Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet.
Meine Damen und Herren, ich habe zunächst vorzutragen, daß nach einer interfraktionellen Vereinbarung die heutige Tagesordnung ergänzt werden soll um die zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 11. November 1965 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Kaiserreich Iran über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapitalanlagen. Ist das Haus mit der Aufnahme dieses Punktes auf die Tagesordnung einverstanden? - Das ist der Fall; dann ist so beschlossen.
Die folgende Amtliche Mitteilung wird ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Vorsitzende des Vermittlungsausschusses hat am 11. Oktober 1967 mitgeteilt, daß der Vermittlungsausschuß in seiner 5. Sitzung am 11. Oktober 1967 das vom Bundestag am 28. Juni 1967 beschlossene Gesetz über die Gebäude- und Wohnungszählung 1968 ({0}) bestätigt hat. Sein Schreiben wird als Drucksache V/2068 verteilt.
Zu den in der Fragestunde der 125. Sitzung des Deutschen Bundestages am 12. Oktober 1967 gestellten Fragen des Abgeordneten Dr. Staratzke, Drucksache V/2155 Nrn. 40, 41 und 42 *), ist inzwischen die schriftliche Antwort des Bundesministers Dr. h. c. Strauß vom 10. Oktober 1967 eingegangen. Sie lautet:
Die in der ersten Frage angeführte Vorschrift ist im Jahre 1956 in das Zollgesetz aufgenommen worden. Die Anregung dazu ging von damaligen Angehörigen des Bundestages aus. Das Motiv dafür war, den zwischenstaatlichen Programmaustausch zwischen den Rundfunkanstalten zu erleichtern. Damals sah der Bundestag darin keine Benachteiligung privater Filmimporteure.
Die Bundesregierung sieht vorerst keinen Anlaß, von dieser Auffassung abzuweichen. In diesem Zusammenhang darf darauf
*) Siehe 125. Sitzung, Seite 6324 C
hingewiesen werden, daß die Filmverleiher, die die inländischen Lichtspieltheater versorgen, aus dem Ausland regelmäßig Negative oder Zwischenpositive einführen, die schon nach dem Zolltarif zollfrei sind.
Die in den Fragen zwei und drei angesprochene Zollvergünstigung muß nicht erst eingeführt werden. Sie besteht schon. Waren, die zur Ansicht oder zum ungewissen Verkauf eingeführt werden und im Zollgebiet nicht abgesetzt werden können, sind zollfrei, wenn sie wieder ausgeführt werden. Diese Zollfreiheit, die sich aus § 64 der Allgemeinen Zollordnung ergibt, gilt auch für Filme.
Dann darf ich im Namen des Hauses den Herrn Präsidenten des Aktionskomitees für die Vereinigten Staaten von Europa, Herrn Jean Monnet, begrüßen.
({1})
Wir treten nun in die Tagesordnung ein.
Ich rufe den Punkt 6 der Tagesordnung auf:
a) Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung
b) Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP betr. Entschließungen des Aktionskomitees für die Vereinigten Staaten von Europa
- Drucksache V/2157 -
c) Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Griechenland
- Drucksache V/1989 Das Wort zu einer Erklärung der Bundesregierung hat der Herr Bundesminister des Auswärtigen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Heute sind es auf den Tag zehn Monate, seit die Regierung der Großen Koalition vor dem Deutschen Bundestag jene Regierungserklärung abgegeben hat, die ihre Richtschnur ist und bleibt. Es gibt keinen Grund, die Politik des Friedens, der Entspannung und der Kooperationsbereitschaft zu ändern, die im vergangenen Dezember festgelegt worden ist. Es ist eine Politik, die die Regierung geschlossen vertritt.
Meine heutige Erklärung wird sich auf die Europapolitik konzentrieren. Vorweg möchte ich jedoch einige Bemerkungen zum Thema der Nichtverbreitung von Atomwaffen machen.
Hier im Bundestag ist im Frühjahr eine Grundsatzdebatte über den sogenannten Atomwaffen6332
Sperrvertrag geführt worden. Seither ist der Genfer Abrüstungskonferenz bekanntlich der Bleichlautende Entwurf eines solchen Vertrages durch die beiden Kopräsidenten, also die Vertreter der USA und der UdSSR, vorgelegt worden. Ausgespart wurde dabei jener Artikel, der sich mit den Kontrollen befaßt. Darüber sind Verhandlungen und Konsultationen im Gange.
Was die besonderen europäischen Aspekte angeht, stehen noch in diesem Monat wichtige Erörterungen bevor. Im übrigen hat der Gang der Genfer Konferenz nichts ergeben, was die Bundesregierung veranlassen könnte, ihre Haltung zu revidieren. Das heißt, die Bundesrepublik Deutschland nimmt zur Nichtverbreitung von Atomwaffen weiterhin eine konstruktive Haltung ein. Sie ist für einen Vertrag, der weltweit annehmbar ist. Dabei darf die zivile Nutzung der Kernenergie nicht behindert, sondern sie sollte gefördert werden. Es muß zu möglichst ausgewogenen Vertragsverpflichtungen kommen. Der Zusammenhang mit weiterreichenden Maßnahmen auf dem Gebiet der Rüstungskontrolle und Rüstungsbegrenzung muß deutlich werden. Die Anpassung an die wissenschaftlich-technische Entwicklung darf nicht erschwert werden. Schließlich darf ein solcher Vertrag die Sicherheit nicht beeinträchtigen. Es hat sich gezeigt, daß wir es im Grunde nicht mit spezifisch deutschen Gesichtspunkten zu tun haben.
Der Vertrag ist, wie man weiß, auch jetzt noch nicht unterschriftsreif. Er kann deshalb auch noch nicht abschließend beurteilt werden. Man kann davon ausgehen, daß die Diskussion sich im Laufe der nächsten Wochen zu den Vereinten Nationen - zur Generalversammlung - nach New York hin verlagern wird. Eine zusätzliche Problematik hat sich aus der Entwicklung von - wenn auch begrenzten - nuklearen Raketenabwehrsystemen ergeben.
Nun komme ich zu unserer Europapolitik. Ich wende mich zunächst dem Teilgebiet zu, das in diesen Monaten besondere Aufmerksamkeit auf sich lenkte, also unsere Ostpolitik. Sie hat im Westen und in der neutralen Welt viel Beachtung gefunden. Der Bundesregierung liegt daran, von dieser Stelle aus all den Repräsentanten befreundeter Staaten zu danken, die unsere Politik der Friedenssicherung, der Aussöhnung und der sachlichen Zusammenarbeit geduldig erklärt und verständnisvoll gefördert haben.
({0})
Es ist das Ergebnis unserer Bemühungen und der Unterstützung unserer Freunde, daß niemand mehr glaubwürdig ist, der behauptet, die Bundesrepublik Deutschland sei ein Störenfried oder ein Hindernis der Entspannung. Hier haben wir es mit einer echten Klimaveränderung zu tun. Die Vorwürfe, die Bundesregierung bereite eine Aggression vor, sie sei imperialistisch, sie gefährde den Frieden - und was es dergleichen noch gibt -, diese Vorwürfe gehen ins Leere. Wer sich steigert, wird dadurch nur noch unglaubwürdiger. Keine Propaganda kann die Tatsache aus der Welt schaffen, daß die Bundesrepublik Deutschland bereit ist, mit allen Staaten Ost- und Südosteuropas ihre Beziehungen zu normalisieren, die Beziehungen zur Sowjetunion auszubauen und zu verbessern und die Problematik des geteilten Deutschlands dabei keineswegs auszuklammern.
Wir werden ein Stadium erreichen, in dem es noch offensichtlicher sein wird, als es heute schon ist, daß es allein vom guten Willen der Führungen in den östlichen Machtzentren abhängt - und nicht von der Haltung der Bundesregierung -, ob durch praktische Fortschritte, durch Verträge, Abkommen oder Übereinkünfte die Entspannung in Europa vorangebracht werden kann. Daß die Bundesregierung dazu bereit ist, daß sie bereit ist, sich beim Wort nehmen zu lassen, ist eine Realität, an der man auf die Dauer auch in Ostberlin nicht wird vorbeigehen können.
Die Bundesregierung hat allen Grund, an ihrer Politik der konstruktiven Bereitschaft mit Geduld festzuhalten, keinen Illusionen nachzujagen, sich aber auch durch keinerlei Störmanöver von dieser Politik abbringen zu lassen. Es wird wichtig sein, wenn der Deutsche Bundestag, so wie dies durch die Zustimmung zur Regierungserklärung vom 13. Dezember 1966 geschah, diese Politik weiterhin in großer Einmütigkeit unterstützt.
Meine Damen und Herren, über die Interdependenz zwischen der Ostpolitik und den innerdeutschen Fragen sind wir uns sicherlich im klaren. Die Bundesregierung bleibt bemüht, das Verhältnis der beiden Teile Deutschlands zueinander und zur Außenwelt mit der allgemeinen, wenn auch schwierigen Entwicklung zur Entspannung in Einklang zu bringen. Die beiden Briefe von Bundeskanzler Kiesinger an Herrn Stoph beweisen das; sie stellen keine Vorbedingung. Auch zwischen den beiden Teilen Deutschlands können, wie das im größeren Zusammenhang zwischen Ost und West gilt, nur dann Fortschritte erzielt werden, wenn mögliche Übereinkünfte auf Gebieten gemeinsamer Interessen nicht durch unerfüllbare Vorbedingungen verhindert werden. Die völkerrechtliche Anerkennung der DDR kommt für uns nicht in Frage; sie ist kein Verhandlungs- und Gesprächsgegenstand.
({1})
Die Bundesregierung ist aber bereit, mit den nun einmal zuständigen Stellen die innerdeutschen Beziehungen zu verbessern und jene Hindernisse abzubauen, die sich dem menschlichen, wirtschaftlichen und kulturellen Austausch generell heute entgegenstellen. Die Bundesregierung wünscht gewiß nicht, daß die Menschen im anderen Teil Deutschlands isoliert werden, sondern sie erstrebt, daß alle Deutschen am Austausch und am Fortschritt teilhaben können. Solange wir die einzige Regierung auf deutschem Boden sind, die vom Volk in freien Wahlen gewählt worden ist, ergeben sich für uns besondere Pflichten. Soweit wir dazu in der Lage sind, haben wir uns um die Einheit der Nation zu kümmern und für das Selbstbestimmungsrecht unseres Volkes einzutreten. Wir haben keinen Anspruch darauf erhoben, gegenüber dem anderen Teil
Deutschlands behördliche Macht auszuüben; von uns wird aber auch niemandes Leben bedroht, der von Deutschland nach Deutschland will.
({2})
Wir fühlen uns verpflichtet, unseren Landsleuten
Hilfe und Beistand zu gewähren, wo sie ihrer bedürfen und wo wir in der Lage sind, sie zu leisten.
Meine Damen und Herren, die Beziehungen zur Sowjetunion haben in unseren Überlegungen selbstverständlich einen besonderen Rang. Dies zu betonen, entspricht den Realitäten und der Geschichte. Wir haben der Sowjetunion gesagt, daß wir jederzeit bereit sind, in eine Erörterung aller wesentlichen Fragen unserer Beziehungen einzutreten. Wir sind uns bewußt, daß eine derartige Phase ernsthafter Gespräche Zeit braucht. Wir haben uns auch bereit erklärt, die schneller lösbaren Fragen zunächst zu behandeln. Ich nenne als Beispiele: Wiederaufnahme von Verhandlungen zum Abschluß eines Handelsabkommens, Förderung der deutschsowjetischen Kulturbeziehungen, Abmachungen über technisch-wissenschaftliche Zusammenarbeit - auch auf dem Gebiet der Verwendung von Kernenergie für friedliche Zwecke -, Einrichtung einer direkten Luftverbindung Frankfurt-Moskau. Die Regierung der Sowjetunion weiß, daß wir zum Austausch von Gewaltverzichtserklärungen bereit sind. Selbstverständlich haben wir uns bereit erklärt, auch über Fragen zu sprechen, an deren Erörterung der Sowjetunion liegen sollte. Ich kann dem Hohen Hause mitteilen, daß das Gespräch nicht erst zu beginnen braucht, sondern zu verschiedenen Fragen von gemeinsamem Interesse im Gange ist. Allerdings deutet zunächst leider noch nichts darauf hin, daß eine grundlegende Verbesserung ,der Beziehungen bevorstünde.
Die Bereitschaft der Bundesregierung, die Beziehungen zu den Staaten und den Völkern Ost- und Südosteuropas zu verbessern, ist weithin registriert worden und gilt unvermindert. Ich bekräftige: Wir wünschen aufrichtig Aussöhnung und Entspannung mit jedem dieser Völker und Staaten. Diese Politik entspricht unseren Bemühungen um die Sicherung des Friedens in Europa und soll dazu beitragen, die Voraussetzungen für eine europäische Friedensordnung zu schaffen. Die Bundesregierung ist bereit, zu jedem dieser Staaten ihre Beziehungen in dem Maße zu entwickeln, in dem die Regierung dieses Staates ihrerseits dazu bereit und in der Lage ist.
Uns geht es nicht nur um formale, sondern vor allem um praktische Fortschritte.
Sie wissen, meine Damen und Herren, daß wir im Sommer dieses Jahres mit der Sozialistischen Volksrepublik Rumänien Botschafter ausgetauscht haben. Anfang August ist ein Abkommen über die Zusammenarbeit im technisch-wissenschaftlichen Bereich unterzeichnet worden. Verhandlungen für die Vertiefung der Wirtschaftsbeziehungen stehen unmittelbar bevor. Die Gespräche, die ich im August in Bukarest und am Schwarzen Meer führen konnte, haben einen freimütigen politischen Dialog eingeleitet, den wir fortsetzen möchten und der der Entspannung zwischen Ost und West und damit auch anderen. Völkern zugute kommen kann. Unsere Beziehungen zu Rumänien bieten ein Beispiel für wirklichkeitsnahe Zusammenarbeit, die eine tragfähige Brücke schlägt über unterschiedliche politische Auffassungen hinweg.
Mit der Tschechoslowakischen Sozialistischen Republik ist Anfang August ,ein Abkommen über den Austausch von Handelsvertretungen und ein Abkommen über den Waren- und Zahlungsverkehr unterzeichnet worden. Damit haben die beiden Länder zum erstenmal amtliche Beziehungen aufgenommen, die die Bundesregierung als einen Übergang zur Normalisierung der Beziehungen betrachtet. Wir messen dem Verhältnis zu dem einzigen unmittelbaren kommunistischen Nachbarstaat der Bundesrepublik Deutschland besonderes Gewicht bei und hoffen, daß ,die beiden Handelsvertretungen noch in diesem Jahre, und zwar möglichst wenig restriktiv, mit ihrer praktischen Arbeit beginnen können.
Die Bundesregierung bedauert, daß die deutschpolnischen Beziehungen noch nicht verbessert werden konnten. Unser erklärtes Verständnis für den Wunsch des polnischen Volkes, in gesicherten Grenzen zu leben, ist vom Aussöhnungswillen diktiert. Wir haben ebenso offen gesagt, daß nur in einem Friedensvertrag über die Grenzfrage entschieden werden kann. Aber es gibt keinen vernünftigen Grund, der einer Verbesserung der bilateralen Beziehungen und einem ernsthaften deutsch-polnischen Gespräch im Wege stehen könnte.
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Wir haben den Eindruck, daß die Regierungen Ungarns und Bulgariens unseren Wunsch nach verbesserten Beziehungen teilen, daß sie jedoch aus Gründen, über die ich nicht Spekulationen anstellen will, die Zeit für die Aufnahme diplomatischer Beziehungen noch nicht für gekommen halten. Wir respektieren diese abwartende Haltung, wir drängen niemanden und hoffen, daß die wechselseitigen Interessen unserer Staaten zu einer fortschreitenden Annäherung führen werden.
Das blockfreie Jugoslawien ist ein in Ost und West geachtetes Mitglied der europäischen Staatengemeinschaft. Es ist der Wunsch der Bundesregierung, gerade mit diesem Land Beziehungen wieder völlig zu normalisieren, und wir hoffen, daß die damit verbundenen rechtlichen bzw. politischen Schwierigkeiten überwunden werden können. Inzwischen üben die deutschen und jugoslawischen Stäbe bei ,den Schutzmachtvertretungen ohne formelle Änderung ihres Status praktisch die Aufgaben selbständiger Missionen aus. Die faktischen Beziehungen haben sich zufriedenstellend entwickelt. Verhandlungen über den Abschluß eines langfristigen Warenabkommens, über Gastarbeiter und über kulturelle Fragen sind vorgesehen.
Dies ist eine Zwischenbilanz, die ich nicht negativ nennen würde. Dabei ist es wichtig zu wissen, daß unsere eigenen Bemühungen eingebettet sind in Überlegungen der westlichen Gemeinschaften, zu denen wir gehören. Ich denke hier vor allem auch an die Vorarbeiten zu Elementen einer europäischen Friedensordnung, an denen wir mitwirken, und an
Vorschläge für bessere Konsultationen und Koordinierung in Ost-West-Fragen, die wir angeregt haben und begrüßen.
Meine Damen und Herren, Aussöhnung und Zusammenarbeit, wie wir sie mit den osteuropäischen Völkern anstreben, sind in Westeuropa bereits eine Tatsache geworden. Die Politik der wirtschaftlichen und politischen Einigung Europas ist ein wesentliches Element für die Organisierung des Friedens in unserer Welt.
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Die Zusammenarbeit und Einigung Europas ist gegen niemanden gerichtet. In einer gefährlichen Zeit und einer zerstrittenen Welt sollte sie vielmehr ein Beispiel dafür sein, wie die Völker durch friedliches Zusammenwirken zu Wohlstand und Sicherheit gelangen können.
Wir können mit Genugtuung fesstellen, daß ,die europäischen Gemeinschaften seit der Bundestagsdebatte vom 22. Februar dieses Jahres Fortschritte gemacht haben. Die Verschmelzung der drei Organe der europäischen Gemeinschaften ist ein erster Schritt zur Vereinfachung und Rationalisierung der Arbeit. Die Gemeinsame Kommission unter der Leitung des Präsidenten Jean Rey findet das volle Vertrauen und die Unterstützung der Bundesregierung. Bei idieser Gelegenheit liegt mir daran, als Bundesminister des Auswärtigen und zugleich für die Bundesregierung zu sagen, mit welcher Wertschätzung wir uns der bahnbrechenden Aktivität Professor Hallsteins erinnern.
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Wir freuen uns mit ihm, wenn ihm morgen in Metz die Robert-Schumann-Medaille verliehen werden wird.
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Meine Damen und Herren, auch der erfolgreiche Abschluß der Kennedy-Runde ist ein Erfolg für die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft. Sie ist dabei als Gemeinschaft aufgetreten und hat wesentlich zum Gelingen dieser überaus wichtigen Verhandlungen beigetragen.
Die Beitrittsanträge Großbritanniens, Irlands, Dänemarks und Norwegens sowie der Antrag Schwedens bestätigen die bisherige erfolgreiche Entwicklung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft. Sie stellen uns und andere aber auch vor eine der großen Optionen der europäischen Politik: Soll und darf der Graben, der westeuropäische Länder voneinander trennt, erhalten bleiben? Sollen und dürfen europäische Staaten mit demokratischer Tradition und wirtschaftlicher Maturität vom europäischen Einigungswerk ausgeschlossen bleiben? Wir haben in der Regierungserklärung vom 13. Dezember 1966 gesagt - ich darf zitieren -:
Die Gemeinschaft der Sechs soll allen europäischen Staaten offenstehen, die sich zu ihren Zielen bekennen. Besonders würden wir eine Teilnahme Großbritanniens und anderer EFTA- Länder begrüßen.
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Diese grundsätzliche Orientierung ist für uns maßgebend gewesen. Deshalb stimmt die Regierung auch dem zu, was die drei Fraktionen dieses Hohen Hauses durch ihre Entschließung anstreben. Wir haben gegenüber niemandem ein Hehl daraus gemacht, daß der Beitritt Großbritanniens und anderer EFTA-Länder im deutschen Interesse liegt, wirtschaftlich und politisch, aber wir haben nicht versäumt, alle sich im Zusammenhang mit dem Beitritt dieser Länder zu den europäischen Gemeinschaften stellenden Probleme sorgfältig zu prüfen. Wir kamen zu dem Ergebnis - und alle interessierten Ressorts waren an dieser Prüfung beteiligt -, daß diese Probleme sich mit jenem Maß guten Willens lösen lassen, mit dem wir uns bereits an den Verhandlungen beteiligt haben, die seinerzeit zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft führten.
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Inzwischen liegt auch die Stellungnahme der Kommission der europäischen Gemeinschaften zu diesen Anträgen vor. Das Hohe Haus wird hoffentlich verstehen, daß ich kurz vor der Debatte im Ministerat über dieses Dokument mir eine gewisse Zurückhaltung auferlegen muß. Soviel kann jedoch gesagt werden: Die Stellungnahme der Kommission gibt ein umfassendes Bild der Probleme, die sich im Laufe der Beitrittsverhandlungen stellen werden. Die Bundesregierung kann sich dem Grundsatz der Kommission anschließen, daß neu beitretende Staaten den Vertrag in seiner heutigen Form und die bisher ergangenen Entscheidungen annehmen müssen. Sie müssen auch bereit sein, sich die allgemeinen Zielsetzungen der europäischen Gemeinschaften für die Zukunft zu eigen zu machen. Mit der Kommission sind wir der Meinung, daß die mit einem Beitritt verbundenen wirtschaftlichen Probleme lösbar sind, wenn ein positiver politischer Entschluß der Mitgliedstaaten der europäischen Gemeinschaften erst einmal zu Verhandlungen geführt haben wird. Die in dem Dokument der Kommission analysierten Probleme, darunter so schwierige Probleme wie die Agrarfrage und die Währungsfrage, sollten unserer Meinung nach im Gespräch mit Großbritannien und den übrigen beitrittswilligen Ländern geklärt werden, und die Bundesregierung wünscht, daß es bald zu solchen Gesprächen kommt.
({9})
Manchmal ist in der hinter uns liegenden Zeit gefragt worden, was denn die Bundesregierung tue, um die Erweiterung der europäischen Gemeinschaften aktiv zu fördern. Hierzu ist zu sagen, daß der EWG-Vertrag für die Aufnahme neuer Mitglieder Einstimmigkeit vorschreibt. Wir respektieren diese Vorschrift. Wir haben unsere Haltung in den Organen der Gemeinschaft und in bilateralen Konsultationen und Besprechungen klargemacht. Wir meinen, daß die historische Gelegenheit, auf dem Wege nach Europa voranzukommen, nicht versäumt werden darf.
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Wir gehen dabei - ich sage es mit anderen Worten noch einmal - von der Erwartung aus, daß die Antragsteller bereit sind, an einem einigen, an einem zunächst sich einigenden Europa ohne Vorbehalte mitzuwirken. Die Antragsteller werden verstehen, daß die Sorge um die Erhaltung des Geschaffenen legitim ist und eine ernsthafte Prüfung verdient. Wir haben die Argumente der französischen Regierung nicht auf die leichte Schulter genommen, sondern halten unsere guten Dienste bereit, um zu einem Ausgleich der noch stark divergierenden Auffassungen beizutragen.
Es muß allerdings auch die Frage gestellt werden, welche Lage in Europa eintreten würde, wenn die Erweiterung der europäischen Gemeinschaften nicht gelänge.
({11})
Es wäre bestimmt keine einfache Lage. Es ist auch nicht zu verkennen, daß die wirtschaftliche Auseinanderentwicklung im westlichen Europa für verschiedene Länder schon jetzt ernste Probleme geschaffen hat. Das uns befreundete Dänemark wird hierdurch beispielsweise besonders betroffen, und der Bundeskanzler und der Bundesminister des Auswärtigen gleichermaßen möchten, daß unsere dänischen Nachbarn und andere wissen, daß wir es wissen.
({12})
Neben dem inneren Ausbau der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft zur Wirtschaftsunion und der soeben erörterten Erweiterung der Gemeinschaften wird auch die Verschmelzung der drei europäischen Gemeinschaften auf die Tagesordnung kommen. Ich meine, wenn unsere Partner den Vorschlägen des deutschen Ratspräsidenten folgen, wird der Beitritt Großbritanniens und der übrigen EFTA- Länder dadurch nicht erschwert, sondern erleichtert werden.
Meine Damen und Herren, bevor ich mich zu den übrigen Punkten im Antrag der drei Fraktionen äußere, möchte ich einige Bemerkungen machen dürfen zu jenem Antrag der Fraktion der Sozialdemokratischen Partei, der sich mit Griechenland befaßt. Die Bundesregierung würde es begrüßen wenn sie sich dazu im einzelnen vor dem Ausschuß äußern könnte.
Es ist im übrigen nicht pharisäerhaft und es entspringt auch keiner Neigung zur Einmischung in die Angelegenheiten eines anderen, ja befreundeten Landes, wenn wir sagen: die Entwicklung in Griechenland hat uns mit großer Sorge erfüllt. Mit dieser Entwicklung meine ich die Aufhebung von Grundrechten und die Abkehr von der Demokratie. Im Ministerkomitee des Europarates wird die Bundesregierung über das Ergebnis der Ermittlungen und das Votum der Kommission für die Menschenrechte mit zu entscheiden haben, die dem Ministerkomitee als Ergebnis der von Schweden, Norwegen, Dänemark und Holland eingeleiteten Beschwerde gemäß Artikel 24 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte Anfang 1968 vorliegen werden. Uns geht es dabei um nichts anderes als Menschlichkeit, Rechtsstaatlichkeit und Demokratie, damit aber auch um die damit verbundene Glaubwürdigkeit von Organisationen, an denen wir beteiligt sind.
({13})
Die Bundesregierung kennt die Erklärungen, die der König von Griechenland über die Rückkehr zu rechtsstaatlichen Verhältnissen abgegeben hat. Gerade die traditionelle Freundschaft zum griechischen Volk läßt uns wünschen, daß dieser Prozeß nicht lange auf sich warten lassen und gut verlaufen möge.
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Meine Damen und Herren, ich darf zu den europäischen Gemeinschaften zurückkehren. Sie haben, wie wir wissen, beachtliche Erfolge aufzuweisen. Wenn aber Europa seine wirtschaftliche Wachstumsrate und Konkurrenzfähigkeit auf dem Weltmarkt aufrechterhalten will, so müssen auf einigen technologischen Gebieten, die für die Entwicklung moderner Industriezweige von entscheidender Bedeutung sind, größere Fortschritte gemacht werden. Noch Ende dieses Monats wird der Ministerrat der Gemeinschaften die Probleme der technologischen Zusammenarbeit in Europa eingehend erörtern. Die Bundesregierung wird dabei initiativ werden und geeignete Vorschläge unterbreiten.
Wir begrüßen es, daß der Antrag der drei Fraktionen auch eine Entschließung des Aktionskomitees für die Vereinigten Staaten von Europa über die Gestaltung der technologischen Entwicklung der europäischen Gemeinschaften enthält. Die Bundesregierung ist der Ansicht, daß der Ministerrat beschließen sollte, die bereits begonnenen Arbeiten zur Schaffung der für Forschung und Entwicklung notwendigen Rahmenbedingungen beschleunigt fortzusetzen. Insbesondere sollten gefördert werden die Steuerharmonisierung, das europäische Patent- und Gesellschaftsrecht und die Liberalisierung des Kapitalverkehrs als notwendige Rahmenbedingungen. Außerdem sollte geprüft werden, ob vorrangig auf folgenden Gebieten Möglichkeiten der Zusammenarbeit bestehen: Informationsverarbeitung und -verbreitung, Umweltbelästigung, Ozeanographie, Entwicklung neuer Werkstoffe und Verkehrsmittel und Meteorologie.
Im engen Zusammenhang damit stehen unsere Bemühungen, zu einem realistischen dritten Forschungsprogramm von Euratom zu kommen. Daß der Beitritt Großbritanniens mit seinem beachtlichen Potential bei den Bemühungen, den technologischen Rückstand Europas zu vermindern, eine wesentliche Bedeutung haben würde, liegt auf der Hand. Der Sinn der europäischen Einigung liegt, so meine ich, auch darin, daß unser Kontinent rasch und zielstrebig Anschluß gewinnt an die Dimensionen des 21. Jahrhunderts.
({15})
Wenn die europäischen Gemeinschaften sich weiterhin so ausweiten und entwickeln, wie die Bundesregierung es wünscht, so wird ihre, der Gemeinschaften, Rolle in der Welt, so wird Europas Rolle in der Welt wirtschaftlich und politisch gestärkt werden. Die engen Beziehungen zu den Vereinigten
Staaten, die auf dem Gebiet der Handelspolitik schon in der Kennedy-Runde hergestellt wurden, werden auf andere Gebiete ausgedehnt werden können. Die Vision eines selbständigen Europa, das mit einer Stimme spricht und ebenbürtig neben die Vereinigten Staaten tritt, kann dann Wirklichkeit werden.
Im übrigen sind die Beziehungen zwischen den Vereinigten Staaten und den europäischen Gemeinschaften heute schon recht eng. Ein amerikanischer Botschafter ist bei den Gemeinschaften akkreditiert. In der OECD, im GATT und im Internationalen Währungsfonds geht eine wenig spektakuläre, aber wirkungsvolle Zusammenarbeit vor sich. Die Bundesregierung ist dafür, diese Zusammenarbeit weiter zu intensivieren. Dabei wird auch der Gedanke eines Verbindungsausschusses von Nutzen sein können.
Schließlich - das ist das vierte Element jenes Antrages. der das Hohe Haus heute befaßt - soll die europäische Einigung jener konsequenten und wirksamen Friedenspolitik dienen, durch die die politischen Spannungen zwischen Ost und West beseitigt werden sollen. Alle Bestrebungen, die Gemeinschaften für dieses Ziel nutzbar zu machen, finden die Unterstützung der Bundesregierung. Sie ist überzeugt, daß die Zusammenarbeit, zu der sich die westeuropäischen Völker bereit gefunden haben, auch für die Beziehungen zwischen Ost- und Westeuropa von Bedeutung sein wird. Die europäische Einigung ist nicht nur kein Hindernis für den Ausgleich der Interessen, sondern sie wird sich als ein fördernder und als ein stabilisierender Faktor erweisen.
Auch die Sowjetunion und die anderen osteuropäischen Länder sind gut beraten, wenn sie die Europäischen Gemeinschaften realistisch einschätzen. Die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit einer, zumal sich erweiternden Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft mit einer optimalen Koordinierung der Osthandelspolitik wird den osteuropäischen Ländern ihr wohlverstandenes Interesse an einem sich ausdehnenden Ost-West-Handel noch klarer vor Augen führen. Wir denken dabei auch - wie in dem vorliegenden Antrag ausgeführt ist - an einen verstärkten Austausch technologischer Kenntnisse. Gerade hier bietet sich für die Ost-West-Zusammenarbeit ein Feld an, das für den Frieden und die Wohlfahrt der europäischen Völker von entscheidender Bedeutung ist.
Für die Bundesregierung besteht kein Gegensatz zwischen ihren Bemühungen um die Einigung der westeuropäischen Länder und den Bemühungen um Zusammenarbeit mit Osteuropa. Nach wie vor handelt es sich darum, daß die Europäischen Gemeinschaften wirtschaftlich und politisch gestärkt werden. Aber die durch die Einigung vergrößerte Potenz soll dem Dialog zwischen West- und Osteuropa dienen mit dem Ziel, über die unterschiedlichen Systeme hinweg eine auf gesunden Interessen beruhende Zusammenarbeit einzuleiten.
Was die politische Zusammenarbeit und Einigung in unserem Europa angeht, so sind unsere Erwartungen im Vergleich zu den unmittelbaren Nachkriegsjahren gedämpft worden. Wir werden für eine solche Entwicklung zur politischen Einheit größere Zeiträume zugrunde legen müssen. Gleichwohl ist die Bundesregierung der Überzeugung, daß die mit der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft unwiderruflich gewordene Entwicklung eines Tages in eine vertragliche Form der politischen Zusammenarbeit Europas münden wird.
({16})
Dieser Prozeß wird nicht so perfektionistisch verlaufen, wie es von manchen erhofft worden ist; aber er wird auch nicht die Eigenart der europäischen Völker auslöschen, wie es von anderen befürchtet wird.
Die Zusammenarbeit und Einigung Europas entspricht der Logik unserer Zeit, der sich auf die Dauer keiner entziehen kann. Nur durch die Zusammenfassung der begrenzten Kräfte der einzelnen Völker können wir Europa einen guten Platz in der Welt von morgen sichern. Nur auf diese Weise können wir seiner, Europas Stimme gebührend Gewicht verschaffen. Nur auf diesem Wege werden wir Europäer imstande sein, für die Bewahrung des Weltfriedens und die Wohlfahrt der Völker volle Mitverantwortung zu übernehmen.
Meine Damen und Herren! Nach Jahren der Stagnation hat die Gipfelkonferenz in Rom vom vergangenen Mai den Gedanken der europäischen politischen Zusammenarbeit wiederbelebt. Die Bundesregierung hofft, daß es bald zu einer weiteren Konrenz dieser Art kommen wird. Im übrigen nehmen wir jede Gelegenheit wahr - sei es 'im Rahmen des Europarats, der Westeuropäischen Union oder der Europäischen Gemeinschaften -, um mit unseren Kollegen aus den anderen Ländern einen laufenden Gedankenaustausch zu pflegen.
Zum Schluß, meine Damen und Herren, möchte ich nicht versäumen, hier einmal die Arbeiten der verschiedenen europäischen parlamentarischen Gremien zu würdigen und ihren besonderen Wert für die europäische Politik herauszustellen. Ich weiß, daß diese Arbeiten für zahlreiche Mitglieder dieses Hohen Hauses mit Mühen und zusätzlichen Belastungen verbunden sind. Aber die europäische Politik der Regierungen muß Stückwerk bleiben, wenn sie nicht von den Völkern getragen wird, die in den europäischen Parlamenten vertreten sind.
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Die Bundesregierung ihrerseits ist jedenfalls entschlossen, auf dem hier dargelegten Weg weiterzugehen. Im übrigen stehen wir gern für weitere Beratungen in den Ausschüssen zur Verfügung, wenn das Hohe Haus dies wünschen sollte.
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Daß das Haus in eine Beratung dieser Erklärung der Bundesregierung einzutreten wünscht, ist wohl selbstverständlich.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Barzel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bundestagsfraktion der CDU/CSU begrüßt die Gelegenheit zu dieser Aussprache über die auswärtige Politik. Wir sehen in der Erklärung des Herrn Bundesministers des Auswärtigen einen guten Überblick über die Lage, die Fortschritte und die Absichten der Politik der Bundesregierung. Wir werden uns auch unsererseits möglichst auf die Punkte beschränken, die der Herr Bundesaußenminister in seiner Regierungserklärung angesprochen hat.
Ich möchte .deshalb erstens auch ein paar Worte zu den europäischen Dingen sagen, dabei allerdings im Westen beginnen.
Durch ,die Politik der europäischen Vereinigung gelang - und dies bleibt festzuhalten - die Aussöhnung mit unseren Nachbarn im Westen, Süden und Norden. Wir sind nun gleichberechtigt. Die Menschen in ganz Europa spüren, daß dies ein lohnender und guter Weg war. Der Lebensstandard im freien Teil Europas ist gestiegen; die Arbeitnehmer wie ,die Unternehmer und die Unternehmen genießen Freizügigkeit. Der größere Gemeinsame Markt macht die Höhen und Tiefen der Konjunkturverläufe weniger dramatisch. Er fördert die wirtschaftliche, die soziale und ,die politische Verflechtung. Eine Jugend wächst heran, die im Bewußtsein europäisch ist, deren Probleme ähnlich sind wie ihr Geschmack und die miteinander Grenzen für altmodische Zöpfe hält.
Wir dürfen also sagen, daß sich die EWG bewährt hat und daß sie deshalb in der Art wie in der Methode der Motor bleiben muß. Die sechs Volkswirtschaften der Länder der Gemeinschaft sind nun - wenn auch nach Branchen natürlich sehr unterschiedlich - so verzahnt, daß keiner mehr - ohne den größeren Schaden für sich selbst - alles wieder rückgängig machen könnte.
({0})
Wenn ich ein Bild gebrauchen darf: aus sechs Eiern
ist ein Omelett geworden, und daraus macht niemand mehr sechs Eier, meine Damen und Herren.
({1})
Wenn dies so ist und weil dies so ist, sind wir veranlaßt, auch politisch Rücksicht aufeinander zu nehmen. Und so erinnern wir daran, daß wir früher in diesen Einigungsprozeß manche Vorleistung bewußt eingebracht haben. Wir haben uns nie versagt, wenn einer einen Wunsch hatte oder ein Gespräch erbat. Nun wünschen wir etwas. Wir haben den Wunsch und die Bitte, daß - und zwar bald - solide Sachgespräche der Gemeinschaft mit den beitrittswilligen Ländern Europas aufgenommen werden..
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Meine Damen und Herren, hier ist durch den Herrn Bundesminister des Auswärtigen auf die Regierungserklärung hingewiesen worden; sie ist zitiert worden. Wir stimmen dem unverändert zu. Auch wir wissen, daß die durch diese Beitrittsgesuche aufgeworfenen Probleme schwierig sind. Deshalb muß man darüber sprechen, und wir erwarten, daß niemand vor der Tür oder vor dem Runden Tisch solcher Sachgespräche ein Nein sagt.
Wir hatten aus anderem Anlaß im vergangenen Jahr Gelegenheit genommen, in unserer Fraktion einen Beschluß zur europäischen Politik zu fassen, um unsere Position zu verdeutlichen. Ich möchte das hier noch einmal in Erinnerung bringen. Wir haben am 8. September 1966 folgendes beschlossen, was für uns' fortgilt; aber ich hätte es gern auch im Protokoll dieser Debatte:
Die politische Einigung der Staaten des Gemeinsamen Marktes mit offener Tür für den Beitritt anderer Staaten zu gleichen Bedingungen ist die Voraussetzung für die Lösung der großen Lebensfragen des europäischen Kontinents und eine Vorbedingung für seine politische, wissenschaftliche, technische und wirtschaftliche Stellung in der Welt der Zukunft. Es gibt auch keine bessere europäische Sicherheitspolitik als die konsequente Arbeit für die Einheit Europas.
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Dies wollten wir heute noch einmal dartun, meine Damen und Herren.
Nun liegt uns - und es ist veröffentlicht worden - das Papier der Europäischen Kommission zu diesen Fragen vor. Diesem Papier kann jeder unschwer entnehmen, daß kein leichter Weg vor uns liegt. Die Fragen der verschiedenen Beitritte und der nuancierten Gesuche etwa auch anderer sind sachlich schwierig und nicht allein durch die rechte Einstellung zu Beginn zu lösen. Aber es muß darüber gesprochen werden, und zwar muß so offen, so klar und so ohne Schönfärberei darüber gesprochen werden, wie die Kommission selbst diese Probleme herausgearbeitet hat.
Die Eröffnung solcher Sachgespräche nimmt niemandem etwas von seiner Möglichkeit, abschließend auch politisch zu votieren. Diese Freiheit bleibt. Solche Sachgespräche sind aus einem weiteren Grunde nötig: Die Kommission hat ihrem Bericht keinen endgültigen Charakter geben können, weil auch für sie erst durch Gespräche - auch mit den Beitrittsgesuchstellern - alle Sachverhalte so weit aufgeklärt werden können, daß ein Gesamtbild entsteht, auf Grund dessen ein Gesamturteil möglich wird. Sachliches Urteil erfordert also die Aufnahme der Verhandlungen. Wenn sich daraus am Schluß ein positives Urteil für die einzelnen Bereiche ergeben sollte, bleibt immer noch das Ganze zusammen zu sehen und auch die politische Frage zu stellen.
Hier stimme ich einer Überlegung des Herrn Bundesaußenministers zu. Ich will sie hier nur noch etwas pronocierter darstellen, wie es, glaube ich, Recht und Möglichkeit des Parlaments ist. Gewiß, die Beitritte würden die Qualität der bisherigen Gemeinschaft verändern. Aber es ist doch auch zu fragen: Würde es nicht die Qualität Europas, also nicht nur die Qualität unserer so erfolgreichen Gemeinschaft, die doch nur Teil Europas ist, auch ver6338
ändern, wenn etwa die Beitrittsgesuche zurückgewiesen würden?
({4})
Meine Damen und Herren, eben dies würde - und das sollte niemand übersehen - die Sturktur Europas nicht nur berühren, sondern beeinträchtigen. Dies würde auch nicht ohne langfristige Wirkung auf zahlreiche außenpolitische Fragen sein, die zum vitalen Kreis unserer Probleme gehören.
So stimmen wir erneut zu, wenn die Bundesregierung hier - auch öffentlich - dargetan hat, daß die deutsche Position in diesen Fragen - nicht etwa, weil wir es so wünschen, sondern weil es so ist - ein Stück Mitverantwortung auch für andere Europäer trägt. Der Herr Bundesaußenminister hat - wir begrüßen das - Dänemark ausdrücklich genannt. Er hätte anderes hinzufügen können.
Meine Damen und Herren, ich möchte in dieser europäischen Debatte anmerken - und damit folge ich einer guten Tradition des verehrten Heinrich von Brentano -, daß wir bei all diesen europäischen Entwicklungen gut daran tun, auch den Rang und die Rolle der Neutralen für ganz Europa - für uns und für eine künftige Friedensordnung - im Auge. zu behalten und offen zu sein für das, was die Neutralen zu diesem Thema für sich vorschlagen.
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Meine Damen und Herren, heute wird man weniger Widerspruch ernten, wenn man feststellt: Wir Europäer haben in den 40er und in den 50er Jahren viel Kraft im Methodenstreit verbraucht. Heute wissen wir alle, daß das natürlich wichtig ist. Wichtiger aber ist, daß es weiter vorangeht. Auch pragmatische Entscheidungen und Kompromisse, die durch Fakten das Gemeinsame stärken, helfen weiter.
So frage ich mich: Was soll alles Gerede vom ganzen, vom größeren Europa? Was sollen alle großen Perspektiven einer europäischen Friedensordnung, wenn wir über diesen großen Gedanken vergessen, was wir heute für diese Ziele praktisch tun können?
({6})
Meine Damen und Herren, wir können etwas praktisch tun. Zum Greifen nahe liegt die Chance, einen größeren Markt der Europäer zu organisieren und damit einen weiteren Schritt für das vereinte Europa zu tun und hierbei - ich wiederhole es - auch den Neutralen Verständnis zu erweisen.
Wenn wir ein modernes Land bleiben wollen, müssen wir Europa wollen. Auch wir hoffen und unterstützen das, was in der Regierungserklärung zum Ausdruck gekommen ist, daß eine weitere Konferenz der Regierungschefs - so wie sie von Bundeskanzler Kurt-Georg Kiesinger in Rom angeregt und durch seinen Einfluß verabredet worden ist - bald zustande kommt.
Meine Damen und Herren, wir haben Walter Hallsteins mit Recht durch Applaus gedacht. Ich hoffe, wir alle in diesem Hause und draußen in der Öffentlichkeit stimmen ihm zu in den Worten, die er hierzu sagt und die ich nun zitiere:
Als ohnmächtige Zuschauer verfolgen die Europäer, wie gewaltige Mächte kontinentalen Umfangs der Versuchung ausgesetzt sind, Himmel und Erde untereinander aufzuteilen. Vom Mittelpunkt der Weltpolitik ist Europa an ihre Peripherie gerückt. Sein früheres geistiges Übergewicht wird zum wissenschaftlich-technologischen Untergewicht. Provinzialismus und die Mattigkeit der Sättigung dominieren.
Meine Damen und Herren, das ist ein Ausspruch eines Mannes, der die Verhältnisse kennt.
So meine ich noch einmal, daß nicht nur die Überschrift gilt: Wenn wir ein modernes Land bleiben wollen, müssen wir Europa wollen. Vielmehr brauchen wir auch, wenn all das, was uns in diesem Hause seit über einem Jahr besonders beschäftigt, nämlich die Stärkung der deutschen Wirtschaftskraft, erfolgreich sein soll, den europäischen Impuls und, wenn es gewünscht wird, auch den der altlantischen Zusammenarbeit.
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Wir meinen also - und ich kann mich hierzu kürzer fassen, als ich dachte, weil die Erklärung des Herrn Außenministers zu dem gemeinsamen Antrag bereits sehr präzis war -, daß es an der Zeit ist,
1. die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft zügig und kraftvoll durch volles Ausschöpfen der Möglichkeiten des Vertrages fortzuentwickeln und der technologischen Kooperation Wege zu eröffnen - wir begrüßen insbesondere, was der Herr Bundesaußenminister hierzu gesagt hat -;
2. über die Beitrittsgesuche Großbritanniens, Irlands, Norwegens und Dänemarks bald in solide Sachverhandlungen einzutreten;
3. deutlich zu machen, daß dieses sich vereinigende Europa die Partnerschaft zu den USA sucht - der Bundesaußenminister hat eben ein gutes Wort gefunden; wenn ich es vorher geahnt hätte, hätte ich versucht, es nachzuformulieren, um die Gemeinsamkeit zu unterstreichen, als er von „ebenbürtig" sprach -;
4. scheint es uns an der Zeit zu sein, ebenso deutlich zu machen, daß dieses sich vereinigende Europa offen nach Osten und bereit zur Zusammenarbeit ist.
Wir freuen uns - wie Sie aus dem Antrag ersehen können -, in diesen vier Zielrichtungen völlig einig zu sein mit den Parteien und Gewerkschaften aus den sechs Ländern der Gemeinschaft, die dem Europäischen Aktionskomitee unter dem Vorsitz des hochverdienten Jean Monnet angehören und dort zusammenwirken.
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Meine Damen und Herren, der uns vorliegende Antrag beruht auf einer Absprache in diesem Komitee. Er sollte, wie das die Übung des Hauses ist, im Auswärtigen Ausschuß im einzelnen weiter beraten werden. Lassen Sie mich nur noch eines oder, besser, zweierlei dazu sagen.
Es gibt gelegentlich in Diskussionen mit dem Blick auf den Nahen Osten und auf andere Bereiche der Welt die Frage: Wo bleiben wir, die Europäer? Meine Damen und Herren, seien wir ehrlich: Allein wir selbst enthalten uns Rang und Einfluß in der Welt vor, indem wir uns nicht vereinigen. Kein anderer tut das, nur wir selber.
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Wir haben in der Kennedy-Runde erfolgreich mit einer Stimme gesprochen. Es war ein Erfolg für jeden und für das Ganze zugleich. Ich möchte in diesem Zusammenhang nicht unterlassen, auch +dem Herrn Bundeswirtschaftsminister und dem Herrn Bundesbankpräsidenten ein Kompliment zu sagen für den Erfolg, den sie für die Gemeinschaft durch eine an dem Gemeinschaftsgeist orientierte Haltung bei der Lösung der schwierigen internationalen Währungsprobleme zuletzt in Rio erreicht haben.
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Haben wir nicht- so frage ich zum Schluß dieses
ersten Kapitels -, auch schon in der Zeit unserer Zusammenarbeit, hat nicht auch Frankreich, hat nicht Italien, hat nicht auch Großbritannien in den letzten Jahren zu spüren bekommen, wie eng die Grenzen der Realität für das gesonderte Wirken jedes einzelnen europäischen Landes in dieser Welt heute sind? Nur miteinander haben wir Erfolgschancen in der Welt der Zukunft.
Meine Damen und Herren, der Herr Bundesaußenminister hat den Blick gleich zu Anfang auf das östliche und mittlere Europa geworfen. Auch wir meinen das ganze, wenn wir von Europa sprechen, so wie wir 'das ganze Deutschland meinen. Es sollte die Übung aufhören, daß man glaubt, deutsche Außenpolitik in eine Abteilung West und eine Abteilung Ost trennen zu können. Man muß das zusammen sehen.
