Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet.
Meine Damen und Herren,
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in dieser Parlamentspause haben wir zwei Kollegen und den letzten, ehemaligen Reichstagspräsidenten zu Grabe getragen.
Am 21. Juli starb im 70. Lebensjahr der Vizepräsident des Deutschen Bundestages, der ehemalige Bundesjustizminister Dr. Thomas Dehler. Er starb jäh, unter freiem Himmel, im eben begonnenen Urlaub. Das letzte, was Thomas Dehler sah, waren die Gefilde seiner geliebten fränkischen Heimat und die Gestalt seiner Frau. Vor mehr als 40 Jahren hatte er sie heimgeführt, und auch in den bösen Jahren war er ihr - der damals Verfolgten - treu zur Seite gestanden.
Als wir in seiner Geburtsstadt Lichtenfels hinter seinem Sarge schritten, säumten seine Landsleute die Straßen. Es war ein heller Sommertag, und die Trauerfeier war Thomas Dehler angemessen - wennschon er sich das würdevolle Zusammenwirken der militia des Staates mit .der militia Christi an seinem Sarge so wohl doch nicht immer vorgestellt haben wird in seinem stillen und stürmischen Leben. .
Still und stürmisch - so haben wir ihn kennengelernt in diesem Hause in den letzten 18 Jahren. Nachdenklich und um Gerechtigkeit bemüht - so habe ich ihn zumeist erlebt in den Jahren, in denen er neben mir saß im Präsidium und im Ältestenrat. Leidenschaftlich hingerissen, zuweilen ins Furiose gesteigert - so ist er vielen von uns in unvergeßlicher Erinnerung aus mancher seiner Parlamentsreden.
Der Herr Bundespräsident ordnete für Thomas Dehler Staatsbegräbnis an. Seine Person, sein Wirken, seine Leistung sind dabei so eindringlich gewürdigt worden, daß ich mir Wiederholungen ersparen kann. Ich will deshalb hier auch nicht mehr reden von dem Studenten aus Franken, der in den Wirren nach dem 1. Weltkrieg in München zum
Gewehr griff, um den freiheitlichen Rechtsstaat gegen seine gewalttätigen Widersacher von rechts und links zu verteidigen. Ich will nicht mehr reden von dem jungen Juristen, dessen Fortkommen aussichtslos erschien, als die Hakenkreuzfahne in Deutschland aufgezogen wurde. Und ich brauche auch nicht mehr zu reden von dem Engagement des kraftvoll kämpfenden Liberalen. Wir haben es gesehen und haben es hier miterlebt: die Rede des ersten Bundesjustizministers Thomas Dehler gegen die Todesstrafe, seine Rede in der Opposition gegen den Kanzler und seine sachkundigen, niemals langweiligen Beiträge in der Debatte dieses Hauses. Thomas Dehler schlug manche schmerzende Wunde, aber er empfing auch nicht wenige, und er besaß und behielt darüber die Kraft zur Versöhnung.
Als ich Thomas Dehlers Reden kürzlich noch einmal durchsah, blieb ich an einer hängen, die ich nicht gehört hatte. Er hatte sie am 13. Mai 1949 im Bayerischen Landtag gehalten. Es ging dabei um das Grundgesetz, das der Zustimmung der Landtage bedurfte, um in Kraft treten zu können. In jener Rede, so scheint mir, ist der ganze Thomas' Dehler präsent - schon deshalb verdient sie der Vergessenheit entrissen zu werden -: der reichstreue Franke, der sich für die Existenz des einen, geeinten Deutschland gegen die Gewalten der Zeit in die Schanze schlägt, der Patriot, der mit Ungestüm werbend und kämpfend sich selber vergißt und dabei den Zorn des Hauses über sich bringt, der gewissenhafte Jurist, der Rechtsdenker und Mitgestalter einer Verfassung, die er in plötzlicher Hellsicht für gar nicht so provisorisch halten kann, wie es seine Opponenten tun, der liberale Realist, der weitergehende Konsequenzen aus der Erfahrung mit der Weimarer Verfassung gezogen sehen möchte, und schließlich der Mann, der - in der Minderheit stehend - furchtlos das zu sagen wagt, was er seiner Einsicht, dem Land und seiner eigenen politischen Gemeinschaft schuldig zu sein glaubt. Dies alles erscheint in jener Münchener Rede, und in dem allen ist Thomas Dehler er selbst.
Nun ist er tot. Beim Abschiednehmen wurde, wie das bei uns so üblich ist, all das Gute über ihn gesagt und geschrieben, das man zu seinen Lebzeiten zum größeren Teil sorgfältig verschwieg. Aber auch im Schweigen spiegelte sich etwas wider von jener Wertschätzung, die einer seiner beständigen Kritiker mir gegenüber in das Wort gekleidet hat: „Ich war oft gegen ihn, aber ich muß sagen, er fehlt mir sehr".
Präsident D. Dr. Gerstenmaier
Meine Damen und Herren, einige Stunden nach Thomas Dehler starb in einem Iserlohner Krankenhaus unser Kollege Theodor Mengelkamp an den Folgen eines Herzanfalls. Wenn ein 70jähriger wie Thomas Dehler die Augen schließt, dann kann man sich ein wenig damit trösten, daß er im Abend des Lebens stand. Diesen Trost gibt es für Theodor Mengelkamps Familie und Freunde nicht. Er hatte erst knapp die Höhe des kräftigen Mannesalters erreicht mit seinen 43 Jahren. Hinter ihm lagen schwere Kriegsjahre. Als Achtzehnjähriger wurde der junge Westfale eingezogen, und im November 1944 wurde er schwerkriegsbeschädigt wieder entlassen. Als er aus dem Lazarett heraus war und wieder seinem Beruf nachgehen konnnte - er war Prokurist einer Firma in Iserlohn -, da begann er, am politischen Wiederaufbau teilzunehmen. 1946 trat er der Christlich-Demokratischen Union bei. Er wurde ihr Vorsitzender in Iserlohn. Dem Deutschen Bundestag gehörte Theodor Mengelkamp seit 1957 an. In diesen zehn Jahren war er Mitglied des Haushaltsausschusses und stellvertretendes Mitglied des Ausschusses für Familien- und Jugendfragen.
Einige Wochen vor seinem Tod hatte ich mit ihm ein Gespräch. Er war schon im Frühjahr lange krank gewesen. Nun kam er zu mir, um sich zurückzumelden. Ich fragte ihn, ob er sich denn kräftig genug fühle, seine anstrengende parlamentarische Arbeit als einer der Haushaltsexperten seiner Fraktion wieder aufzunehmen. Theodor Mengelkamp meinte - vielleicht mit einem leisen Zögern -, es werde schon gehen. Ich war besorgt und verabredete ein neues Gespräch mit ihm nach der Parlamentspause. Dann wollten wir weitersehen. Der Tod trat dazwischen. D e r Teil der Frage, der dieses Haus angeht, ist aber geblieben. Theodor Mengelkamp hinterläßt Frau und vier Kinder. Er steht mit seinem politischen Wirken für viele Mitglieder dieses Hauses in allen Fraktionen. Sie machen selten oder nie Schlagzeilen. Und doch wäre ohne ihren Fleiß und ohne ihre Hingabe der Alltag des Parlaments mit seiner Last gänzlich unbezwingbar. - Der Familie unseres Kollegen Mengelkamp und der Fraktion der CDU/CSU habe ich die herzliche Anteilnahme des Hauses zum Ausdruck gebracht.
Schließlich ist während der Ferien still und unauffällig, wie es seine Art war, im 92. Lebensjahr von uns gegangen der ehemalige Reichstagspräsident Paul Löbe. Ich habe seinen Tod dem Hause angezeigt. Der Herr. Bundespräsident ordnete Staatsbegräbnis an. Dem Deutschen Bundestag war es eine Ehre, den langjährigen Präsidenten des Deutschen Reichstages und den verehrten Kollegen - wenn auch nur im Sarge - noch einmal im Reichstag in Berlin zu empfangen. Ich schätze, daß mit Paul Löbe der Letzte aus der ersten Reihe derer dahingegangen ist, die uns mit dem ehrenhaften Ringen der Deutschen, mit unserem geschichtlichen Weg und Schicksal in den letzten hundert Jahren verknüpfen. Hier, von dieser Stelle aus, hat der ehemalige Reichstagspräsident als erster Alterspräsident des Deutschen Bundestages am 7. September 1949 den 1. Deutschen Bundestag eröffnet. Er sagte dabei:
Indem wir die Wiedergewinnung der deutschen Einheit als erste unserer Aufgaben vor uns sehen, versichern wir gleichzeitig, daß dieses Deutschland ein aufrichtiges, von gutem Willen erfülltes Glied eines geeinten Europa sein will.
Das gilt auch heute. Es faßt sich darin zusammen, was als geschichtlicher Ertrag, als Frucht bitterer Leiden und kraftvoller Hoffnungen über dem Weg der Deutschen in die Zukunft steht.
Meine Damen und Herren, der Deutsche Bundestag hat dreier Toten gedacht. Jeder von ihnen hat sich in seiner Weise um das Vaterland verdient gemacht.
Meine Damen und Herren, ehe wir in die Tagesordnung eintreten, habe ich Glückwünsche auszusprechen, zunächst einen ungewöhnlichen Glückwunsch an den langjährigen Vizepräsidenten des Deutschen Bundestages, den Bundesminister Professor Carlo Schmid, Preisträger des Goethe-Preises der Stadt Frankfurt im Jahre 1967.
({1})
Den Glückwunsch des Hauses spreche ich aus dem Herrn Kollegen Dr. Birrenbach zum 60. Geburtstag, dem Herrn Kollegen Borm zum 72. Geburtstag, dem Herrn Kollegen Lenz ({2}) zum 60. Geburtstag, dem Herrn Kollegen Kühn ({3}) zum 60. Geburtstag, dem Herrn Kollegen Enk zum 73. Geburtstag, der Frau Kollegin und Bundesministerin Strobel zum 60. Geburtstag, dem Herrn Kollegen Dr. Schmidt ({4}) zum 65. Geburtstag, dem Herrn Kollegen Teriete zum 60. Geburtstag und dem Herrn Kollegen Walter zum 71. Geburtstag.
({5})
Für den verstorbenen Abgeordneten Dr. Thomas Dehler hat der Abgeordnete Porsch am 27. Juli 1967 die Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag erworben.
Für den verstorbenen Abgeordneten Mengelkamp hat der Abgeordnete Falke am 27. Juli 1967 die Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag wieder erworben.
Der Abgeordnete Dr. Vogel ({6}) hat mit Wirkung vom 17. Juli 1967 auf seine Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag verzichtet. Als sein Nachfolger ist der Abgeordnete Knobloch am 24. Juli 1967 in den Deutschen Bundestag wieder eingetreten.
Der Abgeordnete Holkenbrink hat mit Wirkung vom 17. Juli 1967 auf seine Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag verzichtet. Als sein Nachfolger ist der Abgeordnete Reinholz am 24. Juli 1967 in den Bundestag eingetreten.
Ich begrüße die neuen Kollegen in unserer Mitte und wünsche ihnen eine gute Zusammenarbeit.
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Noch eine Mitteilung an das Haus: Der Herr Bundesminister der Finanzen hat am 28. August 1967 gemäß § 33 Abs. 1 der Reichshaushaltsordnung die Zusammenstellung der über- und außerplanmäßigen Haushaltsausgaben im ersten und zweiten Vierteljahr des Rechnungsjahres 1967 übersandt, die den
Präsident D. Dr. Gerstenmaier
Betrag von 10 000 DM übersteigen - Drucksache V/2080 -. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung wird diese Vorlage dem Haushaltsausschuß überwiesen. Ich frage, ob das Haus einverstanden ist. - Kein Widerspruch; es ist so beschlossen.
Die folgenden amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 30. Juni bzw. 14. Juli 1967 den nachstehenden Gesetzen zugestimmt bzw. einen Antrag gemäß Artikel 77 Abs. 2 GG nicht gestellt:
Gesetz zu dem Vertrag vom 15. Juli 1964 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik von Portugal über die Auslieferung und die Rechtshilfe in Strafsachen
Gesetz über die Feststellung des Wirtschaftsplans des ERP-Sondervermögens für das Rechnungsjahr 1967 ({8})
Gesetz zur Ausführung der Verordnung Nr. 17 des Rates der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft
Gesetz zur Änderung der Gewerbeordnung
Gesetz zu dem Vertrag vom 17. Februar 1966 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich über den Durchgangsverkehr auf der Roßfeldstraße
Gesetz zu dem Vertrag vom 17. Februar 1966 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Osterreich über den Durchgangsverkehr auf den Straßen an der Walchen Ache und am Pittenbach sowie zum Bächen- und Rißtal im deutschen und österreichischen Grenzgebiet
Gesetz zur Ergänzung des Gesetzes zur Anderung von Vorschriften des Fideikommiß- und Stiftungsrechts
Gesetz zu dem Ubereinkommen vom 30. April 1966 zwischen der Bundesrepublik Deutschland, der Republik Österreich und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die Regelung von Wasserentnahmen aus dem Bodensee
Siebentes Gesetz zur Änderung des Milch- und Fettgesetzes
Siebentes Gesetz zur Änderung des Selbstverwaltungsgesetzes
Gesetz über die politischen Parteien ({9})
Gesetz zur Aufhebung des Personalgutachterausschuß-Geseizes
Gesetz über die Aufhebung des staatlichen Schleppmonopols auf den westdeutschen Kanälen
Gesetz zu den Änderungen vom 21. Mai 1965 des Übereinkommens über ein einheitliches System der Schiffsvermessung
Achtes Gesetz zur Änderung des Zollgesetzes
Gesetz zur Änderung des Gesetzes über steuerrechtliche Maßnahmen bei Erhöhung des Nennkapitals aus Gesellschaftsmitteln und bei Überlassung von eigenen Aktien an Arbeitnehmer
Gesetz zur Änderung strafrechtlicher Vorschriften der Reichsabgabenordnung und anderer Gesetze ({10})
Gesetz zur Durchführung der gemeinsamen Marktorganisationen für Getreide, Reis, Schweinefleisch, Eier und Geflügelfleisch ({11})
Gesetz zur Durchführung der Verordnung Nr. 44/67/EWG ({12})
Gesetz über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1967 ({13})
Gesetz zur Neuordnung des Bundesdisziplinarrechts
Erstes Gesetz zur Neuregelung des Besoldungsrechts ({14})
Drittes Gesetz zur Änderung des Wasserhaushaltsgesetzes
Gesetz zur Änderung des Patentgesetzes, des Warenzeichengesetzes und weiterer Gesetze
Zu den nachfolgenden Gesetzen hat der Bundesrat ferner Entschließungen gefaßt, die als Anlagen 2, 3 und 4 diesem Protokoll beigefügt sind:
Gesetz zur Änderung strafrechtlicher Vorschriften der
Reichsabgabenordnung und anderer Gesetze ({15})
Drittes Gesetz zur Änderung des Wasserhaushaltsgesetzes
Gesetz zur Änderung des Patentgesetzes, des Warenzeichengesetzes und weiterer Gesetze
Zum Gesetz über die Gebäude- und Wohnungszählung 1968 ({16}) hat der Bundesrat verlangt, daß der Vermittlungsausschuß gemäß Artikel 77 Abs. 2 des Grundgesetzes einberufen wird. Sein Schreiben ist als Drucksache V/2092 verteilt.
Der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft hat am 30. Juni 1967 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Steinmetz, Burgemeister, Enk, Dr. Huys, Dr. Jahn ({17}), Dr. Jungmann, Kühn ({18}), Rock und Genossen betr. Berücksichtigung der Wirtschaft des Zonenrandgebietes bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen - Drucksache V/1845 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache V/1964 verteilt.
Der Bundesminister des Innern hat am 30. Juni 1967 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Kubitza, Spitzmüller, Jung, Dorn, Ertl und der Fraktion der FDP betr. Goldener Plan - Drucksache V/1462 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache V/2009 verteilt.
Der Bundesminister der Finanzen hat am 7. Juli 1967 die Kleine Anfrage der Fraktion der FDP betr. Mehrwertsteuer - Drucksache V/1909 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache V/2021 verteilt.
Der Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat am 14. Juli 1967 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Bauknecht, Bewerunge, Ehnes, Dr. Frey, Klinker, Krug, Dr. Reinhard, Dr. Ritgen, Stooß und Genossen betr. von Italien in jüngster Zeit getroffene veterinärpolizeiliche Maßnahmen - Drucksache V/1992 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache V/2029 verteilt.
Der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung hat am 14. Juli 1967 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Frau Jacobi ({19}), Frau Wessel, Wächter und Genossen betr. unterschiedliche Rechtsgrundlagen für die Beurteilung der Erwerbsfähigkeit
- Drucksache V/1997 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache V/2030 verteilt.
Der Staatssekretär im Bundesministerium des Innern hat am 14. Juli 1967 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Miessner, Dorn, Dr. Emde, Sander, Dr. Mühlhan und Genossen betr. Benachteiligung der Pensionäre - Drucksache V/1883 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache V/2031 verteilt.
Der Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat am 18. Juli 1967 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Bauknecht, Bewerunge, Dr. Frey, Klinker, Krug, Dr. Reinhard, Dr. Ritgen, Schröder ({20}) und Genossen betr. vorläufige Abmachungen in der Kennedy-Runde auf dem Rindermarkt - Drucksache V/1993 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache V/2035 verteilt.
Der Staatssekretär im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit hat am 18. Juli 1967 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Serres, Dr. Schulz ({21}), Dr. Rutschke und Genossen betr. Empfehlung 490 der Beratenden Versammlung des Europarates - Drucksache V/2001 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache V/2037 verteilt.
Der Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft hat am 19. Juli 1967 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Stücklen, Unertl, Schlager und Genossen betr. Wiederherstellung der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Granit- und Steinindustrie
- Drucksache V/1478 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache V/2038 verteilt.
Der Bundesminister des Auswärtigen hat am 20. Juli 1967 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Vogt, Memmel, Frau Klee und Genossen betr. Schaffung eines Europäischen Jugendwerks
- Drucksache V/1998 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache V/2045 verteilt.
Der Staatssekretär im Bundesministerium des Innern hat am 27. Juli 1967 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Schlager, Dr. Even, Wagner, Dr. Wörner, Dr. Althammer und Genossen betr. Mißbrauch des Gastrechts durch einzelne Gruppen von Ausländern in der Bundesrepublik Deutschland - Drucksache V/1995 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache V/2046 verteilt.
Der Bundesminister für Verkehr hat am 26. Juli 1967 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dichgans, Stingl, Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein und Genossen betr. Nächtlicher Fluglärm - Drucksache V/2015 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache V/2053 verteilt.
Der Staatssekretär im Bundesministerium des Innern hat am 27. Juli 1967 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Frau Funcke, Frau Dr. ,Diemer-Nicolaus und Genossen betr. Anzahl der beschäftigten weiblichen Beamten und Angestellten im höheren Dienst - Drucksache V/1838 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache V/2055 verteilt.
Der Bundesminister des Auswärtigen hat am 7. August 1967 die Kleine Anfrage der Fraktion der FDP betr. Verschleppung südkoreanischer Staatsangehöriger aus der Bundesrepublik Deutschland - Drucksache V/2026 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache V/2059 verteilt.
Der Bundesminister für wissenschaftliche Forschung hat am 10. August 1967 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Berkhan, Draeger, Dr. Rutschke und Genossen betr. Empfehlung 154 der WEU-Versammlung über den Stand der europäischen Raumforschungstätigkeit - Drucksache V/2049 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache V/2064 verteilt.
Der Staatssekretär des Auswärtigen Amts hat am 11. August 1967 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Blachstein, Blumenfeld, Dr. Rutschke und Genossen betr. Jahresbericht des Ministerrates der WEU - Drucksache V/2051 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache V/2066 verteilt.
Der Staatssekretär des Auswärtigen Amts hat am 11. August 1967 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Schulz ({22}), Dr. Kliesing ({23}) und Genossen betr. Empfehlungen 157 und 158 der WEU-Versammlung über die Lage im Vorderen Orient
- Drucksache V/2052 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache V/2067 verteilt.
Präsident D. Dr. Gerstenmaier
Der Staatssekretär im Bundesministerium für Gesundheitswesen hat am 11. August 1967 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Kahn-Ackermann, Frau Klee und Genossen betr. Europäische Wassercharta - Drucksache V/2050 - beantwortet. Sein
Schreiben ist als Drucksache V/2068 verteilt.
Der Staatssekretär im Bundesministerium des Innern hat am 21. August 1967 die Kleine Anfrage der Fraktion der SPD betr. Honnefer Modell - Drucksache V/1910 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache V/2075 verteilt.
Der Staatssekretär des Bundesministeriums der Finanzen hat am 24. August 1967 die Kleine Anfrage der Fraktion der FDP betr. mittelfristige Finanzplanung - Entwicklung der Einkommen aus unselbständiger Arbeit - Drucksache V/2061 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache V/2079 verteilt.
Der Staatssekretär im Bundesministerium der Finanzen hat am 23. August 1967 die Kleine Anfrage des Abgeordneten Deringer und der Fraktion der CDU/CSU betr. Erleichterung der freien Wahl der Unternehmensform - Drucksache V/1945 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache V/2082 verteilt.
Der Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen hat am 6. Juli 1967 unter Bezug auf § 17 Abs. 5 des Postverwaltungsgesetzes den 1. Nachtrag zum Voranschlag der Deutschen Bundespost für das Rechnungsjahr 1967 übersandt. Der Nachtrag liegt im Archiv zur Einsichtnahme aus.
Der Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen hat am 10. August 1967 unter Bezug auf § 19 Abs. 6 des Postverwaltungsgesetzes den Geschäftsbericht der Deutschen Bundespost über das Rechnungsjahr 1966 zur Kenntnis vorgelegt. Der Bericht ist als Drucksache V/2094 verteilt.
Der Vorsitzende des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat am 7. Juli 1967 mitgeteilt, daß der Ausschuß gegen die nachstehenden Verordnungen keine Bedenken erhoben habe:
Verordnung Nr. 105/67/EWG des Rates vom 31. Mai 1967 zur Änderung des in Italien während des Milchwirtschaftsjahres 1967/1968 geltenden Schwellenpreises für Butter
Verordnung Nr. 106/67/EWG des Rates vom 31. Mai 1967 über die Abweichung von einigen Vorschriften der Verordnung Nr. 13/64/EWG in bezug auf die Festsetzung der Schwellenpreise und die Berechnung der Abschöpfungsbeträge sowie
der Erstattungsbeträge für bestimmte Käsesorten Verordnung Nr. 107/67/EWG des Rates vom 31. Mai 1967 über die Abweichung von den Vorschriften der Verordnungen Nr. 160/66/EWG und Nr. 92/67/EWG in bezug auf die Abgaben, die zu erheben sind, wenn Erzeugnisse vom 1. Juni 1967 an nach Italien eingeführt werden, denen ein Formblatt DD 1 beigefügt ist
Die Mündlichen Anfragen für den Monat Juli sind zusammen mit den dazu erteilten schriftlichen Antworten als Drucksache V/2072 verteilt.
Die Mündlichen Anfragen für den Monat August werden als Drucksache V/2090 verteilt.
Der Präsident des Bundestages hat entsprechend dem Beschluß des Bundestages vom 23. Februar 1962 die nachstehenden Vorlagen überwiesen:
Zweiundneunzigste Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1966 ({24})
- Drucksache V/1965 an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 13. Oktober 1967
Zolltarif-Verordnung ({25})
- Drucksache V/2002 an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 13. Oktober 1967
Erste Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1967 ({26})
- Drucksache V/2003 an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 13. Oktober 1967
Elfte Verordnung zur Änderung der Außenwirtschaftsverordnung
- Drucksache V/2017 an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 13. Oktober 1967
Dreizehnte Verordnung zur Änderung der Ausfuhrliste - Anlage AL zur Außenwirtschaftsverordnung -- Drucksache V/2018 an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 13. Oktober 1967
Einunddreißigste Verordnung zur Änderung der Einfuhrliste
- Anlage zum Außenwirtschaftsgesetz - Drucksache V/2019 an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 13. Oktober 1967
Dritte Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1967 ({27})
- Drucksache V/2040 -an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 8. November ,1967
Fünfte Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1967 ({28})
- Drucksache V/2057 an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen ({29}) und an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ({30}) mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 17. November 1967
Neunte Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1967 ({31})
- Drucksache V/2058 -
an den Ausschuß für .Wirtschaft und Mittelstandsfragen mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 17. November 1967
Zu den in der Fragestunde der 102. Sitzung des Deutschen Bundestages am 13. April 1967 gestellten Fragen des Abgeordneten Hellenbrock, Drucksache V/1618 Nrn. XIII/5, XIII/6 und XIII/7 *), ist inzwischen die schriftliche Antwort des Bundesministers Lücke vom 14. April 1967 eingegangen:
Nach den vorliegenden Erfahrungen wird der Reiseverkehr in die Bundesrepublik Deutschland von staatlichen Stellen der Ostblockstaaten in nicht unbeträchtlichem Umfange dazu benutzt, die Reisenden mit Aufträgen zu versehen, deren Ausführung der Sicherheit unseres Staates und berechtigten Geheimhaltungsinteressen der deutschen Industrie abträglich sein kann.
Die Gestaltung des deutschen Einreiseverfahrens dient dazu, dem Mißbrauch des Reiseverkehrs für solche Zwecke im Rahmen des Möglichen entgegenzuwirken und die bestehenden Risiken zumindest zu verringern. Bei ihrem Bemühen hat die Bundsregierung auch bei den Spitzengremien der deutschen Wirtschaft großes und dankenswertes Verständnis gefunden. Die Bundesregierung hat sich ihrerseits darum bemüht, durch rationelle Verfahrensgestaltung und den notwendigen Personaleinsatz vermeidbare Verzögerungen im Sichtvermerksverfahren auszuschalten. Nachdem es in engem Zusammenwirken aller beteiligten Stellen gelungen ist, das Sichtvermerksverfahren im Regelfall innerhalb von zwei Wochen seit Eingang bei der innerdeutschen Behörde, in Eilfällen in noch kürzerer Zeit durchzuführen, kann von Behinderung der deutschen Außenwirtschaft in ihren Bemühungen um Ostkontakte nach Auffassung der Bundesregierung kaum noch gesprochen werden. Geschäftsreisen werden im allgemeinen nicht von heute auf morgen angetreten, sondern vorausgeplant, so daß auch die für die Durchführung des Sichtvermerksverfahrens erforderliche Zeit von durchschnittlich zwei Wochen mit eingeplant werden kann. Die Bundesregierung ist im übrigen im Begriff, das Verfahren bei eilbedürftigen Fällen so umzugestalten, daß eine noch frühere Erteilung der Sichtvermerke ermöglicht wird.
Zu Frage XIII/6:
Der Bundesregierung ist bekannt, daß von Angehörigen der Ostblockstaaten und auch von Handelsvertretungen dieser Staaten gelegentlich die Existenz des Sichtvermerksverfahrens und seine angeblich zu lange Dauer beklagt wird. Die Gründe, die das Verfahren als solches nach Auffassung der Bundesregierung rechtfertigen - nämlich Sicherheitsgründe -, sind bereits in der Antwort auf die erste Frage erwähnt worden.
Was die Klagen über eine zu lange Dauer des Verfahrens angeht, so pflegen sie mit der Behauptung verbunden zu werden, bestimmte Einreisebewerber hätten 6 Wochen oder länger auf die von ihnen beantragten Sichtvermerke warten müssen. Die Prüfung solcher Beanstandungen an Hand der dem Bundesministerium des Innern vorliegenden Original-Anträge hat regelmäßig ergeben, daß die aufgestellten Behauptungen über eine so lange Bearbeitungsdauer durch die deutschen Behörden nicht zutrafen. In einem Teil der Fälle ergab sich schon aus der von den Antragstellern selbst vorgenommenen Datierung der Anträge, daß die Behauptungen über eine Bearbeitungsdauer von 6, 8 oder mehr Wochen wider besseres Wissen aufgestellt waren. In anderen Fällen ergab sich, daß zwar der Antrag geraume Zeit vor der beabsichtigten Einreise ausgefüllt und datiert worden, aber erst Wochen oder gar Monate nach dem eingetragenen Datum bei der zuständigen Auslandsvertretung eingegangen war, woraus der Schluß zu ziehen ist, daß er sich während dieser Zeit entweder noch in der Hand des An-
*) Siehe 102. Sitzung, Seite 4752 D
Präsident D. Dr. Gerstenmaier
tnagstellers oder aber bei den Behörden des Heimatstaates befand, die über die Ausreiseerlaubnis zu entscheiden hatten. Diese Verzögerungen können naturgemäß nicht dem deutschen Sichtvermerksverfahren oder den darin eingeschalteten deutschen Behörden zur Last gelegt werden.
Die Praxis der Ostblockstaaten bei der Visa-Erteilung an Reisende aus dem Ausland unterscheidet sich nach den vorliegenden Erfahrungen im Regelfall nicht allzu sehr von der hiesigen, auch nicht hinsichtlich der dafür benötigten Zeit. In gewissen Fällen - aber keineswegs in der Regel - erteilen bestimmte Ostblockstaaten allerdings Visa bei der Einreise ohne vorherige Antragstellung. Dies kann in den Ostblockstaaten ohne Gefährdung eigener Belange deshalb geschehen, weil ihre Sicherheitsinteressen durch ihren bis ins letzte ausgebauten Kontrollapparat im Landesinnern gewahrt bleiben. Demgegenüber ist in der Bundesrepublik eine Überwachung der aus dem Ostblock eingereisten Ausländer im allgemeinen nicht möglich, so daß sie gezwungen ist, ihre Sicherheitsbelange, wenn überhaupt, dann vor der Einreise zur Geltung zu bringen.
Zu Frage XIII/7:
Die Bundesregierung trägt keine Bedenken, den deutschen Handelsvertretungen die Wahrnehmung von Sichtvermerksangelegenheiten zu übertragen. Dies kann aber nur mit Zustimmung des jeweiligen Empfangsstaates geschehen. Diese Frage ist jeweils Gegenstand von Verhandlungen mit dem Empfangsstaat, mit bisher unterschiedlichen Ergebnissen.
Meine Damen und Herren, damit kommen wir zur Tagesordnung. Die Fragestunde findet nach einer interfraktionellen Vereinbarung im Ältestenrat heute zwischen 14 und 15 Uhr statt.
Aufgenommen in die Tagesordnung ist die Wahl eines Stellvertreters des Präsidenten. Ich habe diese Wahl auf Freitag, 12 Uhr, angesetzt.
Ich rufe damit den Punkt 3 a bis f auf:
a) Beratung der von der Bundesregierung vorgelegten Finanzplanung des Bundes 1967 bis 1971
- Drucksache V/2065 -
in Verbindung mit der Entschließung des Bundesrates
- Drucksache V/2084 -
b) Beratung des von der Bundesregierung vorgelegten Zweiten Programms der Bundesregierung für besondere konjunktur- und strukturpolitische Maßnahmen 1967/68
- Drucksache V/2070 -
und der Entschließung des Bundesrates gemäß § 8 Abs. 1 Satz 4 des Gesetzes zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft vom 8. Juni 1967
- Drucksache V/2085 -
c) Erste, zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes ({32})
- Drucksache V/2086 -
d) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verwirklichung der mehrjährigen Finanzplanung des Bundes, I. Teil Zweites Steueränderungsgesetz 1967
- Drucksache V/2087 -
e) Erste, zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs
eines Gesetzes über Finanzierungshilfen aus Mitteln des ERP-Sondervermögens für Investitionen im Bereich der Gemeinden ({33})
- Drucksache V/2088 -Erste, zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Deutsche Bundesbank
- Drucksache V/2089 Das Wort zur Einbringung hat zunächst der Herr Bundeskanzler.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bundesregierung legt Ihnen heute den mehrjährigen Finanzplan und ihr Zweites Konjunkturprogramm vor. Ich hatte .dieses Hohe Haus um eine Sondersitzung gebeten, damit durch die Beratung dieser Vorlagen die für die Planungen unserer Wirtschaft dringend notwendige Klarheit rechtzeitig herbeigeführt wird. Ich bin dem Hohen Hause für die Bereitschaft dankbar, diese Sondersitzung während der Parlamentsferien abzuhalten.
In der Regierungserklärung waren die Maßnahmen, die Ihnen heute zur Beratung vorliegen, angekündigt, um einerseits die Finanzkrise, die im letzten Jahr offenbar wurde, endgültig zu überwinden und zukünftige Krisen ähnlicher Art zu vermeiden und um andererseits die notwendigen Maßnahmen zur Wiederbelebung unserer Wirtschaft zu treffen.
Über Zweck und Ziel der mehrjährigen Finanzplanung besteht in der Öffentlichkeit noch manche Unklarheit. Diese-Finanzplanung ging von einer umfassenden Bestandsaufnahme unserer finanziellen Situation aus. Dabei wurden alle gesetzlichen, vertraglichen und internationalen Verpflichtungen kritisch überprüft. Es stellte sich heraus, daß wir für die Jahre 1968 bis 1971 mit einer Deckungslücke von rund 64 Milliarden DM zu rechnen hatten. Um diese Haushaltslücke zu schließen, war der rein konventionelle Weg über eine Kürzung der Ausgaben, Steuererhöhungen und langfristige Anleihen nicht gangbar. Steuererhöhungen konnten nicht über ein gewisses Maß hinaus vorgenommen werden, da sie in der jetzigen Konjunkturphase wachstumshemmend wirken müßten. Auch langfristige Anleihen stehen nur in beschränktem Umfange zur Verfügung. Andererseits konnten die Haushaltslücken auch nicht allein durch Ausgabekürzungen geschlossen werden. Ich habe schon in der Regierungserklärung darauf hingewiesen, daß man diesem Problem nicht einfach mit der Holzaxt beikommen kann. Allzu drastische Streichungen hätten zu einem Kahlschlag geführt und uns gezwungen, auch in die Bereiche der für die Sicherung der Zukunft unentbehrlichen Sozialinvestitionen einzugreifen.
Wir haben daher in Übereinstimmung mit der Bundesbank kurz- und mittelfristige Kreditmittel in einem vertretbaren Umfang zur Finanzierung der mittelfristigen Finanzplanung eingestellt. Wir haben Verbesserungen der Bundeseinnahmen von etwas
Bundeskanzler Dr. h. c. Kiesinger
mehr als 11 Milliarden DM vorgesehen und Vergünstigungen von 2 Milliarden DM gestrichen. Die in den Einnahmeverbesserungen enthaltenen Steuererhöhungen, zu denen wir uns nur sehr ungern entschlossen, waren leider notwendig, um den Bundeshaushalt dauerhaft zu sanieren und um die Belastungen sozial ausgewogen zu verteilen.
Trotz diesen Maßnahmen auf der Einnahmeseite war es erforderlich und ist es gelungen, Einsparungen im Bundeshaushalt in Höhe von rund 30 Milliarden DM vorzunehmen. Das Ausgabevolumen des Bundeshaushalts wird danach in den nächsten vier Jahren um durchschnittlich jährlich etwas unter 6 % steigen. Dieses Wachstum steht in Einklang mit den gesamtwirtschaftlichen Zielprojektionen für den Planungszeitraum, die schon in der Regierungserklärung mit etwa 4 % jährlich realer Zuwachsrate des Bruttosozialprodukts angegeben waren.
Dieser mehrjährigen Finanzplanung liegt natürlich ein politisches Gesamtkonzept zugrunde. Wir führen einerseits seit langem Bewährtes fort; andererseits haben wir, wo es notwendig war, Korrekturen vorgenommen und neue Prioritäten gesetzt. Unter diesem Gesichtspunkt wurde der Anteil der Investitionsausgaben im Gesamthaushalt von 17,7 % in diesem Jahr auf 19,21 % im Jahre 1971 gesteigert, wurde ein Spielraum für neue Maßnahmen im Umfang von 0,5 Milliarden DM im Jahre 1970 und 1,2 Milliarden DM im Jahre 1971 geschaffen, wurden die Ansätze für Wissenschaft und Forschung, für Entwicklungshilfe und für den Verkehr über die durchschnittlichen Zuwachsraten des Haushalts hinaus erheblich erhöht. Die Zuweisungen der Mittel für den Verteidigungsetat stellen sicher, daß die Bundeswehr auch in Zukunft ihren Verteidigungsbeitrag im Rahmen des nordatlantischen Bündnisses erfüllen kann.
Mit der mittelfristigen Finanzplanung hat diese Regierung etwas völlig Neues geschaffen, wofür es in unserer Finanzgeschichte kein Vorbild gibt. Wir werden daher notwendigerweise beim Vollzug der mehrjährigen Finanzplanung Erfahrungen sammeln müssen. Die Planung ist elastisch genug, um die Verwertung dieser Erfahrungen bei der vorgesehenen jährlichen Anpassung zu ermöglichen. Sie ist keine Zwangsjacke, sie ist aber auch nicht nur ein unverbindliches Papier. Ihre wichtigste Aufgabe ist es, für mehrere Jahre einen festen Rahmen zu setzen, der uns vor allem gegen die Wiederholung einer so schmerzlichen Krise wie der des Herbstes 1966 sichern soll.
Das neue Konjunkturprogramm, meine Damen und Herren, steht in engstem Zusammenhang mit der Finanzplanung. Dieses Programm ist - darin stimmen die Bundesregierung und die Bundesbank überein - auch in der gegenwärtigen Phase der konjunkturellen Entwicklung noch notwendig. Zwar gibt es deutliche Anzeichen dafür, daß der wirtschaftliche Abschwung beendet ist; wir können uns aber nicht darauf verlassen, daß der wirtschaftliche Aufschwung ohne eine weitere konjunkturpolitische Hilfe des Staates gesichert sei. Unsere Produktion liegt noch deutlich unter dem Niveau des vergangenen Jahres, die industriellen Kapazitäten sind seit
dem April dieses Jahres unverändert nur zu 78 % ausgefüllt, und noch immer haben wir 360 000 Arbeitslose. Wir brauchen daher das neue Konjunkturprogramm, um die Wirkungen des im Januar beschlossenen ersten Programms zu sichern und um der Wirtschaft über den Winter hinweg zu einem neuen Aufschwung zu verhelfen. Die Durchführung dieses Konjunkturprogramms muß allerdings flexibel genug sein, um einem etwaigen unerwartet raschen Aufschwung der Konjunktur angepaßt werden zu können.
Die Regierung verfolgt mit diesem Programm auch das Ziel regionaler und sektoraler struktureller Verbesserungen. Seine Auswirkungen kommen vor allem dem weiten Gebiet der Infrastruktur zugute.
Meine Damen und Herren, in unserem Bundesstaat können die notwendigen finanz- und konjunkturpolitischen Maßnahmen nicht auf den Bund beschränkt bleiben. Für die Konjunkturpolitik hat das Stabilitätsgesetz die Voraussetzungen für die notwendige Zusammenarbeit geschaffen. Das Stabilitätsgesetz verpflichtet neben dem Bund auch die Länder zu einer mehrjährigen Finanzplanung. Es enthält jedoch keine Vorschrift über die unerläßliche gegenseitige Abstimmung dieser Pläne. Ich begrüße daher den aus dem Bundesrat stammenden Vorschlag, zu diesem Zweck ein gemeinsames Beratungsgremium zu schaffen, das etwa den Namen „Finanzplanungsrat" erhalten könnte. Mit einem solchen Finanzplanungsrat, mit dem durch das Stabilitätsgesetz eingeführten Konjunkturrat und mit einer befriedigenden Reform der Finanzverfassung wäre eine außerordentlich wichtige Verbesserung unserer bundesstaatlichen Ordnung und Zusammenarbeit gewonnen. Die Bundesregierung ist entschlossen, die Reform der Finanzverfassung, über die die Verhandlungen mit den Ländern eingeleitet worden sind, noch in dieser Legislaturperiode durchzuführen.
Meine Damen und Herren, die Regierung der Großen Koalition besteht nun seit neun Monaten. Sie hat in einer verhältnismäßig kurzen Zeitspanne ein großes Maß an innen- und außenpolitischer Arbeit, auch auf wirtschafts- und finanzpolitischem Gebiet, geleistet. Mit den Vorlagen, die sie dem Hohen Haus heute unterbreitet - und die von dem Herrn Finanzminister und dem Herrn Wirtschaftsminister noch eingehend erläutert werden -, vollzog sie bedeutsame Ankündigungen der Regierungserklärung vom 13. Dezember des vergangenen Jahres.
Manche Kritiker dieser Vorlagen vermissen an der mehrjährigen Finanzplanung ein umfassendes detailliertes politisches Programm. Ich habe schon darauf hingewiesen, daß der Planung selbstverständlich ein bedeutsames Programm zugrunde liegt, das sich ohne große Mühe ablesen läßt. Wer von der mittelfristigen Finanzplanung ein alle Probleme zugleich anpackendes, erschöpfend detailliertes und abschließendes Regierungsprogramm für die beiden kommenden Jahre erwartet, verkennt freilich den Zweck der mittelfristigen Finanzplanung wie auch die Situation dieser Regierung und dieser Koalition. Sie war vor allem dazu aufgerufen, zwei brennende aktuelle Aufgaben zu lösen: die Sanierung des öfBundeskanzler Dr. h. c. Kiesinger
fentlichen Haushalts und die Wiederbelebung unserer Wirtschaft. Wenn es ihr gelingt - und ich bin fest davon überzeugt, daß es uns gelingen wird -, diese beiden großen Aufgaben zu meistern, dann wird sie die Hoffnung, die unsere Bevölkerung auf sie setzte, schon weithin erfüllt haben. Wir haben aber weit über diese aktuellen Ziele hinaus gedacht, geplant und gehandelt.
Natürlich muß ein solches Werk seine Kritiker finden. Aber die Kritiker der Großen Koalition und ihrer Arbeit müssen sich doch fragen, was man von ihr - gerade von ihr - fordern muß und was -man angesichts der programmatischen Unterschiede der beiden großen Parteien, die durch das Koalitionsbündnis ja nicht einfach aufgehoben wurden, vernünftigerweise nicht erwarten kann. Was man von der Großen Koalition fordern kann, ist durch die Regierungserklärung umrissen worden. Wenn ich nun gefragt würde, was man von dieser Koalition angesichts ihrer programmatischen Unterschiede vernünftigerweise nicht erwarten dürfe, so würde ich eine endgültige Antwort dazu nicht wagen; denn diese Antwort kann nur aus der gemeinsamen Bemühung um die Lösung der Probleme unserer Zeit gewonnen werden.
Wir leben und wirken in einer sich stürmisch wandelnden Welt. Probleme, Aufgaben tauchen auf, die in den vergangenen Auseinandersetzungen der Parteien kaum eine Rolle gespielt haben und die viele Streitfragen der Vergangenheit obsolet erscheinen lassen. Man kann die Aufgabe der Politik in unserer Zeit mit dem Satz umschreiben, daß sie, was in ihrer Möglichkeit liegt, dazu beitragen soll, um unser Volk fähig zu machen, im kommenden Zeitalter, in der künftigen Welt mit allen ihren Schwierigkeiten und Gefahren, aber auch mit allen ihren Chancen erfolgreich und in Freiheit und Würde zu bestehen.
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Seien Sie überzeugt, meine Damen und Heren, daß wir in den kommenden Jahren den Blick auf diese großen Aufgaben richten werden. Die bisherigen Erfahrungen des schwierigsten Regierungsbündnisses seit der Gründung der Bundesrepublik geben mir die Hoffnung und die Zuversicht - und ich sage dies ausdrücklich gegen die eilfertigen und unermüdlichen Aufspürer vermeintlicher tiefgreifender Gegensätze und Zerworfenheiten der Großen Koalition -, daß wir in gemeinsamen Bemühungen um diese großen Probleme auch auf wichtigen Gebieten gemeinsam neue Lösungen finden werden.
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Das Wort hat der Herr Bundesminister der Finanzen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der vorliegende Punkt der Tagesordnung - Finanzplanung, Steueränderungsgesetze, Konjunktur- und Strukturprogramm - ist Teil eines geschlossenen Programms. Aus diesem geschlossenen Programm kann kein Baustein ersatzlos herausgelöst werden; sonst ist das Ganze gefährdet.
Die Finanzplanung des Bundes für die Jahre 1967 bis 1971, die diesem Hohen Hause nach § 9 Abs. 2 des Stabilitätsgesetzes vorgelegt werden mußte und hiermit vorgelegt worden ist, bedeutet einen echten Einschnitt in der nunmehr achtzehnjährigen Finanzgeschichte der Bundesrepublik Deutschland. Diese Finanzplanung, von der man sich keine Wunder versprechen darf, deren Bedeutung aber auch nicht unterschätzt werden sollte, führt zu einer grundsätzlichen Abkehr von dem überkommenen Jährlichkeitsdenken in der Haushaltspolitik. Sie schafft damit eine wesentliche Grundlage für eine zunehmende Objektivierung und Versachlichung der politischen Willensbildung. Diese Finanzplanung soll auch dazu dienen, den Unterschied zwischen dem, was sachlich richtig, wirtschaftlich zweckmäßig und finanzpolitisch notwendig ist, einerseits und dem, was politisch als möglich anerkannt wird, andererseits zu vermindern.
Bei der Erarbeitung einer Bestandsaufnahme der in der Zukunft zu erwartenden Ausgabeverpflichtungen auf Grund der geltenden Gesetze und Programme, die notwendige Grundlage einer wirklichkeitsnahen Finanzplanung ist, konnten wir auf den vom Bundesfinanzministerium seit dem Jahre 1964 veröffentlichten und methodisch ständig verbesserten Haushaltsvorausschauen jedenfalls aufbauen. Diese Haushaltsvorausschauen haben sich jedoch als für sich allein unzureichend erwiesen. Sie haben sich naturgemäß auf Registrierung und jährliche Fortschreibung beschränkt. Das hat sich zum Teil auch als unerfreuliche Konsequenz aus unzureichend koordinierten politischen Einzelentscheidungen ergeben.
Von einer Finanzplanung unterschieden sich diese Haushaltsvorausschauen auch durch den jeweils jährlichen Ausweis gewaltiger, steigender Deckungslücken. Diese Deckungslücken haben dann von vornherein wieder eine volle Verwirklichung der zugrunde gelegten Gesetze und Programme in der jeweils beschlossenen Form ausgeschlossen.
Die Folge war das System eines jährlichen Haushaltssicherungsgesetzes, das aber nur eine kurzfristige Lösung und nicht eine dauernde Regelung erbringen konnte. Dieses System der jährlichen Haushaltssicherungsgesetze mit Verminderung von Leistungen, Streckung von Fristen und ähnlichen Dingen konnte kein Dauermittel der Haushalts- und damit Finanzpolitik Deutschlands sein.
Bei der dem Hohen Haus von der Bundesregierung vorgelegten Finanzplanung, die ein Gleichgewicht zwischen Ausgaben und Einnahmen herstellen soll - wobei dieses Gleichgewicht nicht im mathematisch-physikalischen Sinne verstanden werden kann -, handelt es sich demgegenüber um eine sichtbare Herausarbeitung eines in Zahlen gekleideten politischen Gesamtprogramms.
Ich lese und höre immer wieder, daß dieser Finanzplanung kein echtes Programm zugrunde liege. Ich erlaube mir die kritische Gegenbemerkung, daß diejenigen, die vom Fehlen eines echten Programms sprechen, wie ich glaube, beinahe ausnahmslos selbst eine kleine Mangelerscheinung aufweisen: sie bieten nämlich selber nicht ein Programm und haben
- jedenfalls zum Teil - vielleicht gar keine klaren Vorstellungen, was in einer gewachsenen politischsozialen Struktur ein Programm sein kann. Ich möchte deshalb auch in aller Deutlichkeit sagen, daß diese mehrjährige Finanzplanung, die einen Rahmen von vier Jahren umfaßt, ein politisches Programm mit ganz gewissen Schwerpunkten darstellt, daß sie aber kein Vierjahresplan nach dem Muster totalitärer Systeme sein kann.
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Dieses Finanzprogramm verfolgt im wesentlichen drei grundlegende Ziele: erstens Fehlentwicklungen der Vergangenheit zu bewältigen und eine dauerhafte Ordnung der Bundesfinanzen herzustellen, zweitens vorausschauend die finanzpolitischen Entscheidungen mit den volkswirtschaftlichen Daten, Möglichkeiten und Notwendigkeiten abzustimmen und drittens die Zukunft durch verstärkte öffentliche Investitionen zu meistern, das heißt, soweit der Bund in seiner Zuständigkeit dazu berufen ist, das Leben von morgen zu gestalten helfen.
Im Vordergrund muß zunächst das Ziel der Wiederherstellung einer dauerhaften Ordnung der Bundesfinanzen stehen. Unter dieser Zielsetzung ist die Bundesregierung im Dezember letzten Jahres angetreten. Ich brauche nur auf die Äußerung des Bundeskanzlers in der ersten Regierungserklärung zu verweisen.
Die jeweils nur kurzfristig angelegten haushaltspolitischen Überlegungen und unkoordinierten Einzelentscheidungen haben zu einer Verschiebung in der Zusammensetzung des Bundeshaushalts geführt. Sie haben damit auch zu einer dauernden Fehlentwicklung beigetragen, die sich darin äußerte, daß der Haushalt des Bundes durch Dauerausgaben mit periodisch wiederkehrenden Steigerungs- oder Dynamisierungseffekten belastet wurde und daß deshalb ein allmählicher Übergang von der Bewältigung der Vergangenheit zur Meisterung der Zukunft immer schwieriger werden mußte. Daß ein solcher Übergang schmerzliche Eingriffe auf der Einnahmenwie auf der Ausgabenseite verlangt, daß er nicht reibungslos und nicht kritiklos erfolgen kann, daß er nicht ohne schwerwiegende Einwände, auch nicht ohne Abschied von liebgewordenen Gewohnheiten stattfinden kann, beweist uns die öffentliche Auseinandersetzung der letzten Monate, bei der aber Uneigennützigkeit und strengste Sachlichkeit nicht immer Pate gestanden haben.
Die schwierige finanzielle Lage des Bundes hat in der zurückliegenden Zeit zu einem allgemeinen Gefühl der finanziellen Hilflosigkeit oder Ausweglosigkeit und damit auch zu einem Vertrauensschwund für die Zukunft geführt. Dieser Vertrauensschwund war nicht allein, aber auch einer der wesentlichen Gründe für die wirtschaftliche Abwärtsentwicklung. Im Rahmen einer aufbauenden, in die Zukunft gerichteten Finanzplanung muß Vorsorge getroffen werden, daß sich eine solche Entwicklung nicht wiederholt. Der Sinn meiner Ausführungen ist es auch nicht, Kritik zu üben, sondern nach dem Grundsatz, daß sich alle an der Sünde beteiligt haben, die gewonnenen Lehren und Erfahrungen zu nutzen, um
Wiederholungen solcher Fehlentwicklungen zu vermeiden.
Die Wiederherstellung der Ordnung der Bundesfinanzen kann indessen nicht nur unter rein finanzwirtschaftlichen Gesichtspunkten angestrebt werden. Sie muß darüber hinaus in einer vorausschauenden Abstimmung der finanzpolitischen Entscheidungen mit den volkswirtschaftlichen Gegegebenheiten, Notwendigkeiten und Zielsetzungen erfolgen. Deshalb wurde dieser Finanzplanung eine mehrjährige gesamtwirtschaftliche Projektion zugrunde gelegt, d. h. eine Projektion der Volkswirtschaft, wie sie aus heutiger Sicht erstrebenswert und realisierbar erscheint. Damit die wirtschaftspolitischen Hauptziele - Vollbeschäftigung, angemessenes Wachsturn, Preisstabilität, außenwirtschaftliches Gleichgewicht - erreicht werden, geht die Wirtschaftsprojektion von einer Steigerung des Bruttosozialprodukts um 5 bis 51/2 % im Durchschnitt der Jahre 1968 bis 1971 aus. Die in der gesamtwirtschaftlichen Zielprojektion auf diese Zuwachsraten abgestimmte volkswirtschaftliche Gesamtnachfrage ist nicht zu erreichen, wenn die Ausgaben der öffentlichen Haushalte zurückgedrängt oder auch nur auf gleichem Stand gehalten werden. Ich weiß um das fatale Wort von dem wachsenden Umfang der Staatsausgaben, ich kenne die klassische Regel, die da heißt, der kleinste Haushalt sei der beste Haushalt. Aber diese Regel der Zeit des klassischen wirtschaftlichen Liberalismus gilt für die Bewältigung der Vergangenheit nicht, sie gilt auch nicht für die Meisterung der Aufgaben von morgen. Dem Staat sind sowohl in der Bewältigung der Vergangenheit wie in der Schaffung der allgemeinen materiellen und geistigen Infrastruktur für morgen Aufgaben gestellt, die sich nicht mit Lehren von gestern einfach abtun lassen.
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An der angestrebten Leitlinie: 6 bis 6,5 % Wachs-tum der öffentlichen Ausgaben in den Jahren bis 1971 insgesamt und knapp 6 % Wachstum der Bundesausgaben, hat sich die Bundesregierung auch in der gegenwärtigen konjunkturellen Lage orientiert. Viele haben das zum Anlaß genommen, nach höheren Ausgaben der öffentlichen Hand zu rufen, viele haben den gegenteiligen Standpunkt vertreten. Diese situationsbezogenen Überlegungen können für eine längerfristige Finanzplanung nicht maßgebend sein. Ihnen muß vielmehr - und das ist geschehen und geschieht auch mit dem Zweiten Konjunktur- und Strukturprogramm - mit zeitlich begrenzten und gezielten Maßnahmen begegnet werden, die ihrerseits naturgemäß die Finanzplanung im Detail wieder beeinflussen.
Man könnte die Kritik an dem vorliegenden Finanzprogramm auf jeweils drei Paare konfrontierter Argumente reduzieren. Die erste Forderung, der wir begegnet sind - eine Forderung, die bis in die jüngsten Tage hinein aufrechterhalten wird -, heißt: Keine Steuererhöhungen! Die gegenteilige Forderung heißt: Soziale Gerechtigkeit und soziale Symmetrie erfordern eine stärkere Besteuerung der höheren Einkommen und Vermögen. Beide Standpunkte lassen sich mit jeweils punktuell überzeugenBundesminister Dr. h. c. Strauß
den Argumenten begründen, nur lassen sich beide Standpunkte nicht gleichzeitig verwirklichen. Ich erlebe auch - es ist nicht das erste Mal, und es wird auch nicht das letzte Mal sein -, daß zur Begründung des eigenen Standpunktes, hinter dem das eigene Interesse manchmal transparent wird, im Zweifelsfall verfassungsrechtliche Argumente angeführt oder konjunkturpolitische Notwendigkeiten strapaziert werden. Jeder, der die 3%ige Ergänzungsabgabe zum Objekt seines Zornes nimmt, hat im Zweifelsfall ein verfassungsrechtliches Argument zur Hand, die Einführung dieser 3%igen Ergänzungsabgabe als einen Widerspruch zur Verfassung, als einen Bruch der Verfassung, als verfassungswidrig hinzustellen.
Mit konjunkturpolitischen Argumenten läßt sich ebenfalls trefflich streiten. Keine Forderung ist so sympathisch wie die Forderung nach Steuersenkung, Steuersenkung im Bereich der Einkommen- und Körperschaftsteuer, im Bereich der Besitz- und Vermögensteuern, im Bereich der Verbrauchsteuern, im Bereich der Umsatzsteuer. Eine solche durchaus populäre, manchmal opportunistische Forderung kann man naturgemäß sehr wohl mit konjunkturpolitischen Argumenten begründen.
Lassen Sie mich deshalb eines in aller Deutlichkeit sagen: Eine mehrjährige Finanzplanung und Finanzpolitik allgemein kann sich nicht darin erschöpfen, die verschiedenen Instrumente eines Arsenals der Konjunkturpolitik anzuwenden; die Aufgabe der Finanzpolitik ist es und bleibt es wie in der Vergangenheit auch in der Zukunft, die für die Erfüllung der unabweisbar notwendigen Aufgaben des Staates erforderlichen Mittel zu beschaffen ({2})
allerdings so, daß der geringste Schaden und die größte Gerechtigkeit erreicht werden - und sie so auszugeben, daß der optimale wirtschaftliche Nutzen dabei erzielt wird.
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Ich wende mich mit aller Energie dagegen, wenn von einer mittelfristigen Finanzplanung - wie das teilweise geschehen ist, zum Teil von wissenschaftlich hoher Seite begründet, aber auch in der öffentlichen Diskussion - nichts anderes verlangt wird, als daß sie die Rolle eines Konjunkturprogramms erfüllen solle. Deshalb hat die Bundesregierung eine ausgewogene Summe von Maßnahmen vorgesehen, eine mittelfristige Finanzplanung mit gewissen Konsequenzen auf der Einnahmeseite - Mehrwertsteuer, Änderungen im Einkommen- und Körperschaftsteuerrecht -, mit gewissen Konsequenzen auf der Ausgabeseite. Die Bundesregierung wird sich mit der Ausgabeseite am 13. September in der nächsten Kabinettssitzung befassen und das Ergebnis ihrer Überlegungen, ihre Entscheidungen dann auf den Weg der ordentlichen Gesetzgebung über Bundesrat und Bundestag bringen. Es bedarf der Änderung einer ganzen Reihe von Bundesgesetzen. Es wird das zweite Gesetz zur Verwirklichung der mehrjährigen Finanzplanung werden.
Es ist auch behauptet worden - damit komme ich zu dem zweiten Kritikpaar; es schallt landauf, landab, kreuz und quer auch durch den Blätterwald -, es sei nicht radikal genug gekürzt worden, es hätten viel mehr Ausgaben gekürzt werden müssen, sie hätten vor allen Dingen im Sozialbereich stärker gekürzt werden müssen, sie hätten im Verteidigungsbereich und im Landwirtschaftsbereich stärker gekürzt werden müssen. Es gibt nur einige Tabus. Man „trägt" - wie im Frühjahr so auch im Herbst - Wissenschaft und Forschung: dort darf nicht gekürzt werden.
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Selbstverständlich waren wir uns dieser Notwendigkeit auch bewußt. Ich komme darauf im Zusammenhang mit den Schwierigkeiten der mittelfristigen Finanzplanung noch zu sprechen.
Dieser Kritik steht die andere Forderung gegenüber - sie läßt sich trefflich konjunkturpolitisch begründen -: diese Ausgabekürzungen zu diesem Zeitpunkt seien falsch, sie müßten, wenn überhaupt, später erfolgen; denn Ausgabekürzungen bedeuteten ja Verminderung der Umverteilung durch den Staat, Ausgabekürzungen bedeuteten weniger Geld unter die Leute zu bringen, bedeuteten, eine Verminderung der Kaufkraft, eine Verminderung der Nachfrage und damit eine Verminderung des Absatzes, eine Verminderung der Produktion, einen Rückgang der Investitionen usw.
Sicherlich, das Argument, die Ausgaben müßten stärker gekürzt werden, um die strukturellen Ausgabenüberhänge schneller zu beseitigen, um den Bundeshaushalt mehr auf morgen umzustellen, ist richtig. Das andere Argument, daß Ausgabekürzungen im Augenblick konjunkturpolitisch falsch seien und deshalb unterbleiben sollten, ist auch richtig. Aber wir gehören, viele von uns - ich darf das für mich in Anspruch nehmen -, diesem Hohen Hause seit sehr langer Zeit an, und ich weiß ganz genau, daß es fast unmöglich ist, in Zeiten einer aufwärtsgehenden Wirtschaftsentwicklung, die sich auch in einer überproportionalen Entwicklung der Staatseinnahmen ausdrückt, überhaupt noch Ausgabekürzungen vorzunehmen, die aus Gründen einer langfristigen Zukunftsplanung unabweisbar notwendig sind. Darum läßt sich die Frage der Ausgabekürzung nicht allein nach konjunkturpolitischen Gesichtspunkten sozusagen situationsbezogen oder momentbezogen entscheiden. Auch aus diesem Grunde kann eine mittelfristige Finanzplanung nicht nur die Anwendung eines konjunkturpolitischen Arsenals sein.
Das dritte Kritikpaar - ich darf es hier gleich vorwegnehmen - heißt einerseits: der Bund bedient sich in einem Ausmaße der Kreditfinanzierung für die Jahre 1967 und 1968, daß die Gefahr besteht, es könnte hier ein echtes Inflationspotential aufgebaut werden; die gegenteilige Argumentation heißt: diese Bundesregierung in ihrer überkonservativen, ängstlichen Einstellung, in ihrer traditionellen fiskalischen Vorstellungsweise hat ja nicht die geringste Ahnung von den Notwendigkeiten einer modernen Volkswirtschafts- und Finanzpolitik; ihr sind die Möglichkeiten des deficit-spending völlig unbekannt, und sie bedient sich dieses Mittels nur in einem kümmerlichen Ausmaße.
Ich darf hierzu in aller Deutlichkeit sagen: was wir an Mehrkreditaufnahmen für die Jahre 1967/68 eingeplant haben, ist mit der Bundesbank abgestimmt warden, ist volkswirtschaftlich und finanzpolitisch vertretbar und kann auch bewältigt werden, wenn in der kommenden Periode steigender Staatseinnahmen Disziplin, Nüchternheit und Selbstbesinnung dazu führen, an Konsolidierung und Einhaltung des Tilgungsplans und nicht an die Begründung neuer Ausgaben oder an die Aufnahme von mehr Krediten zu denken, als hier in dieser Rahmenplanung vorgesehen ist.
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Wir haben uns des Mittels des deficit-spending bedient, aber in dem Ausmaße, wie es mit unserem kreditpolitischen Instrumentarium vereinbar ist, in dem Ausmaße, wie es konjunkturell notwendig war, und in dem Ausmaße, wie es mit den Notwendigkeiten und Möglichkeiten einer modernen, aber trotzdem an gewissen Prinzipien festhaltenden Gesamtfinanzpolitik in Einklang zu bringen war.
Ich möchte damit auf kritische Äußerungen im einzelnen nicht weiter eingehen. Das wird im Rahmen der Aussprache geschehen. Aber die drei Gegensatzpaare: Steuern erhöhen - Steuern senken, Ausgaben kürzen - Ausgaben nicht kürzen, mehr Kredit aufnehmen - weniger Kredit aufnehmen, beweisen - und das habe ich auch mir immer zum Troste vorgehalten -, daß wir uns auf der Mittellinie bewegt haben. Wir hätten ernsten Grund zu einer ganz starken Selbstbesinnung gehabt, wenn die Kritik bei jedem der drei Paare einseitg immer nur nach der einen Richtung gegangen wäre.
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Aufgabe der Finanzplanung für einen Zeitraum von fünf Jahren mit den in dieser Zeitspanne wechselnden kojunkturellen Situationen ist die Ansteuerung eines Ausgabevolumens, das einer stetigen Wirtschaftsentwicklung Rechnung trägt, und zwar einer Wirtschaftsentwicklung, die auf Wachstum und Stabilität gleichzeitig beruht.
Die Bundesregierung ist sich darüber hinaus bewußt, daß für die Beurteilung der volkswirtschaftlichen Auswirkung der Finanzgebarung der öffentlichen Haushalte nicht nur die absolute Höhe der Ausgaben und das Ausgabenwachstum, sondern auch deren Struktur von entscheidender Bedeutung ist. Die gesamtwirtschaftlich angestrebten Wachstumsraten können nur erreicht werden, wenn es gelingt, den Anteil der für die Sicherung und Steigerung unserer volkswirtschaftlichen Leistungskraft einfach notwendigen und unentbehrlichen Investitionen an den Gesamtausgaben durch eine grundlegende Änderung der Haushaltsstruktur zu erhöhen.
Die von der Bundesregierung beschlossene Finanzplanung des Bundes für die Jahre 1968 bis 1971 entspricht diesen Anforderungen. Das Gesamtausgabewachstum wird im Durchschnitt der Jahre bis 1971 auf knapp 6 v. H. begrenzt. Das sind für den gesamten Zeitraum 26 Prozent: 4 mal 6 Prozent mit den jeweiligen - sozusagen - Zinseszinsraten.
Die Investitionen und die Investitionsförderungsmaßnahmen werden in dem gleichen Zeitraum um 37 Prozent gesteigert, während das Wachstum der übrigen Ausgaben auf 23 Prozent begrenzt ist. Der Anteil der Ausgaben für Investitionen und Investitionsförderungsmaßnahmen erhöht sich von 17,7 Prozent im Jahre 1967 auf 19,2 Prozent im Jahre 1971. In diesen Ziffern sind nach den allgemeinen Regeln der Statistik die Investitionsausgaben für Zwecke der militärischen Verteidigung nicht enthalten.
In diesen nüchternen Zahlen zeigt sich die grundlegende Umstellung der politischen Zielsetzung der Bundesregierung. Die Bundesregierung kann und will nicht eine Politik führen, deren Blickrichtung die Vergangenheit ist. Wir können es uns vor allen Dingen nicht leisten, weiterhin durch ständig neue Leistungsverbesserungen auf Grund von vergangenheitsbezogenen Tatbeständen oder durch Ausweiten alter bzw. Schaffung neuer entschädigungspflichtiger Sachverhalte immer wieder die Ausgabemöglichkeiten des Bundes zu erschöpfen und den Zuwachs von morgen schon durch Festlegung von heute in Richtung Vergangenheit zu absorbieren.
Die Bundesregierung war sich bei der Erarbeitung der Finanzplanung bewußt, daß der Blick auf die Zukunft mehr als bisher Leitlinie des politischen Handelns sein muß. Die Vorstellungen der Bundesregierung, wie sie in der Finanzplanung ihren Niederschlag gefunden haben, sind deshalb von der Absicht getragen, die Leistungen, die unmittelbar unsere Zukunft sichern und der Erhaltung und Verbesserung der Leistungsfähigkeit einer modernen produktiven Wirtschaft dienen, in entscheidendem Maße zu verstärken und die Weichen der Finanzpolitik des Bundes in diesem Sinne ein für allemal in diese Richtung zu stellen.
Zur Verwirklichung der genannten Ziele der Finanzplanung hat die Regierung ein ganzes Bündel von Maßnahmen auf der Ausgabenseite, auf der Einnahmeseite und auf der Kreditseite vorgesehen. Die Ausgabenbeschränkungen erstrecken sich auf eine Vielzahl von Bereichen, während die Maßnahmen auf der Einnahmeseite stärker punktuell entsprechend dem durch die Ziele der Finanzplanung vorgegebenen Finanzbedarf und dem Gebot einer ausgewogenen Belastung aller Bevölkerungskreise erfolgen sollen.
Den vorgesehenen Ausgabenbeschränkungen, die für die Jahre bis 1971 ein Gesamtvolumen von 30 Milliarden DM erreichen, steht naturgemäß, wie zu erwarten, die Forderung der verschiedensten Verbände und Gruppen gegenüber, in dem Bereich, in dem sich ihre Tätigkeit vollzieht, von Kürzungen oder sonstigen Eingriffen abzusehen. Es ist auch häufig durch die Verwendung des Ausdrucks „Ausgabenkürzung" in der Öffentlichkeit ein falscher Eindruck entstanden. Die Zuwachsraten der öffentlichen Hand - beim Bund knapp unter 6 %, bei den übrigen öffentlichen Händen etwas über 6 % - beweisen ja, daß die künftigen Haushalte keine kontraktive Wirkung haben, daß sie nach wie vor bei der Wahrung von Stabilität auf Wachstum ausgerichtet sind.
Allerdings ist die Frage, wie diese öffentlichen Ausgaben sich auswirken, sehr stark von der Zusammensetzung der öffentlichen Haushalte abhängig. Gerade die vorher genannten Zahlen - das Ansteigen der Investitionsquote von 17,7 auf 19,2 %, Ausgabenzuwachs sonst 23 %, auf dem Investitionsgebiet 3;7 %, über die vier Jahre hinweg zu erreichen - beweisen, daß wir nicht nur ein absolutes Wachstum der Ausgaben in Höhe von knapp 6 % beibehalten wollen, sondern daß wir die volkswirtschaftliche Wirksamkeit des Wachstums der Staatsausgaben durch die Verstärkung des Investitionssektors ebenfalls stärker betonen und stärker zum Ausdruck bringen wollen. Es handelt sich durchweg nicht um Ausgabenkürzungen, sondern um die Kürzung von Zuwachsraten. Die einmal erreichten Ausgaben werden nicht nur fast durchweg erhalten, sondern sie werden auch noch weiterhin auf fast allen Gebieten gesteigert. Aber sie können und werden nicht in dem Ausmaß gesteigert werden, wie es mit durchaus berechtigten Gründen von der jeweils betroffenen oder jeweils interessierten Seite gefordert oder erwartet worden ist.
Auf der anderen Seite wird der Finanzplanung der Vorwurf gemacht, es sei zu wenig gekürzt worden. Es wird auch der Vorwurf erhoben, daß die in Aussicht genommenen Einschränkungen mehr zufälliger Natur und nicht Ausdruck einer durchdachten Konzeption seien.
Ich habe zu Eingang meiner Ausführungen aus gutem Grunde darauf hingewiesen, daß das, was sachlich richtig, wirtschaftlich zweckmäßig und finanzpolitisch notwendig ist, sich nicht immer von vornherein automatisch mit dem deckt, was politisch möglich ist. Es muß von einem verantwortungsbewußten Parlament immer wieder auf der Grundlage der entsprechenden Vorschläge der Regierung der mühsame Versuch gemacht werden, die Interessen, Notwendigkeiten und Zielsetzungen so auf eine gemeinsame Linie zu bringen - was hier nur durch Überredung, Überzeugung und Mehrheitsbildung geschehen kann, durch Disziplin und auch eine gewisse Opferbereitschaft, aber nicht auf dem Kommandowege erfolgen kann -, daß das, was sachlich richtig und politisch möglich ist, ich darf sagen: optimal einander angenähert ist.
Diese gegenläufigen, sich teilweise aufhebenden Kritiken müssen sich einerseits den Einwand gefallen lassen. daß der Staat durch die Finanzplanung nicht zum Dukatenesel werden kann. Es werden manchmal mit Ausdrücken wie „mittelfristige Finanzplanung" oder „Finanzreform" die Vorstellungen von magischen Geldschöpfungskräften verbunden. Die Finanzplanung kann keine Wunder wirken. Sie kann nicht künstlich Einnahmen herbeiführen, die nicht durch die Arbeit des Volkes und die Leistungen der Steuerzahler oder, durch Kreditaufnahme herbeigeführt sind. Sie kann nur Ordnung in die Einnahmen-und Ausgabenseite bringen. Sie kann eine Änderung der Struktur des Haushalts herbeiführen. Sie kann die volkswirtschaftliche Wirksamkeit des Haushalts im Hinblick auf die Erforderrisse der Zukunft verstärken. Aber mittelfristige Finanzplanung kann nicht Geld schaffen aus sich heraus. Dasselbe gilt auch für ein anderes Thema, über das in diesem Hause in kommenden Jahren noch viel gesprochen werden wird: die Finanzreform und die Finanzverfassungsreform.
Ich möchte fernerhin sagen, daß die Finanzplanung auch nicht im Jahre 0 begonnen hat. Wir können nicht so tun, als ob es die Vergangenheit seit 1949, deren wir uns wahrlich nicht zu schämen haben, sondern auf die wir mit Befriedigung und Stolz blicken können, überhaupt nicht gäbe.
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Wir können nicht eine imaginäre Wunderkonstruktion errichten, den Staat Utopia, in dem alles nach höchster Zweckmäßigkeit und vollkommener Gerechtigkeit ausgerichtet ist. Solche Sozialutopien haben es meistens an sich, daß sie a) irrealistisch sind und daß sie b) bei ihrer Verwirklichung einen Polizeistaat erfordern würden, der genau das Gegenteil von dem heraufbeschwört, was die Urheber dieser Ideen eigentlich beabsichtigt haben.
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Ich will gar nicht verhehlen, daß in den Vorschlägen des Finanzministeriums, auch noch in den Vorschlägen des Kabinettsausschusses für mittelfristige Finanzplanung weitere Kürzungsvorschläge enthalten waren, die im Laufe einer dreitägigen, sehr eingehenden, alle Argumente und Gegenargumente ausgiebig prüfenden Kabinettsbehandlung nicht in voller Höhe aufrechterhalten worden sind und auch nicht aufrechterhalten werden konnten.
Wir stehen in einer weltpolitischen Lage, bei der wir weiterhin hohe Aufwendungen für unsere äußere Sicherheit auf uns nehmen müssen. Wir haben eine in langen Jahren erarbeitete und durchdachte Verteidigungskonzeption und eine darauf aufgebaute Verteidigungsstruktur, die nicht einfach durch schneidige Entschlüsse ohne schädliche Folgen für unsere Sicherheit, aber auch nicht ohne schädliche Folgen für unsere Volkswirtschaft aufgegeben werden kann.
Aber auch hier darf ich - trotz der bereits erfolgten öffentlichen Behandlung - auf folgende Zahlen hinweisen. Die Ist-Ausgaben des Verteidigungshaushalts haben in den Jahren 1963, 1964, 1965, 1966 je 17,4 Milliarden DM betragen. Die Verfügungssumme des Verteidigungshaushalts im Jahre 1967 betrug 18,5 Milliarden DM. Die Verfügungssumme des Verteidigungshaushalts 1968 beläuft sich auf 18,7 Milliarden DM. Dann kommt eine jährliche Steigerungsrate, die nicht so hoch ist und sein kann, wie es naturgemäß von den Vertretern einer modernen Verteidigung verlangt wird, die aber immerhin so hoch ist, daß die Struktur der Bundeswehr und eine moderne Bewaffnung in beiderlei Hinsicht aufrechterhalten werden können. Darauf möchte ich bei dieser Gelegenheit nur mit diesem Wort hingewiesen haben.
Wir haben ein soziales Leistungssystem, das im Laufe von Jahren und Jahrzehnten mit Unterstützung aller tragenden politischen Kräfte in unserem Staat auf seinen heutigen Stand gebracht worden ist. Ein solches in einem ständigen Entwicklungsprozeß befindliches System - eben ein gewachsenes System - läßt sich nur behutsam umgestalten.
Wir haben eine Fülle von Aufgaben auf dem Verkehrssektor, Straße, Schiene, Wasser, Luft. Ich darf hier vor allem auf die Problematik der Bundesbahn hinweisen. Auch hier ist es nicht möglich, durch Ad-hoc-Entscheidungen kurzfristig Rationalisierung zu erzwingen und Rentabilität herbeizuführen. Hier gibt es eine ganze Reihe von Gesichtspunkten, die zu berücksichtigen sind. Es sind soziale Erfordernisse, es sind Erfordernisse der schwachen Wirtschaftsgebiete, der Zonenrandgebiete, gewisser Grenzgebiete, die hier berücksichtigt werden müssen.
Auch unser Verwaltungsapparat, der die ständig wachsenden Aufgaben bewältigen muß, läßt sich mit Rücksicht auf unseren Staatsaufbau nur langfristig nach modernen Grundsätzen rationalisieren.
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Ich verhehle nicht - Herr Kollege Brese, Sie geben mir das Stichwort dazu -, daß wir jetzt an dem Punkte stehen, wo die öffentliche Verwaltung mehr als bisher beginnen muß, angefangen von den Ausbildungsgängen bis zur Organisation, sich den Erfordernissen des Zeitalters der elektronischen Datenverarbeitung anzupassen.
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Das erfordert eine sorgfältige Vorbereitung. Es geht nicht nur darum, in jedem Ministerium einen Computer aufzustellen und diesen Computer dann möglichst ohne Programme oder ohne Programmierer laufen zu lassen.
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Es ist auch sehr schwierig, unsere gewachsene und durch die Verfassung bestätigte Staatsstruktur mit dem in Einklang zu bringen, was dieses Zeitalter von uns verlangt.
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Auch hier können Lösungen nur auf dem Wege der Überzeugung und Überredung auch in der Bereitschaft zum Zusammenwirken aller drei Ebenen erreicht werden. Wir haben keinen Staat und wollen keinen Staat, in dem von einer Kommandozentrale aus das angeordnet werden kann, was in den jeweiligen Sach- oder Verwaltungsbereichen zu geschehen hat. Ich bitte deshalb auch um Verständnis für eine lapidare Feststellung: Es kann nicht Aufgabe eines Programms für mehrjährige Finanzplanung sein, auf der Ausgabenseite im einzelnen im Rahmen der Finanzplanung schon festzulegen, wie viele Divisionen, Geschwader oder Flotten die Bundeswehr haben soll. Der Weg ist umgekehrt in diesem Falle, auch wenn die Umkehrung da oder dort heftiger Kritik ausgesetzt ist. Wir stellen einen hohen Anteil unseres Bruttosozialprodukts und unseres Bundeshaushalts für die Verteidigung zur Verfügung. Die Verteidigung muß aus diesen hohen Ansätzen das bestmögliche Konzept erarbeiten.
