Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Meine Damen und Herren! Wir treten heute zum erstenmal im neuen Jahr als Plenum zusammen. Das ist, glaube ich, der rechte Anlaß, uns allen gegenseitig Glück für das neue Jahr zu wünschen. Ich fürchte, wir werden es brauchen können.
Wir haben Anlaß, heute noch einen besonderen Glückwunsch auszusprechen. Am 5. Januar hat unser Alterspräsident, Dr. Konrad Adenauer, seinen 90. Geburtstag gefeiert. Zwar hat der Herr Bundestagspräsident an jenem Tag einen Empfang gegeben, auf dem der Jubilar beglückwünscht, geehrt und gefeiert wurde, nicht nur von vielen Abgeordneten dieses Hauses, sondern auch vom Diplomatischen Corps und von den Vertretern aller großen Körperschaften unseres politischen, gesellschaftlichen und kulturellen Lebens. Doch ich glaube, daß es uns ziemt, in der ersten ordentlichen Sitzung dieses Parlaments unseren Kollegen und Alterspräsidenten besonders zu ehren, nicht um die Anzahl der vielen Lobreden, die auf seine Leistungen und ihn selber gehalten wurden, zu vermehren - wenige Menschen unserer Lebzeit sind so geehrt worden wie er -, sondern damit in die Annalen des Bundestages eingehe, wie sehr sich dieses Haus geehrt fühlt, daß dieser Mann ihm angehört,
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und weil wir Konrad Adenauer auch heute sagen wollen, wie sehr wir uns auf seinen Rat und sein Wort angewiesen fühlen. Wir können seine Mitarbeit nicht entbehren.
Und so wünsche ich denn unserem verehrten Alterspräsidenten Glück zum 90. Geburtstage und dazu Gesundheit und Kraft für viele kommende Lebensjahre. Ich verbinde damit die Bitte, daß er mit der ihm eigenen Intensität auch weiter an den Arbeiten dieses Hauses teilnehmen möge. Ad multos annos!
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Außerdem beglückwünsche ich im Namen des Hauses und im eigenen Namen Frau Minister Dr. Schwarzhaupt, die auch unsere Kollegin ist, zu dem Geburtstag, den sie am 7. Januar begangen hat.
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Der Herr Bundesminister der Finanzen hat am 16. Dezember 1965 gemäß § 33 Abs. 1 der Reichshaushaltsordnung die Zusammenstellung der über- und außerplanmäßigen Haushaltsausgaben im dritten Vierteljahr des Rechnungsjahres 1965 übersandt, die den Betrag von 10 000 DM übersteigen - Drucksache V/135 -. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung wird diese Vorlage dem Haushaltsausschuß überwiesen. Ist das Haus damit einverstanden? - Ich höre keinen Widerspruch; dann ist so beschlossen.
Ihnen liegt eine Liste betreffend Überweisung von Vorlagen der Bundesregierung vor, die keiner Beschlußfassung bedürfen. Sie sollen gemäß § 76 Abs. 2 der Geschäftsordnung an die zuständigen Ausschüsse überwiesen werden. Erhebt sich gegen die Überweisung dieser Vorlagen Widerspruch? - Das ist nicht der Fall; dann sind folgende Überweisungen beschlossen:
Vorlage des Bundesministers des Auswärtigen betreffend Verfolgung von Ansprüchen deutscher unehelicher Kinder gegenüber Mitgliedern der in Deutschland stationierten ausländischen Streitkräfte Bezug: Beschluß des Bundestages vom 4. Mai 1961
- Drucksache V/106 - an den Rechtsausschuß,
Vorlage des Bundesministers des Innern betreffend Bericht der Bundesregierung über organisatorische Maßnahmen auf dem Gebiet des Verfassungsschutzes
Bezug: Beschluß des Bundestages vom 30. Juni 1965
- Drucksache V/148 an den Innenausschuß,
Vorlage des Bundesministers des Innern betreffend Rechtsstellung und Ausbildung der deutschen Beamten für internationale Aufgaben
Bezug: Beschluß des Bundestages vom 1. Juli 1965
- Drucksache V/153 -an den Innenausschuß,
Vorlage der Sprecher der deutschen Delegation in der Versammlung der Westeuropäischen Union betreffend Bericht über die Tagung der Versammlung der Westeuropäischen Union vom 15. bis 17. November 1965 in Paris
- Drucksache V/118 an den Auswärtigen Ausschuß,
Vizepräsident Dr. Schmid
Vorlage des Präsidenten der Versammlung der Westeuropäischen Union betreffend Empfehlungen der Versammlung der Westeuropäischen Union während der Sitzungsperiode vom 15. bis 17. November 1965
- Drucksache V/154 - an den Auswärtigen Ausschuß.
Folgende amtliche Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen.
Der Bundeskanzler hat mit Schreiben vorn 17. Dezember 1965 mitgeteilt, daß er mit Wirkung vom 15. Dezember 1965 Herrn Staatssekretär Dr. Carl Krautwig zum Bevollmächtigten der Bundesrepublik Deutschland in Berlin bestellt habe. Herr Dr. Krautwig behalte sein Amt als Staatssekretär im Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen bei.
Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 17. Dezember 1965 den nachstehenden Gesetzen zugestimmt bzw. einen Antrag gemäß Artikel 77 Abs. 2 des Grundgesetzes gestellt:
Gesetz zum Protokoll vom 17. September 1965 zur Änderung des Abkommens vom 22. Juli 1954 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen
Gesetz zu den Verträgen vom 10. Juli 1964 des Weltpostvereins
Fünftes Gesetz über die Erhöhung von Dienst- und Versorgungsbezügen ({3})
Achtes Gesetz über die Anpassung der Renten aus den gesetzlichen Rentenversicherungen sowie über die Anpassung der Geldleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung ({4})
Gesetz zur Sicherung des Haushaltsausgleichs ({5}).
Zum Haushaltssicherungsgesetz hat der Bundesrat ferner eine Entschließung gefaßt, die als Anlage 2 diesem Protokoll beigefügt ist.
In der gleichen Sitzung hat der Bundesrat beschlossen, der vom Deutschen Bundestag in seiner 12. Sitzung am 9. Dezember 1965 auch für die 5. Wahlperiode des Deutschen Bundestages beschlossenen Gemeinsamen Geschäftsordnung des Bundestages und des Bundesrates für den Ausschuß nach Artikel 77 Abs. 2 des Grundgesetzes ({6}) vom 19. April 1951 ({7}) in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. Februar 1957 ({8}) gemäß Artikel 77 Abs. 2 Satz 2 des Grundgesetzes zuzustimmen.
Der Bundesminister der Justiz hat am 10. Dezember 1965 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Wahl, Bauer ({9}) und Genossen betr. Empfehlung 418 der Beratenden Versammlung des Europarates - Drucksache V/52 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache V/107 verteilt.
Der Bundesminister des Auswärtigen hat am 10. Dezember 1965 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. von Merkatz, Bauer ({10}) und Genossen betr. Europäische Kommission für die Regelung von Streitigkeiten - Drucksache V/51 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache V/120 verteilt.
Der Bundesminister des Auswärtigen hat am 10. Dezember 1965 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Paul, Lenze ({11}) und Genossen betr. Empfehlung der Europarates zum Asylrecht - Drucksache Vi 50 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache V/121 verteilt.
Der Bundesminister des Auswärtigen hat am 9. Dezember 1965 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Frau Dr. Hubert, Memmel und Genossen betr. Freizügigkeit der Arbeitnehmer in den Ländern des Europarates - Drucksache V,49 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache V/122 verteilt.
Der Bundesminister der Justiz hat am 13. Dezember 1965 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Busse ({12}), Frau Dr. Diemer-Nicolaus, Dorn, Moersch und Genossen betr. Stiftungsrecht - Drucksache V 60 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache V'124 v erteilt.
Der Bundesminister für Verkehr hat am 15. Dezember 1965 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Wächter, Dr. Mühlhan, Logemann, Dr. Hellige, Genscher und Genossen betr. Umschlag deutscher Nordseehäfen - Drucksache V.71 -- beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache V/128 - verteilt.
Der Bundesminister der Verteidigung hat am 16. Dezember 1965 die Kleine Anfrage der Fraktion der SPD betr. Tauglichkeit der Flugzeuge vom Typ F 104 G - Drucksache V/53 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache V/129 verteilt.
Der Bundesminister der Justiz hat am 16. Dezember 1965 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Frau Dr. Diemer-Nicolaus, Busse ({13}), Dorn, Genscher und Genossen betr. Politisches Strafrecht - Drucksache V, 54 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache V/136 verteilt.
Der Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat am 22. Dezember 1965 die Kleine Anfrage der Abgeordneten
Frau Funcke, Dr. Staratzke, Schmidt ({14}), Opitz, Ramms und Genossen betr. Verbraucheraufklärung - Drucksache V/109 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache V/143 verteilt.
Der Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat am 23. Dezember 1965 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Frau Kurlbaum-Beyer und Genossen und der Fraktion der SPD betr. Referenzpreise für Orangen - Drucksache V/112 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache V.144 verteilt.
Der Staatssekretär im Auswärtigen Amt hat am 22. Dezember 1965 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. von Merkatz, Paul, Dr. Hellige und Genossen betr. Beziehungen zwischen EWG und EFTA - Drucksache V/117 -- beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache V145 verteilt.
Der Staatssekretär im Auswärtigen Amt hat am 29. Dezember 1965 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Kliesing ({15}), Berkhan, Dr. Hellige und Genossen betr. Empfehlung 127 der Versammlung der Westeuropäischen Union - Drucksache V/115 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache V/155 verteilt.
Der Staatssekretär im Bundesministerium der Verteidigung hat am 4. Januar 1966 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Berkhan, Dr. Kliesing ({16}), Dr. Hellige und Genossen betr. Empfehlung 128 der Versammlung der Westeuropäischen Union - Drucksache V/116 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache V/156 verteilt.
Der Stellvertreter des Bundeskanzlers hat am 20. Dezember 1965 gemäß § 30 Abs. 4 des Bundesbahngesetzes vom 13. Dezember 1951 den Wirtschaftsplan der Deutschen Bundesbahn mit Erläuterungen und Anlagen sowie den Stellenplan und den Nachtrag zum Stellenplan für das Geschäftsjahr 1965 mit der Bitte um Kenntnisnahme übersandt. Die Vorlagen liegen im Archiv zur Einsichtnahme aus.
Der Bundesminister des Auswärtigen hat am 6. Januar 1966 die Kleine Anfrage der Fraktion der SPD betr. Personalpolitik im Auswärtigen Amt - Drucksache V/113 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache V/160 verteilt.
Der Staatssekretär im Bundesministerium der Verteidigung hat am 10. Januar 1966 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Marx ({17}), Dr. Kliesing ({18}), Leicht, Dr. Klepsch, Freiherr von und zu Guttenberg, Dr. Jahn ({19}), Stahlberg, Strauß und Genossen und der Fraktion der CDU/CSU betr. Manöver „Oktobersturm" - Drucksache V/77 - beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache V/168 verteilt.
Folgende EWG- und Zollvorlagen sind überwiesen worden:
Verordnung des Rats zur Änderung und Ergänzung gewisser
Bestimmungen der Verordnungen Nr. 3 und Nr. 4 ({20})
- Drucksache V/119 an den Ausschuß für Sozialpolitik -- federführend - und an den Ausschuß für Arbeit - mitberatend - mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 26. Januar 1966
Verordnung des Rats zur Änderung der Berichtigungskoeffizienten für die Dienst- und Versorgungsbezüge der Beamten
- Drucksache V/130 an den Innenausschuß mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 23. März 1966
Verordnung des Rats über die teilweise Aussetzung des bei der Einfuhr von gefrorenem Rindfleisch anzuwendenden Satzes des Gemeinsamen Zolltarifs - Drucksache V/131
an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen - federführend - und an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten - mitberatend -- mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 26. Januar 1966
Verordnung des Rats über die teilweise Aussetzung des Gemeinsamen Zolltarifs bei der Einfuhr von Färsen und Kühen bestimmter Höhenrassen - Drucksache V/141 an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen - federführend - und an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten - mitberatend - mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 26. Januar 1966
Verordnung des Rats zur Änderung von Artikel 11 der Verordnung Nr. 23 hinsichtlich Orangen und Entwurf einer Entschließung des Rats betreffend die Finanzierung der Subventionen für die Orangenerzeuger - Drucksache V/162 an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen - federführend - und an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten - mitberatend - mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dein Plenum am 26. Januar 1966
Richtlinie des Rats für die Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die amtlichen Kennzeichen an der Rückseite von Kraftfahrzeugen
Richtlinie des Rats für die Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Funkentstörung von Kraftfahrzeugen - Drucksache V.163 an den Verkehrsausschuß mit der Bitte um Vorlage der Berichte rechtzeitig vor dem Plenum am 23. März 1966
Richtlinie des Rats zur Aufhebung der Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs für die selbständigen Tätigkeiten:
1. bestimmter Hilfsgewerbetreibender des Verkehrs und der Reisevermittler ({21})
2. der Lagerhalter ({22})
3. des Zollagenten ({23})
Vizepräsident Dr. Schmid
Richtlinie des Rats über die Einzelheiten der Übergangsmaßnahmen auf dem Gebiet der selbständigen Tätigkeiten:
1. einiger Hilfsgewerbetreibender im Verkehr und der Reisevermittler ({24})
2. der Lagerhalter ({25})
3. des Zollagenten ({26}) - - Drucksache V.164 -an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen mit der Bitte um Vorlage der Berichte rechtzeitig vor dem Plenum am 23. März 1966
Verordnung des Rats über die Festsetzung der Höhe der Beihilfen für die private Lagerhaltung von Butter -- Drucksache V/165 -an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 23. März 1966
Richtlinie des Rats über das Recht der Landwirte, die Angehörige eines Mitgliedstaates sind und sich in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassen haben, auf Zugang zu Genossenschaften
Richtlinie des Rats über das Recht der Landwirte, die Angehörige eines Mitgliedstaates sind und sich in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassen haben, auf Zugang zu den verschiedenen Arten von Krediten - Drucksache V/166 -an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen - federführend -- und an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten - mitberatend - mit der Bitte um Vorlage der Berichte rechtzeitig vor dem Plenum am 23. März 1966
Zolltarif-Verordnung ({27}) - Drucksache V/133 -an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 16. März 1966
Zweiundzwanzigste Verordnung zur Änderung der Einfuhrliste - Anlage zum Außenwirtschaftsgesetz -- Drucksache V/137 -an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 16. März 1966
Vierzigste Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1965 ({28}) -- Drucksache V/138 -an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum ans 16. März 1966
Erste Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1966 ({29}) - Drucksache V,149 -an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vur dem Plenum am 20. April 1966
Vierte Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1966 ({30}) - Drucksache V/150 an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 20. April 1966
Sechste Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1966 ({31}) - Drucksache V/151 an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen - federführend - und an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten - mitberatend - mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 20. April 1966
Neunte Verordnung zur Änderung der Ausfuhrliste - Anlage AL zur Außenwirtschaftsverordnung -- Drucksache V,157 -an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 20. April 1966
Siebente Verordnung zur Änderung der Außenwirtschaftsverordnung - Drucksache V/158 an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 20. April 1966.
Zu der in der Fragestunde der 7. Sitzung des Deutschen Bundestages am 29. November 1965 gestellten Frage des Abgeordneten Dr. Marx ({32}) Nr. VI/ 21 ist inzwischen die schriftliche Anwort des Bundesministers Dr. Dahlgrün vom 9. Dezember 1965 eingegangen. Sie lautet:
Nach Mitteilung der zuständigen Oberfinanzdirektion sind die Überlassungsverträge mit den Gemeinden Etschbach, Kübelberg, Miesau, Sand und Schönenberg noch nicht abgeschlossen worden, weil die hierzu erforderlichen Erklärungen der amerikanischen Streitkräfte noch ausstehen. Die amerikanischen Streitkräfte haben als Benutzer der gemeindeeigenen Forstflächen das in den Überlassungsverträgen vorgesehene Entgelt zu tragen (vgl. Art. 63 Abs. ({33}) Buchst. ({34}) ({35}) ({36}) des Zusatzabkommens zum NATO- Trupenstatut - BGBl. 1961, II, 1183 ff -). Die Verträge sind daher im Benehmen mit der zuständigen Behörde der Truppe abzuschließen (vgl. Unterzeichnungsprotokoll Abs. ({37}) ({38}) zu Art. 48 des Zusatzabkommens zum NATO-Truppenstatut).
Mein Haus verhandelt bereits mit der Amerikanischen Botschaft über eine Regelung der Fälle der vorliegenden Art. Die Botschaft hat am 6. Dezember 1965 fernmündlich mitgeteilt, daß sie in den nächsten Tagen eine positive Stellungnahme des amerikanischen Hauptquartiers in Europa zu der von meinem Haus vorgeschlagenen Regelung erwarte. Ich nehme daher an, daß die Verträge mit den genannten Gemeinden in Kürze abgeschlossen werden können.
Im übrigen habe ich veranlaßt, daß den betreffenden Gemeinden vorerst Abschlagszahlungen in angemessener Höhe gewährt werden.
Wir treten in die Tagesordnung ein. Ich rufe Punkt 1 auf:
Fragestunde ({39}).
Der Herr Bundesernährungsminister bittet, seine Fragen - VII - nach den Dringlichkeitsfragen aufzurufen, da er am Donnerstag und Freitag nicht in Bonn ist. Das Haus wird, denke ich, damit einverstanden sein.
Ich werde die Fragen in folgender Reihenfolge aufrufen: zunächst die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für das Post- und Fernmeldewesen - Drucksache V/161 Seite 10 f. -, dann die Dringlichkeitsfrage auf Drucksache V/169 und anschließend die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Herrn Bundesernährungsministers.
Ich rufe die Fragen XI/ 1 und 2 der Abgeordneten Frau Funcke auf:
Ist die Bundesregierung der Meinung, daß das Ansehen der Deutschen Bundespost Schaden leidet, wenn deren Personal in der kauen .Jahreszeit bunte Pullover oder Strickjacken trägt?
Trifft es zu, clan laut Anordnung des Bundespostministers für männliche und weibliche Bedienstete der Deutschen Bundespost nur graue Pullover und Strickjacken mit festgelegtem Schnitt zugelassen sind, diese aber nicht als zuschußberechtigte Dienstkleidung gelten?
Die Fragestellerin hat sich mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt. Die Antwort liegt noch nicht vor, sie wird nach Eingang im Sitzungsbericht abgedruckt.
Frage XI/ 3 des Abgeordneten Dr. Marx ({40}) :
Entspricht die gegenwärtige technische Ausgestaltung des amtlichen Fernsprechbuches für den Bezirk der Oberpostdirektion Neustadt ({41}) den Anweisungen und Absichten des Bundespostministeriums?
Die gegenwärtige Gestaltung in den Kopfrandleisten des amtlichen Fernsprechbuches Nr. 18, Neustadt, entspricht nicht meinen Anweisungen. Die Gestaltung dieses amtlichen Fernsprechbuches der Ausgabe 1965/66 ist auf ein bedauerliches Mißverständnis der nachgeordneten Dienststellen in Neustadt zurückzuführen.
Möchten Sie eine Ergänzungsfrage stellen? - Das ist nicht der Fall.
Ich rufe die ebenfalls von dem Abgeordneten Dr. Marx ({0}) gestellte Frage XI /4 auf:
Ist das Bundespostministerium bereit, darauf hinzuwirken, daß künftig Werbetexte im Telefonbuch grafisch und unrbruchtechnisch so gestaltet werden, daß eine Verwechslung mit den amtlichen Angaben ausgeschlossen ist und die wesentlichen Angaben in der nächsten Ausgabe des in Frage XI /3 genannten Fernsprechbuches einheitlich und leicht auffindbar eingedruckt werden?
Die amtlichen Fernsprechbücher des Bundesgebietes der Ausgabe 1966/67 sind einheitlich so gestaltet, daß die befürchtete Verwechslungsgefahr nicht besteht und die Teilnehmer der einzelnen Ortsnetze leicht aufgefunden werden können.
Frage XI/ 5 des Abgeordneten Strohmayr:
Trifft es zu, daß die Bundesregierung beabsichtigt, in naher Zeit eine Erhöhung des Inland-Briefportos und der Telegrammgebühren vorzunehmen, die weit über den Rahmen des EWG- Vorschlags hinausgeht?
Herr Präsident, ich bitte, die Fragen 5 und 6 zusammen beantworten zu dürfen.
Sind Sie einverstanden, Abgeordneter Strohmayr?
({0}) - Dann rufe ich auch die Frage XI/ 6 auf:
Ist auch eine Erhöhung des Auslandsportos geplant, und wird dabei der EWG-Vorschlag zu einer Vereinheitlichung gebührend berücksichtigt?
Vor zwei Jahren haben die Postminister der EWG-Länder getagt und den Versuch unternommen, die Standardtarife bei der Post schlechthin in den sechs EWG-Ländern, und zwar beginnend mit Briefen und Postkarten, zu vereinheitlichen. Nach dem Kostenstand von vor zwei Jahren wäre also ein Briefporto von 25 Pf und ein Postkartenporto von ungefähr 17 bis 18 Pf herausgekommen. Inzwischen sind zwei Jahre mit Kostensteigerungen auf einer ganzen Reihe von Sektoren ins Land gegangen, so daß diese Tarife, würden sie heute im EWG- Postministerrat behandelt werden, vermutlich nicht mehr die gleichen wären.
Über eine Erhöhung der Gebühren kann erst dann Auskunft gegeben werden, wenn der Bericht der Sachverständigen-Kommission ausgewertet ist.
Nach dem Willen des Bundestages ist der Verwaltungsrat der Deutschen Bundespost für Beschlüsse über Gebührenänderungen zuständig.
Zusatzfrage.
Herr Bundesminister, Sie sind also noch nicht in der Lage, anzugeben, wie hoch künftighin das Auslandsporto sein wird?
Ich verweise auf meine Antwort zu den Fragen.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Bundesminister, ist Ihnen klar, daß eine künftige Erhöhung des Inlandsportos gleichzeitig auch wieder einen neuen Preisauftrieb in sich birgt?
Herr Abgeordneter, wenn wir, Sie und ich, in der Lage wären, die Kostensteigerungen bei der Deutschen Bundspost zu verhindern, so könnte ich Ihnen hier die Versicherung geben, daß keine Erhöhung der Tarife eintritt.
Eine weitere Zusatzfrage wird nicht gestellt.
Ich rufe die Frage XI /7 des Abgeordneten Cramer auf:
Wäre es technisch möglich, daß Inhaber eines Telefonanschlusses, die zeitweilig keine Anrufe entgegenzunehmen wünschen, ihren Apparat abschalten und ein Tonzeichen einschalten konnten, welches ähnlich wie das Besetztzeichen für den Anrufer verständlich wäre?
Herr Präsident, darf ich auch in diesem Fall die beiden Fragen des Fragestellers zusammen beantworten?
Sind Sie einverstanden, Abgeordneter Cramer?
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- Er ist einverstanden. Ich rufe also auch die Frage XI /8 auf:
Ist die Bundesregierung der Auffassung, daß § 14 Abs. 3 der Fernsprechordnung mit den allgemeinen Rechtsgrundsätzen zu vereinbaren ist, wonach bei einem Wohnungswechsel der neue Wohnungsinhaber für die Telefonschulden des vorherigen Mieters haftet?
Zu Frage XI /7: Ja, das wäre technisch möglich.
Zu Frage XI /8: § 14 Abs. 3 der Fernsprechordnung bestimmt nicht, daß „bei einem Wohnungswechsel der neue Wohnungsinhaber für die Telefonschulden des vorherigen Mieters haftet". Diese Bestimmung regelt vielmehr lediglich den Fall, daß ein Wohnungsnachfolger auf seinen eigenen Antrag das Fernsprechteilnehmerverhältnis des Vormieters übernimmt, der seinerseits aus dem Teilnehmerverhältnis ausscheidet. Der neue Mieter tritt hier also freiwillig in ein fremdes Rechtsverhältnis ein. Der Grundsatz, daß ein Übernehmender für bestehende Verbindlichkeiten haftet, ist der Rechtsordnung im übrigen nicht fremd; dies gilt z. B. im Falle der Vermögensübernahme gemäß § 419 BGB.
Mit Wirksamwerden der Übertragung scheidet der bisherige Fernsprechteilnehmer aus dem Teilnehmerverhältnis aus; er schuldet somit Gebühren nur bis zu diesem Zeitpunkt. Würden die Bestimmungen der Fernsprechordnung vorsehen, daß der Übernehmer nur die Gebühren ab Wirksamwerden der Übertragung schuldet, müßte die Deutsche Bundespost als Gebührengläubiger nachweisen, welche Gebühren im einzelnen jeweils zu Lasten des alten und des neuen Teilnehmers gehen. Da der Deutschen Bundespost der genaue Zeitpunkt des Übergangs der tatsächlichen Herrschaft über die Teilnehmereinrichtung fast stets unbekannt ist, auch eine mit diesem Zeitpunkt sich völlig deckende Gebührenfeststellung - Zählerablesung - sich nicht durchführen läßt, befände sie sich im Streitfalle in einer ausweglosen Beweisnotlage.
Eine Zusatzfrage.
Herr Minister, zu Ihrer ersten Antwort eine Frage. Sie sagen: Es ist technisch möglich. Sind Sie bereit zu prüfen, ob es auch durchgeführt werden soll oder kann?
Wenn ich sage, daß es technisch möglich ist, so bin ich noch lange nicht bereit, das auch technisch durchzuführen; denn wir haben in unserem neuen Fernsprechapparat, der 1965 in den Verkehr gegeben worden ist, die Einrichtung geschaffen, daß der Läutton leise und laut gestellt werden kann. Ich bin der Meinung, daß mit dieser Einrichtung die Wünsche, die hier laut wurden, erfüllt worden sind.
Herr Minister, wären Sie dann, wenn solche Anregungen von mehreren Seiten kommen, bereit, die Frage der Einführung zu prüfen?