Meine Damen und Herren, es ist bekannt, daß wir es - wir haben es zur Einleitung dieses Bundestages für unsere Fraktion im Jahre 1965 gesagt - als die Aufgabe unserer Generation begreifen, die Aussöhnung auch nach Osten zu erreichen. Wir möchten heute, aus einem guten Grunde, wie ich glaube, einen Faden wieder aufnehmen, den Konrad Adenauer am 1. September 1959 zu weben begonnen hat. Er erklärte zu diesem 20. Jahrestag des Ausbruchs ides zweiten Weltkriegs - mit Genehmigung des Herrn Präsidenten möchte ich dieses Zitat hier verlesen, das nicht in die Vergessenheit geraten sollte, weder in der Aussage noch im Datum -:
Die Aufgabe aller Menschen, gleich welchen Glaubens, gleich welcher Farbe, gleich welcher politischen Auffassung muß sein, den Zustand (der Friedlosigkeit und der bewaffneten Angst zu beenden, den gesichterten Frieden in die von Angst erfüllte Welt zurückzuführen, damit sich alle Völker dem wahren inneren und äußeren Fortschritt widmen können.
Ein besonderes Wort aber muß heute dem Volke gelten, das durch den Einfall der Truppen Hitlerdeutschlands und der Sowjetunion das erste Opfer des Krieges geworden ist; ich
meine das polnische Volk. Weit länger als ein Jahrhundert hat dieses sympathische Volk, ohne daß es irgendeine Schuld traf, unter den politischen und kriegerischen Auseinandersetzungen in Europa gelitten; dreimal wurde es zerrissen und geteilt, und vor zwanzig Jahren wurde es das erste Opfer dieses letzten Krieges, als Hitlerdeutschland und die Sowjetunion in das Land einfielen und es grausam zerstörten. Das heutige Deutschland ist ein anderes Deutschland als jenes unter Hitler. ... Darum sage ich aus innerer Überzeugung, daß dieses Deutschland, das neue Deutschland, einmal ein guter Nachbar Polens werden wird. ... Unser Bestreben wird es sein, Verständnis, Achtung und Sympathie zwischen dem heutigen Deutschland und dem polnischen Volk zu begründen, damit auf diesem Boden dereinst eine wahre Freundschaft erwachse.
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Soweit Konrad Adenauer vor vielen Jahren. So lange ist unsere Hand ausgestreckt. Es gibt aktive Ostpolitik eben schon eine ganze Weile.
Ich komme zu dem zweiten Punkt, den auch der Herr Bundesaußenminister berührt hat, zur Frage der Nonproliferation. Unsere Politik bleibt es, das Ziel der Nichtverbreitung nuklearer Waffen in unserer an Spannungsfeldern so reichen Welt anzustreben. Denn wir selbst haben - wie später auch Osterreich - auf die Herstellung von Kernwaffen schon verzichtet und unseren Verzicht auf den Erwerb solcher Waffen mehrfach betont. Wenn es zu einer weltweiten vertraglichen Nichtverbreitungsregelung kommen soll, so ist es natürlich, daß wir uns wie andere Staaten mit vergleichbarer Interessenlage - ich stimme dem zu, Herr Außenminister - bemühen, den Vertrag so zu gestalten, daß seine weltweite Annahme möglich ist, und ihn auch so zu gestalten, daß seine Annahme u n s möglich wird. Ich habe mit Interesse in der Erklärung der Bundesregierung gehört, daß dieser Vertrag noch nicht unterschriftsreif sei.
Für uns ist hierbei das Prinzip der Nichtdiskriminierung von großer Bedeutung. Wir wünschen, daß ein solcher Vertrag, falls er zustande kommt, eine wirkliche Entspannung bewirkt oder mindestens einleitet und nicht zum Ausgangspunkt weiterer Pressionen und Drohungen wird. Die Denkschrift der Bundesregierung vom 7. April 1967 hat zu Recht gerade darauf hingewiesen. Wir wünschen, daß ein solcher Vertrag unsere Entwicklung als Industrienation, welche das Atom ausschließlich friedlich nützt, in keiner Weise behindert; daß er weder die Ansätze eines vereinigten Europas beeinträchtigt noch künftige Stufen weiterer europäischer Zusammenarbeit und Vereinigung ausschließt. In diesen Fragen benötigen wir unzweideutige Gewißheit.
Die Vereinigten Staaten haben sich entschlossen, zu ihrem eigenen Schutz ein Antiraketensystem aufzubauen. Damit ist eine technologische und verteidigungspolitische Entwicklung in Gang gesetzt, deren Konsequenz heute noch nicht zu übersehen
ist. Daß aber das in der Einigung begriffene Europa als selbständiger Faktor von dieser Entwicklung für alle Zeiten ausgeschlossen sein sollte, das ist ein für uns schwer erträglicher Gedanke.
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Diese Frage wird noch eingehend zu prüfen sein.
Was den zivilen Anwendungsbereich des Vertrages anlangt, so begrüßen wir es ausdrücklich, daß die Präambel des Vertragsentwurfs die Kontrolle der friedlichen Nutzung der Kernenergie auf die Wahrung der Vertragszwecke beschränkt, d. h. die Verhinderung der Verwendung spaltbaren Materials für militärische Zwecke.
Im übrigen beobachten wir nicht ohne Sorgen die Verhandlungen über die Schaffung eines gemeinsamen Textes für den künftigen Art. 3. Wir sind an der Erhaltung des Kontrollystems der EURATOM aus verständlichen Gründen interessiert, da eine Spaltung des Gemeinsamen EURATOM- Marktes das Ende der europäischen Atomgemeinschaft bedeuten würde. Was die Verfahrensbestimmungen anlangt, so erscheinen uns die Vorschriften über die künftige Änderung des Vertrages, über die Gestaltung des Rücktrittsrechts und über die Beibehaltung der unbeschränkten Geltungsdauer doch sehr fraglich zu sein. Ein Vertrag von so weitgehender Konsequenz auf technischem und militärischem Gebiet angesichts einer Entwicklung, die so unübersehbar ist, sollte, so meinen wir, in irgendeiner Form eine zeitliche Begrenzung vorsehen.
Ich komme dann zu dem dritten Punkt, zur Ostpolitik. Hier möchte ich aus der Sicht meiner Fraktion einige Klarstellungen geben und einiges sagen, was nicht nur mit der Erklärung der Bundesregierung zu tun hat - damit wir uns gleich recht verstehen -; aber es gibt ja auch eine Debatte draußen, auf die dieses Haus Einfluß zu nehmen hat, wenn es seinem Rang und seiner Verpflichtung entsprechen will.
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Es gab während der Sommerpause nicht nur einige falsche und mehrere bedenkliche Zungenschläge zu ostpolitischen Fragen von mehreren Seiten, sondern auch Spekulationen über die Haltung der CDU/CSU. Es gibt Leute, die nicht müde werden, uns alles mögliche anzudichten. Meine Damen und Herren, wir sitzen nicht im Bremserhäuschen der gesamtdeutschen Politik. Wir sind natürlich behutsam, aber Behutsamkeit ist nicht Angst, wie manche zu verwechseln scheinen, so wie Draufgängertum und Abenteuerlust kein Zeichen für Tapferkeit sind. Wir sagen ja auch zum kalkulierten Risiko, wir sagen nein zu Abenteuern, die uns auf die abschüssige Bahn bringen würden.
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Wir haben nichts gegen Gespräche auch mit den Verantwortlichen in Pankow, wenn das für ,alle Deutschen hilfreich ist. Die Regierungserklärung hat das eindeutig festgelegt. Die Bundesfraktion der CDU/CSU unterstützt die Gesamtpolitik der vom Parteivorsitzenden der CDU, dem Bundeskanzler
Kiesinger, geführten Bundesregierung. Sie ist bereit, die für die Koalition in der Regierungserklärung vom 13. Dezember 1966 verbindlich definierte Politik mitzutragen und mitzugestalten. Wir werden jeden Versuch abwehren, diese Politik zu verwässern oder vom Verabredeten abzuweichen. Wenn eine neue Lage neue Antworten erfordern sollte, so muß man darüber sprechen und gemeinsame Meinungen herbeiführen.
Ich unterstreiche an dieser Stelle aus gutem Grund, was der Herr Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen am 20. September 1967 erklärt hat:
Man kommt nicht umhin, ebenso sachlich wie würdig klarzustellen, was unsere Regierung nicht bereit ist, zu akzeptieren, was keine Aussicht hätte, Verhandlungsgegenstand für unseren Beauftragten zu sein. Solche Punkte sind:
a) die Anerkennung West-Berlins als „selbständige politische Einheit", b) die Anerkennung des anderen Teils Deutschlands als Ausland oder zweiten souveränen Staat deutscher Nation und c) die Anerkennung der Oder-Neiße-Linie als endgültige Grenze gegenüber der Regierung in Ostberlin.
Soweit dieses Zitat, dem wir in aller Form zustimmen.
Wir stimmen auch zu, wenn die Bundesregierung in der Sommerpause im Zusammenhang mit einem bedeutenden Besuch in Polen ihre Position nochmals unterstrichen hat mit dem Satz, den ich auch hier zitieren möchte:
Die Geschichte weist die jetzt unter polnischer Verwaltung stehenden Gebiete seit Jahrhunderten als deutsches Land aus, aus dem die deutschen Bewohner zu Unrecht vertrieben worden sind.
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Meine Damen und Herren, wer eine Lösung für die Zukunft will, darf nicht mit falschen Perspektiven aus der Vergangenheit beginnen.
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Der Herr Bundeskanzler hat Herrn Stoph Vorschläge gemacht, die wir hier unterstützt haben und die wir heute in Erinnerung rufen. Herr Stoph kann es sich offenbar nicht erlauben, die Briefe des Herrn Bundeskanzlers zu veröffentlichen, das ist zu bedauern. Wir begrüßen es - und dies wollen wir für jeden ganz klar machen, der künftig, dann aber wider besseres Wissen, etwas anderes erfindet -, daß Sie, Herr Bundeskanzler, Herrn Stoph rasch, sachlich, korrekt, präzis und klar geantwortet und dabei die politische Mündigkeit und Würde der deutschen Nation unüberhörbar vertreten haben.
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Meine Damen und Herren, wenn soviel von Provisorium gesprochen wird, so kann man darüber nachdenken, aber eins ist kein Provisorium, nämlich diese deutsche Nation. Wenn einige überlegen, ob
die SBZ Inland oder Ausland sei, so sollte man ob all solchen Überlegens nicht vergessen und zunächst betonen, daß auch das Deutschland ist.
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Das, meine Damen und Herren, scheint uns wichtig zu sein. Wir bleiben dabei, daß wir den Menschen im ganzen Deutschland die Not der Teilung erleichtern wollen; hierzu werden wir die Pankower immer wieder bedrängen, und die Regierung hat unsere Unterstützung, wenn wir die Initiative behalten.
Es bleibt aber ebenso unbestreitbar, daß die Lösung der deutschen Frage ein Weltproblem ist. Unsere Außenpolitik steht im Dienst seiner Lösung. Über diese politischen Fragen ist mit Moskau, nicht mit Pankow zu sprechen. Das Gespräch mit Moskau setzt unsere bleibenden Freundschaften mit dem Westen als Basis voraus. Der Herr Bundeskanzler hat diese Konzeption in seiner Rede zum 17. Juni dieses Jahres im einzelnen dargetan. Diese Rede gehört für uns zum essentiellen Bestandteil unserer politischen Aussage.
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Zu dieser Politik gehört Geduld und sehr präzises, stetiges Verfolgen der Vorgänge im anderen Teil Europas und Deutschlands. So vermerken wir mit großem Interesse - ich will einmal einen konkreten Punkt herausnehmen - folgendes: Am 18. Dezember 1965 erklärte Gerhard Kegel, ein wichtiger Mann drüben in Pankow, es gebe „zwei voneinander unabhängige deutsche Nationalstaaten, jeder von ihnen mit einem deutschen Staatsvolk". Ein Textvergleich der Silvesteransprachen Ulbrichts aus den letzten Jahren und Reden aus ähnlichem Anlaß zeigt, daß er von Mal zu Mal immer weniger vom „deutschen Volk" als der Bevölkerung beider Teile Deutschlands gesprochen hat und der Begriff „Volk" immer häufiger allein auf die Bevölkerung der SBZ angewandt wurde. Allein in der letzten Neujahrsansprache sprach Ulbricht fünfmal von „unserem Volk" und den „Völkern beider Staaten", nicht ein einziges Mal vom deutschen Volk und seiner nationalen Einheit. Noch in dem Material der SED zur Vorbereitung ihres letzten Parteitages, dem sogenannten parteiinternen Material, kam Ulbricht mehrfach darauf zu sprechen, daß man von der Vereinigung nicht mehr reden solle. Ich zitiere:
Jetzt von Vereinigung zu reden, heißt die historische Klassenauseinandersetzung durch mystischen Nationalismus ersetzen und das Geschäft der Imperialisten besorgen.
Am 20. Januar 1967 erklärte Albert Norden:
Das Gesetz der Geschichte - das wir in der DDR erfüllten - befiehlt der deutschen Arbeiterklasse, sich selber als Nation zu konstituieren .. .
Die parteiinternen Diskussionen zur Vorbereitung des VII. Parteitages haben Ulbricht dann offenbar doch bewogen, die Frage der nationalen Einheit nicht mehr gar so klein zu schreiben wie beabsichtigt, und so erklärte er auf dem VII. Parteitag:
Eine Einheit der deutschen Nation unter der Führung der Arbeiterklasse ... erstreben wir mit heißem Herzen.
Und nun lesen wir im Brief des Herrn Stoph vom 18. September 1967 die Erwähnung der Einheit der deutschen Nation. Wir sehen also, daß die politische Diskussion in Deutschland das Grundmotiv der nationalen Einheit nicht verloren hat, daß dieses Grundmotiv vielmehr im Jahre 1967 offenbar neuen
Auftrieb erhalten hat, so daß die SED sich gezwungen sieht - entgegen ihrem ausdrücklichen Willen -, die Frage der nationalen Einheit zumindest nicht totzuschweigen.
Meine Damen und Herren, das mag wenig sein; aber wenn wir nicht so genau hingucken, werden wir keinen Schritt weiterkommen. Ich glaube, wir dürfen hier sagen, daß es der Politik der Bundesregierung gelungen ist, der Diskussion um Deutschland innerhalb und außerhalb unseres Landes neuen Auftrieb zu geben.
Diese Diskussionslage zeigt allerdings auch, welch hohen Maßstab die deutsche Gesellschaft an diese Koalition auch insoweit legt, welchen Ansprüchen wir gerecht werden müssen, wenn unser politisches Handeln auf der Höhe der innerdeutschen Diskussion bleiben soll. Meine Damen und Herren, man darf allerdings nicht übersehen, daß die SED zwar gezwungen worden ist, ihr Vokabular auf die innerdeutsche Diskussionslage hin abzustimmen, daß sie jedoch keineswegs von ihrem Deutschlandprogramm abgelassen hat. Für dieses Deutschlandprogramm der SED, das langfristig angelegt ist, sind noch folgende Grundsätze maßgebend; sie ergeben sich auch aus diesem parteiinternen Material: Die deutsche Frage sei seit der Oktober-Revolution Bestandteil der Auseinandersetzung Sozialismus - Imperialismus. Die Deutschlandpolitik der SED ist - jenseits aller Ereignisse der letzten 25 Jahre, jenseits auch aller diplomatischen Bemühungen der fünfziger Jahre, ob uns das paßt oder nicht - noch immer ideologisch angelegt. Seit über 20 Jahren bestehe - so sagt die SED - der Klassenkampf zwischen beiden deutschen Staaten, und eben deshalb sei die Vereinigung nur im Sozialismus möglich. Weiter heißt es: Auch nach einer „Normalisierung" der Beziehungen zwischen zwei deutschen Staaten würden die innerdeutschen Spannungen nicht nachlassen, weil die Widersprüche zwischen beiden deutschen Staaten nach dem Willen der SED antagonistischen Charakter hätten und allein in einer Veränderung der gesellschaftlichen Verhältnisse in der Bundesrepublik Deutschland aufgehoben werden könnten.
Auch dies ergibt sich aus dem Vertragsentwurf, den Herr Stoph beigefügt hat.
Meine Damen und Herren, für den Fall, daß dies dem einen oder anderen zu langatmig-theoretisch war, kann ich dasselbe aus dem Blick in die heutigen Tageszeitungen beweisen. Da ist die Frankfurter Buchmesse. Die Veranstalter haben aus einer Einstellung, die ich begrüße, Verlage aus der SBZ zugelassen. Sie haben eine Großmut bewiesen, die man tolerieren sollte. Aber was haben die Gäste daraus gemacht? Sie haben als erstes eine Schmäh6342
schrift gegen den Bundespräsidenten der Bundesrepublik Deutschland ausgelegt,
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und damit zeigen sie: solange SBZ gleich SED ist, ebensolange heißt dies unversöhnliche, feindliche Aggressivität.
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Dies ist leider die Lage. Auch darum sage ich - und ich freue mich, daß der Herr Bundesaußenminister es auch gesagt hat -, die Anerkennung der SBZ als „DDR" würde mithin die Spannung nicht entschärfen.
Meine Damen und Herren, die rechtlichen und die historischen Argumente gegen die Anerkennung der SBZ als „DDR" sind bekannt. Ich möchte aber heute 'im Hinblick auf die Diskussion draußen im Lande ein paar politische Fragen dazu stellen.
1. Wo läge der Vorteil der Anerkennung für die Berliner? Ich weißt nicht, wie das freie Berlin bleiben könnte, was es ist, falls die SBZ als „DDR" anerkannt würde.
2. Wo läge der Vorteil der Anerkennung für die Deutschen? Wir würden durch Anerkennung jeden Anspruch verlieren, für das Schicksal unseres ganzen Vaterlandes zu wirken. Jeder Versuch, etwas für die Menschen im anderen Teil Deutschlands zu tun, wäre Einmischung in die inneren Angelegenheiten eines anderen Staates.
3. Wo läge der Vorteil der Anerkennung für die Wiedervereinigung? Die Anerkennung würde die Spaltung rechtlich endgültig machen. Wir würden uns damit auch über den Anspruch unserer Landsleute auf Selbstbestimmung hinwegsetzen.
4. Wo läge der Vorteil der Anerkennung für die Entspannung? Anerkennung, meine Damen und Herren, würde eines Status quo fixieren, den die Deutschen nicht wollen, den wir als Unrecht empfinden. Anerkennung würde verhärten, nicht entspannen, würde, wie die Dinge liegen, Rivalität und Fehde zweier Systeme auf deutschem Boden legalisieren.
5. Wo läge der Vorteil der Anerkennung für eine europäische Friedensordnung? Ohne gerechte Ordnung, welche die Völker als solche empfinden und die eben deshalb dauerhaft ist, kommen wir dieser Friedensordnung keinen Schritt näher. Europäische Friedensordnung schaffen heißt: Nicht Gräben zementieren, sondern zuschütten; nicht Spannungen legalisieren, sondern abbauen; nicht Völker teilen oder gegeneinanderführen, sondern zusammen- und zum Miteinander führen. Europäische Friedensordnung heißt zunächst miteinander leben ohne Gewalt. Anerkennung würde Gewalt anerkennen, würde nicht zum Miteinander hin, sondern davon wegführen. Anerkennung bedeutete die Hinnahme des Anspruchs der SED, die Spannung in Deutschland als Klassenkampf zu verewigen, und dies wäre ein negatives Modell für Europa.
6. Wo läge der Vorteil der Anerkennung für die Welt? Die Staaten der Welt dürften kaum ein Interesse haben, unter dem Tarnmantel „DDR" Kommunisten deutscher Zunge Tür und Tor für das Einwirken in ihre Länder zu öffnen. Es kann auch nicht das Interesse freier Länder sein, den Feinden der Demokratie in Europa Legalität zu attestieren und ihre Wirkmöglichkeit in aller Welt zu verbessern.
Mir erschien es wichtig, das hier einmal so zu fragen und zu beantworten, weil wir die Fragen, die von draußen an dieses Haus gestellt werden, auch hier, wie ich glaube, beantworten sollten. Wir stellen für unsere Fraktion fest: die Bundesregierung ist auch ostpolitisch auf dem richtigen Wege. Wir werden diesen Weg unterstützen und nach Kräften fördern.
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Ich möchte noch eine Schlußbemerkung machen, die an das anschließt, was der Herr Bundeskanzler und auch der Herr Bundesaußenminister in der letzten Zeit an die Adresse der Sowjetunion gesagt haben. Dort in Moskau beginnen nun die Feierlichkeiten zum 50. Jubiläum der Sowjetunion. Wir, als Christliche Demokraten, nehmen jeden ernst, der an seine Sache glaubt - auch Marxisten, auch Kommunisten. Nur muß das glaubhaft sein.
Wir lassen für sie gegen uns gelten, daß unser Engagement als Christen durch Taten glaubhaft sein muß, z. B, in der sozialen Politik, im Dienst am Frieden, in Rücksicht auf andere.
Warum ich dies sage? Meine Damen und Herren, nun feiert man in Moskau 50 Jahre Sowjetunion. Nun hören wir wieder, wie man den Kommunismus als den „wahren Humanismus" anpreisen und wie man aus dem neuesten Programm der Kommunistischen Partei der Sowjetunion zitieren wird. Da gibt es dann Sätze wie diesen: „Humanes Verhalten und gegenseitige Achtung der Menschen: Der Mensch ist des Menschen Freund, Kamerad und Bruder." Soweit das Zitat aus dem Programm der KPdSU. Welcher Europäer, der die Mauer in Berlin kennt, kann und wird das glauben? Fällt nicht durch die Wirklichkeit in Deutschland ein Schatten auch auf die Feierlichkeiten in Moskau? Sieht die Sowjetunion nicht, wie sie sich selbst und dem Kommunismus durch die Mauer in Berlin selbst im Wege steht?
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„Wir sind", so heißt es in der Regierungserklärung, „keine leichtfertigen Unruhestifter, denn wir wollen ja gerade den Unruheherd der deutschen Teilung, die auch eine europäische Teilung ist, durch friedliche Verständigung beseitigen und unserem Volk seinen Frieden mit sich und mit der Welt wiedergeben."
Wenn unsere Beharrlichkeit wie unsere Klugheit ausreichen, werden wir diese Ziele in unserer Generation erreichen.
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Das Wort hat der Abgeordnete Scheel.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Erlauben Sie mir, zu Beginn einige Bemerkungen zum Formalen, zur Methode der heutigen Debatte zu machen. Die Debatte leidet für uns wenigstens - etwas darunter, daß wir den Text der Regierungserklärung, ganz gegen die bisherige Gewohnheit, und zwar gegen die Gewohnheit in siebzehn Jahren des Bestehens des Bundestages, erst heute morgen erhalten konnten. Es ist verständlich, daß man eine solche Debatte auch in den Fraktionen vorbesprechen will. Daß das unmöglich gewesen ist, zumindest soweit es den Text der Regierungserklärung angeht, das, glaube ich, werden Sie verstehen. Ich möchte darum bitten, daß in der Zukunft der alte Brauch wieder eingeführt wird, sofern das möglich ist. Ich weiß nicht, ob vielleicht der Hintergrund der verspäteten Übersendung des Textes die Notwendigkeit gewesen ist, in Nachtarbeit die Meinungen der Koalitionspartner auf einen Nenner zubringen.
({0})
Denn eines ist ja richtig: diese Debatte ist auf Grund eines Wunsches der Bundesregierung zustande gekommen, und ich habe für diesen Wunsch Verständnis. Denn es hat sich in den letzten Tagen und Wochen gezeigt, daß es für die Koalition notwendig ist, ihre Position in der Außenpolitik, in der Verteidigungspolitik und in der Deutschlandpolitik hier und vor der deutschen Öffentlichkeit darzulegen.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Frage?
({0}) - Bitte, Herr Abgeordneter Schmidt!
Darf ich gleich zwei Fragen stellen, Herr Scheel. - Ich würde gern wissen; welcher alte Brauch war das, von dem Sie gesprochen haben: Und zweitens Ist Ihnen wirklich entgangen, daß diese Debatte auf Initiative dieses Hauses zustande 'gekommen ist und nicht auf Initiative der Regierung?
Es war, Herr Kollege Schmidt, der alte Brauch, Regierungserklärungen, vor allem solche zur Außenpolitik, der Opposition - ich weiß nicht, wie es bei der Koalition ist - am Vorabend zur Verfügung zu stellen. Das ist in der Vergangenheit immer so gewesen.
({0})
- Es ist immer so gewesen. Wir möchten das, was wir früher getan haben, auch gern von Ihnen zugebilligt bekommen. Ich hoffe, daß das möglich sein wird.
Ich wiederhole, ich habe Verständnis dafür, daß die Regierung hier ihre Position darlegen wollte. Denn eis hat ja in den letzten Tagen und Wochen eine gewisse Unklarheit über die Meinung der Bundesregierung, über die Meinung einzelner Mitglieder der Bundesregierung zur Außen-, Verteidigungs- und Deutschlandpolitik gegeben. Ich habe mir gedacht, daß die Bundesregierung und die Koalitionsparteien hier möglicherweise ein - nun, wie nennt man es mit einem modernen Begriff? - öffentliches brain storming veranstalten, um zu einer einheitlichen, durchschlagskräftigen Meinung zu kommen, um die Konturen der Regierungspolitik, die im Augenblick etwas verwischt sind, wieder sauberer darzustellen, damit idie Politik ider Bundesregierung an Glaubwürdigkeit gewinnt; und daran sind wir alle interessiert.
Herr Kollege, ich weiß nicht, ob der Herr Präsiden Ihre Wortmeldung schon gesehen hat.
Sie gestatten offenbar eine Frage?
({0}) - Bitte, Herr Abgeordneter Kiep!
Herr Kollege Scheel, ist Ihnen bekannt, daß brain storms nicht veranstaltet werden, sondern normalerweise von selbst eintreten?
Ja, aber ich habe gedacht, die Bundesregierung bedürfe dazu eines Anstoßes.
({0})
Meine verehrten Damen und Herren! Der Bundeskanzler hatte in seiner Regierungserklärung vorn 13. Dezember 1966 ein außenpolitisches Programm vorgelegt, das auch die Zustimmung der Opposition gefunden hat, jedenfalls in den wesentlichen Punkten. Das Bekenntnis zu einer wirksamen Friedenspolitik war in der Regierungserklärung das entscheidende Element. Die Regierungserklärung sprach von den guten Beziehungen zu den östlichen Nachbarn, die es herzustellen und zu pflegen gelte. Die Regierungserklärung setzte sich als Aufgabe, die Entkrampfung im geteilten Deutschland zu betreiben, und zwar dadurch - wie festgestellt wurde -, daß man zwischen den Behörden der Bundesrepublik und der DDR Kontakte aufnehmen sollte, um technische und andere Fragen zu lösen. Die Bundesregierung schien nach dieser Erklärung zu einem konsequenten Entspannungskurs auf allen Gebieten der Politik entschlossen. Es hat sich aber sehr bald herausgestellt, daß dieser konsequente Entspannungskurs durch ständig wachsende innere Widersprüche innerhalb der Regierungskoalition nicht durchgehalten werden konnte, auf jeden Fall nicht so sichtbar wurde, wie das hätte erwartet werden können. Das liegt nun einmal daran, daß die Koalitionsparteien bei der großen Spannungsbreite an Meinungen es schwer haben, in den einzelnen Bereichen der Politik einen gemeinsamen Nenner hoher politischer Qualität zu finden. Das ist nicht nur in der Außenpolitik so, das ist auch in der Innenpolitik so. Ich darf hier einmal den Herrn Bundesfinanzminister zitieren, der in der Debatte über die Wirtschafts- und Finanzpolitik gesagt hat, daß die Lösungsvorschläge, die die Bundesregierung uns bieten kann, natürlich nicht an der, wie er sagte, politisch-soziologischen Struktur der Koalitionsparteien vorbeigehen können. Damit meinte
er: Wir müssen auf die vielfältigen, unterschiedlichen Meinungen dieser Koalitionsparteien Rücksicht nehmen.
Auch in der Außenpolitik vermissen wir das klare Konzept, und klare, konkrete Entschlüsse und Beschlüsse, wie man die einzelnen Bereiche der Außenpolitik miteinander in Übereinstimmung bringen will, wie man sie harmonisieren will, wie man die Verteidigungspolitik, die Europapolitik, vor allem aber auch die Deutschlandpolitik sinnvoll mit dem Ziel der allgemeinen Entspannung verbinden will. Gegenwärtig sind diese Bereiche unserer Politik auf jeden Fall nicht sinnvoll miteinander verbunden. Es gibt eine ganze Reihe von Unvereinbarkeiten, die noch beseitigt werden müssen.
Unvereinbarkeit Nr. 1 ist ganz ohne Zweifel das Nebeneinander, und zwar das unkoordinierte Nebeneinander von Entspannungspolitik in Europa und Verteidigungspolitik. Am 13. Dezember hat der Herr Bundeskanzler in seiner Regierungserklärung zu diesem Komplex gesagt, daß eine wirksame Friedenspolitik betrieben werden soll, die Spannungen allüberall beseitigen, die das Wettrüsten eindämmen soll, soweit wir dazu beitragen können. Er hat weiter gesagt, daß die Bundesrepublik keine nationale Verfügung über Atomwaffen, daß sie keinen Besitz von Atomwaffen anstrebe. Er hat eine ganze Anzahl freundlicher Worte an die Adresse der osteuropäischen Staaten gerichtet und im ganzen eine Politik mit einer friedlicher Zielsetzung skizziert, die unseren Beifall gefunden hat.
Die Tatsachen in der Folgezeit entwerten aber einen Teil dieser Erklärung. Die Bundesregierung ist nämlich offenbar nicht bereit, die Verteidigungspolitik ihrer Osteuropapolitik anzupassen. Immer wieder hat die FDP in der Vergangenheit, und zwar schon als sie noch Mitglied der vorigen Bundesregierung war, auf diesen Widerspruch hingewiesen. Es sind unsere Freunde in der Welt, aber auch die Mächte, die unsere Politik skeptisch betrachten, die heute einfach nicht einsehen, warum die Bundesrepublik an atomaren Trägerwaffen festhält. Wir verfügen nicht über Sprengköpfe, ja, wir streben, wie wir immer wieder ausdrücklich sagen, auch keinen Mitbesitz von atomaren Waffen oder die Verfügung über atomare Waffen an. Ich muß hier sagen, wir haben auch objektiv überhaupt keine Chance, jemals über atomare Waffen ganz oder zum Teil zu verfügen; das müssen wir wissen. Daher verstehe ich einfach nicht, warum wir an einem Waffensystem festhalten, das wir jetzt haben, das aber unter diesen politischen Bedingungen für uns unbrauchbar ist. Es scheint hier so zu sein, als ob wir eine ungeladene Pistole als ein besonders wirkungsvolles Instrument der Selbstverteidigung betrachteten. Es erwächst uns kein Schutz aus dieser Art von Bewaffnung.
({1})
Wir haben ein kostspieliges System aufgebaut mit all den Schwächen, die hier in der Vergangen heit von uns allen immer wieder diskutiert und kritisiert worden sind. Dieses kostspielige System von atomaren Trägerwaffen ist für uns militärisch ohne
Wert. Es hält uns davon ab, unsere Kräfte auf eine sinnvollere Bewaffnung mit konventionellen Waffen zu konzentrieren.
Es liegt doch auf der Hand, daß überall in der Welt, in Ost und West, Überlegungen angestellt werden, ob denn die Friedensbeteuerungen der Bundesregierung wirklich echt sind, ob sie ehrlich gemeint sind, wenn wir an einem Waffensystem festhalten, das mit dieser Politik nicht in Übereinstimmung zu bringen ist.
({2})
- Ich glaube, daß die Beantwortung dieser Frage für Sie insofern nicht ganz günstig ausgehen kann, als das deutsche Volk wohl einen Anspruch darauf erhebt, wirkungsvoll geschützt zu werden. Hier geht es nicht etwa darum, daß wir für andere ungefährlich sind, sondern daß wir uns wirkungsvoll schützen können.
({3})
Dazu ist eine ungeladene Pistole jedoch völlig ungeeignet.
Es liegt einfach auf der Hand, daß man mit einer solch widerspruchsvollen Politik das Mißtrauen in der Welt anregt, und zwar gleichgültig, ob der Verdacht berechtigt ist oder nicht, wir hielten daran fest, weil wir in Wahrheit doch Atomwaffen besitzen wollten. Ich sage hier ganz klar: ich bin fest davon überzeugt, daß ein solcher Verdacht dieser Bundesregierung gegenüber unberechtigt ist. Aber darauf kommt es nicht an. Wir sollten auch alles tun, um den Schein zu vermeiden, der in der Welt entstehen kann, vor allem, da wir doch alle wissen, daß die Sache von Interessierten angeheizt wird. Es wird an der Bundesregierung liegen, durch eine konsequente Verteidigungspolitik und eine konsequente Rüstungspolitik spektakulär den defensiven Charakter unserer Verteidigungskonzeption zu betonen, alle diese Verdachtsmomente auszuräumen und gar keinen Zweifel an der Aufrichtigkeit unserer Friedenspolitik aufkommen zu lassen. Ich will diese Problematik nicht weiter vertiefen, weil Sie im nächsten Monat Gelegenheit haben werden, detailliert über die Verteidigungspolitik zu diskutieren.
Ich darf in dem Zusammenhang nur eine Bemerkung zu dem sogenannten Atomsperrvertrag machen, über den der Herr Bundesaußenminister heute morgen weniges gesagt hat. Ich gebe zu, daß sicherlich noch nicht viel dazu zu sagen ist. Aber bei den paar Bemerkungen des Bundesaußenministers fehlte mir eigentlich eine, die ich für politisch besonders bedeutsam halte. Es fehlte mir eine Bemerkung, die den Willen und die Entschlossenheit der Bundesregierung ausdrückt, auf die Partner beim Abschluß eines solchen Vertrages - und zwar auf die, die ihn konzipiert haben - einzuwirken, daß der Vertrag Bestimmungen enthält, die die Nichtatommächte gegenüber jeder Form von atomarer Bedrohung und Erpressung schützen. Solche Bestimmungen müssen im Vertrag sein.
({4})
Ja, ich gehe noch darüber hinaus: man müßte sogar den Versuch unternehmen, mit den einzelnen Partnern, und zwar mit den atomar gerüsteten Partnern, zu zusätzlichen Vereinbarungen zu kommen, die eine Anwendung von Atomwaffen gegen Nichtatommächte vollkommen ausschließen.
({5})
Ich komme zu einem zweiten Punkt, bei dem die Politik der Bundesregierung nicht in allen Phasen in Übereinstimmung zu bringen ist: das ist die Europapolitik. Als der Herr Bundeskanzler im Januar dieses Jahres seine erste Reise nach Frankreich machte, hat er in außerordentlich beeindrukkenden, um nicht zu sagen, überschwenglichen Worten darauf hingewiesen, daß es gelungen sei, den Freundschaftsvertrag zwischen Frankreich und Deutschland wiederzubeleben. Diesem schönen und guten Gefühl, in einem wiederbelebten Freundschaftsverhältnis mit Frankreich zu stehen, stünde auch nicht entgegen - so sagte der Herr Bundeskanzler -, daß es natürlich noch Meinungsverschiedenheiten gebe. Das sei ganz selbstverständlich; es liege an der unterschiedlichen Interessenlage der Partner. Fundamentale Gegensätze aber, so sagte er, die die Freundschaft zwischen Frankreich und Deutschland berührten, gebe es nicht. Es scheint so zu sein, daß der Herr Bundeskanzler die Unterschiede in der Beurteilung des Beitritts Großbritanniens zur Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft zwischen Frankreich und Deutschland nicht zu den „fundamentalen Gegensätzen" rechnet, die die deutsch-französische Freundschaft berühren.
({6})
Ich meine hingegen, dies ist ein fundamentaler Gegensatz, der diese Freundschaft berührt. Ich meine auch, man muß eindeutig sagen, daß es keinen Zweck hat, mit freundlichen Bemerkungen und blumenreichen Worten die harte Realität auch in der westeuropäischen Politik zu überdecken. Sie ist nicht aus der Welt zu schaffen, und wir müssen hier Stellung nehmen. Wenn es wahr ist, was unsere Wirtschaftsminister, Herr Professor Erhard und auch Herr Professor Schiller, uns immer gesagt haben, daß es - wirtschaftlich in unserem nationalen Interesse liegt, und wenn es wahr ist, was wir alle wissen, daß es auch politisch in unserem nationalem Interesse liegt, daß Großbritannien und in seinem Gefolge andere europäische Länder dem Gemeinsamen Markt beitreten, müssen wir hier eine härtere Politik unserem Freund gegenüber treiben, als wir das bisher getan haben.
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Der Bundesaußenminister hat uns im Mai dieses Jahres berichtet, daß die Bundesregierung ihre ganze Überzeugungskraft einsetzen werde, um Frankreich zu einer anderen Haltung zu bewegen. Entweder ist das noch nicht geschehen, oder die Überzeugungskraft ist, objektiv gesehen, nicht sonderlich wirkungsvoll gewesen; denn bisher hat sich die Haltung Frankreichs, soweit ich unterrichtet bin, überhaupt nicht geändert.
Statt dessen hat der Herr Bundeswirtschaftsminister in einer Rede in Luxemburg Zweifel daran aufkommen lassen, ob die Bundesregierung wirklich diese Entschlossenheit in der Praxis zeigt, die Beitrittsverhandlungen mit Großbritannien zu beschleunigen und wirkungsvoll zu unterstützen. Die Äußerung des Herrn Bundeswirtschaftsministers läuft, wenn ich seine im Bulletin wiedergegebene Erklärung richtig interpretiere, auf die Feststellung hinaus: „Das Ergebnis" - nämlich seiner Vorschläge über den Zusammenhang zwischen der Fusion der Verträge und den Beitrittsverhandlungen mit Großbritannien - „wäre dann ein Beitritt Großbritanniens und der anderen Staaten zu einer fusionierten und damit in sich gefestigten, nicht mehr zu gefährdenden Gemeinschaft." Das kann doch jeder normale Mensch nur so interpretieren: Erst Fusionierung, und, wenn diese vollendet ist, Beitritt Großbritanniens.
(
Nein!)
- Der Herr Bundeskanzler ruft mir, was mich natürlich sofort sympathisch berührt, ein Nein zu. Es ist ja auch der Versuch gemacht worden, diese Bemerkung zu interpretieren. Der Versuch ist gemacht worden durch den Regierungssprecher, Herrn Ahlers. Der Herr Bundesaußenminister hat im Auswärtigen Ausschuß eine andere Interpretation vorgenommen. Der Herr Bundeskanzler macht gerade die klare Bemerkung: „Nein"; der Herr Bundesaußenminister hat heute morgen ebenfalls noch einmal einen Interpretationsversuch unternommen. Ich nehme das mit Befriedigung zur Kenntnis. Ich darf nur darauf hinweisen, daß andere, auf die es in der Welt doch auch ankommt, das nicht so auffassen, trotz der Interpretationsversuche.
Ich darf nur ein einziges Wort aus einer Zeitung zitieren, die an dem Ort erscheint, an dem die Rede gehalten wurde, und .deswegen zitiere ich das. Die Zeitung erscheint in deutscher Sprache. Sie ist sicher nicht so bedeutend wie andere; es ist eine Luxemburger Zeitung. Sie ist aber mit großer Aufmerksamkeit an allem interessiert, was um Europa geschieht. Diese Zeitung schreibt:
Was jedoch den Parallelismus
- das ist eine neue Wortprägung in diesem Zusammenhang, es gibt ja viele Wortprägungen; darauf komme ich später noch zurück zwischen Englands Beitritt und Vertragsfusion angeht, so entlarvte die deutsche Forderung sich als unlauterer Vasallendienst für Frankreich.
Es folgt dann eine etwas gehässigere Bemerkung, die ich nicht zitieren will. Aber mit diesem kurzen Zitat habe ich schon dokumentiert, daß kritische Stimmen im Ausland unsere Haltung mißdeuten könnten, und ich bin froh darüber, daß die Bundesregierung heute noch einmal Stellung genommen hat. Wir können in diesem Punkte nicht genug sagen, vor allem aber können wir unsere Meinung im Rahmen des deutsch-französischen Freundschaftsvertrages nicht deutlich genug artikulieren.
Ich habe manchmal das Gefühl, daß die Bundesregierung - es ist vielleicht bequemer - verbale
Übereinstimmung erreichen möchte, daß sie sich damit zufrieden gibt und die Gefährdung, die durch eine allzu deutliche Sprache wirklich entstehen könnte, scheut. Aber in diesem Punkt ist das am Ende eine Politik, die zu einem Mißerfolg führen muß. Wir dürfen es hier an Deutlichkeit nicht fehlen lassen, und das muß so früh wie möglich geschehen.
({0})
Es hat mich etwas merkwürdig berührt, daß die Bundesregierung diesem so wichtigen Thema des Beitritts Großbritanniens zur Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft in ihren eigenen Dokumenten, die sie uns übermittelt, einen sehr, sehr geringen Raum gewidmet hat. Ich habe das uns übermittelte Dokument vor mir liegen, das sich auf den Bericht über ,die Integration der Gemeinschaften bezieht. Sie kennen das alles. Es ist ein Bericht der Bundesregierung. Dieser Bericht umfaßt 35 zweispaltige Seiten. Wenn ich das auf die Zeilenzahl umrechne, auf die es mir ankommt, so sind das 70 Zeilen. Von diesen 70 Zeilen Bericht über die Probleme der europäischen Integration nimmt die Bemerkung 'der Bundesregierung zu der Bedeutung des Beitritts Großbritanniens zur Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft präzise viereinhalb Zeilen in Anspruch. Ich meine, daß auch dies ein Indiz dafür ist, daß dieses Problem in seinem Maßstab von der Bundesregierung vielleicht nicht richtig beachtet wird.
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- Diese viereinhalb Zeilen, Herr Kollege Dr. Barzel, sind auch nicht von einem solchen Gewicht, daß der Mangel ihrer Kürze dadurch aufgehoben würde; sie haben beinahe überhaupt kein Gewicht. In diesen viereinhalb Zeilen steht nur: Großbritannien hat den Beitritt gewünscht; das Verfahren wird eingeleitet. Mehr steht nicht darin. Hier hätte es einer Meinungsäußerung der Bundesregierung bedurft.
Ich meine, daß in der gesamten Europapolitik der Bundesregierung kein rechtes Ziel zu erkennen gewesen ist. Es ist bisher nie die Rede davon gewesen, wie man sich denn dieses Europa, das mit einer Stimme sprechen soll, in Wahrheit vorstellt. Dieses Europa, das mit einer Stimme sprechen soll, kann nur ein Europa sein, dem auch Großbritannien angehört, denn eines ist sicher: wenn es ein Europa ohne Großbritannien gibt, hat Europa zwei Stimmen, denn die Stimme Großbritanniens wird in der Welt immer eine Stimme bleiben. Wenn wir also eine Stimme haben wollen, dann müssen wir diese Art des einigen Europa anstreben.
({2})
Heute morgen hat der Herr Bundesaußenminister - ich glaube, zum erstenmal - eine etwas weiter in die Zukunft reichende Vorstellung der Bundesregierung zu europäischen Fragen dargelegt. Er hat das sicher in Anbetracht der Tatsache getan, daß ein bedeutender europäischer Politiker, der mehr für die europäische Einigungsbewegung getan hat als viele andere, unter uns weilt. Es ist gut so, daß wir diese Gelegenheit wahrnehmen, um ein Bekenntnis zu Europa, auch ein Bekenntnis zu einem politisch geeinten Europa der Zukunft abzugeben. Denn eines ist doch sicher, meine verehrten Damen und Herren: der Kontinent, auf dem wir wohnen, wird keine Zukunft haben, wenn er nicht zu einer wirtschaftlichen und politischen Einigung findet.
({3})
Wir dürfen uns aber nicht durch die letzten Jahre Europapolitik in unserer Aktivität beeinflussen lassen. Wir dürfen uns nicht durch das Schachern um kleine Vorteile der beteiligten Länder beeinflussen lassen, auch nicht durch den Rückfall in nationalstaatliches Denken des vorigen Jahrhunderts, der hier und da festzustellen ist, - übrigens gar nicht nur in Frankreich. Wir müssen trotzdem an dem Ziel festhalten, an einem geeinten Europa zu arbeiten, wenn auch unsere Begeisterung, gerade die Begeisterung unter der meine eigene Generation angetreten ist, durch so vieles heute bis fast auf die Gefrierzone herabgekühlt wurde. Ich möchte hier feststellen, daß ich mich trotzdem nicht von dem einmal als richtig erkannten Ziel, das heute noch so gültig ist wie immer, abbringen lasse.
Wer am 17. Juni dieses Jahres die Berichte über die Explosion der ersten Wasserstoffbombe Rotchinas gelesen hat, muß schon kein Verhältnis zur politischen Dynamik haben, wenn er nicht zu der Überzeugung gekommen ist, daß es jetzt allerhöchste Zeit ist, daß sich Europa wieder mit neuem Elan an seine Einigung macht, wenn wir in der sich verändernden Struktur der Welt überhaupt noch eine Rolle spielen wollen.
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Es gibt natürlich Zeitgenossen, denen das Leben am Rande der politischen Kraftfelder möglicherweise sympathisch ist, denen es angenehm ist, sozusagen im Beiboot der Supermächte zu sitzen, gut ernährt zu werden und einen guten Tag zu leben. Ich gehöre nicht zu dieser Spezies von Menschen. Ich bin vielleicht anspruchsvoller, ehrgeiziger, was meine europapolitischen Vorstellungen angeht. Ich meine, wir sind es unserer gemeinsamen europäischen Geschichte von Jahrtausenden schuldig, wir sind es unserem gemeinsamen kulturellen Erbe und auch der gemeinsamen liberalen und humanitären Tradition schuldig, alle Anstrengungen zu machen, durch eine Einigung unserer Kräfte einen Einfluß auf die Weltpolitik zu gewinnen, einen Einfluß auf die friedliche Entwicklung der Welt zurückzugewinnen. Aber nur wenn man die wirtschaftliche Dynamik eines Marktes wie desjenigen des vereinten Europas zur Grundlage macht und ausnutzt, wird uns dieser Schritt möglich sein.
Ich darf Ihnen hier vielleicht einmal ein kleines persönliches Erlebnis schildern. Es sind jetzt nahezu 20 Jahre her, als ich zum erstenmal für längere Zeit in den Vereinigten Staaten war. In der damaligen Zeit war das alles sehr faszinierend. Eines ist mir unauslöschlich in der Erinnerung an diese Reise geblieben, die ich als verhältnismäßig junger Mann gemacht habe. Das war erstens, daß ich fast körperlich gespürt habe, welche Kraftströme ein solch gewaltiges soziales Gebilde auslöst, dessen Lebensraum von keiner Grenze durchschnitten wird, wie
Deutscher Bundestag - S. Wahlperiode Scheel
es die Vereinigten Staaten darstellen. Das zweite, was ich auf dieser Reise empfunden habe, war, daß es doch ein Glück ist, Europäer zu sein. Das mag paradox klingen. Möglicherweise ist es manchem von Ihnen auch schon so gegangen.
Wenn wir aber - entschuldigen Sie diese kleine sentimentale Abschweifung ({5})
an die europäische Zukunft denken, dann dürfen wir nicht übersehen, daß wir in manchen Bereichen den Anschluß an die übrige Welt schon verloren haben. Die materielle und die intellektuelle Basis, das materielle und das intellektuelle Potential der isolierten Volkswirtschaften in Europa ist eben trotz der Kooperation in manchen Bereichen nicht tragfähig genug für die modernsten und zukunftsträchtigsten Bereiche unserer neuzeitlichen Technologie.
Ich freue mich deswegen, daß in der gemeinsamen Entschließung der drei Fraktionen des Bundestages diesem Sektor, der Zusammenarbeit auf technologischem Gebiet, so großes Gewicht beigemessen worden ist. Ich glaube, wir müssen sehen, daß wir im Sektor Technik schneller zu praktischen Ergebnissen kommen, als es bisher den Anschein hat. Denn die Zeit entwickelt sich so rasend, daß jeder Tag, der verloren ist, uns nicht wiedergutzumachenden Schaden zufügen kann.
