsstandpunkt fest, daß alle willkürlich verschleppten Personen in die Bundesrepublik Deutschland zurückzuführen sind?
Bitte sehr, Herr Staatssekretär!
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister das Auswärtigen: Die Antwort auf die erste Frage des Kollegen Müller ({1}) lautet: Ja.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, wais hat die Bundesregierung außer der Forderung nach Abberufung der drei Diplomaten der Koreanischen Botschaft in der Zwischenzeit unternommen, um ihrem Rechtsstandpunkt in dieser Sache mehr Nachdruck zu verleihen?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Herr Kollege Müller, das Auswärtige Amt hat schon den früheren koreanischen Botschafter limmer wieder mit aller Deutlichkeit darauf hingewiesen, daß es auf der Erfüllung seiner Forderung nach Rückführung der betroffenen Koreaner besteht. In gleicher Weise hat unser Botschafter im Seoul diese Forderung bei den koreanischen Behörden geltend gemacht. Am 15. August forderte Herr Staatssekretär Lahr den koreanischen Botschafter, der sich vor seiner Rückkehr nach Korea verabschiedete, eindringlich auf, bei seiner Regierung .auf die Freilassung hinzuwir6950
Parlamentarischer Staatssekretär Jahn
ken. Er erklärte, daß es für das deutsch koreanische Verhältnis ernste Folgen haben werde, wenn dem nicht rasch und vollständig entsprochen werde.
Der Entsendung eines neuen koreanischen Botschafters hat die Bundesregierung nicht zuletzt deshalb so schnell zugestimmt, weil sie das Gespräch über die Freifassung nicht abreißen lassen wollte. Der neue koreanische Botschafter hat Herrn Staatssekretär Duckwitz am 7. November seinen Antrittsbesuch gemacht. Bereits bei dieser Gelegenheit überreichte der Staatssekretär dem Botschafter ein Aidememoire, in dem die Bundesregierung ,erneut die Rückstellung der betroffenen Koreaner fordert.
Frage 66 des Abgeordneten Müller ({0}) :
Hat die koreanische Regierung ihre Zusage, das Äußerste zu tun, um die Forderung der Bundesregierung zu erfüllen, den betroffenen Koreanern die Rückkehr zu ermöglichen", eingehalten?
Herr Staatssekretär, bitte!
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Die Antwort lautet: Nein. Die koreanische Regierung hat unseren Forderungen leider nur zum Teil entsprochen. Sie hat immerhin bisher sechs Personen gestattet, in die Bundesrepublik Deutschland zurückzukehren. Gegen die restlichen Personen wurde am 9. November ein Strafverfahren vor einem koreanischen Gericht eröffnet. Zur Beobachtung der Verhandlung hat die Bundesregierung den Strafrechtler Professor Grünwald von der Universität Bonn nach Seoul entsandt. Auch wenn die koreanische Regierung sich durch das anhängige Strafverfahren vor gewisse Schwierigkeiten gestellt sehen mag, unsere Forderungen unverzüglich zu erfüllen, halten wir unseren Standpunkt aufrecht.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, wird es möglich sein, der verbindlichen Zusage der Regierung der Republik Korea nachdrücklicher nachzuhelfen, die erklärt hat, daß man allen die Möglichkeit der Rückführung geben wolle, die dies ausdrücklich wünschten, also auch den zehn Koreanern, denen jetzt ein Verfahren in Korea bevorsteht?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Ich weiß nicht, auf welche Quelle Sie sich stützen, Herr Kollege. Eine solche dezidierte Erklärung ist mir nicht bekannt.
Eine weitere Zusatzfrage.
Darf ich hier feststellen, Herr Staatssekretär, daß in der Drucksache V/2059 die Regierung auf die Frage 2 geantwortet hat - ich zitiere wörtlich -:
Die koreanische Regierung hat daraufhin mitgeteilt, daß sie ihr Äußerstes tun werde, um
die Forderung der Bundesregierung zu erfüllen, den betroffenen Koreanern - sofern diese es wünschen - die Rückkehr zu ermöglichen.
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Diese Stellungnahme ist mir bekannt. Ich interpretiere sie nur ganz anders als Sie. Ich sehe darin keine verbindliche Zusage.
Die Fragen 67 und 68
Sind der Bundesregierung Berichte bekannt, daß deutsche Techniker während des nigerianischen Bürgerkrieges in der nigerianischen Munitionsproduktion in Kaduna eingesetzt waren?
Hält die Bundesregierung eine solche in Frage 67 erwähnte Tätigkeit in einem Spannungsgebiet für gefährlich für die Beziehungen der Bundesrepublik. zu afrikanischen Ländern?
des Abgeordneten Dr. Müller ({0}) werden im Einvernehmen mit dem Fragesteller schriftlich beantwortet. Die Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Jahn vom 15. November 1967 lautet:
Es ist der Bundesregierung bekannt, daß ein privates Maschinenbauunternehmen im Jahre 1963 auf kommerzieller Basis einen Vertrag mit der nigerianischen Zentralregierung über die Errichtung einer Fabrik und Dienstleistungen bei ihrem Betrieb abgeschlossen hat. Die Fabrik stellt Handwaffen nach einer ausländischen Lizenz und die dazu gehörende Munition her.
Die Bundesregierung glaubt nicht, daß deutsche Firmen durch die Einhaltung von Vertragsverpflichtungen gegenüber einer legalen Regierung die deutschen Beziehungen zu anderen afrikanischen Staaten gefährden.
Keine afrikanische Regierung hat die Rebellion in Nigeria gutgeheißen, keine afrikanische oder sonstige Regierung „Biafra" als Staat anerkannt.
Die Bundesregierung bedauert die gegenwärtige innerpolitische Auseinandersetzung in dem befreundeten Nigeria und erhofft ein baldiges Ende des Blutvergießens sowie eine den Interessen ganz Nigerias dienende Lösung des Konflikts.
Wir kommen zu Frage 69 des Abgeordneten Dr. Imle:
Wie beurteilt die Bundesregierung die Möglichkeit, in Verhandlung mit unseren NATO-Partnern Italien und den Niederlanden endlich die Freilassung der noch in diesen Ländern nicht begnadigten Kriegsverurteilten zu erreichen, nachdem die Vorgesetzten dieser Verurteilten seit vielen Jahren bereits entlassen sind?
Zur Beantwortung der Herr Staatssekretär.
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Die Bundesregierung bemüht sich seit Jahren um die Freilassung von Kappler in Italien und von Fischer, aus dier Fünten und Kotalla in den Niederlanden. Die öffentliche Meinung in diesen beiden Ländern hat Sich jedoch bisher der Freilassung dier Genannten widersetzt. Es kann gegenwärtig nicht damit gerechnet werden, daß sich die Regierungen von Italien und den Niederlanden zu einer Freilassung entschließen werden. Aus diesem Grunde sieht die Bundesregierung im Augenblick keine Chance, durch Verhandlungen mit den beiden Regierungen die Aussichten auf eine baldige Entlassung der vier zu verbessern.
Zusatzfrage!