Es kann auch nicht die Aufgabe der mittelfristigen .Finanzplanung sein, schon all die Einzelmaßnahmen im Sozialbereich oder in anderen Bereichen - im Landwirtschaftsbereich oder im Verkehrsbereich - en detail festzulegen, die sich aus den hier festgesetzten Zahlen, Plafonds und Größenordnungen ergeben.
Besonders widersprüchliche Meinungen und Kritiken haben die Beschlüsse der Bundesregierung im sozialen Bereich gefunden. Die einen wollen radikale Reformen, die anderen verlangen, jeden Eingriff im Sozialbereich zu unterlassen und statt dessen Gewinn und Vermögen stärker zu besteuern. Auch im Sozialbereich gilt das, was ich im Laufe meiner bisherigen Ausführungen schon gesagt habe, daß wir auf dem Boden einer gewachsenen Sozialordnung weiter hinein in die Zukunft bauen müssen, daß radikale Eingriffe sich von vornherein ausschließen, daß aber andererseits eine Umgestaltung in gewissen Bereichen unabweisbar ist. Auch hier kann nicht die mittelfristige Finanzplanung alle Einzelheiten bringen, die sich aus der Notwendigkeit der finanziellen Ordnung für die nächsten vier Jahre zwangsläufig ergeben. Damit wird sich die Bundesregierung in der nächsten Woche, damit wird sich dieses Haus in diesem Jahre und wohl auch in den kommenden Jahren noch reichlich befassen müssen.
Ich lege Wert auf die Feststellung, daß die Bundesregierung alles versucht hat - und mit Erfolg versucht hat -, um unbillige Härten bei der Kürzung von Ausgabenzuwächsen zu vermeiden, d. h. daß der soziale Besitzstand des kleinen Mannes nicht angetastet wird.
Wenn in diesem Zusammenhang von der Einführung der Mehrwertsteuer bzw. der Erhöhung des Mehrwertsteuersatzes wie vorgesehen am 1. Juli 1968 um 1 °/o gesprochen wird, so begegnen wir auch hier einer durchaus widersprüchlichen Kritik, einer Konfrontation widersprüchlicher Stellungnahmen. Sicherlich bringt die Einführung der Mehrwertsteuer Schwierigkeiten bei der Verwaltung. Sie bringt zwangsläufig Unruhe und Unsicherheit in der betroffenen Wirtschaft. Der Begünstigte schweigt, der stärker Betroffene kritisiert, und diejenigen, die dazwischen sind, die weder besser noch schlechter wegkommen, fühlen sich im Zweifelsfall ebenfalls benachteiligt. Wäre aber die Umstellung vom einen Umsatzsteuersystem auf das andere in der Periode der Hochkonjunktur erfolgt, wäre die Gefahr einer überstarken Abwälzung auf die Preise wesentlich größer gewesen als im gegenwärtigen Zeitpunkt einer relativ ruhigen Wirtschaftsentwicklung und einer entsprechenden Preisstabilität.
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Natürlich läßt sich mit konjunkturpolitischen Argumenten das Gegenteil begründen, wie immer.
Eine häufige Forderung, die schon durch ihre Wortbildung geradezu magischen Charakter erlangt hat, selbst wenn dahinter die Begriffe fehlen, ist die Forderung nach Abbau von Subventionen, von sichtbaren und unsichtbaren Finanzhilfen. Selbst diejenigen, die nach international anerkannter Definition zweifellos Nutznießer von Subventionen sind - was ja gar keine Schande ist -, bestreiten im Ernstfall nachhaltig und energisch, daß das, was sie, sei es an Steuervergünstigung, sei es an sichtbaren Finanzhilfen, bekommen, unter dem Begriff „Subvention" verstanden werden kann. Es ist Gesellschaftspolitik, es ist Strukturpolitik, es ist Konjunkturpolitik, es ist Anpassungspolitik, es ist Überleitungspolitik. Es
gibt keine Subventionen bei dem eigenen Empfang. Es gibt Subventionen immer nur bei fremden Empfängern. Das ist die Lehre, die ich aus der Verfolgung der öffentlichen Diskussion über Subventionen im Laufe der letzten Monate gezogen haben.
Ich möchte hier nicht einem radikalen Abbau, sozusagen einem Kahlhieb von Subventionen das Wort sprechen. Viele sichtbare Finanzhilfen - ich gebrauche einmal diesen Ausdruck, mit dem keinerlei deklassierender Beigeschmack verbunden ist - haben ihren guten Sinn, und ihre Empfänger brauchen sich ihrer nicht zu schämen, sei es im Sozialbereich, sei es im landwirtschaftlichen Bereich, sei es im familienpolitischen Bereich oder wo auch sonst. Auch bei der Durchforstung der unsichtbaren Finanzhilfen hat sich zwar eine stattliche Zahl in einem Katalog ergeben, aber die Prüfung im Einzelfall hat doch zu der einstimmig getroffenen Entscheidung der Bundesregierung geführt, daß man auch hier nur Schritt für Schritt vorgehen kann und daß man nicht unter dem Stichwort „Beseitigung aller Subventionen" zum Schluß ein Chaos herbeiführen kann, weil sich daraus Wirkungen ergeben, die wir gerade jetzt, wo es auf Ruhe, Sicherheit, Wachstum und stabile Ent-. wicklung ankommt, auf keinen Fall wünschen können. Diese Prüfung wird weiterhin erfolgen. Weitere Korrekturen im Abbau unsichtbarer Finanzhilfen müssen kommen; sie sind vom Stabilitätsgesetz gefordert. Aber auch sie werden mit der Behutsamkeit und Vorsicht unternommen werden, weil wir nicht einem Schlagwort zum Opfer fallen wollen, sondern weil wir etwas sachlich Richtiges, wirtschaftlich Zweckmäßiges und sozial Gerechtfertigtes in dem Zusammenhang tun wollen.
Die Einnahmenseite der vorliegenden Finanzplanung stellt die Bundesregierung vor nicht weniger schwierige Probleme als die Ausgabenseite. Ich habe von der Kreditaufnahme gesprochen. Ich lege Wert auf eine Feststellung: daß die für das Zweite Konjunktur- und Strukturprogramm vorgesehene Kreditaufnahme von 1,45 Milliarden DM im Bundeshaushalt nicht eine zusätzliche Maßnahme ist, sondern bereits in den Ihnen vorliegenden Zahlen - Haushaltsjahr 1968 - aufgeführt worden ist. Wir haben uns bei der Erarbeitung des Zweiten Konjunktur-und Strukturprogramms und bei der Beschlußfassung im Bundeskabinett genau an den Rahmen gehalten, den die mittelfristige Finanzplanung, einige Wochen vorher beschlossen, uns gewiesen hat. Wir hätten es auch für falsch gehalten, den zahlreichen Sirenenrufen nachzugeben, die da hießen: „Massives deficit-spending! Jetzt müssen mehr Kredite aufgenommen werden, die Wirtschaft muß raschestens angekurbelt werden!" Hätten wir den in der mittelfristigen Finanzplanung vorgesehenen Kreditaufnahmerahmen bei diesem Programm überschritten, hätten wir selbst uns den Vorwurf zugezogen, daß wir ein wesentliches Element dieses Finanzprogramms bereits außer Kraft gesetzt hätten, den von uns selbst gezogenen Rahmen überschritten hätten, und wir hätten uns damit den berechtigten Vorwurf zugezogen, das Ganze durch diese - in dem Falle dann hektische - Übertreibung unglaubwürdig zu machen. Wenn die Bundesregierung selbst einen Baustein entfernt, kann sie niemand anderen tadeln, der andere Bausteine entfernt, bis zum Schluß vom Ganzen nur mehr das übrig bleibt, was an Gefälligkeiten gern gewährt wird, während andererseits die damit ohne Zweifel verbundenen Härten dann auf eine „bessere Zukunft" verschoben wären, die in dem Falle ohnehin nie gekommen wäre.
Ich möchte mich hier bei der Gesamtdarstellung nicht mit der Erörterung der Einzelheiten auf einkommen- und körperschaftsteuerlicher Seite und auf der Mehrwertsteuerseite befassen. Die Fraktionen werden sich mit diesen Problemen im Rahmen der kommenden Aussprache eingehend befassen. Ich stehe vor der Wahl, sie entweder gründlich darzustellen und dann unnötig viel Zeit zu beanspruchen oder mich auf nur wenige Bemerkungen zu beschränken.
Ich habe bereits über Ergänzungsabgabe, über Beseitigung von Steuerprivilegien Ausführungen gemacht. Ich darf darauf verweisen, daß dieses Hohe Haus im Jahre 1964 im Steueränderungsgesetz durch Änderung der Steuertarife und andere Erleichterungen insgesamt Steuererleichterungen, also unsichtbare Finanzhilfen, in Höhe von 2,8 Milliarden DM gewährt hat. Die Ergänzungsabgabe von 3 % macht im kommenden Haushaltsjahr etwa 700 Millionen DM aus. Wenn von den 2,8 Milliarden DM des Jahres 1964 jetzt, und zwar im selben Steuerbereich und beschränkt auf die einkommensteuerstärkeren Schichten, 25 %, 700 Millionen DM, wieder eingefordert werden, dann bricht darüber das Haus unserer Gesellschaftsordnung oder das Haus und Gebäude unserer Wirtschaft noch lange nicht zusammen.
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Man soll auch aufhören, im Kampfe gegen einmal nicht zu vermeidende Steuererhöhungen übertriebene Argumente zu gebrauchen und mit der Inflation schon in der Sprache zu beginnen.
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Wir haben uns bemüht, hier ein Mittelmaß zu finden. Welche Wahl hatten wir denn? - wenn ich dem Hohen Haus diese rhetorische Frage stellen darf. Ich gehe nur auf das Jahr 1968 ein. Im Jahre 1968 benötigen wir trotz der Kürzungen des Ausgabenzuwachses, trotz einer noch höheren Kreditaufnahme als für normale Jahre, für die späteren Jahre vorgesehen, eine Verbesserung der Einnahmeseite um 1,5 Milliarden DM. Davon liefert die Post 300 Millionen DM ab. Sicherlich ist auch das ein Problem, weil damit die Investitionen dieses großen Bundesunternehmens tangiert werden. Aus steuerlichen Mitteln erwarten wir eine Mehreinnahme von 1,2 Milliarden DM: Mehrwertsteuer nur 400 Millionen DM, weil die Altvorräte um weitere 700 Millionen DM entlastet werden, und aus dem Bereich des Einkommensteuerrechts dann insgesamt 800 Millionen DM.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wer diesen Steuererhöhungen nicht zustimmen will, der sollte ganz klar zum Ausdruck bringen, auch in der Öffentlichkeit, und zwar mit konkreten Angaben, wo er bereit ist, diese 1,2 oder 1,5 Milliarden DM im Jahre 1968 durch Ausgabekürzungen auszugleichen
oder ob er einer erhöhten Kreditaufnahme in diesem Umfange das Wort sprechen will.
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Es hat keinen Sinn mehr, nur mit aller Kraft gegen Steuererhöhungen anzurennen, sich aber um die Konsequenzen des eigenen Standpunktes, weil das nicht opportun ist, herumdrücken zu wollen. Im übrigen wäre die Kürzung der Ausgaben sicherlich konjunkturpolitisch auch eine problematische Angelegenheit, es sei denn, daß man sie durch erhöhte Kreditfinanzierung etwa vermeiden wollte.
Was wir hier vorlegen, ist ein finanzpolitisches Programm und nicht ein konjunkturpolitisches Programm. Das konjunkturpolitische Programm ist im Rahmen vor allen Dingen der Kreditaufnahme und im Rahmen der Umstrukturierung des Bundeshaushalts ein Teil des finanzpolitischen Programms, und die Bundesregierung hat aus guten Gründen, wie Kollege Schiller anschließend begründen wird, gewissermaßen als Ergänzung und Gegenstück zu diesem finanzpolitischen Programm ein konjunkturpolitisches Programm verabschiedet, aus dem ich es mir entsprechend meiner Aufgabenstellung versagen kann Einzelheiten zu erwähnen.
Zum Schluß noch folgender Hinweis: Mit der Finanzplanung des Bundes für die Jahre bis 1971 hat die Bundesregierung völliges Neuland betreten. Wir sind uns dessen bewußt. Wir sind uns der Unvollkommenheiten und Schwächen eines jeden Beginnens bewußt. Aber die längste Reise beginnt mit dem ersten Schritt. Es hat keinen Sinn, von der Erreichung von Endzielen zu träumen, es aber aus Bequemlichkeit oder Unwissenheit zu unterlassen, den ersten richtigen Schritt in Richtung auf dieses Ziel zu unternehmen.
Bei diesem Programm geht es nicht darum, den Steuerzahler stärker zu belasten, geht es auch nicht darum, Ausgaben zu kürzen. Das heißt, es geht nicht gegen die Interessen des Steuerzahlers, es geht nicht gegen die Interessen des Leistungsempfängers. Es ist ein Programm, das nicht unter dem Contra,. sondern das unter dem Pro gesehen werden muß. Es geht darum, die notwendigen Einnahmen, die notwendigen staatlichen Mittel für die Gestaltung der in der Zukunft sich immer stärker aufdrängenden Aufgaben zu gewinnen. Wir können das nicht tun durch radikale Mehrbelastung des Steuerzahlers, wir können das nicht tun durch konfiskatorische Steuersätze gegenüber der Wirtschaft, wir können das nicht tun durch zukunftsorientierte Eingriffe in das bisherige Sozialsystem. Wir können nicht sagen: was gehen uns die Alten, Kranken, Schwachen usw. an, die Zukunft gehört der Jugend, - und ähnliches, wie es in totalitären Staaten die übliche Ausdrucksweise ist. Wir müssen das Gewachsene erhalten, Übertreibungen beschneiden, den Zuwachs auf das Maß des Möglichen reduzieren und soviel Verfügungsspielraum bekommen, daß die Aufgaben der Zukunft - Sozialinvestitionen, geistige und materielle Infrastruktur - rechtzeitig finanziert werden können.
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Wir dürfen uns nicht von dem raschen Tempo des Andrängens der Probleme überrennen lassen, um dann Mißstände festzustellen und dann erst unter dem Eindruck von Mißständen zu den notwendigen Korrekturen zu kommen. Genau an der Schwelle hierzu sind wir jetzt, und ich weigere mich einfach, nach all diesen Monaten härtester Überlegungen und ausgereifter Diskussionen, das Ganze unter einem negativen Aspekt der Eingriffe gegen Steuerzahler oder gegen Leistungsempfänger zu sehen. Wir alle sollten genug inneren Auftrieb und genug positive Einstellung haben, gleichgültig, in welchem politischen Lager wir uns befinden, um das in die Zukunft weisende Element der Finanzplanung zu sehen, um zu erkennen, daß hier ein Stück deutscher Zukunft gestaltet wird, daß hier Weichen gestellt werden, daß hier Voraussetzungen geschaffen werden, daß hier Grundlagen errichtet werden, auf denen dann die nächste Generation ihr Leben bauen kann. Wir sind verpflichtet, nicht alles, was wir verdienen, für den Konsum unseres Tages auszugeben, sondern den notwendigen Teil abzuzweigen, damit die Generation von morgen in der Welt von morgen, unter den Bedingungen von morgen und mit den Möglichkeiten von morgen ebenfalls ihre gesicherte Existenz hat. Das ist der Sinn - ich darf ruhig sagen: der nationale Sinn dieser Finanzplanung, daß hier Grundlagen geschaffen werden, daß hier Weichen gestellt werden und daß hier Zukunftsziele gesteckt werden, die die kommende Generation erreichen muß.
Der Konkurrenzkampf im Inland wird härter, der internationale Konkurrenzkampf wird härter. Die Zeit, die Entwicklung erfordert die Schaffung von Großräumen. Es entstehen die wirtschaftlichen Giganten: die Vereinigten Staaten von Amerika, die Sowjetunion, Japan - das uns auf einigen Gebieten überholt hat -, die Volkskraft Chinas mit seiner ungewissen, turbulenten Entwicklung. Wir hier in Europa haben immer noch die nationalstaatliche Zersplitterung. Wir stehen hier an der Koordinatenachse zwischen Ost und West, eingespannt in das Leistungssystem von gestern und bereits uns vorbereitend für die Notwendigkeiten von morgen. Hier geschieht ein bescheidenes Stück Arbeit, ein bescheidenes Stück Entscheidung, mit dem das vorbereitet und bewältigt werden soll, was unabweisbar auf die Menschen dieser Erde und auf unsere Nation in greifbarer Zukunft zukommen wird. Das zu bewältigen und zu gestalten, das vorbereiten zu helfen war die eigentliche Aufgabe der mittelfristigen Finanzplanung.
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Das Wort hat der Herr Bundesminister für Wirtschaft.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nach der soeben veröffentlichten Statistik der Nürnberger Bundesanstalt haben wir in der Bundesrepublik Deutschland Ende August rund 360 000 Arbeitslose. Das sind dreieinhalbmal so viel wie im Durchschitt der letzten vier Jahre um diese Zeit.
Diese Zahl mag manchem vielleicht nicht als alarmierend erscheinen. Aber diese Zahl ist dennoch eine Herausforderung für uns alle in diesem Hause. Diese Herausforderung und die Antwort darauf hat John F. Kennedy in seiner ersten Kongreßbotschaft über Wirtschaftsfragen am 2. Februar 1961 klar und ein für allemal gültig so formuliert:
Erstens. Jeder, der ehrlich Arbeit sucht und keine finden kann, verdient, daß sich die Bundesregierung und das ganze Volk um ihn kümmern.
Zweitens. Unsere Programme müssen darauf ausgehen, die Produktionskapazität um einen Betrag auszuweiten, der der Welt die Kraft und die Vitalität unserer freien Wirtschaft vor Augen führt.
In der Tat, auf die Stärkung eben dieser Vitalität unserer freiheitlichen Wirtschaft und unserer freiheitlichen Gesellschaft zielt das Ihnen vorliegende Programm der Bundesregierung für besondere konjunktur- und strukturpolitische Maßnahmen 1967/68 ab. Meine Damen und Herren, wir können es uns in der modernen Gesellschaft nicht leisten, daß Menschen gegen ihren Willen arbeitslos sind und bleiben, daß Arbeitsplätze und Betriebe leer stehen und daß sinnvolle Investitionen unterlassen werden. Wir können es uns nicht leisten, daß vorhandener Wohlstand und möglicher zukünftiger Wohlstand für alle verschenkt werden. Wir haben vielmehr die Pflicht und die Möglichkeit, die Produktionsreserven in unserer Volkswirtschaft zu nutzen und dem wirtschaftlichen und technologischen Fortschritt neuen Antriebe zu geben. Handeln und Verwirklichen sind in dieser Lage ein konjunkturpolitisches Gebot. Beide sind in langfristiger Sicht, im Blick auf die zukünftige Entwicklung unserer Gesellschaft und im Blick auf die Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft in der Welt, eine wesentliche Aufgabe. Diese langfristigen Aspekte der heutigen Programme haben der Herr Bundeskanzler und soeben auch der Herr Bundesfinanzminister gewürdigt.
Die Bundesregierung hatte bereits am 12. April dieses Jahres erste Vorsorge für ein Zweites Konjunktur- und Strukturprogramm getroffen. Das Kabinett hat damals, als die Skepsis gegenüber möglichen weiteren konjunkturpolitischen Schritten noch weit verbreitet war, den Bundesminister der Finanzen und den Bundesminister für Wirtschaft beauftragt, im Hinblick auf die entsprechenden Paragraphen des damaligen Entwurfs des Gesetzes zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft rechtzeitig alle geeigneten Vorbereitungen, insbesondere in bezug auf Sachobjekte der Ressorts, zu treffen. Das Wirtschaftskabinett hat dann am 24. April zwei Arbeitsgruppen eingesetzt, um die Vergabebestimmungen zu entrümpeln und vergabereife - friedliche - Schubladenprojekte vorzubereiten. Diese Beschlüsse der Bundesregierung einer pflichtgemäßen Vorsorge haben sich inzwischen, wie die Entwicklung zeigt, als dringend notwendig erwiesen.
Parallel zu diesen Vorarbeiten liefen die Arbeiten an der mittelfristigen Finanzplanung. Die Entscheidungen des Kabinetts am 6. Juli fielen - und da bin ich mit dem Bundesfinanzminister völlig einig - in einem konjunkturpolitisch äußerst schwierigen Zeitpunkt. Aber Wirtschaft und die gesamte Öffentlichkeit forderten mit Recht von der neuen Bundesregierung Klarheit über die Ordnung und die Sanierung der Bundesfinanzen für die nächsten Jahre.
Die notwendigerweise kontraktiven Maßnahmen der Finanzplanung, Ausgabekürzungen - oder, wie mein exakter Kollege von den Finanzen sagt, Kürzungen von Ausgabenzunahmen - und Steuererhöhungen, und die weitere Konjunkturentwicklung, alles das zusammen machte jedoch gleichzeitig die Vorlage eines zweiten, gemeinsam mit den Ländern und Gemeinden durchzuführenden Programms der Konjunktur- und Strukturpolitik notwendig. Der anfangs bestehende und oft beschworene sachliche Zielkonflikt zwischen mittelfristiger Finanzplanung und Konjunkturpolitik war nur durch ein Zwillingsprogramm - sachlich gemeint -, das beide Aspekte berücksichtigte, aufzulösen. Dadurch, meine Damen und Herren, bilden Finanzplanung und Konjunkturprogramm eine Einheit.
Mit guten Gründen verlangt das Stabilitäts- und Wachstums-Gesetz von der Bundesregierung bei der Vorlage eines Konjunkturprogramms eine besondere Begründung nach § 2 Abs. 2. Diese Begründung liegt Ihnen vor. Da diese Begründung infolge neuerer Konjunkturdaten und Informationen nicht mehr voll à jour ist, habe ich mir erlaubt, meine Damen und Herren, dem Hohen Hause gleichzeitig eine ausführliche schriftliche Erläuterung konjunkturanalytischer Art *) zu geben. Ich bitte, sie gleichzeitig zu Protokoll zu nehmen. Ich kann mich deswegen von den Zahlen, die dort niedergelegt sind, weitgehend lösen.
Ich brauche die konjunkturelle Abwärtsbewegung seit Mitte vorigen Jahres nicht noch einmal zu beschreiben. Der Rückgang des realen Bruttosozialprodukts für die ersten sechs Monate dieses Jahres wird auf etwa 1,5 bis 2 O/o geschätzt. Aber seit Mitte dieses Jahres, meine Damen und Herren, ist das Konjunkturbild differenzierter geworden. Die Konjunktur ist jetzt gespalten; sie zeigt unterschiedliche Tendenzen. Einerseits deuten einige Indikatoren, insbesondere die vom Ifo-Konjunkturtest erfaßten unternehmerischen Erwartungen auf eine beginnende Besserung hin, und das ist selbstverständlich erfreulich. Andererseit zeigt aber die Gesamtheit der verfügbaren Informationen, daß die volkswirtschaftliche Aktivität immer noch schwach ist. Die bisherige Besserung bedeutet: teilweiser Abbau von Minuszahlen, dagegen noch keineswegs Aufbau von neuen Pluszahlen. Die zeitweilige, besonders in einem Monat günstigere Auftragsentwicklung sowie die optimistischere Einstellung der Unternehmer und der unseren Programmen stets verbundenen Aktivisten an der Börse sind einmal die Konsequenz der bisherigen konjunkturpolitischen Maßnahmen, die in diesem Hause beschlossen worden sind; sie sind zum anderen auch die Folge der Ankündigung des neuen Programms, sowohl der Sanierung der Bundesfinanzen wie - und
*) Siehe Anlage 5.
vor allem, wie ich glaube - des neuen Konjunkturprogramms.
Auch in diesen schnellen Reaktionen zeigt sich die hohe Flexibilität der deutschen Volkswirtschaft und insbesondere der deutschen Industrie. Wir in der Bundesregierung wollen diese Flexibilität der deutschen Wirtschaft mit dem neuen Programm nutzen; wir wollen sie erhalten und fördern. Aber die Flexibilität braucht nicht nur nach oben zu gehen, sie kann auch nach unten gehen. Die Flexibilität der Stimmungen und Erwartungen in der Wirtschaft zeigt aber zugleich die Labilität der heutigen Konjunkturlage. Diese Konjunkturlage muß nun zu einer stabilen Vertrauensbasis ausgebaut werden. Die optimistischen Erwartungen bei Unternehmern und Arbeitnehmern müssen jetzt - und das ist unsere Aufgabe, meine Damen und Herren - durch politische Realitäten honoriert werden. Wenn wir das nicht täten, würden wir Enttäuschungen verursachen.
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Ich kann auch andere Meinungen zitieren, die in dieselbe Richtung gehen. Es heißt z. B.:
Selbst wenn die Konjunktur wieder auf die Beine kommen sollte, ist sie in den nächsten Monaten noch so staksig,
- so heißt es da daß sie einer Stütze bedarf.
Ein Zitat aus dem Industriekurier vom 12. August dieses Jahres, also unverdächtig. Der nach dem „Harken" und dem „Säen" der bisherigen finanzund wirtschaftspolitischen Entscheidungen des ersten Konjunkturprogramms und aus anderen Gründen entstandene schwache Keimling der Konjunktur braucht jetzt sorgsame gärtnerische Pflege, Schutz vor den Unbilden des Herbstwetters. Gerade im bevorstehenden Winterhalbjahr könnten sonst die saisonalen Einflüsse und das Auslaufen der Wirkungen des ersten Eventualhaushaltes leicht die gerade auflebenden Eigenkräfte der Wirtschaft wieder überdecken.
Von den in § 1 des Stabilitätsgesetzes genannten vier Zielen sind drei nach wie vor gefährdet. Der Gesamtwirtschaft droht deshalb auch weiterhin ein anhaltendes gesamtwirtschaftliches Ungleichgewicht.
Aber ein Ziel ist weitgehend erreicht: erreicht und ungefährdet ist das wichtige Ziel der Stabilität des Preisniveaus, und - meine Damen und Herren, ich will es gleich betonen - die Bundesregierung, wir alle wollen diesen Stabilitätsgewinn erhalten und fördern, auch in der Zukunft. Wir wollen diesen Stabilitätsgewinn nicht preisgeben. Wir wollen ihn erhalten und fördern durch ein stetiges und angemessenes Wachstum. Außerdem ist bei den erheblichen Kapazitätsreserven von einer Belebung der Wirtschaftstätigkeit eher eine weitere Senkung der Stückkosten und damit der Preise als ein erneuter Anstieg der Preise zu erwarten. Und eins steht fest: mit einer Fortsetzung des Verharrens auf niedrigem Produktionsniveau ließe sich für das Stabilitätsziel jedenfalls nichts mehr gewinnen.
Wie ich schon andeutete, nicht erreicht und erheblich gefährdet sind dagegen die Ziele hoher Beschäftigungsstand - denken wir an den Winter! -, außenwirtschaftliches Gleichgewicht und angemessenes und stetiges Wachstum.
Meine Damen und Herren, es ist die Gunst der deutschen Lage, unserer deutschen Lage, daß wir uns durch eine richtige Politik allen diesen vier Zielen - Stabilität, Beschäftigungsstand, außenwirtschaftliches Gleichgewicht und Wachstum - gleichzeitig nähern können, ohne dabei in einen inneren konjunkturpolitischen Zielkonflikt zu geraten. Wir sind da in einer besonders günstigen Lage. Man denke nur vergleichsweise an die Zahlungsbilanzprobleme einiger unserer ausländischen Wirtschaftspartner. Aber die Gunst dieser unserer deutschen Lage sollte uns Verpflichtung sein. Würden wir dieser Verpflichtung nicht folgen, so würden wir uns so ziemlich von allen vom Gesetz gebotenen Zielen weit entfernen. Wir würden in der kommenden Jahreszeit mit einem Anwachsen, und zwar mit einem erheblichen Anwachsen der Arbeitslosigkeit und der Kurzarbeit zu rechnen haben. Wir müßten mit einem weiterhin wachsenden Exportüberschuß - das heißt besser, Einfuhrdefizit - und damit mit einer zunehmenden Belastung unserer Partnerländer rechnen, von denen einige bereits jetzt unter den Einfluß unserer rezessiven Entwicklung geraten sind - die USA und die Bundesrepublik, die beiden wichtigsten Handelsländer, bestimmen mit entscheidend die Weltkonjunktur -, vor allem aber wären erhebliche eigene Wachstumsverluste zu erwarten. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin schätzt - ohne weitere konjunkturpolitische Aktivität - für das zweite Halbjahr 1967 einen Rückgang des realen Bruttosozialprodukts um 3 %. Das Ifo-Institut in der schönen Stadt München erwartet dagegen bei Annahme zusätzlicher öffentlicher Ausgaben in Höhe von rund 3 Milliarden DM - was dem möglichen diesjährigen Anteil des Zweiten Konjunkturprogramms entsprechen könnte - wieder ein leichtes Anwachsen des realen Bruttosozialprodukts um 0,5 %, allerdings nur unter dieser Arbeitshypothese. In dieser Situation und bei diesem Vergleich befindet sich die Arbeitshypothese des Münchener Instituts auf jeden Fall in einer größeren Nähe zur Arbeitshypothese der Regierung und ihrer Politik.
Die Vorlage des Zweiten Programms der konjunktur- und strukturpolitischen Maßnahmen ist bei dieser Ausgangslage und der voraussehbaren weiteren Entwicklung Ausdruck einer stetigen und einer ebenso energischen wie gelassenen Politik. Die Notwendigkeit einer weiteren Konjunkturförderung wird heute - das kann ich wohl feststellen - in der Sache in der Öffentlichkeit kaum noch bestritten. Gewisse Meinungsverschiedenheiten zeigen sich höchstens hinsichtlich der Höhe der therapeutischen Dosis und hinsichtlich der Frage ihrer zeitlichen Verabfolgung.
Es gibt aber auch die Frage, ob dieses Zweite Programm quantitativ überhaupt ausreicht. Nachdem lange Zeit hindurch so viel von erwünschtem „Gesundschrumpfen" und von „Reinigungskrise"
die Rede war, ist das alles und sind auch diese Meinungsverschiedenheiten ein wichtiger Fortschritt. Ich halte es auch für mehr als einen tagespolitischen Gewinn, ich halte es für einen gesellschaftspolitischen Gewinn erster Ordnung, daß sowohl der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie als auch der Vorsitzende der größten deutschen Gewerkschaft in der letzten Woche erneut und in aller Öffentlichkeit dem Programm und seiner ungeschmälerten Verwirklichung zugestimmt haben.
({1})
Meine Damen und Herren, betrachten wir die Proportionen des Programms! Dabei kommen wir zu dem Ergebnis: dieses Programm, das in seiner jetzigen Zusammensetzung ja auch das Resultat eines regen öffentlichen, eines regen kritischen Dialogs ist, dem wir uns mit Freuden stellen und der auch weitergehen wird, ist, was seine Proportionen betrifft, nach meinem Dafürhalten ein Programm des Maßes und der Mitte. Es hat eine Größenordnung von 1 bis 1,5 % des Bruttosozialprodukts. Die Bundesregierung ist sich, so möchte ich sagen, in dieser Situation der Weisheit eines alten wallonischen Sprichwortes bewußt. Dieses Sprichwort lautet: „Der wahre Gläubige nimmt den Schirm mit, wenn er um Regen beten geht."
({2})
Dieses Sprichwortes sind wir uns bewußt; denn das Stabilitäts- und Wachstumsgesetz ist für uns ein solcher Schirm, den wir auf den konjunkturpolitischen Weg mitnehmen. Und wenn wider alles Erwarten die ohnehin ständig kontrollierte Öffnung der Finanzschleusen zuviel des Guten bringen würde, dann wären in einem solchen Fall Bund und Länder - und die Bundesregierung selber ist fest entschlossen, von den entsprechenden Vorschriften Gebrauch zu machen - allesamt verpflichtet, in ihren Kernhaushalten für das Jahr 1968 etwa die Ausgaben entsprechend zu kürzen und vorzeitig öffentliche Schulden zu tilgen. Das ist der Schirm, an den wir denken. Das Gesamtvolumen der öffentlichen Haushalte mit fast 150 Milliarden DM, davon fast 40 Milliarden DM öffentliche Investitionen, macht das Ausmaß möglich und deutlich, in dem etwaige Kompensationsnotwendigkeiten des Programms von 5,3 Milliarden DM erfüllt werden können. Selbst wenn wir zu diesem Programm von 5,3 Milliarden DM die komplementären Ausgaben, die durch die Zinssubventionen veranlaßt werden, hinzufügen, kommen wir auf ein Programm von maximal 8 Milliarden DM. Auch dieses Programm, meine Damen und Herren, kann im schlimmsten Falle mit Hilfe der entsprechenden Vorschriften und Instrumente des Stabilitäts- und Wachstumsgesetzes im kommenden Jahr in den Kernhaushalten aller beteiligten Gebietskörperschaften leicht partiell kompensiert werden.
Nun zum Aufbau des Programms selber. Ich sage es deutlich: dieses neue Programm unterscheidet sich wesentlich von dem ersten dadurch, daß nun dem strukturpolitischen Aspekt weit stärker Rechnung getragen wurde. Natürlich sind konjunkturpolitische und strukturpolitische Probleme häufig eng miteinander verzahnt, gerade in der Flaute. Was aber für die Diagnose gilt, gilt in ähnlicher Weise auch für die politische Therapie. Ich zitiere:
„Wachstumspolitik ist für mich immer auch Strukturpolitik."
Dieser Satz stammt nicht von mir, sondern er stammt aus einem Vortrag von Professor Bombach zur aktuellen Wirtschaftspolitik.
Die Ausgabekategorien und die Einzelprojekte des Programms sind so gewählt, daß sie auf die Synthese von Konjunktur- und Strukturförderung gerichtet sind. Die Ihnen vorliegenden Ergebnisse der vom Ifo-Institut geschätzten Umsatzwirkungen des ersten Eventualhaushalts und nun auch des zweiten Investitionshaushalts auf die verschiedenen Wirtschaftszweige zeigt die breite Ausstrahlung der zusätzlichen öffentlichen Investitionen. Im zweiten Programm wird die sektorale Streuungsbreite voraussichtlich größer sein als im ersten, da Hochbau und Investitionsgüterindustrie mit zusammen 71 % stärker im Vordergrund stehen als im ersten Investitionshaushalt, an dem sie unter den primären Ausgaben mit 54 % beteiligt waren. Die Vorlieferanten des Hochbaus und der großen Investitionsgüterindustrie verteilen sich über besonders viele Branchen, und die Vorlieferungen haben in diesen beiden Bereichen einen besonders hohen Anteil am gesamten Produktionswert.
Zweitens kommt der strukturpolitische Effekt dieses Programms durch die regionale Streuung der Ausgaben zum Ausdruck. Eine Verteilung nach dem Gießkannenprinzip wird es nicht geben. Den sogenannten Strukturgebieten - das sind die Steinkohlenreviere, das Zonenrandgebiet, die sonstigen Bundesförderungsgebiete und das Land Berlin - wird ein eindeutiger Vorrang eingeräumt.
Über diesen Schlüssel, der diesen Strukturgebieten praktisch ein verdoppeltes Gewicht gibt, haben sich Bund, Länder und Gemeindevertreter im Konjunkturrat für die öffentliche Hand erfreulich schnell geeinigt.
({3})
Alle Länder sind jetzt dabei, die im Konjunkturrat abgestimmten und im Bundesrat schon gebilligten Maßnahmen praktisch vorzubereiten, einzuleiten und zu verwirklichen. Wer hätte gedacht, daß in so kurzer Zeit folgendes Ergebnis erreicht wird: Drei Länder haben das Verfahren für neue Investitions-und Konjunkturhaushalte in ihren Landtagen bereits abgeschlossen, zwei haben die Gesetzesvorlagen im Landtag eingereicht, und drei haben das Programm in ihren Kabinetten verabschiedet. Die restlichen Landesregierungen - das ist eine kleine Zahl - sind noch bei den Vorbereitungen. Das ist das Ergebnis eines, ich glaube sagen zu dürfen, erfreulich aktiven, konstruktiven, kooperativen Föderalismus, praktiziert im Konjunkturrat und eingesegnet im Bundesrat.
({4})
Von sieben Bundesländern haben wir schon die Zahlen über diese zusätzlichen Haushalte, die entweder schon parlamentarisch verabschiedet sind
oder vom Kabinett abgeschlossen sind oder behandelt werden. Die Gesamthöhe der vorgesehenen Sonderausgaben in diesen sieben Ländern geht mit rund 2,5 Milliarden DM sogar schon über die im Konjunkturrat vorgesehenen Ansätze hinaus. Da sage mir noch einer, meine Damen und Herren, die Länder würden mauern! Nein, sie ziehen mit. Manche Regionen werden dabei aus dem Gesamtprogramm ein Mehrfaches an Förderung im Verhältnis zu ihrem Bevölkerungsanteil erhalten.
Nun ein Wort zur Finanzierung. Finanziert werden muß das Zweite Konjunktur- und Strukturprogramm auf dem Kreditweg. Das verlangt nicht nur die gegenwärtige Finanzlage von Bund, Ländern und Gemeinden; das ist vor allem ein Gebot der antizyklischen Finanzpolitik, wie sie im Stabilitäts- und Wachstumsgesetz vorgeschrieben ist. Aber ich sage mit allem Ernst, das Schuldenproblem muß in all seinen Aspekten gesehen werden. Das Problem der öffentlichen Verschuldung ist konjunkturpolitischer, vermögenspolitischer und fiskalischer Natur.
Zunächst zum konjunkturpolitischen Aspekt. Die Vertreter der Spitzenverbände der Wirtschaft und der Gewerkschaften haben übereinstimmend festgestellt: „Die notwendige Kreditfinanzierung des zweiten Konjunkturprogramms ist für alle weitaus billiger als ein Anhalten der konjunkturellen Schwäche." Hätte sich diese Erkenntnis schon im vergangenen Herbst oder Winter des alten Jahres durchgesetzt, dann wäre die Rezession sicherlich geringer gewesen und übrigens auch der Zwang zur öffentlichen Verschuldung geringer geworden.
({5})
Ich will Ihnen eine andere Größenordnung nennen, die diese Dinge wiedergibt:
Der Preis der Rezession beträgt in einem Jahr mindestens 20 bis 25 Milliarden DM. Das ist etwa der Betrag, um den das Sozialprodukt ohne Gefahr für die Preisstabilität in diesem Jahre der Betrachtung hätte wachsen können.
Der Autor fährt fort:
20 Milliarden DM, das ist etwa ein Viertel des Bundeshaushalts; sie genügten fast, die Versicherungsrenten eines. ganzen Jahres zu bezahlen.
({6})
So weit das Zitat. Es ist aus einem bemerkenswerten Aufsatz von Karl Otto Pöhl, „Anatomie einer Rezession", im neuesten „Volkswirt" vom 1. September.
Ich füge, um alle Seiten zu befriedigen, ein anderes Beispiel hinzu. Der Verlust im Wachstum des Bruttosozialprodukts um 20 Milliarden DM hätte auch genügt und ausgereicht, die Finanzierung eines ganzen jährlichen Verteidigungshaushalts zu sichern. Das muß man auch mal sehen. Wenn das Zweite Programm jetzt gekürzt oder gestreckt oder in Tranchen zerlegt werden würde - bei aller Flexibilität, die wir schon in der Terminplanung dargelegt haben -, dann würde das für uns alle später noch teurer werden, wir müßten die Last der
Rezession noch länger spüren, d. h. wir müßten dann später noch einmal Schulden machen, was niemand in diesem Hause will.
Ein baldiger Konjunkturaufschwung schafft die Möglichkeit zur Rückzahlung oder zur Konsolidierung der kurzfristigen öffentlichen Kredite. Wir werden dabei gewiß nicht den Spielraum für die notwendige Kapitalmarktfinanzierung der privaten Wirtschaft beschränken, und wir werden gewiß nicht die Bemühungen der Deutschen Bundesbank um eine weitere Senkung des Kapitalmarktzinses stören.
Nun der zweite Aspekt! Die Lösung des Problems der öffentlichen Schulden kann mittelfristig auch nur in einer stärkeren Ersparnisbildung in breiten Schichten der Bevölkerung gesehen werden, bei gleichzeitiger Verbesserung der Selbstfinanzierung der Wirtschaft und - diesen Zusammenhang will ich nur andeuten - bei gleichzeitigem Abbau der staatlichen Selbstfinanzierung, d. h. es können nicht in dem Maße wie in der Vergangenheit öffentliche Investitionen allein aus Steuern finanziert werden.
Dieser längerfristige Aspekt des Schuldenproblems zeigt drittens auch: das Konjunktur- und Strukturprogramm setzt den ständigen Zusammenklang von Fiskalpolitik und Geldpolitik voraus, wie er sich im übrigen, wie Sie alle wissen, zwischen Bonn und Frankfurt erfreulicherweise entwickelt hat. Staatliche Schulden - das ist eine Binsenweisheit, aber ich bestätige sie - müssen verzinst und zurückgezahlt werden, und zwar nicht aus inflationären Preissteigerungen, sondern aus der realen und stetigen Zunahme unseres deutschen Volkseinkommens. Das ist die solide Quelle der Rückzahlung der öffentlichen Schulden.
({7}) Um John F. Kennedy noch einmal zu zitieren:
Unsere Staatseinkünfte und damit der Erfolg der Staatsführung hängen davon ab, daß unsere Unternehmer mit Gewinn arbeiten ... Weit entfernt, natürliche Gegner zu sein, sind vielmehr Regierung und Unternehmerschaft notwendigerweise Verbündete.
Soweit Präsident Kennedy.
Ich kann, meine Damen und Herren, nach den Erfahrungen bei der Vorbereitung dieses Programms - auch im Rahmen der konzertierten Aktion - sogar weitergehen, ich kann heute von einem Dreierbündnis zwischen Staat, Unternehmerschaft und Arbeitnehmern sprechen. Dieses Bündnis von Wirtschaft, d. h. Unternehmern und Arbeitnehmern, und Staat ist zugleich auch ein Resultat der konzertierten Aktion, die übrigens ihre liberale und tolerante gesetzliche Verankerung in § 3 des Stabilitäts- und Wachstumsgesetzes gefunden hat. Konzertierte Aktion, das ist eine Bewährungsprobe für die mündige Gesellschaft. Ihr Erfolg ist auch wesentlich für unseren gesellschaftspolitischen Fortschritt. Ich sage ganz freimütig, die weitere Bewährungsprobe der konzertierten Aktion wird sie in der Phase des eigentlichen Aufschwungs abzulegen haben. Aber ich bin sicher, nach all den VorausBundesminister Dr. Schiller
arbeiten und Vorbereitungen, daß uns auch dieser Erfolg der konzertierten Aktion im eigentlichen realen Aufschwung gelingen wird.
({8}) - Ich bin dessen völlig sicher.
Das vorliegende Programm ist unmißverständlich geprägt vom Geist der Marktwirtschaft. Wir haben mit Bedacht und im Widersrpuch zu manchen Forderungen eine programmierte Aufgliederung des Sozialprodukts und auf eine detaillierte branchenmäßige Zurechnung des vorhandenen und künftigen Ungleichgewichts verzichtet. Ich erinnere daran, daß eine Reihe von Hause aus liberaler Kritiker von uns eine detaillierte branchenmäßige Darlegung der Nachfrage und eine entsprechende Steuerung der öffentlichen Aufträge, nicht nach der Priorität ihrer gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Bedeutung, sondern nach den jeweiligen „Nachfragelücken" in den einzelnen Branchen verlangen. Ich sage offen, wir haben darauf verzichtet. Das wäre der direkte Weg in die „planification en détail". Das wissen manche nicht, die einen derartigen Perfektionismus von uns verlangen. Branchen- und Sektorenplanung sollten Ausnahmen bleiben, so bei der Kohle. In einem Gesamtprogramm der Konjunktur- und Strukturpolitik wie diesem liegen Branchen- und Sektorenplanung en détail jenseits des Rubikons, der die Marktwirtschaft von einer unfreien Wirtschaft trennt. Globalsteuerung - ich sage das noch einmal - heißt klar und deutlich Absage an den partikularen Interventionismus, der die marktwirtschaftliche Ordnung über kurz oder lang denaturieren würde.
Aber, meine Damen und Herren, nun kommt die andere Seite. Im Mittelpunkt des Programms steht die Verbesserung der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Infrastruktur. Um es ganz deutlich zu sagen, die Stunde der Flaute ist die Stunde der öffentlichen Investitionen, und sie muß wahrgenommen werden. Wenn wir erst wieder dämpfen oder bremsen müssen, dann werden die öffentlichen Investitionen zugunsten anderer Investitionen zurücktreten müssen. Jetzt haben wir die Chance, den großen Nachholbedarf im Bau von Schulen und Krankenhäusern, von Verkehrswegen, Nachrichtenverbindungen, Erholungsstätten, Wasserreinigungsanlagen usw. in seiner Deckung aufzuholen. Und das ist dringend notwendig.
Sie alle kennen John Kenneth Galbraith. Er hat die Gefahr, die in den meisten modernen Wohlstands- und Industrieländern besteht, so treffend gekennzeichnet: wachsender privater Wohlstand und zunehmende öffentliche Armut. Damit ist etwa der Arme-Leute-Duft eines städtischen Krankenhauses im Ruhrgebiet gemeint im Vergleich zu anderen, sehr viel schöneren privaten Häusern, die es anderswo gibt. Das ist ein Beispiel.
Immer stärker setzt sich, nicht nur bei uns, dagegen die Einsicht durch, daß öffentliche Investitionen, für die es keine Reklame gibt - es sollte wenigstens keine allgemeine Reklame für sie geben - und für die es in der freien Wirtschaft keine Marktrechnung gibt, die Voraussetzung sind - nicht nur konjunkturell, sondern in der langfristigen Entwicklung - für das Leben der Marktwirtschaft. Gesunde Lebens- und Umweltbedingungen sind ein entscheidender Bestandteil der Wohlfahrt des einzelnen und der Gesellschaft.
Es gibt da sehr deutliche Äußerungen, die ich in ihrer Prononciertheit ruhig einmal in einem Beispiel wiedergeben will. So heißt es:
Ja, es scheint ein Merkmal unserer Zeit zu sein, daß das staatliche und sonstige öffentliche Eigentum immer umfangreicher wird. Das hat u. a. darin seine Ursache, daß der Staat um des Gemeinwohls willen immer größere Aufgaben übernehmen muß. Aber auch hier will das bereits erwähnte Prinzip der Subsidiarität
- nun wissen Sie, woher es kommt beachtet sein. Nur dann dürfen der Staat und andere öffentlich-rechtliche Gebilde den Umfang ihres Eigentums
- ich würde sagen: ihrer Investitionen ausweiten, wenn das richtig verstandene Gemeinwohl dies offenbar verlangt, wobei zu vermeiden ist, das Privateigentum übermäßig zu beschränken oder, was noch schlimmer wäre, ganz zu verdrängen.
Meine Damen und Herren, was ich Ihnen soeben verlesen habe
({9})
- Sie sind ein Kundiger, auch nach dem wallonischen Sprichwort -, ist die Ziffer 117 aus Mater et Magistra von Papst Johannes XXIII. Soweit das Zitat, und ich sage freimütig, auch das Subsidiaritätsprinzip ist ein Aspekt, den wir bei den öffentlichen Investitionen in diesem Programm beachten.
Meine Damen und Herren, wenn wir die große Linie der weiteren Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik ins Auge fassen, wird deutlich, es gibt jetzt keine vernünftige Alternative zu diesem Zweiten Programm. Die Alternative wäre etwa - und sie wäre unvernünftig -, überhaupt nichts zu tun. Wirtschaftlich würde uns eine Fortsetzung der Rezession oder eine erneute Rezession im Winter mit allergrößter Wahrscheinlichkeit in den Protektionismus und in eine zunehmende Abschirmung einzelner Wirtschaftsbranchen gegenüber der Konkurrenz und gegenüber der Weltwirtschaft führen. Ein weiteres Absinken der Konjunktur würde den Krisenprotektionismus fördern. Eine anhaltende Stagnation wäre zugleich ein Hindernis für die weitere Rationalisierung unserer Wirtschaft und für die notwendigen Umstellungsprozesse.
Ordnungspolitisch wäre der Weg einer erneuten Rezession im Winter und in den Protektionismus zugleich eine Aushöhlung der inneren und äußeren Wettbewerbswirtschaft und unserer inneren und äußeren Wettbewerbsfähigkeit. Daß die Bundesregierung genau das Gegenteil anstrebt, daß sie den Wettbewerb fördern will, zeigt die Zinsfreigabe am 1. April dieses Jahres nach 35 Jahren staatlicher Regulierung und zeigen auch die Überlegungen zu einer Weiterentwicklung unserer Wettbewerbs5972
ordnung und unserer Wettbewerbspolitik. Ich kann beruhigend hinzufügen, auch diese letztgenannten Initiativen - Wettbewerbsordnung, Wettbewerbspolitik - werden, wenn ihre Stunde im Aufschwung kommt, konzertiert, d. h. im Gespräch mit allen Beteiligten, vorbereitet werden und dann dem Hohen Hause in ihren verschiedenen Varianten vorgelegt werden.
Ich darf nur sagen, meine Damen und Herren, eine nochmalige Rezession wäre auch für die internationale Arbeitsteilung und für die Prosperität der Weltwirtschaft gefährlich. Gerade die intensiven und erfolgreichen deutschen Bemühungen um eine Reform der internationalen Währungsordnung - von Chequers im Januar dieses Jahres über München im April bis hin zu London am 26. August und schließlich im Blick auf den bevorstehenden festlichen Abschluß in Rio -, alle diese Bemühungen, die notwendig waren und bei denen wir eine vermittelnde und wichtige Rolle gespielt haben, werden nur dann auf Dauer Erfolg haben, wenn die großen Industrieländer sich konjunkturpolitisch und stabilitätspolitisch wohlverhalten. Stabilität und Wachsturn können nur dann gesichert werden, wenn vor allem die Industrienationen bereit sind, in ihren eigenen Bereichen konjunkturelle und finanzielle Fehlentwicklungen wirksam zu verhindern. Unsere eigene europäische und internationale Verantwortung verlangt auch deshalb eine rasche Überwindung der Stagnation. Der besonders große Exportüberschuß der ersten sieben Monate dieses Jahres gibt uns zwar für bestimmte internationale Gespräche eine gute, ja eine starke Verhandlungsposition. Aber wir geraten doch zugleich mit dieser Entwicklung, wenn sie ungezügelt weitergeht, sehr leicht auf die internationale Anklagebank, weil sie auf einem Einfuhrdefizit beruht. Wir wissen auch allesamt, daß mit einer solchen Entwicklung des Ungleichgewichts zwischen Einfuhr und Ausfuhr - wobei die Ausfuhr gerade für die deutsche Volkswirtschaft ihre besondere Bedeutung hat - der Appetit anderer in bezug auf unsere Devisenbestände wächst. Eine organische Lösung dieses Ungleichgewichts kann nur erreicht werden - das sage ich klar und deutlich - durch eine Steigerung der inländischen Nachfrage und damit durch eine Steigerung der deutschen Einfuhr. Das ist der organische und unserer Situation angemessene Weg. Kein anderes Mittel wollen wir einsetzen.
Auch für den innerdeutschen Handel wäre eine erneute Konjunkturschwäche in diesem Teil Deutschlands ein erhebliches Hindernis. Denken Sie an die Verschuldung drüben oder an unsere Lieferungssalden. Der neue Mehrwertsteuerlaß, den Herr Kollege Strauß und ich in einem Kompromiß vorbereitet haben, beseitigt, so glaube ich, die Probleme beim Übergang zum neuen Mehrwertsteuersystem im innerdeutschen Handel; aber er beseitigt natürlich nicht die mit unserer Konjunktur zusammenhängenden Hemmnisse.
Ich fasse zusammen.
Die heute zur Beratung stehenden Vorlagen bieten ein geschlossenes, nach vorn gerichtetes Konzept der Wirtschafts- und Finanzpolitik. Über die rechnerische Einpassung - das sage ich zu den Sachverständigen, die sich besonders damit befaßt haben - der mittelfristigen Finanzplanung in die gesamtwirtschaftliche Zielprojektion, über die ja in der Offentlichkeit mehrfach kritisch gesprochen wurde, hat ès in der Tat in einer früheren Phase vereinzelt Diskussionen zwischen den beiden daran beteiligten Häusern gegeben. Aber soweit auf diesem Gebiet Unklarheiten bestanden haben - es handelt sich dabei um schwierige technische Probleme -, sind diese heute sämtlich beseitigt; das sage ich deutlich. Das schließt natürlich nicht aus, daß die notwendige Konsistenz von Finanzplanung und wirtschaftlicher Zielprojektion bei der nach § 9 Abs. 3 des Stabilitätsgesetzes jährlich notwendigen Fortführung und Anpassung der Finanzplanung ihrerseits zugleich immer wieder überprüft wird.
Meine Damen und Herren, dieses Programm verbindet Marktwirtschaft und moderne geld- und fiskalpolitische Globalsteuerung. Es bedient sich - und darüber kann kein Streit bestehen; über das erste kann es Diskussionen geben - erstmals der Möglichkeiten, der Anforderungen und der Instrumente des Gesetzes zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft, das in diesem Hohen Hause vor knapp vier Monaten verabschiedet wurde. Das Gesetz wird jetzt zum erstenmal angewendet, in einer Richtung, die völlig konträr zu jener Richtung ist, unter der es vor etwa einem Jahr hier im Deutschen Bundestag eingebracht wurde. Wir wollen jetzt mit diesem Programm die Arbeitslosigkeit eindämmen und wollen zugleich - und das ist als mittel- und langfristiges Ziel von besonderer Bedeutung - die gesamtwirtschaftliche Produktivität steigern. Ich möchte auch sagen, das vorliegende Programm ist ein Programm, das der zweiten Phase unserer marktwirtschaftlichen Ordnung entspricht. Es ist ein Programm der gesellschaftlichen Verpflichtung und ein Programm der marktwirtschaftlichen Freiheit. Es ist ein Programm der Gegenwart und der Zukunft.
Namens der Bundesregierung bitte ich daher das Hohe Haus gemäß § 8 Abs. 1 des Stabilitäts- und Wachstumsgesetzes um Zustimmung zu dem Zweiten Konjunktur- und Strukturprogramm 1967/68.
({10})
Meine Damen und Herren, wir treten jetzt in die allgemeine Aussprache ein. Das Wort hat der Abgeordnete Mischnick.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Herr Bundeskanzler hat seine Erklärung eingeleitet mit den Worten: Ich habe um diese Sondersitzung gebeten. Das ist richtig; Tatsache ist aber auch, daß diese Sondersitzung, als die Freien Demokraten sie beantragten, wochenlang verweigert wurde, und zwar mit dem Hinweis, man könne noch nicht diskutieren, solange nicht die einzelnen Gesetzentwürfe zu den verschiedenen Themen, die angesprochen sind, vorliegen. Wir diskutieren heute - die Gesetzentwürfe liegen nicht vor. Damit kann ich feststellen, daß sich
die Koalitionsfraktionen mit ihrer Ablehnungsbegründung vom Juli selbst widersprechen, wenn sie heute das tun, was sie damals glaubten nicht tun zu können.
({0})
Bedauerlicherweise müssen wir feststellen, daß im Ältestenrat darüber hinaus erklärt worden ist, die Herren Ressortminister würden nicht bereit sein, zu den vielen Einzelfragen Stellung zu nehmen, die in der Vorlage der Bundesregierung angesprochen sind, deren gesetzliche Regelung uns aber nicht übermittelt worden ist; .
({1})
das Kabinett beschließe erst am 13. September darüber.
Wir Freien Demokraten halten ein solches Verfahren für unmöglich und sehen darin eine Einschränkung der Arbeitsfähigkeit des Parlaments.
({2})
Wenn Sie, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen von den Koalitionsfraktionen, sich die Zumutung gefallen lassen, eine solche umfassende Finanz- und Konjunkturplanung mit weitgehenden Eingriffen -- nach Meinung der Regierung - in viele gesetzliche Regelungen zu verabschieden, ohne den Inhalt dieser Gesetze zu kennen, dann ist das Ihre Sache. Wir machen das nicht mit.
({3})
Es ist bedenklich, daß überhaupt daran gedacht ist, heute und in den nächsten Tagen im Rahmen der Finanzplanung die einnahmesteigernden und die ausgabemindernden Gesetze nicht gleichzeitig zu verabschieden. Man muß doch damit rechnen, daß jetzt zwar die einnahmesteigernden Gesetze, die Steuergesetze, schnell beschlossen werden, daß aber ungewiß bleibt, ob die Kürzungsmaßnahmen noch folgen. Wir müssen nach den Stimmen, die wir bisher gehört haben, befürchten, daß dann die entscheidenden Verwässerungen beginnen und daß damit das Konzept der Konjunktur- und Finanzplanung, das heute bzw. am Freitag verabschiedet werden soll, beeinträchtigt wird. Wie Sie es miteinander vereinbaren wollen, daß dieser Teil der Sanierung der Bundesfinanzen bis Oktober/November ausgesetzt und das andere beschlossen wird, ist ein Geheimnis, das Sie lüften müssen; das ist ein Punkt, wo Sie sich selbst prüfen müssen, ob Sie dem zustimmen können.
Die gesamte Diskussion über die mittelfristige Finanzplanung ist Ende Juni/Anfang Juli unter der Firmierung „Woche der Wahrheit" angekündigt worden. Es wurden sehr wortstarke Erklärungen abgegeben, was alles geschieht. Anläßlich der Debatte über den Haushalt in diesem Hohen Hause sagte ich, ich hätte den Eindruck, der 5. Juli sei nur deshalb gewählt worden, weil man sicher sei, daß das Parlament dann schon in Urlaub sei. Daß dieser Eindruck richtig war, hat sich später bestätigt; denn wir mußten ja zu Gesprächen herkommen, um uns unterrichten zu lassen. Nun müssen wir heute leider feststellen, daß die Unterrichtung, die damals erfolgte, nicht ausführlicher war als die, die heute erfolgt; oder umgekehrt: wir wissen heute genauso wenig wie Mitte Juli, als wir die erste Debatte haben wollten, weil die entsprechenden Gesetzentwürfe nicht vorliegen.
({4})
Was ist denn nun wirklich aus der „Woche der Wahrheit" herausgekommen?
({5})
Wahr ist, daß ein Teil des zu befürchtenden Defizits durch Kürzungen beseitigt werden soll. Dabei handelt es sich aber nicht etwa in erster Linie um echte Einsparungen jetzt laufender Ausgaben, sondern es geht fast ausschließlich darum, künftige Steigerungen einzuschränken. Ein wirklicher Abbau von Aufgaben und damit von Ausgaben ist kaum sichtbar geworden. Von einer gründlichen Durchforstung des gesamten Haushalts kann überhaupt keine Rede sein. Wenn heute der Herr Bundeskanzler sagt: 30 Milliarden DM eingespart,
({6})
dann muß das doch für den Nichtkundigen so wirken, als habe man von 70 oder 75 Milliarden 30 Milliarden gestrichen. Was ist eingespart? 30 Milliarden DM, die morgen oder übermorgen mehr ausgegeben werden sollten, aber nicht das, was jetzt schon festgelegt ist. Diese Darstellung „30 Milliarden DM Einsparungen" erweckt das Bild einer großartigen Leistung. In Wahrheit ist es ein Abzwacken, noch nicht einmal ein konsequentes Durchforsten künftiger Ausgaben.
({7})
Auch das muß man in aller Nüchternheit sehen, wenn man die Dinge wirklich gründlich untersuchen will.
Herr Bundeskanzler, Sie haben davon gesprochen, nicht mit der Holzaxt wolle man ausforsten; sonst bestünde die Gefahr eines Kahlschlags. Das ist durchaus richtig und auch ein anerkennenswerter Grundsatz. Aber wenn ich mir das ansehe, was geschieht, habe ich das Gefühl: Hier ist mit einem Taschenmesser an ein ganzes Waldgebiet herangegangen worden; so wenig ist dabei herausgekommen.
({8})
Es ist doch eine schlichte Selbsttäuschung, wenn man davon spricht, hier seien in Wahrheit große Einsparungen vorgenommen worden. Wahr ist, daß Steuererhöhungen das Defizit verkleinern sollen. Dieser Weg ist nach unserer Überzeugung in der jetzigen konjunkturellen Situation falsch. Das haben wir nicht erst jetzt gesagt, sondern das ist eine Auffassung, die wir seit November vergangenen Jahres vertreten haben, wozu wir laufend warnend unsere Stimme erhoben haben und die z. B. der Sachverständigenbeirat beim Bundeswirtschaftsministerium in gleicher Weise bestätigt hat. Es gibt eine Vielzahl von Äußerungen von Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite, die sich im gleichen Sinne gegen Steuererhöhungen aussprechen.
Der Bundesfinanzminister hat vorhin davon gesprochen, die Ergänzungsabgabe lasse nicht das
ganze Haus einstürzen; es sei ein Mittelmaß gefunden. Ich kann nur sagen: Das ist völlig richtig; es ist sehr mittelmäßig, was hier gefunden worden ist, um die Probleme zu lösen.
({9})
Es ist auch davon gesprochen worden - Herr Kollege Strauß sagte es hier -, das Konjunkturprogramm sei ein Gegenstück zur Finanzplanung. Ich bin mir bewußt, daß Sie damit meinten: das ergänzende Stück. Aber Sie haben mit der Wortwahl eigentlich schon richtig gesagt, was es ist. Es ist das Gegenstück. Es sind gegensätzliche Dinge, die Sie hier vorschlagen, einmal Ankurbelung der Wirtschaft durch Kreditspritze, auf der anderen Seite Entzug von Mitteln aus der Wirtschaft durch Steuererhöhungen. Insofern haben Sie recht. Es ist ein Gegenstück, was hier gemacht worden ist.
({10})
Wahr ist, daß die Bundesregierung zur Belebung der Konjunktur weitere Kredite aufnehmen will. Dadurch wird natürlich das Volumen für die Wirtschaft eingeengt.
Es ist hier davon gesprochen worden, daß die Gemeinden und die Länder mitziehen. Es sind uns eine ganze Zahl von Ländern genannt worden. Ich bin mir allerdings noch nicht so ganz sicher, ob wirklich das, was als Programme von den Ländern und den Gemeinden vorgelegt wird, dem Sinn entspricht, den man sich hier vorstellt. Ich kenne eine ganze Reihe Beispiele, wo man zwar mit großer Freude sagt: Jetzt gibt es Geld, und das muß ausgegeben werden. Ob das aber wirklich in die richtige Richtung fließt, so daß wir morgen sagen können: es ist sinnvoll ausgegeben worden, das ist eine Frage, die noch im einzelnen zu prüfen ist. Ich denke z. B. daran, daß in einigen Gegenden an die Herren Landräte die Aufforderung herausgegangen sein soll, man solle einmal prüfen, ob denn nicht jetzt Müllverbrennungsanlagen wichtig seien. Ich will gar nicht bestreiten, daß eine Müllverbrennungsanlage eine sehr wichtige Investition ist. Es fragt sich aber, ob es richtig ist, daß sich nun jeder Kreis bemüht, schnell ein solches Projekt zu erstellen, um dann festzustellen, daß es sinnvoller gewesen wäre, zwei, drei oder vier Kreise zusammenzufassen. Es erfüllt uns mit Sorge, daß mancher aus übertriebener Hast jetzt Dinge bringt, die uns morgen zwar mit dem Schuldendienst belasten, aber nicht den Investitionswert haben, den wir brauchen.
({11})
- Wir unterschätzen die Kreise nicht, verehrter Herr Kollege. Nur haben wir auch da schon eine ganze Menge Erfahrungen gesammelt, die beweisen, daß Ihre Kollegen in diesem Bereich sehr schnell bereit sind, das, was jetzt von Bonn oder von dem zuständigen Land kommt, zu vereinnahmen, nicht um Neues oder anderes zu machen, sondern Dinge, die sie zurückstellen mußten, weil sie nicht so wichtig waren. - Bitte sehr.
Herr Kollege Mischnick, können Sie mir wirklich ein Beispiel nennen, daß Landräte, nachdem man ihnen mitgeteilt hat: Wie wäre es mit einer Müllverbrennungsanlage?, auf die Idee gekommen sind, jetzt wolle jeder eine haben - wie von einem Weihnachtsmann wird das verteilt -, oder ist Ihnen wirklich nicht bekannt, daß Landräte und sonstige Kommunalpolitiker schon lange, bevor es ein Konjunkturprogramm gab, wußten, daß nicht jede Straße eine Müllverbrennungsanlage haben kann?
Sehr verehrter Herr Kollege, ich wäre froh, wenn ich jetzt sagen könnte: es ist nur eine Vermutung gewesen. Die Tatsache, daß ein solches Rundschreiben mit dieser Aufforderung herausgegeben worden ist, macht doch deutlich, daß man hier aufforderte, solche Dinge mit zu melden, weil man offensichtlich bis zum 15. Oktober - dieser Termin ist gesetzt - andere sinnvolle Projekte nicht auf die Beine bringt. Davor warnen wir. Das ist der entscheidende Gesichtspunkt, nichts anderes.
({0})
Wahr ist, daß die Kürzungen, die beim Verteidigungshaushalt vorgeschlagen sind, etwa der Steigerung entsprechen, die vor einigen Wochen für 1967 beschlossen worden sind.
({1})
- Herr Kollege Schmitt-Vockenhausen, ich komme auf diese Frage nachher noch einmal zurück; vielleicht stellen Sie dann Ihre Frage. Ich will jetzt in diesem Gedankengang bleiben.
Für die Jahre 1969 bis 1971 sind - wieder nach dieser Projektion - im Verteidigungshaushalt Ausweitungen von 700 Millionen bis 2,1 Milliarden DM vorgesehen. Wie zu hören ist - nähere Einzelheiten wissen wir ja noch nicht; die Debatte soll erst im Oktober folgen - bedingen diese Beschlüsse eine Überprüfung der Verteidigungskonzeption. Man sprach eine Zeitlang von 60 000 Mann, die die Bundeswehr weniger haben sollte; dann waren es 20 000 Mann.
Interessant bei dieser ganzen Debatte ist doch folgendes. Als die Freien Demokraten aus politischen Überlegungen forderten, hier Änderungen vorzunehmen, war angeblich die Verteidigungsbereitschaft gefährdet. Jetzt geschieht aus fiskalischen Gründen das, was, wenn es aus politischen Gründen rechtzeitig geschehen wäre, für uns noch außenpolitisch hätte eingesetzt werden können. Dieser Effekt ist natürlich jetzt verlorengegangen.
({2})
Wahr ist, daß man im sozialpolitischen Bereich wiederum keine klaren Entscheidungen gefällt hat. Einige wenige sinnvolle Veränderungen können nicht darüber hinwegtäuschen, daß eine wirkliche Konsolidierung der Finanzen der Rentenversicherung durch die Beschlüsse des Bundeskabinetts nicht erreicht werden kann. Der großzügige Ansatz für Mehreinnahmen durch die Heraufsetzung der Pflichtversicherungsgrenze wird sich nach meiner ÜberMischnick
zeugung schon in einem Jahr als eine Fehlkalkulation erweisen. Wiederum will sich auch in diesem Punkte die Bundesregierung an einer klaren Entscheidung, ob unsere Rentenversicherung in der jetzigen Form beibehalten werden kann oder nicht, vorbeimogeln, wie das schon mehrfach geschehen ist.
Wahr ist, daß die anläßlich der Debatte über die Regierungserklärung im Dezember 1966 hier von dieser Stelle geäußerten Befürchtungen der Freien Demokraten sich als richtig erwiesen haben. Obwohl es sich nur um Beträge von 20 und 30 Millionen DM pro Jahr handelt, hat das Bundeskabinett den anerkannten Nachholbedarf in der Kriegsfolgengesetzgebung für die verschiedensten Bereiche - Sowjetzonenflüchtlinge, politische Häftlinge, Heimkehrer usw. - vom Tisch gewischt. Damit würden diejenigen Geschädigtengruppen, die sowieso weit hinterherhinken, endgültig auf der Strecke bleiben.
Der festgesetzte Verzicht auf Verbesserung der Kriegsopferversorgung bis 1971 muß natürlich unter dem gleichen Blickwinkel gesehen werden. Wer die automatische Dynamik in der Renten- und Unfallversicherung und praktisch auch im Bundesentschädigungsgesetz beibehalten will, handelt unsozial, wenn er in der Kriegsfolgengesetzgebung bestimmte Personengruppen davon ausnimmt und die Betroffenen damit unter ein Ausnahmerecht stellt. Das ist doch der entscheidende Punkt.
({3})
Der Herr Bundesfinanzminister hat davon gesprochen, daß wir keine neuen entschädigungspflichtigen Sachverhalte schaffen sollten und daß keine vergangenheitsbezogenen Ausgaben erbracht werden sollten. Das ist ein Standpunkt, mit dem man sich auseinandersetzen muß. Das bedeutet doch aber, daß Sie, meine verehrten Kolleginnen und Kollegen von der CDU/CSU und von der SPD, sich jetzt mit Ihren Aussagen, die Sie noch in den letzten Wochen und Monaten nicht nur hier, sondern auch draußen gegenüber diesen Gruppen der Kriegsfolgengesetzgebung gemacht haben, auseinandersetzen müssen. Da müssen Sie den Mut haben, zu sagen, daß in diesem Bereich nichts mehr geschieht. Wir halten das für falsch. Es ist aber nicht richtig, hier hinhaltend zu taktieren und damit bei den Betroffenen den Eindruck zu erwecken - mit Recht! -, daß sie, weil sie organisationsmäßig nicht so stark wie andere sind, auf dem Altar der Finanzplanung ohne Rücksicht darauf, welche besonderen sozialen Tatbestände bei ihnen vorhanden sind, geopfert werden.
({4})
Der Herr Bundeskanzler hat darauf hingewiesen, daß diese Große Koalition nun neun Monate tätig sei. Es ist richtig, daß neun Monate noch kein Zeitraum sind, nach dem man abschließende Urteile fällen kann. Es ist auch richtig, daß das Messen, ob das Werk gelungen oder nicht gelungen ist, zu einem späteren Zeitpunkt erfolgt. Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie alle haben es doch miterlebt, wie oft hier - nicht nur heute, sondern schon vorher - mit großen Worten große Dinge angekündigt worden sind, wo wir dann am Ende feststellen mußten, daß ganz kleine Brötchen gebacken wurden.
({5})
- Sie haben einige Zwischenrufe gemacht. Lieber Herr Kollege Matthöfer, wir werden diese Frage noch in geeigneter Form zur Sprache bringen. Was sagen Sie dazu, daß ein leitender Beamter des Bundeskanzleramtes in der Lage war, falsche Mitteilungen über die Tätigkeit des Bundesfinanzministers Dahlgrün an die Presse zu geben
({6})
und damit in der Öffentlichkeit den Eindruck zu erwecken, er habe das Kabinett nicht richtig unterrichtet, und damit eine solche Stimmung zu erzeugen, die dann bei Ihnen als Opposition, die Sie die Dinge nicht so genau kannten, manchen falschen Eindruck erweckt hat?
({7})
Ist es überhaupt zulässig, daß ein Ministerialdirektor, wie jetzt aus einer Presseveröffentlichung feststellbar ist, solche Dinge nach draußen gibt, obwohl die Tatsachen anders waren? Wir werden uns mit dieser Frage zu anderer Zeit zu befassen haben. Ich wollte das nur auf diesen Zwischenruf hin hier feststellen.
({8})
- Ja eben!
({9})
- Das gehört auch zur Sache!
({10})
Meine sehr verehrten Damen und Herren, „es geht um Sein oder Nichtsein."
({11})
- Das war der Ausspruch des Herrn Bundeskanzlers. Ich wundere mich, daß Sie sich hier so erstaunt dazu äußern.
({12})
Das war der Ausspruch, als einige Tage vor den entscheidenden Kabinettssitzungen über die mittelfristige Finanzplanung entsprechende Veröffentlichungen kamen. Und dann hieß es vom Finanzminister: Mut zur Wahrheit. Der Bundeswirtschaftsminister kündigte schmerzliche Verzichte an. Wenn man all diese Ankündigungen so gehört und gelesen hat und dann das vorliegende Paket sieht, ist es doch kein Wunder, daß man nach diesen dramati5976
schen Ankündigungen eine gewisse Enttäuschung über die Minimalleistung, die vorgelegt wurde, empfindet. Man kann natürlich auch auf die Überlegung kommen, ob diese starken Worte nicht vielleicht deshalb gebraucht werden mußten, um durch diese Ankündigungen die Koalitionsfraktionen überhaupt erst einmal in die Stimmung zu versetzen, wenigstens die minimalen Leistungen mitzumachen. Das wäre natürlich auch eine Erklärung für diese starken Worte.
({13})
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist uns heute von dem Herrn Bundeswirtschaftsminister noch einmal dargelegt worden, auf welchen Grundlagen die Vorausschau getroffen worden ist. Er hat dabei kleine Berichtigungen durch neue Daten - was verständlich ist - vorgenommen. Die fiskalischen Berechnungen der gesamten Finanzplanung stützen sich auf eine - wie es heißt - gesamtwirtschaftliche Zielprojektion. Das mit den Begriffen ist ja immer sehr interessant in dieser neuen Koalition. Vorhin haben wir von dem Herrn Bundeskanzler wieder von einem neuen Institut gehört. Wenn ich mich recht entsinne, hat er davon gesprochen, daß hier ein Finanzierungsrat oder ein Finanzplanungsrat - ich habe jetzt den Zettel nicht hier - geschaffen werden solle. Dabei hatte ich den Eindruck, daß schon das Schaffen des Begriffes, des Namens eine sehr wichtige Geschichte ist, daß aber die Frage nach dem Sinn oder dem Ziel dabei etwas zurücktritt, wie überhaupt bei manchen Dingen - wie hier der gesamtwirtschaftlichen Zielprojektion - die Begriffe oft sehr viel intensiver und mit viel mehr Leidenschaft gebracht werden als das, was als Sache dahinterstehen sollte.
Diese gesamtwirtschaftliche Zielprojektion geht von dem Wachstum des Bruttosozialprodukts nominal um 5 bis 5,5 % aus, d. h. real etwa 4 %, und man denkt an eine Zuwachsrate der öffentlichen Gesamtausgaben von etwa 6 %. Aber diese mittelfristige Projektion der Wirtschaftsentwicklung ist, wenn ich das richtig sehe, nicht etwa das Ergebnis einer Vorausschätzung der wahrscheinlichen wirtschaftlichen Entwicklung, sondern sie macht mehr den Eindruck einer bloßen politischen Zielwiedergabe. Dieses Ziel soll aus politischen Gründen erreicht werden; aber die Wahrscheinlichkeit, daß es erreicht wird, scheint mir nach den Zahlen nicht so groß zu sein wie - ich hoffe es jedenfalls - der politische Wille, es zu erreichen.
({14})
- Sehr verehrter Herr Kollege Matthöfer, da komme ich gleich zu einem Unterschied, wie wir ihn z. B. gegenüber dem Sozialbericht haben.
Ich will aber noch eine ergänzende Bemerkung machen. Sehen wir uns einmal den OECD-Bericht und die Berichte der EWG-Kommission sowie die künftigen Wachstumsraten an, die dort genannt werden, vergleichen wir sie mit denen anderer Länder und projizieren wir sie auf der Bundesrepublik, dann sehen wir, es wird davon gesprochen, daß für uns höchstens 3,5 % in Frage kämen. Es wird auch zum Ausdruck gebracht, daß schon für die Jahre ab 1968/69 die Sätze als überhöht erscheinen, weil ja die Ausgangsbasis durch die Entwicklung des Jahres 1967 etwas niedriger sei als angenommen. Ich will hier gar nicht im einzelnen untersuchen, ob diese oder jene Zahl richtig ist. Mir geht es um etwas anderes. Wenn die Zahlen, die hier in der Zielprojektion genannt sind, nicht zutreffen, dann ist natürlich das gesamte übrige Zahlenwerk ebenfalls hinfällig.
Im Sozialbericht haben wir immer eine Bandbreite. Da wird davon gesprochen, daß die Lohnsteigerung von - bitte, legen Sie mich nicht fest -3 oder 4 % beginnend bis zu 6 oder 7 % reichen kann, daß die Zinsentwicklung von 3 bis 6 % gehen kann. Da haben wir also untere und obere Zahlen, so daß man die Gesamtentwicklung in dieser Bandbreite übersehen kann. Was wir hier haben, ist aber projiziert auf eine feste Zahl, und jeder, der hier entscheidet, muß sich darüber im klaren sein, daß, wenn sich auch nur die Ausgangsbasis verändert, das gesamte andere Zahlenwerk in dieser Form nicht mehr brauchbar ist.
({15})
- Zum Teil ist es schon verändert; aber wir werden
im Laufe der Debatte noch Gelegenheit haben, auf
viele Dinge im einzelnen und konkret einzugehen.