Ja, prüfen, das mache ich sehr gerne, Herr Abgeordneter.
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Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Minister, halten Sie es für moralisch vertretbar, daß man von dem neuen Besitzer der Wohnung und des Anschlusses die Gebühren verlangt, die der Vorbesitzer verursacht hat?
Herr Abgeordneter, ich verweise auf meine Antwort zu Ihrer Frage, die ich hier - rechtlich streng fixiert - gegeben habe.
Noch eine Zusatzfrage.
Wird denn dem Nachfolger, der den Anschluß übernimmt, mitgeteilt, daß der Vorbesitzer Schulden bei der Post hat?
Das Rechtsverhältnis, das Sie Ihrer Frage zugrunde gelegt haben, tritt ja überhaupt nur auf eigenen Antrag, nicht durch eine einseitige Verfügung von uns ein.
Ich rufe die Frage XI /9 des Abgeordneten Dr. Müller-Emmert auf:
Wird der Bundespostminister im Interesse einer dringend notwendigen Verbesserung der Fernsehversorgung im Raume Glan-Münchweiler, Kreis Kusel, darauf hinwirken, daß Glas Fernmeldetechnische Zeniralamt dem Südwestfunk auf seinen Antrag voie 24. August 1965 hin eine Lizenz für den bereits errichteten Füllsender auf dem Springerberg erteilt, so daß damit zugleich das Bundespostministerium die Verhandlungen mit dein benachbarten Ausland wegen des zu benützenden Sendekanals aufnehmen kann?
Der Fragesteller hat sich mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt. Die Antwort liegt noch nicht vor. Sie wird nach Eingang im Sitzungsbericht abgedruckt.
Ich rufe nunmehr die dringlichen mündlichen Anfragen auf - Sie finden sie auf Drucksache V/169 -, zunächst die Frage 1 des Abgeordneten Mattick:
Welchen Auftrag hat die Bundesregierung dem Mitglied des Bundestages und des Abgeordnetenhauses von Berlin, Herrn Lemmer, erteilt?
Bitte, Herr Vizekanzler!
Dr. Mende, Stellvertreter des Bundeskanzlers: Herr Präsident, darf ich die Fragen 1 und 2 des Herrn Abgeordneten Mattick gemeinsam beantworten?
Sind Sie damit einverstanden?
Ja.
Dann rufe ich auch die zweite Frage auf:
Welche Kompetenzen hat Herr Lemmer?
Dr. Mende, Stellvertreter des Bundeskanzlers: Der von dem Herrn Bundeskanzler mit dem Schreiben vom 17. Dezember 1965 erteilte Sonderauftrag an den Herrn Bundesminister a. D. Ernst Lemmer umfaßt die Wahrnehmung der Verbindung zu den politischen und kulturellen Kräften Berlins. Besonderer Wert soll dabei auf eine Verstärkung der kulturellen und publizistischen Ausstrahlung Berlins im In- und Ausland gelegt werden.
Auf eine Präzisierung dieses Auftrags ist bewußt verzichtet worden, um der politischen Vorstellungskraft keine Zügel anzulegen.
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Natürlich muß sich Bundesminister a. D. Lemmer ganz im Rahmen der Regierungspolitik bewegen.
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Entsprechende Abmachungen sind mit Bundesminister a. D. Ernst Lemmer getroffen worden.
Zu Frage 2: Besondere Kompetenzen sind mit dem Auftrag an Bundesminister a. D. Ernst Lemmer nicht verbunden.
Zusatzfrage.
Herr Minister, ist Ihnen entgangen, daß der Bundesminister a. D. Lemmer u. a. Mitglied des Bundestages und Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses ist, in beiden Fällen für die CDU gewählt? Ist das mit der Aufgabe vereinbar, die Sie dem Herrn Minister a. D. Lemmer übertragen haben? Ist denn Herr Minister a. D., Bundestagsabgeordneter und Berliner Abgeordneter Lemmer irgendwie an Weisungen gebunden, wenn er sich im Rahmen der Regierungspolitik halten muß? Haben Sie diese
Frage überhaupt geprüft, daß es sich nicht nur um Herrn Minister a. D. Lemmer, sondern um den Bundestagsabgeordneten und das Mitglied des Abgeordnetenhauses handelt?
Dr. Mende, Stellvertreter des Bundeskanzlers: Diese Frage, Herr Abgeordneter Mattick, ist selbstverständlich geprüft worden. Es gibt auch schon in der Vergangenheit einen ähnlichen Fall, in dem ein Mitglied des Hohen Hauses einen Sonderauftrag erhalten hatte. Ich erinnere an den Auftrag an den Bundestagsabgeordneten Dr. Bucerius zur Förderung der Berliner Wirtschaft. Im Falle des Kollegen Lemmer ist eine ähnliche Konstruktion gewählt worden.
({0})
- Ohne Kompetenzen, die über das hinausgehen, was in diesem politischen Sonderauftrag beinhaltet ist.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Minister, die „Frankfurter Rundschau" schrieb in diesem Zusammenhang als Bericht:
Es ist gedacht an eine kulturelle und publizistische Betreuung des Landes Berlin.
Können Sie einmal näher erklären, was mit der „publizistischen Betreuung" gemeint ist, die hier einem Minister a. D. übertragen wird, der gleichzeitig Bundestagsabgeordneter und Berliner Abgeordneter der CDU ist?
Dr. Mende, Stellvertreter des Bundeskanzlers: Bei dem guten Verhältnis, dessen sich der Kollege Ernst Lemmer zu allen drei Parteien des Berliner Abgeordnetenhauses erfreuen kann, sieht die Bundesregierung keine Gefahr, daß dieser Sonderauftrag etwa parteipolitisch einseitig wahrgenommen werden könnte.
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Zusatzfrage.
Ich kenne Herrn Minister a. D. Lemmer, unseren Kollegen, ebenfalls. Halten Sie es für möglich, daß ein Abgeordneter des Bundestages und des Berliner Abgeordnetenhauses mit dem Doppelmandat für die CDU diese Überparteilichkeit wahren kann, und woran kann die Berliner Bevölkerung feststellen, oh der Herr Minister a. D. und Bundestagsabgeordnete und Abgeordnete des Berliner Abgeordnetenhauses im Rahmen seines Regierungsauftrages spricht oder als Abgeordneter des Bundestages oder des Berliner Abgeordnetenhauses?
Dr. Mende, Stellvertreter des Bundeskanzlers: Das langjährige Mitglied des Hauses Ernst Lemmer und der langjährige Bundesminister Ernst Lemmer erfreut sich im In- und Ausland, insbesondere auch in Mitteldeutschland, hoher Wertschätzung. Wir glaubten, daß wir diesen Namen und seine publizistischen und politischen Fähigkeiten mit diesem Sonderauftrag verbinden sollten.
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Letzte Zusatzfrage.
Herr Minister, ich bitte um Entschuldigung, aber Sie haben meine Frage, was man unter „publizistischer Betreuung des Landes Berlin" versteht, noch nicht beantwortet.
Dr. Mende, Stellvertreter des Bundeskanzlers: Ich meinte schon in dem zweiten Teil meiner Antwort gesagt zu haben, daß die Bundesregierung auf eine Präzisierung verzichtet hat und das der Entwicklung überlassen möchte.
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Ich kann mir aber beispielsweise vorstellen, daß die besondere Lage Berlins es gebietet, daß in der Auslandspresse von Herrn Lemmer verfaßte Namensartikel zu lesen sein werden, die der Lage Berlins und auch den besonderen Umständen gerecht werden. Ich kann mir denken, daß Ernst Lemmer im Ausland als Sonderbeauftragter des Bundeskanzlers Vorträge halten wird und damit publizistisch zu einer größeren Beachtung der Sorgen in bezug auf Berlin beitragen wird.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Wehner.
Ich bedanke mich, Herr Minister, daß Sie uns immerhin die Möglichkeit geben, etwas von dem zu ahnen, was dem Kabinett vorgeschwebt hat, als es etwas tat, was es nun der Entwicklung überläßt. Meine Frage aber ist, ob es zur besonderen Unterstreichung der Bedeutung von Artikeln, die namentlich gezeichnet sind, und zur besonderen Unterstreichung von Vorträgen, die ja der geschätzte Kollege Lemmer mit unbestreitbarem positivem Echo z. B. im Kreise der Straßburger Europaratsabgeordneten gehalten hat - ohne diesen besonderen Ausweis, bei dem der Entwicklung überlassen wird, was eigentlich daraus wird, zu haben -, einer solchen eigentümlichen und vielleicht doch eher zu Verwirrung Anlaß gebenden Ernennung bedurfte, von der man nicht recht weiß: Wozu ist hier jemand ernannt, einer, den man persönlich schätzt und dessen Wirkungen man auch so einschätzt wie Sie?
Dr. Mende, Stellvertreter des Bundeskanzlers: Herr Kollege Lemmer ist vom Herrn Bundeskanzler nach Anhörung des Bundeskabinetts zum Sonderbeauftragten ernannt worden, und ich glaube, daß auch die Artikel, die er jetzt als Sonderbeauftragter des Bundeskanzlers schreiben wird, sicher einen höheren Rang haben werden als die, die er als Abgeordneter schrieb.
({0})
Eine weitere Zusatzfrage, Abgeordneter Wehner.
Herr Bundesminister, würden Sie nicht mit überlegen, ob eine solche Vorweg-Qualifikation von Artikeln anderen Artikeln abträglich sein kann, die in ebenso gutem Glauben, in ebenso guter Absicht für die deutsche Sache, für Berlin usw. von anderen geschrieben werden, die nicht diese besondere Note bekommen haben?
Dr. Mende, Stellvertreter des Bundeskanzlers: Herr Kollege Wehner, ich sage ja, daß der Kollege Lemmer diese Artikel und seine publizistische Tätigkeit in ausdrücklichem Auftrag des Kanzlers und im Rahmen der Regierungspolitik wird schreiben und vertreten müssen. Das ist etwas anderes, als wenn er nur als Abgeordneter handeln würde.
Ich danke. Das ist Stoff für eine Debatte über Publizistik.
Das Wort zu einer Zusatzfrage hat der Abgeordnete Schmitt-Vockenhausen.
Herr Minister Mende, sind Sie sich bewußt, daß Ihre Antworten heute hier deutlich gemacht haben, daß gute Verwaltungsgrundsätze gebrochen worden sind, um ein Trostpflaster für einen ausgeschiedenen Minister zu haben?
Dr. Mende, Stellvertreter des Bundeskanzlers: Ich darf diese Frage wohl als eine rhetorische Frage verstehen, und damit erübrigt sich die Antwort.
({0})
Zu einer Zusatzfrage Abgeordneter Dr. Mommer.
Herr Minister, könnten Sie uns sagen, wie glücklich der also belohnte bisherige Minister selber über diese Belohnung ist?
({0})
Dr. Mende, Stellvertreter des Bundeskanzlers: Über Gemütslagen von Mitgliedern dieses Hauses auszusagen, sieht sich die Bundesregierung nicht in der Lage.
({1})
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Schulz.
Herr Minister, hält es die Bundesregierung nicht einer sehr sorgfältigen Untersuchung und Überprüfung für wert, ob die Sonderbeauftragung eines Bundestagsabgeordneten durch die Exekutive, noch dazu von unbestimmter Dauer, allgemein und prinzipiell mit der Bestimmung des Grundgesetzes vereinbar ist, wonach ein Abgeordneter an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur seinem Gewissen unterworfen ist?
Dr. Mende, Stellvertreter des Bundeskanzlers: Die Prüfung, die dieserhalb erfolgt ist, hat die Vereinbarkeit bejaht. Im übrigen verweise ich auf das, was zu der Frage Dr. Bucerius hier von mir schon gesagt wurde.
Ich rufe Frage 3 des Abgeordneten Liehr auf:
In welchem Verhältnis steht der Bundesbevollmächtigte, Herr Staatssekretär Krautwig, zu Herrn Lemmer und dessen Auftrag?
Dr. Mende, Stellvertreter des Bundeskanzlers: Herr Präsident, darf ich die Fragen 3 und 4 gemeinsam beantworten?
Einverstanden! Ich rufe auch Frage 4 des Abgeordneten Liehr auf:
Hat die Bundesregierung vor der Erteilung des Auftrages an Herrn Lemmer mit der Landesregierung Berlin über seinen Auftrag verhandelt bzw. die Berliner Landesregierung wenigstens vorher über Absicht, Art und Umfang des Auftrages informiert?
Dr. Mende, Stellvertreter des Bundeskanzlers: Die Aufgaben des Bevollmächtigten der Bundesrepublik Deutschland in Berlin, des Herrn Staatssekretärs Dr. Krautwig, bleiben durch den Sonderauftrag an den Herrn Bundesminister a. D. und Abgeordneten Ernst Lemmer unberührt. Dies ist in dem Auftragsschreiben des Herrn Bundeskanzlers ausdrücklich gesagt. Durch die Persönlichkeit der beiden Herren ist gewährleistet, daß sie gut zusammenarbeiten werden.
Vor der Erteilung des Sonderauftrages an den Kollegen und Bundesminister a. D. Ernst Lemmer am 17. Dezember 1965 ist der Bevollmächtigte des Landes Berlin beim Bund, Herr Senator Schütz, durch den Herrn Bundesminister Dr. Westrick unterrichtet worden.
Eine Zusatzfrage.
Herr Minister, wie verträgt sich die Erteilung des Auftrages an Herrn Lemmer mit der Notwendigkeit, die Repräsentanz des Bundes in Berlin besser als bisher zu koordinieren sowie unklare Zuständigkeiten zu vermeiden?
Dr. Mende, Stellvertreter des Bundeskanzlers: Der Bevollmächtigte der Bundesrepublik Deutschland ist, wie Sie wissen, gleichzeitig Staatssekretär im Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen. Dadurch ist eine stärkere Koordinierung aller gesamtdeutschen und Berliner Fragen gewährleistet, zumal sich Staatssekretär Krautwig als Bevollmächtiger auf die Hilfe der Berliner Abteilung des gesamtdeutschen Ministeriums stützen kann.
Eine Zusatzfrage.
Herr Minister, ist die Beauftragung des Herrn Lemmer, die er - in wesentlicher Erweiterung Ihrer Darstellung - der Presse gegenüber als zur Pflege der Verbindungen zu den kulturellen und politischen Kräften der Stadt kennzeichnete, darauf zurückzuführen, daß eine solche Pflege der Verbindungen bisher durch die Bundesregierung vernachlässigt wurde?
Dr. Mende, Stellvertreter des Bundeskanzlers: Das kann man nicht behaupten. Aber von Jahr zu Jahr hat sich die Position Berlins, wie Sie wissen, nicht erleichtern lassen, sondern sie ist schwieriger geworden. Je mehr in der Welt die Gefahr droht, daß man sich an den Status quo des geteilten Berlin und des geteilten Deutschland gewöhnen könnte, um so nachdrücklicher muß die Bundesregierung dieser Gewöhnungstendenz im In- und Ausland entgegentreten.
Eine Zusatzfrage.
Herr Minister, aus welchem Titel des Haushalts und in welcher Höhe soll der für Herrn Lemmer als erforderlich angesehene Aufwand finanziert werden?
Dr. Mende, Stellvertreter des Bundeskanzlers: Diese Frage wird im Haushaltsausschuß durch den Vertreter des Bundeskanzleramts beantwortet werden müssen, weil diese Fragen haushaltsrechtlicher Art noch nicht abschließend geregelt sind.
Letzte Zusatzfrage.
Darf ich fragen, ob Sie diese Aussage in Ihrer Eigenschaft als Vizekanzler oder als Minister gemacht haben?
Dr. Mende, Stellvertreter des Bundeskanzlers: In beiden Eigenschaften.
Das Wort zu einer Zusatzfrage hat der Abgeordnete Jahn.
Herr Minister, sind Sie bereit, das Beauftragungsschreiben des Herrn Bundeskanzlers an Herrn Lemmer hier im Wortlaut bekanntzugeben?
Dr. Mende, Stellvertreter des Bundeskanzlers: Da es sich hier um einen Vorgang handelt, der zunächst im Gesamtdeutschen Ausschuß und im Haushaltsausschuß abschließend behandelt werden sollte, auch wegen der Stellenanforderungen - ich verweise auf die eben beantwortete Frage -, halte ich es nicht für gut, bereits in diesem Zeitpunkt das Schreiben bekanntzugeben.
Eine weitere Zusatzfrage.
Was haben diese Vorbehalte mit der rein sachlichen Frage nach dem Inhalt des Auftrags zu tun, der erteilt worden ist?
Dr. Mende, Stellvertreter des Bundeskanzlers: Ich glaube, es ist besser, vor den zuständigen Ausschüssen die ganze Frage zu präzisieren, bevor man jetzt schon hier den Wortlaut mitteilt.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Wehner.
Herr Minister, ist es nicht ein eigenartiger Widerspruch, daß Sie auf der einen Seite sagen, der drohenden Gewöhnung an den Status quo müsse durch solche, ich sage: Amtlichkeit oder Halbamtlichkeit entgegengewirkt werden, wenn Sie auf der anderen Seite die Abgeordneten, die das selbstverständliche Verlangen haben, daß nun mit der Ernennung und mit dem Beauftragungsschreiben deutlich gemacht wird, welches die exakt gegebenen Aufträge sind, auf eine Zeit vertrösten, in der über den Stellenplan geredet werden wird?
Dr. Mende, Stellvertreter des Bundeskanzlers: Herr Kollege Wehner, ich habe über den Auftrag bei der Beantwortung der beiden Fragen des Kollegen Mattick gesprochen. Hier geht es um die Frage der Bekanntgabe eines Schreibens. Ich bin nicht bereit, das Schreiben in diesem Zeitpunkt bekanntzugehen. Ich halte es für besser, das Schreiben erst dem Ausschuß für gesamtdeutsche und Berliner Fragen zur Kenntnis zu bringen, der in dieser Frage eine besondere Verantwortung auch vor diesem Haus trägt.
Das Wort zu einer Zusatzfrage hat Herr Abgeordneter Mattick.
Herr Minister, sind Sie bereit, mir zuzustimmen, daß die erste wirkliche Information, die der Berliner Senat bekommen hat, an Herrn Senator Schütz im Zusammenhang mit der Berufung des Herrn Ministers a. D. Lemmer gegeben wurde? Und darf ich fragen, ob Sie diese Form für gut und richtig halten, daß die Bundesregierung einen Minister a. D. für eine Berlin-Aufgabe beruft, ohne vorher mit dem Berliner Senat darüber und über Form und Art eines solchen Auftrags überhaupt zu verhandeln. Würden Sie sich einer CDU-Landesregierung gegenüber genauso verhalten?
Dr. Mende, Stellvertreter des Bundeskanzlers: Herr Kollege Mattick, die Frage der Ernennung eines neuen Bevollmächtigten in Berlin nach dem Ausscheiden des früheren Bevollmächtigten und jetzigen Abgeordneten Felix von Eckardt hat eine mehrwöchige öffentliche Erörterung erfahren; es waren verschiedene Vorschläge zu lesen. Ich selber habe bei meinem ersten Besuch nach Wiederübernahme meines Amtes dem Regierenden Bürgermeister von Berlin und Herrn Senator Schütz meine Meinung zu dieser Frage gesagt. Ich glaube also, dieses Thema kam nicht überraschend! Der Gedanke
Stellvertreter des Bundeskanzlers Dr. Mende
L) der Ernennung von Ernst Lemmer zum Sonderbeauftragten kam erst im letzten Stadium auf. Das wurde durch den Bundesminister Westrick zeitgerecht, nämlich am 17. Dezember, Herrn Senator Schütz mitgeteilt; da stand diese Frage erst endgültig zur Entscheidung.
Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Schellenberg.
Ich frage: Hängt die Ernennung des Sonderbeauftragten, der Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses ist, etwa mit den Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus zusammen? Können Sie das mit Sicherheit ausschließen, Herr Vizekanzler?
({0})
Dr. Mende, Stellvertreter des Bundeskanzlers: Herr Kollege Professor Schellenberg, nach den Beratungen im Bundeskabinett und nach allem, was mir an Informationen zugänglich war, kann ich das mit Sicherheit ausschließen.
({1})
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Büttner.
Herr Minister, darf ich aus der
Antwort, die Sie dem Kollegen Jahn gegeben haben -- wonach Sie sich weigern, den Inhalt des Auftragsschreibens bekanntzugeben -, entnehmen, daß Sie uns, was den Auftrag angeht, hier und heute nicht alles gesagt haben?
Dr. Mende, Stellvertreter des Bundeskanzlers: Doch, ich habe Ihnen alles gesagt, auch den wesentlichen Inhalt des Schreibens. Aber der Bundeskanzler ist nicht anwesend. Das Schreiben des Bundeskanzlers hier im Wortlaut ohne Rückfrage beim Bundeskanzler bekanntzugeben, hielte ich für taktlos. Es hier im Hause bekanntzugeben, ohne daß dem Gesamtdeutschen Ausschuß darüber berichtet worden ist, hielt ich bei der Geschäftslage des Hauses für falsch. Der Gesamtdeutsche Ausschuß wird am 20. Januar in Berlin diese Frage behandeln.
Letzte Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Büttner.
Herr Bundesminister, darf ich Sie dann bitten, dem Herrn Bundeskanzler nahezulegen, uns das Schreiben sobald wie möglich bekanntzugeben.
Dr. Mende, Stellvertreter des Bundeskanzlers: Ich werde dieses Schreiben - selbstverständlich nach Rückfrage beim Bundeskanzler -- dem Gesamtdeutschen Ausschuß am 20. Januar im Wortlaut vorlesen bzw. dem Vorsitzenden eine Photokopie dieses Schreibens übergeben.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Mattick.
Herr Minister, ist Ihnen bekannt, daß der Berliner Senat seit langem auf die Antwort auf einen Brief wartet, in dem er die Frage stellte, wie die Kompetenzen des Herrn Ministers a. D. Lemmer geordnet seien?
Dr. Mende, Stellvertreter des Bundeskanzlers: Herr Kollege Mattick, der Regierende Bürgermeister von Berlin hat mit einem Schreiben vom 21. Dezember 1965 den Herrn Bundeskanzler nach den Zuständigkeiten des Kollegen Ernst Lemmer gefragt. Das Schreiben ist beantwortet; es müßte jetzt schon in den Händen des Herrn Regierenden Bürgermeisters sein.
({0})
- Es lag die Weihnachts- und Neujahrspause dazwischen, wie Sie wissen.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Müller ({0}).
Herr Bundesminister, sind Sie mit mir der Meinung, daß die Frage des Abgeordneten Dr. Schellenberg und einige vorausgegangene Fragen der Sache nicht mehr gedient haben?
({0})
Dr. Mende, Stellvertreter des Bundeskanzlers: Herr Kollege Müller, als Mitglied der Bundesregierung steht mir ein Urteil über die Qualität von Fragen der Abgeordneten nicht zu.
({1})
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Ertl.
Herr Bundesminister, ist es vielleicht möglich, daß der Regierende Bürgermeister deshalb den Brief nicht rechtzeitig lesen konnte, weil er eine Reise nach Rom zum Papst antreten mußte?
({0})
Dr. Mende, Stellvertreter des Bundeskanzlers: Ich möchte glauben, Herr Kollege Ertl, daß die Weihnachts- und Neujahrspause zu einem verspäteten Eingang geführt hat. Über die Terminplanung des Regierenden Bürgermeisters ist die Bundesregierung im einzelnen nicht informiert.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Wehner.
Herr Bundesminister, um auf eine solche Frage eine Antwort zu geben: Wäre es nicht angemessen, daß Sie uns wenigstens mitteilten, unter welchem Datum die Antwort an den Senat von Berlin hier verfertigt und abgeschickt worden ist?
({0})
Dr. Mende, Stellvertreter des Bundeskanzlers: Das genaue Datum werde ich beim Chef des Kanzleramtes, Bundesminister Westrick, sofort erfragen. Ich weiß nur, daß der Brief abgegangen ist. Aber ich kann Ihnen das genaue Datum in 5 Minuten mitteilen.
Eine weitere Zusatzfrage.
Können auch Daten im Bundestag erst nach vorheriger Absprache mitgeteilt werden?
Dr. Mende, Stellvertreter des Bundeskanzlers: Herr Kollege Wehner, ich habe mit so präzisen Fragen - nach dem Datum des Briefes - nicht gerechnet. Ich habe mit großzügigeren Fragen gerechnet.
({0})
Verzeihen Sie, wenn ich das Datum nicht hier vorliegen habe.
({1})
Die Fragen sind beantwortet.
Meine Damen und Herren, ich habe eine weitere Dringlichkeitsfrage, die Ihnen noch nicht vorliegt. Sie ist noch nicht ausgedruckt. Aber der Herr Minister für das Post und Fernmeldewesen ist bereit, sie zu beantworten.
Ich lese die Frage vor, damit Sie wissen, worauf sich die Antwort bezieht. Fragesteller ist Herr Abgeordneter Dr. Müller ({0}) :
Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um die durch die Neuordnung des Briefverkehrs ab 1. Januar 1966 entstehende Belastung der Wirtschaft, Verwirrung der Postbeamten und Unsicherheit in der Beförderung der Briefe im bisher üblichen Format ({1}) baldmöglichst zu beseitigen?
Am 1. Januar dieses Jahres sind die Übergangsfristen zur Postordnung vom 16. Mai 1963 ausgelaufen. Eine dieser Übergangsfristen betraf die Einführung der Maßbegrenzungen für Standardbriefsendungen. Zur Gebühr für Standardbriefsendungen können seitdem nur Briefsendungen eingeliefert werden, die im Gewicht bis 20 g eine Länge zwischen 14 und 23,5 cm, eine Breite zwischen 9 und 12 cm und eine Dicke von 0,5 cm haben.
Die Einführung der Standardbriefsendungen kann für die Wirtschaft keine ernst zu nehmende Belastung bringen, weil schon vor der Veröffentlichung der Postordnung vom 16. Mai 1963 weit über 80 % aller Briefsendungen im Gewicht bis 20 g den Standardmaßen entsprachen und sich in den seitdem vergangenen 2 1/2 Jahren dank einer umfassenden Aufklärung viele Versender mit anderen Formaten auf die Standardmaße umgestellt haben. Außerdem habe ich Toleranzen zugestanden, die auch das Format DIN B 6 - 17,6 X 12,5 cm -- einschließen.
