Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet.
Vor Eintritt in die Tagesordnung habe ich folgende Mitteilungen zu machen:
Als Nachfolgerin für den verstorbenen Abgeordneten Reinholz ist am 12. Oktober 1967 die Abgeordnete Frau Mönikes in den Bundestag eingetreten. Ich begrüße sie in unserer Mitte und wünsche ihr eine gute Zusammenarbeit.
({0})
Der Abgeordnete Dr. Hellige ist am 13. Oktober 1967 aus der Fraktion der FDP ausgeschieden.
({1})
Es liegt Ihnen eine Liste von Vorlagen der Bundesregierung vor, die keiner Beschlußfassung bedürfen und die nach § 76 Abs. 2 der Geschäftsordnung dem zuständigen Ausschuß überwiesen werden sollen:
Vorlage des Bundesministers des Auswärtigen
Betr.: Halbjahresbericht der Bundesregierung über die Tätigkeit des Europarates
Bezug: Beschlüsse des Bundestages vom 22. Februar und 28. April 1967
- Drucksache V/2158 zuständig: Auswärtiger Ausschuß
Vorlage des Bundesministers des Auswärtigen
Betr.: Halbjahresbericht der Bundesregierung über die Tätigkeit der Westeuropäischen Union
Bezug: Beschlüsse des Bundestages vom 22. Februar und 28. April 1967
- Drucksache V/2159 zuständig: Auswärtiger Ausschuß
Vorlage des Bundeskanzlers
Betr.: Bericht der Bundesregierung über die Integration in den Europäischen Gemeinschaften ({2})
Bezug: Beschlüsse des Bundestages vom 22. Februar und 28. April 1967
- Drucksache V/2127 zuständig: Auswärtiger Ausschuß
Vorlage des Bundesministers für Gesundheitswesen
Betr.: Verwaltungsvereinbarung zwischen dem Bundesminister für Gesundheitswesen, dem Bundesminister des Innern und dem Bundesminister der Verteidigung über die Zahl .der der Bundeswehr zur Verfügung stehenden Ärzte, Zahnärzte, Apotheker und Tierärzte
Bezug: Beschluß des Bundestages vom 12. Mai 1967
- Drucksache V/2160 zuständig: Verteidigungsausschuß ({3}), Ausschuß für Gesundheitswesen
Vorlage des Bundeskanzlers
Betr.: Bericht über den Stand der Maßnahmen auf dem Gebiet der Bildungsplanung
Bezug: Beschlüsse des Bundestages vom 9. Dezember 1964 und 26. Oktober 1966
- Drucksache V/2166 zuständig: Ausschuß für Wissenschaft, Kulturpolitik und Publizistik ({4}), Innenausschuß, Ausschuß für Arbeit, Haushaltsausschuß.
Erhebt sich gegen die beabsichtigte Überweisung Widerspruch? - Das ist nicht der Fall. Dann ist die Überweisung beschlossen.
Folgende amtliche Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat am 18. Oktober 1967 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Mauk, Reichmann und Genossen betr. Krise auf dem Apfelmarkt - Drucksache V/2146 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache V/2187 verteilt.
Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 13. Oktober 1967 beschlossen, dem Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Deutsche Bundesbank zuzustimmen.
Dem Gesetz über die Gebäude- und Wohnungszählung 1968 ({5}) hat der Bundesrat gemäß Art. 84 Abs. 1 des Grundgesetzes nicht zugestimmt.
Der Bundeskanzler hat mit Schreiben vom 16. bzw. 19. Oktober 1967 gemäß § 30 Abs. 4 des Bundesbahngesetzes vom 13. Dezember 1951 ({6}) den Wirtschaftsplan der Deutschen Bundesbahn mit Erläuterungen und Anlagen sowie den Stellenplan für das Geschäftsjahr 1967 sowie den Nachtrag zum Wirtschaftsplan zur Kenntnisnahme übersandt. Seine Schreiben liegen im Archiv aus.
Der Vorsitzende des Haushaltsausschusses hat mit Schreiben vom 19. Oktober 1967 mitgeteilt, daß der Haushaltsausschuß und der mitberatende Ernährungsausschuß von den nachstehenden Verordnungen zustimmend Kenntnis genommen haben:
Verordnung des Rats über die Beteiligung des Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft, Abteilung Garantie,
Haushaltsordnung zur Änderung der Haushaltsordnung betr. den Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft,
Verordnung des Rats über die Beteiligung des Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft, Abteilung Ausrichtung, für das Jahr 1968
- Drucksache V/1951 Der Abgeordnete Dr. Geißler hat am 11. Oktober 1967 auf seine Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag verzichtet.
Der Abgeordnete Seuffert ist am 18. Oktober 1967 zum Vizepräsidenten des Bundesverfassungsgerichts ernannt worden. Gemäß § 3 Abs. 3 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht vom 12. März 1951 ist damit die Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag am 18. Oktober 1967 erloschen.
Der Präsident des Bundestages hat entsprechend dem Beschluß des Bundestages vom 23. Februar 1962 die Siebzehnte Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1967 ({7}) - Drucksache V/2171 - an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen überwiesen mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 2. Februar 1968.
Zu den in der Fragestunde der 124. Sitzung des Deutschen Bundestages am 11. Oktober 1967 gestell6402
Vizepräsident Schoettle
ten Fragen des Abgeordneten Hofmann ({8}), Drucksache V/2155 Nrn. 33, 34 und 35 *), ist inzwischen die schriftliche Antwort des Bundesministers Lücke vom 13. Oktober 1967 eingegangen. Sie lautet:
Am 2. Oktober 1967 um 14.30 Uhr gab das Musikkorps des Grenzschutzkommandos Süd im Rahmen der üblichen Betreuung der Grenzschutztruppe ein Konzert in der Grenzschutzunterkunft Coburg. Im Zusammenhang mit dieser dienstlichen Veranstaltung wurde am Abend desselben Tages ein Serenadenkonzert aus Anlaß des 75. Geburtstages des Oberbürgermeisters Dr. Langer aufgeführt. Dem Bund sind weder durch die Tätigkeit des Musikkorps noch durch die Beteiligung von etwa 300 Grenzjägern an der Veranstaltung nennenswerte Kosten entstanden. Die verwendeten Fackeln hat die Stadt Coburg zur Verfügung gestellt.
Ich lege Wert auf ein gutes Verhältnis zwischen dem Bundesgrenzschutz und der Bevölkerung sowie der Verwaltung ihrer Standorte. Dieses kann durch die Teilnahme des Bundesgrenzschutzes an öffentlichen Veranstaltungen gepflegt werden. Ob und in welcher Form das im Einzelfall geschieht, entscheiden die jeweiligen Standortältesten des Bundesgrenzschutzes in eigener Zuständigkeit. Das Serenadenkonzert in Coburg zu Ehren des 75. Geburtstages von Oberbürgermeister Dr. Langer erschien - abgesehen davon, daß es für den Bund kaum zusätzliche Kosten verursachte - gerechtfertigt, weil Oberbürgermeister Dr. Langer sein Amt bereits innehatte, als der Bundesgrenzschutz 1951 Coburg als Standort wählte, und den Belangen des Bundesgrenzschutzes stets besonderes Verständnis entgegenbrachte. Die Form der Veranstaltung war angesichts der Bedeutung Coburgs als eines der größten Standorte des Bundesgrenzschutzes angemessen. Unabhängig hiervon ist -zu berücksichtigen, daß derartige öffentliche Veranstaltungen erfahrungsgemäß eine starke Werbewirkung für den Bundesgrenzschutz haben.
Da es sich als notwendig erwiesen hat, die Grenzsicherung im Abschnitt zwischen Lauenburg und Ratzeburg zu verstärken, wird in Schwarzenbek/Holstein zur Zeit eine neue Unterkunft für den Bundesgrenzschutz gebaut, die eine weitere Grenzschutz-Abteilung aufnehmen soll. Sofern es nicht möglich ist, eine zusätzliche Grenzschutz-Abteilung aufzustellen, was ich nach wie vor für wünschenswert ansehe, muß das für diese Aufgabe erforderliche Personal durch eine Umorganisation innerhalb des Bundesgrenzschutzes verfügbar gemacht werden. Als mögliche Lösungen erscheinen in diesem Zusammenhang die Verlegung der Grenzschutz-Abteilung IV/2 nach Schwarzenbek oder eine Auflösung der Abteilung und die Aufstellung einer neuen Grenzschutz-Abteilung in Schwarzenbek.
Eine endgültige Entscheidung darüber, welcher Weg beschritten werden soll oder ob weitere Lösungsmöglichkeiten ins Auge gefaßt werden, ist noch nicht gefallen.
Vor Eintritt in die Tagesordnung hat Herr Abgeordneter Frehsee das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gemäß Zusatz zu § 26 der Geschäftsordnung bitte ich im Namen der Fraktion der SPD, auf die verbundene Tagesordnung der Plenarsitzungen dieser Woche zusätzlich aufzusetzen die Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betreffend Einsetzung einer unabhängigen Sachverständigenkommission zur Vorbereitung einer Reform der direkten und indirekten Steuern, Drucksache V/2164, und zwar unter Punkt 3 als Buchstabe e).
Die Vorbereitung einer Reform der direkten und indirekten Steuern bzw. die Einsetzung einer Kommission für diesen Zweck steht in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Thema der Neuordnung der Staatsfinanzen, das unter Punkt 3 der Tagesordnung angesprochen wird. Es wird sich auf lange Sicht als unvermeidlich erweisen, auch das Steuersystem den sich wandelnden ökonomischen Bedingungen anzupassen, insbesondere auch an die Veränderungen, die sich aus der Integration der Märkte über die staatlichen Grenzen hinweg ergeben. Es geht aber nicht nur um das Verhältnis von direkten und indirekten Steuern im Rahmen der europäischen Steuerharmonisierung, sondern auch um die Belastungswirkungen im nationalen Bereich.
5) Siehe 124. Sitzung, Seite 6238 D
Der Antrag auf Einsetzung einer Sachverständigenkommission soll dieser langfristigen Zielsetzung dienen.
Meine Damen und Herren, Sie haben den Antrag zur Tagesordnung gehört. Wird das Wort dazu gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Wir stimmen darüber ab, ob dieser Antrag der
sozialdemokratischen Fraktion als Punkt 3 e auf die Tagesordnung gesetzt werden soll. Wer zustimmt, den bitte ich um ein Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Das erste war die Mehrheit; der Antrag ist also auf die Tagesordnung gesetzt.
Wir treten nun in die Tagesordnung ein. Punkt 1: 1 . Fragestunde
- Drucksachen V/2188, zu 2188 -Wir behandeln zunächst die Frage aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Wohnungswesen und Städtebau, die Frage i des Abgeordneten Geldner:
Worauf führt die Bundesregierung den Rückgang des Anteils privater Bauherren an den Baugenehmigungen der letzten Zeit zurück, wenn dieser Rückgang - wie der Zentralverband der Deutschen Haus- und Grundeigentümer meint - „mit der allgemeinen wirtschaftlichen Lage nicht ausreichend erklärt werden" kann?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In den ersten sieben Monaten dieses Jahres waren die privaten Haushalte an den erteilten Wohnbaugenehmigungen mit 60,9 % beteiligt. Im gleichen Zeitraum des Vorjahres betrug der Anteil 62,1 %. Die Differenz beläuft sich also auf 1,2 %. Ich halte es durchaus für möglich, daß diese relativ geringe Differenz in den verbleibenden fünf Monaten dieses Jahres noch ausgeglichen wird. Vergleicht man diese Zahl allerdings mit den statistischen Ergebnissen der Vorjahre, so kommt man zu der Feststellung, daß die privaten Haushalte an den Wohnungsbaugenehmigungen im Durchschnitt der Jahre 1963 bis 1966 mit 60,3 % beteiligt waren. Wir liegen also in diesem Jahr noch über dem Durchschnitt der vergangenen Jahre, und ich meine daher, daß sich aus diesen Zahlen keine Anhaltspunkte ergeben, die Veranlassung zu irgendwelchen Schlußfolgerungen sein könnten.
Keine Zusatzfragen.
Dann rufe ich den Geschäftsbereich des Bundesministers für gesamtdeutsche Fragen auf, und zwar die Frage 3 des Abgeordneten Dr. Schmidt ({0}). Ist der Herr Abgeordnete anwesend? - Das ist nicht der Fall. Die Frage wird schriftlich beantwortet.
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. Ich rufe die Frage 70 des Abgeordneten Röhner auf:
Teilt die Bundesregierung die von dem EWG-Vizepräsidenten Mansholt am 17. Oktober 1967 in Luxemburg vorgetragene Auffassung, daß das Einkommen der Landwirtschaft mit den Mitteln der Preispolitik nicht mehr nachhaltig und vernünftig zu verbessern ist?
Herr Bundesminister, bitte!
Ich bitte, die drei Fragen des Abgeordneten Röhner gemeinsam beantworten zu dürfen, weil sie in einem Sachzusammenhang stehen.
Einverstanden. Dann rufe ich noch die Fragen 71 und 72 des Abgeordneten Röhner auf:
Hält die Bundesregierung, wie nach Presseberichten Herr Mansholt, eine überwiegend auf Betriebsgröße und Verringerung der in der Landwirtschaft Erwerbstätigen abgestellte Strukturpolitik für ausreichend, den erforderlichen Einkommensausgleich für die Landwirtschaft herbeizuführen?
Entsprechen die von Herrn Mansholt vorgetragenen Leitlinien seiner EWG-Agrarpolitik den bisherigen und zukünftigen agrarpolitischen Auffassungen der Bundesregierung?
Zu Frage 1. Herr Vizepräsident Mansholt hat in seiner Darstellung über die Lage der Landwirtschaft in der Gemeinschaft und in der Industriegesellschaft, die nur im Zusammenhang richtig zu verstehen ist, seiner tiefen Sorge Ausdruck gegeben, daß das landwirtschaftliche Einkommen über die Preispolitik allein nicht ausreichend zu entwickeln ist. Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß die Preispolitik nach wie vor ein entscheidendes Instrument für das Einkommen in der Landwirtschaft ist, wobei der Globalbegriff Landwirtschaft einer der Wirklichkeit angepaßten Differenzierung bedarf. Neben der Preispolitik, der vielfache Grenzen gesetzt sind, müssen nach Ansicht der Bundesregierung die im Landwirtschaftsgesetz genannten Instrumente eingesetzt werden, nicht zuletzt die Steigerung der Produktivität und die Strukturpolitik. Dies ist auch die Ansicht von Herrn Vizepräsident Mansholt.
Zu Frage 2. Herr Vizepräsident Mansholt hat sich keineswegs auf diese beiden Faktoren beschränkt, wie ich schon zur Frage i ausführen konnte. Die Bundesregierung war und ist der Meinung, daß dem Zusammenspiel aller Faktoren, vor allem auch der Förderung des Bildungswesens, infrastrukturellen Maßnahmen und der nachhaltigen Verminderung der Kosten, vor allem durch gemeinschaftliche und genossenschaftliche Einrichtungen, eine besondere Bedeutung zukommt.
Zu Frage 3. Die deutsche Delegation hat eindeutig ihre Auffassung vorgetragen. Der ganze Vorgang hat ohne ausreichenden Grund einen sensationellen Charakter bekommen. In Wirklichkeit handelt es sich um das große Thema Landwirtschaft in der Industriegesellschaft, das in allen industriell strukturierten Ländern in allen Kreisen, von der Wissenschaft bis zur Praxis, vor allem aber auch in diesem Hohen Hause, mit Recht zum Dauerthema geworden ist, da es einer laufenden Veränderung unterworfen ist.
Herr Röhner!
Herr Minister, besteht nicht die Gefahr, daß durch diese Art der Verneinung der Preispolitik versucht werden soll, das von Herrn
Mansholt skizzierte Strukturbild letztlich doch gewaltsam zu erreichen?
Von einer Verneinung der Preispolitik kann überhaupt nicht die Rede sein, und zwar deswegen, weil sich das landwirtschaftliche Einkommen aus dem Produkt von Menge mal Preis ergibt. Das ist und bleibt der wesentliche Bestandteil. Hier wurden nur die - Grenzen angesprochen, die der landwirtschaftlichen Preispolitik aus vielen Gründen, aus Gründen der Außenwirtschaft, aus sozialen Gründen usw. immer wieder entgegenstehen. Deswegen wurden Überlegungen darüber angestellt - wie wir das ja auch fortgesetzt tun -, wie man neben der Preispolitik alle übrigen Komponenten des landwirtschaftlichen Einkommens von der Struktur- bis zur Bildungspolitik weiter entwicklen kann.
Herr Röhner!
Herr Minister, stimmen Sie mir zu, daß der deutschen Landwirtschaft im Dezember 1964 aus politischen Gründen beim Getreidepreis hinsichtlich der Preishöhe wie auch hinsichtlich der Preisrelation zwischen den einzelnen Getreidearten unzumutbare Preiseinbußen zugemutet worden sind und daß durch diese Betonung der Mansholtschen Politik des einseitigen Vorrangs der Strukturpolitik die hier notwendige Korrektur erschwert oder nahezu unmöglich gemacht wird?
Ich stimme Ihnen nicht nur verbal zu; die Bundesregierung ist auch bemüht, hier eine bessere Ordnung zu schaffen. Ich darf aber darauf hinweisen, daß auch die Kommission durch Herrn Vizepräsidenten Mansholt eine Verbesserung dieser Preisrelationen vorgeschlagen hat und damit selbst praktisch zum Ausdruck bringt, daß hier etwas auszugleichen ist.
Herr Ertl!
Herr Minister, stimmen Sie mir zu, wenn ich sage, daß Herr Vizepräsident Mansholt vielleicht durch seinen Vorschlag für Klarheit und Wahrheit gesorgt hat, während man bei uns immer versucht, den Bauern etwas einzureden, was mit dem Verhalten in Brüssel eigentlich nicht in Einklang zu bringen ist?
Herr Kollege, ich stimme Ihnen, wie so oft, nicht zu,
({0})
und zwar deswegen, weil ich niemanden weiß, der hier den Bauern etwas vormachen wollte. In diesem Hause wüßte ich niemanden. Hier wird genauso mit offenen Karten gespielt, und wir sind immer bereit gewesen - ich hoffe, daß Sie uns in Zukunft dabei unterstützen -, auch was die Prognosen in
die Zukunft betrifft, die Dinge so anzusprechen, wie sie sich in der Wirklichkeit darstellen und wie sie auch die Landwirtschaft selbst längst begriffen hat. Es ist ja gar nicht wahr, daß hier Worte hin- und hergeschoben werden. Bei allen Beteiligten spielen sich wirtschaftliche Prozesse ab, die auf einer tiefen Einsicht in die wirklichen Zusammenhänge beruhen.
({1})
Herr Ertl!
Herr Minister, darf ich Sie, da Sie offensichtlich ein schlechtes Gedächtnis haben, daran erinnern, daß auch Sie oft von dem „Opfer", das man Europa zuliebe bringen müsse, gesprochen haben, und gleichzeitig fragen, ob vielleicht Mansholt in Brüssel das Opfer von den von Ihnen so sehr als förderungswürdig bezeichneten Klein- und Mittelbauern in dieser Form verlangen wird?
Herr Kollege, mein Gedächtnis verläßt mich im allgemeinen nicht und auch nicht in diesem Falle. Wenn ich sage, daß „wir" Opfer bringen müßten, so bedeutet das, daß in Europa alle Opfer bringen müssen, wenn ein Kompromiß erreicht werden soll. Dieses Opfer wird ja nicht abstrakt gebracht, sondern diesem Opfer steht eine Konzeption gegenüber, die aus einer verbesserten Wirtschaftsentwicklung eine größere Nachfrage entwickelt und damit fundierte Aussichten für eine bessere Zukunftsentwicklung enthält. Das ist die Konzeption der EWG, zu der ich stehe.
Herr Ehnes!
Herr Bundesminister, sind Sie mit mir der Auffassung, daß die Aussage, die Herr Vizepräsident Mansholt gemacht hat, zum gegenwärtigen Zeitpunkt eine sehr große Erregung in der Öffentlichkeit, vor allem im Bauernstand, hervorgerufen hat, und sind Sie weiter mit mir der Auffassung, daß es im gegenwärtigen Annäherungsprozeß im Hinblick auf die Gemeinschaft besser gewesen wäre, wenn so krasse Ausführungen nicht gemacht worden wären?
Die Ausführungen waren nicht so kraß. Ich werde dem Hohen Hause eine Gesamtzusammenstellung der Ausführungen geben, und Sie werden sehen, daß darin die tiefe Sorge um die landwirtschaftliche Existenz, auch die Existenz der kleinen Landwirte, zum Ausdruck kommt und daß man Anstrengungen unternehmen will, diesen Fragen zu begegnen.
Herr Logemann!
Herr Minister, wirken die Ausführungen von Herrn Mansholt nicht deshalb so schockierend auf die Landwirtschaften der Partnerländer, weil doch Herr Mansholt in der Tat mit seinen Äußerungen das Leitbild des bäuerlichen Familienbetriebs für die Zukunft in Frage stellt?
Er stellt das Leitbild des bäuerlichen Familienbetriebs keineswegs in Frage. Sein großes Anliegen ist vielmehr, wie die Einkommenserwartungen, die aus der industriellen Umwelt entstehen und die naturgemäß Rückwirkungen auf die Landwirtschaft haben, in eine engere Beziehung dazu gebracht werden können. Vizepräsident Mansholt ist ein entschiedener Anhänger des Familienbetriebs. Dieses Leitbild ist ja auch im europäischen Vertrag festgelegt. Ich darf wiederholen, es sind keine schockierenden Ausführungen gemacht worden, sondern es hat schockierende Berichte über diese Ausführungen gegeben.
Herr Ehnes, noch eine Frage.
Herr Bundesminister, was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um unter diesen Voraussetzungen unsere Preisvorstellungen in Brüssel durchzusetzen?
({0})
Die Bundesregierung ist zur Zeit um die Revision einiger Preisvorstellungen bemüht. Die Taktik und die taktischen Vorstellungen, die dabei eine Rolle spielen, lassen sich zur Zeit nicht öffentlich darbieten. Aber dem Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ist bereits eingehend darüber berichtet worden. Der Ausschuß ist informiert. Sie fragen also in einer Sache, die schon Gegenstand einer Unterrichtung war.
({0})
Meine Damen und Herren, ich mache darauf aufmerksam, daß keiner der Zusatzfragesteller einen Rechtsanspruch auf zwei Fragen hat. Es liegt in meinem Ermessen, ob ich die Fragen zulassen will. Im übrigen scheint es mir nicht so zu sein, daß die Fragestunde Gelegenheit für eine ausgedehnte agrarpolitische Debatte sein müßte.
({0})
Dazu kann man andere Möglichkeiten schaffen. - Herr Sander!
Herr Bundesminister, sind Sie nicht wirklich der Überzeugung, daß, wie soeben der Kollege Ehnes schon sagte, im gegenwärtigen Augenblick durch die Ausführungen des Herrn Mansholt in der deutschen Landwirtschaft der Eindruck entstehen muß, daß das das Ende der bäuerlichen Familienwirtschaft bedeutet und wir jetzt auf Kolchosen hinsteuern?