Wenn man diese gesamte Finanzplanung wirklich auf ihren Wert untersuchen will, darf man sie natürlich nicht allein sehen, sondern man muß versuchen, soweit uns das als Opposition bisher bekanntgeworden ist, zu sehen, was aus den großen Reformen - Finanzreform, Sozialreform - wird. Es ist immer davon gesprochen worden, daß z. B. die Finanzreform eine Sache sei, die eben nur diese Große Koalition durchbringen könne, weil sie diese große Mehrheit habe.
({16})
-Ich bin froh über Ihren Zwischenruf; denn er macht um so deutlicher, daß sie viel kleiner ist, als sie theoretisch mit ihren 90 % aussieht. Ich denke nur daran, was allein die bisher veröffentlichten Gesichtspunkte zur Finanzreform, die ja für die Finanzplanung ein wesentlicher Punkt ist, an Kritik bei den Länderchefs erfahren hat, welche Widerstände da kommen, die aus der Sache her zum Teil natürlich sind. Auf der anderen Seite aber frage ich mich: warum sind eigentlich die Herren Parteivorsitzenden dieser Koalition - der Vorsitzende der CDU, der Herr Bundeskanzler; der Vorsitzende der SPD, der Bundesaußenminister; der Vorsitzende der CSU, der Bundesfinanzminister - in diesem Kabinett, wenn sie es als Parteivorsitzende nicht fertigbringen, ihre Landesfürsten auf das Programm einzuschwören, das sie für richtig halten?
({17})
Da gibt es zwei Möglichkeiten. Entweder ist das Programm so schlecht, daß die Landesfürsten sagen: Nein, da machen wir nicht mit!, oder die Durchschlagskraft der Parteivorsitzenden ist so schwach, daß sie ihre Landesfürsten nicht überzeugen könMischnick
nen, da mitzumachen. Eines von beiden ist doch nur möglich.
({18})
- Wenn ich Ihre Zurufe richtig einschätze, dann soll das doch wohl heißen, daß wir uns unnötige Sorge machen, daß Sie alle in Ihren Ländern mitwirken werden, daß hier eine Finanzreform aus einem Guß zustande kommt. Wir sind dafür; aber ich bin nur gespannt, ob Sie Ihre Hoffnungen, die Sie jetzt zum Ausdruck bringen, noch in einem Jahr oder in zwei Jahren haben. Ich fürchte, Sie werden enttäuscht, weil eben die widerstreitenden Interessen in der Koalition und zwischen den einzelnen Positionen in Ihren Parteien zu groß sind. Schade um der Sache willen! Gerade deshalb sollte doch aber diese Große Koalition antreten, um diese Reform durchzuziehen, weil das keine andere fertigbringe. Hoffen wir im Interesse von uns allen, daß es noch gelingt. Wir sind bereit mitzuwirken. Aber hüten wir uns davor, dann etwas als Reform auszugeben, was diesen Namen nicht verdient, was nichts weiter ist als eine Verkleisterung von Gegensätzen in der Koalition!
({19})
Meine sehr verehrten Damen und Herren, das, was hier als Finanzplanung des Bundes vorgelegt worden ist, haben ja auch die Vertreter der Bundesregierung schon in unterschiedlicher Art bewertet. Auf unserer Tagesordnung steht: Beratung der von der Bundesregierung vorgelegten Finanzplanung des Bundes 1967 bis 1971. Nun muß ich offen sagen: das verstehe ich nicht; denn für das Jahr 1967 haben wir ja einen Haushalt verabschiedet; die Planung bezieht sich auf die Jahre 1968 bis 1971. Hat man schnell das Jahr 1967 in die Firmierung hineingenommen, weil man sich erst hinterher bewußt wurde, daß die Forderung des Stabilitätsgesetzes, man müsse eine Planung für fünf Jahre vorlegen, nicht erfüllt ist? Will man sagen: Weil das ein Haushaltsplan für 1967 ist, der ja noch nicht abgeschlossen ist, deshalb wird das zur Planung? Ich halte eine solche Auslegung einfach für falsch, für unkorrekt. Der Herr Bundesfinanzminister hat heute gesagt, es sei eine Planung für vier Jahre.
({20})
-- Da hat er recht; aber eine Planung für vier Jahre verstößt gegen das Stabilitätsgesetz. Das verlangt eine Planung für fünf Jahre.
({21})
Was wollen Sie eigentlich machen? Wollen Sie bewußt wider das Gesetz handeln; wollen Sie das Gesetz ändern, aus fünf Jahren vier Jahre machen? Wollen Sie das Jahr 1972 noch einbeziehen, oder welche Überlegungen haben Sie angestellt? Es wäre wichtig, das hier zu hören. Ich kann mir natürlich denken, warum das Jahr 1972 hier nicht dabei ist.
({22})
Das Jahr 1972 müßte ja nach den bisherigen Vorstellungen das erste Jahr der Tilgung der jetzt aufzunehmenden mittelfristigen Beträge sein. Daß man dann natürlich für 1972 in Schwierigkeiten kommt,
die Tilgungs- und Zinsquote, wenn ich es recht im Gedächtnis habe, von etwa 5,3 auf über 10 % steigen zu lassen, dafür habe ich Verständnis. Nur ist das doch kein Grund, gegen das Gesetz zu handeln und hier einen vierjährigen Planungszeitraum vorzuschlagen und nicht einen Zeitraum von fünf Jahren, wie wir es gemeinsam beschlossen haben. Das können wir als Parlament nicht hinnehmen.
({23})
Wir würden uns selbst einen schlechten Dienst erweisen, wenn wir zuließen, daß die Regierung offensichtlich über Gesetze, die der Bundestag beschlossen hat, hinweggeht. Die Ergänzung um das Jahr 1972 ist notwendig, wenn die Vorbedingungen des Gesetzes erfüllt werden sollen, oder Sie, meine Damen und Herren von den Fraktionen der Regierung, bringen einen Gesetzänderungsantrag zum Stabilitätsgesetz ein. Dem würden wir widersprechen; aber das wäre noch eine Möglichkeit, die Fehler Ihrer Regierung durch Ihre Initiative zu heilen.
Ich habe schon darauf hingewiesen, daß das Wortspiel mit dem „Gegenstück" einen tieferen Sinn hat; denn das, was uns hier vorgelegt wird, ist nach unserer Auffassung eine widersprüchliche Politik: auf der einen Seite konjunkturfördernde Maßnahmen, auf der anderen Seite Steuererhöhung und damit Entzug von Mitteln aus der Wirtschaft.
Es ist immer ganz gut - ich gebe zu, daß ich das in den Jahren 1957 und 1961 von den Kollegen der SPD gelernt habe -, einmal in den Archiven nachzusehen. Dabei braucht man gar nicht sehr weit zurückzugehen, wenn wenn man feststellen will, was zu diesem Thema hier in diesem Hohen Hause oder auf Pressekonferenzen gesagt worden ist. Der Herr Bundesfinanzminister hat am Freitag, dem 20. Januar 1967, auf einer Pressekonferenz zur Frage der Steuererhöhungen erklärt -ich zitiere mit Genehmigung des Herrn Präsidenten -:
Weitere erhebliche Einsparungen auf dem Investitionssektor, aber schon auch auf dem Konsumsektor oder gar noch die Erhöhung der Steuern von Ertrag und Besitz, aber auch schon die Erhöhung der Umsatzsteuer, die ich ursprünglich vorhatte, können angesichts der gegenwärtigen Situation nicht mehr verantwortet werden.
({24})
Heute hört man es schon wieder ganz anders.
({25})
Der Herr Bundesfinanzminister hat außerdem in der gleichen Sitzung eine Erkenntnis vor der Presse ausgebreitet, für die wir ihm sehr dankbar sind; denn wir haben sie schon seit Jahren vertreten. Er hat damals gesagt - ich zitiere wieder wörtlich -:
Wir brauchten keinen Eventualhaushalt, wenn nicht vor einigen Jahren - es dürfte so um 1958, 1959 gewesen sein,
- ich darf hier berichtigend dazu sagen: es war 1957 -sowohl im Bereich der Politik wie der Wirtschaftswissenschaft die These vertreten worden
wäre, daß der Juliusturm nicht als Rücklage
verwendet werden darf, weil das bedeuten würde, daß dieses Geld stillgelegt wird, seine Wiedereinschleusung in die Wirtschaft könnte inflationäre Tendenzen auslösen. Deshalb müßte dieses Geld - siehe Kuchenkommission - verteilt werden.
So wörtlich der Bundesfinanzminister. Er hat also das bestätigt, was wir immer gesagt haben: die Kuchenkommission der CDU/CSU vor der Bundestagswahl 1957 ist ein Ausgangspunkt vieler Schwierigkeiten gewesen, die zu beseitigen wir uns jetzt mit der Finanzplanung mühsam bemühen müssen.
({26})
Noch in der Sitzung des Deutschen Bundestages vom 14. Juni 1967, also erst vor wenigen Wochen, hat sich der Herr Bundesfinanzminister zur Frage der Schuldenaufnahme sehr eindeutig geäußert. Er hat gesagt:
Die Schuldenaufnahme des Bundes dient in erster Linie selbstverständlich der Finanzierung von Staatsaufgaben, wie überhaupt die Finanzpolitik nicht beliebig nach Konjunkturgesichtspunkten manipulierbar ist.
({27})
Sehr richtig! Voll einverstanden! Dann kommt die Warnung. Er sagt:
Ich möchte hier eine Warnung aussprechen, die nicht leichtfertig in den Wind geschlagen werden sollte.
- Der Bundesfinanzminister Strauß will, und das verstehe ich, vorbeugen, damit es ihm nicht so geht wie dem Bundesfinanzminister Dahlgrün, dessen Warnungen ja in den Wind geschlagen worden sind; ich habe allerdings die Sorge, daß er heute seine Warnung selbst nicht mehr beachtet; denn es heißt dort:
Der Weg, den wir im Jahre 1967 mit einer Mehrverschuldung des Bundes von brutto 10,5 Milliarden DM plus einer weiteren Milliarde DM, die zur Diskussion steht, gehen mußten, wenn sich die vorher genannten Steuererwartungen nicht erfüllen, kann auf die Dauer nicht gegangen werden. ({28})
Ich hoffe, Sie erinnern sich daran, wenn Sie jetzt über andere Fragen sprechen, die ähnlicher Natur sind, die aber die gleichen Auswirkungen haben, vor denen der Bundesfinanzminister gewarnt hat.
Dann noch ein sehr netter Satz, der lautete:
Eine geldschöpferische Inflationsfinanzierung wäre nichts anderes als das Hüpfen von einer Eisscholle zur anderen, weil man nicht mehr die moralische Kraft hat, den äußeren Mut, die innere Entschlossenheit zu der Konsequenz aufbringt, das Gesetz der Zahl anzuerkennen, das weder durch Höflichkeit noch durch Charme noch durch Phraseologie aus der Welt geschafft werden kann.
Wir wären froh, wenn das alles Eingang in Ihre Finanzplanung gefunden hätte.
({29})
Zu den Punkten im einzelnen werden noch andere Kollegen Stellung nehmen. Deshalb will ich hier nicht die vorgeschlagenen Maßnahmen in einer kritischen Betrachtung und mit Hinweis auf andere Möglichkeiten analysieren. Aber eines muß bei einer grundsätzlichen Betrachtung doch festgestellt werden. Wie die Finanzplanung, so ist auch das Konjunktur- und Strukturprogramm nach unserer Meinung nicht getragen von einer - ich zitiere wörtlich - „vorausschauenden Gesamtpolitik, die Wichtigeres von Wichtigem und Wichtiges von nur Wünschenswertem unterscheidet". So in der Regierungserklärung vom 13. Dezember 1966. Die Verteilung läßt vielmehr erkennen, daß das, was der Herr Bundeswirtschaftsminister eben sagte - die Strukturmaßnahmen stünden im Vordergrund -, nicht zutrifft. Nach unserer Überzeugung steht das nicht so im Vordergrund, wie es erforderlich wäre. Man muß auch bedenken - lassen Sie mich das hier in aller Offenheit aussprechen -, ob diese starke Massierung in der Bauwirtschaft nicht .gerade in diesem Bereich wieder zu Erscheinungen führt, die wir schon einmal gehabt haben, wo wir dann wieder bremsen mußten. Ich sage nicht, daß .das falsch ist. Ich erwarte nur, daß in aller Ruhe und Nüchternheit geprüft wird, wie diese Auswirkungen sind. Dazu ist es notwendig, in den zuständigen Ausschüssen darüber zu sprechen und das nicht hopplahopp in drei Tagen hier über .die Bühne zu bringen.
Wenn Sie einmal durchsehen, ob wirklich echte Einsparungen vorhanden sind, dann stellen Sie fest - wie ich am Anfang schon andeutete -, daß leider kaum etwas davon zu spüren ist. Man 'ist noch immer nicht darangegangen, die Ausweitung der Verwaltung, die stetig voranschreitet, abzustoppen. Man ist noch immer nicht darangegangen, die Personaletats durchzuforsten und da, wo Einsparungsmöglichkeiten sind, sie durch Einstellungssperren wahrzunehmen, die dann nicht bei jeder Gelegenheit aufgehoben werden.
({30})
Es ist nicht spürbar, daß 'hier ein Vorbild vom Bund her für Länder und Gemeinden für eine Gesamtverwaltungsreform gegeben wird. Das begann ja schon mit der Überlegung: Kabinettsstraffung, weniger Minister - und es endete damit: die Zahl blieb fast genau, und die Parlamentarischen Staatssekretäre kamen hinzu.
Es 'ist auch nicht 'spürbar, daß bei gewissen großen Blöcken wirklich die notwendige Sanierung erfolgt. Ich denke z. B. an das Gebiet der Bundesbahn. Hier geht es um Belastungen von 21/2 bis 3 Milliarden. Ich möchte hinzufügen: eine ,gewisse Hoffnung 'besteht noch. Im Gegensatz zu anderen Ressorts hat der Bundesverkehrsminister bisher erklärt, er nehme in der Öffentlichkeit zu Einzelfragen so lange nicht Stellung, bis ein Gesamtkonzept vorliege. Darin liegt noch eine Hoffnung, daß in diesem Gesamtkonzept das schwierige, aber den Haushalt so
stark belastende Problem „Bundesbahn" sinnvoll gelöst wird. Denn es geht da um Zuschüsse, die an die drei Milliarden pro Jahr heranreichen. Das ist ein Brocken, über den man sich hier unterhalten muß. Hier muß man langfristig auch durch Investitionsmaßnahmen der Bundesregierung dafür sorgen, daß die entsprechende Rationalisierung und Technisierung ermöglicht wird. Es fehlt die generelle Durchforstung der Subventionen überhaupt. Wir haben einen Riesenbericht bekommen. Es ist aber nicht spürbar, daß hier wirklich herangegangen worden ist. Ich habe so ,den Eindruck, als gebe es da ein Stillhalteabkommen: Schonst du meine Subvention, schon ich deine Subvention. Das kann natürlich auf die Dauer keine Politik sein.
({31})
- Sehr verehrter Herr Kollege, ich kann mich sehr genau erinnern, daß wir in Koalitionsgesprächen eine ganze Reihe von Vorschlägen zum Abbau von Subventionen gemacht haben. Was war das Ergebnis? Es wurde nicht ernsthaft darüber beraten, es wurde aber schleunigst einem Vertreter der Presse etwas Falsches gesagt und daraus dann „soziale Demontage" und was weiß ich alles gemacht. Aber ernsthaft beraten wurde von Ihnen nicht darüber.
({32})
- Sie haben bestimmt die Gelegenheit, verehrter Herr Kollege, sei es in der Fragestunde, sei es zu einem späteren Zeitpunkt, dazu Stellung zu nehmen. Wenn wir mit dem Verzicht auf 30 000 DM die Beseitigung von 8 Millionen DM erreichen, sind wir herzlich gern dazu bereit. Aber Sie sind doch nicht bereit, Ihre Dinge abzubauen.
({33})
Lassen Sie mich jetzt noch den sozialpolitischen Bereich ansprechen. Die Ausführungen des Herrn Bundesfinanzministers sind insofern richtig, als er davon sprach, daß gewisse dynamische Entwicklungen Vorausbelastungen für die nächsten Jahre bringen, über die man sprechen muß. Nur ist bisher aus den Vorlagen nicht ersichtlich geworden, daß hier wirklich ernsthaft an neue Überlegungen herangegangen wird. Wenn ich mir das so ansehe, dann habe ich den Eindruck, daß das Verhältnis zur Zahl bei manchen in der Bundesregierung etwas getrübt ist; sonst kämen nicht solche Rechenkunststückchen heraus, wie sie im Zusammenhang mit der Rentenversicherung gemacht worden sind. Ich habe fast den Eindruck, für manchen bestehen Ziffern aus Gummi, so daß man sie nach Bedarf auseinanderziehen oder wieder zusammenrollen kann; denn das, was uns hier für die Rentenversicherung angeboten wird, ist doch weiter nichts als ein Trick. Die Beitragserhöhungen und Krankenkassenbeiträge der Rentner zur Sanierung der Rentenversicherung werden nicht ausreichen, hier wirklich zu einer sinnvollen Lösung zu kommen. Man ahnt das, man weiß das; deshalb erhöht man einfach die Versicherungspflichtgrenze. Man sagt aber nicht genau, wie man es will; denn die Gesetze liegen noch nicht vor.
Die Folgen sind natürlich klar. Nunmehr können eine Reihe nicht mehr die Eigenvorsorge in der Weise betreiben, wie sie wollen. Es kommt darauf an, wie die Befreiungsvorschriften aussehen werden. Es kann sein, daß das Nettoeinkommen der Aktiven wesentlich geringer steigt als das Nettoeinkommen der Rentner. Wir müssen uns ausführlich darüber unterhalten, ob das richtig ist. Der mögliche Spielraum für andere Dinge wird hier eingeschränkt, und aus all den finanzplanerischen Überlegungen geht nicht hervor, was denn ab 1971/72 geschehen soll. All das, was man mit der Rentenversicherung hier vorhat, bedeutet doch nur ein Aussetzen und keine gesetzliche Änderung. Das heißt aber, daß etwa 1971 ein runder Betrag von 4 Milliarden entweder durch Streichungsbeschluß, durch Änderung der Gesetze erledigt werden muß oder aber im Haushalt plötzlich als neue Belastung auftaucht. Wieder ein Punkt, der nicht bis zu Ende gedacht ist, wo man nicht klar sagt, was man wirklich will. Ich will gar nicht im einzelnen darauf eingehen, ob die Berechnungen stimmen, die durch die Erhöhung der Versicherungspflichtgrenze von 600 Millionen DM Mehraufkommen sprechen. Wir sind überzeugt, daß dieser Betrag weit unter 400 Millionen DM liegen wird. Auch hier also falsche, unrichtige Zahlenannahmen.
Wenn ich das gesamte Werk betrachte, das hier vorgelegt worden ist, kann ich nur feststellen: das Vertrauen in die wirtschaftliche Zukunft und der Investitionswille der Unternehmer werden nach unserer Überzeugung davon abhängen, daß ein Übermaß an Verschuldung vermieden und daß die unumgängliche Schuldenlast kompensiert wird durch entsprechende Einschränkungen der laufenden Staatsausgaben. Dazu hat sich aber die Bundesregierung bisher nicht bereit gefunden. Es ist deshalb, wenn man das im ganzen sieht, mehr als schleierhaft, wie sich die Verschiebung der Schuldenlast auf später mit der Erklärung des Herrn Bundeskanzlers vom 14. Juli 1967 vor der Presse vereinbaren läßt, wo er wörtlich sagte - ich zitiere -:
Wir haben die Haushalte der kommenden Jahre so vorbedacht, daß eine Haushaltsmisere, wie wir sie am Ende des vergangenen Jahres hatten, sich nicht wiederholen kann.
Das Jahr 1972 wurde aus der Planung herausgelassen, weil da die Tilgung beginnen sollte. Wieso man dann alles so vorbedacht hat, daß eine erneute Misere nicht eintreten kann, ist mir schleierhaft.
Man muß befürchten, daß das, was im Zweiten Deutschen Fernsehen Herr Balkhausen in der Sendung „Bilanz" vor kurzem sagte, eine gewisse Berechtigung hat. Er sagte: „Bisher ist nicht der Beweis erbracht, daß in der mittelfristigen Finanzplanung keine mittelfristige Inflationierung eingeplant ist." Das sind die Hauptsorgen, die wir haben: daß mit diesem Vorgehen, auf Dauer gesehen, doch eine Politik des leichten Geldes zustande kommt und nicht die Stabilität erreicht wird, die wir jetzt mühsam zum Teil schon erreicht haben.
({34})
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn Sie sich dieses Gesamtpaket ansehen, dann rufen
Sie sich bitte in die Erinnerung zurück, was wir Freien Demokraten in diesem Hause auch in den letzten Monaten erst an Gegenvorschlägen gebracht haben. Ich möchte jetzt nur an einen Punkt erinnern. Als in der 102. Sitzung am 13. April 1967, in der wir das Mehrwertsteuergesetz behandelten, von dieser Stelle unser Kollege Menne die sofortige Entlastung der Altvorräte verlangte, sagten Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren von dieser Koalition, nein. Das gleiche, was Sie vor fünf Monaten ablehnten, wollen Sie jetzt bringen. Wir können nur sagen: Gott sei Dank, daß es jetzt kommt, aber fünf Monate Zeitverlust ist gleichbedeutend mit Millionenverlust für den Haushalt. Das müssen Sie ganz klar sehen.
({35})
Wenn ich all dies zusammenfassend sehe, komme ich zu dem Ergebnis, daß große Teile dieser Regierung es offensichtlich mit der Homöopathie halten. Sie wollen manche Dinge tröpfchenweise bringen in der Hoffnung, es merkt keiner, daß das keine Reform ist, in der Hoffnung, die Betroffenen merken nicht, daß doch keine Veränderung geschieht.
Man hat aber nicht den Eindruck - das lassen Sie mich zum Abschluß sagen -, daß diese Regierung das, was sie als richtig erkannt hat, auch unter Inkaufnahme eines Verlustes von 20 oder 30 % von Wählern durchsetzt, weil sie überzeugt ist: Das ist der richtige Weg, den wir gehen müssen. Da sie das nicht tut, bedauern wir diesen Überlegungen nicht zustimmen zu können.
({36})
Wir hätten Respekt vor Ihnen, wenn Sie den Mut hätten, zu sagen: Wir haben den richtigen Weg erkannt, uns geht es nicht darum, die 90 %, die wir haben, mit 1 % Verschiebung so oder so zu halten, deshalb müssen wir nicht auf alle Einwände, auf alle Interessen Rücksicht nehmen, sondern wir ziehen das durch, was richtig ist. Davor hätten wir Respekt! Das tun Sie aber nicht. Deshalb können wir ihn nicht haben.
({37})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Pohle.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Als ich die äußerst temperamentvollen Ausführungen des verehrten Herrn Kollegen Mischnick soeben hörte, kam mir ein Wort in den Sinn, das, wenn ich nicht irre, Michelangelo zugeschrieben wird und das lautet:
Die Welt besteht aus lauter Kleinigkeiten, aber die Summe der Kleinigkeiten bestimmt den Lauf der Welt.
Nun, lieber Kollege Mischnick, nehmen Sie es mir nicht übel: der erste Teil des Satzes stimmt. Denn das, was Sie geboten haben, war ein Bukett von allen möglichen Fragen. Daß aber dieses gebündelte Bukett - ich weiß nicht, wie man es zusammenbündeln soll - den Lauf der Welt bestimmt, das werden Sie so lange nicht sagen können, wie Sie nicht hier eine klare, aus allen diesen Fragen bestehende
Gegenkonzeption zum Konzept der Bundesregierung entwickeln.
({0})
Sie haben darauf verwiesen, daß wie bereits im vorigen Jahr zu einer Sondersitzung aus den Ferien zusammengerufen worden sind. Nun ja! Aber im vorigen Jahre ging es um das Stabilitätsgesetz, und diesmal, meine Damen und Herren, geht es um Maßnahmen, die teilweise auf ihm fußen, um ein Bündel von Vorlagen, die uns unter dem Obertitel „mittelfristige Finanzplanung und Konjunkturprogramm" bezeichnet zu werden pflegen. Herr Mischnick, von einer „Reform" ist in diesen Vorlagen nicht die Rede.
Meine Damen und Herren, wir sind nicht gekommen, um ein Programm der Regierung hier entgegenzunehmen nach dem Motto: „Friß, Vogel, oder stirb!", sondern wir prüfen mit der Regierung gewissenhaft, ob wir ihrem Programm zustimmen können, ob und wo wir es verbessern können
({1})
und wo wir Bedenken anmelden müssen. Niemand in diesem Hohen Hause ist gezwungen, einem Programm beizupflichten, das er aus wohlerwogenen Gründen ablehnt. Namens der CDU/CSU-Fraktion, und nicht nur - wie ich in den Zeitungen gelesen habe - als Experte, erkläre ich jedoch am Beginn meiner Ausführungen, daß wir uns hinter das Konzept der Bundesregierung stellen. Bei Abwägung des Für und Wider wünschen wir zum Ausdruck zu bringen, daß die CDU/CSU-Fraktion die Initiative des Kabinetts, die hier vom Bundeskanzler vorgetragen worden ist, begrüßt und seine Sache zu der ihrigen macht.
({2})
Meine Damen und Herren, das gesamte Gesetzgebungswerk stellt ein Ganzes dar. Alle seine Teile hängen eng miteinander zusammen. Das Bukett enthält Ausgabekürzungen von 1968 bis 1971, Einnahmeverbesserungen durch steuerliche Maßnahmen und weitere kurzfristige Verschuldung aus konjunkturellen Gründen. Gewiß, gegen jede dieser drei Kategorien können Einwände erhoben, Bedenken, ernste Bedenken geltend gemacht werden. Ich folge dem Bundesfinanzminister, wenn ich hintereinander auf diese Einwände eingehe und gleichzeitig zu den einzelnen Programmpunkten Stellung nehme.
Ich bemerke, daß in der Öffentlichkeit, von der Opposition, wie wir soeben in einem Blütenstrauß von Einzelwünschen gehört haben, und auch in den voraufgegangenen Fraktionssitzungen - ich stelle das gar nicht in Abrede, dazu ist die Sache ja viel zu ernst - solche Bedenken geäußert worden sind. Ich habe niemanden gesprochen oder gehört, der nicht irgend etwas auszustellen, zu bemängeln hätte. Viele begnügen sich nicht damit, Regierung und Parlament Ratschläge zu erteilen und Fingerzeige zu geben, die sie für nützlich halten; sie ereifern sich vielmehr auch in öffentlichen Resolutionen, in Pressekonferenzen und Interviews, vielleicht um sich selbst unter Beweis zu stellen oder von sich reden zu machen, und dabei schaden sie ihrer eigenen Sache mehr als sie nützen.
Nun meint leider jeder einzelne, jeder Verband, der sich in der Öffentlichkeit vernehmen läßt, etwas anderes als sein Nachbar. Der eine kritisiert, daß die Ausgabekürzungen nicht rigoroser seien. Soeben hat der Kollege Mischnick diese Forderung zu seiner eigenen gemacht. Dabei darf ich aber darauf verweisen, meine Damen und Herren von der Opposition, daß, solange Sie - und das war ja lange Zeit der Fall - in der Regierung saßen, auch keine wesentlichen Ausgabekürzungen zustande kamen.
({3})
Im Gegenteil, Sie haben wacker allen diesen Maßnahmen zugestimmt. Und wenn der Kollege Mischnick bemängelt, daß die 5,3 Milliarden DM Ausgabekürzungen - in der Vorschau bis 1971 insgesamt 30 Milliarden DM, eine doch imponierende Zahl - deshalb nicht zielführend seien, weil es sich nur um eine Kürzung des Ausgabezuwachses handelt - wie der Finanzminister ja selbst bestätigt hat -, so bleibt dennoch die Zahl sehr groß; denn der Zuwachs beruht ja auf gewissen Automatismen, die jetzt außer Kraft gesetzt werden müssen. Man kann deshalb über diese Zahl nicht hinweggehen. Ich finde, es ist eine imponierende Zahl.
Meine Damen und Herren, wer in einer demokratischen, einer sogenannten pluralistischen Gesellschaft leben darf, der weiß, wie schwierig, wie minuziös die Kleinarbeit ist, die schließlich zum scheinbar unharmonischen Mosaikbild der Haushaltsstreichungen führt. Das ist aber weniger - das will ich hier einmal ganz offen aussprechen - die Schuld des Parlaments oder der Regierung als vielmehr jener verschiedenartigen, teilweise ganz unrealistischen Erwartungen, mit denen manche Wähler ihre Kandidaten ins parlamentarische Getriebe entsenden. Viele Verbände widmen dem Mangel an Kürzungsmasse ganze Aktenbände. Gewiß, ich gebe zu, eine Reform an Haupt und Gliedern ist durchaus unterblieben; aber ich halte mich an den Herrn Bundeskanzler, der am Beginn seiner Ausführungen gesagt hat: Politik ist bekanntlich nicht die Verwirklichung des Absoluten, sondern die Kunst des Möglichen.
Auch die Straffung und Koordinierung des Sozialversicherungssystems- was hier soeben angesprochen wurde - und die Regelung der damit in Zusammenhang stehenden Fragen sind natürlich nicht angefaßt. Ich komme gleich darauf, warum nicht. Offenbar wird nämlich von Ihrer Seite das Wesen der Finanzplanung verkannt. Außerhalb und innerhalb des Parlaments waren darüber manche mannhaften Worte zu vernehmen, und es ist wohl unbestreitbar, daß wir uns an Stelle von Einzelmaßnahmen irgendwann um konstruktive Lösungen auch auf diesem Gebiet bemühen müssen. Durch die mittelfristige Finanzplanung sind wir natürlich nicht der Verpflichtung enthoben, auch auf diesem Gebiet und auf vielen anderen Gebieten, z. B. im Verkehrswesen, in Wissenschaft und Forschung, in der Landwirtschaft, in der Familienpolitik, ein dauerhaftes Gesamtkonzept zu entwickeln. Aber wir gedenken nicht, uns hier auf allen diesen Gebieten in eine politische Einzeldebatte einzulassen. Wer das verlangt, meine Damen und Herren, der verkennt Sinn und Zweck der Finanzplanung. Sie ist entsprechend dem Stabilitätsgesetz nichts anderes als eine Arbeitshypothese, eine ständig fortschreibbare und fortzuschreibende schriftliche Darlegung der Vorstellungen, die sich die Regierung über die Staatsfinanzen macht. Sie wird von der Regierung verabschiedet und dem Parlament vorgelegt. So steht es im Gesetz. Der Bundesfinanzminister baut dabei auf Zahlen auf, die ihm als gesamtwirtschaftliche Zielprojektion - so laut Ziffer 3 der Vorlage - vom Bundeswirtschaftsminister geliefert werden. Und auch die mittelfristige Finanzplanung ist selbstverständlich nicht der Weisheit letzter Schluß.
Heute, meine Damen und Herren, geht es ausschließlich darum, der Regierung durch unsere generelle Zustimmung zu dem von ihr vorgelegten ersten Finanzplan einschließlich seiner Bestandteile die Möglichkeit zu geben, die Voraussetzungen für eine langfristige Ordnung der Bundesfinanzen unter Berücksichtigung der Stabilerhaltung der Währung ebensosehr wie eines angemessenen wirtschaftlichen Wachstums zu schaffen. Mit der generellen Forderung, der Haushalt sei durch weitergehende Kürzungen, nicht durch Steuererhöhungen oder kurzfristige Verschuldung auszugleichen, kommen wir nicht weiter, auch dann nicht, wenn neuerdings wieder von gewisser Seite an die „Stunde des Parlaments" appelliert wird. Wir müssen das Programm als Ganzes betrachten.
Andere bemängeln umgekehrt gewisse Haushaltskürzungen als zu weitgehend. Dazu zählt die in der Öffentlichkeit bedauerlicherweise viel zu hoch gespielte Frage des Verteidigungshaushalts, die ja hier von dem Bundesfinanzminister und auch von dem Herrn Redner der Opposition angesprochen worden ist. In der Tat, dieses Problem ist einer ernsten Betrachtung wert. Ich meine nur, daß heute und hier nicht der Ort ist, sich darüber zu vertiefen. Wir haben gehört, welche Verfügungssummen für militärische Verteidigung von 1966 bis 1969 und den folgenden Jahren zur Verfügung stehen, und wir werden zu gegebener Zeit auf diese gesamte Verteidigungskonzeption zurückkommen und auch auf die diesbezüglichen Bemerkungen der Opposition antworten. Alles in allem auch zu diesem Kapitel: Ich habe noch niemanden gesprochen oder gehört, der, wenn er die vorgesehenen Haushaltskürzungen bekämpft, den Mut gehabt hätte, ganz konkrete Alternativvorschläge zu machen, etwa des Inhalts: herauf mit dem Verteidigungshaushalt, dafür drastische Senkung des Sozialetats oder dafür Einführung einer Wehrsteuer oder dafür weitere Verschuldung um mehrere Milliarden. Wer Ausgaben erhöhen will, sage deshalb ganz konkret, wie er sich die Mittelbeschaffung denkt.
Entsprechend der mittelfristigen Finanzplanung erwarten wir von der Bundesregierung die beschleunigte Vorlage des Haushalts 1968 nebst den dazugehörigen zahlreichen Gesetzesänderungen. Der Haushaltsausschuß wird sich im Oktober damit eingehend beschäftigen.
Wieder andere ziehen gegen die Steuererhöhungen zu Felde. Niemand wird glauben, daß wir Freunde solcher Steuererhöhungen sind, obwohl
wir diese Frage nach wie vor - im Gegensatz zu den Freien Demokraten - nicht zu einem Tabu machen, sondern dieses unschöne Mittel eben je nach Bedarf aus dem Köcher ziehen.
({4})
Einer der Gründe dieser Steuererhöhung war ohne Zweifel auch der stürmische Ruf nach weiterer Entlastung der Altvorräte - ein Thema, das hier angesprochen worden ist -, die im volkswirtschaftlichen Schnitt nach den Beschlüssen dieses Hauses rund 70 °/o betrug. Unter dem Eindruck der berühmten konjunkturellen Talsohle, vielleicht auch in wirklicher oder künstlich herbeigeführter Nervosität, wurde die Frage einer weiteren Entlastung der Altvorräte schließlich fast zu einer GretchenFrage für die deutsche Wirtschaft, ungeachtet der Tatsache, daß die erst stufenweise Einführung des Sofortabzugs für Neuinvestitionen durch die Investitionssteuer die Betriebe viel nachhaltiger und härter trifft, auch nach der Seite der künftigen Konjunkturentwicklung. Die für die Entlastung der Altvorräte erforderlichen Mittel konnten freilich nicht anders als durch eine Erhöhung des Mehrwertsteuersatzes aufgebracht werden.
Die Meinungen über die weitere Entlastung der Altvorräte sind auch heute noch durchaus geteilt. Ich glaube nicht- das möchte ich hier offen aussprechen -, daß die Unternehmer ihre Lagerdispositionen nur auf Grund der Umsatzsteuer treffen oder getroffen haben.
({5})
Wer verkauft denn seine Bestände an Fertigwaren bis auf den letzten Posten, wenn er nicht wissen kann, zu welchen Preisen er 1968 seine Läger zur Befriedigung seiner Kundschaft wieder auffüllen muß, wenn er nicht weiß, wieviel Kosten für Rohstoffe und Produktionsfaktoren entstehen? Außerdem riskiert er, ertragsteuerlich keine Abschreibungen auf die Bestände vornehmen zu können, die nicht mehr da sind. Welcher wohlabwägende Unternehmer wird sich völlig seiner Rohstoffe und Halbfertigprodukte entblößen, ohne zu wissen, zu welchen Preisen er diese Bestände nach dem 1. Januar 1968 wieder erwerben muß? Die Kalkulationen und Dispositionen über die Läger sind zudem längst abgeschlossen. Die Einzelhändler beginnen bereits, ihre Läger wieder aufzufüllen, ganz unabhängig von der Frage, welcher Umsatzsteuersatz auf den Waren ruht.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Bitte!
Herr Kollege Pohle, darf man fragen, ob Sie jetzt gegen die Vorlage der Bundesregierung zur Entlastung der Altvorräte reden.
Nein. Ich würde empfehlen, meine Ausführungen abzuwarten, Herr Moersch. Wenn Sie so voreilig fragen, muß ich darauf verweisen, daß ich noch nicht am Ende bin.
Es ist bedauerlich, daß die Frage der weiteren Entlastung der Altvorräte sich so zuspitzte, daß - natürlich im Zusammenwirken mit inzwischen eingetretenen fiskalischen Überlegungen . - der Umsatzsteuersatz von 10 auf 101/2 % erhöht werden sollte oder, nach der heutigen Vorlage, nach vorübergehender Beibehaltung von 10 % nach einem halben Jahr, d. h. ab 1. Juli 1968, bereits auf 11 % gesteigert werden muß. Wenn freilich, Herr Kollege Moersch, uns, die wir uns an dieser Stelle für die strikte Beibehaltung des 10 %igen Satzes eingesetzt haben, dies heute in der Öffentlichkeit vorgehalten wird, dann muß ich mit Nachdruck darauf verweisen, daß wir damals die höhere Entlastung der Altvorräte mit der Begründung verweigert haben, daß andernfalls eben der 10 %ige Satz nicht zu halten sei. Dies war damals für die Haltung des Hohen Hauses entscheidend. Wenn sich jetzt, auch auf starken Druck hin, die Erkenntnis durchsetzt, daß die weitere Entlastung der Altvorräte zur Belebung der Konjunktur dringlich sei, so kann eben der Satz nicht gehalten werden. - Bitte schön, Frau Funcke!
Herr Kollege Dr. Pohle, wenn Sie die Erhöhung der Mehrwertsteuer allein mit der Entlastung der Altvorräte begründen, wie erklären Sie es dann, daß die Erhöhung auf 11 % nicht nur für ein Jahr, sondern für alle Zukunft erfolgen soll, d. h. auch für die folgenden Jahre, in denen wir nichts mehr zu entlasten haben?
Frau Kollegin Funcke, ich habe es nicht allein damit begründet. Wenn Sie aufmerksam zugehört hätten, wäre Ihnen die Parenthese meines einen Satzes nicht entgangen, in der steht: im Zusammenwirken mit inzwischen eingetretenen weiteren fiskalischen Überlegungen. Das ist auch mir klar. Das Finanzkabinett hat sich mit der vollen Ausgabenstreichung nicht durchsetzen können. Infolgedessen mußte die Lücke durch Steuererhöhungen hereingebracht werden.
Meine Damen und Herren, es gibt viele auch in diesem Hohen Hause, die die Steigerung des Satzes - und deshalb muß ich es ansprechen, weil meine Freunde und ich darüber in unserer Fraktion sehr ernsthaft diskutiert haben - auf weite Sicht gesehen für verhängnisvoller halten als die Beibehaltung der im April beschlossenen Höhe der Entlastung der Altvorräte.
({0})
Diese Bedenken müssen hier offen ,an- und ausgesprochen werden, zumal wenn wir einkalkulieren, welche Überlegungen hinsichtlich der Erhöhung der Umsatzsteuer - ich nenne nur die Stichworte: Sofortabzug für Neuinvestitionen und Gewerbesteuer - im Laufe der Jahre auf uns zukommen werden.
Wenn wir trotzdem - und jetzt komme ich zu dem Punkt, den Herr Kollege Moersch angesprochen hat - der Vorlage der Bundesregierung zustimmen, so deshalb, weil wir das gesamte Paket als Einheit betrachten und somit auch bittere Tropfen in Kauf nehmen. Viel wesentlicher ist folgendes: seit der
Verabschiedung des Mehrwertsteuergesetzes haben Wirtschaft und Spitzenverbände, Konjunkturinstitute und namentlich der Herr Bundeswirtschaftsminister auf eine weitere Entlastung der Vorräte gedrängt, bis schließlich das Kabinett Anfang Juli innerhalb der mittelfristigen Finanzplanung diesem Drängen nachgab.
In eingehender Aussprache der Koalitionsfraktionen am 7. Juli 4967 - der Werbeslogan: „Die Stunde der Wahrheit" ist jedenfalls nicht von den Koalitionsfraktionen geprägt worden, Herr Mischnick
({1})
- nein, das habe ich auch gar nicht gesagt -, wurde diese Frage behandelt. Die überwiegende Meinung meiner Fraktion richtete sich damals auf eine weitere Entlastung. Dies war damals auch die ziemlich einheitliche Meinung der Wirtschaftspresse.
Seit diesem Tage - meine Damen und Herren, man mag die Entscheidung der Regierung begrüßen oder man mag sie bedauern - haben sich die Betriebe nun einmal darauf eingestellt, daß die Altvorräte weitergehend entlastet werden. Genau zwei Monate sind seit dieser Ankündigung vergangen. Die Mehrzahl der Unternehmen bestätigt, daß sie inzwischen auf dieser Basis kalkuliert haben. Ein abermaliger Wechsel, ein Zurückdrehen der Aktion nach unserer grundsätzlichen Zustimmung im Juli würde meines Erachtens die Gefahr eines Stimmungsumschwungs in der Wirtschaft heraufbeschwören. Diese Gefahr muß man sehen und beachten.
({2})
Gerade in den letzten Monaten hat sich gezeigt, welche große Rolle das psychologische Moment spielt. Ankündigungen haben ihre stimulierenden Wirkungen. Sie schlagen aber ins Gegenteil um, weil die Wirtschaft das Vertrauen verliert, wenn sie wieder rückgängig gemacht werden.
Dieser Gesichtspunkt ist für mich und die Mehrheit meiner Fraktion entscheidend. Wir stimmen nicht nur deshalb der Vorlage zu, weil die Bundesregierung es so will. Wir haben uns die Entscheidung nicht leicht gemacht. Wir folgen ihr aus unserer eigenen, in vielfachen Debatten gewonnenen Erkenntnis, wenngleich wir die Regierung natürlich nicht von der Aufgabe entlasten können, auf Grund ihres Sachverstands auch in diesem Punkte die politische Führung zu übernehmen. Aber wegen der angeführten psychologischen Momente wäre es für alle betroffenen Kreise schädlich und nicht vertretbar, das Rad wieder zurückzudrehen.
Dabei kann keine Rede davon sein, daß das Opfer von 700 Millionen DM, das die weitere Entlastung der Altvorräte kostet, schlechtweg ein Geschenk wäre. So einheitlich, meine Damen und Herren, sind die Auffassungen über die Nichtnotwendigkeit dieser Maßnahme, der weiteren Entlastung der Altvorräte, doch nicht. Es gibt sehr viele Kreise, die trotz meiner Ausführungen heute noch die Erhöhung der Entlastung der Altvorräte für die Konjunktur als dringlich bezeichnen; so auch das Bundeskabinett.
Wir haben Verständnis dafür, daß die Bundesregierung es mit der Verabschiedung dieser Novelle zum Mehrwertsteuergesetz ganz besonders eilig hat und daß dieses Gesetz noch in dieser Woche die zweite und dritte Lesung nach - wenn auch eingehender - Beratung im Finanzausschuß durchlaufen soll. Die Betriebe haben ein legitimes Bedürfnis nach Klarheit und Information. Dieses Recht für die Umstellung auf die Mehrwertsteuer kann nicht hoch genug veranschlagt werden. Wir haben für das Anliegen des Bundesfinanzministers, so schnell wie möglich die bereits fast ausgedruckten Verwaltungsrichtlinien für die Umsatzsteuer und die damit verbundene Mehrwertsteuer-Fibel an die Betriebe zu verabfolgen, durchaus Verständnis. Das ist alles erst möglich, wenn die vorliegende Novelle verabschiedet ist.
Es gibt noch eine Reihe anderer schwieriger Fragen im Mehrwertsteuersystem, die der Lösung harren. Mit Ausnahme jener Komplexe, die mit den Altvorräten zusammenhängen, können sie in dieser Sitzungswoche selbstverständlich nicht behandelt werden. Wir müssen ihre Beratung auf einen späteren Zeitpunkt verschieben. Wir werden aber im Finanzausschuß versuchen, die in Verbindung mit der Entlastung der Altvorräte auftretenden und klar ersichtlichen Härtefälle, insbesondere dann, wenn die Ausfuhrvergütungssätze nicht ausreichend hoch bemessen sind, durch vernünftige Regelungen auszuräumen. Wir werden außerdem im Ausschuß den Grundsatz der Novelle zu prüfen und, falls der Ausschuß dem Grundsatz zustimmt, zu erörtern haben, ob der für die Entlastung der Altvorräte von der Bundesregierung vorgeschlagene Bestandsvergleich heute noch zielführend ist oder ob die Lösungsmöglichkeiten des Bundesrates vorzuziehen oder ob andere Wege zu beschreiten sind.
Das Steueränderungsgesetz mit der Erhebung einer Ergänzungsabgabe und der Beseitigung von Steuerprivilegien der Sparkassen betrachten wir ebenfalls als Teil des einheitlichen Ganzen. Diese Maßnahmen können nicht losgelöst von der Ausgabeseite verabschiedet werden. Da sind wir uns einig. Der Finanzplan ist kein Gesetz, sondern nur eine Vorschau; er wird durch die Haushaltsgesetze ausgefüllt. Das Steueränderungsgesetz wird nach dem Konzept der Koalition den zuständigen Ausschüssen zugewiesen und im Oktober behandelt. Wir würden die Mehrwertsteuernovelle nicht vordringlich behandeln, wenn nicht ihre sofortige Verabschiedung aus den vor mir dargelegten Gründen notwendig erschiene.
Die Erhebung einer Ergänzungsabgabe ist bereits seit mehreren Jahren erörtert worden; sie trifft uns also nicht unvorbereitet und ganz bestimmt nicht wie ein Blitz aus heiterem Himmel. Sie mit dem Mittel der Verfassungsklage anzugreifen ist meines Erachtens mehr als fragwürdig. Man sollte sich hüten, Maßnahmen, die eine Regierung ergreift und die einem nicht ganz ins Konzept passen, zunächst einmal und vorsorglich als verfassungswidrig zu bezeichnen, wenn man die Rechtsstaatlichkeit nicht überstrapazieren will.
({3})
Die Ergänzungsabgabe hat den Vorteil, daß sie schnell und ohne Komplikationen wieder aufgehoben werden kann. Ich hätte es deshalb für richtiger gehalten, wenn sie nur befristet erhoben worden wäre. So muß es der Initiative der Parteien oder der Regierung überlassen bleiben, ständig zu überprüfen, ob ihre Erhebung noch berechtigt ist oder nicht.
Auf alle Fälle erscheint mir die Erhebung der Ergänzungsabgabe bedeutend besser, als wenn der Gesetzgeber mit Manipulationen der Einkommen-und Körperschaftsteuer beginnen . würde. Es ist deshalb auch nicht gut, daß ausgerechnet zu dieser Stunde, in der wir das Finanz- und Konjunkturprogramm der Bundesregierung zu verabschieden wünschen, um damit auch die Voraussetzung für einen konstanten Wirtschaftsablauf zu schaffen, der Wissenschaftliche Beirat des Bundesfinanzministeriums mit Vorschlägen hervortritt, die nur geeignet sind, neue Unruhe, neue Unsicherheit, neues Unbehagen hinsichtlich der Erhaltung und Steigerung der Umsätze, der Aufträge und der Arbeitsplätze der Unternehmen zu erzeugen.
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Angesichts der Unzeit und Unausgegorenheit dieser Vorschläge drängt es sich geradezu auf, der Meinung von General de Gaulle beizustimmen, die zehn Gebote seien deshalb so klar, kurz und verständlich, weil sie ohne Mitwirkung einer Sachverständigenkommission zustande gekommen sind.
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Natürlich ist eine Erhöhung der direkten Steuern - das bedeutet die Erhebung der Ergänzungsabgabe- das Gegenteil einer antizyklischen Konjunkturpolitik. Das ist auch dann eine Tatsache, wenn die Erhebung auf die einkommensstärkeren Schichten und Körperschaften beschränkt bleibt. Die 50 000 Körperschaften und 600 000 Einkommensteuerpflichtigen sind großenteils Unternehmen und Betriebe, bei denen der Liquiditätsentzug - wie die Begründung zum Steueränderungsgesetz übrigens sehr treffend bemerkt - gerade die Sparkapitalbildung und die Investitionstätigkeit trifft. Diese harten Realitäten kann kein Appell an Neidkomplexe, kein Versuch aus der Welt schaffen, Ressentiments in Wählerstimmen umzusetzen. Wer das beliebte Wort vom „kleinen Mann" zum Vorwand für immer neue Steuerpläne macht, redet nicht nur wirtschaftlichen Unfug, er führt auch durch Verminderung der Aufstiegschancen des Selbständigen, durch Negierung solch starker psychologischer Antriebskräfte zur Leistung unausweichlich auch in eine soziale Stagnation.
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Um mit
Aus konjunktureller Sicht paßt die Steuererhöhung nicht in die gegenwärtige Landschaft. Aber - und auch darauf verweist Blessing - auch eine bessere Ordnung in den Staatsfinanzen ist ein erheblicher konjunkturstützender Faktor.
Trotz der von vielen Kreisen, insbesondere auch der mittelständischen Industrie, geäußerten Bedenken, trotz der neuen Belastung von Initiative und Fleiß nehmen wir die Steuererhöhungen und auch die Ergänzungsabgabe in Kauf, um nicht das Gesamtprogramm der Regierung zu gefährden. Das möchte ich auch jenem traurigen Skribenten ins Stammbuch schreiben, der von mir in einer Zeitschrift vorgestern ins Blaue hinein das Gegenteil behauptete.
Freilich wiederhole ich, für uns ist die grundsätzliche Zustimmung zu den Ausgabekürzungen des mittelfristigen Finanzplans eine conditio für die Zustimmung zum Steueränderungsgesetz. Da die Verabschiedung des Steueränderungsgesetzes nicht unter dem gleichen Zeitdruck steht wie die Novelle zum Mehrwertsteuergesetz, wollen wir dieses Gesetz, insbesondere was die vorgesehene Abschaffung des Steuerprivilegs der Sparkassen und Kreditgenossenschaften anlangt, in Ruhe unter Anhörung der Beteiligten im Oktober in den Ausschüssen behandeln. Ich betone, wer Steuererhöhungen in Bausch und Bogen ablehnt, muß gleichzeitig erklären, wie er sich die Deckung denkt.
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- Richtig! - Niemandem streiten wir das Recht ab, mit wohlabgewogenen Argumenten gegen Steuererhöhungen Einspruch zu erheben. Aber er soll uns dann seine klaren Alternativen nennen.
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Wieder andere Kreise sind der Meinung - das ist der letzte Punkt -, daß es der Vorlage eines zweiten Investitionshaushalts, des sogenannten Konjunkturprogramms, nicht bedurft hätte. Äußerste Bedenken werden gegen eine weitere kurzfristige Verschuldung vorgetragen. Auch der Redner der Opposition hat sie am Ende seiner Ausführungen stark in den Mittelpunkt gestellt - ich werde darauf nachher mit einem Satz zurückkommen -, und der Herr Bundeswirtschaftsminister hat soeben gesagt, warum durch diesen Investitionshaushalt keine inflationäre Wirkung erzeugt wird. Aber selbstverständlich liegt die Frage in der Luft - und sie muß auch von diesem Parlament angesprochen werden -: Bedarf es denn überhaupt noch dieses zweiten Investitionshaushalts, der eine kurzfristige Neuverschuldung von rund 5 Milliarden DM und ein gesamtes kurzfristiges Verschuldungsvolumen von rund 15 Milliarden DM darstellt? Wir sind gegen inflatorische Entwicklungen - und ich freue mich, daß der Bundeswirtschaftsminister das in mehreren Passagen seiner Rede anerkannt hat - äußerst allergisch. Wir sind uns über diesen Punkt völlig einig: die Sicherung der Währung halten wir nach wie vor für ein wenigstens ebenso wichtiges Erfordernis wie das Wachstum.
Viele meinen, die Talsohle sei überschritten. Von der Frankfurter Messe hören wir, daß das Geschäft flott geht. Geschäftsberichte und Verlautbarungen mancher Unternehmen schlagen optimistische Töne an. An der Börse ist eine Hausse eingetreten wie lange nicht mehr, die man übrigens nicht als Euphorie bezeichnen kann; denn die bisherigen Kurse waren ganz anomal und gaben den realen Wertstand der Unternehmen in keiner Weise wieder.
Der erste Investitionshaushalt beginnt praktisch erst jetzt zu greifen, die Exporte halten sich auf ungeahnter Höhe, die Arbeitslosenzahl ist mit 370 000 unter 2 % - weit unter der magischen Grenze -, 1 Million Gastarbeiter sind bei uns tätig, die Kaufkraft der Massen ist ungebrochen, Renten, Beamtengehälter und auch Löhne sind gestiegen, und die Preise erfreuen sich seit Monaten einer beachtlichen Stabilität. Die Einzelhandelsumsätze haben neuerdings zugenommen, die Lagerbestände besonders im Handel sind - wie erst jüngst der Präsident der Bundesbank betonte - so stark geschrumpft, daß sie bei der weiterhin hohen Massenkaufkraft bald aufgefüllt werden müssen. Warum also - so fragen diese Kreise - eine neue Verschuldung von 5 Milliarden durch Vergabe öffentlicher Aufträge, wenn sich die Konjunktur selber regeneriert?
Aber, meine Damen und Herren, das Bild ist durchaus nicht einheitlich. Wir haben die gespaltene Konjunktur, von der der Bundeswirtschaftsminister heute gesprochen hat. „Es wird überall mit Wasser gekocht", sinniert die „Welt der Arbeit". „Gedrückte Erträge, rückgehende Umsätze, niedrigere Nota in den Auftragsbüchern", lassen sich viele Geschäftsberichte vernehmen. Bauwirtschaft und Automobilindustrie - heute die wesentlichsten Indikatoren für die Konjunktur, während es früher die Textilwirtschaft war - sind trotz optimistischer Balkenüberschriften nach wie vor schwach. Die Mineralölverarbeitung tritt auf der Stelle, im Fahrzeugbau betrug der Auftragseingang im Juni fast 20 % weniger als im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Auch der Auslandsabsatz blieb hinter dem des Vorjahres um 16 % zurück. „Textilindustrie sieht noch keine Wende", liest man in der Zeitung. Im Wohnungsbau lag das genehmigte Bauvolumen im Juni 7 % unter dem Vorjahresstand. Diese Genehmigungen sind aber ein Spiegelbild für die Auftragslage. Von ihr wiederum hängen die Investitionen der kommenden Monate ab. Gewerbliche Betriebsgebäude verzeichnen die am meisten verminderten Genehmigungsziffern. Auch die Tiefbauaufträge liegen noch unter dem Vorjahresniveau.
Nach der - ganz sicher übertriebenen - Ansicht mancher Professoren stehen wir vor einem mittleren Weltuntergang in der . Wirtschaft, ein Standpunkt, den weder die Regierung noch ich persönlich teile. So die „Süddeutsche Zeitung". Von solcher Ansicht her greife - wie die „Süddeutsche" dann bemerkt - eine Supernervosität auf die Wirtschaft über. OECD und andere predigen uns die Rückkehr zur Inflation - das, ist nämlich die Kehrseite der Medaille -, um die sogenannte sausende Talfahrt aufzuhalten. Diesem letzten widerspricht zwar die reale Lage, aber diese Ansicht muß erwähnt werden.
Meine Damen und Herren, wenn wir das einander gegenüberhalten, wird niemand in diesem Parlament - insbesondere auch nach den Ausführungen der Bundesregierung - erklären, daß er den Mut aufbrächte, dem Konjunkturprogramm das grüne Licht zu verweigern. Mehr kann das Parlament bekanntlich nicht tun. Wir haben ein Stabilitätsgesetz. In diesem Stabilitätsgesetz steht, daß das Parlament zustimmen kann. Es braucht nicht zuzustimmen. Wenn es nicht zustimmt, kann das Konjunkturprogramm nicht in Lauf gesetzt werden. Andern können wir es nicht. Wir können aber unsere Vorbehalte und Bedenken in einer Entschließung anmelden,
({2}) verbunden mit Anregungen an die Regierung.
Auch der hohe Export ist kein untrügliches Zeichen - 'im Gegenteil! - für die Dauer der Konjunktur. Exporte sind ein sehr unsicherer Faktor, zumal dann, wenn den berechtigten Wünschen der Exportwirtschaft nach Ausbau der Exportfinanzierung, der Exportkreditversicherung nicht demnächst entsprochen wird.
Das Mittel massiver Steuersenkungen als Stimulans für die Konjunkturanregung ist höchst zweifelhaft, sowohl aus psychologischen wie aus fiskalischen Gründen. Somit bleiben als solche Stimulantia nur Maßnahmen der im zweiten Investitionshaushalt vorgesehenen Art. Die CDU/CSU-Fraktion meint deshalb, daß das Hohe Haus dem Zweiten Konjunkturprogramm gemäß den Vorschriften des Stabilitätsgesetzes zustimmen sollte, und zwar 'innerhalb der Vierwochenfrist des Stabilitätsgesetzes. Die CDU/CSU-Fraktion betrachtet auch dieses Programm als einen Teil des Gesamtprogramms.
In einem Punkte bin ich allerdings anderer Ansicht als der Herr Bundeswirtschaftsminister und auch als der Wochenbericht des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung in Berlin. Ich würde sehr vorsichtig sein mit der Ankündigung weiterer Investitionshaushalte. Ich kann mir nämlich nicht vorstellen, daß solche Ankündigungen dazu angetan sind, in der Wirtschaft Optimismus zu wecken. Ich glaube, daß das Gegenteil der Fall sein wird. Niemand von uns weiß, wie sich die Konjunktur im Laufe der nächsten Zeit entwickeln wird. Prognosen sind immer ein Wagnis, aber, meine Damen und Herren, kein ernsthaftes Unternehmen wird sich eine Prophetenabteilung zulegen, weil niemand genau weiß, welches die richtigen und welches die falschen sind. Um so mehr erscheint mir eine klare Analyse der Fakten erforderlich, die die Annahme der vom Bundeswirtschaftsminister angestrebten Zielvorstellungen rechtfertigen.. Möglich, Herr Bundeswirtschaftsminister, daß sich das in dem Kompendium befindet, das Sie uns überreicht haben. Ich drücke mein Bedauern aus, daß ich das noch nicht gelesen habe. Ohne diese Ankündigung kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, als seien die Wachstumsraten mehr oder weniger gegriffen.
Meine Damen und Herren, die gegenwärtige Konjunkturflaute ist keine Kumulation von Strukturkrisen. Das ist eine höchst gewagte These. Es handelt sich vielmehr um eine Globalrezession, mit Ausnahme einiger weniger Wirtschaftszweige. Eine solche Globalrezession kann nur mit Globalmaßnahmen abgefangen werden. Nur Strukturprobleme in einer Phase der Globalrezession zu lösen 'ist unmöglich.
Warum stimmte das Parlament am 10. Mai 1967 der Ermächtigung des Stabilitätsgesetzes zu? Um
die Anwendung konjunkturpolitischer Maßnahmen durch die Exekutive elastisch und den Bedürfnissen der Praxis entsprechend möglich zu machen. Immer behält es die Kontrolle über das Programm als solches. Dagegen war es vom Parlament gewollt, Einzelheiten der Programmgestaltung und ihrer Durchführung der Regierung zu überlassen. Übrigens sind die Kreditermächtigungen für weitere Investitionshaushalte auf 5 Milliarden DM für den Bund der Höhe nach begrenzt. Man kann also nicht vom Parlament aus sagen: Wir haben so viel Rechte hingegeben, daß uns auf nichts ein Recht mehr übrigbleibt. Ich glaube, das zieht nicht.
Bei unserer Zustimmung stützen wir uns auch auf die Analyse des Deutschen Industrieinstituts. Bei einer Kapazitätsauslastung der Wirtschaft von weniger als 80 % liegen nach Ansicht des Industrieinstituts zur Zeit Wachstumsmöglichkeiten in Größenordnungen von 25 bis 30 Milliarden DM ungenutzt. Dies macht den Spielraum für zusätzliche öffentliche Investitionen deutlich. Es wären deshalb noch ausreichende Möglichkeiten für eine höhere Verschuldung des Staates vorhanden, ohne daß durch das Gesamtvolumen der Verschuldung die Preisstabilität gefährdet wird. - So die Feststellung des Industrieinstituts.
Meine Damen und Herren, ich sage: wenn wir zustimmen, beanspruchen wir selbstverständlich das Recht, in einer Entschließung des federführenden Ausschusses Vorbehalte zu machen und Anregungen zu geben. Auf eine Reihe dieser Überlegungen ist der Herr Bundeswirtschaftsminister in seiner Rede bereits eingegangen. Ich nehme an, daß dies im Haushaltsausschuß und im Wirtschaftsausschuß diskutiert werden wird. Ich füge hinzu, daß wir im Gesamtprogramm trotz seiner Überschrift ein wirkliches Eingehen auf die neben der konjunkturellen Situation bestehenden ungelösten strukturellen Fragen vermissen. Die Krise des Steinkohlenbergbaues im Rahmen eines umfassenden energiepolitischen Programms harrt noch immer der Lösung. Herr Bundeswirtschaftsminister, es kann leider nicht oft genug gesagt werden: es muß zu einem harmonischen Zusammenklang zwischen möglichst niedrigen Energiekosten für die deutschen Industrien, auch in den revierfernen Gebieten, und der Erhaltung des volkswirtschaftlich unentbehrlichen, für uns alle unentbehrlichen Potentials an Ruhr und Saar auf realer Grundlage führen. Man müßte im Laufe der nächsten Zeit auch auf die Frage der Bundesbahn und auf den Verkehrshaushalt eingehen.
Aber gestatten Sie mir noch ein Wort zu den 300 Millionen DM für die bundeseigenen Betriebe. Soweit es sich um Dienstleistungsbetriebe wie Bundesbahn und Bundespost handelt, hat niemand etwas gegen eine gezielte Förderung einzuwenden. Der Nutzen kommt allen Benutzern dieser Einrichtungen zugute. Anders liegt die Sache jedoch für die bundeseigenen Betriebe, die im Wettbewerb mit privaten Unternehmungen stehen. Eine Verbilligung von Krediten ist hier nichts anderes als ein Wettbewerbsvorteil für einen einzelnen Konkurrenten. Wenn wir mit Recht so intensiv für die Beseitigung von Wettbewerbsvorteilen kämpfen, dürfen wir nicht selbst Wettbewerbsvorteile schaffen. Wenn man Regionalpolitik treiben will - und das wird sicher notwendig sein -, muß man die Vorteile, die man für notwendig hält, allen Unternehmungen zugute kommen lassen, die in dieser Region Arbeitsplätze anbieten, nicht nur den bundeseigenen. Ich möchte deshalb heute schon betonen, daß wir uns in Kürze doch einmal sehr eingehend - sagen wir einmal - über eine Philosophie der bundeseigenen Betriebe unterhalten müssen, soweit diese im Wettbewerb mit anderen Unternehmen, mit Unternehmern der freien Wirtschaft stehen.
Meine Damen und Herren, 5,3 Milliarden DM sind gewiß keine Kleinigkeit; aber ich habe schon dargelegt, aus welchen Gründen wir dem Kabinett, dem Bundeswirtschafts- und dem Bundesfinanzminister folgen. Wir wünschen, das Programm elastisch und beweglich zu gestalten, insbesondere was den zeitlichen Ablauf der Aufträge anlangt, und haben mit Befriedigung zur Kenntnis genommen, daß auch der Vergabetermin vom 15. Oktober nicht und erst recht nicht die Vergabetermine für den Wohnungsbau sklavisch gehandhabt werden sollen.
Dagegen bin ich durchaus der Ansicht, daß man davon Abstand nehmen sollte, das Programm bei etwa verbesserter Konjunkturlage überhaupt abzubrechen. Die Elastizität muß durch zeitliches Hinausschieben, durch Verlagerung auf andere Zeitpunkte hergestellt werden. Man muß hier stets die Hand am Puls der Wirtschaft halten und die richtige Dosierung wählen. Mit gut dosierter Auftragsstreuung gerade bei Bauaufträgen werden wir Ballungserscheinungen vermeiden und eine kontinuierliche Bautätigkeit sicherstellen.
Es bleibt noch ein Wort zu den Zinssubventionen zu sagen. Wir haben mit Befriedigung gehört, daß es möglich war, die zunächst in Aussicht genommene Zinssubventionssumme von 450 Millionen DM auf 125 Millionen DM im endgültigen Programm zu ermäßigen. Diese Feststellung erleichtert es uns, bei den Zinssubventionen, die allein einen Betrag von 100 Millionen DM für den Wohnungsbau vorsehen, der Regierung auf diesem Wege zu folgen.
Wir begrüßen, daß über das ERP-Investitionshilfegesetz auch die Gemeinden in das Gesamtprogramm eingeführt sind.
Wir glauben, .daß das Konjunkturprogramm seine Wirkung nicht verfehlen wird; denn es geht darum, den wirtschaftlichen Attentismus zu überwinden.
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Nur dann können wir auch die soziale Komponente unseres staatlichen Daseins erfüllen.
Das Konjunkturprogramm ist angekündigt. Darauf haben sich jetzt die Unternehmen eingestellt. Würde der Ankündigung die Zustimmung des Parlamentes nicht folgen, wäre in unserer nach wie vor labilen Konjunkturlage ein Stimmungsumschlag unvermeidlich. Die neuen konjunkturanregenden Maßnahmen ließen das Stimmungsbarometer steigen. Die Wirtschaft, seit fast 20 Jahren auf die soziale Marktwirtschaft als tragende Idee ausgerichtet und nach wie vor nach deren Prinzipien arbeitend,
braucht eine „mittelfristige" Gewißheit als Kalkulationsgrundlage. Dieser Aufschwung kann nur gelingen, wenn die Ungewißheit über alles, was vom Staat an Erfreulichem oder Bedrohlichem zu erwarten ist, für eine überschaubare Zeit wegfällt.
Die Hoffnung auf eine Wirtschaftsbelebung veranlaßt manchen zu einer Bagetellisierung der Haushaltsschwierigkeiten. Sie flüstern, harte Streichungen seien nun nicht mehr nötig. Davor, meine sehr verehrten Kollegen, muß eindringlich gewarnt werden. Die Folge wäre nur ein neuer Vertrauensschwund. Es ist kein Zufall, daß sich die ersten Belebungsanzeichen in der Konjunktur eingestellt haben, nachdem die Anregungs- und die Sparmaßnahmen des Kabinetts verkündet waren. Anregungsund Sparmaßnahmen gehören unmittelbar zusammen. Nur wenn Öffentlichkeit und Wirtschaft darauf vertrauen, daß die Staatsfinanzen langfristig in Ordnung sind, wird ,der Aufschwung kommen und dauern. Wir haben vor einem Jahr gesehen, wie schnell sich die plötzliche Vertrauenskrise ausbreitet. Darum müssen wir bezüglich Ordnung und Begrenzung der Staatsausgaben konsequent bleiben. Denn diese Ordnung ist Voraussetzung für eine neue Philosophie unserer gesamten politischen Ziele, unserer gesamten politischen Arbeit. Der Herr Bundeskanzler und sein Kabinett erstreben eine solche Politik. Die CDU/CSU-Fraktion steht geschlossen hinter ihm.
({4})
Meine Damen und Herren, wir treten in die Mittagspause .ein. Fortsetzung um 14 Uhr.
Die Sitzung ist unterbrochen.
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Die unterbrochene Sitzung wird fortgesetzt.
Wir kommen zur Fragestunde. Zuerst die Frage aus dem Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramtes eine Frage des Abgeordneten Dr. Friderichs:
Ist der Bundesregierung bekannt, ob die Aufkündigung der dem „liberal"-Verlag gewährten Mittel durch das Presse- und Informationsamt der Bundesregierung wegen der in Heft 6/1967 an Bundeskanzlei Kiesinger geübten Kritik ein Einzelfall ist?
Herr Staatssekretär, darf ich bitten!
von Hase, Staatssekretär, Bundespressechef: Es handelt sich, bezogen auf das Jahr 1967, um einen Einzelfall. Es ist darüber hinaus aber notwendig, daß sich die Bundesregierung grundsätzlich vorbehält, finanzielle Leistungen aus Tit. 300 im kommenden Haushaltsjahr aus haushaltsmäßigen oder anderen Gründen einzuschränken. Ich möchte gleich vorab betonen, daß durch die Ankündigung des Fortfalls der Mittel in keiner Weise eine Zensur des Artikels beabsichtigt war.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Friderichs.
Darf ich aus Ihrer Antwort, Herr Staatssekretär, schließen, daß es sich bei der Zeitschrift Civis nur um eine Abmahnung ohne Aufkündigung handelt, oder ist dieser Brief, über den der Streit herrscht, bisher nicht geschrieben worden?
von Hase, Staatssekretär, Bundespressechef: Der Brief ist geschrieben worden. Ich beabsichtige nicht, die Vorentscheidung, die Herr Ahlers in meiner dienstlichen Abwesenheit - ich war mit dem Bundeskanzler in Amerika - getroffen hat, rückgängig zu machen. Herr Ahlers hat mich sofort nach meiner Rückkehr aus Amerika und noch vor dem Beginn der öffentlichen Auseinandersetzung um diesen Fall über seine getroffene Vorentscheidung unterrichtet. Ich billigte und billige die Konsequenzen, die sich aus dieser Vorentscheidung für das Jahr 1968 für die Zeitschrift „liberal" ergeben.
Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Friderichs.
Darf ich Sie fragen, Herr Staatssekretär, ob die Bundesregierung beabsichtigt, den Tit. 300 ganz fallenzulassen oder ihn entsprechend früheren Vorstellungen der damaligen sozialdemokratischen Oppositionspartei auf Regierungsparteien und Oppositionsparteien je zur Hälfte aufzuteilen.
von Hase, Staatssekretär, Bundespressechef: Mir sind diese Vorstellungen der sozialdemokratischen Partei aus keiner Phase ihrer parlamentarischen Tätigkeit in dieser Formulierung bekannt, Herr Abgeordneter. Die Bundesregierung hat nicht die Absicht, die Sie eben erfragt haben.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Bucher.
Herr Staatssekretär, auch wenn Sie sagen, daß mit dieser Maßnahme keine Zensur ausgeübt werden sollte: Hält es die Bundesregierung überhaupt für angebracht, daß Beamte über Fragen des Geschmacks ein Urteil fällen?
von Hase, Staatssekretär, Bundesrpressechef: Ich glaube grundsätzlich, Herr Abgeordneter, daß eine Behörde oder Vertreter einer Behörde als Arbiter elegantiarum nicht gerade prädestiniert sind. Ich glaube aber, daß es hier im wesentlichen darauf ankam - das ist der Kern der ganzen Auseinandersetzung -, die Bestimmungen, die uns das Haushaltsgesetz auferlegt, mit der Verwendung der Mittel in Übereinstimmung zu bringen.
Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Bucher.
Hält es die Bundesregierung für geschmackvoll, daß sich Herr Ahlers auf seinen Briefbögen mit dem selbst verliehenen Titel eines „Stellvertreters des Bundespressechefs" vorstellt,
oder hat sich etwa inzwischen die deutsche Presse einen Chef gegeben, dessen Stellvertreter Herr Ahlers ist?
von Hase, Staatssekretär, Bundespressechef: Ich darf darauf hinweisen, daß der Titel „Bundespressechef", den ich selbst nicht für glücklich halte - was ich bei verschiedenen Gelegenheiten in den vergangenen Jahren mehrfach öffentlich gesagt habe; ich habe mich da auch auf die Einstellung beziehen können, die schon mein Vorgänger zu dieser Frage gehabt hat -, im Beamtengesetz so festgelegt ist, ebenfalls die Bezeichnung „Stellvertreter des Bundespressechefs", so daß Herr Ahlers hier lediglich auf die gesetzlich festgelegte Tradition zurückgegriffen hat; im übrigen hat er die Briefbögen aufgebraucht, die von seinem Vorgänger vorhanden waren.
Eine Zusatzfrage: Herr Abgeordneter Borm.
Herr Staatssekretär, ist die Entscheidung letztinstanzlich in Ihrem Amt erfolgt, oder hat der Herr Bundeskanzler diese Entscheidung gebilligt?
von Hase, Staatssekretär, Bundespressechef: Der Herr Bundeskanzler ist in keinem Zeitraum mit dieser Entscheidung befaßt worden. Die letzte Verantwortung für diese Entscheidung trage damit ich.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Genscher.
Herr Staatssekretär, wer, glauben Sie, ist durch den Entzug der 30 000 DM mehr geschädigt worden, der „liberal"-Verlag, der durch dieses Ereignis ein hohes Maß an Publizität erreicht hat, die bisherigen Gratisabonnenten, die in Zukunft die „liberal"-Zeitschrift selbst bezahlen müssen, oder die Bundesregierung, deren Haltung zur Informations- und Pressefreiheit ins Zwielicht kam?
von Hase, Staatssekretär, Bundespressechef: Ich freue mich, daß der „liberal"-Verlag dadurch eine Stützung seiner Public-relations-Arbeit erfahhat; denn die Regierung der Großen Koalition hat von Anfang an deutlich gemacht, daß ihr im Interesse der parlamentarischen Demokratie an einer wirksamen Opposition gelegen ist.
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Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Genscher.
Würden Sie der Korrektheit halber, Herr Staatssekretär, mit mir darin übereinstimmen, daß diese Wirkung gewiß nicht beabsichtigt war?
von Hase, Staatssekretär, Bundespressechef: Ich würde sagen, sie ist immerhin ein nicht ganz zu verachtendes Nebenprodukt.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Mertes.
Herr Staatssekretär, sind Sie mit mir der Meinung, daß eine Zensur, von der Sie sprachen, künftig in derartigen Fällen gar nicht mehr nötig sein dürfte, weil alle sich lammfromm gebärden werden, die weiterhin Mittel aus dem Tit. 300 empfangen wollen?
von Hase, Staatssekretär, Bundespressechef: Ich bin nicht so ganz sicher, ob Ihre zoologische Vermutung, Herr Abgeordneter, bezüglich des Verhaltens zutreffen wird. Wir haben immerhin die Erfahrung gemacht, daß es gerade bei Organen, die unmittelbar im Auftrage der Parteien erscheinen, wenn sie unterstützt werden, oft einen sogenannten Subventionskomplex gibt.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Zoglmann.
Herr Staatssekretär, sind Sie der Meinung, daß es ein Vollzug Ihres Wunsches ist, die Opposition besonders stark in Erscheinung treten zu lassen, wenn Sie den Tit. 300, statt ihn, wie die SPD es ursprünglich wollte, 50 : 50 zwischen Regierung und Opposition aufzuteilen, in Zukunft nur noch der Regierung zur Verfügung stellen?
von Hase, Staatssekretär, Bundespressechef: Es ist nicht beabsichtigt, diesen Titel in Zukunft nur noch bei der Regierung zu belassen. Ich glaube überhaupt, daß diese Fragestellung falsch ist. Für die Bundesregierung kommt es darauf an, ihre Politik mit optimalen Mitteln einem möglichst großen Personenkreis zu vermitteln. Dabei hat es sich herausgestellt, daß auch das eine oder andere Parteiorgan dafür geeignet ist, weil man diesen Personenkreis auf andere Weise schwer erreichen kann. Ich wiederhole, daß mir ein Vorschlag der Sozialdemokratischen Partei zur Aufteilung des Titels 50 : 50 in dieser Form nicht bekannt ist.
Zum Ausgleich kommt erst einmal ein Fragesteller von der Linken, Herr Abgeordneter Tallert.
Herr Staatssekretär, können Sie sich an irgendeinen Zeitpunkt Ihrer Amtstätigkeit erinnern, in dem das Interesse der FDP an dem Lt. 300 so groß war wie jetzt, da sich die FDP in der Opposition befindet?
von Hase, Staatssekretär, Bundespressechef: Ich möchte sagen, daß aus einer anderen Interessenlage heraus,
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Staatssekretär von Hase
aber auch aus einer grundsätzlichen Verpflichtung gegenüber den Grundregeln der Demokratie die FDP immer ein gutes Interesse für diesen Titel gezeigt hat, wie ich überhaupt feststellen muß, daß dieser Titel sich allgemein eines großen Interesses erfreut, nicht nur wegen seines „schlüpfrigen" Namens „Reptilienfonds", sondern auch aus anderen Gründen. Alle, die bisher mit diesem Titel im einzelnen befaßt worden sind, haben, das kann ich, glaube ich, sagen, festgestellt, daß die Verwendung des Titels besser als sein Ruf ist, und ich bin in diesem Zusammenhang dankbar, daß das Hohe Haus beschlossen hat, daß der Titel künftig durch einen Unterausschuß des Haushaltsausschusses geprüft wird.
Eine zweite Frage.