Wenn ich in diesem Zusammenhang von Europa spreche, meine Damen und Herren, dann versteht es sich von selbst, daß ich nicht die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft meine, sondern daß ich hier das Europa meine, dem alle die Länder angehören können, die sich diesem Kontinent zugehörig fühlen. Ich sage: angehören können; denn wer nicht dazu kommt, auf den können wir zu allerletzt, so glaube ich, nicht warten.
Wir sollten die Periode der Ernüchterung, die hoffentlich hinter uns liegt, als eine Durchgangsphase betrachten und sollten uns stärker als bisher darauf einrichten, durch neue politische Impulse das unverrückbare Ziel eines vereinigten Europa anzusteuern. Gerade für uns Deutsche ist das aus politischen Gründen so wichtig. Wenn man sich die Möglichkeit der Wiedervereinigung heute vorstellt, dann doch wohl nur in einem europäischen Zusammenschluß, in einer europäischen Föderation, in der sich der Ost-West-Gegensatz langsam abbaut und in der das Zusammenwachsen der beiden Teile Deutschlands möglich ist, auch aus Gründen der Sicherheitsstruktur eines solchen Raumes.
Ich meine, die Vision Europa hat noch Kraft. Unsere Politik sollten wir immer an diesem Ziel messen, und wir sollten diese Vision - ich zitiere hier den Herrn Bundesaußenminister - nicht aus dem Auge verlieren. Resignation ist eine schlimme Untugend in der Politik, meine Damen und Herren. Wenn wir resignieren, wenn wir unserer Jugend vor allem keine Hoffnung in diesem Teil der Politik geben, dann weiß ich gar nicht, was sie halten sollte, auf diesem Kontinent zu bleiben.
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Nur die Aussichten, eines Tages einem politisch geeinten und wirtschaftlich bedeutenden Europa anzugehören, das bei den Lösungen der großen Friedensfragen dieser Welt in vorderster Front aus eigener Erfahrung mitwirken kann, nur die Aussicht auf eine solche Zukunft zerstört nicht die Hoffnung unserer Jugend. Wir sollten sie nicht zerstören. Wir sollten alles tun, daß sich diese Hoffnung eines Tages erfüllt.
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Nun komme ich zu einem Bereich, der heute von dem Herrn Bundesaußenminister an den Anfang seiner außenpolitischen Erklärung gestellt worden ist, nämlich zur Deutschlandpolitik. Auch hier sind gewisse Tendenzen, die in den letzten Wochen sichtbar geworden sind, unzeitgemäß. In seiner Regierungserklärung vom Dezember 1966 versicherte der Herr Bundeskanzler im Hinblick auf die Politik seiner Regierung gegenüber der DDR unter anderem: „Wir wollen entkrampfen und nicht verhärten, Gräben überwinden und nicht vertiefen." Daraus mußte gefolgert werden, daß der Regierungschef alles tun wird, um den anderen Teil Deutschlands mit in die Entspannungspolitik einzubeziehen, die die Regierung ansonsten treibt, daß er also alles vermeiden werde - anders ausgedrückt -, was neue Verhärtungen und Spannungen hervorrufen könnte.
Wir sind nicht blind gegenüber der Tatsache, daß die Bundesregierung tatsächlich Versuche gemacht hat, die Spannungen zwischen beiden Teilen Deutschlands zu vermindern. Wir übersehen auch nicht, daß auf der anderen Seite der Mauer Politiker sitzen, deren Bereitschaft zur sachlichen Zusammenarbeit - ich möchte es mal ganz vorsichtig ausdrükken - nicht gerade besonders entwickelt ist. Ich kann jedoch nicht umhin, festzustellen, daß die Bundesregierung in vielen Fällen ihre eigenen Bemühungen um Entspannung durch eine Reihe von Fehlern in der Ost- und Deutschlandpolitik entwertet, manchmal sogar ins Gegenteil verkehrt hat. Ihre sehr unterschiedlichen Interpretationen, die sie den eigenen Absichten in der. Deutschland- und. Ostpolitik gegeben hat, stifteten vielfach Verwirrung und erweckten besonders in Osteuropa den Eindruck einer wenig 'konsequenten, wenn nicht sogar nicht ganz aufrichtigen Politik. Ich will hier nicht im einzelnen die vielen widersprüchlichen Aussagen von Mitgliedern der Bundesregierung, etwa zur Frage des Alleinvertretungsrechts, zitieren, um das herum ein ganzer Strauß neuer Begriffe entwickelt worden ist, die deswegen noch vielfältiger sind als in der Wirtschafts- und Finanzpolitik, weil der Bildungshintergrund der Beteiligten differenzierter ist. Ich will also nicht im einzelnen darauf eingehen und nur sagen, daß Äußerungen wie die des Herrn Bundesministers des Auswärtigen in Bukarest - daß man bei den Bemühungen um eine europäische Friedensordnung von den gegebenen Realitäten auszugehen habe und daß dies auch für die beiden politischen Ordnungen gelte, die gegenwärtig auf deutschem Boden bestehen - die Zustimmung der christlich-demokratischen Koalitionspartner nicht gefunden haben.
Im Gegensatz dazu ließ der Herr Bundeskanzler kaum eine Gelegenheit vorbeigehen, ohne den Alleinvertretungsanspruch der Bundesregierung ,ausdrücklich zu betonen, der von anderen Mitgliedern des Kabinetts - (
Wo denn? Ich habe nicht einmal das Wort in den. Mund genommen!)
- In einer Erklärung, die ich gleich zitiren will.
(
Nichet ein. Mal!)
Ich fahre fort: den Alleinvertretungsanspruch ausdrücklich. zu betonen, der von anderen Mitgliedern des Kabinetts in gewisser Weise, so will ich einmal sagen, zurückgenommen worden ist in ,die zweite Linie, was ich für gut halte.
Wir wissen heute, daß die Erklärung ides Herrn Bundeskanzlers vom 1. Februar 1967 anläßlich der Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit Rumänien einige leider sehr erfolgreiche Gegenaktionen der DDR gegen die deutsche Ostpolitik provoziert hat. Durch die Betonung des Alleinvertretungsanspruchs in diesem Zusammenhang kam es zur Errichtung des sogenannten „Eisernen Dreiecks" zwischen Moskau, Warschau und Ostberlin. Es folgte der Zusammenbruch der Hoffnungen auf die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zu den übrigen Staaten Ost- und Südosteuropas in absehbarer Zeit.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Herr Kollege Scheel, sind Sie der Meinung, daß die Betonung ,des Alleinvertretungsanspruchs der einzige Grund für die Dreiecksverträge gewesen ist, und sind Sie nicht mit mir der Ansicht, daß die aggressive Gesamtpolitik 'der Sowjetunion dahintersteckt?
Ich beantworte Ihre Frage mit Nein. Ich bin der Meinung, daß das nicht der alleinige Grund gewesen ist, aber er hat diese Tendenz gefördert; das habe ich eben zum Ausdruck gebracht. Das von der Bundesregierung gewünschte „geregelte Nebeneinander" der beiden Teile Deutschlands scheiterte natürlich nicht zuletzt an der Halsstarrigkeit, Herr Dr. Becher, der Funktionäre in Ost-Berlin. Das will ich ganz deutlich sagen. Aber auch die Ungeschicklichkeit der Bundesregierung z. B. bei der Beantwortung der Briefe aus Ost-Berlin kann in diesem Zusammenhang nicht übersehen werden. Wenn der Bundesaußenminister heute erklärt hat, daß im Briefverkehr mit Herrn Stoph in der Zukunft keine Vorbedingungen irgendwelcher Art das Zustandekommen von Gesprächen behindern sollen, so ist das schon ein gewisser Fortschritt, den man begrüßen kann.
Meine Damen und Herren, ich glaube, es ist in dem Zusammenhang allerdings unvermeidlich, auf die - ich möchte sagen - fatale Rede des Herrn Bundeskanzlers in Berlin am 10. Oktober einzugehen. Wir wissen sehr genau, wen der Regierungschef mit Formulierungen wie „Anerkennungspartei" oder „Anerkennungsgerede" gemeint hat.
({0})
- Kommt ja! - Wir sind gespannt, ob sich der so angesprochene Koalitionspartner
({1})
- das meine ich nämlich - hier heute zu diesen Vorwürfen zu Wort melden wird.
({2})
Deswegen will ich aber nicht dazu sprechen, sondern ich möchte auf etwas anderes hinweisen. Ich möchte nämlich mit allem Nachdruck davor warnen, in jene Methoden zurückzufallen, mit denen in der Vergangenheit manchmal politisch Andersdenkende mit dem Mittel der Diffamierung verketzert worden sind. Diese Methoden haben nämlich nicht nur katastrophale politische Folgen, die wir alle vermeiden wollen. Ich glaube, es lag zwar nicht in der Absicht des Herrn Bundeskanzlers, aber hier ist zum erstenmal eine Gefahr sichtbar geworden, mit leichten Formulierungen Gruppen zu verketzern, sie außerhalb unserer ehrlichen Diskussionsbereiche zu stellen. Das 'sollte nicht geschehen, zumal das auch auf die Außenpolitik Auswirkungen haben muß. Mich quält leider etwas die Sorge, daß durch diese Bemerkung die Schwierigkeiten in der Deutschland- und in der Osteuropapolitik für die Zukunft nicht gerade kleiner geworden sind.
({3})
Lassen Sie mich nur noch wenige Bemerkungen zu dein Bereich Verhandlungen mit der DDR machen. Ich meine, daß sich beide Seiten darauf einstellen müssen, daß bei kommenden Gesprächen nicht nur über solche Themen verhandelt werden kann, die der jeweiligen Seite besonders angenehm sind. Die Bundesregierung sollte ruhig in aller Gelassenheit auch den von der DDR vorgeschlagenen Verhandlungsthemen Beachtung schenken. Wir besitzen für unsere Vorstellungen nicht nur gute und überzeugende Argumente, sondern wir besitzen auch die Fähigkeit, Verhandlungen mit einem so schwierigen Partner gut durchzustehen. Wir sollten in der Öffentlichkeit nicht den Eindruck erwecken, als fürchteten wir uns vor den Argumenten des politischen Gegners und seien uns unserer eigenen Sache nicht so sicher. Das Ziel solcher Verhandlungen kann gegenwärtig nur sein, daß in der vielleicht langen Zeitspanne bis zu einer umfassenderen Lösung der deutschen Frage beide Teile Deutschlands so eng wie möglich vor allem im wirtschaftlichen, im technischen und im kulturellen Bereich zusammenarbeiten.
Um Mißverständnissen vorzubeugen, ist in diesem Zusammenhang eine Feststellung notwendig. Auch die Freie Demokratische Partei lehnt nach wie vor die völkerrechtliche Anerkennung der DDR, die zu einer Verewigung der Spaltung führt, entschieden ab.
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Es ist gerade der Sinn win Verhandlungen mit Ostberlin, eine Entwicklung zu verhindern, die die Zweiteilung unseres Vaterlandes für alle Zeiten fixiert.
Und noch eine andere Anmerkung ist hier unvermeidlich, die sich insbesondere an die polnischen Nachbarn des geteilten Deutschlands richtet. Eine Regelung der ungelösten europäischen Probleme - es sind deren ja viele - kann, wenn sie einem dauerhaften Frieden dienen soll, nur in einer freien Vereinbarung der beteiligten Staaten gefunden werden. Besonders schwierig wird dabei eine Vereinbarung über die Grenzprobleme zwischen Polen und Deutschland sein. Aber in Europa sind nicht nur diese Grenzfragen zu lösen, sondern auch Probleme der europäischen Sicherheit, europäische Wirtschaftsprobleme. Die Zusammenarbeit zwischen EWG und COMECON z. B. ist ein Problemkreis, auf den der Bundesaußenminister eben in seiner Erklärung zu Recht hingewiesen hat.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Herr Kollege Scheel, irre ich mich, wenn ich davon ausgehe, daß es etwas anderes ist, wenn die EWG mit COMECON verhandelt, als wenn wir die EWG ermuntern, den Ländern Ost- und Mitteleuropas Zusammenarbeit anzubieten? Ist Ihnen diese Nuance präsent?
Herr Kollege Barzel, es ist mir geradezu angenehm, daß Sie eine Verdeutlichung der Rede des Herrn Bundesaußenministers vorgenommen haben.
Herr Kollege Scheel, ich habe mich bemüht, Ihnen den Text, den wir beide zusammen unterschrieben haben, in Erinnerung zu rufen.
Ich weiß nicht genau, welchen Text Sie meinen. Ich sprach von der Rede des Bundesaußenministers. Deren Text habe ich nicht unterschrieben. Sie sind der Zeit voraus!
({0})
Darf ich Ihre letzte Einlassung - deshalb habe ich mich gemeldet - nicht als ein Abgehen von der Ziffer 4 des dem Bundestag von uns gemeinsam vorgelegten Antrags ansehen?
Nein, wir haben ja den Antrag des Monnet-Komitees unterschrieben.
Da steht aber etwas anderes drin, als Sie eben sagten, Herr Kollege.
Ich habe ja eben die Rede des Außenministers kommentiert, nicht den Antrag, den wir unterschrieben haben.
Offensichtlich falsch kommentiert! Wir sind uns also wieder einig?
Wir sind uns nicht einig. Aber ich freue mich, daß Sie eine Verdeutlichung der Rede des Außenministers gegeben haben.
Sie sind für Bemühungen EWG und COMECON, Herr Kollege Scheel?
Ich bin für Unterhaltungen darüber, inwieweit solche Kontakte zu nützlichen Ergebnissen führen können, und ich glaube, das wäre möglich.
({0})
Ist Ihnen bekannt, Herr Kollege Scheel, daß in Ländern Ost- und Mitteleuropas die Zusammenarbeit mit dem Westen über COMECON abgelehnt und als eine sehr schlechte Geschichte für die Zukunft betrachtet wird?
Sie müßten mich völlig mißverstanden haben, Herr Kollege Barzel, wenn Sie etwa den Eindruck gewonnen hätten, ich sei für eine Zentralisierung des Handels über COMECON. Davon kann gar keine Rede sein.
Irre ich mich, wenn ich jetzt feststelle, Herr Kollege Scheel, daß wir doch einig sind?
({0})
Ich bin nicht sicher. Die Differenzierung liegt in dem Standort, von dem aus wir beide Politik machen.
({0})
Meine Damen und Herren, ich darf jetzt an die Bemerkungen zu den ungelösten Fragen im Verhältnis zu unserem Nachbarn Polen anknüpfen. Polen sollte endlich einmal zur Kenntnis nehmen, daß die Bundesrepublik als einziges Land auf Produktion und Besitz von ABC-Waffen verzichtet hat und ihre politischen Interessen allein mit friedlichen Mitteln verfolgt. Warschau sollte einsehen, daß die Bundesrepublik Deutschland gar kein Recht hat, so wie sie nun einmal provisorisch - jetzt benutze ich das Wort - strukturiert ist, allein auf Rechtstitel zu verzichten, bevor Gespräche über die Regelung der deutschen und europäischen Fragen überhaupt begonnen haben. Jedes unter Druck zustande gekommene Zugeständnis der einen oder anderen Seite führt unvermeidlich zu neuem Unfrieden in Europa. Aber das deutsche Volk will den Frieden, und niemand hat das Recht, an diesem Friedenswillen der Deutschen länger zu zweifeln.
({1})
Nicht wenige Menschen in unserem Lande haben bei der Bildung der Großen Koalition gehofft, daß diese von einer überwältigenden Mehrheit getragene Regierung imstande sein werde, das zu tun, was die FDP ihrem Koalitionspartner trotz größter Anstrengungen nicht abzuringen vermochte: die
Deutschlandpolitik von überholten Vorstellungen und Methoden zu befreien und damit der deutschen Außenpolitik wieder einen größeren Spielraum zu geben. Diese Hoffnung - das wissen wir heute, meine Damen und Herren - ist enttäuscht worden. Wir Freien Demokraten haben genug Verantwortungsbewußtsein gegenüber Volk und Staat, um über diese Entwicklung alles andere als glücklich zu sein. Wir würden lieber auf leichte propagandistische Erfolge verzichten, als erleben zu müssen, wie eine von inneren Widersprüchen gezeichnete, weitgehend gegeneinander gelähmte Koalition immer mehr Kraft verliert, die Chancen für eine zukunftsträchtige Außen- und Deutschlandpolitik wahrzunehmen.
({2})
Wir wünschen dieser Bundesregierung aufrichtig jeden möglichen Erfolg bei der Lösung der deutschlandpolitischen Probleme. Selbst wenn uns das am Wahltag, Herr Wörner, einige Stimmen kosten sollte, sind wir bereit, die Regierung mit allen zur Verfügung stehenden Kräften zu unterstützen, wann immer sie sich zu mutigen, zeitgemäßen und überzeugenden Schritten entschließt - das ist allerdings die Einschränkung -,
({3})
um die deutsche Frage aus der Sackgasse herauszubringen und somit der europäischen Zusammenarbeit einen neuen starken Impuls zu geben.
({4})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Mommer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich spreche hier für die sozialdemokratische Bundestagsfraktion in Arbeitsteilung mit meinen Kollegen Dr. Eppler und Blachstein, die später zu anderen Themen der heutigen Debatte sprechen werden. Ich kann mich auf das Thema Europa konzentrieren.
Zunächst kann ich da erfreut feststellen, daß es in diesem Hause im -Positiven eine sehr große Übereinstimmung gibt. Diese Übereinstimmung kommt schon darin zum Ausdruck, daß wir gemeinsam die Entschließung des Aktionskomitees für die Vereinigten Staaten von Europa, des MonnetKomitees, haben einbringen können. Hier werden Bekenntnisse zu dem abgelegt, was jetzt in diesen Gemeinschaften ansteht. Es ist der große Schritt von dem kleinen Europa zu dem größeren Europa. Herr Dr. Barzel hat sehr eindrucksvolle Gedanken und Formulierungen gefunden, um uns klarzumachen, daß dieser Kontinent und dieses Volk diesen Schritt tun müssen, wenn sie nicht einen Tempoverlust haben wollen, wenn sie nicht hinter der Entwicklung in den großen Ländern, den Vereinigten Staaten und der Sowjetunion, hoffnungslos herhinken wollen.
Aber es gibt wahrscheinlich in diesem Hause auch volle Übereinstimmung in bezug auf das Negative.
Herr Scheel, jetzt spreche ich Sie an. Sie haben hier kritische Bemerkungen gegenüber der Bundesregierung gemacht. Es ist natürlich eine vornehmliche Pflicht der Opposition, kritische Bemerkungen zu machen, aber nicht nur die Opposition schaut mit kritischen Augen auf das, was die Regierung tut, sondern auch die Koalition tut das, und besonders zwei so große Fraktionen beobachten das genau, was da geschieht; übrigens nicht nur wieder in Arbeitsteilung etwa die CDU die SPD-Minister und die SPD die CDU-Minister - das geschieht natürlich auch -, sondern das tun im parallelen Verkehr auch die Fraktionen im Blick auf die aus ihnen hervorgegangenen Minister. Ich werde nachher im Namen meiner Fraktion und wahrscheinlich auch im Namen der Koalitionsfraktionen kritische Bemerkungen machen, die vielleicht, wenn selbstverständlich auch im Ausdruck ganz geschliffen und höflich und respektvoll vorgebracht, über das hinausgeht, was die Opposition hier gesagt hat. - Bitte, Herr Dr. Mende.
Herr Kollege Mommer, können Sie aus der 18jährigen Praxis hier bestätigen, daß sich zum Unterschied von der Theorie des Parlamentsrechts in der Praxis doch die jeweiligen Regierungsfraktionen als Schutzgemeinschaft für die eigene Bundesregierung bewähren, daß also die Regierungsfraktionen die Blößen der Regierung nicht aufdecken, sondern im allgemeinen zuzudecken pflegen?
({0})
Herr Dr. Mende, die Sache ist komplizierter. Eine Mehrheit im Parlament hat erstens die Aufgabe, die Mehrheit dieser aus ihr hervorgegangenen Regierung zu sein, und das heißt: sie zu schützen. Zweitens hat aber diese Mehrheit auch die Aufgabe, dem Tun und Lassen der Regierung kritisch gegenüberzustehen. Diese Kritik wird natürlich in der Regel in camera caritatis vorgetragen. Aber es kann nichts schaden, wenn sie in der gebührenden Form auch einmal öffentlich vorgetragen wird.
Doch nun zu meinem Thema. Ich brauche nicht mehr darzulegen, was da alles an Positivem über diese 10 Jahre EWG, die jetzt hinter uns liegen, zu sagen ist. Das waren große Erfolge, das waren auch Erfolge im Politischen. Sie sind hier schon hervorgehoben worden. Wir haben erstmalig in einer wichtigen Sache, bei dieser Kennedy-Runde, mit einer Stimme sprechen können. Auch bei den Verhandlungen über die Reservewährung hat es sich jetzt gezeigt, daß die Zusammenarbeit so weit gediehen ist, daß auch da wieder gemeinsame Haltungen in schwierigen Fragen möglich waren.
Aber der größte politische Erfolg, den diese Gemeinschaften erzielt haben, liegt wohl in den Beitrittsgesuchen, mit denen wir es jetzt zu tun haben.
({0})
Das ist ein historischer Augenblick, in dem wir den Geburtsfehler der Gemeinschaft loswerden können, der darin lag, daß wir damals gezwungen waren, klein, mit sechs Mitgliedern anzufangen. Durch
diese Anträge besteht jetzt die Möglichkeit, den Graben zuzuschütten, der sich seit damals zwischen der EWG und der EFTA entwickelt hat. Das ist der Kernpunkt der Monnet-Entschließungen, die wir hier vorgelegt haben. Wir dürfen diese Chance nicht verspielen. Das ist mit Abstand die wichtigste Aufgabe, vor der die EWG steht, und damit auch eine höchstrangige Aufgabe unserer Bundesregierung, die ein so gewichtiges Mitglied in den Gemeinschaften ist.
Trotz der Erfolge, die die Gemeinschaften zu verzeichnen haben, sind wir uns bewußt, wie klein dieses Europa noch ist, daß es mehrfach geteilt ist, daß die politischen Strukturen unterentwickelt sind und daß wir, weil es eben so ist, in der Weltpolitik nicht die Rolle spielen können, die Europa zukäme. Wir haben mit Bitterkeit feststellen müssen, wie es in der Zeit, als vor unserer Türe, unsere Interessen direkt berührend, der Nahostkonflikt ablief, vergeblich war, daß ein Mitgliedland versuchte, sich einzuschalten, und wie man überhaupt nicht daran denken konnte, die Gemeinschaften als solche zu einem Faktor zu machen.
Lassen Sie mich zwei Zahlen nennen, die zeigen, wie es um die wirtschaftliche Basis bestellt ist, die gegeben sein muß, um - nicht gleichberechtigt; wie haben Sie gesagt? ({1})
ebenbürtig mit den Vereinigten Staaten sprechen zu können. Nun, das Bruttosozialprodukt der Gemeinschaft der Sechs beträgt 43 % des Bruttosozialprodukts der Vereinigten Staaten von Amerika. Wenn wir die Gemeinschaften erweitern, wird das Bruttosozialprodukt der Zehn 60 % des Bruttosozialprodukts der Vereinigten Staaten betragen. Ebenbürtig werden wir also dann auch nur mit Rabatt sein, wenn wir uns nicht sehr anstrengen. Trotz der Anstrengungen, die wir in Europa in den letzten Jahren gemacht haben, sind wir in der wissenschaftlich-technologischen Entwicklung hoffnungslos zurückgeblieben. Da ich auf dieses Thema im weiteren Verlauf nicht näher eingehen kann, darf ich hier einen Satz aus der Stellungnahme der Kommission zu den Beitrittsgesuchen kurz zitieren. Da heißt es:
Es ist festzustellen, daß die Aussichten für die Gemeinschaft durch den Beitritt Großbritanniens verbessert würden, zwar nicht die Vereinigten Staaten auf dem Gebiet der wissenschaftlichen Forschung in der Technollgie einschließlich des Atombereichs einzuholen, wohl aber den Prozeß umzukehren, der den Rückstand Europas noch mehr vergrößert.
Der Abstand wird größer, wenn wir die größere Gemeinschaft nicht zustande bringen; der Abstand wird kleiner werden - die Möglichkeit dazu ist gegeben -, wenn es uns gelingt, das Europa der Zehn zu schaffen. Darum geht es bei der heutigen Aufgabe, Europa aus dieser Schwäche und aus diesem Zurückbleiben in der Entwicklung herauszubringen.
Wir Sozialdemokraten sind mit dem MonnetKomitee der Meinung, daß Europa eine angemessene
Rolle in der Welt nur spielen kann, daß es besonders auch in der Gestaltung des Friedens zwischen Ost- und Westeuropa nur erfolgreich sein kann, daß es den Ehrgeiz, die Vereinigten Staaten im wissenschaftlichen und technischen Bereich einzuholen, nur haben kann, wenn es den Zusammenschluß nicht nur der Sechs, sondern der Zehn zustande bringt, wenn dieses Europa nicht großtut, sondern groß wird. Darauf kommt es an.
Ich meine, bei dem, was jetzt kommt, bei den Gesprächen und Verhandlungen über den Beitritt Großbritanniens und der anderen Bewerber, wird es wichtig sein, diesen Leitgedanken, diese Zielsetzung immer vor Augen zu haben. Denn wir werden jetzt mit den Schwierigkeiten konfrontiert, die zwangsläufig mit der Erweiterung der Gemeinschaft verbunden sind. Die Stellungnahme der Kommission, die in der vorigen Woche veröffentlicht wurde, macht den Umfang und den Grad der Schwierigkeiten sehr deutlich. Ich würde sagen: das ist geradezu ein Berg von Hindernissen, der sich auf dem Weg zur Einverleibung neuer und so bedeutender Mitglieder in die schon zehn Jahre bestehende Gemeinschaft auftürmt. Aber nur die, die die Erweiterung nicht wollen, können diesen Berg von Hindernissen zum Anlaß nehmen, die Kapitulation zu empfehlen. Wir sollten, wenn wir mit den Schwierigkeiten in der Zukunft ringen, nicht vergessen, wie es mit diesen Schwierigkeiten aussah, als die Verträge für die Gemeinschaften vor mehr als zehn Jahren ausgehandelt wurden. Der Berg war damals noch größer. Und damals handelte es sich um eine Erstbesteigung. Inzwischen wissen wir, wie man mit solchen Schwierigkeiten, wie wir sie vor uns haben werden, fertig wird. Die Überwindung hängt vom politischen Willen ab.
Ich habe hier keine Zeit, in die Diskussion der Einzelfragen, der Sach- und Fachfragen einzutreten. Es ist ja doch klar, daß die Kommission in Brüssel und alle beteiligten Regierungen bis auf die französische der Meinung sind, daß alle sachlichen Schwierigkeiten und Fragen lösbar sind. Auch der Herr Bundesaußenminister hat das in seinen Ausführungen betont. Die Untersuchungen, die wir hier über diese Probleme gemacht haben, zeigen, daß es nicht leicht ist, daß es aber geht. Die Kommission sagt in ihrer Stellungnahme wörtlich:
Die Analyse der wichtigsten Probleme, die durch eine Erweiterung der Gemeinschaft aufgeworfen werden, zeigt deutlich, daß der Beitritt neuer Mitglieder, die in ihrer politischen und wirtschaftlichen Struktur wie in ihrem Entwicklungsstand den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft sehr ähnlich sind, die Gemeinschaft zugleich stärken und ihr einen Anstoß für neue Fortschritte geben kann,
- die Kommission ist hier sehr positiv in ihrer Stellungnahme zu den Gesuchen; weiter geht es im Zitat -:
vorausgesetzt, daß die neuen Mitglieder die Bestimmungen der Verträge wie auch später ergangene Entscheidungen akzeptieren, wozu sie nach ihren Erklärungen auch bereit sind.
Die Kommission schließt dann ihre Untersuchung mit der Feststellung - das ist auch für das Verfahren äußerst wichtig -, daß man eine Reihe von Sachproblemen nur wird klären können, wenn man in Verhandlungen mit den Bewerbern eintritt und dabei feststellt, ob etwa die Dynamik der Gemeinschaften, die nicht gefährdet werden darf, durch die Beitritte gefährdet würde..
Wir von der sozialdemokratischen Fraktion empfehlen hier so wie die Kommission und wie die anderen Mitgliedstaaten mit Ausnahme Frankreichs, daß wir in die Verhandlungen mit den Antragstellern und nicht in Verhandlungen unter ,den Sechs eintreten. Aus allem, was in Großbritannien in den letzten Jahren und besonders in diesem Jahr vor sich gegangen ist, muß doch klar sein, daß die britische Regierung, die Regierung Wilson, auf Gedeih und Verderb mit der Beitrittspolitik verbunden ist. Die britische Regierung hat ihren Willen erklärt, die Verträge und die entstandene Rechtsordnung zu übernehmen. Sie hat mehr getan: Die brititsche Regierung bejaht die Dynamik der Verträge und die künftigen Entwicklungen in den Gemeinschaften auch auf dem außen- und verteidigungspolitischen Gebiet. Wir haben es mit einem vollen Bekenntnis der britischen Regierung zu der europäischen Entwicklung zu tun. Ähnlich sind die Stellungnahmen der anderen drei Bewerber: Irlands, Dänemarks und Norwegens.
Nun, das Aufnahmeverfahren kommt in Gang, es ist schon im Gange. Und schon gibt es dabei Verfahrensprobleme. In der Entschließung Nr. 1 des Monnet-Komitees, die vor uns liegt, heißt es, daß die Aufnahme und der rasche Abschluß der Verhandlungen über den Beitritt Großbritanniens erfolgen muß zur Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft „in ihrer derzeitigen Form". Das ist eine wichtige Formulierung: Beitritt zur Wirtschaftsgemeinschaft in ihrer derzeitigen Form.
Auf der Tagung des Rates in Luxemburg am 2. Oktober hat Herr Bundeswirtschaftsminister Schiller drei Aufgaben für die nächsten Monate in der Gemeinschaft genannt, und zwar erstens den inneren Ausbau der EWG auf den Gebieten des Steuerrechts, der Energie- und der Konjunkturpolitik und anderen mehr, zweitens die Behandlung der Beitrittsanträge und drittens die Fusion der Verträge, die erfolgen muß, nachdem die Fusion der Kommissionen und der Räte schon Wirklichkeit geworden ist. Herr Bundeswirtschaftsminister Schiller hat dabei zum Ausdruck gebracht, daß es keine gegenseitigen Behinderungen und Verzögerungen unter den drei Aufgaben - der einen durch die andere Aufgabe - geben dürfe. Er geht jedoch davon aus, daß die Fusionsverhandlungen schnell vorangehen könnten, daß gleichzeitig Aufnahmeverhandlungen mit Großbritannien auf der Basis des bestehenden EWG-Vertrages geführt werden und daß dann im Abschluß ein um die Fusionsprobleme erweiterter EWG-Vertrag zur Unterschrift vorliegen kann. Da sind in Großbritannien und auch in den anderen Mitgliedstaaten der Gemeinschaft die Besorgnisse entstanden, von denen Herr Scheel hier gesprochen hat, ob nicht durch das Hereinbringen der Fusion der Verträge eine Behinderung und Verzögerung der Beitrittsverhandlungen eintreten müsse. Ich muß hier freimütig sagen, daß auch wir in meiner Fraktion diese Besorgnis haben. Ich sehe an dem Nicken auf den Bänken der CDU/CSU, daß es diese Besorgnis im ganzen Hause gibt.
Man muß, wenn man über diese Fusionsverhandlungen spricht, erstens bedenken, daß dieselbe Kommission, die die Verhandlungen um den Beitritt führen muß, auch die Fusionsverhandlungen führen muß. Auch von seiten der sechs Regierungen werden es sehr oft dieselben Menschen sein, die diese Verhandlungen führen müssen. Da gibt es also rein wegen der Unteilbarkeit der Zeit und der Schwierigkeiten des Terminkalenders schon Behinderungen.
Zweitens. Wenn jemand eine Verzögerungstaktik einschlagen will - es ist wohl nicht ein völlig ungerechtfertigter Verdacht, wenn man glaubt, daß es jemand geben könnte, der das wollte -, dann bieten sich hier natürlich mannigfache Gelegenheiten für eine solche Verzögerungstaktik.
Schließlich ein dritter Grund, der mit den beiden anderen allerdings nichts zu tun hat. Wie sieht es denn am Verhandlungstisch aus, an dem es um die Fusion geht? Wir hier sind daran interessiert, daß die Substanz der europäischen Integration, wie wir sie bisher erfochten haben, bewahrt bleibt. Ist es vorstellbar, daß jetzt an diesem Verhandlungstisch diese Substanz unangetastet bleibt, oder besteht nicht die Gefahr, daß ein Status quo minus dabei herauskommt?
Meine Herren von der Bundesregierung, darf ich hier, auch ein wenig mit dem Blick in die Zukunft, folgendes sagen: Das wird einmal von sechs europäischen Parlamenten ratifiziert werden müssen. Da ist schon ein dicker Brocken drin, daß wahrscheinlich und leider die schwache Position des Europäischen Parlaments so schwach sein wird, wie sie jetzt ist. Aber weitere Abstriche von dieser Substanz werden diese Parlamente - das möchte ich prophezeien - nicht hinnehmen. Da gibt es keine Ratifikation, und dann gibt es keine Fusion; wenn es keine Fusion gibt, dann gibt es die drei Verträge. Wir in den Parlamenten sind in der glücklichen Lage, daß ein Nein diesmal nicht bedeutet, daß alles in die Brüche geht; man wird dann eben mit den drei Verträgen weiterleben müssen.
So komme ich zu der Bitte an die Bundesregierung - und das geht über das hinaus, was Herr Scheel für die Opposition hier gesagt hat -, doch noch einmal zu prüfen, ob es richtig ist, jetzt Fusionsverhandlungen von uns aus zu fordern, oder ob es nicht besser wäre, von uns aus den Versuch zu machen, mit den Schwierigkeiten der drei Verträge noch eine Weile 2u leben. Zweitens muß natürlich jeder Zweifel beseitigt werden, damit, wenn die Fusionsverhandlungen doch laufen sollten, nicht ein faktisches Junktim - kein gesetztes - zwischen Fusion und Beitritt herauskommt.
Meine Fraktion ist nachdrücklich für die Ausweitung der EWG, um das Potential der anstehenden Bewerber hereinzuziehen. Dieses Potential, das im übrigen auch das älteste demokratische Potential auf diesem Kontinent Europa ist, sollte in der Waagschale auch etwas bedeuten. Die HereinzieDr. Mommer
hung dieses Potentials in die Gemeinschaften ist in der Rangordnung der Ziele und Aufgaben gegenwärtig bei weitem die wichtigste aller Aufgaben. Wir müssen deswegen alles vermeiden, was der Erreichung dieses Ziels nicht dienlich ist und was dieses Ziel gar gefährden könnte.
Nun zu der Frage: Was kann denn die Bundesregierung tun, die ist doch guten Willens? Ja, die Bundesregierung ist guten Willens. Herr Bundeskanzler, ich habe damals nach Ihrer Regierungserklärung hier gesprochen und habe meine Zustimmung, meinen Respekt und meine Bewunderung für diese Regierungserklärung bekundet. Aber dieser Punkt war nicht der stärkste Punkt in der Regierungserklärung. Denn worauf kommt es an, Herr Scheel? Nicht darauf, daß man den Beitritt Großbritanniens „begrüßt", sondern es kommt, wenn das, was wir mit der Einbringung 'der Entschließung des Monnet-Komitees getan haben, ernst gemeint ist, darauf an, daß die Bundesregierung nicht nur den Beitritt „begrüßt", sondern ihn mit den Mitteln herbeiführt, die ihr zur Verfügung stehen.
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Man schaut auf uns draußen in der Welt, und wir hören es auch, wenn wir 'draußen sind. Man ist geneigt, uns vorzuwerfen, daß hier in Bonn Lippenbekenntnisse zu diem Beitritt abgelegt würden, daß man aber nicht (das tue, was man tun könnte.
Nun, was könnte man tun? Es ist richtig, daß die Bundesregierung über keinen Hebel verfügt, mit dem sie das Recht auf das Nein, das ich Vetorecht nenne, aus den Angeln heben könnte. Das ist so, und so steht es klipp und klar im Vertrag. Allerdings, Herr Bundesaußenminister, steht im Vertrag auch, und zwar in der Präambel und in eben diesem Art. 237, das Gebot der offenen Tür für alle, die die Bedingungen für den Eintritt in diesen Klub erfüllen. Das ist die andere Seite der rechtlichen Lage bei diesen Beitrittsanträgen.
Was die Bundesregierung tun kann, ist, meine ich, folgendes. Sie kann der uns befreundeten französischen Regierung, die ja, wie wir wissen, auch keine Freude daran hat und haben kann, ein zweites Mal - wie im Januar 1963 - ein Veto auszusprechen, sagen, daß die Erweiterung der Gemeinschaften wirklich das ist, was hier eben schon in den Reden von Herrn Dr. Barzel und von Herrn Scheel zum Ausdruck gekommen ist und was unsere gemeinsame Überzeugung ist, die Überzeugung dieses Hauses, daß nämlich die Erweiterung dieser Gemeinschaften für uns ein Lebensinteresse - auf französisch sagt man: intérêt vital, und man weiß, was das bedeutet - ist, ein Ziel von allerhöchstem Rang, und dies aus folgenden Gründen. Erstens wegen der politischen Gesamtkonzeption von dem größeren Europa; dazu ist hier schon viel gesagt worden, und ich will es im einzelnen nicht ausführen. Das ist seit vielen, vielen Jahren, seit mehr als zehn Jahren, eine Grundlinie der Politik dieses Landes gewesen.
Zweitens - und da möchte ich etwas ausführlicher sein - gebieten unsere wirtschaftlichen Interessen, daß die Tür für die Bewerber, die draußen stehen, nicht zugeschlagen wird. Ich will Ihnen dazu ein paar Zahlen nennen; ich weiß, Zahlen hört man nicht gerne, aber ich muß sie vortragen. Im Jahre 1965 führte die Bundesrepublik nach Großbritannien Güter im Werte von 2,8 Milliarden DM aus, Frankreich für 1,8 Milliarden DM. Nach Dänemark, Norwegen und Schweden führten wir für 7,4 Milliarden DM aus, Frankreich nur für 1,5 Milliarden DM. Auf 'der Einfuhrseite besteht die gleiche Diskrepanz zwischen unserer wirtschaftlichen Verbindung mit diesen Ländern und Frankreichs Verbindung mit 'den gleichen Ländern. Die Bundesrepublik führte aus Großbritannien ein für 3,1 Milliarden DM, Frankreich für 2,1 Milliarden DM. Die Bundesrepublik führte ein aus Dänemark, Norwegen und Schweden für 4,8 Milliarden DM, Frankreich für 1,2 Milliarden DM.
Meine Damen und Herren, die handelspolitische Interessenlage Frankreichs und der Bundesrepublik gegenüber diesen um Beitritt oder Assoziierung nachsuchenden Staaten ist fundamental unterschiedlich. Dieses Urteil wird erhärtet, wenn man den Außenhandel mit allen Ländern 'der EFTA zum Vergleich heranzieht. Die Ausfuhr der Bundesrepublik in die EFTA-Länder betrug im Jahre 1965 19,3 Milliarden DM; das sind 50 % der Gesamtausfuhr aus der EWG in die EFTA. Die Ausfuhr Frankreichs in die EFTA-Länder betrug insgesamt 6,3 Milliarden DM; das sind 16 % der Gesamtausfuhr der EWG in die EFTA. Die Einfuhr der Bundesrepublik aus den EFTA-Ländern betrug 12,1 Milliarden DM, 43 % der Gesamteinfuhr der EWG-Länder aus den EFTA-Ländern, die Einfuhr Frankreichs aus den EFTA-Ländern. 4,6 Milliarden DM; das sind 16 % der Gesamteinfuhr der EWG aus den EFTA-Ländern. Die französische Ausfuhr in die EFTA-Länder macht also weniger als ein Drittel der Ausfuhr der Bundesrepublik in die EFTA-Länder aus und die Einfuhr Frankreichs aus diesen Ländern 'ein wenig mehr als ein Drittel der Einfuhr der Bundesrepublik aus jenen Ländern.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Bitte, Herr Kollege Ertl!
Herr Kollege Mommer, würden Sie bitte auch noch die Zahlen des Außenhandels zwischen der Bundesrepublik und Österreich nennen, und würden Sie nicht vielleicht daraus eine besondere Verpflichtung ableiten, daß wir uns für die Assoziierung Österreichs .einsetzen müßten, was die Bundesregierung bisher offensichtlich nicht sehr aktiv betrieben hat?
Herr Kollege Ertl, der Außenhandel mit Österreich ist ja mit in den Zahlen enthalten, die ich für den Außenhandel mit der EFTA genannt habe. Im übrigen ist ja bekannt - und ich danke Ihnen, daß Sie mich dazu zwingen, das hier zu sagen -: es geht nicht nur um die Aufnahme der vier Länder, die Vollmitglieder werden wollen, sondern es geht um reine Erweiterung des wirtschaftlichen gemeinsamen Marktes, der noch viel größer
werden soll, als er es durch die Aufnahme der vier Länder würde, die Mitglied werden wollen. Wir wissen, daß wir auch für die Länder, die wie Österreich aus politischen Gründen nicht Vollmitglied werden können, in unserem Interesse, im Interesse Gesamteuropas und auch im Interesse jener Länder angemessene Lösungen finden müssen.
Die Zahlen, die ich für den Handel mit der EFTA genannt habe, weisen im übrigen für das Jahr 1965einen Ausfuhrüberschuß der Bundesrepublik beim Export in diese Länder von 7,2 Milliarden DM aus. Wegen des Außenzolls und der Abschöpfungen an den Grenzen der EWG haben es die EFTA-Länder sehr schwer, mit ihren Waren auf dem deutschen Markt Erfolg zu haben. Die langfristige Folge so hoher Überschüsse kann nur sein, daß unser Handel mit (diesen Ländern zurückgehen wird.
Ich komme damit zu der wirklich kapitalen Schlußfolgerung: Die Spaltung Europas in EWG und EFTA trifft die handelspolitischen Interessen der Bundesrepublik mit besonderer Härte, ganz anders als Frankreich.
Ich meine, Herr Bundeskanzler und Herr Bundesaußenminister, auch diese Zahlen rechtfertigen eine sehr ernste Sprache, wenn es darum geht, die französische Regierung hinsichtlich ihrer Absicht umzustimmen, die Erweiterung nicht zustande kommen zu lassen.
Es sind da noch andere Gründe, die das intérêt vital mit zu unterstreichen vermögen. Die Bundesrepublik Deutschland trägt den Löwenanteil an der Finanzierung der Agrarpolitik der EWG. Wenn Großbritannien beitritt, führt das für uns zu einer fühlbaren Entlastung.
Ein weiterer Punkt, der schon von Dr. Barzel und anderen, natürlich auch von der Bundesregierung selber unterstrichen worden ist: Unsere Wachstumsindustrie, unser Anschluß an die moderne Zeit, unser Streben, hier - wie der Herr Bundesaußenminister sagte - gerüstet zu sein für das 21. Jahrhundert, erfordern es, daß wir die Erweiterung der Europäischen Gemeinschaft zustande bringen.
Aus dem, was ich gesagt habe, ergibt sich also wohl, daß es kein overstatement ist, wenn die Bundesregierung der französischen Regierung sagt, daß ein „Non" vitale Interessen der Bundesrepublik träfe. Wenn man- das so sagt und nicht sagt, Herr Bundeskanzler, daß man den Beitritt Großbritanniens begrüßen würde, dann sieht das ganz anders aus.
Ich 'ßeine, die Bundesregierung kann noch mehr tun. Sie kann engste Tuchfühlung mit den Regierungen der vier übrigen EWG-Mitglieder halten, die den Beitritt als Notwendigkeit und das Scheitern als eine Katastrophe ansehen. Sie kann Tuchfühlung auch mit den antragstellenden Regierungen halten, für die ein Lebensinteresse auf dem Spiele steht.
Hier muß doch mit Nachdruck die Frage gestellt werden, ob es in diesem Europa möglich sein soll, daß eine europäische Regierung neun anderen europäischen Ländern den Weg in eine gemeinsame
Zukunft versperrt. Das muß mit allem Ernst gefragt wenden.
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Wenn dieses Unglück doch geschehen sollte - ich glaube nicht, daß es igeschehen wird, wenn wir unsere Rolle richtig spielen -, dann wird es nicht ohne negative Konsequenzen auch für die bestehende kleine Gemeinschaft sein.
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Das hat auch der französische Sozial- und Finanzminister, M. Debré, in den letzten Tagen selber zum Ausdruck gebracht. Diese Gemeinschaft ist nach dem zweiten „Non" nicht mehr das, was sie jetzt ist. Konsequenzen ergeben sich aus der Verletzung eines wesentlichen Interesses unserer Völker, der Neun, natürlich auch für die Beziehungen, die diese neun Staaten mit der französischen Regierung haben. Auch das muß man in Paris überlegen.
Meine Damen und Herren, ich meine, die deutschfranzösischen Beziehungen sind Gott sei Dank sehr gefestigt. Sie sind - ich habe das noch vorige Woche in meinem Wahlkreis, als die fünfte Partnerschaft geschlossen wurde, wieder mit Freude erlebt - schon in die Herzen eingedrungen. Es gibt kein Heraus mehr aus dieser deutsch-französischen Verständigung und Freundschaft. Aber gerade in der Freundschaft muß es ja möglich sein, daß man sagt, was man denkt und was man für sein Interesse hält. Das kann nicht nur gelten, wenn der französische Staatschef, gar nicht pingelig, sagt und tut, was uns hier keine Freude macht. Das muß auch umgekehrt gelten,
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wenn wir, die Feigheit vor dem Freunde verschmähend, nachdrücklich unsere Meinung sagen und unsere Interessen vertreten.
Soeben ist das Ergebnis einer EMNID-Umfrage bekanntgeworden, die im Juli 1967 veranlaßt wurde. 59 % der Befragten waren für den Beitritt Großbritanniens, 56 % für den Beitritt auch der übrigen Bewerber. Nur 3 % der Befragten waren der Meinung: Der Klub ist geschlossen, da kommt keiner mehr herein.
Der Herr Bundesaußenminister hat schon im Sommer in Brüssel mutig darauf hingewiesen, daß es die öffentliche Meinung in diesem Land nicht verstehen würde, wenn man die Erweiterung der Gemeinschaft verhinderte. Wenn z. B. 1969 die jetzige Regelung über die Finanzierung der gemeinsamen Agrarpolitik ausläuft, entsteht die Frage, ob diese Finanzierung verlängert werden soll, eine Finanzierung, Idle für uns in den kommenden Jahren bedeutet, daß wir jährlich 900 Millionen DM mehr hineinzahlen, als wir herausbekommen, Frankreich dagegen jährlich 1,7 Milliarden DM mehr herausbekommt, als es hineingibt.
Ich fasse das zusammen. Die Bundesregierung hat keinen Hebel, mit dem sie diesen Satz ides Art. 237 aus den Angeln heben kann. Aber sie hat gewichtige Argumente, und sie hat gute Karten in ihrem Spiel. Es ist ein Spiel unter zehn, von denen neun das größere Europa wollen und es einer vorläufig noch
nicht will. Mir scheint das keine schlechte Verhandlungsposition zu sein, wenn man so um den Tisch sitzt. In Verhandlungen mit den Antragstellern, die baldigst beginnen sollten, müssen die Sach- und Interessenfragen nüchtern und fair diskutiert werden. Niemand verlangt, daß wir Großbritannien und den anderen Geschenke machen. Nein, hier geht es weitgehend auch um materielle Interessenfragen. Da ist es richtig, nüchtern und hart, aber auch fair zu verhandeln und von den neuen Mitgliedern nichts zu verlangen, was man sich selber nicht auferlegt hat - vor allem damals, als es um die Gründung der Gemeinschaften ging und nicht auferlegt.