Herr Kollege, das wäre ein Unrecht an der Politik von Vizepräsident Mansholt. Ich kann nur immer wiederholen: die Äußerungen müssen insgesamt gesehen und verstanden werden. Im übrigen ist Ihnen ja bekannt, daß nicht die Kommission, sondern der Ministerrat entscheidet. Die deutsche Delegation hat eine ganz klare Haltung bezogen. Sie brauchen also gar nicht ängstlich zu sein, und Sie machen auch gar nicht den Eindruck.
Herr Ritz!
Herr Bundesminister, stimmen Sie mit mir im Zusammenhang mit den Ausführungen von Herrn Mansholt darin überein, daß die sogenannte optimale Betriebsgröße nicht nach Hektarzahlen zu bemessen ist, sondern sich aus einer Fülle von Faktoren zusammensetzt?
Ja. Das hat auch Herr Mansholt gar nicht gesagt. Das war nur ein Beispiel. Ich bin der Meinung - und ich glaube damit auch die Meinung der Bundesregierung wiederzugeben -, daß es sich hier nicht um Flächenfragen, sondern um ein Betriebspotential handelt, das aus den vielfältigsten Faktoren gemischt sein kann.
Herr Reichmann!
Herr Bundesminister, ist Ihnen bekannt, daß diese schockierenden Ausführungen von Herrn Vizepräsident Mansholt nicht einmalig sind, sondern schon bei der bayerischen Landwirtschaftlichen Woche 1959 ausgesprochen wurden und daß diese Konzeption mehr oder weniger dann auch in der EWG praktiziert wurde?
In der EWG wird nichts Ähnliches praktiziert. Mir ist genau bekannt, worauf Sie anspielen. Es handelt sich um einen Vortrag, den Vizepräsident Mansholt in Bayern gehalten hat, wobei er eine Prognose über die Entwicklung des zahlenmäßigen Anteils der Landwirtschaft gegeben hat. Wir haben ja bei uns selbst eine solche Entwicklung. Wir sind heute bei 10 %. Vor zehn Jahren waren wir vielleicht bei 15 bis 17 %. Das ist die Entwicklung, die prognostiziert worden ist und die sich in der ganzen Welt wiederholt. Das ist aber keine landwirtschaftsfeindliche Entwicklung, sondern eine Entwicklung, die dafür sorgt, daß die Menschen, ganz gleich wo sie stehen, ein gleichwertiges modernes Einkommen erhalten.
Herr Reichmann!
Herr Minister, ist die Agrarpreissenkung für die Landwirtschaft in der Bundesrepublik nicht eine Praktizierung der Konzeption von Mansholt?
Herr Kollege Reichmann, Sie können doch nicht sagen, daß es nur Agrarpreissenkungen gegeben hat. Wir haben eine Preiserhöhung bei Milch erreicht, die einen viel höheren, Anteil darstellt.
({0})
Bei den Fleischpreisen haben wir, von der jetzigen Baisse einmal abgesehen, in den letzten zehn Jahren eine aufwärtsgehende Entwicklung gehabt. Das wissen Sie alles selber. Ich bin aber gern bereit, Ihnen das in einer Ubersicht noch einmal ins Gedächtnis zurückzurufen. Von einer Agrarpreissenkung kann nicht die Rede sein. Es ist nur so: das landwirtschaftliche Einkommen hat leider nicht die rasche Entwicklung genommen, die andere Einkommen genommen haben. Hier besteht eine 'Differenz, die ausgeglichen werden muß. Das ist außerordentlich schwierig. Aber von einer Agrarpreissenkung im allgemeinen Sinne, wie Sie das behaupten, kann nicht die Rede sein.
Jetzt noch Herr Moersch; dann ist aber Schluß mit diesen Fragen.
Herr Minister, wie beurteilen Sie die Tatsache, daß auch von deutscher Seite die britische Regierung aufgefordert worden ist, ihre Agrarpolitik der EWG-Agrarpolitik anzupassen, wenn auf Grund der Äußerungen von Herrn Mansholt geschlossen werden muß, daß es diese EWG-Agrarpolitik noch gar nicht gibt?
Es gibt erstens eine EWG-Agrarpolitik. Herr Vizepräsident Mansholt hat eingehend ausgeführt, daß er die Marktordnungen, die einen sehr interessanten Teil der EWG-Agrarpolitik darstellen und die zum Teil sehr oft von Ländern beklagt werden, die an unseren Markt liefern möchten, bejaht. Die Bitte an England, sich in seiner Agrarpolitik der EWG-Agrarpolitik anzupassen, betrifft nur das System. Wir haben dort das Deficit paying, und wir haben hier ein anderes System. Um rechtliche Gleichheit zu schaffen, ist diese Anregung ausgesprochen worden, und die deutsche Agrarpolitik kann nur daran interessiert sein, den großen Markt Englands mit in die Gemeinschaft einbeziehen zu können.
Ich rufe ,die Frage 73 des Abgeordneten Müller ({0}) auf:
Kann die Bundesregierung Auskunft darüber geben, wie sich die aus dem Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft, Abteilung Ausrichtung, bisher an die Bundesrepublik Deutschland zugewiesenen Beihilfen auf genossenschaftliche und privatwirtschaftliche Projekte nach Zahl und Beihilfenhöhe verteilen?
Ich bin gern bereit, Herr Kollege, Ihnen eine Aufstellung über die einzelnen Vorhaben zu geben. Eine bewußte, Unterscheidung
in genossenschaftliche und private Träger gibt es nicht; auch aus der Rechtsform des Antragstellers läßt sich kein sicherer Schluß ziehen.
Ich glaube aber den Sinn Ihrer Frage durch den Hinweis zu treffen, daß eine solche Unterscheidung auch keine Rolle spielt.
Sind Sie nicht mit mir der Auffassung, Herr Bundesminister, daß dennoch festgestellt werden kann, ob ein Antragsteller zur privaten Wirtschaft oder zu einer genossenschaftlichen Organisation gehört? Das geht doch meistens aus der Firmenbezeichnung hervor.
Nein, es geht leider nicht immer daraus hervor. Es gibt bisher keine Aufzeichnung. Ich glaube, wir sollten auch nicht umfangreiche Arbeiten anstellen, um aus der Vergangenheit das Entsprechende noch festzustellen. Es sind unter Umständen sehr schwierige Fragen, die zu stellen wären. Aber man könnte daran denken, in der Zukunft zu differenzieren.
Herr Müller!
Nachdem im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften im einzelnen dargelegt worden ist, welche Beihilfen bewilligt wurden, dürfte es nach meinem Dafürhalten dem Ministerium doch keine besondere Schwierigkeit bereiten, hier die erbetene Aufstellung zu unterbreiten.
Herr Kollege, es ist aus der Rechtsform allein nicht zu schließen, ob es sich um eine genossenschaftliche oder um eine privatwirtschaftliche, also nicht genossenschaftliche, Einrichtung handelt. Aber wenn Sie ganz großen Wert darauf legen, bin ich bereit, eine solche Aufstellung machen zu lassen. Ich bitte mir dann aber Zeit zu lassen, weil wir mit sehr vordringlichen Aufgaben so überlastet sind, daß uns viele Zusammenstellungen oft die Zeit für sehr wichtige Dinge nehmen.
Der Minister hat gebeten, zwei Fragen des Abgeordneten Dr. SchulzeVorberg - zu Drucksache V/2188 - heute, anstatt am Freitag, beantworten zu dürfen:
Ist sich die Bundesregierung bewußt, daß die Tagung des Europäischen Ministerrates - mit der Rede des EWG-Vizepräsidenten Mansholt, der seine Forderung der Stillegung „kleinerer Höfe" ({0}) dort erläuterte - in der deutschen Landwirtschaft Zweifel auslösen muß?
Vertritt die Bundesregierung auch gegenüber Brüssel die Erkenntnis, daß selbst kleine landwirtschaftliche Anwesen für die Eigentümerfamilien gerade in der modernen Industriegesellschaft eine besondere Stabilität sichern, die im Interesse des ganzen Volkes erhalten und gefördert werden sollte?
({1})
- Der Fragesteller ist einverstanden.
Zur ersten Frage: Die Bundesregierung ist sich dessen bewußt; sie wird deshalb durch geeignete Stellungnahmen klarstellen, daß Vizepräsident Mansholt keineswegs eine solche Forderung erhoben, sondern an solchen Beispielen nur die weltweiten Schwierigkeiten in der Gestaltung der landwirtschaftlichen Einkommen dargestellt hat.
Zur zweiten Frage: Die Bundesregierung hat ihre Einstellung zu den Kleibetrieben - differenziert nach Zu- und Nebenerwerbsbetrieben - wiederholt, zuletzt durch eine Verlautbarung im Bulletin Nr. 92/67, dargestellt, und sie gedenkt an dieser Einstellung festzuhalten.
Herr Schulze-Vorberg!
Herr Bundesminister, Sie haben in der Antwort an den Kollegen Röhner, von dem Begriff der Landwirtschaft ausgehend, die Differenzierung dieses Begriffs gefordert. Könnten Sie diese Ihre Stellungnahme etwas erläutern?
Unter „Differenzierung" meine ich eine Einteilung in Vollerwerbsbetriebe und Kleinbetriebe; Kleinbetriebe wieder unterschieden in Nebenerwerbs- und Zuerwerbsbetriebe.
Herr Schulze-Vorberg!
Der Herr Vizepräsident Mansholt sei ein Anhänger der Familienbetriebe, haben Sie soeben betont, Herr Minister. Ist in diesem Zusammenhang die Größe von 30 ha, die angesprochen wurde, wirklich die Grenze, die auch die Bundesregierung bei Familienbetrieben für richtig hält?
Ich habe schon erklärt, daß wir keine Flächenabgrenzung machen, sondern für uns das Potential des Betriebes maßgebend ist. Das kann bei Sonderkulturen eine sehr kleine Fläche, das kann bei sehr schlechten und mageren Böden eine größere Fläche als 30 ha sein. Da gibt es viele Differenzierungen. Wir legen uns nicht auf Flächengrößen fest, sondern sind der Meinung, daß der richtige Gradmesser das Betriebspotential ist.
Herr Dr. Schulze-Vorberg!
Darf ich Sie also so verstehen, Herr Bundesminister, daß der kleine Familienbetrieb, auch der Nebenerwerbsbetrieb, der den bewirtschaftenden Familien eine besondere wirtschaftliche Stabilität gibt, auch in Zukunft der Förderung durch die Bundesregierung und, wie Sie betonen, auch der Förderung durch die EWG gewiß sein darf?
Wir haben keine Absicht, globale Förderungsmaßnahmen einzustellen.
Herr Ehnes!
Herr Bundesminister, darf ich aus Ihren Ausführungen schließen, daß die Ausführungen des Herrn Mansholt die Bundesregierung nicht veranlassen, vom bisherigen agrarpolitischen Konzept abzugehen? Darf ich aus Ihren Ausführungen auch schließen, daß die Maßnahmen, die gegenwärtig im Bereich unserer Ernährung auf allen landwirtschaftlichen Gebieten laufen, von diesen Ausführungen des Herrn Mansholt zukünftig nicht beeinflußt werden?
Ich muß wiederum sagen, daß dem Herrn Mansholt Unrecht geschieht. Herr Mansholt kat keineswegs solche Äußerungen getan. Sie sind aus dem Zusammenhang gerissen worden. Es ist auch nicht so, daß Herr Mansholt die Richtlinien unserer Politik bestimmt. Wir stehen in freundschaftlicher Zusammenarbeit mit ihm, und die deutsche Delegation hat ihre Meinungen geäußert. Herr Mansholt hat eine private Meinung über eine Prognose für die nächsten 25 und 30 Jahre geäußert. Die Regierungen werden eine gemeinsame Analyse erstellen und werden sich darüber klarwerden, welche Konsequenzen man daraus zu ziehen hat. Bei einer solchen Äußerung der Bundesregierung zu diesem Zeitpunkt wird das Hohe Haus seine Meinung sehr wohl zum Ausdruck bringen können.
Meine Herren, ich glaube nicht, daß wir die Geschichte von vorhin noch einmal wiederholen sollten. Im wesentlichen dreht es sich doch alles um das gleiche Thema und bewegt sich jetzt im Kreis. - Herr Ehnes noch einmal.
Herr Bundesminister, glauben Sie, daß die Erregung, die gegenwärtig draußen wegen dieser Ausführungen herrscht, nicht in diesem Ausmaß notwendig sei?
Ja, der Meinung bin ich.
Herr Logemann!
Herr Minister, da Sie vorhin unterstellt haben, Herr Mansholt bejahe den bäuerlichen Familienbetrieb, darf ich fragen: Ist die Definition, die Herr Mansholt in seiner Prognose jetzt für den bäuerlichen Familienbetrieb für die Zukunft gegeben hat, nicht eine völlig andere als die, die in Stresa vereinbart wurde und die wir bisher aus Ihrem Haus gehört haben?
Herr Kollege, Sie haben hier eine Große Anfrage zum Begriff „Familienbetrieb" gestellt. Ich werde darauf eine sehr eingehende Antwort geben. Der Familienbetrieb ist keine statische, sondern eine dynamische Größe, die fortgesetzt mit neuem Inhalt ausgefüllt werden muß, der sich vor allem von der Einkommenserwartung her bestimmt, die aus der industriellen Umwelt gebildet wird und in die Landwirtschaft übertragen werden soll. Zum Begriff „Familienbetrieb" kann man sich nicht auf das Jahr 1958 beziehen. Wir haben jetzt 1967, und in diesen neun Jahren haben wir erhebliche Fortschritte gemacht. Ich bin der Meinung, daß der Begriff „Familienbetrieb" jeweils modern definiert, ausgedrückt und fortgeschrieben werden muß.
Meine Herren, jetzt ist's genug des grausamen Spiels.
({0})
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts. Ich rufe die Frage 5 des Abgeordneten Ollesch auf:
Sind Pressemeldungen zutreffend, wonach Kampfflugzeuge, die an den Iran bzw. Italien verkauft wurden, tatsächlich an Pakistan bzw. an Indien geliefert wurden?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Ich bitte um die Genehmigung, beide Fragen zusammen zu beantworten, Herr Präsident.
Ist der Fragesteller einverstanden?
({0})
- Ist Herr Ollesch anwesend?
({1})
- Bekanntlich ist das früher mitzuteilen. Aber Gnade für Recht!
Ich rufe also auch die Frage 6 des Abgeordneten Ollesch auf:
Welche Maßnahmen hat die Bundesregierung ergriffen, um derartige in Frage 5 erwähnte Umgehungen des Grundsatzes, daß keine deutschen Waffen in Spannungsgebiete geliefert werden sollen, in Zukunft unmöglich zu machen?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Es ist unzutreffend, daß an den Iran verkaufte Kampfflugzeuge nach Pakistan geliefert wurden. Dagegen ist es richtig, daß an Italien gegen Importzertifikat verkaufte Flugzeuge nach Indien verbracht worden sind. Die Bundesregierung schützt sich nunmehr gegen die Umgehung des genannten Grundsatzes, indem sie vom Erwerber neben dem amtlichen Importzertifikat, das ihn zum Kauf legitimiert, eine Endverbleibsklausel fordert. Ferner hat sie inzwischen veranlaßt, daß der Käufer später eine Zollbestätigung über die tatsächlich erfolgte Einfuhr vorlegen muß. Die Beibringung der Zollbestätigung wird durch eine hohe, durch Bankgarantie abgesicherte Konventionalstrafe sichergestellt.
Herr Genscher!
Was hat die Bundesregierung unternommen, um das Zwielicht zu beseitigen, in das sie durch diese Umgehung der Vereinbarungen auf der Seite ihrer Vertragspartner geraten ist, Herr Staatssekretär?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Sie hat, da es sich nur um einen einzigen Fall handelte - das möchte ich zunächst einmal klarstellen, Herr Kollege Genscher -, nämlich jene Weiterverbringung über Italien nach Indien, die Gelegenheit benutzt, öffentlich durch Erklärungen gegenüber der Presse deutlich zu machen, daß das nicht im Sinne der von ihr abgeschlossenen vertraglichen Abmachungen sei. Sie hat im übrigen dadurch, daß sie für solche Exportgeschäfte neue und erschwerte Bestimmungen geschaffen hat, auch hinreichend dargetan, daß sie in der Sache nicht gewillt ist, sich in Zukunft in derartige Situationen bringen zu lassen.
Herr Genscher!
Wird es die Bundesregierung in Zukunft vermeiden, an solche Länder zu liefern, die durch diese Umgehungsmaßnahmen unsere Interessen geschädigt haben?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Eine generelle Sperre oder etwas Ähnliches wird die Bundesregierung daraufhin kaum verhängen. Sie wird aber in dem Fall, in dem eine solche Schwierigkeit aufgetaucht ist, ganz besonders sorgfältig auf die Einhaltung der von ihr selbst gesetzten Bedingungen achten.
Herr Moersch!
Herr Staatssekretär, hat der hier erwähnte Vorfall Einfluß auf die Auswahl der künftigen Geschäftspartner der Bundesregierung?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Selbstverständlich wird die Bundesregierung bei der Auswahl der Geschäftspartner sehr genau auch die bisherigen Beziehungen mit schon vorhandenen Geschäftspartnern beachten.
Herr Moersch!
Herr Staatssekretär, ist es aber nicht so, daß oftmals die Tüchtigkeit im Verkaufen mit der Fähigkeit zum Einhalten von Dienstwegen im Widerspruch steht?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Ich glaube nicht, daß das eine von dem anderen abhängig ist.
Herr Kohlberger!
Herr Staatssekretär, sind bei den verkauften Kampfflugzeugen solche vom Typ Fouga Magister?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Nein, es sind keine dabei.
Keine weitere Frage.
Die Frage 7 der Frau Abgeordneten Albertz ist zurückgezogen.
Ich rufe die Frage 8 des Abgeordneten Dr. Jahn ({0}) auf. Ist der Abgeordnete anwesend? - Nein. Die Frage wird schriftlich beantwortet. Das gleiche gilt für die Frage 9 des Abgeordneten Dr. Jahn ({1}).
Ich rufe die Frage 10 des Abgeordneten Ertl auf:
Ist die Bundesregierung bereit, zusammen mit der österreichischen Regierung die italienische Regierung darüber aufzuklären, daß eine Lederhose kein -Uniformstück ist, um auch Trägern dieses Kleidungsstückes eine unkomplizierte Einreise nach Italien zu ermöglichen?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Die Bundesregierung ist weit davon entfernt, den Charakter und die Bedeutung der Lederhose falsch einzuschätzen.
({2})
Deshalb darf sie aber auch davon ausgehen, daß die Lederhose als unverzichtbarer wie auch unverkennbarer Bestandteil süddeutscher Trachtenkleidung international bekannt und anerkannt ist. Auch die italienische Regierung wird sicher nicht dem Irrtum verfallen, sie als Uniformstück zu betrachten. Die Bundesregierung hält es deshalb nicht für erforderlich, die italienische Regierung auf den Charakter der Lederhose als Trachtenkleidung hinzuweisen.
({3})
Herr Ertl!
Ertl ({0}): Herr Staatssekretär, darf ich Sie darauf aufmerksam machen, daß Sie offensichtlich einem Irrtum erlegen sind. In der Tat sind Trachtengruppen am Brenner zurückgewiesen worden. Ich frage Sie deshalb nochmals: sind Sie bereit, die italienische Regierung a) über die Lederhose, b) über die Trachten genau aufzuklären, vielleicht sogar zu überlegen, eine Art Sichtvermerk für Trachten einzuführen,
({1})
womöglich in italienisch, damit wenigstens die italienischen Zöllner einmal genau Bescheid wissen? Denn auf Deutsch werden sie es sicher nicht lesen können.
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Herr Kollege Ertl, es ist durchaus möglich, daß in .diesem Fall ein Irrtum bei italienischen Grenz- und Zollbeamten vorgelegen hat. Aber ich bin sicher, daß ein solcher
Parlamentarischer Staatssekretär Jahn
Irrtum bei der italienischen Regierung nicht vorhanden ist, an deren Aufklärung Ihnen ja so sehr liegt.
Herr Ertl!
Herr Staatssekretär, wie können Sie sich erklären, daß solche Irrtümer vorkommen, wenn die italienische Regierung für Aufklärung und Schulung sorgt? Da könnte doch die deutsche Bundesregierung ein wenig beitragen. Das müßte doch in Europa möglich sein.
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Herr Kollege Ertl, ich habe ein wenig Vorbehalte gegenüber dem Wort „Schulung". Aber vielleicht kann man das durch praktische Arbeit, durch einen lebhafteren Kulturaustausch - ich bin sicher, daß unsere bayerischen Landsleute dazu gern bereit sind -, also einfach durch praktische Unterweisung besser erreichen.
({0})
Herr Kollege Ertl, bei Ihrem Redefluß ist es manchmal unmöglich, zwischen Frage und Kommentar zu unterscheiden. Ich bitte Sie, diesen Unterschied in Zukunft zu beachten.
({0})
- Es tut mir leid. Wenn nicht mitgeteilt worden ist, daß eine Frage von einem anderen Abgeordneten übernommen worden ist, kann ich nicht noch lange herumfragen. Das ist unmöglich.
Ich rufe die Frage 25 des Abgeordneten Dr. Schmidt ({1}) auf:
Wie beantwortet die Bundesregierung die herausfordernde, die öffentliche Meinung mitprägende Behauptung in Rolf Hochhuths Tragödie „Soldaten" ({2}), sie habe nichts getan, um die Ausdehnung des internationalen Land- und Seekriegsrechts auf den Schutz der Zivilbevölkerung in offenen Städten gegen Bombenangriffe aus der Luft im Sinne eines Gesetzentwurfs anzustreben, wie er bereits 1957 auf der Weltkonferenz von Neu-Delhi einstimmig durch Delegationen aus 85 Staaten gebilligt worden sei?
Herr Staatssekretär, bitte!
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Ich nehme zunächst zu dem behaupteten Sachverhalt Stellung.
Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz hat im November 1957 der XIX. Internationalen Konferenz des Roten Kreuzes in Neu-Delhi einen „Entwurf von Regeln zur Einschränkung der Gefahren, denen die zivile Bevölkerung in Kriegszeiten ausgesetzt ist" unterbreitet. Die Rotkreuzkonferenz hat von diesem Entwurf Kenntnis genommen, seine Zielsetzung gebilligt und den Präsidenten des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz gebeten, den Entwurf allen Signatarstaaten der vier Genfer Abkommen vom 12. August 1949 zur Prüfung zuzuleiten. Es hat also keine „Weltkonferenz" gegeben, die einen entsprechenden „Gesetzentwurf" einstimmig gebilligt hätte.
Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz hat den Entwurf mit Schreiben vom 12. Mai 1958 auch der Bundesregierung mit der Bitte zugeleitet, Stellung zu nehmen und zu prüfen, wie dieser Entwurf weiterbehandelt werden könnte. In der Folgezeit hat sich, soweit der Bundesregierung bekannt ist, keiner der Signatarstaaten der Genfer Abkommen zur Frage der Weiterbehandlung des Entwurfs des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz geäußert. Auch der Schweizerische Bundesrat hat bis heute weder zu einer Staatenkonferenz über den Entwurf eingeladen noch die Absicht erkennen lassen, eine solche Konferenz einzuberufen.