Von einer Verwirrung der Postbeamten und einer Unsicherheit in der Beförderung der Briefe im bisher üblichen Format kann keine Rede sein, denn meine Dienststellen sind über die Neuregelung zum 1. Januar 1966 wiederholt und eingehend unterrichtet worden. Die Briefsendungen werden von meinen Dienststellen wie bisher ordnungsgemäß und schnell bearbeitet.
Bei der Beanstandung der in der Anfrage genannten Briefumschläge des Bundestages im Format DIN B 6 handelt es sich um Briefe, die dieses Format geringfügig überschreiten. Die Beanstandung durch eine meiner Dienststellen ist durch eine enge, eine sehr enge Auslegung meiner Anordnung erfolgt. Ich werde dafür sorgen, daß Briefsendungen dieser Art künftig nicht beanstandet werden.
Ich darf ergänzend noch hinzufügen, Herr Präsident, daß diese Verordnung bereits am 16. Mai 1963 beschlossen wurde, daß sie am 22. Mai 1963 im Bundesgesetzblatt verkündet und am 1. August 1964 -auch mit dieser Bestimmung - in Kraft getreten ist, daß aber für diese Bestimmung eine Übergangszeit bis zum 1. Januar 1966 geschaffen worden ist. Inzwischen ist eine weitere Aufklärung der Öffentlichkeit durch folgende Maßnahmen erfolgt:
1. durch gedruckte Pressemitteilungen vom 29. Juni 1964 und - Nr. 20 - vom 18. November 1965 sowie viele Einzelmitteilungen,
2. durch den „Postbrief" vom 1. Juli 1964, vom 4. Oktober 1965 und vom 5. Dezember 1965 - insgesamt mit einer Auflage von 480 000 Stück -,
3. durch ein besonderes Merkblatt für alle Postkunden - 4 Seiten - vom Juni 1964 in einer Auflage von 2 Millionen Stück,
4. durch Vorträge und Informationsgespräche vor bzw. mit Verbänden der Wirtschaft durch den Beratungsdienst der Deutschen Bundespost usw. usw.
Es kann also keinesfalls der Bundespost der Vorwurf gemacht werden, daß die Öffentlichkeit nicht rechtzeitig auf die neuen Bestimmungen aufmerksam gemacht worden sei.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Müller.
Herr Minister, wie erklären Sie sich, daß die Poststelle hier im Bundeshaus in richtiger Auslegung - wie Sie gerade sagten - die Briefe durchläßt, daß aber der Empfänger 50 Pf Strafporto zu bezahlen hat?
Ich habe ausgeführt, daß das Format B 6 zwar innerhalb der zugelassenen Abmessungen liegt, daß aber der vom Bundestag eingelieferte Briefumschlag diese Abmessungen geringfügig überschreitet. Eine Beanstandung wäre nicht unbedingt erforderlich gewesen.
({0})
Damit für Sie als Abgeordnete und Absender von solchen Briefumschlägen - und ich hoffe, daß die Verwaltung des Bundestages sich sehr rasch auf die neuen Standardumschläge einstellt - keine Schwierigkeiten entstehen, werde ich für alle Postdienststellen eine Verfügung erlassen, daß diese geringfügige Abweichung in Zukunft bei den Empfängern nicht mehr zu beanstanden ist.
({1})
Noch eine Zusatzfrage.
Herr Minister, Sie haben vorhin bekanntgegeben, durch wieviel hunderttausend Schreiben die verschiedenen Wirtschaftsstellen informiert worden sind. Warum hat man nicht die Postscheckämter informiert, damit auch sie ein neues Format verwenden? Denn das Format der Postscheckbriefe ist das gleiche wie das der Briefe, die hier im Hause verwendet werden.
Wir werden die alten Umschläge aufbrauchen. Die neuen Umschläge entsprechen selbstverständlich den Standardmaßen.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Cramer.
Herr Minister, haben Sie eine Erklärung dafür, daß trotz Ihrer sicher ausreichenden Aufklärungsaktion diese Aufklärung nicht bis in die Bundeshausverwaltung gedrungen ist?
Das habe ich nicht zu verantworten, Herr Abgeordneter.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Minister, wäre es nicht zweckmäßig, angesichts all dieser Ausnahmegenehmigungen der Öffentlichkeit, vor allem auch den Damen und Herren des Bundestages, den Rat zu geben, den um 5 mm zu hohen Umschlag so weit überzuknicken, daß er nicht mehr zu hoch ist?
Das wäre auch ein Weg, um dieser Vorschrift auf einfachste Weise zu entsprechen. Ich bin Ihnen sehr dankbar dafür.
({0})
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Wehner.
Herr Bundesminister, habe ich Sie richtig verstanden, daß Sie in einer Ihrer Antworten angekündigt haben, Sie würden eine Richtlinie herausgeben, nach der in bestimmten Fällen zwar, wie Sie sagten, beanstandet werden kann, aber nicht beanstandet werden muß? Wenn ich Sie richtig verstanden habe, bitten ich Sie doch um eine Antwort auf folgende Frage. Wie ist es überhaupt möglich, daß man es dem einzelnen - sei es ein Amt, sei es ein Zusteller - überläßt, ob etwas zu beanstanden oder nicht zu beanstanden ist, wenn der Empfänger dafür mit Geld zu zahlen hat? Das kann ich nicht verstehen.
Herr Abgeordneter, wenn man einen Standardbrief haben will - und diesen Standardbrief mit bestimmten Längen und Breiten brauchen wir, wenn unsere Rationalisierung, d. h. die automatische Bearbeitung bei den Briefaufstellanlagen überhaupt einen Sinn haben soll -, dann braucht man bestimmte Maße. Nun gibt es ja gewisse Toleranzen, aber diese Toleranzen müssen natürlich auch ihre Grenzen haben. Diese Grenzen sind durch Anweisungen an die Dienststellen festgelegt. Um dem Empfänger oder Absender nicht unnötigen Ärger zu bereiten, bin ich, wie schon erwähnt, bereit - und das sollten Sie doch eigentlich begrüßen -, auch die Fälle der hier vorgebrachten Art durch eine weitere Verfügung klarzustellen.
Zusatzfrage.
Ich bin durchaus bereit, das zu begrüßen, Herr Minister, weil das ja eine Ordnung schafft. Nur wollte ich im nachhinein gern wissen, wie es möglich war, daß bei solcher Toleranz der eine dafür bezahlen muß und der andere nicht, ohne daß es dafür eine bestimmte Regel gibt. Ich bin mir darüber im klaren, daß es immer Härten gibt, wenn man an einer bestimmten Grenze angelangt ist. Aber wie kann man einerseits bezahlen müssen und andererseits nicht bezahlen müssen, weil da eine bestimmte Toleranzgrenze in welches Menschen Ermessen gesetzt ist? Das war mir nicht recht klar.
Hier ist nur die Frage aufgeworfen worden, daß der eine diese Übertoleranz festgestellt hat und der andere nicht. Herr Wehner, das ist immer so im Leben. Sie können falsch parken und werden erwischt; Sie können ein bißchen falsch parken und werden nicht erwischt, oder umgekehrt. Das ist nun einmal so im Leben.
Mir ginge es nur urn diejenigen, die dafür bezahlen müssen und nichts dafür können.
Ja, sicher.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Neumann ({0}).
Herr Minister, der Bundestagsbriefumschlag und der Postscheckbriefumschlag haben DIN-Format. Müßte es nicht das Ziel der Deutschen Bundespost sein, die von der deut494
Neumann ({0})
schen Wirtschaft geförderten Maße auch bei sich zu verwirklichen?
Ja, natürlich ist das unser Bestreben. Im Rahmen des Standardbriefformats liegen auch die gebräuchlichsten DIN-Formate.
Entschuldigung, meine Frage lautete wie folgt. Der Bundestagsbriefumschlag und der Postscheckbriefumschlag haben DIN- Format. Jetzt schaffen Sie wiederum neue Maße. Aus welchen Gründen?
Herr Abgeordneter, ich habe mich vorhin bemüht, das darzulegen. Wenn ich eine Automatisierung im Briefdienst erreichen will, die bei insgesamt 9 Milliarden Briefen im Jahr angesichts des Mangels an Arbeitskräften einfach erforderlich ist, dann kann ich nicht alle Maße zulassen, sondern muß Maßbeschränkungen einführen. Sonst müßte ich eine so komplizierte Maschine haben, daß die Rentabilität nicht mehr sichergestellt ist.
Maßstäbe auf DIN- Grundlage!
Im übrigen, Herr Abgeordneter, darf ich Ihnen sagen, daß die Maße, die Deutschland eingeführt hat, im Weltpostvertrag als Standardbriefmaße für die ganze Welt - nicht nur für Deutschland - verankert sind.
Zu einer Zusatzfrage Frau Abgeordnete Freyh.
Herr Minister, werden Sie die von Ihnen angedeutete vorübergehende Toleranz gegenüber Briefumschlägen des Deutschen Bundestages und der Postscheckämter auch auf andere Sendungen ausdehnen oder Ihre Dienststellen lediglich auf diese beiden Bereiche aufmerksam machen?
Natürlich kann ich das nicht nur für diese beiden Briefumschläge, für die gelben und für die mit dem Bundesadler versehenen, vorsehen. Wenn eine geringfügige Ausweitung der Toleranz hingenommen werden soll, dann gilt das selbstverständlich auch für gleichgeartete Umschläge, ganz gleich welche Farbe und welche Absendermerkmale sie haben.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Rutschke.
Die Frage erübrigt sich, weil die Frau Kollegin soeben die gleiche Frage gestellt hat.
Herr Abgeordneter Gscheidle zu einer Zusatzfrage.
Herr Minister, ergibt sich auf Grund Ihrer Antwort auf die Frage des Herrn Abgeordneten Wehner nicht eine äußerst interessante Rechtsfrage? Wenn ich Sie richtig verstanden habe, dann haben jene Postbeamten, die Strafporto erhoben haben, die Bestimmung der Postordnung zu eng ausgelegt. Im Interesse der Rechtsgleichheit und Rechtssicherheit ist ein solches Verfahren in einer öffentlichen Verwaltung nicht zu akzeptieren, und das würde, wenn Sie bei Ihrer Auskunft bleiben, bedeuten, daß sämtliche erhobenen Strafportos zurückgezahlt werden müßten.
Nein, die Rechtsgrundlage läßt, wie ich glaube, Herr Gscheidle, eine solche Auslegung nicht zu. Im übrigen wissen Sie, daß bei der Feststellung des Maßes und der damit verbundenen zusätzlichen Gebühr Menschen am Werke sind; und daß verschiedene Menschen gelegentlich auch verschieden entscheiden, das werden Sie sicherlich in Kenntnis der Verhältnisse bei uns nicht bestreiten.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Minister, Sie haben vorhin ausgeführt, daß demnächst noch die Bestände an Postscheckbriefen der Bundespost verbraucht werden würden. Glauben Sie nicht, daß die Lagerbestände der Bundespost - die Umstellung war seit 1964 in Vorbereitung - erheblich zu hoch sind und damit auf Grund der hohen Lagerhaltungskosten und der Zinskosten finanzielle Nachteile für die Bundespost verbunden sind?
herr Abgeordneter, Sie scheinen völlig übersehen zu haben, daß die Postscheckbriefe nicht bei uns, sondern beim Postscheckkunden lagern und daß der Postscheckkunde mindestens 50 Postscheckbriefe bei einer Sendung erhält. In welchem Zeitraum er sie aufbraucht, ist nicht in das Ermessen der Bundespost, sondern allein in das Ermessen des Postscheckkunden gelegt. Deshalb treten nicht bei der Zentrale der Deutschen Bundespost Kosten und Lagerbestände auf, sondern beim Teilnehmer, und das ist leider nicht zu verhindern.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Mommer.
Herr Minister, wären Sie bereit, das entstandene Durcheinander dadurch zu beseitigen, daß Sie das Datum für die Geltung der neuen Bestimmungen vom 1. Januar 1966 zurücknehmen und es etwa auf den 1. Juli dieses Jahres verlegen?
Nein, Herr Abgeordneter Mommer, daBundesminister Stücklen
zu bin ich nicht bereit; denn das würde ja an der Situation gar nichts ändern. Die Postordnung, die übrigens einstimmig beschlossen worden ist, besteht seit 1963. Sie ist auch von jenen Herren beschlossen worden, die heute hier Fragen zu dieser Materie gestellt haben. Ich darf weiter ergänzend sagen, daß wir mit viel Aufwand an Information gearbeitet haben und daß es nicht das Versehen der Bundespost ist, daß wir heute noch solche Umschläge haben, sondern daß das Versehen woanders liegt, nicht bei der Bundespost, auch nicht bei Ihnen als Abgeordneten.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Mommer.
Und wie ist es bei den Postscheckämtern, die Ihnen auch unterstehen und die heute noch Umschläge ausgeben und verwenden, die ihren eigenen Bestimmungen nicht entsprechen?
Herr Abgeordneter Mommer, die Briefumschläge, die wir herausgeben, entsprechen den Ausmaßen. Aber es gibt Postscheckteilnehmer, die alte Briefe vielleicht noch auf Jahre hinaus vorrätig haben, weil sie wenig Postscheckverkehr haben. Für Briefe der angesprochenen Art halte ich den vorgeschlagenen Weg für den besten. Dann brauchen wir die Postordnung nicht nochmals zu ändern, und es würde an der Sache weiter nichts geändert werden.
Herr Abgeordneter Müller, Sie haben Ihre Zusatzfragen schon verbraucht. Damit ist diese Frage beantwortet.
Wir gehen jetzt zurück zu den Fragen auf Drucksache V/161 und zwar zu VII - Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten -. Frage VII /l, Herr Abgeordneter Flämig.
Wann gedenkt die Bundesregierung, dem Bundestag eine Novelle zum Brotgesetz vom 17. Juli 1930 vorzulegen, um -wie im Dezember 1965 angekündigt -- angesichts der veränderten Verhältnisse auf dem Verbrauchermarkt auch den Verkauf von ganzen Roggenmischbroten im Gewicht von 500 Gramm gesetzlich zuzulassen?
Ich darf die Frage wie folgt beantworten. Die notwendige Abstimmung mit den beteiligten Ressorts steht unmittelbar vor ihrem Ende, so daß die Vorlage von dem Kabinett in den nächsten Wochen verabschiedet werden kann. Dem Verbraucher entsteht aber in der Zwischenzeit kein Schaden, weil es bereits Praxis ist, Roggenbrot von 1 kg in zwei Teile zu je 500 g zu teilen. Diese Praxis hat sich bewährt.
Zusatzfrage.
Herr Minister, ist Ihnen bekannt, daß der in der schriftlichen Antwort der Bundesregierung auf die Frage meines Kollegen Schwabe im Dezember 1965 erteilte Ratschlag an die Verbraucher, sie sollten doch geschnittenes Brot kaufen, nicht mehr und nicht weniger bedeutet als die Aufforderung, pro Nun Roggeninischbrot 30 bis 40 PI mehr zu bezahlen, als erforderlich wäre, worin es 1-Pfund-Brote im ganzen gäbe?
Herr Kollege, das war eine andere Variation. Ich habe hier das Beispiel vorgetragen, das in der Praxis üblich ist und das keine zusätzlichen Kosten verursacht, an Stelle eines 500-
Gramm-Brotes, das nach den bestehenden Brotgesetzen nicht gebacken werden darf, die Hälfte eines Kilogrammbrotes zu kaufen. Das ist durchaus zumutbar, üblich und praktisch.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Minister, darf ich aus der Tatsache, daß Sie Ihre Meinung von Dezember 1965 bis Januar 1966 geändert haben, entnehmen, daß Sie mit mir der Meinung sind, daß eine gesetzliche Erlaubnis, 500-Gramm-Roggenmischbrot herzustellen, ein wertvoller Beitrag in dem Bemühen ist, die erheblich gestiegenen Kosten für die Lebenshaltung, in diesem Fall für Alleinstehende, zu senken?
Herr Kollege, ich habe nicht die Meinung geändert, sondern ich habe damals ein Beispiel des Ausweichens vorgetragen, heute ein zweites, so daß Sie Ihre Auftraggeber auch belehren können, daß sie die eine oder die andere Möglichkeit haben. Im übrigen bin ich mit Ihnen der Meinung, daß wir das Gesetz ändern müssen. Diese Änderung ist vorbereitet, und sie wird sich sehr rasch vollziehen, nachdem ich gehört habe, daß der Bundestag ohne Arbeit ist.
Die Frage VII/ 2 des Abgeordneten Bading:
hält die Bundesregierung ihre bisherige Begründung des gewährten Zuschusses zur Schulmilchspeisung, die wie folgt lautet:
Die Steigerung des Trinkmilchabsatzes ist sowohl im Interesse der Landwirtschaft als auch der Verbraucher eine dringende Forderung. Um dieses Ziel auf die Dauer zu erreichen, ist es notwendig, schon den jungen Menschen die wertvollen Bestandteile der Milch ({0}) zuzuführen und sie an den Milchverzehr durch das tägliche Angebot cines Milchfrühstücks ({1}) in den Schulen zu gewöhnen. . . .
noch für stichhaltig?
Ich bitte um die Erlaubnis, diese Frage und die Frage VII/ 3 des Abgeordneten Ertl, die ja denselben Inhalt hat, gemeinsam beantworten zu dürfen.
Sind Sie einverstanden?
({0})
Ich rufe dann auch noch die Frage VII /3 des Abgeordneten Ertl auf:
Ist die angeblich geplante Streichung des Bundeszuschusses zur Schulmilchspeisung so zu verstehen, daß die Bundesregierung die folgende Begründunq, mit der dieser Zuschuß seinerzeit eingeführt wurde, nicht mehr für zeitgemäß hält:
Vizepräsident Dr. Schmid
Die Steigerung des Trinkmilchabsatzes ist sowohl im Interesse der Landwirtschaft als auch der Verbraucher eine dringende Forderung. Um dieses Ziel auf die Dauer zu erreichen, ist es notwendig, schon den jungen Menschen die wertvollen Bestandteile der Milch ({1}) zuzuführen und sie an den Milchverzehr durch das tägliche Angebot eines Milchfühstücks ({2}) in den Schulen zu gewöhnen ?
Die Bundesregierung steht nach wie vor zu der Begründung, die sie seinerzeit bei der Einführung des Zuschusses für die Schulmilchspeisung gegeben hat. Mit Rücksicht auf die äußerst angespannte Finanzlage des Bundes und die Forderung, mit dem mir für den Einzelplan 10 für 1966 zugestandenen beschränkten Ausgabevolumen auszukommen, sah ich mich zu meinem Bedauern gezwungen, auf eine Weitergewährung des Zuschusses vom Rechnungsjahr 1966 ab zu verzichten. Es ist vielleicht in diesem Zusammenhang interessant, mitzuteilen, daß rund 22 % der in Frage kommenden Schüler und Studenten von dieser Möglichkeit, Schulmilch verbilligt zu bekommen, Gebrauch gemacht haben. Mit ausschlaggebend aber war für die Kürzung auch die Zuständigkeitsfrage. Die verbilligte Abgabe von Schulmilch fällt in erster Linie in die Zuständigkeit der Länder, die demzufolge auch einen Zuschuß von 50 % geleistet haben, nachdem die Gemeinden ihre frühere Beteiligung aufgegeben haben. Ich habe deshalb die Länder schon im November von dem Wegfall dieses Zuschusses unterrichtet. Ich hoffe, daß die Länder im Rahmen ihrer Zuständigkeit einen Weg finden, um diese sehr interessante und wichtige Maßnahme fortzuführen.
Zusatzfrage.
Herr Minister, kann die Streichung des Zuschusses mit der in der Regierungserklärung des Herrn Kanzlers geäußerten familienpolitischen Zielsetzung in Übereinstimmung gebracht werden, nachdem im letzten Jahr immerhin über 93 Millionen 1 Milch in den Schulen verbraucht worden sind, obwohl bei der Trinkmilch ein Rückgang vorhanden ist?
Über die Maßnahme selbst sind wir uns einig, über deren Notwendigkeit ebenfalls. Was die Familienpolitik betrifft, darf ich sagen, daß sich seit der Einleitung dieser Maßnahme bis heute doch eine sehr wesentliche Verbesserung der wirtschaftlichen Lage der Familien vollzogen hat, die hier vielleicht ebenfalls in die Diskussion gebracht werden kann.
Zusatzfrage.
Herr Minister, ist Ihnen bekannt, daß beispielsweise in den EFTA-Staaten Schweden und Dänemark, aber auch in England vom Staat an alle Schulkinder kostenlos Schulmilch zur Förderung ihrer Gesundheit verteilt wird?
Ich habe das mit großem Interesse und, so muß ich fast sagen, mit Neid festgestellt, und ich hoffe, daß wir wieder in die Lage kommen, hei einer besseren finanziellen Ausstattung vielleicht ebenfalls so großzügig zu sein.
Herr Abgeordneter Ertl, eine Zusatzfrage.
Ertl ({0}) Herr Minister, darf ich Ihre letzte Antwort so verstehen, daß Sie bereit sind, dieses Problem bei den kommenden Haushaltsverhandlungen im Ausschuß noch einmal zu überprüfen und gegebenenfalls auch andere Beschlüsse zu fassen?
Herr Kollege Ertl, ich muß mich im Rahmen der Kabinettsbeschlüsse bewegen. Aber ich wäre sehr dankbar, wenn der Bundestag in seinem freien Gestaltungsrecht im Haushalt eine Verbesserung vornähme, wenn Sie vielleicht sogar den entsprechenden Antrag stellten.
Zweite Zusatzfrage.
Darf ich noch fragen, inwieweit die Länder bisher geantwortet haben. Sind sie bereit, die Kosten eventuell allein zu übernehmen?
Bei einer solchen Unterhaltung wird niemand den Schwarzen Peter in die Hand nehmen wollen, und deswegen war die Haltung der Länder verständlicherweise die der Kenntnisnahme.
Keine Zusatzfrage mehr. Die Frage ist beantwortet.
Wir gehen nunmehr über zu I, Geschäftsbereich des Bundesministers für gesamtdeutsche Fragen. Es ist die Frage der Abgeordneten Frau Freyh:
Warum nutzt die Bundesregierung nicht die Möglichkeit, die Fahrgäste der Deutschen Bundesbahn auf bestimmten Streckenabschnitten auf die Teilung Deutschlands durch die in unmittelbarer Nähe gelegene Zonengrenze aufmerksam zu machen?
Herr Präsident, die Deutsche Bundesbahn steht gegenwärtig in Verhandlungen mit der Reichsbahn Mitteldeutschlands mit dem Ziel einer Verbesserung des innerdeutschen Verkehrs. Angesichts dieser Tatsache hält es die Bundesregierung für un-tunlich, diese hier gestellte Frage öffentlich zu erörtern.
Zusatzfrage.
Herr Bundesminister, darf ich Sie trotzdem grundsätzlich fragen, ob sich eine solche Anregung, wie sie in meiner Frage gegeben worden ist, von den sonstigen Bemühungen der Bundesregierung unterscheidet, daß möglichst viele Besucher aus der Bundesrepublik, aber
Frau Freyh ({0})
auch aus dem Ausland, aus unmittelbarer Anschauung ein Beispiel für die Teilung Deutschlands wie die Zonengrenze kennenlernen.
Die Bundesregierung kann und wird bei aller Bereitschaft, zu einem Höchstmaß an Aufklärung beizutragen, nichts tun, was den innerdeutschen Bahnverkehr in Schwierigkeiten bringen könnte.
Zusatzfrage.
Herr Bundesminister, handelt es sich nicht bei dieser Frage um etwas völlig anderes, nämlich nur um die Züge, die innerhalb der Bundesrepublik in der Nord-Süd-Richtung fahren?
Es geht hier - ich wiederhole es - um Vereinbarungen, die zwischen der Deutschen Bundesbahn und der Reichsbahn Mitteldeutschlands abgeschlossen werden. Die Deutsche Bundesbahn ist gehalten, gewisse Vereinbarungen, die sie trifft, lückenlos zu erfüllen.
({0})
Sie kann nicht ohne Schwierigkeiten unterscheiden zwischen der einen oder anderen Verkehrsrichtung oder dieser oder jener Ausstattung ihres Wagenparks.
Keine weitere Frage.
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts. Zunächst die Frage II/ i des Herrn Abgeordneten Dr. Schulz ({0}) :
Teilt die Bundesregierung die Auffassung des Staatssekretärs von Hase, sie könne zur Denkschrift der EKD über die Lage der Vertriebenem und das Verhältnis des deutschen Volkes zu seinen östlichen Nachbarn wie zur Einladung des polnischen Episkopats an die deutschen katholischen Bischöfe darum nicht Stellung nehmen, weil sie in beiden Fallen nicht der Adressat sei?
Herr Präsident, ich Bitte um die Erlaubnis, diese drei Fragen zusammenfassen zu dürfen.
Sind Sie damit einverstanden, Herr Abgeordneter? - Dann rufe ich auch die Fragen II /2 und I1/3 des Abgeordneten Dr. Schultz ({0}) auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß sich die lebhaft diskutierte und inzwischen in mehr als 200 000 Exemplaren verbreitete EKD-Denkschrift - im Gegensatz zur Einladung des polnischen Episkopats - nicht an bestimmte Adressaten wendet, sondern an die gesamte deutsche Öffentlichkeit?
Betrachtet sich die Bundesregierung, falls die Frage II /1 auch im Hinblick auf die EKD-Denkschrift bejaht wird, insoweit nicht als Teil der deutschen Öffentlichkeit?