In Frankreich sagt man: England ist noch nicht reif für den Beitritt. Ich meine: England ist reif. Es hat eine gewaltige Entwicklung auf Europa hin gemacht. Ich habe im übrigen die Logik des Arguments „Unreife" nie begreifen können. Mir scheint sie gerade zum umgekehrten Schluß zu führen. Denn wenn die Briten noch nicht ganz so reif sein sollten, dann müßte die politische Taktik die sein, daß wir sie in unseren Klub hineinnehmen und sie da in der täglichen Arbeit an Europa nachreifen lassen.
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Das wäre das beste Klima für die Nachreifung. Macht man es umgekehrt, schließt man sie aus, stößt man sie doch auf den Weg dahin, wo schon soviel Macht ist, die uns alle gelegentlich beunruhigt, aber insbesondere den französischen Staatspräsidenten beunruhigt. Dann treibt man doch die Briten -und die anderen den Vereinigten Staaten in die Arme, schwächt Europa, stärkt die Vereinigten Staaten. Die Logik der Unreife scheint mir also -eine unreife Logik zu sein.
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Meine Damen und Herren, ich muß mich hier auf die wenigen politischen Kernfragen dieses Problems konzentrieren. Wir überweisen die Anträge an die Ausschüsse, und da müssen wir viele wichtige Fragen weiter diskutieren. Ich meine überhaupt, meine Damen und Herren, weil es hier möglicherweise zwischen diesem gesamten Hause und der Bundesregierung einige Meinungsverschiedenheiten gibt, die im übrigen auch daher kommen - Herr Scheel, das wissen Sie doch als ehemaliger Minister -, daß der, der in der Verhandlungssituation steht, es schwerer hat als der, der hier frei von der Leber weg reden kann, wir sollten die Dinge in den Ausschüssen weiter verfolgen und uns sehr lebhaft für diese Weichenstellung, auf die wir zugehen, interessieren und uns dauernd mit ihr beschäftigen. Wenn dann die Verhandlungen kommen, Herr Bundeskanzler, Herr Bundesaußenminister und Herr Bundeswirtschaftsminister, dann wünsche ich Ihnen. viel Glück bei dem großen und manchmal etwas schwierigen Freunde.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Blachstein.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe den Auftrag, den Antrag Drucksache V/1989 der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion in dieser Debatte, die einen durch die Regierungserklärung weit gespannten Bogen hat - von der Europapolitik bis zur Deutschlandpolitik -, vor dem Hause zu vertreten. Ich glaube, daß die spezielle Frage Griechenlands in das europäische Konzept hineingehört. Denn wenn in einem europäischen Land durch einen Staats-streich die demokratische Grundlage beseitigt wird, sind alle anderen davon mit betroffen.
Zunächst zu den Verhältnissen, die in Griechenland durch die Ereignisse des 21. April dieses Jahres entstanden sind. Es gibt Zehntausende politisch Verhaftete. Es gab Tote. Die Zahl der heute noch Verhafteten beträgt nach offiziellen Angaben einige tausend. Die Pressefreiheit ist aufgehoben. Die Versammlungsfreiheit ist beseitigt. Die Verfassung ist außer Kraft gesetzt. Der Ausnahmezustand besteht weiter. Das Parlament ist aufgelöst, ebenso die Parteien, die Gewerkschaften zum größten Teil. Durch das Land ziehen Terror, Schrecken; in den Gefängnissen herrscht zum Teil Tortur.
Die Begründung für all das - die offizielle Begründung - ist die Notwendigkeit der Abwendung einer kommunistischen Gefahr. Bis heute, knapp ein halbes Jahr nach dem Staatsstreich, liegen weder Dokumente vor, noch sind Prozesse durchgeführt worden, die die angebliche Gefahr und den angeblichen Staatsstreich einigermaßen glaubhaft machen würden. Immerhin haben wir eines: wir haben erpreßte Zeugen für Prozesse, die vorbereitet wurden, Zeugen, denen die Flucht ins Ausland gelungen ist. Im Lande, in Griechenland, sind Recht und Gesetz weitgehend außer Kraft gesetzt worden.
Es gibt ein Wort eines schwedischen Kanzlers - keine Sorge, ich zitiere keinen Sozialdemokraten, sondern Axel Oxenstjerna, Kanzler aus der Zeit, da Schweden eine europäische Großmacht war; das liegt ein paar Jahrhunderte zurück -, der damals gesagt hat: „Eine Regierung ohne Recht und Gesetz unterscheidet sich nicht von einer Räuberbande."
({0}) Ich glaube, daß das auch heute zutrifft.
Man hat mir in einer anderen Debatte vorgeworfen, daß man an solche Fragen frei von Emotionen, frei von Gefühlen herangehen solle. Ich frage Sie: sind Sie frei von Emotionen, frei von Gefühlen gegenüber den Dingen, die in Leipzig oder in Rostock vorgehen? Ich glaube, niemand von uns ist es. Ich möchte hinzufügen: ich glaube, niemand schämt sich der Emotionen für das Schicksal der Menschen im anderen Teil Deutschlands. Aber ich schäme mich auch nicht der Emotionen, der Gefühle. für die Menschen in Prag oder in Athen, denen die Menschenrechte vorenthalten, die gequält und unterdrückt werden.
Mancher sagt: Was geht uns das an, haben wir nicht genug Sorgen, müssen wir uns um solche Dinge kümmern, die uns zu einem befreundeten Land und Volk in Schwierigkeiten bringen? Ich glaube, es geht uns eine Menge an, schon darum, weil wir mit Griechenland im Europarat verbunden sind, weil wir mit Griechenland, das der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft assoziiert ist, verbun6356
den sind und weil wir mit Griechenland gemeinsam der NATO angehören. Gerade ein Land wie unseres, das unter der Verletzung der Menschenrechte im anderen Teil Deutschlands so lange und so schwer leidet, muß die Verletzung der Menschenrechte in anderen Teilen der Welt sehr ernst nehmen und als seine Sache ansehen.
Aus diesem Grunde, Herr Bundeskanzler und Herr Bundesaußenminister, bedauere ich es, daß Sie sich nicht dazu entschließen konnten, sich der Klage der Sechs oder derer, die sich der Klage der Vier angeschlossen haben, mindestens unterstützend zuzugesellen. Ich hätte gemeint, Sie wären in guter Gesellschaft gewesen: fünf dieser Länder gehören mit uns der NATO an, das sechste ist ein neutraler Staat.
Der Herr Bundesaußenminister hat in der Regierungserklärung einiges zu Griechenland und diesem Antrag gesagt. Ich sage offen, ich hätte gewünscht, die Regierung hätte noch etwas mehr dazu heute dem Hause sagen können, weil mir scheint, daß die Wünsche und Hoffnungen, die zu diesem Punkt in der Regierungserklärung ausgesprochen worden sind, nicht ausreichen werden und daß die Glaubwürdigkeit, von der dort die Rede ist, gerade für uns besondere Bedeutung hat. Für uns, die wir permanent die anderen auf die deutschen Nöte hinweisen und ihre Unterstützung brauchen, um die deutschen Nöte zu überwinden, wäre in dieser Sache zum jetzigen Zeitpunkt die Solidarität auch durch die Regierung nützlich gewesen.
({1})
Wenn die Regierung erklärt, daß sie im Januar vor die Ergebnisse der Untersuchungen gestellt werden wird, die von der Menschenrechtskommission auf Antrag zu behandeln sein werden, so gehe ich davon aus, daß die Regierung strikt an den Menschenrechtsvereinbarungen und den Grundlagen des Europarates festhalten wird, die die Mitgliedschaft eines Staates, der die Menschenrechte bricht, ausschließen.
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Die Beratende Versammlung des Europarates hat die Ereignisse in Griechenland verurteilt. Sie hat die Klage der europäischen Staaten bei der Menschenrechtskommission unterstützt, sie hat einen Berichterstatter ernannt, der im Januar der Versammlung berichten soll, und sie hat in Aussicht gestellt, zu gegebener Zeit über die Mitgliedschaft Griechenlands im Europarat zu beraten und zu entscheiden.
Die Kommission der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft hat sich auf den Standpunkt gestellt, daß laufende Verträge zu erfüllen sind, aber keine neuen Maßnahmen eingeleitet werden. Die Assoziierung sei als suspendiert anzusehen, solange die jetzigen Verhältnisse in Griechenland andauerten. Sie hat neue Kredite verweigert und die Aufnahme von Finanzverhandlungen über ein neues Finanzprotokoll - das alte läuft Ende dieses Monats ab - bis zur Wiederherstellung konstitutioneller Verhältnisse in Griechenland abgelehnt. Der Vertreter der Kommission hat in der Europäischen Investitionsbank eine neue Tranche von 10 Millionen im Rahmen eines Gesamtbetrages von 120 Millionen auf
Grund der bestehenden Verhältnisse abgelehnt. Wenn wir uns daran halten, daß bestehende Verträge erfüllt werden müssen, so glaube ich, daß das Vorgehen der Europäischen Kommission, keine neuen Verpflichtungen einzugehen und die alten restriktiv auszulegen, auch eine Richtschnur für unser eigenes Verhalten auf wirtschaftlichem und anderem Gebiet sein sollte.
Schließlich fordern wir in unserem Antrag, die Militärhilfe an Griechenland einzustellen. An diesem Punkt gibt es manche Überlegungen, manche Bedenken. Ich will auf den militärischen Aspekt der Bedeutung Griechenlands im NATO-Bündnis bei der Begründung dieses Antrags nicht eingehen. Ich glaube, es würde über das, was heute dazu zu sagen ist, hinausgehen. Ich möchte aber doch zitieren, was der Präsident der Vereinigten Staaten bei einer Gelegenheit dem griechischen Botschafter in Washington über die Militärhilfe gesagt hat:
Unsere Militärhilfe
- sagte Präsident Johnson wird erst dann wieder das volle Ausmaß wie vor dem 21. April erhalten, wenn Ihre Regierung die demokratische Rechtsordnung respektiert. Sie werden von uns, Herr Botschafter, von der amerikanischen Öffentlichkeit und dem Kongreß immer wieder den Wunsch zu hören bekommen, daß Griechenland endlich wieder ein parlamentarischer Rechtsstaat wird.
Wir sind der Meinung, daß wir unsererseits die militärische Hilfe bis zur Wiederherstellung demokratischer Verhältnisse in Griechenland einstellen sollten.
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Die Verteidigung der Freiheit kann doch nicht so aussehen, daß sie zur Verteidigung der griechischen KZ's wird.
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Meine Damen und Herren, der griechische Widerstand hat in den letzten Wochen und Monaten - wie ich glaube, nicht zuletzt durch die Reaktion der demokratischen Öffentlichkeit in der Welt - zugenommen. Hochachtung für eine Frau wie die Verlegerin Frau Vlachou, die mit der Waffe der Verachtung und des Spotts gegenüber denen, die ihr mit dem Militärgericht drohen, immer wieder ihre warnende Stimme erhebt und an uns appelliert, dem freien Griechenland zu Hilfe zu kommen!
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Ein konservativer, in Deutschland gut bekannter griechischer Politiker wie Kanellopoulos hat trotz Redeverbot und Maulkorb seine Stimme erhoben. Er hat diese Regierung charakterisiert und an den Westen appelliert, dem freien Griechenland den Weg zurück in die europäische Völkergemeinschaft zu erleichtern. Ich denke an Andrei Papandreou, auch an den Vater, den man freigelassen hat - eines der Manöver, um die Weltöffentlichkeit zu beruhigen. Aber so erfreulich die Freilassung des alten Papandreou ist, es sitzen weiter Tausende in den Lagern und auf den Inseln. Wir denken an Andrei Papandreou, und wir erwarten, daß, wenn es einen Prozeß gibt, dieser Prozeß rechtsstaatlich ist
und diesem Manne die Möglichkeiten der Verteidigung im öffentlichen Verfahren gegeben werden. Künstler, Professoren, Studenten, Arbeiter, Bauern und zahlreiche Offiziere, die nicht zur Clique der jetzigen Machthaber gehören, stehen auf der Seite des wahren Griechenlands, des demokratischen Griechenlands, des Griechenlands, mit dem wir befreundet und verbündet waren.
Manche sind schnell zur Hand mit sehr einfachen Urteilen, z. B. mit ihrem Mißtrauen in die Möglichkeiten einer griechischen Demokratie. Ich möchte sie daran erinnern, wie viele Leute es in Europa und in der Welt gegeben hat mit einem sehr tiefen Mißtrauen gegenüber den Möglichkeiten einer deutschen Demokratie im Jahre 1945. Wollen wir uns gegenüber dem griechischen Volk in der gleichen Weise verhalten wie diese Leute damals, 1945? Ich glaube, es haben die im Lager unserer Gegner von vor 1945 recht behalten, die Deutschland eine demokratische Chance gegeben haben, und ich meine, wir sollten, soweit das in unseren sehr bescheidenen Möglichkeiten liegt, dem demokratischen Griechenland die gleiche Chance geben, wie wir sie einmal erhalten haben.
Zum Schluß! Man spricht von einer neuen Verfassung. Ich teile die Hoffnungen, daß es zu einer solchen Verfassung kommt. Aber ich möchte hinzufügen, daß gegenüber einem Regime, das Tausende in Haft hält, unter dem es keine freie Presse gibt, unter dem sich nicht mehr als fünf Menschen versammeln dürfen, unter dem Urteile gesprochen werden, die Angeklagte wegen Beleidigung der Regierung mit zwei bis drei Jahren Gefängnis belegen, mein Glaube an die Möglichkeiten einer demokratischen Verfassung, die von denen vorgelegt werden soll, die heute das Regime des Terrors aufrechterhalten, äußerst gering ist
Lassen Sie mich zusammenfassen: Suspendierung der Mitgliedschaft im Europarat, Aussetzung der Assoziierung an die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft, keine weitere Wirtschaftshilfe, keine weitere Militärhilfe, Asylrecht für die griechischen Gastarbeiter in der Bundesrepublik, um, soweit möglich, ihr Leben zu sichern und sie vor der Furcht vor ihren Verfolgern in unserem Land zu bewahren, Solidarität mit den griechischen Demokraten in ihrem schweren Kampf um die Rückkehr ihres Landes in demokratische, konstitutionelle, rechtliche Verhältnisse, das scheint mir das zu sein, was notwendig ist. Das scheint mir das zu sein, was wir mit unseren Freunden in den anderen europäischen Ländern, in der Beratenden Versammlung des Europarates und im Europäischen Parlament unterstützen sollten: mehr als Wünsche und Hoffnungen, wirksame Maßnahmen auch deutscherseits zur Sicherung Europas und zur Wiederherstellung der Freiheit, Gesetzmäßigkeit und Verfassung in Griechenland.
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Das Wort hat der Herr Bundeskanzler.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Bundesaußenminister hat vor diesem Hause in einer sorgfältig abgewogenen Erklärung die Grundlinien der Außenpolitik der Regierung der Großen Koalition dargelegt. Seine Ausführungen haben in den bisherigen Diskussionsbeiträgen trotz einiger polemischer Beimischungen Zustimmung gefunden.
Ich ergreife das Wort, weil ich durch einige Redner unmittelbar angesprochen worden bin und weil es sich dabei um Probleme handelt, von denen ich nicht wünsche, daß sie im Trüben bleiben.
Herr Kollege Scheel meinte, daß die Gesamtpolitik der Regierung nicht genügend koordiniert sei. Es handle sich bei dieser Politik um ein unkoordiniertes Nebeneinander. Leider hat er dabei das Pech gehabt, des öfteren nicht nur die Meinung der Regierung, sondern auch das, was ihre Vertreter, insbesondere der Bundeskanzler zu verschiedenen Malen geäußert haben, falsch zu zitieren, und gerade das zwingt mich, ihm unmittelbar zu antworten. Aber auch die Ausführungen des Herrn Kollegen Mommer, mit dem ich seit vielen Jahren in dieser großen Bemühung um ein vereinigtes Europa zusammengestanden habe, veranlassen mich zu einigen Erwiderungen.
Zunächst einmal zu dem „unkoordinierten Nebeneinander" in dieser Politik. Ich hätte gewünscht, Herr Kollege Scheel, daß Sie die von Herrn Kollegen Barzel dankenswerterweise erwähnte Rede zum 17. Juni sorgfältig gelesen hätten. In dieser Rede habe ich in der Tat den Versuch gemacht, zu zeigen, daß unsere gesamte Außenpolitik gen Westen wie gen Osten koordiniert ist und wo die Schwierigkeiten einer solchen Koordinierung liegen. Ich habe direkt die Frage gestellt, ob denn etwa unsere Europapolitik nicht im Widerspruch zu dieser unserer Ostpolitik stehe; ein Einwand, den man gelegentlich lesen und hören kann. Ich habe darzustellen versucht, daß diese Europapolitik nur dann nicht im Widerspruch zu unserer Ostpolitik steht, wenn es uns gelingt, im Laufe der Jahre im Zuge einer europäischen Entspannungspolitik mit dem Ziel der Heraufführung einer europäischen Friedensordnung eine Brücke zwischen Osten und Westen zu schlagen und auf diese Weise die Voraussetzungen dafür zu schaffen, daß auch eine gerechte Lösung der deutschen Frage gefunden wird. Wir wollen uns mit unserer Europapolitik - das war vielleicht einmal auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges anders -, mit unserer Politik der Einigung Westeuropas, um es genau zu sagen, nicht abschließen und abschirmen, sondern wir fassen diese Europapolitik heute, nachdem auch nach meiner Meinung, das, was wir als die Epoche des Kalten Krieges bezeichnet haben, vorüber ist, im Rahmen dieser Konzeption der Anbahnung einer großen europäischen Friedensordnung auf. Da sind gerade im Zusammenhang mit dem deutschen Problem, wie wir wissen, sehr schwierige Fragen eingeflochten. Wenn wir uns redlich und mit ernstem Willen dieser Frage annehmen, müssen wir auch diese Schwierigkeiten zeigen. Ich nehme also eine Kritik, die nach dieser Koordinierung unserer Politik fragt, durchaus ernst, weil mich das ständig beschäftigt.
Sie haben gemeint, es sei uns nicht gelungen, die Ost- und Entspannungspolitik, die wir begonnen hätten und der auch Sie Ihre Zustimmung gegeben hätten, durchzuhalten. Ich glaube, wenn Sie die Geschichte der vergangenen 10 Monate unbefangen überblicken, werden Sie nicht feststellen können, daß wir im geringsten in unseren Bemühungen um diese Entspannungspolitik, um diese Politik, bessere und vertrauensvollere Verhältnisse mit unseren östlichen Nachbarn zu schaffen, nachgelassen haben. Daß wir nicht sofort mit großen Erfolgen aufwarten konnten, liegt wahrhaftig nicht an uns. Aber ich möchte auch gar keine Zweifel bestehen lassen: wir haben solche kurzfristigen großen Erfolge auch gar nicht erwartet. Wenn wir das getan hätten im Blick auf die zwei Jahrzehnte, die hinter uns liegen, wären wir wahrhaftig leichtfertige Illusionisten gewesen.
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Mir liegt sehr daran, gerade das zu betonen. Mir liegt sehr daran, immer wieder darauf hinzuweisen, daß wir, als wir diese Politik begannen, wußten: sie wird deswegen so schwer sein, weil sie lang und mühevoll sein wird, weil sie nicht jeden Tag oder jede Woche eine neue politische Schlagzeile zu liefern vermag. Das gefällt natürlich nicht allen Leuten, und weil das nicht allen Leuten gefällt, erfinden sie eben vielfach Schlagzeilen. Das muß man mit Humor nehmen, so lange mit Humor nehmen, als es nicht der Sache unseres Volkes, als es nicht vor allem auch - da spreche ich im Namen dieser Koalition - der Sache dieser Koalition und der Zielsetzung dieser Koalition gefährlich wird.
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Sie haben, Herr Kollege Scheel, auf eine fatale Rede angespielt, die ich in Berlin gehalten haben soll. Ich erinnere mich an eine Rede, die ich in Berlin gehalten habe und die den Anwesenden dort und anderen recht gut gefallen hat. Aber inwiefern diese Rede fatal gewesen sein soll, weiß ich nicht. Ich nehme an, daß Sie auf eine Äußerung im Zusammenhang mit der „Anerkennungspartei" anspielen wollten.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Herr Bundeskanzler?
Bitte!
Herr Abgeordneter Scheel zu einer Zwischenfrage.
Die Frage hat sich erübrigt, weil der Herr Bundeskanzler schon darauf kommt. Ich darf nur erwähnen, daß ich eine „fatale Bemerkung" in seiner Rede meinte.
Gut, wir sind uns also darüber einig, was Sie gemeint haben.
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Ich will darauf sofort Antwort geben. Ich habe eben
gesagt: die Gefahr der Erfindungskraft mancher
liege darin, daß sie eine schwierige und mühevolle Politik, die sich oft auf einem sehr schmalen Grat bewegen muß, gefährden könnte, zerreden könnte. Ich will Ihnen offen sagen: in den letzten Monaten hat mich nichts so sehr beschäftigt und manchmal auch gequält wie der Versuch einer großen Reihe von Publizisten, die Politik, die Außenpolitik, die Ostpolitik, die Deutschlandpolitik dieser Regierung der Großen Koalition, dieser Großen Koalition naiv oder bewußt auseinanderzureden.
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Ich will gleich von vornherein sagen, daß ich niemanden verunglimpfen wollte, als ich davon sprach, hier in diesem Hause seien sich die Parteien - und, Herr Kollege Scheel, ich schloß die FDP in diese Feststellung ausdrücklich ein - im wesentlichen über die Grundzüge dieser unserer Außenpolitik, dieser unserer Ostpolitik und Deutschlandpolitik einig. Aber damit jede weitere Spekuliererei über das, was ich ausgesagt habe und wie ich es ausgesagt habe, aufhört, darf ich Ihnen - mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten - die Stelle, die sich damit befaßt, aus einem Interview vorlesen, das ich einer süddeutschen Zeitung zu diesem Punkt gegeben habe. Der Journalist fragte mich: In der Deutschlandpolitik seien sich ja alle Fraktionen des Bundestages ziemlich einig, aber es scheine ihm, daß es eine Art außerparlamentarische Opposition gegen diese Politik der Nichtanerkennung Pankows gebe. Darauf erwiderte ich ihm - und ich bitte, nicht nur auf den Inhalt, sondern auch auf den Ton zu achten -:
Sie haben recht, es ist sogar eine sehr einflußreiche Opposition. Bei einer Diskussion im Auswärtigen Ausschuß des Bundestages hatte ich den Eindruck, daß nicht nur die beiden Regierungsparteien, sondern auch die Opposition, die FDP, hinter unserer Politik stehen, obwohl immer wieder Äußerungen aus dem Lager der FDP darauf hindeuten, daß die FDP sehr viel weiter - und gefährlich weiter - als wir zu gehen bereit wäre. Aber ganz eindeutig wird der Gedanke der Anerkennung von einer im Bundestag kaum repräsentierten Gruppe von Publizisten in Zeitungen, Zeitschriften, im Rundfunk und im Fernsehen vorgetragen. Das ist eine Tatsache, die unserer Bevölkerung noch gar nicht recht zum Bewußtsein gekommen ist, weil sie keinen vollständigen Überblick über die deutsche Publizistik hat. Ich stelle das nur fest. Wir leben in einer Demokratie, in der jeder das Recht auf seine Meinung hat. Aber man muß darauf hinweisen, daß es diese
- in Anführungsstrichen; so heißt es „vierte Partei" - oder diese außerparlamentarische breite publizistische Opposition gibt, obwohl sie in dem von unserem Volk gewählten Parlament nicht vertreten ist und obwohl unser Volk, wie jede demoskopische Umfrage zeigt, die Anerkennung entschieden ablehnt.
Nun, meine Damen und Herren, wer gegen eine solche Feststellung etwas einzuwenden hat, der kann doch nur ein Interesse daran haben, daß diese seine Meinung, die er sonst munter verbreitet, nicht einBundeskanzler Dr. h. c. Kiesinger
mal vom Kanzler in aller Öffentlichkeit vor dem deutschen Volke festgestellt wird.
Wenn ich nicht in den letzten Monaten erlebt hätte, daß immer neue Schwierigkeiten dadurch geschaffen worden waren - auch innerhalb der Koalition -, daß die gemeinsame Politik durch solche Publizisten zerredet wurde, hätte ich mich darum gar nicht gekümmert. Als ich in Kreßbronn die Vertreter der Koalition eingeladen hatte, um diese Fragen zu besprechen und ganz eindeutig klarzustellen, und als dies gelungen war und ich dies öffentlich sagte, mußte ich in den Zeitungen lesen: „Der Kanzler soll uns doch nicht für dümmer halten, als wir ohnehin schon sind. Die sind sich nicht einig, der Kanzler kann sagen, was er will, die sind sich einfach nicht einig". Nun, meine Damen und Herren, ich hoffe, daß die heutige Aussprache in diesem Hause ein für allemal bewiesen hat, daß wir uns einig sind.
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Nun zu einigen sachlichen Problemen: zur Frage der Koordinierung der Verteidigungspolitik mit der Ostpolitik. Sicher, wir werden in Kürze über diese Frage hier im Hause diskutieren müssen. Es ist eine schwierige Frage. Aber eines ist sicher: solange der Osten über diese gewaltige militärische Macht verfügt, die er in den vergangenen Jahren nicht im geringsten vermindert hat, muß der Westen eine dementsprechende Verteidigungsmacht aufbieten.
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- Das ist unbestritten. Wir haben, im Gegensatz etwa zu unseren französischen Freunden, darauf bestanden, daß gerade deswegen das atlantische Bündnis, und zwar das integrierte atlantische Bündnis, für uns wichtig sei. Ich habe auch Präsident de Gaulle gesagt, daß wir darum die Anwesenheit verbündeter, insbesondere amerikanischer, Truppen auf deutschem Boden für eine wichtige Sicherheitsgarantie halten.
-Die Frage, wie man eine solche Verteidigungspolitik mit einer Entspannungspolitik koordinert, wird häufig falsch bedacht und falsch beantwortet. Wir können eine Entspannungspolitik nicht dadurch beginnen, daß wir einseitig abrüsten. Wir können eine Entspannungspolitik nur so führen, daß wir zwar bei der leidig-notwendigen Rüstungsanstrengung des Westens verhindern - so drückte ich es vor kurzem einmal aus -, daß sich die beiden Rüstungsapparate im Westen oder Osten mit zunehmender politischer Spannung füllen, bis eines Tages die Entladung dieser akkumulierten Spannung von selbst erfolgt, daß wir aber innerhalb dieser hochgerüsteten, gegeneinanderstehenden Mächte die politische Spannung so niedrig wie möglich halten. Das ist, glaube ich, das richtige Rezept für eine solche Entspannungspolitik.
Ob es nun wirklich so ist, daß unsere Haltung zu den Trägerwaffen, daß eine geänderte Haltung ihnen gegenüber dazu dienen könnte, die Spannung zu vermindern, Herr Kollege Scheel, das glaube ich nicht. Sie haben sich in Ihren Ausführungen eigentlich auch widersprochen. Sie haben einerseits gesagt, eine Änderung dieser unserer verteidigungspolitischen Konzeption müsse für die Entspannung eingesetzt werden. Zugleich aber haben Sie gesagt, sie müsse für unsere Sicherheit und für unsere Verteidigung eingesetzt werden, und Sie meinten, es handle sich hier um eine Drohung mit einer nicht geladenen Pistole. Nun, mit einer nicht geladenen Pistole kann man ganz bestimmt keine Politik der Verstärkung der Spannungen unter den Völkern machen.
Zwischenfrage!
Herr Bundeskanzler, haben Sie nicht bemerkt, daß ich in meiner Rede nicht von einer Verminderung unserer Verteidigungsbereitschaft gesprochen habe, sondern nur von einer Verlagerung der Aufgaben innerhalb des Bündnisses, daß ich vor allem davon gesprochen habe, daß in einem funktionierenden Bündnis, in der NATO, der über Atomwaffen verfügende Partner, die Vereinigten Staaten, auch den atomaren Part für uns spielen kann?
Natürlich habe ich das verstanden, Herr Kollege Scheel. Aber Sie haben sich selbst in Ihren Ausführungen widersprochen. Ich finde, die Frage ist zu wichtig und zu ernst, als daß man sie so leichthin behandeln kann. Was für unsere Sicherheit notwendig ist, ob es genügt, daß wir eine derartige strikte Arbeitsteilung durchführen, wie Sie sie im Kopf haben - wir beschränkt auf den rein konventionellen Part, unsere Verbündeten, die Vereinigten Staaten, mit dem vollen Monopol der nuklearen Macht -, das ist eben die große Frage und eine sehr schwere und schwierige Frage, von der aber eines Tages einmal Wohl und Wehe unseres Volkes abhängen kann. Aber ich kann Ihnen im Ziel zustimmen, nämlich, daß wir unsere Verteidigungspolitik nicht nur unter dem Gesichtspunkt der Sicherheit, sondern auch unter dem Gesichtspunkt der von uns gewollten Anbahnung einer europäischen Friedensordnung sehen sollten.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Schmidt?
Herr Bundeskanzler,
könnte es vielleicht sein, daß der Kollege Scheel bei seinen Ausführungen übersehen hat, daß die Bundesrepublik Deutschland in dieser Frage in derselben Lage ist wie die Volksrepublik Polen oder wie Holland oder wie die DDR? Viele Länder Mitteleuropas verfügen nämlich - ich nehme an, daß das dem Kollegen Scheel entgangen ist - in derselben Weise - das Wort „verfügen" kann man hier nur in Gänsefüßchen setzen - über Trägerwaffen, nicht aber über Sprengköpfe. Ist es nicht vielleicht so, Herr Bundeskanzler, daß man erklären muß, daß nichts davon zu gewinnen wäre, wenn die Bundesrepublik Deutschland allein und isoliert aus einem für fast alle mitteleuropäischen Staaten geltenden
Schmidt ({0})
Status herausspränge, ohne daß jemand anders etwas Gleichwertiges gleichzeitig dafür täte?
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Herr Kollege Schmidt, auf diese Ihre Frage kann ich nur so antworten, daß ich sage: es kann sehr wohl so sein.
({0})
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Scheel?
Herr Bundeskanzler, haben Sie nicht den Eindruck, daß es dem Kollegen Schmidt entgangen ist,
({0})
daß sich die Bundesrepublik in einer anderen politischen Lage befindet als z. B. Holland oder Polen?
Ich habe nicht den Eindruck, daß dem Kollegen Schmidt das entgangen ist.
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Nun eine andere Sache, die ich nicht im Zwielicht stehenlassen will, weil sie darauf hindeuten könnte, daß innerhalb der Großen Koalition, etwa zwischen dem Außenminister und mir, in dieser Frage Meinungsunterschiede bestünden. Sie haben gesagt, Herr Kollege Scheel, wenn ich Sie recht verstanden habe, ich hätte bei jeder Gelegenheit das Wort vom Alleinvertretungsrecht in den Mund genommen. Ich habe ein einziges Mal von unserem Rechtsstandpunkt gesprochen. Das war, glaube ich, in der Erklärung im Bundestag bei der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zu Rumänien. Im übrigen habe ich bei jeder Gelegenheit eine Ausdrucksweise gewählt, die diesen Rechtsstandpunkt nicht mißverstehen läßt, ihn vor allen Dingen nicht als anmaßend und arrogant gegenüber unseren Landsleuten im anderen Teil Deutschlands erscheinen lassen konnte. Ich habe bei vielen Gelegenheiten gesagt, daß im Grunde genommen unser ganzes Wiedervereinigungsbemühen sich darauf konzentriert, daß wir, solange unsere Landsleute im anderen Teil Deutschlands nicht das Recht haben, über ihr Schicksal selber zu bestimmen, selber zu sagen, was sie wollen und wohin sie wollen, für sie sprechen, und zwar in dem Sinne für sie sprechen, daß wir ihnen einen Weg bahnen wollen bis zu dem Tag und der Stunde, wo ihnen dieses Recht, das in der ganzen Welt nicht bestritten wird, endlich gegeben wird.
({1})
Der Herr Außenminister hat zu dieser Frage in sehr wahlbedachten Formulierungen, die wir miteinander besprochen hatten, Stellung genommen, und wir sind uns darin vollkommen einig. Ich habe mich in meiner Stellungnahme gegen einen großen Teil einer hier im Hause kaum vertretenen politischen Tendenz, gegen das Reden von der Anerkennung gewandt. Meine Damen und Herren, natürlich kann man mit Worten immer streiten. Man kann auch immer darüber streiten, was der eine oder der andere unter „Anerkennung" versteht. Hier ist vom Herrn Bundesaußenminister heute früh ganz klar gesagt worden: „Die völkerrechtliche Anerkennung des Regimes drüben werden wir nicht hinnehmen, werden wir nicht mitmachen, und darüber werden wir auch nicht reden." Das ist klar. Man sollte also, wenn man die völkerrechtliche Anerkennung nicht meint, lieber einen anderen Ausdruck wählen.
Gut, wir erkennen natürlich, daß sich da drüben etwas gebildet hat, ein Phänomen, mit dem wir es zu tun haben, ein Phänomen, mit dessen Vertretern ich in einen Briefwechsel eingetreten bin, ein Phänomen, mit dem wir bereit sind - so wie es in der Regierungserklärung angekündigt worden ist - um der Erleichterung des Lebens unseres Volkes, durch die Not der Spaltung hervorgerufen, willen Kontakte aufzunehmen, Vereinbarungen zu treffen. Das ist selbstverständlich. Es wäre eine Torheit, das zu leugnen.
Das Entscheidende ist nur - und das ist auch in der Regierungserklärung gesagt worden; ich denke, wir sollten an diesem Tage noch einmal klar sagen, daß wir dabei bleiben -, daß wir bei aller Bereitschaft zu diesen Kontakten an dem Satz festhalten, der in der Regierungserklärung steht, daß wir diese Kontakte von Fall zu Fall so handhaben werden, daß niemand in der Welt sie dahin mißverstehen kann, als ob wir die völkerrechtliche Anerkennung oder auch nur die De-facto-Anerkennung des anderen Regimes wollten.
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Meine Damen und Herren, ich möchte noch ein Wort zur Frage der europäischen Einigung sagen. Hier sind wir von einigen Diskussionsrednern gemahnt worden, in der Frage des Beitritts Großbritanniens entschiedener, es fiel sogar das Wort „härter", zu sein. Wir sollten dem Eindruck vorbeugen oder den Eindruck verwischen, als ob wir in dieser Frage nur Lippendienst leisteten.
Zunächst wieder ein Wort an Ihre Adresse, Herr Kollege Scheel. Sie sagten, ich hätte damals nach dem Besuch in Paris gesagt, es gebe zwischen uns und Frankreich keine fundamentalen Gegensätze; hier aber liege ein solcher fundamentaler Gegensatz. Nun, in Sachen der Außenpolitik pflegt man - das ist uralte Tradition der Diplomatie - sehr genau und sehr abgewogen zu formulieren. Darf ich Ihnen in die Erinnerung rufen, was ich damals gesagt habe. Ich habe gesagt:
Wir haben weiter
- in dem Gespräch in Paris einen Überblick über die politische Situation in der Welt vorgenommen. Wir haben die Interessenlage unserer Völker und ihr Verhältnis zu anderen Mächten zu vergleichen versucht. Dabei haben sich natürlicherweise nicht nur Übereinstimmungen, sondern auch Abweichungen ergeben. Aber wir wurden uns einig, daß auf keinem Gebiet derart fundamentale
Gegensätze unserer Interessen und Auffassungen bestehen, daß sie
- wohlgemerkt! -die Zusammenarbeit unserer Länder nach dem Geist und dem Gehalt des deutsch-franzosischen Vertrages verhindern könnten.
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Das ist ganz etwas anderes, als was Sie gesagt haben.
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Es gibt in der Tat zwischen uns und der französischen Regierung, nicht nur was das Verhältnis zu den Vereinigten Staaten und zum nordatlantischen Bündnis anlangt, sondern auch in der Frage des Beitritts Großbritanniens und anderer zur Europäischen Gemeinschaft, einen großen Unterschred. Wir haben um dieses Problem in den beiden großen Gesprächen, die wir miteinander geführt haben, sehr gerungen.
Nun ist es eine Frage, wie wir dieses politische Ziel - nicht nur unseren Wunsch, Herr Kollege Mommer - zum guten Ende bringen können. Nun, wir wissen alle, wie die Dinge liegen. Gegenüber General de Gaulle härter zu sein, Herr Kollege Scheel, würde ich in diesem Falle für ein höchst untaugliches Mittel halten. Wenn Sie sagen: so überzeugend wie möglich zu sein, dann stimme ich Ihnen zu, und dann sage ich Ihnen auch, daß wir das tun.
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Worauf kommt es an? Sie dürfen mir glauben - und ich bitte insbesondere einen so engagierten Europäer, wie Sie es sind, Herr Mommer, mir das zu glauben -: es kommt darauf an, in dieser schwierigen Frage, in der sich zwei fast unvereinbare Auffassungen in voller Härte gegenüberstehen, die Sechs an einem Tisch zu halten, einen Eklat, wie er schon einmal passiert ist, zu verhindern. Um das zu vollbringen, genügt es aber nicht, daß man sagt: Fünf sind ja dafür, einer ist dagegen. Dieser eine ist sehr gewichtig, und dieser eine hat eine sehr entschiedene Auffassung. Also bleibt uns nur übrig, eine Prozedur zu finden, in der dieses Beisammenlassen der sechs Partner garantiert erscheint und in der ein wirkliches Sachgespräch über die Probleme, die die Auffassung unter den Sechsen trennen, garantiert ist.
Wenn wir uns so verhalten, daß der französische Partner von vornherein den Eindruck hat: da sind fünf, die haben gesagt, wir wollen dieses Ziel erreichen, was du sagst, interessiert uns überhaupt nicht, darüber gehen wir zur Tagesordnung über, dann lege ich die Hand dafür ins Feuer, daß der Beitritt Großbritanniens aufs neue scheitern würde. Und das wollen wir nicht.
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- Aber ein klein wenig klang es danach. Was notwendig ist, ist eine geduldige, behutsame Politik.
Ich will sagen, wie ich die Dinge sehe. Ich habe in Rom damit begonnen, zu sagen: Wenn einer von uns Sechsen so schwere Bedenken gegen die Erweiterung der Gemeinschaft geltend macht, dann müssen wir auf ihn hören und müssen mit ihm darüber sprechen. Das müssen wir tun in der ersten Phase der Verhandlungen über den Beitritt Großbritanniens. Wenn das nicht geschieht, wenn etwa, was andere wollten, Großbritannien sofort zu diesen Verhandlungen hinzugezogen worden wäre - Sie kennen ja die verschiedenen Standpunkte -, hätten wir sofort wieder ein Scheitern unserer Bemühungen feststellen müssen. Deswegen müssen wir nach einem Phasenplan vorgehen, über den ich mit fast allen Beteiligten inzwischen gesprochen habe, einem Phasenplan, der ein wirkliches Gespräch ermöglicht. Denn wie soll dieses einige Europa unter Einschluß Großbritanniens und der anderen anders zustande kommen können als unter der vollen freiwilligen Zustimmung aller Beteiligten, eben auch Frankreichs? Das ist unsere Aufgabe. Ich sehe darin eine sehr wichtige und vorrangige Aufgabe der deutschen Politik in dem Stadium der Verhandlungen, in das wir nun eintreten. Sie dürfen überzeugt sein, wir werden alles tun, was in unseren Möglichkeiten steht, um diese Einigkeit herbeizuführen. Mehr können wir nicht versprechen.
Als der britische Premier und der britische Außenminister bei uns waren, haben wir ihnen klargemacht, daß wir das britische Anliegen nicht hemdsärmelig und derb vorantreiben können, sondern daß wir unsere guten Dienste für einen Brückenschlag der entgegengesetzten Meinungen zur Verfügung stellen werden. Das haben wir seitdem ohne Unterlaß getan und wir werden diese Bemühungen fortsetzen.
In der Tat, Herr Kollege Scheel, dies ist das große unserer Generation aufgegebene Werk dieses Jahrhunderts. Wir haben seit vielen Jahren für dieses einige Europa gekämpft. Wir sind immer wieder enttäuscht worden. Immer wieder sind wir durch neue und unerwartete Entwicklungen zurückgeworfen worden.
Es ist wahr, was in der Präambel des Entschließungsentwurfs steht, über den wir heute beraten: daß Europas Stimme in dieser Welt fehlt und daß Europas Gewicht, das Gewicht, das Europa haben könnte, in dieser Welt nicht in die Waagschale der Entscheidungen geworfen werden kann. Das liegt ausschließlich und allein an den europäischen Völkern selbst.
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Niemand hindert uns, unsere Kräfte zu verbinden. Man ermutigt uns. Amerika hat uns all die Jahre ermutigt. Auch der Osten kann uns, wenn er auch die Einigung Westeuropas nie gern gesehen hat, an dieser Einigung nicht hindern. Er wird es vielleicht sogar aufgeben, darin eine Gefahr zu sehen, wenn ihm deutlich wird, daß diese Einigung in unsere großen Bemühungen um die Anbahnung einer europäischen Friedensordnung hineingestellt ist.
Ich möchte nur den Vorwurf zurückweisen, daß die Bundesregierung hier mit halbem Herzen und
mit halbem Mut arbeite. Manchmal brauchen die größten und schwierigsten Probleme, mit denen man zu tun hat, eben die stillste und lautloseste Arbeit. Wenn man still und lautlos arbeitet, dann bedeutet das keineswegs, daß man nicht mit leidenschaftlichem Herzen an dieser Arbeit ist. Meine Damen und Herren, mit leidenschaftlichem Herzen sind wir bei alledem, was sich die Regierung der Großen Koalition und die Große Koalition selber vorgenommen haben und wozu - dafür danke ich - auch die Opposition im Prinzip ihre Zustimmung ausgesprochen hat. Das heißt, daß wir, dieses Volk, unsere ganze Kraft daransetzen wollen, einen wirklichen europäischen Frieden herbeizuführen, daß wir dazu die Einigung der Völker Westeuropas beschleunigen, sie in Bezug zu dem, was wir die Heranbahnung einer europäischen Gesamtfriedenordnung nennen, setzen wollen, daß wir zwar unser großes deutsches Anliegen mit aller Würde und mit aller Festigkeit vertreten wollen und daß wir uns kein Zugeständnis abringen lassen, das gegen die Lebensinteressen dieses Volkes steht, daß wir uns aber zugleich der Verantwortung dieses unseres Volkes für das Ganze der Welt und für den Frieden in der Welt bewußt sind.
Wenn man eine Formel für die Politik dieser Regierung und der Großen Koalition suchen will, dann ist es diese: Wir wollen uns so verhalten, daß die Welt mit Respekt zur Kenntnis nimmt, was wir vertreten, daß sie aber ebenso mit Achtung und Sympathie sieht, .daß dieses Volk weiß, daß es in einer Welt steht, in der alle für den Frieden und die Wohlfahrt der Völker verantwortlich sind. Wenn sich dieser Eindruck vom deutschen Volk und seiner Politik überall in der Welt und nicht nur bei unseren Verbündeten und nicht nur in der „Dritten Welt", sondern auch in der östlichen Welt durchgesetzt haben wird, meine Damen und Herren, dann haben wir jene Kräfte mobilisiert, die allein uns helfen können, dieses große, speziell deutsche Problem zu lösen, die Wiedervereinigung der Deutschen in Frieden und Freiheit. Das ist die Unterstützung, die wir durch die moralische Billigung unserer Politik durch die übrigen Völker der Welt erfahren. Je einiger wir diese Politik darstellen, nicht nur in diesem Hause - und daher mein Appell auch nach draußen -, je einiger das ganze deutsche Volk in diesem Hause und in seinen gesellschaftlichen und in seinen publizistischen Kräften hinter dieser Politik steht und je weniger Mißdeutungen man zuläßt, desto sicherer dürfen wir auf einen Erfolg hoffen.
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Meine Damen und Herren, ehe ich weiter das Wort gebe, teile ich dem Hause mit, daß wir hier noch sechs Wortmeldungen und außerdem noch eine Fragestunde haben. Ich frage das Haus, ob in Anbetracht dieser Lage eine Unterbrechung von einer Stunde eintreten soll. Wird das gewünscht? - Ich mache darauf aufmerksam, daß dann die Debatte weitergeht und sich unmittelbar daran die Fragestunde anschließt, wenn die anderen Tagesordnungspunkte erledigt sind.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Birrenbach.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich in dieser Debatte nur zu zwei Fragen Stellung nehmen, welche beide die künftige Entwicklung Europas entscheidend berühren, zur Frage der horizontalen und vertikalen Ausdehnung der Europäischen Gemeinschaft, wie sie das Monnet-Komitee in seiner Entschließung vom 15. Juni dieses Jahres gefordert hat, und zum Atomsperrvertrag, der die militärische Sicherheit und die wirtschaftliche Entwicklungsfähigkeit dieses Kontinents unmittelbar berühren wird.
Die Entwicklung der Europäischen Gemeinschaft, des Europas der Sechs, ist ein Ereignis europäischer Nachkriegspolitik von historischer Bedeutung. Die sechs Partner dieser Gemeinschaft sind sich darüber einig, daß die Stabilität und die innere Konsolidierung dieser Gemeinschaft nicht beeinträchtigt werden dürfen. Nach der Präambel und nach Art. 237 des Vertrages von Rom soll dieser die Grundlage für einen immer engeren Zusammenschluß der europäischen Völker werden. Das heißt, der Vertrag ist offen für alle europäischen Nationen, die sich die politischen Ziele des Vertrages zu eigen machen und sich den im Vertrage vereinbarten Verpflichtungen unterwerfen.
Der Antrag des Vereinigten Königreichs, Dänemarks, Norwegens und Irlands auf Eintritt in die Europäische Gemeinschaft stellt die Gemeinschaft vor die entscheidende Frage ihrer Erweiterung. Das Monnet-Komitee fordert in seiner ersten Entschließung einen baldigen Beginn dieser Verhandlungen mit den beitrittswilligen Staaten und befürwortet ihren alsbaldigen Abschluß. Das Komitee geht in seiner Erklärung davon aus, daß der europäische Zusammenschluß auf der Grundlage der Überwindung der Spaltung Westeuropas die Stellung Europas in der Welt unmittelbar verändert. Ein erweitertes, in sich politisch und wirtschaftlich geschlossenes Europa, das mit einer Stimme spricht, wird kraft des Schwergewichts seiner politischen und wirtschaftlichen Macht zu einem gleichwertigen Partner der Vereinigten Staaten.
Der Konkretisierung dieser Forderung durch den Vorschlag eines europäisch-amerikanischen Verbindungsausschusses dient die dritte Entschließung. Ein in sich geeintes Europa kann sich noch mehr dem Osten öffnen, Brücken schlagen über die West und Ost heute trennende Demarkationslinie dergestalt, daß in Zukunft eine Überwindung der Spaltung in einer Friedensordnung Gesamteuropas denkbar wird.
Das wiederum ist die Substanz der letzten und vierten Entschließung über die organisierte wirtschaftliche und kulturelle Zusammenarbeit der EWG mit Osteuropa und der Sowjetunion. Kommt aber diese Entwicklung zustande, so würde, wie es heißt, der politische Zusammenhang, d. h. die Konstellation der Welt derart geändert, daß auf diese Weise auch eine Lösung der deutschen Frage erleichtert
wird. Das ist in Wahrheit die Philosophie, die hinter der Gemeinsamen Erklärung des Aktionskomitees für die Vereinigten Staaten von Europa steht.