Herr Staatssekretär, meinen Sie nicht, daß es im Sinne einer guten Arbeitsabwicklung viel sinnvoller gewesen wäre, wenn die FDP diese Fragen, die sicherlich sehr interessant sind, schon früher gestellt hätte?
von Hase, Staatssekretär, Bundespressechef: Es läßt sich durchaus denken, daß es für eine Klärung dieser ganzen Fragen und der Handhabung dieses Titels nützlich gewesen wäre, wenn bei der einen oder anderen Gelegenheit das grundsätzliche Interesse schon profilierter zum Ausdruck gekommen wäre.
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Ich meine, daß man einen Staatssekretär nach Handlungen und Unterlassungen der Regierung fragen sollte und nicht nach Handlungen und Unterlassungen aus der Mitte des Hauses. - Herr Abgeordneter Moersch zu einer Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, können Sie dem Herrn Kollegen von der SPD bestätigen, daß „liberal" einen früheren Bundeskanzler sehr heftig kritisiert hat, ohne daß deshalb von der Seite des Bundespresseamtes, wie jetzt geschehen, Geschmacksfragen aufgeworfen worden wären?
von Hase, Staatssekretär, Bundespressechef: Es trifft zu, daß „liberal" auch zu früheren Zeiten seinem Namen Ehre gemacht hat, wenn ich das so sagen darf.
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Eine zweite Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, da die Frage des Geschmacks auf einem regierungsamtlichen Briefbogen wiederholt angeschnitten worden ist, darf ich Sie fragen, ob Sie es z. B. für eine geschmackvolle Äußerung - in diesem Falle eines
Journalisten - halten, wenn Herr Ahlers in der „Frankfurter Rundschau" am 8. August 1961 schrieb: „Der Wortschatz von Willy Brandt hat sich auf das Vokabular des Kleinkindes reduziert."
von Hase, Staatssekretär, Bundespressechef: Herr Abgeordneter, ich möchte mich grundsätzlich zu Geschmacksfragen auch an Beispielen aus der Vergangenheit nicht äußern, weil ich meiner vorhin aufgestellten These, daß eine Behörde dazu nicht oder wenig geeignet sei, nicht untreu werden möchte.
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Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Schmidt ({0}).
Herr von Hase, ist die Bundesregierung bereit, zu prüfen, ob sie mit mir darin übereinstimmen kann, daß es zweckmäßig wäre, eine generelle Anweisung an das Bundespresse- und -informationsamt zu geben, wonach politische Zeitungen und Zeitschriften, gleich, ob sie soziale, sozialistische, liberale, konservative, katholische oder evangelische Tendenzen vertreten, in Zukunft nicht mehr direkt oder indirekt aus diesem Amt subventioniert werden sollen?
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voll Hase, Staatssekretär, Bundespressechef: Es liegt nahe, Herr Abgeordneter, sich an Hand dieses Falles zu überlegen, ob es die Möglichkeit gibt, in der Zukunft grundsätzliche Regelungen einzuführen, die solche Entwicklungen, wie wir sie hier gehabt haben, ausschließen. Ich glaube aber, den Vorbehalt machen zu müssen, daß es einer sehr sorgfältigen Prüfung und Abwägung der Terminologie bedarf, schon über das Epitheton: Was ist „politische Aussage" und was nicht? Wo liegen da die Grenzlinien? Es wird sicherlich sehr schwer sein, eine Linie zu ziehen, die nicht auf der anderen Seite die Verpflichtung des Presse- und Informationsamtes, optimale Wege zu beschreiten, um die Regierungspolitik zu verdeutlichen, einengt.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Ertl.
Herr Staatssekretär, würden Sie in diesem Zusammenhang sagen, welche Parteiorgane der jetzigen Regierungsparteien subventioniert werden?
von Hase, Staatssekretär, Bundespressechef: Herr Abgeordneter, ich möchte nicht den Versuch machen, auch nur durch eine Indiskretion in die Nähe einer Überschreitung der Bestimmung des Hohen Hauses zu kommen, daß Einzelheiten des Tit. 300 nur dem schon erwähnten Unterausschuß dargelegt werden sollen.
Eine zweite Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Ertl.
Herr Staatssekretär, kann ich Ihre Antwort auf die Frage des Kollegen von der SPD so deuten, daß sie deshalb saturiert ist, weil ihre Parteipresse nunmehr einbezogen ist?
von Hase, Staatssekretär, Bundespressechef: Nein. Ich bitte, meine Antwort lediglich so zu deuten, daß sie die klare Wiedergabe der gesetzlichen Bestimmung ist.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Raffert.
Herr Staatssekretär, beabsichtigt die Bundesregierung, bei der Vorbereitung des nächsten Haushalts den Anregungen zu folgen, die die SPD-Fraktion in der Debatte über den Tit. 300 bei der Beratung des letzten Haushalts gegeben hat, nämlich noch wesentlich mehr als jetzt in den offenen Bereich überzuführen, also auf Titel umzuleiten, die jedermann einsichtig sind und bei denen alle geförderten Objekte und beteiligten Personen zu erkennen sind?
von Hase, Staatssekretär, Bundespressechef: Die bisherigen Erfahrungen mit einer Umschichtung eines Teils des Tit. 300 in den offenen Bereich des Tit. 314 haben sich durchaus bewährt, und wir sind sicher, daß wir dabei auch in Zuknuft auf das Verständnis des Parlaments, insbesondere des schon erwähnten Unterausschusses, stoßen werden.
Eine Zusatzfrage, des Herrn Abgeordneten Dr. Schmidt ({0}).
Herr Staatssekretär, welche förmliche Zweckverwendung hat der Tit. 300 in dem gegenwärtig gültigen Haushaltsplan?
von Hase, Staatssekretär, Bundespressechef: Die Zweckverwendung muß im Zusammenhang mit der Vorbemerkung zu dem Kap. 04 03 des Haushalts des Bundeskanzleramtes gesehen werden. Darin heißt es - ich zitiere auszugsweise -:
Das Presse- und Informationsamt der Bundesregierung . . . hat . . . die Politik der Bundesregierung gegenüber den Organen des Nachrichtenwesens zu vertreten. Es hat weiterhin die deutsche Bevölkerung über die politischen Ziele und die Arbeit der Bundesregierung zu unterrichten. Im Zusammenwirken mit dem Auswärtigen Amt obliegt ihm schließlich die politische Information des Auslandes unter deutschen Gesichtspunkten.
Die genaue Titelbestimmung des Tit. 300 lautet: „Zur Verfügung des Bundeskanzlers für Förderung des Informationswesens", und die Erläuterung zu dieser Titelbestimmung in einer Fußnote lautet:
Der Ansatz schließt im Rahmen der aktuell politischen Information die public-relations-Arbeit im In- und Ausland sowie die Förderung von Film, Bild, Funk, Fernsehfunk und Publikationen verschiedenster Art ein, soweit dafür nicht bei anderen Titeln besondere Ansätze ausgebracht sind.
Das sind die Bestimmungen, mit denen wir die Praxis in Übereinstimmung zu bringen haben.
Eine zweite Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Schmidt ({0}).
Haben die nach dem Haushaltsgesetz zuständigen Prüfungsorgane bisher festgestellt, daß die Zweckverwendung in Übereinstimmung mit der Zweckbestimmung des Tit. 300 gestanden hat?
von Hase, Staatssekretär, Bundespressechef: Herr Abgeordneter, ich bin nicht befugt, hierüber eine Auskunft zu geben. Das wäre Sache des Präsidenten des Bundesrechnungshofs, der diese Prüfungen vorgenommen hat. Allgemein kann ich sagen: Soweit sich bei Prüfungen - damit meine ich alle Prüfungen, nicht nur die Prüfungen des politischen Bereichs - in der Vergangenheit Beanstandungen ergeben haben, sind diese abgestellt worden. Eine Prüfung für das Jahr 1967 hat noch nicht stattgefunden.
Eine Zusatzfrage, des Abgeordneten Dr. Schulze-Vorberg.
Herr Staatssekretär, hat es Ihres Wissens früher Fälle gegeben, daß Mittel aus diesem Tit. 300 wegen eines einzelnen kritischen Artikels gegen irgendeinen Regierenden gestrichen worden sind?
von Hase, Staatssekretär, Bundespressechef: Selbstverständlich hat es auch in früheren Zeiten Situationen gegeben, wo, wenn die Äußerung eines Publikationsorgans beim besten Willen nicht mit der Titelbestimmung in Übereinstimmung gebracht werden konnte, die Zusammenarbeit eingestellt werden mußte. Insofern ist die Entscheidung von Herrn Ahlers, die die erste Entscheidung im Jahre 1967 ist, bezogen auf die Gesamtgeschichte des Tit. 300 keine erstmalige Entscheidung.
Eine zweite Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Schulze-Vorberg.
Herr Staatssekretär, würden Sie dennoch mit mir darin übereinstimmen, daß sowohl der Anlaß für diese Entscheidung wie die Art der Durchführung als zumindest äußerst unglücklich angesehen werden müssen?
von Hase, Staatssekretär, Bundespressechef: Herr Abgeordneter, ich bitte meine Einstellung dazu aus der Formulierung zu entnehmen; daß ich das Ergebnis der Handlungen von Herrn Ahlers billigte und billige.
Herr Abgeordneter Jung zu einer Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, können Sie konkret solche Fälle nennen, wie Sie soeben in Ihrer Antwort an Herrn Schulze-Vorberg angesprochen haben, also Fälle von Zeitschriften, denen Zuschüsse gestrichen wurden.
von Hase, Staatssekretär, Bundespressechef: Nein, das kann ich nicht, denn eine Nennung dieser Fälle würde gegen die Diskretion verstoßen, die der Gesetzgeber gewünscht hat. Im übrigen sind mir selbstverständlich nur die Fälle aus der Zeit meiner Amtsführung, also seit 1962, bekannt. Es handelt sich um ganz vereinzelte Fälle, die auch anders gelagert sind und Publikationsorgane anderen Charakters betroffen haben.
Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz. Es handelt sich um zwei Fragen des Abgeordneten Felder. Ist er im Saal? - Jawohl. Ich darf also bitten, zunächst seine erste Frage, die Frage Nr. 2, zu beantworten, die lautet:
Gibt der unentschuldbare Vorgang bei der bayerischen Strafanstalt Bernau auch dem Bundesminister der Justiz Veranlassung, baldmöglichst mit seinen Ministerkollegen in den Ländern eine Neuregelung des Verhaltens der Strafvollzugsbeamten bei der Flucht unbewaffneter Gefangener zu erwägen?
Herr Kollege, der Gebrauch von Schußwaffen im Strafvollzug soll nach einem Vorschlag des bayerischen Justizministeriums auf der nächsten Konferenz der Justizminister behandelt werden. Diese nächste Konferenz findet vom 16. bis zum 18. Oktober statt. Ich bin sicher, daß dieses Thema dort erörtert wird.
Ich rufe die zweite Frage des Abgeordneten Felder, also die Frage Nr. 3, auf:
Ist dem Bundesminister der Justiz bekannt, ob die Häftlinge in den Strafanstalten der anderen Bundesländer - entsprechend der fragwürdigen Übung in der bayerischen Anstalt Bernau - . ebenfalls bei Haftantritt einen Revers unterzeichnen müssen, der Ersatzansprüche ihrer Angehörigen ausschließt, wenn sie bei einem Fluchtversuch verletzt oder getötet werden sollten?
Zur Beantwortung Ihrer zweiten Frage, Herr Kollege, bin ich auf Auskünfte der Landesjustizverwaltungen angewiesen. Diese Auskünfte sind erbeten, liegen aber noch nicht vor. Wenn es Ihnen recht ist, werde ich Ihnen nach Eingang dieser Auskünfte Ihre zweite Frage schriftlich beantworten.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Felder.
Herr Minister, würden Sie die Liebenswürdigkeit haben, bei Ihrer Antwort auch Ihre persönliche Meinung darüber beizufügen, ob Sie jenes Verfahren mit dem Revers als rechtlich zulässig erachten?
Ich will das gerne überlegen.
Eine Zusatzfrage der Abgeordneten Frau Dr. Diemer-Nicolaus.
Herr Bundesjustizminister, besteht nicht, nachdem sich gerade auch aus diesen Fragen ergibt, wie ungünstig es ist, daß in den einzelnen Ländern verschiedene Bestimmungen gelten bzw. die Bestimmungen verschieden gehandhabt werden, Veranlassung, endlich eine Bundes-Strafvollzugsakademie einzurichten?
Frau Kollegin, ich möchte nichts daran geändert wissen, daß die Justiz im Schwerpunkt Landessache ist. Wieweit eine Bundesakademie hilfreich sein könnte, um in den Ländern Gleichmäßigkeit beim Schußwaffengebrauch im Strafvollzug zu erzielen, vermag ich im Moment nicht einzusehen. Die Strafvollzugskommission dagegen, von der Sie wissen, daß sie jetzt ihre Arbeit aufnimmt und die ja Vorarbeiten für ein Rahmengesetz des Bundes zum Strafvollzug leisten soll, wird sich sicher auch diesem Thema zuwenden.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Rollmann.
Sind Sie nicht der Meinung, daß es nunmehr, wo sich die unliebsamen Vorfälle im Strafvollzug häufen, angezeigt ist, dieses Haus einmal umfassend über alle diese Vorfälle der letzten Jahre in den einzelnen Bundesländern zu unterrichten?
Wenn Sie durch eine Anfrage, die das Parlament zu behandeln hätte, das auslösende Moment geben, will ich mich dazu gern stellen.
Ich danke Ihnen, Herr Bundesjustizminister.
Wir kommen zu der Frage aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen. Es ist die Frage Nr. 4 des Abgeordneten Rollmann:
Was versteht die Bundesregierung in § 4 Ziff. 21 Buchstabe b des am 1. Januar 1968 in Kraft tretenden Umsatzsteuergesetzes unter einer „ordnungsgemäßen Vorbereitung" auf einen Beruf oder eine vor einer juristischen Persor des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung?
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, bitte!
Leicht, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Nach § 4 Nr. 21 b des Mehrwertsteuergesetzes ist künftig die Steuerbefreiung für Ergänzungsschulen und ähnliche Einrichtungen, insbesondere auch für Fernlehrinstitute, von einer Bescheinigung der zuständigen Landesbehörden abhängig: Die Landesbehörden - nicht die Finanzämter - haben die in der Vorschrift geforderte „ordnungsgemäße Vorbereitung" auf einen Beruf oder eine öffentliche Prüfung festzustellen. Das Erfordernis der „ordnungsgemäßen Vorbereitung" soll unseriöse Institute von der Vergünstigung ausnehmen. Darüber, auf welche Kriterien sich die Prüfung der Landesbehörden erstrek5992
Parlamentarischer Staatssekretär Leicht
ken soll, schweben zur Zeit Verhandlungen zwischen dem Bundesinnenministerium und den Ländern. Es ist daran gedacht, u. a. die stoffliche Vollständigkeit der Leistungen und die Vertragsbedingungen der einzelnen Institute in die Prüfung einzubeziehen. Die Absprache mit den Ländern soll eine einheitliche Handhabung bei der Ausstellung der Bescheinigungen gewährleisten. Es ist vorgesehen, den Finanzbehörden das Ergebnis dieser Absprache in dem Einführungserlaß zu § 4 Nr. 21 des Umsatzsteuergesetzes 1967 mitzuteilen.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Rollmann.
Herr Staatssekretär, wann ist damit zu rechnen, daß diese Verhandlungen zwischen dem Bundesinnenministerium und den Ländern abgeschlossen sein werden?
Leicht, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Wir können nur hoffen, Herr Kollege Rollmann, daß das so schnell wie möglich der Fall ist.
Das ist keine Zeitangabe.
Leicht, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Eine genaue Zeitangabe kann ich Ihnen nicht geben. Ich weiß nur, daß Verhandlungen schweben, daß die Verhandlungen vorangetrieben worden, aber noch nicht abgeschlossen sind. Ich kann heute noch nicht sagen, zu welchem Zeitpunkt diese Verhandlungen abgeschlossen sein werden. Ich kann Ihnen nur zusichern, daß ich Ihnen das mitteilen werde, wenn sich das klar herausstellen sollte.
Eine zweite Zusatzfrage.
Stimmen Sie mit mir darin überein, Herr Staatssekretär, daß es sinnvoll und zweckmäßig sein wird, diese Verhandlungen wenigstens bis zum 1. Januar des kommenden Jahres, wo das neue Gesetz in Kraft tritt, abgeschlossen zu haben?
Leicht, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister ,der Finanzen: Selbstverständlich, Herr Kollege.
Eine Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Freyh.
Herr Staatssekretär, rechnen Sie damit, daß die unter diese gesetzliche Bestimmung fallenden Einrichtungen auch in so verständlicher Form aufgeführt werden, daß man damit arbeiten kann?
Leicht, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Ich hoffe, daß das der
Fall sein wird. Ich gehe davon aus, daß wir in unserem Hause immer verständlich reden.
Eine zweite Frage, Frau Abgeordnete Freyh.
Herr Staatssekretär, ich habe das - und Sie haben das sicherlich auch so verstanden - 'im Hinblick auf die Schwierigkeit des Problems gemeint. Ich möchte deswegen konkret fragen, ob Sie beabsichtigen, nur eine allgemeine Formulierung vorzusehen, die feststellt, welche Einrichtungen gemeint sind, oder ob Sie sozusagen eine Enumerierung vornehmen wollen.
Leicht, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Das wird auf den Ausgang der Verhandlungen zwischen dem Bundesinnenministerium und den Ländern ankommen. Denn wie ich bereits festgestellt habe, ist es in erster Linie Sache der Länder, diese Dinge zu regeln. Wir haben nur das Interesse, daß es nach Möglichkeit in allen Ländern einheitlich gehandhabt wird. Den Finanzämtern - das wiederhole ich - obliegt es nicht, die Entscheidungen der Länder zu überprüfen. Sie wissen, an was ich denke, an die Vorlage der Bescheinigungen, die durch die Landesbehörden ausgestellt werden. Es obliegt nicht den Finanzämtern, das zu überprüfen.
Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich ,des Auswärtigen Amts. Zuerst soll die Frage 18 des Herrn Abgeordneten Schmidt ({0}) aufgerufen werden:
In wie vielen Fällen wurden Bürger der Bundesrepublik Deutschland im Jahre 1967 bei privaten und geschäftlichen Reisen in ost- und südosteuropäischen Staaten verhaftet?
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, ich darf bitten.
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister .des Auswärtigen: Die Antwort lautet: Die genaue Zahl dieser Verhaftungen ist dem Auswärtigen Amt nicht bekannt, da die Regierungen dieser Länder die Bundesregierung in der Regel nicht über Verhaftungen unterrichten. Normalerweise wird das Auswärtige Amt über Verhaftungen in den ost- und südosteuropäischen Ländern von dein Angehörigen, den Botschaften in Bukarest und Moskau oder zurückgekehrten deutschen Touristen unterrichtet. Gelegentlich und zumeist mit erheblicher Verspätung erhalten wir Mitteilungen über Verhaftungen auch voneinigen dieser Länder. Insgesamt ist die Lage also so, daß wir einen vollständigen Überblick über die Zahl der Verhaftungen in diesen Staaten nicht besitzen.
Auch über die Gründe der Verhaftungen liegen dem Auswärtigen Amt nicht immer vollständige und zuverlässige Angaben vor. Im allgemeinen ist das Auswärtige Amt in dieser Beziehung auf Informationen von Rechtsanwälten, Angehörigen der VerParlamentarischer Staatsskretär Jahn
hafteten -und diesen selbst nach 'ihrer Freilassung angewiesen.
Unter diesem Vorbehalt will ich jedoch folgendes mittedlen. Im Jahre 1967 sind der Bundesregierung bis jetzt 75 Verhaftungen von Bewohnern der Bundesrepublik in ost- und südosteuropäischen Staaten bekanntgeworden. Die genannte Zahl verteilt sich auf die einzelnen Staaten wie folgt: Tschechoslowakei 14, hiervon noch 11 in Haft, Ungarn 12, hiervon noch 7 in Haft, Bulgarien 16, hiervon noch 4 dn Haft, Jugoslawien 5, hiervon noch 4 in Haft, UdSSR 1, hiervon noch einer in Haft, Rumänien 18, hiervon noch .1i3 in Haft, Polen 9, hiervon noch 7 in Haft.
Zu einer Zusatzfrage, Abgeordneter Prochazka.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß sich unter den in der Tschechoslowakei festgenommenen deutschen Bundesbürgern Herr Franz Kleiner aus Tübingen befand, der sich zunächst in der Strafanstalt Bory bei Pilsen und später im Gefängnis Pankraz bei Prag befand, vor einigen Monaten nach mysteriösen Umständen verstarb und nur deshalb verurteilt wurde, weil er seine eigene Briefmarkensammlung aus der alten Heimat mit nach Hause nehmen wollte?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Mir sind, Herr Abgeordneter, einzelne Fälle mit ihren einzelnen Umständen jetzt hier nicht gegenwärtig. Ich bin aber gern bereit, wenn Sie in diesem Zusammenhang besondere Einzelheiten wissen wollen, zu klären, wieviel das Auswärtige Amt darüber weiß und sagen kann, und Ihnen das dann mitzuteilen.
Eine zweite Zusatzfrage des Abgeordneten Prochazka.
Ist die Bundesregierung bereit, Aufklärung auch darüber zu verlangen, warum sein Leichnam verbrannt wurde, obwohl Angehörige bereits in Prag waren und vorher tschechische Stellen telegrafisch unterrichtet hatten, ihn überführen zu wollen, wobei auch Auskunft darüber verlangt werden sollte, warum dem Inhaftierten Medikamente, die dankenswerterweise von einem Bundestagskollegen in Prag dem tschechischen Roten Kreuz übergeben wurden, vorenthalten worden sind?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Soweit die Möglichkeiten gegeben sind, diese Fragen zu klären, sind wir natürlich gern dazu bereit, Herr Kollege.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Stingl.
Herr Staatssekretär, sind Sie in dem von dem Kollegen Prochazka genannten Fall auch bereit, zu klären, warum auf dem Totenschein „Herzschlag" steht, während die Gefängnisbehörde den Verwandten als Todesursache „Gehirnschlag" angegeben hat?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Selbstverständlich werden wir versuchen, Herr Kollege Stingl, zu klären, was geklärt werden kann. Nur bitte ich sehr um Verständnis dafür, wenn ich jetzt bei einer solchen Frage den Vorbehalt mache, daß die Aufklärungsmöglichkeiten nicht unbegrenzt sind.
Zweite Zusatzfrage des Abgeordneten Stingl.
Ist es Ihnen unangenehm, wenn ich Sie darauf hinweise, Herr Staatssekretär, daß Sie dabei auch klären sollten, ob es zutrifft, daß den Angehörigen bei Zahlung einer Gebühr versprochen worden war, den Leichnam, nicht die Urne, zu bekommen?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Nein, das ist mir gar nicht unangenehm. Selbstverständlich werden wir die möglichen Klärungen vornehmen, Herr Kollege Stingl. Nur darf ich in dem Zusammenhang eine Bitte äußern. Offenbar verfügen Sie über eine Reihe von Unterlagen. Ich bin nicht sicher, ob auch das Auswärtige Amt diese Unterlagen hat. Es wäre für die Bemühungen des Amtes hilfreich, wenn die Unterlagen, die in Ihrem Besitz sind, zur Verfügung gestellt werden könnten.
Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Becher.
Herr Staatssekretär, sind Sie nicht auch der Meinung, daß deutsche Reisende in die Ostblockländer über die Gefahren, die ihnen drohen, besonders aufgeklärt werden müßten, seitdem sich bestimmte Ostblockregierungen - ich denke da an Prag, wie die Vorgänge an der March an der österreichisch-tschechischen Grenze beweisen - doch ganz offenbar zu Erfüllungsgehilfen des Mord-an-der-Mauer-Befehls des Herrn Ulbricht gemacht haben?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Ich glaube, hier muß man unterscheiden. Die schrecklichen Vorfälle, die sich an der tschechisch-österreichischen Grenze ereignet haben, können nicht in eine einfache Relation zu Verhaftungen gebracht werden, von denen hier die Rede ist. Eine allgemeine Warnung halte ich nicht für gerechtfertigt; sie kann in dieser Form auf Grund des Sachverhalts gar nicht ausgesprochen werden. Ich bitte sehr, Herr Kollege Becher, mir Gelegenheit zu geben, auf die übrigen schriftlich eingebrachten Fragen zu antworten. In dem Zusammenhang werde ich auch auf diesen Punkt noch einmal ausführlicher zurückkommen.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Ertl.
Herr Staatssekretär, wie ist es möglich, daß die Bundesregierung in widersprüchlicher Form einmal erklärt, die Vorfälle seien sehr gravierend, andererseits bagatellisierende Feststellungen trifft und Sie nun sagen, Sie hätten Einzelheiten nicht geprüft?
({0})
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Herr Kollege Ertl, diese Frage ist mir nicht recht verständlich. Die Bundesregierung hat sich in allen ihren Erklärungen zu diesem Thema in den letzten Wochen tunlichst bemüht, keinerlei Dramatisierungseffekte hineinzubringen, und ich habe den Eindruck, daß das von anderer Seite geschehen ist, ohne daß die Bundesregierung die Möglichkeit hatte, auf Erklärungen in diesem Zusammenhang irgendwelchen Einfluß zu nehmen.
Abgeordneter Ertl zu einer Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen vielleicht bekannt, daß der Fraktionsvorsitzende einer Koalitionspartei das absolut bagatellisiert hat, und ich darf noch einmal in dem Zusatz fragen: Wieso können Sie hier erklären, es sei gar nicht so dramatisch, die Bundesregierung würde das in ruhigem Fahrwasser sehen, wenn Sie noch nicht einmal die Einzelheiten geprüft haben? Das habe ich aus Ihren Antworten auf die Zusatzfragen, die Herr Kollege Prochazka und Herr Kollege Stingl gestellt haben, entnommen.
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Zunächst möchte ich feststellen, Herr Kollege Ertl: Ich befinde mich offenlichtlich auch nach Ihrer Frage in völliger Übereinstimmung mit dem Vorsitzenden der Koalitionsfraktion, auf den Sie eben offenbar angespielt haben.
Zum anderen: Ich glaube nicht, daß die Bewertung, die ein Einzelfall auch unter wenig guten Umständen erfahren muß, Rückschlüsse auf die allgemeine Beurteilung der Situation und auf die Frage zuläßt, ob es empfehlenswert ist oder nicht, Reisen in diese Länder vorzunehmen. Es sind zwei Dinge, die man nicht miteinander vergleichen kann und bei denen man auch nicht versuchen sollte, sie miteinander zu vergleichen. Es hilft niemandem, wenn hier, ganz gleich aus welchem Interesse, irgendwelche Wertungen subjektiver Art hineingebracht werden, die die objektive Beurteilung der Situation nicht erleichtern.
Herr Abgeordneter von Wrangel zu einer Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung bereit, bei Verhandlungen mit osteuropäischen Ländern darauf hinzuwirken, daß die Handelsmissionen Vollmachten erhalten, um Bürger der Bundesrepublik Deutschland vor unbilligen Schikanen zu schützen?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Soweit das im Verhandlungs- und Vereinbarungswege möglich ist, selbstverständlich. Im übrigen stellt die Frage des konsularischen Schutzes immer ein wesentliches Thema der Verhandlungen dar, die von der Bundesregierung geführt werden.
Eine zweite Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, können Sie in diesem Zusammenhang sagen, in welchen osteuropäischen Ländern solche konsularischen Befugnisse, wie ich sie eben erwähnt habe, vorhanden sind?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Wir haben sie in den Ländern, mit denen wir volle diplomatische Beziehungen unterhalten sowie in Jugoslawien. In einigen anderen Ländern besteht die Möglichkeit einer gewissen Interessenwahrung.
Zu einer Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Klepsch.
Herr Staatssekretär, darf ich Sie im Anschluß an die Fragen, die die Kollegen Prochazka, Bechert und Ertl gestellt haben, fragen, ob im Auswärtigen Amt nicht die deutsche Publizistik verfolgt wird, in der der hier bezeichnete Fall in allen Einzelheiten dargelegt war, und wie Sie auf diesem Hintergrund erklären können, daß Sie diesen Fall erst prüfen wollen?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Das ist ganz einfach zu erklären. Die Fragestellung, die hier gegeben ist, behandelt ein anderes Thema und nicht die Prüfung eines konkreten Einzelfalles. Ich stehe nicht an zu sagen, daß bei der Vorbereitung dessen, was hier zu beantworten war, weder ich in der Lage gewesen bin, noch es objektiv möglich gewesen ist, jeden Einzelfall an Hand der Unterlagen des Auswärtigen Amtes im Detail zu prüfen. Ich habe dazu auf Grund der schriftlich eingereichten Fragen auch keinen Anlaß gesehen. Ich bin aber gern bereit - das habe ich bereits erklärt und wiederhole es gern -, das nachzuholen, soweit hier Fragen insbesondere von Herrn Kollegen Prochazka aufgeworfen worden sind.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Dr. Lenz.
Herr Staatssekretär, Sie haben eben auf eine Zusatzfrage gesagt, Sie hielten eine allgemeine Warnung vor Reisen in den Ostblock für unberechtigt. Kann ich daraus schließen, daß Sie zumindest Warnungen für gewisse Bevölkerungsgruppen für berechtigt halten?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Herr Kollege Dr. Lenz, würden Sie mir bitte Gelegenheit geben, das im Zusammenhang mit den dazu gestellten schriftlichen Fragen zu beantworten!
Herr Dr. Lenz zu einer zweiten Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, wollen Sie in diesem Zusammenhang auch auf die Frage eingehen, ob die Bundesregierung die Stellungnahme des Sprechers des Ministeriums für gesamtdeutsche Fragen vom 18. August billigt, in der solche allgemeinen Warnungen an gewisse Bevölkerungsgruppen ausgesprochen worden sind?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Ich will versuchen, dann darauf im Zusammenhang noch einmal zurückzukommen.
Es liegt noch eine Reihe von Zusatzfragen vor. Herr Abgeordneter Rollmann!
Herr Staatssekretär, ist es wirklich so, wie sie soeben gesagt haben, daß alle Handelsmissionen im Ostblock auch konsularische Befugnisse haben?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Ich habe nicht gesagt, daß sie alle volle konsularische Befugnisse haben, sondern, daß einigen eine gewisse Interessenwahrung möglich ist.
Ist es nicht so, Herr Staatssekretär, daß das in dem Abkommen über die Errichtung von Handelsmissionen mit der Tschechoslowakei gerade ausgeschlossen ist?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Es ist nicht ausgeschlossen.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Schellenberg.
Herr Staatssekretär, trifft die in der Öffentlichkeit aufgestellte Behauptung zu, daß sich die Verhaftungen deutscher Bundesbürger in den osteuropäischen Ländern in den letzten Wochen gehäuft hätten?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Nein, diese Behauptung trifft nicht zu.
Wir kommen zu der Frage 19 des Abgeordneten Schmidt ({0}) :
Wie viele der in diesen Ländern verhafteten Deutschen hatten den Wohnsitz früher im anderen Teil Deutschlands und wurden den dortigen Behörden ausgeliefert?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Aus den vorhin genannten Gründen kann die Bundesregierung auch die Zahl dieser Personen nicht angeben. Die Bundesregierung wird von den Regierungen der ost-und südosteuropäischen Staaten nicht über Auslieferungen an den anderen Teil Deutschlands unterrichtet. Die Zahl solcher Auslieferungen, die der Bundesregierung bekanntgeworden sind, ist jedoch sehr gering. Aus dem Jahre 1967 kennt die Bundesregierung nur einen Fall dieser Art. Seit 1963 sind der Bundesregierung außerdem drei Fälle von Auslieferungen bekanntgeworden, in denen insgesamt vier Personen ausgeliefert worden sind, und zwar im Jahre 1963 eine, 1964 zwei und 1966 wiederum eine.
({1})
- Das kann ich Ihnen im Moment nicht sagen. Ich bin gern bereit, das zu ergänzen, Herr Kollege Dr. Schmidt.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Schmidt ({0}).
Nur weil ich nicht sicher bin, Herr Jahn, daß ich akustisch richtig verstanden habe: Trifft es zu, daß von 1963 bis 1967 - beide Jahre eingeschlossen - der Bundesregierung bisher nur in insgesamt fünf Fällen eine Auslieferung an die Behörden im anderen Teil Deutschlands bekannt ist?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: So ist es.
Ich komme zur Frage 20 des Abgeordneten Schmidt ({0}) :
In wie vielen Fällen wurden Besucher ost- oder südosteuropäischer Staaten, die nach positivem Recht des Gastlandes einen Straftatbestand erfüllt hatten, ohne Einleitung eines Strafverfahrens entlassen?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Auch in dieser Beziehung kann die Bundesregierung mangels vollständiger Unterrichtung keine präzisen Angaben machen. Aus dem Jahre 1967 sind mir fünf Fälle bekannt, in denen die Regierungen zweier Länder die Verhafteten ohne Durchführung eines Strafverfahrens entlassen haben.
Keine Zusatzfrage. - Dann komme ich zu der Frage 15 des Abgeordneten Dr. Möller:
Vizepräsident Dr. Jaeger
In welchem Verhältnis stehen die Verhaftungen von Bürgern der Bundesrepublik Deutschland in ost- und südosteuropäischen Staaten zu Verhaftungen deutscher Staatsbürger in west- und südeuropäischen Ländern?
({0})
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Es ist international nicht allgemein üblich, daß die Regierung eines Staates, die einen Ausländer verhaften läßt, die Regierung dieses Ausländers über die Tatsache und die Zusammenhänge der Verhaftung unterrichtet. Es hängt vielmehr von den Umständen des Einzelfalles ab, ob eine solche Unterrichtung geschieht, z. B. auf Grund der Bestimmungen eines Konsularabkommens. Weder von den ost- und südosteuropäischen Staaten noch von den west- und südeuropäischen Ländern wird die Bundesregierung regel- mäßig über Verhaftungen von Deutschen informiert. Häufig legen im Ausland festgenommene Deutsche auch Wert darauf, daß die deutschen Behörden gerade keine Kenntnis von ihrer Verhaftung bekommen, um später nicht auch in der Bundesrepublik in Schwierigkeiten zu geraten. Dies gilt z. B. vor allem für Verhaftungen wegen krimineller Delikte und für Personen, die sich einem deutschen Strafverfahren durch Flucht in das Ausland entzogen haben.
Die Bundesregierung hat keine Anhaltspunkte dafür, daß in den ost- und südosteuropäischen Staaten relativ mehr Deutsche verhaftet werden als in den west- und südeuropäischen Ländern. Vom Auswärtigen Amt vorgenommene Stichproben haben folgendes ergeben. In einem westeuropäischen Land waren z. B. am 4. Juni dieses Jahres allein im Bezirk eines einzigen deutschen Generalkonsulats 59 Deutsche in Haft.
({1})
In einem anderen westlichen Land betrug die entsprechende Zahl 39. In einem dritten westlichen Land sind im Laufe des Jahres 1967 - wiederum im Bezirk eines einzigen Generalkonsulats - 66 Deutsche verhaftet worden, davon 30 Minderjährige. Angesichts dieser Zahlen aus westlichen Ländern kann nicht gesagt werden, daß die Zahl der Verhaftungen in den ost- und südosteuropäischen Ländern höher liegt, selbst wenn man unterstellt, daß uns noch einige Verhaftungen unbekannt sind.
Eine Zusatzfrage Herr Abgeordneter Frehsee in Vertretung des Abgeordneten Dr. Möller.
Können Sie sagen, Herr Staatssekretär, in welchem Verhältnis die Gründe für die Verhaftungen von Bürgern der Bundesrepublik Deutschland in ost- und südosteuropäischen Ländern einerseits und west- und südeuropäischen Ländern andererseits stehen?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Die Art der Delikte, auf Grund deren Verhaftungen erfolgen, sind weitgehend gleich. Es sind Devisen- und Zollvergehen, Beteiligung an Verkehrsunfällen, die auch in den ost- und südosteuropäischen Ländern den überwiegenden Teil der Verhaftungsgründe darstellen.
Dann Herr Abgeordneter Dr. Schmidt ({0}).
Herr Staatssekretär, ist es nicht so, daß gerade in den südosteuropäischen Staaten die Devisenbewirtschaftungsbestimmungen viel härter sind als in westlichen Staaten und daß infolgedessen ganz zwangsläufig im Touristenverkehr die Versuchung wahrgenommen wird, gegen devisenwirtschaftliche Bestimmungen zu verstoßen?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Das mag durchaus so sein. Nur läßt sich daraus hinsichtlich der Gründe für Verhaftungen noch nichts ableiten, jedenfalls nach unseren Feststellungen nicht.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Ott.
Herr Staatssekretär, wollen Sie mit Ihrer vorletzten Antwort zum Ausdruck bringen, daß in den südosteuropäischen Staaten Verhaftungen aus politischen Gründen nicht stattfinden und daß die Verhaftungen nur wegen Devisenvergehen und ähnlichen Dingen vorgenommen werden wie in den westlichen Ländern?
({0})
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Ich glaube nicht, daß meine Antwort zu einer solchen Interpretation Anlaß gibt.
({1})
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Becher.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß irgendwo außerhalb des osteuropäischen Bereichs, also konkret in den zitierten westeuropäischen Ländern, Deutsche erschossen wurden wie an der March, nur weil sie eine Grenze überschritten?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Solche Fälle sind mir nicht bekannt.
({0})
Aber, Herr Kollege Becher, ich sehe keinen Sachzusammenhang zwischen Ihrer Frage und dem Thema der Fragen, von denen hier ausgegangen wird.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Lenz.
Herr Staatssekretär, sind Sie der Auffassung, daß die Verhaftungen, die im Westen in allen möglichen Ländern
Dr. Lenz ({0})
aus allen möglichen Gründen vorkommen, und die Verhaftungen, die in osteuropäischen Ländern vorkommen, in jedem einzelnen Fall mit der gleichen Elle gemessen werden können, oder könnte es z. B. sein, daß die Haltung gewisser osteuropäischer Staaten zur deutschen Spaltung einen gewissen Einfluß auf die Verhaftungen in diesen Ländern ausübt?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Die Feststellungen, die das Auswärtige Amt bisher hat treffen können, lassen eine solche generalisierende Schlußfolgerung nicht zu, Herr Kollege Lenz.
Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Lenz.
Wie erklären Sie sich dann, Herr Staatssekretär, die Erklärung des Sprechers des Ministeriums für gesamtdeutsche Fragen vom 18. August, nach der eine ganze Reihe von Bevölkerungsgruppen in der Bundesrepublik, nämlich Flüchtlinge, Angehörige verschiedener Organisationen in der Bundesrepublik, z. B. von Flüchtlings- und Heimatvertriebenenverbänden, außerdem Sprecher ehemaliger Regierungs-, Partei-und Wirtschaftsfunktionäre der Zone, frühere Angehörige der Volksarmee oder Volkspolizei und Personen, deren Flucht in den Westen Aufsehen erregte, gewarnt worden sind, Reisen in den Ostblock anzutreten? Derartige Personen sind doch bei Reisen im Westen nicht gefährdet.
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Das ist völlig richtig, und Herr Kollege Lenz, ich habe auch gar nicht bestreiten wollen, daß es stärker gefährdete Gruppen von Bürgern der Bundesrepublik gibt. Nur: wenn Sie die Frage an den bisherigen Feststellungen messen, muß ich noch einmal sagen, daß im Durchschnitt eine grundsätzlich andere Bewertung der Zahl 'der Verhaftungsgründe nicht gerechtfertigt ist.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Raffert.
Herr Staatssekretär, wie beurteilen Sie die Stellungnahme eines hohen Regierungsvertreters in Sofia, nach der das im anderen Teil Deutschlands „Republikflucht" genannte Delikt und auch das dort „Hilfe zur Republikflucht" genannte Delikt nicht unter das bulgarische Strafrecht fallen und also auch nicht in den Bereich des Auslieferungsabkommens zwischen Bulgarien und Ostberlin?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Das ist eine erfreuliche Feststellung. Ich hoffe, eine solche Bewertung wird dazu beitragen, für diesen Bereich .die Zweifel auszuräumen.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dorn.
Herr Staatssekretär, wenn ich die Ausführungen, die Sie vorhin gemacht haben, richtig verstehe, besteht also kein besonderer Anlaß, bei Ostreisen die Tatarenmeldungen, die aus Regierungskreisen in die Presse gelangt sind, heute noch so voll zu unterstreichen, wie das damals geschehen ist?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Ich kann mir zwei Bewertungen, die Sie, Herr Kollege Dorn, vorgenommen haben, nicht zu eigen machen, nämlich weder die Bewertung „Tatarenmeldungen" noch ,die Bewertung „besonderer Anlaß". Es besteht Anlaß, eine Reihe von Bürgern der Bundesrepublik darauf 'hinzuweisen, daß für sie ein höheres Risiko als für andere Bürger der Bundesrepublik bestehen kann.
Eine zweite Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dorn.
Herr Staatssekretär, wenn wir Ihre Zahlen vorhin richtig gehört haben, sind also die Verhaftungen in westlichen Ländern um ein Vielfaches höher als in den Ostblockländern. Wird die Bundesregierung nun dazu übergehen, auch diejenigen, zu warnen, bei denen Verhaftungen in westlichen Ländern drohen, und die Länder anzuführen?
({0})
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Dazu besteht kein Anlaß, Herr Kollege Dorn.
Nein? Auch nicht nach den Zahlen, die Sie gerade genannt haben?
({0})
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: In diesem Fall liegen, soweit wir das übersehen können, ausschließlich solche Vorwürfe vor, die auch nach unserem Strafrecht zumindest zur Ahndung führen würden, also Vorwürfe, die eine besondere Warnung oder einen besonderen Hinweis nicht begründen können.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Könen ({0}).
Herr Staatssekretär, ist es nicht eigentlich so, daß es weniger entscheidend ist, wie viele Leute in welchem Land verhaftet werden, sondern es vielmehr auf die Feststellung ankommt, in welchem Maße das Recht gegenüber den Verhafteten dann gewahrt wird und also auch die Möglichkeit der Hilfe besteht? Das scheint mir das Entscheidende zu sein.
({0})
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Ich bin Ihnen für diesen Hinweis sehr dankbar. Selbstverständlich
S998
Parlamentarischer Staatssekretär Jahn
kommt es entscheidend darauf an, Herr Kollege Könen, in welchem Maße es möglich ist, Rechtsschutz und Hilfe zu gewähren.
({1})
Aber das ist die nächste Frage; darauf komme ich gleich.
Eine zweite Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Könen.
Herr Staatssekretär, könnte man nicht überhaupt bei dem ganzen Kreuzfeuer von Fragen zusammenfassend aus Lebenserfahrung feststellen: Verhaftungen in Diktaturen sind immer etwas kritischer als in freien Ländern, wobei ich nicht „West und Ost" sage, sondern „Diktatur und Demokratie"?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Ich würde diese Auffassung teilen.
({0})
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Stingl.
Herr Staatssekretär, Sie sagten vorhin, es bestehe Anlaß zur Warnung für bestimmte Gruppen. Stimmen Sie mir zu, wenn ich sage, daß dieser Anlaß, Personengruppen zu warnen, sich auf solche Personen bezieht, die nach Auffassung aller rechtsstaatlich denkenden Bevölkerungskreise unsreres Staates und sonst in der Welt überhaupt keine Vergehen begangen haben?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Ich habe den letzten Teil Ihrer Frage akustisch nicht verstanden.
. ., daß diese Warnung ausgesprochen werden muß gegenüber Personen, die nach allen rechtsstaatlichen Auffassungen überhaupt keine Vergehen begangen haben?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Die Situation ist in der Tat so, daß Warnungen unter Umständen auch auf diesen Sachverhalt Rücksicht nehmen müssen.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Wörner.
Herr Staatssekretär, in Anlehnung an die Frage des Kollegen Raffert möchte ich Sie fragen, ob die Bundesregierung bereit ist, nachzuprüfen, in welchen anderen Ostblockstaaten der Tatbestand der Republikflucht, der im anderen Teil Deutschlands besteht, in die Auslieferungsverträge fällt, d. h. in welchen Ländern der Gefährdungsgrad dieses bestimmten Personenkreises besonders hoch ist?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Selbstverständlich, ich will das gern nachprüfen.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Borm.
Herr Staatssekretär, darf ich aus Ihrer Antwort bezüglich der Zahl der Verhafteten in westlichen Ländern und bezüglich der Verhaftungsgründe schließen, daß Ihnen nicht bekannt ist, daß in diesen Ländern politische Gründe zur Verhaftung geführt haben?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Sie meinen westliche Länder?
Ja!
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Nein, das ist mir aus neuerer Zeit nicht bekannt.
Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Borm.
Darf ich fragen: erfahren die in den westlichen Ländern Verhafteten ex officio den Rechtsschutz seitens des Auswärtigen Amtes?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: In der Regel selbstverständlich, soweit es eine Möglichkeit gibt, sie zu informieren. Dazu ist ja Voraussetzung, daß man erst einmal weiß, daß Inhaftierungen vorgekommen sind. Aber wenn das gegeben ist, selbstverständlich.
({0})
Herr Abgeordneter Genscher:
Herr Staatssekretär, ist der Bundesregierung der Inhalt der Auslieferungsverträge zwischen der DDR einerseits und den osteuropäischen Ländern andererseits bekannt, und ist sie gegebenenfalls bereit, die deutsche Öffentlichkeit und das Hohe Haus über den Inhalt dieser Auslieferungsverträge zu unterrichten?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Ja, soweit dies möglich ist.
({0})
Wann werden Sie das tun, Herr Staatssekretär?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Nun, dazu muß das Haus eine Initiative ergreifen. Ich habe ja nicht die Möglichkeit, von mir aus irgendwann eine Erklärung abzugeben, bzw. die Bundesregierung hat diese Möglichkeit nicht. Sie würde sich ja wohl auch zu überlegen haben, ob sie zu einem derartigen Sachverhalt auf ihre Initiative hin eine Regierungserklärung abgibt. Ich bin jederzeit bereit, eine diesbezügliche Frage zum Anlaß zu nehmen, Herr Kollege Genscher, Ihnen darauf zu antworten. Sie haben die andere Möglichkeit - aber das brauche ich Ihnen nicht zu sagen --, in der Fragestunde das noch einmal zum Gegenstand einer konkreten Frage zu machen.
({0})
Herr Genscher, Sie haben jetzt schon zweimal gefragt, entschuldigen Sie bitte, - Herr Moersch ist jetzt an der Reihe.
({0})
Herr Abgeordneter Moersch!
Herr Staatssekretär, darf ich Sie darauf aufmerksam machen, daß die Bundesregierung nach der Verfassung das Recht hat, jederzeit Erklärungen abzugeben, auch wenn das Parlament sie nicht dazu aufgefordert hat.
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Ich bedanke mich sehr, daß Sie mich darauf aufmerksam machen. Mir war es sogar bewußt, Herr Kollege Moersch. Nur hatte ich mir bereits erlaubt, darauf hinzuweisen: man muß sich doch wohl auch überlegen, ob vom Gegenstand her diese Form der Äußerung sinnvoll, richtig und angemessen ist. Diese Prüfung würde ich mir auf jeden Fall vorbehalten wollen.
Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Moersch.
Herr Staatssekretär, darf ich aus Ihrer Antwort schließen, daß die Beunruhigung, die durch eine widersprüchliche Informationstätigkeit von Organen der Bundesregierung in der Öffentlichkeit entstanden ist, Ihnen offensichtlich kein Anlaß zu sein scheint, daß die Bundesregierung nun von sich aus zu einer wirklichen Klärung beiträgt?
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Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Ich fürchte, Sie ziehen einen falschen Schluß, Herr Kollege Moersch. Denn ich hätte gern auch bei der Beantwortung der restlichen Fragen noch einmal Gelegenheit genommen - insbesondere bei der Beantwortung der Fragen des Kollegen Schellenberg -, abschließend und umfassend genau zu dieser Frage Stellung zu nehmen.
Wir kommen zu Frage 16 des Abgeordneten Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller:
Wie wirksam ist der Rechtsschutz durch die deutschen diplomatischen Vertretungen für inhaftierte Deutsche in west- und südeuropäischen Ländern?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: In den west- und südeuropäischen Ländern können unsere diplomatischen und konsularischen Vertretungen wirksam Rechtsschutz gewähren. Hierzu gehört zunächst die Sicherstellung der Verteidigung und die Beratung der Inhaftierten. Unsere Vertretungen wirken ferner, soweit erforderlich, auch auf Beschleunigung der Strafverfahren hin, um die Untersuchungshaft abzukürzen. Nach der Verurteilung sind unsere Vertretungen auch im Rahmen des Gnadenverfahrens tätig. Auf die Entscheidungen der Gerichte können unsere Vertretungen jedoch nur insoweit Einfluß nehmen, als dies nicht als Eingriff in die Rechtspflege aufgefaßt werden könnte.
Zusatzfrage? - Nein.
Dann komme ich zur Frage 17 des Abgeordneten Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller:
Kann die Bundesregierung Auskunft darüber geben, in wie vielen Fällen in ost- und südosteuropäischen Ländern die Anklage wegen allgemeiner krimineller Delikte und wegen angeblich politischer Delikte erfolgte?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Die Antwort lautet: Nein. Zahlen über diese beiden Arten von Delikten sind der Bundesregierung nicht bekannt. Um Wiederholungen zu vermeiden, verweise ich auf meine Ausführungen darüber, daß wir nicht in jeder Beziehung vollständig und umfassend unterrichtet sind. Wir erhalten in der Regel weder die Anklageschriften noch die Urteile. Die Angaben der Betroffenen sind aus naheliegenden Gründen häufig nicht zuverlässig und können deshalb nicht als Grundlage für eine statistische Erfassung verwendet werden.
Dann komme ich zur Frage 12 des Abgeordneten Dr. Schellenberg:
Wie viele Staatsangehörige europäischer Staaten mit diplomatischen Beziehungen zu ost- und südosteuropäischen Ländern wurden in diesen Ländern 1967 bei privaten und geschäftlichen Reisen verhaftet?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Der Bundesregierung ist diese Zahl nicht bekannt, weil es international nicht üblich ist, daß sich die Staaten gegenseitig über Verhaftungen ihrer Staatsangehörigen im Ausland unterrichten.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Schellenberg.
Herr Staatssekretär, gibt es Gründe für eine Vermutung, daß die Zahl der verhafteten Bundesbürger relativ höher ist, als die von Staatsangehörigen anderer europäischer Staaten?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Vermutungen möchte ich hier nicht anstellen, Herr Kollege Schellenberg. Anlaß zu einer solchen Annahme hat die Bundesregierung nicht. Tatsachen in dieser Richtung sind mir jedenfalls nicht bekannt.
Wir kommen zur Frage 13 des Abgeordeten Dr. Schellenberg:
Wie hoch beliefen sich die Verhaftungen Deutscher und Staatsbürger anderer Nationalität in süd- und südosteuropäischen Staaten in den zurückliegenden Jahren?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Auch diese Zahl ist der Bundesregierung aus den zuvor genannten Gründen nicht bekannt.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Schellenberg.
Ist die Zahl der Verhaftungen von Bundesbürgern in der Relation zu der Zahl der Besucher im Laufe der Jahre gestiegen, gesunken oder etwa gleichgeblieben?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Auf Grund des vorhandenen Materials kann diese Frage von mir jetzt nicht beantwortet werden.
Wir kommen zur Frage 14 des Abgeordneten Dr. Schellenberg:
Sieht die Bundesregierung eine Veranlassung, deutschen Staatsbürgern von Reisen in ost- und südosteuropäische Länder abzuraten?
Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Die Bundesregierung sieht keine Veranlassung, deutschen Staatsbürgern von Reisen in ost- und südosteuropäische Länder .abzuraten. Im vergangenen Jahr hat über eine Million Bewohner der Bundesrepublik die osteuropäischen Länder bereist. Die Bundesregierung begrüßt diesen Reiseverkehr, weil Auslandsreisen ein Mittel der Verständigung zwischen den Völkern darstellen. Der Reiseverkehr nach Osteuropa läuft nach den bisherigen Erfahrungen imallgemeinen reibungslos .ab, vorausgesetzt, daß die Reisenden die im Gastland geltenden Vorschriften respektieren. In den Fällen, wo dies nicht geschieht, haben die Betreffenden, wie in allen anderen Ländern, mit dem Eingreifen ,der Behörden und gegebenenfalls mit Strafverfolgung zu rechnen. Die Anzahl der Reisenden, die in osteuropäischen Ländern wegen Verstoßes gegen die dort geltenden Rechtsvorschriften in Schwierigkeiten geraten, ist angesichts der Größe des Reiseverkehrs relativ gering. Das Verhältnis ist jedenfalls nicht höher als in westlichen Ländern. Den Strafverfolgungen liegen in den osteuropäischen Ländern überwiegend strafbare Handlungen wie z. B. Devisenvergehen, Verstöße gegen Zollvorschriften, Verkehrsdelikte, Diebstahl, unerlaubtes Betreten von Sperrgebieten und ähnliches zugrunde.
Eine Besonderheit stellen die Fälle der sogenannten Fluchthilfe dar, bei denen in der Regel mit gefälschten Pässen gearbeitet undgegen die unter diesem Gesichtspunkt vorgegangen wird. Die Bundesregierung bedauert aus menschlichen Gründen, daß diese Fälle überhaupt verfolgt werden. Eine Reise nach Osteuropa kann jedoch für Personen, nach denen .die Behörden des ,anderen Teils Deutschlands fahnden, ein Risiko bedeuten. Zwischen dem anderen Teil Deutschlands 'und den meisten osteuropäischen Ländern bestehen Rechtshilfeabkommen, in denen auch Bestimmungen über Auslieferung enthalten sind. Auslieferungen können aber auch dort erfolgen, wo besondere Abmachungen darüber nicht bestehen. Selbstverständlich ist die Bundesregierung stets bemüht, allen deutschen Staatsangehörigen, die im Ausland in Schwierigkeiten geraten, beizustehen, jedoch sind die Möglichkeiten einer wirksamen Hilfe in Ländern, in denen wir keine diplomatischen oderkonsularischen Vertretungen haben, beschränkt.
Wir stehen am Ende der Fragestunde. Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.
Wir fahren fort mit der Beratung des Punktes 3 der Tagesordnung. Das Wort hat der Abgeordnete Hermsdorf.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auf den wesentlichen Inhalt der Vorlagen, die wir heute hier zu behandeln haben, sind der Bundeswirtschaftsminister und der Bundesfinanzminister bereits ausführlich eingegangen. Meine Aufgabe besteht darin, die politischen Aspekte der Regierungsvorlage auszuleuchten.
Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion hat in diesem Hohen Hause das erstemal im Jahre 1956 - ich wiederhole, das erstemal im Jahre 1956! - eine volkswirtschaftliche Gesamtrechnung verlangt. Die Forderung nach der mittelfristigen Finanzplanung wurde von meinem Fraktionskollegen Dr. Alex Möller vor diesem Hause im Jahre 1963 als unbedingte Notwendigkeit einer mittelfristigen Finanzplanung erhoben. Was die Bundesregierung uns heute vorlegt, ist die Erfüllung sozialdemokratischer Forderungen aus vergangenen Jahren.
Der Kollege Dr. Möller war es auch, der im Herbst 1966 als Sprecher der Opposition bei der Vorlage des Haushalts durch die Minderheitsregierung Erhard als erster den Gedanken eines Investitionshaushalts zur Debatte stellte, um die damals sichtbar gewordene rückläufige Konjunktur aufzufangen. Es wird niemand bestreiten, daß jetzt nach der Verabschiedung des Stabiliätsgesetzes, nach der Vorlage des zweiten Konjunkturhaushalts endlich in der Bundesrepublik eine gestaltende Wirtschaftspolitik betrieben wird.
Die Basis aller anstehenden Vorlagen, die wir heute hier zu behandeln haben, ist die mittelfristige Finanzplanung mit dem gleichzeitig vorgelegten Zweiten Konjunktur- und Strukturprogramm. Die langfristige Sanierung der öffentlichen Finanzen und die Wiedererlangung eines ausreichenden WirtHermsdorf
schaftswachstums stehen in unlösbarer gegenseitiger Abhängigkeit. Von der Erkenntnis dieser Abhängigkeit wurde das Verhalten der Koalitionsfraktionen zu den von der Bundesregierung vorgeschlagenen Maßnahmen bestimmt. Wir Sozialdemokraten sind uns über die Konsequenzen einer mittelfristigen Planung im klaren. Sie zerreißt manchen illusionären Schleier und sie zwingt alle verantwortlich Handelnden zur Disziplin und zu klaren Alternativen. Wir haben dies stets gefordert und begrüßen daher diesen Beitrag zur Versachlichung der Politik ausdrücklich. Mit ihr wird erstmals vom Bund der Versuch unternommen, die haushalts- und finanzwirtschaftlichen Geschehnisse von den Zufälligkeiten der bisherigen Einjahreshaushaltsplanung zu lösen und in einem mehrjährigen Rahmen zusammenzufassen. Damit wird nicht nur für die Exekutive und Legislative, sondern auch für die gesamte Öffentlichkeit die künftige Entwicklung und politische Entscheidung auf finanzwirtschaftlichen Gebieten besser überschaubar.
Die Sozialdemokratische Partei hat deshalb bereits während der Koalitionsverhandlungen diese Forderung in ihr Acht-Punkte-Programm aufgenommen und darüber hinaus verlangt, daß nicht nur der Bund, sondern daß Bund, Länder und Gemeinden eine mittelfristige Finanzplanung gemeinsam erstellen und durch einen Katalog der Prioritäten der eigentlichen Finanz- und Haushaltspolitik für die nächsten Haushaltsjahre ergänzen. Diese Forderung der SPD fand ihren Niederschlag bereits in der ersten Regierungserklärung vom 13. Dezember 1966. In dem von der großen Koalition verabschiedeten Stabilitätsgesetz werden neben dem Bund auch alle Länder zur Erstellung von Finanzplänen verpflichtet.
Darüber hinaus wird es aber notwendig werden, zur Gesamtabstimmung der Finanzpolitik den von der Bundesregierung aufgegriffenen Gedanken der Einsetzung eines Finanzrates ernsthaft zu erwägen. Ich freue mich feststellen zu können, daß der Herr Bundeskanzler heute morgen diesen Gedanken bei seiner Regierungserklärung erneut zur Debatte gestellt hat.
Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion anerkennt die Leistungen der Regierung Kiesinger/ 3randt, die es ermöglicht hat, in der kurzen Zeit ihrer Amtstätigkeit den Vorschriften des Stabilitäts- und Wachstumsgesetzes vom 8. Juni 1967 mit der Vorlage einer mittelfristigen Finanzplanung für die Jahre 1967 bis 1971, verbunden mit dem zweiten Konjunkturprogramm, bereits in vollem Umfang nachzukommen. Aufgabe des Parlaments wird es sein, die in der mittelfristigen Finanzplanung quantitativ sich ausdrückenden qualitativen Zielvorstellungen der Bundesregierung in Gesetzesbeschlüsse umzusetzen, und zwar in Gestalt der parlamentarischen Beratung und Zustimmung zu den einzelnen Jahreshaushaltsplänen. Hier möchte ich einflechten, daß wir, ebenso wie es Herr Pohle von der Regierung gefordert hat, erwarten, daß die Bundesregierung alsbald den Etat für 1968 vorlegt, damit er in regulärer Parlamentsarbeit bearbeitet werden kann.
Die sozialdemokratische Fraktion hat bereits in einer Sondersitzung Anfang Juli dieses Jahres ihre grundsätzliche Zustimmung zur mittelfristigen Finanzplanung zum Ausdruck gebracht. Sie hat damals die Plafonds der einzelnen Sachgebiete anerkannt, ohne sich auf Einzelheiten festzulegen. Sie hat sich auf sozialpolitischem Gebiet Alternativvorschläge im Rahmen der Plafonds ausdrücklich vorbehalten. Es kann sich jeder denken, daß gerade wir als sozialdemokratische Bundestagsfraktion nur sehr schweren Herzens den Rotstift im Sozialhaushalt ansetzen wollen.
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Aber die gegenwärtige Situation erlaubt uns nicht, wirtschaftlichen Aufschwung und finanzielle Ordnung zu erzielen, ohne auch Eingriffe in die Sozialfinanzen vorzunehmen.
Das heißt aber nicht, daß wir allen Einzelheiten der Vorschläge der Bundesregierung zum Sozialhaushalt zustimmen können, zumal da die Einzelheiten noch gar nicht in der Form von Gesetzentwürfen vorliegen. Sobald Gesetzentwürfe vorliegen, werden wir versuchen, in Abstimmung mit unserem Koalitionspartner Alternativvorschläge vorzulegen. Denn wir machen kein Hehl daraus, daß wir gegen die Einführung eines Beitrages zur Krankenversicherung der Rentner erhebliche Bedenken haben und auch in Zukunft haben werden.
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Auch die Vorschläge der Bundesregierung zur Knappschaftsversicherung bedürfen unseres Erachtens unbedingt einer Verbesserung.
Trotz dieser Kritik stellen wir mit Befriedigung fest, daß die Bundesregierung dem Hohen Haus nicht vorschlägt, von dem System der bruttolohnbezogenen Rente abzugehen. Die Bundesregierung hat dem Drängen einflußreicher Kreise nicht nachgegeben, sondern ist dem Rat der SPD gefolgt, an der Rentenzusage des Jahres 1957 festzuhalten.
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Wir begrüßen das ausdrücklich.
Daß an der bruttolohnbezogenen Rente festgehalten wird, daß kein Eingriff in die Kriegsopfer-' rente erfolgt, daß die Besteuerung der Renten vermieden wird und daß die Versicherungspflicht in der Rentenversicherung auf alle Angestellten ausgedehnt wird, dies alles erleichtert uns Sozialdemokraten die Zustimmung zur gesamten und insbesondere zur mittelfristigen Finanzplanung im Punkte der Sozialpolitik.
Hier ist nun insbesondere von der FDP im Zusammenhang mit diesem sozialpolitischen Sektor - oder Plafond, wie Sie wollen - die Frage einzelner Interessengruppen aufgeworfen. Ich will hier nicht auf das abheben, was Herr Mischnick gesagt hat und darauf, welche Interessengruppe er, als er diesen Standpunkt vertrat, gemeint hat. Eines möchte ich aber im Namen meiner Fraktion ganz deutlich machen. Wir als Sozialdemokraten wissen, daß die Finanzplanung für bestimmte Personenkreise Härten mit sich bringt. Aus Gründen sozialer Gerechtigkeit bleiben wir bestrebt, im Zuge der jeweiligen Haushaltsberatungen sozialpolitische Regelungen zu ermöglichen, die diese Härten beseitigen.
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Gestatten Sie eine Frage?
Bitte sehr!
Herr Kollege Hermsdorf, würden Sie bitte hier einmal näher ausführen, zum Sprecher welcher Interessengruppe sich die FDP im Bereich der Sozialpolitik gemacht hat?
Verzeihung, Herr Genscher, Sie haben doch wohl selbst sehr deutlich herausgehört, daß mit diesem Zungenschlag des Kollegen Mischnick die Heimkehrer gemeint waren. So habe ich ihn wenigstens verstanden. Er war also nicht, wie Sie mir das unterstellen wollen, bösartig gemeint. Ich habe nur gesehen, für wen Sie sich als Sprecher engagieren.
Bösartigkeiten werden in diesem Hause nie unterstellt.
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Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage des Herrn Kollegen Genscher?
Bitte!
Herr Kollege Hermsdorf, würden Sie mit mir darin übereinstimmen, daß es besser ist, wenn wir uns von dem Bereich der Vermutungen in das sichere Gelände der Tatsachen zurückbegeben?
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Nichts täte ich lieber als das; aber wir kommen doch nicht an dem vorbei, was von dem Herrn Kollegen Mischnick gerade auf diesem Gebiet gesagt worden ist. Jeder, der hören konnte, wußte, wer hier gemeint war, und Sie können von uns nicht erwarten, daß wir das einfach im Raume stehen lassen.
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Lassen Sie mich jetzt zu dem Bereich der Verteidigungspolitik kommen, insbesondere deshalb, weil ja bei dieser mittelfristigen Finanzplanung und bei der Frage der Streichungen von den verschiedensten Sichten aus vor allem der Sozialhaushalt und der Verteidigungshaushalt angesprochen worden sind, einfach deswegen, weil es insgesamt die beiden größten Blöcke sind.
Für den Bereich der Verteidigungspolitik wurde im Laufe des Monats Juli besonders deutlich, wie notwendig die Verzahnung der Finanzplanung des Bundes bis 1971 mit einer detaillierten Einzelplanung des Verteidigungsministeriums sein wird. Diese Notwendigkeit wird dadurch nicht aufgehoben, daß nunmehr in einer bereinigten Übersicht, wie sie die Bundesregierung herausgegeben hat, Klarheit über die tatsächlichen Verfügungssummen in den Rechnungsjahren 1966 bis 1971 besteht. Es wird darauf ankommen, die militärischen und strategischen Notwendigkeiten mit den mittelfristigen finanziellen Projektionen und den langfristigen Aus-und Umrüstungsaufgaben der Verteidigungsplanung zu harmonisieren. Die mittelfristige Finanzplanung wird für den Einzelplan 14 ein Torso bleiben, wenn nicht im einzelnen dem Parlament dargelegt wird, welche Aufbaupläne hier für die Bundeswehr zugrunde liegen und welche Vorlauf- und Folgekosten insbesondere bei den großen und teuren Waffensystemen für einen Zeitraum, der bis in die 80er Jahre reicht, zu erwarten sind.
Ein dringendes Erfordernis scheint mir daher zu sein, daß wir uns entsprechende Erfahrungen unserer Bündnispartner zu eigen machen. Der Verteidigungsminister hat bereits angekündigt, daß er dem Hause in Zukunft ein jährliches Verteidigungsweißbuch vorlegen wird. Es sollte ebenso wie sein englisches Vorbild die strategische Konzeption darlegen, sie in Zusammenhang mit der Außenpolitik bewerten und die Grundzüge der zukünftigen Ausrüstungspolitik klarmachen. Wir haben Verständnis dafür, wenn die Vorlage eines solchen Weißbuches in diesem Jahr noch nicht gleichzeitig mit der Vorlage des Haushaltsplans erfolgt. Das sollte aber das Ziel des nächsten Winters sein.
Ich darf mir hier bei der Erörterung des Verteidigungshaushalts erlauben, auf diesem Wege im Namen meiner Fraktion dem Herrn Verteidigungsminister die besten Wünsche für seine Wiederherstellung zu übermitteln. Ich bin sicher, daß das Haus mit mir darin übereinstimmt.
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Als Vorbild für diese Planung könnte das jährliche Statement des amerikanischen Verteidigungsministers vor den zuständigen Ausschüssen des amerikanischen Senats über die nächste Vierjahresperiode und das laufende Budgetjahr genommen werden. Damit wäre ein umfassender Überblick über den Stand der Ausrüstung, die laufenden Kosten und die gegenwärtigen und zukünftigen Entwicklungsprogramme gegeben. In schriftlicher Form wäre dieser Bericht allen Zuständigen ein zuverlässiges Hilfsmittel zur Durchsichtigmachung des Einzelplans 14 und würde insbesondere von uns im Haushaltsausschuß begrüßt werden.
Im übrigen leistet der Verteidigungsetat mit seiner Beschränkung auf die Verfügungssummen der mittelfristigen Finanzplanung einen echten Beitrag zur finanziellen Stabilisierung. Der finanzielle Ausgleich in den Gesamthaushalten konnte nur erreicht werden, indem die vorliegenden Planungen der Bundeswehr erhebliche Abstriche erfuhren. Ein verändertes Bundeswehrkonzept sollte dafür sorgen, daß sich die Folgen nicht in einer Minderung der Kampfkraft, sondern in einer verstärkten Rationalisierung niederschlagen.
Ich möchte meine Bemerkungen hinsichtlich der Streichungen im Etat auf diese beiden Haushalte beschränken und nunmehr zur Einnahmenseite kommen.
Bei der Gestaltung der Einnahmenseite waren sowohl das Kabinett als auch der Bundestag nicht frei. Wir standen alle unter einem Zielkonflikt zwischen
konjunkturpolitischen Erfordernissen auf der einen und der notwendigen langfristigen Sanierung der Bundesfinanzen auf der anderen Seite. Es muß darüber hinaus festgestellt werden, daß die Bundesbank zum deficit spending nur bereit war, wenn gleichzeitig die Bereinigung der finanzpolitischen Misere nach fiskalischen Gesichtspunkten vorgenommen wurde. Diese fiskalischen Maßnahmen beinhalten automatisch Steuererhöhungen. Ich kann mir nicht vorstellen, daß in diesem Hause über Steuererhöhungen in dieser Situation irgend jemand, gleich auf welcher Seite, glücklich ist. Niemand kann aber den Tatbestand bestreiten, daß wir hier nicht nur die Auflagen durch die Bundesbank hatten, sondern diese Misere durch die absolute Tatenlosigkeit der vorausgegangenen Regierung heraufbeschworen worden ist und wir in dieser Situation dann nicht nur konjunkturelle Gesichtspunkte, sondern auch haushaltsmäßige, die uns durch das Grundgesetz vorgeschrieben sind, beachten mußten.
Meine Damen und Herren, damit Sie sehen, daß es sich hier nicht nur um eine rein sozialdemokratische Meinungsäußerung oder nur um meine persönliche Auffassung handelt, möchte ich mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten den Bundeskanzler, Herrn Kiesinger, zitieren. Er hat in der Regierungserklärung wörtlich gesagt:
Als diese Regierung - Kiesinger-Brandt gebildet wurde, fand sie eine besorgniserregende innen- und außenpolitische Situation. vor: innenpolitisch die zunehmende Konjunkturabschwächung, drohende Kurzarbeit und Arbeitslosigkeit, dann eine völlig verfahrene haushalts- und finanzpolitische Situation.
Meine Damen und Herren, wenn Sie das sehen und wenn Sie sich dann noch in Erinnerung rufen, daß die Minderheitsregierung Erhard hier durch Herrn Schmücker mit dem Haushalt 1967 zum erstenmal die Zahlen hinsichtlich der finanziellen Auswirkungen vorlegte, die bis dahin in dieser Größenordnung noch nicht bekannt waren, und wenn Sie diese Zahlen genau analysieren, dann kommen Sie doch zu dem Ergebnis, daß jene Erklärung fast einem Offenbarungseid der früheren Regierung nahekommt.
Wenn nun von Seiten der FDP kritisiert wird, was wir heute alles nicht tun, dann anuß ich Ihnen, meine Damen und Herren von der FDP, sagen, daß Sie in all den Jahren vorher - wenigstens in den letzten Legislaturperioden - den Finanzminister gestellt haben und daß dieser Finanzminister zumindest die Zahlen gekannt haben muß. Das, was Sie heute morgen hinsichtlich des Ministerialdirektors gesagt haben, ist für mich überhaupt nicht stichhaltig. Denn wenn Ihr Finanzminister die Zahlen gekannt hätte, hätte er daraus die Konsequenz ziehen müssen, um uns und das deutsche Volk vor Schrecklicherem zu bewahren. Daß er das nicht 'getan hat, beweist, 'daß er .die Zahlen entweder nicht gekannt hat - und wenn das zuträfe, müßte ich ihm eine gewisse Unfähigkeit in dieser Frage nachsagen - - Bitte, Herr Kollege Mertes!
Herr Kollege Hermsdorf, würden Sie mir unter der Voraussetzung, daß Ihre Vermutungen und Feststellungen zuträfen, die Frage erlauben, wie 'es dann kommt, daß Sie, obwohl Sie vorher immer von einem kompletten Schattenkabinett gesprochen haben, so unvorbereitet an diese Dinge herangehen müssen.
Verzeihung! Erstens habe ich nicht von einem Schattenkabinett gesprochen, sondern von einem Minderheitskabinett. Zweitens habe ich mich darauf bezogen, daß Sie heute - und nicht nur heute, sondern auch bei vorangegangenen Auseinandersetzungen - gesagt haben, daß Sie die Dinge ohne Steuererhöhungen meistern wollten. Ja, Sie haben daran nach außen hin - ich sage bewußt: nach außen hin - sogar die Koalitionsregierung CDU-FDP 'scheitern lassen, indem Sie gesagt haben, Sie wollten keine Steuererhöhungen. Auch als Sie die Zahlen auf den Tisch ,des Hauses bekamen, aus denen hervorging, daß eine Deckungslücke von 50 Milliarden DM bis 1970 zu erwarten sei, haben Sie nochgesagt: Keine Steuererhöhungen! Nur müssen Sie mir dann sagen, wie Sie die Lücke füllen wollen, und müssen mir welter sagen, ob der Abbau von Steuervergünstigungen, den Sie in dieser Zeit vorgeschlagen haben, nicht ebenso, sich möchte sagen: konjunkturfraglich, kontraktiv gewesen wäre wie Steuererhöhungen.
Gestatten Sie eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Mertes?
Zunächst: Würden Sie bitte zur Kenntnis nehmen, Herr Kollege, daß ich mit „Sie" nicht Sie als ,den Kollegen Hermsdorf gemeint habe, sondern Ihre Partei und Ihre Fraktion. Und dann: Kam dieses Defizit so überraschend für Sie, wenn Sie vorher den Finanzbericht 1966 gelesen haben?
Ich möchte darauf aufmerksam machen - auch das ist hier schon wiederholt worden; nur soll man nicht alles wiederholen -, daß das nicht überraschend kam, sondern daß im Gegenteil im Jahre 1965 die sozialdemokratische Fraktion hier für 2 Milliarden DM Anträge zurückgezogen hat, die sie als Opposition gestellt hatte, und daß wir mitten im Wahlkampf sogar gesagt haben: Wir kommen in eine Finanzkatastrophe! Darauf erhielten wir von Herrn Erhard die Antwort: Wenn ,die Sozialdemokraten von einer Finanzkatastrophe reden, nehmen Sie das nicht ernst, nehmen Sie das heiter! Das ist der Tatbestand.
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Nur muß ich Ihnen sagen: Das Ausmaß der wirklichen Finanzmisere konnten wir genau erst sehen, nachdem auf unser Drängen die Zahlen auf den Tisch des Hauses kamen.
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Das will ich mit Deutlichkeit gesagt haben.
Gestatten Sie eine Frage des Herrn Abgeordneten Ott?
Herr Kollege Hermsdorf, sind Sie aus Gründen der Fairneß bereit, bei Ihrer Kritik an der Regierung Erhard zuzugeben, daß Sie bereits Jahre vorher kräftig bei den Ausgabeanträgen mitgemischt haben und daß Sie sich erst kurz vor den Septemberwahlen besonnen haben, daß das nicht gut gehen kann? Aus Gründen der Fairneß!
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Ich sage Ihnen ganz offen: Das ist hier in diesem Hause noch nicht bestritten worden
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- Augenblick mal, ich bin noch nicht fertig;
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so einfach geht das natürlich nicht -, daß dieses Haus als solches, daß wir alle bis zu einem gewissen Grade mit gesündigt haben. Nur, verantwortlich für die Staatsfinanzen war und bleibt die Regierung, und sie war es, die als einzige die Möglichkeit hatte, von Art. 113 Gebrauch zu machen. Das konnten wir nicht.
Aber, meine Damen und Herren, lassen Sie mich jetzt einmal fortfahren. Ich möchte nicht nur diese Vergangenheit heraufbeschwören. Ich möchte jetzt wieder auf das zurückkommen, weshalb wir hier sind, die mittelfristige Finanzplanung und ihren Rahmen hinsichtlich der Ausgabenseite und der Einnahmenseite. Ich möchte auch hier noch ganz deutlich folgendes feststellen. Es ist von Herrn Mischnick gesagt worden, daß diese Regierung mit ihren Maßnahmen finanzpolitischer Art nur einen faulen Kompromiß gemacht habe, daß man nur Ausgaben gekürzt, ja, nicht einmal gekürzt, sondern abgezwackt habe, wie er sich wörtlich ausdrückte, die erst in späteren Jahren als höhere Ausgaben erfolgen würden. Er meinte, das ganze sei ohne jede Konzeption.
Es tut mir außerordentlich leid, auch hier wieder einen Blick auf die frühere Regierung werfen zu müssen. Nicht umsonst haben wir ja eine neue Regierung. Ich erinnere daran, daß die damalige Regierung Erhard-Mende ein Streichquartett einsetzte, daß man in diesem Streichquartett - ich weiß nicht, wie lange, drei Monate vielleicht - zu streichen versuchte und daß man dann in einer Mammutsitzung des Kabinetts zu dem Resultat kam, man wolle eine Milliarde streichen. Heraus kamen dann am Schluß 100 Millionen DM.