Der Sprecher der Bundesregierung hat in der Bundespressekonferenz am 3. Dezember auf eine Frage zum Briefwechsel der polnischen und deutschen Bischöfe erklärt, daß die Bundesregierung, die nicht Adressat dieses Briefes sei, aus wohlerwogenen
Gründen eine Stellungnahme nicht geben werde. Auf eine weitere Frage zur Denkschrift der Evangelischen Kirche hat Staatssekretär von Hase unter Hinweis darauf, daß sich einzelne Mitglieder der Bundesregierung zu dieser Denkschrift geäußert hätten, geantwortet, daß hier etwa eine ähnliche Lage wie bei dem Brief der polnischen Bischöfe bestehe. Die Denkschrift sei nicht an die Bundesregierung, sondern an die deutsche Öffentlichkeit gerichtet. Die Bundesregierung werde aus wohlerwogenen Gründen ebenso wie zu dem Briefwechsel der polnischen und deutschen Bischöfe auch zu der Denkschrift der EKD keine Stellungnahme abgeben.
Der Bundesregierung ist bekannt, daß die Denkschrift der Evangelischen Kirche, die eine Reihe von schwierigen Fragen in einem Geist der Versöhnungsbereitschaft behandelt, dazu bestimmt ist, die Diskussion der in ihr behandelten Fragen in der Öffentlichkeit zu entwickeln und zu fördern. Die Bundesregierung ist sich aber auch bewußt, daß dies eine Denkschrift der Kirche ist, die nicht mit politischen Maßstäben gemessen werden will oder sollte. Es würde der Diskussion über diese Denkschrift nach Auffassung der Bundesregierung nicht förderlich sein, wenn sie jetzt mit einer formulierten Stellungnahme eingreifen würde.
Keine weitere Frage.
Dann kommen wir zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern. Die Frage III/ 1 des Abgeordneten Kaffka ist zurückgestellt.
Ich rufe auf die Frage III /2 des Abgeordneten Schwabe:
Reichen nach Ansicht der Bundesregierung die bestehenden gesetzlichen Bestimmungen aus, um die im Zusammenhang mit dem unberechtigten Besitz von Stich- und Schußwaffen oder deren unberechtigter Verwendung begangenen Straftaten wirksam zu bekämpfen?
Der Fragesteller hat sich mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt. Die Antwort liegt noch nicht vor. Sie wird nach Eingang im Sitzungsbericht abgedruckt.
Ich rufe die Frage III/ 3 des Herrn Abgeordneten Wagner auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung die sich in letzter Zeit mehrenden Angebote von Politikern der Bundesrepublik an die Adresse Pankows, als Preis für politische Zugeständnisse Ostberlins das Verbot gegen die Kommunistische Partei in der Bundesrepublik aufzuheben bzw. die SED als politische Partei zuzulassen?
Nach Auffassung der Bundesregierung sind derartige „Angebote" schon mit dem geltenden Recht nicht vereinbar. Das Gesetz über das Bundesverfassungsgericht enthält keine Vorschrift, die ein Wiederaufnahmeverfahren zugunsten einer verbotenen Partei oder einer Ersatzorganisation zuläßt. Eine solche Vorschrift würde auch nicht mit Art. 21 Abs. 2 des Grundgesetzes vereinbar sein, der ein Feststellungsurteil des Bundesverfassungsgerichts über die Verfassungswidrigkeit einer Partei im Zeitpunkt des Urteils verlangt. Keinesfalls kann nach dem
498 Deutscher Bundestag -- 5. Wahlperiode Bundesminister Lücke
Grundgesetz und dem Bundesverfassungsgerichtsgesetz eine Partei oder ihre Ersatzorganisation wieder zugelassen werden, die in ihren Zielen nach wie vor verfassungswidrig ist. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil vom 17. August 1956 hinsichtlich der Kommunistischen Partei Deutschlands Abweichendes nur für den Fall gesamtdeutscher Wahlen rechtlich für möglich erklärt.
Politisch und vom Standpunkt der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland aus sind solche Vorschläge gefährlich, da die Kommunistische Partei ihre auf Umsturz gerichteten Ziele nicht aufgegeben hat und auch nicht aufgeben wird.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Wagner.
Herr Minister, sind nicht auch Sie der Meinung, daß die von mir erwähnten Äußerungen der kommunistischen Propaganda Vorschub leisten, die behauptet, daß das Verbot der KPD im Bundesgebiet rein willkürlich erfolgt und ohne feste rechtliche Fundierung sei?
Ich teile diese Bedenken in vollem Umfang.
Es wird keine weitere Frage gestellt, damit ist die Fragestunde beendet.
Meine Damen und Herren, ich erteile das Wort nun dem Herrn Bundesminister des Auswärtigen zu einer
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bitte, erlauben Sie mir, mit einer kurzen Vorbemerkung zu beginnen. Die Bundesregierung begrüßt den Wunsch des Hohen Hauses, über wichtige Konferenzen und Begegnungen auch hier ini Plenum - und nicht nur, wie das oft der Fall ist, in den zuständigen Ausschüssen - einen Bericht zu erhalten. Die Bundesregierung ist davon überzeugt, daß Information und Diskussion wesentliche Elemente der Zusammenarbeit darstellen. Eine möglichst intensive und harmonische Zusammenarbeit stärkt nach Meinung der Bundesregierung die Vertretung der auswärtigen Interessen.
Beide Ereignisse, über die ich hier berichten möchte, liegen nun schon im vergangenen Jahre, im Dezember. Es wäre sicherlich wünschenswert gewesen, daß darüber früher hätte berichtet werden können. Aber beide Ereignisse haben zu einer Zeit stattgefunden, als der Bundestag nicht mehr versammelt war. Ich möchte lediglich der Vollständigkeit halber hinzufügen, daß ich nach Rückkehr von der NATO- Ministerratstagung in Paris Gelegenheit gehabt habe, zusammen mit meinem Kollegen, dem Bundesminister der Verteidigung, vor dem Auswärtigen Ausschuß und dem Verteidigungsausschuß des Bundesrates über diese Fragen zu berichten.
Nach der Natur der Sache ist kaum zu erwarten, daß das, was ich hier heute berichten werde, noch einen besonderen Neuigkeitswert besitzt. Der Neuigkeitswert ist natürlich verbraucht durch die inzwischen vergangene Zeit und durch die Bemühungen der publizistischen Massenmedien, die sowohl nach ihren Möglichkeiten wie nach ihrer Bedeutung cien Neuigkeitswert im wesentlichen erschöpft haben dürften. Den dennoch bestehenden Wert des heutigen Berichts sehe ich darin, daß dieser Bericht die heutige Einschätzung der angesprochenen Probleme von seiten der Bundesregierung wiedergibt.
Ich beginne mit der Tagung des Ministerrates der NATO. Dieser Tagung des Ministerrates der NATO ging das mittlerweile schon üblich gewordene Gespräch der Außenminister Deutschlands, Frankreichs, Großbritanniens und der Vereinigten Staaten von Amerika voraus, das diesmal dem Turnus entsprechend in der deutschen Botschaft in Paris stattfand.
Bei dieser Besprechung der vier Außenminister habe ich eine Analyse der weltpolitischen Lage gegeben und Ausführungen zu unserer Außenpolitik gemacht. Ich habe dabei besonders betont, daß der Weltöffentlichkeit immer wieder die Notwendigkeit einer Lösung des Deutschlandproblems vor Augen geführt werden muß und daß das deutsche Volk einen politisch, moralisch und rechtlich fundierten Anspruch auf Ausübung des Selbstbestimmungsrechts und Wiederherstellung seiner nationalen Einheit hat.
Ich befand mich mit meinen drei Kollegen in voller Übereinstimmung darüber, daß trotz der völlig ablehnenden Haltung der Sowjetunion gegenüber unseren Vorstellungen für eine Lösung der Deutschlandfrage die Teilung Deutschlands nicht hingenommen werden dürfe und daß wir gemeinsam an den Prinzipien der Deutschlandpolitik, die seit Jahren unter uns festgelegt sind, festhalten wollen, nämlich der Wiedervereinigung Deutschlands auf der Grundlage des Selbstbestimmungsrechts. Ich habe dargelegt, daß das deutsche Volk bereit wäre, im Interesse der Wiedervereinigung Deutschlands große Opfer auf sich zu nehmen. Ich habe schließlich ausgeführt - und auch insoweit die Zustimmung meiner drei westlichen Kollegen gefunden -, daß die Bundesrepublik Deutschland in dem Bemühen fortfahren wird, ihr Verhältnis zu den osteuropäischen Staaten zu verbessern, ungeachtet der Schwierigkeiten, die einer Realisierung dieses Ziels entgegenstehen. Das gilt auch - im Rahmen der gegebenen Möglichkeiten - für unsere Beziehungen zur Sowjetunion.
Die Sitzung des Ministerrats der NATO vom 14. bis 16. Dezember 1965 hatte erwartungsgemäß keine sensationellen Ergebnisse. Sie war jedoch eine fruchtbare und nützliche Arbeitskonferenz, auf der alle aktuellen Probleme der gegenwärtigen politischen Weltlage eingehend erörtert wurden.
Aus deutscher Sicht sind einige wichtige Feststellungen zu treffen.
Die Regierungen der NATO-Staaten haben erneut unzweideutig bekräftigt, daß sie an der gemeinsamen Deutschland-Politik festhalten. Demgemäß kann eine gerechte und friedliche Lösung des
I Deutschland-Problems nur auf der Grundlage des Selbstbestimmungsrechts gefunden werden. Die Regierung der Bundesrepublik Deutschland ist die einzige frei und legitim gebildete deutsche Regierung und daher berechtigt, für Deutschland als Vertreterin des deutschen Volkes in internationalen Angelegenheiten zu sprechen. Der NATO-Rat hat seine Garantieerklärung für Berlin, die er im Dezember 1958 zu Beginn der damaligen Berlin-Krise abgab, erneut bestätigt. Die Angriffe der Sowjetunion, die wahrend der letzten Zeit gegen die Bundesregierung und gegen die Bundesrepublik Deutschland gerichtet wurden, hat der NATO-Rat einmütig als unbegründet zurückgewiesen.
Der NATO-Rat hat schließlich hervorgehoben, daß trotz aller Friedens- und Koexistenzbeteuerungen der Sowjetunion ein zunehmender Anteil der wirtschaftlichen und technischen Hilfsquellen dieses Landes militärischen Zwecken gewidmet wird. Demgemäß wird die militärische Bedrohung eher größer als geringer.
Eine eingehende Erörterung fand über die Beziehungen zwischen den NATO-Staaten und den osteuropäischen Staaten statt. Die meisten NATO- Regierungen messen einer Verbesserung dieser Beziehungen eine erhebliche Bedeutung bei. Bei ihren Besuchen in den osteuropäischen Ländern, bei denen sie übrigens nachdrücklich für unsere Belange eingetreten sind, glaubten einige der Minister eine echte Furcht vor der Bundesrepublik Deutschland feststellen zu können. Ich habe im einzelnen dargelegt, was seitens der deutschen Regierung geschieht, um die Beziehungen zu den osteuropäischen Ländern zu verbessern und um das völlig verzerrte Bild, welches der Öffentlichkeit in diesen Ländern über die Absichten der deutschen Regierung und des deutschen Volkes vorgeführt wird, richtigzustellen.
Eine erhebliche Rulle spielte in der Diskussion der NATO-Minister das Vietnam-Problem. Die amerikanischen Vertreter, Außenminister Rusk und Verteidigungsminister McNamara, haben die amerikanische Politik dargelegt, die von zwei Leitgedanken bestimmt wird. Die Amerikaner sind entschlossen, ihren Verpflichtungen in Südvietnam nachzukommen, ebenso wie sie entschlossen sind, ihre Bündnisverpflichtungen an anderen Stellen der Welt - und hier denken wir natürlich insbesondere an unseren Teil der Welt - zu erfüllen. Sie werden daher Südvietnam bei der Abwehr der gegen dieses Land gerichteten Angriffe Hilfe leisten. Andererseits sind die Amerikaner bereit, jederzeit ohne irgendwelche Vorbedingungen in Verhandlungen über die Beendigung der Feindseligkeiten einzutreten. Die Bemühungen, die die amerikanische Regierung in den . vier Wochen seit Beendigung der NATO-Konferenz unternommen hat, unterstreichen dieses Prinzip der amerikanischen Politik.
Ebenso wie die meisten NATO-Regierungen hat auch die deutsche Regierung auf der NATO-Ministerratstagung zum Ausdruck gebracht, daß sie die militärische Verteidigung Südvietnams durch die Vereinigten Staaten gegen die kommunistische Aggression für notwendig hält, bis die Unabhängigkeit
Südvietnams auf dem Verhandlungswege und durch freie Wahlen gesichert ist.
Die NATO-Minister befaßten sich weiter mit den Fragen der Abrüstung und mit dem nuklearen Problem. Sie sprachen sich erneut für das Prinzip einer allgemeinen und vollständigen Abrüstung unter wirksamer internationaler Kontrolle aus. Sie stimmten darin überein, daß nach Mitteln und Wegen gesucht werden soll, um die Gefahr einer Verbreitong nuklearer Waffen in den verschiedenen Teilen der Welt abzuwenden.
Zu dem nuklearen Problem erstattete der Generalsekretär der NATO einen Bericht über die Tätigkeit des sogenannten Spezialausschusses der Verteidigungsminister. Dieser Ausschuß erörtert den Stand der nuklearen Kapazität und den Stand der nuklearen Organisation der Allianz. Er diskutiert ferner die Möglichkeiten einer verstärkten Beteiligung nichtnuklearer Bündnispartner an der Planung für den Einsatz nuklearer Waffen.
Wenige Tage nach Beendigung der Tagung des Ministerats der NATO begab sich der Herr Bundeskanzler nach Washington. Die Gespräche des Bundeskanzlers in den USA am 21. und 22. Dezember 1965 waren durch große Herzlichkeit gekennzeichnet. Wieder spielte die Deutschlandfrage eine wichtige Rolle. Die amerikanische Regierung bekräftigte ihre Entschlossenheit, alle Möglichkeiten auszuschöpfen, um das gemeinsame Ziel der friedlichen Wiedervereinigung Deutschlands auf der Grundlage der Selbstbestimmung zu erreichen. Mit besonderem Nachdruck wies der Präsident der Vereinigten Staaten die gegen unser Land verbreiteten böswilligen Behauptungen zurück, die darauf abzielen, unsere friedlichen Absichten in Zweifel zu ziehen. Unsere amerikanischen Freunde sind mit uns darin einig, daß eine dauerhafte Entspannung in Europa Fortschritte in der Wiedervereinigungsfrage voraussetzt. Wie eh und je legte die amerikanische Regierung ihre Entschlossenheit dar, jedem Druck auf Berlin entgegenzutreten.
Bei der Erörterung der weltpolitischen Lage konnten der Bundeskanzler und seine amerikanischen Gesprächspartner eine Verbesserung der Situation in großen Teilen der Welt feststellen. Aber naturgemäß beschäftigt unsere amerikanischen Freunde die Sorge um die Entwicklung in Vietnam. Der Bundeskanzler hat auch hier ebenso wie die deutschen Vertreter im NATO-Rat dargelegt, daß die deutsche Regierung für die amerikanische Politik in Südostasien Verständnis hat und sie im Rahmen der für sie bestehenden Möglichkeiten unterstützt. Wir werden nach Mitteln und Wegen suchen, um dieser Haltung Ausdruck zu verleihen. Ganz besonders unterstützt die Bundesregierung die derzeit verstärkten amerikanischen Friedensbemühungen.
Auch in den Gesprächen in den Vereinigten Staaten spielte das nukleare Problem eine bedeutsame Rolle. Der Herr Bundeskanzler hat dem Grundsatz der Nichtverbreitung nuklearer Waffen in die nationale Verfügungsgewalt von Staaten zugestimmt und zugleich auf unseren 1954 unseren Verbündeten gegenüber erklärten Produktionsverzicht hingewiesen. Der Präsident vertrat den Standpunkt, daß den
nichtnuklearen Bündnispartnern ein angemessener Anteil an der nuklearen Verteidigung gewährt werden sollte. Die Erörterung darüber wird zwischen den Vereinigten Staaten, uns und anderen interessierten Verbündeten fortgesetzt werden.
Ein sehr bedeutendes Gesprächsthema bildete die Zukunft des atlantischen Bündnisses, in dem beide Länder eine wichtige Grundlage ihrer Politik sehen. Demgemäß waren sich der Präsident und der Bundeskanzler über die Notwendigkeit einer engen politischen und militärischen Zusammenarbeit in der NATO und einer Stärkung der politischen und militärischen Einrichtungen des Bündnisses einig.
Das Interesse der Vereinigten Staaten an der europäischen Einigung ist unverändert groß. Der Bundeskanzler hat das Ziel unserer Außenpolitik, die europäische Einheit zu festigen, erneut hervorgehoben und auf die jahrelangen deutschen Bemühungen auf diesem Gebiet hingewiesen.
In engem Zusammenhang damit stehen die Verhandlungen über die sogenannte Kennedy-Runde im GATT. Ihnen kommt insbesondere deswegen ein hohes Maß an Dringlichkeit zu, weil das Gesetz, welches die amerikanische Regierung zu Zollzugeständnissen ermächtigt, am 1. Juli 1967 abläuft.
Im bilateralen Bereich der Beziehungen wurde vor allem die Möglichkeit einer Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Weltraumforschung erörtert. Aut amerikanischer Seite wurde eine Reihe konkreter Projekte zur Diskussion gestellt. Die weiteren Einzelheiten sollen in Fachgesprächen in Bonn erörtert werden, zu denen amerikanische Vertreter
wenn ich nicht irre - bereits Ende dieser Woche eintreffen werden. Nach Ansicht der Bundesregierung kommt diesem Forschungsgebiet eine sehr große, weit über den eigentlichen Gegenstand hinausgehende wirtschaftliche und technologische Bedeutung zu.
Schließlich tauschten der Präsident der Vereinigten Staaten und der Bundeskanzler ihre Vorstellungen über die gesellschaftspolitische Entwicklung in den Vereinigten Staaten und in Deutschland aus, die, wie sich zeigte, Berührungspunkte miteinander haben. Auch diese Diskussion soll fortgesetzt werden.
Damit, meine verehrten Damen und Herren, möchte ich meinen Bericht schließen. Sie können aus dem, was ich vorgetragen habe, erkennen, daß die Bundesregierung die Konferenzen und Gespräche, die im Dezember des vergangenen Jahres stattfanden, dazu benutzt hat, um in freundschaftlicher Weise mit ihren engsten Bündnispartnern einen Meinungsaustausch zu den wichtigen weltpolitischen Fragen zu führen. Die Bundesregierung befindet sich dabei sowohl in der Beurteilung der Lage als auch hinsichtlich der aus ihr zu ziehenden Folgerungen in weitgehender Übereinstimmung mit ihren Partnern.
Bei all diesen Gesprächen spielte das Deutschlandproblem eine hervorragende Rolle. Die Notwendigkeit seiner Lösung auf der Grundlage des Selbstbestimmungsrechtes des deutschen Volkes wird allgemein anerkannt. Wir können daher, meine
Damen und Herren, das neue .Jahr mit der Zuversicht beginnen, daß wir bei der Verfolgung dieses wichtigsten Zieles unserer Politik weiterhin die volle Unterstützung unserer Bundesgenossen haben.
({0})
Ich eröffne die Aussprache über den Bericht des Herrn Bundesaußenministers. Das Wort hat der Abgeordnete Wehner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte dem Herrn Bundesminister des Auswärtigen ausdrücklich sagen, daß wir von der parlamentarischen Opposition es begrüßen, wenn die Bundesregierung hier Gelegenheit nimmt -- auch unter den Einschränkungen, auf die Sie hier hingewiesen haben -, sich zu Fragen zu äußern, die von einem allgemeinen und teilweise von einem sehr bedeutenden Interesse für unser Volk und für dieses Haus sind.
Ich wollte das nicht deshalb sagen, um Ihnen kurz nach dem Jahreswechsel eine Blume zu überreichen - ich bemerke dies, damit Herr Barzel dann nicht sagt, wir hätten doch wieder eine Blume gehabt -; die sind zunächst einmal ausverkauft, wie Sie wissen.
({0})
- Nein, nicht bei uns. Darüber habe ich einmal ein Buch geschrieben: Rosen und Disteln . Aber das ist lange her. Der Rest der Auflage ist eingestampft. Jetzt liegt mir einfach daran, zustimmend, und wenn Sie so wollen - ich meine, der Bundesminister wird dazu seine eigene Meinung haben, denn der liebt das nicht -, auch gewissermaßen ermunternd, ermunternd in der Sache, dies aufzugreifen. Denn, Herr Minister, in allem Ernst - und das gilt für die ganze Regierung -, es sind ja Fragen nicht nur solcher Art wie die, die heute hier erörtert werden können. Was hier gesagt wird, gerade aus der Sphäre, aus der das stammte, worüber Sie heute hier sehr kurz und sehr knapp berichtet haben, das wird doch allmählich hier im Haus bei den Abgeordneten dessen kann man wohl sicher sein - und auch draußen allmählich - ich bin da vorsichtig! -besonders aufmerksam beachtet werden, und es wird gewürdigt werden. Da müssen Sie keine Angst haben, daß man bei vielem, was hier dargelegt wird, sagt, man habe das ja alles schon einmal oder ein paarmal gelesen oder im Fernsehen aussprechen hören. Wenn Sie mitmachen wollen - ich meine jetzt nicht Sie, Herr Minister, sondern die Regierung überhaupt und die anderen Parteien rechts von uns -, dann könnten wir die Konkurrenz zwischen der Erörterung gewisser Fragen hier in diesem Hause und der unvermeidlichen und gar nicht einzuschränkenden Erörterung in Presse, Rundfunk und Fernsehen und auf andere Weise doch wohl bestehen. Denn weil etwas hier gesagt wird und dazu auch etwas hinzugesagt werden kann, weil das doch kaum Monologe bleiben werden, wird das immer beser sein als die Art des Schattenboxens, die wir uns sonst allgemein angewöhnt haben, draußen so
zu tun, als finde ein ständiger Dialog statt. Na, Sie wissen, wie das mit diesen Dialogen ist. In Wirklichkeit redet jeder für sich in einer Pressekonferenz oder bei anderer Gelegenheit, und es kommt dann nur so heraus, als ob da Leute eigentlich miteinander in der Auseinandersetzung stünden. - Das wollte ich doch ausdrücklich gesagt haben, um diesen ersten Versuch ein wenig auch von uns aus zu fördern.
Der Herr Minister hat hier wiederholt davon gesprochen, daß bei der Tagung des Ministerrats der NATO und auch bei dem bedeutsamen Besuch in Washington versichert worden sei, von welch unveränderlicher Gültigkeit die Prinzipien der Deutschland- Politik für die Bundesrepublik und für die Verbündeten sind. Der Herr Minister hat auch gesagt ich will nicht sagen: wieder einmal; denn es ist ganz gut, daß es so gesagt worden ist, wenn man es auch nicht entschlüsseln kann, falls man nicht zu den Eingeweihten gehört -, es sei versichert worden, daß unser Volk auch bereit sei, dafür Opfer zu bringen. Das ist etwas, was wir noch weniger wissen können als Sie von der anderen Seite des Hauses und von der Bundesregierung, - falls Sie darüber klare Vorstellungen hat. Das bringt wieder einmal in Erinnerung, daß Bundeskanzler Adenauer einige Male gesagt hatte, wir würden über manches oder sogar über vieles mit uns reden lassen, wenn in dem Bereich, in dem heute nicht das Grundgesetz gelten kann, sondern andere Macht gilt, allmählich Verbesserungen für die Menschen im Sinne von „freier atmen" und mehr, was dazu gehört, erreicht werden könnten. Wir sind immer wieder am selben Anfang, daß wir fragen müssen: Was kann gemeint sein? Wenn Sie darauf antworten, Sie würden demnächst einmal bereit sein, in dem einen oder dem anderen Ausschuß mehr darüber zu sagen, ist das auch noch nicht sehr viel. Aber noch nicht einmal das ist heute hier gesagt worden.
Wir fechten hier nicht - und das trägt uns mancherorts sogar den Vorwurf ein, wir verzichteten darauf, Opposition zu sein - die Prinzipien der Deutschland-Politik an. Ich stelle nur die Frage, wie sie politisch wirksam gemacht werden sollen. Aus dem Bericht des Herrn Ministers ist dazu nichts zu entnehmen gewesen. Vielleicht nimmt er Gelegenheit, darauf noch einmal zu sprechen zu kommen. Wenn darüber kein Streit ist und wenn er uns versichern kann, daß es darüber, über die Prinzipien, auch keinen Streit mit den Vertragspartnern gibt, ist das gut. Aber hier ging es ja nicht nur um Streit im Verhältnis zu den Verbündeten, im Verhältnis zu anderen, sondern darum, daß nicht doch ein allmähliches - ich will sehr vorsichtig sein, denn das ist eine heikle Sache -- Sich-Gewöhnen an das häufige Wiederholen oder an das in Intervallen vorkommende Wiederholen der weiter gültigen Prinzipien vor sich geht.
Aber worum es eigentlich geht, ist, diese Prinzipien unter sich verändernden weltpolitischen Machtverhältnissen wirksam zu machen, anzubringen. In mancher Hinsicht geht es uns doch heute so, wie jemandem, der zwar einen Faden in der Hand hat, aber kein Nadelöhr findet, in das dieser Faden hineinpaßt. Das ist nicht ein Vorwurf gegen jemanden. Es ist eine in vieler Hinsicht veränderte Welt, mit der wir es zu tun haben in dem Bemühen, die Prinzipien der Deutschland-Politik, von denen Sie sagen, daß sie seit Jahren festgehalten würden, auch im Verhältnis zu den Freunden der Bundesrepublik unter schwierigen Umständen wirksam zu machen.
Ich weiß, daß heute oft mit einer - wie man
sagt - draußen weit verbreiteten Furcht vor Deutschland operiert wird. Ich bin auch nicht vermessen genug, zu sagen, das ist allein der Erfolg dieser insistierenden, dieser hämmernden und dieser auch vor keinem Mißbrauch zurückschreckenden zielstrebigen Propaganda aus der kommunistischen Himmelsrichtung. Andererseits greife ich auf, was wir in der Debatte über die Regierungserklärung versucht haben, deutlich zu machen: daß wir und ich will es nicht nur negativ wieder feststellen - größere, intensivere, sich auf das Volk stützende und es zum Mitagieren bringende Versuche vermissen, in der Welt dieser Offensive, die uns isolieren soll, unsere Wirklichkeit und die Wirklichkeit unserer Bemühungen entgegenzusetzen.