Die Europäische Kommission hat dem Ministerrat einen ausführlichen Bericht über die künftigen Verhandlungen über die Erweiterung der Gemeinschaften vorgelegt. Dieser legt fest, unter welchen Bedingungen der Beitritt dieser Staaten möglich ist, ohne die innere Konsolidierung der Gemeinschaft zu gefährden. Er bringt aber auch mit nicht zu übersehender Deutlichkeit zum Ausdruck, welche Bedeutung der Erweiterung der Gemeinschaft durch den Zutritt der vier neuen Bewerber beigemessen werden muß. Das wirtschaftliche Potential der Europäischen Gemeinschaft würde, wie schon Herr Mommer erklärt hat, 60 % des Sozialprodukts der Vereinigten Staaten erreichen. Der innere Warenaustausch würde sich um mehr als ein Drittel vergrößern. Der Anteil der Gemeinschaft am Welthandel würde von 16 auf 20 % steigen. Die Europäische Gemeinschaft würde die größte Außenhandelsmacht der Welt werden. Die technologische Position der Europäischen Gemeinschaft, die heute noch weit hinter der der Vereinigten Staaten und zum Teil auch hinter der der Sowjetunion liegt, würde durch das Potential Englands verstärkt, ihr Rückstand substanziell verringert werden.
Im politischen Bereich würde die Einbeziehung Großbritanniens für die Europäische Gemeinschaft eine große Bereicherung bedeuten. Die demokratische Tradition Westminsters findet in Europa nicht ihresgleichen. Diese Tradition ist beispielgebend auch in den skandinavischen Ländern, wie es die freiheitliche in Irland ist. Die weltpolitischen Erfahrungen und Bindungen des Vereinigten Königreiches aus der Zeit des englischen Weltreiches und später des Commonwealth würden der künftigen europäischen Einheit zugute kommen. Großbritannien hat sich im Verlaufe des letzten Jahrzehnts zu der Erkenntnis durchgerungen, daß die Beschränkung auf die insulare Lage durch die Geschichte überholt ist und ihre politischen Ziele sich, richtig verstanden, im wesentlichen mit denen Europas decken.
Das ist auch der Tenor der Rede des englischen Premierministers in Straßburg am 23. Januar dieses Jahres und der Rede des englischen Außenministers Brown vor der WEU am 6. Juli 1967.
Die Erweiterung Europas ist daher nicht nur ein europäisches, sondern auch ein eminent wichtiges deutsches Problem. Diese Vorteile auf politischem, wirtschaftlichem und technologischem Gebiet können für die EWG aber nur dann fruchtbare Realität werden, wenn die Gemeinschaft aus dieser Erweiterung keinen Schaden an ihrer inneren Kohäsion erleidet. Die Beitrittskandidaten müssen -das hat die Europäische Kommission ebenso klar wie das Monnet-Komitee zum Ausdruck gebracht - die europäischen Verträge annehmen, wie sie sind. Sie müssen ihre politische Zielsetzung akzeptieren. Das gleiche gilt für den gemeinsamen Zolltarif, für die gemeinsamen Politiken, die Institutionen und alle Verpflichtungen der Gemeinschaft. Das alles wird bei Ländern wie Dänemark, Norwegen und Irland nicht sonderlich schwierig sein.
Der Fall Großbritanniens liegt komplizierter, wenn er auch lösbar erscheint. Auf drei Fragenkomplexe wird, wie die Europäische Kommission ausgeführt hat, Großbritannien insbesondere eine befriedigende Auskunft geben müssen, auf die Frage der Beziehungen zu den Ländern des Commonwealth, auf die Agrarfrage und insbesondere auf die Frage der inneren Stabilität des Pfundes und seiner Funktion als Reservewährung in der Welt. Von diesen Fragen scheint mir die dritte die schwierigste zu sein. Alle diese Fragen müssen in künftigen Verhandlungen mit Großbritannien und den übrigen Antragstellern eingehend und objektiv behandelt werden. Dazu sind Verhandlungen notwendig, auf die die Antragsteller ebenso wie die Partner der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft einen unverzichtbaren Anspruch haben. Wie in der jetzigen Situation, die Sie alle kennen, ein Weg zu diesen Verhandlungen geöffnet werden kann, hat in sehr beredten Worten der Bundeskanzler aufgezeigt. Ich möchte mich hier auf seine Erklärungen berufen und sie nur noch unterstreichen.
Solange diese Verhandlungen schweben, soll aber nach der gemeinsamen Erklärung des Aktionskomitees die EWG nicht stillstehen. Die Vollendung der Zollunion und die Weiterentwicklung der Wirtschaftsunion stehen neben anderen wichtigen Problemen auf dem Programm der zuständigen Gremien.
Das Aktionskomitee fordert die Regierungen auf, der technologischen Entwicklung der Gemeinschaft nunmehr ihre besondere Aufmerksamkeit zu widmen. In den letzten Jahren ist die technologische Lücke, die Europa in manchen Wissenschafts- und Wirtschaftszweigen von den Vereinigten Staaten, aber auch von der Sowjetunion trennt, immer schmerzlicher deutlich geworden. Dieser Abstand besteht auf industriellem Gebiet in der Atomtechnik, der Weltraumforschung, dem Flugzeugbau, dem Motorenbau, der Elektronik und der Datenverarbeitung, um nur diese zu nennen, und in einer Reihe wichtigster wissenschaftlicher Disziplinen, von denen ich ganz schweigen möchte. Der Forschungs- und Entwicklungshaushalt Großbritanniens allein beträgt 60% des entsprechenden Haushalts der gesamten EWG.
Meine Damen und Herren, der Umfang des Marktes, die Größe der Unternehmungen, die Höhe der für Forschung und Entwicklung zur Verfügung gestellten staatlichen und privaten Mittel und moderne Management-Methoden sind für die Lösung dieses Problems entscheidend.
Die Erweiterung des Marktes wird in der ersten Entschließung des Aktionskomitees verlangt. Das Statut der europäischen Handelsgesellschaft, in der zweiten Entschließung gefordert, ermöglicht erst den Zusammenschluß europäischer Firmen über die engen Grenzen der Nationen hinweg zu Unternehmen ähnlicher Größenordnung wie in den USA. Die Funktionsfähigkeit dieser Unternehmen ist bedingt durch die Harmonisierung der Steuern und die
Schaffung eines einheitlichen Kapitalmarktes. Eine Koordination der Forschung ist ebenso anzustreben wie gemeinsame Budgets für gemeinsame Forschungsprojekte. Mit der ersten Tagung des Ministerrats der Gemeinschaft am 31. Oktober auf der Ebene der Wissenschafts- und Forschungsminister ist erstmalig ein Organ geschaffen, das im Zusammenwirken mit der Kommission der Motor für diese Entwicklung werden könnte.
Meine Damen und Herren, die wirtschaftliche Zukunft der Gemeinschaft und ihrer Mitgiedstaaten, ihre zukünftige wirtschaftliche Expansion sowie ihr sozialer Fortschritt werden abhängig sein von der Antwort, die die Gemeinschaft auf diese Herausforderung der modernen Zeit finden wird.
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Damit fände die Europäische Gemeinschaft eine neue innere Dimension von fundamentaler Bedeutung; ein neuer Schritt zur Entwicklung auf ein politisch geeintes Europa wäre damit getan.
Nun zum Schluß einige Worte zum Atomsperrvertrag. Wir müssen uns darüber klar sein, daß die Verhandlungen über den Atomsperrvertrag in der 17er-Gruppe in Genf in eine entscheidende Phase eingetreten sind. Ein gemeinsamer Entwurf der beiden Weltmächte liegt in Genf vor, der den Art. 3 nicht umfaßt. Für diesen existiert ein amerikanischer, aber auch ein völlig unakzeptabler russischer Entwurf. Ende Oktober/Anfang November dieses Jahres beginnt der Politische Ausschuß der Vollversammlung der Vereinten Nationen in New York seine Herbsttagung, in der der Bericht der Abrüstungsgruppe beraten werden soll. So geraten die Verhandlungen in Genf unter gefährlichen Zeitdruck. Dies ist um so bedrohlicher, als entscheidende Probleme bisher noch ungelöst geblieben sind.
In dieser Lage gibt es für die sogenannten Schwellenmächte, insbesondere die europäischen und unter diesen die Bundesrepublik, nur einen Weg: Zusammen mit den übrigen Staaten gleichen Interesses alle diplomatischen Bemühungen darauf zu konzentrieren, den jetzt Bleichlautenden Entwurf akzeptabel zu machen.
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Worum geht es bei den jetzigen Verhandlungen noch? Fünf Fragenkomplexe sind noch nicht zufriedenstellend gelöst.
1. Die zentrale Frage für die künftige friedliche Entwicklung der Kernenergie wirft der noch nicht formulierte Kontroll-Artikel auf. Die Mitglieder der Euratom - jedenfalls fünf von ihnen - legen entscheidend Wert darauf,
a) daß die künftige Kontrolle darauf beschränkt wird, den Ein- und Ausgang spaltbaren Materials an strategischen Stellen des Brennstoffzyklus auf den Vertragszweck zu prüfen, d. h. nur darauf, daß dieses nicht für militärische Zwecke mißbraucht wird; eine Erstreckung der Kontrolle auf die Technologie der Reaktoren und anderer Anlagen ist abzulehnen;
b) daß Euratom als Gemeinschaft erhalten bleibt und der IAEO in Wien nur die Funktion übertragen wird, auf Grund eines von ihr mit der Euratom abzuschließenden Vertrages die Euratom-Kontrolle zu verifizieren; die für die Aushandlung dieses Abkommens festzusetzende Frist darf keine Ausschlußfrist sein;
c) daß Begriffe wie „Spezialausrüstungen" oder „nichtnukleares Material zur Erzeugung von spaltbarem Material" näher und klarer definiert werden,
d) daß sich zumindest die USA und England, unsere beiden großen Konkurrenten auf dem Weltmarkt, in der Zukunft freiwillig den gleichen Kontrollen auf dem Gebiet der friedlichen Entwicklung der Kernenergie unterwerfen, denen sich Frankreich als Mtiglied der Euratom schon unterworfen hat, und
e) daß die künftige Belieferung der zivilen Nuklearstaaten mit spaltbarem Material sowohl für die Eigennutzung als auch für den Brennstoffdienst beim Export von Reaktoren vertraglich gesichert wird.
Die Erfüllung dieser Bedingungen ist fundamental für die Weiterexistenz der Bundesrepublik als eines der großen Industriestaaten der westlichen Welt.
2. Der Vertrag verbrieft völkerrechtlich - darüber müssen wir uns klar sein - ohne jede Gegenleistung die Teilung der Welt in nukleare Waffenstaaten und Nichtnuklearstaaten und präjudiziert auf diese Weise die politische Zukunft und militärische Sicherheit der letzteren in einer Welt, in der die Kernwaffen militärisch entscheidend geworden sind. Zwei Forderungen gehören zur Ausgewogenheit des Vertrags: Die Kernwaffenstaaten sollten ihre bindende Absicht erklären, ihr Kernwaffenpotential schrittweise abzurüsten und die Produktion nuklearen und spaltbaren Materials für militärische Zwecke einzustellen. Sie sollten ebenso bindend ihre Absicht festlegen, sich jeglichen Drucks, jeglicher Drohung und Erpressung gegen Nichtnuklearstaaten zu enthalten und diese gegen ähnliche Gefahren von seiten anderer Nuklearstaaten zu schützen. Über die Form der Sicherheit können dann die zivilen Nuklearstaaten mit sich reden lassen.
3. Im Sicherheitsbereich, der in den Artikeln 1 und 2 behandelt ist, erwartet die Bundesrepublik, daß die die nuklearen Arrangements innerhalb der NATO heute und in der Zukunft betreffenden amerikanischen Vertragsinterpretationen verbindlich gemacht werden. Das Schweigen der Sowjetunion ist keine Garantie gegen einen offenen Dissens von morgen. Wir bedauern außerordentlich die enge Begrenzung der europäischen Option auf die sogenannte Doktrin der Staatensukzession. Dies ist um so schmerzlicher, als die technologische Entwicklung der Antiraketenwaffen heute Realität geworden ist. Bezüglich dieses Problems kann man nur, wie der Vorsitzende unserer Fraktion in seiner Erklärung vor diesem Hause, die bange Frage stellen: Kann es sich das vereinte Europa von morgen überhaupt leisten, für alle Zeiten von der Entwicklung dieser Waffen ausgeschlossen zu werden? Diese Frage müssen die europäischen Partner der NATO sich heute mit aller Eindeutigkeit stellen.
Der amerikanische Vorschlag auf bedingte Zurverfügungstellung dieser Waffen unter amerikanischem Einsatz ist möglicherweise heute und morgen der Ausweg. Ist er es aber für immer?
4. Das vierte Problem betrifft das Zeitelement. Der Vertrag ist in seiner heutigen Form praktisch irreversibel. Die Vereinigten Staaten haben bedauerlicherweise beide uns vorgeschlagenen Alternativen für die Vertragsänderung fallengelassen und die Majorisierung und das Veto der Kernwaffenstaaten und der Mitglieder des Gouverneursrates der IAEO akzeptiert. Das Rücktrittsrecht ist an engste Grenzen gebunden, ist enger als die normale Clausula rebus sic stantibus des Völkerrechts. Auf Grund der jetzt erkennbar gewordenen Entwicklung der Antiraketenwaffen ist das noch im vergangenen Jahr denkbare Rücktrittsrecht konsumiert.
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Angesichts der unübersehbaren technologischen Entwicklung der Zukunft und der einschneidenden Beschränkungen der Möglichkeiten kollektiver Selbstverteidigung im Rahmen einer künftigen europäischen Einheit sollte der Vertrag, irreversibel wie er noch ist, in irgendeiner Form einer zeitlichen Begrenzung unterworfen werden. Diese Begrenzung kann entweder in der Institutionalisierung der Durchführungskonferenz gemäß Art. 5 Ziffer 3 bestehen, die dann den Nichtnuklearstaaten unmittelbare Rechte für den Fall der Nichterfüllung des Vertrages durch einen Nuklearwaffenstaat zuerkennt, oder durch eine Limitierung des Vertrages in qualifizierter Form, etwa nach dem Muster des NATO-Vertrages.
Meine Damen und Herren, der fünfte und letzte Punkt bezieht sich auf die Teilnahme des anderen Teils Deutschlands an diesem Vertrag. Das Ratifikationsverfahren muß mit Kautelen versehen werden, die schon bei dem Atomstoppabkommen angewandt worden sind. Andere Probleme, die sich aus der Teilnahme der Zone z. B. an der Durchführungskonferenz und der Kontrolle ergeben, sind auf ihre Wirkung zu prüfen.
Zusammenfassend ist zu sagen: Die Bundesrepublik hat immer wieder zum Ausdruck gebracht, daß sie das Prinzip der Nichtverbreitung nuklearer Waffen an dritte Staaten voll anerkennt. Sie hat im Pariser Vertrag auf die Produktion dieser Waffen verzichtet und einen Verzicht auf ihren Erwerb mehrfach bindend in Aussicht gestellt. Wir haben aber Anspruch darauf, daß unsere vitalen Lebensrechte auf dem Gebiete der zivilen Nutzung und der militärischen Sicherheit respektiert werden.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Eppler.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Diese manchmal etwas diffuse Debatte zeigt den Wandel in den Begriffen, den wir in den letzten 10 Jahren mitgemacht haben. Vor 10 Jahren hätte sich eine Europadebatte auf die Fragen der
Sechs beschränkt, während wir heute von Großbritannien, Skandinavien, Griechenland und von all jenen Ländern sprechen, die östlich des rostenden Vorhangs liegen. Damit zeigt sich, daß einige Fragestellungen, an die wir uns gewöhnt haben, inzwischen überholt sind; zum Beispiel die Fragestellung, ob wir unseren Akzent auf die West- oder auf die Ostpolitik legen wollen. Wir wissen zwar schon ziemlich lange, daß Ostpolitik ohne Rückendeckung im Westen nicht zu machen ist. Aber was wir inzwischen gelernt haben, ist, daß nur eine konstruktive Ostpolitik überhaupt eine vertretbare Westpolitik ist. Deshalb bin ich dem Herrn Bundesaußenminister dankbar, daß er als eine der Wirkungen dieser Ostpolitik erwähnte, daß im Westen und in den neutralen Ländern das Vertrauen zu diesem Land gewachsen ist.
Nun gibt es viele Einwände gegen das, was die Bundesregierung in der Ostpolitik tut: Das dauere zu lange; die Widerstände würden nicht schwinden, sondern wachsen; es sei kein Durchbruch zu erwarten und zu sehen; die Tonart von der anderen Seite werde nicht besser, sondern schlimmer. In der Tat hören wir im Augenblick von der anderen Seite vor allem drei Argumente: 1. daß unsere Ziele - Revanchismus, Imperialismus und wie das alles heißt - sich nicht geändert hätten, 2. daß die Taktik der neuen Regierung zwar geschickter, aber deshalb nur noch um so gefährlicher sei und 3. daß man endlich Taten von uns sehen wolle. Alle diese Vorwürfe sind sicherlich ungerecht, aber ich nehme sie mit etwas gedämpfter Entrüstung entgegen, weil sie ziemlich genau den Argumenten entsprechen, die man drüben von hier aus jahrelang gehört hat, nämlich daß sich dort die Ziele nicht geändert hätten, daß man nur eine neue gefährlichere Taktik erfunden habe und daß man doch endlich einmal Taten sehen wolle. Das, was wir heute von der anderen Seite erleben, ist natürlich auch Taktik, und es ist auch der Versuch, auf Zeit zu spielen, aber es ist auch der Ausdruck eines Mißtrauens, das sich in drei Jahrzehnten angesammelt hat. Dieses Mißtrauen wird nicht dadurch besser, daß wir uns hier darüber unterhalten, ob diese Regierung nun eigentlich eine neue Politik treibe oder nicht. Man kann nicht - und das sage ich vor allem zu dem Kollegen in der Mitte dieses Hauses -, um die Kontinuität zu wahren, in diesem Lande sagen: im Grunde machen wir so weiter wie bisher nach den alten, bewährten Grundsätzen, und dann nach außen sagen: aber jetzt ist etwas ganz Neues da.
Verehrter Herr Kollege Barzel, sosehr ich Ihre heutige Rede honorieren möchte, so sehr möchte ich Sie bitten, doch über das eine Zitat des verewigten Bundeskanzlers noch einmal nachzudenken, mit dem Sie dies Kontinuität darzustellen versuchten; denn dieses Zitat zeigt nicht nur eine Kontinuität in den letzten, sagen wir, 10 Jahren, sondern für diejenigen, die das in Moskau hören, eine Kontinuität über die letzten 100 Jahre hinweg, weil nämlich in der deutschen Geschichte jedesmal ein propolnischer Akzent - wie er in der Äußerung von Konrad Adenauer enthalten war - verbunden war mit einem antirussischen, genauso wie ein prorussischer mit einem antipolnischen Akzent verbunden war,
und ich bin fest überzeugt, Herr Kollege, daß Sie das ganz bestimmt so nicht gemeint haben. Aber ich möchte darum bitten, daß das hier noch einmal völlig klargestellt wird.
Herr Abgeordneter Eppler, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Bitte.
Würden Sie die Güte haben, mir zu erklären, warum Sie mehrere Sätze auf die Schaffung eines Mißverständnisses verwenden, um dann zu sagen: Aber so können Sie es ja gar nicht gemeint haben?
Herr Kollege Barzel, es geht doch darum, hier in diesem Hause klarzumachen, und zwar für uns alle, für Sie und für uns, daß die Zeiten seit Bismarck, in denen wir versuchten, zwischen Polen und der Sowjetunion irgendwelche Differenzen zu schaffen, endgültig vorbei sind. Sie sind dieser Meinung, und ich bin dieser Meinung, und deshalb sollten wir uns jetzt darüber einigen.
Gestatten Sie noch eine Zwischenfrage? - Herr Dr. Barzel!
Würden Sie dann, Herr Kollege Eppler, - wenn Sie diesen Maßstab an- erkennen - bereit sein festzustellen, daß in meiner Rede nur von Pakow und von Moskau und vom polnischen Volk die Rede war, daß hier gerade das anklang, was Sie jetzt beklagen, nämlich, daß das Zugleich-Bemühen vielleicht in Moskau als eine Anti-Spitze empfunden werden könnte; daß ich, wenn ich dies wegließ, deutlich machte, daß ich auf der Höhe der Diskussion von heute bin und daß Sie vielleicht solche Dinge wirklich nicht sagen sollten?
Herr Kollege, ich bin Ihnen dankbar. Nach dieser Erklärung, die Sie hier abgegeben haben, sollten wir dieses Thema zu den Akten legen.
({0})
Meine Damen und Herren, es ist hier heute sehr viel von Versöhnung gesprochen worden. Ich möchte aber nicht, daß wir von Versöhnung in der Weise reden - es hat es hier niemand getan -, als ob es einen Rechtsanspruch auf Versöhnung gäbe und als ob wir uns beleidigt zurückziehen könnten, wenn die anderen nicht in dem Moment zur Versöhnung bereit stehen, wo wir diese Versöhnung gerne hätten. Was vor uns liegt, ist eine ganz mühselige Kärrnerarbeit, und ich bin dem Herrn Bundeskanzler außerordentlich dankbar, daß er am 17. Juni davon gesprochen hat, es komme an auf den „Beweis eines um Vertrauen ringenden Volkes". Genau das ist das, was wir hier zu demonstrieren haben.
Nun ist heute viel Kluges gesagt worden. Aber ich bin bei einigen Fragestellungen nicht ganz glücklich gewesen; und es kommt ja immer auf die
Fragestellung an; daran orientiert sich die Antwort.
Es wird oft darüber nachgedacht, was denn nun eigentlich die sowjetische Politik uns gegenüber sei und ob wir sie richtig einschätzten. Meine Damen und Herren, was die sowjetische Politik im Augenblick will, sagt sie selbst so deutlich, daß wir uns über die Interpretation hier nicht in die Haare zu geraten haben. Die Frage aber, die für uns steht, ist, wie wir dieser Politik sinnvoll begegnen. Ich würde glauben, daß wir ihr nur durch eine konstruktive Ostpolitik begegnen können, weil nämlich die härtesten Leute, die es auf der anderen Seite gibt, darauf spekulieren, daß wir uns in den ostpolitischen Schmollwinkel zurückziehen und man uns dann von unseren Freunden im Westen isolieren kann.
Eine andere Fragestellung, die ich nicht für glücklich halte, ist die, ob wir die bekannten vier Forderungen der Sowjetunion erfüllen sollen oder nicht; wobei man dann je nach Blickpunkt diejenigen, die sie erfüllen wollen, entweder für Realisten oder für Feiglinge, die, die sie ablehnen wollen, entweder für Helden oder für Illusionisten erklärt. Meine Damen und Herren, wir sollten uns auf diese Frage so gar nicht einlassen. Denn die richtige Frage scheint mir zu sein, welchen Beitrag zum Frieden die Völker Europas von uns legitimerweise verlangen können. Was die Völker Europas von uns legitimerweise erwarten können, ist in Prag gar nicht so viel anders als in Paris und in Warschau und in Amsterdam; das heißt, daß unter der Kruste ideologischer Vorstellungen doch sehr viele gemeinsame europäische Interessen auch in bezug auf dieses Land zum Vorschein kommen. Daran sollten wir uns orientieren. Ob das, was Europa von uns legitimerweise verlangen kann, dann einmal mit einer sowjetischen Forderung übereinstimmt oder nicht übereinstimmt, scheint mir zweitrangig zu sein; das ist nicht der Maßstab. Denn sonst kommen wir in die Situation wie in der Weimarer Republik: ob wir irgend etwas hinnehmen wollen oder nicht hinnehmen wollen, ob es Verzichtpolitiker gibt oder nicht. Die Frage ist vielmehr, was unser aktiver Beitrag ist.
Herr Kollege Barzel, Sie haben heute - dafür bin ich Ihnen ganz besonders dankbar -, übrigens ähnlich wie der Herr Bundeskanzler bei seiner Rede am 23. Juni, davon gesprochen, daß Ihre Partei gerade früher, wenn es um europäische Dinge gegangen sei, auch zu Vorleistungen bereit gewesen sei. Wenn ich es richtig verstehe, auch beim Herrn Bundeskanzler, dann schloß dies ein: Umsonst waren sie nicht. Herr Kollege Barzel, was ich an der Politik Ihrer Partei immer geschätzt habe, war, daß Sie den souveränen Nationalstaat nicht mehr zum letzten Maßstab Ihrer Politik gemacht haben. Meine Bitte wäre jetzt nur, daß wir dieselben Maßstäbe, die Sie in bezug auf dieses Kleineuropa, das ja auch nötig war, praktiziert haben, nun alle gemeinsam auch einem größeren Europa gegenüber praktizieren.
Eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Becher.
Herr Kollege Eppler, würden Sie sich bei der Auslegung des BeDr. Becher ({0})
griffes „legitim" - was die anderen Völker Europas ({1}) legitimerweise von der Bundesrepublik, also von uns erwarten können - mit dem einverstanden erklären, was der Herr Außenminister und der Herr Bundeskanzler uns heute gesagt haben?
Herr Becher, darauf komme ich gleich zurück. Ertl ({0}) : Herr Kollege Eppler, würden Sie mir einmal die Frage beantworten, wieso nach Ihrer Auffassung alle übrigen Staaten bis jetzt an ihrer Souveränität und ihrer Nationalstaatlichkeit festhalten und man nur von den Deutschen, anscheinend auf Grund der Situation von 1945, verlangt, für alle Zeiten auf Souveränität und Nationalität zu verzichten?
Herr Kollege Ertl, ich darf Sie nur an das sehr schöne Bild unseres Kollegen Barzel mit den sechs Eiern und dem Omelett erinnern. In diesem Omelett ist nicht nur das deutsche Ei, sondern darin sind noch einige andere, und wir hoffen, daß noch mehr hineinkommen.
Noch eine Frage.
Darf ich aus Ihrer Antwort entnehmen, daß nach Ihrer Meinung Frankreich, insbesondere die jetzige Führung - vielleicht gilt es auch für kommende Führungen -, und andere Staaten bis jetzt sehr weitgehend souveräne Rechte aufgegeben haben?
Herr Kollege Ertl, die Zeit, in der der souveräne Nationalstaat seine Aufgaben auf politischem, militärischem und ökonomischem Gebiet erfüllen konnte, ist endgültig vorbei, für uns und für andere.
Gestatten Sie auch eine Zwischenfrage von Herrn Schmitt-Vockenhausen?
Herr Kollege Eppler, glauben Sie nach dieser Zwischenfrage, daß Herr Kollege Ertl das Programm der FDP und ihre Haltung in diesen Fragen kennt?
({0})
Herr Kollege Schmitt-Vockenhausen, ich weiß nicht, ob er es kennt, und ich weiß auch nicht, was es hier zu kennen gibt.
Herr Kollege Eppler, glauben Sie, daß Herr Schmitt-Vockenhausen bei dem vielseitigen Programmwechsel, wie er bei der SPD notwendig war, mir zugeben kann, daß ich weiß, welche Grundsätze wir in der Vergangenheit vertreten haben?
Verehrter Herr Kollege Ertl, es gibt in diesem Haus nur eine Partei, die ein Grundsatzprogramm hat, und das ist die unsere.
({0})
Meine Damen und Herren, eine andere Fragestellung, die mich etwas plagt und von der ich fürchte, daß wir zu falschen Antworten kommen, ist auch heute wieder angeklungen: ob wir denn in diesem Europa und in der Deutschlandpolitik von den gegebenen Realitäten ausgehen sollten. Wenn man die Frage so stellt, kann doch die Antwort nur sein: Wovon soll man denn ausgehen, es sei denn von dem, was nun einmal ist? Aber das ist doch nicht die Frage, sondern die Frage ist, wohin wir schließlich wollen von diesen Realitäten weg. Wenn man schon von Realitäten spricht, dann sollte man sich wiederum nicht auf den Sprachgebrauch der anderen Seite einlassen, die so tut, als gäbe es in diesem Europa nur eine Realität, nämlich die, daß es zwei verschiedene und auch verschieden legitimierte Ordnungen gibt. Es gibt in bezug auf Deutschland mindestens drei wichtige Realitäten. Das eine ist in der Tat, daß es zwei verschiedene und verschieden legitimierte politische Ordnungen auf diesem Boden gibt. Die zweite Realität ist, daß die Völker Europas - einschließlich der Deutschen - einen Weg zum Frieden suchen. Eine dritte Realität ist die, daß es in der Mitte dieses Kontinents noch eine deutsche Nation gibt, die früher oder später einmal das Recht bekommen muß, über ihre Zukunft selber zu entscheiden.
({1})
Die Frage ist nicht: wollen wir von irgendwelchen Realitäten ausgehen, sondern: wie können wir diese drei Realitäten so verbinden, daß für dieses Volk und für Europa eine friedliche Zukunft daraus wird? Deswegen bin ich ein bißchen unglücklich darüber - nehmen Sie das bitte nicht übel -, wenn wir immer über die Ziele der SED reden; die sind uns relativ klar. Herr Barzel, ich habe genauso wie Sie mit Freude verfolgt, daß der Begriff „Nation" im letzten halben Jahr dort wieder eine gewisse Wandlung erfahren hat. Aber entscheidend ist wiederum nicht, was die drüben wollen, sondern entscheidend ist, welche Politik wir betreiben, um die drüben mit dem, was sie wollen, scheitern zu lassen.
Herr Bundeskanzler, in diesem Zusammenhang darf ich ein Wort an Sie richten. Ich gestehe, es fällt mir schauderhaft schwer - schon aus landsmannschaftlicher Solidarität heraus -, ein kritisches Wort an Sie zu richten.
({2})
- Sie spüren wohl auch, welch innere Überwindung mich das kostet. Aber ich möchte doch noch einmal auf das zu sprechen kommen, was Sie vorhin selber auf eine für mich sehr beruhigende Weise dargestellt haben: die Anerkennungspartei. Die Gründung von Parteien ist ja nach Art. 21 des Grundgesetzes frei. Nur gehört es eigentlich zum Anstand, Herr Bundeskanzler, daß, wenn man schon eine Partei gründet, man ihr auch beitritt und daß man nicht für andere Leute, ganz gleich, wo sie sind - in6368
oder außerhalb dieses Hauses -, eine gründet. Aber das ist nicht das Entscheidende. Was mir an dieser ganzen Sache nicht gefallen hat, war wiederum die Fragestellung. Die Fragestellung ,,Anerkennung oder nicht" ist nicht in diesem Hause entstanden. sondern sie kommt von woanders her. Wir sollten uns abgewöhnen, immer nur die Knochen abzunagen, die uns andere vorwerfen.
Wenn wir uns hier die Frage zu stellen hätten, würde sie doch anders lauten, nämlich: wie kann Europa Frieden finden, wie ist eine Kooperation und eine Kommunikation zwischen beiden Teilen Deutschlands möglich, ohne daß die Spaltung festgeschrieben wird, ohne daß wir uns gegenseitig als Ausland anerkennen, ohne daß das Recht verloren geht, daß diese Deutschen eines Tages sagen, ob sie noch eine Nation sind und was für eine Zukunft sie als Nation haben wollen? Ich glaube, so sollten wir die Frage stellen und uns nicht immer an den Begriffen festkrallen, die die anderen uns vorlegen.
Für diese Fragestellung, Herr Bundeskanzler - das glaube ich aus verschiedenen Reisen nach verschiedenen Richtungen entnommen zu haben -, finden wir mehr Verständnis als für die rechtlich fixierte Fragestellung: Anerkennung oder nicht. Dafür interessieren sich die Leute weder 'im Osten noch im Westen übermäßig. Aber sie verstehen, daß wir gewisse Beiträge für den Frieden Europas leisten wollen .und daß es gewisse Dinge gibt, die wir nicht leisten können. Darum geht es.
Bitte, Herr Gradl, eine Zwischenfrage!
Herr Kollege Eppler, sind Sie nicht der Meinung, daß die Frage der Anerkennung oder Nichtanerkennung gar keine rechtliche Frage im eigentlichen Sinne ist, sondern daß es hier um eine politische Position geht, die wir glauben einnehmen zu sollen, wenn wir sagen: Wir erkennen nicht an? Wenn Sie dem zustimmen könnten, würden Sie dann nicht meinen, daß es die Pflicht der Regierung und ihrer dazu besonders bestimmten Sprecher ist, dann, wenn diese Position von draußen, d. h. in diesem Fall von außerhalb des Hauses, gefährdet wird, die Verpflichtung besteht, dem in aller Deutlichkeit entgegenzutreten? Ich meine nicht, gefährdet bei uns, sondern gefährdet im Hinblick auf die Denkweise derer, mit denen wir es draußen in der Welt zu tun haben?
Herr Kollege Gradl, erstens habe ich der Regierung keine Vorschriften zu machen, und zweitens verstehe ich natürlich, wenn die Regierung - ich halte das sogar für richtig - einmal klar sagt, wo für uns verzichtbare und wo unverzichtbare Dinge liegen. Worum es mir gerade ging - und das bezog sich ja auf die kristallisierte Formulierung des Bundeskanzlers -, ist, daß man politisch immer in der Defensive ist, wenn man sich die Fragestellungen der anderen Seite aufdrängen läßt.
Noch eine Frage, Herr Dr. Gradl.
Sind Sie nicht der Meinung, daß zur Verfolgung der eigenen Politik auch die Abwehr der Politik der Gegenseite gehört?
Herr Gradl, jetzt provozieren Sie mich zu einem Bild. Wenn ich beim Fußball merke, daß der Gegner Zeit schindet, dann mauere ich nicht auch, sondern dann schicke ich acht Mann in den Sturm.
Herr Kollege Eppler, haben Sie nicht aus der heutigen Erklärung des Herrn Außenministers und des Herrn Bundeskanzlers ersehen, daß wir keineswegs nur verteidigen, sondern daß wir alle miteinander sehr im Begriff sind, die Politik konstruktiv zu verändern, also offensiv zu sein?
Verehrter Herr Kollege Gradl, sich habe vorhin nicht nur den Außenminister gelobt, sondern habe mich vorhin extra noch beim Herrn Bundeskanzler dafür bedankt, daß er die Dinge zurechtgerückt hat.
({0})
- Herr Genscher, Sie haben das zu Ihrem großen Vergnügen registriert. Mehr können Sie in 'diesem Zusammenhang doch wohl nicht verlangen.
Lassen Sie mich aber noch ein Wort sagen, und das ist auch ein leicht kritisches Wort an unseren Herrn Bundeskanzler. Dieses Wort bezieht sich auf Jugoslawien. Ich kenne alle Schwierigkeiten, die hier auf dem Wege liegen. Ich kenne auch die sogenannte Dissidenten-Theorie, von der ich glaube, daß sie gewaltig übertrieben wird. Erstens handelt es sich hier nicht um ,einen Dissidenten, sondern um ein blockfreies Land; es ist nicht sehr höflich, hier von „Dissidenten" zu sprechen, und zweitens habe ich jedenfalls in Osteuropa nirgendwo den Eindruck gehabt, daß man uns diplomatische Beziehungen zu Jugoslawien negativ ankreiden würde. Ich bin in einigen Ländern gewesen, wo das genau umgekehrt ist.
Aber wie dem auch immer sei - ,es gibt noch viele andere Probleme, die wir in dieser Stunde nicht erörtern können -, 'diese Sache liegt nun schon seit dem Frühjahr auf dem Schreibtisch des Bundeskanzlers, und wir wären froh, wenn sie bald von diesem Schreibtisch herunterkäme; denn die Dinge werden nicht besser, wenn sie noch länger liegen.
Schließlich noch ein Wort zum Atomwaffensperrvertrag. Herr Kollege Birrenbach, es ist völlig unmöglich, jetzt in diesem Augenblick auf alle Argumente einzugehen, die Sie hier vorgetragen haben. Ich bitte Sie aber, einiges doch nicht zu vergessen. Erstens ist das, was uns heute vorliegt, besser als das, worüber wir im Frühjahr hier miteinander gesprochen haben. Das sollten wir einmal sagen. Wir sollten auch dem Auswärtigen Amt und dem Außenminister einmal Danke schön dafür sagen,
daß gerade im zivilen Bereich viele unserer Sorgen inzwischen zerstreut worden sind.
Und das Zweite, Herr Kollege Birrenbach: ich glaube, wir sollten uns, wenn wir auf die Gestaltung dieses Vertrages Einfluß nehmen wollen - und das wollen Sie und ich, das wollen wir alle -, konzentrieren. Je weniger wir uns konzentrieren und je mehr Einwände wir haben, desto leichter wird es für Böswillige, aus Einwänden Vorwände zu machen. Anders gesagt, wir sollten uns etwa auf dais Problem des Art. 3 konzentrieren. Da bin ich völlig mit Ihnen einverstanden. Ich bin aber keineswegs sicher, Herr Kollege, ob wir uns z. B. in bezug auf die Geltungsdauer stark machen sollten. Ich befürchte, daß das politische Plus, ,das wir ,aus dieser Sache herausholen wollen, von anderen vielleicht schon allein dadurch wieder zunichte gemacht werden kann, daß wir uns 'auf diesen Punkt ,der Geltungsdauer konzentrieren, bei dem wir ohnehin nicht sehr viel Chancen haben.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Birrenbach?
Bitte!
Herr Kollege Eppler, sind Sie sich nicht darüber klar, daß es für uns wichtiger wäre, nicht der Tradition Weimars zu folgen und unbesehen Verträge anzunehmen, die nachher unerfüllbar sind?
({0})
Ist es nicht besser, unsere Bemühungen darauf zu
konzentrieren, die Verträge akzeptabel zu machen?
Eine zweite Frage, Herr Kollege Eppler: sind Sie sich darüber klar, daß der Art. 3 überhaupt noch nicht formuliert ist? Sind Sie sich darüber klar, daß die Interpretationen der Vereinigten Staaten noch völlig unverbindlich sind? Sind Sie sich darüber klar, daß der Vertrag jetzt noch eine Reihe von Klauseln enthält, die so schwerwiegend sind, daß wir sie sehr schwer für alle Zeiten annehmen können? Darum ist die Begrenzung der Geltungsdauer, die auch von anderen Ländern vertreten wird, eine der entscheidenden Möglichkeiten, unserer Verantwortung gerecht zu werden.
Herr Kollege Birrenbach, Ihr Hinweis auf Weimar war hoffentlich nicht so ganz ernst gemeint. Wenn es eines gibt, worüber wir uns alle hier einig sind, dann ist es die Tatsache, daß wir nur Verträge unterzeichnen können, von denen wir wissen, daß wir sie auch halten werden Ich habe lediglich gesagt, Herr Kollege Birrenbach, daß wir, wenn wir von hier aus Einfluß nehmen wollen, um einen möglichst akzeptablen Vertrag zu erreichen, gut daran tun, uns auf wenige, entscheidende Punkte zu konzentrieren und nicht der Gegenseite durch einen unendlichen Fächer von Forderungen die Möglichkeit zu geben, uns wieder zu verdächtigen. Genau das habe ich gesagt, und dabei bleibe ich auch.
Meine Damen und Herren, ich habe versucht, die Europa-Debatte, die hier stattgefunden hat, ganz kurz - ich mußte mich ja beschränken - mit dem zu verbinden, was uns Deutsche im besonderen angeht. Friedrich Naumann - entschuldigen Sie, meine Herren von der FDP, wenn ich das sage - hat in einem Artikel zum 100. Geburtstag von Bismarck im Jahre 1915 geschrieben:
Bismarck hat Europa von Preußen aus gedacht, und daraus ist das Deutsche Reich geworden.
Meine Damen und Herren, wir müssen Deutschland jetzt von Europa aus denken. Vielleicht wird daraus eine politische Gemeinschaft der Deutschen.
({0})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Mende.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wer am Freitag um 14 Uhr die Ehre hat, im Deutschen Bundestag in einer außenpolitischen Debatte zu sprechen, müßte mit einem Dank an alle jene Kolleginnen und Kollegen beginnen, die sich einer freiwilligen Fastenkur unterworfen haben und noch hier im Raum anwesend sind, obgleich die Mittagszeit längst überschritten wurde.
({0})
Wenn ich Walter Henckels wäre, der Chronist von Bonn, würde ich all den Kollegen, die hier etwas für ihre Gesundheit tun - und für die Außenpolitik, wie ich meine - einen Epilog widmen.
Der Herr Bundeskanzler hat als Replik auf die Rede meines Freundes Walter Scheel vom „Anerkennungsgerede" gesprochen. Er hat recht, wenn er feststellt, daß es in Deutschland einen Unterschied zwischen der öffentlichen Meinung und einem Großteil der sogenannten veröffentlichten Meinung gibt. In einer ganzen Anzahl von Publikationen wird der Eindruck vermittelt, als wenn sich weite Kreise des deutschen Volkes gewissermaßen durch Zeitablauf mit den Realitäten der Teilung Deutschlands und Europas abgefunden hätten. Wenn man in den Zentralen des kommunistischen Bereiches diese Publikationen der letzten Jahre verfolgt, muß man in der Tat zu der Erkenntnis kommen, daß es darauf ankäme, weiter alle deutschen und europäischen Fragen auf die lange Bank zu schieben, um die Deutschen dazu zu bringen, Rechtsposition für Rechtsposition preiszugeben. Die öffentliche Meinung ist hier ganz anders einzuschätzen; sonst würden die Wahlen nicht die Ergebnisse zeitigen, die sie seit etwa zehn Jahren haben.
Die Freie Demokratische Partei hat nie einen Zweifel daran gelassen, daß in drei Fragen Kompromisse nicht möglich sind:
1. Die liberale Partei ist auch als Opposition nicht bereit, auf deutschem Boden einen zweiten deutschen Staat als Völkerrechtssubjekt anzuerkennen, einen Staat, der nicht dem frei geäußerten Willen der Bevölkeruug entspricht und der die Menschenrechte mißachtet. Aber selbst wenn es in diesem Hause politische Kräfte gäbe, die die Anerkennung eines
zweiten deutschen Staates als Völkerrechtssubjekt akzeptierten, so muß ich Sie doch darauf aufmerksam machen, daß unser Grundgesetz und die im Zusammenhang mit der deutschen Frage in den letzten achtzehn Jahren rechtskräftig gewordene Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eine völkerrechtliche Anerkennung eines zweiten deutschen Staates ausschließen; es wäre ein verfassungswidriges Verhalten, das zu tun.
2. Auch die liberale Opposition steht nach wie vor auf dem Standpunkt, daß Westberlin ein Teil der Bundesrepublik Deutschland ist, der auf Grund besonderer Entwicklungen einen Status sui generis hat. Wir werden allen Versuchen auch weiterhin Widerstand leisten, die Verbindungen Westberlins zum Bund und die Verbindungen des Bundes zu Westberlin zu lockern oder gar in Frage zu stellen. Eine freie Stadt Westberlin wäre der Anfang einer unfreien Entwicklung in Westberlin! Hier gilt nach wie vor, was Theodor Heuss 1955 in dem Satz zusammenfaßte:
Das Schicksal Berlins ist an das Schicksal Gesamtdeutschlands gebunden;
({1})
das Schicksal Gesamtdeutschlands aber wird zuerst hier in Berlin entschieden!
3. Wir sind nicht bereit, Gegenstände, die einer friedensvertraglichen Regelung durch die Erklärungen der Siegermächte zugeordnet sind, vorwegzunehmen und damit die deutsche Verhandlungsposition bei einer künftigen europäischen Friedenskonferenz zu schwächen. Auch Grenzfragen gehören dazu! Sie können erst in der Gesamtbilanz einer friedensvertraglichen Regelung entschieden werden, nicht vorher.
Nun hat hier erneut eine Auseinandersetzung über das Problem der Alleinvertretung stattgefunden. Es wäre gut, Herr Außenminister, wenn wir den Versuch machten, auch seitens der Bundesregierung der Propaganda Ostberlins wirksamer entgegenzutreten und die Begriffsbestimmung noch schärfer zu fassen, um den Unterschied deutlich zu machen zwischen dem, was die da drüben uns bezüglich der Alleinvertretung immer wieder unterschieben, und dem, was wir wirklich meinen. Wir meinen nicht, daß wir uns anmaßen, außerhalb des Geltungsbereichs des Grundgesetzes Macht auszuüben. Wir anerkennen vielmehr - sonst wäre der Briefwechsel zwischen Bundeskanzler Kiesinger und dem Vorsitzenden des Ministerrats Stoph nicht logisch - eine politische Selbstvertretung der in Ostberlin tätigen Organe, die sich Staatsorgane der „DDR" nennen. Wir sind aber nicht nur berechtigt, sondern nach unserer Verfassung verpflichtet, für jene zu sprechen, die sich in Mitteldeutschland nicht selbst äußern können. Wenn nicht einmal der Brief des Bundeskanzlers in der Presse Mitteldeutschlands veröffentlicht und im Rundfunk und Fernsehen bekanntgegeben wird, um wieviel mehr haben wir die Pflicht, über unsere Kommunikationsmittel der mitteldeutschen Bevölkerung davon Kenntnis zu geben!
Im übrigen ist es nicht so ungewöhnlich, auch für Teile das Wort zu nehmen, denen sich selbst zu äußern versagt ist. Niemand in Ostberlin findet etwas daran, daß sich die SED immer wieder als Anwalt und Sprecher der kommunistischen Partei und der Arbeiterbewegung Westdeutschlands erklärt, die sich - so sagt die SED - auf Grund des Verbots der KP nicht äußern kann.
Daß wir die Stimme für diejenigen erheben, die sich in Mitteldeutschland selbst nicht äußern können, ist Recht und Pflicht zugleich. Machtausübung außerhalb des Geltungsbereichs des Grundgesetzes strebt die Bundesrepublik Deutschland nicht an. Alleinvertretung kann daher nur so verstanden werden, daß wir auch für jene zu reden in Anspruch nehmen, denen sich zu äußern gegenwärtig noch versagt ist.
Herr Kollege Helmut Schmidt hat geglaubt, er müsse dem Herrn Bundeskanzler gegen den Sprecher der Opposition zu Hilfe kommen. Er hat darauf hingewiesen, daß das Problem der Atomträger nicht nur eine Sache der Bundeswehr ist, sondern auch eine Sache der anderen Streitkräfte, sowohl bei den Anrainerstaaten des Warschauer Paktes als auch der nordatlantischen Bündnisgemeinschaft. Das ist richtig, Herr Kollege Schmidt. Aber ich darf Sie daran erinnern, mit welcher Leidenschaft sowohl die sozialdemokratische Opposition im März 1958 fünf Tage lang wie auch die liberale Opposition in diesem Hause aus der besonderen Lage des geteilten Deutschland eine Bewaffnung der Bundeswehr mit taktischen Atomwaffenträgern ablehnten, weil wir uns über die politischen Konsequenzen dieses Beschlusses der absoluten Mehrheit der CDU damals für die Politik der Wiedervereinigung Deutschland im klaren waren. Neun Jahre später erscheinen diese Befürchtungen gerechtfertigt.
Mein Freund Scheel, Herr Kollege Schmidt, denkt gar nicht daran, durch Verzicht auf Atomträger bei der Bundeswehr eine isolierte Leistung zu erbringen. Er denkt selbstverständlich an adäquate Gegenleistungen auch im Bereich des Warschauer Paktes, also hier im anderen Teil Deutschlands, der Teilnehmer des Warschauer Paktes ist. Mein Kollege Scheel denkt vor allem auch an die arbeitsteilige Verteidigung in der Bündnisgemeinschaft
({2})
- einen Augenblick - und am Ende an eine Entwicklung, die als europäisches Sicherheitssystem die gegenwärtigen regionalen Pakte in Europa ablösen soll, natürlich unter Einbeziehung der Vereinigten Staaten von Nordamerika und der Sowjetunion, denen im Rahmen dieses europäischen Sicherheitssystems die Wahrung des atomaren Gleichgewichts zukäme. - Bitte schön!
Jetzt eine Zwischenfrage von Herrn Schmidt.