Herr Staatssekretär, meinen Sie nicht, daß, wenn die Bundesregierung gegenüber den beiden Regierungen großen Wert darauf legte, daß diese Probleme endlich bereinigt werden, und entsprechende Vorstellungen erhoben würden, die Regierungen einem solchen Ersuchen nachkämen?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundessinister des Auswärtigen: Herr Kollege Imle, die tatsächlichen Erfahrungen geben leider keinen Anlaß, eine solche Erwartung auszusprechen. Über das, was ich hiergesagt habe, hinaus kann ich nur enklären, daß die Bundesregierung bei mehreren Gelegenheiten und in sehr verschiedenen Formen mit erheblichem Nachdruck und unter sehr eindeutigem Appell auch im Hinblick auf die Hintergründe des jeweils beiderseitigen Verhältnisses meines Erachtens getan hat, was bis zur Grenze dies dem jeweiligen Gesprächspartner zumutbaren möglich gewesen ist.
Dennoch gibt es auch in andern Ländern Umstände, die Entscheidungen in dem von Ihnen erwarteten Sinne nicht ganz einfach machen.
Zweite Zusatzfrage.
Würde die Bundesregierung demnächst vorzulegende Gnadengesuche in dem von mir eben vorgetragenen Sinne unterstützen?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Prinzipiell ja! Ich bitte nur um Verständnis dafür, wenn ich hier den Vorbehalt mache, daß dies von der Form und den Umständen abhängt. Da erst unmittelbare eigene Bemühungen der Bundesregierung vor noch nicht sehr langer Zeit zu keinem Erfolg geführt haben, wird es darauf ankommen, in welcher Weise es jetzt geltend gemacht wird. Gehen Sie aber bitte davon aus, daß die Bundesregierung pninzipiell nach wie vor Anteil an dieser Sache nimmt und sich bemühen wird, das zu unterstützen, was zu unterstützen möglich ist.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dorn.
Herr Staatssekretär, wäre die Bundesregientung auch bereit, mit dazu beizutragen, daß das Bild von den Inhaftierten und von dem, was damals zu ihrer Verurteilung geführt hat, der Öffentlichkeit in den beiden Ländern entsprechend den Tatsachen dargestellt wird, damit die entstandene Verkrampfung um die Inhaftierten gelöst werden kann?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Ich sehe nicht, in welcher Weise die Bundesregierung eine Möglichkeit hätte, Feststellungen, soweit sie auf Gerichtsurteilen beruhen, ihrerseits zu widerlegen.
Frage 70 des Abgeordneten Dr. Mühlhan:
Warum hat die Bundesregierung Vorschläge über die personelle Ausstattung der Kulturabteilung des Auswärtigen Amts noch nicht vorgelegt?
Der Fragesteller hat sich mit schriftlicher Beantwortung leinverstanden erklärt. Dise Antwort liegt noch nicht vor. Sie wird nach Eingang im Sitzungsbericht abgedruckt.
Frage 71 des Herrn Abgeordneten Wächter:
Warum hat die Bundesregierung den Entwurf eines Zustimmungsgesetzes zu dem in Genf am 29. April 1958 unterzeichneten Übereinkommen über den Festlandsockel noch nicht vorgelegt?
Die Frage wird von Herrn Dr. Imle übernommen. Zur Beantwortung!
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Die Bundesregierung hat das Übereinkommen über den Festlandsockel im Jahre 1958 unterzeichnet. Seitdem sind jedoch Entwicklungen eingetreten, die es ratsam erscheinen lassen, vor einer Ratifizierung zunächst völlige Klarheit über die Auslegung gewisser Bestimmungen zu gewinnen. Bei der Aufteilung des Festlandsockels der Nordsee in den Jahren nach 1958 haben nämlich unsere Nachbarn Dänemark und die Niederlande unter Hinweis auf den Art. 6 dieses Übereinkommens die strikte Anwendung des sogenannten Äquidistanzprinzips verlangt. Eine solche Grenzziehung nach der Mittellinie würde uns angesichts des Küstenverlaufs in der Nordsee auf einen unverhältnismäßig kleinen Anteil an dem Festlandsockel beschränken. Die Bundesregierung hat sich gegenüber ihren beiden Nachbarn auf den Standpunkt gestellt, das Äquidistanzprinzip sei lediglich ein Hilfsmittel zur Herstellung einer gerechten Aufteilung zwischen benachbarten Staaten, dem aber in gewissen Fällen und unter besonderen Umständen andere Grundsätze vorgingen.
Wir haben Anfang dieses Jahres zusammen mit Dänemark und den Niederlanden den Internationalen Gerichtshof in Den Haag angerufen, der über diese Rechtsfrage entscheiden soll. Von dieser Entscheidung erwarten wir eine Auslegung der rechtlichen Grenzen des Äquidistanzprinzips, die auch für unser Verhalten bei einer künftigen Ratifizierung des Übereinkommens wichtig sein wird.
Ich rufe die Frage 72 des Herrn Abgeordneten Dorn auf:
Wie viele der z. Z. aus der Bundesrepublik Deutschland entführten südkoreanischen Staatsangehörigen sind inzwischen wieder in unser Land zurückgekehrt?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Die Antwort lautet: 6.
Ich rufe die Frage 73 des Herrn Abgeordneten Dorn auf:
Wie gedenkt die Bundesregierung die in Frage 72 erwähnte Affäre mit Südkorea endgültig zu bereinigen?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Das Auswärtige Amt hat die Forderung nach Rückkehr der aus dem Bundesgebiet nach Südkorea verbrachten Koreaner, die in seiner Note vom 13. Juli 1967 erhoben worden war, in der Folgezeit in Gesprächen, die in Seoul und Bonn geführt wurden, fortdauernd mit Nachdruck wiederholt. So hat Staatssekretär Duckwitz dem neuen koreanischen Botschafter bei dessen Antrittsbesuch im Auswärtigen Amt am 7. November die Forderung nach Rücküberstellung der be6952
Parlamentarischer Staatssekretär Jahn
troffenen Koreaner erneut übermittelt und den Botschafter gebeten, seiner Regierung eine befriedigende Lösung dieser Frage dringend zu empfehlen. Wie ich heute schon in der Beantwortung der Frage des Herrn Abgeordneten Müller ({0}) ausgeführt habe, wurde gegen die nicht freigelassenen Koreaner am 9. November ein Strafverfahren vor einem koreanischen Gericht eröffnet. Ich sagte schon, daß die Bundesregierung ungeachtet der sich daraus etwa ergebenden Schwierigkeiten für die koreanische Regierung ihren Standpunkt aufrechterhält. Um den Ernst ihrer Forderungen zu unterstreichen, hat die Bundesregierung Leistungen für geplante Entwicklungshilfe in Korea einstweilen zurückgestellt. Die Bundesregierung behält sich für die Zukunft alle ihr geeignet erscheinenden Maßnahmen vor.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, nachdem die Bundesregierung solche Maßnahmen schon einzuleiten beabsichtigt, frage ich Sie, ob dem neuen koreanischen Botschafter auch gesagt worden ist, daß, wenn die Dinge nicht endgültig bereinigt werden, die Bunderegierung eventuell so harte Schritte einleiten muß, daß er zur Persona non grata er. klärt werden könnte.