Die Bundesregierung hat zu dem Entwurf des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz, der rechtliche und politische Probleme von weittragender Bedeutung aufwirft, stets die Auffassung vertreten, daß diese Probleme nicht losgelöst von den Bestrebungen behandelt werden können, zu einer allgemeinen und kontrollierten Abrüstung zu gelangen. Die Bundesregierung, die eine Politik des Friedens betreibt, sieht keine Veranlassung, auf dem Gebiet der Fortentwicklung des Kriegsrechts eine außenpolitische Initiative zu ergreifen. Sie ist jedoch jederzeit zur Mitarbeit bereit, wenn eine Staatenkonferenz zur Klärung der mit dem Schutz der Zivilbevölkerung im Kriege zusammenhängenden Rechtsfragen einberufen werden würde. .
Herr Hochhuth hat im übrigen auf sein Schreiben an den Herrn Bundespräsidenten vom 10. Mai 1965 - unter dem Aktenzeichen 2-5510-2212/65 - ein Antwortschreiben des Bundespräsidialamts vom 22. Juni 1965 erhalten, in dem ihm die Sach- und Rechtslage sehr ausführlich dargelegt worden ist.
Keine weitere Frage.
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern.
Ich rufe die Frage 11 des Abgeordneten Moersch auf:
Wie läßt sich nach Ansicht der Bundesregierung die Äußerung eines Referenten im Bundesinnenministerium bei einer Tagung der Evangelischen Akademie Loccum ({0}), die lautet: „Der Rechtsschutz für Ausländer gehört nicht zu den notwendigen Ingredienzen des demokratischen Rechtsstaates" mit dem Grundgesetz vereinbaren?
Bitte, Herr Staatssekretär Benda!
Benda, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Der für die Bearbeitung des Ausländerrechts zuständige Referent des Bundesministeriums des Innern hat in dem von Ihnen erwähnten Vortrag bei der Evangelischen Akademie Loccum hervorgehoben, daß nach unserer Verfassungs- und Gesetzeslage Ausländer den deutschen Staatsangehörigen in bezug auf den Zugang zu Gerichten und die Möglichkeit, gegen Maßnahmen der öffentlichen Gewalt Rechtsmittel einzulegen, völlig gleichgestellt sind. Dabei hat er darauf hingewiesen, daß eine derartige Gleichstellung der Ausländer mit den Inländern international keineswegs allgemein üblich ist. Vielmehr besäßen Ausländer in zahlreichen anderen Staaten, auch solchen mit alter demokratischer Tradition, nur sehr viel geringere Möglichkeiten, Maßnahmen von Behörden mit gericht6410
Parlamentarischer Staatssekretär Benda
licher Klage oder anderen Rechtsbehelfen anzugreifen, als die eigenen Staatsangehörigen dieser Staaten.
Aus dieser Rechtslage hat der Referent den Schluß gezogen, daß eine Gleichstellung zwischen Ausländern und eigenen Staatsangehörigen auf dem Gebiete des Rechtsschutzes gegen behördliche Maßnahmen, wie sie bei uns besteht, nicht zu den notwendigen Erfordernissen eines demokratischen Rechtsstaats gehört, sondern über den demokratischen Mindeststandard hinausgeht. Der Inhalt der Ausführungen des Referenten war also ein anderer, als er Ihrer Frage zugrunde gelegt worden ist.
Ein Anlaß dazu, die Vereinbarkeit dieser Ausführungen des Referenten mit dem Grundgesetz zu bezweifeln, ist nach meiner Auffassung nicht gegeben.
Herr Moersch!
Herr Staatssekretär, liegt in Ihrem Hinweis auf die Gewohnheiten in anderen Staaten, die sich Demokratien nennen, nicht eine Relativierung der Grundrechte, wie sie in unserem Grundgesetz stehen?
Benda, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Herr Kollege Moersch, erstens waren es nicht meine Ausführungen, sondern ich habe berichtet über das, was einer der Mitarbeiter meines Hauses auf einer Tagung in Loccum gesagt hat. Ich habe keinen Anlaß, midi inhaltlich davon zu distanzieren. Wenn ich in einem Bericht über die Rechtslage in anderen Ländern diese so darstelle, wie sie ist, dann liegt darin keineswegs eine Relativierung des Grundgesetzes, dessen Inhalt feststeht und von uns auch insoweit selbstverständlich akzeptiert und respektiert wird, sondern es ist eine objektive Darstellung der gegebenen Rechtslage.
Herr Moersch!
Herr Staatssekretär, darf ich aus Ihrer Antwort schließen - da ich den Vortrag auch vom Inhalt her einigermaßen kenne, möchte ich das wohl annehmen -, daß Sie sich anders ausgedrückt hätten, wenn Sie zu diesem Thema hätten sprechen müssen?
Benda, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Ich habe nicht das Vergnügen gehabt, den Stil und die Formulierung im einzelnen durchzusehen, da es keine schriftlichen Aufzeichnungen darüber gibt. Insofern kann ich also nicht sagen, ob ich mich anders ausgedrückt hätte. In der Sache teile ich die Auffassung des damals Vortragenden, so wie ich sie hier zusammengefaßt dargestellt habe.
Herr Czaja!
Herr Staatssekretär, sind Sie nicht der Meinung, daß der Beamte dabei doch den Wortlaut und Inhalt der Europäischen Menschenrechtskonvention übersehen hat, die von einer großen Zahl demokratischer Staaten als Vertragsrecht und damit als international geltendes Recht anerkannt ist?
Benda, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Das glaube ich nicht, Herr Kollege Czaja. Ich kann nur wiederholen, er hat die Verfassungs- und Rechtslage in anderen demokratischen Staaten dargestellt, er hat sie zutreffend dargestellt, und er hat dann einen Vergleich mit dem insoweit für die Ausländer wesentlich günstigeren deutschen Verfassungs- und sonstigen Recht angestellt.
Herr Czaja!
Ist in diesen demokratischen Staaten außer dem Verfassungsrecht aber nicht auch das internationale Vertragsrecht der Europäischen Menschenrechtskonvention vollgültiges Recht?
Benda, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Selbstverständlich ist es das.
Meine Damen und Herren, ich muß jetzt zwei Fragen vorwegnehmen, die im Geschäftsbereich des Bundesministers für gesamtdeutsche Fragen aufgeführt sind, zunächst Frage 2 des Herrn Abgeordneten Dr. Ritz:
Wie beurteilt die Bundesregierung die Ausstellung des ..Braun-Buches über Kriegs- und Naziverbrecher" am Stand des „DDR-Staatsverlages" auf der Frankfurter Buchmesse, durch das das deutsche Staatsoberhaupt verunglimpft wird?
Benda, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Herr Präsident, mit Einverständnis der beiden Herren Fragesteller, Herren Dr. Ritz und Dr. Klepsch, rege ich an, beide Fragen zusammen zu beantworten.
Sind die Fragesteller einverstanden? - Nolens volens, nicht?
Dann rufe ich auch die Frage 4 des Herrn Abgeordneten Dr. Klepsch auf:
Ist die Bundesregierung bereit, auch bei anderen Gelegenheiten die Ausstellung von Publikationen zu dulden, durch die das deutsche Staatsoberhaupt verunglimpft wird?
Benda, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Der Bundesminister des Innern hat bereits in seiner Dokumentation vom 28. Oktober 1966 darauf hingewiesen, daß die Verleumdungskampagne gegen den Herrn Bundespräsidenten - zu der auch das sogenannte Braun-Buch gehört - ein Bestandteil einer großangelegten politischen Offensive des SED-Regimes gegen Grundlagen und Bestand unseres Staates ist. Die Kommunisten verfolgen damit zwei Ziele: die Diffamierung des deutschen Staatsoberhauptes soll im Innern Verwirrung stiften und eine Vertrauenskrise schaffen, nach außen soll sie die internationale Position der Bundesrepublik und ihr Ansehen schädigen. Diese
Parlamentarischer Staatssekretär Benda
Aktion richtet sich mithin nicht ausschließlich gegen die Person des Bundespräsidenten, sondern es soll in ihm unser Staat getroffen werden. Die Ausstellung des Buches in der Frankfurter Buchmesse ist, wie die Bundesregierung bereits zum Ausdruck gebracht hat, eine unerhörte Provokation.
({0})
Die Bundesregierung hat in einer ihrer letzten Sitzungen beschlossen, alle Fragen, die sich aus dem Vorgang auf der Frankfurter Buchmesse ergeben, nach Vorlage eines genaueren Berichts eingehend zu beraten. Sie läßt sich dabei von der Überzeugung leiten, daß kein Staat im Interesse seiner Selbstachtung und der Achtung, die seine gewählten Repräsentanten beanspruchen können, derartige skandalöse Vorgänge stillschweigend hinnehmen kann.
({1})
Diese Überzeugung, Herr Kollege Dr. Klepsch, gilt selbstverständlich auch für etwaige andere Vorgänge gleicher oder ähnlicher Art, auf die Sie mit Ihrer Frage abstellen.
Herr Dr. Ritz!
Herr Staatssekretär, wann ist wohl mit der abschließenden Prüfung des Gesamtkomplexes durch das Bundeskabinett zu rechnen?
Benda, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Ich möchte annehmen, daß die Bundesregierung bereits in einer ihrer nächsten Kabinettssitzungen, also im Laufe der nächsten Wochen, die Prüfung vornehmen wird, die vor etwa acht Tagen in Aussicht genommen worden ist.
Herr Dr. Ritz!
Eine zweite Zusatzfrage. Herr Staatssekretär, wie beurteilen Sie in diesem Zusammenhang die Aussagen der Herren Hennig und Tomuschat, den Leitern des Dietz-Verlages und des „Staatsverlages", die westdeutsche Seite müsse künftig den „DDR"-Verlagen gegenüber - ich darf zitieren - „eindeutige Garantien für eine uneingeschränkte, ungestörte und gleichberechtigte Teilnahme" an der Frankfurter Buchmesse einräumen?
Benda, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Herr Kollege Dr. Ritz, die Frankfurter Buchmesse ist, wie Sie wissen, eine Veranstaltung des Börsenvereins des deutschen Buchhandels, also eines privaten Vereins. Zunächst ist es Sache dieses Vereins, mit seinen Partnern Abreden zu treffen, die zur Durchführung einer solchen Veranstaltung gehören. Erst der Inhalt dieser Abmachung und ein eventueller Verstoß gegen geltendes Recht könnten ein Anlaß für die Bundesregierung oder die nach Landesrecht zuständigen Instanzen sein, eventuell dagegen vorzugehen. Insoweit bleibt also abzuwarten, was zwischen den Partnern einer solchen Veranstaltung abgesprochen wird.
Herr Dr. Klepsch!
Herr Staatssekretär, treffen Meldungen zu, daß die Ausstellung des sogenannten Braun-Buches des Ostberliner Staatsverlags auf der Frankfurter Buchmesse und sein Vertrieb in der Bundesrepublik Deutschland unter Mißachtung eines rechtskräftigen Beschlusses des Landgerichts Lüneburg erfolgten?
Benda, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Ich kann bestätigen, daß es nach einer Mitteilung des Herrn niedersächsischen Ministers der Justiz vom gestrigen Tage einen rechtskräftigen Beschluß des Landgerichts Lüneburg vom 23. November 1966 in dieser Angelegenheit - Einziehung des „Braun-Buches" - gibt.
({0})
Die Konsequenzen, die sich daraus möglicherweise ergeben, gehören sicherlich zur Zuständigkeit des Herrn Bundesministers der Justiz. Ich kann mich insoweit auf die bloße Bestätigung der Tatsache, nach der Sie fragen, beschränken.
Herr Dr. Klepsch!
Herr Staatssekretär, darf ich Sie trotzdem fragen, ob der Herr hessische Generalstaatsanwalt diesen rechtskräftigen Beschluß des Landgerichts Lüneburg hätte kennen müssen.
Benda, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Ich bedaure, daß ich diese Frage nicht beantworten kann, Herr Dr. Klepsch. Sie gehört eindeutig zur Zuständigkeit des Bundesministers der Justiz, soweit überhaupt Bundesstellen zuständig sind.
Herr Dr. Klepsch!
Herr Staatssekretär, darf ich Sie dann fragen, ob der Bundesregierung bekannt ist, ob in irgendeinem anderen Land derartige Verunglimpfungen des Staatsoberhaupts möglich sind.
Benda, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Mir ist kein anderes Land bekannt, in dem eine derartige Verunglimpfung hingenommen werden würde.
({0})
Herr Rollmann!
Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung gegebenenfalls bereit, den Herrn hessischen Generalstaatsanwalt von diesem Beschluß des Landgerichts in Lüneburg in Kenntnis zu setzen?
({0})
Benda, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Auch insoweit muß ich darauf hinweisen, Herr Kollege Rollmann, daß der Bundesminister des Innern für diese Frage ressortmäßig innerhalb der Bundesregierung nicht zuständig ist.
Herr Rollmann!
Darf ich dann fragen, ob vielleicht der neben Ihnen sitzende Herr Bundesminister der Justiz bereit ist, diese Fragen zu beantworten. Ich habe die Regierung gefragt.
Die Frage müßte ich Ihnen stellen, Herr Bundesminister.
Herr Kollege Rollmann, ich bitte, zunächst einmal daran zu denken, daß die Justiz Landessache ist und daß die Bundesregierung oder der Bundesjustizminister keine Dienstaufsichtsbehörde über Generalstaatsanwälte der Bundesländer darstellt. Ich sehe keinen Anlaß und überhaupt keine Möglichkeit, in diese hessischen Vorgänge einzugreifen.
({0})
Ich rufe die Frage 12 des Herrn Abgeordneten Dorn auf:
Wie will die Bundesregierung Klarheit darüber schaffen, ob sie - wie Minister Dollinger meint - für die Rundfunkgebühren zuständig ist oder ob diese Zuständigkeit - wie Ministerpräsident Filbinger meint - bei den Ländern liegt?
Sie übernimmt der Abgeordnete Genscher. Herr Staatssekretär, bitte!
Benda, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Das Rundfunkgebührenwesen soll im Einvernehmen zwischen Bund und Ländern geregelt werden. Die Bundesregierung und die Landesregierungen streben eine pragmatische Regelung an, die unter Aufrechterhaltung der beiderseitigen Rechtsstandpunkte den gegebenen Möglichkeiten und Notwendigkeiten Rechnung trägt.
Herr Genscher!
Sind Sie nicht der Meinung, Herr Staatssekretär, daß es an der Zeit wäre, diese Frage definitiv zu klären, um die Unsicherheit, die auch dem Ansehen von Bund und Ländern abträglich ist, zu beseitigen?
Benda, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Ich habe soeben schon gesagt, Herr Kollege Genscher, daß eine Regelung - ich hoffe, in naher Zukunft - angestrebt und hoffentlich auch erreicht werden wird.
Herr Genscher!
Finden Sie nicht, Herr Staatssekretär, daß es besser wäre, durch eine gesetzliche Regelung eine klare Zuständigkeit zu schaffen, als eine pragmatische Regelung zu treffen, auf die Sie offensichtlich im Sinne einer Verwaltungsvereinbarung oder ähnlicher Form hinaus wollen?
Benda, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Herr Kollege Genscher, Sie sind viel zu sehr Jurist, um zu wissen, daß man Verfassungsstreitigkeiten nicht durch eine gesetzliche Regelung aus der Welt schaffen kann. Entweder einigt man sich pragmatisch, wie es in anderen Fällen bereits geschehen ist, oder man muß den Weg der Auseinandersetzung vor dem Bundesverfassungsgericht gehen. Einen dritten Weg sehe ich zur Zeit nicht.
Herr Moersch!
Herr Staatssekretär, da in dieser Auseinandersetzung auch in amtlichen Dokumenten wiederholt der Begriff „Ministerpräsidentenkonferenz der Länder" auftaucht, darf ich Sie fragen, um welches Verfassungsorgan es sich hier handelt.
Benda, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Es gibt Ministerpräsidenten der Länder, wie Sie wissen, die sich regelmäßig, wie es ihr gutes Recht ist, zu Beratungen über gemeinsam interessierende Probleme zusammensetzen. Wie Sie das rechtlich charakterisieren, möchte ich Ihrer eigenen Phantasie und Einfallskraft überlassen.
Herr Staatssekretär, halten Sie es nicht für etwas neben der Legalität liegend, wenn in den Drucksachen der Bundesregierung dieser Begriff „Konferenz der Ministerpräsidenten der Länder" auftaucht?
Benda, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Ich glaube nicht, daß die Behauptung, daß eine Reihe von Herren, die zu einer Sitzung zusammengetreten sind, eine Konferenz veranstaltet haben, irgendwie außerhalb der Legalität liegt, wie Sie vermuten.
Frage 13 des Abgeordneten Dorn:
Ist der Bundesregierung bekannt, welche Haltung die Ministerpräsidenten der Länder zur Frage einer Erhöhung der Rundfunk- und Fernsehgebühren einnehmen?
Benda, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Soweit bekannt, haben die Ministerpräsidenten der Länder zu dieser Frage noch nicht abschließend Stellung genommen.
Herr Genscher!
Wird die Bundesregierung durch ein eigenes Votum auf diese Meinungsbildung der Ministerpräsidenten der Länder Einfluß nehmen, und wenn ja, in welcher Richtung?
Benda, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Die Bundesregierung wird sich selbstverständlich auch ihre Meinung bilden. Ich kann dieser Meinungsbildung nicht vorgreifen, also das Ergebnis nicht vorhersagen.
Herr Genscher!
Darf ich daraus entnehmen, daß die Bundesregierung zu dieser Frage bis jetzt noch keine Meinung hat, Herr Staatssekretär?
Benda, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Sie hat sich noch keine abschließende Meinung gebildet. Es ist aber bereits eine Reihe von Überlegungen angestellt worden, und weitere Überlegungen werden angestellt werden.
Frage 14 des Abgeordneten Dorn:
Wird die Bundesregierung bei der Entscheidung über einen Antrag der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten auf Gebührenerhöhung mit berücksichtigen, daß viele Bürger höhere Abgaben für Rundfunk und Fernsehen möglicherweise durch Einsparung ihres Zeitungsabonnements ausgleichen könnten?
Benda, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Die Bundesregierung wird alle für die Beurteilung relevanten Gesichtspunkte berücksichtigen.
Herr Genscher!
Darf ich daraus entnehmen, daß Sie die in der Fragestellung liegende Sorge teilen, daß eine Erhöhung der Rundfunk- und Fernsehgebühren unter Umständen zur Abbestellung von Tageszeitungen führen könnte?
Benda, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Herr Kollege Genscher, das ist ja gerade die Frage, ob das ein relevanter Gesichtspunkt ist. Das wird man prüfen, und je nachdem, zu welchem Ergebnis man kommt, wird man diesen Gesichtspunkt berücksichtigen oder nicht. Ich kann dem nicht vorgreifen.
Herr Genscher!
Finden Sie nicht, Herr Staatssekretär, daß es angesichts der sehr lange anhaltenden Diskussion über die Wettbewerbsverhältnisse zwischen Rundfunk und Fernsehen einerseits und Tagespresse andererseits für die Bundesregierung längst an der Zeit gewesen wäre, sich darüber eine abschließende Meinung zu bilden?
Benda, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Herr Kollege Genscher, Sie wissen so gut wie ich, daß erst vor ganz kurzer Zeit der Bericht der sogenannten Michel-Kommission fertiggestellt worden ist. Sie wissen, daß er sehr umfangreich ist und ohne die Anlagen 242 Seiten umfaßt. Die Bundesregierung hat mit der Vorlage des Berichts an das Hohe Haus angekündigt, daß sie sich zu dem Inhalt des Berichts innerhalb der nächsten Wochen äußern wird. Das wird auch geschehen, und dies wird Gelegenheit geben, alle Probleme, die in diesem Zusammenhang relevant sind, mit zu erörtern.
Herr Dr. Kliesing!
Wäre es nicht, wenn die Rundfunkanstalten eine Erhöhung der Rundfunk- und Fernsehgebühren für notwendig erachten sollten, zweckmäßig, daß sie vorher, um gegenüber dem Publikum überzeugend zu sein, der Öffentlichkeit Informationen über die Höhe der von ihnen gezahlten Gehälter und Gagen geben?
Benda, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Das wäre sicher zweckmäßig. Auch insoweit, Herr Kollege Dr. Kliesing, darf ich vielleicht auf den Bericht der Michel-Kommission verweisen, der rocht interessantes Material zu eben dieser Frage enthält.
Herr Moersch!
Herr Staatssekretär, ist, wenn sich die Bundesregierung schon über diesen wesentlichen Punkt noch keine Meinung gebildet hat, jetzt wenigstens klargestellt, wie die Finanzierung des Deutschlandfunks künftig aussehen wird? Ist man wenigstens da mit den Ländern einig?
Benda, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Das kann ich im Augenblick nicht abschließend sagen. Ich bin gerne bereit, dieser Frage nachzugehen und Sie noch im einzelnen zu informieren.
Frage 15 des Abgeordneten Fritsch ({0}) ! Ist der Abgeordnete im Saal? - Das ist nicht der Fall; die Frage wird schriftlich beantwortet.
Frage 16 des Abgeordneten Hübner:
Bejaht die Bundesregierung die Notwendigkeit - auch aus dem aktuellen Anlaß der vorgeschlagenen Grundgesetzergänzungen für den Notstandsfall -, die Vorschriften über die Anwendung unmittelbaren Zwanges durch Polizeivollzugsbeamte des Bundes mit dem Ziel zu überprüfen, die anzuwendenden Waffen im Gesetz abschließend aufzuzählen und den Einsatz besonderer Waffen von einer besonderen Ermächtigung durch die Bundesregierung im Einzelfall abhängig zu machen?
Herr Staatssekretär, bitte!
Benda, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Die Antwort ist nein. Die Frage, ob die zugelassenen Waffen im Gesetz einzeln festgelegt werden sollten, ist in den letzten Jahren mehrfach erörtert worden. Sie war auch Gegenstand verschiedener Fragestunden. Die gegenwärtige Regelung in dem entsprechenden Bundesgesetz ist verfassungsrechtlich unbedenklich. Sie erscheint auch zweckmäßig. Bei der Beratung des Gesetzes im Innenausschuß des Bundestages hat
Parlamentarischer Staatssekretär Benda
dieser die gleiche Auffassung vertreten. Die möglichst weitgehende Übereinstimmung des Bundesgesetzes mit den Ländergesetzen ist schon deswegen zweckmäßig, weil die Polizeien der Länder bei Unterstellung unter Weisung der Bundesregierung nach Art. 91 Abs. 2 GG gemäß § 15 des Gesetzes dem Bundesrecht unterstellt sind. Die weitaus überwiegende Anzahl der Länder hält die bestehende bundesgesetzliche Regelung für zweckmäßiger als das hiervon abweichende Hamburger Gesetz. Den Einsatz besonderer Waffen von einer Zustimmung der Regierung abhängig zu machen, kann in einem räumlich begrenzten Stadtstaat wie Hamburg, wo ein solcher Einsatz der Zustimmung des Senats bedarf, zweckmäßig sein, nicht jedoch in einem Flächenstaat oder gar im Bereich der gesamten Bundesrepublik.