Wenn Sie weiter einmal die ganze Entwicklung der Haushalte, nicht nur die der Regierung Erhard, sondern generell rein sachlich sehen, müssen Sie zugeben, daß es uns in den vorausgegangenen Jahren kaum möglich war, große Umschichtungen nach Schwerpunkten vorzunehmen, wer auch immer den Versuch machte, weil 90 % des Haushaltsvolumens gesetzlich gebunden waren und es ganz furchtbar schwer war, die 10 % in irgendeiner Weise zu versetzen. Wenn Sie aber jetzt einmal die Arbeit dieser Regierung ansehen - da bin ich erstaunt, daß das die FDP überhaupt nicht zur Kenntnis nimmt -, müssen Sie feststellen, daß die neue Regierung 15 Milliarden DM, - ohne die Investitionshaushalte - neu bewegt hat. Ich muß schon sagen: in dieser Zeit 15 Milliarden DM - ohne Investitionshaushalte - neu zu bewegen, ist eine Leistung, die von dem ganzen Haus anerkannt werden müßte. Wir haben bereits in den ersten hundert Tagen eine Umschichtung im Haushalt von über 8 Milliarden DM gehabt, und zwar sowohl durch Kürzungen als auch durch Steuererhöhungen. Wir haben dieses Mal dasselbe. Wenn Sie wollen, bin ich bereit, in der weiteren Diskussion der FDP zu sagen, wo im Jahre 1967 die Steuerkürzungen und wo die Steuererhöhungen vorliegen. Sie kommen an der Zahl von 15 Milliarden DM - ohne Investitionshaushalte und sogar ohne Bindungsermächtigungen - nicht vorbei.
Es läßt sich nicht leugnen, daß hier wirklich der Versuch gemacht worden ist, diese Misere in einer Weise und in einem Ausmaß in den Griff zu bekommen, wie es keiner vorausgesehen hat. Ich stelle deshalb für meine Fraktion fest, daß wir allen Anlaß haben, gerade für die Bereinigung des Haushalts dieser Regierung unsere volle Anerkennung auszusprechen. Diese Anerkennung sprechen wir nicht nur für die Bereinigung des Haushaltes aus, wo wir der Regierung unsere Unterstützung geben, sondern auch für die Bereinigung der wirtschaftlichen Stagnation, in der wir uns befunden haben. Es wird niemand bestreiten, daß diese Regierung den Versuch gemacht hat, durch die Haushaltspolitik im allgemeinen, durch die Investistionshaushalte im besonderen und durch eine Reihe anderer Maßnahmen - sei es konzertierte Aktion, sei es Abstimmung mit der Bundesbank und ähnliches mehr - die Dinge in den Griff zu bekommen. Diese Voraussetzungen und Tatsachen veranlassen uns, dem vorliegenden Programm zuzustimmen.
Ich möchte noch ein Wort zur Mehrwertsteuer sagen. Kein Mitglied der sozialdemokratischen Fraktion hat die Erhöhung der Mehrwertsteuer mit Begeisterung begrüßt. Der Kollege Pohle hat sehr deutlich ausgeführt, daß es auch in der CDU-Fraktion bezüglich der Mehrwertsteuer Schwierigkeiten und Auffassungsunterschiede gegeben hat. Ich darf hier auf folgendes zurückkommen, Herr Kollege Pohle. Als wir das erste Mal über die Frage der Entlastung des Altbesitzes sprachen, war von der Bundesregierung vorgeschlagen worden, den Satz von 10,5 % zu nehmen. Wir waren uns alle einig, daß dieser krumme Satz schlechter als der volle Satz von 1 % war. Wir müssen zugeben, daß durch die Umstellung
- 10 % bis 30. Juni und ab 1. Juli 11 % - diese Bedenken ausgeräumt worden sind. So ist uns die Entscheidung wenigstens in dieser Richtung etwas leichter gefallen. Die Wirtschaft kann nun besser disponieren, als es yorher der Fall war.
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- Hinsichtlich des krummen Betrages.
Ein zweiter Punkt. Hinsichtlich der Ergänzungsabgabe verhehle ich nicht, daß es alte sozialdemokratische Auffassung ist, daß höhere Einkommen und stärkere Schultern auch stärker belastet werden sollten. Wir halten deshalb die Ergänzungsabgabe
für einen absolut notwendigen Schritt, diesen Schichten der Bevölkerung klarzumachen, daß wir in dieser Zeit auch von ihnen ein größeres Opfer verlangen müssen.
Dann zur Frage der Vergünstigung für Kreditanstalten. Wir sind mit Ihnen einig, daß wir im Ausschuß noch einmal überlegen müssen, ob der vorgesehene Satz im Augenblick der richtige ist, ob man sich den Bedenken des Bundesrates anschließen oder ob man zu anderen Lösungen kommen soll. Im Prinzip sind wir aber für die Beseitigung dieses Privilegs.
Hinsichtlich des Bundesbankgesetzes sind wir der Auffassung, daß es in dieser Woche auch erledigt
werden muß.
Hinsichtlich des ERP-Investitionshilfegesetzes vertreten wir die Meinung, daß hier durch dieses Parlament und durch diese Regierung ein großer Fortschritt vollzogen worden ist. Bereits beim ersten Investitionshaushalt hat die Regierung gesagt, und sie hat es bei der Erläuterung des zweiten Investitionshaushalts erneut getan, daß uns alles nichts hilft, wenn die Länder und die Gemeinden nicht nachziehen. Mit den 500 Millionen DM des ERP-Investitionshilfegesetzes haben wir erstmals die Möglichkeit, auch bei den Gemeinden etwas zu tun. Der Vermögensausschuß des Bundestages sollte darauf achten, daß dabei auch finanzschwache Gemeinden berücksichtigt werden und die Mittel nicht nur in finanzstarke Gemeinden fließen.
Insgesamt gesehen sind wir Sozialdemokraten der Auffassung, daß diese Regierung alles versucht hat, die wirtschaftliche Stabilität wieder zu erreichen, wirtschaftliches Wachstum anzustreben, die Sicherheit des Arbeitsplatzes wieder herzustellen und darüber hinaus auf längere Sicht jedermann klarzumachen, wohin die Reise geht. Die sozialdemokratische Fraktion wird die Regierung dabei unterstützen.
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Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Friderichs.
Herr Präsident! Verehrte Damen! Meine Herren! Ich gestehe offen, daß ich nach dem Ablauf dieser wichtigen, die Ferien unterbrechenden Debatte etwas enttäuscht bin, enttäuscht darüber, daß die Regierung, in die wir alle und in die die deutsche Öffentlichkeit hohe - vielleicht zu hohe - Erwartungen gesetzt hat, uns heute nicht mit der Erfüllung dieser Erwartungen beglücken konnte. Das gilt sowohl für die Ausführungen des Herrn Bundeskanzlers als auch für die Ausführungen les Herrn Bundeswirtschaftsministers und - wie ich gestehen möchte - nur abgeschwächt für die des Herrn Bundesfinanzministers.
Der Herr Bundeswirtschaftsminister hat die wirtschaftliche Lage der Bundesrepublik sehr ausführlich unter Beifügung von Zahlenangaben dargelegt. Ich möchte es mir ersparen, hier Einzelheiten seines Zahlenwerkes zu wiederholen. Gekennzeichnet ist die wirtschaftliche Lage zweifellos durch eine zwar rückläufige, aber in der zweiten Hälfte des ersten Halbjahres gegenüber den ersten Monaten des Jahres 1967 wieder leicht zunehmende Tendenz. Es ist unstreitig festzustellen, daß die Disparität zwischen Auslands- und Inlandsaufträgen noch besteht. Der Rückgang des Bruttosozialprodukts dürfte nach den bisher vorliegenden Schätzungen im ersten Halbjahr 1967 bei 1,5 bis 2°/o liegen. Wir rechnen damit, daß er sich nach den jetzt vorliegenden Anzeichen bereits im zweiten Halbjahr verringern wird, vielleicht sogar in ein Plus verkehrt, so daß Ende des Jahres das Bruttosozialprodukt etwa die Höhe des Vorjahres erreicht.
Die Bundesregierung hat in der, ganze eineinhalb Seiten umfassenden, Begründung für ihren Zweiten Investitionshaushalt dargelegt, daß eine der Voraussetzungen für eine gesunde Wirtschaft, nämlich ein hoher Beschäftigungsstand, noch nicht erreicht sei. Ich frage die Bundesregierung - darüber müßte sie Auskunft geben -, was sie als einen hohen Beschäftigungsstand ansieht. Die letzte Arbeitslosenquote beträgt 359 000; sie hat sich in den letzten Monaten vermindert. Das sind - um mit Schiller aufzurunden - 1,7 %, exakt gerechnet 1,65 %. Dem stehen 347 000 offene Stellen gegenüber. Das heißt, die Arbeitslosenquote liegt mit 1,7 % - aufgerundet mit Schiller - erheblich unter dem Satz, den alle Wirtschaftswissenschaftler noch als Kriterium einer Vollbeschäftigung deklarieren. Ich frage die Bundesregierung, ob sie die Meinungen der Wissenschaft in diesem Punkt nicht anerkennt und sich auf eine andere Ausdeutung des Begriffs „Vollbeschäftigung" oder „hoher Beschäftigungsstand" einlassen möchte. Ich frage sie weiterhin, was sie zu den 347 000 offenen Stellen sagt. Von der Beschäftigung von Gastarbeitern möchte ich gar nicht erst reden. Aber ich frage den Herrn Bundesminister für Arbeit - ich hoffe, daß er diesem Hohen Hause darüber Auskunft gibt -, wie sich diese 359 000, mit denen sich so trefflich operieren läßt, denn eigentlich in ihrer Struktur zusammensetzen. Ein Arbeitsloser ist nicht gleich einem Arbeitslosen. Die Arbeitslosen sind nur gleich bezüglich der Verpflichtungen, die wir alle für diese Menschen haben, aber für die Beurteilung der wirtschaftspolitischen und wirtschaftlichen Lage müssen Sie, Herr Bundesarbeitsminister, uns schon etwas zu der Struktur dieser Arbeitslosen sagen, wenn wir uns diesen Thesen und Analysen anschließen sollen.
Die Bundesregierung sagt in der Begründung zu ihrem Zweiten Investitionsprogramm darüber hinaus, die Preisstabilität, eines der Ziele der Wirtschaftspolitik sei erreicht. Ich hätte mir das, was ich jetzt sage, an sich gern verkniffen, aber, Herr Kollege Hermsdorf, nach Ihren Ausführungen zu der Regierung Erhard-Mende - ich nehme an, daß die Hälfte der jetzigen Bundesregierung, dargestellt durch die Fraktion der CDU/CSU, dazu noch etwas sagen wird, denn sie hat ja, wenn ich mich recht entsinne, diese Regierung mitgetragen - möchte ich Ihnen doch eines sagen. Glauben Sie nicht mit mir, daß die Preisstabilität vornehmlich durch die Maß.. nahmen der damaligen Regierung in Zusammenarbeit mit der Bundesnotenbank erreicht worden ist?
Oder glauben Sie etwa, daß Sie das alles in den wenigen Monaten blendend erreicht haben?
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Darauf müßten Sie vielleicht eine Antwort geben.
Die Bundesregierung verschweigt leider in ihrer Begründung, daß es sich nicht einmal um eine echte Preisstabilität handelt, sondern daß wir trotz dieser von ihr beklagten konjunkturellen Lage weitere Preissteigerungen in wichtigen Sektoren, insbesondere dem tertiären Bereich, haben, die nur deshalb nicht zum Ausdruck kommen, weil andere Preise rückläufig gewesen sind. Wir können also nicht sagen, daß bisher das volle Ziel auch in der Preisstruktur erreicht ist.
Ich weiß nicht, ob die Bundesregierung mit ihrer Feststellung, das außenwirtschaftliche Gleichgewicht sei nicht erreicht, die jetzigen Zahlungsbilanzüberschüsse laut beklagt. Ich weiß auch nicht, welche Überschüsse unserer Außenhandelsbilanz die neue Bundesregierung für notwendig hält, um die Zahlungsbilanz auszugleichen. Wir alle kennen ja unsere defizitäre Bilanz bei den Dienstleistungen. Ich würde es sehr begrüßen, wenn der Herr Bundeswirtschaftsminister, der ja sonst ein Freund des Spiels mit Zahlen ist, uns einmal sagen würde, unter welchen Voraussetzungen und Bedingungen er das außenwirtschaftliche Gleichgewicht für gegeben erachtet. Bis jetzt weiß ich nur, daß die derzeitige Regierung es im Augenblick offensichtlich nicht für gegeben hält.
Ich möchte im Namen meiner Fraktion ganz eindeutig sagen, daß wir die Bundesregierung im Interesse des ganzen deutschen Volkes immer unterstützen werden, wenn sie eine antizyklische Finanzpolitik verfolgt. Auch wir - ich betone das besonders, nachdem der Herr Bundesminister der Finanzen heute morgen den Liberalismus zitiert oder heranzitiert hat - bejahen in vollem Umfang eine antizyklische Finanzpolitik; da gibt es gar keinen Zweifel. Aber es wird doch wohl der Oppositionspartei in diesem Hohen Hause erlaubt sein, zum Zeitpunkt, zum Umfang und zur Struktur dieser antizyklischen Finanzpolitik einige kritische Anmerkungen zu machen. Oder teilt der Bundeskanzler - diese Frage müßte er ja am ehesten beantworten können - die Meinung seines Kabinettskollegen Schiller, daß es gegen dieses Programm - so Schiller wörtlich in seiner Rede - keine Alternative gibt? Wenn das so ist, meine Damen und Herren, dann frage ich mich, warum wir überhaupt noch da sind.
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Wenn ein Bundesminister den Mut hat - ich möchte es mit „Mut" positiv umschreiben, um schärfere Ausdrücke zu vermeiden -, dem Parlament zu sagen: Gegen das, was ich euch biete, gibt es überhaupt keine Alternative, dann frage ich mich, ob er sich nicht vielleicht doch noch einmal überlegen sollte, wie das wirkliche Zusammenspiel zwischen Parlament und Regierung zu sein hat. Herr Kollege Hermsdorf - auch das ist an Ihre Adresse gerichtet -, das Budgetrecht des Parlaments ist immer
noch nicht abgeschafft; Gott sei Dank besteht es noch.
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Der Herr Bundeswirtschaftsminister - und insofern werden wir ihm voll zustimmen - erklärte weiterhin in seiner Rede, daß der Zielkonflikt zwischen mittelfristiger Finanzplanung und Konjunkturpolitik nur durch ein Zwillingsprogramm, das beide Aspekte berücksichtigt, aufzulösen gewesen sei ; erst dadurch bildeten Finanzplanung und Konjunkturprogramm eine Einheit. So weit, so gut: unsere Zustimmung.
Mein Kollege Mischnick hat heute morgen bereits dargelegt, daß wir vermissen, daß sich die mittelfristige Finanzplanung auf den Zeitraum erstreckt, der im Stabilitätsgesetz ausdrücklich vorgesehen ist, nämlich auf fünf Jahre. Diese mittelfristige Finanzplanung, die diese Bundesregierung vorlegt, umfaßt den Zeitraum von exakt vier Jahren; denn sie beginnt mit dem Jahre 1967, während das Stabilitätsgesetz eine völlig andere Konstruktion vorgesehen hat.
Ich frage die Bundesregierung - und auch dazu muß sie eine Antwort geben -: warum schließt sie das Jahr 1972 in ihre mittelfristige Planung entgegen den Vorschriften des von ihr selbst getragenen und eingebrachten Stabilitätsgesetzes nicht ein? Ich hoffe, daß die Opposition auch darauf eine Antwort bekommt.
Aber viel ernster, meine Damen und Herren, zu dem Problem der mittelfristigen Finanzplanung. Das, was die Bundesregierung vorgelegt 'hat, ist bestenfalls eine Planung ihrer Ausgaben. Das, was die Bundesregierung nicht vorgelegt hat, ist eine Planung ihrer Aufgaben. Wir haben den fatalen Eindruck, daß diese Bundesregierung viele Dinge, wenn nicht gar alle, als vorgegeben hinnimmt und die Ausgaben einfach nur noch nach den Gegebenheiten ausrichten will. Diese Bundesregierung müßte sich darüber klar sein, daß eine Regierung in ihrem Programm zu gestalten hat, daß sie zuerst ihr politisches Wollen bis zum Jahre 1972 vorzulegen und dann zu sagen hat, wie sie diese ihre politische Planung finanzieren will. Statt dessen legt sie uns ein Rechenwerk vor. Ich hoffe, daß der Bundesregierung der Unterschied zwischen dem Bilanzbuchhalter und dem Finanzdirektor in Unternehmen bekannt ist. Das ist eben der Unterschied, den auch sie endlich begreifen müßte. Sie hat die Aufgabe zu führen, zu gestalten und sich dafür der Kritik zu stellen; sie hat nicht nur die Aufgabe, Rechenwerke vorzulegen.
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Der Bundesfinanzminister - ich muß sagen, ich bedaure das etwas - hat heute morgen sinngemäß gesagt, nun ja, das müßten halt auch die Liberalen einsehen, der Anteil der öffentlichen Hand am Sozialprodukt steige nun einmal; das seien eben wachsende Staatsausgaben, und das müsse man halt hinnehmen. Meine Damen und- Herren, auch uns ist bewußt, daß in einer arbeitsteiligen Industriegesellschaft mit allen Problemen z. B. der Ballungszentren immer mehr Aufgaben von der GemeinDr. Friderichs
Schaft für den einzelnen zu lösen sind. Auch wir wissen - ja, ich gehe so weit in meiner Behauptung -, daß der Freiheitsraum des einzelnen, wegen dieser sozialen Entwicklung vom Staat mit geschützt werden muß, indem er selbst bewußte Vorsorge trifft, um den Freiheitsraum offenzuhalten. Aber aus den Worten des Herrn Bundesfinanzministers klang es so etwas wie Resignation: Das ist nun einmal so, also müssen wir's bezahlen.
Meine Damen und Herren, so darf es eben nicht sein. Eine gute Bundesregierung muß wissen, welche soziale Ordnung, welche Aufgaben sie dem Staat zuweisen will. Sie muß danach ihre Planung einrichten, und sie muß auch den Mut haben, Aufgaben, die durch die Veränderungen der Strukturen überflüssig geworden sind, abzubauen zugunsten der Aufgaben, die für die Zukunft zu gestalten sind. Ich frage diese Bundesregierung: beabsichtigt sie, in Zukunft politisch gestaltend tätig zu werden, oder beabsichtigt sie, auf Entwicklungsprozesse, die sich von sich aus vollziehen, nur noch durch veränderte Ausgabenansätze zu reagieren? Das ist die Frage, die hier und heute entschieden werden muß.
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Ich erlaube mir, diese meine Behauptungen an drei Beispielen deutlich zu machen. Bis zur Stunde ist uns nicht bekannt, welche verteidigungspolitische Konzeption diese Bundesregierung bis zum Jahre 1972 zu treiben beabsichtigt. Ich bitte Sie, diese meine These nicht als eine Kritik an dem leider erkrankten Bundesverteidigungsminister Dr. Schröder zu verstehen, dem wir nur eins wünschen: schnellstmögliche volle Wiederherstellung seiner Gesundheit.
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Aber diese Bundesregierung muß, sobald er wieder voll einsatzfähig ist - und das wird ja, wie wir hoffen, sehr bald der Fall sein -, sagen, wie sie sich im Rahmen einer außenpolitischen Konzeption die verteidigungspolitischen Aufgaben der Bundesrepublik Deutschland in einem westlichen oder einem sonstigen Bündnis vorstellt, wie sie glaubt, daß der spezifischen Lage der Bundesrepublik Rechnung getragen werden kann, und was das dann kostet. Sie kann in diesem Punkt keine Politik des Sowohl-als-auch treiben. Es ist eben schizophren, wenn ich von einer anderen außenpolitischen Konzeption ausgehe als derjenigen, die der verteidigungspolitischen zugrunde liegt. Dann werden Staatsgelder ausgegeben, die an anderer Stelle wirksamer eingesetzt werden können.
Ein Zweites. Wir bekommen eine mittelfristige Finanzplanung vorgelegt in einem Augenblick, in dem jeder weiß, daß das Sozialsicherungssystem der Bundesrepublik Deutschland in weitestem Umfang entscheidend für die Finanzbelastungen dieses Haushalts ist, ohne daß uns gleichzeitig auch nur der Wille zu einer Reform dieses problematischen Einrichtung überhaupt mitgeteilt wird. Wir erwarten von der Bundesregierung, daß sie ihre Vorstellungen für eine Reform der sozialen Sicherungen im allgemeinen, d. h. nicht nur der Altersvorsorge, hier vorträgt und daß sie darlegt, daß diese ihre Konzeption Bestandteil ihrer mittelfristigen Finanzplanung geworden sei. Bis zur Stunde können wir nur feststellen, daß neben dem Verteidigungshaushalt die Sozialversicherungsträger zu einem Hauptproblem dieses Bundeshaushalts geworden sind. Es geht nicht nur um die Frage, wo gekürzt wird - im Haushalt oder sonstwo -, sondern es kommt darauf an, daß hier eine klare Konzeption vorgelegt wird, die nach unserer Überzeugung möglich ist und sogar finanzierbar ist. Ich hoffe, daß die Bundesregierung den Mut hat, einzugestehen, daß Entscheidungen aus dem Jahre 1957, vor denen meine Fraktion damals warnte, eben auch einmal einer Revision unterzogen werden müssen, wenn man langfristig das Bedürfnis der Bevölkerung nach sozialer Sicherheit ohne Inflation befriedigen will. Das ist eine Aufgabe, der sich keiner in diesem Hause entziehen kann.
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Glaubt jemand, daß die jetzige Methode, einfach zu sagen: Wir kürzen die Bundeszuschüsse, erhöhen die Beiträge - 1 Milliarde DM Mehrbelastung für die Wirtschaft -, die Konjunktur anreizt? Es ist eben keine Konzeption, wenn man gleichzeitig noch die Zuschüsse auf das Jahr verschiebt, das die Bundesregierung vorsichtshalber nicht in ihre Finanzplanung einbezogen hat, nämlich das Jahr 1972. Sie, meine Damen und Herren in der Bundesregierung, müssen den Mut aufbringen, alles, was war, in Frage zu stellen. Haben Sie keine Sorge vor einem Gesichtsverlust. Die deutsche Bevölkerung ist längst bereit, hinzunehmen, daß Sie Fehler eingestehen, wenn sie das Gefühl hat, daß Sie eine bessere Konzeption an die Stelle einer falschen, aber aus Prestigegründen weiter gehaltenen stellen. Das sollten Sie sich überlegen.
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Der Herr Bundeswirtschaftsminister hat zu dieser mittelfristigen Finanzplanung seine Zielprojektion beigetragen. Ein durchschnittliches Wachstum - real - des Bruttosozialprodukts von 4 % liegt der Konzeption zugrunde. Ich frage den Herrn Bundeswirtschaftsminister, ob er glaubt, daß er diesen realen Durchschnittssatz bis 1971 erreicht, nachdem die Schätzung der OECD für die Bundesrepublik Deutschland sogar für das Jahr 1968 - wo nach seiner Behauptung seine Investitionsspritzen schon wirksam sind - nur auf 2 % angesetzt ist. Wenn er selbst davon ausgeht: 1967 ± 0, 1968 +2, dann muß er uns einmal erklären, was er für die Jahre 1969 bis 1971 ansetzt. Er muß dann erklären, wie er bei Wahrung eines stabilen Preisniveaus das alles machen will. Denn auch er weiß: oberhalb einer bestimmten Zuwachsrate des Bruttosozialprodukts ist es unendlich schwer, die Preise stabil zu halten. Der Herr Bundesfinanzminister sollte einmal sagen, wie er dazu steht, daß in dem gleichen Zeitraum, in dem das Bruttosozialprodukt real um 4 %, nominal um 5 bis 5,5 % wachsen soll, die Staatsausgaben um 6 % wachsen, und wie er diesen Zuwachs noch finanzieren will.
Aber viel problematischer wird die Situation ab 1972/1973. Im Haushalt 1971, der uns ja noch vor6008
liegt, ist eine Tilgung - Zins- und Amortisationslasten - in Höhe von 5,25 Milliarden DM vorgesehen. Das sind nicht weniger als 5,7 % des jetzt bereits festliegenden Ausgabevolumens. Aber noch viel schlimmer: im Jahre 1972 müssen Sie von Zins-und Amortisationslasten in Höhe von 11,5 % des gesamten Bundeshaushalts ausgehen. Ist sich die Bundesregierung darüber im klaren, daß der mögliche Zuwachs des Haushalts 1971/1972 nur durch Zins-und Amortisationslasten voll verbraucht wird, daß also die sonstigen haushaltswirksamen Ausgaben überhaupt nicht steigen dürfen? Ich glaube, Sie werden selbst Zweifel an der Richtigkeit dieser Konzeption hegen.
Aber viel schlimmer: während wir hofften, mit der mittelfristigen Finanzplanung den Aktionsraum der Regierung zu vergrößern, damit sie wirklich wieder Politik machen kann, schränken wir ihn mit der mittelfristigen Finanzplanung noch einmal ein. Denn Sie sehen aus diesen Zahlen, daß für wirkliche Aufgaben, die administrativ kurzfristig durchgeführt werden sollen, nur noch ganz wenig Mittel vorhanden sind.
Dem steht entgegen - und wer wagte da etwa Zweifel anzumelden - die Erklärung des Bundeskanzlers Kiesinger am 14. Juli 1967. In dieser Erklärung hat Herr Kiesinger gesagt: „Wir haben die Haushalte der kommenden Jahre so bedacht, daß eine Haushaltsmisere, wie wir sie am Ende des vergangenen Jahres hatten, sich nicht wiederholen kann." Nun, die Frage, ob der amtierende Bundeskanzler das seinem Amtsvorgänger Erhard sagen soll, die Frage, ob das geschmackvoll ist, zu beurteilen, möchte ich dem für den Geschmack zuständigen Herrn in der Bundesregierung, nämlich Herrn Ahlers, überlassen.
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Aber daß die Behauptung nicht zutrifft, das möchte ich hier in aller Deutlichkeit sagen. Denn was Sie bis 1972 aufgestaut haben, führt genau zu denselben Problemen, die im Jahr 1966 zu bewältigen waren und bewältigt worden sind. Damit kein Irrtum entsteht, Herr Kollege Hermsdorf: „Katastrophen" und „Offenbarungseid" waren treffliche Mittel für Koalitionsverhandlungen. Ich würde sie jetzt nicht mehr erwähnen; sie wirken nicht mehr so schrecklich glaubwürdig.
Allein 4 Milliarden DM sind an die Rentenversicherungsträger in diesem Jahr - 1972 - nicht gezahlt, obwohl die Lasten fortbestehen. Der Herr Bundesfinanzminister hat - dafür bin ich ihm dankbar -, wenn auch wohl mit Rücksicht auf den Koalitionspartner und bestimmte Persönlichkeiten in der Regierung, mit Recht anklingen lassen, daß es außerordentlich schwierig sein wird, in einem konjunkturellen Aufschwung hereinkommende Steuermehreinnahmen für Tilgungszwecke zu verwenden.
Herr Strauß war es, der heute morgen mit vollem Recht gesagt hat: „Wir wissen doch alle, wenn es dann wieder aufwärts geht, kommen (die neuen Forderungen für neue Aufgaben." Ich glaube, es war so ein bißchen seine eigene Besorgnis, ich möchte fast sagen, Resignation nach seinem offensichtlichen Kampf um diese Frage zu spüren. Da, meine Damen und Herren, liegt das Problem. Wenn der Aufschwung kommt, wird eben nicht getilgt. Es ist ja noch nicht einmal vorgesehen; denn die Tilgung ist für 1971 und ,die folgenden Jahre vorgesehen.
Ich hatte gehofft, wenn schon nicht getilgt wird, dann wird im nächsten Aufschwung die im Stabilitätsgesetz vorgesehene Konjunkturrücklage aufgefüllt Die haben wir ja auch noch. Dafür steht in dieser mittelfristigen Finanzplanung ein Leertitel ohne eine D-Mark, und ich frage die Bundesregierung: Was hat das zu bedeuten? Rechnet sie mit einem Aufschwung erst nach dem Jahre 1971? Herr Professor Schiller, das kann doch wohl nicht wahr sein! Und wenn nein, was machen Sie dann mit den zusätzlichen Einnahmen? Wollen Sie die Prolongation verkürzen? Wollen Sie vorzeitig tilgen? Oder aber halben Sie vielleicht wirklich die Absicht, diesen Leertitel auszuführen? Oder aber - und das Herr Professor Schiller, ist meine Sorge; denn Sie dürfen doch nicht unglaubwürdig werden vor Ihrer Fraktion - kommt dann Ihre berühmte soziale Symmetrie? Denn die haben Sie ja zugesagt. Da sind Sie ja im Wort.
Ganz zu schweigen - es ist fast bedauerlich, es zu sagen - von dem Bundestagswahlkampf 1969, der ja, wenn diese kurzfristigen scheinbaren Erfolge erst einmal produziert sind, die beiden derzeitigen Koalitionsparteien zwingt, sich auch mit ausgabewirksamen Beschlüssen vor ihren vermeintlichen Wählern zu profilieren! Denn diese Wähler, die soglücklich über die Große Koalition sind und am liebsten gleich die Große Koalition wählen würden, müssen sich ja trotzdem noch zwischen den beiden Parteien oder einer dritten, wie ich hoffe, entscheiden.
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- Ich bitte um Entschuldigung, daß ich die CSU, weil sie in diesem Hause in einer Fraktionsgemeinschaft sitzt, unterschlagen habe; ich erkenne das selbstverständlich ,an. - Ich fürchte eben, daß im Jahre 1969 und davor ein Wettlauf einsetzt: Was passiert mit den Geldern, die wegen einer angeheizten Konjunktur hereinkommen? Sie werden sicher, Herr Professor Schiller - und diese Prophezeiung wage 'ich -, nicht gebraucht zur vorzeitigen Tilgung, sie werden nicht gebraucht, um Ihre Konjunkturrücklage aufzufüllen, sondern sie werden ganz einfach dazu verwendet, daß Sie Ihre Versprechungen der sozialen Symmetrie pünktlich erfüllen; denn Sie müssen das tun, weil Sie selbst von Ihrer .eigenen Fraktion ,gezwungen werden, nun auch Erfolg in die Scheuer zu fahren. Das ist selbstverständlich. Wir wissen, wie das in Ihrer Fraktion auch mit Ihnen passiert.
Lassen Sie mich zum zweiten Programm noch etwas sagen. Die Frage, ob der Umfang des Zweiten Investitionsprogramms stimmt oder nicht stimmt, möchte ich eigentlich dem Herrn Kollegen Luda überlassen; denn der hat da schon ganz vernünftige Andeutungen gemacht, wie mir scheint, und es würde mich sehr freuen, wenn ein profilierter wirtschaftspolitischer Sprecher .der Koalitionsfraktionen diese Dinge vorträgt, Dann können wir ja
da unsere wahrscheinliche Übereinstimmung noch bekunden. Aber ich frage die Bundesregierung: Glaubt sie wirklich, daß dieser Umfang erforderlich ist? Herr Bundeswirtschaftsminister, wie werten Sie die 125 Millionen DM Zinssubventionen? Wie hochschätzen Sie die durch diese Zinssubventionen induzierte Kapitalnachfrage? Sind Sie bereit, sie mit mir auf etwa 2,5 Milliarden DM zu schätzen? Und sind Sie dann mit ,dem Herrn Kollegen Luda und mir einer Meinung - wie ich hoffe, mit großen Teilen dieses Hauses -, daß 8 Milliarden DM für den zweiten Haushalt doch ein bißchen reichlich ,sind?
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Herr Bundeswirtschaftsminister, eine weitere Frage. Wie werten Sie konjunkturpolitisch die Erhöhung der Mehrwertsteuer auf 11 %? Wenn, was Kollege Pohle gesagt hat, die Erhöhung nur notwendig ist, um die erforderliche Entlastung der Altvorräte - ein altes Anliegen meiner Fraktion - zu ermöglichen, dann frage ich Sie, Herr Bundeswirtschaftsminister: Warum 'ist diese Erhöhung des Satzes nicht zeitlich begrenzt?
Eine weitere Frage: Glauben Sie nicht, Herr Bundeswirtschaftsminister, daß Ihre konjunkturpolitischen Bemühungen größeren Erfolg haben würden, wenn Sie nicht im gleichen Zeitpunkt eine Ergänzungsabgabe auf die Einkommen- und Köperschaftsteuer erheben würden? Glauben Sie nicht, daß ein Verzicht auf diese Ergänzungsabgabe konjunkturell wirksamer wäre als die eine oder andere mit kurzfristiger Kreditnahme finanzierte öffentliche Investition?
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- Zu dem Haushaltsausgleich wollte ich gleich etwas sagen. Das ist eben die Kehrseite der Medaille, Herr Kollege. Dann muß man sich eben überlegen, was man im Augenblick miteinander in Einklang bringen kann. Aber eines scheint jedenfalls falsch zu sein: Auf der einen Seite kurzfristige Kredite aufzunehmen, die ja auch nicht gerade zum Haushaltsausgleich späterer Jahre beitragen, und auf der anderen Seite die Wirtschaft durch eine Ergänzungsabgabe zu belasten, die ihre endlich wiedergewonnene Bereitschaft zu weiteren Investitionen erneut dämpfen muß.
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Ich bedaure auch, daß die geplante Erhöhung des Körperschaftssteuersatzes für die Kreditinstitute ausschließlich unter Haushaltsausgleichsgesichtspunkten hier serviert wird. Was notwendig gewesen wäre, meine Damen und Herren, ist eine Darstellung möglicher Wettbewerbsverzerrungen im Kreditgewerbe. Die hätten wir gern von Ihnen gehört. Dann hätten wir gerne besprochen, wie man diese vorhandenen Wettbewerbsverzerrungen durch eine möglicherweise notwendige Besteuerung beseitigen könnte.
Um Ihre Frage zu beantworten, Herr Kollege: Dieser Bundeshaushalt hätte eben umstrukturiert werden müssen. Diese mittelfristige Finanzplanung mußte ebenfalls umstrukturiert werden. Notwendig wäre der Mut zu Kürzungen in ganz bestimmten Bereichen dieses Haushalts gewesen, ein Mut, der offensichtlich bei Teilen der Koalitionsfraktionen vorhanden war, der aber offensichtlich nicht zu realisieren war, weil diese beiden Fraktionen die pluralistische Gesellschaft etwas falsch betrachten, weil sie nämlich meinen, sie bestehe aus organisierten Gruppeninteressen, die sich notwendigerweise im Parlament fortsetzen müßten, was notwendigerweise dazu führen müsse, daß Ansprüche gegeneinander ausgehandelt werden. Die Folge davon ist schließlich Stagnation.
Eine weitere Frage an den Herrn Bundesminister für Wirtschaft: Herr Bundesminister, unterstellt, der Konjunkturanreiz gelingt! Wie, glauben Sie, soll die deutsche Privatwirtschaft die dann notwendigen Investitionen finanzieren? Wo, glauben Sie, sollen die Unternehmen bei einem von Ihnen gewollten, von uns allen erstrebten Aufschwung das Kapital hernehmen, um die eigenen geplanten Bedürfnisse zu befriedigen? Glauben Sie ernsthaft, daß das mit Ihrer von dem Herrn Parlamentarischen Staatssekretär Leicht als unausgegoren bezeichneten Idee der Volksobligationen möglich ist? Wir hatten erwartet, daß in diesem Augenblick der Staat seine Schulden tilgt, damit die Wirtschaft mit dem notwendigen Kapital versorgt wird, um einen gesunden Wirtschaftsaufschwung auf privatwirtschaftlicher Basis ohne Dirigismus sicherzustellen. Das war unsere Hoffnung.
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Lassen Sie mich zum Schluß die wichtigsten Punkte zusammenfassen.
1. Diese Bundesregierung hat diesem Hohen Hause zwar eine Ausgabenplanung auf schwankender Grundlage, aber keine Aufgabenplanung mit klaren Zielen vorgelegt.
2. Die Bundesregierung hat es nicht verstanden, die zukünftigen Bundeshaushalte in ihrer Struktur - das ist das Entscheidende - nachhaltig zu verändern.
3. Diese Bundesregierung überläßt jedem, der das Jahr 1972 meistern soll, einen Stau von nicht bewältigten Ausgaben.
4. Der Herr Bundesminister der Finanzen hat erklärt: Dieses Gesamtkonzept kann nur verwirklicht werden, wenn jeder Baustein unangestastet bleibt; wenn einer entfernt wird, ist das Konzept gefährdet. Ich frage diese Bundesregierung: Wo sind die Steine, die wir hier nicht einmal diese Woche beraten dürfen, weil. Sie sich beispielsweise über die Ergänzungsabgabe bis zur Stunde zwischen den Regierungsparteien noch nicht einig geworden sind?
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Das sind Ihre „Steine". Meine Damen und Herren, die Hohlblocksteine der Neuwieder Industrie haben den Vorteil, daß sie vorher statisch berechnet sind. Herr Kollege Jung, stimmt das? Sie sind Architekt. Ihre Finanzplanung ist es eben nicht.
5. Die Voraussetzung für eine nachhaltige Verbesserung der Konjunktur auf solider Grundlage bei Preisstabilität ist - darin wird der Herr Bundeswirtschaftsminister hoffentlich sogar der Opposition zustimmen -, daß die deutsche Wirtschaft endlich
wieder Vertrauen in die Führung die s er Regierung, Herr Bundeskanzler, finden kann. Das kann man nicht nur mit einigen mehr oder wenigen pauschalen Reden erreichen. Die deutsche Wirtschaft erwartet von Ihnen, Herr Bundeskanzler, daß Sie Konkreteres sagen, als Sie seinerzeit im Gürzenich dem BDI erzählt haben, und Konkreteres sagen, als Sie heute morgen diesem Hohen Hause vorgetragen haben.
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Und an die Adresse der „sozialen Symmetrie" des Herrn Bundeswirtschaftsministers: Diese selbe Wirtschaft wird nur investieren, Herr Bundeswirtschaftsminister, wenn sie Gewinnerwartungen hat und nicht befürchten muß, daß sie bei der ersten Verbesserung ihrer Rentabilität mit Ihrem ominösen Schlagwort - soziale Symmetrie - das Sie selber leider Gottes geprägt haben, schon wieder darum gebracht wird. Solange beides nicht da ist, wird eine nachhaltige Besserung nicht kommen.
Der Herr Bundesfinanzminister hat heute morgen gesagt: „Hier kann nur einer reden, der eine Alternative bringt." Meine Damen und Herren, daß ist sehr schwierig, und zwar deswegen, weil man Alternativen nur bringen kann, wenn erst einmal etwas da ist.
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Das, was jetzt da ist, ist eine Ausgabenplanung und keine Aufgabenplanung. Wenn diese Bundesregierung ihre Vorstellung zur Verteidigungspolitik, ihre Vorstellung zur Sozialpolitik und ihre Vorstellung zur Verkehrspolitik - die ein wichtiger Bestandteil einmal der Infrastruktur und zweitens der Ausgabenseite des Haushalts ist - vorgelegt hätte, hätten wir entweder zugestimmt oder Alternativen angeboten. Bis zur Stunde steht die Konzeption nicht zur Diskussion. So lange wird es keine Alternativen geben, meine Damen und Herren. Trotzdem werden wir unsere Vorstellungen durch unsere folgenden Sprecher darlegen lassen; vielleicht ist dann die Regierung endlich bereit, ihre Konzeption als Alternative zur Opposition anzubieten. Das wäre ja auch schon etwas. Es ist ja eine klassische Aufgabe der Opposition im parlamentarischen Staat, eine Regierung bewußt zu provozieren. Ich hoffe, daß meine Kollegen, die heute noch sprechen werden, das fertigbringen.
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Hier möchte ich eine lobende Anerkennung aussprechen. Der einzige Bundesminister, der aus diesem Bereich bisher geschwiegen hat, ist der Bundesverkehrsminister Leber. Der scheint an einem Programm wirklich zu arbeiten
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und zu schweigen, bis es fertig ist. Wir hoffen daher, daß, wenn er sein Schweigen bricht, eine wirkliche Konzeption kommt; sei es auch, daß sie uns nicht paßt - dann werden wir eine Alternative aufstellen. Aber wir hoffen, daß überhaupt einmal eine kommt; und sein Schweigen spricht in der Tat dafür. Es hebt sich auch wohltuend ab gegen die etwas
zu häufigen, zweifellos gut formulierten Erklärungen anderer Ressorts.
Meine Damen und Herren, die Tatsache, daß die Koalitionsfraktionen bei diesen entscheidenden Fragen der deutschen Finanz- und Wirtschaftspolitik die Beratungen nahezu ausschließlich dem Haushaltsausschuß zuweisen wollen und nicht den für diese entscheidenden Fragen zuständigen Ausschüssen für die Finanzen und für Wirtschaft, zeigt, daß sie es nicht als Aufgabenplanung verstehen, sondern als Ausgabenplanung. Das ist ein Beweis für die Richtigkeit meiner These, daß es Ihnen eben nicht darum geht, die Politik in Deutschland für die Jahre bis 1971 und darüber hinaus jetzt zu gestalten, sondern daß es Ihnen darum geht, bis 1971 finanziell über die Runden zu kommen.
Diese sogenannte Große Koalition
(Zuruf von der CDU/CSU: Wieso „sogenannte" ?
- weil ich mit Größe nicht nur Quantität, sondern auch Qualität verbinde -,
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diese sogenannte Große Koalition wird vor dem deutschen Volke keine einzige Entschuldigung haben. Sie hat die Mehrheit in diesem Hause, jede Reform durchzusetzen, sie hat die Mehrheit, alles zu tun; denn sie hat in diesem Hohen Hause eine verfassungsändernde Mehrheit und ist an allen Länderregierungen wechselseitig so beteiligt, daß auch die Einflußnahme auf den Bundesrat dort, wo es verfassungsrechtlich oder politisch notwendig ist, von ihr praktiziert werden kann. Diese sogenannte Große Koalition wird 1969 und 1973 nicht sagen können, daß sie etwas nicht tun konnte. Was ihr bis dahin nicht gelungen ist, von dem muß man unterstellen, daß sie es nicht gewollt hat oder daß ihr die innere Kraft gefehlt hat, es im Interesse des Ganzen zu tun.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Burgbacher.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Seit den biblischen Zeiten geistert die Lehre von dem periodischen Wechsel der mageren und der fetten Jahre durch die Geschichte der Menschheit und der Wirtschaft. Das hat sich dann später, als sich eine Wirtschaftswissenschaft zu bilden begann, zu der zyklischen Krisentheorie entwickelt. Inzwischen haben sich die Volkswirtschaften - auch unsere - entwickelt. Der Anteil des Vermögens der öffentlichen Hand am gesamten Volksvermögen beträgt zwischen 30 und 40 O/o, und ein Drittel des Bruttosozialprodukts läuft durch die direkten und indirekten öffentlichen Hände. Diesem Umstand ist es zu verdanken, daß wir Menschen die Chance haben, die Periodizität von Krise und Konjunktur in den Griff zu bekommen, wenn wir von den durch die Politik beherrschten öffentlichen Vermögen und öffentlichen Auftragskräften zyklischen und antizyklischen Gebrauch machen.
Diesem Zweck dient das Gesetz zur Förderung von Stabilität und Wachstum der Wirtschaft und dienen erstmals die praktischen Vorlagen, die unzweifelhaft in die Wirtschaftsgeschichte und die Geschichte überhaupt als eine Zäsur eingehen werden, als der erste Versuch, aus der Entwicklung zum öffentlichen Vermögen und zu den öffentlichen Auftragskräften das beste zu machen, indem man sie über die Politik zur Steuerung globaler Art benutzt. Es ist ein erster Versuch, der deshalb auch leicht kritisch beurteilt werden kann, und wir werden von Jahr zu Jahr lernen und dann näher an die mögliche Wirklichkeit herankommen. Auch dann werden Schwankungen im Wirtschaftsablauf nicht ganz aufhören; aber wenn die Skyline des Bisherigen ein Hochgebirge war - hohe Berge und tiefe Täler -, dann werden wir in wachsendem Maße von diesen Zackenlinien zu mehr oder weniger sanften Wellenlinien kommen.
Wir haben den Vorzug, daß wir diesen Versuch nicht im Zustand einer echten Krise machen. Diedeutsche Volkswirtschaft befindet sich nicht im Zustand einer Krise, sondern im Zustand einer allerdings ernst zu nehmenden Rezession. Die statistischen Daten, von denen die Regierung mit Recht ausgeht, sind kleinere Daten, als sie die Krisengeschichte der Weltgeschichte kennt. Aber etwa zu meinen, weil wir nicht in einer echten Krise, sondern nur in einer Rezession sind, brauchte man nichts zu tun, hieße die Pflicht der Stunde total verkennen. Denn die Möglichkeit, über eine Rezession Herr zu werden, ist natürlich wesentlich größer, als die, eine echte Krise zu bewältigen, und der zur Überwindung einer Rezession notwendige Aufwand ist natürlich wesentlich kleiner als der, den man zur Behebung einer echten Krise benötigen würde. Das muß auch für die Zukunft gelten: daß wir Konjunkturpolitik nicht erst machen, wenn das Haus brennt, sondern daß wir die Hand am Puls und den Fuß auf dem Gashebel halten.
Das deutsche Volk ist durch eine 15jährige erfolgreiche Politik, die vorwiegend von meinen politischen Freunden getragen wurde, verwöhnt und hat deswegen die Neigung, einen Schnupfen für eine Lungenentzündung zu halten. Daß das so ist, ist implizite eine Anerkennung der erfolgreichen Politik meiner politischen Freunde in den letzten 15 Jahren.
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Ich habe es sehr bedauert, daß der Kollege Hermsdorf vorhin von dieser Stelle aus Dinge gesagt hat, für die ich, wären sie in Wahlversammlungen der SPD gesagt worden, möglicherweise - ohne sie zu billigen - ein begrenztes Verständnis hätte.
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Aber hier, wo ein Werk der Koalition, die von unseren beiden Parteien getragen wird, zur Debatte und Abstimmung steht, so etwas zu sagen, finde ich geradezu unerhört.
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Ich muß mit aller Schärfe die Behauptung zurückweisen, daß man beim Regierungswechsel beinahe im Zustand eines Offenbarungseides gewesen sei.
Das ist nicht die Sprache einer Koalition, und, was noch schlimmer ist, das ist eine Behauptung, die nicht den Tatsachen entspricht. Wie kann man so etwas sagen in einer Volkswirtschaft, in der das öffentliche Vermögen in den letzten 15 Jahren aus laufenden Steuereinnahmen um mindestens 200 Milliarden DM vermehrt worden ist?! Es sind brutto fast 300 Milliarden, aber auf der anderen Seite stehen 80 Milliarden DM Schulden, - ganze 80 Milliarden bei 300 Milliarden DM Vermögenszuwachs! Wenn man einen Vorwurf machen kann, ist es der, daß in den vergangenen Jahren zuviel an Investitionen aus laufenden Steuereinnahmen finanziert worden ist. Das hat aber mit Offenbarungseid nichts zu tun, sondern das ist das, was in der Privatwirtschaft als die solideste Finanzierung angesehen wird, nämlich Selbstfinanzierung.
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Die Exportkraft unserer Volkswirtschaft, die zur Zeit von großem Gewicht für die Gesamtentwicklung ist, würde sich auch nicht bei einer Pleite-Firma finden, sondern entspricht der einer Firma, die über starke Selbsterhaltungskräfte verfügt.
Soviel zu der mir leider notwendig erscheinenden Zurückweisung einer Äußerung des Kollegen Hermsdorf.
Im übrigen sind wir, was die Vorlagen betrifft, nicht nur zwischen Bundesregierung und Mehrheit des Hauses einig, sondern das Zweite Konjunkturprogramm ist am 19. Juli 1967 auch von den gesamten Spitzenverbänden der Wirtschaft und den Gewerkschaften sowie vom Zentralbankrat als erforderlich bezeichnet worden. Mir scheint es doch wichtig zu sein, daß wir Politik nicht im luftleeren Raum machen, sondern daß sie von BDI und DGB und von den letztlich für die Finanzlage Mitverantwortlichen getragen wird.
Ich sagte am Anfang: Dieses Gesetzeswerk ist von einer enormen Bedeutung, weil es der erste Versuch einer großen Nation ist, mittelfristig die Dinge in den Griff zu bekommen und Konjunkturpolitik gegen den Zyklus zu machen. Es ist auch aus einem anderen Grund der Ansatz für eine noch gar nicht übersehbare Entwicklung. Der Finanzplan und die Konjunkturpolitik sind der erste groß angelegte Versuch, Wirtschaftspolitik und Finanzpolitik soweit wie möglich in eine Harmonisierung zu bringen. Einer unserer Hauptmängel ist überhaupt, daß wir bisher in viel zu scharfer Weise Wirtschaftspolitik und Finanzpolitik voneinander getrennt haben. Natürlich bleibt es Aufgabe der Finanzpolitik, die Haushaltsdeckung herbeizuführen. Aber ebenso richtig ist, daß diese Deckung im Blick auf wirtschaftspolitische Notwendigkeiten oder Zweckmäßigkeiten geschieht.
Ich habe schon auf die Investitionen seit der Währungsreform hingewiesen, die aus laufenden Steuern finanziert worden sind. In diesem Fünfjahresplan mit seinen 80 Milliarden DM neuen Investitionen bedeutet eine neue Verschuldung von 15 bis 18 Milliarden DM nur etwa 15 bis 20 % der Investitionen. Wären - und auch das gehört zum Thema Hermsdorf - die Defizite aus laufenden Ausgaben ent6012
standen, dann hätte er vielleicht annähernd scharf reden können. Da sie aber aus Investitionen entstanden sind, ist es ganz unfair, in diesem Zusammenhang von Offenbarungseid und ähnlichen Vorgängen zu sprechen. Es ist deshalb auch ganz legitim, daß für Haushaltslücken in Haushalten, in denen ein Vielfaches an Investitionen steckt, der Kreditmarkt in Anspruch genommen wird. Das sage ich nicht zum erstenmal. Das sage ich seit Jahren von diesem Platze aus. Es wäre nicht legitim, wenn er in Anspruch genommen würde, um Lücken von Konsumausgaben zu decken. Deshalb sollten wir uns wirklich angewöhnen, von einem Defizit nur zu sprechen, wenn Konsumsausgaben nicht gedeckt sind, und von einer Deckungslücke zu sprechen, wenn Investitionsausgaben nicht gedeckt sind.
Die Bundesbank ist der Meinung, daß wir berechtigt und damit auch verpflichtet sind, dieses Zweite Konjunkturprogramm zu billigen und keinen Widerspruch nach dem Gesetz zur Förderung von Stabilität und Wachstum einzulegen. Der Streit darum, ob wir bereits in einem Zustand sind, aus dem die Selbstheilung kommen könnte, oder ob noch etwas geschehen muß, ist weit verbreitet. Ich persönlich bin der Meinung - und meine Freunde auch -, daß dieses Zweite Konjunkturprogramm notwendig und zweckmäßig ist. Ich bin mit manchen der Auffassung, daß die Zahl unserer Arbeitslosen kein Beweis für eine krisenhafte Situation ist. Ich glaube, daß die 5,3 Milliarden DM durchaus berechtigt sind. Wenn Sie die Wirkung der Zinssubventionen in Betracht ziehen, werden es vielleicht 8 oder 9 Milliarden DM. Das ist dann gut 11/2 % des Bruttosozialprodukts eines Jahres. Es ist völlig absurd, bei dieser Summe zur Bekämpfung einer rezessiven Situation von inflationären Gefahren nur zu sprechen. Es ist ausgeschlossen, daß sie daraus entstehen könnten.
Dennoch erlaube ich mir zu sagen - ich habe vorhin schon von dem Fuß am Gaspedal gesprochen -: unser Volk und unsere Wirtschaft müssen wissen, daß Regierung und Parlament einmütig beschlossen haben, wachsam zu sein, um Rezessionen zu vermeiden und Krisen auszuschließen. Diese Tatsache soll durch die Gesetze, die wir jetzt verabschieden, untermauert werden. Die psychologische Wirkung dieser Maßnahmen im Wirtschaftsablauf und Sozialablauf draußen in unserem Volk kann nicht hoch genug veranschlagt werden.
Ich möchte jedoch raten, bei den Zinssubventionen auf folgendes zu achten. Es darf keine Kumulation der Kapitalnachfrage aus der Wirtschaft und der Nachfrage auf Grund der Zinssubventionen zustande kommen, die zu irgendwelchen Friktionen auf dem Kapitalmarkt führt.
Im Finanzplan gibt es - um ein modernes Wort zu gebrauchen - eine interessante Eskalation der Prozente: 4 % Realzuwachs - allerdings nicht für dieses Jahr -, 5 5 % Nominalzuwachs, für 1968 6,5 % wegen der eventuellen Folgen der Einführung der Mehrwertsteuer, 6 % Haushaltszuwachs und 7 % Investitionszuwachs. Das ist eine logische und gute Eskalationstreppe, aber eine Arbeitshypothese. Es gibt bei einer mittelfristigen Vorausschau keine andere Möglichkeit, als von einer Arbeitshypothese auszugehen. Ich wäre begierig, von der Opposition zu hören, welche andere Möglichkeit für eine mittelfristige Vorausschau als den Ausgangspunkt einer Arbeitshypothese sie sieht.
Das Verhältnis von Einsparungen und Kürzungen von Zuwächsen in Höhe von 30 Milliarden DM zu den Mehreinnahmen von rund 15 Milliarden DM und der Neuverschuldung von 15 Milliarden DM scheint mir in der Gesamtkonzeption - 50 % Kürzungen, 25 % Einnahmesteigerungen und 25 % Neuverschuldungen - ausgewogen. Ob diese Ausgewogenheit in allen Einzelheiten besteht, werden wir im Oktober bei der endgültigen Beratung der Einnahmeseite, soweit es die Ergänzungsabgabe betrifft, und der Ausgabenseite, soweit es Kürzungen betrifft, sehen. Wir sollten aber an diesen Globalsummen festhalten und sollten uns über folgendes klar sein: wenn innerhalb einer Globalsumme eine Änderung vorgenommen wird, kann es sich nur um eine Verschiebung handeln; dann müssen andere Deckungsmittel zur Hand sein.
Auch ich muß darauf hinweisen - das haben der Bundeswirtschaftsminister und der Bundesfinanzminister mehrfach getan -, daß die eigentliche Stunde der Bewährung dann kommt, wenn bei aufsteigender Konjunktur an die Tilgung der Schulden oder an die Bildung der Konjunkturrücklage herangegangen werden muß. Das kann nicht ernst genug gesagt werden. Ich stehe aber nicht an, zu erklären, daß bei einer Gesamtverschuldung von Bund, Ländern und Gemeinden Ende 1967 von unter 100 Milliarden DM angesichts eines Bruttosozialprodukts von etwa 500 Milliarden DM 'im Jahre die Frage der Tilgung der in den 100 Milliarden DM enthaltenen kurz- und mittelfristigen Kredite gelöst werden kann, ohne daß etwas Lebensgefährliches oder Inflatorisches geschieht. Es muß aber immer ein Tilgungsplan da sein. Es muß klar sein, daß wir heute und 'im Oktober bei der Verabschiedung des Gesamtprogramms gleichzeitig unser Wort geben, .daß alle Mehreinnahmen, die aus konjunkturellen Gründen entstehen, entweder zur Schuldentilgung oder für die Konjunkturrücklage verwendet werden müssen. Ich habe am Anfang von den sieben mageren und den sieben fetten Jahren gesprochen. Die sieben mageren Jahre konnten im alten Ägypten nur deshalb aus den Getreidespeichern gedeckt werden, weil in den Speichern etwas drin war.
Zu der Erhöhung der Mehrwertsteuer auf 11 % muß man hier sagen, ,daß diese Erhöhung nicht wegen der Entlastung der Altvorräte erfolgt - das kostet einmal 700 Millionen DM -, sondern das eine Prozent, ,die rund 2 Milliarden DM im Jahr, brauchen wir zum Ausgleich des Haushalts, zu dem wir j a bei aller Konjunkturpolitik immer verpflichtet bleiben. Natürlich kann man darüber streiten, ob in einem Jahr 3 Milliarden, 5 Milliarden oder 6 Milliarden neue Schulden ,aufgenommen werden sollen. Da gibt es bei den Zahlen, in denen wir uns Gott sei Dank bewegen, keine mathematisch abgesteckte Grenze. Nachdem durch ,die Währungsreform alle alten Schulden untergegangen sind, bewegen wir uns bei den öffentlichen Schulden im Verhältnis zu
England, Frankreich und den USA in sehr niederen Regionen. Das sage ich nicht, damit wir es schnell ändern, sondern damit wir das Gewicht unserer Neuverschuldung volkswirtschaftlich als das erkennen, was es ist: als durchaus angemessen. Soviel ich weiß, hat der Herr Bundesbankpräsident die Bundesregierung wissen lassen, daß sich ungefähr 3 Milliarden neue Schulden pro Jahr durchaus im Rahmen des auch von seinem Standpunkt aus Vertretbaren bewegen.
Die Frage, ob der Bund 37 % des Aufkommens aus der Einkommensteuer behält oder nicht, kann ich hier nicht entscheiden. Diese Frage kann natürlich den Ablauf der Vorschau beeinflussen.
Bei der Schuldentilgung und bei der Kreditfrage kann man nicht am Kapitalmarkt und an den Kräften, die ihn beschicken, vorbeigehen. Ich darf daran erinnern, daß meine politischen Freunde das System der Eigentumsförderung durch Sparprämien und durch das 312-Mark-Gesetz immer verlangt haben. Es war uns immer klar, daß der Zeitpunkt, in dein nicht alten Umfang notwendige Investitionen aus laufenden Steinern gedeckt werden können, immer härter auf uns zurückt und daß wir dann die Alternative haben, diese Investitionen entweder zu unterlassen, d. h. die Wachstumsaussichten zu verkleinern, wenn nicht zu beseitigen, oder den Kapitalmarkt in Anspruch zu nehmen. Das kann man nur, wenn er da ist.
Wir haben kürzlich in der Presse etwas über das sogenannte Wachstumspapier veröffentlicht. Das ist ein Papier in kleiner Stückelung, das jemand jetzt mit 50 oder 60 DMzeichnet, wofür er dann in zehn oder fünfzehn Jahren 100 DM 'ausgezahlt bekommt; er läßt also Zins und Zinseszins stehen und sieht es gar nicht mehr an. Er hat dann wirkungsvoll gespart und zum Kapitalmarkt einen stabilen Beitrag geleistet. Solche und ähnliche Dinge - auch die vom Herrn Bundeswirtschaftsminister erwähnte Volksobligation, deren Veröffentlichung, nebenbei gesagt, nach der über unser Wachstumspapier erfolgte-sind durchaus erwägenswert; denn ohne Anreicherung des Kapitalmarktes werden wir an irgendeinem Zeitpunkt - nicht morgen, nicht übermorgen - in erneute Verlegenheiten kommen, weil der Kapitalbedarf der öffentlichen Hände aller Stufen in übersehbarer Zeit nicht sinkt, sondern wächst, und zwar im Interesse der nicht öffentlichen, d. h. der Privatwirtschaft wächst, die ihre Aufgaben ohne die Infrastrukturen der öffentlichen Hände überhaupt nicht mehr erfüllen könnte.
Steuererhöhungen sind natürlich konjunkturwidrig, weil Kaufkraft weggenommen wird, sei es im Konsum, sei es in der' Investition. Aber ich erlaube mir, die persönliche Frage zu stellen: Ist die Wegnahme von Sozialeinkommen etwa konjunkturgemäß? Wird dort keine Kaufkraft weggenommen? Macht es für die Konjunktur einen Unterschied, ob ich bei einem Einkommen etwas durch Steuern wegnehme oder ob ich bei einem anderen Einkommen etwas durch Sozialgesetze wegnehme? Vom Standpunkt der Konjunkturpolitik ist beides gleich gefährlich und sollte beides deshalb in gleicher Weise bedacht werden.
Der Herr Bundeswirtschaftsminister wird mir hoffentlich nicht böse sein, wenn ich die Überzeugung ausdrücke, daß er den Finanzplan im nächsten Jahr überprüfen muß. Er hat das selber geschrieben, und das muß auch so sein. Der Plan wird dann auch in dem einen oder anderen Punkt rektifiziert. Es ist das Wesen jeder Vorausschau, daß man sich Schritt für Schritt der Wirklichkeit anpaßt. Im nächsten Jahr wird die Bundesregierung - ich hoffe, mich da nicht zu irren - das Jahr 1972 logischerweise in den dann vorzulegenden Finanzplan einbeziehen müssen. In jedem Jahr wird also eine Prüfung durchgeführt und ein neuer Plan vorgelegt. In jedem Jahr schließt sich ein neues Jahr an den Plan an, so daß also die FDP nur bis zum Frühjahr etwa warten muß; dann hat sie auch ihr heißgeliebtes Jahr 1972 vorliegen.
In der Frage des Timing ist nach sehr gründlicher Aussprache bei unseren politischen Freunden mit großer Mehrheit zum Ausdruck gekommen, daß das Zweite Konjunkturprogramm zügig, aber in den Terminen nicht stur angewandt werden soll. Dabei spielt eine große Rolle, daß die Kapazität unserer Industrie zur Zeit zu 77 oder 78 % ausgelastet ist. Was ist denn nun die Normalauslastung? - Nun, in der Industrie der USA sind die Hauptbranchen noch bei 60 % Auslastung rentabel, bei uns unter 80 % kaum. Warum? - Weil das Verhältnis zwischen eigenen und fremden Mitteln bei uns ein anderes ist als z. B. in der Industrie in den USA. Aber - jetzt sage ich etwas, was man sicher bestreiten kann - was ist das Ziel: die Ausnutzung zu 90 oder 95 % oder die Ausnutzung zu, sagen wir, 85 %. Ich persönlich bin der Meinung, daß es Industrien gibt, deren Kapazität zu 90 % ausgelastet sein muß. Aber ich meine, eine Ausnutzung, die nahe an die 100 % geht, trägt wieder den Keim der Erhitzung in sich. Wir sollten das in Betracht ziehen und Als Richtziel eine Ausnutzung der Kapazität in Höhe von etwa 85 % als angemessen ansehen.
Nach meinem Gefühl wird mit Recht vermutet, daß die Anwendung des Konjunkturprogramms eine Steigerung des Bruttosozialprodukts um 25 Milliarden DM zur Folge haben kann. Wenn das der Fall ist, hat das Zweite Programm seine Aufgabe voll erfüllt. Voraussetzung dafür ist die Investitionsneigung der Investoren. Wovon wird sie bestimmt? Sie wird einmal von der Kapazität her bestimmt. Da wir aber in fast allen Branchen, von den reinen Wachstumsbranchen wie etwa Chemie und Kunststoffe - noch nicht einmal alle - abgesehen, eine nicht volle Ausnutzung der Kapazität haben, wird man realiter in absehbarer Zeit von der Kapazitätssteigerung her kaum eine Steigerung des Investitionswillens vermuten dürfen.
Der nächste Punkt - Rationalisierung - ist schon sehr ernst zu nehmen. Durch die Verschärfung des Wettbewerbs, die eine Folge der Rezession ist, und zwar eine der positiven Folgen - positiv im Sinne der Volkswirtschaft, nicht der Betriebswirtschaft -, wird der Druck auf Rationalisierungsinvestitionen, die ja die Selbstkosten senken, natürlich immer steigen. Wenn man da die günstigen Kredit- und anderen Voraussetzungen schafft, sehe ich bedeutende Möglichkeiten.
Nicht zuletzt kommt die Frage der Gewinnaussicht. Die Frage der Gewinnaussicht ist die Frage an den Markt; die Frage an den Markt ist die Frage an die Nachfrage; die Frage an die Nachfrage ist die Frage nach der Höhe des Konsumeinkommens; die Frage nach der Höhe des Konsumeinkommens steht nun wieder in mehr oder weniger großem Widerspruch zur Frage der höheren Besteuerung oder der Wegnahme von Sozialeinkommen oder der Kapitalbildung durch Sparprozesse. Durch dieses Gewinde müssen wir hindurch.
Im Mehrwertsteuergesetz haben wir noch den Stufenplan, die Investitionssteuer auf Investitionen. Er beginnt mit 8 Prozent Steuern, im nächsten Jahr sind es 7, dann 6 Prozent usw. Er war, wenn man nicht den Satz erhöhen wollte, unvermeidbar. Aber es ist natürlich eine harte Sache, in einer Zeit, in der wir über Konjunkturanregung, über den Investitionsbonus sprechen, eine Investitionssteuer vor uns zu haben. Ich glaube, die Regierung und das Hohe Haus müssen sich mit dieser Frage noch gelegentlich befassen.
Heute morgen hat, wenn ich mich richtig erinnere, Herr Kollege Mischnick davon gesprochen und so bedauert, daß wir nicht genügend durchforstet hätten. Nun, ich verstehe das nach den vielen Reden aus allen Fraktionen über den Subventionskatalog und die Höhe der Subventionen sehr gut. Ich glaube, daß wir bei dem Durchforsten nicht nur finanzpolitisch, sondern auch konjunkturpolitisch denken müssen. Aber es wäre sicher für das Hohe Haus eine angenehme Überraschung gewesen, wenn Herr Kollege Mischnick zwei oder drei Positionen genannt hätte, die nach seiner Ansicht durchforstet werden müßten.
({4})
Mit diesen allgemeinen Reden - Durchforsten! Weg mit Subventionen! Soziale Gerechtigkeit! Keinem wehtun und keinem guttun! - kann _ein Finanzplan, kann ein Konjunkturprogramm nicht auskommen.
({5})
In der Arbeitshypothese, im Finanzplan und im Konjunkturplan ist nicht so ausführlich, wie ich es gern gesehen hätte, auf den Einfluß der Umweltfaktoren auf den Wirtschaftsaublauf bei uns eingegangen worden. Ich gebe gern zu, daß das außergewöhnlich schwierig ist. Ich nenne den EWG-Markt, der ab Mitte nächsten Jahres vollendet sein wird; ich nenne die internationale Währungspolitik; ich nenne die Auswirkungen der Kenndey-Runde, die ja noch in den Plan hineinkommen. Das ist alles sehr schwer abzusehen. Aber es beweist uns - das möchte ich auch heute sozusagen in der Geburtsstunde der ersten Finanzplanung sagen -, daß der Finanzplan durch Kräfte beeinflußt wird, die weder in der Macht der Bundesregierung noch in der Macht dieses Hohen Hauses liegen.
({6})
Das veranlaßt uns, die Hand sehr, sehr oft am Puls der Wirtschaft zu haben. Die Folgerung, deshalb gar nichts zu tun, wäre die falscheste von allen, die theoretisch möglich sind.
Wir sind der Meinung, daß der Gesetzentwurf zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes in dieser Woche, so wie die Vorlage jetzt aussieht, in drei Lesungen zu verabschieden ist, wobei sich der Ausschuß morgen darüber unterhalten muß, ob die weitere Entlastung der Lagervorräte daran gebunden wird, daß die Läger gleich hoch sein müssen wie im Jahre vorher. Meine Freunde sind der Meinung, daß diese Klausel wegfallen müßte. Sie ist aus Konjunkturgründen verständlich. Nach unserer Auffassung beruht sie aber auf einer falschen Einschätzung der Lagerhalter. Man darf sich eigentlich keinen Lagerhalter in der deutschen Wirtschaft vorstellen, der aus steuerlichen Gründen andere Läger hat, als er aus ökonomischen Gründen haben soll. Also das müssen wir morgen im Ausschuß verarzten. Bei der ganzen Mehrwertsteuer ist im Hintergrund zu sehen, daß wir auf eine Umsatzsteuerharmonisierung im Gemeinsamen Markt hinwirken müssen und wollen und daß dort die Sätze zwischen 15 und 16 % liegen. Auf Sicht gesehen - nicht für morgen oder übermorgen - haben wir bei der Finanzreform die Möglichkeit, von der Gewerbesteuer auf die Mehrwertsteuer umzuschalten und eventuell auch den Stufenplan für die Investitionen aus Gerechtigkeits- und Konjunkturgründen zu berichtigen.
Wir behandeln heute das Steueränderungsgesetz in erster Lesung; die weitere Beratung soll im Oktober zusammen mit den Ausgabereformgesetzen stattfinden.
Was die Frage der Sparkassen und Banken betrifft, so kann ich nicht im Namen meiner Fraktion sprechen. Ich persönlich bin der Meinung: wer ökonomisch die gleichen Chancen hat, hat auch die gleichen Steuern zu zahlen. Das sollten wir uns nicht nur bei den Sparkassen, sondern ein für allemal überlegen; das ist, wie ich meine, ein vornehmer Grundsatz eines Rechtsstaates, von dem wir uns leiten lassen sollten.
Die vorgesehene Ergänzungsgabe ist von vielen umstritten, manchmal mit Worten, die mir unbegreiflich sind. Die 3 %. Ergänzungsabgabe machen für ein Spitzeneinkommen mit einer Einkommensteuer von 50 % 1,5 % vom Einkommen aus. Die vorgesehenen Kürzungen bei den Kinderreichen und anderen machen einen wesentlich höheren Prozentsatz vom Einkommen aus, ohne daß dort die gleiche Aufregung erkennbar ist, wie sie bei bestimmten Kreisen gegen die Ergänzungsabgabe Platz gegriffen hat.
Das Gesetz über Finanzierungshilfen aus ERP-Mitteln wird hoffentlich in dieser Woche die drei Lesungen überstehen. Da besteht sicher keine Meinungsverschiedenheit. Als interessant und positiv ist zu erwähnen, daß durch diese Maßnahme die Aussicht wächst, daß größere Mittel zur Reinhaltung von Luft und Wasser zur Verfügung gestellt werden. Ich fürchte, wir werden in Zukunft noch ganz andere Mittel für die Reinhaltung von Luft und Wasser einsetzen müssen, als wir es bisher gewohnt sind.
({7})
Das Bundesbankgesetz ist zweifellos eine wichtige Vorlage. Aber alle Meinungen, die dahin gehen,
daß der 3-Milliarden-Plafonds auf 6 Milliarden erhöht werde und das eine inflationäre Wirkung haben könnte, sind abwegig. Als im Jahre 1957 die 3 Milliarden festgelegt wurden, betrug das Bruttosozialprodukt 216 Milliarden. Im Jahre 1966 belief es sich auf 478 Milliarden. Es ist also um weit mehr als um das Doppelte gestiegen. Entsprechend ist natürlich auch das Geld- und Kreditvolumen gestiegen. Es handelt sich um nichts anderes als um die Anpassung an die neuen ökonomischen und finanzpolitischen Verhältnisse.
Wir sehen das ganze Programm als eine Einheit, und zwar nicht nur im sozialen oder fiskalischen oder volkswirtschaftlichen Sinn, sondern auch als politische Einheit. Mit Recht hat jemand gesagt, daß es in der Politik unmöglich ist, so zu handeln, wie man sich etwa in einem Planspiel unter Gleichgesinnten in der Theorie die Dinge vorstellt. Politik geht immer vom Gewachsenen aus. Sie fängt nicht auf der grünen Wiese neu an. Sie kann nur vom Gewachsenen ausgehen. Deshalb kann ein solches Programm niemals das Idealbild eines Standes oder einer Gruppe sein. Wenn es das wäre, wäre das ein Grund für eine politische Gewissenserforschung. Die Ausgewogenheit - das habe ich vorhin schon gesagt - soll aber nicht nur auf die Sache und auf das Volumen bezogen sein, wenn wir die im Oktober prüfen, sondern auch in Beziehung auf den Menschen muß das Programm ausgewogen sein.
Nun möchte ich ausnahmsweise - mit Genehmigung des Herrn Präsidenten - aus einer Rede zitieren, die ich am 16. Februar 1966 - 1966! - hier gehalten habe:
Wir kommen in Zukunft mit Haushaltsplänen, die nur für ein Jahr aufgestellt sind, nicht mehr aus; die Vorschau auf drei bis fünf Jahre muß versucht werden. Ob dies ohne eine gesamtwirtschaftliche Vorschau möglich ist, ist eine Frage. Auch müßten solche Vorschauen jährlich auf Grund der inzwischen eingetretenen Entwicklungen ihre Korrektur erfahren. Hinter jeder Haushaltsposition sollte nach Möglichkeit der geschätzte Betrag für jedes der nächsten drei, vier oder fünf Jahre stehen.
Und am Schluß am 16. 2. 1966:
Die Bundesregierung sollte deshalb eine gesamtwirtschaftliche Vorschau für die nächsten Jahre vorlegen, in der nicht nur eine Vorschau auf die entsprechenden Haushaltsziffern, sondern auch die vermutete Produktivitätssteigerung und andere wichtige Daten enthalten sein sollten. Dabei müssen auch unvermeidbare strukturpolitische Änderungen gesehen und gewürdigt werden. Durch geeignete Anpassungsmaßnahmen sollten bruchartige Entwicklungen - ich betone: bruchartige - nach Möglichkeit vermieden werden; dagegen sollten die Entwicklungen als solche nicht beeinträchtigt werden.
Wirtschaft ist nicht Selbstzweck, sondern Mittel zum Zweck. Sie hat dem Menschen zu dienen. Wir wünschen die Fortführung der Wachstumspolitik mit Stabilität. Das ist nicht einfach und wird ein dauerndes Ringen bedeuten. Das Ringen um die Verbesserung der sozialen Lage der Bevölkerung ist eine ewige Auseinandersetzung. Es kann zu bestimmten Zeiten revolutionär oder evolutionär zugehen. Das evolutionäre soziale Ringen wird im Sinne der Verbesserung des sozialen Standings und auch der Verbesserung der Vermögens-, der Eigentumsstruktur nur bei einer Wachstumspolitik erfolgreich sein können. Unsere demokratische freiheitliche Ordnung, verbunden mit dem wirtschaftlichen Wachstum, garantiert erst diese Evolution. Die Freiheit, die Rechte und Pflichten der Sozialpartner einerseits und der jährliche Zuwachs des Bruttosozialproduktes andererseits bringen die Möglichkeit, die Lage der Bürger ständig zu verbessern, ohne die demokratische Ordnung zu gefährden.
Sehen Sie, Herr Hermsdorf, andere Leute haben vorher auch schon an Dinge gedacht, über die wir heute beschließen.
({8})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Junghans.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach den, glaube ich, sehr eindrucksvollen Ausführungen des Herrn Kollegen Burgbacher, denen ich zustimme, brauche ich nur auf einige Bemerkungen der FDP einzugehen.
Herr Kollege Burgbacher, ich bin mit Ihnen einig, daß es manchmal schwierig ist, in der Vergangenheit herumzuwühlen. Es ist manchmal vergnüglich und manchmal betrüblich, je nach dem Standort. Aber Sie dürfen es uns auch als neuem Koalitionspartner nicht verübeln, Herr Kollege Burgbacher - ich will es wertungsfrei sagen - und möchte da lieber die rechte Seite des Hauses ansehen -, daß wir uns gegen die Neigung zur Legendenbildung wenden. Wir haben es heute morgen gehört - es wird immer wieder gesagt -, Herr Minister Dahlgrün habe rechtzeitig gewarnt.
({0})
Wir setzen hinzu, meine Kollegen von der FDP: Wie steht es denn dann mit der Verpflichtung, die an diesem Ort ausgesprochen worden ist, Schaden von der Bundesrepublik Deutschland zu wenden? Ich will hier nicht auf Einzelheiten eingehen. Aber auch dort hätten Konsequenzen gezogen werden müssen.
({1})
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Genscher?
Herr Kollege, haben Sie nicht den Finanzbericht mit der mehrjährigen Finanzschau zur Kenntnis genommen, der diesem Hohen Hause im Februar 1966 zugeleitet worden ist und in dem die Entwicklung - wenn man nicht Einhalt gebietet - sehr genau abzulesen war?
Jetzt verstehe ich Sie gar nicht mehr. Ich habe Sie immer so verstanden, als hätten Sie die Briefe des Herrn Bundesfinanzministers Dahlgrün an den damaligen Bundeskanzler gemeint; denn aus diesen Berichten sind Sie ja selber nicht schlau geworden. So habe ich Sie heute verstanden mit der Warnung. Sie haben diese Briefe der Öffentlichkeit übergeben, um sich damit ein Alibi zu schaffen. Dagegen wehren wir uns. Um nichts weiter geht es hier. Ich bitte auch Herrn Kollegen Burgbacher, das so zu verstehen.
({0})
- Ja, das sagt man dann immer.
Welche Hypothese hat nun die Opposition, dargestellt durch die Kollegen Mischnick und Dr. Friderichs, abgesehen von Widersprüchlichkeiten, auf die ich Sie beim Nachlesen der Reden freundlich aufmerksam machen möchte? Vielleicht wäre es zweckmäßiger, sie stimmten die Reden mal aufeinander ab. Außer der Überschrift „Sein oder Nichtsein", die auch nicht von Ihnen stammt - sie ist schon einige Jahrhunderte älter -, hat der Herr Kollege Friderichs doch kein Gesamtkonzept der Alternativen vorgelegt. Er hat da eine Ausrede gebraucht; die kann man annehmen oder nicht. Er hat sich aber nach meiner Meinung und auch nach der Meinung meiner Freunde hier als der Vertreter partieller Interessen produziert.