Sie haben hier, Herr Minister, bei dem, was heute in der Welt schwierig ist und unter Umständen noch viel schwieriger werden kann, auch das Problem des Vietnam-Konfliktes genannt, auf den Sie hinwiesen, ein besonders heikles und ein besonders schmerzliches Kapitel. Nur: Für unser Zurechtfinden in einer Welt, in der sich so vieles verändert und weiter ändern wird, ist es von erstrangiger Bedeutung, daß wir darüber reden, was dieser Konflikt und seine Auswirkungen für unsere Situation, für unsere Lage, für unsere Bemühungen bedeutet, Verständnis für das Aufgreifen der deutschen Frage bei denen zu erwecken, die die Hände mit jenem Konflikt voll zu tun haben. Darüber müssen wir reden, und wir können uns auf die Dauer nicht damit begnügen, die Feststellung zu treffen, wie wichtig das für unsere Verbündeten, vor allen Dingen für die Vereinigten Staaten ist. Das kann man genau nachfühlen, wenn man nicht oberflächlich ist.
Ich weiß das selber aus mancher bitteren Erfahrung. Dabei denke ich an drei Konferenzen des vergangenen Jahres - im April, Ende Juli und Ende Oktober mit Persönlichkeiten, die alle, sei es Regierungs-, sei es parlamentarische Verantwortung in europäischen Ländern ausüben. Hier weiß ich in jedem Falle und könnte es bei jedem einzelnen bezeugen, daß er nichts unversucht lassen würde, wenn er einen Beitrag leisten könnte, um mit seiner Regierung, seinem Land oder seiner parlamentarischen Kraft diesen Konflikt zu einer friedlichen Beilegung im Sinne der Bemerkungen zu bringen, die Sie dazu gemacht haben. Bisher ist alles mißglückt oder im Ansatz steckengeblieben, nicht, weil die Leute dort sich durch eine NATO- Räson oder eine Staatsräson hätten daran hindern lassen, das eine oder andere für einen Friedensschluß zu tun, sondern weil wir es hier mit einer fürchterlichen Rechnung zu tun haben, neben manchem anderen, was inzwischen dazugekommen ist. Ich glaube, man darf es so ausdrücken: Das Regime
502 Deutschei Bundestag - 5. Wahlperiode -Wehner
in Peking hat eine Strategie, durch die die Kräfte der Vereinigten Staaten von Amerika allmählich so lange und so unwiderruflich dort in Auseinandersetzungen verstrickt werden, daß sie in vielen Jahren nicht mehr herauskommen. Bei uns gilt es nicht als schicklich, über solche Tatsachen zu sprechen. Dort ist eine Situation vorhanden, in der Politik schon beinahe nicht mehr wirksam werden kann, in der militärisches Handeln die Stunde und auch die nächste Wegstrecke zu diktieren begonnen hat.
Das ist eine Sache, über die man einmal reden muß, nicht, weil man sie von hier aus ändern könnte, sondern weil wir selber aus unterschiedlichen Motiven, von unterschiedlichen Kräften in der übrigen Welt in die Erörterungen hineingezogen werden. Bei uns selber ist es ja auch so. Das ist eine Sache, die mindestens im Ausschuß begonnen werden muß. Da erwarten wir, Herr Bundesminister, vom Auswärtigen Amt exakte Informationen, die mehr sagen als gute und zuverlässige Zusammenstellungen der Presse- und Reiseberichte. Das ist dem Auswärtigen Amt möglich, und wir melden das hier ausdrücklich an, einfach weil die Durchleuchtung dieses Komplexes und seiner vielen Komplikationen für die Bestimmung unserer Situation wichtig ist.
Während wir Sie hier angehört haben, kam die Mitteilung, daß die Bundesregierung außerhalb dieses Hauses, aber auf der Pressekonferenz des Herrn Staatssekretärs von Hase, mitgeteilt habe, ein noch nicht näher bezeichnetes Hospitalschiff werde über das Rote Kreuz nach Vietnam geschickt. Dort soll auf Befragen erklärt worden sein, diese Hilfe sei für die südvietnamesische Bevölkerung gedacht. Nun gut, das werden wir alles morgen lesen. Ich wäre glücklich gewesen, wenn der erste Ansatz zu einer Behandlung wichtiger Fragen hier auch von Ihnen, Herr Minister, zum Anlaß genommen worden wäre, diese Sache, über die man seit einigen Tagen ein Hin und Her in der Presse lesen kann
({1})
ich ergreife hier gar nicht Partei, wer was dazu
zu sagen hatte -, hier zu behandeln. Das hätte Ihren Ausführungen gut angestanden, und das hatte auch andere Leute dazu gebracht, ab und zu einmal sich urn die Erörterungen im Plenum des Bundestages zu kümmern, - ich meine: das, was man die Öffentlichkeit nennt. Machen Sie das! Ich sage das hier ohne besondere Schärfe. Aber das Kapitel ist ja auch noch weiter erörterungsbedürftig. Wir werden darauf im Auswärtigen Ausschuß zurückkommen, wohl wissend, wie heikel alle diese Fragen sind. Da muß man sich aufeinander verlassen können, darauf, daß niemand aus Bosheit etwas ins Spiel bringt. aber die Klärung vieler Fragen auch in diesem schwierigen Zusammenhang ist nicht durch einige Bemerkungen zu ersetzen.
Ich möchte hier die Gelegenheit benutzen, an das anzuknüpfen, was Sie über die Unterredungen mitgeteilt haben, die der Herr Bundeskanzler mit Ihnen zusammen mit dem Präsidenten der Vereinigten
Staaten von Amerika geführt hat, nämlich: daß der amerikanische Präsident böswilligen Behauptungen entgegengetreten sei und sie zurückgewiesen habe, die über unsere deutschen - angeblichen - Absichten aufgetaucht sind, und daß er für unseren guten Willen Zeugnis abgelegt hat. Ich will - das betrachten wir nicht nur als eine Formalität -- ausdrücklich auch von unserer Seite dem amerikanischen Präsidenten für diese Art danken.
Herr Minister, es wird notwendig sein, auf einige der von Ihnen sehr knapp dargelegten Bemerkungen zu den nuklearen Verteidigungsfragen noch mit einigen Bemerkungen und vielleicht auch Fragen einzugehen, die etwas tiefer zu schürfen versuchen oder Sie veranlassen werden, uns etwas mehr darüber zu sagen.
Ich hatte gedacht, Sie würden außerdem einen Ansatz dazu machen, nachdem Sie gesagt hatten - und das war erfreulich --, in den Vereinigten Staaten bestehe nach wie vor unvermindertes Interesse an der europäischen Vereinigung, einiges zu der leider noch immer währenden europäischen Krise zu sagen. Ich kann verstehen, daß Sie es vielleicht vorziehen, im Hinblick darauf, daß Sie in der nächsten Woche an Sitzungen teilnehmen, die eben dieser Krise und den Versuchen, sie zu überwinden, gelten, vorherigen Erörterungen hier aus dem Wege zu gehen. In diesem Punkte habe ich und haben sicher auch die meisten meiner Freunde ganz andere Auffassungen. Es kann auch einem Minister, der zu schwierigen Verhandlungen geht --- und wir wissen, daß es schwierige sind --, nicht schaden, wenn er aus diesem Haus einige Wünsche bzw. einige Ansichten mitnimmt. Denn uns liegt daran, hier deutlich zu machen -- wobei ich gar nicht zu untersuchen habe, ob Ihnen nicht, wahrscheinlich, genauso daran liegt; ich kann hier nur für uns sprechen, für die eine Seite des Hauses -, daß jeder Weg, der gangbar ist, um aus dieser Krise herauszuführen, dieser unbestreitbaren und leider häufig viel zu sehr verniedlichten Krise der europäischen Vereinigungsbemühungen, von uns unterstützt werden wird. Da gibt es nur eines, das wir dabei unter keinen Umständen antasten lassen wollen, nämlich das Wesen dieser Gemeinschaften, d. h. ihre Verfassung, ihre Institutionen,
({2})
das dort entwickelte Recht, die dort entwickelte Methode des Dialogs zwischen europäischen Institutionen und der Institution der Minister im Ministerrat. Ich will hier nicht weiter über diese Dinge sprechen. Wir hielten es für notwendig, dazu einiges heute noch zu sagen.
Was die Kennedy-Runde betrifft, Herr Minister, so werden Sachverständigere als ich mehr dazu zu sagen haben. Mir wird allmählich bange davor. Sie haben ja hier auch den Termin des Gesetzes genannt, der das amerikanische Handelnkönnen in dieser Frage eingrenzt. Der Termin ist verteufelt nahe für das, was in den Ländern der Gemeinschaft gemacht werden muß, wenn diese große Chance der Kennedy-Round, einer allgemeinen Zollherabsetzung, nicht verschenkt worden sein soll. Wenn da noch etwas zu machen ist, ist genau hier der Punkt, an dem auch diese Kluft zwischen jenem Teil der euroWehner
päischen Länder, die in der EWG sind, und dem anderen Teil der Länder, die in der Kleinen Freihandelszone zusammengeschlossen sind, etwas verkleinert werden könnte. Das wäre zum Nutzen aller. Wir wissen, von welchem wirtschaftlichen Nutzen es für uns selber wäre, was den Außenhandel betrifft. Es wäre aber auch und nicht zuletzt - wir sagen es noch einmal - politisch und moralisch von einer großen Bedeutung bei der gegenwärtigen Weitlage, wenn wir, und zwar nicht durch künstliche Brückenschläge, aber durch das Unterordnen der Bemühungen unter das gemeinsame Interesse, zu einem Gelingen der Kennedy-Round beitrügen, falls es dieses Bemühen bei allen Partnern der EWG gibt. Das sollte man feststellen können, und das sollte man eigentlich, wenn es geht, noch bewirken können. Hier wäre etwas, dem wir gerade heute, in diesen Tagen, angesichts der Tagungen, die bevorstehen, größten Nachdruck verleihen möchten.
Damit möchte ich es für jetzt genug sein lassen. Ich danke Ihnen für Ihre Geduld.
({3})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Kopf.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Außenpolitik ist ein Gegenstand und ein Fach, das das ganze Haus und das ganze deutsche Volk interessieren muß. Wir haben einen Auswärtigen Ausschuß. Dieser führt seine Verhandlungen im Zeichen der Vertraulichkeit. Es gibt bestimmt. gute Gründe dafür, daß diese Verhandlungen vertraulich geführt werden müssen. Aber ebenso sicher ist, daß die großen Prinzipien der Außenpolitik für jeden Bürger und für das ganze deutsche Volk von entscheidender Bedeutung sind. Weil wir das wissen, begrüßen wir die heutige Aussprache; denn sie gibt Gelegenheit, auf einige dieser Prinzipien einzugehen.
Wir haben den Bericht des Ministers über zwei wichtige Konferenzen gehört, die im letzten Monat des letzten Jahres stattgefunden haben. Es hat uns gefreut, daraus entnehmen zu können, daß auf jeder dieser beiden Konferenzen die Deutschlandfrage, d. h. diejenige Frage, die für uns die primäre, die wichtigste und essentielle Frage ist, zur Diskussion gestanden hat und daß es hier erneut gelungen ist, Übereinstimmung über die Notwendigkeit der Lösung der Deutschlandfrage auf der Grundlage des Selbstbestimmungsrechts zu erzielen. Wir sind überzeugt, daß wir dieses deutsche Anliegen im Bewußtsein der Weltöffentlichkeit lebendig erhalten müssen und daß es deswegen erforderlich ist, immer und immer wieder gemeinsam mit unseren Verbündeten auf die Wichtigkeit und die Dringlichkeit dieses Anliegens hinzuweisen. Darin stimmen wir mit unseren Verbündeten erfreulicherweise überein.
Herr Wehner hat gesagt: Das deutsche Volk ist zu Opfern bereit. Das ist auch von anderen maßgeblichen Politikern gesagt worden. Auch Dr. Adenauer hat das gesagt, und es ist bestimmt richtig. Über die Art dieser Opfer und über die Art dessen, was dafür erwartet werden kann, ist schon viel gesprochen worden und wird auch in den Ausschüssen noch viel mehr gesprochen werden.
Lassen Sie mich aus den Fragen, die der Minister aufgeworfen hat, einige wenige herausgreifen. Wir halten den Fortbestand der NATO für notwendig, weil die Gefahr, die zur Schaffung dieser NATO Anlaß gegeben hat, fortbesteht.
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Wir wünschen, daß die NATO auch nach dem Jahr 1969 fortbesteht. Über die Möglichkeit einer NATO- Reform ist viel gesprochen worden, und es wäre bestimmt erwünscht, wenn in diesem Jahre diejenigen Staaten, die an einer solchen NATO-Reform interessiert sein sollten, uns ihre Vorstellungen darüber bekanntgäben, damit auch wir dazu Stellung nehmen können.
Allerdings sind wir der Meinung, daß ein wichtiges und bewährtes Prinzip im Rahmen der Organisation der NATO ihre Integration ist. Wir erkennen dankbar an, daß am Fortbestand des Bündnisses niemand zu rütteln beabsichtigt. Wir glauben aber, daß dieses Bündnis eben doch seiner Verkörperung bedart in einer Organisation, und daß diese Organisation auf der Anwendung des Prinzips der Integration schon zu Friedenszeiten in wirksamster Weise aufgebaut werden kann.
Nukleare Fragen haben in den letzten Monaten, ja Jahren einen großen Teil der Erörterungen in der Öffentlichkeit in Anspruch genommen. Es muß immer wieder darauf hingewiesen werden, daß diese nuklearen Fragen keineswegs ein deutsches Sonderinteresse darstellen, sondern daß es im Rahmen der NATO zwei Gruppen von Staaten gibt, solche Staaten, die nukleare Waffen besitzen, und solche, die sie nicht besitzen, und daß die Regelung einer etwaigen Mitwirkung in nuklearen Fragen ein gemeinsames Interesse derjenigen Staaten der NATO darstellt, die nicht mit nuklearen Waffen ausgestattet sind. Diese Tatsache kann man ohne weiteres daraus entnehmen, daß im Mc Namara-Ausschuß nicht weniger als 10 Staaten vertreten sind und daß in den Unterausschüssen eine Anzahl von Staaten, die nicht mit nuklearen Waffen ausgestattet sind, vertreten sind. Wir wünschen also keineswegs eine Sonderbehandlung zugunsten unseres Landes. Allerdings wünschen wir auch nicht eine Diskriminierung zu Lasten unseres Landes. Wir glauben, daß das Gespräch, das in Washington geführt worden ist -der Minister hat uns in seinem Bericht nur gewisse Prinzipien mitgeteilt --, doch Gelegenheit gegeben hat, das gemeinsame Anliegen der nichtnuklearen Staaten der NATO unserem amerikanischen Bündnispartner erneut in voller Klarheit vorzutragen. Wir dürfen dabei wohl auch auf sein weitgehendes, ja volles Verständnis rechnen. Auch wir sind daran interessiert, daß eine weitere Verbreitung von nuklearen Waffen unterbleibt. Wir glauben aber, daß ein Regelung, die eine gewisse Mitwirkung der NATO-Staaten in nuklearen Fragen sicherstellt, keineswegs im Gegensatz dazu steht und keineswegs blockiert werden darf durch einen Vertrag, der sich mit der Nichtverbreitung von Atomwaffen beschäftigt.
Von Herrn Wehner und auch vom Herrn Minister ist darauf hingewiesen worden, daß die Bundesrepublik schon seit Jahren nach wie vor die Zielscheibe polemischer Angriffe seitens der kommunistischen Länder bildet. Man könnte dazu sehr viel sagen und über die Motivationen der verstärkten Angriffe in der letzten Zeit nachdenken. Es muß alles getan werden, um diesen Angriffen das Bild der Wahrheit entgegenzuhalten, der Wahrheit, die wir alle wissen, nämlich daß der Bundesrepublik daran gelegen ist, den Frieden in der Welt zu erhalten, daß sie weder militaristisch noch revanchistisch ist, sondern daß sie mit Erfolg begonnen hat, den friedvollen Aufbau ihres Staatswesens und den friedlichen Wiedereintritt in das Geschehen der Weltpolitik zu vollziehen.
Über Europa möchte ich nur wenig sagen. Andere Redner werden dies tun. Aber es sollte erneut zum Ausdruck kommen: wenn wir uns in einer Krise der europäischen Gemeinschaften befinden, so halten wir diese Krise bei gutem Willen für heilbar, und wir sind der Meinung, daß eine rasche Heilung dieser Krise erfolgen sollte und daß das bevorstehende Treffen der Minister in Luxemburg dazu Gelegenheit geben wird, Regelungen festzulegen, die uns bei der Überwindung dieser Krise behilflich sein können.
Lassen Sie mich ein kurzes Wort über die Verhältnisse sagen, die sich zur Zeit in Asien herausgebildet haben. Wir betrauern den viel zu frühen Tod des indischen Ministerpräsidenten als einen schmerzvollen Tatbestand. Es ist vielleicht im Angesicht der Unerbittlichkeit eines solchen Hinscheidens tröstlich, daß das letzte, abschließende und erfolgreiche Wirken des indischen Ministerpräsidenten der Wiederherstellung und der Erhaltung des Friedens in diesem Teile der Welt gegolten hat. Aber noch ist dieser Friede in Südostasien nicht vorhanden, wenn er auch von den Vereinigten Staaten erstrebt wird. Wir haben weitgehendes Verständnis dafür, daß die Vereinigten Staaten es sich zur Aufgabe gemacht haben, bei der Abwehr der kommunistischen Angriffe ihrerseits mitzuwirken. Wir wissen aus der Geschichte der letzten 15 Jahre, daß es sich in der Tat um eine solche Abwehr handelt. Die Vereinigten Staaten haben weitreichende Versuche unternommen, den Weg der Verhandlungen zu eröffnen. Wir möchten dieses Bemühen um Verhandlungen unsererseits unterstützen. Wir können nur den Wunsch haben, daß diese Verhandlungen möglichst bald aufgenommen werden und daß sie zu einem ehrenvollen Arrangement führen, zu einem Arrangement, das den Weiterbestand der freien Länder in Südostasien ermöglicht und garantiert. Denn auch diese freien Länder gehören wie unser Land der freien Welt an. Wenn wir für die amerikanische Haltung, für das amerikanische Vorgehen Verständnis haben und wenn wir die amerikanischen Bemühungen um die Wiederherstellung einer friedvollen Ordnung unterstützen, so sind unserer Unterstützung naturgemäß Grenzen gesetzt. Sie kann sich keineswegs auf irgendein militärisches Gebiet erstrecken, wohl aber sich im humanitären Bereich vollziehen. Es ist daher erfreulich, wenn nach Lösungen gesucht wird, um unseren Bundesgenossen in diesem humanitären Bereich eine wirksame Unterstützung im Rahmen der gegebenen Möglichkeiten zuteil werden zu lassen.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum Abschluß sagen: es ist wahr, daß viele Sorgen unsere Gegenwart umschatten; es ist wahr, daß die Krise innerhalb der EWG, daß die nächste Zukunft der NATO uns mit mancher Sorge erfüllt. Aber wir haben das Vertrauen, daß wir durch eine sorgfältig abgestimmte und vertretene Politik auch diesen schwierigen Aufgaben der Zukunft gewachsen sein werden. Niemals werden wir dabei aus dem Auge verlieren, daß unser deutsches Anliegen der Wiedervereinigung unser primäres Anliegen bleibt und daß in jeder Phase unserer Politik dieses deutsche Anliegen immer und immer wieder erneut geprüft und erneut vorwärtsgetrieben werden muß.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Schultz.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Probleme, die wir heute nach dem Bericht des Bundesaußenministers über die Reise des Bundeskanzlers und seiner Minister in die Vereinigten Staaten zu diskutieren haben, haben uns ja auch schon während der Debatte zur Regierungserklärung beschäftigt. Die freie demokratische Fraktion hat durch ihren Fraktionsvorsitzenden, Herrn von Kühlmann, eine ganze Reihe von Wünschen für diese Reise und für diese Konferenzen mit auf den Weg gegeben. Ich glaube, ich kann heute mit Befriedigung feststellen, daß insbesondere in dem Kommuniqué, das über den Besuch des Herrn Bundeskanzlers in den Vereinigten Staaten herausgegeben wurde, diese Wünsche als berücksichtigt dargelegt worden sind. Das mit Befriedigung und Freude festzustellen, möchte ich nicht verfehlen. Es war sicher notwendig, daß der Bundeskanzler als alter neuer Bundeskanzler mit dem stärksten Verbündeten innerhalb der NATO die Probleme der Welt erörtert hat. Auch wir haben heute, so möchte ich sagen, durch die Ausführungen des Herrn Außenministers einen Blick über den Horizont tun können.
Wenn ich Herrn Kollegen Wehner recht verstanden habe, so hatte er eigentlich gegen das, was der Außenminister heute vorgetragen hat, nichts vorzubringen. Er wünschte vielleicht in dem einen oder anderen etwas mehr Impetus, ein etwas schnelleres Vorwärtsgehen. Aber gegen die Methode und gegen die Prinzipien habe ich eigentlich kein Wort gehört. Um so mehr verwundert es mich, daß trotz des erfolgreich verlaufenen Besuchs des Bundeskanzlers in Amerika und der erfolgreichen Mitwirkung an den gemeinsamen Konferenzen in der NATO gerade in der letzten Zeit die Diskussion aufkommen konnte, ob diese Bundesregierung, ihre Zusammensetzung und ihr Rückhalt im Parlament geeignet seien, die schwierigen Probleme unseres Volkes zu lösen.
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Schultz ({1})
Ich glaube, gerade der Auftakt der neuen Bundesregierung am Ende des vergangenen Jahres berechtigt zu der optimistischen Hoffnung, daß diese Bundesregierung und diese Koalition in der Lage sind, die Aufgaben, die vor uns liegen, zu lösen.
Es sind hier verschiedene Problemkreise angesprochen worden. Ich möchte mich nicht wiederholen und auch nicht zu weit schweifen. Ich glaube aber, daß einige Punkte besonders herauszugreifen sind.
Entscheidend scheint mir die erneute Feststellung der Bundesrepublik zu sein, daß sie über nukleare Waffen in eigener, nationaler Verfügungsgewalt nicht bestimmen will, sondern daß sie nur einen Weg sucht, um clie Sicherheit der Bundesrepublik innerhalb des Bündnisses zu garantieren. Herr Kollege Kopf hat mit Recht darauf hingewiesen, daß das ja ein Problem aller europäischen Staaten ist, nicht nur der Bundesrepublik allein.
Es waren in den vergangenen Jahren verschiedene Wege eingeschlagen worden, um das Problem als solches zu lösen. Sie lagen ausschließlich im militärischen Bereich, und man glaubte, durch Einführung neuer militärischer Waffensysteme das politische Problem der nuklearen Mitwirkung der europäischen Staaten innerhalb des Bündnisses lösen zu können. Ich glaube, daß es nützlich und richtig war, daß wir die Diskussion über diese Fragen nunmehr in das politische Gremium des NATO-Rats gehoben haben, daß der als McNamara-Vorschlag bekannte Vorschlag auch von den NATO-Mitgliedern angenommen wurde und daß wir nun in diesen Spezialkommitees die Frage der nuklearen Mitwirkung erörtern. Ich glaube, wenn wir Geduld haben, können wir eine Lösung erreichen, die dazu beiträgt, daß das Bündnis als solches seine Stärke behält, d. h., daß es sich wieder mehr festigt, als das bisher der Fall gewesen ist.
Es ist oft davon gesprochen worden, daß das Nichtteilhaben an der nuklearen Verantwortung eine Diskriminierung bedeuten könne. Ich glaube, wir sollten mit dem Wort „Diskriminierung" in diesem Fall nicht so leichtfertig umgehen. Atomwaffen sind Waffen, und konventionelle Waffen sind auch Waffen, und es ist noch gar nicht ausgemacht, was man nun im Besitz haben muß, um gemeinsam mit anderen die eigene Freiheit zu verteidigen.
Ich glaube, daß wir durch unseren Beitrag, den wir innerhalb der NATO auf konventionellem Gebiet leisten, durchaus berechtigt sind, eine Mitwirkung, Mitplanung im nuklearen Feld innerhalb der NATO zu beanspruchen.
Weiter glaube ich, daß wir alles tun sollten - wohl unter Beachtung der Notwendigkeiten unserer eigenen Sicherheit --, an der Verhinderung der Weiterverbreitung von Kernwaffen mitzuwirken.
Von besonderer Bedeutung scheinen uns die aus dem Dialog zwischen dem Bundeskanzler und dem amerikanischen Präsidenten stammenden Passagen, die in dem Kommuniqué und auch in den Ausführungen des Herrn Bundesaußenminister über das Deutschland-Problem und das Berlin-Problem zu lesen sind, zu sein. Wir begrüßen, daß der Gedankenaustausch über diese Fragen weiter fortgesetzt werden und daß nach wie vor der Grundsatz der Selbstbestimmung hier die Grundlage für das politische Handeln sein soll.
Von Wichtigkeit scheint mir auch zu sein, daß die Auffassung, daß ein Weiterkommen in der deutschen Frage nur im Zusammenhang mit einer Entspannung in Richtung Osteuropa zu erreichen ist, Allgemeingut geworden ist. Wir sollten nur wünschen, daß diese Auffassung der Bundesregierung -- die auch Auffassung der Freien Demokraten ist - allmählich auch bei uns im Volk Allgemeingut wird.
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Wir haben immer gewünscht, daß unser Verhältnis zu den osteuropäischen Staaten verbessert wird. Wir haben in dem Weg, Handelsmissionen einzurichten, einen richtigen Weg gesehen, und wir haben ihn auch selbst propagiert.