Herr Hübner!
Teilen Sie demnach nicht meine Meinung, daß ein Polizeivollzugsbeamter überfordert ist, wenn er dem Gesetz über die Anwendung unmittelbaren Zwanges Genüge tun soll, nach dem er gehalten ist, den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit der Mittel zu beachten, zugleich aber keine Möglichkeit hat, dem Gesetz mit Explosivmitteln Genüge zu tun, weil die Streuwirkung von Werfern und Explosivwaffen so groß ist, daß ein genaues Zielen einfach unmöglich ist?
Benda, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Ich teile diese Meinung in der Tat nicht, Herr Kollege Hübner, weil ich glaube, daß sich das Problem in der Form, wie Sie es hier darlegen, nicht stellt. Ich nehme aber an, daß die Beratung im Zusammenhang mit der Notstandsverfassung - auch Sie haben auf diesen Zusammenhang schon verwiesen - Gelegenheit geben wird, sich im einzelen darüber auszusprechen. Mir scheint es den Rahmen der Frage zu sprengen, wenn ich jetzt im einzelnen auf Ihre Argumentation eingehe.
({0})
Die nächste Frage des Herrn Abgeordneten Hübner, also die Frage 17:
Zieht die Bundesregierung aus der Notwendigkeit einheitlicher Bestimmungen über die Anwendung unmittelbaren Zwanges durch Polizeivollzugsbeamte in Bund und Ländern den Schluß, daß ein neues Konzept auf der Grundlage der in Frage 16 aufgezeigten Ziele den Anlaß zu einem Verständigungsversuch mit den Ländern darstellen könnte?
Herr Staatssekretär, bitte!
Benda, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Der Bundesregierung sind möglichst einheitliche Rechtsvorschriften über die Ausübung unmittelbaren Zwangs in Bund und Ländern, wie ich bereits in meiner Antwort auf Ihre vorige Frage dargelegt habe, erwünscht. Eines Versuches der Verständigung mit den Ländern bedarf es insoweit aber nicht, da die Länder in ihrer überwiegenden Mehrheit die gegenwärtige bundesrechtliche Konzeption bereits übernommen haben oder noch übernehmen werden. Ein geändertes bundesrechtliches Konzept nach der Regelung Hamburgs würde also gerade nicht der Verständigung dienen, sondern die erstrebte Rechtseinheitlichkeit vollends in Frage stellen.
Herr Hübner!
Herr Staatssekretär, würden Sie auch bei dieser Meinung bleiben, wenn ich auf die Tatsache hinweise, daß wegen der Unvereinbarkeit mit diesen Bestimmungen in den meisten Ländern die vom Bund zugeteilten Werferwaffen z. B. nicht einmal zum Training eingesetzt werden?
Benda, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Das Problem ist gerade auf der letzten Konferenz der Innenminister der Länder am 12. Oktober im einzelnen besprochen worden. Ich glaube nicht, daß sich aus diesen Beratungen die Umstände ergeben, die Sie eben dargestellt haben.
Keine weitere Frage. Ich rufe die Frage 18 des Abgeordneten Gscheidle auf:
Glaubt die Bundesregierung, daß bei einem gemeinsamen polizeilichen Einsatz die praktische Anwendung der Bestimmungen über den unmittelbaren Zwang durch Polizeivollzugsbeamte nach dem geltenden Bundesgesetz gewährleistet ist, wenn die beteiligten Polizeivollzugsbeamten der Länder nach dem unterschiedlichen Landesrecht über die Anwendung unmittelbaren Zwanges ausgebildet sind?
Die Frage wird von dem Abgeordneten Hübner übernommen. - Bitte, Herr Staatssekretär!
Benda, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Die Frage des Herrn Kollegen Gscheidle geht von einer unzutreffenden rechtlichen Annahme aus. Bei einem gemeinsamen Einsatz von Polizeikräften des Bundes und der Länder - etwa im Falle des Art. 91 Abs. 2 des Grundgesetzes - gilt nicht das Landesrecht, sondern das Bundesgesetz über den unmittelbaren Zwang auch für die unterstellten Polizeikräfte der Länder. So steht es in § 15 dieses Bundesgesetzes. Die landesgesetzlichen Rechtsvorschriften über die Anwendung unmittelbaren Zwanges unterscheiden sich von der bundesrechtlichen Regelung aber nicht so, daß Polizeivollzugsbeamte der Länder bei der praktischen Anwendung des Bundesgesetzes überfordert wären. Insoweit darf ich mich auf meine Antwort auf die vorige Frage beziehen. Unter diesen Umständen teilt die Bundesregierung Ihre Sorge, daß der Vollzug des Bundesgesetzes durch Polizeikräfte der Länder unter Umständen zu Schwierigkeiten führen könnte, nicht.
Herr Hübner!
Herr Staatssekretär, ich glaube, die Frage ist dennoch richtig gestellt; denn sie geht davon aus, daß das Gesetz des Bundes anzuwenden ist, die Polizeibeamten der Länder aber nach Landesrecht ausgebildet sind. Glauben Sie nicht, daß
sich daraus eine Konfliktsituation ergeben kann, weil die Bestimmungen eben doch auseinandergehen? Ich verweise nur auf Bayern, auf Hamburg und auf Schleswig-Holstein.
Benda, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Ich glaube nicht, daß die Bestimmungen in dem Umfang voneinander abweichen, in dem Sie es befürchten. Die praktisch einzige bedeutsame Ausnahme ist die Regelung im Lande Hamburg - wir haben sie bereits erwähnt -, die den Einsatz der sogenannten besonderen Waffen regelt. Es ist ein Schönheitsfehler, daß eine volle bundeseinheitliche Regelung insoweit nicht besteht. Ich glaube aber nicht, daß sich daraus praktisch ernsthafte Schwierigkeiten ergeben können.
Keine weiteren Fragen mehr.
Die Frage 19 des Herrn Abgeordneten Fritsch ({0}) wird, da der Fragesteller nicht anwesend ist, schriftlich beantwortet.
Ich rufe die Frage 20 des Herrn Abgeordneten Felder auf:
Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, um den dringend notwendigen Ausbau der Deutschen Bibliothek in Frankfurt zu fördern, die als bedeutsame Nachfolgerin der Deutschen Bücherei in Leipzig zu betrachten ist?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Benda, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Herr Präsident, ich würde gerne die Fragen 20 ,bis 22 des Abgeordneten Felder und 23 der Abgeordneten Frau Freyh zusammen beantworten, wenn die Frau Kollegin und der Herr Kollege einverstanden sind.
Sind ,die Fragesteller einverstanden? - Das scheint der Fall zu sein. Dann rufe ich auch die Fragen 21 und 22 des Abgeordneten Felder und die Frage 23 der Abgeordneten Frau Freyh auf:
Teilt die Bundesregierung die Feststellung im Troeger-Gutachten über die Finanzreform, die Deutsche Bibliothek erfülle eine überregionale Aufgabe und ihre Funktion sei die einer nationalen Repräsentanz?
Ist die Ablieferung eines Pflichtexemplars von allen bundesdeutschen Verlagswerken an die Deutsche Bibliothek nur auf dem Wege über ein Gesetz zu erreichen?
Wie ist der Stand der Verhandlungen hinsichtlich Finanzierung und Rechtsform der Deutschen Bibliothek in Frankfurt?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Benda, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister ,des Innern: Bis Ende 1967 werden die laufenden Kosten der Deutschen Bibliothek zu 50 % vom Bund und zu je 25 % vom Land Hessen und der Stadt Frankfurt getragen. Der Börsenverein des Deutschen Buchhandels leistet einen Zuschußbetrag von 200 000 DM. Mit Ablauf dieses Jahres scheidet die Stadt Frankfurt als Unterhaltsträger aus. Deshalb wird ab 1. Januar 1968 der Bund unter Übernahme des Frankfurter Anteils 75 % der laufenden Kosten tragen.
Der Bundesminister ,des Innern strebt mit den übrigen Beteiligten an, die Deutsche Bibliothek als rechtsfähige Bundesanstalt gemäß Art. 87 Abs. 3 Satz 1 .des Grundgesetzes zu errichten. Auch der Bundesrat hat sich - in seiner Sitzung am 13. Oktober 1967 - etwa in diesem Sinne ausgesprochen.
Soweit konkrete Ausbaumaßnahmen in Betracht kommen, darf ich noch auf folgendes hinweisen. Im Frühsommer des kommenden Jahres wird die Aufstockung ,des Bücherturms der Deutschen Bibliothek auf insgesamt 18 Stockwerke beendet sein. Die Gesamtkosten betragen rund 7,3 Millionen DM. Dieser Betrag wird zu je einem Drittel vom Bund, dem Land Hessen und der Stadt Frankfurt aufgebracht. Anschließend wird mit dem Erweiterungsbau Süd des Verwaltungsgebäudes begonnen werden. Die Kosten für diesen Erweiterungsbau werden ungefähr 8 Millionen DM betragen.
Die Bundesregierung teilt die Feststellung im Troeger-Gutachten, daß die Deutsche Bibliothek eine überregionale Aufgabe und die einer nationalen Repräsentanz erfüllt.
Da zur Zeit die Ablieferung von Druckschriften auf internen Vereinbarungen der Mitglieder des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels beruht, ist eine vollständige Ablieferung aller in der Bundesrepublik Deutschland erscheinenden Druckwerke nicht gewährleistet. Insofern sind gesetzgeberische Maßnahmen notwendig. Dem hat auch der Bundesrat in seiner Sitzung am 13. Oktober grundsätzlich zugestimmt.
Herr Felder!
Herr Staatssekretär, nach diesen Darlegungen, die lebhaft zu begrüßen sind, teilen Sie also nicht die Auffassung oder den Pessimismus des Herrn Direktors der Deutschen Bibliothek, Professor Köster, daß in diesem Fall die Länderregierungen wieder um den Schatz ihrer Kulturkompetenzen bangen und den Prozeß des Ausbaus dadurch erschweren. Er sagte: Wir sind ein Beispiel dafür, wie überregionale Kulturinstitutionen zwischen alle Stühle fallen. Diese Auffassung scheint demnach nicht begründet zu sein.
Benda, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Wenn ich nach den Erklärungen in den Sitzungen des Bundesrates gehen darf, die ich erwähnt habe - und darauf kann man ganz bestimmt vertrauen -, dann sind die Befürchtungen, die Sie zitieren, nicht oder jedenfalls nicht in diesem Umfang gerechtfertigt.
({0})
Darf ich um .etwas Ruhe bitten! Die Besetzung des Plenarsaals durch die Damen und Herren Abgeordneten muß ja nicht notwendigerweise mit Geräusch verbunden sein.
Frau Freyh!
Herr Staatssekretär, nachdem offensichtlich eine finanzielle Übereinkunft zwischen den Beteiligten, also zwischen der Bundesregierung und dem Land Hessen, erzielt worden ist, darf ich Sie fragen, ob Sie dieser Regelung auch eine gesetzliche Grundlage zu geben beabsichtigen.
Benda, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Ich erwähnte bereits, daß die Absicht besteht, die Deutsche Bibliothek als rechtsfähige Bundesanstalt gemäß Art. 87 Abs. 3 Satz 1 des Grundgesetzes zu errichten. Das wäre dann eine ausreichende Rechtsgrundlage für die Regelung aller Fragen einschließlich der der Finanzierung.
Frau Freyh!
Herr Staatssekretär, darf ich Sie weiter fragen, ob Sie bei einer solchen gesetzlichen Regelung das Interesse der Stadt Frankfurt, die ja durch eine ganze Reihe von Leistungen und durch die Gründung stark mit der Deutschen Bibliothek verbunden ist, durch ein entsprechendes Mitwirkungsrecht berücksichtigen wollen
Benda, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Das wäre sicher sehr schön, Frau Kollegin. Nur muß man leider davon ausgehen, daß die Stadt Frankfurt mit Ende dieses Jahres als Unterhaltsträgerin der Bibliothek ausscheidet, wie ich vorhin erwähnt habe. Das können wir nur bedauern. Es beruht auf einer Entscheidung der Stadt Frankfurt.
Frau Freyhl
Herr Staatssekretär, dann gilt also nach der jetzigen Auffassung der Bundesregierung nicht mehr das, was Herr Staatssekretär Ernst einmal in der Fragestunde zu diesem Komplex ausgeführt hat, nämlich daß eine Mitwirkung in den Organen beabsichtigt sei. Sie werden auch keine Lösung für die Beteiligung suchen?
Benda, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Nein, Frau Kollegin, so wollte ich nicht verstanden sein. Vielleicht habe ich mich mißverständlich ausgedrückt. Natürlich ist die Beteiligung in den Organen nicht zwangsläufig mit einer finanziellen Beteiligung verbunden. Ich habe nur auf diesen Umstand, der möglicherweise auf die Haltung der Stadt Frankfurt in dem Zusammenhang schließen lassen könnte, hinweisen wollen. Sicherlich werden wir entsprechend der Ankündigung von Herrn Staatssekretär Prof. Ernst bereit sein, diese Frage sehr ernsthaft und bereitwillig zu prüfen.
Frau Freyh!
Bis wann wird die Bundesregierung die Errichtung einer Anstalt des öffentlichen Rechts in diesem Zusammenhang abgeschlossen haben?
Benda, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Gegenwärtig laufen Verhandlungen mit dem Herrn Bundesminister der Finanzen, von denen ich hoffe, daß sie in absehbarer Zeit abgeschlossen werden können. Erst nach Abschluß dieser Verhandlungen können die entsprechenden Grundlagen gelegt werden.
Damit ist die Fragestunde beendet. Ich rufe Punkt 3 a bis e der Tagesordnung auf:
a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1968 ({0}) - Drucksache V/2150 -
b) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verwirklichung der mehrjährigen Finanzplanung des Bundes, II. Teil - Finanzänderungsgesetz 1967
- Drucksache V/2149 -
c) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Verbilligung von Gasöl für Betriebe der Landwirtschaft ({1})
- Drucksache V/2194 -
d) Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Bildung eines Rates für Finanzplanung ({2})
- Drucksache V/2134 -
e) Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Einsetzung einer unabhängigen Sachverständigenkommission zur Vorbereitung einer Reform der direkten und indirekten Steuern
- Drucksache V/2164 Punkt 3 e ist hinzugekommen, weil wir heute früh beschlossen haben, den Antrag der Fraktion der SPD noch in Punkt 3 einzubeziehen.
Das Wort zur Einbringung des Haushaltsgesetzes 1968 und, wie ich annehme, auch zur Begründung des Finanzänderungsgesetzes 1967 hat der Herr Bundesminister der Finanzen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Entwurf des Haushaltsplans für das Rechnungsjahr 1968 stellt einen Einschnitt in der Finanzgeschichte unseres Staates dar. Es ist der erste Haushaltsentwurf des Bundes, der aus einer mehrjährigen Finanzplanung heraus erarbeitet worden ist. Die Ansätze dieses Haushalts sind dazu bestimmt, ein langfristig angelegtes Programm der neuen Regierung zu verwirklichen. Es ist der rechnerische Entwurf einer politischen Planung, und damit wird auch gleichzeitig die grundsätzliche Abkehr von dem traditionellen Jährlichkeitsdenken vollzogen.
Die Haushaltspolitik der Vergangenheit war vorwiegend durch Einzelentscheidungen geprägt. Ausgaben wurden oft für sich allein beschlossen, ohne
die Gesamtverpflichtungen genügend zu berücksichtigen. Häufig wurden ihre Auswirkungen auf die Folgejahre außer acht gelassen. Begünstigt durch eine alle Erwartungen übertreffende wirtschaftliche Entwicklung, durch reichlich fließende Steuereinnahmen wurden neue Ausgabeschwerpunkte gesetzt, aber auf alte nicht verzichtet. Die neuen Aufgaben hatten häufig eine selbsttätig sich steigernde Ausgabenentwicklung zur Folge. Was kommen mußte, kam: bei abnehmenden Zuwachsraten der Steuereinnahmen mußte sich die Schere zwischen den finanziellen Möglichkeiten einerseits und den Ausgabeverpflichtungen andererseits immer weiter öffnen.
Die einzelnen Stationen dieser Entwicklung lassen sich bis in die Mitte der fünfziger Jahre zurückverfolgen. Von 1965/66 an brachten jährliche Haushaltssicherungsgesetze nur vorübergehende Erleichterung. Wir gewöhnten uns fast an den Gedanken, künftig mit Deckungslücken als Dauererscheinung leben zu müssen. Wir waren gegenüber dem Anwachsen der großen Ausgabenblöcke fast wehrlos, fasziniert, hypnotisiert. Bei der ersten ernsteren wirtschaftlichen Rezession mußte dieses Gebäude einer auf den Augenblick abgestellten Haushaltspolitik wanken. So geschah es im Herbst des Jahres 1966.
Die jeweilige Ausgabenstruktur der Jahreshaushalte unterlag zudem großen Zufälligkeiten, weil sie in steigendem Maße durch gesetzlich festgelegte konsumtive Ausgaben bestimmt wurde. Unter diesen Umständen war die Verfolgung langfristiger wirtschaftspolitischer Ziele mit den Mitteln der Haushaltspolitik ausgeschlossen.
Mit der Finanzplanung wird eine Entwicklung beendet, in der die Haushaltspolitik im wesentlichen nur noch im Vollzug früherer Einzelentscheidungen bestand, wird die Buchhalteperiode der Finanzpolitik hoffentlich endgültig abgeschlossen. Durch die Finanzplanung sollen die Folgerungen in den kommenden Jahren sichtbar gemacht werden, die sich aus der Erfüllung einer bestimmten Aufgabe ergeben. Durch die längerfristige Gesamtbetrachtung aller Ausgaben wird es möglich, die politischen Schwerpunkte unseres Handelns so zu setzen, daß sie auf die Dauer im Einklang sowohl mit den finanziellen Möglichkeiten wie auch mit den volkswirtschaftlichen Notwendigkeiten stehen. Der Haushaltsentwurf 1968 beweist, daß die gedankliche Vorwegnahme künftigen Geschehens nicht nur theoretische Spielerei ist. Der Haushaltsentwurf 1968 ist ein Teil, der erste Teil realisierter Finanzplanung.
Der Übergang zur Erstellung mehrjähriger Finanzprogramme, die den einzelnen Jahreshaushalten vorgeschaltet sind, ist nicht nur für unsere Haushalts- und Finanzpolitik, sondern auch für unsere Gesamtpolitik von nicht zu unterschätzender Bedeutung. Es wird manchmal so getan, als ob man mit der mittelfristigen Finanzplanung gewissermaßen auf der grünen Wiese hätte beginnen können, also unabhängig von dem, was war, unabhängig von den gegebenen politischen, wirtschaftlichen und sozialen Verhältnissen und ohne Rücksicht auf die gegebenen Strukturen, sozusagen mit einem finanzpolitischen Kraftakt unter Ausnutzung der angeblichen Gnade des Nullpunkts ein Idealrezept hätte schaffen können, ein Idealrezept, das mit einem Schlag eine grundlegende Sanierung unserer Staatsfinanzen herbeizaubert und darüber hinaus als willkommenes Nebenprodukt eine Globallösung aller aufgestauten politischen, wirtschaftlichen und sozialen Probleme unseres Staates enthält.
Der Finanzminister ist kein Magier und kann keine paradiesischen Zustände herbeizaubern.
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- Schön wär's! Die Bundesregierung kann und konnte nichts anderes tun als den Weg aufzeigen, wie auf weite Sicht eine Gesundung der Staatsfinanzen herbeigeführt werden kann, wie auf der Grundlage einer gesamtwirtschaftlichen Zielprojektion und einer Bestandsaufnahme die Ausgabenstruktur an die neuen Ziele einer zukunftsorientierten Wachstumspolitik anzupassen ist. Mittelfristige Finanzplanung ist keine abstrakte Spielerei; sie ist ein Instrument praktischer Politik. Sie zeigt uns auf, wo die kritischen Punkte liegen, wie groß oder wie eng der Spielraum für Entscheidungen mit finanzwirksamen Folgen ist.
Was wir zuerst und was wir später erledigen wollen, müssen wir politisch selbst entscheiden. Da hilft uns auch kein Computer, da müssen wir Farbe bekennen. Die finanziellen Möglichkeiten und Grenzen sind aber aufgezeigt, und wir unterliegen alle diesem heilsamen Zwang, Prioritäten zu setzen. Wir müssen uns auf vorrangige Aufgaben konzentrieren. Vor den mit der Finanzplanung ausgewiesenen Fakten und Zahlen kann niemand die Augen verschließen; er kann sie auch nicht durch Ignorieren verändern. Durch die Finanzplanung erhalten die Wirkungs- und Entscheidungsmöglichkeiten des Parlaments von der Regierung den ihnen angemessenen Rahmen.
Es kann und darf nicht übersehen werden, daß dieser erste Versuch einer mehrjährigen Finanzplanung und seine Umsetzung in praktische Politik sicherlich gewisse Verbesserungsmöglichkeiten in der Methodik und der ökonomischen Ausrichtung in sich trägt. Der entscheidende Fortschritt besteht darin, daß die auf ein Jahr begrenzte und durch tagespolitische Zufälligkeiten häufig bestimmte Haushaltspolitik endgültig überwunden sein soll. Man kann diese oder jene Einzelheit der Finanzplanung selbstverständlich und mit Recht kritisieren. Nichts wäre aber beklagenswerter und gefährlicher, als den Stil der letzten Jahre weiterhin frei walten zu lassen.
Unser Volk und unsere Wirtschaft brauchen Vertrauen in die Zukunft. Das können sie nur gewinnen, wenn der Staatshaushalt in Ordnung ist und jedermann weiß, welche Anforderungen künftig an ihn selbst gestellt werden. Jede Verwässerung des jetzt von der Regierung gefundenen Konzepts wäre der Anfang des Endes dieser Sanierungsmaßnahmen
und der Auftakt zum Rückfall in vergangene Sünden.
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Die Bundesregierung wird deshalb mit großem Ernst und eindringlicher Entschiedenheit darauf hinwirken, daß erstens der Umfang der Ausgabekürzungen erhalten bleibt,
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zweitens die Steuerlastquote nicht zu dem Zweck erhöht wird, durch Anziehen der Steuerschraube Ausgabenkürzungen zu vermeiden, was sich auf die Dauer auch als Fehlrechnung erweisen würde,
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drittens der Anstieg der den öffentlichen Investitionen dienenden Prozentsätze des Haushalts 1968
und der folgenden Haushalte nicht vermindert wird
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und viertens nicht in noch stärkerem Maße auf die Kreditfinanzierung ausgewichen wird, um damit andere Schwierigkeiten zu vermeiden.