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Die Bundesregierung hat es an Deutlichkeit hinsichtlich der Beurteilung dieser Dinge in keiner Weise fehlen lassen. Ich bitte Sie um Verständnis dafür, Herr Kollege Dorn, daß ich über Einzelheiten dieser Gespräche nichts sagen kann. Im übrigen glaube ich nicht, daß es immer hilfreich ist, wenn man im Vorhinein im einzelnen sagt, was man tun will.
Ich rufe die Frage 54 des Herrn Abgeordneten Kubitza auf:
Warum hat die Bundesregierung den Bericht über das Ergebnis der bilateralen Verhandlungen mit europäischen Staaten zum Zwecke der Intensivierung des Austauschs und der Zusammenarbeit der jungen Generation noch nicht vorgelegt?
Ist der Herr Abgeordnete Kubitza im Saal? - Die Frage wird vom Herrn Abgeordneten Dr. Imle übernommen.
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister dies Auswärtigen: Die Bundesregierung ist noch nicht in der Lage, den abschließenden Bericht über das Ergebnis der bilateralen Verhandlungen mit europäischen Staaten zum Zwecke der Intensivierung des Austauschs und der Zusammenarbeit der jungen Generation zu erstatten, da die bilateralen Verhandlungen über diese Frage noch im Gange sind.
Keine Zusatzfragen.
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen. Ich rufe
die Frage 95 des Herrn Abgeordneten Dr. Schulze-Vorberg auf:
Wie begegnet die Bundesregierung der Gefahr, daß viele Städte, Kreise und Gemeinden ihre berechtigten Anliegen und notwendigen Vorhaben reduzieren und vertagen müssen, weil öffentliche Mittel immer konzentrierter in wenige Ballungsräume fließen?
Leicht, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Die Bundesregierung hat nur in geringem Maße die Möglichkeit, der von Ihnen, Herr Kollege Schulze-Vorberg, angesprochenen Gefahr zu begegnen. Nach der Aufgabenabgrenzung im Grundgesetz können Bundesmittel nur in Erfüllung bestimmter Bundesaufgaben den Gemeinden zur Verfügung gestellt werden. Wenn die Gefahr, die Sie befürchten, überhaupt besteht, dann kann sie sicherlich nur abgewendet werden, wenn die finanziellen Bedürfnisse der verschiedenen Gemeindetypen in der Verteilung besser an die gemeindliche Steuerkraft angepaßt werden, und das kann leider erst durch die große Finanzreform, also auch durch die große Gemeindefinanzreform erreicht werden.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, entspricht es gerade angesichts dieser Rechtslage dien Interessen der Bundesregierung, daß alle, die es angeht, darauf hingewiesen werden, daß die Kosten der öffentlichen Hand in den Ballungsräumen für die Bedürfnisse des einzelnen unverhältnismäßig ansteigen, ob es nun um den Schulplatz für ein Kind oder um den Abstellplatz für einen PKW geht?
Leicht, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Ich glaube, Sie haben damit recht, Herr Kollege Schulze-Vorberg.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, kann die Bundesregierung zusichern, zumindest darauf hinwirken, daß der Zug in die Ballungsräume, der ohnehin stark genug ist, nicht noch durch politische Maßnahmen und durch Verwaltungsmaßnahmen aller Art künstlich verstärkt wird?
Leicht, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Ich glaube, das wird schon berücksichtigt.
Zusatzfrage!
Herr Staatssekretär, sind dem Bundesfinanzministerium nach den langen vorausgehenden wissenschaftlichen Untersuchungen genaue Zahlen über die social costs in den großen Städten bekannt?
Leicht, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Mir sind die Zahlen im Augenblick nicht gegenwärtig, Herr Kollege Gleissner. Aber ich glaube schon, daß diese Zahlen vorhanden sind. Ich bin gern bereit, Ihnen diese Frage schriftlich zu beantworten.
Eine weitere Zusatzfrage.
Trägt nicht die Bundesregierung durch Investierungen und Großplanungen in den bereits überlasteten und überforderten Räumen selbst zu den Ballungstendenzen bei, und zwar unter Vernachlässigung anderer, strukturell schwächerer Gebiete?
Leicht, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Herr Kollege Gleissner, ich habe schon gesagt, daß die Bundesregierung nur wenig Möglichkeiten hat, den Ballungstendenzen in Ballungsräumen entgegenzuwirken. Wir haben z. B. durch unsere Investitionsprogramme natürlich auch in Ballungsräume hinein Mittel gegeben. Aber wir konnten diese Mittel nur nach ihrer Aufgabenstellung geben, und sie mußten dann auch in diese Gebiete fließen. Insofern kann die Bundesregierung nicht zusichern, daß wir das in Zukunft nicht mehr tun werden.
Die Frage 96 des Abgeordneten Müller ({0})
Welche Konsequenzen wird die Bundesregierung aus einer Entscheidung des Bundesfinanzhofes ziehen, in der dem Gesetzgeber empfohlen wird, durch Einführung eines festen Aussteuerfreibetrages den Belangen der Jungvermählten entgegenzukommen?
wird im Einvernehmen mit dem Fragesteller schriftlich beantwortet. Die Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Leicht vom 17. November 1967 lautet:
Bereits in der Antwort auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Erhard, Frau Pitz-Savelsberg, Picard und Genossen - Drucksache V/601 - ist darauf hingewiesen worden, daß der Bundesfinanzhof bisher in keinem Verfahren - auch nicht in dem grundlegenden Urteil vom 9. April 1965 - die Einführung eines allgemein festen Freibetrags für die Beschaffung der Wohnungsausstattung von jung Vermählten angeregt hat.
In der Sache selbst darf ich ebenfalls auf die Antwort der erwähnten Kleinen Anfrage sowie auf die Beantwortung der in der Vergangenheit wiederholt gestellten mündlichen Anfragen verweisen, und zwar vor allem auf die Anfragen des Abgeordneten Schmitt-Vockenhausen, der Abgeordneten Frau Diemer-Nicolaus und zuletzt noch am 5. 10. 1967 des Abgeordneten Dr. Imle.
Ich kann auch heute zu meinem Bedauern nur wieder feststellen, daß steuer- und sozialpolitisch gegen die Einführung eines steuerlichen Freibetrags die Tatsache spricht, daß hierdurch gerade den gering verdienenden jungen Eheleuten wegen des progressiven Einkommensteuertarifs keine oder nur eine geringe Hilfe zuteil werden würde. Es kommt hinzu, daß eine wirksame steuerliche Maßnahme zu erheblichen Einnahmeausfällen führen würde, die angesichts der angespannten Haushaltslage auf absehbare Zeit nicht tragbar sind.
Im übrigen hat sich für die Beurteilung des von Ihnen angesprochenen Problems insofern eine neue Sachlage ergeben, als nach einem neuen Urteil des Bundesfinanzhofs vom 16. 8. 1967 künftig Aussteuerleistungen der Eltern an eine Tochter nur noch in ganz besonders gelagerten Ausnahmefällen als außergewöhnliche Belastung einkommensteuerlich berücksichtigt werden können. Ein solcher Ausnahmefall würde nach dieser Rechtsprechung grundsätzlich nur dann in Betracht kommen, wenn die Tochter keine Berufsausbildung auf Kosten der Eltern erhalten hat. Mit der Forderung nach Gleichbehandlung von Aufwendungen junger Eheleute für die Einrichtung eines eigenen Hausstandes und von Aussteuerleistungen der Eltern kann damit die Einführung einer besonderen Steuerbegünstigung für junge Eheleute nicht mehr begründet werden.