Nun gibt es bei uns aber noch eine ganze Reihe von Leuten, auch sehr namhaften Leuten, die nach wie vor der Auffassung sind, daß man, wenn man wirtschaftliche Beziehungen mit den kommunistisch beherrschten Ländern pflege, gleichzeitig die Regierungen dort stütze und damit nur erreiche, daß die Völker dieser Lander nach wie vor in der Unfreiheit leben müßten. Das geht dann auch in unseren eigenen Bereich, in die Beziehungen, in die Handelsverflechtungen zwischen der Bundesrepublik und der Zone hinein. Jeder von Ihnen kennt das Wort: Wer mit der Zone Handel treibt, der hilft nicht der Bevölkerung, sondern der hilft Ulbricht. Ich glaube, wir sollten über diesen falschen Slogan einmal nachdenken und müssen uns klarmachen, daß wir unsere Probleme auf die Dauer nur lösen können, wenn wir so weitgehend wie möglich eine wirtschaftliche Verflechtung mit dem osteuropäischen Gebiet haben. Auch das trägt nach meiner Auffassung dazu bei, die Überlegenheit des freiheitlichen Systems deutlich zu machen.
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Mit Recht ist von dem Herrn Außenminister und auch von den beiden vorhergehenden Sprechern auf die Bedeutung des Krieges in Südvietnam hingewiesen worden. Auch wir sind von Sorge erfüllt über die Entwicklungen, die sich dort ergeben haben. Wir bewundern das amerikanische Volk und seine Regierung, wie sie dort für die eingegangenen Verpflichtungen eintreten. Es ist selbstverständlich unsere Aufgabe, auf dem Gebiet, wo wir helfen können, zu helfen. Deswegen ist es, glaube ich, richtig, daß die Bundesregierung Hilfe auf wirtschaftlichem Gebiet und - inzwischen ist ja die Meldung über das Lazarettschiff bekanntgeworden - auch auf humanitärem Gebiet leistet.
Auch Herr Kollege Wehner hat dieses Problem angesprochen. Ich habe ihn nicht recht verstanden; vielleicht wird er das noch einmal verdeutlichen können. Er sagte, wir müßten uns mit diesem Problem beschäftigen, wir müßten darüber sprechen, es ziehe uns immer mehr in seinen Bann. Daß es uns in seinen Bann ziehen muß auf humanitärem Gebiet, auf wirtschaftlichem Gebiet - so wie ich es eben sagte -, ist ganz sicher. Ich möchte auf
Schultz ({4})
1 der anderen Seite aber ganz deutlich sagen, daß meiner Auffassung nach weitergehende Verpflichtungen, Verpflichtungen, wie wir sie z. B. durch den NATO-Vertrag übernommen haben, hier nicht herangezogen werden können, daß wir weitere Verpflichtungen nicht eingehen können. Ich bin der Meinung, wir sollten auch den Anschein vermei- den, als ob man der Meinung zuneige, daß die NATO den Bereich, der ihr nach dem Vertrag zugewiesen ist, allmählich ausweiten sollte auf alle Brennpunkte der Welt. Hier würden wir eine Entwicklung ansteuern, die die friedliche Regelung von Streitfragen internationaler Politik - wie sie auch in Südvietnam angestrebt wird - noch schwieriger machen würde, als sie ohnehin schon ist.
Ich bin sicher, daß das, was heute nachmittag ungesagt geblieben ist, im Ausschuß wird erörtert werden können. Ich möchte aber noch einmal meine Auffassung unterstreichen, daß der außenpolitische Auftakt, den diese Bundesregierung gegeben hat, erfolgversprechend ist. Man kann nur wünschen, daß sich alle Kräfte in unserem Volk hinter das von der Bundesregierung Gewollte stellen.
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Das Wort hat der Abgeordnete Schmidt ({0}).
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf zunächst meinem Vorredner, Herrn Schultz, antworten, das es, als wir gestern darum baten, daß der Herr Außenminister nach Abschluß der beiden internationalen Konferenzen, an denen er bzw. der Herr Bundeskanzler teilgenommen hat, hier einmal einen Bericht gibt, nicht unsere Absicht war, improvisiert eine Debatte über Grundprinzipien der deutschen Außenpolitik vom Zaune zu brechen. Das wäre auch nicht sehr sinnvoll. Was wir wollten, war vielmehr, dazu beizutragen, daß die Bundesregierung ihre Position, ihre Erfahrungen, ihre Eindrücke vor dem Parlament und vor der Öffentlichkeit dartut. Das ist-ganz sicherlich ein Gewinn für die Bundesrepublik als Ganzes, es kann ein Gewinn sein für die Bundesregierung, und es ist ganz bestimmt ein Gewinn für die Beziehungen zwischen Bundesregierung und Parlament, wenn solches geschieht. Das war die Absicht, die wir verfolgt haben.
Nun hat der Herr Bundesaußenminister -- er wird ja sicherlich noch einmal das Wort nehmen, auch auf die Ausführungen meines Freundes Wehner hin - ein paar Punkte berührt, zu denen ich von ihm noch etwas genauere Auskunft erbitten möchte, weil ich annehme, daß der Bundesregierung und dem Außenminister an einer Klarstellung der Position der Regierung in diesen Punkten durchaus gelegen sein könnte.
Lassen Sie mich in den Monat November zurückgreifen. Damals hat der Bundesverteidigungsminister - der heute leider erkrankt ist - in Paris anläßlich einer Sitzung - ich weiß nicht mehr genau, welchen Gremiums; es war vor der NATO- Ratstagung - vor Journalisten gesagt, daß wir in bezug auf die nuklearen Waffen -- Herr Schultz! --Mitbesitz anstreben müßten, denn nur Mitbesitz garantiere oder gewährleiste Mitbestimmung. Diese Wortwahl des Herrn Bundesverteidigungsministers und auch der Inhalt seiner Forderung ist hier dann in der Debatte über die Regierungserklärung von verschiedenen Seiten kritisch beleuchtet worden, ohne daß die Bundesregierung dazu in jener Debatte Stellung genommen hätte. Es haben nur Abgeordnete zu diesem Punkt Stellung genommen. Der Herr Bundeskanzler selber hat in einer sehr kurzen Intervention hier von diesem Platz aus gesagt, unmittelbar vor seinem Besuche in Washington hielte er es nicht für zweckmäßig, wenn er seine Position hier anders darlege als in den sehr allgemeinen, unverbindlichen Sätzen, die die Regierungserklärung darüber enthalten hatte.
Nun, ich meine, wenn der Bundeskanzler damals hier Position bezogen hätte - es wäre ja nicht ausgeschlossen gewesen, daß es sich um eine Position gehandelt hätte, die die allgemeine Zustimmung dieses Hauses hätte finden können --, dann wären möglicherweise in diesem Punkt sein Gespräch in Washington und das Gespräch des Herrn Außenministers im NATO-Rat durch eine gemeinsame Erklärung dieser Position erleichtert worden. Die hat nicht stattgefunden. Inzwischen ist der Besuch in Washington vorbei, die NATO-Ratssitzung ist gewesen.
Meine Frage wäre, ob wir denn nun heute, wo kein Besuch bevorsteht, die Position der Regierung zu dieser Frage erfahren können, die Position zu der Frage nämlich, ob wir im NATO-Rat und ob wir gegenüber unserem großen amerikanischen Verbündeten spezifisch diese Forderung nach nuklearem Mitbesitz erheben. Ist das unsere Position? Ist das die Position der Bundesregierung? Das würde ich jetzt nach dem Besuch wirklich gern erfahren. Und wenn dies Ihre Position war, haben Sie sie gegenüber dem Präsidenten Johnson erhoben, und was hat er geantwortet? Das würde ich jetzt nachträglich wirklich gern erfahren.
Es hat sich übrigens in der Aussprache über die Regierungserklärung e i n Abgeordneter von der Rechten für eine europäische Nuklearstreitmacht eingesetzt, die jedenfalls - so habe ich es verstanden auch England und Frankreich mit umschließen sollte. Auch zu diesem Vorschlag hat die Bundesregierung damals kein Wort gesagt. Abgeordnete haben dazu gesprochen; die Bundesregierung hat sich nicht geäußert. Vielleicht darf man an die Bundesregierung die Frage stellen, ob sie heute erklären will, daß das eine Position ist, die sie einnimmt oder vielleicht heute noch nicht einnimmt, aber demnächst anstreben will, wenn die Entwicklung dafür Voraussetzungen schafft, oder ob sie erklären will, daß das eine Position ist, die sie im Augenblick für irrealistisch hält, oder ob sie erklären will, daß sie im NATO-Rat dazu gesprochen hat und was sie dazu gesprochen hat, oder ob sie berichten will, daß und was sie mit dem amerikanischen Präsidenten über diese Position gesprochen hat und was das Ergebnis gewesen ist. So aufschlußreich,
Schmidt ({0})
lieber Herr Schultz, war nämlich das Kommuniqué nun doch wieder nicht, als daß Sie es hier dreimal hätten zitieren müssen.
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In diesem Zusammenhang eine Frage, die uns alle immer wieder bewegt und die wir hier in diesem Hause eigentlich noch nie wirklich miteinander besprochen haben. Herr Kopf hat eben gesagt - mit der Zustimmung einer großen Mehrheit, nehme ich an -, daß die Bundesrepublik an dem NATO-Bündnis festhalten wolle. Das steht ja zwischen uns nicht zur Debatte, Herr Kopf. Was zur Debatte steht und worüber man sich Sorgen macht, worüber man miteinander redet, worüber man Artikel schreibt, worüber man von Journalisten befragt wird und worüber man sich im Fernsehen und im Rundfunk äußert, das ist die Frage: Wie kriegen wir es denn hin, daß der Bündnisvertrag bestehenbleibt? Das ist doch das eigentliche Problem.
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Wir sind doch nicht zusammengekommen, um Dinge zu deklamieren, die selbstverständlich sind. Das große Problem, das auch Herrn Schröder bedrängt - da habe ich gar keinen Zweifel -, das den Bundeskanzler bedrängen müßte, ist doch: Wie kriegen wir es denn hin, daß das, was uns an diesem Bündnis wesentlich ist, über das Jahr 1969 hinaus erhalten bleibt? Dieses Jahr 1969 wirft entsetzliche Schatten auf all diese Diskussionen.
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Wir können doch nicht so tun, als ob bloß wir hier in der Bundesrepublik, in Bonn von diesen Schatten nicht berührt wären. Wir sind davon zu allermeist berührt.
Ich würde eben sehr gern sehen, wenn der Herr Bundesaußenminister in einer solchen Unterrichtung sagen könnte, wie er denn die Gefahr einschätzt und wie er die deutschen Möglichkeiten einschätzt, möglichen Gefahren entgegenzutreten. Es ist ja nicht so ,einfach, Herr Kopf, daß Sie nur von „der NATO" reden könnten. Der französische Präsident macht einen ganz großen Unterschied zwischen dem Bündnis einerseits und der NATO andererseits. Das ist der entscheidende Ansatzpunkt für alles das, was er innerhalb des Bündnisses im Laufe der letzten fünf Jahre an politischen Bewegungen vollzogen hat: dieser Unterschied zwischen der NATO als organisatorischer Form, als organisatorischer militärischer Struktur einerseits - gegen die er viel einzuwenden hat - und dem Bündnis andererseits, gegenüber dem er bisher nicht so sehr viel einzuwenden hatte. Das sind die wirklichen Probleme, mit denen wir ringen und mit denen jedenfalls der Bundesaußenminister ringt. Die können wir nicht nur als Zuschauer betrachten. Es ist nicht so, daß der französische Präsident alleine Akteur in dieser Frage sein oder bleiben dürfte. Sie geht uns noch viel mehr an als die französische Regierung. Mit einem Bekenntnis zur NATO ändern wir überhaupt nichts. Damit sind wir überhaupt kein Faktor in diesem Gespräch.
Lassen Sie mich, Herr Dr. Schröder, bitte auch noch eine Frage zu Vietnam stellen. Anfang dieses Monats ist in der deutschen Presse, zum Teil etwas sensationell aufgemacht - ich habe das sehr bedauert -, die Behauptung aufgetaucht, von amerikanischer Seite würden wir, die Bundesrepublik, zu einer militärischen Hilfe in Südvietnam gedrängt. Eine Zeitung hat sogar in fetten Zeilen behauptet, man verlange von uns, daß wir deutsche Soldaten nach Südvietnam schickten. Ich habe am nächsten Tag mit Befriedigung gesehen, daß alle politischen Stellen, die sich zu dieser Zeitungsmeldung äußerten, sich sehr einheitlich dazu geäußert und das weit weggeschoben haben. Auch der Herr von Hase hat das ja am nächsten Tage dementiert; nur gehört das bei Herrn von Hase zu den routinemäßigen Berufsaufgaben.
Ich würde ganz gerne sehen, daß sich der Bundesaußenminister vor diesem Hause zu diesem Punkte erklärt oder daß er die Position der Bundesregierung zu diesem Punkte vor diesem Hause erklärt, soweit ihm das möglich ist.
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Hat es, Herr Dr. Schröder, amerikanische Wünsche hinsichtlich deutscher Hilfe im Vietnamkonflikt an unsere Adresse gegeben, oder sind sie nur von irgendwem irgendwo lanciert worden? Das wäre ja ein riesiger Unterschied. Hat es amerikanische Wünsche solcherart an die Adresse der Bundesregierung gegeben? Worauf haben diese Wünsche abgezielt, und was haben wir, was hat die deutsche Bundesregierung darauf geantwortet? Ich stelle die Frage, weil ich mir denken könnte, daß die Bundesregierung es begrüßen würde, hier eine Klarstellung geben zu können.
Ich selbst bin am Montagabend nach einem Vortrag, den ich vor einem Universitätspublikum, vor Studenten, zu halten hatte, von den Studenten umringt worden, von 20, 30 jungen Leuten, sehr bemüht, sehr ernsthaft, sehr gewissenhaft beschäftigt mit dem Vietnamproblem; es war gar nicht mein Thema gewesen. Die haben mich dann gefragt: Sagen Sie einmal - Sie müssen das doch eigentlich wissen --, wir haben hier Nachrichten - der eine hat dies zitiert, der andere hatte einen Brief und wieder ein anderer hatte dort etwas gehört --, daß deutsche Soldaten in Vietnam sind, zwar nicht in Uniform, aber in Zivil. Sie müssen das doch wissen! Ist das wahr? Was halten Sie davon? - Ich habe geantwortet: Ich halte das für unwahr, ich halte das für undenkbar. Ich habe die jungen Herren gebeten, mir doch zu schreiben, woher sie es haben, damit ich dem nachgehen könne.
Die Regierung möge sich darüber im klaren sein: Diese Gerüchte werden ausgestreut, werden geflissentlich ausgestreut. Die Kameraden, die das ausstreuen, kommen von der anderen „Feldpostummer". Es gibt Gutwillige, die das zunächst einmal für bare Münze nehmen. Man muß nicht böswillig sein, um auf eine Propagandanachricht hereinzufallen.
Ich würde es begrüßen, wenn die deutsche Bundesregierung diese Gelegenheit benutzte, zu erklären - was doch wahr ist -, daß es in Vietnam keinen ein508
Schmidt ({5})
zigen Soldaten der Bundesrepublik gibt, weder in Uniform noch in Zivil noch in irgendeiner anderen, räuberzivilmäßigen Verkleidung.
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Ich würde es wirklich begrüßen, wenn das hier geklärt würde. Es mag vielleicht zwei oder drei Soldaten geben, die als Attachés zu unserem Botschaftspersonal gehören. Das ist hier nicht gemeint. Aber vielleicht ist auch das letztere noch ein Punkt, den Sie klarzustellen wünschen.
Eine Bemerkung möchte ich noch anfügen und damit diese kurze Intervention auch beschließen, eine Bemerkung zu diesem Krieg in Vietnam. Es mag, meine Damen und Herren, an dem Krieg in Vietnam vieles und Schreckliches zu kritisieren sein. Es mag sicherlich auch vieles zu kritisieren sein an dem, was unsere amerikanischen Verbündeten in Vietnam tun, und an dem, was sie dort lassen. Bei welchem Kriege oder bei welchem Bürgerkrieg in der Menschengeschichte wäre das je anders? Schreckliches geht da vor sich. Das ist sicher so. Aber ich will hier auf meine persönliche Kappe hin doch eines aussprechen: Wir sind uns sicherlich bewußt, daß mindestens zwei Punkte, die unser deutsches Interesse sehr nahe berühren, auch in Vietnam auf dem Spiele stehen, nämlich einmal die Frage, ob und wieweit amerikanische Beistandsverpflichtungen von den Amerikanern eingehalten werden, und zweitens die Frage, ob und wie weit die Auswirkungen auch auf unsere eigene Position hier in Europa wohl gehen würden, wenn es zu einem Abbröckeln der amerikanischen Position an den Rändern des Pazifischen Ozeans käme.
Ich sage das nur, weil ich deutlich machen will, daß jedenfalls ich mir dessen durchaus bewußt war, als ich vorhin die anderen Fragen stellte, und weil ich mich vor Fehlinterpretationen schützen möchte.
Das alles soll nicht heißen, daß wir etwa nicht Gelegenheit nehmen müßten - nicht gerade an diesem Ort, aber an anderer Stelle -- und sogar Verpflichtungen hätten, dort, wo wir meinen, auf fundierte Kenntnisse sich abstützende Kritik oder Vorschläge an die Adresse unserer amerikanischen Freunde, auch was Vietnam angeht, zu äußern. Sicherlich haben wir diese Möglichkeit und ganz sicherlich werden wir davon Gebrauch zu machen haben, wenngleich wir sorgfältig darauf achten wollen, die Haltung als Bündnispartner gegenüber den Amerikanern nicht zu verletzen. Wir alle fahren ja nächste Woche nach Berlin, und da wird uns wieder zum Bewußtsein gebracht werden, wie sehr wir auf die Haltung des Partners - gerade d i es es Partners - angewiesen sind, wie sehr gerade wir Deutschen darauf angewiesen sind. Wir werden also sicherlich die partnerschaftliche Haltung nicht verletzen wollen. Aber andererseits werden wir bei einem solchen Gespräch, einem solchen Meinungsaustausch mit den Amerikanern - statt „wir" müßte ich eigentlich sagen: unsere Regierung -, wird die Bundesregierung sicherlich die Pflicht haben, unseren amerikanischen Freunden ganz deutlich zu machen, daß sie keine Hilfsersuchen an uns richten können, die wir nicht erfüllen können, weil wir sie nicht erfüllen dürfen. Wenn ich sage „dürfen", meine ich: weil wir sonst ganz schreckliche Folgen schon sehr deutlich am Horizont erkennen müßten. Es gibt - das ist durchaus denkbar, wenn man sich in amerikanische Mentalitäten versetzt - eine Reihe von Hilfsersuchen, die man, wenn man von Illinois oder aus Kalifornien kommt, an seine Bündnispartner in Europa gern stellen möchte, wenn man die Last dieses vietnamesischen Krieges zu tragen hat, nicht nur die Last des Krieges, sondern auch die Last der Probleme. Es m u ß die ja bedrücken, das ist keine sehr einfache Problematik, vor der die Amerikaner stehen. Ich kann mir vorstellen, daß man aus amerikanischer Sicht eine Reihe von Hilfsersuchen relativ leicht gegenüber seinen Bündnispartnern über die Zunge bringt. Gegenüber der Bundesrepublik gibt es aber gewisse Hilfsersuchen, theoretisch gedacht, von irgend jemand in Illinois ausgesprochen, oder ausgestreut in irgendeinem Dienst, in irgendeiner Zeitung publiziert, die die amerikanische Regierung nicht aussprechen sollte. Und die deutsche Bundesregierung muß dafür sorgen - falls eine solche Gefahr bestünde -, daß sie nicht ausgesprochen werden.
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Das Wort hat der Bundesminister des Auswärtigen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es gibt, wie ich gerade gesehen oder gehört habe, noch eine ziemlich lange Reihe von Wortmeldungen. Deshalb ist es wahrscheinlich besser, wenn ich an dieser Stelle der Debatte schon auf einiges eingehe, das hier angeschnitten worden ist.
Der Kollege Wehner hat mitgeteilt, daß die ihm zur Verfügung stehenden Blumen teils verschenkt, teils ausverkauft, teils eingestampft seien. Nun, das ist das Schicksal von Blumen. Ich selbst bin nicht auf vergängliche Blumen aus und bedauere die Aktion, die er da vorgenommen hat, natürlich keineswegs.
Der erste Punkt, zu dem ich etwas sagen möchte, ist folgender. Es war auch der erste Punkt in der Stellungnahme des Kollegen Wehner, nämlich eine Frage nach einer Konkretisierung möglicher deutscher Opfer für die Wiedervereinigung. Darüber wird sehr viel gesprochen, teils von Politikern, teils von anderen, und wir haben in diesem Felde bisher eigentlich immer, und wie mir scheint, ziemlich konsequent, den Standpunkt vertreten, daß wir über eine grundsätzliche Aussage dieser Art nicht hinausgehen sollten und nicht den Versuch machen sollten, eine Konkretisierung von Leistungen oder gar möglichen Verzichten vorzunehmen.
Das ist bisher unser Standpunkt gewesen aus vielen wohlerwogenen Gründen, die wir auch öffentlich dargelegt haben. Wenn aber die Nützlichkeit einer etwaigen Konkretisierung neu erörtert werden soll, so wird sich die Bundesregierung einer solchen natürlich diskreten Diskussion keineswegs verschließen. Ich sage: einer Erörterung über die
Frage der Nützlichkeit von Konkretisierungen. Ein solches Gespräch kann durchaus geführt werden. Ich sehe bisher keinen Anlaß, von der grundsätzlichen Linie, die wir eingenommen haben, abzugehen.
Der zweite Punkt - und das ist wieder aufgekommen in dem, was der Kollege Schmidt vorhin gesagt hat - war Vietnam. Es tut mir eigentlich leid, daß der Beschluß der Bundesregierung, dieses Hospitalschiff auszurüsten und zu entsenden bzw. seine Ausrüstung und Entsendung durch das Deutsche Rote Kreuz zu prüfen, nicht von mir in diesem Zusammenhang bekanntgegeben worden ist. Er ist schon eine halbe Stunde früher bekanntgegeben worden. Ich würde das sonst in diesem Zusammenhang getan haben. Denn mir liegt tatsächlich daran, daß wir in der Behandlung des sehr schwierigen Vietnam-Komplexes möglichst die Unterstützung des ganzen Hauses haben. Das ist eine Frage, die sich, wie mir scheint, leider noch über längere Zeit hin entwickeln wird.
Es gibt keinen deutschen Soldaten in Vietnam außer dem Militärattaché, den ich hier beiseite lassen möchte. Niemand verlangt von uns einen militärischen Einsatz in Vietnam. Aber wir werden uns auch selber, ohne daß konkrete Forderungen an uns gerichtet werden, überlegen müssen, was wir in den nichtmilitärischen Sektor tun können. Ich glaube, daß der Gedanke mit dem Lazarettschiff ein ganz glücklicher und guter Gedanke ist, den wir auch schon früher gehabt haben.
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- Entschuldigung, eine Sekunde möchte ich noch weitersprechen.
Ich darf über das hinaus etwas sagen, wovon ich nicht weiß, ob es in der Pressekonferenz erwähnt worden ist. Das Bundeskabinett hat beschlossen, unter dem Vorsitz meines Kollegen, des Bundesministers des Innern, einen Kabinettsausschuß zu bilden, der im einzelnen sowohl nach den rechtlichen wie den praktischen Möglichkeiten untersuchen wird, welchen weiteren Umfang und welche Konkretisierung wir unseren Hilfeleistungen geben können. Mehr möchte ich darüber im einzelnen nicht sagen. Alle weiteren Überlegungen werden, sobald sie konkret genug sind, sei es in den Ausschüssen, sei es hier, weiter erörtert werden. Das Problem ist, wie alle zugeben werden, nicht nur sehr schwierig, sondern auch für unsere eigene Lage außerordentlich wichtig. Deswegen muß es mit größter Vorsicht, aber auch mit größter Klarheit behandelt werden. Diese Klarheit liegt darin, daß ein militärischer Einsatz von Deutschen in Vietnam nicht in Betracht gezogen werden kann.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Bitte sehr.
Herr Minister, Sie haben gesagt, daß sich keine deutschen Soldaten in Vietnam befinden. Ich glaube, es liegt im Interesse von uns allen, daß Sie auch die Propaganda unmöglich machen, die darauf hinzielt, zu sagen: Ja, nicht in Uniform, wohl aber in Zivil oder in Räuberzivil oder in irgendeiner anderen Erscheinungsform.
Ja, also ganz sicherlich nicht, soweit es sich um irgendeine Tätigkeit der Bundesregierung oder irgendeiner veranwortlichen Stelle handelt. Es trifft absolut zu, was ich gesagt habe. Wir haben außer dem Militärattaché und einem Adjutanten oder was immer er haben mag, keinen Soldaten in Vietnam -das ist so --, weder in Uniform noch etwa in getarnter Form. Das ist eine ganz eindeutige Aussage.
Ich darf dann in dem Gedankengang fortfahren, den der erste Sprecher in dieser Debatte angeschnitten hat. Ich halte es nicht für richtig, daß wir in diesem Augenblick grundsätzlich über die Linie sprechen, die die Bundesregierung in der kommenden Luxemburger Konferenz verfolgen wird. Diese Linie ist mehr oder weniger auch bekannt. Die kommende Luxemburger Konferenz wird sich vor allen Dingen mit zwei Fragen beschäftigen: der Frage der Behandlung von Mehrheitsentscheidungen innerhalb der Gemeinschaft und der Frage des Verhältnisses zwischen Ministerrat und Kommission. Das, was hier dazu gesagt worden ist, sehe ich durchaus als eine wertvolle Unterstützung an.