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Die Vorschläge der Bundesregierung über die notwendigen steuerlichen Maßnahmen sind von dem Hohen Hause bereits erörtert worden. Die Maßnahmen zur Verminderung des Ausgabebedarfs werden heute gleichzeitig mit dem Haushaltsentwurf 1968 in Form des Entwurfs eines Finanzänderungsgesetzes 1967 vorgelegt. Dieses Gesetz wirkt - anders als die Haushaltssicherungsgesetze - nicht nur auf das unmittelbar bevorstehende Rechnungsjahr. Die Entlastungen ziehen sich vielmehr - und zwar in jährlich steigendem Umfange - zumindest bis zum Jahre 1971 durch. Die Verpflichtung aber, die mehrjährige Finanzplanung 1968 auf 1972 und 1969 auf 1973 auszudehnen, enthält in sich den Zwang, auch für die Periode nach 1971 bereits langfristige Lösungen der großen Finanzierungsprobleme jetzt anzusteuern.
Die notwendigen Einschränkungen betreffen die konsumtiven Ausgaben, deren weitgehende gesetzliche Festlegung zu der Unbeweglichkeit der Haushaltspolitik in der Vergangenheit wesentlich beigetragen hat. Mit dem Abbau dieser Ausgabenüberhänge wird zugleich eine Umstrukturierung des Bundeshaushalts angestrebt, und diese soll wieder den Haushalt zu einem geeigneten Instrument einer modernen, vor allem an den Bedürfnissen der Zukunft orientierten Finanzpolitik machen.
Die Bundesregierung glaubt, mit ihren Vorschlägen zur Haushaltssanierung im Finanzänderungsgesetz den richtigen Mittelweg zwischen dem finanzpolitisch Notwendigen und dem allgemeinpolitisch Vertretbaren gefunden zu haben. Das schließt zwar nicht aus, daß in Einzelpunkten bessere Lösungen gefunden werden könnten. Ich muß jedoch mit allem Nachdruck davor warnen, die auf Dauer angestrebte Sanierung der Bundesfinanzen und die Verwirklichung der Ziele der gesamtwirtschaftlichen Projektion in Gefahr zu bringen.
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Deshalb kommen als Alternativen nur solche Regelungen in Betracht, die gleichwertige Lösungen mit Dauerwirkung enthalten. Einschränkungen, durch die der Bundeshaushalt längerfristig entlastet wird, können nicht durch eine einmalige Kürzung etwa im Haushalt 1968 ersetzt werden.
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Dem Überhang der meistens gesetzlich begründeten konsumtiven Ausgaben soll Einhalt geboten werden. Wir müssen uns damit von dem Denken lösen, das dem Heute, dem Tag und der Stunde den Vorrang einräumt. Gleichrangig neben dem Bemühen um den Wohlstand von heute steht das Bemühen um die Erhaltung und Bewahrung des Erreichten und die Sicherung des Fortschritts. In der gesamtwirtschaftlichen Betrachtung darf es nicht nur Ziel sein, die heutige Produktion zu beleben, sondern darüber hinaus durch verstärkte öffentliche Investitionen namentlich im Bereich der materiellen und geistigen Infrastruktur auch die Grundlagen für die Produktion in der Zukunft zu schaffen. Unsere Wirtschaft kann nur mit staatlicher Hilfe in die Lage versetzt werden, auch die Technik von morgen zu verkaufen, während sie bis jetzt große Erfolge mit dem Verkauf der Technik von heute erzielt hat. Das gilt gerade für die Wachstumsindustrien der Zukunft. Als Bundesminister der Finanzen muß ich allerdings darauf hinweisen, daß Haushaltspolitik in erster Linie Deckung des Staatsbedarfs ist. Aus der Natur der Sache kann der Haushalt deshalb niemals einseitig nur als Instrument etwa der Konjunkturpolitik gesehen werden;
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er muß sich jedoch so weit wie möglich in die gesamtwirtschaftlichen Zielsetzungen einpassen. Das haben wir ehrlich versucht und bis jetzt im Rahmen des uns Möglichen erreicht. In dieser Beziehung muß der Haushalt 1968 unter zwei Aspekten gesehen werden, nämlich 1. einem längerfristigen, wachstumspolitischen und 2. einem kurzfristigen, antizyklischen, konjunkturpolitischen.
Um zu ermessen, welche Aufgaben hier längerfristig auch auf dem Gebiete der Finanzpolitik vor uns liegen, ist es vielleicht nützlich, eine kleine Standortbestimmung vorzunehmen. Mit der Rezession der Jahre 1966/67 ist eine lange Zeitspanne ununterbrochenen wirtschaftlichen Aufstiegs beendet worden. Weiterer wirtschaftlicher Fortschritt fällt uns nicht mehr - wie in der Vergangenheit als selbstverständlich angenommen - in den Schoß. Wie eng der Wachstumsspielraum geworden ist, wird deutlich, wenn man die Entwicklung der Jahre seit 1950 zurückverfolgt.
In der Wiederaufbauphase der Jahre von 1950 bis 1955 bestand ein großer Nachholbedarf. Die gesamtwirtschaftliche Nachfrage, das große Arbeitskräftepotential, das noch ständig zunahm, wirkten dynamisch. Auf Grund der anfänglich hohen Zahl von Arbeitslosen war eine starke jährliche Zunahme der Erwerbstätigen möglich. Außerdem waren Kapazitätsreserven vorhanden, die oft durch nicht allzu große Investitionsaufwendungen wieder voll für die Erzeugung von Gütern nutzbar gemacht und rasch
erweitert werden konnten. In dieser Wiederaufbauphase nahm das Bruttoinlandsprodukt real, d. h. gemessen in konstanten Preisen, im Jahresdurchschnitt um gut 9 v. H. zu.
In dem Folgezeitraum von 1955 bis 1960 führte die weiterhin dynamische Entwicklung der Nachfrage in vielen Wirtschaftsbereichen bereits zu einer Vollauslastung der Produktionskapazitäten. Auch das Arbeitskräftepotential wurde trotz abnehmender Arbeitslosigkeit und trotz erheblichen Zugangs von neuen Arbeitskräften zunehmend ausgeschöpft. Infolgedessen wurde der Wachstumsspielraum in der Volkswirtschaft gegenüber der ersten Wiederaufbauphase bereits enger. Das durchschnittliche jährliche reale Wachstum betrug aber immer noch rund 61/2 v. H. in diesem Jahrfünft gegenüber 9 v. H. im vorherigen Jahrfünft.
In der Periode von 1960 bis 1965 haben sich die Wachstumsbedingungen der Volkswirtschaft in der Bundesrepublik grundlegend geändert. Dieser Zeitraum war gekennzeichnet durch eine vollständige Ausschöpfung des Arbeitskräftepotentials. Die Arbeitslosenquote unterschritt bei weitem den früher als Vollbeschäftigung bezeichneten Satz von 3 v. H. Der binnenländische Arbeitsmarkt bot keine wesentlichen Reserven mehr, auch nicht an erwerbsfähigen Frauen oder Zuwanderern. Die Lage am Arbeitsmarkt wurde weiter verschärft durch schrittweise Reduzierung der Arbeitszeit. In stärkerem Maße mußte auf die Einstellung ausländischer Arbeitskräfte ausgewichen werden. Rationalisierungsinvestitionen nahmen einen größeren Raum ein. Der reale Zuwachs des Bruttoinlandsprodukts verringerte sich auf durchschnittlich 4,8 v. H.
In dieser Situation steht die Finanzpolitik vor neuen Aufgaben. Auch mit den Mitteln der Finanzpolitik muß künftig eine zielstrebige Wachstumsförderung betrieben werden. Die Finanzplanung für die Jahre bis 1971, in die der Haushalt 1968 sich organisch einpaßt, ist daher von der Ausgabenseite her aufgestellt. Der Haushalt 1968 liegt mit einem Volumen von 80,7 Milliarden DM um 8,2 % über dem Volumen des Kernhaushalts 1967, d. h. des Haushalts 1967 ohne Einrechnung der besonderen konjunkturpolitischen Maßnahmen. Aber auch bei Einrechnung der beiden Konjunkturprogramme, die das Volumen des Haushalts auf 78,46 Milliarden DM für 1967 erhöhen, beträgt die Ausgabesteigerung für 1968 immer noch knapp 3 %. Diese Steigerungsrate ist nicht nur vertretbar, sie ist auch notwendig. Wir haben im Jahre 1967 Wachstumsverluste hinnehmen müssen, die jedenfalls zum Teil durch ein verstärktes Wachstum im Jahre 1968 ausgeglichen werden müssen. Dabei kommt der durch öffentliche Investitionen herbeigeführten öffentlichen Nachfrage in Zukunft erhöhte Bedeutung zu. Der Anteil der investiven Ausgaben an den Gesamtausgaben soll deshalb von 17,7 % im Kernhaushalt 1967 auf 18,3 % im Jahre 1968 gesteigert werden. Es besteht die begründete Hoffnung, daß bei dieser Ausgabengestaltung die der Zielsetzung der Finanzplanung entsprechende gesamtwirtschaftliche Wachstumsrate im Jahre 1968 erreicht werden kann. Die in den letzten Tagen uns zugegangene Schätzung aller wirtschaftswissenschaftlichen Institute - wenn sie auch unter sich noch erhebliche Unterschiede aufweisen - gibt uns Anlaß zu einer optimistischeren Beurteilung der Lage, daß jedenfalls diese Darstellung, die ich hier gebe, in der Tendenz und im Trend richtig ist.
Dabei dürfen wir nicht übersehen, daß die öffentlichen Investitionen im Vergleich zu den privaten Investitionen stärkeres Gewicht erhalten und daß darüber hinaus auf lange Sicht gesehen der Anteil der öffentlichen Ausgaben am Bruttosozialprodukt - man kann sagen, leider; aber auch das ändert nichts - nicht absinken wird. In unserer hochtechnisierten Wirklichkeit steigen naturgemäß ständig die Anforderungen an die öffentliche Hand. Es geht dabei um den Ausbau zahlreicher öffentlicher Institutionen und Infrastrukturmaßnahmen sowie die Bereitstellung vielfältiger Dienstleistungen durch den Staat. Diese sind für ein weiteres ungestörtes Wachstum der Volkswirtschaft unerläßlich. Nutznießer ist auch die private Wirtschaft, die darauf angewiesen ist.
Die Notwendigkeit, die öffentlichen Investitionen im Infrastrukturbereich zu steigern, ist nicht etwa nur ein spezifisch deutsches Problem. Diese Entwicklung ist in allen modernen Industriestaaten zu beobachten. Wir wollen uns bewußt dieser Entwicklung stellen. Unsere Entscheidung kann deswegen nur ein Ja zur Wachtumsförderung sein, wie sie mit der Finanzplanung angestrebt und mit dem Haushalt 1968 praktisch in Angriff genommen wird.
Der zweite tragende Gesichtspunkt für die Haushaltsgestaltung 1968 ist die konjunkturpolitische Komponente. Die im Jahre 1967 entschlossen begonnene antizyklische Politik zur Bekämpfung der aufgetretenen Rezessionserscheinung, die fühlbare Arbeitslosigkeit herbeizuführen drohte, wird folgerichtig fortgeführt. Insofern müssen die Jahreshaushalte 1967 und 1968 einschließlich der Konjunkturprogramme . im Zusammenhang gesehen werden. Die konjunkturpolitischen Sondermaßnahmen des Jahres 1967 -, das 1. Investitionsprogramm -, die Eröffnung besonderer, befristeter Abschreibungsmöglichkeiten für neue Investitionen der Wirtschaft - das 2. Konjunktur- und Strukturprogramm - sind Ihnen allen bekannt.
Durch die beiden konjunkturpolitischen Programme ist das Haushaltsvolumen des Jahres 1967 gegenüber 1966 um fast 13 % ausgedehnt worden. Die Steigerung der investiven Ausgaben von 1966 auf 1967 betrug über 37 %. Bereits heute können wir mit Befriedigung feststellen, daß es gelungen ist, mit diesen Maßnahmen nicht nur den Konjunkturabschwung aufzufangen, sondern auch die Grundlagen für eine konjunkturelle Wiederbelebung zu legen. Wenn gerade in jüngster Zeit die wirtschaftliche Entwicklung im Jahre 1968 wieder optimistischer beurteilt wird, so ist das eine Bestätigung dafür, daß die Vertrauenskrise zwischen Staat und Wirtschaft überwunden ist, ist auch eine Mahnung, im Sprachgebrauch mit Worten wie „Krise" oder Katastrophe" sich sehr sorgsam zurückzuhalten.
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Nach der jüngsten Gemeinschaftsdiagnose der Wirtschaftsforschungsinstitute wird für das Jahr 1968 eine Zuwachsrate des Bruttosozialprodukts von nominal 6,8 % erwartet. In der mittelfristigen Finanzplanung ist eine solche von 6,5 %unterstellt. Ich halte das für ein erfreuliches Zeichen, für eine Bestätigung, daß die dem Haushalt 1968 zugrunde liegenden Steuerschätzungen realistisch sind und aus heutiger Sicht keine Reserven enthalten. Entsprechend der bisherigen Übung werden - das möchte ich sehr deutlich sagen - vor der zweiten Lesung die Steueransätze von dem Arbeitskreis Steuerschätzung, dem auch diese vier Institute angehören, überprüft und die Ergebnisse dem Hohen Hause mitgeteilt werden.
Trotz aller Hoffnungen, die wir haben, sieht es aber nicht danach aus, daß der nächste Wirtschaftsaufschwung gleich zu Beginn des kommenden Jahres mit voller Wucht einsetzt. Ich warne vor dem Irrglauben, gewisse vorgeschlagene Sparmaßnahmen könnten im Hinblick auf die Anzeichen einer Konjunkturbelebung etwa überflüssig werden.
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Wer so rechnet, täuscht sich und andere. Bürger und Wirtschaft müssen Gewißheit über die kommenden erfreulichen oder unerfreulichen Maßnahmen des Staates erhalten. Das Risiko wirtschaftlichen Vorausdenkens ist ohnehin bei der überaus komplizierten Materie außerordentlich stark. Investitionsentscheidungen, die ein Unternehmen auf längere Zeit festlegen, können nicht gefällt werden, wenn auch noch der Staat über die künftige Steuer- und Sozialpolitik keine zuverlässige Auskunft gibt. Jetzt braucht unsere Wirtschaft Ruhe und Zeit. Ihre „Selbstheilungskräfte" müssen wirksam werden.
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Sie muß in Ruhe ihre Dispositionen treffen und Vertrauen in die Wirtschafts- und Finanzpolitik haben können. Darum sollten wir alle Störungen vermeiden. Keine weiteren Manipulationen an der Steuerschraube, keine anderen wirtschaftspolitischen Eingriffe!
Mit großer Sorge betrachte ich - ich kann bei dieser Gelegenheit nicht daran vorbeigehen - die sich zuspitzende Entwicklung in der Tarifpolitik, besonders in der Metallindustrie.
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Im Falle eines ernsthaften Konflikts muß befürchtet werden, daß die konjunkturelle Wiederbelebung nicht das angestrebte Maß erreicht. Das würde aber bedeuten, daß die von uns eingeleitete Politik zur Stabilisierung der Finanzen geschwächt und gefährdet würde. Ich muß deshalb auch als Finanzminister alle Beteiligten mit Nachdruck an ihre Verantwortung gegenüber der Gesamtwirtschaft erinnern und sie bitten, alles zu tun, um eine ungefährliche wirtschaftliche Entwicklung, von der beide Partner abhängen, zu gewährleisten.
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Es wäre verhängnisvoll, wenn auf diese Weise die konjunkturpolitische Tätigkeit der Bundesregierung durchkreuzt würde, die ja mit dem Ablauf des Jahres 1967 nicht schlagartig abreißt. Sicherlich wird sich die Durchführung des Zweiten Konjunkturprogramms bis in das Jahr 1968 hinein erstrecken. Zum anderen bietet das Ausgabevolumen des Haushalts 1968 die Gewähr für eine gleichmäßige Auslastung der Kapazitäten, soweit öffentliche Investitionen in Frage stehen. Dies sei ohne Vorbehalt der privaten Wirtschaft gesagt, die sich in ihren Dispositionen nach öffentlichen Aufträgen oder sonstwie nach dem Haushaltsgebaren auch des Bundes richten muß.
Die konjunkturpolitische Komponente des Haushalts 1968 kommt besonders in der hohen Kreditfinanzierung zum Ausdruck. Wie schon das Jahr 1967 wird auch das Jahr 1968 gekennzeichnet sein durch eine hohe Neuverschuldung insbesondere im Bereich der kurz- und mittelfristigen Kredite. In der rezessiven Phase seit Herbst 1966 durften wir es uns nicht leisten, die Ausgaben des Bundes ausschließlich nach den zurückbleibenden Steuereinnahmen auszurichten. Es war das klare Gebot einer antizyklischen Finanzpolitik, durch zusätzliche haushaltspolitische Maßnahmen auf die gesamtwirtschaftliche Entwicklung einzuwirken. Mit Hilfe einer erhöhten Kreditfinanzierung mußte eine expansive staatliche Ausgabenpolitik betrieben und den bereits einsetzenden deflatorischen Effekten entgegengetreten werden, wie auch die Bundesbank mehrmals und nachdrücklich festgestellt hat. Das war nicht nur erforderlich zur Stabilisierung der Inlandsnachfrage, es war auch ein außenwirtschaftliches Gebot. Es galt zu verhindern, daß die Bundesrepublik durch eine länger anhaltende Rezession zu einem Störungsfaktor im internationalen Wirtschaftsleben wurde. Deshalb ist eine expansive Kreditfinanzierungspolitik des Bundes auch in den Empfehlungen der OECD und der EWG gefordert worden. Die entschlossene Hinwendung der Bundesregierung zu einer antizyklischen Finanzpolitik ist voll von der Deutschen Bundesbank unterstützt worden, was ich mit Dank hier öffentlich vermerken darf.
Im Haushalt 1968, in dem eine Kreditrate von insgesamt 7,4 Milliarden DM vorgesehen ist, soll mit der hohen kurzfristigen Neuverschuldung die im Jahre 1967 begonnene expansive Ausgaben- und Kreditfinanzierungspolitik folgerichtig fortgesetzt werden. Das ist notwendig, da die konjunkturell bedingten Steuerausfälle des Jahres 1967 auf Grund der Basisverschlechterung auch bis in das Jahr 1968 hineinwirken; es ist notwendig, um das für 1968 vorgesehene Ausgabenniveau zu halten, um im Jahre 1968 eine gesunde wirtschaftliche Ausgangsbasis für die Finanzplanung zu gewinnen und um in die angestrebte Wachstumsphase überzuleiten. Der besondere konjunkturpolitische Charakter der Verschuldung der Jahre 1967 und 1968 wird dadurch deutlich, daß die hohe kurzfristige Neuverschuldung in der mittelfristigen Finanzplanung auf diese beiden Jahre beschränkt bleibt.
Wie in der Haushaltspolitik insgesamt, gibt es auch in der Kreditfinanzierungspolitik neben dem nur kurzfristig geltenden konjunkturpolitischen Aspekt auch einen längerfristigen, wachstumspolitiBundesminister Dr. h. c. Strauß
schen Aspekt. Für den gesamten Zeitraum der Finanzplanung bis 1971 ist auf der Einnahmeseite eine wesentliche Ausweitung der Kreditfinanzierung vorgesehen. Das ist die korrespondierende Maßnahme zu den in der Finanzplanung vorgesehenen Ausgabensteigerungen zur Erreichung der langfristigen Wachstumsziele. Eine Finanzierung öffentlicher Aufgaben über kürzerfristige Kredite muß allerdings für außergewöhnliche konjunkturelle Situationen vorbehalten bleiben. Dementsprechend ist vorgesehen, die längerfristigen Nettokreditaufnahmen von annähernd 0,6 Milliarden DM im Jahre 1967 in den folgenden Jahren bis auf 1,8 Milliarden DM im Jahre 1971 zu steigern. Den daneben vorgesehenen, geringen kürzerfristigen Kreditaufnahmen ab 1969 fällt nur noch eine ergänzende Rolle zu. Sie sollen die vollständige Finanzierung des gesamtwirtschaftlich für notwendig erachteten Ausgabevolumens sicherstellen.
Entsprechend der Zielsetzung, die öffentlichen Investitionen wesentlich zu verstärken, ist in den Jahren 1967 bis 1971 eine zusätzliche Nettoneuverschuldung, d. h. eine Neuverschuldung abzüglich der kreditmarktwirksamen Tilgungen, von insgesamt 21 Milliarden DM vorgesehen. Mißt man diese Neuverschuldung des Bundes mit den aus der Vergangenheit gewohnten Maßstäben, so mag das Ausmaß der geplanten Nettokreditaufnahmen sehr hoch erscheinen. So machten die gesamten Anleiheaufnahmen des Bundes nach Abzug der Anleihetilgungen im Zeitraum der Jahre 1952 bis 1956 rund 2 Milliarden DM, 1957 bis 1961 sogar nur 1,5 Milliarde DM und 1962 bis 1966 annähernd 7 Milliarden DM aus. Die investiven Aufgaben wurden in der Vergangenheit weitgehend aus Steuermitteln finanziert. Das wird auch in den kommenden Jahren noch der Fall sein, wenn auch in etwas geringerem Maße.
Der vorgesehenen Nettoneuverschuldung des Bundes von insgesamt rund 21 Milliarden DM in der Zeit von 1967 bis 1971 stehen investive Ausgaben von fast 83 Milliarden DM gegenüber. Das bedeutet, daß auch in den Jahren bis 1971 die investiven Ausgaben des Bundes zu lediglich 25 % aus Kreditmitteln finanziert werden. Diese Finanzierungsweise mag mutig genannt werden, sie kann aber keineswegs als unsolide angesehen werden. Der Anteil der Zinszahlungen an den Gesamtausgaben des Bundes, der den wesentlichen Maßstab für eine verantwortliche Kreditfinanzierungspolitik abgibt, wird mit durchgängig 3 % in den Jahren 1968 bis 1971 praktisch unverändert bleiben. Die Tilgungsaufwendungen werden allerdings spürbar zunehmen, und zwar von 3 % des Haushaltsvolumens im Jahre 1968 auf rund 5 % im Jahre 1971.
Es wird allerdings nicht möglich sein, in dem Zeitraum bis 1971 die hohen Tilgungsverpflichtungen aus den konjunkturpolitisch bedingten kurzfristigen Kreditaufnahmen vor allem der Jahre 1967/1968 voll aus den zu erwartenden ordentlichen Einnahmen - sprich Steuereinnahmen - zu finanzieren. Ein solches Vorgehen würde die Ausgabemöglichkeiten des Bundes für andere Zwecke, insbesondere für Investitionen, in unvertretbarer Weise einschränken. Es ist deshalb vorgesehen, in den kommenden Jahren durch neue Kreditaufnahmen Umfinanzierungen vorzunehmen, die die Tilgungsbelastungen des Bundes in tragbaren Grenzen halten.
Im übrigen besteht gerade im Bereich der Umfinanzierungen ein weiter Spielraum für antizyklische Aktivität. Ich möchte keinen Zweifel daran lassen, daß die Bundesregierung im Falle einer konjunkturellen Entwicklung, die die Grenzen der angestrebten Wachstumsziele überschreitet und Gefahren für das gleichzeitig angestrebte Ziel der Preisstabilität mit sich bringt, mit allem Nachdruck zusätzliche Steuermittel für eine vorzeitige und verstärkte Schuldentilgung einsetzen wird.