Dann die Fragen 97 bis 99 des Abgeordneten Mick:
Hat die Bundesregierung die Absicht, den Personenkreis der Zwangssterilisierten zu entschädigen?
Besteh die Möglichkeit einer Pauschalabfindung des in Frage 97 erwähnten Personenkreises, da die individuelle Abfindung wegen ärztlicher Gutachten zur Feststellung physischer oder psysischer Folgeschäden hohe Kosten verursachen würde?
Verfügt die Bundesregierung über statistische Unterlagen über den Umfang des betroffenen in Frage 97 erwähnten Personenkreises und fiber die Betroffenen, die Anstaltsinsassen zu Lasten der öffentlichen Haushalte sind?
Die Fragen, auch im Einvernehmen mit dem Fragesteller, werden schriftlich beantwortet. Die Antwort des Bundesministers Dr. h. c. Strauß vom 16. November 1967 lautet:
Die Sach- und Rechtslage, die für die Beurteilung einer Entschädigung der in der Zeit von 1933 bis 1945 Zwangssterilisierten von Bedeutung ist, ist in einem umfangreichen Bericht des Bundesministers der Finanzen an den Wiedergutmachungsausschuß vom 1. Februar 1961 dargestellt, in mehreren eingehenden Beratungen erörtert und in einem ausführlichen Bericht eines Vertreters meines Hauses im Januar 1965 in diesem Ausschuß erläutert worden.
Sind Personen aus Verfolgungsgründen sterilisiert worden, so stehen ihnen Ansprüche für Schäden nach Maßgabe der §§ 28 ff. BEG bzw. Härteausgleichsleistungen nach § 171 Abs. 1 BEG zu.
Personen, die nicht aus Verfolgungsgründen, aber auf Grund des Beschlusses eines Erbgesundheitsgerichts sterilisiert worden sind, erhalten nach geltendem Recht eine Entschädigung für eingetretene Schäden, wenn eine Amtspflichtverletzung des Gerichts oder des Arztes vorliegt oder wenn durch die Sterilisation dem Betroffenen ein Sonderopfer im Sinne des Aufopferungsrechts auferlegt worden ist.
Diese Anprüche richten sich bei Sterilisationen, die im Reichsgebiet durchgeführt worden sind, das heute zum Bundesgebiet gehört, gegen die Länder, im übrigen gegen den Bund. Die Länder haben in einigen Fällen bereits Entschädigung geleistet.
Die Bundesregierung sieht zu weitergehenden bundesgesetzlichen Maßnahmen, die über das geltende Recht hinausgehen, keine Möglichkeit. Sie ist insbesondere der Ansicht, daß eine allgemeine Entschädigungsregelung, durch die allen Sterilisierten darüber hinaus neue Entschädigungsansprüche gewährt werden würden, nicht in Betracht kommt und auch nicht sinnvoll wäre. Wenn Verfolgten für die körperlichen und seelischen Schmerzen schon aus finanziellen Gründen kein Schmerzensgeld gewährt werden kann, dann ist es nicht vertretbar, Personen, die wegen einer Erbkrankheit sterilisiert worden sind, als Nichtverfolgten, eine solche Entschädigung zu gewähren.
Bei unserer derzeitigen Haushaltslage bin ich der Meinung, daß eine solche Maßnahme auch finanziell nicht zu verantworten wäre. Da im Bundesgebiet heute etwa 175 000 bis 200 000 Zwangssterilisierte leben dürften, würde sich eine finanzielle Belastung von fast 1 Milliarde DM ergeben, wenn man jedem der Betroffenen auch nur eine Entschädigung von 5000,- DM gewähren würde.
Die zu Nr. 1 erörterten Gesichtspunkte gelten sowohl für eine individuelle als auch ,für eine pauschale Entschädigungsregelung. Gegen eine Pauschalabfindung spricht überdies noch, daß von dem gesamten Entschädigungsbetrag von fast 1 Milliarde DM bis zu 60 % an Geisteskranke, Schwachsinnige oder schwere Alkoholiker gezahlt werden würde.
Die Bundesregierung verfügt über Unterlagen, die eine annähernde Schätzung des Umfangs erlauben. Hiernach dürften in der Zeit von 1933 bis 1945 im ehemaligen Reichsgebiet, in der Freien Stadt Danzig und in Osterreich etwa 320 000 Personen zwangssterilisiert worden sein. Hiervon dürften im Bundesgebiet, wie bereits zu Nr. 1 am Ende erwähnt, etwa 170 000 bis 200 000 Personen ansässig sein.
Über statistische Unterlagen hierüber verfügt die Bundesregierung nicht.
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft. Zuerst die Frage 100 des Herrn Abgeordneten Dr. Imle:
Ist geprüft worden, ob die Gewinnung von Schmieröl aus Altölen im Hmblick auf den Anteil von 22 % am Motorölmarkt versorgungs- und preispolitisch so interessant ist, daß auch in Zukunft die Erhaltung dieses Wirtschaftszweiges von Bedeutung ist, auch wenn eine Beihilfe des Bundes nicht mehr möglich ist?
Die Antwortet lautet: Ja. Es hat sich ergeben, daß die Versorgung mit Motorölen ebenso wie mit Schmierölen ohne die Zweitraffinate gesichert werden kann. Die preispolitische Wirkung ist weniger leicht zu übersehen. Feststeht, daß die
Herstellung aus Altöl in der Tat billiger ist. Inwieweit ,aber dieser Kostenvorteil beim Verbraucher
ankommt, ist nicht mit Sicherheit zubeantworten.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, würden Sie es nicht doch für richtig und gut halten, wenn die Altölaufbereitung welter durchgeführt würde, um wenigstens insoweit aus Rohstoffen, die uns sonst in Deutschland nicht zur Verfügung stehen, noch ein gutes Erzeugnis herzustellen?
Der Hauptzweck der Altölbeseitigung ist natürlich die Reinhaltung der Gewässer. Aber da die Herstellung neuen Dis ,aus Altöl wirtschaftlich sinnvoll ist, wird die Bundesregierung bei künftigen Lösungen auch diesen Gesichtspunkt gebührend beachten.
Zweite Zusatzfrage.
Würden Sie, Herr Staatssekretär, der Aufbereitung von Altöl oder einer Verbrennung den Vorzug geben?
Man kann Altöle auf die verschiedenste Weise vernichten. Man kann sie verbrennen, man kann sie aufbereiten, man kann sie auch deponieren. Ich dachte, ich hätte schon ausgeführt, daß wir der Herstellung von Schmieröl aus dem Altöl eine gewisse preispolitische Bedeutung zumessen. Wir werden uns dafür einsetzen, daß das fortgesetzt werden kann. Inwieweit schließlich eine Angleichung der verschiedenen Subventionssysteme in Europa der weiteren Aufbereitung ;des Altöls Raum gibt, das läßt sich nicht vorhersagen.
Ist damit auch die Frage 101 beantwortet? - Dann rufe ich auch die Frage 101 des Herrn Abgeordneten Dr. Imle auf:
Teilt die Bundesregierung die in Frage 100 aufgezeigte Meinung der Regierungen Frankreichs und Italiens?