Herr Mende, darf ich eine Frage stellen in dem Bewußtsein, zur Hälfte beruhigt zu sein, daß Sie Herrn Scheel ebenfalls so inSchmidt ({0})
terpretiert haben, daß auf allen Seiten das gleiche geschehen soll. Das war aus seiner Rede wirklich nicht zu entnehmen. Aber zur Hälfte bin ich in dem Punkt beruhigt. Ich möchte Sie nur etwas fragen, was die Erinnerung an das Jahr 1958 angeht. Ich war einer der Kombattanten jener Gefechte, an die Sie hier erinnern. Ich jedenfalls weiß genau, was ich gesagt habe. Ich erinnere mich aber auch genau an das, was Wolfgang Döring, der damals für Sie sprach, gesagt hat. Jenes Gefecht ist meiner Erinnerung sehr tief eingeprägt. Ist es nicht richtig, zu sagen, daß wir 1958 in einer Situation debattiert haben, in der nicht die sogenannte Volksarmee der DDR Trägerwaffen hatte, auch nicht die polnische Armee, nicht die tschechoslowakische Armee usw.? Das war eine andere Lage. Inzwischen haben alle diese Staaten auf dem atomaren Gebiet den gleichen Status. Wir auch, wir unterscheiden uns da nicht. Ich frage Sie: Kann man da wirklich unter Anschluß an Emotionen, an Gefühle von damals so tun, als ob die Lage noch dieselbe wäre?
Selbstverständlich, Herr Kollege Schmidt, ist sie nicht dieselbe. Da Sie sich genau an die Debatte erinnern, werden Sie auch meine Formulierung - ich habe damals auch gesprochen - noch im Gedächtnis haben, als ich dem Hause zurief: Wer jetzt in diesem Augenblick die Bundeswehr, d. h. einen Teil Deutschlands, mit taktischen Atomträgern ausrüstet, schlägt die Tür zur Wiedervereinigung Deutschlands mit lautem Atomknall zu. - Es hat hier sehr viel Ärger darüber gegeben. Im April haben Ihre Freunde und haben wir mit Herrn Mikojan über dieses Thema gesprochen; denn einen Monat nach dieser Debatte folgte ja sein Besuch in Bonn. Im November 1958 kam dann das Berlin-Ultimatum, und im Januar 1959 folgte der sogenannte Friedensvertragsentwurf Ich glaube, zwischen dem, was wir im März hier entschieden, und dem, was sich dann im November 1958 und Januar 1959 schließlich ergab, ist ja wohl -das ist gar nicht zu leugnen - ein gewisser Zusammenhang.
({0})
- Darauf will ich Ihnen jetzt antworten. Genauso, wie wir damals damit begannen - damals stand noch nicht die Ausrüstung der Volksarmee mit gleichen Waffen zur Diskussion, nicht einmal der Armeen Polens und der Tschechoslowakischen Republik -, genauso wie wir damals damit hier begannen in der leidenschaftlichen 5-Tage-Debatte, die auch außerparlamentarische Wirkung zeigte - ich erinnere Sie an die Göttinger Atomprofessoren und alles das, was sich damals noch entwickelte; es gehört der Vergangenheit an -, hat Walter Scheel gesagt, es wäre nicht schlecht, in Fortentwicklung unserer Friedensnote vom 25. März 1966 - also noch der alten Regierung - zu sagen, daß wir auch zu gewissen Leistungen in bezug auf die gespannte Lage im geteilten Deutschland bereit sind, das ja vordere Linie der beiden Regionalpakte ist. Das galt natürlich unter der Voraussetzung, die ich schon hier erklärte: daß die andere Seite sich zu gleichen Leistungen bereit erklärt. Damit zwingt man die andere Seite, sich mit der Frage zu befassen. Ich halte den Rapacki-Plan zwar in der seinerzeitigen Dimension für überholt, Herr Kollege Schmidt, auf Grund der technischen Entwicklung. Ich halte aber den Gedanken, größere Räume verminderter Rüstung zu schaffen, nach wie vor im geteilten Deutschland und im geteilten Europa für aktuell.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Dr. Gradl? - Bitte, Herr Dr. Gradl!
Herr Kollege Mende, ich möchte Ihnen gerne Gelegenheit zu einer Klarstellung geben, deshalb stelle ich diese Frage. Aus dem, was Sie gesagt haben, konnte der Eindruck entstehen, Sie meinten, daß die Debatten, die wir in diesem Hause im Januar und insbesondere im. März 1958 geführt haben, die Ursachen für das Berlin-Ultimatum und alles andere gewesen sind, was sich dann Ende 1958 angeschlossen hal. Herr Kollege Mende, ich frage das nur, damit es ganz klar ist: Sind Sie denn nicht der Meinung - ich kann es mir nicht vorstellen, daß Sie der Meinung nicht sind, aber nach 'dem, was Sie gesagt haben, muß ich das fragen -, daß das Berlin-Ultimatum und alles, was sich anschloß, Ausdruck einer sowjetischen Politik der Stärke war, zu der sich die sowjetische Regierung in der damaligen Zeit fähig glaubte, weil sie in der Tat die stärkste konventionelle Macht in Europa war und weil sie einen unerhörten Erfolg im Weltraum durch ihre Sputnik-Starts gehabt hat?
Herr Kollege Gradl, Ursache und Wirkung darf man nicht verwechseln. Ich bilde mir nicht ein, daß der Deutsche Bundestag durch eine fünftägige Debatte Einfluß auf die Gesamtstrategie der ,sowjetischen Weltmacht haben könnte. Das glaube ich nicht! Ich bitte aber noch einmal, das, was man so schön „timing" nennt, zu beachten. Im März 1958 während der Debatte kommt das Aide-mémoire, vielleicht als Störungsfaktor, vielleicht als Köder, und in diesem Aide-mémoire steht: „Entgegen anderslautender Behauptungen, daß die Sowjetregierung zwei Friedensverträge mit zwei deutschen Staaten schließen wolle, erklärt die Sowjetunion, daß sie einen Friedensvertrag mit Ganzdeutschland wolle; zwar sei eine Konföderation der beiden deutschen Staaten der beste Weg, aber die Sowjetregierung sei weit davon entfernt, )dem 'deutschen Volk diese oder andere Vorschläge aufzwingen zu wollen!" Das ist nachzulesen „Sieglers Archiv"; es liegt dort bei mir auf dem Pultplatz. Dann kam Herr Mikojan mit seiner Delegation, im April 1958, und Sie können auch seine Erklärungen, die er in Bonn abgab, dort nachlesen! Wir haben ja alle - CDU, SPD, FDP - stundenlang in unseren Delegationen mit Mikojan und seiner Delegation gesprochen. Ich weigere mich, zu glauben, daß diese März-Debatten und die Absage, mit Mikojan andere als nur wirtschaftspolitische Fragen zu behandeln, ganz zusammenhanglos sein könnten mit dem, was sich
dann im November 1958 und im Januar 1959 tat. Ich 'glaube, ein gewisser Zusammenhang mit den folgenden Maßnahmen der Sowjetregierung ist wohl die logische Schlußfolgerung.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Genscher?
Darf ich die Diskussion anreichern, indem ich hier sage, daß die Trägerwaffen, die sich im Augenblick in unserem Besitz befinden, dann zu einer erheblichen Effektuierung des westlichen Bündnisses beitragen könnten, wenn sie den Amerikanern übergeben werden, weil sie dann nämlich auch wirklich Atomsprengköpfe bekommen.
Die Zwei-Schlüssel-Theorie und das, was neuerdings elektronisch dazugekommen ist, ist bekannt. Diese taktischen Träger sind ohnehin für uns wertlos, solange die Weltmacht der Vereinigten Staaten nicht bereit ist, sie mit entsprechender Sprengkraft auszustatten. Insofern war die damalige Debatte 1958 mehr oder minder ein Gefecht ohne einen strategischen Hintergrund. Aber wir wollten ja eine andere Plenarsitzung zum Anlaß nehmen, über die Verteidigungspolitik zu sprechen.
Herr Kollege Barzel, Sie haben sich an die Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken gewandt und mit Recht beklagt, daß uns dort auch jetzt in Vorbereitung der 50-Jahr-Feiern der Oktoberrevolution eine Tonart entgegenschallt, die wir eigentlich nicht mehr gern hören möchten, die auch der Lage auf diesem Kontinent und in dieser Welt nicht mehr entspricht. Sie gehen sicher nicht so weit, von der Sowjetführung zu erwarten, daß sie uns auch noch einen Dank für die Beiträge abstattet, die die deutsche Oberste Heeresleitung zum Gelingen der Oktoberrevolution 1917 erbracht hat, oder zu anderen rein geistigen Einflüssen, die von Karl Marx und Friedrich Engels auf die Initiatoren der Oktoberrevolution ausgegangen sind. Aber verzeihen Sie mir diese Ironie, ich wollte Ihnen nämlich in der Sache zustimmen. Es- ist auf die Dauer unerträglich, mit welcher Empfindlichkeit die Sowjetunion und ihre Sprecher reagieren, wenn wir glauben, unsere Belange wahrend, Kritik an Reden und Maßnahmen der Sowjetregierung üben zu müssen, wie aber umgekehrt die Sowjetregierung glaubt, die Bundesrepublik Deutschland weiter als den Friedensstörer dieser Welt verketzern zu dürfen, wie es Gromyko unlängst wieder bei den Vereinten Nationen getan hat.
Mir kommt die Haltung der sowjetischen Staatsmänner und Publizisten so vor wie die Haltung mancher deutscher Publizisten, die sich zwar das Recht anmaßen, in jeder Weise die Politiker in Grund und Boden zu kritisieren, die aber dann, wenn sich ein Politiker wehrt, höchst empfindlich sind und die in Art. 5 des Grundgesetzes garantierte Meinungsfreiheit beschwören. So ungefähr verhält sich auch die Sowjetregierung in ihrer Behandlung der Bundesrepublik Deutschland, indem sie dauernd den Weltfrieden beschwört. Wir stimmen der Bundesregierung in ihrer Erklärung sowie den Sprechern der beiden Koalitionsparteien darin zu, daß die Bundesrepublik Deutschland alles andere ist als ein Störenfried der internationalen Entspannung. Man sollte sich daher jetzt nicht mehr einer solchen Kraftsprache bedienen, wie das auch Chruschtschow in den letzten Jahren seiner Amtszeit tat, als er uns drohte, die Bundesrepublik würde in den ersten Stunden eines Krieges abbrennen wie eine Kerze. Eine Weltmacht vom Range der Sowjetunion hat es nicht mehr nötig, in dieser Art mit der Bundesrepublik Deutschland zu verkehren. Wenn man eine Weltmacht von erstem Rang ist, dann sollte man sich auch in der Art seiner politischen und diplomatischen Umgangsformen entsprechend verhalten und nicht im Revolutionsjargon der ersten Jahre auch noch fünfzig Jahre danach die Beziehungen zur Bundesrepublik Deutschland ausgestalten wollen.
Zu der Frage, die Jugoslawien betrifft, darf ich, Herr Kollege Gradl, auch eine kleine Rückbesinnung versuchen. Es sind genau zehn Jahre her, seit wir die diplomatischen Beziehungen zu Jugoslawien abgebrochen haben - gegen die Warnung der sozialdemokratischen Opposition, gegen die Warnung der liberalen Opposition. Wir kennen das tragische Ende von Karl Georg Pfleiderer, dem ersten und letzten Botschafter dieser Zeit der Bundesrepublik Deutschland in Belgrad. Nun versucht die Bundesrepublik mit viel Mühe, das Verhältnis zu Jugoslawien wieder zu normalisieren. Die Opposition unterstützt die Bundesregierung in diesem Bemühen. Aber es wäre für manchen Kollegen schon wegen der geschichtlichen Wahrheit gut, er läse einmal die Rede nach, die Karl Georg Pfleiderer in den fünfziger Jahren hier gehalten hat. Was wäre der Bundesrepublik Deutschland erspart geblieben, wenn wir damals die diplomatischen Beziehungen zu allen ost- und südosteuropäischen Staaten aufgenommen hätten, gewissermaßen einen Schritt nach vorn getan hätten?! Jetzt müssen wir mühsam das Dreieck umgehen, um alle Vorbehalte gegen die Aufnahme diplomatischer Beziehungen auch in Moskau abzubauen. Es wäre gut, wenigstens nachträglich diesem Manne eine politische und diplomatische Rechtfertigung zuteil werden zu lassen.
({0})
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Eppler?
Bitte!
Herr Kollege Mende, bei aller gemeinsamen Verehrung für meinen Landsmann Pfleiderer: Wollen Sie damit sagen, daß Herr Pfleiderer bei dem, was er in den fünfziger Jahren hier getan hat, in Übereinstimmung mit seiner Partei gehandelt habe?
Es ging der Freien Demokratischen Partei etwa so wie jetzt der Sozialdemokratischen Partei. Es gibt ja auch bei Ihnen verschieDr. Mende
dene Meinungen über die Deutschland- und Außenpolitik.
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- Nein, in der Frage der Aufnahme diplomatischer Beziehungen war die Freie Demokratische Partei mit ihm einig. In der Frage des Nordatlantik-Bündnisses hat er mit Ihnen gestimmt und den Beitritt abgelehnt, während die Fraktion der Freien Demokraten für den Beitritt zum Nordatlantik-Bündnis gestimmt hat. Ich höre noch Karl Georg Pfleiderer in diesem Raum sprechen: Dieser weiße Fleck, diese Terra incognita darf nicht bestehenbleiben; man hat entweder gute diplomatische Beziehungen oder schlechte, gar keine hat man nur im Kriege. Zur Normalisierung unseres Verhältnisses nach dem Osten hin gehört die Aufnahme diplomatischer Beziehungen! - Hierin ist ihm seine Partei absolut gefolgt.
Herr Kollege Blachstein hat einige Bemerkungen zu Griechenland gemacht. Die Bundesregierung ist in der Beurteilung der griechischen Frage sehr behutsam gewesen. Die liberale Opposition teilt die tiefe Besorgnis, die hier über die Entwicklung in Griechenland zum Ausdruck kam. Selbst wenn wir unterstellen, daß das Militär einem kommunistischen Umsturz zuvorkam -- ich wiederhole: selbst wenn wir das unterstellen -, sind Maßnahmen, die jetzt noch, sechs Monate später, die Freiheits- und Bürgerrechte dort einschränken, nicht mehr in dem Maße gerechtfertigt, in dem sie vielleicht im April bei der Abwehr eines kommunistischen Umsturzversuchs gerechtfertigt gewesen wären. Ich bin sehr vorsichtig, denn mir ist bis zur Stunde auch im Auswärtigen Ausschuß ein Beweis dafür, daß man einem kommunistischen Umsturz zuvorkam, nicht bekanntgeworden.
Nun ist Griechenland nicht irgendein Staat. Ich will nicht pathetisch werden und mich nicht auf Sokrates, Aristoteles und Plato berufen.
Im Nordatlantik-Vertrag steht in der Präambel, was uns geradezu verpflichtet, tätig zu werden:
Die Parteien dieses Vertrages bekräftigen erneut ihren Glauben an die Ziele und Grundsätze der Satzung der Vereinten Nationen und ihren Wunsch, mit allen Völkern und allen Regierungen in Frieden zu leben. Sie sind entschlossen, die Freiheit, das gemeinsame Erbe und die Zivilisation ihrer Völker, die auf den Grundlagen der Demokratie, der Freiheit der Person und der Herrschaft des Rechts beruhen, zu gewährleisten.
Unsere Bitte an die Bundesregierung geht dahin, mit allen vertretbaren politischen, diplomatischen und ökonomischen Mitteln sowohl im Rahmen des Europarates wie des Atlantikpaktes dafür Sorge zu tragen, daß in Griechenland wenigstens die Freiheit der Person, der Rechtsschutz und die Menschenrechtscharta der Vereinten Nationen gewahrt werden, nachdem dort revolutionäre Gefahren eines kommunistischen Umsturzversuches nicht mehr vorhanden zu sein scheinen.
Lassen Sie mich schließlich noch einiges zu Polen sagen und dabei auch die Bundesregierung fragen, ob sie glaubt, daß die bisherige Behandlung der geschichtlichen Irrtümer des französischen Staatspräsidenten de Gaulle ausreichend war, um Mißdeutungen zu vermeiden. Ich hatte hier schon am 16. Dezember 1966 die Ehre, in der Debatte zur Außenpolitik die grundsätzliche Stellungnahme der liberalen Opposition zum deutschpolnischen Verhältnis und zur Grenzfrage darzustellen. Leider haben die Äußerungen des französischen Staatspräsidenten de Gaulle in Zabrze - Hindenburg - und Danzig die Notwendigkeit ergeben, hier vor diesem Hohen Hause und vor der deutschen Öffentlichkeit noch einmal die Grundposition des deutschpolnischen Verhältnisses zu markieren.
Ich habe damals erklärt, daß die Bundesregierung selbst durch den Staatssekretär des Auswärtigen Amts noch am 11. Oktober 1960 festgestellt hat - und das sollte nach wie vor gelten daß die deutschen Ostgebiete innerhalb der Reichsgrenzen von 1937 von den polnischen Teilungen um die Wende des 18. Jahrhunderts nicht berührt waren und daß die östlichen Grenzen zu den ältesten und stabilsten der Weltgeschichte gehören. Die deutsch-polnische Grenze in Schlesien blieb seit dem Vertrag von Trentschin 1335, die polnisch-litauische Grenze in Ostpreußen seit dem Vertrag von Melnosee 1422 im wesentlichen unverändert. Das Gebiet, um das es sich hier handelt, ist 115 000 qkm groß, das heißt, es ist genauso groß wie die vier europäischen Länder Schweiz, Belgien, die Niederlande und Luxemburg zusammen; es bedeckt ein Fünftel der Fläche Frankreichs, ein Drittel der Fläche Italiens und fast die Hälfte der Fläche der Britischen Inseln.
Ich habe Verständnis dafür, daß der französische Staatspräsident seine seit 1958 bekannte Haltung zur Oder-Neiße-Linie noch einmal bestätigt hat. Es ist uns nicht neu, daß de Gaulle die Oder-Neiße-Linie als eine endgültige Grenze ansieht. Ich wehre mich nur dagegen, daß er nunmehr an Stelle machtpolitischer annexionistischer Gründe historische Argumente in die Begründung dieser Auffassung hineinzubringen versucht. Diese Geschichtsfälschung kann nicht unwidersprochen bleiben. Ich möchte hier feststellen, daß sich 1925 bei der letzten Volkszählung in diesen Gebieten in Ostpreußen 97,2 %, in Pommern 99,8 %, in Ost-Brandenburg 99,7 %, in Niederschlesien 99,3 % und in Oberschlesien 88,4 % für Deutschland ausgesprochen haben.
({1})
- Herr Kollege Barzel, wenn Sie sagen: Das wissen wir alles, kann ich nur entgegnen: der französische Staatspräsident scheint auf seine Reise nach Polen Unterlagen mitbekommen zu haben, die eben nicht den deutschen geschichtlichen Tatsachen entsprochen haben.
Im Jahre 1932 - auch das ist wichtig zu wissen - haben sich immerhin in Ostpreußen nur 0,2 %, in Ostpommern nur 0,03 %, in Ost-Brandenburg nur 0,1 % und in Schlesien nur 0,6 % für polnische Listen entschieden. Das war die letzte freie Wahl in der Weimarer Republik. Bei den Abstimmungen nach dem 1. Weltkrieg stimmten in Ostpreußen 97,8 % für Deutschland und nur 2,1 % für Polen, in Westpreußen stimmten 92,2 % für Deutschland und
nur 7,5 % für Polen. In der bekannten Abstimmung im März 1921 stimmten in Oberschlesien 60% für Deutschland und 40 % für Polen. Auch die Abstimmung in Zabrze - Hindenburg - hat 1921 ein so eindrucksvolles Ergebnis gezeitigt - und das unter starker französischer Intervention zugunsten der Polen -, daß ich einem Brief des Herrn Bundeskanzlers an den französischen Staatspräsidenten diese Ziffern als Anlage beigeben möchte. Es haben sich nämlich im März 1921 in der Stadt Gleiwitz unter hartem Druck polnischer Insurgenten und Parteinahme französischer Besatzungstruppen unter dem General Le Rond 93,2 % für Deutschland und 6,8 % für Polen ausgesprochen. In Beuthen haben 92,9 % für Deutschland und 7,1 % für Polen, in Hindenburg
- der angeblich polnischsten aller Städte Schlesiens - 84,1 % für Deutschland und 15,9 % für Polen gestimmt Es gebietet die Treue der oberschlesischen Landsleute damals und es gebietet die geschichtliche Wahrheit heute, daß der Bundeskanzler, nachdem das bisher nicht geschehen ist, hier feststellt, daß diese geschichtlichen Tatsachen auch gegenüber Frankreich undiskutabel sind.
({2})
Nichts anderes kann ich zu Danzig sagen! Auch hier ist zu verstehen, daß der französische Staatspräsident machtpolitische Gründe zum Anlaß nimmt, sich für Danzig als polnische Stadt zu erklären. Aber historische Argumente? - Nein. Es ist überhaupt sehr problematisch, wenn unser Freund und Nachbar das französisch polnische Verhältnis zu Lasten des deutschen Freundes aufbessern will durch Wegnahme von Gegenständen, über die wir allein zu verfügen haben.
Was heißt also „Danzig, die polnischste aller polnischen Städte"? Danzig, das im Mittelalter lateinisch Gedanum hieß, wird erstmals 997
({3})
- 997 - und dann urkundlich 1148 als Hauptort Pommerellens erwähnt. Kurz nach 1227 erhielt es vom Herzog von Pommerellen Lübisches, 1343 Culmisches, also Magdeburger Stadtrecht.
({4})
- Herr Kollege Barzel, das mag Ihnen 'unangenehm sein, aber nachdem sich bisher niemand hier lin diesem Hause zu den geschichtlichen Wahrheiten 'äußerte,
({5})
hält es ,die liberale Opposition für ihre Pflicht, der deutschen Geschichte mehr zu dienen als der deutsch-französischen Rücksichtnahme.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage? - Bitte!
Darf ich Ihre Vorlesung stören? Vielleicht haben Sie die Güte, in meiner Rede die entsprechende Passage nachzulesen und meinen Zwischenruf zu vermerken. Ich habe gesagt: Herr Mende ist heute auf bemerkenswerte Weise antirubinisch.
Herr Kollege Dr. Barzel, ich bitte um Nachsicht; ich habe diesen Zuruf nicht gehört. Ich meinte an Ihrem Lächeln erkennen zu müssen - ({0})
- Ja, wissen Sie, es gibt geschichtliche Daten, die man lieber verliest. Soviel auswendig können wir beide nicht behalten, obwohl wir ja ganz gute Seminaristen bei Professor von Hippel waren. Aber das ist auch schon über 20 Jahre her.
({1})
Ich muß hinzufügen, daß nur eine kurze Zeit, nämlich als es 1454 zum Bruch mit dem Deutschen Ritterorden kam, eine polnische Oberhoheit ausgeübt wurde. Danzig wurde dann bald durch das Privilegium Casimirianum, also des Königs Casimir, eine „Freie Stadt". Der polnische König besaß nur geringfügige Hoheitsrechte. Im Bund mit der Hanse führte Danzig eigene Kriege, nahm 1523 bis 1557 die Reformation an und erlebte zwischen 1470 und 1620 seine größte Blüte.
Vielleicht darf ich wegen der Kürze der hier zur Verfügung stehenden Zeit weitere Erklärungen zu Protokoll geben, um die Danziger, die sich auch hier nicht äußern können, bezüglich der geschichtlichen Wahrheit und Klarheit ihrer Vergangenheit gegen ungerechtfertigte Angriffe in der Danziger Rede des Staatspräsidenten de Gaulle in Schutz zu nehmen.
Lassen Sie mich abschließen. Ich freue mich, daß sich die Koalition hier bemüht, mit der Opposition in den Wesensfragen der Nation ins Gespräch zu kommen. Es wäre besser gewesen, wir hätten wie früher bei den bisherigen Regierungen seit 1949 Gelegenheit gehabt, an jenen Informations- und Koordinationsgesprächen, die im Hause des Bundeskanzlers von 1949 bis 1966 üblich waren, als Fraktion und Partei teilzunehmen. Es hat, meine Herren von der Sozialdemokratischen Partei, keine Frage gegeben, von der Kündigung des Interzonenhandelsabkommens bis zur Frage der Berlin-Sitzungen, in der nicht die sozialdemokratische Opposition jeweils durch den Bundeskanzler Adenauer und später durch den Bundeskanzler Erhard hinzugezogen wurde. Mir scheint, es würde nicht nur der neuen Koalition, sondern auch dem politisch-parlamentarischen Stil gut bekommen, wenn auch die liberale Opposition in den Wesensfragen der Nation, insbesondere in der Deutschland- und Ostpolitik, nicht nur auf Bulletins und Informationen aus Presse und Rundfunk angewiesen wäre, sondern wir auch zu den Vorbereitungen der Entscheidungen der Bundesregierung beratend hinzugezogen werden könnten. Denn wer sich um ein Höchstmaß an Gemeinsamkeit in den Schicksalsfragen der deutschen Nation bemüht, wer danach trachtet, zu verhindern, daß Ostberlin einen gegen den anderen hier bei uns ausspielt, der muß auch seinerseits den guten Willen zur Zusammenarbeit mit der liberalen Opposition beweisen.
({2})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Kopf.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn die Beratende Versammlung 'des Europarates vor wenigen Wochen, wenn dieses Hohe Haus am heutigen Tage sich mit den Verhältnissen in Griechenland befaßt, so ,bedarf die Befassung mit dieser Angelegenheit der Beantwortung einer Vorfrage. Es ist in der Praxis der internationalen Gremien, es ist auch in der Praxis dieses Hauses eine stehende Regel gewesen, daß eine Nichteinmischung in die Verhältnisse anderer Länder geboten erscheint. Dies mag ganz besonders dann gelten, wenn es sich um die Verhältnisse eines uns verbündeten, ja eines uns durch traditionelle Freundschaft verbundenen Landes handelt. Es müssen also Rechtfertigungsgründe vorhanden sein, wenn unser Haus zu den inneren Verhältnissen eines anderen Landes Stellung nimmt.
Diese Rechtfertigungsgründe sind in der Tat gegeben. Sie beruhen auf den. vertraglichen Vereinbarungen, die unser Land und Griechenland miteinander verbinden. Herr Kollege Mende hat soeben einen dieser Rechtfertigungsgründe angeführt. Er hat den Nordatlantikvertrag zitiert. Ich kann mir ersparen, erneut auf diese Bestimmungen einzugehen. Aber auch der Vertrag, durch den der Europarat zustande gekommen ist, die Satzung des Europarates enthält derartige Bestimmungen. Sie spricht die unerschütterliche Verbundenheit der Mitgliedstaaten mit den geistigen und sittlichen Werten aus, die das gemeinsame Erbe ihrer Völker und die Quelle persönlicher Freiheit, der politischen Freiheit und der Herrschaft ,des Rechts bilden, auf dem jede wahre Demokratie beruht. Die dann folgenden Bestimmungen vertiefen diesen Gedanken noch einmal.
Es gibt aber noch einen dritten Vertrag, der Griechenland mit uns verbindet: das ist die Konvention über die Menschenrechte. Ich möchte auch hier die Einzelbestimmungen nicht zitieren. Aber diese Konvention enthält allerdings auch einen Artikel, der bei der Gesamtbeurteilung nicht ganz unwichtig ist. Es ist der Artikel 15. Nachdem in den vorhergehenden Artikeln die Menschenrechte konkretisiert und spezifiziert worden sind, bringt Artikel 15 der Konvention über 'die Menschenrechte zum Ausdruck, daß in Kriegs- und in Notzeiten auch Rechte und Freiheiten eingeschränkt werden können. Es bleibt abzuwarten, inwieweit die griechische Regierung im Laufe des Verfahrens, ,das sich bei der Menschenrechtskommission abspielen wird, auf diesen Artikel Bezug nehmen wird.
Die Beratende Versammlung des Europarates hat nach einer sehr ,eingehenden Diskussion eine Entschließung angenommen, die sich mit der Lage in Griechenland befaßt. Auch die Mitglieder der deutschen Delegation - wenn ich nicht irre, alle ihre Mitglieder - haben dieser Entschließung zugestimmt. Die Entschließung bringt die tiefe Sorge zum Ausdruck, daß in Griechenland noch keinerlei Entwicklung zu einem demokratischen und parlamentarischen System sichtbar sei. Sie rügt in bewegten Worten die Verletzung der Menschenrechte, und sie drückt die Besorgnis um das Schicksal der griechischen Vertreter, die ,dem Europarat angehören, aus, und sie behält sich vor, sich über das Verbleiben Griechenlands im Europarat in einem späteren Zeitpunkt, d. h. vermutlich in der nächsten Sitzung im Januar, auf Grund eines noch zu erstattenden Berichts eines Berichterstatters auszusprechen.
Der Deutsche Bundestag macht sich diese Besorgnisse um das Schicksal Griechenlands, um das Schicksal in Griechenland zweifellos zu eigen. Gerade das deutsche Volk hat in den Jahrzehnten, in denen es der Diktatur ausgeliefert war, in denen eine Diktatur eines Regimes sich ihm aufoktroyiert hatte, ein ganz empfindliches Organ dafür bekommen, daß Störungen im demokratischen Gleichgewicht, d, h. im Gleichgewicht der demokratischen Kräfte, Störungen im Verhältnis der Gewalten, zwischen denen die Staatsmacht ja aufgeteilt ist, Krankheitserscheinungen darstellen, die bedauerlich sind und für die eine Remedur geschaffen werden muß. Kurz und gut, das deutsche Volk hat gerade für 'derartige Störungen ganz bestimmt eine 'gesteigerte Empfindlichkeit.
Leider, kann man sagen, ist Griechenland nicht der einzige Fall, in dem derartige Störungserscheinungen auftreten. Wir wissen aus der letzten Tagung der Interparlamentarischen Union, daß von den 65 Parlamenten, die der Interparlamentarischen Union angeschlossen sind, 13, d. h. ein ganzes Fünftel, zur Zeit überhaupt nicht funktionsfähig sind, weil die Parlamente in diesen Ländern entweder aufgelöst oder suspendiert sind.
Bei der Beratung des Europarates ist der Versuch gemacht worden, diese konkrete und aktuelle Situation in einen größeren Rahmen zu stellen. Ich glaube, daß der eine der Redner etwas über das Ziel hinausgeschossen ist und daß er nicht ein begründetes Geschichtsbild dargestellt hat, als er äußerte - ich habe es noch einmal nachgelesen -, in den letzten 50 Jahren seien die wirklich demokratischen Regierungen in Griechenland nur eine Ausnahme gewesen. Das ist bestimmt nicht richtig, zumindest ist es weit übertrieben. Aber es ist richtig, was ein anderer Redner gesagt hat: daß Anarchie und Schwäche der demokratischen Parteien in Griechenland einer Militärjunta die vorläufige Machtergreifung gestattet haben, und es ist richtig, daß der französische Abgeordnete Heffer von einer griechischen Krankheit gesprochen hat und den Versuch gemacht hat, die Wurzeln dieser Krankheit bloßzulegen. Er hat die Frage gestellt - eine sehr berechtigte Frage -: Hätte man nicht verstehen sollen, daß schlechte soziale und ökonomische Verhältnisse die Diktatur begünstigen, und hätte man nicht der griechischen Bevölkerung mehr helfen sollen? Wie immer man diese Frage beurteilt, eines steht fest: daß die Demokratie in Griechenland, solange sie im dortigen Parlament praktiziert wurde, von großen Störungserscheinungen heimgesucht wurde, ja, daß in den letzten Jahren vor dem Umsturz in Griechenland eine Art permanenter Krisenerscheinungen im griechischen Parlamentarismus geherrscht haben.
In den letzten Wochen sind neue Entwicklungstendenzen sichtbar geworden. Ich möchte von
zweien dieser Entwicklungstendenzen sprechen, weil sie für die weiteren Entwicklungen von entscheidender Bedeutung sind.
Vier Länder, die Mitglieder des Europarates sind, haben bei der Menschenrechtskommission des Europarates Beschwerde eingelegt. Zwei weitere Länder, Belgien und Luxemburg, haben diese Beschwerde unterstützt. Dieses Beschwerdeverfahren muß durch die Menschenrechtskommission durchgeführt werden. Die Menschenrechtskommission wird das in einer rechtsförmlichen Art und Weise tun, und sie wird nach Abschluß ihrer Bemühungen das Ergebnis dem Ministerrat des Europarates mitteilen und damit dem Ministerrat die Möglichkeit geben, darüber zu entscheiden, ob die Voraussetzungen des Art. 8 der Satzung des Europarates, der die Möglichkeit des Ausschlusses eines Mitgliedslandes eröffnet, gegeben sind. Es ist bestimmt zu erwarten, daß in diesem Verfahren vor der Menschenrechtskommission die griechische Regierung den Versuch macht, darzulegen, daß die besonderen Voraussetzungen des Art. 15 der Menschenrechtskonvention gegeben seien, nämlich die Verhältnisse eines Notstands, die auf Grund der Menschenrechtskonvention die zeitweise Aufhebung von Rechten und Freiheiten rechtfertigen. Aber es bleibt abzuwarten, wie die griechische Regierung sich verhalten wird.
Immerhin ist in der Entschließung, die der Europarat gefaßt hat, zum Ausdruck gekommen, daß dieses Verfahren von der Menschenrechtskommission, das auch die Beratende Versammlung des Europarates wünscht - nun zitiere ich wörtlich -, „Griechenland, d. h. der griechischen Regierung, gestatten soll, alle Rechtfertigungen vorzutragen, die sie eventuell für ihre Maßnahmen liefern könnte". Dieses Verfahren ähnelt also in gewissem Sinne einem Prozeßverfahren, in dem es Beteiligte gibt und in dem jeder Beteiligte - in diesem Falle die griechische Regierung - die Möglichkeit hat, Argumente zur Rechtfertigung seines Verfahrens vorzutragen. Diese Argumente müssen gebührend geprüft und gewürdigt werden. Das ist der eine Umstand.
Der zweite Umstand ist folgender. Vor einiger Zeit ist in Griechenland eine Verfassungskommission ins Leben gerufen worden. Ich habe erst ganz frisch die Mitteilung erhalten, daß diese Kommission noch bis Ende November einen Verfassungsentwurf vorlegen will. Es ist ihr eine Frist von sechs Monaten gesetzt worden. Nun kennen wir die Ergebnisse des Verfassungsentwurfs noch nicht. Der Verfassungsentwurf soll im nächsten Jahr in einem Plebiszit zur Abstimmung gestellt werden. Wir kennen aber wohl die Zielsetzungen des Verfassungsentwurfs. Es ist uns gesagt worden, daß der Verfassungsentwurf die Wiedereinführung des parlamentarischen Systems bezwecke, daß ein neues Wahlrecht geschaffen werden soll, daß eine Wahlrechtsreform vorgesehen werden soll, daß eine Dezentralisierung der Zentralgewalt vorgesehen werden soll und daß eine Neudefinition der konstitutionellen Rechte des Throns vorgenommen werden soll. Ich darf allerdings der Erwartung Ausdruck geben, daß eine Äußerung des griechischen Innenministers, die im Europarat vom Berichterstatter, Herrn Edelmann, zitiert worden ist, nicht so ausgelegt wird, wie sie vielleicht ausgelegt werden könnte. Es wurde nämlich die Auslegung gegeben, die Änderung ,der griechischen Verfassung sei notwendig, um den politiciens nicht zu gestatten, Irrtümer zu begehen. Ich darf die Hoffnung aussprechen, daß das Wort „politiciens" nicht die Politiker im guten und echten Sinne und nicht die Parlamentarier, sondern die Politikaster meint. Im übrigen sind wir der Meinung, daß das Recht, Irrtümer zu begehen, nicht nur ein Vorrecht von Politikern ist, die einem Parlament angehören, isondern daß es keine Regierung gibt, die nicht auch dem Irrtum unterworfen sein könnte, und daß es gerade Aufgabe des Parlaments ist, auch die Regierung vor solchen Irrtümern zu bewahren.
Nun erhebt sich ein sehr interessantes Problem, nämlich das Problem der Verzahnung und Verschränkung innenpolitischer und außenpolitischer Gesichtspunkte. Dieses Problem besteht aus inner-griechischer Sicht, und es besteht in Richtung auf Griechenland auch aus deutscher Sicht. Aus innerer Sicht in Griechenland stellt es sich in ganz einfacher Weise dar. Es wird Sache der künftigen Geschichtsschreibung und wohl auch Aufgabe der Menschenrechtskommission, die zur Zeit diese Behauptung nachprüft, sein, das zu ergründen. Die Regierung macht nämlich geltend, daß sie die Macht übernommen habe, um ein Abgleiten Griechenlands in den Kommunismus zu verhindern. Sie macht weiter geltend, daß sie gerade dadurch auch die bisherige griechische Politik des Festhaltens an und der Betätigung im Rahmen der atlantischen Gemeinschaft, der NATO, weiterführen wolle. Hier haben wir also eine Verbindung innen- und außenpolitischer Gesichtspunkte.
Auf der anderen Seite sind die vertraglichen Vereinbarungen, die uns mit Griechenland verbinden, die Rechtfertigungsgründe dafür, daß wir uns entgegen dem von uns anerkannten Prinzip der Nichteinmischung auch mit den inneren Angelegenheiten dieses Landes befassen können. Wir sollen das sogar tun. Ich bin aber nun nicht der Meinung, daß wir das ausschließlich unter innenpolitischen Gesichtspunkten tun dürfen. Ich glaube vielmehr, daß ein Land gegenüber dem Verhalten eines verbündeten Landes auch außenpolitische Gesichtspunkte beachten muß und daß daher unsere deutsche Stellungnahme sowohl innenpolitische als auch außenpolitische Gesichtspunkte in einer wohlabgewogenen Weise zu berücksichtigen hat.
Was soll nun aber die Bundesrepublik tun? Damit komme ich zu der entscheidenden Frage, die wir beantworten wollen, zu der Frage nämlich, die auch durch den Antrag der SPD-Fraktion sowie durch die Ausführungen unseres Kollegen Blachstein aufgeworfen worden ist, der in einigen Punkten allerdings über das Votum dieses Antrags der SPD-Fraktion hinausgegangen ist.
Zunächst müssen wir meines Erachtens davon ausgehen, daß das Beschwerdeverfahren bei der Menschenrechtskommission in Gang gesetzt und eingeleitet worden ist, daß dieses Verfahren anhängig ist,
daß es ein rechtsförmliches Verfahren ist und daß es den Beschwerdeführern und dem Staat, über den die Beschwerdeführer Klage erheben, in gleicher Weise die Möglichkeit gibt, alle Argumente vorzutragen. Wir müssen daher eine Regel zur Anwendung bringen, die für jedes rechtsförmliche Verfahren gilt, nach der wir vermeiden sollten, vor dem Abschluß eines solchen rechtsförmlichen Verfahrens Urteile abzugeben, die erst durch das Ergebnis des rechtsförmlichen Verfahrens bestätigt und vor der Weltöffentlichkeit verantwortet werden können. Darum kann für gewisse Verhaltensweisen empfohlen werden, nicht in vorschneller Weise eine Position zu beziehen, sondern zunächst einmal den Ausgang dieses Verfahrens abzuwarten.
Das gilt beispielsweise bezüglich des ersten Absatzes des Antrags der Fraktion der SPD. In diesem ersten Absatz wird ja die Bundesregierung ersucht,
im Hinblick auf die gegenwärtige innere Situation in Griechenland im Ministerkomitee des Europarats auf die Prüfung der Frage zu drängen, ob der Artikel 8 der Satzung des Europarats ... angewendet werden kann.
Natürlich muß die Bundesregierung diese Frage prüfen; das ist ihr Recht und das ist ihre Pflicht. Aber die entscheidende Frage ist doch die, in welchem Zeitpunkt diese Pflicht der Bundesregierung obliegt. Hier bin ich allerdings der Meinung, daß sich die Bundesregierung in camera caritatis sehr wohl darum bemühen könnte, jetzt darüber ein Urteil zu gewinnen. Sie tut das ja auch in ständiger Zusammenarbeit mit unseren Vertretungen. Ich meine aber, daß eine Stellungnahme in dieser Position erst dann möglich sein wird, wenn das Ergebnis der Prüfung der Menschenrechtskommission, wenn also der Bericht der Menschenrechtskommission an den Ministerrat des Europarates vorliegt. Dann ist die Bundesregierung in der Tat berufen, hier Stellung zu beziehen, und auch das Parlament wird ganz bestimmt rechtzeitig Stellung beziehen.
Die zweite Frage ist, ob es richtig und notwendig ist, daß dieses Verfahren, das bei der Menschenrechtskommission anhängig ist und das von vier Ländern eingeleitet worden ist, von deutscher Seite ähnlich wie von Belgien und Luxemburg, die eine entsprechende Unterstützung angemeldet haben, unterstützt wird. Ich spreche hier meine rein persönliche Meinung aus: Ich halte das nicht für notwendig, ich halte es auch nicht für wünschenswert; denn es ist ganz klar, daß die Bedeutung eines derartigen rechtsförmlichen Verfahrens nicht von der Zahl der Beschwerdeführer abhängt. Ein einziger Beschwerdeführer ist ja Manns genug, ein solches Verfahren in Gang zu bringen. Das Verfahren ist aber im Gange. Ob es von vier oder von sechs oder von acht Ländern eingeleitet wird, ist rechtlich irrelevant. Ich bin also nicht der Meinung, daß sich die Bundesregierung den Ländern anschließen sollte, die die Unterstützung dieses Verfahrens beantragt haben.
Nun kommt die dritte Frage. Das ist die Frage, die gleichfalls in dem Antrag der SPD angeschnitten worden ist, die aber dann von Herrn Kollegen
Blachstein noch etwas erweitert worden ist, nämlich die Frage der Erfüllung laufender Verpflichtungen gegenüber Griechenland. Wir haben darüber bereits Äußerungen der Bundesregierung.
Herr Staatssekretär Jahn hat dazu in der Fragestunde gesagt:
Das geschieht
- die Unterlassung weiterer Unterstützung im wesentlichen in dem Bereich, in dem es um neue Leistungen geht. Die Bundesregierung glaubt aus den dargelegten Gründen aber, die bereits laufenden Verpflichtungen, soweit sie auf vertraglichen Grundlagen beruhen, erfüllen zu sollen.
Ich glaube kein Geheimnis zu verraten, wenn ich ich sage, daß sich auch der Herr Bundesminister des Auswärtigen dieser Meinung angeschlossen hat.
Es gibt einen alten Satz des Römischen Rechtes, der aber nicht nur dem Römischen Recht angehört, sondern der ganzen Kulturwelt. Dieser Satz lautet: Pacta sunt servanda - Verträge sollen erfüllt werden. Ich bin daher mit dem Herrn Bundesaußenminister und mit dem Herrn Staatssekretär des Auswärtigen Amtes allerdings auch der Meinung, daß laufende Verpflichtungen, die eingegangen worden sind, erfüllt werden sollen.
Eine ganz andere Frage ist die Übernahme neuer Verpflichtungen. Der Herr Bundesaußenminister hat ja gesagt, neue Verpflichtungen sollten einstweilen nicht übernommen werden. Das gilt selbstverständlich auch für neue Leistungen im Zusammenhang mit dem Assoziationsverhältnis.
Schließlich eine letzte Frage. Wenn ich mich nicht irre, hat Herr Kollege Blachstein - vielleicht irre ich mich hier aber auch; ich weiß es nicht - auch die Frage der Mitwirkung Griechenlands in der NATO angesprochen. Griechenland ist in der Tat Mitglied der NATO und ist unser Verbündeter. Ich bin der Meinung, daß der weitere Verbleib Griechenlands in der NATO nicht nur im deutschen Interesse, sondern auch im europäischen und atlantischen Interesse liegt. Es wäre außerordentlich bedauerlich, wenn gerade hier, an der Südostflanke des freien Europa, eine Änderung einträte.
({0})
- Haben Sie Bedenken gegen diesen Ausdruck?
({1})
- Da müßte man natürlich definieren, was frei ist.
({2})
Aber das würde sehr weit führen. Es ist auch gar nicht notwendig. Wir verstehen uns sehr wohl. Ich meine, daß an der Südostflanke, die durch die Atlantische Gemeinschaft abgeschirmt ist, ein Land wie Griechenland nicht ausfallen sollte und auch nicht ausfallen dürfte. Ich glaube, daß gerade bei dieser Frage außenpolitische Erwägungen eine sehr große Rolle spielen.
Aber was soll man nun tun? Es war richtig, daß die Beratende Versammlung des Europarats in ihrer Entschließung, die ja nahezu einstimmig angenommen worden ist, ihre tiefgreifende Besorgnis zum Ausdruck gebracht hat. Ich zweifle nicht daran, daß auch dieses Haus bereit sein wird, sich diese Besorgnis in einer Entschließung zu eigen zu machen. Diese Besorgnisse sind inzwischen ja auch von vielen anderen Seiten geäußert worden. Ich halte es für notwendig, im Interesse der Wiederherstellung der Rechtsstaatlichkeit in diesem mit uns verbündeten Lande in klarer Weise unsere Meinung zu sagen, aber nicht allein, sondern in Gemeinschaft mit den Vertretern der anderen Länder. Das ist wichtig und notwendig. Aber noch wichtiger und notwendiger als die Ausübung einer Form moralischer Pression scheint es mir zu sein, die Verantwortlichen in Griechenland davon zu überzeugen, daß die Wiederherstellung der Rechtsstaatlichkeit nicht nur im Interesse unserer Atlantischen Gemeinschaft, nicht nur im Interesse Europas, wie es im Europarat zusammengefaßt ist, sondern auch im Interesse Griechenlands selber liegt.
Es handelt sich um ein Land, in dem vor 2500 Jahren die ersten Ansätze einer Mitbeteiligung des Volkes an der Verwaltung der Staatsangelegenheiten geschaffen worden sind. Es waren damals, vor 2500 Jahren, tatsächlich griechische Denker und Philosophen, die das Leitbild einer Gesellschaft und eines Staates, in dem das Volk zur Mitverantwortung und Mitwirkung herangezogen wird, erstmals entwickelt und dieses große Leitziel in das Gedankengut der Menschheit eingeführt haben.
Angesichts der besonderen Verhältnisse an der Südostflanke des NATO-Bündnisses sollte man alles tun, die Verantwortlichen von der Notwendigkeit einer raschen und unbedingten Herstellung rechtsstaatlicher Verhältnisse zu überzeugen und andererseits es allen Aufbauwilligen in diesem Land und dem griechischen Volk zu ermöglichen, durch eine beschleunigte Herstellung dieser Rechtsstaatlichkeit eine Lösung für die bestehenden Schwierigkeiten zu finden.
Ich beantrage Überweisung des Antrags der SPD-Fraktion an den Auswärtigen Ausschuß.
Meine Damen und Herren, das Wort hat der Herr Abgeordnete Genscher.
({0})
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich am Beginn meiner, wie ich Ihnen zusichere, kurzen Ausführungen - ich habe auch nicht die Absicht, hier Vorlesungen zu halten - feststellen, daß weder die Besetzung der Regierungsbank noch die Besetzung des Hohen Hauses der Thematik dieser Debatte gerecht wird.
({0})
- Herr Kollege Rasner, ich nehme niemanden aus.
Entschuldigung, Herr Abgeordneter Genscher, wenn ich auch einmal die Regierung in Schutz nehme. Mir scheint, daß wir dort eine Besetzung haben, wie es sie an einem Freitagnachmittag um 15 Uhr selten gegeben hat.
({0})
Es liegt mir fern, eine Korrektur an den Feststellungen des Herrn Präsidenten anzubringen. Aber wenn ein anderes Mitglied des Hauses diese Feststellung getroffen hätte, würde ich ihm antworten: Ich halte die Deutschland- und Ostpolitik ebenso wie die Europapolitik für ein so zentrales Problem unserer Politik, daß auch derjenige anwesend sein sollte, der dafür da ist, zu diesen Themen den zentralen Willen in der Regierung kraft Richtlinienbefugnis zu bilden.