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Das ist die zweite Bewährungsprobe. Die Bundesregierung ist nicht gewillt, verstärktes Wachstum durch eine schleichende Inflation, d. h. eine ständig hohe Preisauftriebsrate, zu erkaufen.
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Deshalb dürfen Steuermehreinnahmen gegenüber den jetzt zugrunde gelegten Erwartungen nicht dazu verwendet werden, konsumtive Ausgaben zu verstärken, auch nicht dazu, vorgenommene Ausgabenkürzungen rückgängig zu machen, beabsichtigte zu unterlassen, beseitigte Dynamisierungseffekte wieder einzuführen.
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Die Bundesregierung erwartet, daß sie bei diesem Bemühen die volle Unterstützung des ganzen Hohen Hauses findet.
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Nun zu den Ausgabenschwerpunkten. Die Diskussion, besonders der letzten Wochen, hat den fatalen Eindruck hinterlassen, als ob wir einerseits einem sozialen Ruin entgegenlaufen würden, andererseits aber auch auf dem besten Wege wären, in den Abgrund eines totalen Versorgungsstaates abzugleiten. Der Bundesregierung wird dazu noch der Vorwurf gemacht, daß sie aus kurzfristigen finanziellen Erwägungen oder, wie man immer so schön sagt, aus fiskalischer Denkweise heraus sozialpolitische Tatsachen schaffen wolle, die nur schwer wieder zu korrigieren seien.
Die Bundesregierung will nichts anderes als eine Politik der beständigen sozialen Sicherheit auf gesunder Grundlage fortführen. Der eindrucksvollste Beweis dafür ist die Tatsache, daß die Sozialausgaben auch 1968 weiterhin die Spitze im Bundeshaushalt einnehmen.
Gerade durch die Leistungen im Sozialbereich werden für die finanzielle Situation des Bundes wie für unsere Volkswirtschaft überhaupt größte Probleme aufgeworfen, bei uns und anderswo. Der überproportionale Anstieg der Sozialleistungen, die sich in den Haushalten des Bundes und der übrigen Gebietskörperschaften, im Haushalt des Lastenausgleichsfonds und in den Haushalten der verschiedenen Träger der Sozialversicherung niederschlagen, ist seit Jahren Gegenstand besonderer Sorge. Diese Erscheinung ist auch in anderen Industriestaaten zu
beobachten. Ein immer größerer Teil unseres Sozialprodukts wird durch diese Leistungen in Anspruch genommen. Dieser Anteil betrug 1950 noch 11,6 % des Bruttosozialprodukts; er war 1966 bereits auf 14,4 % gestiegen und hat sich 1967 auf 16,1 % erhöht. Aus dem in Zukunft sich ändernden Altersaufbau unserer Bevölkerung werden sich zusätzliche Probleme ergeben.
Um die Entwicklung in den Griff zu bekommen, schlägt die Bundesregierung im Finanzänderungsgesetz Maßnahmen vor, durch die gerade die im Interesse der einzelnen Berechtigten dringend erforderliche finanzielle Leistungsfähigkeit der Leistungsträger sichergestellt und durch die zugleich die Belastung des Bundes in tragbaren Grenzen gehalten werden sollen.
Die Bundesregierung hat weder eine soziale Demontage in Betracht gezogen - ein solcher Eindruck wurde nur von jenen erweckt, die ständig das Bedürfnis haben, auf die Barrikaden ihrer eigenen Schlagworte zu steigen -,
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noch lautete für uns die Alternative: hie totaler Versorgungsstaat, hie freiheitliche Sozialpolitik. Beides sind Schlagworte. Es war weder die Absicht der Bundesregierung, noch bestand kurzfristig die Möglichkeit, zugleich mit der Aufstellung der mittelfristigen Finanzplanung fällig gewordene, dringliche, vielleicht sogar überdringlich gewordene Reformen auf sozialpolitischem Gebiet gleichzeitig in allen Einzelheiten schon auszuarbeiten und durchzuführen.
Es besteht kein Zweifel, daß wir uns in der Zukunft darüber Gedanken machen müssen, wie z. B. im Bereich der allgemeinen Rentenversicherungen verschiedener Art bei der immer aus verschiedenen Gründen sich ändernden Bevölkerungspyramide die auf uns zukommenden Belastungen finanziell getragen werden können, ebenso wie es auf die Dauer notwendig sein wird, ausgewogene Vorschläge für eine langfristige Neuordnung des Familienlastenausgleichs zu erarbeiten.
Mit der Aufstellung der Finanzplanung ist die Bundesregierung für die nächsten vier Jahre auf diesem Gebiet wahrlich nicht arbeitslos geworden. Sie hat auch nicht alle notwendigen Reformen in ferne Zukunft abgeschoben. Niemand wird einem Mann wie Müller-Armack die soziale Gesinnung und das Ethos der sozialen Verantwortung absprechen. Man sollte deshalb einen mahnenden, damals von nur wenigen ernstgenommenen Satz aus seiner Denkschrift des Jahres 1966 ernster nehmen, als es weithin geschehen ist. Dieser Satz heißt - ich zitiere ihn wörtlich:
Der soziale Status eines Landes hängt auf die Dauer nicht von übersteigerten Sozialausgaben ab, sondern von der Fähigkeit einer gesunden Wirtschaft, Gewinne zu erzielen, zu investieren und damit das gesamte Einkommensniveau zu erhöhen.
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Was wir tun konnten, war, erst einmal ,die Weichen zu stellen. Jetzt können die Züge in der Zukunft in die richtige Richtung fahren. Wir bedienen uns bisweilen einer seltsamen Hektik und meinen, es könnten hier und heute alle Probleme auf einmal gelöst werden und möglichst so, daß wir die jeweils beste Lösung jeweils einer Frage in jeweils einem anderen Staate bei uns für alle Fragen zugleich übernehmen könnten.
Im sozialen Bereich ging es zunächst einmal darum, angesichts der Not der Stunde einige brauchbare Lösungen zu finden, die sachlich richtig, in ihrer öffentlichen Wirkung überzeugend und sozial ausgewogen waren. Es ist eine Utopie zu glauben, daß solche Lösungen konfliktfrei sein könnten. Auf diesem Gebiet gibt es nichts mehr, was von vornherein konfliktfrei wäre oder sich in der Diskussion konfliktfrei gestalten würde. Natürlich bleibt auch weiterhin richtig, daß der Leistungswille, der Start des einzelnen sich dann am besten entfalten kann, wenn er nicht durch allzu schwere „fiskalische Bleiklötze" gehemmt wird. Wir können aber auch die Augen nicht davor verschließen, daß es nur noch wenige in unserer Gesellschaft gibt, die in der Lage sind, allen vielfältigen Risiken des Lebens allein aus eigenen Mitteln begegnen zu können. Ein auch nur oberflächlicher Blick auf die Sozialverhältnisse in der Bundesrepublik zeigt, daß die gesellschaftlichen Voraussetzungen, auf denen die Bismarcksche Sozialgesetzgebung aufbaute, heute längst nicht mehr gegeben sind. Aus der bürgerlichen Besitzgesellschaft mit starken ständischen Unterschieden und Differenzierungen ist die am Wirtschaftserfolg teilhabende moderne Arbeitnehmergesellschaft geworden. Das ist ein Ergebnis der Politik, die der Bund in den Jahren nach 1949 konsequent getrieben hat.
Für die Gestaltung der sozialen Sicherheit gilt es, daraus auf weite Sicht Konsequenzen zu ziehen. Es muß uns gelingen, die Umverteilungsprozesse in unserem sozialen Sicherungssystem Zug um Zug mit den steigenden Masseneinkommen zurückzudrängen und das im Markt verdiente Leistungseinkommen zur Grundlage der Sicherung des einzelnen in höherem Maße zu machen.
({20})
Wenn der Regierung der Vorwurf gemacht wird, sie betrachte die Sozialpolitik zu sehr aus finanz und wirtschaftspolitischen Gesichtspunkten, dann kann ich darauf nur erwidern, daß allein eine erfolgreiche Finanz- und Wirtschaftspolitik eine gute Sozialpolitik überhaupt ermöglicht.
({21})
Es ist eine Binsenwahrheit, daß sich ohne wirtschaftliches Wachstum und ohne eine stabile Währung eine fortschrittliche Sozialpolitik nicht verwirklichen läßt.
({22})
Ich möchte ausdrücklich beides erwähnen: Wachstum und Stabilität. Eine fortschrittliche Sozialpolitik ist, wenn nur das eine oder andere gegeben wird, nicht durchzuführen. Von einer wirtschaftlichen Stagnation oder Rezession werden im übriBundesminister Dr. h. c. Strauß
.gen die sozial Schwachen am ersten und am stärksten getroffen.
Wirtschaftspolitik und Sozialpolitik befinden sich in einer komplementären Abhängigkeit und müssen sich darum, wenn sie die ihnen gestellten Ziele erreichen wollen, auch gegenseitig ergänzen.
Was wir daher in Zukunft brauchen, ist auch ein Sozialbudget.
({23})
Es muß ein Überblick erarbeitet werden über den gesamten künftigen Sozialbedarf. Das allgemeine Unbehagen über die Sozialpolitik der letzten Jahre hatte nicht zuletzt seinen Grund in ihrer wuchernden Unübersichtlichkeit und mangelnden Abstimmung mit der ökonomischen Leistungsfähigkeit.
({24})
Die Sozialleistungen des Bundes liegen bei Berücksichtigung der Zuschüsse zur Sozialversicherung und zur Altershilfe für Landwirte, bei Berücksichtigung der Kriegsopferversorgung, der Kriegsopferfürsorge, der Aufwendungen für den Lastenausgleich sowie des gesetzlichen Kindergeldes, die im Haushaltsentwurf 1968 ein Volumen von 21,8 Milliarden DM ausmachen, immer noch um 1,7 Milliarden DM über dem Ansatz des Jahres 1967. Es soll nicht geleugnet werden, daß die vorgesehenen sozialpolitischen Maßnahmen das Ergebnis eines politischen Kompromisses sind. Dars darf jedoch über die positiven, in die Zukunft weisenden Komponenten nicht hinwegtäuschen.
So sind z. B. für die knappschaftliche Rentenversicherung Lösungen gefunden worden, die Ansatzpunkte in Richtung einer dauerhaften Umgestaltung der Knappschaft enthalten, wie sie dann auch wirtschaftlich vertretbar und finanziell verkraftbar ist.
Im Bereich des Mutterschutzes werden an die Stelle der Provisorien der letzten Jahre klare Rechtsverhältnisse gesetzt, die zu einer für die Krankenkassen und den Bund tragbaren Dauerlösung führen und den Berechtigten auch noch gewisse Leistungsverbesserungen bringen. Der zur Entlastung der Krankenkassen vorgesehene Verzicht auf weitere Leistungsverbesserungen bedeutet für die Berechtigten keinen Eingriff in den Besitzstand, da die entsprechenden Regelungen noch nicht in Kraft getreten waren.
Die von der Bundesregierung für die Rentenversicherungen der Arbeiter und Angestellten vorgeschlagenen Maßnahmen stellen noch keine Dauerlösung der hier besonders schwierigen finanziellen, rechtlichen und verwaltungstechnischen Probleme über das Jahr 1971 hinaus dar. Immerhin werden durch eine wohl abgewogene Kombination von Einzelmaßnahmen die vordringlichsten Ziele erreicht, nämlich die Sicherung der finanziellen Leistungsfähigkeit der Rentenversicherungsträger für die nächsten Jahre, die Lösung des Problems der Rentnerkrankenversicherung in Verbindung mit einer Verbesserung der Finanzlage der Krankenkassen und schließlich die im Rahmen der Finanzplanung unvermeidliche Verminderung der Wachstumsraten des Bundeszuschusses.
Gerade die Vorschläge der Bundesregierung im Bereich der Rentenversicherung und der Knappschaft bilden, was nicht überraschend war, den Gegenstand heftiger politischer Auseinandersetzungen, obwohl schon diese Mindestvorschläge der Regierung wegen der Ungewißheit über die Entwicklung noch mit zusätzlichen Risiken behaftet sind. Ich habe alle Stellungnahmen sorgfältig verfolgt. Mir ist aber bisher keine annehmbare, nach Umfang und Dauer gleich wirksame Alternativlösung bekanntgeworden.
Ich möchte ausdrücklich erklären, daß die Bundesregierung ihre Überlegungen wahrlich nicht für der Weisheit letzten Schluß hält, daß sie nur nach den vier Prinzipien, die ich zu Eingang meiner Rede genannt habe, die Finanzpolitik der nächsten Jahre gestalten will und daß sie nicht glaubt, eine Perle aus ihrer Krone zu verlieren, wenn nach Umfang und Dauer gleich wirksame, aber bessere Lösungen im Zuge der parlamentarischen Beratung gefunden werden. Bis jetzt sind sie uns allerdings noch nicht bekanntgeworden.
({25})
- Sie werden noch Gelegenheit haben, an dieser Stelle darüber zu reden. Bei Ihrer bekannten Genialität und auch Entwicklungsfähigkeit habe ich nicht den leisesten Zweifel, daß Sie dieser Aufgabe Ihre ganz besondere Aufmerksamkeit widmen werden.
({26})
- Ich habe Ihnen noch nie die Entwicklungsfähigkeit abgestritten.
Die 4%ige Beteiligung der Rentner an den Kosten der Krankenversicherung wird angegriffen; sicherlich keine populäre, aber eine notwendige Maßnahme, wenn die bisherige Rentenformel aufrechterhalten bleiben soll. Die hierzu vorgeschlagenen „Ersatzmaßnahmen" sind insgesamt gesehen finanzpolitisch
- ich muß das hier sagen, weil ich die Regierungsvorlagen zu vertreten habe - unzulänglich und sozialpolitisch nicht überzeugend. Außerdem hat die darüber geführte Polemik eines erreicht: Es ist nämlich durch die Wahl der Schlagworte der Eindruck erweckt worden, als müßten die Rentner aus ihrem gegenwärtigen Besitzstand diesen Krankenversicherungsbeitrag zahlen.
({27})
Die Tatsache, daß die Renten zunächst um 8,1 % erhöht und dann aus diesem Gesamtbetrag einschließlich der Erhöhung rund die Hälfte des Erhöhungsbetrages entrichtet werden soll, ist demgegenüber weitgehend aus dem Bewußtsein verdrängt worden. Im Ergebnis verbleibt den Rentnern erfreulicherweise immer noch ein Mehr von rund 4 % gegenüber 1967.
Es wird vorgeschlagen, den Rentenbeginn um einen Monat zu verschieben. Dieser Vorschlag ist zu prüfen unter dem Aspekt, welche stärkere finan6424
zielle Belastung der Sozialhilfeträger durch diese Verschiebung entstehen würde.
Oder nehmen Sie die Erhöhung der Rezeptgebühren! Wenn das finanzielle Ergebnis dieser Maßnahme für die Krankenversicherung einigermaßen befriedigend sein soll, dann müssen auch die Rentner, und zwar alle Rentner, in den Kreis der Gebührenpflichtigen einbezogen werden. Es ist die Frage, ob es eine echte Alternative gegenüber dem Regierungsvorschlag ist, wenn auf diese Weise alle Rentner und gerade die kranken Rentner besonders getroffen werden.
({28}) Darüber muß gesprochen werden.
Neuerdings ist zur Diskussion gestellt, die Beitragsbemessungsgrenze in der Rentenversicherung ad hoc spürbar anzuheben und dann weiterhin zu dynamisieren. Das bedeutet - was in der gegenwärtigen Situation niemand wünschen kann - eine zusätzliche Belastung von Arbeitnehmern und Arbeitgebern mit Sozialbeiträgen. Das bedeutet aber auch höhere Ansprüche der Berechtigten und damit höhere Belastung der Träger der Rentenversicherung in der Zukunft.
({29})
Offen bleibt im übrigen bei allen Vorschlägen, wie die zum Ausgleich des Haushalts notwendigen Einsparungen im Bereich der knappschaftlichen Rentenversicherung erreicht werden sollen. Die mir bisher bekanntgewordenen Alternativen sind in diesem Punkte unzureichend.
Nicht annehmbar ist auch der Vorschlag, statt der Herabsetzung der Bundeszuschüsse an die Rentenversicherungen wieder Schuldbuchforderungen zuzuteilen, die erst ab 1972 verzinst und getilgt werden sollen. Mit einer solchen Maßnahme ist die langfristige Konsolidierung der Bundesfinanzen unvereinbar. Das wäre ein bedauerlicher Rückfall in gewisse Methoden, es wäre auch ein Verstoß gegen die von der Bundesregierung im Zusammenhang mit der Ordnung der Bundesfinanzen angestrebten politischen Prioritäten und Zielsetzungen.
In diesem Zusammenhang möchte ich betonen, daß ich auch die neuerdings in die Debatte geworfene Erhöhung der Ergänzungsabgabe als Alternative zu den Vorschlägen der Bundesregierung unter keinen Umständen für vertretbar halte.
({30})
Die von der Bundesregierung bisher vorgeschlagenen Steuererhöhungen finden ihre Rechtfertigung ausschließlich in der Notwendigkeit, die im Rahmen der mehrjährigen Finanzplanung angestrebte Wiederherstellung eines dauerhaften Haushaltsgleichgewichts zu verwirklichen und die Finanzierung der auch in volkswirtschaftlicher Hinsicht notwendigen und vertretbaren Ausgaben sicherzustellen. Eine .Steuererhöhung ausschließlich zu dem Zweck, unterbliebene Kürzungen im Bereich der konsumtiven Bundesausgaben auszugleichen, würde nicht nur die in der Finanzplanung vorgesehene Erhöhung des Anteils der Investitionsausgaben im Bundeshaushalt beeinträchtigen. Sie würde vor allem die bislang erreichte Übereinstimmung der mehrjährigen Finanzplanung mit den für die kommenden Jahre angestrebten volkswirtschaftlichen Zielen in Frage stellen. Damit ist niemandem gedient, am allerwenigsten den Betroffenen selbst. Eine weitere Verbesserung der Rentenleistung ist in der Zukunft nur dann gesichert, wenn die angestrebten gesamtwirtschaftlichen Ziele erreicht werden. Durch zusätzliche Steuererhöhungen dürfen wir uns dafür nicht die Grundlagen entziehen.
Es muß unser Bestreben sein, bereits in diesem Jahre für die Rentenversicherung in möglichst großem Umfang dauerhafte Lösungen für die Zukunft zu erarbeiten.
Bei der angespannten Finanzlage des Bundes wie auch der Länder erschien auch eine Korrektur der jetzigen Wohngeldregelung notwendig. Die seinerzeit getroffene Regelung für die Gewährung des Wohngeldes konnte auf keinerlei Erfahrungen oder statistischen Unterlagen aufbauen. Inzwischen hat sich gezeigt, daß die Wohngeldleistungen zu einem laufend steigenden Finanzbedarf geführt haben, der die ursprünglichen Erwartungen und Schätzungen erheblich übertroffen hat. Dieser Entwicklung wollte die Bundesregierung mit den Ihnen bekannten Maßnahmen - die, wie ich betonen darf, einstimmig beschlossen worden sind - entgegentreten. Wegen der gegen diesen Vorschlag erhobenen Einwendungen wird die Bundesregierung sich im Laufe des weiteren Verfahrens an der Prüfung beteiligen, ob die Kürzung beim Wohngeld unter der Voraussetzung eines anderweitigen Ausgleichs in demselben Bereich ganz oder teilweise rückgängig gemacht werden kann. Dabei verstehe ich unter Ausgleich echte Ausgabenkürzungen.
Die Notwendigkeit zur längerfristigen Bereinigung und Umschichtung in der Zusammensetzung der Bundesausgaben macht leider auch gewisse, allerdings bescheidene Eingriffe im Bereich des Familienlastenausgleichs unvermeidlich. Ich möchte ausdrücklich darauf hinweisen, daß auch über diese Maßnahme im Kabinett Einigkeit bestanden hat.
Der vorgeschlagenen Einführung einer Einkommensgrenze beim Kindergeld liegt die Überlegung zugrunde, daß die Zahlung von Kindergeld bei Beziehern hoher und höchster Einkommen weniger dringlich ist, zumal sich bei diesen Familien die Kinderfreibeträge des Einkommensteuerrechtes zunehmend progressiv auswirken. Dieser sicherlich richtige Gedanke gilt übrigens nicht nur für das Kindergeld, er gilt auch für andere Bereiche.
({31})
Aufgabe der Bundesregierung wird es nunmehr sein, im Rahmen der von diesem Hohen Hause geforderten Überprüfung und Neugestaltung des Familienlastenausgleichs eine brauchbare Dauerlösung zu finden. Ohne dem Ergebnis der Überlegungen der Bundesregierung vorgreifen zu wollen, könnte ich mir eine Regelung vorstellen, die innerhalb der von der Finanzplanung gezogenen Grenzen zu einer stärkeren Konzentration der Kindergeldleistungen auf diejenigen Familien führt, die besonders darauf
angewiesen sind. Hier scheint mir noch ein gewisser Spielraum für weitere Überlegungen zu bestehen.
Die weltpolitische Lage erfordert von uns auch weiterhin hohe Aufwendungen für die äußere Sicherheit. Die Ausgaben für die militärische und zivile Verteidigung nehmen deshalb auch in den Jahren 1968 bis 1971 einen breiten Raum im Bundeshaushalt ein. 1968 werden die gesamten Verteidigungsausgaben 21,7 Milliarden DM betragen, wenn man die Aufwendungen für militärische Verteidigung, für Verteidigungslasten im Zusammenhang mit dem Aufenthalt alliierter Streitkräfte, Ausgaben für die zivile Verteidigung sowie für die Berlinhilfe zusammennimmt. Die Verfügungssumme für die militärische Verteidigung wird dabei im Jahre 1968 gegenüber dem laufenden Jahr nicht abnehmen, sondern - wenn auch nur um 1,1 % -wachsen und in den Jahren ab 1969 wieder stärker steigen.
Die Ist-Entwicklung der Verteidigungsausgaben in den Jahren 1963 bis 1966 zeigt folgendes Bild: 1963 17,8 Milliarden DM, 1964 17,1 Milliarden DM, 1965 17,4 Milliarden DM, 1966 18,1 Milliarden DM. Demgegenüber werden sich die für Verteidigungszwecke bereitstehenden Verfügungssummen einschließlich der nach den USA überwiesenen Beträge im Rahmen der Finanzplanung wie folgt entwickeln: 1967 18,5 Milliarden DM - ohne Investitionshaushalte -, 1968 18,7 Milliarden DM, 1969 20,1 Milliarden DM, 1970 21,3 Milliarden DM, 1971 22 Milliarden DM.
Es kann keine Rede davon sein, daß die Bundesrepublik ihre Verteidigungsanstrengungen in den nächsten Jahren vermindert oder ihr Bündnisengagement abbauen will.