Die Antwort .auf die zweite Frage würde lauten: Wir wissen, daß Frankreich und Italien Subventionen für .die Herstellung solcher Zweitraffinate geben. Wir bemühen uns um eine Angleichung in der EWG.
Ich komme zu der Frage 102 des Herrn Abgeordneten Dr. Jahn ({0}). - Der Abgeordnete ist nicht im Saal. Die Frage wird schriftlich beantwortet.
Frage 103 ist von Herrn Abgeordneten Dr. Bucher gestellt. - Der Abgeordnete ist nicht im Saal. Die Frage wird schriftlich beantwortet.
Ich rufe die Fragen 104 und 105 des Herrn Abgeordneten Haase ({1}) auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung die in der Denkschrift der Deutschen Mineralöl Explorations-Gesellschaft vom 25. April 1967 vertretene Auffassung, daß den deutschen Unternehmen der Mineralölwirtschaft erhebliche Wettbewerbsnachteile aus der Möglichkeit der ausländischen Ölkonzerne erwachsen, über die Berechnung höherer Rohölpreise an ihre deutschen Tochtergesellschaften eventuelle Gewinne aus der Verarbeitung und dem Vertrieb ihrer Erzeugnisse in der Bundesrepublik ins Ausland zu übertragen und dort praktisch steuerfrei zu vereinnahmen?
Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, diese in Frage 104 erwähnten existenzgefährdenden Konkurrenznachteile der deutschen Mineralölwirtschaft gegebenenfalls ausgleichen zu können?
Die Fragen sollen im Einverständnis mit dem Fragesteller schriftlich beantwortet werden. Die Antwort des Staatssekretärs Dr. Neef vom 17. November 1967 lautet:
Nach Feststellungen der Bundesregierung ist die Wettbewerbslage innerhalb der deutschen, aber auch innerhalb der internationalen Gesellschaften in der Bundesrepublik sehr unterschiedlich
Die internationalen Gesellschaften stellen ihren deutschen Töchtern Rohölpreise in Rechnung, die im allgemeinen über den Preisen für frei gekauftes Rohöl liegen. Maßgebend hierfür sind vor allem steuerliche Überlegungen mit dem Ziel, Steuervorteile ausnutzen zu können, die ihnen in ihren Heimatländern durch die dortige Steuergesetzgebung geboten werden.
Die für die deutschen Unternehmen durch die Praxis der Verrechnungspreise entstehenden Wettbewerbsnachteile liegen einmal darin, daß sie wegen Fehlens einer nennenswerten Rohölbasis im Ausland von dieser Möglichkeit kaum Gebrauch machen können; allerdings können sie sich im allgemeinen durch einen billigeren Einkauf von Rohöl auch wieder einen spezifischen Wettbewerbsvorteil verschaffen. Hinzu kommen selbstverständlich alle übrigen, die Wettbewerbslage bestimmenden Faktoren, z. B. die Struktur der Absatzwege von Mineralölprodukten und die Ertragsfähigkeit der übrigen Produktionszweige der jeweiligen Mineralölunternehmen.
Die Bundesregierung prüft im Rahmen der Europäischen Gemeinschaften zusammen mit den anderen Mitgliedstaaten die Wettbewerbslage der nationalen Unternehmen im Verhältnis zu den internationalen Gesellschaften, um zu gemeinsamen Maßnahmen aller Mitgliedsländer hinsichtlich der Angleichung der jetzt unterschiedlichen Wettbewerbsbedingungen zu gelangen. Der Ministerrat der Europäischen Gemeinschaften hat die Kommission beauftragt, gemeinsam mit den Mitgliedsländern hierfür Vorschläge auszuarbeiten.
Dann die Frage 123 des Herrn Abgeordneten Brück ({2}) :
Treffen Pressemeldungen zu, wonach das luxemburgische Lizenzbüro die Gewährung von Lizenzen für die Einfuhr von Hausbrandkohle aus der Bundesrepublik Deutschland abgelehnt hat?
Auch sie soll schriftlich beantwortet werden. Die Antwort des Staatssekretärs Dr. Neef vom 16. November 1967 lautet:
Beschwerden deutscher Kohlenexporteure über die Behinderung der Ausfuhr von deutscher Hausbrandkohle nach Luxemburg sind an das Bundesministerium für Wirtschaft nicht herangetragen worden. Das Bundesministerium für Wirtschaft hatte daher keine Veranlassung, in dieser Angelegenheit, die im übrigen in die Kompetenz der Kommission der Europäischen Gemeinschaften fällt, tätig zu werden.
Damit kommen wir zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung. Zuerst die Frage 111 des Herrn Abgeordneten Büttner:
Kann die Bundesregierung Auskunft darüber geben, wieviel Streitsachen beim Bundessozialgericht 1964, 1965 und 1966 jeweils am 31. Dezember der betreffenden Jahre anhängig waren?
Die Frage wird von Herrn Abgeordneten Müller ({3}) übernommen. Bitte sehr, zur Beantwortung.
Herr Präsident, ich bitte, die Fragen des Herrn Abgeordneten BüttStaatssekretär Kattenstroth
ner wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantworten zu dürfen.
({0})
Bitte sehr. Dann rufe ich auch die Fragen 112 und 113 des Herrn Abgeordneten Büttner auf:
In welchen Jahren wurden die in Frage 111 erwähnten Revisionen beim Bundessozialgericht anhängig gemacht, die jeweils am 31. Dezember 1964, 1965 und 1966 noch nicht erledigt waren?
Trifft es zu, daß heute noch bei verschiedenen Senaten des Bundessozialgerichts Revisionsverfahren anhängig sind, bei denen das Rechtsmittel der Revision 1962 bzw. 1963 eingelegt wurde?
Beim Bundessozialgericht in Kassel waren am 31. Dezember 1964 2405 Revisionen noch nicht erledigt. Davon wurden beim Bundessozialgericht anhängig gemacht: im Jahre 1958 eine Revision, im Jahre 1959 6 Revisionen, 1960 49 Revisionen, 1961 109 Revisionen, 1962 283 Revisionen, 1963 603 Revisionen und 1964 1348 Revisionen.
Am 31. Dezember 1965 waren 2315 Revisionen noch nicht erledigt. Davon wurden beim Bundessozialgericht anhängig gemacht: im Jahre 1960 6 Revisionen, 1961 22, 1962 84, 1963 278, 1964 702, 1965 1223 Revisionen.
Am 31. Dezember 1966 waren 2232 Revisionen noch nicht erledigt. Davon wurden beim Bundessozialgericht anhängig gemacht: im Jahre 1961 1 Revision, 1962 8 Revisionen, 1963 60, 1964 362, 1965 658, 1966 1143 Revisionen.
Gegenwärtig sind aus dem Jahre 1962 noch 2 Revisionen anhängig. In beiden Fällen ist für diesen Monat, und zwar für den 24. und den 29. November 1967, ein Termin angesetzt.
Aus dem Jahre 1963 sind noch 19 Revisionen anhängig. In einem Fall ist für den 28. November 1967 ein Termin angesetzt. In 3 Fällen wird in Kürze ohne mündliche Verhandlungen entschieden. Bei den restlichen 15 Revisionen liegen formale Gründe vor, z. B. Tod des Prozeßbevollmächtigten, Entmündigungsverfahren und ähnliches. Mit dem Abschluß des Verfahrens ist in allernächster Zeit zu rechnen.