Wir sind der Meinung, daß dieses - wenn ich mich so ausdrücken soll - Teilstück einer europäischen Verfassung, das die Römischen Verträge darstellen, tatsächlich erhalten und nicht etwa abgebaut werden soll. Ich begrüße auch die Unterstreichung der großen Bedeutung der Kennedy-Runde durch den ersten Sprecher der Opposition. Diese Sache schätzen wir durchaus übereinstimmend ein, und diese Linie werden wir weiter verfolgen. Wir werden sicherlich Gelegenheit haben, bald nach dieser Luxemburger Konferenz hier weiter über Einzelheiten zu sprechen.
Dem Kollegen Kopf bin ich für die Unterstreichung wesentlicher Gesichtspunkte dankbar, vor allen Dingen für einen Hinweis, den er erneut gegeben hat, daß wir uns vielleicht ein bißchen stärker als bisher damit auseinandersetzen müssen, die Angriffe, die permanent und aus den schlechtesten Quellen gegen uns gerichtet werden, in geeigneter Weise und entschlossen zurückzuweisen und das wahre Bild unserer politischen Absichten zu vermitteln. Wir sollten von neuem, so überflüssig das dem einzelnen von uns erscheinen mag, unterstreichen, daß die Politik, die wir betreiben, eine Politik des Friedens und des Einsatzes nur friedlicher Mittel ist.
Ich komme zu einem Thema, das der Kollege Schmidt, anschließend an die Debatte über die Regierungserklärung, angeschnitten hat. Zu diesem Punkt möchte ich - ich hoffe, ich langweile das Hohe Haus nicht - doch einmal genau vorlesen, was in dem Kommuniqué über den Besuch des Bundeskanzlers in Washington zu dieser Frage gesagt worden ist; es heißt dort folgendermaßen:
Der Präsident und der Bundeskanzler stellten mit Befriedigung fest, daß die Verteidigungsminister einer Reihe von NATO-Ländern die Möglichkeit der Verbesserung der derzeitigen nuklearen Abmachungen innerhalb des Bündnisses zu erörtern begonnen haben.
Der Präsident stellte fest, daß die Abschrekkungskraft des Bündnisses sich als völlig wirksam erwiesen hat und ständig modernisiert wird, und er äußerte die Auffassung der Vereinigten Staaten, daß Abmachungen erarbeitet werden könnten, um Bündnismitgliedern, die keine nuklearen Waffen haben, einen angemessenen Anteil an der nuklearen Verteidigung zuzusichern. Der Präsident und der Bundeskanzler waren sich einig, daß die Erörterung solcher Abmachungen zwischen den beiden Ländern und mit anderen interessierten Verbündeten fortgesetzt werden soll.
Es folgt dann ein Passus über die Nichtverbreitung. Darin heißt es:
Der Präsident und der Bundeskanzler bestätigten übereinstimmend den Grundsatz der Nichtverbreitung nuklearer Waffen in die nationale Verfügungsgewalt von Staaten. Sie waren der Ansicht, daß nukleare Abmachungen des Bündnisses keine Verbreitung nuklearer Waffen darstellen, vielmehr zu dem Ziel beitragen würden, die Verbreitung nuklearer Waffen zu verhindern. Sie betonten, daß es wichtig ist, die Bemühungen um eine Verringerung der Kriegsgefahr und eine wirksame Rüstungskontrolle fortzusetzen.
Ich glaube, daß sich daraus das richtige Bild der derzeitigen Situation ergibt, und das ist dieses: daß im Augenblick die Arbeiten dieses Sonderausschusses der Verteidigungsminister fortgesetzt werden, die wir voll unterstützen, von denen wir uns möglichst positive Ergebnisse erhoffen, daß wir aber keineswegs unsere grundsätzliche Meinung geändert haben, daß weiter geprüft werden soll, in welcher Form, in welcher veränderten organisatorischen Form - sei es durch die Neuschaffung von Einrichtungen, sei es durch die Verbindung vorhandener nuklearer Einrichtungen - eine unmittelbare Beteiligung an den nuklearen Entscheidungen gesichert werden kann.
Herr von Hassel soll, wie Sie zitiert haben, ausgeführt haben: „Nur Mitbesitz garantiert Mitbestimmung". Ich kann nicht bestätigen, ob er das Wort „nur" gebraucht hat. Daß aber Mitbesitz Mitbestimmung garantiert, ist ganz sicherlich eine richtige Feststellung.
Mit anderen Worten: wir sind in dieser Frage, wenn Sie so wollen, in einem untersuchenden, experimentierenden Stadium. Wir werden mit Interesse sehen, wie weit dieser Sonderausschuß kommt. Aber wir haben keine unserer weitergehenden grundsätzlichen Auffassungen bisher geändert. Das ist der Stand der Dinge. Darüber wird in dem Kommuniqué gesagt, daß der Präsident und der Bundeskanzler sich einig waren, daß die Erörterung solcher Abmachungen zwischen den beiden Ländern und mit anderen interessierten Verbündeten fortgesetzt werden soll. Dies ist die präziseste Auskunft, die ich darüber geben kann, und ich glaube, sie ist ganz eindeutig.
Der Kollege Schmidt hat ein weiteres Thema angeschnitten, nämlich die Frage: Wie ist eigentlich grundsätzlich unsere Haltung zur Reform der NATO? Dazu möchte ich folgendes sagen. Wir haben im Laufe der voraufgegangenen Jahre eine ganze Reihe von eigenen Wünschen gegenüber der NATO angemeldet. Über das nukleare Thema habe ich gerade einiges gesagt. Aber darüber hinaus scheint mir -- das habe ich dem Hohen Hause gelegentlich schon dargelegt - Deutschland in den Gremien der NATO - und zwar sowohl der politischen wie der militärischen --- derzeit „unterrepräsentiert" zu sein, wenn Sie den Ausdruck akzeptieren wollen. Das ist ein Zustand, der verbessert werden muß und der auf jeden Fall verbessert werden kann. Das ist das eine.
Im übrigen sind wir diejenigen, die ein besonderes Interesse darin sehen und eine besonders geschärfte Erkenntnis dafür haben, daß die derzeitige Form der NATO-Organisation sich in einem hohen Maße gerade mit unseren besonderen Interessen verbindet und unsere besonderen Interessen in der bekannten Weise berücksichtigt. Wir sind also nicht diejenigen, von denen etwa der Anstoß kommen sollte, zu einem wie immer gearteten Umbau zu kommen.
Wir müssen folgendes festhalten. Bisher ist von keiner Seite -- außer der allgemeinen Formel über eine Reform der NATO bis 1969 - irgendein diskussionsfähiger konkreter Vorschlag gemacht worden. Wir sind mehr oder weniger die Letzten, die ein Interesse daran hätten, zum Abbau von Einrichtungen beizutragen, auf denen, wie wir die Dinge heute sehen, ganz im wesentlichen unser Schutz beruht. Das ist das, was ich dazu sagen möchte.
Wir werden uns einer solchen Diskussion - von wem immer sie aufgebracht wird - nicht entziehen. Unsere eigenen speziellen Wünsche habe ich angemeldet. Aber wir sind nicht diejenigen, die sozusagen die Motoren dieser Diskussion sein könnten oder sein sollten.
Noch einen kleinen Nebenpunkt! Der Kollege Schmidt hat nach der Haltung der Bundesregierung zu der Frage einer europäischen Atommacht gefragt. Ich möchte sagen: dies ist in den Augen der Bundesregierung keine aktuelle Aufgabenstellung. Das ist, glaube ich, das Genaueste, was ich dazu in diesem Augenblick sagen kann. Im übrigen bin ich gern bereit, auf weitere Fragen, die hier noch gestellt werden mögen, einzugehen.
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Das Wort hat die Abgeordnete Frau Strobel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Außenminister hat eben gesagt, er sei gern bereit, auf weitere Fragen, die
gestellt werden, einzugehen. Ich fürchte allerdings, daß sich das nicht auf die dringenden Fragen der europäischen Politik bezogen hat, weil er ja schon vorher gesagt hat, daß er vor der Luxemburger Konferenz hier dazu den Standpunkt der Regierung nicht erörtern möchte. Nun, wir bedauern das. Das hat Herr Wehner schon gesagt. Wir meinen auch, daß man sich nicht auf den Standpunkt zurückziehen sollte, daß im Grunde genommen die Grundzüge der Haltung der Regierung in dieser Frage bekannt seien. Denn wir meinen, daß in einem solchen Gespräch zwischen Regierung und Parlament über außenpolitisch dringende Probleme, zu denen die europäischen gehören, nicht nur die Grundzüge der Außenpolitik erörtert oder wiederholt werden sollten, sondern daß davon auch Impulse für die Außenpolitik ausgehen. Aus diesem Grunde wollen wir uns nicht so schweigsam zu diesen europäischen Fragen verhalten, wie es der Herr Bundesaußenminister getan hat, aber uns auf ein paar ganz kurze Bemerkungen bzw. Fragen beschränken.
Wir hätten z. B. doch gern gewußt, Herr Außenminister, ob die Bundesregierung oder die fünf Regierungen den Standpunkt bzw. die Forderungen der französischen Regierung konkret - offiziell oder offiziös - kennen, oder ob sie - genau wie wir - darauf angewiesen sind, sich diesen Standpunkt aus Pressekonferenzen, Reden von Staatspräsidenten und Ministern, zusammenzuklauben. In diesem Zusammenhang stellt sich natürlich dann die Frage: Mit welchem Konzept geht die Bundesregierung im einzelnen in diese Verhandlungen in Luxemburg? Man muß sich diese Frage nicht zuletzt auch deswegen stellen, Herr Minister, weil es etwas auffällt, daß diese Konferenz, die zunächst als eine Konferenz der Außenminister vorgesehen war, inzwischen - soweit man der Presse entnehmen kann - in bezug auf zahlenmäßige Beteiligung einen solchen Umfang angenommen hat, daß man allein von dieser Massendemonstration her leider schon ein bißchen skeptisch wird. Wir alle möchten aber doch bezüglich des Ausgangs der Konferenz optimistisch sein. Ich lese z. B., wer von der Bundesrepublik alles zu dieser Konferenz geht. Ich lese, daß auch die ständigen Stellvertreter an dieser Konferenz beteiligt werden. Wenn man sich das Drum und Dran vorstellt, dann wären das 80 Leute. Im Lichte der sehr schwierigen Situation gesehen halte ich das - ich muß es ehrlich sagen - nicht gerade für gut.
Es kommt uns außerdem darauf an - und ich hoffe, daß wir darin übereinstimmen, wenn es dazu auch gelegentlich andere Meinungsäußerungen, auch einzelner Abgeordneter, gibt -, deutlich zu machen, daß man der Gefahr des Rückfalls in rein nationalstaatliches Denken in Europa - und das ist ja schließlich die Grundursache der Krise - nicht begegnen kann und nicht begegnen darf mit der Addition der nationalen Interessen - wenn man so sagen will - der anderen Fünf. Deshalb sollten wir in einer solchen Debatte gerade vor einer solchen Konferenz sagen, daß es die Auffassung des Deutschen Bundestages ist, daß die Gemeinschaft nur dann weiter bestehen kann, wenn die Fünf und wenn auch jedes einzelne Mitglied der Gemeinschaft diesem Versuch, national zu reagieren, widerstehen und ihre Haltung ausschließlich am Gemeinschaftsinteresse orientieren. Es ist wichtig, das der Regierung mit auf den Weg zu geben. Das müßte unserer Meinung nach auch eine Rückenstärkung für sie sein.
Nun zu einigen wenigen großen Problemen, die in Luxemburg zur Debatte stehen. Da ist also die Frage der Mehrheitsentscheidungen. Die Tatsache, daß es dazu keine eindeutige Erklärung der Bundesregierung gibt, hat meiner Meinung nach schon ein bißchen Veranlassung gegeben zu gewissen Gerüchten, nach denen man auch von deutscher Seite bereit wäre, hier auf eine Art Gentlemans Agreement einzugehen. Nun, es würde uns schon interessieren, wo hier nach Meinung der Regierung die Grenzen liegen. Wir sind der Auffassung, daß die bisherige Praxis des Ministerrats und der Wortlaut des Vertrags nicht zu der Sorge berechtigen, daß eine Majorisierung eines Mitgliedstaates in lebenswichtigen Fragen dieses Mitgliedstaates etwa im Ministerrat erfolgen würde. Gerade weil wir der Auffassung sind, daß diese Sorge nicht berechtigt ist, müssen wir doch fragen: Beruht nicht vielmehr die französische Forderung darauf, daß die Idee des Fouchet-Plans nach wie vor lebendig ist, des Fouchet-Plans, der ja in etwa beabsichtigte, über die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft ein politisches Dach zu stülpen und unter diesem politischen Dach alle wichtigen - auch politischen -- Entscheidungen über die Fragen, die die EWG angehen, zu fällen? Das wäre eine Denaturierung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft. In diesem Zusammenhang muß man, glaube ich, auch so wichtige Fragen wie z. B. die Kennedy-Runde und die Folgen der Entscheidungen über die Fragen der Mehrheitsbeschlüsse sehen. Wenn man sich darauf einließe, in Fragen, die für die Gemeinschaft wichtig sind, ein Vetorecht eines einzelnen Mitglieds zu etablieren - was ja im Grunde vertragswidrig wäre -, dann würde eine solche Vereinbarung außerhalb des Vertrages eben einen Verstoß gegen lebenswichtige Interessen der Gemeinschaft oder der anderen Fünf bedeuten.
Denken wir z. B. an die Kennedy-Runde. Das Hinausschieben dieser Fragen, etwa bis man über die Grundzüge des Fouchet-Plans verhandelt hat, müßte praktisch zum Scheitern der Kennedy-Runde führen. Es wäre doch sehr nützlich gewesen, wenn die Bundesregierung hier auch einmal im einzelnen gesagt hätte, wie sie terminlich die Abwicklung der Kennedy-Runde sieht und welche Entscheidungen vorher in Brüssel gefällt werden müßten. Wir alle wissen, daß die Agrarfinanzierung als solche kein Hinderungsgrund dafür wäre, auch andere notwendige Agrarbeschlüsse zu fassen, die für das Weitergehen der Kennedy-Runde notwendig sind.
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Aber wichtig ist doch - alle Kenner sagen das -, daß wir fast nur noch bis zum April, bis das Mandat der Kommission für die Verhandlungen in Genf erneuert werden muß, Zeit haben, und das ist eine sehr kurze Frist.
Ich komme jetzt zu einem Problem, bei dem die
Bundesregierung bemerkenswert schweigsam ist. Sicher kann man auf dem Standpunkt stehen: personelle Fragen sollten nicht im Zusammenhang mit dem Einfluß und der Stellung der EWG-Kommission im Rahmen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft erörtert werden. Das hieße meiner Meinung nach aber den Kopf in den Sand stecken, weil ja unser französischer Partner eben diese personellen Fragen mindestens als Gegenstand der Austragung der Meinungsverschiedenheiten benützt. Hier macht also das Schweigen zu der Gretchenfrage nicht nur in der Bundesrepublik, sondern auch bei den beteiligten Partnern doch einen erstaunlichen Eindruck. Wird die Bundesregierung für die Beibehaltung des Präsidenten Hallstein eintreten, wird sie darauf bestehen, daß er entweder Präsident der Kommission der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft bleibt oder, wenn man fusioniert, Präsident der Gemeinsamen Kommission wird? Welche Haltung nimmt die Bundesregierung dazu ein? Ausgerechnet die Regierung, aus deren Land der Präsident kommt, äußert sich dazu nicht. in Holland wäre es undenkbar, daß eine außenpolitische Debatte im Parlament jetzt kurz vor der Luxemburger Konferenz stattfindet, ohne daß alle Parteien sich hinter das mindestens von einem Partner der Gemeinschaft zu Unrecht angegriffene holländische Mitglied des Ministerrats stellen.
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Aber nur so will ich die Frage gar nicht sehen. Zumindest ist die Bundesregierung hier bemerkenswert schweigsam, und ich möchte deshalb doch noch einmal an den Herrn Minister appellieren, sich zu dieser Frage zu äußern. Ich kann mir nicht vorstellen, daß die Bundesminister in dieser Frage ohne einen Auftrag des Kabinetts nach Luxemburg gehen.
Keinesfalls sind wir der Auffassung, daß jede Kritik an Herrn Präsident Hallstein unberechtigt sei und zurückgewiesen werden müßte. Es wäre schade, wenn man über den roten Teppich stolpern müßte oder über die „Hofhaltung" in Brüssel und manches andere, was sich dort an übertriebener Selbstdarstellung abspielt. Es gibt eine ganze Reihe Dinge, die psychologisch anders gemacht werden müßten. Sicher ist dort Kritik berechtigt. Man soll keine unnötigen Reibungs- und Angriffsflächen bieten. Aber - und deswegen sage ich das - in der Person des gegenwärtigen Präsidenten der EWG-Kommission, Herrn Professor Hallstein, und auch in der Person des Vizepräsidenten Mansholt soll nicht die Person getroffen werden, sondern getroffen werden soll die politische Potenz der EWG-Kommission, getroffen werden soll die Unabhängigkeit der EWG-Kommission von nationalen Weisungen, und getroffen werden soll vor allen Dingen die motorische Kraft der EWG-Kommission. Indem wir uns hier hinter den Präsidenten Hallstein und den Vizepräsidenten Mansholt stellen - als deutsches Parlament, und ich hätte gehofft, auch als deutsche Bundesregierung -, stellen wir uns hinter die Sache und nicht hinter die Person, und das ist das Entscheidende.
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Hier noch die zusätzliche Frage: Ist die Bundesregierung der Meinung, daß dieses Problem nicht ansteht? Ist die Bundesregierung der Meinung, daß das Mandat der Kommission verlängert werden soll bis zur Neubenennung der Gemeinsamen Kommission? Das wäre ein Standpunkt. Aber dann möchten wir ihn gern kennen. Dann möchten wir auch wissen: Hat die Bundesregierung eigentlich bei den anderen Regierungen festgestellt, welche Absichten bezüglich dieser Fusion der Kommissionen bei den Regierungen und Parlamenten bestehen, die die Fusion noch nicht ratifiziert bzw. die Ratifikationsurkunden noch nicht hinterlegt haben? In diesem Zusammenhang wird in der gesamten europäischen Öffentlichkeit die brennende Frage diskutiert, daß die französische Regierung die Absicht habe, bei der Fusion der Verträge alle diese Probleme einzubringen und einen neuen Vertrag zu erreichen, der nur ein Abklatsch des EWG-Vertrages, vor allen Dingen des MontanVertrages, sein könnte.
Nun, der Fusion der Verträge können und wollen wir uns nicht verschließen. Sie ist praktisch eingeleitet mit der Fusion der Kommissionen. Aber da müssen wir doch rechtzeitig auch wissen, was für ein Konzept die Regierung hat, wie und wann, mit welchen Fristen sie an die Fusion der Verträge herangehen will und vor allen Dingen, wer die Vorbereitungen für die Fusion dieser Verträge treffen soll. Das ist eine wesentliche politische Frage. Wir würden gern von der Bundesregierung hören, daß sie die Meinung teilt, daß die Vorbereitung der, Fusion der Verträge von der fusionierten Gemeinsamen Kommission erfolgen sollte. Das ist konkrete Politik.
Wir schneiden diese Fragen vor allen Dingen auch deswegen an - Herr Minister, vielleicht können Sie wenigstens dazu im Rahmen der europäischen Probleme etwas sagen -, weil z. B. ein Problem einfach nicht mehr hinausgeschoben werden kann, nämlich die Verabschiedung der Haushalte der Gemeinschaften. Jedermann weiß, daß man bei den europäischen Haushalten nicht einfach so vorgehen kann, daß die Kommissionen einstweilen über ein Zwölftel der Mittel verfügen, da es sich beim Euratom-Haushalt um einen Investitions- und Forschungshaushalt handelt, so daß da wesentliche Dinge auf dem Spiel stehen, wenn dieses Problem nicht gelöst wird. Ich bin der Meinung, daß keine Regierung eine weitere Lähmung der europäischen Gemeinschaften hinnehmen kann und daß man aus diesem Grunde auch in Luxemburg deutlich machen sollte, daß, wenn die französische Regierung sich nicht in der Lage sieht, den Haushalten in absehbarer Zeit - das wäre in den nächsten Tagen - zuzustimmen, dann die Fünf bereit und willens sein müssen, diese Haushalte allein zu verabschieden. Sie verstoßen damit nicht gegen den Vertrag; denn sie können das allein, sie können es durch Mehrheitsbeschluß.
Das waren die paar Bemerkungen, die ich dazu machen wollte. Das Problem ist so außerordentlich dringend und wichtig, daß wir daran bei einer solchen Debatte einfach nicht vorbeigehen können.
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Das Wort hat der Abgeordnete Professor Furler.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist sicher schwieriger, unmittelbar vor einer wichtigen Konferenz über die Gegenstände dieser Konferenz auf außenpolitischem Gebiet zu diskutieren als über Fragen, die in zurückliegenden Verhandlungen erörtert wurden. Ich bin trotzdem der Meinung, die auch Herr Wehner hier vertreten hat, daß wir, da wir nun einmal debattieren, auch vor dieser Luxemburger Konferenz einige Worte zu deren Themen sagen müssen, damit man weiß, welche Haltung dieses Haus einnimmt, welche Haltung auch unsere Fraktion einnimmt. Die Krise, die die EWG ergriffen hat, ist viel tiefgehender und ist viel schwieriger zu lösen, als manche heute glauben. Selbstverständlich wollen wir die EWG beibehalten; selbstverständlich wollen wir auf Grund der Römischen Verträge unter diesen sechs Mitgliedstaaten weiterarbeiten. Aber - das kam vorhin auch zum Ausdruck - das Entscheidende ist ja nicht, ob wir das wollen, ob wir dieses Ziel haben, sondern wie wir es erreichen, daß in einer tragbaren, unserer modernen europäischen Politik entspechenden Form hier weitergewirkt werden kann.
Diese Krise hat uns natürlich Erfahrungen gegeben; ich sage ausdrücklich: auch enttäuschende Erfahrungen. Ich sage dies ausdrücklich in Richtung auf das mit uns befreundete Frankreich. Enttäuschende Erfahrungen, da Inhalt und Art der Krise nach der Gemeinschaftsverpflichtung, die hier besteht, überhaupt nicht voraussehbar waren. Ich möchte das sagen auch für die kommenden Verhandlungen, weil wir keine Gewähr dafür haben, daß nicht von irgendeiner Seite gelegentlich wiederum eine solche, vielleicht variierte Krise zum Ausbruch gebracht wird, wenn gewisse Ziele nicht so durchgesetzt werden, wie es ein Partner wünscht.
Um was geht es eigentlich? Zunächst um die Frage der Mehrheitsentscheidung. Sie müssen wissen, daß eine Mehrheitsentscheidung ab 1. Januar 1966 nur in ganz begrenztem Umfang zusätzlich ermöglicht wird. Wichtige, grundlegende Fragen bleiben, solange der Vertrag besteht, der einheitlichen Beschlußfassung vorbehalten. Es ist z. B., weil das ganz klar im Vertrag steht, undenkbar, daß mit Mehrheit über die Aufnahme Großbritanniens oder über irgendeine Assoziation beschlossen werden kann. Solange Frankreich nicht will, werden wir Großbritannien in der EWG nicht sehen. Ich wollte nur sagen: Die Mehrheitsentscheidung ist also nicht einmal ein so tiefgehender Punkt. Es gibt einige Fragen, die mit Mehrheit entschieden werden können. Da führen wir keinen doktrinären Streit. Es geht nicht um Doktrinen - supranational und nicht supranational - sondern es geht um die Funktionsfähigkeit der Europäischen Gemeinschaften. Diese Funktionsfähigkeit hängt gelegentlich davon ab, daß man Maßnahmen, die in der Tat für die Gemeinschaft lebensnotwendig sind, auch mit Mehrheit beschließen kann, zumeist mit einer qualifizierten Mehrheit. Man muß das haben, um nicht eine völlige Blockierung des Lebens dieser Gemeinschaft herbeizuführen.
Es geht auch bei der Stellung der Kommission nicht um Doktrinen. Die Kommission hat ja gar keine entscheidende supranationale Stellung. Sie ist nur der Anreger. Alles, was sie anregt, muß noch beschlossen werden. Wenn man aber schon das Vorschlagsrecht als zu stark empfindet, so muß man sagen, daß wir hier vor einer sehr tiefgreifenden Meinungsverschiedenheit stehen. Da die Anregungen, die die Kommission bisher gegeben hat, wirklich europäischer Art waren und da auch die ganze bisherige Agrarpolitik ohne die Anregungen der Kommission gar nicht möglich gewesen wäre, haben wir keinen Grund, hier nachzugeben, irgendeine Änderung herbeizuführen, die sowieso nur vertraglich gemacht werden könnte. Wir haben auch keinen Anlaß - ich möchte das hier deutlich sagen -, in der personellen Frage nachzugeben. Herr Hallstein hat so klar europäisch gehandelt, daß wir keine Kompromisse schließen dürfen; sie wären nicht zu verantworten. Ich möchte das hier ausdrücklich betonen.
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Meine Herren, es geht aber nicht nur um diese tiefgehende Krise, die sich nach dem 30. Juni erweitert hat durch die Erklärungen, die der Präsident der französischen Republik und Außenminister Couve de Murville später abgegeben haben, sondern es geht auch noch um den eigentlichen Anlaß. Das ist nicht so sehr die Agrarpolitik. Die haben wir voll mitgemacht, manche sagen: mit Vorleistungen; ich will dieses Thema gar nicht behandeln. Der Anlaß war, daß wir in der Agrarfinanzierung vor eine Lage gestellt worden wären, die doch immerhin zu gewissen, sehr deutlichen Disparitäten geführt hätte. Wir können in Fragen, die doch im Gemeinschaftsgeist - mindestens in großen Zügen, ich bin gar nicht kleinlich - ungefähr in der allgemeinen Linie paritätisch geregelt werden müssen, nicht Regelungen entgegennehmen, die uns, wenn sie endgültig und damit unabhängig von der weiteren Entwicklung werden, in eine sehr schwierige Position auch vor diesem Hause, auch vor dem deutschen Volke brächten.