({1})
- Ich sage es Ihnen gleich. Hier wird das Gespenst einer Inflation von dieser Seite an die Wand gemalt, und zwar mit dem Sündenbock: Das sind die sozialpolitischen Entscheidungen des Jahres 1957. Damit haben Sie hier ganz klar ausgedrückt: An der Misere heute ist die Rentenformel von 1957 schuld. Ich würde Ihnen nur sagen: Schluß mit dem Linksfahren: Fahren Sie weiter rechts! Ich darf in diesem Zusammenhang einmal zitieren
({2})
- das ist auch sehr nett -, was im Gegensatz zu Ihnen das Deutsche Industrieinstitut sagt. Ich komme damit auf Ihr Argument bezüglich der inflationären Entwicklung zurück. Hier heißt es:
Durch den gegenwärtigen relativen Produktionsausfall ist ein beträchtlicher Spielraum für eine nichtinflationäre Kreditexpansion vorhanden. Bei einer Kapazitätsauslastung der Wirtschaft von weniger als 80 % liegen zur Zeit Wachstumsmöglichkeiten in Größenordnungen von 25 bis 30 Milliarden DM ungenutzt.
Jetzt heißt es weiter:
Diesen Spielraum muß der Staat nutzen. Solange die Rezession anhält, ist gegen die kurzfristige Verschuldung des Staates nicht nur nichts einzuwenden, sie ist sogar dringend notwendig und erwünscht.
({3})
- Das Deutsche Industrieinstitut, so veröffentlicht im „Idustriekurier", nicht im „Vorwärts", auch nicht in „liberal". Und dann sagen Sie, die 8 Milliarden, die Sie treffsicher ausgerechnet haben - mein Kompliment, wir haben es auch schon getan -, seien zu reichlich.
Meine Damen und Herren, dann wird gesagt, die politische Planung sei nicht erkennbar, man habe zwar ein Zahlenwerk vorgelegt, aber nicht die Aufgaben. Meine Kollegen, was ist denn das, wenn hier doch eindeutig erkennbar erstmals Prioritäten bei Wissenschaft und Forschung und bei den Gemeinschaftsaufgaben gesetzt werden, wovon man früher nur sprach? Jetzt werden sie angepackt.
({4})
- Entschuldigen Sie! Im ERP-Investitionshilfegesetz ist in § 1 gesagt: Infrastrukturausgaben von Ländern und Gemeinden. Da steht etwas von Schulen, Krankenhäusern, Wasserwirtschaft, Luftreinhaltung usw. Ich will mich kurz fassen. Herr Kollege Burgbacher hat das ja alles schon treffsicher gebracht. Aber auch hier meine Empfehlung: Lesen Sie wenigstens die Vorlagen, die zur Verhandlung stehen!
({5})
- Aber Sie können doch nicht leugnen, daß 500 Millionen DM des Bundes, 1000 Millionen DM der Länder und 500 Millionen DM der Gemeinden für diese wichtigen Infrastrukturausgaben in diesem Zweiten Konjunkturprogramm stehen. Lesen Sie es doch wirklich nach! Zahlen können Sie doch wenigstens noch lesen.
({6})
Was wollen Sie nun wirklich mit Ihrer politischen Alternative, Herr Kollege Dr. Friderichs? Wollen Sie es darauf beschränken, aus einer 5 eine 4 zu machen?
Sie haben ferner die Verteidigung und das soziale Sicherungssystem erwähnt. Auf die Verteidigung will ich nicht eingehen. Das ist ein Problem, das wir nicht allein mit einem eigenen Konzept zu lösen vermögen. Sie wissen ja, daß dazu die Zustimmung unserer Verbündeten notwendig ist. Hier bestimmen wir also nicht alleine.
Aber Sie wollen das soziale Sicherungssystem in Frage stellen.
Darf ich Sie fragen, ob die Bundesregierung bisher ein verteidigungspolitisches Konzept vorgelegt hat, dem unsere Verbündeten die Zustimmung versagt haben.
Die Bundesregierung kann doch in diesem Hause erst dann ein verbindliches Verteidigungskonzept vortragen, wenn sie es mit den Verbündeten abgestimmt hat. Wir haben erfreulicherweise gehört - Sie haben es ja selber angemerkt - daß Bundesaußenminister und Bundesverteidigungsminister hieran arbeiten.
Aber was Sie in erster Linie in Frage stellen wollen, ist das soziale Sicherungssystem. Sie verlangen hier eine klare Konzeption, und Sie möchten die
Entscheidung von 1957 revidieren. Wenn das alles ist, dann halte ich Ihre Gegenposition für sehr schmal, sofern Sie nämlich als sogenannten Inflationsherd die Rentenformel von 1957 hier anführen. Wissen Sie, Sie sind mir ja schöne Liberale, wenn Sie die Marktkräfte so beurteilen, als ob sie tatsächlich von den Ausgaben der Rentner allein bestimmt würden.
Alles in Frage stellen, Herr Kollege Dr. Friderichs, ist der Motor allen Fortschritts, das hat schon Descartes gesagt. Auch das ist sehr alt; ich habe es als Naturwissenschaftler mal gelernt. Ich würde mich freuen, wenn dies bei Ihnen zum Motor würde und nicht zu einer moralischen Wertung führte, wie Sie sie vorgenommen haben, zu einer Einteilung in richtig oder falsch. Denn solche moralischen Wertungen, Herr Dr. Friderichs, wie Sie sie vornehmen - „das ist richtig, d a s ist falsch" - helfen uns nicht weiter; sie sind im Grunde unpolitisch.
({0})
- Sie haben gesagt, das ganze Konzept ist falsch.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Frage?
({0})
Würden Sie mir bitte erklären, welche moralische Wertung ich vorgenommen haben soll?
Entschuldigen Sie, ich habe es gerade erklärt. Ich verstehe unter einer moralischen Wertung: „schwarz - weiß", „richtig oder falsch".
({0})
- Ja, natürlich! ({1})
- Entschuldigen Sie; ich will hier keine Theologen bemühen; aber wenn Sie es so sehen wollen, Ihre Politik damit belasten wollen, ist das Ihre Sache.
({2})
Sie haben gesagt: „Die Projektion bis 1972!" Entschuldigen Sie, Herr Dr. Friderichs, dann verstehe ich wirklich nicht, was Sie gegen eine wachstumsorientierte Wirtschaftspolitik haben, gegen die Sie polemisiert haben. Ich will hier nicht unter die Wetterfrösche gehen und sagen: „Da wird das so oder so aussehen." Aber im übrigen müssen Sie dann auch das Gesetz lesen, in dem ja von einer jährlichen Überprüfung die Rede ist.
Zur Frage, warum denn nicht vorzeitig getilgt werden könne! Der Bundesfinanzminister und auch der Bundeswirtschaftsminister haben von dieser Stelle aus eindeutig die Versicherung abgegeben, daß sie, wenn die Finanzlage und die Einnahmeseite es gestatten, vorab eine Schuldentilgung vornehmen werden.
Ich bin auch sehr dankbar, daß Sie vor diesem Hause klar zum Ausdruck gebracht haben, daß Sie zur Ergänzungsabgabe nein sagen. Ich schließe mich im weiteren wegen der Wirkung der Ergänzungsabgabe den Äußerungen von Herrn Professor Burgbacher an; ich habe ihnen nichts hinzuzufügen.
Wenn Sie unter „Umstrukturierung der Ausgabenseite "nur eine Subsumierung partieller Interessen verstehen, wenn Sie darunter die Abgabe von Versprechen auf dieser oder jener Verbandstagung verstehen und nachher zusammenschreiben, was dabei herauskommt, dann, darf ich Ihnen sagen, verstehe ich Ihren sogenannten Mut zur Kürzung nur als einen Rückfall in das, was wir vorher schon einmal als „Gefälligkeitsdemokratie" apostrophiert gehört haben.
Herr Kollege Dr. Friderichs, Sie haben doch selber gesagt - ich kann das nur unterstreichen, aber jetzt auf Sie beozgen -: Alternativen kann man nur dann vorbringen, wenn etwas da ist. Sie und auch der Kollege Mischnick haben davon gesprochen, welche großen Reformen vor uns stehen. Es wird Ihnen doch sicherlich bekannt sein, meine Damen und Herren, daß diese Reformen nicht erst seit dem Dezember 1966 anstehen; über diese Reformen - Große Finanzreform usw. - ist in diesem Hause seit Jahr und Tag geredet worden. Ich möchte nur replizieren, meine Damen und Herren von der FDP: die Große Koalition besteht nach den Worten des Bundeskanzlers - und das stimmt wohl auch - heute neun Monate; Sie haben dreizehn Jahre lang mit Zeit gehabt, - ({3})
- Doch, dreizehn Jahre! Ich habe es mal nachgerechnet, wie lange Sie in der Regierung waren.
({4})
- Dann habe ich es falsch gerechnet; lassen Sie es zehn Jahre sein, spielt auch keine Rolle.
Hier wird doch mit diesen Vorlagen tätig - tätig, meine ich jetzt; nicht nur im Wort und in der Deklamation - ein Schritt des Weges gegangen. Hier werden in der mittelfristigen Finanzplanung und im Zweiten Konjunkturprogramm eindeutig neue Prioritäten gesetzt. Das ist ebenfalls ein tätiger Schritt auf dem Wege zur Finanzreform. Und denken Sie nochmals an die Gemeinschaftsaufgaben: auch davon wird hier nicht nur in schönen Aufsätzen usw. geredet, sondern hier wird der Anfang gesetzt. Wir sehen die Aufgaben der Zukunft. Wir wissen, daß in der Wirtschaft strukturelle Veränderungen unvermeidlich sein werden, und wir wollen der Wirtschaft bei diesen strukturellen Veränderungen durch ein wirtschaftliches Wachstum helfen. Wir wissen, daß in Zukunft soziale Investitionen mehr denn je, mehr als heute notwendig sein werden. Auch für moderne soziale Interventionen wird man Mittel brauchen. Denken Sie an Beschäftigungspolitik, an Berufsausbildung, an Mobilität der Arbeitskräfte und an all das, was noch auf uns zukommt.
Ich will mich nicht wiederholen; Herr Kollege Dr. Burgbacher hat das alles .schon gesagt. Wir glauben jedenfalls, daß bei allen Einwendungen im einzelnen - alles auf einmal kann man nicht haben, man kann nicht nur den Sonnenschein haben, sondern
muß auch die Schatten in Kauf nehmen; das gilt z. B. für die Steuererhöhungen, die uns gar nicht schmekken - doch mit diesem Programm und mit diesen Vorlagen ein wichtiger Schritt in die Zukunft getan wird, der dazu beiträgt, daß die Wirtschaft und, wie wir meinen, auch die Arbeitnehmer in die von uns mitgetragene Bundesregierung weiterhin Vertrauen haben können.
({5})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Emde.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben hier aus den Worten des Kollegen Junghans vernommen, wie sehr er entweder nicht begriffen hat, was wir gesagt haben, oder wie sehr er sich bemüht hat, uns mißzuverstehen. Meine Damen und Herren, wir werden das Exerzitium noch einmal vornehmen, wir werden noch einmal versuchen, auch Herrn Junghans klarzumachen, worum. es 'in diesen Dingen geht. Ichglaube diese Debatte führt ,allmählich zu einem Zwiegespräch im Parlament und wir sind bereit auf all die Fragen, die Sie jetzt an uns gestellt haben, in der entsprechenden klaren Form Antwort zu geben. Wir hoffen nur, daß auch die Regierung heute hier auf unsere Fragen antwortet, die der Kollege Mischnick und die der Kollege Friderichs ein zweites Mal vorgetragen haben. Damit sich hier nicht die Idee verbreitet, wir fragten aus rein rhetorischen Gründen, werde ich diese Fragen ein drittes Mal stellen und ein wenig tiefer graben, mag das für die eine oder andere Gruppe in der Koalition unangenehm sein, in der Erwartung, daß dann endlich die Minister und der Bundeskanzler hier zu den Problemen so klar und deutlich Stellung nehmen, wie es bei der großen Aufgabe, um die es geht, notwendig ist.
({0})
Wenn wir heute hier eine Sondersitzung haben, zu der der Bundeskanzler das Parlament gebeten hat - wobei völlig vergessen wurde, daß wir Wochen darum gekämpft hatten -, dann bedaure ich, daß der Bundeskanzler nicht der ganzen Debatte hier folgt. Eine in etwas müder Form vorgetragene Regierungserklärung ist nicht die äquivalente Behandlung des Parlaments in diesen Fragen.
Meine Damen und Herren, der Bundeskanzler sprach von der schmerzlichen Krise des vorigen Herbstes. Es gibt keinen Zweifel, daß wir im vorigen Herbst eine labile Situation hatten, aber doch nur darum, weil damals keine Entscheidungen gefällt werden konnten. Das, was dann als schwere Erbschaft der Vergangenheit dargestellt wird, was dann von den Kollegen Hermsdorf und Junghans als eine Art Katastrophenpolitik mit dem Offenbarungseid einer alten Politik dargestellt wird,
({1})
nun, das ist garantiert nicht die richtige Bewertung der Politik in Deutschland, die von 1949 bis 1966 betrieben worden ist.
({2})
Ich sage das ohne Rücksicht darauf, ob wir dabei in der ganzen Zeit mit in der Koalition gesessen sind oder, wie in einem Teil der Jahre damals, Opposition geübt haben.
Um hier noch einmal einer Geschichtskitterung zu widersprechen, möchte ich das, was ich in der dritten Lesung des Bundeshaushalts schon einmal für meine Fraktion vorzutragen die Ehre hatte, wiederholen: In diesen neun Monaten der Großen Koalition ist zwar Arbeit geleistet worden, aber nicht in dem Sinne „die große Arbeit", wie es der Bundeskanzler darzustellen beliebte. Das Mehrwertsteuergesetz war praktisch so weit fertig, daß es nur noch im Plenum verabschiedet zu werden brauchte. Das Stabilitätsgesetz war so weit durchverhandelt, daß es, ergänzt um Regelungen für einen Konjunkturabschwung, verabschiedungsreif war. Das Problem des ersten Investitionshaushalts war in einer Diskussion zwischen SPD und uns von der FDP positiv behandelt, so daß die neue Regierung sich bloß über die Ausführung eines solchen Investitionshaushalts klarzuwerden brauchte. Der Haushalt 1967 war so weit vorbereitet, daß bloß Entscheidungen - so oder so - zu fällen waren.
({3})
- Ja, meine Damen und Herren, es ging doch nur noch um Entscheidungen, bei denen man nur ja oder nein zu sagen brauchte.
({4})
- Herr Pohle, wir haben doch Jahre mit Ihnen verhandelt und wir haben erlebt, wie Sie jede einzelne Position dann hier verteidigt haben, auch wenn sie völlig im Gegensatz zu dem stand, was Sie drei Monate vorher in den Verhandlungen mit uns gesagt haben.
({5})
- Herr Pohle, ich bringe Ihnen gerne ein Beispiel. Sie haben mir im Dezember 1965, als wir uns über die Branntweinsteuer- und die Sektsteuererhöhung strittig waren, erklärt: Ich werde nie mitmachen, wenn eine Mineralölsteuererhöhung kommt; das ist die letzte Steuererhöhung, die ich mitzumachen bereit bin! - Herr Pohle, Sie sind Sprecher der CDU/ CSU in den Koalitionsgesprächen über das Haushaltssicherungsgesetz des Dezember 1965 gewesen, und ich könnte weitere Beispiele anführen. Ich glaube aber, dieses eine Beispiel sollte genügen. Ich bringe keine Attacke gegen Kollegen dieses Hauses vor, wenn ich nicht in der Lage bin, meine Behauptungen Wort für Wort bis ins letzte zu belegen.
({6})
- Aber Herr Pohle, wir alle wissen es genau! Glauben Sie mir auch wenn ich manchmal so ein bißchen unbeteiligt dabeisitze, ich mache mir Notizen. Wir haben Aktenvermerke über alle diese Besprechungen gemacht, und ich bin gern bereit, diese Aktenvermerke mit Ihnen auszutauschen.
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Der Herr Bundeskanzler hat uns nun heute die mittelfristige Finanzplanung vorgetragen. An sich war das ja ein Stück politischer Willenserklärung, das von der Regierung im vorigen Dezember hätte abgegeben werden sollen. Denn wenn eine Regierung nach so langwierigen Koalitionsbesprechungen, die von den verschiedenen Partnern dann auch noch als größte politische Bestandsaufnahme der Bundesrepublik dargestellt werden, zustande kommt, sollte eine solche Regierung präzise wissen, welches Programm sie hat, was dieses Programm kostet und wie ein solches Programm finanzierbar ist. Aber die Bestandsaufnahme im vorigen Herbst hat doch nur zur Feststellung damals bekannter Probleme geführt, und das, was als politische Zukunftserklärung abgegeben wurde, war nichts weiter als die Darstellung allgemeiner Absichten, die wenig aussagekräftig und durchaus unverbindlich blieben. Garniert waren diese Zukunftserklärungen im vorigen Herbst mit vielen Entschuldigungen über Art und Methode des Zustandekommens dieser Koalition, verbunden mit der Absicht, durch die Änderung des Wahlgesetzes die politische Opposition auszuschalten.
Nunmehr aber ist die Regierung nicht mehr länger in der Lage, den Problemen auszuweichen. Nun muß, nach monatelanger propagandistischer Vorbereitung, endlich regiert werden, und Bundestag und deutsche Öffentlichkeit erleben jetzt den Versuch der Regierung, eine der großen Aufgaben anzupacken, zu deren Lösung sich die Koalitionspartner ja angeblich zusammengefunden haben. Über diesen Versuch der alten Regierung im vorigen Jahr, im Rahmen einer Finanzplanung Entscheidungen zu fällen, ist hier schon mehrfach gesprochen worden, insbesondere von dem Kollegen der SPD, der mit einem gewissen Schwerpunkt in der Argumentation sagte: Ihr wart ja gar nicht fähig, euer Finanzminister taugte überhaupt nichts, und die Zahlen haben nicht gestimmt. Nun, das stimmt in keiner Weise. Die Zahlen, die im vorigen Jahr zur Verfügung standen, sind Februar/März im Finanzbericht der Bundesregierung niedergelegt worden. Im Frühjahr ist ein Ausschuß zur längerfristigen Finanzplanung zusammengestellt worden, der auch eine Fülle von Material zusammengestellt hat, mit dem einen Fehler - hier allerdings gebe ich der Opposition recht -, daß man sich dann nicht einig war über die Entscheidungen, die sich aus den Vorschlägen der Ministergruppe über die langfristige Finanzplanung ergaben. Daran ist die Regierung zerbrochen, und dadurch ist natürlich eine gewisse Schwierigkeit entstanden, aber nicht eine Schwierigkeit der Art, wie sie der Bundeskanzler als Kontrastprogramm darstellt, um im Gegensatz dazu entwickeln zu können, welche gewaltigen Leistungen er mit seiner Koalition heute vollbracht hat.
Herr Bundeskanzler, Sie haben mit Ihrer schwarzroten Großen Koalition versprochen, alles besser zu machen, was nicht in Ordnung sei. Elegante Reden, neue, überraschende, zum Teil unverständliche Wortschöpfungen haben Ihnen eine einmalig günstige psychologische Ausgangsstellung gegeben, von der aus Sie so ziemlich alles hätten unternehmen können.
Auch wird von der Opposition haben die Mitarbeit angekündigt. Mit Genehmigung des Herrn Präsidenten zitiere ich das, was ich im Namen meiner Fraktion in der Debatte vom 26. Januardieses Jahres in der Aussprache zur Regierungserklärung gesagt habe: Die FDP wolle überall mitarbeiten; wir wollten ja sagen, wenn wir den Maßnahmen zustimmen könnten; wir würden nur dann nein sagen, wenn wir die Maßnahmen für falsch hielten; wir würden Kritik üben, nicht um Gegensätze aufzureißen, sondern um Alternativen zu schaffen und Fehlhandlungen zu vermeiden.
Aber hat die Regierung diese Chance genutzt, die sich ihr im vorigen Dezember bot? Falsche Entscheidungen wie die Steuererhöhung des Dezember 1966, unverständliches Zögern bei der Etatberatung, Ressortstreitigkeiten bei der Verteilung der Mittel im ersten Investitionshaushalt haben doch- erst die labile Lage zu dieser kritischen Situation verschärft, in der wir uns heute befinden.
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Die Arbeitslosenquote lag im November bei 1 %, im Dezember bei 1,6 %. Sie ist erst zum 15. Februar auf diese 3,1 % gestiegen.
Wenn der Herr Bundeskanzler immer wieder von der schweren Erbschaft spricht, - nun, ganz fair ist das nicht gegenüber den Kollegen seiner Fraktion, die hier in diesem Hause sitzen. Denn in erster Linie hat doch die Mehrheit der Unionsparteien in diesem Hause die Macht in der Bundesrepublik gehandhabt. Sich so von der eigenen politischen Gruppe zu distanzieren, um sein politisches Gesicht in der Gegenwart aufzubauen, - nun, das mag Herr Kiesinger machen. Wir halten das für einen schlechten Stil politischer Propaganda.
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Auch der Bundekanzler persönlich hat doch die Lage völlig verkannt. Sie brauchen bloß seine Rede zur zweiten Lesung dieses Bundeshaushalts nachzulesen, in der er am 7. Juni gesagt hat: „Das, was die vorige Regierung nicht fertiggebracht hat,- haben wir binnen weniger Wochen geschaffen", und weiter: „Wollen Sie leugnen, daß wir binnen weniger Wochen den Haushalt 1967 ausgeglichen haben?" So sahen Sie die Dinge, Herr Bundeskanzler. Binnen weniger Wochen hatten Sie das Problem gelöst. Nun, einen Monat später war es vorbei mit der Fähigkeit, binnen weniger Wochen die Probleme zu lösen. Da begann auch für Sie der Ernst des Bundeskanzlerdaseins. Denn mit dem Etat 1967 war zwar eine Übergangsregelung gefunden, in Wahrheit aber kein Problem gelöst worden. Jetzt liegen die Probleme auf dem Tisch. Eines ist wohl hoffentlich jedermann klargeworden: daß dieser Staat nicht allein zu regieren ist mit Charme, Beredsamkeit und landesväterlicher Tugend, sondern daß sich dazu Fachwissen, eiserner Fleiß und Entschlossenheit gesellen müssen, wenn die großen Probleme unseres Volkes in der heutigen Zeit gelöst werden sollen.
Nun hat die Regierung in der Grundkonzeption ihrer Maßnahmen eine erstaunliche Unsicherheit gezeigt. Sie bemäntelte diese Unsicherheit in einer genialen Wortschöpfung, nämlich mit dem Begriff
„Zielkonflikt". Es wäre eine reizvolle Aufgabe für Sprachforscher, die in den letzten Monaten geprägten neuen Begriffe in Gebrauchsdeutsch zu übersetzen. Das würde nicht immer leicht, aber es würde sehr nützlich sein. Denn was kann sich der Bürger in unserem Land schon unter „konzertierter Aktion" oder unter „sozialer Symmetrie" vorstellen? Das Wort „Mifrifi" klingt für die durch die angekündigten Steuererhöhungen aufgescheuchten Steuerzahler doch fast wie Rififi.
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Daß ein „antizyklischer Seitensprung" nichts Amouröses ist, ergibt sich aus der Tatsache, daß dieser Begriff erstmalig auf der Bundespressekonferenz von einem Minister vorgetragen worden ist; aber mehr, Herr Minister, weiß selbst der gebildete Bürger nicht.
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Die richtige Ausdeutung des Wortes „Zielkonflikt" scheint mir zu lauten: die Regierung weiß nicht, wofür sie sich entscheiden soll. Es ist genial, wie ein einfaches Wort Dinge verdecken kann. Man hat bei einem ganz großen Meister gelernt, und ich möchte einige Zeilen zitieren:
Am besten ist's auch hier, wenn ihr nur Einen hört
Und auf des Meisters Worte schwört. Im ganzen - haltete euch an Worte! Dann geht ihr durch die sichre Pforte Zum Tempel der Gewißheit ein.
({12}) - Das stammt aus dem Faust.
Zielkonflikt - die Regierung weiß also nicht, wofür sie sich entscheiden soll: für die Konjunkturbelebung oder für den Haushaltsausgleich. Ich glaube, so ist es doch richtig dargestellt. Gewählt hat man - wie könnte es anders sein - einen Kompromiß: ein Stück Wirtschaftsbelebung, kombiniert mit dem unsicheren Versuch, den Etat auszugleichen, ein tapferes Sowohl-als-auch, das Sowohl der Konjunkturspritze und das Als-auch des Haushaltsausgleichs, zu allem Unheil aber belastet mit neuen Steuererhöhungen.
Meine- Damen und Herren, sind denn eigentlich die Erfahrungen der letzten Monate alle umsonst gewesen? Hat die Regierung nicht aus den Fehlern der Steuererhöhung des Dezember 1966 gelernt, wo es durch die massiven Eingriffe in die deutsche Kraftfahrzeugwirtschaft zu der Flaute in der Autoproduktion gekommen ist? Haben diejenigen Mitglieder der Regierung und der Regierungsparteien, die seit dem Winter Steuererhöhungen als konjunkturdämpfend bezeichneten, inzwischen ihre Meinung wieder geändert? Sollen wir in dieser Debatte alle Redner zitieren, die sich z. B. bei der Einführung der Mehrwertsteuer gegen Manipulationen mit der Höhe des Steuersatzes gewandt haben? Wir haben in unserer fdk-Korrespondenz am 12. Juli eine kleine Zusammenstellung der Erklärungen führender Koalitionspolitiker zur Möglichkeit der Erhöhung der Mehrwertsteuersätze gebracht. Keiner von diesen Koalitionspolitikern war damals für diese Erhöhung. Jetzt soll es dann doch so sein Diejenigen, die damals dagegen argumentiert haben, müssen nun wenige Wochen später diese Erhöhung als vernünftig und sinnvoll vertreten.
Am 26. April haben wir hier im Parlament für die Mehrwertsteuer einen Satz von 10 % beschlossen. Am 6. Juli hat die Regierung die Erhöhung der noch nicht in Kraft befindlichen Steuer in zwei Stufen von je einem halben Prozent zum 1. Januar 1968 und 1. Januar 1969 beschlossen. Entrüstung im ganzen Lande. Ein neuer Plan der Regierung. Am 14. Juni 1967 ein neuer Vorschlag der Regierung: Erhöhung um 1 % am 1. Juli nächsten Jahres. Glaubt denn jemand, daß ein derartiges Hin und Her Vertrauen auslöst? Glaubt jemand, daß so Ruhe und klare Kalkulationsmöglichkeiten in die Betriebe kommen? Glaubt man, mit dem Hin und Her hinsichtlich der Entlastung der Altvorräte einen sinnvollen Bestellungsrhythmus in den Betrieben herbeizuführen? Glaubt die Regierung, daß mit der erstmaligen Einführung der Ergänzungsabgabe die Investitionsneigung der Betriebe gestärkt wird? Ist sich die Regierung im klaren darüber, daß die Veränderung des Körperschaftsteuersatzes bei Sparkassen und Kreditgenossenschaften eine Strukturveränderung im deutschen Bankwesen zur Folge haben wird? Ist diese Strukturveränderung von der Bundesregierung gewollt? Oder sind alle diese Entscheidungen nur einfach so obenhin gefällt worden, nur um mehr Geld in die Kassen des Staates zu bekommen? Glaubt die Regierung, daß ihre Vorschläge zum Haushaltsausgleich ausreichend sind, um die Dinge auf Dauer zu lösen? Glaubt die Regierung
' wirklich, daß das, was sie uns als Einsparungen und Streichungen vorträgt, auch überall parlamentarische Mehrheiten findet? Glaubt die Regierung daß es sinnvoll ist, mit Tricks und unechten Streichungen der Bevölkerung vorzuspielen, welche gewaltigen Abstriche man an den Ausgaben künftiger Haushaltsjahre gemacht habe? Nein, das kann die Regierung nicht alles geglaubt haben; dazu sind die Männer, die dort auf der Regierungsbank sitzen, viel zu klug.
Aber untersuchen wir doch einmal die. Dinge im einzelnen! Beim Verteidigungshaushalt hat es im Laufe der letzten Monate eine heftige öffentliche Auseinandersetzung gegeben, durch die Zug um Zug bestätigt wurde, was wir als Oppositonspartei zur Höhe der Streichungen im Verteidigungshaushalt gesagt haben. „Im Bereich der militärischen zvilen Verteidigung werden jährlich zwischen 2 und 21/2 Milliarden gestrichen!" Erschreckte Gemüter und manche Polemik aus dem Regierungslager war darauf abgestellt, Gemüter zu erschrecken - konnten folgern, daß hier nun tatsächlich die Mittel der Verteidigung gekürzt werden sollten. Nun, wir wissen aus der Diskussion der beiden zuständigen Minister und wir wissen aus den Darlegungen, die der Bundesfinanzminister heute hier gemacht hat, daß man in Wirklichkeit nur die Zuwachsraten gekappt hat. Nichts anderes ist bei den sogenannten Kürzungen im Verteidigungshaushalt geschehen. Wenn man einmal die Zahlungen aus dem deutschamerikanischen Devisenausgleichsabkommen herausnimmt, wenn man das dazuzählt, was über den ersten und den zweiten Investitionshaushalt dem
Verteidigungsetat im Jahre 1967 zugeschlagen wird, und sich klarmacht, daß damit das Haushaltsjahr 1968 entlastet wird, dann sieht man doch, daß praktisch nichts gestrichen worden ist, daß im Gegenteil der Plafond wächst.
Ich beziehe mich hier auf die Darstellung des Berichterstatters bei der zweiten Lesung des Bundeshaushalts, in der der Kollege Gierenstein von den Unionsparteien erklärt hat: Wenn man den Verteidigungshaushalt auf seinen Kern zurückführt - den des Jahres 1967 -, verbleibt ein Plafond von 18,3 Milliarden DM. So ist die Realität im Verteidigungshaushalt des Jahres 1967, so daß definitiv mit dem, was an Mitteln in den nächsten Jahren zur Verfügung steht, kein Soldat entlassen zu werden braucht, daß die heutige Zielprojektion der Bundeswehr, so wie sie früher einmal vorgestellt war, fortgeführt werden kann. Man kann allerdings die Bundeswehr nicht um 60 000 Mann verstärken, man kann nicht all die zusätzlichen Beschaffungen, die irgendwann einmal im vorigen Herbst in die Diskussion eingeschleust wurden und die auch in der alten Regierung Erhard weder beraten noch beschlossen worden waren, zur Basis von Berechnungen machen. Das ist hier geschehen.
Meine Damen und Herren, die Diskussion im Juli hat gezeigt, wie wenig Substanz in diesem überhöhten Zahlenmaterial gesteckt hat. Es ist nur bedauerlich und ein Zeichen für die Situation des Kabinetts, daß der Bundeskanzler die Auseinandersetzungen über den Verteidigungshaushalt nicht herbeigeführt hat, ehe die mittelfristige Finanzplanung der Öffentlichkeit vorgelegt wurde, sondern daß uns ein Zahlenrahmen bekanntgegeben wurde und dann erst in der Öffentlichkeit die zwei Minister - der Verteidigung und der Finanzen - vor allen Augen und Ohren über die Zukunft unserer militärischen Verteidigung und unserer staatlichen Sicherheit eine Auseinandersetzung führten, von der einer gesagt hat, die Russen könnten sich einen Teil ihrer Geheimdienste in der Bundesrepublik sparen, wenn solche Sachen auf offenem Markt behandelt werden.
({13})
Solche Dinge sind nicht geeignet, das Vertrauen zu
anderen Entscheidungen des Kabinetts zu stärken.
Darf ich Ihnen, Herr Bundeskanzler, aber einen anderen Trick bei den vorgesehenen Streichungen nennen? Im Familienlastenausgleich werden ab 1969 schätzungsweise 300 Millionen DM mit der Begründung eingespart: Verzicht auf die am 26. August 1966 von der alten Bundesregierung grundsätzlich beschlossene Erhöhung des Kindergeldes ab 1969. Man kann doch nur streichen, was tatsächlich beschlossen worden ist. Es gab keinen Gesetzentwurf, keinen Parlamentsbeschluß, es gab keine Koalitionszustimmung der FDP im Jahre 1966. Es gab auch keinen definitiven Kabinettsbeschluß über Höhe und Umfang dieser Erhöhung des Kindergeldes. Das Nichtverfolgen von politischen Plänen der einen oder anderen Partei, der einen oder anderen Gruppe ist doch nicht eine ernsthafte Streichung im Haushalt. Das entspricht doch der Methode unseriöser Handelsschacherei, bei der zuerst das Doppelte verlangt wird und der Verzicht auf die erhöhte Forderung als besondere Kulanz im geschäftlichen Leben dargestellt wird.
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Das sollte diese Regierung doch wirklich nicht nötig haben.
Im Verkehrssektor sollen ab 1968 mehr als 1 Milliarde DM eingespart werden, obwohl jeder weiß, daß die Maßnahmen für Verkehrsbauten aufgestockt werden müssen und auch tatsächlich aufgestockt werden. Hier ist es doch so, daß das, was man an Streichungen - für das Jahr 1968 z. B. in Höhe von 500 Millionen DM - erreicht, über die beiden Investitionshaushalte in diesem Jahr bereits vorweggenommen ist. Es ist nicht falsch, das vorwegzunehmen und vorauszuleisten. Aber es ist für die Öffentlichkeit zumindest trügerisch, wenn man erklärt, daß man eine Streichung vornimmt, wenn man im ordentlichen Haushalt Positionen wegnimmt, die man über den Investitionshaushalt im Jahre vorher bereits dotiert hat.
Ganz genial ist die Operation bei der Rentengesetzgebung. Seit 1957 hat die CDU der Bevölkerung das Rentensystem als der Weisheit letzten Schluß angepriesen und alle Vorausberechnungen, alle Warnungen in den Wind geschlagen. Das System, die Renten nach der Entwicklung der Löhne und Gehälter zu berechnen, mußte doch eines Tages dazu führen, daß weder steigende Bundeszuschüsse noch der Abbau der Rücklagen den Ausgleich zwischen Einnahmen und Ausgaben würde herstellen können. Die Erhöhung der Leistung der Beitragspflichtigen im größeren Umfang war von Fachleuten immer vorhergesagt worden. Sie von der CDU haben das immer bestritten. Sie haben mit gekonnter Dialektik versucht, alle diejenigen als unsozial zu deklassieren, die auf diesen Tatbestand hingewiesen haben. Heute versuchen Sie nun, einen Ausweg zu finden, der Ihnen das Gesicht läßt, einen Ausweg, bei dem Sie sagen können: Seht, wir haben doch recht gehabt. Sie führen eine Abgabequote an die Krankenversicherung ein. Das ist in Wirklichkeit eine Verringerung der Zahlung an die Rentenberechtigten. Sie heben die alte Obergrenze für die Versicherungspflicht auf und verschaffen sich so einige Hunderttausende neuer Zahlungsverpflichteter, die Ihnen im Moment mehr Einnahmen, aber in wenigen Jahren steigende Ausgaben und vergrößerte Defizite bringen werden. Und Sie erhöhen die Beiträge. Sie haben den Tag gewonnen, und darauf scheint es anzukommen. Das Heute ist die Parole; um die Zukunft mögen sich die anderen kümmern. Sie behaupten, die Rentenformel verteidigt zu haben, und haben doch in Wirklichkeit begonnen, die Rentenformel auszuhöhlen. Sie haben, wie wir das als Soldaten im Krieg genannt haben ,schräg von hinten durch die Brust ins Auge operiert.
({15})
- Herr Kollege, wir kommen.
Das alles ist die Methode der Streichungen im Haushalt: unechte Streichungen, ergänzt durch Einsparungen, für die Sie keine Sachvoraussetzungen geschaffen haben, die Methode verdeckter System6022
veränderungen, die offen vor der Bevölkerung beim Namen zu nennen, niemand den Mut hat.
Und die Einnahmenseite, die Steuererhöhungen in Höhe von 1,8 Milliarden DM? - Nun, sie sind schon lange genug diskutiert worden. Sie reichen nicht aus, um die Einnahmen zu beschaffen, die der Finanzminister braucht. Dafür ist es viel zu wenig. Sie genügen aber, um die Romantiker einer falschen Sozialpolitik zu beschwichtigen, sie genügen, um diesen Romantikern, die in Wahlkämpfen ja eisenharte Kämpfer sind, Wahlargumente zu bieten, mit denen sie dann vor der Wählerschaft beweisen wollen, wie sehr sie um soziale Gerechtigkeit besorgt waren, indem sie auch den Steuerzahler mit in die Verpflichtungen dieser Belastungen heute eingebaut haben. Das ist eine Methode, die wir nicht mitmachen können, eine Methode, die wir immer abgelehnt haben. Meine Damen und Herren gerade von der SPD, wenn Sie die Frage stellen: „Wenn Sie diese Methode ablehnen, wie wollen Sie es dann machen, wie wollen Sie sich in dieser Konjunktursituation verhalten, wie wollen Sie den Ausgleich schaffen?" so antworten wir, daß wir keinen Zweifel daran gelassen haben, daß das Problem der Konjunkturpolitik bei uns Kategorie eins der Überlegungen ist, daß für uns die Lösung der Konjunkturfrage mit die Voraussetzung für die gedeihliche Weiterentwicklung auch der Bundesfinanzen ist.
Aber ich möchte hier, wenn ich nun auf das Problem der Darlehen zu sprechen komme, eines gegenüber Herrn Professor Burgbacher völlig klarstellen. Die Tatsache, daß dieser Staat so wenig öffentliche Schulden hat, ist doch nicht das Ergebnis einer generationenlangen klugen, weisen Finanzpolitik, sondern ist die traurige Folge zweier Währungsreformen mit der totalen Vernichtung der Vermögen.
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Das als eine besondere Ausgangsstellung hinzustellen, das zu begrüßen und als Begründung dafür anzuführen, daß man jetzt Schulden machen könne, das ist das Schlechteste und Falscheste, was überhaupt an Argumenten vorgetragen werden kann.
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Natürlich sind wir der Meinung, daß man Darlehen aufnehmen muß, daß die heutige Konjunkturbelebung im Rahmen der Investitionshaushalte nur über Darlehensbeschaffung möglich war. Aber wenn man im Jahre 1967 runde 11 Milliarden DM, im Jahre 1968 runde 7 bis 8 Milliarden DM aufnimmt - also allein beim Bund 18 bis 19 Milliarden DM, wobei unser Schuldenstand Ende des vorigen Jahres 35 Milliarden DM ausmachte -, dann muß man sich darüber klar sein, wie lange und wie weit diese Politik getrieben werden soll, wann der Zeitpunkt gekommen ist, an dem man dann von der Darlehenspolitik umpolen und zu einer normalen, gesunden Finanzpolitik zurückkehren muß.
Herr Bundeswirtschaftsminister, wir haben große Sorge, die verstärkt wird durch Indizien in der Vorlage und in der Argumentation des ganzen Zahlenwerks, das wir heute erlebt haben. Ein Indiz ist, daß diese Fünf-Jahres-Planung im Jahre 1967 beginnt und damit das, schlimme Jahr 1972 ausgeklammert ist, von dem wir nur wissen, daß wir dann 8 Milliarden DM zurückzahlen sollen, von dem wir aber keine Übersicht über die sonstigen Positionen des Haushalts haben.
Herr Minister, gestatten Sir mir, einen weiteren Grund größter Sorge anzuführen. Daß gerade in der heutigen Situation das Notenbankgesetz geändert werden muß, daß gerade jetzt, in diesem Moment, die Erhöhung des Plafonds von 3 auf 6 Milliarden DM für den Bund und der entsprechenden Positionen bei Ländern und Gemeiden kommt, kann einen zu der Vermutung bringen, daß nunmehr die Vorstellungen der Regierung oder zumindest von Teilen der Regierung dahin tendieren, wenigstens das zu machen, was wir eine Politik des leichten Geldes nennen.
Ich glaube, es ist Pflicht der parlamentarischen Opposition, in der ersten Stunde, in der solche Gefahren oder solch ein Verdacht auftauchen, sie in aller Deutlichkeit hier vorzutragen, um der Regierung die Möglichkeit zu geben, durch ihre Darstellung, durch ihr Dementi, durch ihre Erklärung klarzulegen, daß sie eine solche Politik nicht wilL Herr Bundeswirtschaftsminister, wir wären Ihnen dankbar, wenn Sie ganz klar und drastisch das ausschalteten, was ich eben hier im Rahmen meiner parlamentarischen Verantwortung als Gefahr vorzutragen mich verpflichtet fühlte.
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Meine Damen und Herren, nur ganz wenige Worte noch zum Investitionshaushalt. Er ist in Wirklichkeit doch nur eine Summierung von unzähligen Posten, die bei der letzten Etatberatung unter den Tisch gefallen sind. Ich brauche doch bloß den Neubau der Zollschule in Sigmaringen mit einer Million DM als Symbol zu nehmen oder an die eine Million für ein Programm der Deutschen Welle zu erinnern. Das sind doch alles Dinge, die wir im Haushaltsausschuß oder in den Vorbesprechungen gestrichen haben. Hier ist doch ein Sammelsurium von Maßnahmen, die in der Etatberatung herausgeflogen und in den Investitionshaushalt hineingepackt worden sind. Hier liegt z. B. einer der Gründe für unsere tiefen Zweifel an diesem Investitionshaushalt.
Zur Abkürzung des Verfahrens will ich aber nicht weiter in diesem Rahmen meiner Möglichkeiten argumentieren, sondern zur Frage der Alternative kommen. Es ist ganz richtig: Kritik, die über das Aufzeigen von Problemen und Schwierigkeiten hinausgeht, ist nur dann berechtigt, wenn man bereit ist, Alternativen 'zu setzen und ein eigenes Gegengebäude zu 'errichten. Meine beiden Vorredner, die Kollegen Mischnick und Friderichs, haben schon ebenso wie ich einen Teil unserer Vorstellungen drastisch dargelegt. Wir sind dafür, die Steuererhöhungen ersatzlos 'zu streichen, weil wir dann allerdings nicht zwei ungleiche Hälften eines Programms zusammen haben, sondern zwei gleiche Hälften eines Programms bekommen, die beide das Ziel haben, die Konjunktur zu beleben und eine sinnvolle Finanzpolitik für die Zukunft zu ermöglichen. Ich glaube, das muß als ganz klare Alternative der Opposition der FDP zu dem Gesamtspiel der ReDeutscher Bundestag --- 5. Wahlperiode Dr. Emde
gierung gesehen werden. Ich weiß natürlich - wir haben ja auch Erfahrung -, wie schwierig es ist, in einer Koalition zu Entscheidungen zu kommen. Das wird immer schwierig sein. Es wind immer ein Kompromiß gefunden werden müssen. Bitte nehmen Sie, Herr Bundesinnenminister, das nicht als Argument für das Persönlichkeitswahlrecht und die absolute Mehrheit einer Partei;
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denn auch in der einen Partei ist es dann schwierig, die unterschiedlichen Gruppen so unter einen Hut zu bringen, daß Sie Kompromisse ausschließen können.
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Das Problem dieses Kompromisses ist doch, daß der Bundeswirtschaftsminister Steuererhöhungen, die er für seine Konjunkturpolitik nicht brauchen konnte, aus Gründen übergeordneter Regierungs-
und Koalitionsüberlegungen zustimmen mußte. Ich habe auch den Eindruck, daß der Bundesfinanzminister diese Steuererhöhung gar nicht so gern gesehen hat, daß er vielmehr bereit gewesen wäre - das habe ich zumindest heute aus seinen Worten empfunden, und das ist der Eindruck vieler Worte, die ich in den vergangenen Monaten von ihm gehört habe -, in die Substanz des Etats einzugreifen und den Ausgleich allein durch Streichungen herbeizuführen.
Wenn 'wir also die Alternative zum Punkt 1 bieten, dann lösen wir damit ,den Zielkonflikt auf, dann bequemen wir uns zu der Entscheidung: jawohl, Vorrang der Konjunkturpolitik, keine Steuererhöhung in diesem Zeitpunkt und schon gar nicht bei der Mehrwertsteuer. Ein jeder, 'der im Finanzausschuß oder in eingeweihten Kreisen tätig ist, weiß doch, daß Finanzministerium, Regierung und Fachleute Idiese Mehrwertsteuer als Steuerinstrument dann einsetzen wollen, wenn die große Finanzreform kommt. Dann soll die Erhöhung der Mehrwertsteuer der Ausgleich sein für Entlastungen im Bereich ,der Gewerbesteuer. Das habe ich nicht durch Indiskretionen aus Ihrem Hause, Herr Strauß. Jeder Fachmann kann sich ja ausrechnen, daß das schon im Rahmen der Harmonisierung des europäischen Steuerrechts in diese Richtung laufen wird. Heute an der Mehrwertsteuer herumbasteln heißt nichts anderes als das Instrument, ,das Sie in einigen Jahren brauchen, schon jetzt schmälern. Man opfert heute die Finanzmasse, die dann zur Verfügung steht, weil man nicht in der Lage 'und nicht bereit ist, stärker in die Substanz des Etats hineinzugehen.
Ein Zweites. Sie werden fragen: Wo sollen denn die Streichungen herkommen, die dann mit 1,8 Milliarden DM zu beziffern sind? Meine Damen und Herren, so ist die Frage falsch gestellt. Ich kann sie Ihnen natürlich auch in dieser Richtung beantworten: wir werden gewillt und bereit sein, im Verteidigungshaushalt einige hundert Millionen und im Bereich der zivilen Notstandsgesetzgebung noch einmal 200 Millionen zu streichen. Wir erwarten dann auch höhere Steuereinnahmen, die mit 200 oder 300 Millionen DM zu beziffern sind. Ich glaube, 'daß man den Restbetrag, der dann übrigbleibt, im
Haushalt wird finden können. Im übrigen, Herr Kollege Leicht, wissen wir doch, wie das ist. Wir sind doch beide alte Hasen. Ich kann einen Haushalt so oder so aufstellen; wenn ich will, kriege ich das hin. Es ist bloß eine Frage des Willens. Wir wissen doch, daß diese Steuererhöhungen nur das Geschenk oder die politische Zusage an den sozialen oder Familienflügel Ihrer Partei sind, um nach draußen argumentieren zu können. Wir nehmen es Ihnen ja auch gar nicht übel, sondern wir sprechen hier nur klar und deutlich aus, wie es ist.
({21})
Wenn man aber dann eines Tages mal hier nicht nur den Mund spitzt, sondern auch bereit ist, an die Subventionen heranzugehen, dann wird man auch dort sicherlich noch einige hundert Millionen finden, die diesen Ausgleich der 1,8 Milliarden DM tatsächlich ermöglichen, zwar nicht spielend und auch nicht binnen weniger Wochen, sondern im Zuge harter Arbeit im Haushaltsausschuß.
Lassen Sie mich noch ein Wort sagen. Herr Leicht, selbst wenn im Jahre 1968 am Ende ein Defizit von 200 oder 300 oder 400 Millionen DM 'im Haushalt stünde, im Zuge der antizyklischen Politik wäre es doch - wenn man die innere Bereitschaft hat, einen späteren Aufschwung abzufangen, keine neuen Ausgaben zu beschließen, keine neuen Gesetze zu machen - ein viel klarerer Weg als dieser Umweg, auf dem heute Konjunktur angeheizt und zugleich wieder gebremst wird.
({22})
Man möge mir dabei nicht sagen: „Wir sind nicht bereit, in der Verteidigung einige hundert Millionen zu sparen." Die Entscheidungen über die Veränderungen unserer Verteidigungsverfassung werden immer von Monat zu Monat verschoben, natürlich mit dem Ergebnis, daß damit auch Einsparungsmöglichkeiten verringert werden. Wir reden - mit „wir" meine ich viele in diesem Hause, nicht nur unsere Fraktion - seit einem oder zwei Jahren von der Anpassung unserer Verteidigungsstruktur an die wirtschaftlichen und finanziellen Möglichkeiten unseres Landes. Je später sie kommt, um so geringer werden die Einsparungen sein. Daß sie bis heute nicht gekommen ist, ist nicht die Schuld unserer Partei, nicht die Schuld der Opposition, sondern ist die Verantwortung der Regierung. Daraus können wir sie nicht entlassen. Wenn wir Ihnen sagen. es sind einige hundert Millionen im Verteidigungshaushalt zu streichen, - je mehr Zeit Sie verspielen, um so weniger werden es sein. Aber Sie tragen dann die Verantwortung dafür, daß' Sie die Beträge nicht zur Verfügung haben.
({23})
Wenn man davon ausgeht, daß in der Verwaltung aber auch nicht der geringste Ansatz gemacht wird, zu sparen, daß über die Vorstellung hinaus, der Einsatz von Computern könne die Dinge vereinfachen, nichts weiter geschieht, daß die Ämter ständig den Drang haben, sich zu vermehren, daß mit allen Argumenten gearbeitet wird, daß das letzte Argument war, die politischen Notwendigkeiten der neuen
Regierung zwängen dazu, soundsoviel Ministerien mit neuen Positionen auszustatten, daß nunmehr auch die Politisierung der Beamten im Bundeskanzleramt bis zum Ministerialrat herunter erfolgen soll, wie es aus der Zeitung zu lesen ist - das ist etwas für mich Unfaßbares, nachdem die CDU seit 1949 das Bundeskanzleramt in der Hand hat und nachdem dort eine Reihe von politischen Beamten sitzen, die jederzeit in den Wartestand versetzt werden können -, dann muß man doch feststellen, daß all das nicht zur Vereinfachung der Verwaltung beiträgt, sondern am Ende immer nur wieder den alten Weg, den alten Schlendrian fortsetzt; er wird garniert mit neuen schönen Bezeichnungen, aber es geht immer in den alten Gleisen weiter.
Ich sagte bereits, es wird für Sie von Jahr zu Jahr schwerer und härter werden. Meine Aufgabe war es, Ihnen heute an dieser Stelle klarzumachen, wo Sie jetzt stehen und welche Chance Sie jetzt haben. Wir werden Sie erinnern, wenn Sie diese Chance nicht ausnützen.
Diese Regierung hat große Fähigkeiten in der Darstellung ihrer Politik nach außen. Sie ist in einer großen Propagandaschau vor den Parlamentsferien mit ihrer mittelfristigen Finanzplanung erschienen. Sie hat die heutige Sitzung mit ebensoviel Fanfarenstößen vorbereitet; nur haben die Trompeten nicht die Mauern von Jericho zum Einsturz gebracht. Die Regierung erreicht mit ihrer Taktik der Ausschaltung der Fachausschüsse, mit dem Verzicht auf die Diskussion mit den einzelnen Ministern, die für die Aufgaben zuständig sind, in Wirklichkeit doch nur eine Umspielung des Parlaments. Hier wird doch nicht Parlamentarismus gefördert; hier wird er in seiner entscheidenden Funktion getroffen und beeinträchtigt.
({24})
Wenn hier heute nur über die Einnahmen diskutiert wird und über die Ausgaben keine Beschlüsse vorliegen, wenn die Ausgabebeschlüsse erst - es wird hart für Sie sein - in harter Auseinandersetzung gefunden werden müssen, dann, meine Damen und Herren, ist das Konzept, das, was Sie uns heute hier vorlegen, nur ein Teil dessen, was Sie nach draußen vor der Öffentlichkeit darstellen. Ich habe mich oft gefragt, was der Grund für diese Taktik sein soll, ob es die Wahl in Bremen ist, vor der Sie keinen Knatsch haben wollen, ob es die Schwierigkeiten überhaupt sind, zu einer Übereinstimmung zu kommen, oder ob Sie etwa Ihren eigenen Fanfarenstößen zum Opfer gefallen sind, indem Sie glauben, Sie hätten tatsächlich die Dinge gelöst, obwohl sie noch alle vor Ihnen stehen.
({25})
- Ja, wollten Sie das ganze etwa ohne Parlament machen?
({26})
- Gut! Dann machen Sie nicht solche Zwischenrufe, die mir, Herr Pohle, wenn ich Demagoge wäre, die Chance gäben, Ihre Fraktion hier in Grund und Boden zu diskutieren. Ich will das nicht, weil wir uns ehrlich und korrekt hier unterhalten wollen,
({27})
auch in diesem Gegensatz zwischen Regierung und Opposition.
Nein, meine Damen und Herren, jetzt beginnt für Sie der Ernst des Lebens dieser Koalition. Wir sind auch heute noch zu jeder konstruktiven Mitarbeit bereit. Aber wir sind nicht bereit, das zu unterstützen oder nicht offenzulegen, was wir hier an Verschleppung, an Vernebelung und an imaginären Handlungen im Bereich der Streichungen in Ihren Vorschlägen erleben. Wir stellen an Sie, meine Damen und Herren von dieser Regierung, die Forderung, nunmehr von dieser Stelle aus zu diskutieren. Es ist Zeit, daß Wahrheit und Klarheit über diese mittelfristige Finanzpolitik hier ausgesprochen wird.
({28})
Das Wort hat der Herr Bundesminister der Finanzen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die bisher aufgetretenen drei Redner der Opposition haben eine Reihe von Argumenten gebracht, an deren Richtigkeit sie bei ihrer unbestreitbar hohen Intelligenz selbst nicht in vollem Umfang glauben können.
({0})
Sie haben sich ferner 'über die Schwierigkeiten - ({1})
- Ich versage mir jetzt eine Antwort auf einen Zwischenruf. Sie haben sich ferner über die Schwierigkeiten des Zusammenlebens der Großen Koalition geäußert. Hier glaube ich allerdings auf Grund gewisser eigener Erfahrungen ({2}) denn die Probleme - ({3})
- Sie glauben doch nicht, daß Sie durch Lautstärke Ihren Argumenten mehr Sinn geben können.
({4})
Sie haben sich hier sicherlich aus einer gewissen Erfahrung geäußert, aus einer gemachten Erfahrung und aus einer erhofften Erfahrung. Aus der gemachten Erfahrung in den bisherigen Koalitionen, an denen die jetzige Oppositionspartei beteiligt war, aber vielleicht noch mehr aus gehoffter Erfahrung, weil die Probleme einer großen Koalition sich innerhalb der FDP als Mini-Koalition in sich selbst hoch drei ja laufend seit Jahren gestellt haben. Es wäre für uns ganz reizvoll, uns vorzustellen, wenn eine andere Koalition zustande gekommen wäre, nämlich
SPD/FDP. Aber aus einer Reihe von Gründen versage ich es mir, auf den Pfaden der Phantasie zu wandeln und mir vorzustellen, was Sie dann heute hier gesagt hätten.
({5})
- Dazu brauchen Sie nicht viel Phantasie.
({6})
- Eben! Das ist der erste Punkt, an dem wir übereinstimmen.
({7})
Ihr Kollege Emde hat am Schluß seiner Ausführungen davon gesprochen, daß diese Diskussion in einem Zeitpunkt stattfindet, in dem noch nicht das gesamte Paket aller Maßnahmen, in dem noch nicht alle Einzelentscheidungen der Regierung auf dem Tische liegen. Herr Kollege Emde, dieser Termin ist deshalb gewählt worden, weil, wie Sie als Kenner und Mitschöpfer des Stabilitätsgesetzes ganz genau wissen, das Konjunkturprogramm innerhalb von vier Wochen nach Zuleitung an den Bundestag von den gesetzgebenden Körperschaften behandelt werden muß. Hätte diese Bundestagssitzung nicht stattgefunden, dann wäre durch Ablauf der Frist die Zustimmung der gesetzgebenden Körperschaften - in diesem Falle nur des Bundestages, da sich der Bundesrat ja damit befaßt hätte - auf diesem Wege erklärt worden. Dann hätten Sie mit Recht erklärt ,daß die Große Koalition den Zusammentritt des Bundestages verhindert und damit Ihnen eine Diskussion des Konjunkturprogramms unmöglich gemacht hätte.
Andererseits erfordert aber die parlamentarische Diskussion des Konjunkturprogramms gleichzeitig die parlamentarische Behandlung der mittelfristigen Finanzplanung, weil die mittelfristige Finanzplanung zwar - ohne Frist - dem Parlament vorgelegt werden muß, aber keine Vollzugsverbindlichkeit wie ein Haushaltsgesetz besitzt. Das dürfte Ihnen sehr wohl bekannt sein. Aber in der mittelfristigen Finanzplanung, und zwar in dem Abschnitt über Kreditaufnahme, sind, wie Ihnen sicherlich nicht entgangen ist, die Mittel enthalten, die zur Durchführung des Konjunkturprogramms im Rahmen der mittelfristigen Finanzplanung und unter Einhaltung ihrer Grenzen vorgesehen sind. Also ergibt sich die aus Fristgründen gebotene Behandlung des Konjunkturprogramms einerseits und die in Verbindung mit dem Konjunkturprogramm notwendige Behandlung der mittelfristigen Finanzplanung in diesem Hause als eine gesetzestechnisch gebotene Selbstverständlichkeit. Sie sollten sich deshalb nicht beklagen, daß das Parlament in seiner Arbeitsfähigkeit eingeschränkt werde, daß es nur zum Teil und unvollständig unterrichtet werde. Ich weiß, daß bei Ihnen Qualität so sehr vor Quantität geht, daß Sie auch in der Lage wären, sich noch mit wesentlich mehr Problemen zu befassen, als heute zur Diskussion stehen.
({8}) - Ich nehme ihn gern entgegen, danke sehr.
Aber wir wollen auch die Zuständigkeiten in diesem Hause so auseinanderhalten, wie sie vom Grundgesetz und vom Stabilitätsgesetz her gegeben sind. Ich sage deshalb gleich vorweg, daß diese Diskussion uns nicht dazu führen oder verführen wird, in die Einzeldiskussion über die einzelnen Positionen der mittelfristigen Finanzplanung einzutreten.
({9})
- Warum nicht? Ich darf es Ihnen zum zweitenmal sagen: weil die mittelfristige Finanzplanung in sich noch keine Vollzugsverbindlichkeit enthält, weil ihre Vorlage zwar gesetzlich geboten ist, die mittelfristige Finanzplanung in den einzelnen Positionen aber nicht einer Zustimmung des Parlaments bedarf. Wohl bedarf der mit der mittelfristigen Finanzplanung in einen Zusammenhang eingespannte Konjunkturhaushalt einer Stellungnahme des Parlaments, das nach den Bestimmungen des Stabilitätsgesetzes nur ja oder nein sagen kann. Das hat dieses Haus beschlossen.
Das Hohe Haus hat diese Bestimmung aus gutem Grunde beschlossen: weil die Schwerfälligkeit der Aufstellung und der Verabschiedung von Haushaltsplänen mit den Notwendigkeiten einer schnellen, reagiblen und flexiblen Behandlung konjunktureller Probleme nicht in Einklang zu bringen ist. Das Stabilitätsgesetz ist ja von der alten Regierung auf den Tisch gelegt worden. Es ist aus gutem Grunde auf den Tisch gelegt worden, und es ist verabschiedet worden mit bestimmten Vollmachten für die Regierung unter parlamentarischer Kontrolle, mit einem parlamentarischen Vetorecht, aber doch mit dem Ziel, eine rasche reagible Wirtschaftspolitik zu ermöglichen und das Arsenal der Konjunkturpolitik rechtzeitig einsetzen zu können, ohne durch überkommene gesetzestechnische oder bürokratische Hindernisse eine unnötige Säumnis hinnehmen zu müssen.
Wenn zum zweiten - ich gehe auf ein weiteres Argument ein - gesagt wird, die Kürzung der Ausgaben bringe keine echte Einsparung, es würden lediglich künftige Steigerungsraten beseitigt, dann möchte ich wissen, was Sie sich eigentlich darunter vorstellen. In all den Jahren ich sage dies ohne Polemik und ohne Aggressivität, nur als Feststellung -, in denen Sie an der Regierung beteiligt waren, in den vielen Jahren, in denen ein Mann aus Ihren Reihen das auch damals nicht leichte Amt des Finanzressorts geführt hat - sicherlich auch deshalb nicht leicht, weil häufig seine eigene Fraktion und Partei ihm in den Arm und manchmal in den Rücken gefallen ist -,
({10})
in all diesen Jahren hat der Bundeshaushalt eine bestimmte Steigerungsrate aufgewiesen. Es ist geradezu eine Utopie, es wäre eine Irreführung der Offentlichkeit, so zu tun, als ob es angesichts des raschen Entwicklungstempos der Verhältnisse, in denen wir uns befinden, der revolutionären Umstellungen in der Welt heute, möglich wäre, den Bundeshaushalt auf der Höhe von 1966 oder 1967 zu fixieren und Ausgabenkürzungen als Differenz zwischen dem einmal erreichten Volumen und zukünf6026
tigen Grenzen des Bundeshaushalts festzulegen. Ich habe Sie nie für naiv gehalten, und Sie sollten diesen schlechten Eindruck, den Sie gemacht haben, hier wieder korrigieren.
({11})
Denn die Vorstellungen, daß an einmal erreichten Ausgabenvolumina in der heutigen Zeit - ich rede gar nicht von der besonderen konjunkturellen Situation, in der wir uns befinden und die bald überwunden werden wird noch Abstriche erzielt werden könnten, sind doch entweder Selbsttäuschung oder Irreführung der Öffentlichkeit. Man muß bei jeder Finanzplanung von der gegenwärtigen Rechtslage, das heißt, von der bestehenden Gesetzgebung, und den laufenden Programmen ausgehen. Die bestehende Gesetze und die laufenden Programme bringen automatisch Jahr für Jahr zwar nicht eine absolute Steigerungsrate der Inanspruchnahme des Sozialprodukts durch die öffentliche Hand mit sich, aber sie bringen mindestens proportional mit dem Wachstum des Sozialprodukts, mit dem Wachstum der Steuereinnahmen eine Erhöhung der absoluten Beträge mit sich.
Um die Einzeldiskussion werden Sie wahrlich nicht gebracht. Ganz im Gegenteil, wir möchten, daß sie geführt wird, weil wir von Ihnen Verbesserungsvorschläge erwarten, in denen all das gebracht wird, was Sie heute, ohne sich verbindlich auszudrücken, angedeutet haben. Diese Diskussion wird in diesem Hause stattfinden.
Ich werde noch heute oder spätestens morgen früh zwecks rechtzeitiger Zuleitung an das Bundeskabinett das Zweite Gesetz der mehrjährigen Finanzplanung unterschreiben. In diesem Gesetz werden weit über ein Dutzend - die genaue Zahl kann ich noch nicht nennen - bestehende Bundesgesetze mit ausgabenwirksamen Folgen, geändert werden, und eine weitere Zahl von Gesetzen wird in geringerem Umfange geändert werden müssen. Dieses Gesetz geht nach der Verabschiedung am 13. September durch die Bundesregierung, wie heute morgen schon gesagt, in den ordnungsgemäßen Gang der Gesetzgebung: Bundesrat, zweiter Durchgang durch das Bundeskabinett und anschließend Zuleitung an den Bundestag. In diesem Gesetz, das nächste Woche am Mittwoch auf der Pressekonferenz bekanntgegeben werden muß, so wie die Dinge nach einer Kabinettssitzung nun einmal unvermeidbar sind, weil sie der Öffentlichkeit gar nicht mehr vorenthalten werden können, werden Sie all die konkreten Vorschläge finden, mit denen Sie -sich auseinandersetzen können.
Sie hätten aber als konstruktive Oppositionspartei der Bundesregierung einen gar nicht abzuschätzenden Dienst erwiesen, wenn Sie uns heute konkret unter Nennung von Roß und Reiter gesagt hätten, wo Sie Aufgabenverminderungen und echte Ausgabenkürzungen für möglich halten und wofür Sie sich politisch stark machen würden.
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Die Bundesregierung hätte dann den Anteil der
jetzigen Oppositionspartei am Zustandekommen
Ihrer Willensbildung sicherlich nicht vergessen, sondern in der Öffentlichkeit dankbar gewürdigt. Aber Sie haben heute nur gesagt, daß gekürzt werden muß, es jedoch peinlichst vermieden, zu sagen, wo, außer den allgemeinen Angaben, daß Sie im Verteidigungshaushalt noch einige hundert Millionen und im Haushalt des zivilen Bevölkerungsschutzes ebenfalls noch eine bestimmte Zahl von Millionen herausholen könnten. Aber damit meinen Sie doch nicht das große Gebäude Ihrer Ausgabenkürzungen, das Sie heute hier vor der Öffentlichkeit dargetan haben.
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Sie leiden doch nicht sozusagen an einer politischen Dioptriestörung, daß Sie eine Maus mit einem Elefanten verwechseln. Den Elefanten haben Sie heute dargeboten, und die Maus haben Sie auf den Tisch gelegt, ohne sie aber im einzelnen genau zu definieren.
Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Emde?
Bitte sehr!
Herr Bundesfinanzminister, sind Sie bereit, zuzugestehen, daß es hier im Moment nur darum ging, einen Augleich für den Ausfall an Einnahmen vorzuschlagen, der für Sie entstehen würde, wenn wir die beiden Steuererhöhungen nicht mitmachen. Um diese 1,8 Milliarden DM ging es zu dem Zeitpunkt der Diskussion, in dem ich über die Fragen gesprochen habe, die Sie angeschnitten haben.
Da ich darauf noch eingehen werde, bitte ich, mir im Augenblick die Antwort zu erlassen. Ich komme gern darauf zurück.
Natürlich muß eine mittelfristige Finanzplanung in ihrer Finanzvorausschau, in ihrer Ausgabenschätzung von der bestehenden Rechtslage ausgehen. Sie kann dabei auch nicht an Kabinettsbeschlüssen vorbeigehen, als ob sie nie gefaßt worden wären. Wenn auf der Seite der Ausgabenkürzung - ich sage es mit Bedauern, aber es .ist unvermeidbar - der Kabinettsbeschluß vom August 1966 aufgehoben werden muß und damit keine Anhebung des Familienlastenausgleichs lin der Größenordnung, wie geschätzt, von etwa 300 Millionen DM erfolgen wird, wenn ferner die automatische Steigerungsklausel in der Kriegsopferversorgung leider fallen muß, dann sind das Kürzungen im Sinne und in der Terminologie einer mittelfristigen Finanzplanung. Denn jede seriöse Ausgabenvorausschau mußte diese Ausgaben, die zum Teil durch gesetzlichen Zwang, zum Teil durch Beschluß eines Verfassungsorgans, des Bundeskabinetts, unter der Mitwirkung Ihrer Vertreter zustande gekommen, in das finanzielle Kalkül als zukünftige Ausgabenforderungen einbeziehen, und jede Kürzung kann nur in der Differenz zwischen diesem Ausgabenkalkül und den Grenzen dargelegt werden, die wir nunmehr erreichen wolBundesminister Dr. h. c. Strauß
len, erreichen werden und erreichen müssen, wenn wir finanzpolitisch festen Boden unter die Füße bekommen wollen.
Sie haben von den Steuererhöhungen gesprochen. Sie haben auch frühere Erklärungen zitiert. Ich bin auch der Meinung, daß nicht Steuererhöhungen ad hoc gemacht werden dürfen. Ich habe das auch in der Pressekonferenz am 20. Januar 1967 so, wie es heute richtig zitiert worden ist, unmißverständlich zum Ausdruck gebracht. Denn die Wirtschaft muß wissen, woran sie ist, sie muß über einen Zeitraum von mehreren Jahren wissen, woran sie ist, sie muß wissen, was auf sie zukommt. Ich habe aber nicht gesagt und würde auch nicht sagen, daß Steuererhöhungen nie in Betracht kommen. Das war ja schon das Thema, an dem die alte Koalition gescheitert ist, und dieses Thema ist bei Ihnen sozusagen zum Trauma geworden. Wenn wir in einer mittelfristigen Finanzplanung eine wohldosierte Kombination von drei Maßnahmen vorsehen: Ausgabenkürzungen in dem vorhin definierten Sinne - man kann genausogut sagen: Ausgabenzuwachskürzungen; im allgemeinen habe ich mich ja heute morgen in diesem Sinne geäußert -, zweitens verstärkte Kreditaufnahme für eine bestimmte Periode, 1967 und 1968, und drittens Steuererhöhungen, deren Volumen unter der Ausgabenkürzung und unter dem Volumen der Kreditaufnahme liegt, dann gehört auch dieses letzte zu einem ausgewogenen Paket. Am 20. Januar 1967 hatten diese Erklärungen ihren guten Sinn, nämlich der Wirtschaft zu sagen, daß wir nicht einfach, nur um Haushaltslücken zu decken, an Steuererhöhungen einmal auf diesem, einmal auf jenem Gebiet herangehen werden. Heute aber, wo eine mittelfristige Finanzplanung vorliegt, die eine Vorausschau ermöglicht, die sowohl der öffentlichen Hand wie der privaten Wirtschaft ein Kalkulieren, ein Disponieren ermöglicht, ist es sehr wohl in der Sache richtig wie auch - ich sage es ruhig - im Sinne der sozialen Gerechtigkeit angebracht, auch das Mittel der Steuererhöhung in bescheidenem Maße anzuwenden. Ich habe jetzt nicht die Zeit, um auf die Einzelheiten dieser Steuererhöhungen einzugehen. Ich habe mich heute morgen schon dazu geäußert. Aber wenn von dem Steuernachlaß des Jahres 1964 in Höhe von 2,8 Milliarden DM nunmehr für die Bezieher höherer Einkommen - zu versteuerndes Einkommen 16 000 bzw. 32 000 DM, was natürlich wesentlich höheren Bruttoeinkünften entspricht - ein Viertel rückgängig gemacht wird, so ist das kein Anlaß, in Krokodilstränen auszubrechen.
Das Argument, man solle idoch dieses Geld in der Wirtschaft lassen, statt es der Wirtschaft zu entziehen und dann über Konjunkturhaushalte durch Kreditaufnahme wieder in die Wirtschaft hineinzupumpen, hält keiner rationalen Prüfung stand. Denn die Ergänzungsabgabe von 3 % der Steuerschuld der Bezieher von zu versteuernden Einkommen über 16 000 bzw. 32 000 DM - was Bruttoeinkünften bis zu 24 000 DM, 25 000 DM und 40 000 DM, 42 000 DM entspricht - wird ja nicht nur von Unternehmern gezahlt, sondern auch von Beziehern höherer Einkommen aus unselbständiger Arbeit oder aus freiberuflicher Tätigkeit. Es ist also irreführend, zu sagen:
Man entzieht dem Unternehmer durch die 3 %ige Ergänzungsabgabe 700 Millionen DM, um sie ihm dann durch staatliche Umverteilung im Zuge des Konjunkturprogramms durch Auftragsvergabe wieder zur Verfügung zu stellen.
Herr Minister, sind Sie nicht auch der Meinung, daß ,dieses Geld, wenn es von Nichtunternehmern nicht als Steuern gezahlt werden muß, entweder als Sparkapital der Wirtschaft zur Verfügung steht oder als Konsumausgaben ebenfalls wieder in die Wirtschaft fließt?
Sie helfen mir, den Übergang zu .dem zweiten Argument zu finden, das ich im Zusammenhang mit den Steuererhöhungen bringen wollte.
({0})
Ich darf einmal die Aufstellung in der Drucksache V/2065 zur Hand nehmen. Danach soll die Einnahmenseite in den Jahren ab 1968 um folgende Beträge verbessert werden: 1,5 Milliarden DM, 3,7 Milliarden DM, 4,1 Milliarden DM und 4,3 Milliarden DM. Von diesen Beträgen werden 300 Millionen DM durch die Ablieferungen der Post bestritten, .der Rest ergibt sich aus den Änderungen des Steuerrechts, also durch Beseitigung von Steuervorteilen bzw. durch Steuererhöhungen. Ich hätte von ihnen sehr gern gewußt, welche Ausgaben Sie über die Periode der vier Jahre hinweg kürzen wollen - nachdem Sie eine stärkere Kreditaufnahme in diesem Umfang sicherlich nicht befürworten würden -, um diesen Ausfall an Einnahmen zu decken. Das hätte hier von der Opposition konkret mit Angabe von Einzelplänen, Kapitel, Titel und Verwendungszweck gesagt werden sollen.
Gestatten Sie eine Frage von Herrn Genscher, Herr Minister?
Bitte!
Herr Bundesminister, würden Sie der Auffassung zustimmen, daß die durch die Ergänzungsabgabe bewirkte Liquiditätsverminderung weniger den Verbrauch trifft als die Sparkapitalbildung und die Investitionstätigkeit?
Diesem Argument vermag 'ich in der von Ihnen gewählten Formulierung wahrlich nicht zuzustimmen, und ich sage Ihnen, Herr Genscher, in dem Zusammenhang jetzt eines: Sie sprachen heute davon, die Wirtschaft müsse wieder Vertrauen erwerben, es müsse wieder Ruhe und Sicherheit einkehren. Mit den Tönen und Argumenten, die heute von ,der Oppositionspartei gewählt worden sind, würden Sie genau 'das Gegenteil von dem erreichen, was erreichen 'zu wollen Sie hier lautstark vorgegeben haben.
({0})
Wir haben nicht den geringsten Grund, von Krise oder Katastrophe zu reden. Wir haben nicht den geringsten Grund, uns in eine Panikstimmung hineintreiben zu lassen. Ich bin ganz im Gegenteil der Auffassung, daß die positiven Aspekte und positiven Konsequenzen der Normalisierungs- und Gesundungsperiode, die wir jetzt durchgestanden haben, nicht wieder verlorengehen dürfen, daß sie - ich könnte sie im einzelnen aufzählen, aber das würde zuviel Zeit erfordern - uns erhalten bleiben müssen.
Gestatten Sie eine weitere Frage des Abgeordneten Genscher?
Bitte!
Herr Bundesminister, da ich heute noch nicht gesprochen habe, darf ich darauf hinweisen, daß das Zitat, dem Sie nicht zustimmen konnten, aus der Begründung der Bundesregierung für das Zweite Steueränderungsgesetz stammt.
({0})
Welches Steueränderungsgesetz, Herr Kollege Genscher? Welches Steueränderungsgesetz?
Zweites Steueränderungsgesetz 1967, allerdings von Herrn Brandt unterzeichnet, nicht von Ihnen.
Sie müssen die Dinge im Zusammenhang darstellen.
({0})
Ich weigere mich einfach, angesichts der Größenordnung, angesichts der steuerpolitischen Entscheidungen des Jahres 1967, angesichts des bescheidenen Umfangs der Steuererhöhung, die mit der 3%igen Ergänzungsabgabe verbunden ist, hier eine panikartige Wirkung oder gar eine abschreckende Wirkung auf die Investitionstätigkeit der Unternehmer zu unterstellen.
({1})
Das ist schlechterdings eine wirklich grobe Verzerrung der Dimensionen.
Ich hätte gedacht, Herr Kollege Genscher, die Frage würde lauten: „Sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, daß wir, die FDP, Ihnen folgende konkrete Einsparungsvorschläge zwecks Vermeidung von Steuererhöhungen hiermit unterbreiten?" Dann hätte ich im einzelnen dazu Stellung nehmen können. Ganz im Gegenteil hat der Kollege Mischnick der Bundesregierung unsoziales Verhalten vorgeworfen, weil sie in der mittelfristigen Finanzplanung im Bereich der Kriegsopferversorgung auf die automatische Dynamik dieser Renten verzichtet hat. Ich habe heute morgen dazu Stellung genommen.
({2})
- Sie verderben bloß Ihren künftigen Rednern die Zeit. Sie haben noch eine ganze Menge davon sozusagen in Reserve.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Mischnick?
Bitte sehr.
Herr Minister, sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, daß ich gesagt habe: Man kann nicht bei dem einen die Dynamik lassen, hei dem anderen keine einführen?
Sie sind ein viel besserer Kenner der Sozialpolitik im einzelnen als ich. Sie können deshalb nicht die allgemeine Rentenversicherung und die Kriegsopferversorgung mit ihrer absolut verschiedenen Voraussetzung, Geschichte und Struktur über einen Kamm scheren.
({0})
Wir haben dort, wo die Finanzierung allein durch Staatsmittel geschieht - Familienlastenausgleich und Kriegsopferversorgung -, die früher durch Kabinettsbeschluß oder Gesetzgebung eingeführte oder vorgesehene automatische Dynamisierung aufgehoben, weil wir uns außerstande sehen, die in der mittelfristigen Finanzplanung gegebenen Ansätze für den einen wie für den anderen Bereich innerhalb der Planungsperiode, bis zum Ende des Jahres 1971, zu überschreiten.
Ich darf Sie im übrigen daran erinnern, daß Sie bei der Verabschiedung der letzten Novelle zur Kriegsopferversorgung den Antrag gestellt haben, die Überprüfung der Kriegsopferversorgung bereits ein Jahr vorher vorzunehmen. Das heißt, Sie wollten die Frist verkürzen und die Mehrbelastung des Bundeshaushalts schon ein Jahr vorher herbeiführen.