Eine Zusatzfrage!
Herr Staatssekretär, würden Sie mir beipflichten, wenn ich zu der Auffassung gelange, daß das lange Warten auf Entscheidungen natürlich kein Beitrag zur Rechtssicherheit ist?
Herr Abgeordneter, ich stimme Ihnen zu. Die Bundesregierung hat dem Hohen Hause im Entwurf des Bundeshaushaltsplans für das nächste Jahr vorgeschlagen, einen weiteren Senat zu bilden.
Zweite Zusatzfrage!
Herr Staatssekretär, glauben Sie, daß es allein eine personelle Frage ist, oder liegen auch andere Gründe für derartige Verzögerungen vor?
Es ist natürlich ,die Frage, ob wir die Zulässigkeit der Revision unter Umständen einschränken können. Diese Frage ist aber ,außerordentlich schwierig zu beantworten, zumal sie auch andere Gerichtsbarkeiten berührt. Die Bundesregierung gedenkt über diese Frage bei der Novelle zum Sozialgerichtsgesetz dem Hohen Hause Vorschläge machen zu können.
Ich rufe die Frage 124 des Abgeordneten Schmidt ({0}) - zu Drucksache V/2268 - auf:
Kann die Bundesregierung eine Erklärung dafür abgeben, warum die Eltern eines im Sommer 1966 auf dem Übungsplatz Grafenwöhr tödlich verunglückten Gefreiten erst nach einjähriger Bearbeitung des Falles nunmehr nur eine Elternrente in Höhe von 20 DM im Monat erhalten, obwohl nachgewiesen ist, daß der Sohn bis zu seiner Einberufung seine Eltern mit monatlich 200 DM unterstützt hat?
Die Frage wird schriftlich beantwortet. Die Antwort des Staatssekretärs Kattenstroth vom 17. November 1967 lautet:
Mit Ihrer Frage, Herr Abgeordneter, berühren Sie zwei Probleme, einmal die lange Zeit, die his zur Gewährung einer Elternrente in dem von Ihnen angeführten Fall verstrichen ist, und zum anderen die von Ihnen für zu gering gehaltene Höhe dieser Elternrente. Aufgrund Ihrer Frage hat sich das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung telefonisch mit den für diesen Fall zuständigen Landesbehörden - denen, wie Sie wissen, die Durchführung des Soldatenversorgungsgesetzes obliegt - in Verbindung gesetzt. Dabei ist folgendes festgestellt worden:
Die Akten über den Unglücksfall sind unverzüglich nach der Antragstellung, die übrigens von seiten des Versorgungsamtes angeregt worden war, vom Wehrbereichsgebührnisamt angefordert worden. Sie gingen leider erst 4 Monate nach Antragstellung - der Antrag war am 30. November 1966 gestellt worden - beim zuständigen Versorgungsamt ein. Im vorliegenden Fall mußte nach den geltenden Bestimmungen eine ganze Reihe von Ermittlungen eingeleitet werden; so bedurfte es .u. a. einer Feststellung der Erwerbsunfähigkeit des Vaters, da dieser das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet hat. Da bei der Bemessung einer Elternrente auch Leistungen aufgrund bürgerlich-rechtlicher Unterhaltsansprüche zu berücksichtigen sind, mußte außer über die Einkommensverhältnisse der Eltern selbst auch über die ihrer ebenfalls unterhaltsverpflichteten 'Töchter Klarheit geschaffen werden.
Zur Frage der Höhe der Elternrente nach dem Bundesversorgungsgesetz muß allgemein berücksichtigt werden, daß hierfür das Einkommen der Eltern nach Abzug von Freibeträgen der vollen Elternrente gegenüberzustellen ist. Die Höhe der Elternrente richtet sich also - im Gegensatz zu Leistungen nach dem Unterhaltssicherungsgesetz - nicht nach den Unterhaltsleistungen des Wehrpflichtigen vor seiner Einberufung. Da in dem von Ihnen angeführten Fall den Eltern neben einer Rente aus der Arbeiterrentenversicherung auch Einkünfte aus Haus- und Grundbesitz sowie aus Verpachtung zufließen, konnte bis Ende vergangenen Jahres lediglich eine Elternrente von monatlich 10 DM gezahlt werden. Die Elternrente ab 1. Januar 1967 nach dem Dritten Neuordnungsgesetz konnte noch nicht abschließend berechnet werden, da die Verordnung zu § 33 des Bundesversorgungsgesetzes erst in wenigen Tagen verkündet werden wird. Sie wird voraussichtlich etwa 28 DM monatlich betragen.
Sollten Ihnen, Herr Abgeordneter, diese aufgrund von telefonischen Rückfragen gegebenen Erläuterungen für diesen Fall nicht genügen, bin ich gern bereit, Ihnen die Einzelheiten noch schriftlich mitteilen zu lassen.
Ich rufe die Frage 114 des Abgeordneten Mertes auf:
Bis wann beabsichtigt die Bundesregierung, den Bericht über die Möglichkeiten des Ausgleichs von durch Strukturveränderungen bedingten unangemessenen Beitragsbelastungen einzelner Wirtschaftsbereiche vorzulegen?
Präsident D. Dr. Gerstenmaier
Die Frage wird schriftlich beantwortet. Die Antwort des Staatssekretärs Kattenstroth vom 17. November 1967 lautet:
Die Frage eines Ausgleichs von unangemessenen Beitragsbelastungen, die für einzelne Wirtschaftsbereiche als Folge von Strukturveränderungen entstehen, wirft erhebliche Probleme auf. Der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung ist der Auffassung, daß derart schwierige Probleme in Gemeinsamkeit mit den verantwortlichen Trägern der Selbstverwaltung gelöst werden sollten. Er ist deshalb darum bemüht, zunächst den Beteiligten Gelegenheit zur Darlegung ihrer Ansichten zu geben. Wie bereits auf eine Frage der Frau Abgeordneten Dr. Diemer-Nicolaus am 6. Oktober 1967 im Deutschen Bundestag erwähnt, wird der Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften bis zum 15. Dezember 1967 seine Auffassung zu diesem Problemkreis darlegen. Der Umfang der danach erforderlichen weiteren Vorarbeiten ist im Augenblick noch nicht in allen Einzelheiten zu übersehen, so daß - dafür bitte ich um Ihr Verständnis - auch noch kein genauer Termin für Fertigstellung und Vorlage des Berichts .angegeben werden kann.
Ich rufe die Frage 115 des Abgeordneten Jung, auf:
Warum hat die Bundesregierung den zum 1. November 1967 fällig gewesenen Bericht betreffend die Gewährung eines Bildungsurlaubs noch nicht vorgelegt?
Die Frage wird im Einvernehmen mit dem Fragesteller schriftlich beantwortet. Die Antwort des Staatssekretärs Kattenstroth vom 17. November 1967 lautet:
Der durch den Beschluß des Deutschen Bundestages vom 28. Juni 1967 angeforderte Bericht der Bundesregierung zur Frage eines Bildungsurlaubs wurde - nach Beteiligung aller Ressorts - im Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung bis Ende Oktober dieses Jahres fertiggestellt. Das Bundeskabinett hat den Entwurf des Berichtes in seiner gestrigen Sitzung beraten und ihn mit einigen Änderungen gebilligt. Nach Fertigstellung der endgültigen Fassung wind der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung ihn dem Hohen Hause unverzüglich vorlegen.