({0})
- Herr Kollege Rehs, da stimme ich Ihnen zu. Aber nicht wir, sondern die Bundesregierung hat gewünscht, hier heute eine Erklärung abzugeben. Der Bundeskanzler hat uns bei seinen Ausführungen auch verraten, was er im Auge hatte. Er wollte nämlich die Einigkeit der Koalition in Fragen demonstrieren, In denen diese Einigkeit leider nicht vorhanden ist.
({1})
Das kann niemanden freuen, aber es ist eine Tatsache. Wer so laut und so betont und so oft von diesem Pult aus über die Einigkeit seines Regierungslagers spricht, der hat es nötig.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich, da ich bei der Rede des Herrn Bundeskanzlers bin, auch noch ein paar andere Anmerkungen dazu machen. Er hat hier gesagt: Es gibt Leute in der Publizistik, die Schlagzeilen erfinden, in denen die Uneinigkeit der Koalition sozusagen beschworen wird. Wer hat denn den Stoff zu diesen Schlagzeilen geliefert, meine Damen und Herren? Doch das Regierungslager und die Mitglieder der Bundesregierung! Wir erinnern uns alle noch daran, daß besonders in den ersten Monaten der Amtszeit -der jetzigen Regierung durch eine Vielzahl von Interviews, durch eine Vielzahl von Interpretationsversuchen eine gewisse Verwirrung geschaffen worden ist.
Ich kann dem Herrn Bundeskanzler auch nicht in den Ausführungen zustimmen, die er heute vor dem Hohen Hause in bezug auf seine Rede in Berlin gemacht hat. Ich glaube, Herr Kollege Scheel war im Recht - jetzt ist Herr Scheel schon wieder da, vielleicht kommt auch noch der Bundeskanzler -,
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als er auf die Gefahr hinwies, die durch den Begriff der „Anerkennungspartei" für das politische Klima in der deutschlandpolitischen Diskussion in unserem Land erzeugt worden ist. - Bitte schön, Herr Kollege!
Herr Kollege Genscher, sind Sie nicht mit mir der Meinung, daß die Publizisten, wie der Herr Bundeskanzler meinte, in puncto Diffamierung Andersgläubiger nicht zu übertreffen sind?
Herr Kollege, auch in dieser Frage haben wir offensichtlich einen ganz anderen Glauben. Ich muß Ihnen sagen, daß es nicht darum geht, ob sich derjenige, der sich in einer politischen Sachfrage für eine bestimmte Meinung einsetzt, der also für eine Anerkennung der DDR eintritt, so etwas sagen lassen muß oder nicht. Aber es ist etwa anderes, wenn hier eine nebulose Gemeinschaft heraufbeschworen wird, in die jeweils 'die verschiedensten Leute eingeordnet werden können. Wir haben auch heute für diese Anerkennungspartei - von der wir nicht betroffen sind; der Herr Bundeskanzler hat das ausdrücklich noch einmal bestätigt - keine Definition bekommen.
Aber, meine Damen und Herren, es gibt eine so, zusagen authentische Definition dieses Begriffs von einem von mir besonders geschätzten Mitglied der CDU-Fraktion. Dieser Kollege hat einmal gesagt: Anerkennungspartei, das sind diejenigen, die eine Anerkennung der Zone jetzt ohne Gegenleistung in der Erwartung .wollen, daß sich hinterher das Klima so verbessert, daß vielleicht etwas herauskommen könnte. Ich frage Sie: Was heißt denn eigentlich „jetzt" in diesem Zusammenhang nach den Erklärungen, 'die der Bundeskanzler hier abgegeben hat? Das sind die Begriffsverwirrungen, mit denen Sie unsere Diskussion durcheinanderbringen, meine Herren.
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Wir sollten nach den Erfahrungen, die man in Weimar gemacht hat, wirklich vorsichtig sein, wenn es um pauschale Etikettierungen geht. Da sagt und schreibt einmal jemand etwas, was er vielleicht nicht voll durchdacht hat, und am Ende muß er sich ein solches Etikett aufkleben lassen.
Da gibt es z. B. ein sehr maßgebliches Mitglied der Fraktion ,der CDU/CSU. Das ist der Herr Kollege Stücklen, der, wie ich höre, jetzt für höhere Beamtenämter im Postbereich ausersehen ist.
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- Nein, gar nicht. - Herr Kollege Stücklen hat geschrieben, das Programm - ({2})
- nun hören Sie doch einmal an, was der Kollege Stücklen gesagt hat; es sind ja gar nicht meine Worte - „einer nach Osten offenen europäischen Konföderation ließe es durchaus zu, die Restauration eines deutschen Nationalstaats auszuschließen, wenn dafür eine reale Aussicht auf eine gesamteuropäische Lösung gewonnen würde". Meine Damen und Herren, in einem Zeitpunkt, in dem wir mit Befriedigung - ich sage das in voller Übereinstimmung mit Herrn Kollegen Barzel - feststellen, daß auch der Ministerratsvorsitzende Stoph die Einheit unserer Nation anerkennen mußte, sollte man nicht durch
Formulierungen dieser Art unseren Standpunkt in Zweifel ziehen.
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Das hat gar nichts damit zu tun, daß wir nicht offen sind für eine europäische Lösung der deutschen Frage. Ja, ich würde sagen: Wir alle wissen, daß diese Frage nur gelöst werden kann, wenn sie in eine gesamteuropäische Entwicklung einbezogen wird. Aber man kann nicht nur von Europäisierung der deutschen Frage sprechen. Die Regierung muß, wenn sie eine Erklärung zur Europapolitik abgibt, auch sagen, wie dieses Europa aussehen soll, das sie anstrebt, und welche Vorstellungen sie für den Weg zu diesem Europa hin hat.
Hier lassen Sie mich ein Wort zu den Erklärungen der Regierung in der Frage unserer Beziehungen zu Jugoslawien sagen. Wir wissen, wir könnten heute Beziehungen zu Jugoslawien aufnehmen. Der Herr Außenminister hat betont, daß die Bundesregierung darauf hinarbeite. Er hat mit Recht darauf hingewiesen, daß sich unsere Beziehungen verdichtet haben. Der Herr Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen mißt Jugoslawien eine besondere Bedeutung bei, indem er nämlich bereit ist, hinsichtlich unseres Verhältnisses zur DDR auch eine Überprüfung bestimmter Standpunkte dann vorzunehmen, wenn in der DDR, wie er sagt, bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind, die Jugoslawien heute schon erfüllt: Blockfreiheit usw. Wie wollen Sie diese positive Erklärung des gesamtdeutschen Ministers zu der Position Jugoslawiens mit der Erklärung des Herrn Bundeskanzlers in Einklang bringen, daß gerade der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zu Jugoslawien besonders große Hindernisse entgegenstehen? Da wird davon geredet, daß wir vorsichtig sein müßten, nachdem wir mit Rumänien schon eine Art Außenseiter mit unseren Beziehungen beglückt hätten, nun einen zweiten Außenseiter in diese Politik einzubeziehen. In bezug auf Jugoslawien ist das Gegenteil der Fall, weil nämlich mit der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zu Jugoslawien deutlich werden könnte, ob diese Regierung wirklich eine neue Ostpolitik betreibt oder ob sie an einer überholten Doktrin festhält.
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Ich glaube, diese Möglichkeit, ihre Politik an einem Beispiel praktischer Politik zu interpretieren, sollten Sie sich nicht entgehen lassen.
Lassen Sie mich weiterhin noch sagen, warum das Verhältnis zu Jugoslawien in einem so engen Zusammenhang mit der Europäisierung der deutschen Frage steht. Wenn wir darauf hinzielen, die deutsche Frage in eine europäische Entwicklung einzubetten, mit einer Überwindung der Gräben in Europa, dann müssen Sie in dieser gesamteuropäischen Entwicklung auch bis zur Lösung der deutschen Frage der DDR eine Position einräumen. Wie wollen Sie das, wenn Sie es ablehnen, diplomatische Beziehungen zu Jugoslawien aufzunehmen?
Gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Rasner?
Herr Kollege Genscher, Sie sagen immer „DDR". Mein Kollege Barzel hat heute morgen immer „SBZ" gesagt. Kann man daraus auf einen grundsätzlichen politischen Unterschied zwischen Ihnen und ihm schließen?
Herr Kollege Rasner, das hat ersten etwas zu tun mit dem Ausgangspunkt, von dem aus wir Politik machen, und das ist ein sehr realistischer. Wir halten gar nichts davon, Politik mit Anführungszeichen zu machen, sondern wir sind für eine sehr klare und deutliche Politik.
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Herr Abgeordneter, gestatten Sie noch eine Zwischenfrage?
Herr Genscher, würden Sie mir zugeben, daß der, der „DDR" sagt, damit „Anerkennung" meint?
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Das gebe ich nicht zu. Das hat nämlich mit der Anerkennung der DDR als Völkerrechtssubjekt überhaupt nichts zu tun. Das sollten Sie zur Kenntnis nehmen. Sie sollten auch nicht unterstellen, daß jemand hier eine solche Absicht hat.
Eine Zwischenfrage von Herrn Zoglmann.
Herr Kollege Genscher, würden Sie mir zustimmen, wenn ich den Brief des Herrn Bundeskanzlers an den Vorsitzenden des Ministerrats in Ostberlin, in dem er schreibt, daß sein Staatssekretär, also der Staatssekretär des Bundeskanzlers, sich für ein Gespräch mit dem Staatssekretär des Herrn Stoph bereithält, so auslege, daß der Herr Bundeskanzler unterstellt, daß der Herr Stoph an der Spitze eines Staates und nicht einer Speditionsfirma steht?
Herr Kollege Zoglmann, diese Belehrung nehme ich gern auf, um sie an das Haus weiterzugeben. Denn um was es uns im Augenblick geht, ist ja nicht, Formalpolitik zu machen, sondern zum Kern der Politik vorzudringen.
Meine Damen und Herren, blockieren Sie sich doch nicht mit diesen Fragen! Sie wissen so gut wie wir und Sie wissen so gut wie das mündige deutsche Volk, das uns zuhört, daß die Bedeutung der Begriffe wie z. B. „demokratisch" im Sprachgebrauch der Kommunisten eine andere ist als bei uns. Das sind Fragen, über die brauchen wir hoffentlich hier nicht mehr zu diskutieren. Jedenfalls kann ich für unsere Anhänger diesen Grad der Reife voll aussprechen. Ich bin der Meinung, Sie unterschätzen auch Ihre Wähler und die Wähler anderer Parteien, wenn Sie meinen, daß sie diese Unterscheidung im Begriff der Demokratie nicht zu machen vermöchten. Deshalb können wir diese Begriffe verwenden, ohne die Illussion, mit Anführungsstrichen könnten wir bestimmte Realitäten in Mitteleuropa verändern.
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Gestatten Sie noch eine Zwischenfrage des Herrn Kollegen Rasner?
Ich will nicht insistieren, Herr Kollege Genscher, aber halten Sie „Sowjetische Besatzungszone" auch für eine richtige Bezeichnung, oder würden Sie darin eine Diffamierung sehen?
Herr Kollege Rasner, der Begriff „Sowjetische Besatzungszone" ist in einem gewissen Stadium der Entwicklung in Deutschland geprägt worden. Aber Sie wissen, gäbe es das, was mit dem Begriff „Sowjetische Besatzungszone" ausgedrückt wird, heute noch, dann hätten wir als Adressaten unserer Deutschlandpolitik nur die Sowjetunion. Aber Sie wissen so gut wie wir und wie diese Bundesregierung, die das wiederholt erklärt hat, daß Deutschlandpolitik sich heute nicht nur an die Sowjetunion und an die Länder Osteuropas richten muß, sondern auch an die Machthaber in der DDR. Das hat sich eben verändert. Da würden Sie sich mit dem Begriff „Sowjetische Besatzungszone" auch zu den Erkenntnissen der von Ihnen mit getragenen Regierung in Widerspruch setzen.
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Gestatten Sie noch eine Frage von Herrn Rasner?
Herr Kollege Genscher, da ich den Eindruck habe, daß Sie sich eben zwar haarscharf, aber elegant an meiner Frage vorbeimogelten: Halten Sie den Begriff „Sowjetische Besatzungszone" für einen diffamierenden Begriff oder für eine auch heute noch durchaus berechtigte Tatsachenfeststellung?
Einen Augenblick bitte! Herr Kollege Rasner, Sie haben gesagt „vorbeimogelte". Das haben Sie wohl nicht so gemeint?
Nein, jedenfalls nicht böse.
Herr Kollege Rasner, wenn Sie es bös gemeint hätten, hätte ich Ihnen ganz gewiß geantwortet. Sie sollten einmal prüfen, wer sich in der Deutschlandpolitik an etwas vorbeimogelt oder versucht, sich ohne Erfolg vorbeizumogeln.
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Ich darf noch einmal auf Jugoslawien zurückkommen. Ich glaube, wir dürfen die Bedeutung unseres Verhaltens gegenüber Jugoslawien auch in der sehr formalen Frage der Aufnahme diplomatischer Beziehungen nicht unterschätzen, wenn wir es mit der Europäisierung der deutschen Frage ehrlich meinen. Denn wenn wir die deutsche Frage europäisieren wollen, dann wird bis zu ihrer Lösung in diesem
europäischen Entwicklungsprozeß auch die DDR ihre Position haben. Sie können deshalb - lassen Sie mich nun den Satz beenden, bei dem Sie mich unterbrochen haben - nicht länger die Länder in Europa diskriminieren, die dorthin Beziehungen haben. Das sage ich jetzt für Sie zur Erleichterung, um Ihnen deutlich zu machen, daß in einer gesamteuropäischen Lösung in. der Tat das Verhältnis der europäischen Staaten untereinander noch eine besondere Qualifikation auch in bezug auf das deutsche Problem hat.
Nun, meine Damen und Herren, ich habe festgestellt - und ich glaube, wir sind hier in voller Übereinstimmung -, daß sich eine erfolgreiche Deutschlandpolitik an die Sowjetunion richten muß, an die Länder Osteuropas und auch an die Machthaber in der DDR. Deshalb ist es so wichtig, daß es in dieser Frage unseres Verhältnisses zum anderen Teil Deutschlands keine Sprachverwirrung gibt, sondern daß wir uns im Materiellen einig sind.
Der Kollege Mischnick hat, wie ich meine, einen beachtenswerten Vorschlag gemacht, den ich hier vor dem Hohen Hause noch einmal vortragen will. Er hat nämlich gesagt, es wäre gut, wenn mit der Aufnahme von Verhandlungen zwischen den Beauftragten der Regierungen in Bonn und Ost-Berlin diese Regierungen zur gleichen Zeit Erklärungen abgäben, daß sie mit allem, was sie jetzt tun, Schritte in Richtung auf eine Lösung der deutschen Frage tun wollen. Ich glaube, daß eine solche Erklärung, für die auch die Bundesregierung Sympathie zeigen sollte, jede Mißdeutung unserer Politik gegenüber der DDR, d. h. also eine Mißdeutung in dem Sinne, daß wir die Spaltung verewigen wollten, obwohl wir sie überwinden wollen, ausschließen würde.
Wir müssen in diesem Gespräch immer wieder auf den Begriff der Einheit der Nation zurückkommen. Hier liegt nach unserer Überzeugung auch die Problematik der Formulierung des Kollegen Stücklen. Herr Kollege Strauß hat die Dinge in dieser Frage etwas differenzierter dargestellt; er hat die staatliche Einheit von der Einheit der Nation unterschieden. Ich glaube, er war dabei unmißverständlicher als Herr Kollege Stücklen.
Wir stimmen sicher auch - ich würde das jedenfalls gern von der Regierung hören - in der Forderung überein, daß wir die DDR in eine Entspannungspolitik in Europa einbeziehen müssen und nicht sozusagen um die DDR herum entspannen können, wenn dort nicht ein Entspannungsvakuum entstehen soll. Weil das so ist, meine Damen und Herren, besteht die Bereitschaft zu Gesprächen und Vereinbarungen über alle Fragen, die das Zusammenleben der Deutschen im Zustande der Teilung erträglicher machen können, aber auch über Fragen, die über diesen humanitären Bereich hinausgehen. Hier sollte sich die Bundesregierung in dieser Debatte nicht die Möglichkeit entgehen lassen, klarzustellen, daß auch der letzte Brief des Bundeskanzlers 'nicht andere Themen ausschließen wollte, weil wir sonst mit einer eigenen, dann auf die Dauer doch nicht haltbaren Forderung zu einer neuen Selbstblockade kommen würden.
Der Bundeskanzler hat in der Regierungserklärung bei Antritt seines Amtes gesagt:
Wir möchten diese Aufgaben
- nämlich die Aufgabe einer deutschen Brückenfunktion in Europa auch in unserer Zeit gerne erfüllen.
Ich glaube, das ist eine Forderung, zu der man sich uneingeschränkt bekennen kann, wenn die Bundesregierung aus dieser anspruchsvollen Forderung Konsequenzen zieht. Welche sind das? Sie muß Vorstellungen entwickeln, wie dieses Europa aussieht, das sie anstrebt, und sie muß auch für die Regelung der Sicherheitsfragen in diesem Europa Vorstellungen entwickeln.
Es hat eine lange Diskussion darüber gegeben -und sie scheint mir bis heute nicht beendet zu sein -, ob es im deutschen Interesse liegt, wenn man ein gesamteuropäisches Sicherheitssystem schafft, wenn es zu einer gesamteuropäischen Sicherheitskonferenz kommt. Wir sagen ja dazu. Wir glauben sogar, daß eine solche gesamteuropäische Sicherheitskonferenz nach Lage der Dinge auf lange Zeit die einzige internationale Tribüne sein wird, auf der man auch über andere Fragen des deutschen Problems sprechen kann. Denn Sie wissen, daß alle übrigen internationalen Foren für die deutsche Frage im Grunde versperrt sind, daß wir in dieser Phase der europäischen Politik auf das zurückgedrängt sind, was wir selbst tun, selbst tun können. Hier liegt die große Verantwortung dieser Bundesregierung.
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- Herr Kollege, ich wundere mich eigentlich, daß Sie diese Frage stellen.
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- Natürlich, Sie bekommen ja auch sofort eine Antwort. Wir haben zu keiner Zeit 'bestritten, daß wir eine andere Auffassung über ein solches gesamteuropäisches Sicherheitssystem haben als z. B. der französische Staatspräsident. Wir sind der Meinung, daß ein gesamteuropäisches Sicherheitssystem nur dann eine dauerhafte Friedensordnung in Europa garantieren kann, wenn die USA einbezogen sind. Sie wissen, daß im letzten Jahr in Bukarest eine Konferenz der osteuropäischen kommunistischen Staaten stattgefunden hat, wo man nicht mehr von vornherein die Teilnahme der Amerikaner abgelehnt hat. Deshalb sollten wir sie hier nicht in Frage stellen - was ja natürlich auch gar nicht Ihre Absicht war, sondern Sie wollten diese Antwort aus mir herauslocken, vielleicht in der Erwartung, ich könnte damit Widerspruch in anderen Teilen des Hauses erregen. Aber dieser Widerspruch ist unterblieben, Herr Kollege. Sie sehen, wir stimmen auch in dieser Frage wohl überein.
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- Die ist aber an sich bekannt; ich habe das schon zweimal vorgetragen.
Die Bundesregierung hat in ihrer heutigen Erklärung bemerkenswert wenig zu der Problematik des Atomsperrvertrags gesagt. Wir sehen das nicht nur als Nachteil an, ja, fast erkennen wir darin einen Fortschritt in der Art, wie die Bundesregierung Außenpolitik macht. Denn wir wissen, daß im Frühjahr dieses Jahres die Art, wie man sich damals von seiten der Regierungsmitglieder zu dieser Frage geäußert hat, unserer Position nicht gerade hilfreich war. Aber wenn man über Europapolitik spricht, sollte man darlegen, welche Vorstellungen die Bundesregierung für den Fall hat, daß durch die Art, wie das Kontrollsystem gestaltet wird, Frankreich aus Euratom ausscheidet, weil es nicht bereit ist, sich der Wiener Kontrolle zu unterwerfen. Das ist ein europäisches Problem.
Dann ist hier die Frage angeklungen, was die Bundesregierung getan hat, um für die Zeit nach Abschluß des Vertrages zu wissen, welchen Weg die Atommächte dann gehen wollen. Schon in der Debatte, ich glaube im April dieses Jahres, ist von unserer Seite die Frage gestellt worden, ob die Bundesregierung bereit sei, über die Frage des Atomsperrvertrages nicht nur in Konsultationen mit den USA, sondern auch mit der Sowjetunion einzutreten. Der Herr Außenminister hat damals eine solche Konsultation der Sowjetunion in Aussicht gestellt. Ich möchte deshalb fragen, ob die Regierung in ihrem Bemühen, Gespräche auch mit der Sowjetunion zu führen, auch dieses Problem erörtert hat; denn es ist für uns natürlich von ungewöhnlicher Bedeutung, zu erfahren, welche Auffassung die Sowjetunion in den hier anstehenden, uns als Deutsche zutiefst bewegenden. Problemen hat.
Meine Damen und Herren, beide Vorredner meiner Fraktion haben sich hier zu den Zielen der Bundesregierung im Bereich der Entspannung, zu den Zielen der Bundesregierung im Bereich der Deutschlandpolitik bekannt. Wir tun das gerade als parlamentarische Opposition, weil wir der Meinung sind, daß, ungeachtet der von uns hier aufgezeigten Gegensätze, in der Art, wie diese Politik durchzuführen ist, die frei gewählte deutsche Regierung Anspruch hat, auch im Osten deutlicher und vernehmlicher gehört zu werden, als das bisher der Fall war. Ich glaube, daß die Gesinnung, aus der diese Regierung, zu der wir in Opposition stehen, ihre Entspannungspolitik betreibt, Anspruch auf mehr Beachtung nicht nur 'in Moskau, sondern auch in Osteuropa und in Ostberlin hat.
Aber eine solche Anerkennung durch die parlamentarische Opposition, meine Damen und Herren, bedingt auch, daß das innenpolitische Klima bei dier Diskussion gerade solcher Fragen, die leicht benutzt werden können, um Mißdeutungen zu erregen, anständig und sauber bleibt. Weil wir das wünschen- nicht nur für unis, sondern für alle, die guten Glaubens und ehrlich sich Gedanken um das deutsche Schicksal machen -, hoffen wir, daß jetzt der Herr Bundesminister des Auswärtigen noch einmal klären wird, daß niemand diffamiert werden sollte und niemand .diffamiert werden wird, gleichviel wie er ehrlicher Meinung den Weg nach Deutschland sucht und weist.
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Das Wort hat der Herr Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es hatte ja innerhalb und außerhalb des Hauses geheißen, heute werde es hier sehr scharf und sehr hart zugehen und es werde, ausgepackt. Hoffentlich sagt man nicht nach dieser Debatte: es liege auch an der Großen Koalition, daß hier nicht mehr diskutiert worden ist.
In Wirklichkeit ist die Situation ja nicht danach, daß man sich gegenseitig vorrechnen kann, wann, aus welchem Grund und durch welche Versehen oder Versäumnisse angeblich irgendwo ein Vorhang zusätzlich heruntergerasselt sei, sondern wir haben es mit einer sehr schwierigen Landschaft zu tun, und wir werden dabei mit der Begriffsbestimmung allein nicht an die Punkte kommen, von denen aus wir diese Landschaft einigermaßen wohnlich werden machen können. Die Parteien werden sich für die ganze lange Strecke der Auseinandersetzung, die vor uns liegt, auf ihre demokratischen Berührungspunkte zu besinnen haben. Ich sage: demokratische Berührungspunkte, weil die Auseinandersetzung, die dabei zu führen ist, gegen Lösungen in den deutschen Fragen (durchzusetzen sein wird, die eben keine demokratischen Lösungen für unser Volk möglich machen oder zulassen wollen.
Lassen Sie mich zunächst noch einige Bemerkungen zu diesen beinahe magischen Begriffen aus der früheren Zeit machen, in der Sie, meine Herren von der jetzigen Opposition, noch kräftig mitgespielt haben. All diese Begriffe wie Alleinvertretungsanspruch, Nichtanerkennung usw. - das schnarrte ja nur alles so herunter wie bei einer tibetanischen Gebetsmühle. Dabei hat natürlich alles seinen richtigen Kern. Nur diese Art, sich nun einmal so und einmal 'so aufzuspielen, hat keinen Sinn. Die einfache Tatsache ist: solange die Bundesregierung auf deutschem Boden die einzige Regierung ist, die frei, rechtmäßig und demokratisch gewählt ist, kann sie sich der Pflicht nicht entziehen, auch für die Deutschen zu sprechen, die ihren eigenen Willen nicht frei geltend machen können. Ich bin überzeugt, daß sich alle in diesem Hause darüber einig sind und daß es gar keinen Streit darüber geben wird.
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Es ist gesagt worden - schon in der Regierungserklärung und dann auch danach -, wir hätten erklärt, daß wir die Menschen im anderen Teile Deutschlands nicht bevormunden wollten. Dabei bleiben wir. Soviel an uns liegt, wollen wir verhindern, daß die beiden Teile unseres Volkes sich während der Trennung auseinanderleben. Wir wollen entkrampfen und nicht verhärten, wir wollen Gräben überwinden und nicht vertiefen. Schon damals bei der Auseinandersetzung über die Regierungserklärung ist moniert worden, daß nicht alles völlig perfekt sei. Das sei zugegeben. Nur ist es diese Erklärung, die deutlich macht, daß auf unserer Seite jedenfalls, auf der Seite der Bundesrepublik Deutschland, keine Absicht zu einer Verschärfung der Verhältnisse innerhalb Deutschlands besteht,
sondern das Gegenteil. Wenn solche Signale nicht gehört werden und wenn nun bei uns der Streit darüber ausbricht, vielleicht liege das daran, daß irgendwo Halbheiten oder nur Halbheiten zustande gebracht würden, so muß ich sagen: auf diese Signale hat es zwar bisher von der anderen Himmelsrichtung - außer verbalen Antworten - kaum Antworten gegeben, aber das ist kein Grund, mit unseren Bemühungen aufzuhören; denn das sind Bemühungen um unsere eigene Sache, um unser eigenes Volk, um unser eigenes Land und nicht irgend jemandem zuliebe; ergo sind wir dazu verdammt, das zu machen, und wir sollten uns dabei auch - hier sage ich es noch einmal - auf unsere demokratischen Berührungspunkte besinnen.
Ich habe noch im Ohr, wie Herr Kollege Scheel heute morgen davon gesprochen hat, daß als Folge irgendwelcher Erklärungen, die von dieser Stelle hier abgegeben worden seien, das „eiserne Dreieck" gebildet worden und dann der Zusammenbruch von Hoffnungen erfolgt sei. Das, Herr Kollege, sollten Sie noch einmal in aller Ruhe überlegen; denn so einfach werden ja auch Sie, der Sie etwas von den Zusammenhängen wissen, sich das nicht machen wollen. Das ist oberflächlich; denn es geht daran vorbei, daß wir es mit einem Europakonzept der Sowjetunion und der Kommunistischen Parteien - nicht aller, aber der meisten - in Europa zu tun haben. Das war schon im vorigen Jahr vorgezeichnet. Damals habe ich mich noch und haben sich meine Freunde aus der Opposition heraus bemüht, dafür zu sorgen, daß man jene Signale von der anderen Seite nicht übersieht. Das war im März des Jahres 1966. Der Grundriß ist damals ganz deutlich gewesen in den Thesen vom 23. russischen Parteitag mit jener Bemerkung über das „Kardinalproblem deutsche Friedensregelung". Was hat man dann eigentlich gemacht, als Sie noch nicht die Bänke der Opposition besetzten, sondern wir noch dort saßen? Bitte sehr, das ist eine Situation, die man nicht dadurch erklären kann, daß man sagt: da ist ein Groschen zuwegen hineingesteckt worden; deshalb bekommt man keinen Kontakt oder deshalb wird das Gespräch unterbrochen. So ist das nicht. Das ist sehr viel schwieriger. Dieses Karlsbader Konzept baut doch alles um die ziemlich zentrale Figur auf, die die Sowjetunion aus dem zu machen gedenkt, was sie „DDR" genannt hören will. Das ist die Situation, um die Sie nicht herumkommen. Wir müssen versuchen, wie wir dieses Paket so weit in die Diskussion bringen, daß man endlich abläßt von der Art, in der wir heute behandelt werden, nämlich: „Friß, Bundesrepublik, dieses Paket oder stirb!" Das ist die heutige Situation.
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Nun kann man sicher eine ganze Menge sagen, was man hier eleganter und besser machen könnte. Sicher! Wir haben ja heute hier eine ganze Liste z. B. gehört, was man eigentlich Herrn de Gaulle schreiben müßte und bei einer nächsten Gelegenheit schreiben sollte. Das ist meinetwegen diskutabel. Nur: das Konzept, von dem ich gesprochen habe und in dem der kommunistisch regierte Teil Deutschlands eine ziemlich zentrale Rolle spielt, ist ja die Untermauerung dessen, was seit jenem Moskauer Abkommen vom Juni 1964 zwischen der Moskauer und der Ostberliner Regierung deren Absicht in bezug auf Deutschland ist. Mit der Dauer von zwanzig Jahren. In der Karlsbader Erklärung heißt es ja, daß „die Anerkennung der DDR und die Verteidigung ihrer souveränen Rechte zu einer der Hauptaufgaben des Kampfes um die europäische Sicherheit geworden" sei. Das ist die Doktrin der Gegenseite: „Die Existenz und die Entwicklung eines sozialistischen deutschen Staates, der auf dem Boden des Friedens steht, besitzt nicht nur grundlegende Bedeutung für das deutsche Volk, sondern auch für den Frieden in ganz Europa."
Da haben Sie die Sache, über die man streitet und die uns in Spiegeln und anderem vorgehalten wird. Das ist in Wirklichkeit ein ziemlich zentrales Problem einer Politik, mit der wir uns auseinanderzusetzen haben. Der gegenüber gibt es keine Lösungen, wie sie übrigens uns gegenüber auch keine Lösungen hat, die mit Gewalt durchgesetzt werden können. Das ist das einzige Tröstliche daran: daß keine Seite der anderen ihre Vorstellungen mit Gewalt aufdrängen kann, selbst jene nicht, die es vielleicht wollen könnte. Das geht also nicht.
Wenn man diese zentrale Bedeutung, die nach dieser politischen Strategie der von ihnen losgerissene, besetzt gehaltene und mit einer Puppenregierung ausgestattete Teil Deutschlands haben soll, in Betracht zieht, nun, meine Damen und Herren, so weiß man ja, was das heißt. Das heißt, daß überall, wohin wir kommen, die Leute, die im kommunistischen Bereich die Politik mit geformt haben oder mit halten, versuchen werden, soviel sie können, uns dazu zu bringen, ihrer Konzeption und damit auch der Unterwerfung unter dieses Dogma „DDR" die Reverenz zu erweisen. Das ist die Situation.
Die Bundesrepublik kommt in diesem Plan entsprechend negativ weg.
Es bleibt uns also übrig, Politik zu machen. Und um Politik zu machen, braucht man Kraft und Bewegungsmöglichkeit und nicht nur Thesen und Antithesen und Begriffe, die man so oder so stärker oder schwächer betont.
Ich nehme an, der Bundesminister des Auswärtigen wird Ihnen, Herr Kollege Genscher, der Sie ja am Ende gesagt haben, Sie wollten noch eine Versicherung haben, diese Versicherung geben, damit Sie auch ruhig in den Rest des Wochenendes hineingehen können. Denn hier wird überhaupt niemand verketzert.
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Wenn Sie jemand suchen, der Erfahrungen hat, wie es Leuten geht, die verketzert werden, so brauchten Sie sich, meine ich, nur einmal bei denen umzusehen, die Sie heute in dieser Sache vor Fragen stellen wollen.
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- Ich habe damals nicht erlebt, daß Sie sich besonders stark an die Seite derer, die verketzert worden sind, gestellt hätten.
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Das aber, meine Herren, ganz ohne Wehmut. Denn: Selbst ist der Mann! Auch in solchen Sachen!
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Aber zum zweiten! Ich habe vorhin gesagt: Solange die Bundesregierung auf deutschem Boden die einzige Regierung ist, die frei, rechtmäßig und demokratisch gewählt ist, so lange kann sie sich jener Pflicht nicht entziehen, von der nun die Rede gewesen ist. Ich sage zweitens: Solange keine friedensvertragliche Regelung für und mit Deutschland getroffen ist, erscheint es uns unvermeidlich, zu innerdeutschen Regelungen zu gelangen und sich um solche zu bemühen, die die menschlichen, die wirtschaftlichen und die geistigen Beziehungen der Deutschen untereinander fördern. Das heißt: Auch unser Rechtsstandpunkt ist für uns kein Hindernis gegen behördliche Regelungen. Es wäre gut, wenn das unsererseits mit Nachdruck vertreten würde und wenn es nicht nur mit Nachdruck, sondern auch mit Wärme, mit Überzeugung - auch dort, wo wir an anderer Stelle, an dritten, vierten, fünften Orten im Zusammenhang mit europäischen Begegnungen mit anderen reden - deutlich gemacht würde. Mögen nun mal die anderen prüfen, ob sie sowohl im eigenen Interesse als auch im Interesse des Friedens sich entsprechend verhalten wollen, wie wir
uns jedenfalls verhalten, die wir erklären: unsere Rechtsstandpunkte sind für uns kein Hindernis gegen behördliche Regelungen. Wir haben keine bestimmte Verhandlungs-Ebene dafür gefordert.
Sie haben im Laufe dieser Debatte einige Male auf den Brief des Bundeskanzlers vom 28. September an Herrn Stoph abgehoben. Da ist doch von einem Programm die Rede gewesen, das, wie der Bundeskanzler geschrieben hat, gemeinsam entworfen und verwirklicht 'werden könnte, um wenigstens die Not der Spaltung zu mildern und die Beziehungen der Deutschen zueinander in ihrem geteilten Vaterlande zu erleichtern. Ist das nichts? Kann 'man da sagen, das sei zuwenig und es sei nicht ernsthaft? Der Bundeskanzler hat, weil es so ist, erklärt, daß unsere Regierung bereit sei, im Interesse aller 'Deutschen, aber auch im Dienste der Entspannung und des Friedens in Verhandlungen über ein derartiges Programm einzutreten. Zu diesem Zweck, hat er geschrieben, steht der Staatssekretär des Bundeskanzleramtes jederzeit in Bonn und Berlin zur Verfügung. Das ist meine dritte Feststellung. Das heißt also: Ohne Vorbedingung steht im Raum das Angebot, über ein solches Programm, ein gemeinsames Programm, zu reden, es zu entwerfen und zu verwirklichen.
Die Bundesregierung hatte in der Erklärung, die der Bundeskanzler am 12. April von dieser Stelle ausgegeben hat, erklärt, es sei die Aufgabe aller in Deutschland lebenden und politisch handelnden Menschen, zu prüfen: Was kann ungeachtet der zwischen beiden Teilen Deutschlands bestehenden
prinzipiellen Gegensätze praktisch getan werden, um die Not der Spaltung unseres Volkes zu erleichtern und dadurch die Voraussetzungen für eine Entspannung innerhalb Deutschlands zu schaffen? In Wirklichkeit geht es ja darum, ob Deutschland seinen Frieden mit sich und in der Welt finden wird.
Auf diese Erklärungen hat sich der Bundeskanzler in seinen Briefen ausdrücklich wieder bezogen. Das muß ich hier sagen, damit die Akzente nicht verschoben werden. Er hat in seinen Briefen nicht gesagt: Es darf nur über A, B und C gesprochen werden, sondern dieser Brief bedeutet auch - so die Erklärung vom 12. April und so auch der erste Brief -, daß wir bereit sind, auch über andere Vorschläge zu sprechen. Das ist klar überall zu lesen.
Warum also tun wir hier angesichts eines Gegners, der gar nicht daran denkt, in dieser Frage zu tun, was er vorgibt tun zu wollen, so, als läge es daran, ob wir einen Akzent mehr setzten oder weniger gesetzt hätten? Sie werden sich noch wundern, was die alles verlangen werden!
Jedenfalls ist mit dieser Erklärung bekräftigt worden: Die Bundesregierung will Entspannung. Sie hat auch gesagt, was sie als Ziel damit erreichen will: eine europäische Friedensordnung, die von allen Beteiligten als gerecht und als dauerhaft empfunden werden kann. Und dazu immer: sie will Entspannung auch zwischen beiden Teilen Deutschlands. Das heißt - hier muß ich diese Feststellung wieder treffen -: unterschiedliche, ja gegensätzliche Rechtsstandpunkte müssen und brauchen - das ist unsere Auffassung - kein Hindernis für die Entspannung - auch die innerhalb Deutschlands - zu sein, wenn nämlich - aber dieses „Wenn" ist dann unverzichtbar - alle Beteiligten sich bemühen, die Lösung der deutschen Frage in Frieden und Gerechtigkeit anzubahnen; denn es geht - da sind wir uns alle einig - um nichts anderes als um das Anbahnen. Von einer Lösung in absehbarer Zeit kann sowieso keine Rede sein. Es geht darum, anzubahnen. Das wird ein langer Weg sein, vielleicht auch ein Weg, auf dem manches schon erleichtert werden kann. Wir jedenfalls möchten deutlich sagen: wir bemühen uns in dieser Richtung, und wir schließen dabei keine Möglichkeit aus.
Aber ich muß es sagen und ich kann es mir nicht versagen: wer wie die SED-Führung und offenbar bisher auch die Regierung in Ostberlin den eigenen Rechtsstandpunkt, der ein politisch bestimmter ist, der anderen Seite aufnötigen möchte, der konserviert, ja der vermehrt die Spannungen, statt sie zu vermindern. Das muß man sagen, muß man auch sagen dürfen, und das darf nicht dadurch abgewertet werden, daß man nachrechnet, ob wir genügend Kommas oder Gedankenstriche in unsere eigenen Vorstellungen eingefügt hätten.
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Der Bundeskanzler hat wiederholt erklärt - und ich glaube, das verdient auch breiteste Unterstützung -, es sei notwendig, Gelände zu suchen, das von beiden Seiten im gespalteten Deutschland gemeinsam betreten werden kann, und die zur Zeit nicht lösbaren oder zu lösenden Streitfragen vorerst
auszuklammern. Gut! Es ist bekannt, daß sich ein solches Verfahren im Verkehr zwischen Staaten, die etwas regeln wollten, was strittig gewesen ist, oder die entspannen wollten, was sehr gespannt war, bewährt hat und daß es die Probe bestanden hat. Es kann - und ich nehme sogar an: es wird auch - im innerdeutschen Verkehr zwischen Behörden nutzbar zu machen sein.
Im gespaltenen Deutschland können - ich glaube, da sind wir ziemlich einer Meinung - Streitfragen wie die, mit denen wir es zu tun haben, weder durch Bürgerkrieg - wie in anderen Kontinenten - noch durch Befreiungskrieg - wie in anderen Kontinenten -, noch durch Annexion gelöst werden, ob das welche wünschten oder nicht. Wer das hier versuchte, der würde nicht nur seine Finger, sondern der würde diesen Kontinent verbrennen. Das wissen wir, das wissen alle Beteiligten. Darum soll man auch aufhören, so zu tun, als sei das irgendeine Möglichkeit. Das heißt, es wäre angebracht, wenn die andere Seite in Deutschland aufhörte, in Begriffen dieser Art wie Befreiungskrieg, Eroberungskrieg, Bürgerkrieg, Annexion zu reden und auch zu denken und zu drohen und natürlich diese uns als Absicht zu unterstellen. Das würde sehr viel helfen. Sie könnten sonst von uns halten, was sie wollten, und das könnte ziemlich schlecht sein; aber wenn diese völlig unsinnige und von keiner Seite ernst genommene, sondern nur zur Schau und zum Klappern und zum Dangemachen veranstaltete Begleitmusik aufhörte, könnte man sehr vier härter sachlich miteinander streiten. Aber es muß wohl andere Gründe haben, daß es so ist.
Auf unserer Seite jedenfalls - ich möchte an diese Adresse auch noch etwas sagen - sollte man verstehen, daß auch Resignation unangebracht ist. Man liest und hört ja so: „Was haben die denn bisher eingehandelt? - Ohrfeigen haben sie mit ihrer Politik 'eingehandelt." Warum sollen wir eigentlich resignieren? Etwa deshalb, weil uns vom Osten her monoton entgegentönt, wir kämen nicht umhin, die Endgültigkeit der Aufteilung Deutschlands anzuerkennen und uns damit abzufinden? Sollten wir deshalb resignieren? Oder deshalb, weil im Westen manche meinen, die Deutschen sollten sich damit abfinden? Sollten wir deshalb resignieren? Oder etwa deshalb, weil uns hier teils hämisch, teils sehr von oben herab - sehr von oben herab! - gesagt wird, man sehe ja, wohin es führe, wenn man Illusionen über .die Verhandlungs- und Kompromißbereitschaft der Sowjetunion in den deutschen Fragen hege? - Die Sowjetunion übrigens - ich meine ihre Regierung - darf nicht gerade stolz sein auf die Anerkennung, die sie zur Zeit für ihre Art, mit uns und anderen umzugehen, bekommt. Aber das ist eine Geschmacksfrage.
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Wir haben denen nichts vorzurechnen; die sind die Großmacht. Wir sind Leute, die aus Schwierigkeiten einigermaßen heraus möchten.
Die Rezepte, die uns empfohlen werden, sind unbrauchbar. Denn, erstens: deutsche Politik kann weder darin bestehen, sich in der Wiederholung von Rechtsansprüchen zu erschöpfen, noch zweitens darin, als Voraussetzung für Gespräche und für Verhandlungen über friedliche Regelungen die von der kommunistischen Seite gestellten Forderungen zu erfüllen, und zwar als Voraussetzung dazu. Das ist die Situation, in die man uns bringen möchte und in die wir auch im Innern gebracht werden sollen. Es wird dort drüben gesagt, es seien schon soundso viel Prozent dafür, wobei das Differenzierungsvermögen bei denen, die drüben Dinge, die bei uns vorgehen, kontrollieren, nicht immer sehr genau ist, wobei vielleicht auch die Berichte und die Einschätzungen sowie das, was sie von den Diskussionen hier - nicht hier im Hause, aber sonst - mitkriegen, nicht immer sehr aufschlußreich sind.
Wir sind - das muß man sehen - in der Deutschlandpolitik noch lange nicht über den Berg, noch nicht über den Berg bei all dem, was dieser Politik nutzbar gemacht werden muß. Herr Kollege Barzel hat heute morgen an einen sehr wichtigen Ausspruch (des früheren Bundeskanzlers Adenauer - ich glaube, aus dem Jahre 1959 - erinnert, und er meinte dazu, so lange sei unsere Hand schon ausgestreckt und schon so alt sei aktive Ostpolitik. In der Politik - da sind wir uns wohl, wenn auch nicht über das Konkrete, so doch über das Allgemeine, einig - gibt es sowohl Kontinuitäten als auch den Zwang zu neuen Entscheidungen. Man muß in der Politik die Kontinuitäten bewahren, gleichgültig, was man gemacht hat - und in der Regel doch wohl mit gutem Gewissen gemacht hat -, als das erst geformt wurde, was nun Kontinuitäten sind. Das muß man 'bewahren. Solange man über diesen Schatten nicht hinwegkommt - das gilt für jeden; da 'dreht sich das Karussell immer -, so lange wird man auch das richtige Maß zwischen dem Wahren von Kontinuitäten und dem Zwang, neuen Entscheidungen gerecht zu werden, nicht finden können. Das ist eine der schwierigsten Sachen.
Jedenfalls ist es an der Zeit - auch wenn es sich natürlich unverschämt ausnimmt, so spät am Freitagnachmittag, an dem das Wochenende eigentlich schon begonnen hat, so wie unsere Zukunft ja schon begonnen hat -, das hier noch einmal deutlich zu machen. Der Bundeskanzler hat in jener heute in anerkennender Weise verschiedentlich apostrophierten Rede vom 17. Juni gesagt, wenn sich die politischen Positionen so hart, wie er es geschildert habe und wie wir es hier sehen, gegenüberstünden, so müßten wir uns ehrlich fragen, ob Bemühungen um eine friedliche Lösung überhaupt einen Sinn hätten, ob wir nicht, statt trügerische Hoffnungen - das ist ja das Wort, das uns immer entgegenschallt - zu wecken, warten müßten, bis der Geschichte etwas Rettendes einfalle, und uns bis dahin darauf beschränken müßten, das zu bewahren, was uns geblieben sei: unsere eigene Freiheit und die Verweigerung der Anerkennung eines zweiten deutschen Staates durch die freie Welt. Dazu hat der Bundeskanzler gesagt, eine solche rein defensive Politik würde - das sei seine feste Überzeugung und auch die Überzeugung der Regierung der Großen Koalition - von Jahr zu: Jahr in größere Bedrängnis führen, sie würde uns nicht nur keinen Schritt vorwärtsbringen, sie könnte uns auch das gar nicht bewahren, was sie bewahren will; denn so gesehen arbeite
die Zeit nicht für uns. Darum - so schloß er damals - habe sich diese Regierung zu einer neuen, beweglicheren Politik gegenüber dem Osten entschlossen, sowohl gegenüber unseren östlichen Nachbarn als auch im innerdeutschen Verhältnis gegenüber den Verantwortlichen im anderen Teil Deutschlands.
Beides sind Aspekte einer politischen Konzeption, welche auf der Prämisse beruht, daß Europa nicht darauf verzichten kann, eine seine politische Spaltung überwindende zukünftige Friedensordnung zu entwerfen, in welcher auch die deutsche Frage ihre gerechte Lösung finden kann. Nun, wenn es so ist, wenn das das ist, wozu man sich nach gewissenhafter Prüfung entschieden hat, dann wird man sich auch dementsprechend verhalten und bewegen müssen.
Herr Kollege Barzel hat hier heute morgen aus den Verlautbarungen der SED - und nicht nur aus Verlautbarungen, sondern auch aus dem, was dort Meinungen bilden und formen soll - zitiert, daß die SED sagt, die Vereinigung der Deutschen sei nur im Sozialismus möglich. Nun, da stellt sich der Umkehrschluß ein. Andere sagen dann eben: Wenn Sozialismus so ist, wie die das machen, dann Vereinigung nur ohne Sozialismus! Hier stelle ich mich ein und sage: Auch die der SED entgegengesetzte Position des Alles oder Nichts führt keinen Schritt weiter. Das ist der Sachverhalt, und hier beziehe ich mich noch einmal auf jene, inzwischen glücklicherweise etwas mehr als damals anerkannte Interpretation dieser unserer Politik.
Hüben wie drüben wird man sich aus eingefahrenen Denk- und Willensbahnen lösen müssen, wenn wir alle die künftige Geschichte nicht als wehrlose Opfer, sondern allen Zwängen der Entwicklung zum Trotz als ihre Gestalter erfahren wollen. Das aber, meine Damen und Herren, geht weder im nationalen Solo-Akt noch in der Erwartung, spektakuläre Ereignisse in anderen Erdteilen, irgendwo im Fernen Osten oder im Nahen Osten würden uns zugute kommen. Falls jemand solche Vorstellungen hegt, wird er noch viele Enttäuschungen zu erleben haben. Nein, hüben wie drüben wird man sich aus eingefahrenen Denk- und Willensbahnen lösen müssen.
Aus diesem Grunde spreche ich als der Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen hier auch noch einige Sätze zu den Entschließungen, aus denen jene Anträge hervorgegangen sind, die in der heutigen Debatte eine Rolle spielen sollten und auch gespielt haben, jenen Entschließungen, die die Unterschriften der Vorsitzenden aller demokratischen Parteien der drei Richtungen und der Parlaments-gruppenvorsitzenden in den sechs Ländern der Europäischen Gemeinschaft tragen. Ich greife diese Entschließungen deswegen in diesem Zusammenhang auch von mir aus auf, weil sie etwas in die Richtung drängen, von der ich eben sprach, als ich sagte: Es wird notwendig sein, sich hüben wie drüben aus eingefahrenen Denk- und Willensbahnen zu lösen.