Ich bin für die Gemeinschaft. Ich bin auch für die Agrarpolitik, die nun einmal das Herzenskind der Franzosen ist. Ich glaube, daß das von uns verantwortet werden kann. Aber ich meine, alles muß im Rahmen einer paritätischen und gerechten Lösung gestaltet werden.
Dann etwas anderes, was auch ein Grund der Auseinandersetzungen ist. Wir können nicht auf der einen Seite die Agrarpolitik völlig fertigmachen mit allen Konsequenzen, auf der anderen Seite aber ein ganz klares Petitum des Vertrages nicht erfüllen, indem man nämlich in der Wirtschaftspolitik auf ein gemeinschaftliches Wirtschaftsgebiet zusteuern soll und dann plötzlich abbricht und nicht mehr tut, was dem Wortlaut und dem Geist der Römischen Verträge entspricht.
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Dr. Furler
Auch die Zusammenhänge zwischen Agrar- und allgemeiner Wirtschaftspolitik müssen im Auge behalten werden, nicht weil wir, wie uns vorgeworfen wird, daraus besonderen Nutzen ziehen. Sehen Sie einmal die Export- und Importziffern nur zwischen Deutschland und Frankreich im letzten Jahr an, dann werden Sie merken, daß hier tatsächlich nicht nur wir den Rahm abschöpfen, sondern daß die Dinge sehr, sehr breit auch für die anderen Rahm bedeuten.
Das große Ziel des Gemeinsamen Markts war und ist ein gemeinschaftliches Wirtschaftsgebiet. Ich spreche nicht von politischen Fragen wie von der Frage der gemeinsamen Außenpolitik. Ein gemeinschaftliches Wirtschaftsgebiet zu schaffen, ist die Aufgabe des Gemeinsamen Markts. Wir können aber nicht auf halbem Wege stehenbleiben, den Agrarmarkt vollenden und dann die Gefahr laufen, keine weiteren Fortschritte zu machen.
Ich bin der Meinung, wir sollten bei dieser Konferenz den Dingen doch intensiv auf den Grund gehen. Wir wollen die Einigung. Aber wir sollten das alles nicht so hinter irgendwelchen äußerlichen Kompromissen kaschieren. Vielmehr sollten wir einmal sehr deutlich zum Ausdruck bringen, was eigentlich gewollt wird, was erstrebt wird und wie sich das auswirken wird. Ich halte es für besser, man bespricht das, gerade wenn ein solcher Anlaß besteht, deutlich, als daß man sich mit mehr oder weniger wirkungslosen Regelungen zufrieden gibt. Denn ich glaube, daß alle Partner des Gemeinsamen Markts die Strukturen, die sie alle so sehr gebrauchen und die die Grundlagen der Gemeinschaft und der Römischen Verträge darstellen, anerkennen müssen. Hiervon dürfen wir nicht abgehen. Denn jedes Abgehen könnte zu einer viel schlimmeren Krise führen, als wir sie heute haben.
Ich bin also der Meinung, daß man in den großen Grundlinien klar bei dem bleiben muß, was bewußt eingeführt wurde und was schon 1957 eine Minimallösung war, keine supranationale Überspannung. Wenn die Minimallösungen nicht bleiben sollen, deren Anerkennung man für den Fall des Eintritts Englands in die Gemeinschaft sehr deutlich verlangt hat, dann steht es kritisch. Wir müssen uns eindeutig über diese Dinge aussprechen, immer mit der Absicht, die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft zu dem sinnvollen Ziel zu führen, das sie nach den Verträgen, nach unserer Auffassung und auch nach den Auffassungen der anderen Partner hat.
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Das Wort hat der Abgeordnete Wischnewski.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich darf mir erlauben, in dieser Debatte über außenpolitische Fragen einige Bemerkungen zu machen über die Situation und die deutsche Position im Nahen Osten. Die Frage ist sowohl in der Konferenz von Paris als auch in Washington behandelt worden. Es ist ein Problem von außerordentlicher Bedeutung für die deutsche Außenpolitik.
Im Jahre 1965 haben neun arabische Staaten die diplomatischen Beziehungen zu uns abgebrochen. Ein zehntes Land, das bereit war, die diplomatischen Beziehungen mit uns aufzunehmen, hat es nicht getan. Wir haben in diesem Raum eine außerordentliche Schlappe der deutschen Außenpolitik hinnehmen müssen. Ich will hoffen, daß das Jahr 1966 das Jahr der Wiederannäherung wird und daß wir so bald wie möglich wieder in die Situation kommen, daß wir diplomatische Beziehungen aufnehmen können. Der Abbruch der diplomatischen Beziehungen lag nicht im Interesse der arabischen Staaten, auch nicht in dem der Bundesrepublik. Die Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen wird für beide Seiten von großem Nutzen sein.
Die Bundesregierung vertritt hier die Auffassung, Herr Minister, daß den ersten Schritt die arabischen Länder zu tun haben, weil sie die diplomatischen Beziehungen abgebrochen haben. Ich halte dies nicht für eine gute Formulierung. Wir sollten vom gegenseitigen Aufeinander-Zukommen sprechen, wir sollten auf beiden Seiten darum bemüht sein, uns wieder näher zu kommen.
Aber hier gibt es eine Entwicklung, die mich mit großer Sorge erfüllt, und hier habe ich einige Fragen zu stellen. Herr Minister, der Sudan, der im vergangenen Jahr ebenfalls die diplomatischen Beziehungen zu uns abgebrochen hat, hat vor wenigen Wochen oder Tagen mit Zustimmung der Bundesregierung in der Bundesrepublik ein Generalkonsulat errichtet. Hier ergeben sich für mich zwei entscheidende Probleme. Erstens: Damit kommen wir auf die gleiche Ebene, auf der sich die Sowjetzone in einigen arabischen Staaten befindet. Ich halte diese Entwicklung für überaus gefährlich. Zweitens: Ich habe den Eindruck, daß der Zeitraum, in dem der Abbruch der diplomatischen Beziehungen fortwirkt, auf diese Art und Weise nur verlängert werden kann. Ich darf darum bitten, daß Sie, Herr Minister, die Haltung der Bundesregierung zu diesem Problem erläutern.
Ein weiteres Problem muß in diesem Zusammenhang angeschnitten werden. Die Bundesregierung hat bis vor einigen Monaten in den Nahen Osten Waffen geliefert. Die deutsche Politik hat durch diese Waffenlieferungen in erheblichem Umfang Schaden nehmen müssen. Wir alle waren sehr damit einverstanden, daß diese Waffenlieferungen eingestellt worden sind. In der Zwischenzeit ist der Vorsitzende des Verteidigungsausschusses des Deutschen Bundestages, der Kollege Dr. Zimmermann, der Ihrer Fraktion angehört, meine Damen und Herren von der CDU/CSU, sehr deutlich dafür eingetreten, Waffenlieferungen in den Nahost-Raum wieder durchzuführen. Das ist im Fernsehen geschehen. Es sind sogar die Länder genannt worden; ich will sie hier bewußt nicht nennen. Ich will nur auf ein Land hinweisen, das Herr Dr. Zimmermann genannt hat, ein Land, das nicht nur die diplomatischen Beziehungen zu uns abgebrochen hat, sondern das auf der Außenministerkonferenz der Arabischen Liga auch dafür eingetreten ist, daß zwischen ihm und der Sowjetzone diplomatische Beziehungen aufgenommen werden.
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Ich muß ehrlich sagen, ich halte es für eine Ungeheuerlichkeit, wenn der Vorschlag gemacht wird, einem solchen Land Waffen zu liefern. Herr Bundesminister, ich bitte um eine Erklärung Ihrerseits, wie die Bundesregierung weiteren Schaden von uns abwenden will.
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Das Wort hat der Abgeordnete Mattick.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es sei mir gestattet, noch eine kurze Frage an den Herrn Außenminister zu richten. Ich möchte sie mit einer kurzen Vorbereitung einleiten.
Es ist uns ja bekannt, daß zwischen der Sowjetunion und dem von ihr besetzten Teil Deutschlands ein Handelsvertrag besteht, der auf imperialistischer Basis abgeschlossen worden ist. Die sowjetische Macht hat also davon Abstand genommen, einen Vertrag auf der Basis der Gleichberechtigung abzuschließen. Es hat darüber ja in der kommunistischen Führung der sowjetischen Zone eine menschliche Tragödie gegeben. Sie, Herr Minister, haben nach der vorletzten NATO-Tagung berichtet, auf dieser Tagung sei von Ihnen auch die Frage 'behandelt worden, wieweit es eine gemeinsame Basis der NATO-Länder in bezug auf Handelsbeziehungen mit dem sowjetisch beherrschten Teil Deutschlands gibt. Wir haben uns immer bemüht - nach Ihrem Bericht darf ich das wohl sagen -, hier eine Koordinierung anzustreben, nicht um Handelsbeziehungen zu vermeiden - das war nicht unsere Politik -, aber um zumindest zu erreichen, daß solche Verträge nicht an der Bundesrepublik vorbeigehen und man sie auch mit gewissen Wohlverhaltensvorstellungen verknüpfen kann. Ich habe vorhin in der Fragestunde gehört, daß es sogar zwischen der Bundespost und der Post auf der anderen Seite Wohlverhaltensverabredungen gibt, wenn man Verträge abschließt. Ich wollte Sie fragen, Herr Minister, ob Sie diese Frage auf der NATO-Tagung einbezogen haben und mit welchem Ergebnis, oder ob Sie zumindest dabei sind, mit den NATO-Partnern und auch mit den EWG-Partnern über diese Frage erneut zu verhandeln.
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Ich denke, daß jetzt der Herr Bundesaußenminister das Wort haben möchte.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst ein paar Bemerkungen zu den Fragen der Frau Kollegin Strobel. Ich möchte die Frau Kollegin zunächst beruhigen: diese Luxemburger Konferenz wird sicherlich keine Mammut-Konferenz werden, wie sie befürchtet, und die Bundesregierung wird dabei in angemessenem, nicht zu großem Umfang vertreten sein. Das ist überhaupt unsere Tendenz: nicht mehr Menschen zu Konferenzen mitzubringen, als wir unbedingt benötigen. Aus der etwas komplizierten Zuständigkeitsverteilung bei uns ergibt sich allerdings, daß es hier ganz gut ist, wenn auch der Bundesminister für Wirtschaft an dieser Konferenz teilnimmt. Aber dagegen wird ja sicherlich niemand hier im Hohen Hauses etwas einzuwenden haben. Die Zahl von 80 Teilnehmern, die die Frau Kollegin geschätzt hat, ist nach meiner Meinung sicherlich zu hoch. Aber eines möchte ich Ihnen versichern: wenn die Sache anfängt, ganz delikat zu werden, schmilzt die Konferenz sowieso auf sehr wenige Akteure zusammen. Das ist das übliche Bild und ohne weitere Gefahr.
Das Problem, das sich hier stellt, ist im Grunde nicht nur ein rein rechtliches, sondern auch ein politisches Problem: das Problem der Mehrheitsentscheidung, von dem ich jetzt spreche. Es geht nicht nur um die Frage, wann solche Mehrheitsentscheidungen rechtlich möglich sind - sie sind ab 1. Januar in einem bedeutenden Umfang weiter möglich geworden -, sondern auch um die Frage, ob sie politisch möglich sind. Es gibt immer die Frage, ob es einem der Teilnehmer zuzumuten ist, majorisiert zu werden. Man müßte blind sein, wenn man sich ihrer Bedeutung entziehen wollte; denn es handelt sich hier eben um die Frage nach dem Grad der Stabilität der Gemeinschaft. Mit anderen Worten, dies ist ein Sektor, in dem wohlerwogene politische Rücksichtnahme eine Rolle spielen muß. Ob und welche Modalitäten wir hier finden werden ohne Verletzung der Verträge als solcher, ohne die Notwendigkeit, etwa irgendwelche Abmachungen zu ratifizieren, das wird sich ergeben. Aber die politische Frage lautet: Gibt es nicht bestimmte Entscheidungen, bei denen aus politischen Gründen einer der Teilnehmer, wenn es sich um eine für ihn vitale Frage handelt, eben nicht majorisiert werden darf? Das ist mehr eine Frage des Verhaltens untereinander als ein nur rechtliches Problem.
Es sind, wie Sie wissen, auf einigen nicht gerade sehr entscheidenden Gebieten - aber auf einigen Gebieten - bereits Mehrheitsentscheidungen in Kraft, und wir sind der Meinung, daß die bisherige Praxis der Mehrheitsentscheidungen gezeigt hat, daß diese politischen Rücksichten genommen worden sind, und daß es eine grundsätzliche Bemühung um allgemeine Übereinstimmung geben muß.
In welchem Umfang wir uns hier in der nächsten Woche werden verständigen können, muß man einmal abwarten. Dafür kann ich nicht mehr sagen als dies: wir gehen mit dem besten Willen dorthin, zu einer für alle akzeptablen Verständigung zu gelangen, und an uns wird es gewiß nicht fehlen, in dem gerade von mir beschriebenen Rahmen zu einer Lösung beizutragen. Das ist das eine.
Das zweite ist die bereits mehrfach erwähnte Kennedy-Runde. Da bin ich der Meinung, daß wir sehr schnell grundsätzliche Entscheidungen brauchen. Denn eine solche Frist wie die, die im amerikanischen Gesetz gesetzt ist, läuft bei so umfassenden Vertragswerken ungeheuer schnell ab, und man darf diese Frist nicht deshalb, weil sie im Laufe des Jahres 1967 abläuft, etwa als eine sehr fernliegende Frist ansehen. Der Ablauf dieser Frist wird rasend
schnell auf uns zukommen, und deswegen brauchen wir diese Entscheidung bald.
Die dritte Frage betraf unsere Haltung in den personellen Dingen. Personelle Dinge sind, wie jedermann weiß, die empfindlichsten und schwierigsten. Daß wir uns aber selbstverständlich für die deutschen Vertreter einsetzen werden, die nach unserer Auffassung und nicht nur nach unserer Auffassung Hervorragendes für die Entwicklung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft geleistet haben, ist in meinen Augen eine bare Selbstverständlichkeit.
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Deutschland wird sich bestimmt hinter seine Vertreter mit derselben Energie stellen, mit der andere Länder sich hinter ihre Vertreter stellen.
Der vierte Punkt war die Frage der Fusion der Exekutiven und die Frage, wer anschließend die Fusion der Verträge oder die Fusion der Gemeinschaften vorbereiten wird. Wir sind in der Tat der Meinung, daß hier ganz wesentlich die neue Kommission oder die neu bestellte Kommission der zusammengefaßten Exekutiven ein entscheidender Motor für die Arbeit an der Fusion der Verträge zu sein hat. Dies zu diesen Fragen.
Zu dem Kollegen Wischnewski ein paar Worte. Ich bin wie er der Meinung, daß das Jahr 1966 hoffentlich ein Jahr der Annäherung auf beiden Seiten ist. Wir haben sehr stark immer wieder sichtbar gemacht, daß wir den Wunsch haben, so schnell wie möglich diese Situation der ganzen oder halben Trennung wieder zu überwinden und zu einer neuen Normalisierung zu kommen.
Die von ihm angeschnittene Frage des Sudans bzw. der Errichtung dieses Generalkonsulats ist dahin zu beantworten, daß es ausdrücklich nur auf sechs Monate befristet zugestanden worden ist. Dahinter verbirgt sich unsere Hoffnung, daß wir in angemessener Zeit tatsächlich zu dieser kompletten Normalisierung kommen werden. So betrachtet, enthält dieses Problem, glaube ich, nicht die Gefahren, die er zu sehen glaubte.
Was Waffenlieferungen in den Nahostraum angeht, so war mir von der von ihm zitierten Äußerung bisher nichts bekannt. Deswegen kann ich auch nicht sagen, an welches Land der genannte Kollege gedacht hat. Wir haben diesen Dingen gegenüber eine grundsätzliche Haltung, die die Bundesregierung mehrfach bekanntgegeben hat. Dies sind Fragen, die mit der äußersten Vorsicht zu behandeln sind und deswegen von der Bundesregierung ganz bestimmt so behandelt werden.
Nun noch ein letztes Wort zu dem, was Herr Kollege Mattick angeschnitten hat. Das Problem einer gemeinsamen Haltung oder einer möglichst gemeinsamen Haltung der Mitglieder des NATO- Rates gegenüber der SBZ stellt sich nach wie vor. Wir sind in dem Sinne dieser alten, bekannten Bemühungen nach wie vor tätig, ohne - das muß ich offen gestehen - daß wir bisher hier wirklich befriedigende Ergebnisse erreicht hätten. Das Problem ist außerordentlich schwierig. Gerade deswegen sind wir auch der Meinung, daß im Rahmen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft ein Fortschritt in gemeinsamer Außenhandelspolitik überhaupt gemacht werden sollte, nicht als ob ich die Dinge der SBZ jetzt in eine falsche Kategorie einstellen möchte; aber alle diese Fragen gehören irgendwo doch zusammen. Je schneller wir in diesem engeren Bereich der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft jetzt zu Übereinstimungen kommen, desto besser wird es auch für diese anderen Fragen sein.
In diesem Zusammenhang möchte ich nur noch eine letzte Frage anschneiden. Die Zeitungen haben in der letzten Zeit mehrfach davon berichtet, daß im Rahmen dieser Bestimmungen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft die SBZ als Drittland behandelt worden ist oder behandelt werden sollte und daß also Erstattungen aus der Gemeinschaftskasse für Einfuhren eines EWG-Landes in die SBZ gegeben werden sollten. Wir halten das rechtlich wie politisch für unzulässig, für außerordentlich unerwünscht. Die Entscheidung darüber ist ein Stück hinausgeschoben worden. Wir bleiben darum bemüht, dieses Problem in einer Weise zu lösen, daß es in gar keiner Weise unsere grundsätzliche Position präjudiziert.
Dies ist alles, was ich im Augenblick zu sagen habe.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Barzel.
Herr Präsident! Meine Damen und meine Herren! Auch wir legen Wert darauf, am Schluß dieses Gesprächs, dieser Aussprache, dieser Nichtdebatte noch ein paar Worte zunächst zu dem Vorgang selbst zu sagen. Ich überlege mir, was wohl morgen die Presse über diesen ersten Versuch einer solchen außenpolitischen Aussprache schreiben wird. Sie wird sich sicher an die lebhaften Debatten früherer Zeiten erinnern und wird vielleicht sagen: Na, das war doch etwas mühsam. Ich würde sagen: dies war ein Versuch, nicht eine Debatte zu führen, sondern ein parlamentarisches Gespräch zu installieren. Es war ein Versuch. Er ist sicher verbesserungsfähig, sicherlich von uns allen verbesserungsfähig. Aber das erste Wort gebührt der Regierung. Wir danken ihr, daß sie auf die Bitte des Parlaments eingegangen ist, diesen Versuch hier zu unternehmen. Zur Vollständigkeit des Berichts, Herr Kollege Wehner, gehört natürlich, daß die Bundesregierung auch v o r der Reise nach Washington ja das Gespräch, dann allerdings intern, auch mit der Opposition gesucht hat. Der Kanzler hat ja auch mit Ihnen gesprochen.
Ich meine also, man sollte diese etwas mühsame und vielleicht nicht jedem lebendig genug erfolgte parlamentarische Aussprache doch als einen Versuch werten, miteinander in Nüchternheit und Sachlichkeit auch außenpolitische Fragen zu erörtern, wobei es sicher gut wäre, wenn wir uns alle miteinander noch mehr auf den Punkt, um den es hier ging, beschränken würden.
Ich möchte zur Sache nur zu ganz wenigen Anmerkungen der Sprecher der Opposition noch ein kurzes Wort aus unserer Sicht sagen.
Herr Kollege Wehner hat eine längere Ausführung darauf verwandt, von den Prinzipien der Deutschlandpolitik zu sprechen, die natürlich gelten. Das ist, glaube ich, selbstverständlich. Aber wenn man das betont und davon spricht, fragt man: wozu? Er hat davon gesprochen, und das war, glaube ich, ganz richtig - in seiner bildhaften Sprache, um die wir ihn alle beneiden -, daß hier vielleicht jemand einen Faden und der andere die Nadel oder das Öhr habe. Sollte es so sein, so wollen wir doch versuchen, Herr Wehner, hier einmal flott ans Nähen zu kommen.
Vielleicht wäre es gut, wenn wir ein vertrauliches Gespräch der Verantwortlichen über das haben könnten, was heute mit vereinten Kräften in der deutschen Frage möglich ist. Wir sollten uns davor hüten, wieder in die Lage zu kommen, wie wir sie vor kurzer Zeit hatten, also davor, uns mit Vorschlägen auf diesem Gebiet alle an die Öffentlichkeit zu wenden und einen Wettlauf anzufangen. Ich glaube, das ist nicht sehr gut. Man sollte die Lage erörtern und die Kräfte auf das heute Mögliche und heute Nützliche konzentrieren, einschließlich dessen, was im ganzen Deutschland an kleinen Dingen heute möglich ist. Dazu gehört, daß man auch schweigen kann. Allerdings darf dann niemand das Schweigen mit dem Nichtstun verwechseln.
Ich nehme also an, hier ist von den Prinzipien der Deutschlandfrage gesprochen worden, um sie zu bekräftigen und zu versuchen, durch eine praktische Methode Faden und Nadel ein bißchen ineinander zu bringen.
Der zweite Punkt ist der Problemkreis Vietnam, den sicherlich keiner in diesem Saal ohne wirkliche Bewegung erörtern kann. Ich glaube, die Wechselbezogenheiten dieser Frage für uns sind in den verschiedenen Erklärungen, vor allen Dingen in dem, was der Herr Bundesaußenminister hier gesagt hat, deutlich geworden. Gleichwohl, glaube ich, ist dieses Haus sich einig ich habe das der Debatte entnommen -, daß es gut ist, gerade insoweit besonders behutsam zu sein. Denn über den ersten Schritt ist man ganz frei; mit dem zweiten ist es dann schon schwieriger. Wir legen deshalb Wert darauf, nochmals zu betonen, daß unsere Position nur die sein kann, uns durch Werke des Friedens weltweit zu engagieren. Wir sind ein gespaltenes Land. Wir sind ein Land, dem manche immer noch - oft auch böswillig - die Vergangenheit vorwerfen. Wir sind nicht Mitglied der UNO. Wir haben nur Soldaten, die ganz der NATO unterstellt sind. Wir sind keine atomare Weltmacht. Also kann das Engagement, das wir in der Welt eingehen können, nur uns gemäß, nur friedlich sein. Vielleicht ist es deshalb gut, den Wunsch zu unterstützen, über diese Frage intern noch etwas sorgfältiger zu sprechen.
Ich glaube, hierzu gehört auch, daß man einen Blick auf das wirft, was in Taschkent geschehen ist, nicht nur auf diesen tragischen Tod, sondern auch darauf, daß dort die Sowjetunion ein Vermittler in Asien gewesen ist. Vielleicht ist der eine oder andere in der Welt dabei, in seinem Inneren nicht mehr „Sowjetunion", sondern „Rußland" zu sagen. Dies ist ein Phänomen, über das wir nicht nur nachdenken müssen, wenn wir an Asien denken.
Wie immer es sei, ich glaube, wir alle unterstützen die Friedensbemühungen des amerikanischen Präsidenten Johnson. Wenn er unlängst gesagt hat: „Der Friede ist der einzige Sieg, den wir anstreben", so wollen wir ihm und uns und der Welt wünschen, daß dieser Sieg im Interesse der Menschlichkeit alsbald auch errungen wird.
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Die Frage der NATO-Reform ist die letzte Frage, die ich mir während dieses Gespräches aufgeschrieben habe. Der Kollege Schmidt, der sie angesprochen hat, fragte, was da geschehen solle. Nun, ich unterstütze den Kollegen Schröder ganz besonders herzlich, wenn er sagt, wir sollten hier eigentlich nicht von uns aus durch Projekte vielleicht an Fundamenten rütteln. Ganz sicher wird auch alles leichter auf dem Gebiet der NATO-Reform, wenn es uns gelingt, die europäische Krise zu überwinden. Wenn das so ist, ergibt sich daraus sicher auch für das politische Timing eine gewisse Konsequenz. Deshalb wünschen wir Ihnen, Herr Kollege Schröder und Herr Kollege Schmücker, die Sie beide in Luxemburg sein werden, alles Gute für diese Konferenz. Es werden ihr sicher weitere folgen. Vielleicht kommt dann der Punkt für die von uns hier erklärte Bereitschaft und auch Forderung, zu einem großen europäischen Gespräch auch der Regierungschefs zu kommen. Vielleicht kommt dann der Punkt, an dem so Lösungen möglich werden. Ganz sicher sind wir alle gut beraten, auch daran zu denken, daß Großbritannien zu Europa gehört.
Im übrigen freuen wir uns, Frau Strobel, daß auch Sie den Präsidenten Hallstein für den rechten Mann am rechten Platz halten.
Meine Damen und Herren, wir werden in der nächsten Woche - nicht so wie hier, aber in anderer Weise - in Berlin sein. Das wird Gelegenheit geben, über manches nachzudenken. Ganz sicher werden wir uns dann in dem Gedanken finden, daß wir in der deutschen Hauptstadt und in der deutschen Frage nur dann weiterkommen, wenn zunächst die Risse im Westen verschwinden. Ich glaube, daß deshalb - gerade wegen der deutschen Frage -diese europäischen und atlantischen Fragen, die Gegenstand dieses nüchternen Gesprächs waren, im Vordergrund auch der Bemühungen urn Deutschland stehen sollten.
Was uns betrifft, Herr Bundesaußenminister, so würden wir es begrüßen, wenn Aussprachen solcher Art - ganz nüchtern und sachlich, möglichst noch mehr auf den Punkt konzentriert, vielleicht noch kürzer und noch präziser von uns aus - künftig häufiger stattfinden könnten.
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Damit ist die Aussprache geschlossen.
Meine Damen und Herren, wir sind am Ende der heutigen Sitzung.
Ich berufe die nächste Sitzung auf Donnerstag, den 13. Januar, 9 Uhr vormittags, ein.
Die Sitzung ist geschlossen.