Ich rufe die Frage 116 des Abgeordneten Reichmann auf:
Bis wann beabsichtigt die Bundesregierung, dem Beschluß vom 22. Januar 1964 nachzukommen, in einem Gesetzentwurf die in der Kriegsopferversorgung gewonnenen Erkenntnisse und Erfahrungen den übrigen Staatsbürgern dienstbar zu machen?
Die Frage wird auch im Einvernehmen mit dem Fragesteller schriftlich beantwortet. Die Antwort des Staatssekretärs Kattenstroth vom 17. November 1967 lautet:
Die Bundesregierung teilt die in der Entschließung des Deutschen Bundestages vom 22. 1. 1964 vertretene Auffassung, daß die Rehabilitation der Behinderten in einem einheitlichen Verfahren verlaufen muß. Dieser Grundsatz ist in den Vorschriften verankert, nach denen sich das Rehabilitationsverfahren nicht nur in der Kriegsopferversorgung, sondern auch im Bereich der anderen Träger, wie z. B. in der Unfallversicherung, in der Rentenversicherung und in der Sozialhilfe vollzieht. Nach § 1237 Abs. 5 der Reichsversicherungsordnung muß z. B. der Rentenversicherungsträger für die im Einzelfall erforderlich werdenden Maßnahmen der Heilbehandlung, Berufsförderung und sozialen Betreuung zusammen mit allen anderen beteiligten Stellen so früh wie möglich einen Gesamtplan aufstellen. Auch nach dem Entwurf des Arbeitsförderungsgesetzes sollen die Rehabilitationsträger mit der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitlosenversicherung zusammenarbeiten.
Das weitere Anliegen des Bundestages, nämlich die in der Kriegsopferversorgung gewonnenen Erkenntnisse und Erfahrungen auch den übrigen Staatsbürgern dienstbar zu machen, ist nicht so sehr ein Problem der Gesetzgebung, sondern des Austausches von Erfahrungen unter allen an der Rehabilitation beteiligten Stellen. Solcher Erfahrungsaustausch findet in vielfältiger Form im Rahmen der Tätigkeit der Organisationen statt, die sich mit Problemen der Rehabilitation befassen.
Im Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung wind gegenwärtig geprüft, mit welchen Mitteln die Rehabilitationsverfahren verbessert und die vielfältigen Rehabilitationsmaßnahmen wirksamer koordiniert werden können. Besonders wird angestrebt, im institutionellen Bereich die organisatorischen und finanziellen Möglichkeiten auszubauen und im individuellen Bereich die unmittelbare Beratung und Betreuung der Behinderten zu intensivieren.
Ich rufe die Frage 117 des Abgeordneten Spitzmüller auf:
Bis wann beabsichtigt die Bundesregierung einen Gesetzentwurf entsprechend dem Beschluß vom 2. April 1965 zur Beseitigung der sozialversicherungsrechtlichen Nachteile vorzulegen, die Versicherten durch ihre ehrenamtliche Tätigkeit für den Bund, ein Land, eine Gemeinde, einen Gemeindeverband oder eine andere Körperschaft, Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts entstehen können?
Die Frage wird im Einvernehmen mit dem Fragesteller schriftlich beantwortet. Die Antwort des Staatssekretärs Kattenstroth vom 13. November 1967 lautet:
In Ausführung des Beschlusses des Deutschen Bundestages vom 2. April 1965 wird im Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung ein Gesetzentwurf vorbereitet, durch den sozialversicherungsrechtliche Nachteile bei ehrenamtlicher Tätigkeit ausgeschlossen werden sollen. Ich hoffe, daß der Entwurf in den ersten Monaten des kommenden Jahres dem Bundeskabinett zur Beschlußfassung und Weiterleitung an die gesetzgebenden Korperschaften vorgelegt werden kann.
Ich rufe die Frage 11.8 des Herrn Abgeordneten Pöhler auf:
Welches ist die Stellungnahme der Bundesregierung zu der Empfehlung 502 ({1}) der Beratenden Versammlung des Europarates betr. die Ausübung einer bezahlten Tätigkeit von Berufstätigen, die über die Altersgrenze hinaus Beschäftigung suchen?
Die Frage wird übernommen vom Herrn Abgeordneten Schulte.
Die Bundesregierung begrüßt diese Empfehlung. Nach ihr sollen arbeitsfähige Arbeitnehmer auf ihren Wunsch über das normale Rentenalter hinaus ohne nachhaltige Auswirkung auf die Altersrente und auf den Arbeitsmarkt eine Beschäftigung gegen Entgelt ausüben können. Dieser Empfehlung entspricht das deutsche Riecht in vollem Umfang. Der Versicherte, der das 65. Lebensjahr vollendet hat, erhält nämlich das Altersruhegeld in voller Höhe ohne Rücksicht darauf, ob er noch eine Beschäftigung gegen Entgelt ausübt. Diese Regelung hat bisher auf dem deutschen Arbeitsmarkt nicht zu Schwierigkeiten geführt.
Präsident D. Dr. Gerstenmaier Ich rufe die Frage 119 des Abgeordneten Haase ({0})auf:
Was beabsichtigt die Bundesregierung zu unternehmen, um den Kriegsdienstverweigerern Gelegenheit zu einer zügigeren Ableistung des Ersatzdienstes zu gehen?
Die Frage wird im Einvernehmen mit dem Fragesteller schriftlich beantwortet. Die Antwort des Staatssekretärs Kattenstroth vom 17. November 1967 lautet:
Zum zivilen Ersatzdienst werden gegenwärtig die gleichen Jahrgänge einberufen wie zur Bundeswehr. Dadurch ist im allgemeinen eine zügige Heranziehung zum Ersatzdienst gewährleistet.
Die Entlassungen nach zwei Kurzschuljahren und die dadurch bedingte vorübergehende Erhöhung der Zahl der zur Verfügung stehenden Ersatzdienstpflichtigen hatten allerdings vorübergehend gewisse Verzögerung zur Folge. Ersatzdienstpflichtige, die eine frühere Einberufung beantragen - z. B. um den Ersatzdienst vor Beginn ihrer Ausbildung abzuleisten - werden vorzeitig einberufen; über diese Möglichkeit werden die Betroffenen unterrichtet.
Dann die Frage 91 des Abgeordneten Schmidt ({1}) .
Bis wann beabsichtigt die Bundesregierung, den Bericht über die Anrechnungsbestimmungen in sozialen Leistungen vorzulegen?