Sie haben heute hier diese Entschließungen selber noch einmal gelesen. Es ist auch manches dazu gesagt worden. Worauf es mir ankommt, ist, zu sagen, daß ihre Bedeutung darin liegt, daß sie konstruktiv sind, daß sie eine Richtung zeigen. Auch wenn es - bildlich gesprochen - morgen oder übermorgen nicht drin ist, daß das eine oder andere, das darin gefordert oder vorgeschlagen wird, schon konkrete Gestalt gewinnt, so wird eine Richtung eingeschlagen. Die Debatte darüber wird nicht mehr verstummen, sondern bekommt neue Impulse.
Warum ist das so wichtig? Weil wir mit den Fragen, die auch heute hier wieder die Hauptschwierigkeiten bereiten, eben nur weiterkommen, wenn es gelingt, den Ost-West-Gegensatz in Europa zu überwinden. Die deutsche Politik muß darauf angelegt sein - auch das sollte man bei allen Unterschieden einmal deutlich machen; aber in diesem Punkt stimmen wir alle überein -, diesen Ost-West-Gegensatz nicht zu schüren und nicht auf seine Verschärfung zu spekulieren oder hinzuwirken. Das ergibt sich aus all dem, was Regierung und Bundestag bei den Gelegenheiten, die sich bieten, sagen und bekunden, auch in die Tat umzusetzen versuchen. Die deutsche Politik muß an den Bemühungen teilnehmen, den Ost-West-Gegensatz abzubauen und zu überwinden.
So gesehen muß ich sagen, daß sich in diesem Sommer unter dem Eindruck der buchstäblich brennenden Nahostkrise Politiker zusammengefunden und erklärt, haben: Es ist schlimm, daß in dieser schweren Auseinandersetzung die Stimme Europas nicht zu hören gewesen ist und bis heute auch nicht zu hören ist. Aber Europa kann die wichtige Rolle, die ihm u. a. bei der Gestaltung des Friedens zwischen Ost und West zukommt, nur dann spielen, wenn es sich zusammentut und in internationalen Fragen mit einer Stimme spricht, so wie es das schon einmal in einer Sache getan hat, die bei der Gelegenheit in Erinnerung gebracht wird, nämlich bei der Kennedy-Runde im Zusammenhang mit Handel und Zoll, wenn auch mit Knirschen und nach Überwindung großer Schwierigkeiten. Ich finde, das ist etwas, was uns mit Dankbarkeit erfüllen sollte.
Es ist gesagt worden, daß in der gegenwärtigen Phase Europa unter Einschluß Großbritanniens durch die Verwirklichung der wirtschaftlichen Einheit und Stärke, durch die Herstellung von Beziehungen mit den Vereinigten Staaten auf der Basis der Gleichberechtigung, oder wie Sie das genau nennen wollen - es ist heute darüber gesprochen worden, daß es darauf ankomme, ebenbürtig zu sein -, durch die Herbeiführung einer wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit der Sowjetunion und den anderen Ländern Osteuropas neue Bedingungen schaffen soll, vielleicht sagt man auch: neue Voraussetzungen schaffen soll, die die Voraussetzungen, die jetzt vorhanden sind, ändern. Es sollen Bedingungen sein, die es gestatten werden, die politische und die demokratische Einheit Europas, die Gestaltung des. Friedens und auch die Lösung des deutschen Problems konkreter in Angriff zu nehmen, als es heute denkbar ist. In solchen langen Strecken müssen wir nicht nur denken, sondern auch handeln.
Es gibt gewisse kritische Stimmungen und Situationen, in denen gefragt wird, wie es mit der deutBundesminister Wehner
schen Frage und mit den Bemühungen um Entspannung nach allen Himmelsrichtungen in Osteuropa wohl weitergeht. Hierzu paßt das, was in den Entschließungen steht. Dieser Punkt der Entschließungen sollte nutzbar gemacht werden. Das wäre auch gut unter dem Gesichtspunkt, Abstützung und Freunde und Fürsprecher in anderen Ländern zu gewinnen. Es wäre sehr gut, wenn wir erreichen könnten, daß diese Entschließungen nach der Beratung im Ausschuß mit einem gewissen Nachdruck auf die weiteren Diskussionen und Entwicklungen in Westeuropa Einfluß nehmen. Das wäre auch unter dem Gesichtspunkt der gesamtdeutschen Frage gut, die uns soviel Schwierigkeiten macht.
Ich danke für Ihre Geduld.
({8})
Das Wort hat der Herr Bundesaußenminister.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Außer für die Hilfe zu danken, die diese Debatte doch in weiten Teilen für die Regierung bedeutet hat, gerade was die bevorstehenden europäischen Diskussionen angeht, möchte ich versuchen, in aller Kürze ein paar Klarstellungen vorzunehmen und einige Hinweise zu geben.
Zunächst zur Technik. Es ist verschiedentlich die Vermutung ausgesprochen worden, die Regierung habe diese Debatte heute gewünscht, und dann sei es um so unverständlicher - ich gebe sinngemäß wieder -, daß sich der Bundeskanzler nicht den ganzen Tag dafür freigenommen habe. Die Prämisse stimmt nicht. Nicht die Bundesregierung, sondern die Fraktionen haben das Europa-Thema auf die Tagesordnung gesetzt, und aus dem Hause ist der Wunsch geäußert worden, die Regierung möge sich zu den anstehenden außenpolitischen Fragen äußern.
Davon abgesehen ist es verständlich, daß der Kollege Scheel heute früh für die Opposition bemängelte, daß er und seine Freunde sowie die Vorsitzenden der beiden Koalitionsfraktionen erst heute früh - also kurz vor der Sitzung - den Text dessen bekommen hätten, was hier gesagt werden sollte. Allerdings trifft hier die Vermutung nicht zu, daß sich die Koalition erst in der Nacht habe zusammenraufen müssen. Es ist vielmehr ganz einfach so: wir haben uns gestern nachmittag unterhalten. Aber Sie wissen auch, was der Terminkalender bedeutet. Ich mußte gestern abend nach Hamburg zum Ibero-Amerika-Tag und war um 1 Uhr wieder da. Gestützt auf die Unterhaltung gestern nachmittag ist die Rede zwischen 1.30 und 5.15 Uhr heute nacht zustande gekommen. Da ging es dann nicht viel rascher; denn danach mußte sie noch abgeschrieben werden. Wir werden uns bemühen, in Zukunft von diesen Gewohnheiten nächtlicher Tätigkeit wegzukommen.
Es ist nun registiert, vielleicht sogar lobend erwähnt worden, daß das, was der Bundesminister des Auswärtigen hier zu Beginn der Debatte sagte, sorgfältig formuliert gewesen sei. Das ist dann ja wohl auch so. Da ich aber, ebenso wie Herr Dr. Barzel es heute früh aus seiner Sicht der Dinge sagte, in diesen Wochen und Tagen auch die Debatte draußen außerhalb des Hauses mit verfolgt habe und auch gesehen habe, wie einem und einigen alles mögliche angedichtet werden kann, liegt mir doch daran, bevor diese Debatte zu Ende geht, damit da vor dem Haus nichts unklar bleibt, deutlich zu machen, daß die manchmal in der öffentlichen Debatte erwähnten Äußerungen des Bundesministers des Auswärtigen, etwa in Bukarest, solcher Art sind, daß der, der hier spricht, keine Veranlassung sieht, sie in irgendeiner Weise zu modifizieren. Ich muß das ehrlicherweise so sagen, zumal wenn es sich auch auf das bezieht, was in der Debatte heute vormittag erwahnt wurde, auf den Satz, daß man von den Realitäten auszugehen habe.
Wenn man sich das anguckt, schämt man sich fast darüber, daß eine solche Banalität soviel Aufmerksamkeit erweckt hat. Denn wovon ist der Herr Bundeskanzler in seinem Brief ausgegangen? Wovon ist die Regierung im April mit ihren Punkten ausgegangen? Wovon ist man bei den beiden Briefen ausgegangen? Davon, daß die Wirklichkeit am deutschem boden nicht so gut ist, wie wir möchten, daß sie sei. Was mich bei solchen Erörterungen am meisten wundert, das sind gewisse Kommunisten, die die Dialektik völlig verlernt haben und so tun, als könnten sie plötzlich die Weltgeschichte festschreiben. Aber ausgehen muß man doch wohl von dem, was ist, gerade wenn man es nicht für erträglich hält, von der nationalen Spaltung abgesehen, diesen Kontinent - und zwar auf deutschem Boden - durch gegeneinander gerüstete Militärblöcke zerklüftet zu sehen. Darüber wollen wir hinweg.
Das ist übrigens gar nicht neu. Ich bin nicht scharf darauf, solche einfachen Dinge als neue Politik gekennzeichnet zu sehen. Ich muß allerdings hinzufügen: dort, wo es uns miteinander in dieser Regierung, in dieser auf breiter Basis arbeitenden Regierung darum geht, in einer anders gewordenen Situation - aus dieser Situation heraus - unsere deutschen Antworten zu geben, ist es nicht hilfreich, wenn man das Gespräch mit dem einen oder anderen ausländischen Partner dadurch belastet, daß man ihm das Argument gibt, es sei im Grunde eine alte Politik - in dem Sinne, daß sie Antworten, die auf eine andere Situation gepaßt haben mögen, einfach wiederholt.
Ich möchte zwei Irrtümer klarstellen. Herr Kollege Scheel hat heute vormittag in Verbindung mit meinen Äußerungen zu der Entschließung über die Zusammenarbeit zwischen der EWG und der Sowjetunion und den Ländern Osteuropas vermutet, ich hätte dabei etwas gesagt - oder nicht gesagt -über die Rolle, ,die COMECON als Partner - oder Nichtpartner der EWG spielen könnte. Ich habe mich zu dieser Seite der Sache absichtlich überhaupt nicht geäußert. Insofern habe ich auch nicht Bezug genommen auf 'das, was in der Entschließung über erforderliche Schritte, um einen Kooperationsausschuß zu errichten, steht. Ich habe das für eine der Fragen gehalten, zu denen die Regierung besser im Ausschuß Stellung nehmen sollte, wenn
man die Situation in Osteuropa und die ganze Schwierigkeit der Materie vor Augen hat.
Das Zweite! Aus den Reihen der Opposition kam heute mittag, als es in einem Fall einmal nicht um Mitgliedschaft, sondern um Assoziation ging, der Zuruf - sinngemäß -, die Regierung habe nicht genug für die Assoziierung Österreichs getan. Da ich damit rechnen muß, daß (das zu dem Zeitpunkt auch durch das Fernsehen übertragen worden ist und unsere österreichischen Nachbarn in beträchtlichem Maße am deutschen Fernsehen partizipieren, muß mir daran liegen, das zurechtzurücken.
({0})
Das kann der Kollege Ertl so nicht gemeint haben.
({1})
Das ist durch die Akten und durch die Anstrengungen jeden Tag zu widerlegen, - mit einer Einschränkung: keine verantwortliche deutsche Politik darf denen Wasser auf die Mühle lenken, die den Österreichern in die Schuhe schieben wollen, sie machten sich zu Werkzeugen einer wiederholten 'deutschen Anschlußpolitik.
({2})
Das kann nicht 'der Sinn sein. Das wird auch keiner in 'den Reihen der Opposition meinen. Aber was sonst ist, auch was sich jetzt aus Schwierigkeiten mit einem anderen Nachbarn Österreichs ergeben hat, ist wieder ein Fall, in dem sehr viel Takt erforderlich ist, wenn man überhaupt an eine Sache herangeht, an die aus europäischer Verantwortung herangegangen werden muß. Aber wir haben unsere österreichischen Nachbarn weder vergessen noch im Stich gelassen. Wir sind bereit, ihnen weiter dabei 2u helfen, eine solche Lösung zu finden, von der sie selber glauben, daß sie mit ihrer bündnisfreien Politik zu vereinbaren ist.
Ein Wort zur EWG selbst! Abgesehen davon - das ließ ich schon anklingen -, daß vieles, was hier gesagt worden ist, hilfreich sein wird, darf 'ich ein paar Bemerkungen zu idem Fusionsthema machen, zu dem
sich insbesondere der amtierende Präsident als Sprecher seiner Fraktion heute vormittag ,geäußert hat. Ich will nicht sehr in Einzelheiten gehen, aber folgendes muß doch dabei beachtet werden. Ich will jetzt nicht zu viel in die Tatsache hineinlegen, daß dieses Hohe Haus 1965 einstimmig beschlossen hat, die deutsche Regierung solle 'sich für die rasche Fusion einsetzen. Ich lasse also einmal dahingestellt, daß das Haus 'auch die Frage stellen könnte: Warum haltet ihr euch nicht an Beschlüsse, die einstimmig gefaßt worden sind? Ich will nacht sagen, daß es 'dann oder dann herauskommen müßte, schon gar nicht, daß es .ein Hindernis für etwas anderes werden dürfe, worüber wir gesprochen haben. Aber daß der Zusammenschluß der drei Behörden und die Fusion der drei Verträge inhaltlich zusammengehören, darüber sind wir uns sicher einig. Daß das nicht beliebig lange hinausgeschoben werden kann, .ergibt sich daraus, daß die 14 Mitglieder der neuen Kommission, der jetzigen Europäischen Kommission, bis zum Inkrafttreten des Vertrages zur Gründung einer einzigen europäischen Gemeinschaft gewählt worden sind, längstens aber für einen Zeitraum von drei Jahren.
Dies ist die Situation. Man wird also das Thema nicht einfach beiseite legen können. Dieses Thema und das der Beitrittsverhandlungen wird übrigens, wenn es an der Reihe ist, in der Kommission durch andere Mitglieder und andere Beamte bearbeitet. Die Beitrittsverhandlungen können, wenn es nach uns geht, viele Monate im Gange sein, bevor das erstemal - wie ich schätze, im Frühsommer nächsten Jahres - eine Stellungnahme zu einem Bericht der Kommission oder der Kommissionsmitglieder, die dafür zuständig sind, zu diesem Thema ernsthaft erörtert werden kann.
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Dann auch noch ein Wort zu dem, was Herr Kollege Blachstein zu Griechenland gesagt hat. Es war ja klar zu erkennen und für mich auch nicht verwunderlich, daß der Kollege Blachstein mit der Regierung nicht zufrieden war, besonders was diesen Punkt angeht, zu dem er gesprochen hat. Nur hülfe es wenig, wenn ich von irgendwelchen persönlichen Empfindungen hier gesprochen hätte. Ich hatte und habe von dem zu sprechen, was diese Regierung glaubt zu diesem Gegenstand sagen zu können. Ich denke, so ist es auch verstanden worden.
({4})
Dem, was ich dazu gesagt hatte, will ich nur eine Bemerkung hinzufügen. Wir wenden jedem Punkt, der einen einzelnen Menschen betrifft, hier bei uns und woanders unsere Aufmerksamkeit zu, wo wir helfen können.
Zum Beispiel: Es ist bekannt, daß griechische Bürger auch wegen ihrer oppositionellen Haltung zu ihrer Regierung der Staatsangehörigkeit verlustig gehen können. Das hat es auch woanders schon gegeben. Es gibt den einen oder anderen hier im Saal, der weiß, wie so etwas ist. Mir kam, während hier debattiert wurde, ein Vorgang auf den Tisch; darum erwähne ich es. Die bekannte griechische Schauspielerin Melina Mercouri, der so die Staatsangehörigkeit aberkannt worden ist, und die nun in der Bundesrepublik auftreten möchte, hat die Frage an uns gerichtet, ob es ihr wohl Schwierigkeiten bereiten würde, daß sie ihrer Staatsangehörigkeit verlustig gegangen sei. Es kann doch kein Zweifel bestehen, daß dort die Antwort lautet, daß niemand Frau Mercouri daran hindern wird, auch unter diesen Verhältnissen in die Bundesrepublik zu kommen, und daß sie hier vielen willkommen sein wird.
Meine Damen und Herren, dann noch zwei Bitten. Reduzieren Sie bitte das nicht, was im Gange ist, woran die Regierung arbeitet. Reduzieren Sie es bitte auch dann nicht, wenn es unserer Meinung nach gute Gründe dafür gibt, in der öffentlichen Unterrichtung verhältnismäßig wortkarg zu sein. Ich meine damit einmal das, was in der Regierungserklärung heute morgen zu Jugoslawien gesagt worden ist. Wer sich die Sätze noch einmal genau ansieht, wird zu dem Ergebnis kommen - ich glaube, das gilt gleichermaßen auch für die Kollegen Genscher und Eppler -, daß gesagt wird, was
geschehen soll, und es ist nicht dasselbe wie das, was das vorige Mal dazu gesagt worden ist. Wenn man so will, kann man sagen, man ist etwas weiter in diesem Prozeß der Klärung.
Herr Dr. Birrenbach hat in seiner auf so viel Einblick in die Materie basierenden Stellungnahme zum Kernwaffensperrvertrag gesagt, daß wir es bisher mit unverbindlichen amerikanischen Interpretationen zu bestimmten Teilen des Vertrags oder mit dem Vertrag verbundenen Sachverhalten zu tun hätten. Ich würde bitten, dies noch nicht als letztes Wort gelten zu lassen. Denn es könnte unter Umständen darauf ankommen, die Verbindlichkeit anzuheben und nicht etwas als ein Weniger hinzustellen, was wir eigentlich schwarz auf weiß zu haben glauben.
In diesem Zusammenhang sind von der Opposition noch zwei Fragen gestellt worden. Erstens ist gefragt worden: Was tut ihr, wenn die Euratom-Kontrollen für die friedliche Nutzung nicht zu halten sind und Frankreich sich dadurch außerhalb eines Systems von Kontrollen für den zivilen Bereich befinden würde? Die Antwort darauf ist: Die Bundesregierung befaßt sich nicht mit dieser Situation, sondern sie befaßt sich mit einer, wenn es irgend geht, guten Situation zwischen Euratom und der Wiener Behörde, die entsteht, wenn es zu einem solchen Vertrag kommt. Sie wird der Kommission in Brüssel dabei helfen, solche Vorschläge zu machen, die Euratom und auch das Euratom-Kontrollsystem nicht zerstören, gleichwohl aber eine Verifikation ermöglichen, wie sie in den großen Rahmen hineinpassen könnte.
Die zweite Frage der Opposition- ging dahin, ob und in welcher Form in Fragen des Nichtverbreitungsvertrages auch mit der Sowjetunion Konsultationen stattgefunden hätten. Diese Frage möchte ich am liebsten im Ausschuß beantworten; wenn es geht, in einem noch kleineren Kreis. Jedenfalls habe ich keine Bedenken, in einem entsprechenden Kreis auf diese Frage zu kommen. Wir werden ja ohnehin einmal eine Bilanz machen müssen.
Herr Dr. Mende hat die Meinung geäußert, der Bundeskanzler müßte hier oder anderswo den französischen Staatspräsidenten korrigieren - wie er es nannte - wegen einiger Äußerungen, die der französische Staatspräsident während seiner Reise nach Polen getan hat. Ich glaube, hier ist sich niemand im unklaren darüber, wie die Bundesregierung denkt - und das gilt ganz gewiß an erster Stelle für den ersten Mann dieser Regierung - wie die Bundesregierung in den Fragen denkt, wo Empfindungen unserer heimatvertriebenen Landsleute im Spiel sind. Niemand hier wird im unklaren darüber sein, daß sich die Bundesregierung bewußt ist, wie sehr wir auch unsere Freunde, auch unsere engsten, nächsten, wichtigsten Freunde bitten müssen, daran zu denken, daß unsere heimatvertriebenen Landsleute nie das Gefühl bekommen dürfen, ihnen solle die Heimat gewissermaßen auch noch aus dem Herzen gerissen werden. Ich habe viele bittere Äußerungen gehört, die auf solche Empfindungen zurückgingen. Aber ich darf hier sagen, erstens gibt es beim französischen Verbündeten,
Freund und Nachbarn überhaupt keinen Zweifel darüber, wie diese Zusammenhänge auf deutscher Seite gesehen werden.
({5})
Darüber ist gesprochen worden, bevor es zu der Reise nach Polen kam, und darüber ist auch danach gesprochen worden.
Zweitens hat der französische Staatspräsident der deutschen Seite gegenüber ausdrücklich klargemacht, daß er mißverstanden worden sei, wenn man angenommen habe, er habe sich zu historischen Sachverhalten äußern wollen. Er habe sich zu dem Bild, das sich ihm in der Jetztzeit während dieser Reise dargestellt hat, äußern wollen - ein Bild, das er dann in seiner Art, die europäische und auch die osteuropäische Zukunft zu sehen, eingefügt hat.
Ich glaube, es ist doch ein großer Vorteil, daß diese Debatte, wenn man von Einzelheiten absieht, erneut gezeigt hat, daß unsere Europapolitik nach Ost und West - auch im Zusammenhang - sich auf eine breite Unterstützung in diesem Hause stützen kann und daß auch die Opposition im wesentlichen ihre Unterstützung und kritische Begleitung nicht versagt.
Die Fragen, die von Herrn Kollegen Genscher dazu gestellt worden sind, möchte ich zum Schluß in aller Kürze wie folgt beantworten. Erstens. Die Regierung hat schon durch ihre Erklärung am 13. Dezember, durch mehrfache Stellungnahmen seitdem - auch am heutigen Tag - deutlich gemacht, daß' es nicht ihre Politik ist, den anderen Teil Deutschlands aus einem Prozeß und den Bemühungen um Entspannung in Europa auszuklammern, sondern sie will im Gegenteil einen Prozeß der innerdeutschen Entkrampfung, um den wir uns bemühen, in das Ringen um europäische Entspannung hineinstellen.
Zweitens. Ich würde sehr viel vorsichtiger an das Thema einer gesamteuropäischen Sicherheitskonferenz herangehen, als es der Kollege Genscher angedeutet hat, weil es, glaube ich, doch ganz entscheidend darauf ankommt, ob, wenn einmal eine Konferenz unter diesem oder ähnlichem Namen stattfindet, dann die Voraussetzungen für das erfüllt sind, was den Rahmen ausfüllen soll. Eine Konferenz wird 'ihren Sinn erst haben können, wenn zwischen Ost und West mehr passiert ist als bis heute, wenn man in bezug auf die Elemente eines Sicherheitssystems und einer sich darauf aufbauenden Friedensordnung weitergekommen ist.
Drittens. Dabei ist es für uns eine Beruhigung, daß sich das, worüber wir sprechen, wenn immer von Ost-West-Fragen und von der deutschen Frage die Rede ist, wirklich in die Erörterungen innerhalb des Bündnisses einfügt. Wenn wir Ende des Jahres die Berichte innerhalb des nordantlantischen Bündnisses zu diesen Fragen bekommen, werden wir sehen, wie organisch sich die deutsche Politik dort einfügt. Einiges von dem, was Herr Kollege Scheel heute früh bemängelte, wird von daher auch seine Antwort finden, weil die Interdependenz zwischen wichtigen verteidigungspolitischen und außenpolitischen Fragen ja nicht nur eine solche ist, mit der
wir uns hier in unserer nationalen Zuständigkeit zu befassen haben, sondern es ist weithin eine solche, die sich aus dem Bündnisrahmen ergibt.
Der Herr Bundeskanzler wird gewiß nicht widersprechen, wenn ich als Antwort auf eine Frage von Herrn Genscher sage: Es gibt niemanden in der Bundesregierung, dem daran liegen könnte oder dem es auch nur in den Sinn kommen würde, solche Menschen, solche Mitbürger, solche Landsleute, die sich ehrlich um ihre Antworten bemühen, zu diffamieren. Aber die Bundesregierung wird auch dort, wo sie den Eindruck hat, daß ihre Motive falsch dargestellt werden, sich vor diffamierenden Wertungen ihrer eigenen Bemühungen schützen, und der Erfolg, den wir schließlich miteiander haben werden, wird mit davon abhängen, ob es uns miteinander gelingt, uns deutlich genug abzugrenzen gegen Illusionismus einerseits und Immobilismus andererseits.
({6})
Meine Damen und Herren, es liegen keine Wortmeldungen mehr vor. Ich schließe die Aussprache. Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, den Antrag Drucksache V/2157 an den Auswärtigen Ausschuß - federführend - sowie an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen und den Antrag Drucksache V/1989 an den Auswärtigen Ausschuß zu überweisen. - Widerspruch erfolgt nicht; die Überweisung ist beschlossen.
Ich rufe auf Punkt 7 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Dr. Even, Schmitt-Vockenhausen, Dorn und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über eine Statistik des Personals, der Dienstbezüge, Vergütungen und Löhne im öffentlichen Dienst
- Drucksache V/1721 -
a) Bericht des Haushaltsausschusses ({0}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung
- Drucksache V/2172 - Berichterstatter: Abgeordneter Bremer
b) Schriftlicher Bericht des Innenausschusses ({1})
- Drucksache V/2136 Berichterstatter: Abgeordneter Gscheidle ({2})
Ich rufe zur zweiten Beratung auf. Das Wort wird nicht gewünscht. Wer den §§ 1 bis 10 sowie der Einleitung und der Überschrift zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. - Danke. Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen. Ich schließe die zweite Beratung.
Wir kommen zur
dritten Beratung.
Das Wort wird nicht gewünscht. Wer dem Gesetz
in dritter Beratung zuzustimmen wünscht, möge sich
erheben. - Danke. Gegenprobe! - Enthaltungen? - Ich stelle einstimmige Annahme fest.
Wir haben dann noch einen Zusatzpunkt zu unserer ursprünglichen Tagesordnung zu erledigen. Ich rufe auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 11. November 1965 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Kaiserreich Iran über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von
Kapitalanlagen
- Drucksachen V/2005, V/2170 - Berichterstatter: Abgeordneter Stein ({3})
({4})
In der zweiten Beratung wird das Wort nicht gewünscht. Ich rufe dann die Artikel 1 bis 3 sowie Einleitung und Überschrift auf. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das. Zeichen. - Danke. Gegenprobe! - Enthaltungen? - Ich stelle einstimmige Annahme fest.
Wir kommen zur
dritten Beratung.
Das Wort wird nicht gewünscht. Wer dem Gesetz im ganzen zuzustimmen wünscht, möge sich erheben. - Danke. Gegenprobe! - Enthaltungen? - Ich stelle einstimmige Annahme fest.
Wir kommen jetzt zur
Fragestunde
- Drucksachen V/2155, zu V/2155 Vielleicht können wir .dabei ein im allgemeinen nicht übliches Verfahren anwenden. Darf ich fragen, ob Abgeordnete im Saale sind, die darauf bestehen, daß Ihre Fragen mündlich beantwortet werden? - Das ist der Fall. Herr Abgeordneter Schmidt ({5}), Ihre Frage ist aus dem Geschäftsbereich ,des Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit. Ich rufe damit die Fragen 10 'und 11 auf:
Weiches sind die Gründe für den Boykott des ärztlichen Hilfsprojektes der Bundesrepublik Deutschland in den Kliniken der Universität Hué durch südvietnamesische Stellen?
Welche Mittel hat die Bundesregierung bis jetzt für das in Frage 10 erwähnte Projekt zur Verfügung gestellt?
Ich darf zunächst einige allgemeine Bemerkungen über das Vorhaben vorausschicken. Seit 1961 sind deutsche Ärzte an der neugegründeten medizinischen Fakultät der Universität Hué tätig, um Vietnam beim Aufbau dieser Fakultät zu unterstützen. Sie haben unter oft außerordentlich schwierigen Bedingungen gearbeitet und durch ihren unermüdlichen Einsatz sich und dem deutschen Namen großes Ansehen in der Bevölkerung erworben.
Bei aller Anerkennung des persönlichen Einsatzes der deutschen Fachkräfte muß ich leider feststellen, daß das entwicklungspolitische Ziel des Vorhabens, nämlich der Aufbau einer medizinischen Fakultät, unter den derzeitigen Umständen nicht zu erreichen ist. Zu dieser Erkenntnis haben nicht zuletzt auch Berichte der deutschen Ärzte selbst beigetragen.
Im übrigen trifft es nicht zu, daß - wie in den letzten Tagen behauptet - der vietnamesischen Regierung sogar noch im Jahre 1966 Zusagen auf eine wesentlich größere Förderung als bisher gemacht worden wären. Die Verträge der zur Zeit in Hué tätigen sechs deutschen Ärzte und drei medizinisch-technischen Assistentinnen laufen daher um .die Jahreswende 1967/68 aus. Neues Personal wird nicht mehr entsandt.
Was sich unter den gegebenen Umständen noch durchführen läßt, ist eine Unterstützung von vietnamesischen Ärzten, die in den letzten vier Jahren in der Bundesrepublik fortgebildet worden sind und als Dozenten nach Hué zurückkehren werden, durch Materialspenden auf ihrem jeweiligen Fachgebiet. Dies wird zur Zeit geprüft.
Im übrigen: Es kann nicht davon gesprochen werden, daß die zuständigen vietnamesischen Stellen das Vorhaben boykottiert haben. Es war aber nicht möglich, 'die erforderlichen Voraussetzungen für den Aufbau ,der Fakultät zu schaffen. Die Bundesregierung hat wiederholt nachdrücklich darauf aufmerksam gemacht, daß sie allein die erforderliche und erbetene personelle und materielle Hilfe nicht leisten kann und daß deshalb andere Staaten zu einer wirklichen Mitarbeit gewonnen werden müssen. Der vietnamesischen Regierung ist das nicht gelungen.
Die zur Zeit in Vietnam geltenden Bestimmungen verbieten die Freistellung von Ärzten vom Militärdienst für eine Aus- und Fortbildung im Ausland. Ohne eine solche Ausbildung ist der Aufbau der Fakultät aber nicht möglich. Das deutsche Angebot, Stipendiaten als künftige Dozenten für die Fakultät in Deutschland auszubilden, blieb unberücksichtigt.
Besonders nachteilig hat sich auch die Tatsache ausgewirkt, daß die Fakultät für die Ausbildung der Studenten in den klinischen Fächern auf das örtliche Hospital angewiesen ist. Die Zusammenarbeit zwischen diesem Hospital und der Fakultät ist unbefriedigend und hat die Arbeit der deutschen Ärzte sehr behindert.
Kurz: Es kann und muß festgestellt werden, daß die zuständigen vietnamesischen Stellen die Voraussetzungen für einen langfristig zu planenden, vernünftigen und sinnvollen Aufbau der Fakultät nicht erfüllt haben. Ich habe leider auch keine Hoffnung, daß sie in absehbarer Zeit erfüllt werden können.
Ich glaube, auch das Schicksal dieses Vorhabens beweist, daß eine fruchtbare entwicklungspolitische Arbeit - im Gegensatz zu rein humanitären Aufgaben - auf die Dauer nur unter friedlichen Verhältnissen möglich ist.
Eine Zusatzfrage. Bitte, Herr Kollege Dr. Schmidt!
Herr Minister, wieweit stimmt die Behauptung, die ein Magazin aufgestellt hat, daß deutsche Ärzte sich in die innenpolitischen Verhältnisse eingemischt hätten, insbesondere damals im Zusammenhang mit der Ermordung Diems, und daß dadurch der Fremdenhaß sich insbesondere auch gegen die Deutschen gekehrt habe?
Der Vorfall liegt einige Jahre zurück. Mir sind Informationen bekannt, daß es politische Stellungnahmen von Ärzten gegeben haben soll, die nicht sehr förderlich gewesen sind.
Zur zweiten Frage: Die Bundesregierung hat in der Zeit von 1961 bis zur Mitte dieses Jahres rund 1,9 Millionen DM für die Förderung der Medizinischen Fakultät in Hué bereitgestellt.
({0})
-- Für alle Ausgaben insgesamt von 1961 bis jetzt etwa 1,9 Millionen DM.
Wir sind übrigens auch bereit, zu prüfen, ob, um die Angelegenheit so elegant wie möglich abzuschließen, vielleicht noch eine Drei- oder Sechsmonateregelung in Frage kommt. Aber ein weiteres Engagement ist in keinem Falle möglich, zumal dann auch das Personal ausgewechselt werden müßte, da der weitaus größte Teil daran interessiert ist, so bald wie möglich zurückzukehren.
Ich danke dem Herrn Bundesminister.
Ich rufe die Frage 71 des Herrn Abgeordneten Hübner aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung auf:
Was wird die Bundesregierung auf Grund der Tatsache unternehmen, daß Ärzte in Osterreich die Behandlung von Versicherten aus der Bundesrepublik Deutschland auf der Grundlage des Sozialversicherungsabkommens zwischen beiden Ländern ablehnen mit der Begründung, die Ärzteschaft in Osterreich sei bei Abschluß des Abkommens „nicht gefragt" worden?
Zur Beantwortung hat das Wort der Herr Staatssekretär.
Bitte gestatten Sie mir, die beiden Fragen des Herrn Abgeordneten Hübner zusammen zu beantworten.
Herr Hübner ist einverstanden. Ich rufe also auch die Frage 72 des Herrn Abgeordneten Hübner auf:
Wer haftet den Versicherten für Schäden, die ihnen daraus entstanden sind, daß das bestehende Sozialversicherungsabkommen zwischen Osterreich und der Bundesrepublik Deutschland durch sie praktisch nicht in Anspruch genommen werden konnte?
Das bis6392
herige deutschösterreichische Abkommen über Sozialversicherung, das seit dem 1. Januar 1953 in Kraft ist, wird durch ein neues, inzwischen unterzeichnetes Abkommen ersetzt werden. Die Bundesregierung wird das neue Abkommen in Kürze den gesetzgebenden Körperschaften zur Beschlußfassung vorlegen. Es ist also zu hoffen, daß es in wenigen Monaten in Kraft treten kann. Im Hinblick auf die voraussichtlich nur noch kurze Geltungsdauer des bestehenden Abkommens möchte die Bundesregierung gegenwärtig davon absehen, ihre bisherigen, jahrelangen Bemühungen fortzusetzen, eine uneingeschränkte Durchführung dieses Abkommens auch in bezug auf die Mitwirkung der österreichischen Ärzte zu erreichen.
Nach dem neuen Abkommen sind die österreichischen Ärzte nicht verpflichtet, deutsche Versicherte als Urlauber zu den für die österreichische gesetzliche Krankenversicherung geltenden Honorarsätzen zu behandeln. Es ,sieht jedoch vor, daß die entstehenden Kosten dem .deutschen Versicherten bis zur Höhe ,des Betrages von .der deutschen Krankenkasse ersetzt werden, den diese bei Erkrankung am Heimatort aufzuwenden gehabt hätte. Insofern wird also eine klare Regelung getroffen, mit 'der die Versicherten bessergestellt sind als nach dem alten Abkommen; denn bisher erstatteten viele Krankenkassen nur im Umfang .der für die österreichische Krankenversicherung geltenden niedrigeren Sätze.
Beide Vertragsparteien haben ihren Willen bekräftigt, daß das neue Abkommen so bald wie möglich auch auf idie deutschen Urlauber uneingeschränkt angewendet werden soll. Diesem Wunsch hat inzwischen auch das österreichische Parlament in einer einstimmigen Entschließung Ausdruck verliehen.
Zu der Frage, ob nach dem bestehenden Abkommen ,die österreichischen Ärzte dazu verpflichtet sind, deutsche Versicherte als Urlauber zu den für die österreichische gesetzliche Krankenversicherung geltenden Honorarsätzen zu behandeln, vertritt die österreichische Regierung einen anderen Standpunkt als wir. Das Problem einer eventuellen Schadenersatzpflicht ist also umstritten; Es müßte daher von einem Schiedsgericht geklärt werden. Durch ein derartiges Verfahren würde aber die Unterzeichnung des neuen Abkommens weiter verzögert. Eine solche Folge glaubt die Bundesregierung im Hinblick auf die Verbesserungen durch das neue Abkommen nicht verantworten zu können.
Eine Zusatzfrage, Herr Hübner!
Herr Staatssekretär, sind Sie nicht auch mit mir der Meinung, ,daß diejenigen Bürger der Bundeesrepublik, die jetzt in Österreich versucht haben, ,auf Grund des Abkommens einen Arzt in Anspruch zu nehmen, sich .auf das Abkommen hätten verlassen dürfen, so daß nun die Frage offensteht, an wen sie sich dafür halten können, daß sie- geglaubt haben, das Abkommen sei in Kraft, während es in Wirklichkeit nicht praktikabel war?
Beziehen Sie sich auf das neue oder das alte Abkommen?
Auf das alte Abkommen, das in diesem Jahr ja Geltung hatte.
Der Urlauber hatte die gleiche Auffassung, die die Bundesregierung hat. Die Bundesregierung hat sich gegenüber der österreichischen Regierung nicht durchgesetzt. Also kann auch der Urlauber sich nicht durchsetzen. Das ist eine Frage, die wir vor einem Schiedsgericht klären können. Die Bundesregierung sieht davon ab, das Schiedsgericht anzurufen, weil das bedeuten würde, daß das neue Abkommen später in Kraft tritt.
Ich danke für die Beantwortung, Herr Staatssekretär.
Ich rufe die Frage 93 des Herrn Abgeordneten Dr. Hammans aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr auf:
Welche Mittel sind in Nordrhein-Westfalen aus der zum 1. Januar 1967 beschlossenen Erhöhung der Mineralölsteuer, die zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse in den Gemeinden zweckgebunden sind, in die Landkreise geflossen?
Zur Beantwortung hat das Wort der Herr Parlamentarische Staatssekretär.
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr: Herr Kollege, aus den Mitteln der zum 1. Januar 1967 beschlossenen Erhöhung der Mineralölsteuer, die zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse in den Gemeinden zweckgebunden sind, können die Landkreise im Land Nordrhein-Westfalen im Jahre 1967 über rund 20,3 Millionen DM verfügen.
Eine Zusatzfrage, Herr Dr. Hammans.
Herr Staatssekretär, sind Sie bereit, mir zuzugeben, daß in Nordrhein-Westfalen das Verhältnis der Einwohnerschaft zu dieser Zahl für die Landkreise sehr schlecht ist? Ist Ihnen bekannt, daß in Nordrhein-Westfalen mehr als 50 % der Einwohner in Landkreisen wohnen, aber, wie Sie sagen, nur rund 20 % der 100 Millionen DM an die Landkreise verteilt worden sind?
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr: Herr Kollege, ich kann mich Ihrer Meinung nicht anschließen. Wie Sie wissen, gibt es in den Richtlinien bestimmte Kriterien, nach denen das Geld ausgegeben werden soll. Es ist Aufgabe der Landesregierung von Nordrhein-Westfalen, nach der Dringlichkeit und nach der Möglichkeit, das Geld zu verbauen, die Projekte in diesem Jahr zu fördern.
Ich darf Ihnen sagen, daß das Land Nordrhein-Westfalen 1967 aus dem Gesamtbetrag von 660 MilParlamentarischer Staatssekretär Börner
lionen DM, der erwartet wird, einen Anteil von 27,31 % erhalten wird. Auf die Landkreise entfallen davon, wie ich Ihnen soeben sagte, 20,3 Millionen DM; das entspricht 18,8 % des Betrages. Wie Sie wissen, ist Nordrhein-Westfalen durch seine Struktur ein Land der Großstädte und der Ballungsgebiete. Es ist ganz klar, daß dort, wo die Verkehrsnotstände am größten sind, das Land zuerst hilft, die entsprechenden Projekte zu dotieren. Ich bin ganz sicher, daß die nordrhein-westfälische Landesregierung diese Politik in Übereinstimmung mit den Fraktionen des Landtages von Nordrhein-Westfalen durchgeführt hat und daß diese Politik auf die Dauer auch keine Benachteiligung der Landkreise bringt. Es handelt sich nur darum, mit dem zur Verfügung stehenden Geld, von dem wir wissen, daß es im Grundsatz in einem Jahr nicht ausreicht, das Richtige und das Notwendige zuerst zu tun.
Zweite Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, sind Sie bereit, mir zuzugeben, daß trotz Ihrer fast überzeugenden Worte hier doch eine erhebliche Benachteiligung der Landkreise zu verzeichnen ist und daß auch in den Landkreisen die Verkehrsprobleme so erheblich sind, daß sie besser in dieses Programm hätten einbezogen werden müssen, als das jetzt geschehen ist?
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr: Herr Kollege, ich bedaure außerordentlich, daß es mir nur gelungen ist,
Sie „fast" zu überzeugen. Ich hätte Sie gern ganz überzeugt. Ich muß Ihnen aber sagen, daß die Kosten eines Projekts in einer Großstadt - z. B. eine Hochstraße oder eine Unterführung - sehr viel höher sind als die für die Beseitigung einer schwierigen Ortsdurchfahrt in einer Klein- oder Mittelstadt, und ich glaube, daß hier die Gründe dafür liegen, warum die Summen rein zahlenmäßig so differenziert verteilt worden sind, wie Sie das eben gesagt haben. Ich würde doch sagen, daß es sinnvoll wäre, wenn Sie die Möglichkeit hätten, nach einem Jahr Erfahrung sich einmal von der Praxis der nordrhein-westfälischen Behörden zu überzeugen. Gegenwärtig laufen die Projekte noch. Erst wenn wir etwa im Frühjahr nächsten Jahres einen Überblick haben, wie das Geld ausgegeben wurde, kann man sich zu Werturteilen entschließen. Ich persönlich bin der Meinung, daß sich aus der jetzt abzeichnenden Verteilung der Mittel keinesfalls eine Benachteiligung auf die Dauer ergibt. Es kann natürlich sein, daß bestimmte Großstädte einige Projekte planungsmäßig schon so weit gefördert hatten, daß der Einsatz dieser Mittel sich zweckmäßigerweise in diesem Jahr auf diese Großstädte konzentrierte. Ich bin überzeugt, daß das auf Grund einer ausgleichenden Gerechtigkeit im nächsten Jahr anders sein wird.
Eine Zusatzfrage, Herr Dr. Schulze-Vorberg.
Herr Staatssekretär, hat die Bundesregierung eine Übersicht, wie es im gesamten Bundesgebiet mit diesen Mitteln ist und welche Verteilung auf Stadt- und Landkreise sich hier ergeben hat?
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr: Herr Kollege, die Richtlinien sind in mühevoller Diskussion mit den Landesregierungen erarbeitet und dann verabschiedet worden. Es ist klar, daß, nachdem sie in der Praxis seit etwa fünf Monaten angewendet werden, wir heute noch kein abschließendes Urteil fällen können. Wir haben aber festgestellt, daß -mit diesem Geld eine Vielzahl von notwendigen Verkehrsprojekten gefördert wurde und daß durch den Beschluß des Hohen Hauses, einen Sonderfonds zur Beseitigung der Verkehrsnotstände in den Gemeinden zu bilden, in diesem Jahr die Verkehrsnotstände doch schon erheblich abgebaut werden konnten. Wir werden im Frühjahr nächsten Jahres einen völligen Überblick darüber haben, wie rein geographisch und auf Groß- und Kleinstädte verteilt die Mittel eingesetzt worden sind. Die Richtlinien sehen vor, daß die Mittel nicht ausschließlich in Großstädte fließen sollen, sondern daß im Gegenteil strukturschwache Gebiete, Zonenrandgebiete und ähnliche Regionen der Bundesrepublik gefördert werden sollen. Das ist nach unserer Überzeugung auch der Fall.
Herr Staatssekretär, kann die Bundesregierung zusichern, daß sie in Verbindung mit den Landesregierungen dafür sorgen wird, daß nicht mit Hilfe solcher und ähnlicher Maßnahmen die Ballungsräume noch mehr zu Ballungsräumen werden, als das ohnehin schon der Fall ist?
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr: Das kann ich zusichern.
Frage 106 der Abgeordneten Frau Freyh:
Wird die Bundesregierung in Anbetracht der Dringlichkeit der Lösung der Verkehrsprobleme für die Stadt Frankfurt und ihre nähere Umgebung die V-Bahn Frankfurt mit entsprechenden Mitteln in den Haushaltsplänen vom Jahre 1968 ab berücksichtigen?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr: Frau Kollegin, wie ihnen bekannt ist, steht der Bundesminister für Verkehr der Förderung ides Frankfurter V-Bahn-Projektes positiv gegenüber. Die Finanzierungsfragen sind jedoch im gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht abschließend geklärt. Die Bundesregierung wird nach den vom Bundesrat beschlossenen Richtlinien 50 % der Mittel für den Bau aufbringen. Ungeklärt ist zur Zeit noch, von wem die nach den Richtlinien erforderliche Gegenfinanzierung zu leisten ist.
Eine Zusatzfrage, Frau Freyh.
Herr Staatssekretär, darf ich Sie fragen, ob Sie die weiteren Verhandlungen, insbesondere hinsichtlich der Finanzierung, auf einer unter den Bundesressorts abgestimmten Verhandlungsgrundlage führen werden.
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr: Frau Kollegin, es ist sicher notwendig, daß bei finanziellen Größenordnungen, wie sie hier zur Diskussion stehen, eine Übereinstimmung z. B. zwischen unserem Hause und dem Bundesfinanzministerum gegeben ist. Diese Übereinstimmung muß nach meiner Auffassung auch baldigst erzielt werden. Entscheidend ist nur, daß bei diesem Projekt .die Richtlinien, von denen ich eben sprach, genauso wie bei .anderen Projekten angewandt werden. Ich habe den Eindruck, daß wir mit den beteiligten Partnern, d. h. mit idem Land Hessen und der Stadt Frankfurt, in absehbarer Zeit zu einer vernünftigen Regelung kommen können.
Eine Zusatzfrage, Herr Josten.
Herr Staatssekretär, darf ich Sie als Besucher der Messestadt Frankfurt fragen, ob der Bundesregierung bekannt ist, daß viele tausend Besucher Frankfurts nicht verstehen können, daß der Bund, das Land Hessen und die Stadt Frankfurt nicht schneller eine Lösung finden, um die V-Bahn in Frankfurt zu bauen.
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr: Ich muß sagen, Herr Kollege, ich habe 'den Eindruck, daß die Besucher, von denen Sie 'sprachen, nicht wissen, daß es hier um Projekte geht, die viele hundert Millionen D-Mark erfordern und die sowohl von der Finanzierung als auch von der technischen Durchführung her gesehen eine gute Vorbereitung brauchen.
Ich bin davon überzeugt, daß ähnliche Schwierigkeiten bei Messen, wie Sie sie andeuten, auch in anderen Großstädten vorliegen. Es ist das Bemühen der Bundesregierung, insbesondere des Bundesministers für Verkehr, durch den entsprechenden Mitteleinsatz sowie mit Unterstützung des Hohen Hauses in den nächsten Jahren zu erreichen, daß diese Verkehrsnotstände abgebaut werden.
Noch eine Frage, Herr Josten.
Herr Staatssekretär, Sie sagten schon, daß Sie dem Problem positiv gegenüberstünden. Ich möchte Sie daher fragen: Werden Sie bzw. Ihr Ministerium dafür eintreten, daß wegen der Bedeutung der Stadt Frankfurt das von Frau Freyh hier angeschnittene Problem vorrangig behandelt wird?
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr: Vorrangig im Sinne der Möglichkeiten, die das Hohe Haus durch die Beschlußfassung über den Bundeshaushalt 1968 und die weiteren Haushalte gibt.
Ich muß aber noch folgendes sagen, Herr Kollege. Frankfurt baut zur Zeit eine U-Bahn. Auch dort ist der Bund, wie Sie wissen, engagiert. Es ist nicht nur technisch, sondern auch verkehrspolitisch notwendig, daß beide Projekte, U-Bahn und V-Bahn, zusammen gesehen werden, damit sich der Bürger nur einmal über eine bestimmte Umleitung zu ärgern braucht.
Ich danke dem Herrn Staatssekretär für die Beantwortung der Fragen.
Die Fragen 58 bis 60 des Herrn Abgeordneten Schmidt ({0}) wurden zurückgezogen. Die übrigen Fragen werden schriftlich beantwortet.
Wir sind am Ende der Fragestunde und auch am Ende der heutigen Tagesordnung. Ich . berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages ein auf Dienstag, den 24. Oktober, 9 Uhr.
Die Sitzung ist geschlossen.