Ich darf hier den Kriegsopferverbänden, die wahrlich tapfer für ihre Sache gefochten haben, danken, daß sie - sicherlich nicht leichten Herzens - ebenfalls ihren Beitrag zur Stibiliserung unserer Finanzen und zur Wiederherstellung einer dauerhaften finanziellen Ordnung geleistet haben, indem sie die Notwendigkeit der Streichung der Dynamisierung, der automatischen Anhebung, anerkannt haben und. darüber hinaus noch einen gewissen Appell an ihre Mitglieder gerichtet haben.
Wir sahen uns außerstande - ich sage das hier ganz offen -, in das bestehende System der Kriegsopferversorgung etwa durch Verminderung des gegenwärtigen Leistungsstands einzugreifen. Die Ausgleichsrenten standen ohnehin nicht zur Diskussion, und es ist schlechterdings unmöglich, eine befriedigende Regelung im Bereich der Grundrenten zu erreichen, weil hier nicht ohne weiteres nach dem Bedürftigkeitsprinzip verfahren werden kann, da, wie Sie genau wissen, auch andere Gesichtspunkte eine Rolle spielen: Entschädigung für Verzicht auf
gewisse Lebensvorteile und -annehmlichkeiten, der in irgendeiner Form abgegolten werden muß. Aber ich warte immer noch auf die konkreten Vorschläge, wie man Steuererhöhungen durch Ausgabekürzungen von entsprechendem oder gleichem Umfange hätte vermeiden können.
Dabei lasse ich ein Argument noch außer acht, dessen Sie sich manchmal ganz gern bedienen, nämlich, ob in der gegenwärtig noch gegebenen und noch einige Zeit anhaltenden Wirtschaftslage Ausgabekürzungen nicht eine kontraktive Wirkung durch Verminderung der Kaufkraft, Verminderung der Nachfrage und Verminderung des Absatzes mit sich gebracht hätten. Ich möchte dieses Argument nicht zu sehr strapazieren. Wir waren jedoch der Meinung, daß auch Ausgabekürzungen unter konjunkturellen Gesichtspunkten als einem zusätzlichen Aspekt gesehen werden müssen.
Man sollte den maßvollen Umfang der in der mittelfristigen Finanzplanung und in dem ersten Gesetz zu ihrer Durchführung vorgesehenen Steuererhöhungen wahrlich nicht dramatisieren.
({1})
Die Steuerbelastungsquote wird in der Bundesrepublik Deutschland vom Jahre 1967 von 23,6 % - das ist ein geschätzter Betrag, weil bis jetzt noch keine genauen Angaben vorliegen - bis zum Jahre 1971 auf 24,4 % ansteigen. Wenn Sie Steuern und Sozialversicherungsbeiträge zusammennehmen, dann betrug z. B. 1965 die Belastung des Sozialprodukts in Schweden 37,4 %, in Frankreich 35,0 %, in Italien 34,3 %, in der Bundesrepublik Deutschland 33,2 %, in Österreich 33,0 %, in Großbritannien 31,1 %, in USA 27,2 % und in felix Helvetia 21,8 %.
Bei unserer Gesamtbelastungsquote darf man eine Tatsache nicht übersehen: kein Land und kein Industriestaat auf dieser Erde hat in diesem Ausmaß auch heute noch unter den finanziellen Konsequenzen der Kriegsfolgelasten zu leiden.
({2})
Die Tatsache, daß von der Währungsreform bis heute - ich nenne eine grobe Zahl, weil ich die genauen Zahlen nicht in meinen Unterlagen hier habe - ohne Lastenausgleich etwa 380 Milliarden DM für Kriegsfolgelasten aufgebracht werden mußten und ausgegeben werden konnten, drückt sich sicherlich in ganz erheblichem Maße in unserer gesamten Belastungsquote - Steuern und Sozialversicherungszwangsabgaben - aus.
Jetzt stehen wir eben vor der Aufgabe, von der ich heute morgen gesprochen habe, die Umstellung von der Vergangenheitsbewältigung auf die Zukunftsmeisterung vorzunehmen. Wir müssen die Entschädigungstatbestände so, wie sie gegeben sind, anerkennen und ihre finanzielle Bedienung sicherstellen. Wir dürfen aber nicht das, was sich jetzt an Mehreinnahmen ergibt, für die Schaffung neuer Entschädigungstatbestände oder die Ausdehnung und Erweiterung alter Tatbestände verwenden.
Sie sagen nun - und hier komme ich auch nicht ganz mit; aber das mag an mir liegen -, die Finanzplanung umfasse nur Ausgaben, aber keine Aufgaben. - Ja, eine Finanzplanung ist kein Vierjahresplan. Das habe ich heute morgen schon im Wissen um kommende Kritik deutlich ausgedrückt. Was hier vor Ihnen liegt, ist ein Rechenwerk, das Aufgaben in Zahlen ausdrückt und ein Programm quantifiziert. Ich möchte einmal wissen, was Sie, meine Herren von der FDP, sich unter Programm vorstellen.
({3})
Sie haben außerdem das Argument gebraucht, die Bundesregierung komme schon deshalb nicht zu weiteren Einsparungen, weil sie nicht in der Lage sei, staatliche Aufgaben abzubauen. Wir wären auch hier für wertvolle Hinweise dankbar - auch wenn keine Prämie darauf steht -,
({4})
wo wir staatliche Aufgaben abbauen können. Ich will jetzt nicht ironisch sprechen, höchstens allgemein, auch nicht gegen Sie. Zum Beispiel die Bundesbahn nach rein privatwirtschaftlichen Gesichtspunkten zu führen und damit die Deckung des Defizits der Bundesbahn durch den Bundeszuschuß zu vermeiden, wäre eine für den Finanzminister sehr reizvolle Aufgabe.
Aber ich möchte mich ernsthafter ausdrücken. Es ist doch kein Zweifel, daß wir uns heute in der schnellstlebigen Zeit der Menschheitsgeschichte befinden. Es gibt hier keinen Vergleich mit irgendeiner Generation der Vergangenheit. Es ist auch kein Zweifel, daß der Bürger heute infolge des allgemeinen wissenschaftlichen, technischen und sozialen Fortschritts - wenn ich diesen allgemeinen Ausdruck gebrauchen darf - an seine vom Staat - Gemeinde, Land und Bund - zu gestaltende Umgebung von der Wiege bis zur Bahre höhere Anforderungen stellt als in je einer Generation zuvor.
Ich habe hier - auch als Sprecher meiner Fraktion - mehrmals in früheren Wirtschafts- und Haushaltsdebatten gesagt, man solle nicht einfach über die Verschwendungssucht der öffentlichen Hand lamentieren und so tun, als ob öffentliche Investitionen zum größten Teil Luxus wären. Das weitere Wachstum unserer Wirtschaft, ihr Vordringen in die Dimensionen der nächsten Generation und ihre Vorbereitung auf die Aufgaben des nächsten Jahrhunderts erfordern heute eine staatliche Tätigkeit auf dem Gebiet der geistigen und materiellen Infrastruktur, die naturgemäß - so sehr wir es beklagen mögen - ständig steigende staatliche Aufwendungen erfordern, die von keiner privaten Seite, wie auch immer sie organisiert sein mag, dem Staat abgenommen werden können.
({5})
Dabei muß ich - ohne damit eine anklagende Note zu verbinden - sagen, daß in der Bundesrepublik die Bereitschaft, öffentliche Aufgaben von privater Hand zu finanzieren noch nicht - vielleicht auch wegen der wirtschaftlichen Nachholschwierigkeiten, Unterkapitalisierung usw. - so weit entwickelt ist wie in anderen Ländern, vorbildlich naturgemäß angesichts der anderen Wohlstands- und Kapital6030
verhältnisse in den Vereinigten Staaten von Amerika.
Aber ich wüßte nicht, welche staatlichen Aufgaben - außer einigen Details, über die man immer verschiedener Meinung sein kann und über die ich gern mit mir reden lasse -, welche essentiellen staatlichen Aufgaben abgebaut werden können, damit das Gesetz der wachsenden Staatsaufgaben endlich einmal zum Stillstand gebracht wird und damit die Haushalte fixiert werden und echte Einsparungen - nämlich Verminderung einmal erreichter Haushaltsvolumina - tatsächlich erfolgen können.
Ich glaube aber, daß auch hier nach dem großen Feuerwerk von allgemeinen Ankündigungen und unverbindlichen Inaussichtstellungen nichts an Substanz dahintersteckt, was einer ernsthaften Nachprüfung standhalten würde.
({6})
Es ist dann von der Mehrwertsteuer gesprochen worden. Man mag über die Entlastung der Altvorräte in dieser oder jener Höhe verschiedener Meinung sein. Das ist kein Gegenstand parteipolitischer Auseinandersetzung. Es gibt in jeder Fraktion verschiedene Meinungen dazu, mindestens drei. Die eine geht dahin, daß mit der Entlastung der Altvorräte genug geschehen sei und daß man deshalb auf diese weitere Entlastung um 700 Millionen DM verzichten könne. Die andere geht dahin, man solle die 700 Millionen DM verwenden, um die Investitionssteuer abzubauen, den Stufenplan zu verkürzen. Und die dritte Meinung ist, man sollte die Entlastung der Altvorräte auf 100 % gegenüber den jetzt erreichten 85 % oder möglicherweise erreichten 85 % - wenn der Vergleich 1966/67 aufrechterhalten wird - ausdehnen.
Ich glaube, daß die weitere Entlastung der Altvorräte ein durchaus vernünftiger Bestandteil des Gesamtpakets der konjunkturpolitischen Maßnahmen der Bundesregierung ist. Ich glaube auch, daß, wenn wir die Entlastung der Altvorräte in einem geringeren Umfang vorgenommen und die 1,45 Milliarden DM - nämlich die jetzigen 700 Millionen DM und die 750 Millionen DM, die ich im Laufe des Monats April noch dazugegeben habe - für einen Abbau des Stufenplans verwendet hätten, auch das seine konjunkturell guten Auswirkungen gehabt haben würde. Aber hier handelt es sich nicht darum festzustellen, daß das eine richtig und das andere falsch ist. Vielmehr hat sowohl das eine wie das andere seine positiven Auswirkungen, nur können wir nicht alles nebeneinander und gleichzeitig machen.
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- Ich glaube, Sie wären im Monat April noch weniger in der Lage gewesen - Sie sind es jetzt übrigens auch nicht -, der Anhebung der Mehrwertsteuer ab 1. Juli 1968 um 10/0 zuzustimmen.
Weil nun dieses Thema schon einmal strapaziert worden ist, erlauben Sie mir folgende Bemerkung. Natürlich, wer kann heute sagen, ob die Gewerbesteuer abgebaut wird? Das Bundesfinanzministerium strebt einen Abbau der Gewerbesteuer in Anlehnung an die Vorschläge - ich sage nicht: genau nach den Vorschlägen - der sogenannten TrögerKommission an. Wir wissen, daß sie nicht voll abgebaut werden kann. Wir wissen, daß ihr Ertrag nur etwa zur Hälfte abgebaut werden kann. Welche Elemente der Gewerbesteuer dann erhalten bleiben und welche nicht, das ist noch eine sehr umstrittene Frage, in der das Finanzministerium auch mit der Tröger-Kommission nicht einig geworden ist, weil wir andere Vorstellungen haben - Kapitalsteuer oder Ertragsteuer - als die Tröger-Kommission. Aber es gibt auch gewichtige Stimmen dafür, die Gewerbesteuer so zu lassen, wie sie ist. Ich sehe mich heute außerstande, hier die Meinung der Regierung, die noch nicht feststeht und noch nicht feststehen kann, oder gar etwa die zukünftige Beschlußfassung des Bundestages in irgendeiner Form zu präjudizieren. Eine Möglichkeit ist ohne Zweifel der Ersatz einer Kostensteuer, nämlich der Gewerbesteuer, durch Maßnahmen auf dem Gebiete einer anderen Kostensteuer, nämlich der Umsatzsteuer. Auch die Gemeindeeinkommensteuer oder Ergänzungsabgabe zur Einkommen- und Körperschaftsteuer sind Vorschläge, die noch im Raume sind.
Aber unterstellen wir einmal eine Anhebung um 1 % zum 1. Juli 1968. Unterstellen wir weiter den Abbau der Gewerbesteuer, Anhebung urn 2 %; das ;sind 13 %. Unterstellen wir weiter die Verkürzung und den Abschluß ides Stufenplans; noch ein bestimmter Prozentsatz, über den ich mich hier nicht verbindlich äußern kann, weil das erstens menschenunmöglich ist undweil ich zweitens nicht riskieren will, daß später jemand mit einem Blättchen kommt und sagt: Am Soundsovielten haben Sie erklärt, es seien soundsoviel Prozent.
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- Ihre Reaktion wird bald sein, daß die Unverbindlichkeit meiner Ausführungen es Ihnen nicht erlaube, sachkundig dazu iStellung zu nehmen.
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Aber selbst wenn das eine jetzt so beschlossen wird, wenn 2 % ,durch den Abbau der Gewerbesteuer hinzukommen und wenn noch eingewisser Prozentsatz als Folge des Auslaufens, vielleicht sogar, wie wir hoffen, der Verkürzung des Stufenplans hinzukommt, dann werden wir erst den Steuersatz erreicht haben, der - und hier drücke ich mich ganz anders aus als Herr Emde, wenn ich ihn richtig verstanden habe - für eine Harmonisierung der Steuern innerhalb der EWG wahrscheinlich unvermeidlich ist. Wir können unser Steuersystem nicht einfach so umkrempeln, daß in der Zukunft etwa 55 % durchindirekte Steuern und nur 45 % durch direkte Steuern gewonnen werden. Bei uns entfallen 55 % auf idirekte und 45 % auf indirekte Steuern. In Frankreich und Italien ist das Verhältnis etwa umgekehrt. Wir werden uns etwa auf halbem Wege finden müssen, und ich begehe wahrscheinlich keine Indiskretion, wenn ich sage, daß uns von -seiten eines gewichtigen Partners schon heftige Vorhaltungen gemacht worden sind, daß die zu niedrige Höhe des Satzes der 'Mehrwertsteuer außerordentliche
Komplikationen innenpolitischer Art und auch Schwierigkeiten innerhalb ;der EWG hervorrufe.
({10})
Wir brauchen dieses eine Prozent, ,das hier als Folge der weiteren Entlastung der Altvorräte auch ,aus fiskalischen Gründen zur Konsolidierung und Dekkung des Gleichgewichts der Ausgaben und Einnahmen der mittelfristigen Finanzplanung notwendig ist, nicht mit Sorge im Hinblick auf ,die künftige Harmonisierung der Steuern der EWG zu betrachten.
Wenn weiter beanstandet worden ist, daß das Zweite Investitionsprogramm nicht durch ;sinnvolle Planungen ausgefüllt werden kann, weil planungsreife Objekte nicht vorhanden sind, dann muß ich Ihnen glatt widersprechen. Wenn Sie recht hätten, dann hätten uns die Vertreter der deutschen Städte und Gemeinden, diese Verbände, die Verwaltungsbehörden der Länder und ihre politischen Spitzen rundweg ;die Unwahrheit gesagt.
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Es gibt in sehr vielen Gemeinden - ich will nicht gerade sagen: in allen - fertig geplante, vergabereife Projekte, die aus Gründen der Knappheit der finanziellen Mittel zurückgestellt werden mußten. Wenn sie jetzt vorgezogen werden und durch Kreditfinanzierung schneller durchgeführt werden können, dann haben sie erstens einen Sinn, 'und zweitens brauchen später die Mittel dafür nicht zur Verfügunggestellt zu werden. Durch ihre frühere Durchführung wird auch verhindert, daß eine spätere Finanzierung und Durchführung dann eine unnötige Stimulans zu einer wieder auf vollen Touren laufenden Konjunktur gibt.
Ich bin in der unteren Verwaltung nicht so unerfahren, um nicht zu wissen, daß man Einzelfälle mißbräuchlicher Verwendung, d.h. übereilte Planung noch nicht ausgereifter Vergabe, immer in Betracht ziehen muß. Das ist aber kein spezifisches Charakteristikum des Zweiten Konjunkturprogramms; das ist ein Charakteristikum ,der Auftragsvergabe der öffentlichen Hand schlechthin. Wir tun alles, um bier die Kontrolle zu halten, um den Daumen ,daraufzuhalten, um einen ordnungsgemäßen Ablauf sicherzustellen.
Ich möchte jetzt keinen Ausflug in den Bereich der Außen- und Verteidigungspolitik machen. Dafür sind andere Herren zuständig. Ich möchte mich deshalb nur auf wenige Sätze beschränken. Ich glaube, man sollte die Begrenzung des Zuwachses der Verteidigungsausgaben, deren Konsequenzen sich in verschiedenen .Bundeswehrmodellen niederschlagen, nicht in Verbindung mit einem deutschen Alleingang auf entspannungspolitischem Gebiet bringen.
({12})
Ich weiß, daß das ein heißes Eisen ist, das auch innerhalb der Koalitionsfraktionen, auch zwischen den Koalitionsfraktionen umstritten ist. Aber wir haben schon die Reaktion innerhalb des Bündnisses auf die irreführende Wirkung gewisser Veröffentlichungen hin erlebt. Entspannungsmaßnahmen durch
Verminderung der Mannschaftszahlen und der Rüstungsstärke - ich rede von der Verminderung des finanziellen Zuwachses, der unvermeidlich ist - können nur im Einvernehmen mit den Bündnispartnern erfolgen, wenn uns nicht das heute durch nichts zu ersetzende Gebäude der NATO psychologisch und praktisch zusammenbrechen soll.
({13})
Ich erinnere an die jüngsten Äußerungen des dänischen Ministerpräsidenten, der nach seiner Rückkehr aus Moskau erklärt hat, er halte gar nichts von einer Auflösung der beiden Bündnissysteme der NATO bzw. des Warschauer Paktes. Er wollte sie sicherlich nicht gleichsetzen. Er sagte nämlich mit Recht, daß eine Auflösung der Bündnissysteme sozusagen Europa wieder koordinatenlos machen, Europa wieder in einen nichtorganisierten Zustand überführen würde. Über eine Reform des Bündnissystems oder gar einen Ersatz des Bündnissystems kann man erst dann sprechen, wenn Europa eine Organisationsform gefunden hat, die weltpolitische Abenteuer mit schauerlich katastrophalen Ausgängen, wie sie 1914/18 und 1939/45 erfolgt sind, endgültig ausschließt.
({14})
Ich möchte mich dazu aber nicht weiter äußern.
Der Bundestag wird noch genug Gelegenheit haben, sich im Zusammenhang mit dem Dritten Renten-Änderungsgesetz mit der Frage der Rentenreform und der Finanzierung des Rentenberges zu befassen. Sicherlich gibt es hier verschiedene Vorstellungen. Sie brauchen nur noch wenige Tage zu warten, dann werden Sie den Teil, der durch die mittelfristige Finanzplanung ausgelöst wird und der eine Reihe von Maßnahmen enthält, im einzelnen prüfen und in aller Ruhe darüber sprechen können. Das wird die parlamentarische Debatte ab Ende Oktober dieses Jahres ohne jeden Zweifel beleben.
Auf die Schätzungen der EWG-Kommission, auf nationale Schätzungen und auf die Differenz zwischen den beiden möchte ich hier nicht im einzelnen eingehen. Ich habe im Laufe der letzten Jahre schon oft erlebt, daß Prophetenlied ein seltsam Lied ist. Ich glaube aber, daß die hier niedergelegte Zuwachsrate des Bruttosozialprodukts und ihre Wirksamkeit auf volkswirtschaftlichem Gebiet nicht zuletzt auch von der Differenz zwischen Brutto- und Nettosozialprodukt abhängen, d. h. von der Größe der Preisschere, ein Thema, über das hier nicht zu reden ist, über das allerdings gesagt werden kann, daß die Einhaltung der Ziele der mittelfristigen Finanzplanung eine beinahe völlige Preisstabilität gewährleistet. Ich bin mir dabei der scheinbar hoffnungslosen Unvereinbarkeit von Wachstum und voller Preisstabilität durchaus bewußt. Über Preisentwicklung und Preisstabilität und Nichtpreisstabilität habe ich hier schon einmal meine Ansichten vorgetragen. Ich bin nicht der Meinung, daß die Erhöhung von Preisen, Gebühren oder Tarifen in jedem Fall schon eine Geldentwertung bedeutet.
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Sie kann Entzerrung entstandener, oft jahrzehntelang mitgeschleppter Verzerrungen sein, sie kann auch eine Umwertung als Folge eines Umdenkens sein, nämlich eine Umwertung in der Bewertung der menschlichen Arbeit, des Faktors Labour. Da geht es um die Frage der sozialen Integration. Dabei sind Randprobleme wie besserer Service, bessere Verpackung oder bessere Qualität oft. in rein statistischen Vergleichen gar nicht ohne weiteres einzufangen.
Lassen Sie mich mit meiner Antwort, die naturgemäß nicht auf alle Einzelheiten erschöpfend eingehen kann, zum Abschluß kommen. Es ist davon gesprochen worden, daß der Vierjahresrahmen gewählt worden sei, weil der Fünfjahresrahmen das Jahr 1972 umfassen müßte, und daß man sich bewußt noch nicht auf die Schuldentilgung festlegen wolle, die dann im Jahre 1972 in größerem Umfang fällig würde. Ich möchte darauf aufmerksam machen, daß man das Projektionsjahr, also das Basisjahr 1967, sehr wohl in diese vierjährige Finanzplanung einbeziehen kann.
Lassen Sie mich ein kritisches Wort zu der vorliegenden Planung sagen. Jede Planung unterliegt der Gefahr der perspektivischen Verkleinerung, der perspektivischen Vergrößerung mit zunehmender Distanz. Der Aussagewert der mittelfristigen Finanzplanung kann nur der Aussagewert einer Richtlinie sein. Sie hatten schon erwähnt: keine Vollzugsverbindlichkeit. Es können auf politischem oder wirtschaftlichem Gebiet Ereignisse eintreten, die uns geradezu zwingen, von dieser Planung abzuweichen. Wir sind doch nicht Planbesessene geworden. Aber wir wissen, daß wir dann, wenn wir um diese Mittellinie herum die nächsten Jahre unsere Wirtschafts- und Finanzpolitik betreiben, eine konkrete Aussicht haben, die Bundesfinanzen endgültig konsolidiert, ihren Anteil an den Investitionsausgaben erhöht und die Umstellung von der Vergangenheit auf die Zukunft in der ersten Phase durchgeführt zu haben mit den Schwerpunkten: höchste Zuwachsrate Wissenschaft und Forschung, große Zuwachsrate auf dem Gebiet des Verkehrs. Andere Zuwachsraten müssen bei den Ländern liegen. Eine hohe Quote liegt selbstverständlich bei der Verteidigung, und eine hohe Quote liegt bei der Landwirtschaft. Aber wir haben hier schon ein Schwerpunktsystem herausgearbeitet, das sich aus den Zahlen von selbst ergibt. Naturgemäß können nicht alle Wünsche gleichzeitig erfüllt werden. Wir werden ja immer wieder mit der Tatsache konfrontiert - auch Sie, meine Damen und Herren von der Opposition -, daß man in Diskussionen gefragt wird, warum bei uns dieses oder jenes nicht so geregelt ist wie in diesem oder jenem Lande. Man packt sich dabei jeweils die beste Lösung eines Problems im Lande A und des nächsten Problems im Lande B heraus und verlangt dann von uns die addierte und kumulierte gleichartige Lösung in unserem Staate. Das ist angesichts der Lasten der Vergangenheit, angesichts der notwendigen Umstellungen auf die Zukunft einfach nicht möglich, wie Sie sehr genau wissen. Es hätte wenig Sinn, schon jetzt das Jahr 1972 einzuschieben, weil der Aussagewert für das Jahr 1972 relativ gering wäre. Wir müssen, meine Damen und
Herren von der Opposition, mit diesem ersten Programm der mittelfristigen Finanzplanung Erfahrungen sammeln. Wir müssen wissen, ob die Methode richtig war. Wir müssen wissen, ob die Durchführungsmöglichkeit dann auch unseren Zielen entspricht, und wir müssen noch etwas tun: wir müssen diese mittelfristige Finanzplanung im Laufe der folgenden Jahre - vielleicht auf der Grundlage eines schon geänderten, im System einheitlich gestalteten Haushaltsrechts - auf Länder, Gemeinden und Sozialversicherungsträger ausdehnen.
Der vormalige Einwand, es seien nur vier Jahre und nicht fünf Jahre, hat doch weder einen politischen noch einen sachlichen Wert. Wir müssen diese mittelfristige Finanzplanung im nächsten Jahr fortschreiben. Wir müssen den ersten Versuch machen, auch unter Einschaltung eines Finanzplanungsrates zumindest die Länder und mit den Ländern auch die Gemeinden einzubeziehen, in einer späteren Phase die anderen großen Träger von Einnahmen und Ausgaben: das sind die Sozialversicherungsträger. Dann werden wir uns überlegen müssen, ob eine Periode von fünf Jahren einen Sinn hat oder ob sie nur gemacht wird, damit scheinbar der Buchstabe des Gesetzes erfüllt wird, der im übrigen in dieser Weise gar nicht ausgelegt zu werden braucht.
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Wenn Sie aber diese Planung genau gelesen haben, dann werden Sie feststellen, daß in der Aufnahme kurzfristiger Kredite die Nettomehrverschuldung des Bundes im Jahre 1967 mit Investitionshaushalt 6,64 Milliarden DM beträgt, im Jahr 1968 mit Investitionshaushalt 7,35 Milliarden DM; die Investitionshaushalte müssen wir hier ja mit einbeziehen. Diese beiden Volumina für die Jahre 1967 und 1968 sind mit der Bundesbank abgestimmt. Sie überschreiten die Grenze nicht, innerhalb deren die Bundesbank sich zur Mitwirkung an der Durchführung der mittelfristigen Finanzplanung und der vorgesehenen Kreditaufnahme bereiterklärt hat. Was die Nettomehrverschuldung an kurzfristigen Krediten anlangt, kommen Sie im Jahre 1969 auf 0,8 Milliarden DM, im Jahre 1970 auf 0,65 Milliarden DM und im Jahre 1971 auf minus 0,75 Milliarden DM, d. h. im Jahre 1971 gibt es keine Nettomehrverschuldung mehr, sondern nach dieser Planung gibt es im Jahre 1971 bereits eine Nettominderverschuldung. Die Größenordnung -0,8 Milliarden, 0,65 Milliarden und minus 0,75 Milliarden - soll Ihnen sagen, Herr Kollege Emde, daß wir in dieser Planung bei weitem unter dem geblieben sind, was die Bundesbank in einem Schreiben an Kollege Schiller und mich als zulässig in der Verschuldung für den Bund und als ungefährlich und durchführbar und verkraftbar erklärt hat.
Ich bin auch gefragt worden: Warum habt ihr in der mittelfristigen Finanzplanung denn diesen Rahmen nicht ausgenutzt, warum seid ihr nicht bis an diese Decke herangegangen, die euch die Bundesbank als möglich erklärt hat? Ich bin der Meinung, man soll einen Motor nicht auf die Dauer unter Vollast laufen lassen. Wir wissen nicht, welche
Belastungen noch auf uns zukommen, wir wissen nicht, wie die wirtschaftliche Entwicklung sein wird. Wir haben begründete Aussicht, daß wir am Ende der Talsohle stehen, daß wir im Jahre 1968 zu einem erheblichen Aufschwung kommen werden. Wir hoffen, daß dieser Aufschwung nicht zuletzt mit Hilfe der Mittel des Stabilisierungsgesetzes innerhalb vernünftiger Grenzen gehalten und möglichst lange gestreckt werden kann, so daß uns ein weiterer Abschwung stärkerer Art, jedenfalls größerer zyklischer Art, erspart bleibt. Aber hier haben Bundesregierung, Wirtschafts- und Finanzminister übereinstimmend die Meinung vertreten, daß dieser Rahmen nicht voll ausgenutzt werden solle, damit noch Bewegungsmöglichkeit für später vorhanden ist.
Begegnen wir nicht dauernd dem Argument, Herr Kollege Emde, daß die Bundesrepublik als einziges Land in der Gegenwart schon alles bezahle, statt die Leistungen für die Zukunft durch erhöhte Kreditaufnahme auch der kommenden Generation aufzubürden, begegnen wir nicht dauern dem Argument, daß wir vielzuviel aus den ordentlichen Haushalten finanziert hätten, dem Argument, daß wir vielzuwenig den deutschen Staat, die öffentliche Hand, verschuldet hätten? Bei uns ist die Verschuldung der öffentlichen Hand wesentlich niedriger als in den meisten anderen Industriestaaten - mit Ausnahme der Schweiz und einiger Länder -, gar nicht zu vergleichen mit USA und Großbritannien; ich könnte Ihnen die Prozentsätze nennen.
Wir wissen auch, daß bei uns die niedrige Verschuldung der öffentlichen Hand mit einer relativ hohen Verschuldung der privaten Hand verbunden ist. Das hängt mit dem ganzen Problem der früheren Steuersätze, der Unterkapitalisierung usw. eng zusammen. Ich möchte aber sagen, daß jede Ankündigung oder jede unterschwellige Andeutung, mit der Höhe der Kreditaufnahme sei die Stabilität der D-Mark gefährdet, erstens in der Sache falsch und zweitens in der Wirkung verhängnisvoll wäre,
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ganz abgesehen davon, daß sie unberechtigt wäre.
Ich mache auch kein Hehl aus meiner heute schon einmal geäußerten Meinung, daß dann, wenn wieder infolge aufsteigender Konjunktur höhere Erträge in die Staatskasse fließen, nicht neue Ausgabentatbestände begründet werden dürfen, daß dann die Möglichkeiten des Stabilitätsgesetzes aber auch so, wie es beschlossen ist, angewendet werden müssen und daß ein Mehrertrag in der Staatskasse zur Schuldentilgung, damit zur Konsolidierung und damit zur Schaffung einer neuen Kreditaufnahmekapazität verwendet werden muß und, wenn dann etwas übrigbleibt, das einer Konjunkturausgleichsrücklage zugeführt werden muß. Man kann nicht ein solches Programm, das sich insgesamt über mehr als ein halbes Jahrzehnt erstrecken muß, vielleicht ein ganzes Jahrzehnt umfaßt, jetzt innerhalb weniger Wochen in die Tat umsetzen. Ich wiederhole, was ich heute morgen gesagt habe: Wir haben eine lange Reise vor uns. Am Ende der Reise steht eine finanziell gesunde, moderne und fortschrittliche Bundesrepublik, ein vorbildlicher Sozialstaat, aber ein Staat, der auf dem Gebiet der Zukunftsinvestitionen über die Mittel verfügt, die er braucht, damit der nächsten Generation eine echte Lebensmöglichkeit und Konkurrenzmöglichkeit erhalten bleibt. Wir müssen uns dem mühseligen Kleinwerk der Entscheidungen jetzt unterziehen, damit der erste Schritt am Beginn einer Reise getan wird, an deren Ende eine friedliche und wirtschaftlich prosperierende Zukunft für uns und für die Kommenden sein soll.
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Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Luda.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach dieser eindrucksvollen Globalschau, die uns der Bundesfinanzminister gegeben hat, möchte ich für nur noch einige Punkte aus dem Zusammenhang der mittelfristigen Finanzplanung und dem Zweiten Konjunkturprogramm der Bundesregierung anschneiden. Mein Fraktionskollege, Herr Dr. Pohle, hat die wesentlichsten Einzelheiten systematisch behandelt, und was er gesagt hat, das ist auch voll und ganz meine Auffassung. Ich werde beiden Punkten, der Finanzplanung und dem Konjunkturprogramm zustimmen. Ich möchte aber einen Punkt aufgreifen, der sowohl in der Rede des Herrn Bundeskanzlers als auch heute morgen in der Rede des Herrn Bundesfinanzministers und auch des Bundeswirtschaftsministers angeklungen ist. Diesen Punkt möchte ich etwas vertiefen und, wie ich glaube, etwas konkretisieren.
Es geht um das Anliegen, das oftmals in der letzten Zeit geäußert worden ist, nämlich die Ausführung des Zweiten Konjunkturprogramms elastisch zu handhaben, damit man nicht mit den Aufträgen in einen eventuellen Konjunkturaufschwung der Wirtschaft hineingerät und so zu einer alsbaldigen Überhitzung kommt.
Meine Damen und Herren, die Verschuldungspolitik der öffentlichen Hand ist eben auch in der Rede des Herrn Bundesfinanzministers angeklungen.
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Einen Augenblick, Herr Abgeordneter Dr. Luda. - Meine Damen und Herren, ich bitte doch um mehr Aufmerksamkeit. Ich bitte, die Plätze einzunehmen und Gespräche nach draußen zu verlegen.
Bitte, fahren Sie fort, Herr Abgeordneter Dr. Lucia!
Im internationalen Vergleich der Pro-Kopf-Verschuldung liegt der deutsche Staat günstiger als die meisten anderen Staaten. Aber ich glaube, wir müssen zusätzlich noch zwei Faktoren berücksichtigen. Der deutsche Staat hat in viel höherem Maße gesetzliche Zahlungsverpflichtungen für alle Zukunft als die meisten anderen vergleichbaren Industrienationen. Außerdem ist die Produktivität der deutschen Wirtschaft bei weitem nicht vergleichbar z. B. mit derjenigen der Vereinig6034
ten Staaten von Amerika. In der Diskussion wird oftmals darauf hingewiesen, daß dort eine Pro-KopfVerschuldung von über 6000 DM bestehe, während bei uns der entsprechende Betrag nur 1400 DM ausmacht. Auf diese unterschiedlichen Gegebenheiten möchte ich doch nachdrücklichst hingewiesen haben.
Aber mir geht es in erster Linie um die Struktur der Verschuldung, und das ist der Komplex, der vom Herrn Bundesfinanzminister jetzt zum Schluß angesprochen worden ist. Das sind die kurzfristigen Verbindlichkeiten, die wir im Rahmen der mittelfristigen Finanzplanung uns vorgenommen haben demnächst zu kontrahieren. Da läuft bis einschließlich 1970 eine kurzfristige Verschuldung von 15,2 Milliarden DM auf. Meine Damen und Herren, ich sage ja zu dieser Planung, muß aber gleichzeitig darauf hinweisen, daß es an sich etwas Ungewöhnliches ist, sich für langfristig wirkende Investitionen in solcher Höhe und so langfristig durch Geldmarktmittel zu verschulden. Normalerweise müßte man gleichzeitig den Vorsatz fassen, im normalen Zyklus schlechter und guter Jahre der Wirtschaft diese kurzfristige Verschuldung zu konsolidieren und in eine langfristige Verschuldung umzuwandeln. Auf dieses Bedenken möchte ich noch einmal nachdrücklich hingewiesen haben.
Denn wenn es das Ziel der mittelfristigen Finanzplanung der Bundesregierung ist, in den nächsten Jahren wieder einen größeren politischen Spielraum zu bekommen, sollten wir die Gefahr nicht verkennen, daß wir eventuell das Gegenteil erreichen könnten, und zwar schon allein aus den Schuldentilgungen und Zinszahlungsverpflichtungen, die aus diesen Schulden resultieren. Meine Damen und Herren, wir haben im Jahre 1967 einen Schuldendienst in Höhe von 5 % des Bundeshaushalts ({0}) zu tragen. Dieser Schuldendienst wird im Jahre 1971 nicht, wie heute mehrfach in der Diskussion behauptet worden ist, ebenfalls etwas über 5 % ausmachen, um dann erst 1972 auf 11 % anzuschnellen. Richtig ist vielmehr, daß er schon bis 1971 auf 7,8 % des Bundeshaushalts anwächst. Das aber sind 40,6 % der Investitionsausgaben des Bundes, die wir in der mittelfristigen Finanzplanung für das Jahr 1971 vorgesehen haben. 40,6 % der gesamten Investitionsausgaben gehen 1971 allein auf den Schuldendienst!
Meine Damen und Herren, diese Zusammenhänge zwingen uns, besonders sorgfältig an die Frage heranzugehen: Können wir es verantworten, daß das Gesamtvolumen des Zweiten Konjunkturprogramms jetzt durch sofortige vollständige Auftragsvergabe in den Kreislauf der Wirtschaft gepumpt wird? Man muß sich klar sein über den wahren Umfang dieses Zweiten Konjunkturprogramms. Ich habe darüber Gespräche mit den zuständigen Herren im Bundesfinanzministerium geführt und Nachforschungen angestellt. Dabei hat sich ergeben, daß über das nominale Volumen des Zweiten Konjunkturprogramms von 5,288 Milliarden DM hinaus eine weit größere Anstoßwirkung auf die Volkswirtschaft ausgeht, als vorhin in der Debatte gesagt worden ist. Das gesamte Auftragsvolumen beträgt nicht 8 Milliarden DM, sondern geht über 8 Milliarden DM entscheidend hinaus. Durch die Zinssubventionen in Höhe von 25 Millionen DM für den Regionalfonds wird nach Berechnung des Bundesfinanzministeriums - das muß hier offen gesagt werden - ein Auftragsvolumen von 0,515 Milliarden DM, also rund einer halben Milliarde, ausgelöst. Durch die 100 Millionen DM Zinssubventionen für den Wohnungsbau - das ist der Teil 3 des Zweiten Konjunkturprogramms - wird einschließlich der Komplementärmittel der Länder - das muß ich ausdrücklich dazu sagen - ein weiteres Auftragsvolumen von 4,288 Milliarden DM ausgelöst, so daß das Auftragsvolumen, welches insgesamt durch das Zweite Konjunkturprogramm vorgesehen ist, 10,09 Milliarden DM beträgt,
Wenn man das aber sieht, muß man sich fragen, ob die Bundesregierung nicht gehalten sein sollte, besonders vorsichtig und elastisch in dem Sinne, wie der Herr Bundeskanzler es vorhin gesagt hat, an die Auftragsvergabe heranzugehen. Mein Vorschlag geht dahin, die Auftragsvergabe aus Teil 3 des Zweiten Konjunkturprogramms zunächst einmal um einige Wochen zurückzustellen. Die jetzigen statistischen Ziffern, die wir laufend bekommen, sind natürlich infolge der Sommerflaute fragwürdigen Charakters. Ich meine, wir sollten erst die neuesten Zahlen im Oktober und November abwarten, um daraus ablesen zu können, ob es zu verantworten ist, außer der sofort zu tätigenden Auftragsvergabe sämtlicher anderen Teile des Zweiten Konjunkturprogramms zusätzlich auch die Wohnungsbauprogramme im Sinne der Auftragserteilung in Angriff zu nehmen. Ich bitte die Bundesregierung, diese Frage sehr sorgfältig zu prüfen.
Das Zweite Konjunkturprogramm ist, ich möchte das in diesem Zusammenhang ausdrücklich betonen, außerordentlich zu begrüßen, einmal wegen seiner augenblicklichen Notwendigkeit, dann aber auch, weil es das Verdienst des Bundeswirtschaftsministers und des Bundesfinanzministers ist, daß hier erstmals eine Kooperation größten Stils zwischen Bund, Ländern und Gemeinden herbeigeführt wurde, die für die Beratungen über die Finanzverfassungsreform beispielhaft sein sollte. Aber trotz allem meine Bitte, in dieser besonderen Weise, wie ich es vorgetragen habe, vorsichtig zu sein und elastisch vorzugehen.
Meine Damen und Herren, ich habe aber nach meinem Gefühl außerdem die Verpflichtung, in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, daß die Zinssubventionen auch aus prinzipiellen Erwägungen abgelehnt werden sollten. Die Bundesbank hat in der Zentralbankratssitzung vom 27. Juli und in einem am selben Tage erschienenen Kommuniqué diese grundsätzlichen Argumente aufgeführt; ich brauche sie hier nicht zu wiederholen. Tatsache ist, daß die Verankerung neuer Zinssubventionen - das ist es ja! - zwangsläufig den allgemeinen Kapitalmarktzins höhertreiben würde. Leider ist das Bemühen des Herrn Bundeswirtschaftsministers, das Zinsniveau auf 6 % zu reduzieren - ein Bemühen, das wir immer sehr begrüßt haben -, bisher nicht zum vollen Erfolg gelangt. Wenn aber jetzt zusätzliche Zinssubventionen von der Regierung gezahlt werden, dann kann diese Projektion des Herrn BunDr. Luda
deswirtschaftsministers auf gar keinen Fall in absehbarer Frist erreicht werden. Das ist meine ehrliche Befürchtung.
Außerdem stört mich sehr, daß diese Kreditverbilligungsmittel mit kurzfristigen Krediten finanziert werden sollen. Wenn die Bundesregierung sie wenigstens aus Steuermitteln finanzieren würde, dann wären meine Bedenken nicht so triftig.
Jetzt noch ein letzter Punkt zum ERP-Programm. Frau Ministerin Strobel ist es zu verdanken, daß bei den Krediten für Luft- und Wasserreinhaltung nicht nur Gemeinden, sondern auch private Unternehmen berücksichtigt werden sollen. Das ist deshalb richtig gewesen, weil es sich hier ja um unproduktive Investitionen der privaten Unternehmen handelt, die nur auf öffentliches Geheiß getätigt werden müssen. Die praktische Handhabung zeigt aber leider, daß die Städte und Gemeinden in der Bundesepublik Deutschland ihre eigenen Anträge auf dem Verwaltungswege nach oben weiterleiten, sich aber oftmals weigern, auch private Anträge weiterzugeben. Die Landesregierung Nordrhein-Westfalen hat bedauerlicherweise den Beschluß gefaßt, daß die zur Verfügung stehenden Kredite in erster Linie den Gemeinden und erst in zweiter Linie auch privaten Unternehmen zur Verfügung gestellt werden sollen. Ich wäre sehr dankbar, wenn sich die Bundesregierung hier einschaltet und dafür sorgt, daß private und öffentliche Antragsteller in diesem Bereich gleich behandelt werden.
Das waren einige Bedenken und Anregungen, die ich in diesem Zusammenhang noch vorbringen wollte.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Haas.
Herr Präsident! Meine verehrten Damen und Herren! Was eine manisch-depressive Geisteshaltung ist, ist uns allen bekannt. Eine solche Geisteshaltung kann sich in extremen Fällen zu einem manisch-depressiven Irresein steigern, und es ist der medizinischen Wissenschaft verhältnismäßig spät gelungen, es als echte Geisteskrankheit auszumachen. Nun, in der Regel ist eine solche Geisteshaltung nur in extremen Fällen feststellbar. Diese Krankheit - wenn es sich um eine solche handelt - verläuft in Schüben, eine manische Phase wird von einer depressiven gefolgt. In der manischen Phase traut sich der davon Befallene viel mehr zu, als seine geistigen und vielleicht auch seine wirtschaftlichen Potenzen vertragen, während er in der depressiven lethargisch darniederliegt, wenn ich einmal so sagen darf.
({0})
- Ich spreche davon, Herr Kollege, daß sich zwar in diesem Hause, wie ich wohl mit Ihrer Zustimmung annehmen darf, - auch wir sind Teile dieses Hauses - keine manisch-derpessiven Kranken befinden, aber doch immerhin Menschen befinden können, die sich unter solchen Schwankungen in
der Beurteilung irgendwelcher Problematiken, die uns persönlich angehen - und ihnen sind wir doch alle unterworfen -, einmal so und einmal anders verhalten.
Wenn ich das so betrachte, dann möchte ich meinen, daß auch in diesem Hause eine manische Phase feststellbar gewesen ist bis - man kann den Tag ziemlich genau sagen - zum Tage der Bundestagswahl 1965 und daß diese Phase dann unmittelbar darauf von einer depressiven Phase abgelöst wurde. In der manischen Phase haben wir uns stark übernommen. Wir haben uns ganz gewiß nicht antizyklisch verhalten, sondern ich habe im Gegenteil den Eindruck, daß wir uns hier außerordentlich prozyklisch verhalten haben und daß das insbesondere auch in der Opposition der Fall gewesen ist. Ihre Verdienste, meine Herren von der damaligen Opposition, würden heute mit Goldschrift im Himmel stehen, wenn Sie die Lehren, die der Herr Bundeswirtschaftsminister heute verkündet - der Sie damals mit seinem Geiste noch nicht befruchten konnte -, zu jener Zeit, bis zur Mitte des September 1965, geäußert hätten.
Aber nun begann die depressive Phase, beginnend mit dem Haushaltssicherungsgesetz des Oktober/November 1965. Diese Phase bis heute möchte ich wieder in zwei Abschnitte unterteilen, erstens die Phase, in der man in sich ging und etwas grundsätzlich Richtiges unternahm. Das geschah mit dem Haushaltssicherungsgesetz. Nur hat es nicht ausgereicht, und nur glaubte man damals, in erster Linie mit Terminverschiebungen auskommen zu können. Man hat die Probleme also nur vor sich hergeschoben. Damals sagte man: Wir müssen sparen und sparen. Das Stabilitätsgesetz, das damals im ersten Entwurf vorlag, erhob den Zeigefinger nicht nur gegen den Bund, sondern auch gegen die übrigen Gebietskörperschaften. Es sagte: Hört um Gottes Willen mit eurer groben Ausgabenwirtschaft auf! Die Stadt Frankfurt mit ihrer Verschuldung von 1,7 Milliarden DM wurde als Beelzebub an den Pranger gestellt. Es war sogar vorgesehen, eine Limitierung des Kreditplafonds der Kreditinstitute vorzunehmen, weil ja die Gebietskörperschaften so ausgabefreudig seien und es zum Teil auch tatsächlich waren. Die damalige Devise hieß also kurz gesagt: Mit Volldampf zurück!
Die Devise, die dann durch die neue Regierung ausgegeben wurde, befruchtet, wie gesagt, vor allem von den Erkenntnissen des neuen Herrn Wirtschaftsministers, hieß ganz im Gegenteil, und zwar von heute auf morgen: Mit Volldampf voraus! Man sagte: Um Gottes Willen, was bisher geschehen ist, ist schlecht; die Möglichkeiten, mit normalen wirtschaftspolitischen Mitteln noch durchzukommen, sind geschwunden; die Restriktion war falsch, wir müssen genau das Gegenteil tun!
Ich bekenne mich meinerseits und auch namens meiner Fraktion zu der grundsätzlichen Richtigkeit einer antizyklischen Finanzpolitik. Aus dieser Überlegung haben wir ja auch dem ersten Investitionshaushalt mit 2,5 Milliarden DM zugestimmt, wir alle; Sie können nachlesen, was wir gesagt haben. Wenn wir heute starke Bedenken erheben, so rich6036
ten sie sich nicht gegen den Grundsatz dieser Politik, sondern gegen Art, Maß und Umfang dieses Zweiten Investitionsprogramms 1967/68.
Einmal sind wir der Meinung, daß der Umfang zu groß ist. Ich darf vollkommen das unterstreichen, was soeben mein Herr Vorredner, der Kollege Luda, hier ausgeführt hat, nämlich daß diesen 5,3 Milliarden DM die Mittel hinzugerechnet werden müssen, die durch die Zinssubventionen für weitere Investitionsmaßnahmen kommen. So ergibt sich eine Investitionsmasse - Herr Kollege Luda hat sie dankenswerterweise errechnet - von 10,1 Milliarden DM, also ein gewaltiges Volumen. Ich darf doch die Frage erheben, ob dieser Betrag angesichts der heutigen Situation noch irgendwie vertretbar erscheint. Wir sind der Meinung, er ist es nicht mehr.
Der Herr Finanzminister, der sich heute auf die Schnellebigkeit unserer Zeit berufen hat, ist ja auch in seinem Beharrungsvermögen bezüglich seiner Ansichten immer ein bißchen schnellebig. Zwar hat er sich, als die Sachverständigen in Ihrem Ergänzungsgutachten zu Beginn dieses Jahres die Herabsetzung von Steuern forderten, dieser Ansicht nicht angeschlossen. Es liegt ihm ja auch nicht so sehr, Steuerermäßigungen vorzunehmen. Auch wir haben damals gesagt, das wäre falsch. Aber dann kam seine Rede auf der Tagung der Steuerberater im April oder Anfang Mai. Wir haben diese Rede vergebens angefordert; es hieß immer, man habe keine Zeit, sie abzuziehen oder abzuschreiben. Wir wissen also auch heute nicht genau, was er dort gesagt hat. Aber immerhin, es ist wohl gesagt worden: Keine Steuererhöhung!, ich, der Finanzminister, kann sie in der jetzigen Phase der deutschen Wirtschaft nicht zumuten! - Ein schönes Wort! Dann, ich glaube, am 14. Juni, als wir hier die große finanzpolitische Debatte hatten, hat der Herr Bundesfinanzminister seine Meinung deutlich gewechselt. Damals kündigte er Steuererhöhungen in ungefähr der doppelten Höhe des Betrages an, der dann vom Kabinett tatsächlich zugebilligt wurde.
Auf der Landeskonferenz seiner Partei in München Anfang Juli hat er ausgeführt, es handle sich ja gar nicht um eine größere Rezession in der deutschen Wirtschaft, denn wir hätten ja noch immer nicht nur Vollbeschäftigung, sondern sogar eine leichte Überbeschäftigung, und er hat wohl auch auf die rund 1 Million Gastarbeiter, die noch immer bei uns sind, hingewiesen. Hier möchte ich ihm zur Seite treten. Auch ich bin der Meinung - und mein Kollege Friderichs hat das vorhin ebenfalls ausgeführt -, daß die Zahl der registrierten Erwerbslosen bei uns 359 000 beträgt und daß diesen Erwerbslosen 346 000, also fast ebenso viele, freie Arbeitsplätze gegenüberstehen. Eine wirkliche Arbeitslosigkeit ist also kaum vorhanden; die echte Zahl beträgt nur 1,7 %. Ich möchte doch fragen: Wenn diese Regierung, diese Regierungsspitze und die zuständigen Ressortminister glauben, einer verhältnismäßig leichten Rezession bereits mit einem solchen Volumen von Investitionsmaßnahmen begegnen zu müssen, was würden sie dann machen und diesem Hause vorschlagen, wenn sich diese Rezession heute oder morgen oder in einem Jahr - wir wollen das nicht hoffen - verschärfen würde?
Gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Abgeordneten Ravens?
Bitte sehr!
Herr Kollege, darf ich noch einmal auf Ihre Arbeitslosenzahlen zurückkommen. Ich glaube, den Nichtbeschäftigten in diesem Lande wird es nicht reichen, daß man ihnen sagt, daß wir nach internationalen Grundsätzen die Vollbeschäftigung haben. Die Frage ist, wenn sie Arbeit bekommen. Aber ist Ihnen bekannt, daß neben dieser Zahl eine andere steht, nämlich die Abnahme der Zahl der Beschäftigten in der Industrie vom vergangenen Jahr bis zu diesem um 700 000, 700 000 weniger industrielle Arbeitsplätze, und ist Ihnen bekannt, daß die Zahl der im Bauhauptgewerbe Beschäftigten z. B. gegenüber dem Juli des vergangenen Jahres um 12,5 % zurückgegangen ist? Das sind andere Bezugsgrößen. Aber ich glaube, auch sie sollte man werten, wenn man die Frage nach der Rezession stellt.
Diese Zahlen sind uns sehr wohl bekannt. Ich möchte auch annehmen, soweit industrielle Arbeitsplätze freigeworden sind, ist das in erster Linie auf die großen strukturellen Schwierigkeiten in der Montanindustrie zurückzuführen. Hier müssen wir uns natürlich sowieso etwas einfallen lassen, was eben auf dem Gebiet der Umstruktuierung liegt. Das ist kein Gegenargument, wie mir scheint.
Nun, ich möchte nur die Frage wiederholen: Glaubt man, wenn man heute schon in diesem Umfang Geld in die Wirtschaft hineingeben will, mit diesen Maßnahmen in Zukunft noch etwas abbremsen zu können? Das ist die Frage, die mich bewegt. Ich bin der Meinung, daß man bei dieser mittelfristigen Planung von sehr optimistischen Zahlen ausgegangen ist. Es wird davon gesprochen, daß in diesen kommenden Jahren ein jährlicher Ausgabenmehransatz von 6 % vertretbar sei; denn man könne auch auf ein Wachstum des Sozialprodukts in Höhe von 4 % realiter und in Höhe von 5 bis 5,5 % nominaliter vertrauen. Für das Jahr 1967 läßt sich wohl schon zur Gänze feststellen, daß diese Prozentsätze nicht zur Hälfte erreicht werden können. Für das erste Halbjahr 1968 möchte ich fast eine Prognose ähnlicher Art wagen. So grobe Überschätzungen und Fehlschätzungen, wie sie hier vorgetragen worden sind - und Herr Kollege Mischnik hat mit Recht gesagt, was nur das Sich-Verschätzen um 1 % im Ergebnis ausmacht -, müssen zu völlig anderen Gesamtergebnissen führen.
Nun das zweite Bedenken, das wir haben. Das erste Bedenken: Umfang /der Mittel, das zweite Bedenken: Anwendung, Verwendung der Mittel. Ich brauche auch hier nicht zu wiederholen, was vorhin der Kollege Emde und auch der Kollege Mischnick schon .angeführt haben, .das Beispiel mit der Müllbeseitigungsanlage und ähnliche Dinge, das geDr. Haas
meindliche Schwimmbad möglichst für jede Gemeinde usw. Diese Dinge stehen doch heute heran. Mit Recht ist gesagt worden - ich weiß es persönlich nicht, weil ich dem Haushaltsausschuß erst anderthalb Jahre angehöre -, daß nun manche alte Ladenhüter von Projekten,welche man in den vergangenen Jahren im Haushaltsausschuß immer wieder vergeblich durchzuboxen versucht hat, plötzlich über Investitionen wieder erscheinen. Ich weiß auch, wie es in den Länderparlamenten und Länderregierungen aussieht. Da liegen seit Jahr und Tag bestimmte schön ausgeklügelte und ausgetüftelte Projekte in den Schubladen. Man hat sie immer wieder Jahr um Jahr, nachdem man sie bei der Etatsaufstellung nicht durchsetzen konnte, in die Schuhladen zurücklegen müssen. Man weiß jetzt, daß man diese lieben Ladenhüter doch ‘durchführen kann. In den Gemeinden ist es nicht anders.
Es gibt eine Reihe von Ländern, die sich hier vernünftig verhalten. So hat z. B. das Land Bayern für seine investiven Maßnahmen, die es jetzt anlaufen läßt, Projekte des nächsten Jahres herangezogen, die für den Haushalt 1968 mit der Dringlichkeitsstufe 1 benotet gewesen sind. Man kann also mit einer einigermaßen vernünftigen Verwendung dieser Investitionen rechnen.
Selbstverständlich wäre es irrig, zu glauben, im Jahre 1968 würde dafür ein Vakuum von ähnlichem Umfange ,auftreten. Ein Vakuum der Wünsche und ein Vakuum beim Ausbringen und Durchsetzen von Investitionen gibt es hier praktisch nicht, wie jedermann weiß, oder irgendwann einmal mit Gemeindeverwaltungen etwas zu tun hatte. Es wird also zweifellos vom Standpunkt der Dringlichkeit aus hier erheblich gesündigt werden. Die hektische Eile und die kurzen Fristen, die den Gebietskörperschaften gesetzt worden sind, verleiten doch gerade dazu, heute Projekte in ihr Investitionsproaramm hineinzuschleusen, die keine höhere Dringlichkeitsstufe haben und bei denen keine echte Notwendigkeit besteht, sie bald durchzusetzen.
Erhebliche Bedenken haben wir auch bezüglich der Tilgung dieser sehr hohen kurzfristigen Verschuldung, die nach dein Plan eintreten soll und die für die Jahre 1967 und. 1968 rund 14 Milliarden DM ausmacht. Die Tilgung ,soll nur zum allerkleinsten Teil innerhalb dieser 4jährigen Periode durchgeführt werden. Sie beginnt 1969 mit 200 Millionen, im nächsten Jahr werden es 1200 Millionen und im übernächsten Jahren 2200 Millionen DM sein. Der Clou kommt dann in den Jahren 1972 und 1973 mit 8 Milliarden und mit 6 Milliarden DM. Offenbar ist dann das „goldene Zeitalter" angebrochen und alles fällt uns spielend leicht. - Bitte sehr!
Eine Zwischenfrage.
Herr Kollege Haas, ist Ihnen - um auf die Frage der Fristen zurückzukommen - entgangen, daß hier inzwischen eine Änderung eingetreten ist, indem nur noch von einer Soll-Frist bis zum 15. Oktober gesprochen wird, und daß damit ganz klargestellt ist, daß hier kein Zeitdruck, den Sie erwähnt haben, eintreten soll?
Ich meine, auch eine Soll-Frist bedeutet, daß in den Gemeinden immerhin die Vorstellung entsteht: Wenn man jetzt nicht ganz rechtzeitig kommt, womöglich diese Frist noch unterschreitet, wird man bestimmt zu kurz kommen. Ich bin der Meinung, Kerr Kollege, daß man hier viel zu kurze Fristen gesetzt hat und daß darunter auch die gute und richtige Planung sehr leidet.
Sicherlich werden die 14 Milliarden DM, die nach der Vorlage in den Jahren 1972 und 1973 getilgt werden sollen, zum Teil oder vielleicht ganz konsolidiert werden können. Aber auch dann, wenn das gelingt, werden lange kommende Jahre mit erheblichen Zinslasten belegt. Darf ich aus meiner Erfahrung im Bayerischen Landtag darauf hinweisen, daß dort Anfang der fünfziger Jahre der Haushalt mit 13 % der Ausgaben durch Schuldentilgung belastet gewesen ist. 13 % sind bei einem sehr geringen Anteil disponsibler Ausgaben ein sehr hoher Betrag. Ich fürchte, daß bei uns die Dinge in etwa die gleiche Richtung gehen.
Wir haben uns also doch wohl hinsichtlich des Volumens und hinsichtlich der Wachstumsvorstellungen in dieser vierjährigen Periode erheblich überschätzt. Wir sind, wie mir scheint, in einem sehr schnell fahrenden Zug. Er hat das Tempo: 6 ob oder 5,5 %, wie Sie es haben wollen. Hierin besteht eine sehr große Gefahr: Stellt sich nämlich jetzt heraus - was wir befürchten -, daß diese Prozentziffern sehr überschätzt sind, wird man vielleicht schon im nächsten Frühjahr mit neuen Investitionshilfemaßnahmen, mit neuen Programmen, kommen müssen. Eine Bemerkung, die der Herr Finanzminister vorhin gemacht hat, erscheint mir hier durchaus verdächtig. Er hat gesagt, das Volumen, das selbst die Bundesbank verantworten wollte, sei gar nicht voll ausgenutzt, und es beständen für später noch „weitere Möglichkeiten".
Ich gebe zu: Solange ein bestimmtes Investitionsvolumen trotz des billigen Geldes, das heute vorhanden ist, durch die private Wirtschaft nicht genützt wird, erscheint zunächst vom Standpunkt einer inflationären Entwicklung aus ungefährlich, dieses Vakuum durch öffentliche Investitionen auszufüllen. Aber auch hier die Einschränkung, meine Damen und meine Herren: Das Wachstum, die Wachstumsgröße, die wir bisher hatten, werden wir in diesem Umfang nicht beibehalten können. Das zeichnet sich heute schon ab. Also ist es ausgeschlossen und nach meiner Meinung nicht vertretbar, dieses nicht mehr erzielbare Wachstum zur Gänze durch öffentliche Investitionen bzw. die hierfür bereitgestellten öffentlichen Mittel ausschöpfen zu wollen. Wir können den Ausfall nur zum Teil reparieren, um eben keine deflationistischen Erscheinungen eintreten zu lassen. Wir können es aber nicht zur Gänze tun, wenn wir an eine ruhige Entwicklung denken.
Wenn noch vor Jahresfrist gesagt worden ist: Mit Volldampf zurück!, und wenn heute gesagt wird: Mit Volldampf voraus!, wenn das Stabilitätsgesetz, das erheblich abgeändert worden ist, heute mit einer
Seitenverkehrung angewendet werden soll - auch für die Zukunft ist es wohl vorgesehen -, dann muß ich sagen: Dieses Kommando „Rückwärts!", dann dieses Kommando „Vorwärts!" trägt doch nicht dazu bei, daß in der Bevölkerung und insbesondere in der Wirtschaft das Vertrauen zu dieser Bundesregierung und zu den maßgeblichen Ressorts wächst. Ich kann mir das nicht vorstellen. Einen solchen Kommandowechsel innerhalb einer kürzesten Frist kann man sich eben nicht erlauben. Was mag denn der kleine Dorfbürgermeister heute denken, wenn er vor Jahresfrist die Weisung bekam, um Gottes willen mit jeder Investition zurückzuhalten, und wenn er heute die gegenteilige Weisung bekommt: Bitte ganz rasch deine Projekte, damit du Geld bekommst!
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Bitte sehr!
Herr Kollege Haas, können Sie mir helfen und sagen, wann diese Bundesregierung in der Zeit vom 13. Dezember 1966 bis heute erklärt hat: Kommando zurück!? Denn Sie sagen, das würde das Vertrauen in diese Bundesregierung erschüttern, weil sie zuerst „Zurück" und dann „Vorwärts" gesagt habe.
Ich sage nicht, daß diese Bundesregierung „Kommando zurück!" erklärt hat, obwohl gerade der Herr Wirtschaftsminister teilweise eine unüberhörbare Kritik an dem Herrn Präsidenten der Bundesbank geübt hat. De facto aber hat sie doch wohl diese Weisung gegeben.
Wenn Sie mehr wissen wollen, dann darf ich vielleicht einen Satz zitieren, der völlig klarmacht, wie man sich heute die Lösung denkt. Es heißt in der Drucksache zur mittelfristigen Finanzplanung auf Seite 3:
Die beträchtliche Ausweitung der Neuverschuldung des Bundes entspricht der sich aus der gesamtwirtschaftlichen Projektion ergebenden Forderung nach verstärkten öffentlichen Investitionen, die nur verwirklicht werden kann, wenn die Gebietskörperschaften bereit sind, sich - insgesamt gesehen - wesentlich mehr als bisher zu verschulden.
Da steht es doch. Was heute gewünscht wird, ist genau das Gegenteil von dem, was vor Jahresfrist gewünscht wurde, nämlich eine kräftige Neuverschuldung. Wie gesagt, einen solchen Kommandowechsel können wir im ganzen nicht für richtig und gut halten; denn auch in der Befehlsausgabe muß sich eine Zentralstelle der Wirtschaft darüber im klaren sein, daß eine stetige Politik bei der Bevölkerung verstanden wird, eine nicht stetige und widerspruchsvolle Politik aber im allgemeinen nicht.
Der Herr Wirtschaftsminister hat uns heute morgen eine sehr nette Sentenz gesagt. Er hat gesagt, der wahre Gläubige werde dann, wenn er in die Kirche gehe, um für einen baldigen Regen zu beten seinen Regenschirm mitnehmen. Herr Wirtschaftsminister, ich weiß nicht, ob Sie nach Ihrer inneren Struktur in der Lage sind, in die Kirche zu gehen, um dort Regen zu erbitten. Ich unterstelle einmal, Sie wären dazu fähig und in der Lage. Dann allerdings möchte ich meinen, daß Sie Ihren Regenschirm bestimmt nicht zu Hause lassen würden; Sie würden ihn mitnehmen. Nun, man wird sagen können: das ist noch eine angenehme und vorteilhafte Sache, und wenn nicht einmal Professoren an ihre Ideen glauben, wer soll sonst daran glauben! Vielleicht kann man sagen: Professoren müssen so sein, um überhaupt glaubhaft zu wirken. Darin liegt aber auch eine große Gefahr, Herr Bundeswirtschaftsminister, die Gefahr nämlich, daß Sie, der Sie erfüllt von der Richtigkeit des Grundsatzes der antizyklischen Politik sind, sich doch in der Anwendung der Mittel und in dem Volumen dieser Politik übersteigern und daß Sie Verschiedenes, was besser über-, prüft werden müßte, nicht überprüfen.
Herr Kollege Emde hat eine Frage an Sie gestellt und Sie gebeten, ihn zu beruhigen und hier zu erklären, das alles werde keine inflationären Folgen haben. Ich bin damit nicht zufrieden. Ich bin der Meinung, das, was bereits getan wurde, hat zu einer solchen Geschwindigkeit im Ablauf der antizyklischen Maßnahmen geführt, daß Sie sie nicht mehr redressieren können. Nach meiner Meinung ist jetzt des Guten bereits zuviel getan und trägt das, was dereinst heimgezahlt werden muß, dem deutschen Volke im Endergebnis zweifellos eine Verstärkung der jährlichen Inflationsraten ein.
Ich glaube, daß dies um so mehr gilt, als wir von der Koordinierung, die Sie brauchen und die Sie sich wünschen, nämlich der Koordinierung Ihrer Wirtschafts- und Finanzpolitik mit der der Länder und Gemeinden, noch weit entfernt sind. Im Rahmen der mittelfristigen Planung stellen Sie sich nun gewisse Koordinierungen vor, und die Gebietskörperschaften und die Länder sehen auch, daß das Zuckerbrot da ist; aber sie haben Bedenken, es anzunehmen. Denn sie können sich vorstellen, was die Folge sein wird. Am Ende steht die vorgesehene Verfassungsänderung, die Finanzkompetenzänderung, die für die Länder und Gemeinden objektiv gesehen, bedenklich ist.
Wir stimmen zu, denn ein kooperativer Föderalismus scheint uns ein richtiger Grundsatz zu sein. Aber es wird zweifellos Länder geben - wer wird es ihnen übelnehmen?, und gerade die großen Länder sind ja hier von Gewicht -, welche sagen: Wir können in diesem Umfange nicht zustimmen; denn am Ende bleibt von unserer Staatlichkeit dann nicht mehr viel übrig. Wenn das die Länder ablehnen - wir werden das in Kürze bei der mittelfristigen Planung erfahren, und wir werden es spätestens in einigen Jahren bei dem Problem der Finanzreform erfahren -, dann ist doch diese Regierung mit ihrer Zielsetzung nicht durchgekommen. Zur Prestigeerhöhung dieser Regierung wird das nicht beitragen. Der Herr Bundeskanzler muß sich also im vorhinein dessen sicher sein, daß die Landesregierungen diesen grundsätzlichen Gedankengängen, wie sie etwa im Troeger-Gutachten ausgearbeitet sind, folgen und ihnen zustimmen, so daß eine Koordinierung
tatsächlich erreichbar ist. Ich glaube aber nicht, daß daß der Fall sein wird. Hier wurde wieder der zweite Schritt vor dem ersten gemacht - ein typischer Fall --, und man wird hier nachher sehen, daß die Vorstellungen, die man hat, bei weitem nicht zu verwirklichen sind.
Meine Fraktionskollegen, die hier gesprochen haben, sind gerügt worden, daß sie ihrerseits nicht konkrete Vorschläge zur Verminderung von Ausgaben gebracht haben, die zu einem besseren Haushaltsausgleich, jedenfalls zu einem Haushaltsausgleich ohne Steuererhöhungen, geführt hätten. Ich glaube, es ist unbillig, von meinen Kollegen konkrete Vorschläge in einem Zeitpunkt zu verlangen, in dem nicht einmal die Regierung darüber Beschluß gefaßt hat, wie und in welchem Umfange sie sparen will; denn sie will ja heute eine Diskussion über ausgabemindernde Maßnahmen gar nicht zulassen. Es ist doch so, daß der Teil Ihrer Planungen, der in der Anlage zwei angeführt ist - in der Anlage sind immerhin Ausgabekürzungen von 5,3 Milliarden DM für das Jahr 1968 und 7,3 Milliarden DM für das Jahr 1969 vorgesehen -, noch in keiner Weise festliegt. Sie werden sich gerade über die härtesten Dinge und über die heißesten Eisen erst in der nächsten Woche unterhalten wollen. Erst dann wird das staunende Volk erfahren können, inwieweit Sie Ihre hier vorgesehene Planung tatsächlich verwirklichen werden. Ich glaube, daß das etwas ist, was Ihnen zur Last gelegt werden muß, was Sie jedenfalls nicht dazu ermächtigen kann, von der Opposition zu fordern, sie hätte ihrerseits mit konkreten Vorschlägen kommen müssen.
Ich will ganz allgemein sagen: auf dem Gebiet der Verteidigungsausgaben, des Verwaltungsaufwands, der Subventionen und des Sozialaufwands sind erhebliche Einsparungen möglich. Man hat hier die größten Möglichkeiten, den Haushalt auf normale Weise zu begradigen. Auch die Entwicklungshilfe, die Ausgaben für das Verkehrswesen, vor allem das Defizit der Bundesbahn sind hier zu erwähnen.
Meine Partei hat sich nie darum herumgedrückt, konkrete Ziffern zu liefern. Ich darf Sie nur an die Verhandlungen erinnern, die wir im Oktober vorigen Jahres während der Zeit der Koalitionskrise mit der CDU/CSU-Fraktion geführt haben. Angesichts einer Haushaltslücke, die wir damals auf etwa 4 Milliarden DM schätzen mußten und schätzen konnten, haben wir Ihnen in gleicher Höhe konkrete Einsparungen vorgeschlagen. Sie wurden mit einer großen Geste vom Tisch gewischt mit der Begründung, das wäre soziale Demontage,
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die würden Sie nicht mitmachen. Heute werden Sie die Notwendigkeit sehen, sich hier mehr anzustrengen. Am Ende ist doch die Öffnung der Messer, die zu der weitgeöffneten Schere gehören, von Jahr zu Jahr größer geworden. Ausgaben und Einnahmen werden immer mehr differieren. Es muß in erster Linie versucht werden, durch genaue Durchforstung des Haushalts so viele Abstriche zu machen, daß man ohne Steuererhöhungen zu Rande kommen kann.
Ein solches Bemühen wäre um so notwendiger, je mehr Sie darauf aus sind, eine wirklich organische Bereinigung einer Haushaltskrise herbeizuführen. Sie können sich nicht die Beratung dieses Teils, der natürlich der schwierigste ist und das heißeste Eisen darstellt, ersparen und nur den leichtesten Teil vorwegnehmen. Der leichteste Teil ist, jetzt Schulden zu machen.
Dabei muß gesagt werden - hier stimme ich völlig dem zu, was der Kollege Burgbacher gesagt hat -: die Hand zum Schwure bezüglich des Schuldenmachens von heute wird, wie wir hoffen, in kurzer Zeit - ich hoffe: in wenigen Jahren - bereits wieder da sein, wenn die Kassen erneut voll sind und sich die Notwendigkeit ergibt, in der Aufschwungsphase die Kehrseite der Lehre von der antizyklischen Politik anzuwenden, nämlich die Schulden zurückzuzahlen bzw. einen Fonds der Konjunkturrücklage anzulegen, wie das der Herr Finanzminister heute gesagt hat. Ob er das tun kann, das mag doch außerordentlich bezweifelt werden. Nicht nur volle Kassen haben dieses Haus sinnlich gemacht, wie der schöne Satz heißt, sondern sogar auch leere. Das haben wir vor der Buntagswahl 1965 gesehen. Ob gefüllt Kassen diese Sinnlichkeit, nämlich den Drang, Gelder auszugeben, in jeder Beziehung langaufgestaute Wünsche auf dem Gebiet des Besoldungswesens, auf dem Gebiet irgendwelcher Abschlußgesetze, die verlangt und sogar zugesagt worden sind, wegzaubern können, das werden wir dann sehen. Ich persönlich glaube kaum, daß in dem Augenblick, in dem die Hand zum Schwur erhoben wird und die Kehrseite der antizyklischen Politik in Erscheinung treten muß, in diesem Hause und in dieser Koalition der Mut besteht, den bitteren Tropfen, der aus dieser Lehre folgt, zu trinken und damit die Haushaltslage endgültig ins Gleichgewicht zu bringen. Ich bezweifle sehr stark - alle empirischen Grundsätze sprechen dagegen -, ob dieses Haus und diese Koalition und vielleicht auch diese Regierung es tun wird. Ich glaube vor allem, daß sie es nicht mehr tun kann. Denn die Dinge werden in den folgenden Jahren einen Lauf nehmen, von dem man wohl heute schon befürchten muß: er wird verhängnisvoll sein für das deutsche Volk und für die Stabilität seiner Währung.
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Das Wort hat der Herr Bundeswirtschaftsminister.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, wir alle können nach dieser langen Debatte feststellen, daß das parlamentarische Leben und das parlamentarische Temperament keineswegs unter diesen Umständen und bei dieser Sondersitzung gelitten haben. Hier wurden rege Fragen gestellt, von der Opposition insonderheit, aber auch von anderen kritischen Abgeordneten in diesem Hause. Wenn ich die Stimmung im ganzen, besonders auf seiten der Opposition, vielleicht auch bei anderen kritischen Abgeordneten gegenüber den
beiden Projekten „mittelfristige Finanzplanung" und „Konjunkturprogramm" kennzeichne, dann finde ich, man ist eigentlich - untergründig - der Meinung: es ist eine ganz vernünftige Sache, zum erstenmal eine solche mittelfristige Planung bis in die einzelnen Einnahme- und Ausgabepositionen hinein. Das ist etwas anderes als die fünf Zeilen im Finanzbericht von 1965 und 1966. Und beim Konjunkturprogramm - Herr Friderichs, ich will von dem Ton von Bitterkeit, der bei Ihnen ein bißchen mitklingt, einmal absehen - haben Sie doch das Gefühl, das klappt; jetzt beim zweiten Konjunkturprogramm kommt die Sache zum Zuge. Das Schiff wird langsam in Fahrt gehen, es wird im Winter vielleicht noch ein bißchen gehemmt sein. Aber es geht gut. Sie sind da in Ihrer Angst hin und her gerissen. Sie sind in der Angst, aus der alten Erfahrung der Überhitzung, was ich verstehe, besonders aus Ihrem eigenen Involviertsein in eine prozyklische Finanzpolitik älterer Zeit. Und doch möchten Sie eigentlich dabeisein, nicht wahr; es wäre doch schade, es klappt doch von jetzt an: Ordnung der Finanzen im groben dargestellt -, mittelfristige Finanzplanung, die Konjunktur wird mit dem zweiten Programm geschützt und gestärkt werden. Sie ({0}) wollen nun beiseitetreten. Das ist das, wo Sie also nach meiner Ansicht im letzten noch unzufrieden sind.
Ich möchte ein paar Fragen von Ihrer Seite, aber auch von einigen anderen Kritikern kurz beantworten; denn wir sollten möglichst weit zu einem Consensus kommen. Es wäre schade, wenn bei dem neuen Kurs der mittelfristigen Finanzplanung und des Konjunkturprogrammes die FDP nicht an Bord wäre. Es wäre wirklich schade. Ich will nur auf ein paar wichtige Fragen eingehen; die meisten werden in den Ausschüssen morgen behandelt werden.
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Herr Pohle hat ein paar kritische Bemerkungen, wiedergegeben bezüglich der Entlastung der Altvorräte. Ich will nur eines dazu sagen. Die Entlastung der Altvorräte - jetzt, ab Mitte September, dreieinhalb Monate bis zum Inkrafttreten der Mehrwertsteuer - ist nicht nur eine Sache von konjunktureller Bedeutung in d i es e m Jahr, sondern - das möchte ich mit allem Nachdruck sagen - sie ist ein marktwirtschaftlicher Weg, um dem möglichen Preiseffekt der Mehrwertsteuer im kommenden Jahr entgegenzuwirken. Wir alle wissen doch, Herr Pohle, daß der Preiseffekt der Mehrwertsteuer, wie immer der Satz sein möge, nicht genau kalkulierbar ist. Wir alle sind, glaube ich, als Wirtschaftler einer Meinung: je größer jetzt das Angebot an Vorräten bis zum Beginn des neuen Steuerregimes aufgebaut wird, um so größer ist dann die Angebotselastizität und um so größer ist die Chance, daß der Preiseffekt der Mehrwertsteuer klein wird und daß wir eine weitere Kraft auf Stabilität hin wirkend haben. Deswegen möchte ich noch einmal plädieren und den Kritikern in bezug auf die Entlastung der Altvorräte sagen: Stellen Sie Ihre Bedenken hintan!
Herr Pohle, Sie sprachen von den öffentlichen Unternehmen; da könnte mit den 300 Millionen eine Diskriminierung privater Unternehmen verbunden sein und ähnliches. Ich will für meinen Kollegen Schmücker, der ja für die Unternehmen mit Bundesbeteiligung eine besondere Verantwortung trägt, nur eines sagen: Es sind im Programm nicht alle bundeseigenen Unternehmen, sondern nur solche Unternehmen, die in Strukturgebieten liegen. Das ist erst mal eine klare Auswahl, und dann sind da doch Projekte, die für den Fortschritt, für die Entwicklung, für die Modernisierung von Unternehmen, ja für ganz neue Produktionen entscheidend sind. Nehmen Sie dieses nach meiner Ansicht glänzende Projekt, das mir Herr Ministerpräsident Roeder vom Saarland in der ersten Besprechung für die Saarbergwerke angeboten hat: Vorstoß auf der Basis der Kohle in die Chemie und Ausbau des Mineralölbereichs; ein ganz modernes Entwicklungsprojekt. Ich glaube, das sollten Sie berücksichtigen und auch da Ihre Bedenken hintanstellen.