Der Streit, der sich an der echten oder vermeintlichen Notwendigkeit einer neuen Bundeswehrkonzeption entzündet hat, war bedenklich. Er hat bewiesen, daß wir die Probleme einer modernen Verteidigung noch nicht immer von sachfremden Bezügen zu lösen vermögen. Es ist das Schicksal aller Armeen der Neuzeit, sich einem ständigen Anpassungs- und Umwandlungsprozeß unterwerfen zu müssen.
Zwar liegt eine auf die mehrjährige Finanzplanung bis 1971 abgestellte militärische Umplanung aus den Ihnen allen bekannten Gründen noch nicht vor. Wie Sie wissen, ist jedoch der Bundesminister der Verteidigung zur Zeit damit befaßt, ins einzelne gehende Vorschläge und Vorstellungen zu erarbeiten, die sowohl unseren Bündnisverpflichtungen als auch unseren finanziellen Möglichkeiten gerecht werden. Es wird das Ziel sein müssen, im Rahmen des uns innerhalb des westlichen Bündnisses gestellten Auftrages die zur Verfügung stehenden Mittel in optimaler Weise, mit dem höchsten Wirkungsgrad einzusetzen.
Es geht hier vor allem auch darum, das in den letzten Jahren sprunghaft schlechter gewordene Verhältnis von Investitionsausgaben zu Betriebskosten zu verbessern.
({32})
Die Absicht, die Betriebskosten zu senken und die Investitionsausgaben zu erhöhen, wird im Haushaltsentwurf 1968 sowie im Finanzänderungsgesetz in Zahlen deutlich.
Auch in Zukunft wird es ein besonderes Anliegen der Bundesregierung sein, den weiteren Wiederaufbau Berlins nachhaltig zu fördern und auf diese Weise zur Erhaltung der Lebensfähigkeit dieser Stadt beizutragen. Wir können die Augen vor den äußeren und inneren Schwierigkeiten, denen diese Stadt gewachsen sein muß, nicht verschließen. Die Bundesregierung wird deswegen im Jahre 1968 ihre Bemühungen zugunsten Berlins noch verstärken. Dementsprechend wird die Bundeshilfe - Bundeszuschuß und Bundesdarlehen - von 2,300 Milliarden DM im Jahre 1967 auf 2,415 Milliarden DM gesteigert. Daneben werden auch weiterhin Anleihen Berlins vom Bund in beträchtlicher Höhe verbürgt. Äußere Sicherheit und innere Ordnung dieser Stadt sind wesentliche Faktoren für die privatwirtschaftliche Tätigkeit und Initiative in dieser Stadt,
({33})
und ohne diese privatwirtschaftliche Tätigkeit und Initiative kann das finanzielle Problem der Stadt Berlin nicht gelöst werden, auch nicht durch steigende Bundeszuschüsse.
({34})
Entsprechend der politischen Zielsetzung der Bundesregierung, die Bemühungen zu verstärken, um heute die Voraussetzungen und Grundlagen für die stetige wirtschaftliche Entwicklung von morgen zu schaffen, ist den Aufgaben des Verkehrswesens in der Finanzplanung ein besonderer Vorrang eingeräumt. Die Bundesausgaben für Verkehrszwecke sollen in den Jahren bis 1971 überproportional um jeweils 8 % gesteigert werden. Im Bundeshaushalt 1968 sind 8,2 Milliarden DM, das sind 10,3 % der Gesamtausgaben des Bundes, vorgesehen. Das Ausmaß der Bemühungen der Bundesregierung um eine weitere Verbesserung unserer Verkehrsverhältnisse wird deutlich, wenn man sich vergegenwärtigt, daß vor zehn Jahren, im Haushalt 1958, für dieselben Zwecke nur 2,5 Milliarden DM oder 6,5 % des damaligen Haushaltsvolumens bereitgestellt wurden.
Gleichwohl hat der Bund schon in den zurückliegenden Jahren ungeheure Leistungen besonders auf dem Straßenbausektor vollbracht. Das wird deutlich, wenn man die im Rahmen der Vierjahrespläne für den Bundesfernstraßenbau eingesetzten Mittel im Zusammenhang sieht. Der 1. Vierjahresplan von 1959 bis 1962 hat Mittel von 7,1 Milliarden DM beansprucht. Im Rahmen des 2. Vierjahresplans von 1963 bis 1966 sind vom Bund 12,6 Milliarden DM bereitgestellt worden. Mit dem 3. Vierjahresplan für die Jahre 1967 bis 1970 werden sich diese Leistungen auf rund 18,0 Milliarden DM erhöhen.
Nimmt man die Straßenbauleistungen der übrigen Gebietskörperschaften - Länder und Gemeinden - hinzu, so übertreffen die Straßenbauaufwendungen in der Bundesrepublik die Summe der für Straßenbauzwecke eingesetzten Mittel, die alle übrigen
EWG-Staaten zusammengenommen im gleichen Zeitraum verbaut haben.
({35})
Für die Jahre ab 1968 hat sich die Bundesregierung nicht damit begnügt, für Verkehrszwecke lediglich höhere Mittel bereitzustellen, sondern sie hat sich in der Finanzplanung zugleich die Aufgabe gestellt, in einem Generalverkehrsplan unter NutzenKosten-Gesichtspunkten sachliche und regionale Schwerpunkte sowie zeitliche Prioritäten zu setzen, die verschiedenen verkehrspolitischen Maßnahmen - namentlich für Bundesbahn, Straßenbau und Wasserstraßen - zu harmonisieren und dabei der Notwendigkeit der Umstrukturierung und Gesundung der Bundesbahn Rechnung zu tragen.
Der Bundesverkehrsminister hat inzwischen einen Entwurf des in der Finanzplanung geforderten Generalverkehrsplans vorgelegt. Die Aufstellung dieses Entwurfs entspricht im Grundsatz den Bestrebungen, zu wohlabgewogenen langfristigen Programmen für alle wichtigen Sektoren der staatlichen Aktivität zu kommen. Mit der neuen Konzeption sollen die Verzerrungen beseitigt werden, die sich im Verhältnis der einzelnen Verkehrsträger zueinander herausgebildet haben.
Die steuerlichen Maßnahmen, die zur Lösung der anstehenden Probleme von dem Herrn Bundesverkehrsminister vorgeschlagen werden, stellen Ordnungsmaßnahmen aus verkehrspolitischer Sicht dar. Dies sei all denen gesagt, die hier etwa eine Reservekasse für zusätzliche Ausgabenwünsche vermuten könnten. Ein eventuelles Steuermehraufkommen aus gezielten verkehrspolitischen Maßnahmen darf in keinem Fall zur Deckung zusätzlicher konsumtiver Ausgaben verwendet werden.
Hinsichtlich der Einzelheiten möchte ich der Stellungnahme der Bundesregierung nicht vorgreifen. Als Bundesfinanzminister begrüße ich aber im Grundsatz alle Vorschläge zur langfristigen Harmonisierung der verkehrspolitischen Maßnahmen des Bundes, die letztlich auch die Defizite der Bundesbahn einschränken und die Deutsche Bundesbahn wieder auf eigene Füße stellen sollen. Ich verhehle nicht, daß gerade in der weiteren Entwicklung der Finanzlage bei der Deutschen Bundesbahn eines der großen Risiken für die Finanzplanung liegt.
({36})
Wir stehen auch in diesem Punkt unter dem unausweichlichen Zwang zu schnellem Handeln.
Ein Bereich, der für unseren künftigen technischen Entwicklungsstand sowie für die internationale Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft in seiner Bedeutung gar nicht überschätzt werden kann, ist das Gebiet von Wissenschaft und Forschung. Hier geht es im wahrsten Sinne des Wortes um die Finanzierung unserer Zukunft. Unsere politische Selbstbehauptung hängt fast ausschließlich von unserer ökonomischen Stärke ab. Unsere ökonomische Stärke kann aber nur gehalten werden, wenn wir unser Geld nicht dazu verwenden, die Vergangenheit zu bewältigen, sondern anfangen, steigende Mittel für die Modernisierung unseres Landes, für die geistige und materielle Infrastruktur unseres Staates für morgen zu schaffen.
Noch haben manche nicht erkannt, daß das Steuer in der Wissenschafts-, Forschungs- und Ausbildungspolitik auf Zukunftskurs gelegt werden muß, wenn die Bundesrepublik nicht in den letzten Jahrzehnten dieses Jahrhunderts wirtschaftlich zurückfallen will. Diesem Schwerpunkt unserer staatlichen Aktivität ist deshalb in der mittelfristigen Finanzplanung die erste Priorität eingeräumt. Hier liegen die absolut höchsten Steigerungsraten vor, nämlich Jahr für Jahr 16 %. Damit soll erreicht werden, daß die Bundesrepublik weiterhin mit dem internationalen Fortschritt von Wissenschaft und Technik Schritt halten kann und in den Bereichen, wo ein Nachholbedarf besteht, den Abstand zu den technisch führenden Nationen der Welt vermindert, was zum Teil in internationaler, besonders aber nur in europäischer Kooperation erreicht werden kann.
Durch die erhöhte Mittelbereitstellung im Rahmen der mittelfristigen Finanzplanung wird der Anstoß gegeben, in diesem Bereich zu einer in sich widerspruchsfreien und zukunftsorientierten Gesamtkonzeption und einem neuen Schwerpunkt- und Prioritätenprogramm für die Wissenschaftsförderung zu kommen. Bei der Prioritätsentscheidung der Bundesregierung ist ausdrücklich vorausgesetzt, daß ein umfassendes Gesamtkonzept vorgelegt wird, in dem die rationale Bewirtschaftung der zur Verfügung stehenden öffentlichen Mittel unter Berücksichtigung der auf andere Haushalte zukommenden laufenden Folgekosten sichergestellt ist, und daß eine laufende und intensive Erfolgskontrolle wie auch die Gewährleistung einer wirksamen Verwendungskontrolle erfolgt.
Die Ansätze des Haushaltsentwurfs 1968 lassen die Richtung erkennen, in der die staatliche Förderung der Wissenschaft gehen wird. Ich greife nur einige Vorhaben aus dem breiten Fächer heraus: neben den überkommenden Programmen Hochschulausbau, Datenverarbeitung, Kernenergieforschung, Weltraumforschung, werden eine Reihe neuer Schwerpunkt- und Einzelprogramme in Angriff genommen wie die Förderung der Ozeanographie, ein Programm zur Errichtung regionaler Großrechenzentren für den steigenden Rechenbedarf von Hochschulen und Forschungseinrichtungen, die Beteiligung an einer Trägergesellschaft für angewandte Forschung, die Förderung der Sonderforschungsbereiche an den Hochschulen, ein Programm zur Entwicklung der Plutoniumtechnologie sowie die Förderung von Verfahren zur Energie-Direktumwandlung. Wegen der verfassungsrechtlichen Gegebenheiten wird es erforderlich, insbesondere mit den Ländern, aber auch mit anderen Trägergesellschaften und Gremien im Forschungsbereich eine umgehende und umfassende Abstimmung vorzunehmen. Denn bei einer langfristigen Konzeption, in deren Rahmen sich der Bund zur nachhaltigen Verstärkung der Mittel für Wissenschaft und Forschung bereit findet, muß sichergestellt sein, daß die Ziele unbeschadet der angestrebten Regelung in der Finanzreform schon jetzt mit den Ländern abgestimmt werden.
Ein anderer Bereich, in dem eine Überprüfung der bisherigen Konzeptionen unausweichlich ist, ist der Bereich der Landwirtschaft. Der deutschen Landwirtschaft sollen - das möchte ich hier unmißverständlich und ohne alle Vorbehalte erklären - auch weiterhin Hilfen zuteil werden, um sie für die Aufgaben und für die Wettbewerbsverhältnisse der Zukunft zu rüsten. Auch im Interesse der Landwirtschaft selbst ist es allerdings erforderlich, gewisse Schwerpunktverschiebungen bei der Förderung vorzunehmen. Eine langfristige Landwirtschaftspolitik muß in erster Linie zum Ziel haben, auf Dauer wettbewerbsfähige Betriebsstrukturen zu schaffen. Dazu hat sich die Bundesregierung in der Finanzplanung ausdrücklich und wörtlich bekannt.
Hier reicht der Betrachtungshorizont von der Festlegung der langfristigen Ziele zur Verbesserung der Agrarstruktur und der technischen Modernisierung der auf Dauer lebensfähigen Betriebe über Fragen des Pachtrechts bis hin zur landwirtschaftlichen Sozialpolitik. Es handelt sich also um Probleme, die teilweise abseits der tagespolitischen Diskussion über direkte Einkommenshilfen liegen, Probleme aber auch, die vielfach andere Aufgabenbereiche berühren und insoweit einer umfassenden und sorgfältigen Abstimmung bedürfen.
Der Haushaltsentwurf 1968 spiegelt bereits neue Schwerpunktbildungen wider. Ich habe die Zuversicht, daß es uns mit den in der Finanzplanung für den Landwirtschaftsbereich vorgesehenen Mitteln auf Dauer gelingen wird, die deutsche Landwirtschaft von einem in der Vergangenheit in der öffentlichen Diskussion viel geschmähten Subventionsempfänger zu einem gesunden Produktionsbereich zu machen. Ich begrüße es mit großer Genugtuung, daß auch in der deutschen Landwirtschaft der gedankliche Umstellungsprozeß dafür 'in vollem Gange ist und daß die deutsche Landwirtschaft an die Bewältigung der Zukunftsaufgaben mit großem Ehrgeiz herangeht, der schon immer die Grundlage für größere Erfolge war.
({37})
Ein besonderes Problem innerhalb der mehrjährigen Finanzplanung stellen die finanziellen Risiken aus den Belastungen des Bundes im Zusammenhang mit der EWG-Agrarpolitik dar.
({38})
Bereits die beschlossenen Marktordnungen mit automatischem Zwang zu Interventionen und Ausfuhrerstattungen führen zu ständig wachsenden Ausgaben, deren Höhe wegen ihrer dynamischen Entwicklung zu echter Besorgnis Anlaß gibt.
({39})
Mit der Einführung weiterer Marktordnungen oder mit künftigen Beschlüssen des EWG-Ministerrates über neue Agrarpreise kann sich auf diesem Gebiet ein zusätzliches Ansteigen der Ausgaben ergeben, das jedes vertretbare Maß übersteigt.
({40})
Die Finanzplanung konnte nur die überschaubaren
finanziellen Auswirkungen der bisherigen oder abzusehenden EWG-Marktordnungen berücksichtigen. Die Erfahrungen haben gezeigt, daß agrarpolitische Beschlüsse - auch Preisbeschlüsse - oft nicht den Gesamtzusammenhang hinreichend berücksichtigt haben.
({41})
Solche Beschlüsse reizen zur Überproduktion und haben auf verschiedenen Gebieten auch schon zu unerwünschten Produktionsausweitungen geführt. Produktionsausweitungen sind bei Interventionspflicht für die Produzenten verhältnismäßig risikofrei. Für die Mitgliedstaaten der EWG und damit für uns in besonderem Maße bedeuten sie ständig steigende Belastungen.
({42})
Ich weise auf das uns allen bekannte Beispiel des Butterberges hin. Nachdem wir früher einmal einen großen Einfuhrbedarf an Butter hatten, stehen wir heute vor einer Überproduktion, die weitgehend den öffentlichen Haushalten zur Last fällt. Die Kosten, die aus der Lagerung, der Umwälzung und der Ausfuhr entstehen, übersteigen teilweise schon den Wert des Produktes selbst.
({43})
Daß eine solche Politik nicht endlos fortgesetzt
werden kann, brauche ich wohl kaum zu betonen.
({44})
Es muß erreicht werden, daß sich die agrarpolitischen Beschlüsse des EWG-Ministerrates künftig in einem für die Mitgliedstaaten tragbaren Rahmen halten.
({45})
Die ohnehin Ende 1969 auslaufende AgrarfinanzierungsVerordnung muß bei ihrer Neuregelung mit dem Ziel überprüft werden, auf dem Agrarsektor zu einem finanzpolitisch und handelspolitisch sinnvollen Ergebnis zu kommen.
Gestatten Sie mir im Zusammenhang mit dem Agrarhaushalt an dieser Stelle eine kurze Bemerkunng zu einem Gesetzentwurf, der auch auf der Tagesordnung steht, über die Gasölverbilligung für die Landwirtschaft. Nach diesem Entwurf soll der deutschen Landwirtschaft die Verbilligung des Gasöls bereits unmittelbar beim Bezug zugute kommen, damit sie in diesem Punkt mit den Partnern in den übrigen EWG-Ländern gleichgestellt wird. Der Bundesrat empfiehlt demgegenüber eine Beibehaltung des jetzigen Verfahrens der nachträglichen Erstattung.
An dem Regierungsentwurf sollte nach unserer Überzeugung festgehalten werden, damit das Gasöl unmittelbar beim Bezug verbilligt werden kann. Ich möchte ausdrücklich davor warnen, den im Jahre 1968 vorgesehenen Systemwechsel bei der Gasölverbilligung zu unterlassen und - wie der Bundesrat ebenfalls empfohlen hat - einen Teil der Mittel - für die Umstellungskosten bereitgestellt - für andere Zwecke einzusetzen; denn sonst entstehen zusätzliche Dauerbelastungen für die Zukunft, die in der Finanzplanung nicht berücksichtigt sind.
Im Bereich des Bundesministeriums für Wirtschaft ergeben sich für eine langfristige Struktur- und Regionalpolitik vielfältige Aufgaben, um die von strukturellen Schwierigkeiten betroffenen Wirtschaftsbereiche zu unterstützen, die Anpassung an veränderte Marktverhältnisse zu erleichtern und im Interesse unserer weiteren gesamtwirtschaftlichen Entwicklung die optimale Ausnutzung der uns zur Verfügung stehenden Produktionsfaktoren zu erreichen. Bereits bei der Durchführung des 2. Konjunkturprogramms 1967 ist die Bundesregierung bemüht, regionale und strukturelle Schwerpunkte zu setzen. Diese Bemühungen sollten im Rahmen der mittelfristigen Finanzplanung fortgesetzt werden. Im Jahre 1968 stehen wiederum insbesondere die wirtschaftspolitischen Maßnahmen auf dem Gebiet der Energiewirtschaft im Vordergrund. Die in den vergangenen Jahren angelaufenen Maßnahmen zur Gesundung des deutschen Steinkohlenbergbaues werden verstärkt fortgesetzt.
Daneben werden die Luftfahrttechnik - ich nenne nur die Stichworte Airbusprojekt und VFW 614 - sowie die elektronische Datenverarbeitung gefördert, beides Bereiche, die eine Schlüsselfunktion für unsere weitere wirtschaftliche und technische Entwicklung besitzen.
Auf Grund seiner großen Breitenwirkung ist der Wohnungsbau für die Stabilität der Gesamtwirtschaft von großer Bedeutung. Nach der weitgehenden Befriedigung des als Folge des letzten Krieges entstandenen Nachholbedarfs und wegen der veränderten Einkommens- und Marktverhältnisse wird auch die langfristige Konzeption im Wohnungsbau neu überdacht werden müssen. Die verschiedenen, teilweise parallel laufenden Förderungsmaßnahmen müssen harmonisiert und an die langfristigen Erfordernisse angepaßt werden. Der Herr Wohnungsbauminister hat hierzu bereits aus Anlaß der Einbringung des Zinserhöhungsgesetzes eingehende Ausführungen gemacht. Wir müssen heute davon ausgehen, daß sich der Bedarf an Neubauwohnungen in den kommenden Jahren auf einem wesentlich niedrigeren Niveau einpendeln wird als im Durchschnitt der letzten Jahre. Das kann auch für die Förderung des Wohnungsbaues durch die öffentliche Hand nicht ohne Konsequenzen bleiben. In dieser Richtung enthält der Entwurf des Finanzänderungsgesetzes bedeutsame Schritte. Es gilt vor allem, Fehlinvestitionen zu vermeiden. Es bedarf auch gewisser Schwerpunktverlagerungen der Mittel auf Strukturgebiete, die aus wirtschaftlichen Gründen zur Verbesserung der Wirtschaftsstruktur einer gewissen Hilfe bedürfen. Es muß sichergestellt werden, daß in Zukunft Wohnungen dort gebaut werden, wo sie auf die Dauer auch wirklich gebraucht werden.
Insgesamt bleibt zu überlegen, was an Wohnungsbauförderung seitens der öffentlichen Hand unabdingbar bleibt und wie dieser Stand schrittweise - d. h. ohne schädliche Folgen für die gesamtwirtschaftliche Entwicklung - erreicht werden kann.
Neben der Pflege und Förderung der innerdeutschen wirtschaftlichen Entwicklung kommt in der Finanzplanung auch der Hilfe und Förderung der Entwicklungsländer große Bedeutung zu. Der Herr
Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit hat dazu noch in der Debatte am 11. Oktober anläßlich der Großen Anfragen der drei Fraktionen dieses Hohen Hauses eindrucksvolle und überzeugende Ausführungen gemacht. Von der moralischen Verpflichtung abgesehen, ist unsere Mitwirkung beim Aufbau der Entwicklungsländer für uns von höchster außenpolitischer, handels- und wirtschaftspolitischer Bedeuutng. In diesen Ländern soll - auf lange Sicht gesehen - ein sich selbst tragendes wirtschaftliches Wachstum erreicht werden. Damit sollen die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, daß sich zum Wohle aller Partner unsere Handelsbeziehungen mit diesen „Märkten von morgen" auf die Dauer ebenso eng und intensiv gestalten, wie dies zwischen den modernen Industriestaaten bereits der Fall ist. Da die Wirkungsmöglichkeiten des Bundes trotz der in der Finanzplanung vorgesehenen Verstärkung unserer Anstrengungen notgedrungen begrenzt bleiben müssen, ist eine stärkere Koordination und Schwerpunktbildung bei den verschiedenen .Entwicklungshilfeleistungen in sachlicher und regionaler Hinsicht erforderlich.
Meine Damen und Herren, der Ausblick und Überblick über die Ausgabenschwerpunkte des Bundeshaushalts 1968 kann keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben. In einer Rede zur Erläuterung des Haushalts kann schon aus zeitlichen Gründen nicht die ganze Vielfalt staatlichen Wirkens und staatlicher Probleme dargestellt werden, die im Haushalt ihren Niederschlag finden. Wenn ich einzelne Gebiete bisher nicht angesprochen habe, so bedeutet das keine Wertung. Über die Probleme der verschiedenen Einzelpläne wird ohnehin im Rahmen der kommenden Lesungen noch eingehend zu sprechen sein.
Lassen Sie mich aber am Ende des Überblicks über die Ausgabenschwerpunkte nur noch auf einen Punkt eingehen, der in der bisherigen Diskussion über die Finanzplanung sehr hochgespielt worden ist, nämlich die Aufgaben und Ausgaben des Bundes in seiner Rolle als Arbeitgeber und Dienstherr. Der Bundesregierung liegt es absolut fern, sich zum Avantgardisten für Lohnbewegungen zu machen. Es war eine Forderung des Deutschen Bundestages, das Besoldungsdurcheinander zugunsten einer vernünftigen und planvollen Konzeption zu beseitigen. Das Vernünftige kostet meistens Geld - so auch hier.