Der Fragesteller hat sich mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt. Die Antwort des
Präsident D. Dr. Gerstenmaier
Staatssekretärs Kattenstroth vom 17. November 1967 lautet:
An dem Bericht der Bundesregierung über die Reformbedürftigkeit der Anrechnungsbestimmungen in den verschiedenen Zweigen des sozialen Leistungsrechts sind zahlreiche Ressorts beteiligt. Diese haben ihre Stellungnahmen dem Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung bereits zugeleitet. Es wird zur Zeit geprüft, inwieweit diese Stellungnahmen ausreichen, den von diesem Hohen Hause gewünschten umfassenden Bericht zu geben, oder ob noch gesetzliche Maßnahmen erforderlich sind, die die Bundesregierung in die Lage versetzen, erschöpfend zu berichten. Aus den eingegangenen Stellungnahmen ist jedoch heute schon ersichtlich, daß selbst dann, wenn gesetzliche Maßnahmen nicht unbedingt notwendig $ein sollten, noch eine Reihe von ergänzenden Ermittlungen durchzuführen sind, die eine gewisse Zeit in Anspruch nehmen werden, Ich bitte daher um Verständnis, wenn ich einen festen Termin für die Vorlage des Berichts heute noch nicht geben kann.
Ich rufe aus dem Bereich des Bundesministers für Gesundheitswesen die Fragen 58 bis 60 der Abgeordneten Frau Rudoll auf:
Hat die Bundesregierung bei der Anwendung der Richtlinien des Bundesausschusses für Ärzte und Krankenkassen über die ärztliche Betreuung während der Schwangerschaft und nach der Entbindung vom 3. Mai 1967 Erfahrungen in der Hinsicht sammeln können, inwieweit das Sprechstundenblatt des behandelnden Arztes der Klinik bei der klinischen Entbindung vorgelegen hat?
Ist die Bundesregierung inzwischen zu der Auffassung gelangt, daß die Richtlinien über die ärztliche Betreuung während der Schwangerschaft und nach der Entbindung dahin gehend ergänzt werden müssen, daß sie eine Weitergabepflicht der Sprechstundenblätter an die Krankenhausärzte vorsehen?
Hat die Bundesregierung inzwischen feststellen können, in welchem Ausmaß von den im Mutterschutz geschaffenen Vorsorgeuntersuchungen für werdende Mütter Gebrauch gemacht wird?
Die Fragestellerin hat sich mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt. Die Antwort des Staatssekretärs Kattenstroth vom 17. November 1967 lautet:
Die Bundesverbände der Krankenkassen und die Kassenärztliche Bundesvereinigung haben über die Erfahrungen bei der Anwendung der sogenannten Mutterschaftsrichtlinien vom 8. Dezember 1965 berichtet, und zwar für das Jahr 1966. Hiernach haben in der weitaus überwiegenden Zahl der Mutterschaftsfälle die auf dem Sprechstundenblatt von dem erstbehandelnden Arzt eingetragenen Befunde dem nächstbehandelnden Arzt nicht vorgelegen. Als Beispiele für das Unterbleiben einer Weitergabe von Sprechstundenblättern an Kliniken und Anstalten haben die Bundesverbände der Krankenkassen u. a. folgende Zahlen genannt:
In einem Fall lagen bei 2000 Entbindungen 120 Blätter vor, in einem anderen bei 500 Entbindungen 40 Blätter, in einem weiteren bei 640 Entbindungen 2 Blätter und schließlich in einem Krankenhaus bei 900 Entbindungen nicht ein einziges Sprechstundenblatt. Die Berichte von Krankenhäusern zeigen, daß der Anteil der Entbindungen, für die Sprechstundenblätter vorlagen, zwar sehr unterschiedlich ist, häufig jedoch recht niedrig liegt.
Diese Erfahrungen finden nach Auffassung der Bundesregierung ihre Begründung weniger in einer unzulänglichen Fassung der diesbezüglichen Bestimmungen in den Mutterschaftsrichtlinien, als vielmehr in einer großen Zahl anderer Faktoren, die für den an der Mutterschaftsvorsorge Beteiligten eine Rolle spielen. In Anbetracht dessen gehen die Überlegungen jetzt dahin, die ,aufgetretenen Unzulänglichkeiten durch eine andere Dokumentationsform auszuräumen. Der Bundesausschuß der Ärzte und Krankenkassen prüft gegenwärtig, ob die auf dem Sprechstundenblatt vorgesehenen Aufzeichnungen durch einen in der Hand der Mutter verbleibenden sogenannten Mutterpaß ersetzt werden sollen. Die Bundesverbände der Krankenkassen und die Kassenärztliche Bundesvereinigung haben sich in ihren
Erfahrungsberichten bereits für die Einführung eines solchen Mutterpasses ausgesprochen.
Die Inanspruchnahme der Mutterschaftsvorsorgeleistungen war nach den Berichten der Bundesverbände der Krankenkassen und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung in den einzelnen Ländern im Jahre 1966 unterschiedlich groß. Im Bundesdurchschnitt haben 75 v. H. der Schwangeren die Möglichkeit der Vorsorge ausgenutzt.
Es stehen noch aus die Frage 129 der Abgeordneten Frau Dr. Hubert aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Gesundheitswesen.
Konnte das Europäische Übereinkommen zur gegenseitigen Hilfe auf dem Gebiet medizinischer Spezialbehandlung und heilklimatischer Hilfsmittel, das nach Auskunft des Bundesministeriums für Gesundheitswesen vom 22. Januar 1965 als internationales Verwaltungsabkommen keines Ratifizierungsgesetzes bedarf, inzwischen zum Abschluß gebracht werden?
Die Fragestellerin hat sich mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt. Die Antwort des Bundesministers Frau Strobel vom 17. November 1967 lautet:
Nein.
Zur innerstaatlichen Wirksamkeit des Abkommens ist die Zustimmung des Bundesrates erforderlich. Diese kann erst nachgesucht werden, wenn unter den beteiligten Bundesressorts ({2}) eine Abstimmung über die Tragweite des Übereinkommens erzielt worden ist. Die vom Bundesgesundheitsministerium von den beteiligten Bundesressorts erbetenen Stellungnahmen zu dem Abkommen selbst sowie zu der Frage, ob bei dem Beitritt ein Vorbehalt gem. Artikel 9 des Abkommens erklärt werden soll, liegen noch nicht vollständig vor. Aus diesem Grunde mußte bisher von einer Anhörung der Länder, die einer Zustimmung des Bundesrats üblicherweise vorauszugehen hat, abgesehen werden.
Die Fragestellerin Frau Abgeordnete Dr. Hubert hat sich auch mit schriftlicher Beantwortung ihrer Frage 130
Wie weit ist das Ratifizierungsverfahren für das Europäische Übereinkommen über den Austausch von Testsera zur Blutgruppenuntersuchung fortgeschritten, das nach Auskunft des Bundesministeriums für Gesundheitswesen vom 1. März 1963 in Kürze ratifiziert werden sollte und das nach einer weiteren Auskunft dieses Ministeriums vom 22. Januar 1965 noch nicht ratifiziert war, weil über die notwendigen Personalanforderungen noch nicht entschieden war?
einverstanden erklärt. Die Antwort liegt noch nicht vor. Sie wird nach Eingang im Sitzungsbericht abgedruckt.
Auf der Drucksache zu V/2268 stehen noch die Fragen 121 und 122 des Abgeordneten Dr. Hofmann ({3}). Diese Fragen sind zurückgezogen.
Meine Damen und Herren, damit sind alle Fragen erledigt.
Wir stehen am Ende der Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Mittwoch, den 29. November 1967, 14 Uhr, ein.
Die Sitzung ist geschlossen.