Gefreut hat mich, daß unser Kollege Luda aus der gesamten Debatte, die er in der Öffentlichkeit von sich aus ein wenig einseitig geführt hat, ohne richtige Antwort zu bekommen, die er dann aber sicherlich mit seinen Kollegen geführt hat, nun doch sehr positive Schlußfolgerungen gezogen hat. Er hat doch jetzt ja gesagt. Jetzt geht's bei ihm nur noch um die Frage der Elastizität in der Handhabung des Programms. Ich kann Ihnen nur noch eins sagen, Herr Luda, der Bundesrat, der ja nun praktisch die Hälfte des ganzen Programms tragen soll, hat eindeutig in seiner zustimmenden Entschließung gesagt: Eine rasche Durchführung der Maßnahmen des Zweiten Programms ist notwendig. Er hat nur für einzelne Fälle angenommen, daß es da unvermeidbar sein könne, in der Auftragsvergabe über Ende Oktober hinauszugehen. Ich bitte, das zu berücksichtigen.
Leid tut es mir, Ihnen sagen zu müssen, und zwar auch für denjenigen, der die Finanzen zu verwalten hat, daß Sie noch nicht erkannt haben, daß man in der Flaute bei antizyklischer Politik eben mit Geldmarktpapieren arbeiten muß. Sollen wir denn das über den Kapitalmarkt machen und in der Flaute noch die privaten Unternehmen einengen? Es ist doch von allen und von der Bundesbank voll zugestanden, daß in dieser Phase und für das kommende Programm von 5,3 Milliarden DM die Sache mit Geldmarktpapieren und den Kassenobligationen gemacht wird.
Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Luda?
Ja.
Dr. Luda (CDU/CSU: Herr Minister, sind Sie bereit, meine Bemerkung entgegenzunehmen, daß ich vorhin ausdrücklich gesagt habe, daß ich das Programm der kurzfristigen Verschuldung durchaus bejahe, daß ich bloß erklärt habe: Es ist nicht unbedenklich, und ideshalb müssen wir besonders vorDr. Luda
sichtig sein. Das war der einzige Sinn meiner Ausführungen.
Gut, die Mahnung zur Vorsicht nehmen wir gern entgegen, obwohl beide unmittelbar verantwortlichen Ressortminister selber heute hier mehrfach gesagt haben, daß sie in bezug auf !die Pflichten, die das Stabilisierungsgesetz uns in einer anderen Konjunkturphase auferlegt, beide sehr korrekt, sehr hart 'und fest entschlossen seien.
Sie haben zugleich unser Programm - als Bekehrter, wie ich annehmen möchte - ins ganz Große gesteigert. Sie haben es auf über 10 Milliarden DM gebracht. Wenn Sie aber die Doppelzählungen beim Wohnungsbau ausschalten - wir haben die Sache nachgerechnet - und wenn Sie ialle möglichen komplementären Ausgaben hinzunehmen, kommen Sie auf einen Betrag von über 9 Milliarden DM.
({0})
- Nur, Herr Luda - ich will aber noch eines hinzufügen -, wir haben im Konjunkturrat für die öffentliche Hand mit (den Ländern und Gemeinden folgendes verabredet. Es gibt eine Reihe von Projekten bei den Ländern und Gemeinden aus der vergangenen Zeit, die ins Stocken geraten sind. Diese können nun auf das Konjunkturprogramm übertragen wenden. Diese Objekte sind also nicht alle zusätzlich. Das ist verabredet. Wenn Sie das abziehen, kommen Sie auf meine Schätzung, die wir nach den Unterhaltungen im Konjunkturrat erarbeitet haben, von summa sumarum 8 Milliarden DM für das ganze Programm.
Herr Minister, sind Sie bereit, meine Bemerkung entgegenzunehmen, ,daß ich schon im Deutschland-Union-Dienst vom 10. August :sehr positiv zu den Entscheidungen der Bundesregierung vom gleichen Tage öffentlich Stellung genommen habe und daß ich also schon vor dem heutigen Tage ein Gläubiger gewesen bin, mich also nicht erst heute bekehrt habe?
Das nehme ich gern entgegen.
Sind Sie bereit, zweitens anzuhören, daß die Zahlen, 'die ich vorhin genannt habe - das ist jetzt sehr wichtig -, nicht im Bundesfinanzministerium errechnet worden sind, von dem ich sie habe, sondern vom Bundeswohnungsbauministerium, und zwar ganz spezifiziert durchgerechnet ohne Doppelzählungen, nur unter Hinzufügung der Komplementärmittel, 'die die Länder 'ihrerseits aufbringen werden? Die Zahlen sind errechnet mit der dritten Stelle hinter dein Komma. Sie können daraus die Sorgfalt des Wohnungsbauministeriums ersehen und 'das Bemühen, den Gesamtumfang der Auftragsvergabe genau zu berechnen.
Herr Luda, die letzte Stelle hinter dem Komma ist noch nicht ein Beweis für Exaktheit. Auch eine Zielprojektion, die mit der dritten Stelle hinter dem Komma endet, ist damit noch nicht exakt. Darüber sind wir uns doch einig. Ich will auch gar nichts gegen die Berechnung des Bundeswohnungsbauministeriums sagen. Ich sage nur: Unsere Gesamtberechnung, die ja alles enthält - den zweiten Eventualhaushalt des Bundes im engeren Sinne, die ERP-Aktion, kurzum die fünf Pakete des Gesamtprogramms -, kommt mit Komplementärausgaben auf einen Betrag von über 9 Milliarden DM. Dann kommt der Abzug - ich wiederhole es - auf Grund der Vereinbarung mit den Ländern, daß ins Stocken geratene Investitionsobjekte übertragen werden können. Also ist in diesem Betrag - und der ist natürlich geschätzt - nicht alles zusätzlich. So also kommen wir auf etwa 8 Milliarden DM. Ich glaube, ich habe die Rechnung so offen gemacht, wie man sie nur machen kann und wie man sie, glaube ich, als parlamentarisch Verpflichteter machen sollte.
({0})
Im übrigen wurde von einem anderen Herrn noch ein bißchen sehr viel verlangt: Gesundung des Reviers, der Kohle, der Bundesbahn, des Verkehrs. Herr Pohle, wir können doch nun nicht alles auf einmal erledigen.
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Wir haben doch bei der mittelfristigen Finanzplanung selber gesehen: Wenn wir sie mit allem befrachten, dann geht das Schiff sofort unter. Wenn wir mit einem Schlag von der Rentenreform bis zur tiefgreifenden Reform der deutschen Landwirtschaftspolitik - das käme dann auch dran - alles mit einer Generaloperation machen wollten - ich glaube, Herr Pohle, Sie stimmen mit mir überein -, dann wäre in der Bundesrepublik die Stunde des gesellschaftlichen Umschlages gekommen.
({2})
Alles jetzt auf die Hörner zu nehmen, das geht also nicht.
Immerhin nehmen Sie - da sind wir uns doch einig - zur Kenntnis, daß das Land NordrheinWestfalen einen Zusatzhaushalt für diese Dinge in Höhe von 468 Millionen DM aufgestellt hat. Wir haben ja alle, der Bundeskanzler und Sie und ich, mit unseren Freunden in Nordrhein-Westfalen unsere Debatten. Sorgen Sie doch einmal bei Ihren Freunden dafür - ganz freundschaftlich, als Rat -, daß sie dort dem fortschrittlichen Finanzminister, der uns im Konjunkturrat sehr geholfen hat, bei seinem Investitionshaushalt nicht allzu viel Schwierigkeiten machen. Sie wissen, was ich meine.
({3})
Das ist die aktive Hilfe, das ist der aktive Beitrag des Landes Nordrhein-Westfalen,
({4})
der bekanntlich von der dortigen Opposition ein wenig umstritten ist, von der ich aber selbstverständlich annehme, daß sie so loyal ist, wie eine Opposition nur sein kann.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, nun ein paar Worte zu den zum Teil sehr scharfen Fragen unserer Kollegen von der FDP.
Herr Mischnick, bei dem, was Sie und andere aus Ihrer Fraktion gesagt haben, hieß es immer: Ausgaben kürzen! Die Verteidigung wurde schon erwähnt. Außerdem hatte ich den Eindruck, daß etwas, was ich bei Ihnen immer sehr geschätzt habe, nämlich der sozial-liberale Geist - nun in dieser neuen Phase Ihrer Entwicklung in den Hintergrund getreten ist. Das hat uns etwas betroffen. Aber wenn Sie nur ganz hart auf Ausgabenkürzungen gehen wollen - was mehrere Herren von Ihnen gesagt haben -, dann würden Sie jetzt, in dieser Flaute, mit einer Politik der Überrestriktion einsetzen. In einer Zeit, wo die Bundesbank die Restriktion abgebaut hat, wo alle Welt sagt, der Restriktionskurs ist längst beendet, hätten Sie also eine Politik der Überrestriktion eingeleitet. Ich habe eigentlich bisher nicht gewußt, daß eine liberale Partei eine auf vier Jahre angelegte Politik der Austerity vertritt.
Eine ganze Reihe von Fragen über Worte und Taten ist von Ihnen gestellt worden. Nun, ich will nur zwei beantworten.
Meine sehr verehrten Kollegen von der FDP, bei dem Wort „Projektion", das hier erwähnt wurde, haben Sie selber mitgestimmt, was mich damals sehr gefreut hat; das hat der Kollege Scheel damals vertreten. Es steht nämlich im Stabilitätsgesetz. Das haben Sie mitgemacht. Das ist also keine neue Wortschöpfung im Rahmen dieser mittelfristigen Finanzplanung.
({5})
- Ganz richtig: der Jahreswirtschaftsbericht. Da ist die Projektion, im Sinne der Zielprojektion, im Gesetz enthalten.
Da war ferner bei Ihnen die Frage nach dem Wort „Zielkonflikt". Herr Emde hat uns dafür getadelt. Herr Emde, ich bitte Sie: das Wort „Zielkonflikt" besteht in der modernen Wirtschaftspolitik seit etwa fünfzehn Jahren, in den vielen Gutachten, etwa des Wissenschaftlichen Beirats beim Wirtschaftsministerium, und so weiter, mit dem magischen Dreieck zusammenhängend. Ich kann mich nicht erinnern, daß diese Große Koalition schon fünfzehn Jahre bestände; das hat doch also nichts mit uns zu tun. Dieses Wort können Sie uns nicht ankreiden.
Mir tut es bei Ihnen für Ihre Position so leid, wenn Sie, auf den Bundeskanzler gemünzt, auf den Wirtschaftsminister gemünzt und auf den einen oder anderen noch gemünzt, sagen, das seien alles Worte, Worte, Worte. Es sind doch Taten geschehen. Das können Sie doch nicht abstreiten. Wir haben doch in diesen neun Monaten nicht auf den Händen gesessen. Ich erwähne nur: Zwei Eventualhaushalte, die mittelfristige Finanzplanung, die Sonderabschreibungen, den Dialog mit der Bundesbank, die nun mit uns völlig d'accord ist, die Sanierung eines Riesenunternehmens mit 100 000 Beschäftigten, die Zinsfreigabe - die den Liberalen anscheinend gar keinen Eindruck macht - zum 1. April dieses Jahres nach 35 Jahren staatlicher Reglementierung, die übrigens der Anlaß für die spezielle Steuernovelle ist, die das Kabinett eingebracht hat.
Kurz und gut, ich finde, Sie machen es sich ein wenig zu leicht, wenn Sie das auf die Formel „Worte" bringen und dabei nicht sehen wollen oder gar vergessen wollen, daß inzwischen sehr viele Taten geschehen sind. Natürlich kann man über die Taten verschiedener Meinung sein - das ist selbstverständlich - und ich bin froh, wenn wir über Taten eine richtige Diskussion haben. Aber die vielen Taten als solche sollte man nicht abstreiten.
Dann ist natürlich die Sache mit den Volksobligationen erwähnt worden. Ich kann Ihnen nur eines sagen: Es bestehen doch seit langem Überlegungen auf allen Seiten des Hauses, wie man Wertpapiersparen bei den Beziehern kleiner und mittlerer Einkommen populär machen kann. Das ist doch eine alte Aufgabe, die uns allen seit Jahren gestellt ist. Und dazu muß man sich überlegen, was man mit Wertpapieren macht. Das alles ist natürlich freiwillig gemeint, und es war völlig falsch, in der Kritik das mit irgendwelchen Zwangsmaßnahmen in Verbindung zu bringen. Ich selber kann Ihnen nur sagen, daß die Überlegungen, die z. B. meine Partei 1963 in Essen und 1964 in Karlsruhe angestellt hat - und dann ist es öfter wiederholt worden -, genau .das darstellen. Ich kann auch Ihnen, meine Kollegen sowohl von der CDU/CSU wie besonders von der FDP sagen: Es hat mich ungemein gefreut, nach meinem Einzug in das Bundeswirtschaftsministerium und in der Zeit meiner Einarbeitung dort festzustellen, daß man im Bundeswirtschaftsministerium unter zwei verschiedenen Ministern, die Sie alle gut kennen, intern sehr sorgfältig und sehr sachlich über diese Dinge gearbeitet hat und dabei u. a. auch .sehr aufmerksam die Anregungen der Sozialdemokratischen Partei 1963 in Essen und 1964 in Karlsruhe beachtet hat - alles unter dem Thema: Vermögensbildung in Arbeitnehmerhand auf ,dem Wege über ein Staatspapier, das dem Arbeitnehmer mit Aussicht auf Erfolg angeboten werden kann. Ich kann mich nur freuen, wenn man in einem Hause Spuren der eigenen Tätigkeit und der Tätigkeit der eigenen Fraktion in der Opposition, positiv und konstruktiv verwendet, wiederfindet.
Herr Friderichs hat mir eine Fülle von Einzelfragen gestellt. Das Wichtigste will ich beantworten: welche Arbeitslosigkeit oder welche Vollbeschäftigung wir denn anstreben. Herr Friderichs, ich kann Ihnen das ganz deutlich sagen. In der gesamtwirtschaftlichen Zielprojektion der Bundesregierung steht eine Arbeitslosigkeitsquote jahresdurchschnittlich von 0,8 %. In der konzertierten Aktion haben wir noch eine Debatte, ob 0,8 % oder 1 %. Jahresdurchschnittlich 0,8 %, das würde für den August dieses Jahres 110 000 Arbeitslose heißen. Wenn
wir 1 % jahresdurchschnittlich nähmen, was eine Seite in der Debatte der konzertierten Aktion als Zielgröße anstrebt, kämen wir im August dieses Jahres auf eine Arbeitslosigkeit von 140 000. Wir haben aber de facto heute fast 360 000. Damit ist, glaube ich, klar die Frage beantwortet, was unsere Ziele auf diesem wichtigen Gebiet sind.
Kommen Sie bitte nicht mit der Arbeitslosigkeit von 3 %! Erstens sund die 3 % kreiert in der Zeit unmittelbar nach dem zweiten Weltkrieg und längst überholt, d. h. sie sind durch viele Länder unterschritten. Zweitens haben wir doch alle durchexerziert, daß es ein großer Unterschied ist, ob ein Land sich von hoher Arbeitslosigkeit, etwa 4 %, auf 3 % oder weniger zu bewegt, oder ob ein Land, das 'bisher eine Arbeitslosigkeit wie etwa die Bundesrepublik Deutschland gehabt hat, sagen wir, von 0,5 %, sich wie im vergangenen Winter auf 3,1 MI hin 'bewegt. Daß ein Prozeß der zweiten Art eine innere Erschütterung und Unsicherheit für die ganze Gesellschaft mit sich bringt, darüber sind wir uns doch alle einig. Die 3 % können Sie heute also nicht mehr als Zielmarge vertreten; dieser Wert ist überholt.
Es wurde noch gefragt, wie wir uns in unserer Projektion die Finanzierung der privaten Investitionen in der Zukunft denken. Ich sage Ihnen nur eines: Für das Jahr 1967 haben die deutschen Gewerkschaften in 'der konzertierten Aktion der Selbstfinanzierung der Unternehmen einen sehr breiten Raum gegeben. Unsere eigene Projektion, die noch nicht endgültig in der konzertierten Aktion durchgesprochen ist, sieht immerhin folgendes vor: nicht entnommene Gewinne im Jahr 1966 - das letzte Jahr, für das vollständige Angaben vorliegen - 10,9 Milliarden DM, im Jahr 1971 dagegen 14 biss 15 Milliarden DM. Da sehen Sie, daß wir im Sinne einer expansiven Wirtschaft den Posten der nicht entnommenen Gewinne, der für die Selbstfinanzierung und die Investitionsbereitschaft der privaten Unternehmer entscheidend ist, in unsere Projektion 'in marktwirtschaftlichem Geiste eingesetzt halben.
Aber es hilft alles nichts, meine Damen und Herren von der FDP: Es geht letztlich um die Frage: Sind Sie min für oder gegen das Konjunkturprogramm, 'für oder gegen die mittelfristige Finanzplanung?
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Das muß man doch nun einmal von Ihnen wissen. Sie haben, wie ich schon vorhin betont habe, erfreulicherweise dem ersten Investitionshaushalt, dem Kreditfinanzierungsgesetz zugestimmt. Ich glaube, es war Herr Dr. Haas, der damals gesprochen hat, und ich habe schon unseren charmanten Herrn Scheel erwähnt, der beim Stabilitätsgesetz plädiert hat. Das alles war doch so zu verstehen: Sie wollten ,diese moderne Konjunkturpolitik 'der zweiten Phase unserer gemeinsamen Marktwirtschaft mitmachen und mitgestalten. Und jetzt scheuen Sie davor zurück, auch vor 'der mittelfristigen Finanzplanung. Dabei haben Sie es doch sehr schwer, jetzt zurückzuweichen; denn Sie versuchen doch immer
zu 'beweisen, daß der von mir sehr geschätzte Landsmann Dahlgrün schon längst eine mittelfristige Finanzplanung gemacht hatte. Warum stimmen Sie dann der zweiten Ausgabe, die es heute nach Ihrer Meinung ist, nicht zu? Es war 'zwar keine mittelfristige Planung, die damals im zweiten Finanzbericht gemacht wurde; das ist nur Ihre Auslegung. Aber bei dieser Ihrer Auslegung müssen Sie doch der neuen und richtigen, qualitativ ganz anderen und weitergehenden Finanzplanung zustimmen. Ich verstehe Ihre Haltung nicht.
Ich will Ihnen nur eines sagen. Man muß sich ja immer gegenseitig Rat geben. Sie können uns aus Ihrer Erfahrung Rat geben, wir können Ihnen aus langen Jahren der Opposition Rat geben. Ich habe mich im 5. Deutschen Bundestag zweimal im Auftrage meiner Fraktion in der Opposition zum Thema mittelfristige Finanzplanung geäußert, und zwar so - ich zitiere es aus dem Kopf -: Wir Sozialdemokraten sind bereit, fiskalische Opfer zu bringen, wenn uns die Regierung im Parlament eine klare, aufgegliederte Finanzplanung bis 1969/70 vorlegt. Ich glaube, alle Kollegen aus meiner Fraktion können mir bestätigen, daß ich das in der Opposition gegenüber der damaligen Regierung erklärt habe, und Herr Dr. Möller hat es meines Wissens ebenfalls getan. Ich wollte Ihnen nur den Hinweis geben: Das ist doch eine konstruktive Haltung! Übernehmen Sie doch einmal etwas von unseren Erfahrungen, genauso wie wir auch aus Ihren Erfahrungen in der täglichen Arbeit lernen!
Und nun zum Konjunkturprogramm. Stellen Sie sich vor: Es geht doch gut! Darüber ist doch gar kein Zweifel. Einige von Ihnen sagen sogar: Das geht so gut, daß es eigentlich gar nicht mehr nötig ist. Einige sagen sogar, es sei zuviel. In Wirklichkeit hat, wie wir alle wissen, die inflationsfreie Lücke durch Unterbeschäftigung in unserer Wirtschaft eine Größe von - schätzungsweise - zwischen 10 und 20 Milliarden DM erreicht. Das Programm ist also nicht zu groß. Aber es nützt, und es wird - davon bin ich überzeugt - durch spontane Kräfte ergänzt werden. Sie werden eines Tages sagen: Da hat der Deutsche Bundestag in den Ferien bei einem wichtigen Thema, das in seiner Art neu war, mit sechs wichtigen Vorlagen eine Sondersitzung gehabt, da wurden die Weichen gestellt für Stabilität und Aufschwung, und wir FDP-Leute sind nicht dabei gewesen. Stellen Sie sich einmal vor, wenn Sie sich das dann sagen müßten!
Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Kollegen Moersch?
Ja, bitte!
Herr Minister, nachdem Sie heute morgen ein wallonisches Sprichwort zitiert haben: Kennen Sie vielleicht das schwäbische Sprichwort, das heißt: „Oh glaubet net alles, was ihr saget!"?
Wir können uns alle hier sehr mit Sprichwörtern bepflastern. Aber ich finde, das von Ihnen nun freundlicherweise wieder zitierte wallonische Wort zeigt nochmal, daß wir alle als Gläubige natürlich den Schirm mitnehmen. Ich nehme den Schirm mit, und auch Herr Strauß hat sich zu dem Schirm bekannt. Darüber ist gar kein Zweifel. Auch Sie haben die . Chance, es zu tun.
Deswegen möchte ich noch einmal appellieren - wir haben morgen Zeit, alle Einzelfragen noch präziser, auch zahlenmäßig, in den Ausschüssen zu beantworten -: Meine Damen und Herren, die Sie sich hier kritisch geäußert haben, stimmen Sie dieser Sache zu oder - heute abend bescheide ich mich - denken Sie noch einmal darüber nach! Sie sind ja schon auf dem Wege dahin und müßten es eigentlich machen.
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Das Wort hat der Abgeordnete Junghans.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe die Ehre, für die Fraktionen der CDU/CSU und der SPD zur mittelfristigen Finanzplanung folgendes zu erklären.
Die Bundestagsfraktionen der CDU/CSU und der SPD begrüßen es, daß die Bundesregierung ihrem Auftrag aus dem Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft unverzüglich nachgekommen ist und den ersten mittelfristigen Finanzplan des Bundes als Absichtserklärung vorgelegt hat. Sie betrachten die am 6. September 1967 von der Bundesregierung eingebrachten Vorlagen als Einheit, denen sie generell beipflichten. Der konkrete Vollzug des Finanzplans kann sich erst aus der künftigen Gesetzgebung, insbesondere aus der Gestaltung der Einzelhaushalte künftiger Jahre, ergeben. Der Finanzplan ist Voraussetzung für eine langfristige Neuordnung der Bundesfinanzen unter Berücksichtigung des realen wirtschaftlichen Wachstums.
Der von der Bundesregierung dem Finanzplan gegebene Gesamtumfang hinsichtlich der Einnahmen und Ausgaben und seine Aufteilung auf die Einzelpläne findet die grundsätzliche Zustimmung der Koalitionsfraktionen. Dies gilt auch für die Bedarfsgrößen der Verteidigung und des sozialen Bereichs. Die Koalitionsfraktionen werden die Einzelheiten der im Rahmen der mittelfristigen Finanzplanung von der Bundesregierung vorgelegten und noch vorzulegenden Gesetzesinitiativen im Zuge der parlamentarischen Beratung überprüfen und gegebenenfalls Umschichtungen innerhalb der Einzelpläne vornehmen.
Die Koalitionsfraktionen erkennen an, daß die mittelfristige Finanzplanung nur auf längerfristiger wirtschaftspolitischer Projektion beruhen kann. Deshalb sind Korrekturen am Finanzplan auf Grund der jeweiligen konkreten konjunkturellen Lage, wie sie sich beispielsweise aus der Anwendung der im Gesetz zur Förderung der Stabilität und des
Wachstums der Wirtschaft vorgesehenen Maßnahmen ergeben können, unvermeidlich. Die Koalitionsfraktionen sind sich darüber im klaren, daß sich im Zeitabschnitt des jetzt vorgelegten Finanzplanes außer den genannten Korrekturen auch Veränderungen durch die bevorstehende generelle Neuordnung der öffentlichen Finanzen in der Bundesrepublik ergeben können. Diese Änderungen können auf einer veränderten Rechtslage bei der Ausgabenzuordnung und bei der Einnahmenverteilung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden - Finanzreform - beruhen.
Die Koalitionsfraktionen begrüßen das Konzept der Bundesregierung, das eine überproportionale Steigerungsrate bei den investitiven Ausgaben der Bundeshaushalte vorsieht. Begrüßenswert ist auch die Steigerung der zukunftsorientierten Ausgaben für Wissenschaft und Forschung sowie die Erhöhung der Verkehrsausgaben.
Die Koalitionsfraktionen erwarten von der Bundesregierung baldmöglichst die Vorlage eines umfassenden Subventionsberichts nach Maßgabe des Gesetzes zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft. Sie fordern die Bundesregierung auf, die sich aus der mittelfristigen Finanzplanung ergebenden Einzelvorlagen unverzüglich dem Bundestag vollzählig vorzulegen. Sie erwarten von der Bundesregierung, daß der Haushaltsentwurf 1968 dem Bundestag ohne Verzögerung vorgelegt wird, so daß eine eingehende Beratung des Haushalts zur Sicherung der mehrjährigen Finanzplanung durchgeführt werden kann.
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Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Barzel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir wollen zum Schluß nur zu ganz wenigen Punkten unsere Auffassung noch einmal präzisieren bzw. das eine oder andere klarstellen oder zurückweisen.
Unsere Fraktion sieht in den verschiedenen Vorlagen ein Gesamtwerk, das zusammenbleiben muß. Dieses Werk ist ein Kompromiß der Koalition. Gute Kompromisse zeichnen sich dadurch aus, daß sie begleitet sind von einem relativen Unbefriedigtsein aller. Davon ist auch hier etwas sichtbar geworden; also ist es ein guter Kompromiß. Ich stimme dem Kollegen Alex Möller zu, der heute leider verhindert ist und der in der Vordebatte gesagt hat - ich glaube, das soll man ganz offen aussprechen -: Natürlich würde ein solches Programm anders aussehen, wenn der eine oder andere Partner der Koalition allein die Mehrheit hätte.
Wir wünschen, daß dieses Gesamtwerk zusammenbleibt, daß es nicht in der Sache aufgeschnürt wird. Im zeitlichen Ablauf ist es unmöglich, das alles zugleich in einer Woche zu erledigen. Deshalb legen wir Wert darauf, heute folgendes zu sagen: Auch wir hätten lieber zunächst die Vorlagen gehabt, behandelt und verabschiedet, die die Kürzungen und Streichungen für die Zukunft betreffen. Dies
wäre der normalere Ablauf gewesen. Das ging objektiv nicht aus den Gründen, die die Bundesregierung dargetan hat.
Wir wollen deshalb in dieser Stunde ganz klar sagen, daß wir auch an diesen Teil des Gesamtwerkes denken, wenn wir unser grundsätzliches Ja sagen. Wir präzisieren das noch ausdrücklich dahin, daß wir ja sagen zu den vorgeschlagenen Kürzungen für 1968 im Gesamtvolumen von 5,3 Milliarden DM. Das gilt auch für das schmerzliche Volumen von 1,2 Milliarden DM im Sozialhaushalt. Darüber und über die Einzelheiten des Wie, der Qualität der Vorschläge ist noch zu sprechen. Es kann aber nach dieser soeben abgegebenen Erklärung der Koalition kein Zweifel sein, daß von der Koalition insgesamt auch das Volumen in diesem schmerzlichen Bereich erreicht werden wird.
Das zweite, was ich sagen möchte: Es ist verschiedentlich gesagt worden, das Parlament werde ausgeschaltet. Meine Damen und Herren, ich vermag dem nicht zu folgen. Wir haben den § 9 des Stabilitätsgesetzes miteinander verabschiedet. Sie alle wissen, daß dort vorgesehen ist:
Der Finanzplan ist vom Bundesminister der Finanzen aufzustellen und zu begründen. Er wird von 'der Bundesregierung beschlossen und Bundestag und Bundesrat vorgelegt.
Er ist dann jedes Jahr fortzuschreiben. Also kann man diese Sache nicht in der Nähe eines Gesetzes behandeln. Denn es ist eine Absichtserklärung, die eine Ubersicht gibt, die in den Einzelheiten durch konkrete Entscheidungen - bei Gesetzen, im Haushaltsplan und in anderen Dingen - erledigt wird. Einige dieser Dinge - die dringendsten - werden sich morgen in den Ausschüssen und, wie wir hoffen, übermorgen in diesem Hause erledigen. Wir haben durch die Rede meines Kollegen Pohle dargetan und darüber völlige Einmütigkeit in 'der Koalition erreicht, welche Dinge wir in dieser Woche noch verhandeln wollen. - Dieser Vorwurf ist also unberechtigt, weil es nur auf dem Wege, den ich Ihnen dargelegt habe, nach § 9 des Stabilitätsgesetzes, überhaupt erst möglich ist, konkret zu werden.
Außerdem füge ich hinzu, und ich hoffe, daß das im ganzen Hause Anklang findet: Wir wollen nicht etwa durch eine Ubersicht,. die wir brauchen, um Klarheit zu haben, allzu sehr in planerisch-verbindliche Daten hineinkommen. Und dahin kämen wir doch, wenn wir den Bericht etwa nach Art eines Gesetzes lesen wollten.
Der dritte Punkt kann ganz kurz sein. Er betrifft die Verteidigungsfragen, die zum Teil eine Rolle gespielt haben. Ich möchte dazu nur sagen, daß es auch unser Wunsch ist, so bald wie möglich - möglichst im Oktober - diese Fragen in aller Gründlichkeit hier zu erörtern. Hier sind Fragen, die dringend der Klärung durch dieses Haus bedürfen und die nicht etwa einfach bei Gelegenheit des nächsten Bundeshaushalts wegen der Summe erörtert werden können. Hier ist eine Fülle von politischen Fragen involviert.
Ich bitte, mir zu erlauben, mich bei den beiden anderen Fraktionen für die guten Wünsche zu bedanken, die sie von dieser Stelle aus an unseren Freund Gerhard Schröder gerichtet haben.
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Der vierte Punkt, zu dem ich etwas sagen möchte, betrifft die mittelfristige Finanzplanung. Ich habe eben schon gesagt: Wir begrüßen, daß sie vorliegt. Es ist ein Instrument, das Ubersicht gibt und die verantwortliche Entscheidung erleichtert, aber keinen hindert, im Laufe der Zeit neue Daten und neue Erkenntnisse zu haben. Ich möchte nur noch zwei Akzente hinzufügen, auch ein wenig als eine Anregung an die Kollegen, die in der Bundesregierung die Verantwortung dafür haben.
Das eine ist dies. § 9 des Stabilitätsgesetzes, dessen zweiten und dritten Absatz ich eben zitiert habe, sagt in Absatz 1 etwas über den Charakter der mittelfristigen Finanzplanung. Da steht als das entscheidende Moment ein qualitatives Moment. Es wird dort auf „die mutmaßliche Entwicklung des gesamtwirtschaftlichen Leistungsvermögens" abgehoben. Es muß also doch im Laufe der Zeit, wie ich glaube, hier auch dieses qualitative Moment noch stärker herausgearbeitet werden, d. h. es sind hier auch Fragen unserer volkswirtschaftlichen Struktur involviert, sie sind nach dem Willen des Gesetzgebers einbezogen und deshalb einzubeziehen, - und deshalb gehört es hierher. Unsere Fraktion hat am 7. Juli - und wir wollen das auch heute noch eben sagen - in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, daß die Fragen der Kohle, der Bundesbahn und andere Strukturprobleme dringend der Lösung bedürfen. Wir wissen, Herr Bundeswirtschaftsminister, daß in der Frage der Kohlenpolitik das Haus dran ist. Ihre Vorlage ist da. Wir sehen sie als einen Bestandteil der Gesamtenergiepolitik, und es wird an uns miteinander liegen, hier bald zu entscheiden.
In der zweiten Frage erwarten wir die Vorlagen der Regierung. Es wird dringend sein, die angekündigte Gesamtverkehrskonzeption alsbald hier zu haben. Meine Damen und Herren, es klingt vielleicht altmodisch, wenn ich sage: Hätten wir nicht trotz der Tüchtigkeit der Bergarbeiter und der Eisenbahner Kohle- und Bahnprobleme mit Subventionen von 7 Milliarden DM, es sähe ganz anders aus auch um die Bundesfinanzen. Dies wollte ich dazu sagen.
Ich glaube, wenn man das so sieht, darf man doch eines gleich anfügen: Selbst wenn wir wieder, wie wir hoffen - und da stimmen wir sicher alle überein -, in eine etwas bessere Konjunkturlandschaft kommen, wollen wir niemanden, vor allen Dingen uns selbst nicht, darüber hinwegtäuschen, daß wir über längere Zeit durch diese Strukturprobleme so beschäftigt sein werden, daß Fragen der wirtschaftlichen und der finanziellen Modernisierung - wenn ich es so sagen darf - noch für lange Zeit auf unserer Tagesordnung bleiben werden.
Das andere hierzu ist auch heute angeklungen. Wir wollen es aber noch einmal sagen. Wir haben für dieses Stabilitätsgesetz das Grundgesetz geän6046
dert, und das haben wir uns schwer gemacht. Da gibt es, den Art. 109 Abs. 2. Nach dieser Vorschrift sind Bund und Länder angewiesen, bei ihrer Haushaltswirtschaft den Erfordernissen des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts Rechnung zu tragen. Nötig ist also hier - und das ist der Grundgedanke der Verfassung für dieses Stabilitätsgesetz - eine harmonisierte, wenn ich so sagen darf, und zusammengeordnete Politik aller öffentlichen Hände. Wie schwer dies in der Landschaft vor der Finanzverfasfungsreform ist, braucht uns keiner zu sagen. Wir begrüßen es, daß die Bundesregierung hier tätig ist. Wir begrüßen das, was der Bundeskanzler heute hier gesagt hat. Aber wir wissen, daß wir von der Verwirklichung des Vorhabens, das in der Regierungserklärung vom 13. Dezember steht, wo es heißt, wir brauchten eine „vertikale Rangliste" der Aufgaben in Bund, Ländern und Gemeinden, noch ein Stück entfernt sind. Ich glaube, indem ich diese beiden Sätze hier sage, mache ich deutlich, was wir miteinander empfunden haben: hier ist ein erster, wichtiger, unverzichtbarer Schritt getan.
Der fünfte Punkt, den ich ganz kurz behandeln möchte, betrifft das Investitionsprogramm. Dazu haben wir uns oft genug geäußert, und es ist auch hier gut erörtert worden. Wir haben immer darauf abgehoben, daß nicht nur der Umfang, sondern vor allem auch die Qualität der Verschuldung, ihre Art, die Frage, wofür die Summen ausgegeben werden, wofür man sich verschuldet, nicht nur die Vorhaben, sondern auch die Vorsätze, die Verbindlichkeiten der Tilgung und die Art der Finanzierung von großer Bedeutung sind. Wir wissen, Herr Bundeswirtschaftsminister, daß der gemeinsam erarbeitete - so darf ich wohl sagen - Akzent, hier die strukturellen Dinge etwas stärker zugleich in die konjunkturellen soweit wie möglich aufzunehmen, schon in der Tendenz gelungen ist. Der Ausschuß wird sich damit zu beschäftigen haben, wie dies noch verstärkt werden könnte.
Wir haben durch unsere Sprecher ausgeführt, ich möchte es aber noch einmal für die Fraktion sagen, daß wir von der Bundesregierung erwarten, daß sie dieses Programm behutsam und elastisch praktiziert.
Ich möchte noch zwei Bemerkungen anfügen. Das eine ist folgendes: Es klingt jetzt wie ein Gemeinplatz, aber für die Menschen draußen im Lande ist es wichtig: Unsere Bundesrepublik Deutschland besteht nicht nur aus Ballungsräumen. Es gibt auch die Probleme dessen, was man manchmal etwa das flache Land nennt. Es gibt Spannungen zwischen den Ballungsräumen und dem flachen Land. Ich glaube, die große Koalition tut sich selber einen guten Gefallen, wenn keiner der beiden Partner in den Verdacht kommt, für den einen oder den anderen zu sein. Herr Schiller und ich, wir sind beide Großstädter, aber ich denke, wir beide und alle Mitglieder der Regierung haben auch ein Herz für das flache Land.
Sie haben heute morgen - ich will nicht sagen: sich in meinem Garten bewegt - „Mater et magistra" zitiert, ein offener Garten für alle, Gott sei Dank. Ich will nicht andere Stellen daraus zitieren, die vielleicht in Schwierigkeiten führen könnten, aber ich möchte uns alle bitten - wegen der vorgeschrittenen Zeit will ich es nicht vorlesen - die Ziffer 150 dieser Enzyklika nachzulesen, wo etwas über die Gleichwertigkeit nicht nur der verschiedenen Branchen, sondern auch Sektoren, ein ganz modernes gesellschaftspolitisches Programm.
Einen letzten Wunsch habe ich hierzu vorzutragen, meine Damen und Herren. Wir empfinden alle als Parlamentarier - und das muß man aussprechen - ein gewisses Unbefriedigtsein angesichts der Tatsache, daß hier doch ziemlich große Beträge ausgegeben werden ohne das normale Verfahren im Haushaltausschuß usw. Deshalb haben wir den herzlichen Wunsch, da dies im Stabilitätsgesetz so vorgesehen ist, daß wir im endgültigen Programm weder liebe Kinder von irgendwelchen Amtsstellen wiederfinden, die in früheren Jahren nach sorgfältiger Prüfung durch den Haushaltsausschuß grundsätzlich abgelehnt worden sind, noch gar - das wäre noch schlimmer - etwa solche Dinge, bei denen man dann aus dem Sachzusammenhang durch kleine Mittel - jeder, der mit Geldausgeben zu tun hat, kennt das - praktisch gezwungen ist, in den nächsten Jahren immer wiederkehrende Leistungen für nun einmal angefangene Dinge zu erbringen. Ich glaube, dies ist ein bescheiden, aber sicher auch verständlich formulierter Wunsch dieses Hauses im Hinblick auf das Stabilitätsgesetz und die Eilbedürftigkeit.
Das sechste, was ich sagen möchte, ist dies. Wir erleben in solchen Debatten wie dieser immer wieder auch vergangenheitsbezogene Aussagen: Ich möchte deshalb für uns in aller Ruhe folgendes sagen. Bei Bildung dieser Koalition haben wir gesagt, es gehe darum, Bewährtes fortzusetzen, zu ererhalten und Neues anzufangen; keiner gehe durch ein kaudinisches Joch. Seit es dieses Haus gibt, sind wir es - die CDU/CSU -, die die Politik der Sozialen Marktwirtschaft gewollt, vertreten und durchgesetzt haben. Mit uns kann man jede Debatte führen, vergangenheitsbezogen oder zukunftsorientiert. Wir scheuen nichts; denn wir sind auch in dieser Stunde unter unserer Führung an der dritten Stelle in der industriellen Produktion, an der zweiten im Handel und an der ersten in den Sozialleistungen. Ich bitte, mir zu erlauben, das positiv für uns zu sagen, weil ich dies in vielen Debatten für besser halte als gegeneinander zu sprechen, wie wir dies heute hier auch erlebt haben.
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Das letzte, meine Damen und Herren! Dieser Tag ist, glaube ich, voller Enttäuschung für alle die, die versucht haben, in der Zeit, als das Haus nicht versammelt war, Unfrieden zu säen. Viele, die große Schlagzeilen von Krach und Streit erwartet haben, sind gestern und heute enttäuscht. Diese Koalition hat heute gezeigt, daß sie schwierige Probleme zu lösen gewillt ist. Sie hat zugleich gezeigt, daß das Parlament lebendig bleibt, daß es hier auch Farbtupfen gibt. Warum soll es sie nicht geben? Wir machen hier ja keinen Eintopf! Ich glaube, meine Damen und Herren, daß deshalb dieser Tag insgesamt ein guter Tag war. Er bringt uns alle ein Stück voran. Wir werden um so weiter vorankomDr. Barzel
men, als wir in dieser Woche durch zweite und dritte Lesungen und endgültige Entscheidungen Vorlagen verabschieden können. Wir stehen bereit, zügig wie diesmal, auch die noch erwartenden Vorlagen der Bundesregierung zu verabschieden.
Meine Damen und Herren, wir werden uns in dem nächsten halben Jahr nicht durch die Fülle von Kritik, sondern nur durch die Fülle der Sachaufgaben, die wir miteinander lösen werden, leiten lassen.
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Das Wort hat der Abgeordnete Schmidt ({0}).
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach der Erklärung, die soeben mein Freund Junghans für beide Regierungsfraktionen abgegeben hat und nach den Bemerkungen des Vorsitzenden der CDU/CSU-Fraktion bedarf es am Abend dieses Tages für die Kollegen der sozialdemokratischen Fraktion nur noch weniger und, wie ich vorweg sage, sehr nüchterner Anmerkungen.
Ähnlich, wie es Dr. Barzel eben ausgedrückt hat, so fassen auch wir die Gegenstände, die auf der heutigen Tagesordnung stehen, als eine einheitliche Konzeption auf, die nicht auseinandergenommen und auseinandergeteilt werden darf und die zusammengehalten werden muß. Wir haben es uns mit unserer Entscheidung über diese Gesamtkonzeption nicht leichtgemacht. Wir haben uns noch in den Ferien am 7. Juli, genau wie die anderen Fraktionen auch, einen ganzen Tag mit dieser Gesamtkonzeption hier in diesem Hause beschäftigt. Wir sind dann in den Urlaub gefahren, sind jetzt wieder hier hergekommen zu einer Sondersitzung, haben uns gestern einen ganzen Tag mit der Prüfung der Diskussionen, auch mit dem sachlichen Streit über manche. Aspekte dieses Pakets beschäftigt. Das Ergebnis dieser Prüfung und dieser Auseinandersetzung ist die grundsätzliche Zustimmung der Sozialdemokraten zur Gesamtkonzeption. Mein Kollege Hermsdorf hat sie hier schon für meine Fraktion ausgesprochen.
Entscheidend war für die sozialdemokratische Fraktion, daß die konjunkturelle und finanzielle Lage unserer Wirtschaft ein schnelles und entschlossenes Handeln verlangen. Wer die Entscheidung auf Oktober oder auf November vertagen will, der hat vielleicht sehr viel, aber doch nicht ganz genug Gefühl z. B. für seine soziale Verantwortung gegenüber 360 000 Arbeitslosen oder anderen, die es noch werden können. Er hat vielleicht auch nicht ganz genug Gefühl für die finanzpolitische Verantwortung, die dieses Haus nun wirklich zu dem schnellstmöglichen Handeln zwingt. Die Wirtschaftenden, die Unternehmer, die Arbeitnehmer, die Konsumenten und die Sparer haben Anspruch darauf, nach Monaten der öffentlichen Diskussion endlich amtliche Klarheit über unsere wirtschaftliche und finanzielle Zukunft zu erhalten, soweit das heute menschenmöglich ist. Wenn dieses Haus ihnen diese Klarheit heute nicht gäbe, würden Unsicherheitsfaktoren wirksam werden, die gesamtwirtschaftlich und für jedermann nur negativ wirken könnten.
Von der rechten Seite des Hauses ist eingewandt worden, das Parlament brauche für die heutigen Beschlüsse viel mehr Zeit. Es ist sogar gesagt worden, das Parlament werde heute und hier ausgehöhlt. Ich will etwas ausführlicher, Punkt für Punkt darauf eingehen. Im Grunde hat Dr. Barzel das schon zutreffend beantwortet.
Ad 1: Seit acht Wochen ist hier das Tableau der mittelfristigen Finanzplanung im ganzen und im einzelnen bekannt. Dieses Tableau ist, wie die FDP sehr wohl weiß, nicht Gegenstand der Gesetzgebung oder irgendeiner verfassungsrechtlich relevanten Beschlußfassung durch dieses Haus. Politisch aber wollen wir an unserer Zustimmung keinen Zweifel lassen. Dazu sind wir entschlossen, und es ist gar nicht einzusehen, warum wir damit warten sollen, zumal feststeht, daß es hier auf die Billigung der Gesamtkonzeption ankommt. Ihnen, meine Damen und Herren von der FDP, kommt es auf die Nichtbilligung der Gesamtkonzeption an. Das haben Sie heute gesagt. Es hat keinen Zweck, daß wir das in vier Wochen noch einmal von Ihnen hören. Das können wir heute schon als endgültig entgegennehmen.
Ad 2: Das Zweite Konjunkturprogramm ist gleichfalls nicht Gegenstand der ordentlichen Gesetzgebung in diesem Hause, sondern nach dem geltenden Recht des Stabilitätsgesetzes kann dieses Haus innerhalb von vier Wochen Stellung nehmen - so steht es eben in dem Gesetz -, und wenn es nicht Stellung nimmt, gilt seine Zustimmung als erteilt. Wir wollen aber Stellung nehmen. Wir wissen heute schon, wie wir Stellung nehmen wollen. Wir brauchen die vier Wochen gar nicht abzuwarten. Vier Wochen sind auch nur eine kurze Zeit. Aber wir wollen schon in dieser Woche unsere Zustimmung dazu geben.
Ad 3: Die Gesetzentwürfe über Finanzierungshilfen aus dem ERP-Vermögen und zur Änderung des Bundesbankgesetzes stehen mit der Konjunkturvorlage im Zusammenhang. Wer diese zwei Gesetze in dieser Woche nicht verabschieden will, der macht konjunkturpolitisch einen Nagel ohne Kopf. Aber wir wollen eben Nägel mit Köpfen machen, und deshalb wollen wir diese beiden Gesetze auch in dieser Woche verabschieden, damit das ganze überhaupt funktionsfähig gemacht werden kann.
Es stehen noch zwei weitere Vorlagen auf der Tagesordnung: das Gesetz zur Änderung des Mehrwertsteuergesetzes und das Steueränderungsgesetz hinsichtlich der Einkommen- und Körperschaftsteuer. Beide Gesetzentwürfe werfen allerdings für viele Fachleute in allen drei Fraktionen erhebliche Sorgen auf. Es wäre töricht, das zu verschweigen oder übersehen zu wollen. Hinsichtlich der Anhebung des Mehrwertsteuersatzes kann ich persönlich die Bedenken, die ich aus allen Fraktionen höre, besonders gut verstehen. Ich füge hinzu: wenn Abgeordnete dieses Hauses nach gewissenhafter Prüfung und Erörterung zu der Überzeugung kommen, diese Änderung nicht verantworten zu können,
Schmidt ({0})
so sollte jedermann solche Überzeugung achten. Jedenfalls hat meine Fraktion das gestern gegenüber den 19 Kollegen getan, die nach langer Debatte und Auseinandersetzung sich gegen ,die Änderung ausgesprochen haben. Die weit überwiegende Mehrheit ,der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion will aber zustimmen, weil sie sich von der Notwendigkeit dieser Änderung überzeugt hat. Die Konsequenzen des ab 1. Juni nächsten Jahres in Kraft tretenden neuen Steuersatzes sind uns allen, sind dem ganzen Hause aus der Mehrwertsteuerdebatte dieses Frühjahrs noch sehr deutlich. Da ist also durch längeres Liegenlassen nicht zu erwarten, daß wir in dem Punkte miteinander noch klüger würden; die Konsequenzen sehen wir sehr genau.
Was nun die Vorlage hinsichtlich der Änderung der Einkommen- und Körperschaftsteuer angeht, so enthält dieses Gesetz vornehmlich zwei öffentlich umstrittene Punkte. Das ist einmal die dreiprozentige Ergänzungsabgabe auf die Steuerschuld der Bezieher größerer Einkommen. Das Für und Wider ist ebenso völlig klar. Da kann man nur dafür sein, oder man ist dagegen. Weitere Debatten haben dann nur filibusterhaften Effekt. Daß wir, wenn schon durch Steuererhöhungen dazu beigetragen werden muß, die Finanzen des Bundes auf mittlere Sicht auszugleichen, aus Gründen der Gerechtigkeit gerade dieser Änderung zustimmen, ist ebenso klar, ist in diesem Hause seit vielen Monaten bekannt. Wir sind dankbar dafür, daß in diesem Punkt auch andere sich von uns haben überzeugen lassen. Wir könnten diesem Punkt heute schon zustimmen. Aber wir sehen durchaus und geben zu, daß wegen des anderen Streitpunktes in diesem Gesetzentwurf eine sehr sorgfältige und auch zeitraubende Prüfung notwendig ist.
Was die qualitative und quantitative Änderung des Privilegs für Sparkassen, Kreditgenossenschaften usw. angeht, muß ich wirklich sagen, daß ich persönlich das Gefühl habe, .daß die Fachleute in allen drei Fraktionen recht haben, wenn sie uns sagen: das muß erst genau geprüft werden. Die Sparkassen sagen so, die Kreditgenossenschaften sagen so, die Geschäftsbanken sagen so, die Regierung sagt so, und der Bundesrat sagt so. Das ist also nicht von vornherein eindeutig und klar. Das muß geprüft werden. Das ist auch die Absicht. Dazu braucht man also etwas Zeit. Es ist aber auch konjunkturpolitisch und finanzpolitisch nicht unbedingt nötig, .daß das in dieser Woche entschieden wird. Meine persönliche Vorstellung davon ist: wenn die Prüfung dazu führen sollte, daß der von der Regierung vorgeschlagene Satz verändert, z. B. etwa ermäßigt wird, dann kann auch dies nur im Rahmen der festgelegten Finanzvolumina geschehen. Dann muß auch in diesem Punkt ein Ausgleich anderswo gesucht werden. Das ist jedenfalls meine Vorstellung.
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Damit ist das Stichwort schon gefallen für den großen Bereich der sozialpolitischen Ausführungsgesetzgebung, die uns noch bevorsteht, und der verteidigungspolitischen Verwirklichung der Finanzplanung. Beide bedürfen keiner sofortigen Beschlußfassung. In beiden Bereichen sind erhebliche Probleme enthalten. Für beide Bereiche steht ebenso fest - das möchte ich auch für mich und für meine Freunde wiederholen; Herr Barzel hat es auch wiederholt, obwohl es in der gemeinsamen Erklärung, die Herr Junghans verlas, schon enthalten war -, daß hinsichtlich der Einnahmen, der Ausgaben und der Aufteilung auf die Einzelpläne der Gesamtumfang dieser Finanzplanung unsere grundsätzliche Zustimmung findet. Das gilt auch für die Bedarfsgrößen einerseits der Verteidigung, andererseits des sozialen Bereichs. Was diesen letzten Bereich angeht, besteht bei meinen politischen Freunden die Absicht, innerhalb dieses Bereichs alternative Lösungsmöglichkeiten, insbesondere hinsichtlich zweier bisheriger Beschlüsse des Kabinetts, zu suchen; das bezieht sich auf die Knappschaften und auf die Krankenversicherungensbeiträge der Rentner. Wir haben nach wie vor die Vorstellung, daß es hier alternative Lösungsmöglichkeiten gibt, und wir haben nach wie vor den Wunsch, daß wir uns darüber verständigen. Aber wir möchten das eindeutig innerhalb des feststehenden finanziellen Volumens des in Betracht kommenden Einzelplans regeln.
Was die Verteidigungspolitik angeht, bin ich Herrn Dr. Barzel sehr dankbar für den Hinweis, daß dieses Haus die Verpflichtung hat, im Laufe des Herbstes eine ziemlich in die Tiefe gehende verteidigungspolitische Debatte zu führen, die nicht nur in finanzpolitische Zusammenhänge, sondern auch in außenpolitische Zusammenhänge eingebettet sein muß. Wir haben die Verpflichtung, eine solche Debatte hier in beiden Richtungen zu führen. Die Regierung hat die Verpflichtung, ihrerseits bis zu diesem Zeitpunkt die Antworten auf die Fragen der Großen Anfrage aus den Fraktionen zu beschließen, die dieser Debatte das sachliche Fundament geben.
Es ist von allen Seiten hier der Genesungswunsch an Dr. Schröder ausgesprochen worden, dem ich mich ausdrücklich für meine Person noch einmal anschließen möchte. Die Regierung wird es besonders schwer haben in dieser Situation, in der Dr. Schröder sicherlich noch nicht sofort wieder an der ihn persönlich und politisch sehr angehenden Aufgabe mitwirken kann. Ich will dazu nichts weiter sagen außer der Bemerkung: Die sehr kurze aber unüberhörbare Einlassung des Bundesfinanzministers zu diesem Komplex, wenn sie heute von der Regierungsbank aus gemacht werden sollte - ich habe sachlich gar nichts dagegen zu sagen -, hätte ich doch lieber aus dem Munde des Bundeskanzlers gehört. Aber das ist auch keine Kritik am Bundeskanzler; das ist mehr eine Kritik an Herrn Strauß. Ich habe das Gefühl, es hat ihm heute noch niemand zum Geburtstag gratuliert. Er hat aber heute Geburtstag. Wir wollen den Glückwunsch nachträglich dazufügen.
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Meine Damen und Herren, wir sind überzeugt, daß wir in dieser Sondersitzungswoche einige sehr große Schritte zustande bringen, notwendige Schritte in Richtung auf wirtschaftliche Gesundung und auf finanzielle Ordnung in unsrerem Land. Wenn wir
Schmidt ({3})
das alles wirklich zustande bringen, was wir uns für die Woche vorgenommen haben, dann haben wir durchaus Anlaß, darüber Genugtuung zu empfinden, wenn wir auch deshalb wohl noch nicht stolz sein dürfen; denn noch sehr viel mehr liegt vor uns.
Aber mit sehr gutem Gewissen, meine Damen und Herren ganz rechts, treten wir Ihnen als Kritikern entgegen. Wir wissen, daß es zwar sehr spät ist, aber es ist eben noch nicht zu spät. Es wäre sicher besser gewesen, wenn alles das, was jetzt im Jahre 1967 beschlossen wird, neun oder zwölf Monate eher hätte zustande gebracht werden können. Sicher wäre auch Mai 1967 vielleicht für manches besser gewesen als September. Aber September ist unendlich viel besser als Verschieben auf November oder gar auf den Stankt Nimmerleinstag.
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- Ich habe nicht gelesen, daß Sie eine Sondersitzung des Bundestags für Juli beantragt haben. Genau wie ich Ihre ganze - ({5})
- Wenn ich einen Fehler gemacht haben sollte, bitte ich um Entschuldigung. Nur, es hat sich bei mir eben die Überzeugung so stark festgesetzt, der Eindruck so stark gebildet, daß Sie immer reden, aber keine Anträge stellen, daß ich mich in diesem Punkt offensichtlich geirrt habe.
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Das war schon im Frühjahr so. Bitte, Ihr habt noch 48 Stunden Zeit, meine Herren Kollegen, in dieser Woche, bis wir wieder hierher kommen, um die Änderungsanträge, die Sie gern wünschen, zu produzieren. Bitte, da halte ich es mit Herrn Strauß oder mit Herrn Schiller, wir alle sind begierig, uns mit sachlichen, mit formulierten, zur Sache gemeinten Anträgen auseinanderzusetzen. Wir sind allerdings nicht so ganz scharf darauf, immer nur Worte zu wechseln. In dem Zusammenhang meinen sehr herzlichen Dank, daß vier Ihrer Kollegen darauf verzichtet haben, heute abend noch Worte zu machen.
Dieses Haus, und ich nehme an, alle seine 500 Mitglieder, hoffen sehr, daß es nicht so bald erneut unter den gegenwärtig als recht unangenehm empfundenen Zeitdruck gesetzt werde, in dem wir uns im Augenblick befinden. Wir richten diese Erwartung auch an die Bundesregierung. Aber wir wissen ebensosehr, daß dieses Haus als Ganzes - möge die eine Fraktion mehr, die andere weniger, die FDP-Fraktion sicher überhaupt nicht daran beteiligt gewesen sein - an der Gesamtentwicklung der letzten Jahre, die uns nun zu diesem Zeitpunkt geführt hat, keineswegs unschuldig gewesen ist. Ich bin dankbar,. daß jedenfalls der Abgeordnete Haas - wenn ich mit diesem versöhnlich gemeinten Wort an die FDP-Kollegen schließen darf -, der in diesem Punkt sagte, er spräche für die FDP-Fraktion, auch diese Fraktion nicht von dieser Gesamtverantwortung ausgenommen hat.
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Das Wort hat der Abgeordnete Scheel.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Herr Kollege Schmidt hat soeben auf die drängende Zeit hingewiesen, in der wir uns befinden, auf die Notwendigkeit, jetzt unter Zeitdruck zu arbeiten. Er hat dabei geglaubt, die FDP eines Versäumnisses bezichtigen zu können. Ich muß ihn hier berichtigen. Wir waren es, die beantragt hatten, im Juli schon eine Sondersitzung abzuhalten, weil wir das Gefühl hatten, es ist an der Zeit, über diese wichtigen Fragen zu sprechen. Wir befinden uns also heute mit Ihnen, schon etwas verspätet, in voller Übereinstimmung.
Es hat mich überhaupt gefreut, daß die beiden Herren Kollegen, die hier gesprochen haben, vornehmlich aber der Kollege Schmidt, zu dem Programm, das die Bundesregierung vorgelegt hat, in einem gewissen Widerspruch zu den Formulierungen von Herrn Professor Schiller gewisse Alternativmöglichkeiten angedeutet haben. Es gibt also offenbar doch Alternativen zu diesem Programm.
Meine Damen und Herren, wir Freien Demokraten haben heute vielleicht wieder einmal überproportional unsere Redner vor Sie gestellt. Das haben wir nicht etwa deshalb getan, um die Zeit auszufüllen, sondern wir tun es aus einer Sorge - und ich glaube, aus berechtigter Sorge - um das Schicksal unserer Wirtschaft. Wir tun es vielleicht sogar in einer für Sie möglicherweise aufdringlichen Form. Aber das müssen wir, weil wir die einzige Opposition in diesem Hause sind, die alle Argumente hier vorzutragen geradezu die Verpflichtung hat. Sie haben von den Farbtupfen gesprochen, Herr Kollege Schmidt. Das kann sich wohl nur auf die Anzüge beziehen. Ansonsten haben die als farbig bekannten Mitglieder dieses Hauses sich heute ungewöhnlich zurückgehalten unter den milden Nebeln allgemeiner Übereinstimmung innerhalb der Koalitionsfraktionen. Deswegen müssen wir laut und deutlich sogar alle die Argumente hier vor Ihnen ausbreiten - wir haben es getan -, die auch Ihre sind und Ihre und Ihre, aller derjenigen, die unter Ihnen sitzen und die so denken wie wir, es nur verständlicherweise, vielleicht aus einem Solidaritätsgefühl heraus - Solidarität ganz wertfrei, soziologisch gemeint -, jetzt im Augenblick nicht zu sagen wagen oder - ich will noch viel milder sein - nicht sagen mögen.
Wir haben nun vielleicht andere Akzente. Meine Damen und Herren, wenn wir von Wachstum und Stabilität sprechen - da sind wir uns meist generell einig -, kann doch nicht übersehen werden, daß bei Herrn Professor Schiller das Wachstum eine etwas größere Liebe hat als die Stabilität. Bei uns ist es nun eben die Stabilität, die im Vordergrund steht. Es ist gut, daß es hier noch eine Fraktion gibt, die auf den Wert der Stabilität immer wieder hinweist und die darauf hinweist, wie notwendig es ist, an die Spitze allen wirtschaftspolitischen Bemühens den Stabilitätsgedanken zu setzen.
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Herr Professor Schiller hat soeben gesagt - das, glaube ich, wird sogar eintreffen -: Na, ihr lieben Freunde dort, nun stimmt doch zu; denn das geht doch gut, und nachher müßt ihr dann doch zugestimmt haben, wenn es gut geht. Ich glaube, hier muß man etwas differenzieren. Ich habe keinen Zweifel daran, Herr Professor Schiller, daß es einen kurzfristigen Aufschwung geben wird. Ich habe nur Zweifel, ob es langfristig stabil sein wird.
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Das ist der Kern unserer Sorgen, das ist der Grund, warum wir so viele Einzelheiten vorgetragen haben, und das ist der Grund, warum wir uns mit Ihnen - und zwar gar nicht unfreundlich - immer wieder auseinandersetzen müssen. Wir haben .das Gefühl, daß es zur langfristigen Stabilität größerer Anstrengungen und auch eines größeren Maßes an Mut bedarf. Den Mut zu Reformen in der Struktur unseres Haushalts und in der Politik, die diesem Haushalt zugrunde liegt, vermissen wir. Wir haben Ihnen in allen Einzelheiten vorgetragen, warum wir ihn vermissen.
Der Herr Finanzminister hat gesagt: „Ja, welche Wahl hatten wir denn ,bei der Aufstellung dieses Programms? Wir haben uns eben bemüht, ein Mittelmaß zu finden." Nun, ich will das „Mittelmaß" nicht so werten, wie es in der Diskussion schon mal gewertet worden ist, sondern in dem Sinne: „eine mittlere Linie zu finden". Das wollte er sagen: „Wir haben uns bemüht, eine mittlere Linie zu finden." Und darin, meine Damen und Herren, liegt doch die Gefahr der wirtschaftspolitischen Bemühungen 'der sogenannten - ich greife ein Wort von Herrn Emde auf - Großen Koalition. Die Gefahr ist die, daß in diesem großen Verbande der Ausgleich der Bequemlichkeit halber auf dem niedrigsten gemeinsamen Nenner gesucht wird. Was fehlt, und was man vermißt, ist die Richtlinie, nach (der das geschehen soll, nach der Wirtschafts- und Finanzpolitik betrieben werden soll. Es ist hier eine einheitliche Auffassung der Koalitionsfraktionen erreicht worden, aber gerade ,da, wo man gemeinsam auf eine Stufe klettern konnte. Wir sind nun einmal dazu da - ich bitte mir das zu verzeihen -, immer wieder darauf hinzuweisen. Das mag Ihnen unbequem sein. Man hat es sich, glaube ich, zu leicht gemacht, wenn man den Haushaltsausgleich zum großen Teil durch Mehreinnahmen sucht und wenn man die Investitionen über den Geldmarkt finanziert. Denn die Haushaltsmisere aus dem Jahre 1966, die wir immer wieder, auch in dieser Diskussion, so beklagt haben, könnte, wenn mich mein Gespür nicht trügt, leicht im Jahre 1972 wiederkommen. Denn was hier vorgelegt wird, ist ein Flicken bis zum Jahre 1972, und dann erst werden wir sehen, was wir vor uns finden. Wir haben allein in diesem Jahr mit über 8 Milliarden DM Rückzahlungen und Verzinsungen der inzwischen aufgenommenen Verschuldung zu rechnen, mehr als das Doppelte steht uns aus den Jahren 1967 bis 1971 bevor. Ich frage mich: Wie will man dann außerdem noch Politik machen?
Daß wir solche Besorgnisse haben - ich glaube, meine verehrten Damen und Herren, das müssen Sie uns nachsehen.
Der Herr Bundeskanzler hat gesagt, daß dieser mittelfristigen Finanzplanung ein politisches Gesamtkonzept zugrunde liegt. Die beiden Herren Kollegen, die soeben gesprochen haben, haben selber schon darauf hingewiesen, wie nun, ich möchte sagen, ungenau diese Formulierung gewesen sein muß; denn sie haben verlangt, daß wir uns in diesem Jahr über wesentliche politische Fragen, die auch ungewähnliche Haushaltsauswirkungen haben, gemeinsam unterhalten - eben über die Verteidigungspolitik, über ,die Sozialpolitik und die notwendige Strukturwandlung der Sozialpolitik. Das heißt nicht „soziale Demontage" ; es heißt nichts anderes als eine geänderte Struktur, ,die in einem sehr langfristigen Prozeß, ohne den von der Sozialpolitik Begünstigten zu schaden, zum Nutzen von uns allen gesucht werden muß. Beide Herren haben nach der Verkehrspolitik gefragt, nach der Sanierung der Bundesbahn, wobei es sich um Milliardenbeträge handelt. Beide Herren haben vielleicht, ich möchte sagen, etwas freundschaftlicher gefragt, als wir das tun. Das liegt in der Natur der Sache; sie sind die Fraktionsvorsitzenden der beiden Koalitionsfraktionen, wir sind in dieser Bundesrepublik in der Opposition und müssen die Bundesregierung möglicherweise härter fragen, als Sie das - aber immerhin sehr dankenswerterweise - getan haben.
Meine verehrten Damen und Herren, ich glaube es war Herr Kollege - nun, es kann nur Herr Kollege Schmidt gewesen sein, der von den Worten und Taten gesprochen hat. Oder war er es nicht? Dann war es der Herr Kollege Barzel. Normalerweise gehört es in Ihr Repertoire ({2}) .
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- Das ist möglich. Ich jedenfalls war in diesem Augenblick außerstande, Sie zu unterscheiden Herr Dr. Barzel hat also gesagt, man solle hier nicht nur Worte vortragen, sondern man müsse dann auch Taten sehen, und diese Regierung habe nun doch Taten vollbracht. - War es nicht etwa Herr Professor Schiller, der das gesagt hat?
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Sie sehen, wie weit die Gemeinsamkeit jetzt schon geht. Es war in der Tat Herr Professor Schiller. Aber es sei mir erlaubt zu fragen, Herr Professor Schiller: Natürlich besteht die Tätigkeit einer Bundesregierung darin, Taten zu vollbringen. Aber das zeichnet diese Bundesregierung nicht vor den Vorgängerinnen aus und sicherlich auch nicht vor den Nachfolgerinnen, obgleich man ja manchmal das Gefühl hat, daß die Mitglieder der jetzigen Bundesregierung der Meinung sind, Nachfolgerinnen als Bundesregierung oder Nachfolger könne es überhaupt nicht geben.
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Immerhin, Taten muß man von jeder Regierung
erwarten, und die haben die Vorgängerinnen in der
Tat doch auch auf dem Gebiete der WirtschaftsScheel
politik vollbracht. Wir treiben doch seit 1949 in diesem Bundestag Wirtschaftspolitik und haben unter den schwierigsten Bedingungen - viel schwieriger als die des Herbstes 1966 - begonnen, Wirtschaftspolitik zu treiben, in Regierungen, die anders zusammengesetzt gewesen sind und an denen wir manchmal beteiligt waren. Auf jeden Fall haben wir der Wirtschafts- und Finanzpolitik und der Erhaltung der Stabilität unserer Währung immer unser besonderes Augenmerk gewidmet.
Meine Damen und Herren, der Kern der Schwierigkeiten - das ist heute mehrfach betont worden - liegt doch darin, daß wir nicht nur den Haushalt auszugleichen, sondern daß wir in unserem Volk, und zwar bei jedem, nicht nur beim Unternehmer, nicht nur in der Wirtschaft, das Vertrauen in die zukunftskräftige wirtschaftliche Entwicklung wiederherzustellen und zu stärken haben. Ich meine, daß das nur möglich ist, wenn man mit einer langfristigen politischen Konzeption oder, wie der Herr Bundesfinanzminister, glaube ich, bei früherer Gelegenheit einmal sagte, mit einer quantifizierten Reihenfolge des politischen Willens der verantwortlichen Regierungsmitglieder hier auftritt. Das ist bisher immer noch nicht geschehen. Beide Herren haben noch einmal bestätigt, daß man über die politischen Fragen noch zu sprechen habe. Weil man noch nicht mit einer erkennbaren grundsätzlichen Änderung der Struktur unseres Haushalts aufwarten kann - das ist noch nicht der Fall; ich anerkenne Ansätze dazu und anerkenne auch den guten Willen- und weil man noch nicht beweisen kann, daß auch nach 1971 die dann zu erwartenden Einnahmen und die dann zu erwartenden Ausgaben nicht auseinanderklaffen und mit den gleichen Methoden aneinandergebunden werden müssen, die wir im Augenblick ja nach aller Willen nur vorübergehend anwenden wollen , - weil das noch nicht der Fall ist, darum haben wir Sorgen und darum haben wir auch das Gesamtkonzept nicht akzeptiert, obgleich wir, Herr Bundeswirtschaftsminister, den Mitteln, den Instrumenten nicht nur damals zugestimmt haben, sondern auch heute als möglichen Instrumenten sehr wohl zustimmen. Wir haben dem ersten Investitionshaushalt zugestimmt, haben aber daran eine Fülle von Erwartungen geknüpft, die ich jetzt noch einmal angeführt habe. Diese Erwartungen sind nicht erfüllt worden, und ich glaube, die Erwartungen von uns allen über die Wirkungen dieses ersten Investitionshaushalts sind auch nicht erfüllt worden, so daß. wir also in unseren Sorgen bestätigt worden sind.
Sie werden verstehen, daß wir als Opposition beim zweitenmal nicht mehr sagen können: Ja - aber, sondern daß wir beim zweitenmal schon sagen müssen: Nein, wenn sich das nicht ändert! Das ist heute präzise unsere Haltung.
Meine verehrten Damen und Herren, warum ist denn dieses Problem für uns so ungewöhnlich wichtig, wichtiger als für die meisten anderen Nationen? Es ist deswegen so wichtig, weil bei uns die Wirtschaft ein so ungewöhnlich bedeutender Faktor unserer Außenpolitik ist. Die wirtschaftliche Geltung der Bundesrepublik ist doch heute die wesentliche Basis unserer außenpolitischen Möglichkeiten. Das ist nun einmal so, und daher ringen wir ja auch alle - und ich muß sagen: heute gemeinsam - sehr ernst um die Lösung dieser Frage, und darum bemüht sich auch die zahlenmäßig kleine Opposition, ihren Beitrag dazu zu leisten; nicht um Ihnen Ärger zu machen, nicht um der Bundesregierung Ärger zu machen, sondern um das, was wir dazu glauben beitragen zu können, Ihnen mitzuteilen.
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Meine Damen und Herren, die Abgeordneten Dr. Staratzke und Spitzmüller haben Ihre Reden übergeben mit der Bitte, sie zu Protokoll zu nehmen. Ich denke, wir entsprechen dieser Bitte
Wir stehen am Ende der Rednerliste. Wir kommen nunmehr zu der Überweisung der Vorlagen, zunächst der Vorlagen unter Punkt 3 a der Tagesordnung, Finanzplanung. Es ist vorgeschlagen, die Vorlagen an den Haushaltsausschuß zu überweisen. Zur Geschäftsordnung hat das Wort der Herr Kollege Genscher.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich beantrage namens der Fraktion der FDP, diese Vorlagen zur Mitberatung auch an den Wirtschaftsausschuß zu überweisen. Sie alle wissen, daß der mittelfristige Finanzplan volkswirtschaftliche Zielprojektionen zugrunde liegen. Diese sind es wert, im Wirtschaftsaussuß unter wirtschaftspolitischen Gesichtspunkten erörtert zu werden. Ich will hier nicht die Frage anschneiden, ob es eine solche Zielprojektion in der Bundesregierung gibt. Sie wissen, es hat eine öffentliche Auseinandersetzung zwischen Finanzministerium und Wirtschaftsministerium über diese Frage gegeben. Aber ich glaube, allein die Tatsache, daß eine Reihe von Zahlen, die dieser Projektion zugrunde liegen, etwa die Zahlen des Basisjahres 1967, heute nicht mehr zutreffend sind, sollte Veranlassung für die Regierungsparteien sein, diese Frage im Wirtschaftsausschuß zu untersuchen.
Vielleicht wäre im Wirtschaftsausschuß auch die Möglichkeit, die Frage zu prüfen, ob die Bundesregierung diesen ihren Plan durch Alternativrechnungen ergänzen sollte, nämlich für den Fall, daß der wirtschaftliche Aufschwung schneller vor sich geht, als in der mittelfristigen Finanzplanung vorgesehen ist, um durch solche Alternativrechnungen auch den Weg für eine vorzeitige Schuldentilgung aufzuzeigen.
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- Vielleicht hören Sie ein Momentchen zu. Vier unserer Kollegen haben ja schon ihre Wortmeldungen zurückgezogen.
Ich darf darüber hinaus beantragen, diese Vorlagen an die zuständigen Fachausschüsse zu überweisen, und zwar an den Ausschuß für Sozialpolitik, den Ausschuß für Arbeit, den Verkehrsausschuß und den Kriegsfolgenausschuß. Die
Notwendigkeit, diese Vorlagen auch an diese Ausschüsse zu überweisen, ergibt sich aus der Tatsache, daß die für die heutige Debatte angekündigten Gesetzentwürfe der Bundesregierung nicht vorliegen. Wir würden es deshalb gern sehen, wenn die Bundesregierung in diesen Ausschüssen auch vor ihrer Beschlußfassung vom 13. September ihre Konzeption vorlegen kann, damit sie für ihre Finanzplanung in concreto in den zuständigen Ausschüssen eine Unterstützung durch Sie, meine Damen und Herren, erfahren kann. Wir hätten eigentlich erwartet, daß die Bundesregierung dieses unser Anliegen unterstützt; denn sie muß ja ein Interesse daran haben, heute und in den nächsten Tagen nicht nur eine Rahmenzustimmung zu erhalten, sondern genau zu wissen, wie in den Einzelfragen - wo bekanntlich die Probleme liegen und wo ja auch in dieser Debatte die unterschiedlichen Meinungen deutlich geworden sind - die Haltung zumindest der Mehrheit dieses Hauses ist.
Ich bitte Sie gerade angesichts der Bedeutung der Vorlage Drucksache V/2065, unseren Überweisungsanträgen zuzustimmen.
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Das Wort hat der Abgeordnete Rasner zur Geschäftsordnung.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Genscher, der Kollege Ertl wird Ihnen sehr böse sein, daß Sie den Agrarausschuß in der Aufzählung der Fachausschüsse vergessen haben.
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Daß Sie den Finanzausschuß in der langen Reihe der Ausschüsse nicht genannt haben, ist sicher nur ein Versehen.
Herr Kollege Genscher, so geht es nicht. Wir müssen diese Vorlage in etwa so behandeln, wie wir einen Haushalt behandeln, und wir haben in diesem Hause sehr gute Gründe gehabt, daß wir vom ersten Tage an den Haushalt nicht auch den einzelnen Fachausschüssen zur Mitberatung überwiesen haben.
Im übrigen, Herr Kollege Genscher, haben wir das alles im Ältestenrat in großer Breite ausdiskutiert. Ich will den Pflichttanz jetzt nicht verlängern. Ich bitte das Haus, das abzulehnen.
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Das Wort zur Geschäftsordnung wird nicht mehr gewünscht.
Meine Damen und Herren, Einigkeit besteht darüber, daß die Angelegenheit dem Haushaltsausschuß überwiesen wird, falls auch andere beteiligt werden sollten, als dem federführenden Ausschuß. Also ist so beschlossen.
Ich komme nunmehr zu dem Antrag, die Sache dem Wirtschaftsausschuß zur Mitberatung zu überweisen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Mit großer Mehrheit abgelehnt.
Kann ich über die übrigen Anträge gemeinsam abstimmen lassen? - Jawohl. Es ist der Antrag auf Überweisung an den Sozialausschuß, den Arbeitsausschuß, den Verkehrsausschuß und den Kriegsopferausschuß gestellt. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Mit großer Mehrheit abgelehnt.
Ich komme damit zu Punkt 3 b). Das ist das Konjunkturprogramm samt Entschließung des Bundesrates. Der Überweisungsvorschlag des Ältestenrates lautet: Haushaltsausschuß federführend, Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen mitberatend. - Das Wort zur Geschäftsordnung wird nicht gewünscht. Hier besteht Einmütigkeit. Es ist so beschlossen.
Punkt 3 c). Es handelt sich hier um die Änderung des Umsatzsteuergesetzes, Drucksache V/2086. Vorschlag: Finanzausschuß federführend, Haushaltsausschuß mitberatend. Dazu Herr Abgeordneter Genscher.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei der zu erwartenden Haltung des Hauses wollen wir nicht zu jedem einzelnen Punkt zusätzlich Überweisungsanträge stellen. Ich bitte, deshalb nicht Einmütigkeit zu unterstellen, sondern Rationalisierungsgesichtspunkte zu berücksichtigen.
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Ich stelle also fest, daß mit Mehrheit im Sinne des Ältestenrates beschlossen worden ist.
Dann kommt Punkt 3 d), Verwirklichung der mehrjährigen Finanzplanung des Bundes, I. Teil, Zweites Steueränderungsgesetz 1967. Überweisungsvorschlag: Finanzausschuß federführend, Haushaltsausschuß. Ich nehme an, daß hier dasselbe gilt.
Dann kommt 3 e), Finanzierungshilfen aus Mitteln des ERP- Sondervermögens. Vorschlag zur Überweisung: Ausschuß für das Bundesvermögen, Haushaltsausschuß gemäß § 96 der Geschäftsordnung. - Ebenfalls überwiesen.
3 f), Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Deutsche Bundesbank. Vorschlag: Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen federführend, Finanzausschuß mitberatend. - In gleicher Weise überwiesen.
Meine Damen und Herren, wir stehen am Ende der heutigen Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung auf Freitag, den 8. September, 9 Uhr, ein.
Die Sitzung ist geschlossen.