Der Bund hat in seiner Finanzplanung gewisse zusätzliche Mittel auf dem Gebiet der Personalausgaben vorgesehen. Hieraus hat sich eine breite Diskussion ergeben. Kritik, die vor einer weiteren Verteuerung des Verwaltungsapparates warnt und Leistungsverbesserungen auf dem Gebiet der Personalausgaben angesichts der finanziellen Lage des Bundes für überflüssig und unangebracht hält, solche Kritik trifft andererseits zusammen mit echten oder vermeintlichen Ansprüchen der Betroffenen und der interessierten Verbände. Der Bundesrat hat die Forderung erhoben, im Jahre 1968 generell auf Maßnahmen auf dem Besoldungs- und Tarifsektor zu verzichten und die im Haushaltsentwurf 1968 eingesetzten Mittel anderweitig - u. a. für die Stärkung der Länderfinanzen - zu verwenden. Auf
der anderen Seite werden vom Bund gefordert: Lohn- und Gehaltserhöhungen, Arbeitszeitverkürzungen, Angleichung der Besoldung der Bundesbeamten an die Länderbeamten und strukturelle Überleitung der Versorgungsempfänger. Der in den Haushaltsentwurf 1968 eingestellte allgemeine Personalverstärkungstitel soll der Abdeckung aller unter Umständen auf den Bund zukommenden Mehrbelastungen dienen. Die Bundesregierung würde sich dem Vorwurf der unrealistischen Haushaltsaufstellung aussetzen, wenn sie von vornherein überhaupt keine Mittel eingeplant hätte.
({46})
Dabei sollte keinerlei Unklarheit darüber bestehen, daß die in den Haushaltsentwurf 1968 eingestellten Mittel bei weitem nicht ausreichen, um die obengenannten Forderungen abdecken zu können. Über die Frage der Verwendung der in den Bundeshaushalt eingestellten Personalverstärkungsmittel muß entschieden werden, und zwar nach zwei Gesichtspunkten.
Einmal muß es das Bestreben des Bundes sein, Verzerrungen im Besoldungsgefüge zu beseitigen, die insbesondere durch das höhere Niveau der Grundgehälter in einigen Ländern sowie die in manchen Ländern gesetzlich verankerten Regelbeförderungen entstanden sind. Ich muß jedoch ganz entschieden der Darstellung entgegentreten, als ob der Bund nun seinerseits durch ein einseitiges Vorgehen neue Verzerrungen im Besoldungsgefüge verursache. Durch die vom Bund vorgesehenen Maßnahmen soll kein neuer Wettlauf zwischen Bund und Ländern begründet, sondern soll der Wettlauf beendet werden.
Zum anderen kann nicht übersehen werden, daß eine an der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung orientierte Einkommenspolitik notwendige Voraussetzung für die mit der Finanzplanung anvisierte weitere wirtschaftliche Entwicklung ist. Wenn man die der Finanzplanung zugrunde liegende Zielprojektion bejaht, so ergeben sich unter diesem Gesichtspunkt zwangsläufig Rückwirkungen auch auf die Tarif- und Besoldungspolitik, die bei realistischer Betrachtung nicht einfach unberücksichtigt bleiben können. Ein allgemeines Ansteigen der Einkommen aus unselbständiger Arbeit auf Grund der wirtschaftlichen Entwicklung kann nicht ohne Auswirkungen für den Bereich des öffentlichen Dienstes bleiben. Das ist bei der Beurteilung der Höhe der Personalverstärkungsmittel zu berücksichtigen.
Die Vorschläge der Bundesregierung werden sich im Rahmen der von diesem Hause dazu gefaßten Beschlüsse, insbesondere der angestrebten Harmonisierung auf der Grundlage der Neufassung des Art. 75 des Grundgesetzes halten. Er liegt dem Hohen Haus als Regierungsentwurf vor, er sollte bald verabschiedet werden.
Die vom Bundestag grundsätzlich gebilligte mehrjährige Finanzplanung hat den finanziellen Rahmen bis 1971 abgesteckt. Sie hat die Möglichkeiten zur Verstärkung namentlich der Sozialinvestitionen, mehr noch aber die Grenzen des politischen und finanziellen Handlungsspielraums für die nächsten Jahre aufgezeigt. Mit der Finanzplanung, mit dem Haushalt 1968, mit den zu ihrer Verwirklichung unerläßlichen Gesetzentwürfen ist der Weg für die grundsätzliche Sanierung der Bundesfinanzen frei gemacht. Damit ist zugleich eine der Voraussetzungen für die Wiederherstellung des Vertrauens der Bevölkerung in die Zukunft, für einen weiteren wirtschaftlichen Aufschwung und für stabile innenpolitische Verhältnisse geschaffen worden. Wir können heute allen denen, die uns bei Vorlage der Finanzplanung vorgeworfen haben, wir hätten nur die Verpackung gezeigt, sagen: hier ist jetzt der Inhalt, hier ist die Ummünzung - im Finanzänderungsgesetz, im Haushalt 1968 - in praktische Politik, hier ist die politische Linie aufgezeigt, die die Bundesregierung in den kommenden Jahren verfolgen wird.
Wir können uns aber mit dem Erreichten noch nicht zufriedengeben. Es bleibt noch manches zu tun, damit die Mittel des Bundes mit dem größten Wirkungsgrad eingesetzt werden können. Dazu sind in manchen Einzelbereichen ergänzende, zum Teil mehr in die Tiefe gehende Untersuchungen erforderlich. Die Bundesregierung wird daher im Zusammenhang mit den Entscheidungen über die Finanzplanung für geeignete Sektoren ergänzende Untersuchungen über das Verhältnis von aufgewandten Mitteln zum angestrebten Ergebnis durchführen. Auch insoweit müssen Methodik und ökonomische Aussagekraft der Finanzplanung verfeinert und vervollkommnet werden. Die wesentlichste Aufgabe sehe ich darin, durch eine Gesamtschau auch für den einzelnen Bereich zu einer in sich widerspruchsfreien politischen Konzeption zu kommen. Dabei wird eine Fülle von Fragen aufgeworfen. Ich darf nur wenige erwähnen:
Ist gewährleistet, daß sich die einzelne Aufgabenerfüllung organisch in die auch von anderen Leistungsträgern eingeleiteten Maßnahmen einfügt?
Sind bei der Festlegung einer einzelnen Leistung auch die sonstigen Leistungen gesehen worden, die der gleiche Empfängerkreis - möglicherweise mit anderer Begründung - erhält?
Sind wirklich noch alle automatisch anfallenden oder sonstwie vorgesehenen Leistungsverbesserungen erforderlich, wenn man zwischenzeitliche Änderungen im gesellschaftlichen Gefüge oder die stürmische Einkommensentwicklung der letzten Jahre berücksichtigt?
Ist es noch eine sinnvolle Politik, wenn Begünstigte die ihnen zugedachten Leistungen über höhere Steuern und Beiträge selbst bezahlen müssen?
In diesen Zusammenhang gehört auch das Thema Subventionspolitik. Zur Abrundung des mit der Finanzplanung gegebenen Gesamtbildes beabsichtige ich, der Bundesregierung vorzuschlagen,. dem Auftrag des § 12 des Stabilitätsgesetzes, wonach sie dem Hohen Hause alle zwei Jahre über die Entwicklung der Finanzhilfen und Steuerbegünstigungen zu berichten hat, schon in diesem Jahr zu ent6430
sprechen und gegen Jahresende den Subventionsbericht Nr. 1 vorzulegen.
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Ohne den künftigen Diskussionen vorgreifen zu wollen, möchte ich heute nur folgendes bemerken:
Die Finanzhilfen werden trotz der Einschränkungen im Jahre 1968 ansteigen. Diese Entwicklung ist auf eine - vor allen Dingen im kommenden Jahre wirksam werdende - Ausgabendynamik in bestimmten Bereichen zurückzuführen. Erhebliche Ausgabesteigerungen entstehen als Folge der Eingliederung der Landwirtschaft in den Gemeinsamen Markt, aus der verstärkten Förderung der Strukturanpassung des Bergbaus und aus steigenden Zahlungen nach dem Sparprämiengesetz. Die Bundesregierung strebt an, das Gesamtvolumen der Finanzhilfen in den Jahren ab 1969 nicht weiter ansteigen zu lassen, sondern möglichst stufenweise abzubauen. Bereits die Gesetzentwürfe zur Verwirklichung der mehrjährigen Finanzplanung des Bundes enthalten Vorschläge für den Abbau direkter oder indirekter Finanzhilfen.
Mit dem Mehrwertsteuergesetz und dem Zweiten Steueränderungsgesetz 1967 sind konkrete Schritte zur Verminderung der unsichtbaren Finanzhilfen eingeleitet worden. So wird mit der Einführung der Mehrwertsteuer ab 1. Januar 1968 eine erhebliche Zahl von Begünstigungen im Rahmen des bisherigen Umsatz- und Beförderungsteuersystems entf allen. Daneben wird eine Beseitigung oder Einschränkung steuerlicher Privilegien im Kreditgewerbe vorgeschlagen. Die Diskussion über Steuervergünstigungen und ihre Beseitigung ist damit aber noch nicht abgeschlossen. Die weitere Entwicklung wird von dem Ergebnis der Erörterungen über den angekündigten Subventionsbericht weitgehend abhängen.
Ein letztes Wort zur Steuerpolitik. Mit der Frage nach dem Abbau steuerlicher Begünstigungen ist der Gesamtkomplex der Steuerpolitik angesprochen. Wie Sie wissen, hat die Bundesregierung im Rahmen der Finanzplanung auf der Einnahmenseite die zwischenzeitlich verabschiedete Anhebung des Mehrwertsteuersatzes und die Einführung einer Ergänzungsabgabe vorgesehen, Maßnahmen, die zur langfristigen Sanierung der Bundesfinanzen und zur Erreichung einer ausgewogenen und gerechten Lastenverteilung unabdingbar sind.
Nach Verwirklichung der in den Steueränderungsgesetzen 1967 vorgesehenen Maßnahmen muß dann auf dem Gebiet des Steuerrechts eine Beruhigung eintreten. Ich vertrete diese Forderung mit besonderem Nachdruck, um nicht in der Wirtschaft neue Zurückhaltung zu erzeugen und Hindernisse für den wirtschaftlichen Wiederaufschwung hervorzurufen.
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Besonders wird eine Reform des Einkommensteuerrechts, ein besonders stark diskutiertes Thema, in dieser Legislaturperiode nicht mehr in Angriff genommen. Ich habe deshalb auch nicht vor, Änderungen in den sich dafür anbietenden Einzelfragen durchzusetzen. Zunächst müssen für einige Bereiche die weiteren Überlegungen zur steuerlichen Harmonisierung im EWG-Bereich abgewartet werden, damit mögliche Neuerungen unseres Systems sich in gemeinschaftlich einzuführende EWG-Regelungen einfügen können. Das gilt für das Zollrecht und für Verbrauchsteuern genauso. Sobald die Harmonisierung im EWG-Bereich überschaubar ist, wird auch Gelegenheit sein, die dankenswerten, umfangreichen Untersuchungen des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesministerium der Finanzen zur Diskussion zu stellen. Die Verschiebung der Einkommensteuerreform auf spätere Jahre gibt zugleich dem ohnehin sehr stark belasteten Finanzausschuß dieses Hohen Hauses die notwendige Zeit, im nächsten Jahr das große Reformwerk der Finanzreform in Angriff zu nehmen und, so Gott will, abzuschließen.
Diese Finanzreform soll die Finanzbeziehungen zwischen Bund, Ländern und Gemeinden neu ordnen. Auf der Grundlage unserer Verfassung ist die Funktionsfähigkeit des Föderalismus zu verbessern. Die Finanzreform ist ebensowenig wie die Finanzplanung des Bundes ein Zaubermittel, um allen Ebenen unseres Staatswesens mehr Geld für die Erfüllung ihrer Aufgaben zur Verfügung zu stellen. Man muß ganz richtig sehen und sagen, daß die große Chance der Finanzreform nur darin bestehen kann, über eine sachgerechte Ordnung der Finanzbeziehungen zwischen Bund, Ländern und Gemeinden zu einer wirksameren Erfüllung der Aufgaben mit den zur Verfügung stehenden und nicht beliebig zu vermehrenden Mitteln zu kommen.
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Dieses Ziel soll erreicht werden durch die Schaffung klarer Zuständigkeiten für die Wahrnehmung und Finanzierung öffentlicher Aufgaben. In den Verwaltungsbereichen, in denen sich - ohne verfassungsrechtliche Festlegung - in der Verfassungswirklichkeit Überschneidungen und Unsicherheiten ergeben haben, soll auf dem Weg der Verwaltungsvereinbarung mit den Ländern eine Flurbereinigung vorgenommen werden.
Ein Kernstück der Finanzreform bildet die verfassungsrechtliche Regelung der Gemeinschaftsaufgaben. Es hat sich längst gezeigt, daß in gewissen Bereichen ein Zusammenwirken von Bund und Ländern erforderlich ist. Nach den Vorstellungen der Bundesregierung muß die Verfassung dahin ergänzt werden, daß bestimmte öffentliche Aufgaben, die für die wirtschaftliche und soziale Zukunftssicherung von entscheidender Bedeutung sind, von Bund und Ländern gemeinsam geplant und finanziert werden. Ich betone ausdrücklich: nicht einheitlich und nicht zentralistisch, sondern gemeinsam geplant und finanziert werden. Auch die Tatsache der gemeinsamen ist noch nicht ein ausreichendes Kriterium. Es muß eine gemeinsame Planung und eine gemeinsame Finanzierung sein. Hier soll sachliche Zweckmäßigkeit und nicht sachfremdes Zuständigkeitsdenken die Herzen und Gehirne zu gerechten Entscheidungen bewegen.
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Im Interesse einer gleichmäßigen Beteiligung von Bund und Ländern an den Steuereinnahmen hält es
die Bundesregierung für erforderlich, die Umsatzsteuer mit in den Steuerverbund einzubeziehen, der bisher auf die Einkommen- und Körperschaftsteuer beschränkt war. Für die Aufteilung der Gemeinschaftssteuern sollte künftig eine zusammenfassende mittelfristige Finanzplanung und die damit verbundene Rangordnung der öffentlichen Aufgaben die Entscheidungsgrundlage bilden.
Die Finanzreform muß von der jetzt geltenden Aufgaben- und Lastenverteilung zwischen Bund und Ländern ausgehen. Vorgriffe auf eine Neuordnung, ..wie sie vom Bundesrat mit dem Antrag auf eine erweiterte Lastentragung des Bundes beim Wohngeld und bei den Wohnungsbauprämien vorgeschlagen sind, konnten nicht angenommen werden. Ein Abgehen von der Lastenverteilung, die noch Anfang des Jahres für alle Beteiligten tragbar erschien, würde zu einer einseitigen Verschiebung der Ausgangspositionen für die Finanzreform führen.
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Im Rahmen der Finanzreform erscheint eine Verbesserung des Länderfinanzausgleichs dringend erforderlich. Die finanzschwachen Länder sind zur Wahrung der Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse im Bundesgebiet gehalten, sich bei der Erfüllung der öffentlichen Aufgaben den leistungsstärkeren Ländern anzupassen. Deshalb ist es zwingend erforderlich, die Unterschiede in der Steuerausstattung der Länder durch eine Änderung und Verfeinerung des geltenden Länderfinanzausgleichs zu verringern.
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Einen wesentlichen Teil der Gesamtreform bildet ferner die Gemeindefinanzreform. Hier geht es einmal um die Verstärkung der Finanzkraft der Gemeinden, zum anderen um eine qualitative Verbesserung des Gemeindefinanzsystems, dessen Mängel durch das Übergewicht der Gewerbesteuer gekennzeichnet werden.
Die Bundesregierung hat mit ihrem Kabinettbeschluß vom 19. Juli dieses Jahres die aufgezeigten Grundzüge der Finanzreform festgelegt. Dieses Programm wird zur Zeit in einer gemeinsamen Arbeitsgruppe von Bund und Ländern beraten. Ich hoffe, daß die Verhandlungen zu einem schnellen und sachgerechten Ergebnis führen und von beiden Seiten mit Blick auf die Gesamtverantwortung gehandelt wird. Die ersten Meldungen, die mich von der letzten Ministerpräsidentenkonferenz erreicht hatten, erfüllen mich leider mit der Sorge, daß hier vielleicht doch ein den weiteren Verhandlungen nicht unbedingt förderlicher Standpunkt bezogen worden ist. Gerade in der Finanzreform muß sich der Wille zu dem vielberufenen kooperativen Föderalismus bewähren.
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Es ist das erklärte Ziel der Bundesregierung, die Finanzreform noch in dieser Legislaturperiode zu verwirklichen. Was an ihr liegt, wird geschehen. Dazu müssen die Gesetzentwürfe aber spätestens zu Beginn des nächsten Jahres eingebracht werden. Die Bundesregierung hofft auch bei diesem für unser gesamtes Staatswesen so bedeutsamen Programm auf volle Unterstützung und rasche Arbeit dieses Hohen Hauses.
Neben der Finanzreform ist die von Bund und Ländern angestrebte Neuordnung des Haushaltsrechts und der Haushaltssystematik von allergrößter Bedeutung. Die Grundsätze der Haushaltsneuregelung, die zu einer weitgehenden Vereinheitlichung des Haushaltsrechts in Bund und Ländern führen sollen, sind inzwischen in Zusammenarbeit mit den Ländern so weit vorbereitet, daß sie in absehbarer Zeit dem Bundeskabinett zur Entscheidung vorgelegt werden können. Die Arbeiten an der neuen Haushaltssystematik, d. h. an dem Gruppierungsplan und dem Funktionenplan, sind in den zuständigen Gremien von Bund und Ländern soweit abgeschlossen, daß diese Haushaltssystematik für den Bereich des Bundes schon ab 1969, für die Länderhaushalte wahrscheinlich ab 1970 eingeführt werden könnte. Damit wird eine wesentliche Voraussetzung für die Vergleichbarkeit der Haushalte von Bund und Ländern, ferner für die Sichtbarmachung ihrer ökonomischen Wirkung erfüllt und damit auch die Anwendungsmöglichkeit des Stabilitätsgesetzes und die Ausdehnung der mittelfristigen Finanzplanung auf Länder und Gemeinden wesentlich erleichtert.
Im Rahmen der Haushaltsreform soll ein Finanzplanungsrat errichtet werden, in dem Bund, Länder und Gemeinden kooperativ zusammenwirken. Die unbedingt notwendige Koordinierung der Finanzplanungen für die verschiedenen öffentlichen Haushalte würde damit die organisatorische Grundlage erhalten. Eine solche langfristige Koordinierung der Maßnahmen erhöht den Wirkungsgrad öffentlicher Mittel wesentlich, sowohl hinsichtlich der angestrebten Verbeserung der Infrastruktur als auch hinsichtlich der Beeinflussung des gesamtwirtschaftlichen Geschehens.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, diese Bundesregierung der Großen Koalition hat bei ihrem Amtsantritt am 1. Dezember des vergangenen Jahres die längerfristige Sanierung und Konsolidierung der Bundesfinanzen als einen ihrer besonderen Programmpunkte öffentlich verkündet und versprochen. Viele Stationen dieses schwierigen und steinigen Wegs liegen schon hinter uns:
- Umbau und Verabschiedung des Haushalts 1967,
- Finanzplanungsgesetz und Erstes Steueränderungsgesetz 1967,
- Neuregelung der Steueraufteilung zwischen Bund und Ländern,
- die beiden Konjunkturprogramme, deren gesamtwirtschaftliches Produktionsvolumen
zwischen 16 und 18 Milliarden DM in Bewegung gesetzt haben und zur Zeit noch in Bewegung setzen,
- Mehrwertsteuergesetz,
- Stabilitätsgesetz,
- Erstellung der mehrjährigen Finanzplanung.
Nunmehr liegt der Haushaltsentwurf 1968 vor, der zusammen mit dem Finanzänderungsgesetz diese Finanzplanung verwirklicht.
Die Reihe der großen Vorhaben auf finanzpolitischem Gebiet wird noch in dieser Legislaturperiode mit der Finanzreform und der Neuregelung des Haushaltsrechts weitergeführt.
Schon im nächsten Jahr muß uns die Anpassung der mehrjährigen Finanzplanung an die zwischenzeitliche Entwicklung und ihre Fortschreibung unter Einbeziehung des Jahres 1972 beschäftigen. Diese Anpassung muß auf den Entscheidungen dieses Hohen Hauses zum Haushalt 1968 aufbauen.
Die Große Koalition hat mit der bisher geleisteten Arbeit den Beweis erbracht, daß sie auf finanzpolitischem Gebiet nicht nur arbeitsfähig ist, sie hat auch die Kraft, die Aufgaben der Zukunft zu bewältigen. Mit dem Haushalt 1968 stehen wir an an einem Wendepunkt. Es muß jetzt gehandelt und entschieden werden; es besteht keine Hoffnung auf irgendwelche glücklichen Umstände, die die Schwierigkeiten von selbst beseitigen. Wir werden gemessen werden an dem nachhaltigen und in die Zukunft projizierten Fortschritt, den wir für unser Volk erreichen, nicht aber daran, ob diese oder jene durch die tagespolitische Diskussion hochgespielte, im Grunde aber doch unvermeidliche Einschränkungsmaßnahme verhindert wurde.
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Die Beratungen über den Haushaltsentwurf 1968 und das Finanzänderungsgesetz werden ohne Zweifel zu einer harten Belastungsprobe für die in der Großen Koalition verbundenen Fraktionen werden. Die Regierung der Großen Koalition hat diese Belastungsprobe nach langen Diskussionen, Auseinandersetzungen, Erörterungen und Erzielung von Kompromissen bestanden. Nun muß die sie tragende Parlamentsmehrheit mit überzeugenden Lösungen die in dieses Parlament gesetzten Erwartungen erfüllen. Nur wenn dies gelingt, werden wir gestärkt und gerechtfertigt aus dieser Haushaltsdebatte hervorgehen. Nur dann werden wir in dem Geiste, der die bisherige Zusammenarbeit bestimmt hat, auch die noch vor uns liegenden Aufgaben bewältigen können. Bei diesem Hohen Hause, das kraft seiner Legitimation durch das Volk dazu berufen ist, unsere Lebensverhältnisse zu gestalten, liegt jetzt die Entscheidung, liegt die Verantwortung für ein wesentliches Stück unseres künftigen Schicksals. Mögen wir alle, jeder einzelne in Parlament und Regierung, unserer vornehmsten Pflicht gerecht werden, indem wir uns mit unseren Entscheidungen in den Dienst der Ziele stellen, von deren Erreichung das künftige Leben der Gesamtheit unseres Volkes abhängt.
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Meine Damen und Herren! Die Debatte über die Gesetzentwürfe der Bundesregierung ist für morgen vorgesehen. Der Ältestenrat will sich nachher mit der Frage befassen, ob wir mit der Debatte vormittags oder nachmittags beginnen sollen. Die Zeit wird Ihnen noch bekanntgegeben.
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Die Sitzung ist damit beendet. Ich berufe die nächste Sitzung auf morgen ein.